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German Pages 407 [408] Year 2021
Carolin Schäfer „Authority“ in Ordnung und Aufruhr
Ancien Régime Aufklärung und Revolution
Herausgegeben von Rolf Reichardt und Hans-Ulrich Thamer
Band 47
Carolin Schäfer
„Authority“ in Ordnung und Aufruhr Der Autoritätsdiskurs während der Englischen Revolution und des Interregnums
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein.
ISBN 978-3-11-065900-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-065949-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-065964-1 ISSN 2190-295X Library of Congress Control Number: 2020946363 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Portrait of Charles I (1600–1649) c.1632; Daniel Mytens (c.1590–1647); historicalportraits.com [M] Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Vorwort Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Andreas Pečar, ohne dessen Inspiration diese Arbeit nicht entstanden wäre. Er hat mich geduldig auf dem langen Weg von den ersten Entwürfen bis zur fertigen Dissertation begleitet und motivierend und engagiert dafür gesorgt, dass ich besser werde, mehr hinterfrage und die Dinge aus anderen Perspektiven betrachte – ohne je das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Für die vielen Gespräche auf Augenhöhe, die unschätzbaren fachlichen Hinweise und das Vertrauen in mich bin ich ihm zutiefst dankbar. Großer Dank gilt auch Prof. Dr. Damien Tricoire, der sich als Zweitgutachter bereit erklärt hat, meine Arbeit zu betreuen. Ein weiterer Dank gilt allen Teilnehmern an den Kolloquien des Lehrstuhls der Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Halle, in deren Rahmen ich meine Arbeit in ihren unterschiedlichen Entwicklungsstufen vorstellen konnte. Wahrscheinlich ohne es zu wissen, hat mich der eine oder andere auf ganz neue Gedanken gebracht und damit viel zur Komplexität meines Projektes beigetragen. Gleiches gilt für das Kolloquium zur „History of Political Ideas“ des Institute of Historical Research im Wintersemester 2014 in London, dessen Veranstaltungen ich besuchen durfte und das mir die Methoden der Ideengeschichte ganz pragmatisch näher gebracht hat. Ich danke Prof. Dr. Quentin Skinner für das Lunch in der British Library und ein Gespräch, das mich ganz zu Beginn meiner Forschungen nicht nur in der Relevanz meines Themas bestärkt hat, sondern mich an manch düsteren Tagen dazu ermuntert hat, weiterzumachen. All jenen, die mein Manuskript gegengelesen haben und in mühevoller Kleinarbeit alles vom Rechtschreibfehler bis hin zu fachlichen Problemen angemerkt und kritisch kommentiert haben, sei an dieser Stelle gedankt: Helena Knauf, Kathrin Müller, Hauke Heidenreich und Franziska Waßmann. Und schließlich danke ich meiner Familie, ohne die dieses Projekt nicht zu stemmen gewesen wäre. Ganz besonders meinem Ehemann Wilhelm, dessen Geduld und Glauben an mich genau die Art der Unterstützung war, die ich brauchte, um diese Arbeit beenden zu können. Mit Friedrich hast du mir die beste Motivation geschenkt, die man sich denken kann. Carolin Schäfer Sondershausen, den 26. Februar 2021
https://doi.org/10.1515/9783110659498-001
Inhalt Liste der Abkürzungen
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Einleitung
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Methode
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Thomas Hobbes 37 39 Der Autoritätsbegriff bei Hobbes Themenfelder der Argumentation mit „authority“ 41 Staat 41 68 Kirche Öffentliches Leben 95 100 Privatbereich Hobbes’ Autoritätsbegriff und seine antiken Vorläufer 103 Zur Diskrepanz zwischen Macht und Autorität und der 115 Vereinbarkeit von „authority“ mit „potestas“ Der Ratgeber: Autorität als Zuschreibung und personale 134 Qualität Zur Selbstpositionierung Hobbes’ 144 „Leviathan“: Autorität als unautorisierter Sprecher 144 154 Hobbes’ Selbstinszenierung in seinen weiteren Schriften „Authority“ in früheren Schriften 171
. . .. .. . . .. .. . .. .. .. .. .. ..
Zur Verwendung von Autorität vor Hobbes 179 Royal Proclamations 179 191 Rückblick: König Jakob I. Zwischenfazit: „authority“ 202 Der Sprachgebrauch von „authority“ in weiteren Quellen bis 204 1651 204 „Authority“ und „potestas“ – kein englischer Sonderfall „Authority“ in Schriften bis 1642 207 „Authority“ in Schriften ab 1642 212 230 Die Armee – ein Sonderfall? 1649: Das Ende der Monarchie – auch das Ende aller rechtmäßigen Herrschaft? 250 Eikon Basilike vs. Eikonoklastes 256
VIII
.. ..
Inhalt
Der Disput zwischen Richard Hollingworth und Anthony Ascham 280 „Authority“ in der Propaganda des neuen Regimes – der Fall 289 Marchamont Nedham
Zur Intention des „Leviathan“ und Hobbes’ Stellungnahme zu 305 zeitgenössischen politischen Debatten
. .
333 Ausblick – „authority“ im Sprachgebrauch nach 1651 Reaktionen auf Hobbes’ „authority“-Konzept 333 „Authority“ in James Harringtons „Oceana“ 343
Fazit
361
375 Quellen- und Literaturverzeichnis Quellen 375 Handschriftliche Quellen der British Library (BL) Gedruckte Quellen 375 Literatur 383 Index
393
375
Liste der Abkürzungen BL Bodl. Fl. MP MS NDB ODNB SRP TRP
British Library Bodleian Library Floruit; Datum oder Zeit, zu der eine Person lebte und aktiv war (z. B. wenn Geburtsdatum unbekannt) Mercurius Politicus Manuskript Neue Deutsche Biographie Oxford Dictionary of National Biography (online-Ausgabe) Stuart Royal Proclamations Tudor Royal Proclamations
https://doi.org/10.1515/9783110659498-002
1 Einleitung Zu Beginn seines Prozesses vor dem eigens für diesen Zweck neu errichteten High Court of Justice in Westminster Hall stellte Karl I. (1625 – 1649), König von England und in Folge zweier Bürgerkriege des Hochverrats Angeklagter, folgende Frage: „I would know by what power I am called hither […] I would know by what Authority, I mean, lawful; there are many unlawful Authorities in the World […] therefore let me know by what Authority I am seated here & I shall not be unwilling to answer, in the mean time I shall not betray my Trust. I have a Trust committed to me by God, by old and lawful descent, I will not betray it to answer to a new unlawful Authority, therefore resolve me that, and you shall hear more of me.“¹
Karl I. verzichtete während der gesamten Dauer des Prozesses auf eine Stellungnahme zu den gegen ihn vorgebrachten Anschuldigungen, er verteidigte sich nie aktiv gegen die Kläger, sondern stellte beharrlich immer wieder die eine Frage nach der „authority“ des versammelten Gerichts. Die Antwort der Richter, sie seien die Vertreter des Volkes und hätten in dieser Funktion eine ausreichende „authority“, um den König zu richten, tat Karl I. ab. Stattdessen beharrt der StuartMonarch auf einen Nachweis dieser angemaßten „authority“ des Gerichts, das seine Kompetenz entweder direkt von Gott, also aus der Bibel, oder aus der Verfassung bzw. den Gesetzen des Reiches ableiten müsse.² Die strikte Weigerung Karls I., die politischen Realitäten des Jahres 1649 anzuerkennen, kann einerseits als das letzte Mittel eines unter der Anklage des Hochverrats stehenden Monarchen betrachtet werden, seine Würde zu wahren. Welche Möglichkeiten blieben ihm angesichts eines Gerichts, welches allein für den Zweck geschaffen wurde, seinem Todesurteil einen legalen Anstrich zu geben? Andererseits würde eine solche Betrachtung eines sträflich vernachlässigen: die Argumentation mit „authority“ als einem wesentlichen, sinnstiftenden Muster der politischen Debatte im England der 1640er Jahre und darüber hinaus als einem Identifikationsmerkmal der monarchischen Herrschaft schon lange vor dem Ausbruch der Bürgerkriege. Das Schicksal Karls I. war dessen ungeachtet besiegelt: Er wurde am 30. Januar 1649 vor dem Banqueting House in London hingerichtet – eine Zäsur in der englischen Geschichte und zugleich ein absoluter Präzedenzfall. Nie war ein von Gottes Gnaden gesalbter König von seinem Volk zum Tode verurteilt und öffentlich hingerichtet worden. Die dieser Gewalttat folgenden, strukturellen Umwäl-
King Charles his tryal at the High Court of Justice in Westminster Hall, veröffentlicht von J. Playford, London 1655, S. 10 f. Ebd., S. 12. https://doi.org/10.1515/9783110659498-003
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zungen der staatlichen Verfasstheit – die formelle Abschaffung der Monarchie und des Oberhauses am 17. März 1649 und die am 19. Mai folgende Gründung des „Commonwealth of England“ durch einen Parlamentsakt – schufen in schneller Folge Tatsachen, deren Grundlagen und Legitimation vakant waren. So beschrieb George Lawson (1598 – 1678) die darauf folgenden, politischen Wirren noch 1657 wie folgt: „And herein few of our ordinary Histories can help us; because they relate onely unto us matter of fact, how sometimes the King, sometimes the Barons, sometimes the Commons were ascendant and predominant, as now they all seem to be descendant.“³ Mit der Übernahme der Herrschaft durch das gesäuberte Unterhaus, das sogenannte Rumpfparlament (Rump), wurden verschiedene Gelehrte offiziell mit der Verteidigung und Legitimierung des neuen Regimes beauftragt, unter ihnen bekannte Autoren wie John Milton (1608 – 1674) und Marchamont Nedham (1620 – 1678), die beide an zentralen Stellen ebenfalls mit „authority“ argumentierten. Während ersterer vor allem mit dem, in dem kurz nach der Hinrichtung Karls I. veröffentlichten Werk „Eikon Basilike“ begründeten Mythos des königlichen Märtyrers aufräumen sollte⁴, fungierte das von Nedham herausgegebene Nachrichtenblatt „Mercurius Politicus“ als eine Art Erziehungsschrift für eine breitere Leserschaft. Die realpolitischen Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit wurden beschrieben und erklärt, was den Bürgern nicht nur zu einem besseren Verständnis des Geschehenen verhelfen sollte, sondern dem Rump maßgeblich Legitimität stiften sollte. Auch andere Autoren publizierten für diesen Zweck, unter anderem John Hall (1627– 1656), der verstärkt auf presbyterianische Schriften antwortete und auch gegen die Leveller argumentierte, John Cane (1608 – 1672), Anthony Ascham (um 1614– 1650), Thomas May (1595 – 1650), Andrew Marvell (1621– 1678), Henry Marten (1602 – 1680) und George Wither (1588 – 1667).⁵ Zwar gab es in der Zeit nach der Hinrichtung des Königs auch kritische Stimmen, etwa die der eingeschworenen Royalisten, die den usurpatorischen Charakter des neuen Regimes betonten und zu einer Rückkehr zur alten Ordnung aufriefen, unter ihnen z. B. Richard Hollingworth (1607– 1656). Die Kritik am Rump wurde jedoch durch eine verschärfte Zensur und durch Kontrollen unterdrückt,
Lawson, George, An Examination of the Political Part of Mr Hobbes his Leviathan, London 1657, S. 134. Vgl. Milton, John, Eikonoklastes, in Answer to a Book intitl’d Eikon Basilike The Portrature of His sacred Majesty in his Solitudes and Sufferings, London 1649. (siehe 4.2.6). Vgl. Capp, Bernard S., England’s Culture Wars: puritan reformation and its enemies in the interregnum 1649 – 1660, Oxford 2012, S. 59, 63. Norbrook, Writing, S. 82, 103 ff., 187, 225 ff.
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die vom „Licensing Act“ vom September 1649 autorisiert waren.⁶ Auffällig ist, dass viele der genannten Autoren ihre politischen Anschauungen eng mit dem Konzept der „authority“ verbanden bzw. sich zu diesem äußerten. Kann dies mit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten politischen Gruppierung erklärt werden? Eine der bedeutendsten Gruppen dieser Zeit waren die Republikaner, der neben Thomas Chaloner (1595 – 1661), Henry Neville (1620 – 1694) und Algernon Sidney (1623 – 1683) besonders John Milton als klassischer Vertreter zugerechnet wird.⁷ Die Definition davon, was zu dieser Zeit ein Republikaner ist, gestaltet sich jedoch keineswegs unproblematisch. Denn das Phänomen des englischen Republikanismus der Mitte des 17. Jahrhunderts ist von der Forschung ganz unterschiedlich bewertet worden.Während ältere Forschungsmeinungen die Konjunktur von republikanischen Themen in der zeitgenössischen Diskussion erst nach dem offensichtlichen Scheitern der Monarchie als Regierungsform, im Grunde also als Reflex auf das politische Zeitgeschehen von 1649, verorten⁸, zeichnete sich mit dem sogenannten republikanischen Revisionismus unter der Führung J.G.A. Pococks ein grundlegender Wandel ab. Ein bürgerlicher Republikanismus existierte ihm zufolge bereits vor dem Ausbruch der Bürgerkriege in England. Abgeleitet von den klassischen Autoren der Antike und der italienischen Renaissance, allen voran Niccolò Machiavelli, verbreiteten sich, so Pocock, Ideen über die bürgerliche Tugend, die sich durch aktives, politisches Handeln des Bürgers und seiner damit gesicherten Partizipation am Gemeinwesen manifestierte. Diese „Atlantic republican tradition“ konnte ihre volle Wirkung dann durch die Veränderung des politischen Klimas in der Mitte des 17. Jahrhunderts entfalten.⁹ Im Anschluss daran existiert seit den 1950-er Jahren eine intensiv geführte
Auch die neuen Machthaber wussten um die Bedeutung der Kontrolle über den Inhalt und die Verbreitung von Nachrichten. Braddick resümiert dieses Prinzip bereits für die 1640er Jahre wie folgt: „Print itself represented a kind of authority, of course, and this new form of authority was to become a major feature of the politics of the 1640s, and most politicians on both sides during that decade were anxious to re-establish control over print.“ Braddick, Michael J., State formation and political culture in Elizabethan and Stuart England. Micro-histories and macro-historical change, in: Staatsbildung als kultureller Prozess. Strukturwandel und Legitimation von Herrschaft in der Frühen Neuzeit, hg.v. Ronald G. Asch, Dagmar Freist, Köln 2005, S. 69 – 90, hier S. 80. Vgl. Wordon, Classical Republicanism, S. 184. Vgl. Peltonen, Classical Humanism, S. 1. Vgl. Pocock, John G.A., The Machiavellian moment. Florentine political thought and the Atlantic republican tradition, 2. Aufl., Princeton 2003. Ders., The State of the Art, in: Virtue, Commerce and History. Essays on Political Thought and History, Chiefly in the Eighteenth Century, Cambridge 1985, S. 1– 34. Ders., Autorität und Eigentum. Die Frage nach den liberalen Ursprüngen, in: Die andere Bürgergesellschaft. Zur Dialektik von Tugend und Korruption, Frankfurt/M., New York, Paris 1993, S. 97– 133. Ders. (Hg.), The Varieties of British Political Thought, 1500 – 1800,
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Forschungsdebatte zu den Themen Bürgerhumanismus und Republikanismus, zu deren bekanntesten Teilnehmern u. a. Quentin Skinner, Conrad Russell und Kevin Sharpe zählen.¹⁰ Besonders die Bedeutung der Verfassungstheorie, deren Vertreter zunehmend eine Verfassungsreform hin zu einer limitierten bzw. gemischten Form der Monarchie forderten, sind für das Verständnis des englischen Republikanimus grundlegend. Auch der Humanismus des ausgehenden 14. und besonders während seiner englischen Blütezeit zu Beginn des 16. Jahrhunderts ist als Vorläufer des Republikanismus zu erwähnen, denn hier entlehnte man nicht nur zentrale Ideen, sondern auch das Vokabular – Mitte des 17. Jahrhunderts konnte man somit auf einen Fundus an bekannten Schlagwörtern zurückgreifen, die in der öffentlichen Debatte verstanden wurden und, so z. B. Markku Peltonen, wesentlich dazu beitrugen, ein bürgerliches Bewusstsein zu entwickeln.¹¹ Dass auch „authority“ ein Teil dieses Vokabulars sein könnte, wurde von der Forschung zwar bereits angenommen, eine systematische Untersuchung fehlte bislang jedoch.¹² Aufgrund der engen inhaltlichen Anbindung vieler englischer Autoren der Mitte des 17. Jahrhunderts an Quellen vor allem der römischen Antike wurden sie von der Forschung als klassische Republikaner bzw. „Neo-Romans“ bezeichnet. Aber auch diese Definition ist umstritten, denn im Gegensatz zu Pocock, der die Kontinuität des klassischen Republikanismus proklamiert, weisen Historiker wie
Cambridge 1994. Ders., The Ancient constitution and the Feudal Law. English Historical Thought in the 17th Century, New York 1957, 2. Aufl. Cambridge 1987. Skinner, Quentin, Liberty before Liberalism, Cambridge 1998. Ders., Classical Liberty and the Coming of the English Civil War, in: ders., Martin van Gelderen (Hgg.), Republicanism. A Shared European Heritage, 2 Bde., Cambridge 2002, S. 9 – 28. Ders., The Renaissance. The foundations of modern political thought, Vol. 1, Cambridge 2002. Ders., Hobbes and republican liberty, Cambridge 2008. Ders., History and Ideology in the English Revolution, Historical Journal 8 (1965), S. 155 – 178. Ders., N. Phillipson (Hgg.), Political Discourse in Early Modern Britain, Cambridge 1993. Russell, Conrad, Parliaments and English Politics 1621– 1629, Oxford 1979. Sharpe, K. M. (Hg.), Remapping early modern England, The culture of seventeenth-century politics, Cambridge 2000. Ders., Image wars. Promoting kings and commonwealths in England 1603 – 1660, New Haven 2010. Ders., Reading Revolutions. The Politics of Reading in Early Modern England, New Haven, London 2000. Vgl. Peltonen, Classical Humanism. Wordon, Republicanism, S. 6, 310. Pocock nennt Autorität zusammen mit anderen Termini (Recht,Verpflichtung, Besitz,Wissen), die den zeitgenössischen Diskurs ordnen sollten. Indem man Begriffe verwandte, die eine klare Definition hatten bzw. mit ihnen in einer ganz bestimmten Weise argumentierte, sicherte man sich das Verständnis der Rezipienten. Vgl. Pocock, J.G.A., Introduction. Harrington’s life and writings, in: Harrington. The Commonwealth of Oceana and A System of Politics, hg.v. dems., (Cambridge Texts in the History of Political Thought), 6. Aufl., Cambridge 2008, XI f. Ähnlich auch Peltonen, Classical Humanism, S. 4.
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Quentin Skinner, Blair Wordon und Paul Rahe gerade auf den Bruch hin, der durch Machiavellis Perspektivenwechsel betreffend der moralischen Werte (insbesondere des Tugendbegriffes) ausgelöst wurde.¹³ Auch Markku Peltonen, David Norbrook und Blair Wordon attestieren der klassischen, römischen Republik zwar einen Einfluss auf das englische Denken, betonen aber zugleich dessen Grenzen: Insbesondere vor dem Bürgerkrieg habe es in England keine genuin republikanische Bewegung gegeben, auch wenn es freilich viele Zeichen für einen Anstieg der Beschäftigung der Zeitgenossen mit republikanischen Themen gab.¹⁴ Einen anderen Schwerpunkt legt Smith, der bereits vor 1649 eine republikanische Tradition nachweisen will.¹⁵ Auch in dieser Hinsicht kann die Beschäftigung mit dem Begriff der „authority“ in den politischen Traktaten der Zeit einen Beitrag leisten. Vergegenwärtigt man sich den besonderen Stellenwert der auctoritas als eines der zentralen Versatzstücke der Verfassung der Römischen Republik, gepaart mit der Antikenrezeption, die den englischen Autoren der Bürgerkriegszeit bzw. des Interregnums attestiert wurde, so kann die Untersuchung des zeitgenössischen „authority“-Konzeptes einen Beitrag zur Bewertung der Autoren als „Neo-Romans“ leisten.
Vgl. Skinner, The Renaissance. Ders., Hobbes and republican liberty. Ders., Freiheit und Pflicht: Thomas Hobbes’ politische Theorie. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2005, Frankfurt a. M. 2005. Ders., Machiavelli zur Einführung (SOAK-Einführungen, 40), Hamburg 1988. Wordon, Blair, English Republicanism. Ders., Classical Republicanism and the Puritan Revolution, in: History and Imagination. Essays in Honour of H. R. Trevor Roper, London 1981, S. 182– 200. Ders., Republicanism, Regicide and the Republic: The English Experience, in: Republicanism. A Shared European Heritage, Bd. 1, Republicanism and Constitutionalism in Early Modern Europe, hg.v. Martin van Gelderen, Quentin Skinner, Cambridge 2002, S. 307– 327. Rahe, Paul A., Against Throne and Altar. Machiavelli and Political Theory under the English Republic, Cambridge 2008. Ders., Antiquity Surpassed: The Repudiation of Classical Republicanism, in: David Wooton (Hg.), Republicanism, Liberty and Commercial Society 1649 – 1776, Stanford (Cal.) 1994, S. 233 – 269. Zum Vergleich zwischen klassischem und modernem Republikanismus siehe auch Scott, Jonathan, Classical Republicanism in Seventeenth-century England and the Netherlands, in: Republicanism. A Shared European Heritage, Bd. 1, Republicanism and Constitutionalism in Early Modern Europe, hg.v. Martin van Gelderen, Quentin Skinner, Cambridge 2002, S. 61– 81, hier S. 65 f. Vgl.Wordon, Blair, Marchamont Nedham and the Beginnings of English Republicanism 1649 – 1656, in: David Wooton (Hg.), Republicanism, Liberty and Commercial Society 1649. 1776, Stanford (Cal.) 1994, S. 45 – 81, hier S. 48 ff. Ders., Republicanism, S. 309. Norbrook, Writing. Peltonen, Classical Humanism, S. 7. Dazu dienen ihm hauptsächlich zwei Schriften: „Areopagitica“ von 1644 und „Vox plebis, Or, The people’s Out-cry“ von 1646.Vgl. Smith, Nigel, Literature & Revolution in England, 1649 – 1660, New Haven 1994.
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Denn neben den Fragen nach dem Beginn der republikanischen Bewegung und ihren Wurzeln steht auch ganz allgemein ihr Inhalt zur Disposition: Was ist Republikanismus Mitte des 17. Jahrhunderts in England und wer ist zu dieser Zeit ein Republikaner? Während Pocock unter Republikanismus das Handeln politisch engagierter, tugendhafter Bürger versteht, assoziiert Skinner damit ganz allgemein die Verbundenheit mit der Idee einer königslosen Herrschaft.¹⁶ Andere Historiker setzten andere Schwerpunkte für die Definition des zeitgenössischen Republikanismus, so sind für Peltonen neben der Überzeugung, eine Republik setze am besten die Meritokratie um, die Verehrung für die gemischte Regierungsform und besonders die Bevorzugung der Wahl des Herrschers vor dem traditionellen Erbrecht der Monarchie die zentralen Gedanken des Republikanismus.¹⁷ Anhand dieser wenigen Beispiele wird deutlich, dass es zwischen den Autoren des englischen Interregnums bedeutende Unterschiede gegeben haben muss, um eine derart unterschiedliche Gewichtung verschiedener Argumente in der Forschung hervorzurufen. In diesem Sinn verwundert es kaum, dass Historiker für diese Zeit nicht von einem geschlossenen politischen Lager oder einem festen Programm ausgehen, sondern den englischen Republikanismus des 17. Jahrhunderts häufig eher als eine gemeinsame Sprache verstehen.¹⁸ Der Einfluss der klassischen Republikaner war während der Regierungszeit des Rump zwischen 1649 und 1653 am größten. Mit der Übernahme der Herrschaft durch Oliver Cromwell (1599 – 1658) änderte sich jedoch die politische Konstellation. Die Pressekontrollen verschärften sich aufgrund des Spionagegesetzes nochmals, auch in Folge von royalistischen Aufständen und Verschwörungen. Der vormals republikanische Autor Marchamont Nedham, der auch während des Protektorats der Herausgeber eines der beiden einzig verbliebenen Nachrichtenblätter war, fand sich auch mit dieser neuen Situation gut zurecht. Einer der einflussreichsten neorömischen Autoren des Interregnums war James Harrington (1611– 1677), der mit der Gesellschaftsutopie „The Commonwealth of Oceana“ sein republikanisches Hauptwerk 1656 während der Blütezeit des Protektorats veröffentlichte. Harrington war ein vehementer Verfechter der gemischten Verfassung und lieferte mit der „Oceana“, in der er sich grundlegend mit konstitutionellen Strukturen beschäftigte, das theoretische Fundament für eine funktionierende, republikanische Regierung.¹⁹ Wenngleich die „Oceana“ eine
Vgl. Pocock, Machiavellian Moment, S. 380 ff. Skinner, Quentin, The Foundations of Modern Political Thought, Bd. 1: The Renaissance, Cambridge 1978, S. 79 ff. Vgl. Peltonen, Classical Humanism, S. 308 f. Vgl. Grundlegend auch Wordon, Republicanism. Vgl. Wordon, English Republicanism, S. 447. Harrington, James, The Commonwealth of Oceana and A System of Politics, hg.v. J.G.A. Pocock, 6. Aufl., Cambridge u. a. 2008.
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idealisierte Gesellschaftutopie darstellt²⁰, sind die dem politischen System und der generellen Auffassung über die Gesellschaft zugrundeliegenden Konzepte einzigartig in ihrer Vorreiterrolle bei der Umdeutung der bis dahin geäußerten, republikanischen Grundsätze und ihrer Anpassung an die jüngsten, politischen Entwicklungen – die Übernahme der Herrschaft durch den Lord Protektor Oliver Cromwell 1653.²¹ Harrington favorisierte eine in zwei Kammern geteilte Legislative, die Beratung und Entscheidung strikt voneinander trennt. Zudem soll es einen ausführenden Magistrat geben – eine Struktur, die deutlich an das Vorbild der antiken Römischen Republik angelehnt ist. Wenn man bei den zuvor genannten Autoren von einer häufigen Nutzung von „authority“ an wichtigen Stellen ihrer Argumentation reden kann, so greift eine solche Feststellung für Harrington zu kurz. Denn er bediente sich in einzigartiger Weise des antiken Konzepts der auctoritas und gab dem gesamten „authority“-Diskurs damit eine völlig neue Wendung. Platz für einen Militärdiktator gab es in seinem Verfassungsentwurf allerdings nicht, weswegen Harrington Cromwell indirekt dazu aufforderte, seinen Posten freiwillig zu räumen. In der politischen Realität wurde dieser Appell Harringtons nicht umgesetzt; Oliver Cromwell blieb bis zu seinem Tod 1658 Lord Protektor. Ihm folgte sein weniger befähigter Sohn Richard Cromwell (1626 – 1712) nach, unter dem das Protektorat schnell instabil wurde und schließlich zugunsten einer Restauration der Monarchie aufgelöst wurde. Der Zeitraum zwischen dem Tod Oliver Cromwells und der Restauration bot für die Verfechter einer parlamentarischen Regierung und die Kritiker am Protektorat eine letzte Möglichkeit, die politischen Verhältnisse in ihrem Sinn zu gestalten. Für einen kurzen Zeitraum ist eine Aufbruchstimmung in den Schriften der Republikaner spürbar, so z. B. in James Harringtons „The art of law-giving“ von 1659²² oder John Miltons „The readie &
Vgl. Hierzu Davies, J.C., „de te Fabula narratur“: The Narrative Constitutionalism of Harrington’s Oceana, in: The Nature of the English Revolution Revisited, hg.v. Stephen Taylor, Grant Tapsell, Woodbridge 2013, S. 151– 174. Vgl. Wootton, David, Introduction. The Republican Tradition: From Commonwealth to Common Sense, in: Republicanism, Liberty, and Commercial Society, 1649 – 1776, hg.v. David Wootton, Stanford 1994, S. 1– 41, hier S. 19. Harrington, James, The art of law-giving: . in III books. The first, shewing the foundations and superstructures of all the kinds of government. The second shewing the frames of the commonwealths of Israel and of the Jewes. The third, shewing a model fitted unto the present state, or balance of this nation. To which is added an appendix concerning an House of Peers, London 1659. Harrington gründete in dieser Zeit auch den Debattierclub „Rota“, in dem sich über die künftige Verfassung Englands ausgetauscht wurde. Vgl. Wordon, English Republicanism, S. 450. Norbrook, Writing, S. 379, 386.
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easie way“ von 1660.²³ Schnell wurde jedoch klar, dass die Bestrebungen zur Errichtung einer neuen Republik nicht von Erfolg gekrönt sein würden. Im Falle einer Restauration der Monarchie, die 1659 immer wahrscheinlicher wurde, befürchteten viele Republikaner einen Rachefeldzug der Stuarts und tauchten unter oder zogen sich zumindest von der öffentlichen, politischen Bühne zurück. Ein Autor, der, obwohl er häufig als Royalist bezeichnet wurde, mit der Restauration ebenfalls in eine ungewisse Zukunft blickte, war Thomas Hobbes (1588 – 1679). Sein Hauptwerk „Leviathan“ wurde zwar einerseits als Verteidigung eines absoluten Königtums gelesen, zugleich vor dem Hintergrund der Veröffentlichungssituation von 1651 und seiner Rückkehr aus dem französischen Exil als Plädoyer für die Unterordnung unter die de facto bestehende Regierung des Rump bzw. später des Protektorats interpretiert.²⁴ Tatsache ist, dass Hobbes’ Philosophie aus fast allen Richtungen heftig kritisiert wurde: von Royalisten, wie dem Hardliner Sir Robert Filmer (1588 – 1653) und Edward Hyde (1609 – 1674), der Hobbes’ ausgewiesener Gegner am Exilhof Karls II. war; von Vertretern der Geistlichkeit, wie John Bramhall (1594– 1663) und George Lawson; von Republikanern, unter ihnen auch Marchamont Nedham und James Harrington; von konservativen Intellektuellen wie Alexander Ross (1591– 1654) sowie später von Mitgliedern der Universitäten, wie John Wallis (1616 – 1703) und Seth Ward (1617– 1689) – um nur einige wenige zu nennen.²⁵ Besonders Harrington wurde lange als klassischer Gegenpol zu Hobbes gesehen²⁶, in der neueren Forschung werden jedoch zunehmend die Parallelen zwischen den beiden Autoren herausgearbeitet.²⁷ Diese Trendwende, die Hobbes nicht mehr von seinen Zeitgenossen isoliert sieht, sondern in Traditionszusammenhänge einordnet und stärker mit anderen Autoren innerhalb der zeitgenössischen Debatte vernetzt, bezeichnete Fetscher
Milton, John, The readie & easie way to establish a Free Commonwealth, and the excellence therof compar’d with the inconveniences and dangers of readmitting kingship in this nation, London 1660. Vgl. Sommerville, Johann, Lofty Science and local politics, in: The Cambridge Companion to Hobbes’ Leviathan, hg.v. P. Springborg, Cambridge 2007, S. 246 – 273, hier S. 247, 260. Vgl. Fetscher, Iring, Einleitung, in: Hobbes, Thomas, Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates, hg. und eingel. v. Iring Fetcher, 4. Aufl., Frankfurt a. M. 1991, S. IX–LXVI, hier LVIII f. Mintz, Samuel, The Hunting of Leviathan, Cambridge 1970, S. 157– 160. Malcolm, Noel (Hg.), Editorial Introduction (Thomas Hobbes, Leviathan, 3 Bde., hier Bd. 1), Oxford 2012, S. 146 ff. Z. B. durch Wordon, English Republicanism, S. 450. Ders., James Harrington, S. 91. So z. B. bezogen auf die Kritik beider am Anspruch der Geistlichkeit, sich eine unabhängige spirituelle Autorität anzumaßen, durch Pocock, Machiavellian Moment, S. 398. Rahe attestiert dem Republikanismus Harringtons sogar Hobbessche Züge. Vgl. Rahe, Against Throne and Altar, S. 321 ff. Scott, Classical Republicanism, S. 75.
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als „moderne Hobbes-Renaissance“.²⁸ Neben allen Vorbehalten, die Fetscher gegenüber dem modernen Zugriff auf Hobbes und einer möglichen Ideologisierung des Stoffes anbringt, ist eine stärkere Kontextualisierung Hobbes’ durchaus vielversprechend, worauf auch Quentin Skinner hingewiesen hat.²⁹ Dies gilt in besonderer Weise auch für das Kernthema der vorliegenden Arbeit: Die Frage nach der Argumentation mit „authority“, die bei Hobbes, so eine zentrale These dieser Untersuchung, das grundlegende Muster seines Staatskonzepts darstellt. Mit „authority“ beschreibt Hobbes nicht nur die umfassende Kompetenz des Souveräns, sondern er baut die gesamte politische und religiöse Ordnung auf ihr auf, wie im Kapitel 3 zu zeigen sein wird. Dass der „authority“ bei Hobbes bislang nicht mehr Aufmerksamkeit zuteil wurde, verwundert angesichts der reichen Literatur zu dem Philosophen aus Malmesbury.³⁰ Häufig wird er als Advokat einer unumschränkten, königlichen Macht auch von der Forschung den Absolutisten zugeordnet.³¹ Neuere For-
Fetscher, Einleitung, LXII ff. Fetscher warnt jedoch vor der Instrumentalisierung bzw. Ideologisierung des Stoffes. Die „Hobbes-Renaissance“ sei erst durch die Erkenntnis, dass die traditionelle Locke’sche und liberale politische Philosophie nicht mehr der modernen Realität des britischen Regierungssystems entspricht, ausgelöst wurden. Hintergrund waren die zunehmende Bürokratisierung des Staates und der stärkere Eingriff in vormals autonome Bereiche der individuellen Tätigkeit. Der Reiz der Hobbes-Lektüre lag in seiner Begründung der modernen Gehorsamsverpflichtung der Bürger auch gegenüber einem sich verändernden, stärker in den Privatbereich eingreifenden Staat. Skinner, Quentin, Reason and Rhetoric in the Philosophy of Hobbes, Cambridge 1996, S. 7. U. a. Malcolm, Introduction. Ders., Hobbes and Spinoza, in: The Cambride History of Political Thought 1450 – 1700, hg.v. J.H. Burns, Cambridge 1991, S. 530 – 557. Skinner, Reason. Ders., Vision of Politics, Bd. 1: Regarding Method, Cambridge 2002. Ders., Freiheit und Pflicht. Ders., Foundations. Guy, John, The Rhetoric of Counsel in Early Modern England, in: Dale Hoak (Hg.), Tudor Political Culture, Cambridge 1995, S. 292– 310. Springborg, Patricia (Hg.), The Cambridge Companion to Hobbes’ Leviathan, Cambridge 2007. Fetscher, Einleitung. Metzger, Hans-Dieter, Thomas Hobbes und die Englische Revolution 1640 – 1660, Stuttgart 1991. Braddick, State formation. Probst, Siegmund, Infinity and creation: the origin of the controversy between Thomas Hobbes and the Savilian professors Seth Ward and John Wallis, in: The British journal for the history of science, 26/3/90 (1993), S. 271– 279. Goldie, Mark, The reception of Hobbes, in: The Cambridge History of Political Thought 1450 – 1700, hg.v. J.H. Burns, Cambridge 1991, S. 589 – 615. Z. B. nennt Sommerville Hobbes einen „trenchant absolutists“ und erwähnt ihn in einem Atemzug mit Robert Filmer. Vgl. Sommerville, Johann P., Royalists and Patriots. Politics and Ideology in England 1603 – 1640, New York 1999, S. 249. Eine diversifiziertere Einschätzung zu den Royalisten und der Rolle Hobbes gibt Sommerville in: Lofty Science, S. 246– 273. Brandon, Eric, The Coherence of Hobbes’s Leviathan. Civil and Religious Authority Combined, London, New York 2007, S. 2. Asch, Ronald G., Von der „monarchischen Republik“ zum Gottesgnadentum? Monarchie und politische Theologie in England von Elisabeth I. zu Karl I., in: L. Schorn-Schütte
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schungen stellen diese verbreitete Bewertung in Frage. So beschrieb z. B. Collins Hobbes’ Distanzierung vom Royalismus gegen Ende der 1640er Jahre und wertet den „Leviathan“ sowie die Rückkehr aus dem Exil als gezielte, politische Geste.³² Und auch Paul Rahe beschreibt den Royalismus Hobbes’ als provisorisch und der republikanischen Revision ausgesetzt. Die Rückkehr in sein Heimatland sei eine aktive Unterstützung für das Rump und seinen politischen Führer Oliver Cromwell gewesen.³³ Der Untersuchung des „authority“-Konzeptes bei Hobbes wurde jedoch in der Forschung kaum Rechnung getragen. Dies ist nicht nur aufgrund seiner starken Gewichtung innerhalb der gesamten politischen Philosophie Hobbes’ verwunderlich, sondern auch gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um die politische Ausrichtung bzw. Gefolgschaft Hobbes’. Denn eine systematische Auseinandersetzung mit Hobbes’ „authority“-Begriff, seinem Einsatz in verschiedenen Diskurszusammenhängen und dem Rückbezug auf traditionelle Deutungsmuster kann auch einen Beitrag zur Lösung der Frage leisten, wie Hobbes der Regierung des Rump bzw. des Protektorats gegenüberstand (siehe Kap. 3 und 5). Zwar fehlt es bislang an Arbeiten, die die „authority“ bei Hobbes beleuchten und den Begriff im Spannungsfeld der überaus regen zeitgenössischen, politischen Diskussion verorten, es gab jedoch vereinzelt bereits Hinweise auf die mögliche Bedeutung der Argumentation mit „authority“, auch wenn es bislang nicht zur Feststellung eines Forschungsdesiderates gekommen ist. So stellte z. B. Daniel Eggers bei der Analyse von Hobbes’ Naturzustandstheorie fest, dass „die Einbeziehung der Konzepte der Autorisierung und der Repräsentation […] der Hobbesschen Darstellung zu größerer Konsistenz“ verhelfen.³⁴ Zugleich kritisiert er Hobbes, denn der Begriff der Autorisierung bleibe, so Eggers, auf eine metaphorische Ebene beschränkt, ohne dass der rechtliche Status näher bestimmt werden würde. Damit bliebe offen, ob die Bürger ein aus einem Vertrag resultierendes Pflichtverhältnis gegenüber ihrem Souverän haben. Eggers erkennt zwar die Bedeutung des von der „authority“ abgeleiteten Konzepts der Autorisierung, er missinterpretiert jedoch seine Tragweite. Die Autorisierung ist keine „notwendige Fiktion“³⁵, wie etwa der covenant aller Bürger miteinander, sondern ein in der politischen Alltagspraxis erprobtes und belastbares Argument souveräner Herrschaft. Ohne einen systematischen Zugriff auf Hobbes’ „authority“-Konzept
(Hg.), Aspekte der politischen Kommunikation im Europa des 16. Und 17. Jahrhunderts. Politische Theologie, Res Publica, Verständnis, konsensgestützte Herrschaft, München 2004, S. 123 – 148. Vgl. Collins, Jeffrey R., The Allegiance of Thomas Hobbes, Oxford, New York 2005, S. 4. Vgl. Rahe, Against, S. 3 f. Eggers, Daniel, Die Naturzustandstheorie des Thomas Hobbes, Berlin 2008, S. 547. Vgl. Fetscher, Einleitung, XXIV.
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zu entwickeln, erkannte auch Barry Hindess einen Bedeutungsüberschuss des Machtbegriffes bei Hobbes: Er attestiert der „power“ bei Hobbes eine größere, über die Stärke im Sinne überlegener physischer Kraft hinausreichende Dimension.³⁶ Was genau sich damit verknüpft, bleibt allerdings auch bei ihm offen. Eine sich mit einem konkreten Deutungsangebot von „authority“ hervortuende Arbeit ist Kevin Sharpes „Remapping Early Modern England“. Sharpe betont die Beziehung zwischen der Macht der Herrschaftsträger und dem zeitgenössischen Diskurs und folgert: „Speaking, writing, discursive performances, […] not only reflect social arrangements and structures of authority; they are themselves acts of authority.“³⁷ Damit betont er, ähnlich wie André Krischer, den performativen Charakter der „authority“. Repräsentationen der unterschiedlichsten Formen seien nötig gewesen, um die Gefolgschaft der Bevölkerung auch ohne stehendes Heer und bürokratischen Staatsapparat sicherzustellen. Dabei griffen die Monarchen auf unterschiedliche Versinnbildlichungen der königlichen Macht zurück: Paläste wurden errichtet, Münzen ausgegeben, königliche Siegel verwendet, Feste und Prozessionen abgehalten. Ein wesentliches Mittel dieser Art der Herrschaftssicherung war auch die literarische Tätigkeit der Monarchen selbst, wozu Sharpe das bereits erwähnte Werk „Eikon Basilike“ zählt, dass er als Karls „most famous discourse and most powerful act of authority“ beschreibt.³⁸ Dass Thomas Hobbes erkannte, dass Herrschaft aufs Engste mit der Definitionshoheit von Wörtern verbunden war – von Sharpe als „epistemic power“ beschrieben³⁹ – zeigt sich in seinem „Leviathan“ an vielen Stellen. Auf dieser literarischen Ebene folgert Sharpe richtig: „Persuasion is at the heart of the exercise of all authority.“⁴⁰ Daneben nimmt Sharpe auch eine weitere, wesentliche Rolle von „authority“ wahr: ihre Bedeutung bei der Regierung und Verwaltung des Staates. Der frühneuzeitliche englische Staat baut, so Sharpe, auf einem durch Mechanismen der Patronage gekennzeichnetem Beziehungsgeflecht auf. Offizielle Würdenträger erscheinen dabei zugleich als Herrscher und als Untertanen; sie waren „agents of a royal authority they constituted as well as represented“.⁴¹ Dies ist ein Argumentationsmuster, das sich auch an zentraler Stelle bei Hobbes findet (siehe Kap. 3). Leider verfolgt Sharpe diesen Aspekt der „authority“ jedoch nicht weiter. Stattdessen kehrt er in historischer Perspektive zu seinem performativen Ausgangspunkt zurück und stellt im Vergleich zu modernen Regierungssystemen
Vgl. Hindess, Barry, Discourses of Power. From Hobbes to Foucault, Oxford 1996. Sharpe, Remapping, S. 127. Ebd., S. 147. Ebd., S. 150. Ebd., S. 416. Ebd.
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unter dem Schlagwort der „authority“ das Mystische und Andersartige der Monarchie heraus.⁴² Damit greift er, wie die folgende Untersuchung zeigen soll, zu kurz und wird dem Bedeutungsgehalt von „authority“ in den zeitgenössischen Quellen nicht gerecht. Eine weitere Arbeit, die sich mit Autorität beschäftigt, ist Michael Braddicks Aufsatz „State Formation“.⁴³ Ausgehend vom regionalen Raum und der hier durch die lokalen Machthaber etablierten politischen Kultur schließt Braddick auf den nationalen Kontext. Im Verhältnis zwischen Herrschern und Beherrschten sei es dabei hauptsächlich um das Behaupten einer sozialen, moralischen oder geistigen Überlegenheit und deren Repräsentation gegangen, die die Anerkennung, Akzeptanz und Unterordnung der Untergebenen nach sich gezogen habe: „They claimed a social and moral authority, as well as distinctive wisdom, knowledge and dignity, but these were contestable claims.“⁴⁴ Mit der Betonung des Verhandlungscharakters politischer Autorität zielt Braddick v. a. auf die Zeit der Bürgerkriege ab, in der bekannte Legitimationsmuster hinterfragt und z.T. verworfen oder zumindest angepasst wurden an die Forderungen der verschiedenen politischen und sozialen Gruppen.⁴⁵ Dieser Gedanke hat in der Tat einen ganz besonderen Reiz und spielt auch für die vorliegende Untersuchung eine gewisse Rolle. Denn „authority“ soll nicht als fester Begriff verstanden werden, sondern gerade die Brüche bestimmter Traditionslinien geben Aufschluss über das politische Engagement der Autoren, die sich auf „authority“ beriefen, ihre Vernetzung im zeitgenössischen Diskurs und damit letztlich auch über die politische Kultur der Zeit. Dennoch fällt eine Diskrepanz zwischen den von Braddick stark gemachten Kriterien für die Akquirierung politischer Autorität auf, die allesamt personalen Ursprungs sind (sozialer Status, Ansehen, Tugenden wie Weisheit, Tapferkeit, Gerechtigkeit, persönliche Fitness, Abwesenheit von Eigeninteresse, stattdessen freiwilliger Dienst für das Gemeinwohl⁴⁶), und seiner Aussage, dass das Amt eine soziale Rolle war, die unabhängig von der individuellen Persönlichkeit des Amtsinhabers war.⁴⁷ Dieser Widerspruch kann mit einem genaueren, systematischen Blick auf den Sprachgebrauch von „authority“ in den Quellen gelöst werden. Mit Bezug auf die Frage, um welche Art des Konfliktes es sich beim englischen Bürgerkrieg handelte bzw. welches der Hauptstreitpunkt war, der zur Eskalation
Ebd., S. 417. Braddick, State formation. Ebd., S. 81. Vgl. ebd., S. 88. Vgl. ebd., S. 71 f. Vgl. Ebd., S. 81.
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des Konfliktes führte, räumt Glenn Burgess der Autorität einen großen Stellenwert ein. Es sei nicht ausschließlich um die Frage gegangen, wer die „legislative sovereignty“ inne hatte, wie dies z. B. von Comstock-Weston und Renfrow-Greenberg konstatiert wurde⁴⁸, sondern „more crucial was the Authority to judge things to be either for or against the law and the public good“.⁴⁹ Diese oberste Entscheidungsinstanz, die das Parlament basierend auf seiner Selbstsicht als Großer Rat des Reiches, Gericht und repräsentativer Gesetzgeber für sich reklamierte, basierte also maßgeblich auf „authority“. Um 1642 zu belegen, dass das Parlament ein Widerstandsrecht gegen den irrenden König hatte, tauchten vermehrt politische Analysen auf, „that tackled directly the question of how exactly power and authority were distributed at the centre“⁵⁰, so u. a. Charles Herles (1597/8 – 1659) „A Fuller Answer“ und Philip Huntons (etwa 1602– 1682/3) „Treatise of Monarchy“.⁵¹ In einem weiteren Sinne ist sicher auch Hobbes’ „Leviathan“ zu diesen Arbeiten zu rechnen, die die Distributionsmechanismen von „authority“ in den Blick nehmen, auch wenn er zu völlig anderen Ergebnissen kommt, als seine Vorredner. Auch bei André Krischer findet man die Betonung der Autorität, die er zusammen mit der Souveränität zum Grundvokabular der englischen politischen Sprache seit dem 16. Jahrhundert zählt. Nicht die Wiederbelebung des Republikanismus bildete den gedanklichen Fixpunkt der Zeitgenossen, so konstatiert Krischer, sondern Souveränität und Autorität waren die entscheidenden Kriterien im Denken und Handeln der Parlamentsmitglieder.⁵² Passend dazu stellt Krischer fest, dass es zur englischen Begriffsgeschichte von Souveränität und Autorität im Sinne von Amtsgewalt noch keine Vorarbeiten gibt. Letztere betrachtet Krischer als politischen Geltungsanspruch, der sich generierte, wenn es erfolgreich gelang, Eindruck zu machen und das Vertrauen anderer in die eigene Herrschaftskompetenz zu stärken. Dies könne nur mit einer erfolgreichen Personifizierung und Symbolisierung von Autorität gelingen. Das heißt, dass sich Autorität nicht so formal begründen ließ, wie z. B. Souveränität, sondern unter dem Rückgriff auf Traditionen, Mythen, Bilder, Rituale und juristische Fiktionen gestiftet werden
Vgl. Comstock Weston, Corinne, Renfrow Greenberg, Janelle, Subjects and Sovereigns. The Grand Controversy over Legal Society in Stuart England, Cambridge 1981. Burgess, Glenn, British Political Thought 1500 – 1660, New York 2009, S. 202. Ebd., S. 196. Herle, Charles, A Fuller Answer to a Treatise written by Dr Ferne, London 1642, S. 3. Hunton, Philip, A Treatise of Monarchy, London 1643, S. 40 ff. Vgl. Krischer, André, Souveränität ohne Autorität. Zur Verfassungskultur der englischen Republik (1649 – 1653), in: Kommunikation und Konfliktaustragung. Verfassungskultur als Faktor politischer und gesellschaftlicher Machtverhältnisse, hg.v. Werner Daum, u. a., Berlin 2010, S. 35 – 76, hier S. 37.
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musste.⁵³ Auch Krischer betont damit die Bedeutung von Performanzen für die Stabilität und Langlebigkeit einer frühneuzeitlichen Regierung. Da sowohl das Rump als auch das Protektorat darin scheiterten, die eigene Autorität hinlänglich zu begründen und zu repräsentieren, waren beide Regierungsformen nur von kurzer Dauer, so resümiert Krischer: Man hatte zwar Souveränität inne, jedoch keine Autorität.⁵⁴ Dass eine scharfe Trennung beider Begriffe der Forschung bisweilen schwerfällt, ist an Daniel Philpotts Artikel zu Souveränität im „Oxford Handbook of the History of Political Philosophy“ ersichtlich, in dem er Souveränität als oberste Autorität innerhalb eines Territoriums definiert. Unter Autorität versteht er in Anlehnung an eine Definition von Paul Wolff das Recht zu befehlen und den damit verbundenen Gehorsam anderer.⁵⁵ Eine Beschreibung von Autorität im Sinne von Amtsgewalt bietet auch Jaques Derrida an. Trotz der mitunter synonymen Verwendung von Autorität und anderen Begriffen wie Macht, Gewalt und Stärke, beschreibt dieser philosophische Zugriff Autorität als Charakteristikum eines Staates bzw. eines Rechtssystems, das nicht starr ist, sondern verhandelt werden kann.⁵⁶ Sowohl Derrida als auch Philpott bringen damit eine neue Komponente ins Spiel: die Betonung des Rechtscharakters der Autorität. Dies gilt in ganz besonderer Weise auch für die frühneuzeitlichen Regierungen. So mahnt Steven Hindle an, dass man die lang favorisierte Identifizierung frühmoderner Regierungen mit der zwanghaften Ausübung von politischer und militärischer Macht überwinden sollte. Statt politisches Handeln wie von Foucault als „corridor of power“ zu beschreiben, plädiert Hindle für eine Charakterisierung als „circuit of authority“.⁵⁷ Den Unterschied beschreibt er wie folgt: „While power can be maintained by force, authority depends upon reciprocity of relations between governors and governed, in that inferiors accept the legitimacy of their superiors‘ rule.“⁵⁸ Dabei räumt Hindle der Autorität eine größere Bedeutung für die Sicherung der Regierungsziele ein, als der Macht.
Vgl. Ebd., S. 39 f. Vgl. Ebd., S. 41. Vgl. Philpott, Daniel, Sovereignty, in: The Oxford Handbook of the History of Political Philosophy, hg.v. George Klosko, Oxford, New York 2011, S. 561– 572, hier S. 561. Vgl. Derrida, Jaques, Gesetzeskraft der mystische Grund der Autorität, Frankfurt a. M. 1991, S. 81, 106. Vgl. Hindle, Steven, Law, law enforcement and state formation in early modern England, in: Staatsbildung als kultureller Prozess. Strukturwandel und Legitimation von Herrschaft in der Frühen Neuzeit, hg.v. Ronald G. Asch, Dagmar Freist, Köln 2005, S. 209 – 233, hier S. 211. Ebd., S. 231.
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Zusammenfassend kann zum derzeitigen Forschungsstand zur Verwendung und Bedeutung von „authority“ festgestellt werden, dass es zwar einige wenige Vorarbeiten gibt, d. h. das große Potenzial der Berücksichtigung des Terminus als wesentliches Argument in frühneuzeitlichen Quellen wurde erkannt, es fehlt bislang jedoch an einer systematischen Grundlagenforschung zur Begriffsgeschichte. Das führte in der Vergangenheit dazu, dass die Bedeutung des Begriffes ganz unterschiedlich wiedergegeben wurde, ja, dass sich Definitionen sogar teilweise widersprachen. Eine wesentlich dazu beitragende Schwierigkeit ist der moderne Autoritätsbegriff, der eine Ansehensmacht bzw. einen Einfluss meint, der sich auf Macht, Können und/oder Tradition stützt,⁵⁹ der jedoch, wie die vorliegende Untersuchung zeigen wird, recht wenig mit der frühneuzeitlichen Fassung gemein hat, vielfach jedoch unkritisch übernommen wurde. Aus diesem Grund wird im Folgenden unterschieden zwischen dem Begriff der Autorität und dem Quellenbegriff der „authority“ – beide Termini meinen nicht dasselbe, eine Vermischung der Definitionen soll weitgehend vermieden werden. Die erste grundlegende Frage, die der Klärung bedarf, ist somit die nach dem Bedeutungsgehalt von „authority“ in den zeitgenössischen Quellen. Als Einstieg bietet sich, ganz traditionell, Thomas Hobbes’ „Leviathan“ an, denn hier begegnet der Terminus nicht nur überaus häufig, sondern auch angewandt auf die verschiedenen Gebiete der staatlich-gesellschaftlichen Sphäre: Staat, Kirche, Öffentlichkeit und Privatbereich (Kapitel 3). Die Herausarbeitung einer Definition von „authority“ bei Hobbes soll als Ausgangspunkt für die weitere Untersuchung dienen. In einem zweiten Schritt soll diese Definition vernetzt werden mit den möglichen Ursprüngen und Traditionen des Sprachgebrauchs von „authority“ vor dem Erscheinungsjahr des „Leviathan“ 1651. Zunächst bietet sich der Vergleich mit den antiken Konzepten der auctoritas und potestas an, da zum einen „authority“ und auctoritas in der Forschung synonym verwendet wurden.⁶⁰ Zum anderen hat bereits André Krischer richtig darauf hingewiesen, dass Autorität in der frühneuzeitlichen Fassung eng mit Amtsgewalt, also mit potestas, verbunden war.⁶¹ Diese Aussagen sollen geprüft und „authority“ mit den die antike Republik prägenden Konzepten von senatorischer auctoritas und der potestas des Magistrats verglichen werden (Kap. 3.3 und 3.4). Aus der Beantwortung dieser Fragestellungen ergibt sich ein weiteres Untersuchungsfeld, das in den Blick rückt, wenn man die Ratgebertätigkeit antiker Senatoren vergleicht mit der Definition des Rates bei Hobbes. Die Überlegung hinter dieser Verknüpfung ist folgende: Siehe die Definition von Autorität, wie sie der Duden liefert. So beschrieb Fetscher, dass es bei Hobbes keine Trennung mehr zwischen auctoritas und potestas gegeben habe, wie dies noch bei Bodin der Fall war. Vgl. Fetscher, Einleitung, S. XLI. Krischer, Autorität, S. 38.
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Hobbes hatte zum Schreiben seines Hauptwerkes keinen offiziellen Auftrag. Stattdessen unterbrach er während seines Exilaufenthalts in Frankreich die Arbeit an seinem lang geplanten philosophischen Meisterstück und wandte sich der Abfassung des „Leviathan“ zu.⁶² Dies tat er aus eigenem Antrieb, niemand hatte ihn dazu aufgefordert oder gar eine Bezahlung in Aussicht gestellt. Anders lag der Sachverhalt z. B. bei John Milton, der vom Rump den offiziellen Auftrag zur Verteidigung und Legitimation der neuen Regierung erhielt, oder auch bei Marchamont Nedham, der den regierungsnahen „Mercurius Politicus“ herausgab. Hobbes fehlte strenggenommen eine solche Legitimation, er musste seine schriftstellerische Tätigkeit somit selbst argumentativ begründen und eine Art Sprecherautorität generieren: Leser sollten seine Einsichten und Lösungsansätze als überlegen anerkennen und ihnen aufgrund ihrer zwingenden Rationalität folgen. Mit welchen Argumenten er seine Stellung im politischen Diskurs von 1651 behauptete, ist Gegenstand von Kapitel 3.6. Zudem wird an dieser Stelle verglichen zwischen dem Stellenwert und der Fassung des „authority“-Begriffes in seinem berühmtesten Werk „Leviathan“ und den vorangegangenen Schriften, den „Elements of Law“ und „De Cive“. Lässt sich eine Veränderung der Definition von „authority“ feststellen? Spielte der Begriff als politisches Argument vor dem Ausbruch der Bürgerkriege überhaupt eine Rolle? Wie inszeniert sich Hobbes als Sprecher in der politischen Debatte (Kap. 3.6.2 und 3.7)? Dass „authority“ kein statischer Begriff war, ist die Grundannahme, die das 4. Kapitel inspirierte. Hier geht es um die Verwendung des Begriffes vor dem Erscheinen von Hobbes’ „Leviathan“, also mithin um den Sprachgebrauch von „authority“ vor 1651. Zunächst wird geprüft, wie er während der Zeit einer weitgehend stabilen, monarchischen Regierung geprägt war. Einen guten Fundus bilden die Quellen der Royal Proclamations der Tudors und Stuarts sowie einige ausgesuchte Reden und königliche Abhandlungen Jakobs I. (Kap. 4.1), in denen „authority“ in ganz spezifischer Weise beschrieben und verwendet wurde. Ein interessanter Bruch kündigt sich mit der Zuspitzung des Konfliktes zwischen Krone und Parlament 1642 an. Was noch vor der Eskalation des Konfliktes auch von Seiten der Gegner Karls I. nicht gesagt werden konnte, ändert sich mit dem Ausbruch des Bürgerkrieges ganz massiv – das gilt auch und ganz besonders für die „authority“ (Kap. 4.2.2 und 4.2.3). Im Fortgang der Ereignisse liegt der Fokus der Arbeit auf der Untersuchung der Traktate von Autoren, die unterschiedlichen, sich gegenüberstehenden Parteien angehörten sowie der Betrachtung der Argu Gemeint ist seine dreiteilige Darlegung der „Elements of Philosophy“, bestehend aus dem dritten (und bereits 1642 als erstes veröffentlichten) Teil „De Cive“, dem zweiten Teil „De Homine“ und dem ersten Teil „De Corpore“ (der wohl als Letztes vollendet wurde). Vgl. Malcolm, Editorial Introduction, S. 4.
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mentation mit „authority“ innerhalb der zeitgenössisch bedeutsamen, sozialen Gruppe der Armee (Kap. 4.2.4). Eine weitere Zäsur stellt das Jahr 1649 dar, das mit der Hinrichtung des Königs und der formalen Abschaffung der Monarchie und des Oberhauses neue politische Realitäten schuf. Die Frage nach der Begründung der Legitimität des neuen Regimes ist eng mit dem Begriff der „authority“ verbunden, wie unter anderem eine gegenüberstellende Untersuchung des Königsmythos in „Eikon Basilike“ und John Miltons „Ikonoklastes“ zeigt (Kap. 4.2.6). Auch der Disput zwischen dem Royalisten Richard Hollingworth und dem, der republikanischen Gruppe nahe stehenden Anthony Ascham soll beispielhaft illustrieren, wie „authority“ als Argument von beiden Seiten des politischen Spektrums in dieser Zeit instrumentalisiert wurde (Kap. 4.2.7). Die Vorstellungen des Rump seine Selbstlegitimation betreffend sind Gegenstand von Kapitel 4.2.8, das sich den Schriften Marchamont Nedhams als offiziellem Sprachrohr der neuen Regierung widmet. Damit ist chronologisch der Bogen zurück zum Veröffentlichungsjahr von Hobbes’ „Leviathan“ geschlagen. Das Verständnis des „authority“-Begriffes bzw. der Argumentation mit ihm in der politischen Auseinandersetzung führt, wie bereits erwähnt, weg von dem Versuch einer allgemeingültigen Definition. Stattdessen liegt der Schwerpunkt der Arbeit gerade in der Darstellung der unterschiedlichen Zugriffe auf den Terminus und seiner Verwendung innerhalb von voneinander verschiedenen, zum Teil miteinander konkurrierenden Deutungszusammenhängen. Dass Hobbes sich in einer ganz spezifischen Art auf eine Tradition des Sprachgebrauchs von „authority“ bezieht, gibt meiner Meinung nach Aufschluss über die Intention seines „Leviathan“ und seine Positionierung im zeitgenössischen Diskurs, über die ja, wie weiter oben skizziert, in der Forschung jüngst viel gestritten wurde (Kap. 5). In einem letzten Teil der Arbeit soll ein Ausblick gegeben werden auf den Sprachgebrauch von „authority“ nach 1651. Zum einen werden direkte Reaktionen auf den „Leviathan“ in den Fokus genommen: Wurde Hobbes’ „authority“ als umfassendes, staatliches Ordnungskonzept von Zeitgenossen auch so verstanden? Gibt es vielleicht sogar eine, der Rekonstruktion des Terminus im „Leviathan“ folgende „Schule“, also eine in den Quellen wahrnehmbare Veränderung des Begriffsverständnisses und –einsatzes hin zur Hobbesschen Prägung (Kapitel 6.1)? Abgeschlossen wird die vorliegende Untersuchung mit einem weiteren Meilenstein der englischen politischen Philosophie: James Harringtons „Oceana“. Aufgrund der großen Prominenz des „authority“-Begriffes bei Harrington lohnt eine Analyse seiner Definition in Verbindung mit den aufgegriffenen Wurzeln sowie der beabsichtigten Stoßrichtung seiner Argumentation (Kapitel 6.2). Dies ist als Schlussbetrachtung auch deswegen angebracht, weil in der Forschung zunehmend die Bezogenheit der beiden Autoren Hobbes und Harrington aufeinander thematisiert wurde. In diesem Sinn
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wurde Hobbes’ Royalismus als der republikanischen Revision ausgesetzt beschrieben, andersherum aber auch konstatiert, dass Harringtons Republikanismus von Hobbes geprägt war.⁶³ Die vergleichende Analyse des Sprachgebrauchs von „authority“ bei beiden Autoren soll auch einen Beitrag zur Klärung ihres Verhältnisses zueinander leisten.
Vgl. Rahe, Against, S. 272, 321 ff.
2 Methode Für die Untersuchung des vorliegenden Quellenmaterials und der oben skizzierten Fragestellungen soll sowohl der von der „Cambridge School“ weiterentwickelte Ansatz der Ideengeschichte im Sinne einer „Intellectual History“ bemüht werden, der sich neben John Pococks Analyse der „political languages“ vor allem dem maßgeblich von Quentin Skinner vorangebrachten Konzept der „history of political ideas“ verdankt, als auch der begriffsgeschichtliche Ansatz. ¹ Die Vorteile bzw. der Zugewinn des ideengeschichtlichen Ansatzes wurden bislang von vielen Historikern anerkannt. Asbach schreibt: „Die Untersuchung der „politischen Sprachen“ oder „Ideologien“ ist somit keine des bloß legitimationsstiftenden Überbaus, sondern sie dient der Aufklärung über unverzichtbare Elemente des historischen Entwicklungsprozesses, der Konstitution, Legitimation und Weiterführung oder sukzessiven Delegitimierung, Veränderung oder Umwälzung politischer und sozialer Einrichtungen und Beziehungen.“² Quentin Skinner sprach sich, ganz der Kritik S. R. G. Collingwoods folgend, gegen die Behandlung zeitloser Themen von vermeintlich universeller Gültigkeit aus – den sogenannten „unit ideas“. In seinen „Foundations“³ positionierte sich Skinner gegen zwei Hauptherangehensweisen von Vertretern der klassischen Ideengeschichte: Neben der Fokussierung auf den reinen Text, der ihnen sowohl Objekt der Untersuchung als auch ausreichende Grundlage des Verständnisses war, zielte Skinner auf die Annahme, dass sogenannte zeitlose Elemente („timeless elements“, Zitat u. a. von Peter Merkl, Hand Morgenthau und Mulford Sibley)
Vgl. u. a. Schorn-Schütte, Luise, Ideen-, Geistes- und Kulturgeschichte, in: Geschichte. Ein Grundkurs, hg.v. Hans-Jürgen Goertz, Hamburg 1998, S. 489 – 515, hier S. 506 f. Maßgeblich Quentin Skinners Aufsatz „Meaning and Understanding in the History of Ideas“, in: History and Philosophy 8/1 (1969), S. 3 – 53. Trotz der engen, theoretischen Nähe zwischen beiden Vorreitern der Ideengeschichte gibt es auch Unterschiede bezogen auf ihre Forschungsinteressen. So beschäftigt sich Pocock v. a. mit der historischen Gestalt und Individualität der politischen Sprachen, während Skinner die aktive und produktive Rolle der Sprachen im Rahmen der Herausbildung von Begriff und Wirklichkeit moderner Staatlichkeit interessiert. Vgl. Asbach, Olaf, Von der Geschichte politischer Ideen zur „History of Political Discourse“? Skinner, Pocock und die „Cambridge School“, in: Zeitschrift für Politikwissenschaft 12/2 (2002), S. 637– 667, hier S. 650 f. Zur Entwicklung der Ideengeschichte anglo-amerikanischer Prägung und ihrem Einfluss auf die deutsche Forschungslandschaft Vgl. Hellmuth, Eckhart, Ehrenstein, Christoph, Intellectual History Made in Britain. Die Cambridge School und ihre Kritiker, Geschichte und Gesellschaft 27 (2001), S. 149 – 172. Asbach, Geschichte politischer Ideen, S. 654. Skinner, Quentin, The Foundations of Modern Political Thought, Bd. 1: The Renaissance, Cambridge 1978. https://doi.org/10.1515/9783110659498-004
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2 Methode
bzw. universelle Ideen („universal ideas“, William Bluhm) sich im Text manifestieren. Zudem warnt er vor Anachronismen bei der Untersuchung von historischen Quellen, die zu falschen Schlussfolgerungen und Befunden führen. Die Kontextualisierung eines Autors in seinem zeitgenössischen Horizont und mit seiner individuellen Absicht sollte hier Abhilfe schaffen.⁴ Das theoretische Fundament dieses neuen Ansatzes lieferte vor allem die Sprechakttheorie John L. Austins, die sich an Ludwig Wittgensteins Philosophie der normalen Sprache anlehnt und die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke in ihrem Gebrauch verankert. Neben der wörtlichen Bedeutung einer Äußerung (dem sogenannten lokutionären Akt) unterscheidet Austin demzufolge den illokutionären Akt, das heißt der semantischen Ebene wird eine Handlungsdimension unterstellt, die sich – abhängig von der Intention des Autors – unterschiedlich manifestiert.⁵ Unter dem programmatischen Satz „How to do things with words“, der zugleich der Titel von Austins theoretischem Hauptwerk ist, ist somit die Grundaussage der Sprechakttheorie zusammengefasst: eine Äußerung hat nicht nur eine bestimmte Bedeutung (Lokution), sondern spielt auch eine gewisse Rolle (Illokution).⁶ Skinner differenziert in Loslösung von der Tradition der analytischen Philosophie grundsätzlich zwischen der Ebene der semantischen Bedeutung und der des Sprechaktes.⁷ In diesem Sinne wird ein Text, der in eine vorhandene Diskussion eingreift, interpretiert, indem die Bedeutung seines diskursiven Eingreifens bestimmt wird.⁸ Entscheidend für diese Operation ist die Kontextualisierung der untersuchten textlichen Äußerung, also ein Vergleich mit anderen zeitgenössischen Texten, die sich zu demselben Diskurs äußern. Auf diese Weise wird eine Art Matrix erschlossen, in der bestimmte Ideen zu einer bestimmten Zeit und in distinkten Situationen geäußert wurden bzw. überhaupt geäußert werden konnten, um von den Zeitgenossen verstanden zu werden.
Vgl. Skinner, Meaning and Understanding, S. 5 – 9. Ders., Visions, 253 ff. So kann eine Äußerung neben dem Wortgehalt auch den Akt eines Versprechens, eines Rates, einer Drohung etc. vollziehen.Vgl. Austin, John L., How to do Things with Words. The William James Lectures Delivered at Harvard University in 1955, 2. Aufl., Oxford 1992, S. 7 f. Vgl. auch Searle, John R., Sprechakte. Ein sprachphilosophischer Essay, Frankfurt a. M. 1971. Übersteigert wird dies durch die dritte von Austin aufgemachte Ebene der Perlokution, also der Wirkung, die durch eine Äußerung bei einem Rezipienten erzielt wird, etwa wenn jemand von etwas überzeugt wurde und sich daraus möglicherweise nachgeordnete Effekte ergeben, denkbar wären Aufregung, die unbeabsichtigte Überzeugung Dritter usw. (das sogenannte perlokutionäre Nachspiel). Der perlokutionäre Akt spielt allerdings in Skinners Theorieadaption wenn überhaupt, so eher eine nachgeordnete Rolle.Vgl. Austin, How to do things with words, S. 119, 134, 137. Vgl. Schorn-Schütte, Ideen-, Geistes- und Kulturgeschichte, S. 507. Vgl. Skinner, Visionen, S. 9.
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Hier greift Pococks Konzept der „political languages“, das anhand der von vielen Autoren genutzten linguistischen Gemeinplätze eine geteilte Sprache konstatiert, so etwa die des bürgerlichen Humanismus. Grundgedanke des „political languages“-Konzeptes ist, dass Menschen in Sprachsystemen kommunizieren, die zur Ausgestaltung sowohl ihrer begrifflichen als auch ihrer sozialen Welt beitragen. Der sich wechselseitig beeinflussende und sich gegenseitig bedingende Charakter begrifflicher und sozialer Bereiche wird somit vorausgesetzt. Eine Idee ist also zuerst eine sprachliche Erscheinung desjenigen, der sie äußert, in einem notwendig folgenden Schritt jedoch auch ein soziales Ereignis.⁹ In der an Ferdinand de Saussure orientierten Unterscheidung zwischen „langue“ und „parole“ macht Pocock die Kommunikation in einer bestimmten politischen Sprache anhand eines gemeinsam geteilten Vokabulars fest, in dessen Rahmen und mit dessen Hilfe die sprachliche Interaktion erst ermöglicht wird.¹⁰ Die Nähe zwischen Pococks „political languages“ und Skinners Sprachkonventionen, die beide die Gesamtheit der sprachlichen Gemeinplätze meinen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Verständnis, der Beschreibung und Legitimation politischer und gesellschaftlicher Verhältnisse genutzt wurden, ist unverkennbar.¹¹ In der vorliegenden Untersuchung wird davon ausgegangen, dass auch „authority“ Teil eines solchen sprachlichen Gemeinplatzes war. Aufgrund der tief verwurzelten Tradition der Begriffsbedeutung und –verwendung war den Zeitgenossen klar, mit welchem Inhalt sich dieser Terminus in der Mitte des 17. Jahrhunderts in England verband und in welchen Kontexten er gemeinhin wie genutzt wurde. Dass diese Tradition herausgefordert wurde, indem „authority“ im Zuge der Ereignisse der 1640er und 1650er Jahre auf ganz spezifische Weise anders verwendet wurde und auch für neue Akteure Anwendung fand, will diese Arbeit zeigen. Ein weiterer wesentlicher Faktor der Sprechakttheorie, der mit dem skizzierten Forschungsvorhaben korrespondiert, ist der Erfolg der sprachlichen Äußerung: Dieser ist erst dann gegeben, wenn die Rezipienten den Sprechakt verstehen, wenn er die vom Sprecher bzw. Autor intendierte Wirkung erzielt. In dieselbe Richtung zielen die Überlegungen zur „gepflegten Semantik“, die von dem kollektiv geteilten Wissensvorrat einer Gesellschaft ausgeht, der ihr zur Wahrnehmung und Interpretation aktueller Probleme zur Verfügung steht. Der Wissensvorrat konstituiert sich aus der Summe aller zur Verfügung stehenden Sprachakte, die insbesondere durch das wiederholte Aufgreifen bestimmter Themen zu einer Typisierung und Standardisierung der Inhalte beitragen. Aus diesem Wissensre-
Vgl. Schorn-Schütte, Ideen-, Geistes-, und Kulturgeschichte, S. 508. Vgl. Hellmuth, Intellectual History, S. 159. Vgl. Asbach, Geschichte politischer Ideen, S. 643.
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servoir bedient sich eine Gesellschaft zum Beispiel um sich selbst zu charakterisieren oder dem Handelnpolitischer Machtträger Sinn zu geben.¹² Skinner konzentriert sich vor diesem Hintergrund auf die Untersuchung bestimmter Vokabulare und wie diese in bestimmten diskursiven Situationen und zu bestimmten diskursiven Zwecken genutzt werden können. Es geht ihm um eine distinkte Sprache politischen Denkens, die aus einem Text herauskristallisiert werden kann, indem seine Struktur, sein Vokabular und seine Argumentationsstrategien analysiert werden. Grundlage dafür ist die Wahrnehmung von Texten als Eingriffe in historisch bedingte Debatten, die mit Hilfe ihrer Kontextualisierung erneut als Handlungen erscheinen können.¹³ Damit vertritt Skinner, anders als z. B. Derrida, den Standpunkt, dass man sehr wohl nach den Intentionen eines Autors fragen kann; dass es also neben der semantischen Ebene eines Textes auch die Ebene seiner performativen Funktion gibt und dass diese zweite Ebene von der Forschung herausgearbeitet werden kann. Um dies tun zu können, muss man sich jedoch zunächst seine eigene Vorprägung klarmachen, also sein individuelles „mental set“, das Erwartungshaltungen und Deutungshorizonte vorgibt.¹⁴ Eine besondere Fehlerquelle sah Skinner in der Konstruktion eines „Mythos“ um Autoren, indem ihnen z. B. anachronistisch die Zugehörigkeit zu einer Denkschule unterstellt oder sie für nicht erbrachte Beiträge zu einer erst später sich manifestierenden Forschungsdebatte kritisiert wurden. Eine Untersuchung, die der semantischen Ebene verhaftet bleibt, kann v. a. aufgrund der sich ändernden Bedeutung der Begriffe in der Zeit, irreführend sein.¹⁵ Wie zutreffend dieser Einwand ist, lässt sich anhand meiner Dissertation und des in ihr thematisierten Autoritätsbegriffs hervorragend zeigen. Für die deutschsprachige Autoritätsforschung hat Jens Kertscher es auf den Punkt gebracht, indem er Autorität als einen der „umstrittensten ideologischen Begriffe der politischen Sprache überhaupt“ charakterisierte.¹⁶ Eine besonders in den späten 1940er und 1950er Jahren wahrnehmbare Welle der kritischen, historischen Auseinandersetzung mit dem Begriff konzentrierte sich vor allem auf Autorität als Problem. Vor dem Hinter-
Vgl. Pečar, Andreas, Macht der Schrift. Politischer Biblizismus in Schottland und England zwischen Reformation und Bürgerkrieg (1534– 1642), München 2011, S. 21 f. Vgl. dazu auch Luhmann, Niklas, Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Bd. 1 und 3, Berlin 1968. Vgl. Skinner, Visionen, S. 16. Vgl. ebd., S. 8 ff., 22 ff. Vgl. ebd., S. 51. Vgl. Kertscher, Jens, ‚Autorität’. Kontinuitäten und Diskontinuitäten im Umgang mit einem belasteten Begriff, in : Herausforderungen der Begriffsgeschichte, hg.v. Carsten Dutt, Heidelberg 2003, S. 133 – 147, hier 144 f.
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grund des Charakters der Autorität als ideologischer Kampfbegriff des Nationalsozialismus und auch schon seiner negativen Konnotation in der Weimarer Republik im Umkreis des sogenannten „Autoritarismus“ blieb eine wissenschaftliche Beschäftigung unausweichlich, gerade weil man den Terminus für andere Zusammenhänge als unverzichtbar einstufte, er aber nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht unbefangen und unhinterfragt weiter verwendet werden konnte. Autorität wurde positiv evaluierten Ausdrücken wie Freiheit, Vernunft und Demokratie gegenübergestellt; zudem wurde versucht, etwa von Hannah Ahrendt¹⁷ und Dolf Sternberger¹⁸, den Begriffideologisch zu entschärfen und z.T. auch an die vermeintlich unbelasteten Traditionslinien der römischen Zeit („auctoritas“) rückzubinden (Carl Friedrich¹⁹). Sternberger näherte sich schrittweise der römischen Vorstellung von auctoritas und liberalen Konzeptionen legal legitimierter Autorität an und verwarf damit die Verknüpfung zwischen Autorität und autoritärer Befehlsgewalt. Er kam zu dem Schluss, Autorität explizit pluralistisch zu bestimmen, und zwar als „Vollmacht, aus der gehandelt wird“ und an verfassungsstaatliche Institutionen zurückzubinden. Im Vergleich zu den Jahren vor 1933, in denen Autorität eng mit Machtphänomenen wie Herrschaft, Befehlsgewalt usw. verknüpft war, ein deutlicher Unterschied. Autorität wurde immer mehr zum Ausdruck „konservativer Stabilitätsbedürfnisse“ und kam mit der Konsolidierung der BRD aus der Mode, denn, so hatte Kertscher eingangs betont, er erfreute sich besonders in „politischen Umbruchs- und Krisenzeiten, in Phasen institutioneller und allgemeiner sozialer Instabilität“ großer Konjunktur.²⁰ Vor dem Hintergrund dieser wechselvollen Geschichte des Begriffes Autorität und der mit ihm verbundenen Aussagemöglichkeiten ist die Frage erlaubt, was Autorität vor der in der Weimarer Republik eingegangenen, unsäglichen Allianz mit dem Phänomen des Autoritarismus bedeutet hat. Andererseits kann gefragt werden, wo unser heutiges Verständnis von Autorität als personale Qualität vor allem von Führungspersonen wurzelt, die eng mit Charisma und Glaubwürdigkeit verbunden ist. Mit dem Bewusstsein um die Brüche der Begriffsbedeutung von Autorität in der Moderne, ist eine unhinterfragte Übertragung heutiger Konnotationen von
Arendt, Hannah, Was ist Autorität?, in: Dies., Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Übungen im politischen Denken I, München 1994, S. 159 – 200. Dazu siehe auch: Straßenberger, Grit, Autorität in der Demokratie. Zur republikanischen Rezeption des römischen auctoritas-Konzepts bei Hannah Ahrendt, in: ZPTh 5/1 (2014), S. 67– 82. Sternberger, Dolf, Autorität, Freiheit und Befehlsgewalt, in: Ders., Staatsfreundschaft, Schriften IV, Frankfurt (Main) 1980, S. 115 – 143. Friedrich, Carl J., Politische Autorität und Demokratie, in: Zeitschrift für Politik 7 (1960), S. 1– 12. Vgl. Kertscher, Autorität, S. 134.
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Autorität auf denselben Begriff in historischen Quellen unzulässig – was nicht nur für den deutschsprachigen Raum gilt. Ein weiteres zentrales Anliegen der „Intellectual History“ und besonders Quentin Skinners war die Berücksichtigung der allgemein in einem Untersuchungszeitraum publizierten Schriften bei der Analyse, insbesondere auch der Schriften von weniger bekannten Autoren.²¹ Auf diese Weise können die für die untersuchte Gesellschaft relevanten Charakteristika bestimmt werden, es kann ein Bild des zeitgenössischen Entstehungszusammenhanges nachvollzogen werden, also die Situation, in der die großen Autoren einer Epoche sich beim Abfassen ihrer Hauptwerke befanden. Praktisch bedeutet dies, frühere Schriften zu analysieren, die als Einflussfaktoren für spätere Werke gedient haben (können). Auf diese Weise kann Abhilfe geschaffen werden, wo zuvor unwichtig scheinende Verweise übersehen wurden: Diese lassen sich mit Hilfe einer breiter aufgestellten Untersuchung als inhärente Annahmen markieren und entsprechend gewichten. Der beschriebene Ansatz hilft meiner Meinung nach ganz besonders bei der Untersuchung der „authority“, die bislang zugunsten anderer Begriffe („liberty“, „power“ etc.²²) vernachlässigt und häufig aus einem modernen Blickwinkel heraus fehlinterpretiert wurde. Mit Hilfe der Herausarbeitung des generellen politischen Vokabulars der Zeit kann in einem letzten Untersuchungsschritt die zu Grunde liegende Intention des Autors bestimmt werden, indem man besonders auf die Adaption des geteilten Vokabulars achtet und eben nicht nur von seiner wörtlichen Bedeutung ausgeht, sondern hinterfragt, was der Autor beabsichtigt haben könnte, indem er etwas genauso gesagt hat, wie er es tat. Die Stoßrichtung der Argumente und die damit verbundene Wirkungsabsicht kann allerdings nur mit Hilfe der Rückkopplung an die zeitgenössische Situation einer Gesellschaft richtig verstanden und gedeutet werden. Kontextualisierung sollte also stets nicht nur die Betrachtung einer Vielzahl von Autoren und Texten im Auge haben, um so Beiträge zum politischen und sozialen Denken zu einer geteilten Sprache zusammenzuführen, sondern sich auch mit der Verortung der Quellen im historischen Kontext befassen.
Vgl. Skinner, Foundations, S. X ff. Zum Begriff der Freiheit liegen einschlägige Untersuchungen vor: Vgl. Skinner, Classical Liberty. Ders., Liberty before Liberalism. Ders., Hobbes and republican liberty. Ders., Freiheit und Pflicht. Wootton, David (Hg.), Republicanism, Liberty, and Commercial Society, 1649 – 1776, Stanford 1994. Dagger, Richard, Republicanism, in: The Oxford Handbook of the History of Political Philosophy, hg.v. George Klosko, Oxford, New York 2011, S. 701– 711. Collins, Jeffrey R., The Early Modern Foundations of Classic Liberalism, in: Oxford Handbook of the History of Political Philosophy, hg.v. George Klosko, Oxford 2011, S. 258 – 282. Scott, Classical Republicanism.
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Insbesondere diesem letzten Punkt der stärkeren Rückkopplung der Texte an ihren spezifischen historischen Entstehungszeitraum mit seinen politischen, gesellschaftlichen und sozialen Merkmalen widmeten die Vertreter der Cambridge School bislang weniger Aufmerksamkeit, wofür sie durchaus kritisiert wurden.²³ Weitere Kritik an der Methode der Cambridge School bezog sich unter anderem auf die Verabsolutierung des Anspruches der Kontextualisierung, vor der gewarnt wurde, da so die wörtliche Ebene der politischen Theorie aus dem Blick zu driften drohe. Die Kontextualisierungskritik wurde besonders von Mark Bevir geäußert, da für ihn Sprache immer einen kreativen Prozess ohne feste Regeln darstellt. Mit der Kontextualisierung sprachlicher Äußerungen wurde versucht, ein breiteres Entstehungsumfeld in den Blick zu nehmen und für die Quelleninterpretation nutzbar zu machen, jedoch wohnt diesem Verfahren immer auch ein willkürliches Moment inne, da es unmöglich ist „in kontrollierter Weise das Umfeld eines Textes bzw. einer Idee zu bestimmen“.²⁴ Auch die bei Skinner und Pocock häufig fehlende oder vernachlässigte Anbindung an den Sprechakt motivierende Handlungskontexte, wie Strukturen, Probleme, Ressourcen und Interessen des gesellschaftlichen Zusammenhanges, aber auch an biografische Entwicklungen der Autoren selbst war Gegenstand der Kritik.²⁵ Mit den zu Recht geäußerten Beanstandungen verbindet sich für die Erforschung politischen Denkens ein umfangreicher Anforderungskatalog, der sowohl Anspruch als auch Messlatte der vorliegenden Untersuchung ist. Eine weitere notwendige methodische Auseinandersetzung im Vorfeld der vorliegenden Untersuchung galt der Beziehung zwischen „Intellectual History“ der Cambridge School und Begriffsgeschichte. Quentin Skinner als herausragender Vertreter der Geschichte politischer Ideen bzw. politischen Denkens hat sich vielfach als Gegner einer klassischen Begriffsgeschichte positioniert. Skinner kritisierte vor allem, dass es keine Geschichte der Begriffe oder Konzepte gebe, sondern nur eine Geschichte ihrer Benutzung in der Argumentation.²⁶ Um diese
Vgl. Pečar, Macht der Schrift, S. 24. Hellmuth, Intellectual History, S. 156. Hellmuth, Intellectual History, 169. Vgl. Asbach, Geschichte politischer Ideen, S. 662. Hellmuth, Intellectual History, S. 165. Wobei Hellmuth jedoch auch eindringlich davor warnt, Skinner und Pocock in die Nähe der Diskurstheorie Foucaults zu rücken, in der historische Akteure hinter der diskursiven Praxis verschwinden. (Vgl. Foucault, Michel,Was ist ein Autor?, in: Michel Foucault. Schriften zur Literatur, hg.v. Deniel Defert, François Ewald, Frankfurt a. M. 2003, S. 234– 270.) Im Gegensatz dazu wird bei der Cambridge School der Autor als durch seinen Sprechakt aktiv in historisches Geschehen Eingreifender gesehen.Vgl. Hellmuth, Intellecual History, S. 171. Zum Vorgehen der Untersuchung vgl. Skinner, Visionen, S. 16. Zur ablehnenden Haltung Skinners gegenüber den Vertretern der klassischen Begriffsgeschichte Vgl. auch Schorn-Schütte, Ideen-, Geistes- und Kulturgeschichte, S. 507 f..
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Abgrenzung zweier auf den ersten Blick durchaus ähnlich scheinender Konzepte zu verstehen, muss ein wenig weiter ausgeholt werden. Seit 1945 fand in Deutschland eine Neuorientierung der Geistes-, Ideen- und Kulturgeschichte zu einem Zeitpunkt statt, zu dem es in Großbritannien bereits Ansätze einer sogenannten „history of ideas“ oder „intellectual history“ seit Arthur O. Lovejoy (1938) gab. Die politische Ideengeschichte und die Beschäftigung mit den politischen Sprachen ist in Deutschland lange relativ unbeachtet geblieben. Gründe dafür waren die Neurorientierung der Geschichtswissenschaft hin zur Historischen Sozialwissenschaft und die Fokussierung auf vorrangig strukturanalytische Methoden. Eine Ausnahme bilden die Arbeiten im Umfeld der Begriffsgeschichte.²⁷ Etwa seit den 1950er Jahren bezeichnet man mit Begriffsgeschichte ein Konzept der geschichtswissenschaftlichen Forschung, dessen Aufgabe es ist, „die Analyse von im Lauf der Geschichte auftretenden Konvergenzen, Verschiebungen oder Diskrepanzen des Verhältnisses von Begriff und Sachlichkeit“ zu betreiben.²⁸ Im Mittelpunkt der methodischen Debatte in Deutschland stand nun das historisch gewordene Umfeld als Handlungszusammenhang einer sprachlichen Äußerung, zugleich erfolgte die Forderung nach einer Historisierung der Ideengeschichte durch die Frankfurter Schule seit den 1960er Jahren.²⁹ Insbesondere Reinhardt Koselleck, Werner Conze und Otto Brunner forderten die Kontextualisierung der Ideengeschichte und die Stärkung der Begriffsgeschichte, wobei sie sich auf die ideen- und geistesgeschichtlichen Forschungen der Weimarer Republik bezogen, v. a. auf Hans Georg Gadamer, der die Begriffsgeschichte initiiert hatte.³⁰ Grundlegendes Anliegen war die Analyse des Denkens in der Vergangenheit, was Ideen, Denkstile, Diskursarten und philosophische Traditionen umfasste, die durch die Beschreibung der Geschichte zeitgenössischer Begriffe durchgeführt wurde. Sinnleitende These dabei war, dass die Verschiebungen von Gebrauchsweisen von Begriffen und Neologismen tiefgreifende strukturelle Wandlungen widerspiegeln würden.³¹ Die Begriffsgeschichte zielt darauf, Geschichtlichkeit im Medium von Sprache und Begriffen zu erschließen und damit die kommunikativen Spielräume der Zeit auszumessen. Sie zählt damit zum Feld der Historischen Semantik und kann dem „linguistic turn“ des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts zugeordnet werden. Sie richtet das Interesse auf die Sinnerzeu-
Vgl. Hellmuth, Intellectual History, S. 151. Koselleck, Begriffsgeschichten, S. 99. Vgl. Schorn-Schütte, Ideen-, Geistes- und Kulturgeschichte, S. 505. Siehe Gadamer, Hans Georg, Die Begriffsgeschichte und die Sprache der Philosophie, Opladen 1971. Vgl. Schorn-Schütte, Ideen-, Geistes- und Kulturgeschichte, S. 506.
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gung vergangener Gesellschaften mit Hilfe von Sprache, Texten und Bildern. Begriffsgeschichte weist, wie bereits erwähnt, eine nahe Verwandtschaft zur Ideen- und Mentalitätsgeschichte auf, zielt aber mehr auf eine Rekonstruktion vergangener Kommunikation und löst den von Skinner, Pocock und anderen geforderten Anspruch der Kontextualisierung in unterschiedlichem Grad ein. Das Grundwerk für den begriffsgeschichtlichen Ansatz stellen die „Geschichtlichen Grundbegriffe“ dar, die von Reinhart Koselleck, Otto Brunner und Werner Conze zwischen 1972 und 1997 herausgegeben wurden.³² Kosellecks Erkenntnisinteresse an einer spezifisch modernen Selbstreflexion der Sprache, ausgehend von der „Entstehung der modernen Welt“ in der sogenannten „Sattelzeit“ (1750 – 1850) wurde zum Paradigma des gesamten Forschungsansatzes. Historische Erwartungen und Erfahrungen sollten anhand der Veränderung von Schlüsselbegriffen der politisch-sozialen Sprache untersucht werden. Den Zugriff auf Vorstellungswelten und Deutungskonflikte lieferte dabei die Komplexität der Begriffe, wobei mit „Begriff“ sowohl das Wort, als auch das interpretationsbedürftige Konzept gemeint war. Die grundlegende Annahme war es, dass Begriffe historische Problemfelder in verdichteter Form repräsentieren.³³ Für Reinhart Koselleck taucht die Begriffsgeschichte selbst als „explizierte Fragestellung“ erstmals zur Zeit der Aufklärung „und der darin enthaltenen Entdeckung der geschichtlichen Welt“ auf.³⁴ Zu diesem historischen Zeitpunkt seien die „Sozialformationen brüchig“ geworden und die „sprachliche Reflexion“ unter einen „Veränderungsdruck“ geraten; die Geschichte selbst sei damals als „neuartig erfahren und artikuliert“ worden, was seit dem 18. Jahrhundert zu bewusst thematisierten Begriffsgeschichten geführt hat, wobei Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 – 1831) es war, der den Terminus Begriffsgeschichte einst prägte.³⁵ Die Verknüpfung zwischen Sozialgeschichte und Begrifflichkeit wurde bereits in den 1930er Jahren systematisch untersucht – zu nennen sind Walter Schlesinger und Otto Brunner. In einer Ablösung von der politischen Ereignisge-
Brunner, Otto, Conze, Werner, Koselleck, Reinhart (Hgg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, 8 Bde., Stuttgart 1972– 1997. Vgl. Koselleck, Reinhart, Einleitung, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1, S. XIII–XXVII. Vgl. ders., Begriffsgeschichten. Studien zur Semantik und Pragmatik der politischen und sozialen Sprache, Frankfurt a. M. 2006, S. 9. Ebd., S. 10, 57. Begriffsgeschichte bezieht sich maßgeblich auf die (u. a. von Leibniz geprägte) Begriffslogik, die aus derselben Epoche stammt, auf die die Begriffsgeschichte maßgeblich angewendet werden soll.Vgl. Wiehl, Reiner, Begriffsgeschichte zwischen theoretischem Mangel und theoretischem Überschuss. Philosophische Fußnoten zur Historischen Semantik, in: Dutt, Carsten (Hg.), Herausforderungen der Begriffsgeschichte, Heidelberg 2003, S. 81– 104, hier S. 83.
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schichte wollte Brunner in seiner berühmten Abhandlung „Land und Herrschaft“ die konkreten Voraussetzungen mittelalterlicher Politik erfragen, diese jedoch nicht darstellen.³⁶ Langfristige, gesellschaftliche Strukturen und deren Wandel sollten unter Berücksichtigung der Sprache von öffentlichen Akteuren, wie Verbänden oder Gruppen, in den Fokus rücken.³⁷ Ähnliche Fragestellungen verfolgten die französische „Annales“-Schule um Lucien Febvre und Marc Bloch sowie der von Werner Conze gegründete „Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte“. Ein wesentliches Merkmal der Sozial- wie der Begriffsgeschichte ist es, dass beide auf verschiedene Weisen den Zusammenhang zwischen synchronen Ereignissen und diachronen Strukturen voraussetzen. Dieser Zusammenhang „zwischen der jeweils gesprochenen Rede, synchron, und der immer wirkenden diachron vorgegebenen Sprache“ wird von der Begriffsgeschichte analog untersucht.³⁸ Ein Ereignis wird in dieser Logik stets von längerfristig vorgegebenen, gesellschaftlichen Bedingungen ermöglicht – und ist nie gänzlich neu. Für die Ebene der Begriffsgeschichte bedeutet dies, dass jeder Begriff, auch wenn er neu scheint, bereits in der Sprache angelegt ist und seinen Sinn nur aus einem überkommenden, sprachlichen Kontext ziehen kann.³⁹ Koselleck weist jedoch auch immer wieder darauf hin, dass sich Sozial- und Begriffsgeschichte zwar gegenseitig benötigen, jedoch nie völlig zur Deckung gebracht werden können. Für die Begriffsgeschichte heißt das, dass überliefertes Schriftgut zwar „auf den sprachlich umgrenzten Erfahrungsraum verweist und innovative Vorstöße bezeugt, die neue Erfahrungen registrieren oder initiieren mochten, aber der
Brunner, Otto, Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter, Baden b. Wien u. a. 1939. Gadi Algazi kritisiert Otto Brunners Konzept der Grundbegriffe, wie er es in „Land und Herrschaft“ nutzt. Solche Grundbegriffe implizieren bei Brunner eine langfristige Kontinuität der Denkformen einerseits und der mit ihnen verbundenen historischen Substanz andererseits. Besonders kritisch sieht Algazi die Begrenzung der Untersuchung auf bestimmte Begriffe, die dann die Bedeutung des Textes konstituieren sollen. Er hinterfragt diese Hypothese anhand der Veröffentlichungsgeschichte von Brunners Werk selbst, das im Nationalsozialismus geschrieben wurde und dementsprechend viele, nach 1945 anrüchige Begriffe enthielt. Brunner ersetzte solche Termini in einer Bearbeitung aus den 1950er Jahren, machte aber in seiner Einleitung deutlich, dass das Buch in seinem Grundcharakter unverändert geblieben war. Nun ist die Frage, wie das möglich ist, wenn die zentralen Begriffe gestrichen und ersetzt worden waren. Es muss also, so Algazi, noch andere sprachliche Organisationsebenen geben, die Bedeutung konstituieren. Vgl. Algazi, Gadi, Otto Brunner – ‚Konkrete Ordnung‘ und Sprache der Zeit, in: Geschichte als Legitimationswissenschaft, 1918 – 1945, hg.v. Peter Schöttler, Frankfurt a. M. 1997, S. 166 – 203, hier S. 176, 186. Koselleck, Reinhart, Begriffsgeschichten, S. 29. Vgl. ebd.
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Rückschluss auf eine tatsächliche Geschichte ist damit noch nicht zulässig.“⁴⁰ Koselleck geht davon aus, dass sich in Begriffen langfristig wirksame Erfahrungen sprachlich speichern und sich dem Begriff „einstiften“, wobei die stetige Wiederholung den Inhalt der Begriffe festigt. Er greift Fernand Braudels Formel der „longue durée“ auf, die nicht den linearen Ablauf immer gleicher Ereignisse meint, sondern „eine kontinuierliche Wiederholung gleichartiger Bedingungen für verschiedenartige Ereignisse“.⁴¹ Zwar unterscheiden sich die jeweiligen Ereignisse immer voneinander, die Bedingungen und Strukturen wiederholen sich aber mehr oder weniger kontinuierlich. Angewandt auf Begriffsgeschichte bedeutet dies, dass sich zwar Bedeutungen und Pragmatiken wandeln, aber immer ein großer Rest an Bedeutungen bestehen bleibt und repetitiv ist – nur vor diesem Hintergrund lassen sich Wandel und Innovation festmachen.⁴² Den Schlüssel zur Geschichte der Begriffe verortet Koselleck bei der Frage nach dem Verhältnis zwischen Begriffen und den von ihnen erfassten Sachverhalten. Zur Auswahl eines geschichtlichen Grundbegriffs gehört untrennbar das Kriterium, dass er einen „antipluralistischen Ausschließlichkeitsanspruch“ hat.⁴³ Als Beispiel für einen solchen „hochkomplexen Kollektivsingular“ führt Koselleck „Staat“ an, einen Begriff, der ab etwa 1800 nicht mehr austauschbar war; soziale und politische Wirklichkeit konnten nur mit seiner Hilfe bzw. unter seinem Einsatz wahrgenommen werden. Eine Grundhypothese Kosellecks wie auch der „Geschichtlichen Grundbegriffe“ ist es, dass die Erfahrung der Neuzeit zugleich die Erfahrung einer neuen Zeit ist, in der Geschichte selbst entdeckt und sich bewusst gemacht wurde.⁴⁴ Die Kriterien einer neuzeitlichen Strukturierung des politischen und sozialen Vokabulars waren die Demokratisierung, also die Verschiebung der schichten- und ständespezifischen Verwendungen der Terminologien, der Zwang zur Abstraktion, da Begriffe, um zu Leitbegriffen werden zu können, einen höheren Grad von Allgemeinheit gewinnen müssen, und schließlich die Anfälligkeit für Ideologien.⁴⁵ Ein weiteres wesentliches Merkmal der Begriffsgeschichte sind laut Koselleck die „Zeitschichten“. Die Einzigartigkeit, „dass jeder Grundbegriff eine ihm innewohnende komplexe temporale Struktur aufweist, eröffnet einen Ausweg für die Lösung des Problems der Einzigartigkeit des individuellen Gebrauchs eines
Ebd., S. 29. Ders., Zeitschichten. Studien zur Historik, Frankfurt am Main 2000, S. II ff. Vgl. ders., Begriffsgeschichten, S. 60. Ebd., S. 66. Vgl. ebd., S. 77. Vgl. ebd., S. 84 f.
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bestimmten Begriffs.“⁴⁶ Zudem muss man gerade bei Kernbegriffen die Differenz zwischen Erfahrung und Erwartung mit bedenken. Viele Begriffe (z. B. Republikanismus) sind geprägt worden, bevor es einschlägige Erfahrungen damit gab; sie waren mehr ein in der Zukunft sich vollendendes, ersehntes Konzept. Begriff und Sache entwickeln sich häufig, so eine Grundannahme, unterschiedlich schnell und haben nur in wenigen Ausnahmefällen das gleiche Tempo. Sie weisen somit eine Art „zeitlicher Binnenstruktur“ auf. Aufgrund seiner diachronen Staffelung kann ein Begriff durchaus unterschiedliche zeitliche Wertigkeiten haben.⁴⁷ Reiner Wiehl unterscheidet für die Begriffsgeschichte, wie sie von Koselleck, Conze und Brunner gefasst wurde, drei Ebenen: Sie ist zunächst ein Prinzip der Erkenntnis, also ein methodisches Instrument der Kultur- und sozialgeschichtlichen Forschung. Zudem wird angenommen, dass Begriffe eine Geschichte haben können bzw. geschichtlich sind. Und schließlich weist die Begriffsgeschichte eine eigentümliche Begriffsstruktur auf, wodurch die Geschichte ein rationales Strukturelement erhält.⁴⁸ Natürlich gab es an Theorie und Methode der Begriffsgeschichte durchaus Kritik. So forderte etwa Rolf Reichhardt unter Berücksichtigung der Kritik an der Hypothese, man könne Begriffe als selbstständige, hochkomplexe sprachliche Kondensate untersuchen, eine stärkere Einbeziehung symbolischer und serieller Quellen. Diesem Gedanken folgend, forderte auch Koselleck die Analyse von Begriffsfeldern bzw. Parallelbegriffen, da Wortbedeutungen eben nicht nur eingegrenzt werden, sondern gleichartige Sachverhalte andersherum auch verschiedenartig benannt werden können.Der Einsicht in den möglichen Wandel von Begriffen steht jedoch Kosellecks Verteidigung der Möglichkeit statischer Begriffe gegenüber. Kritiker der Begriffsgeschichte, wie Dietrich Busse und Rolf Reichardt, stellten nicht das logische Instrumentarium der Begriffsgeschichte generell, sondern einzelne Praktiken in Frage. So kritisierte Reichardt beispielsweise „ideengeschichtliche Gipfelwanderungen“ und forderte stattdessen eine Rekonstruktion der ihnen zugrundeliegenden alltäglichen Sprachhandlungen.⁴⁹ Reichardt selbst vertritt die Hypothese, dass die vorstellungs- und handlungssteuernden Grundbegriffe in der Gesellschaft des alten Frankreich nicht durch die Klassik endgültig festgelegt worden waren, sondern besonders von der Zeit Ludwigs XIV. bis zur Restauration des frühen 19. Jahrhunderts einen beschleunigten Bedeutungs- und Funktionswandel mitmachten, in dessen Verlauf ihr Ebd., S. 91. Vgl. ebd., S. 99 f. Vgl. Wiehl, Begriffsgeschichte, S. 81 f.. Vgl. Reichardt, Rolf, Allgemeine Bibliografie, Einleitung, in: Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680 – 1820, Bd. 1, Berlin, München, Boston 2016, S. 87.
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alteuropäischer, heute nicht mehr verständlicher Wortsinn einem modernen, bis in unsere Sprache verständlichen Wortsinn wich. Gestützt wird diese These dadurch, dass sich die Zeitgenossen selbst auf den radikalen Wandel der Sprache beriefen und ihren Missbrauch z.T. anprangerten, etwa im Umfeld der Französischen Revolution.⁵⁰ Damit zusammen hängt ein weiterer zentraler Kritikpunkt an der Begriffsgeschichte: ihr als zu eng gefasst bewerteter Untersuchungszeitraum. Begriffe werden am Übergang zur Moderne untersucht, da man ihrem Beginn nachspüren will. Allenfalls auf Antike und Mittelalter werden kurze Schlaglichter geworfen sowie, wenn überhaupt, ein kurzer Ausblick auf die Zeit nach 1850 gegeben. Die Untersuchung der „authority“ im politisch-gesellschaftlichen Diskurs Mitte des 17. Jahrhunderts ermöglicht die Aussage, dass auch schon vor Beginn der sogenannten Sattelzeit, also vor 1750, eine vermeintlich „spezifisch moderne Selbstreflexion der Sprache“ stattfand.⁵¹ In diesem Sinne unterstützt die vorliegende Arbeit die vielfach geäußerte Kritik an dem begrenzten Untersuchungszeitraum der „Geschichtlichen Grundbegriffe“ bzw. der klassischen Begriffsgeschichte Koselleck’scher Prägung. Gerade vor dem Hintergrund der Aufklärung und der Französischen Revolution, die als Katalysator der Ausgestaltung der Moderne verstanden wurden, lässt sich dieses Argument nachvollziehen. „Vor allem im französischen Aufklärungszeitalter“, so resümiert Falko Schmieder, „gehört zur Sprachpolitik die politisch motivierte Kritik des Wortmissbrauchs („abus de mots“) und des Widerspruchs zwischen „mots“ (Wörter) und „choses“ (Sachen), der sich aus der immer rascheren Veränderung der sozialen Verhältnisse ergab.“ Denis Diderots im Zusammenhang mit der Abfassung seiner berühmten „Encyclopédie“ geäußerte Kritik an einem unzeitgemäßen Sprachgebrauch, der sich vor allem auch gegen die konservativen Wörterbücher der französischen Akademie richtete, habe stets auch eine „politische Dimension der Delegitimierung von Herrschaft“ gehabt. „Der Zuwendung zur Geschichte der Begriffe konnte aber auch ein entgegengesetztes begriffspolitisches Interesse zugrunde liegen; sie konnte zum Instrumentarium der konservativen oder Gegenrevolution werden, die damit gerade die Tradition und Kontinuität betonen wollte.“⁵² Demselben Muster der wiederstreitenden politischen Lager, die ihre Weltanschauungen im
Vgl. ebd., S. 2. Koselleck spricht dieses Spezifikum erst der sich 1750 – 1850 herausbildenden „modernen Welt“ zu. Vgl. Koselleck, Einleitung, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1, S. XIII ff. Interview mit Falko Schmieder anlässlich der Veröffentlichung seines Buches (zusammen mit Ernst Müller) „Begriffsgeschichte und Historische Semantik“ vom 24. Oktober 2019, URL: https:// www.theorieblog.de/index.php/2019/10/die-geschichte-der-begriffsgeschichte-zwischen-histori sierung-und-begriffspolitik/
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Diskurs mit spezifischen Begriffen wie „authority“ äußern und verteidigen, begegnen wir auch im Umfeld der Englischen Revolution. Weitere Defizite wurden dem begriffgeschichtlichen Ansatz aufgrund seiner Quellenauswahl angelastet, die den angestrebten Blick „in den Alltag hinein“ meist nicht ermöglichte. Gleiches gilt für die meist hinter den Ankündigungen zurückbleibende sozialhistorische Unterfütterung der Untersuchungen, die mit den Bildungsschichten meist nur einen kleinen Teil der Bevölkerung zu Wort kommen lassen (kanonische Autoren, „Höhenkamm-Texte“), „Alltagssprache“ jedoch weitgehend ausklammern. Die Beschränkung auf durchgesetzte Begriffe sowie die Vorannahme, dass sich Geschichte in bestimmten Begriffen niederschlage und die hier gespeicherte historische Erfahrung analysierbar sei, hat dem Ansatz ebenfalls Kritik eingebracht.Wissen abseits der einschlägigen Begriffe und Gegenbegriffe wird ausgeklammert, ebenso wie alternativ Artikuliertes. Vielfach wird auch eine stärkere Berücksichtigung des je spezifischen sozialen, politischen und zeitlichen Kommunikationsraumes und seiner Kontexte gefordert. Neue begriffsgeschichtliche Studien, wie etwa die „Ästhetischen Grundbegriffe“⁵³ versuchen, die Kritik umzusetzen und sehen zunehmend von der von Koselleck geforderten prospektiven Erzählung der Begriffsgeschichte ab, da diese zur Konstruktion einer chronologischen Entwicklungslinie führe, Invarianzen ausblende und zeitgebundene Motivationen nicht ausreichend reflektiere. Auch aus diesem Grund hat sich die „Historische Semantik“ als Überbegriff für die Erforschung semantischer Veränderungsprozesse herausgebildet. Kulturwissenschaftliche und sprachgeschichtliche Impulse erweitern das begriffsgeschichtliche Spektrum; als Beispiel dafür dient die Bildung von Begriffsclustern, semantischen Beziehungsnetzen, die Analyse der sprachlichen Konventionen vor der epochalen Begriffsbildung bzw. die Vorbedingungen dazu. Zudem geht es verstärkt um Sprachpragmatiken, also um konkrete Kommunikationssituationen.⁵⁴ Zwar wollte man sich mit der Begriffsgeschichte deutlich von der Ideengeschichte abgrenzen, Kritiker befinden diese Abgrenzung aber für unzureichend, weshalb sie Begriffsgeschichte oft als Neuauflage der Ideengeschichte beschreiben.⁵⁵ Die Differenzierung zwischen Begriff und Idee ist hier ausschlaggebend:
Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden, hg.v. Karlheinz Barck, Stuttgart 2010. Vgl. Kathrin Kollmeier, Begriffsgeschichte und Historische Semantik, Version: 2.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 29.10. 2012,URL: http://docupedia.de/zg/Begriffsgeschichte_und_Histori sche_Semantik_Version_2.0_Kathrin_Kollmeier?oldid=125783. Die Schwierigkeiten dieser Abgrenzung bzw. die Notwendigkeit der Ideengeschichte, sich selbst weiterzuentwickeln und die eigene Unabhängigkeit bzw. Relevanz gegenüber den später als Weiterentwicklung etablierten Ansätzen (wie etwa der Begriffsgeschichte) aufzuzeigen,
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Beide unterscheiden sich durch ihren Inhalt voneinander: Begriffsgeschichte ist ausdrücklich auf die Sozialgeschichte und politische Geschichte bezogen. Ideengeschichte gründet sich auf der Annahme der Existenz grundlegender geistiger Mächte (Kunst, Religion, Staat, Philosophie). Begriffe werden zudem in einem begriffsgeschichtlichen Netz gedacht, während Ideen autark sind und für sich allein stehen können. Zudem weist Wiehl auf die unterschiedlichen Funktionen von Begriffs- und Ideengeschichte hin. Erstere ist durch ihre Erkenntnisund Methodenfunktion bestimmt; letztere ist Selbstzweck. Der Begriff zeichnet sich, so Wiehl, durch eine eigentümliche Zwischenstellung zwischen einem Wort und einer Idee aus.⁵⁶ An diesen und ähnlichen Umschreibungen wird ersichtlich, dass eine trennscharfe Unterscheidung bisweilen schwer fällt. Des Weiteren muss mitbedacht werden, dass auch die Ideengeschichte Entwicklungen und Umbrüchen unterlag, insbesondere wenn man den Ansatz der „Cambridge School“ in den Blick nimmt. Der Perspektivenwechsel der „Cambridge School“ im Vergleich zur klassischen Ideengeschichte lässt sich – wie eingangs dargelegt – mit dem Schlagwort der Kontextualisierung beschreiben.⁵⁷ Olaf Asbach warnt trotz der generell positiven Einschätzung des Ansatzes der „political languages“ jedoch vor einer Verabsolutierung des Anspruchs, dass alle Theorien und Ideen einzig aus ihren spezifischen historischen, diskursiven Kontexten heraus verstanden werden können. Dadurch entsteht die Gefahr, politische Ideen nur noch als Elemente von Sprechakten wahrzunehmen und ihren Inhalt, also den wörtlichen Gehalt, aus dem Blick zu verlieren.⁵⁸ Um der Analyse Sinn zu geben, solle man sich Asbach
machte sich auch die im September 2008 stattfindende Tagung des Deutschen Literaturarchivs Marbach „Die Ideengeschichte und ihre Nachbardisziplinen“ zum Thema, an der internationale Wissenschaftler ihren Ansatz zu aktualisieren suchten. Eine der drei Sektionen beschäftigte sich mit der Frage der „Ablösung der Ideengeschichte durch Begriffsgeschichte, Diskursanalyse oder Wissenssoziologie?“. URL: https://www.uni-heidelberg.de/imperia/md/content/fakultaeten/ phil/philosophischesseminar2/ideengeschichte.html. Ein eindrückliches Bild der Verflechtung der Begriffsgeschichte mit anderen Feldern der Historischen Semantik, wie eben auch der Ideengeschichte, zeichnen Falko Schmieder und Ernst Müller in ihrem kritischen Kompendium „Begriffsgeschichte und Historische Semantik“. Dabei machen sie auch deutlich, dass international keineswegs ein Konsens darüber besteht, ob Begriffsgeschichte eine Teildisziplin der Historischen Semantik ist oder – andersherum – ein Sammelbegriff, der auch Historische Semantik umfasst. Vgl. Müller, Ernst, Schmieder, Falko, Begriffsgeschichte und Historische Semantik. Ein kritisches Kompendium, Berlin 2016. Wiehl, Reiner, Begriffsgeschichte zwischen theoretischem Mangel und theoretischem Überschuss, S. 81 f. Vgl. Asbach, Olaf, Von der Geschichte politischer Ideen zur ‚History of Political Discourse‘? Skinner, Pocock und die ‚Cambridge School‘, Zeitschrift für Politikwissenschaft 12 (2002), S. 637– 667, hier S. 640. Vgl. ebd., S. 655.
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zufolge zunächst über grundlegende, Epochen übergreifende Begriffe einig werden. Nur dann könne man Zusammenhänge zwischen Diskursen herstellen und Veränderungen wahrnehmen. Zudem muss man sich klar werden über den Zusammenhang zwischen historischen Prozessen, also der Schaffung bzw. Umwälzung politischer und sozialer Ordnungen, und der Ideen und Theorien, die diese Ordnungen begründen, beschreiben, legitimieren oder kritisieren.⁵⁹ Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der „Intellectual History“ und der Begriffsgeschichte ist durchaus zulässig. Auch Marion Heinz und Martin Ruehl wundern sich in ihrem Nachwort zu Skinners „Visions“ über das ungeklärte Verhältnis, umso mehr, da beide Ansätze sich mit sprachlichen Gegebenheiten beschäftigen. Dabei räumen sie ein, dass Skinners Ansatz bereits seit längerem als Alternative und Korrektiv zur Begriffsgeschichte diskutiert wurde. Vor diesem Hintergrund fordern sie eine Verbindung beider Ansätze, die eine nutzbringende, gegenseitige Bereicherung darstellen würde. In diesem Sinne sollten die Vertreter beider Ansätze sich auf die geteilten Grundannahmen besinnen und sich gegenseitig um die kritischen Punkte bereichern. Meine Arbeit versteht sich daher weder als Teil der klassischen Begriffsgeschichte, noch als Auswuchs einer „history of political ideas“ der Cambridge School. Vielmehr soll versucht werden, der berechtigten Kritik an beiden Ansätzen zu folgen und unter Berücksichtigung der Überlegungen zu ihrer Weiterentwicklung einen praktischen Beitrag zu einer wechselseitigen Ergänzung zu leisten. Praktisch soll dieses Vorhaben eingelöst werden durch den Vergleich der Definition der „authority“ bei Hobbes mit der Defintion desselben Begriffes in den genuin royalistischen Quellen der königlichen Proklamationen (Kap. 4.1). Für die Zeit vor dem Ausbruch der Bürgerkriege soll nach einer möglichen Tradition bzw. Brüchen in der Fassung des und dem Umgang mit dem Begriff der „authority“ gefragt werden. Auf dieser Grundlage sollen dann die anderen Wortmeldungen gesichtet und ihre jeweilige Argumentation mit „authority“ in bestimmten Kontexten und mit distinkten politischen Intentionen bewertet werden, gewissermaßen also die Geschichte des „authority“-Diskurses während der Englischen Revolution und des Interregnums nachgezeichnet werden. In welchen diskursiven Situationen taucht „authority“ als sinnstiftendes oder handlungsleitendes Motiv auf? Zu welchen Zwecken wurde die Argumentation mit „authority“ genutzt? Welche Strategien wurden mit der Instrumentalisierung des „authority“Begriffs verfolgt? Es geht nicht nur darum aufzuzeigen, welche Bedeutung der Terminus in der zeitgenössischen Debatte hatte, sondern vor allem auch darum,
Vgl. ebd., S. 660 ff.
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die Argumentation mit ihm in ihrer Struktur, Zielsetzung und Bedeutung nachzuvollziehen.
3 Thomas Hobbes Die zunächst für die Beantwortung der Frage nach der Bedeutung der Argumentation mit dem Autoritätsbegriff wesentliche Vorleistung ist die Analyse des Begriffes selbst in den verschiedenen Quellen der Zeit des Interregnums. Besonders Thomas Hobbes nimmt hier als Autor einen besonderen Platz ein, denn er argumentiert in seinem Hauptwerk, dem „Leviathan“, immer wieder an prominenter Stelle mit „authority“. Grundsätzlich ist festzustellen, dass der Terminus in allen vier Teilen des „Leviathan“ zu finden ist. Eine strikte Trennung zwischen der politischen Sphäre der ersten beiden Teile „Of Man“ und „Of Commonwealth“ und der geistlich-spirituellen Sphäre der letzten beiden Teile „Of a Christian Commonwealth“ und „Of the Kingdome of Darkness“ ist daher nicht angeraten. Die umfassende Betrachtungsweise des Gesamtwerkes und die Abkehr von einer Fixierung entweder auf das politische oder auf das religiöse bzw. Kirchenverständnis Hobbes’ trägt auch der berechtigt vorgebrachten Kritik der jüngeren Forschung Rechnung, das Zusammenwirken beider Teile in den Fokus zu nehmen.¹ Eine strikte Trennung zwischen religiösem und politischem Teil des „Leviathan“ findet sich in der Forschung häufig und führte lange zu einer überaus starken Gewichtung der politischen Philosophie Hobbes’ und einer eklatanten Vernachlässigung seiner religiösen Vorstellungen. Dieses vorrangige Interesse an Hobbes’ politischen Äußerungen verdankt sich auch der spezifischen Situation derjenigen, die ihn aus moderner Sicht gelesen und interpretiert haben. Wenn man die Frage nach dem Grund für eine Beschäftigung heutiger Wissenschaftler mit einem Philosophen der Mitte des 17. Jahrhunderts stellt, so liegt nahe, dass mit Hobbes’ Argumenten gegenwärtige Zusammenhänge erklärt werden sollten. Hier sind Beiträge wie Ernesto Laclaus Feststellung der Nähe zwischen Hobbes und dem Marxismus zu verorten.² Einen guten Überblick über den politischen und
Z. B. vorgebracht durch Brandon, Coherence. Vgl. Laclau, Ernesto, The rhetorical Foundations of Society, London 2014, S. 212. Laclau bezieht sich dabei direkt auf Agamben, Giorgio, Homo Sacer. Sovereign Power and Bare Life, Stanford 1988. Agamben hatte mit Hobbes die Konstruktion einer Theorie der Moderne versucht. Laclau verweist auf die antipolitischen Effekte beider Systeme: Hobbes beschreibe den absoluten „supreme will“ des Souvräns, dem nichts entgegenzusetzen ist, was bedeutet, dass „politics necessarily disappears“. Im Vergleich dazu propagiert Marx eine klassenlose Gesellschaft, die die völlige Universalität erreicht hat „that makes politics superfluous“. Folgt man Agambens These weiter, so sei es das Anliegen der Moderne ein ungeteiltes und einziges Volk zu schaffen, in dem es keine Unterscheidung mehr gibt zwischen der Gemeinschaft („populus“) und den Unterdrückten („plebs“). „To eleminate radically the people that is excluded.“ Agamben, Homo Sacer, S. 179. Laclau, rhetorical foundations, S. 217. https://doi.org/10.1515/9783110659498-005
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sozialen Standort Hobbes’ und der Hobbes-Forschung gibt Iring Fetscher in seiner Einführung zum „Leviathan“.³ Im Sinne von Fetschers Feststellung der großen Bedeutung des politischen Standpunkts des jeweiligen Forschers für seine Hobbes-Interpretation, kritisiert Jeffrey Collins Quentin Skinner. Der Liberalismus der 1950-er Jahre habe, so Collins, starken Einfluss auf Skinners Herangehensweise und seine Methode gehabt. Die habe in letzter Konsequenz zu einer Überbewertung der liberty geführt, die jedoch keinesfalls das Hauptthema des „Leviathan“ sei.⁴ Zudem habe Skinner die wesentlichen Aspekte der Religion bei Hobbes vernachlässigt. Die Hinwendung der aktuellen Forschung zur Bedeutung von Religion und Kirchenverständnis in vermeintlich hauptsächlich politischen Traktaten der Frühen Neuzeit findet sich in ganz besonderer Weise in der HobbesForschung wieder: Nicht nur Jeffrey Collins, sondern auch Aloysius Martinich und Eric Brandon sind hier zu nennen.⁵ Angesichts der zeitgenössischen Reaktionen auf den „Leviathan“ verwundert dies nicht, denn Hobbes hatte sich durch seine Schrift zwar Feinde in allen möglichen Lagern gemacht, aufgrund seiner harten Kritik vor allem an den Strukturen innerhalb der Kirche, seines Materialismus und seiner Absage an die von kirchlichen Würdenträgern für sich reklamierten Vollmachten, die sich vermeintlich aus ihrem eigenem Recht speisten, zählten die Vertreter des Klerus und die Verfechter des Episkopalsystems zu seinen besonders erbitterten Gegnern. In
Vgl. Fetscher, Einleitung, XLIVff. Fetscher stellt u. a. Ferdinand Tönnies‘ Hobbes-Interpretation vor, die einerseits den Anfang der neueren Hobbes-Forschung markiert, andererseits deutlich vom modernen Klassendenken geprägt ist: Hobbes sei ein Gegner seiner Zeit gewesen und antioligarchisch gegen die aufstrebende Handelsbourgeoisie eingestellt. Die Ablehnung von KlassenInteressen habe Hobbes den Radikalen der Zeit näher gebracht; seine Ablehnung der Volksherrschaft hingegen die Sympathie des gemeinen Volkes verspielt. An diesem Beispiel ist besonders gut zu erkennen, wie moderne Werte und Auffassungen relativ unkritisch auf das 17. Jahrhundert übertragen werden, indem z. B. dem gemeinen Volk dieser Zeit der generelle Drang nach einer eigenverantwortlichen Selbstregierung in einem basisdemokratischen System unterstellt wird. In diesem Sinn erwartet Tönnies die Umgestaltung des Staates im Hobbesschen Sinn von der modernen Demokratie, was seine Beschäftigung mit dem Philosophen erklärt. Vgl. Tönnies, Ferdinand, Thomas Hobbes, der Mann und der Denker, Stuttgart 1925, S. 219.Fetscher thematisiert in diesem Zusammenhang auch den Bezug autoritärer Denker der Moderne auf Hobbes, vgl. Fetscher, Einleitung, S. LXI. Fetscher fasst aber auch jüngere Debatten um Hobbes treffend zusammen: „Vor allem aber hielt die Kontroverse um Hobbes in unverminderter Schärfe an, wobei auch bei den ‚rein akademischen‘ Arbeiten die politische Orientierung der Autoren fast stets ausschlaggebend blieb.“ Ebd., S. LXV. Vgl. Collins, Jeffrey, Quentin Skinners Hobbes and the Neo-Republican Project, Modern Intellectual History 5 (2009), S. 343 – 367. Vgl. ebd. Ders., Allegiance. Martinich, Aloysius, The two Gods of Leviathan. Thomas Hobbes on religion and politics, Cambridge 2002. Brandon, Coherence.
3.1 Der Autoritätsbegriff bei Hobbes
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diesem Sinn ist der Atheismusvorwurf einer der beliebetesten und verbreitetsten Schläge gegen Hobbes. Dass Bezüge auf Glauben, Religion und die Bibel auch die Funktion einer politischen Sprache haben können, um bestimmte Ansichten zu belegen und zu untermauern, hat Andreas Pečar unlängst aufgezeigt.⁶ Auch für Thomas Hobbes ist ein solches Vorgehen festzustellen, etwa wenn er den Ursprung des Gesellschaftsvertrages beim Bund zwischen Gott und Abraham bzw. Moses verortet und auch den Gehalt von „authority“ hier bespricht. Es bleibt festzustellen, dass politische und religiöse Sphäre nicht scharf voneinander getrennt betrachtet werden sollen, sondern immer wieder auch Verbindungen und Querverweise thematisiert werden. Gerade der Hobbessche Autoritätsbegriff bedarf einer genauen Analyse, denn er wird auf beiden Feldern häufig angeführt. Zudem begegnet er auf verschiedenen Ebenen und wird auf unterschiedliche Akteure bezogen. Zur feineren Herausarbeitung dessen, was Hobbes mit „authority“ meint, wenn er sie in diesen diversen Kontexten für seine Argumentation nutzt, ist es zunächst grundlegend, die Passagen herauszuarbeiten, an denen der Begriff genannt wird und sich anschließend an einer Definition bei Hobbes zu versuchen.
3.1 Der Autoritätsbegriff bei Hobbes Da der Autoritätsbegriff im gesamten „Leviathan“ präsent ist und immer wieder in verschiedenen Zusammenhängen erscheint, ist eine Kategorisierung angeraten. Zum einen kann man nach Themenfeldern fragen, auf denen Hobbes den Begriff „authority“ verwendet; zum anderen lässt sich auch nach den Akteuren unterscheiden, die diese Kompetenz inne haben und ausüben können oder denen sie andersherum verwehrt bleibt. Besonders prominent argumentierte Hobbes mit „authority“ auf staatlicher Ebene. Vergegenwärtigt man sich seine Vorstellung vom Staat als einen politischen Körper mit einem Haupt, das die ungeteilte Souveränität in sich vereint, und einem aus der Masse der restlichen Bevölkerung bestehenden Körper, so wird schnell klar, dass Hobbes’ Staatsbegriff breit aufgestellt ist, denn de facto zählen alle Bereiche der Verwaltung, Regierung, Justiz und Kirche sowie der Universitäten und des Militärs in das Verantwortungsfeld und Hoheitsgebiet des einen, unumschränkten Souveräns. Eine Gewaltenteilung lehnte Hobbes strikt ab, da sie seiner Ansicht nach die Keimzelle für die Vernichtung des Staates war und den Weg in Chaos und Bürgerkrieg ebnete. Da der Naturzustand des menschlichen
Pečar, Andreas, Macht der Schrift.
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3 Thomas Hobbes
Zusammenlebens für Hobbes ohnehin in einem „bellum omnium contra omnes“ bestand, der aus der relativen Gleichheit der Begierden der Menschen und ihrer ständigen Konkurrenz um dieselben Güter resultierte, bedeutete der Bürgerkrieg einen Rückfall in den so umschriebenen Naturzustand. Um das Eintreten dieses für alle Menschen im Grunde verheerenden Zustandes zu vermeiden, haben alle Individuen einen „covenant“ miteinander geschlossen – häufig ungenau als Vertrag übersetzt, meint es doch eher einen Bündnisschwur oder ein feierlich gefasstes Abkommen.⁷ In diesem wurde einem Souverän – gleich ob dies einen Monarchen oder eine Versammlung von Menschen meint – die Autorität jedes Einzelnen übertragen.⁸ Mit Autorität meint Hobbes in diesem Zusammenhang das Recht jedes Einzelnen, über sich selbst zu herrschen. Nicht nur die weltlichen Bereiche der Staatsführung zählen laut Hobbes in die Verantwortlichkeit des Souveräns – und damit des Staates –, sondern auch das oberste Regiment über die Kirche. Diese stellt für Hobbes keine von der profanen Sphäre abgetrennte Institution dar, die der Leitung eigener Würdenträger unterliegt, sondern ist lediglich eine Versammlung derselben Menschen, die auch den Staat bilden: „Subjects, both as they are the Common-wealth, and as they are the Church: for both State, and Church are the same men“.⁹ Damit ist der bürgerliche Souverän auch der oberste Kirchenherr, in ihm vereinen sich „the Right Politique, and Ecclesiastique […] for the government of mens externall actions, both in Policy, and Religion“.¹⁰ Weitere Themenfelder nehmen einen weniger umfassenden Platz ein, so führt Hobbes den Autoritätsbegriff auch für Einzelpersonen des öffentlichen Lebens ein, etwa für Gelehrte. Zudem können auch Gegenstände Autorität innehaben. Und schließlich existiert im privaten Bereich die Autorität des Familienvaters. Je nach Themenfeld adaptiert Hobbes den Begriff der Autorität, was mitunter unterschiedliche Bedeutungen erzeugt. Das gilt auch für die Akteursebene, auf der man analog zu diesen Feldern unterscheiden kann zwischen der Autorität des Souveräns bzw. allgemeiner einer künstlichen Person, der Autorität von öffent-
In „De Corpore Politico“ definiert Hobbes den covenant genauer: „In all Contracts where there is Trust, the Promise of him that is trusted, is called a Covenant. And this though it be a Promise, and of the time to come, yet doth it transfer the Right, when that time cometh, no lesse then an actuall Donation.“ Hobbes, Thomas, De Corpore Politico. Or, The Elements of Law, Moral and Politick, London 1650, in: Ders., The Elements of Law Natural and Politic, hg.v. Ferdinand Tönnies, London 1969, S. 14. Vgl. Hobbes, Leviathan, The Clarendon Edition of the works of Thomas Hobbes, hg.v. Noel Malcolm, Bd. 2 und 3, Oxford 2012, engl. Fassung, S. 280. Ebd., S. 864. Ebd.
3.2.1 Staat
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lichen Personen und Dingen und der Autorität von privaten Personen. All diese Kategorien sollen im Folgenden näher beschrieben und untersucht werden. Da Hobbes den Begriff „authority“ gleichsam für eine Vielzahl von staatlichen Zusammenhängen und Akteuren nutzt, ist zu fragen, mit welchen Bedeutungen er in welchem Kontext gefüllt wird; es geht also einerseits um eine Differenzierung des Begriffs, andererseits aber auch um eine Kontextualisierung in verschiedenen Debatten. Der Terminus „authority“, wie er bei Hobbes begegnet, kann nicht einfach mit dem deutschen Pendant der Autorität übersetzt werden, da dies aufgrund der höchst ungenauen Definition von Autorität im modernen Sprachgebrauch irreführen würde. Autorität wird gemeinhin mit Ansehen übersetzt, in den folgenden Kapiteln wird jedoch schnell klar werden, dass es keinesfalls gesellschaftliches Ansehen oder politische Ansehensmacht ist, die Hobbes meint, wenn er den Begriff „authority“ verwendet. Um die Bedeutung der „authority“ besser abbilden zu können, wird deshalb in der Folge auch mit deutschen Begriffen wie Vollmacht oder Handlungskompetenz operiert, die inhaltlich mehr Trennschärfe bringen sollen.
3.2 Themenfelder der Argumentation mit „authority“ 3.2.1 Staat Dass Hobbes an prominenter Stelle mit Autorität argumentiert, wird deutlich, wenn man seine Beschreibung des Wesens des Staates liest. Gleich zu Beginn des zweiten Teils des „Leviathan“ macht er deutlich, wie seiner Vorstellung nach der Prozess der Staatsbildung erfolgt und was dafür notwendig ist. Zunächst unterscheidet er zwischen dem covenant, der durch die Übereinstimmung aller Menschen zustande kommt, und einer allgemeinen Gewalt, die diesen Vertrag dauerhaft macht und die Handlungen der nunmehr entstandenen Untertanen lenkt. Zur Errichtung dieser essentiellen allgemeinen Gewalt schreibt Hobbes: „The only way to erect such a Common Power, as may be able to defend them from the invasion of Forraigners, and the injuries of one another, and thereby to secure them (…) is, to conferre all their power and strength upon one Man, or upon one Assembly of men, that may reduce all their Wills, by plurality of voices, unto one Will.“¹¹ Was der Autor hier beschreibt, ist der Moment des Bündnisschlusses zwischen den Untertanen, jeder mit jedem. Das bedeutet nicht bloß die Zustimmung eines jeden Einzelnen, sich dieser allgemeinen Gewalt unterzuordnen,
Ebd., S. 260.
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3 Thomas Hobbes
sondern stellt „a reall Unitie of them all, in one and the same Person“¹² dar. Zugrunde liegt die Fiktion eines mündlichen Abkommens aller miteinander: „I Authorize and give up my Right of Governing my selfe, to this Man, or this Assembly of men, on this condition, that thou give up thy Right to him, and Authorize all his Actions in like manner.“¹³ Dieses mündliche Abkommen eines Jeden mit jedem kann natürlich real nicht ablaufen, aber Hobbes beschreibt hier den Inhalt und die Bedeutung der Unterwerfung unter eine bürgerliche Regierung, die jedem klar sein muss. Denn, so folgert Hobbes weiter, „by this Authoritie, given him by every particular man in the Common-Wealth, he hath the use of so much Power and Strength conferred on him, that by terror thereof, he is inabled to conforme the wills of them all, to Peace at home, and mutuall ayd against their enemies abroad.“¹⁴ Entscheidend ist, dass der Souverän derjenige ist, der den Willen aller lenkt. Dies bekräftigt Hobbes nochmals, indem er festhält „This great Authority being Indivisible, and inseparably annexed to the Soveraignty“¹⁵. Allen Vertretern jener Theorie, wonach ein Souverän zwar für sich allein genommen im Vergleich mit einem normalen Untertan größere Machtvollkommenheit besitzt, schlössen sich aber alle Untertanen zusammen, ihre Machtvollkommenheit die der souveränen Person oder Versammlung übersteige, erteilt Hobbes eine strikte Absage. Hier beruft er sich auf Henry Parker und die von ihm 1642 aufgenommene Behauptung des Grundsatzes „singulis major, universis minor“¹⁶ – eine Maxime, die sich aus dem Konziliarismus des Spätmittelalters ableitet.¹⁷ Indem Hobbes
Ebd. Ebd. Ebd. Ebd., S. 280. Vgl. Parker, Henry, Observations upon some of his Majesties late Answers and Expressions, London 1642, S. 2. Auch Stollberg-Rillinger geht auf die Bedeutung des Grundsatzes für die Darstellung der dem Oberhaupt des Staates oder der Kirche überlegen Repräsentanten (seien dies „Stände, Große oder Magistrate“) des Volkes ein, welches als „universitas“ begriffen wurde. In diesem Sinne konnte ein überlegener Anspruch der vertretenen „universitas“ geltend gemacht werden, z. B. des Volkes gegenüber dem König, des Konzils gegenüber dem Papst, des Kapitels gegenüber dem Bischof usw. Den Repräsentanten wurde ein Widerstandsrecht beigelegt, „das sie weder denselben Personen als privati noch dem Volk als Masse zugestehen wollten oder konnten“. Eine derartige Argumentation wurde z. B. von den französischen Monarchomachen übernommen. Vgl. Stollberg-Rillinger, Barbara, Vormünder des Volkes? Konzepte landständischer Repräsentation in der Spätphase des Alten Reiches, Berlin 1999, S. 87. Vgl. Tierney, Brian, Foundations of the Conciliar Theory. The contribution of medieval canonists from Gratian to the Great Schism, Leiden, New York, Köln 1998, S. XXVI f.: Ausgehend von der Annahme, dass der Papst ein Teil des Generalkonzils bzw. sein Haupt sei, klingt die grundlegende Formulierung z. B. bei D’Ailly so: „If plenitude of power is in the supreme pontiff, the same or a greater plenitude of power will be in any body of which he [the pope] is head“
3.2.1 Staat
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diese Maxime anspricht und sie versucht zu entkräften, führt er einen Schlag gegen die parlamentarischen Autoren, die sich des Theorems zur Monarchiekritik bedienten.¹⁸ Zugleich begegnet bezogen auf den covenant bereits Hobbes’ politischer Pragmatismus, der noch häufiger Thema sein wird. Denn in der Situation von 1651 ging es für die politischen Akteure des Rump vor allem darum, Legitimität und Autorität zu erlangen. Indem Hobbes einen Gesellschaftsvertrag in allseitigem Einvernehmen beschwört, dem man sich aus Vernunftsgründen nicht widersetzen kann, schließt er zugleich all jene aus, die sich gegen diesen Vertrag stellen, d. h. diejenigen, die gegen die aktuelle Regierung sind. Sich dem, was alle anderen mit Blick auf die eigene Unversehrtheit und die dauerhafte Sicherung des Friedens wollen, nicht unterzuordnen, ist aus diesem Blickwinkel betrachtet politischer und gesellschaftlicher Wahnsinn, quasi eine diskursive Unmöglichkeit. Hobbes rät seinen Landsleuten dementsprechend zur ruhigen Unterordnung unter den Souverän, der mit dem covenant die oberste „authority“ im Staat inne hat. „Authority“ ist also ein ganz zentrales Element der Staatsbildung und drückt in diesem Zusammenhang und bezogen auf weitere Felder des staatlichen Lebens, auf die in der Folge noch näher eingegangen wird, die Vollmacht des Souveräns aus bzw. seine Bevollmächtigung zu rechtsverbindlichem und alle Untertanen bindendem Handeln in sämtlichen Belangen des Staates.Der wesentliche Effekt des covenants ist die Schaffung einer bürgerlichen Regierung, die existiert „to the
(D’Ailly, p., De Ecclesiae et Cardinalum Auctoritate, in: Gerson, Opera, II. Jurisdictione Ecclesiastica, in: von der Hardt, Concilium Constantiense, VI, Frankfurt 1697– 1700, col. 53.) Auch Gerson vertrat die gängige Sicht, dass die im Generalkonzil versammelte Gesamtheit der Kirche größere Macht hatte als der Papst. Dennoch war für die Einberufung der Konzilien die päpstliche Autorität notwendig; sie wurde als Teil der gesamten Kirche gedacht, nicht als der Macht des Konzils gegenüberstehend (Gerson, J.,Sermons, treatises and letters, in: Opera Omnia Bd.VI, hg.v. Du Pin, Antwerpen 1706, S. 233). Unter normalen Umständen „supreme authority in the Church resided in a General Council that included the Pope as its head“. Nur unter extremen Umständen – wenn der Papst zum Häretiker oder Tyrannen werden würde oder er die Einberufung eines Konzils trotz Notwendigkeit verweigern würde – könne das Konzil seine „intrinsic power“ einsetzen um sich selbst zu erhalten und gegen einen Papst vorzugehen, der die mit seinem Amt einhergehenden Verpflichtungen nicht eingehalten hat. Später im Amt folgende Päpste sollten als Individuen an die auf den Konzilien vereinbarten Reformen gebunden sein. Die spätere politische Diskussion in England um die Befugnisverteilung zwischen Krone und Parlament weist viele Parallelen zu diesen Überlegungen des Konziliarismus auf. In diesem Sinn folgert auch Tierney: „In similar fashion, in later English constitutional thought, the king as an individual could be held bound by the statutes of King-in-Parliament.“ Vgl. Tierney, Foundations, S. XXVII. Vgl. Eggers, Daniel, Naturzustandstheorie, S. 545 f.
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3 Thomas Hobbes
end, to live peaceably amongst themselves, and be protected against other men“¹⁹. Dies ist gleichfalls die Legitimationsgrundlage einer jeden Regierung. Dient sie nicht mehr dem Schutz ihrer Untertanen oder wird gar das Leben derselben bedroht, so hat sie ihre Daseinsberechtigung verwirkt. Denn im Falle der unmittelbaren Bedrohung von Leib und Leben muss der Untertan dem Souverän nicht mehr Gehorsam leisten. Er hat dann die Möglichkeit, ja sogar die Verpflichtung, sein Leben mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu schützen und somit in einen Zustand zurückzukehren, der dem vor der Schaffung des Staates gleichkommt. Der soeben beschriebene Umstand gilt allerdings nur in Ausnahmefällen, in denen eine konkrete Bedrohung des Lebens vorliegt. Geht es lediglich um eine Bestrafung nach geltendem Recht, so kann sich ein Untertan nicht dagegen auflehnen. Denn mit dem covenant hat er den Souverän autorisiert, das heißt, der Untertan selbst ist der Autor aller Handlungen des Souveräns – und somit auch der Autor seiner eigenen Bestrafung.²⁰ Das gilt auch, wenn „a subject shall by fact, or word, wittingly, and deliberatly deny the authority of the Representative of the Common-wealth“²¹ – also im Fall einer gezielten Infragestellung der Staatsmacht bzw. der Vollmacht des Souveräns. Unter diesen Umständen kann ihm jede beliebige Strafe auferlegt werden, auch wenn er sich eindeutig gegen die Rechtmäßigkeit der souveränen Person oder Versammlung ausgesprochen hat. Denn der Angeklagte hat sich zu einem früheren Zeitpunkt der Regierung unterworfen und sie autorisiert. Ein weiterer Aspekt der Regelungen zur Aufhebung des Gehorsams bezieht sich auf die Wechselwirkung zwischen Schutz und (ausländischem) Angriff.Wenn der Souverän nicht in der Lage ist, den Schutz seines Volkes als Ganzes zu gewährleisten, etwa im Falle einer fremden Invasion, dann ist der covenant zwischen Souverän und Volk aufgehoben. Das Volk bzw. jeder einzelne Untertan muss als erste Pflicht sein Leben sichern, dies ist sein unveräußerliches, natürliches Recht. Begehrt er im Anschluss nicht gegen die neue Regierung der Invasoren auf, so hat er wiederum ein Abkommen geschlossen, ihr sein Recht zu handeln übertragen und sie somit autorisiert, das heißt, er hat sich erneut zum Gehorsam verpflichtet. Interessant ist es nun zu sehen, an welchen Stellen Hobbes von Macht und Gewalt als „power“ oder „force“ spricht und wann die Rede von „authority“ im Sinne von Vollmacht ist. Zunächst werden Macht und Stärke jedes Einzelnen im Naturzustand angesprochen, die nun übertragen werden sollen auf den Souverän.
Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 264. Vgl. Ebd., S. 264, 266. Ebd., S. 486.
3.2.1 Staat
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Es scheint so, als ob am Wendepunkt zwischen chaotischer Urgesellschaft und bürgerlichem Staat diese eher von physischen Kompetenzen abhängigen Eigenschaften in den Hintergrund treten und von der Vollmacht des Souveräns abgelöst werden. Sofort erscheint auch die Anknüpfung zu Gerechtigkeit bzw. geltendem Recht. Die enge Verbindung zwischen „authority“ und der rechtlichen Sphäre wird öfter begegnen und ist für das Verständnis der Vollmachtsthematik zentral. Tatsache ist, dass, sobald ein bürgerlicher Staat gegründet ist, gänzlich andere Bedingungen gegeben sind. Nun existiert eine gültige Rechtsordnung, die den bloßen Rekurs auf das Recht des Stärkeren ablöst. Mit der Entstehung des Staates durch den covenant hat der Souverän alle erdenklichen Vollmachten inne. Macht und Stärke erscheinen vor diesem Hintergrund degradiert, „authority“ hingegen ist die Schlüsselgewalt des Souveräns, da sie seine absolute Bevollmächtigung ausdrückt, Entscheidungen zu treffen und umzusetzen. Wie lässt sich aber nun Hobbes’ Vorstellung von Vollmacht genauer fassen? Eine aufschlussreiche Stelle betreffend die Definition und Bedeutung von „authority“ bei Hobbes findet sich zu Beginn des 16. Kapitels. Hier beschreibt Hobbes die seiner politischen Theorie zugrundeliegenden Wechselbeziehungen zwischen Personen, Autoren und Vertretern. Zentral ist folgende Ableitung: „Of Persons Artificiall, some have their words and actions Owned by those whom they represent. And then the Person is the Actor; and he that owneth his words and actions, is the Author: In which case the Actor acteth by Authority.“²² Während der Inhaber von Gütern und Besitzungen Eigentümer genannt wird, so werde der Inhaber bzw. Urheber von Handlungen Autor genannt. Aufgrund dieser Herleitung definiert Hobbes die Vollmacht des Souveräns in Abgrenzung zur Grundherrschaft: „And as the Right of possession, is called Dominion; so the Right of doing any Action, is called Authority.“²³ Die Vollmacht ist also keine untrennbar mit einem Individuum verbundene Qualität oder Eigenschaft, denn sie wird vom Autor auf den Bevollmächtigten übertragen (der dadurch der „actor“ wird). Hobbes grundlegende Ausführungen zu Personen und ihren Vertretern oder Repräsentanten erinnern nicht ohne Grund stark an die ursprüngliche Nutzung des Begriffes auctoritas in der Römischen Republik. Hobbes führt für die Bekräftigung seiner Vertretertheorie unter anderem Cicero an, der sich ebenfalls mit der Rolle und Bedeutung von Repräsentanten beschäftigte.²⁴ Auch der Begriff der auctoritas wurde in der römischen Antike zur Verdeutlichung der Beziehung zwischen Repräsentant und Repräsentiertem genutzt: Ursprünglich war es der
Ebd., S. 244. Ebd. Vgl. Cicero, De Oratore 2, 24, 102. Hobbes, Leviathan engl. Fassung, S. 245.
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Zustand des auctorum esse eines Verkäufers (auctor), der mit auctoritas bezeichnet wurde. Der auctor verpflichtete sich zu einer Gewähr gegenüber dem Käufer, zugleich konnte er aber auch als Vormund beim Abschluss von Rechtsgeschäften seines Mündels auftreten. In diesem Fall übernahm der auctor selbst keinerlei Verpflichtung, da er als Repräsentant seines Mündels agierte; die getroffenen Vereinbarungen banden nur den so durch den auctor Vertretenen.²⁵ Dieses Verhältnis beschreibt exakt die Beziehung zwischen Souverän und Untertan: Der Untertan autorisiert den Souverän zur Herrschaft bzw. überträgt ihm seine Autorität, dadurch ist der Souverän unumschränkt handlungsbefugt. An die Handlungen des Souveräns gebunden ist jedoch allein der Untertan, der der Autor aller Handlungen des Souveräns ist – der Souverän aber ist als Person nicht an den covenant gebunden, sondern steht über ihm. Eine systematische Analyse des auctoritas-Begriffes, die die Beziehungen zwischen Käufer und Verkäufer bzw. auctor und Mündel herausstellten, erfolgte erst gute 350 Jahre nach Hobbes. Die Althistoriker sind sich über die kaum zu überschätzende Bedeutung der auctoritas im Staatsgefüge Roms einig. So schrieb Rudolf Heinze: „es ist aber […] ein spezifisch römischer Begriff, vom römischen Wesen unzertrennlich, und mag so alt sein wie Römertum überhaupt“.²⁶ Anhand der Ausführungen Hobbes’ über Autoren, Vertreter und Verträge aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, für die er dasselbe Vokabular und weitgehend identische Inhalte nutzte, wie zu Zeiten der Römischen Republik, muss man wohl aber von einer Wiederentdeckung dieser antiken Zusammenhänge durch die moderne Forschung sprechen. Für die Vertreterthematik als einem essentiellen Versatzstück seiner Staatslehre greift Hobbes eindeutig und ohne wesentliche Änderungen auf das antike Konzept zurück. Hobbes’ Ablehnung von antiken Autoren und seine Kritik an all jenen Zeitgenossen, die unkritisch die vermeintlichen antiken Weisheiten übernahmen, erstreckt sich auf viele Felder der römischen Staatslehre und Philosophie – nicht jedoch auf dieses. Während er bezogen auf andere Themen, beispielsweise seiner Beschreibung der Freiheit, zwar von innerhalb des zeitgenössisch republikanischen Diskurses heraus und mit Hilfe der in ihm genutzten Sprache argumentierte²⁷, jedoch konträre Positionen einnahm, liegen die Dinge bei der Vertreterthematik völlig anders. Hier geht es ihm nicht um eine Entkräftung der Argumente der „Democratical Gentlemen“ durch die belehrende Rich-
Vgl. Heinze, Rudolf, Auctoritas, S. 350. Grundlegend zur Bedeutung von auctoritas in der römischen Antike siehe auch Kap. 3.3. Heinze, Auctoritas, S. 351. So nutzt Hobbes das Vokabular von u. a. Henry Parker,William Bridge, Philip Hunton,William Prynne und Charles Herle. Vgl. Skinner, Quentin, Hobbes on Persons, Authors and Representatives, in: The Cambridge Companion, S. 157– 180, hier S. 158 ff.
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tigstellung ihrer Interpretationen antiker Standardwerke. Sondern er selbst bezieht sich direkt auf die Antike²⁸ um in einer Studie über den „actor“ als rechtmäßig eingesetzen Repräsentanten des „authors“ den Begriff der „authority“ einzuführen²⁹ und das gesamte System der Repräsentation auf den Makrokosmos Staat zu übertragen. Hobbes’ Vorstellung vom Staat ist nur zu verstehen über diese Herleitung der rechtmäßigen Regierung und der Gründe für jeden einzelnen Bürger, ihren Befehlen Folge zu leisten. Jeder Bürger ist der Autor aller Regierungshandlungen, denn sie haben den Souverän durch den „covenant“ autorisiert, ihr Vertreter zu sein und somit rechtmäßig in ihrem Namenzu handeln – der bürgerliche Souverän tritt als „actor“ auf, er handelt und befiehlt rechtmäßig, das heißt mit „authority“. Die Stoßrichtung einer solchen Argumentation ist klar. Sie richtet sich deutlich gegen jene, die sich Kritik am Souverän, Ungehorsam oder sogar offene Rebellion anmaßten. All dies stellt Hobbes als vollkommen unlogisch dar, denn ein Aufbegehren gegen den autorisierten Souverän wäre zugleich ein Aufbegehren gegen sich selbst. Stattdessen sind die Worte und Handlungen des Souveräns die der Untertanen selbst. Der bürgerliche Souverän, der dem Philosophen zufolge am besten eine Einzelperson sein sollte, sei nicht ein Stand unter mehreren, auch nicht das Haupt der Stände, die unter ihm trotzdem gewisse Rechte für sich beanspruchen – eine deutliche Absage an Vertreter einer „mixed monarchy“³⁰ – sondern er verkörpert die künstliche Person des Staates, in dem alle Untertanen zusammengefasst sind. So ist es im Frontispiz zum „Leviathan“ (Abb. 1) auch visuell festgehalten. Grundlegend für die Akzeptanz eines solchen Staates ist Hobbes’ Verständnis der „authority“. Hobbes verleiht dem Terminus eine rechtliche Dimension, indem
So leitet er das Wort „Person“ vom Griechischen bzw. Lateinischen ab, wo es Gesicht oder Verkleidung bedeutet – es geht also um die äußere Erscheinung eines Menschen und mithin um seine Darstellung oder Verkörperung. Hobbes zitiert an dieser Stelle Cicero: „Unus sustineo tres personas; mei, adversarii, et judiciis“ Cicero, Marcus Tullius, De oratore I–III, hg.v. Augustus S. Wilkins, Bristol 2002, lib. II, 102. Er will mit diesem Beispiel sein Konzept der Repräsentation herleiten: „So that a Person, is the same that an Actor is, both on the Stage and in common Conversation; and to Personate, is to Act, or Represent himselfe, or an other“. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung S. 244. Eine weitere Berufung auf die Antike erfolgt am Ende des 16. Kapitels, wo es Hobbes um die beiden unterschiedlichen Typen von Autoren geht. Er bringt die „“authors conditionall“ direkt mit der lateinischen Entsprechung der Bürgen (fidejussores, sponsores, praedes, vades) in Verbindung. Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 252, lat. Fassung, S. 253. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 244. Vgl. Sommerville, Lofty Science, S. 252. Comstock Weston, Greenberg Renfrow, Subjects and Sovereigns, S. 35 ff. Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 74.
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Abb. 1: Frontispiz, Hobbes, Thomas, Leviathan. Or the Matter, Forme and Power of a Commonwealth Ecclesiasticall and Civil, London 1651, RB 601490, The Huntington Library, San Marino, California. Auszug veröffentlicht mit Genehmigung von Pro Quest. Weitere Vervielfältigung ist ohne die Erlaubis von Pro Quest untersagt.
er „authority“ als das Recht auf eine Handlung definiert und damit die Vollmacht eines Vertreters oder einer anderen künstlichen Person als Voraussetzung für gerechtes Handeln beschreibt. Der Souverän ist bei Hobbes ein durch Vertragsschluss zustande gekommener Bevollmächtigter, mithin eine künstliche Person.
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Die „authority“ in dem Sinne, wie Hobbes sie soeben definiert hat, wohnt ihm nicht per se inne und er kann sie sich auch nicht eigenmächtig aneignen. Stattdessen verweist Hobbes auf die Entstehung der künstlichen Person des Souveräns: Jeder Bürger hat beim Vertragsschluss die Verfügungsgewalt über seine Handlungen auf den souveränen Herrscher übertragen, ihn somit autorisiert, in seinem Namen zu handeln. Die Masse all dieser einzelnen Selbstherrschaftsrechte seiner Untertanen generiert die überlegene Vollmacht des bürgerlichen Herrschers und konstituiert erst den Staat.³¹ Erneut ist man an Hobbes’ Ausführungen zum Grundsatz „rex est major singulis, minor universis“ erinnert, einer Vorstellung der Gewichtung von Herrschaft, die er mit den Worten entkräftet: „This great Authority being Indivisible, and inseparably annexed to the Soveraignty“.³² Genau das ist es, was er mit „this great authority“ meint: die Summe der Rechte seiner Untertanen, über sich selbst zu herrschen, die ihm durch den covenant übertragen wurde. Aus dieser Stellung heraus handelt er kraft seines Rechtes als bürgerlicher Souverän und kann in dieser Funktion wiederum Teile seiner „authority“ übertragen, etwa auf Bevollmächtigte, die bei der praktischen Ausübung der Regierung Schlüsselpositionen einnehmen. So kann der Souverän beispielsweise Rechtsstellungen wie das Münzrecht oder Vormundschaften übertragen. Solche Autorisierungsmechanismen sind jedoch nicht gleichbedeutend mit einer irgendwie gearteten Einbuße der Vollmacht des Souveräns. Ganz im Gegenteil bleibt er stets der Inhaber aller ihm durch den Gesellschaftsvertrag übertragenen Handlungsvollmachten seiner Untertanen, er delegiert lediglich einzelne Handlungen rechtmäßig auf Dritte, kann ihnen ihre Befugnis jedoch jederzeit wieder entziehen. In diesem Sinn schreibt Hobbes: „So that by Authority, is alwayes understood a Right of doing any act: and done by Authority, done by Commission, or Licence from him whose right it is.“³³ Für Quentin Skinner, der sich dezidiert mit Hobbes’ Beschreibungen der natürlichen und künstlichen Personen und des Autors beschäftigt hat, ist dies eine ganz wesentliche Stelle des „Leviathan“. Denn hier erteilt Hobbes der Autorengruppe der „Democratical Writers“ eine klare Absage, die die Souveränität im Staat aufgeteilt sah zwischen dem König und den beiden Häusern des Parlaments. In ihren eigenen Worten widerspricht Hobbes diesen Verteidigern des Kooperationsprinzips in der Regierung, denen er im Übrigen eine Hauptschuld am Ausbruch des Bürgerkrieges zuschreibt.³⁴ Das Parlament ist nicht durch das Volk zu Vgl. hierzu auch grundlegend Skinner, Hobbes on Persons, S. 160. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 280. Vgl. zu Hobbes’ Ablehnung des Prinzips „singulis major, universis minor“ auch Skinner, Hobbes on Persons, S. 164. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 244. Vgl. ebd., S. 161 f., 164 ff. Comstock Weston, Renfrow Greenberg, Subjects and Soveraigns.
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seiner Vertretung autorisiert. Stattdessen kann nur der Souverän als Quelle aller „authority“ im Staat darüber entscheiden, ob er ein Parlament zur Unterstützung seiner Regierung autorisieren möchte – oder eben nicht. Dem Parlament steht dann auch lediglich eine beratende Tätigkeit zu, es ist nicht direkt und legitim an den Regierungsgeschäften beteiligt, denn dies würde, so Hobbes, eine unhaltbare Dreiteilung der Befugnisse des Staates bedeuten. Was eine solche „mixed monarchy“ zwangsläufig hervorruft, sind Chaos und Krieg – wie in England 1642 geschehen. Nicht die durch das Parlament vertretenen Untertanen diktieren dem Haupt des Staates die Limitierungen seiner Macht, sondern alle Vollmacht liegt kraft der Autorisierung durch die Summe der Untertanen beim Souverän allein. „Authority“ spielt bei Hobbes für das gesamte Feld der Vertragsschlüsse eine übergeordnete Rolle, sowohl was den Vertrag zwischen dem Souverän und den Untertanen, als auch Verträge zwischen Einzelpersonen betrifft. Dies wird zum Beispiel deutlich, wenn Hobbes auf den Abschluss von Verträgen durch einen Bevollmächtigten eingeht. Entsendet ein Vertragspartner einen Vertreter zum Vertragsschluss, so muss seine Autorisierung deutlich ausgewiesen werden. Andernfalls ist jeder geschlossene Vertrag ungültig bzw. kann der Vertreter keinen Beweis für seine Position beibringen und somit nicht belegen, dass er die Vollmacht zum Handeln besitzt, so verpflichtet der Vertrag die natürliche Person des Vertreters selbst, nicht jedoch die Partei oder Person, die er vertritt. Auch die zweite Vertragspartei wäre in einem solchen Fall nicht an die Bedingungen des Vertrages gebunden.³⁵ In Analogie dazu formuliert Hobbes die Bedingungen für die Gültigkeit von Gesetzen. Nur wenn sie denjenigen bekanntgemacht werden, die sie verpflichten sollen, können sie Gültigkeit beanspruchen. Diese Bekanntmachung kann mündlich oder schriftlich erfolgen. Auch eine wie auch immer geartete, andere Handlung kann einem Gesetz Wirkkraft verleihen, einzige Bedingung ist, dass sie „known to proceed from the Soveraign Authority“ ist.³⁶ Präziser ausgedrückt: „There is therefore requisite, not only a Declaration of the Law, but also sufficient signes of the Author, and Authority.“³⁷ Auch für die Gültigmachung von Gesetzen sind also Zeichen der Bevollmächtigung jener erforderlich, die sie dem Volk verkünden und somit Zeichen des Souveräns, der im bürgerlichen Staat alle Gesetze erlässt. Vor diesem Hintergrund kann laut Hobbes nie ein Zweifel bestehen an der Rechtsverbindlichkeit eines Gesetzes, da es aus dem Befehl des Souveräns hervorgeht.³⁸ Auch die Auslegung der Gesetzestexte
Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 246 f. Ebd., S. 424. Ebd., S. 426. Ebd.
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hängt allein vom Souverän ab. Die Bedeutung eines Gesetzes liegt laut Hobbes im Willen des Gesetzgebers bzw. seiner Absicht beim Erlass des Gesetzes. Nur wer von ihm ernannt wird, um die Auslegung der Gesetze vorzunehmen, darf hierzu einen Beitrag leisten.³⁹ Die wesentliche Grundbedingung für alle möglichen, denkbaren Verträge und auch Vertretungsfunktionen ist das zuvor notwendige Zustandekommen eines bürgerlichen Staates. Im Naturzustand, in dem Anarchie und Chaos herrschen, kann es keine gültigen Verträge und autorisierten Vertreter, d. h. Bevollmächtigte, geben, denn das Recht des Stärkeren dominiert alles und jeden. Hobbes schreibt dazu: „The Authority proceeded from the State: and therefore before introduction of Civill Government, the Gods of the Heathen could not be Personated.“⁴⁰ Erst in einem Staat mit bürgerlicher Regierung ist es überdies möglich, auch leblose Dinge zu vertreten und zwar ab dem Moment, in dem der Verwalter oder Eigentümer dieser Dinge die Vollmacht zur Sorge über den Unterhalt der Gegenstände überträgt. Ähnlich verhält es sich mit Personen, die ständig oder zeitweise nicht vernunftbegabt sind und deshalb auch nicht eigenverantwortlich handeln können, wie dies etwa auf „Children, Fooles, and Mad-Men“ zutrifft.⁴¹ In diesen Fällen erteilt der Souverän, da ihm das Recht der Regierung über sie zusteht, dem jeweiligen Vormund die Handlungsbevollmächtigung.⁴² Der den covenant schließende Mensch bei Hobbes ist sich des wichtigsten Grundsatzes der Vernunft klar bewusst, nämlich mit allen Mitteln das eigene Überleben und die eigene körperliche Unversehrtheit anzustreben. Er entscheidet sich als mündiger Bürger für die freiwillige Unterordnung unter einen Souverän und überträgt ihm seine persönliche Entscheidungs- und Verfügungsgewalt, im Gegenzug erhält er den Schutz seiner Person. Der Souverän herrscht bei Hobbes also nicht über eine Menge Unmündiger, die vergleichbar wäre mit einer Ansammlung von Kindern; sondern über ein Volk, das sorgfältig seine Optionen abgewogen hat und sich angesichts des drohenden „bellum omnium contra omnes“ für einen Souverän als das kleinere Übel entschieden hat.⁴³ Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 428. Ebd., S. 248. Ebd. Vgl. ebd., S. 246 ff. Ganz anders erscheint der Zusammenhang zwischen Herrscher und Untertanen früher beschrieben worden zu sein: Nicht mündige Bürger entscheiden selbst über die politische Verfasstheit und ihre freiwillige Unterwerfung, sondern unmündiges Volk wird vom Herrscher unterworfen, weil es sich allein nicht regieren kann. In diesem Sinn zitiert Stollberg-Rillinger für das Alte Reich Felix Rachfahl: Die Funktion der Stände sei es gewesen, die den Untertanen vom Fürsten zugestandenen Rechte gegenüber diesem geltend zu machen: „und dies, obwohl es kein Mandat seitens des Volkes dazu gab, dieses überhaupt kein selbstständiges Rechtssubjekt war
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Indem Hobbes den Staat durch einen covenant mündiger Bürger entstehen lässt, stellt sich die Frage, was nach Vertragsschluss mit diesen vernunftbegabten Individuen geschieht. Auf staatlicher Ebene ist die Frage schnell beantwortet: Sie gehen auf im Souverän, der den Staat verkörpert, Autor aller Handlungen wird und dem ohne Widerspruch zu folgen ist. Mit der Betonung von „authority“ statt „power“ schafft Hobbes jedoch auch einen weiteren Konnex, der eng mit der zeitgenössischen Diskussion um Freiheit (liberty) verbunden ist. Zum besseren Verständnis ist ein kleiner Exkurs in die römische Antike notwendig. Auctoritas war bereits zur Zeit der römischen Republik auch der Ausdruck für einen Rat, dem man freiwillig folgt, da man sich, indem man den Rat gesucht hat – also um eine Handlungsanweisung gebeten hat – an einen dazu in überdurchschnittlichem Maß befähigten Menschen gewandt hat. Seinen Rat zu hören und danach anders zu handeln, war unerhört. Es kam zwar vor, dass der Rat z. B. des römischen Senats nicht befolgt wurde. Die Konsequenzen daraus waren aber meist überaus negativ, weshalb es höchst unklug war, sich dem Rat nicht unterzuordnen. Heinze beschreibt diesen Zusammenhang sehr treffend, indem er sagt, dass der auctor als Ratgeber mehr war als ein einfacher Empfehlender (suasor) und die auctoritas mehr als ein einfacher Rat. Stattdessen war sie das maßgebliche Gutachten „zu dem er [der auctor] durch seine besondere Einsicht befugt ist
und seine Interessen von den Ständen auch nicht immer wahrgenommen wurden.“ Stände und Untertanen verhielten sich zueinander „wie Vormund und Mündel oder wie Aktiv- und Passivbürger“. Stollberg-Rillinger betont, wie fehlgeleitet es wäre, in den Landständen Volksrepräsentanten zu sehen. Insgesamt erteilt sie eine klare Absage an alle, die in der Frühen Neuzeit bereits den Beginn einer parlamentarischen Interessenvertretung des Volkes sehen wollen um somit eine Kontinuität bis in die moderne Zeit zu stiften. Vgl. Stollberg-Rillinger, Vormünder des Volkes?, S. 12, 14 f. Die Landstände identifizierten sich zunehmend dem aristotelischen Vorbild folgend als „cives“, also als die Gesamtheit der politisch Mitspracheberechtigten.In diesem Rahmen wurde das Verhältnis zu den übrigen Landeseinwohnern im Sinn einer Repräsentation nicht abgebildet. „Wer nicht persönlich oder als Mitglied einer Korporation landtagsberechtigt war, von dem wurde bei der Erörterung verfassungsrechtlicher Fragen gar nicht gehandelt: „De coeteris subditis, qui Status non sunt, quoniam in administratione Reip. Momentum non habent, non attinet multa dicere“ [Hugo, De statu regionum Germaniae, c. 4, § 26]“. Ebd., S. 79 ff. Die Handlungen der Stände wurden allen Untertanen rechtlich zugerechnet, die hier gefassten Entschlüsse banden alle Untertanen gleichermaßen. Die Verbindlichkeit der Landtagsbeschlüsse für die Hintersassen stand nicht in Frage: „Diese Verbindlichkeit folgte vielmehr aus ohnehin bestehenden Herrschaftsrechten, die auf einer ganz anderen rechtlichen Ebene angesiedelt waren als die ständischen Partizipationsrechte.“ Ebd. S. 83. Allgemeiner zur Entwicklung des Gedankens der Volkssouveränität, insbesondere zu den Bezügen moderner Theoretiker auf frühneuzeitliche Philosophen zur Untermauerung ihres Anspruches, dass das Volk unmündig und leicht verführbar sei, siehe: Lasch, Sebastian, Der Wille des Volkes, Erfurt 2006, S. 28, 43 ff.
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und dem sich der andere, indem er fragt, von vornherein unterordnet“.⁴⁴ Erneut ist auffällig, wie deutlich sich Hobbes in seinem Vokabular an den antiken Vorläufern orientiert. Was die inhaltliche Fassung des Rates bei Hobbes betrifft, wird aber schnell eine erhebliche Abweichung vom römischen Vorbild deutlich. Denn bei Hobbes ist der Ratsuchende keineswegs verpflichtet, dem Rat Folge zu leisten. Zwar ist er, indem er sich an einen Ratgeber gewandt hat, selbst der Autor des Rates und kann den Ratgeber nicht für den unter Umständen unangenehmen Inhalt bestrafen. Eine Verpflichtung, dem Rat Folge zu leisten, ergibt sich aber aus der Unterscheidung zwischen Rat und Befehl nicht (zu dieser Unterscheidung siehe auch Kap. 3.5).⁴⁵ Stattdessen nutzt Hobbes auch diese Passage dazu, den Anspruch des Parlaments in seiner Selbstwahrnehmung als Großer Rat des Landes dem Souverän verbindlichen Rat zu erteilen, abzuwehren. Unterschwellig wird dies bereits deutlich bei seiner Definition des Rates und guter Ratgeber bzw. von Situationen, die am besten für einen guten Rat geeignet sind. Aber besonders am Ende des 25. Kapitels muss auch dem letzten Parlamentsmitglied klar sein, worauf Hobbes hinaus will. Er warnt den Souverän: „But he that is carried up and down his businesse in a framed Counsell, which cannot move but by the plurality of consenting opinions, the execution whereof is commonly (out of envy, or interest) retarded by the part dissenting, does it worst of all […] And though it be true, that many eys see more then one; yet it is not to be understood of many Counsellours; but then only when the finall Resolution is in one man. Otherwise, because many eyes see the same thing in divers lines, and are apt to look asquint towards their private benefit […] And therefore no great Popular Commonwealth was ever kept up […] by the open Consultations of the Assembly“.⁴⁶ Hobbes spricht sich also in aller Deutlichkeit gegen das Parlament als Rat des Reiches aus, dessen „Ratschlägen“ der Souverän folgen muss. Stattdessen bleibt es letztlich allein ihm überlassen, ob er dem Rat nachgeht oder nicht. Anders als in der Antike ist das bloße Ratsuchen nicht zugleich eine stumme Aussage zur eigenen Unterordnung unter denselben ohne dessen Inhalt zu kennen. Hobbes dekonstruiert durch die Unterscheidung zwischen Rat und Befehl, wobei er lediglich letzterem eine Verbindlichkeit einräumt, das Selbstverständnis des Parlaments und eine seiner Kernkompetenzen und führt dadurch erneut einen Angriff gegen die Befürworter einer „mixed consitution“ aus. Niemand, so betont Hobbes eindringlich, kann das Recht geltend machen, einem anderen einen Rat zu erteilen.⁴⁷
Heinze, Auctoritas, S. 353. Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 398 ff. Ebd., S. 412. Ebd., S. 400.
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Bedeutend ist die oben genannte Passage zur freiwilligen Unterordnung unter einen Rat in der Antike aber auch in einem weiteren Zusammenhang. Gerade die Betonung des Umstandes, dass sich der sich unterordnende Ratsuchende durch Anerkennung der überlegenen auctoritas des Ratgebers nichts von seiner Freiheit vergibt, könnte auch übertragen auf den Staat eine gewisse Wirkkraft entfalten. Der sich dem souveränen Befehl⁴⁸ unterordnende Untertan verliert dieser Logik folgendnichts von seiner individuellen Freiheit – wie dies von Kritikern der absoluten Monarchie stets behauptet wurde.⁴⁹ Denn diese Freiheit gewährt der Souverän weiterhin, ihm ist auch gar nicht daran gelegen, seine Untertanen zu entmündigen. Eine Belegstelle hierfür liefert Hobbes’ Beschreibung der Beibehaltung des Gewohnheitsrechts des pater familias als Oberhaupt der Familie, so der Souverän nicht ausdrücklich anders entscheidet (siehe auch Kap. 3.2.4). Der große Vorteil einer mit Konnotationen an römische auctoritas verbundenen Argumentation mit „authority“ ist also die mögliche Beibehaltung der Freiheit trotz Installation eines souveränen Staates und der damit verbundene Versuch, die allgemeine Akzeptanz der Bürger für diese Idee zu stärken.⁵⁰
Der nichts anderes ist als ein Rat des Souveräns, der durch den covenant zum Befehl für jeden Untertan geworden ist: „if he should covenant to follow it, then is the Counsell turned into the nature of a command.“ Ebd. Zu dieser Beibehaltung der Freiheit der Untertanen trotz dem den Souverän autorisierenden covenant schreibt Martinich: „By authorizing someone, a person does not give up any of his rights.“ Martinich, Aloysius, The two Gods of Leviathan. Thomas Hobbes on religion and politics, Cambridge 2002, S. 166. Und in der Tat kann dem nur zugestimmt werden. Denn durch den covenant wird zwar das Recht jeden Bürgers, sich selbst zu regieren irreversibel auf den Souverän übertragen, aber nach dem Muster des Systems der Repräsentation bleibt der Untertan stets Autor dessen, was sein Vertreter – der Souverän – sagt und tut. Es liegt keine unerlaubte Aneignung dieses Herrschaftsrechts vor, sondern eine rechtmäßige Übertragung. Insofern muss Martinich widersprochen werden, der Hobbes beschuldigt, unerlaubt dazu überzugehen, von der Autorisierung des Souveräns durch das Volk via covenant auf die Autorität des Souveräns und schließlich seiner Autorität über das Volk zu schließen. Vgl. ebd., S. 166 f. Vielmehr liegt eben genau darin das Wesen des Herrschaftsvertrages und die Instrumentalisierung von authority in diesem Zusammenhang zeigt den Rechtscharakter dieser Interaktion deutlich an. Autorisierung und Autorität sind deshalb nicht, wie Martinich schreibt,“ [a] contradiction in the sovereign making covenant“. Vgl. ebd., S. 167. Ein ganz ähnliches Muster zeigt sich bei der Akzeptanz des Prinzipats durch die Römer. Heinze hat aufgezeigt, dass durch die weitere Betonung des eigentlich klassisch-republikanischen Vokabulars der auctoritas durch Augustus dieser bewusst versucht hat, seine Stellung zu untermauern. Dies gelang ihm letztlich auch durch die Anknüpfung an ein bereits jahrhundertelang fest verankertes Prinzip des römischen Denkens – die Unterordnung unter einen guten princeps und die gleichzeitige Aufrechterhaltung der Freiheit jedes Einzelnen weist deutliche Analogien zum oben beschriebenen Mechanismus des Ratgebens und –befolgens auf. Augustus schaffte es mit der Fomel „post it tempus praestiti omnibus auctoritate, potestatis autem nihil
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Dieser Gedankengang Hobbes’ ist aus heutiger Sicht vielleicht schwer nachvollziehbar. Auch in der Forschung wurde die scheinbare Kontradiktion bemerkt. Martinich schreibt z. B. „Hobbes has a theory of authorization and a theory of authority; and they are incompatible.“⁵¹ Er charakterisierte „authority“ bei Hobbes als zeitlich an eine bestimmte Handlung gebundene Repräsentation einer Person durch eine andere. Deshalb verbleibe das ursprüngliche Recht auch bei der Person, die sich vertreten lässt. Analog dazu sei es Hobbes darum gegangen, die Quelle der politischen Macht beim Volk zu verorten⁵² – ein in der Mitte des 17. Jahrhunderts durchaus nicht unumstrittener Gedanke, der in Konkurrenz zu den Absolutismustheoretikern und Vertretern des Patriarchalismus steht, die die Macht des Souveräns in der ein oder anderen Form von Gott ableiteten. Andererseits, so Martinich, sei es dem ordnungsliebenden Hobbes aber vor allem auch darum gegangen, die politische Stabilität über alle individuellen Anliegen zu stellen und seinen Mitbürgern keine Möglichkeit einzuräumen „to withdraw their authority from the soveraign“.⁵³ Dieser von Martinich aufgeworfene Widerspruch ergibt sich meiner Ansicht nach daraus, dass Hobbes zwei Autorisierungsmechanismen vertritt. Der erste ist die Autorisierung des Souveräns, also die Übertragung des Rechts, über sich selbst zu herrschen von den Untertanen auf den Souverän. Dieser Vorgang ist irreversibel und stattet den Herrscher mit allen Vollmachten aus, die nötig sind, um über sein Volk zu herrschen. Der zweite meint die Autorisierung beispielsweise von Beamten durch den Souverän – worauf noch genauer zu kommen sein wird. Dieser Vorgang ist reversibel; die Vollmacht wird zeitlich und inhaltlich begrenzt vergeben. Letzterer Mechanismus scheint das zu sein, was Martinich beschreibt und was ihn in Ermangelung einer genauen Analyse der „authority“ bei Hobbes dazu veranlasste, einen Widerspruch zu sehen, wo keiner ist. Martinichs Bedenken manifestierten sich in gebündelter Form
amplius habui quam qui fuerunt mihi coque in magistratu collegae“ den Gehalt der eigentlich vom Senat beanspruchten auctoritas auf seine Person und sein Amt zu übertragen (Res Gestae). Dem römischen Bürger erschien eine Unterordnung unter den princeps als ein freiwilliger Akt zum eigenen Besten. Dieses Selbstverständnis der römischen Bürger half Jahrhunderte lang der Akzeptanz des Regimes. Vgl. Heinze, Auctoritas, S. 348 f., 357. Zwar konnte Hobbes diese bewusste Instrumentalisierung der auctoritas durch Augustus schlecht vor Augen gehabt haben, denn die betreffenden Fragmente sind erst viel später wiederentdeckt wurden. Grundsätzlich steht aber außer Frage, dass der Philosoph die Bedeutung der auctoritas gekannt hat und sie sich zu eigen machte – wie das 16. Kapitel des „Leviathan“ in besonderem Maße zeigt. Martinich, Two Gods, S. 170. Verbunden damit ist aber auch das grundlegend bei der vertretenen Person verbleibende Recht, d. h. die vertretene Person ist dem Vertreter stets übergeordnet und kann ihr Mandat jederzeit zurückziehen. Vgl. ebd., S. 169 f. Ebd., S. 170.
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in folgendem Satz, den Hobbes die Menschen während des covenants zueinander sagen lässt: „I authorize and give up my right …“. Wenn man nun aber Hobbes’ Definition folgend „authority“ als Recht auf Handlung fasst, so lautet die Formel: „Ich übertrage mein Recht auf Handeln auf den Souverän und gebe es damit auf“. Klarer und unzweideutiger kann der Vertragsschluss nicht beschrieben werden. Die Quelle der souveränen Gewalt ist das Volk, das aber im Moment des covenants all seine Vollmachten auf den Herrscher überträgt und sich damit von einem Widerstandsrecht lossagt. Die rhetorische Strategie des Rekurses auf die römische Konnotation von auctoritas, insbesondere auf die Einsicht, dass man trotz der freiwilligen Unterordnung unter einen Souverän frei bleibt und nicht rechtlos ist – weil der Souverän nicht automatisch in alle rechtlichen Sphären eingreift und bestehende Gesetze negiert – sollte den Lesern bei der Akzeptanz des Hobbesschen Systems helfen. Die Mechanismen von Repräsentation, von Autoren und Handelnden, dienen ihm zur besseren Veranschaulichung seiner Grundprinzipien, sie beziehen sich aber, was ihre Reversibilität betrifft, im weiteren Fortgang der Argumentation eher auf den soeben skizzierten, zweiten Strang der Autorisierungen durch den Souverän. Mit der mangelnden Fähigkeit von Kindern, selbst vernunftbegabt zu handeln, verbindet sich ein weiteres Problem, dem Hobbes seine Aufmerksamkeit schenkt: die Herrschaft minderjähriger Könige, die er als einen Makel der monarchischen Regierungsform beschreibt.⁵⁴ Der Nachteil bestehe darin, dass „the use of his [the Infant] Power, must be in the hand of another Man, or of some Assembly of men, which are to governe by his right, and in his name; as Curators, and Protectors of his Person, and Authority“⁵⁵. Von Natur aus naheliegend für diese Aufgabe der Vormundschaft sind Menschen, „that hath by Nature most interest in the preservation of the Authority of the Infant“ und denen „least benefit can accrue by his death, or diminution“.⁵⁶ Es ist also zunächst festzuhalten, dass die Person des Souveräns, also die künstlich durch den covenant geschaffene Person des Staates, auch bei einem minderjährigen König Träger der Autorität ist. Die Ausübung seiner Gewalt wird jedoch an einen Vormund übertragen. Dieser ist für eine gewisse Zeitspanne autorisiert, den Souverän zu vertreten, ohne dass ihm daraus jedoch irgendein Gewohnheitsrecht entsteht. Er muss vielmehr gewährleisten, dass dem Souverän seine Autorität – also sein Recht auf Handeln im staatlichen Kontext – in vollem Umfang erhalten bleibt.
Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 292. Ebd., S. 292. Ebd.
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Nur wenn man sich diese Gedanken vergegenwärtigt, kann man Hobbes’ nächsten Schluss verstehen. Er schreibt: „And as a Child has need of a Tutor, or Protector, to preserve his Person, and Authority: So also (in great Commonwealths,) the Soveraign Assembly, in all great dangers and troubles, have need of Custodes libertatis, that is of Dictators, or Protectors of their Authoritie, which are as much as Temporary Monarchs, to whom for a time, they may commit the entire exercise of their Power“⁵⁷. Hobbes überträgt seine Gedanken zur Vertretung eines noch minderjährigen Königs auf andere Formen der souveränen Herrschaft. Im Falle außergewöhnlicher Gefahren und Bedrohungen kann auch das Parlament als souveräne Versammlung die Ausübung seiner Gewalt für eine bestimmte Zeitspanne auf einen sogenannten „Protector“ übertragen, ohne jedoch seine Autorität dabei einzubüßen. Hier treten gleich mehrere politische Ansichten Hobbes’ klar zu Tage. Die wichtigste ist seine Abneigung gegen Oligarchien oder Demokratien. Er betont zwar wiederholt, dass ein Souverän sowohl ein einzelner Mensch als auch eine Versammlung von Menschen sein kann; es kann indessen kein Zweifel daran aufkommen, wem er den Vorzug gibt. In wirklich schwierigen politischen Gemengelagen kann eine souveräne Versammlung seiner Ansicht nach den Anforderungen der Stunde nicht gerecht werden und muss daher von einem Diktator auf Zeit abgelöst werden. Nur zu oft wurde die der souveränen Versammlung innewohnende Autorität von diesem Protektor im Anschluss geraubt – viel öfter, so Hobbes, als dies bei minderjährigen Königen der Fall war.⁵⁸ Hobbes bezieht eindeutig Stellung zur Herrschaft einer Einzelperson als Souverän: Eine solche Herrschaft ist nicht nur adäquater für Krisenzeiten geeignet, sondern auch von größerer Dauerhaftigkeit und Beständigkeit. Die Passage mutet vor allem aufgrund der Wahl des Terminus „Protector“ hellsichtig an. Hobbes beschreibt, was in England zwei Jahre darauf Realität werden sollte: das Versagen einer de jure souveränen Versammlung und die Übergabe der Macht an einen Protektor, einen Monarchen auf Zeit. Lediglich die Frage nach der Autorität im Sinne der Vollmacht – also der rechtlichen Grundlage der Protektoratsherrschaft – ließe sich hier stellen. Und sie wurde in der Tat bereits von Zeitgenossen aufgeworfen. Oliver Cromwell wurde im Dezember 1653 zum Protektor ernannt, ein Titel, der ihm durch die neue Verfassung, dem „Instrument of Government“ verliehen worden war. Tatsächlich war die Vergabe des Titels des Protektors nichts Ungewöhnliches Ebd., S. 294. Vgl. ebd., S. 294. Leider nennt Hobbes hier keine konkreten Beispiele. Es ist aber denkbar, dass er an das Protektorat für Edward V. dachte, das 1483 vom Duke of Gloucester ausgeübt wurde, der anschließend als Richard III. den Thron für sich beanspruchte.
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im frühneuzeitlichen England. Im Falle minderjähriger oder anderweitig nicht zur Herrschaft fähiger Könige war das zeitlich begrenzte Protektorat eine häufig umgesetzte Praxis.⁵⁹ Der Titel verband sich allerdings nie mit einem Herrscher als Ersatz für ein souveränes Parlament, das zudem durch einen militärischen Putsch aufgelöst worden war. Eine pro-parlamentarische, wenn auch nicht unbedingt republikanische Stimmung hatte in England eine lange Tradition. Der Glaube an die Legitimität des Parlaments als Großer Rat des Reiches hatte sich auch auf das Rump bezogen, das immerhin noch das Überbleibsel einer verfassungsgemäß gewählten Versammlung darstellte. Damit wurzelte es auf eine Art im englischen Gesetz, wie es das Protektorat nie für sich beanspruchen konnte.⁶⁰ Da halfen auch die Beteuerungen Cromwells und seiner Anhänger nicht, dass das entmachtete „Barebone’s Parliament“ auf seinem Weg in die Anarchie hatte gestoppt werden müssen.⁶¹ Tatsächlich flackerten während der Protektoratsherrschaft Cromwells immer wieder Konflikte um die Befugnisse von Protektor und Parlament und die Frage nach der Überlegenheit bzw. der Quelle des rechtlich legitimen Handelns auf.⁶² Abseits dieser Legitimationsfragen ist die herausragende Stellung Crom-
Den Titel „The Lord Protector“ trugen Prinzen oder andere hohe Adlige, die eine individuelle Regentschaft in Vertretung eines minderjährigen oder nicht fähigen Königs ausübten. Dies traf u. a. auf Heinrich IV. zu, ebenso auf Edward V. und Edward VI.Vgl. Wordon, Blair, God’s Instruments. Political Conduct in the England of Oliver Cromwell, Oxford 2012, S. 233. Vgl. ebd., S. 240 f. William Lenthall reflektierte am Abend der Erhebung Cromwells zum Protektor, dass die Nation „upon the brincke […] of confusion and desolation“ gestanden habe. Ähnlich argumentierte auch Thurloe, der Cromwells Erhebung als Voraussetzung für die Entmilitarisierung der Politik sah, paradoxerweise herbeigeführt durch einen militärischen Staatsstreich. Vgl. ebd., S. 235. Cromwell selbst hatte dem Parlament 1657 in einer Rückschau versichert, dass er angenommen habe, sein Amt würde zeitlich begrenzt sein und sei nur eine Unterstützung der Nation in einem akuten Notfall: „temporary, to supply the present emergency“; „not so much out of hope of doing any good, as out of the desire to prevent mischief and evil, which I did see was imminent upon the nation“ Abbot, W. C., Writings and Speeches of Oliver Cromwell, 4 Bde., Massachusetts 1937– 47, hier Bd. 4, S. 481, 470. Für die Gegner Cromwells – und derer gab es viele, insbesondere unter den alten RumpVertretern, waren diese Fragen leicht zu beantworten. In der Auseinandersetzung um die Zustimmung zur neuen Verfassung (dem „Instrument“) ging es den Gegnern desselben nicht um den Inhalt, sondern um die Art seiner Entstehung. Die Abgeordneten des Protektoratsparlaments waren zu einer Zustimmung bereit, wenn vermerkt wurde, dass sowohl Protektor als auch Verfassung ihre Autorität vom Parlament haben und nicht von der Armee, die Cromwell eingesetzt hatte. Diese Sichtweise markierte die Herrschaft Cromwells vom Dezember 1653 bis zum September 1654 als Usurpation. Nach der Auflösung des Parlaments 1655 schrieb Whitelocke kritisch: „to execute that as a law upon mens estates & rights which I knew to be no law, but an exorbitant power“ und „when I knew that those who made it had no legal power to make a law […] would be
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wells jedoch nicht von der Hand zu weisen. Er selbst war kein bekennender Republikaner und auch wenn er aufgrund der persönlichen Unzulänglichkeiten Karls I. die Monarchie noch Ende der 1640-er Jahre ablehnte⁶³ und eine entscheidende Rolle bei der Abschaffung derselben spielte,⁶⁴ so sprach für ihn doch wenig gegen eine Rückkehr zur monarchieartigen Herrschaft einer Einzelperson.⁶⁵ Eine Quelle für diese geänderte Ansicht ist Cromwells Gespräch mit Bulstrode Whitelocke (1605 – 1675), in dem er die Möglichkeiten eines einzelnen Herrschers auf die Probleme des Volkes einzugehen als besser einschätzte, als dies durch ein Parlament geleistet werden kann.⁶⁶ Diese Auffassung teilten bereits vor Cromwells Erhebung zum Protektor auch viele europäische Beobachter, unter anderem der Venezianische Botschafter, der die Abwehr künftiger Schwierigkeiten in England nur durch Cromwells „sagacity and influence“ gewährt sah.⁶⁷ Cromwells außerordentlicher Stellung im englischen Staat noch ohne „official title to chieftainship“⁶⁸ trug auch Clarendon Rechnung, der seinen Einfluss so beschrieb: „his power and authority to bee too great for a Commonwealth, and that he and his army had not dependence enough upon or submission to the parliament“.⁶⁹ Und schließlich die Nennung Cromwells als „our chief of men“ in Miltons Sonett vom Mai 1652 – all dies sind Indizien dafür, dass Cromwell zwar vor 1653 neben seiner Stellung als Lord General noch kein Amt zur Regierungsführung inne hatte, dennoch sowohl in England selbst als auch außerhalb der Landesgrenzen als Führungsfigur wahrgenommen wurde.⁷⁰ Ein frühes Beispiel für die Wahrneh-
a betraying of the rights of thepeople of England, and too much countenancing of an illegal authority“. Zitiert nach Wordon, God’s Instrument, S. 256. Vgl. Fraser, Antonia, Cromwell. Our Chief of Men, London 1997, S. 414. Vgl. Wordon, God’s Instrument, S. 269. Vgl. Fraser, Cromwell, S. 396 f. Vgl.Whitelocke, Bulstrode, Memorials of the English Affairs from the beginning of the Reign of King Charles the First to the Happy Restoration of King Charles the Second, 4 Bde., 1853, hier Bd. 3, S. 468. Calendar of State Papers Relating to English Affaires in the Archives of Venice, Bd. 28, 1647– 52, hg.v. Allen B. Hinds (= veröffentlicht durch His Majesty’s Stationary Office), London 1927, S. 300. Fraser, Cromwell, S. 391. Clarendon, Edward Earl of, The History of the Rebellion and Civil Wars in England, hg.v. W. Dunn Macray, 6 Bde., Oxford 1888, hier Bd. 4, S. 274. So fasst auch Rahe zusammen, dass von Cromwell von vielen royalistischen, presbyterianischen und Leveller-Kritikernerwartet wurde, dass er zu einem machiavellistischen „new prince“ aufsteigen würde. Vgl. Rahe, Against, S. 316. Aber auch Kritiker aus seinem eigenen politischen Lager misstrauten Cromwell, sahen seine Ernennung zum Protektor aber bereits kommen. Vgl. Wordon, God’s Instruments, S. 231. Stellungnahmen gegen republikanische Vorstellungen kamen auch von Michael Hawke und Metthew Wren. Man nahm positiv zur Monarchie Stellung, wertete
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mung Cromwells als Herrscher liefert auch der Marquis of Ormond, der die englische Monarchie in ein Wahlkönigtum umwandeln wollte und mit der möglichen Wahl Cromwells eine „perfect Turkish tyranny“ ankündigte. Zwar gereicht Cromwell diese Beschreibung nicht zum Vorteil, dennoch bezeichnete Woodford sie als „first prediction of Cromwell’s rise to kingship from a high-level royalist“.⁷¹ Seine Installation zum Protektor erfolgte zwar Jahre nachdem Hobbes den „Leviathan“ verfasst hatte, eine Verknüpfung zwischen den aktuellen politischen Zuständen, der Weiterentwicklung der politischen Bedeutung Cromwells aufgrund seiner herausragenden Rolle bei dem Prozess gegen Karl I., bei der Beeinflussung des Rump zur Abstimmung für die offizielle Abschaffung der Monarchie am 7. Februar 1649, als militärische Führungsfigur mit der Traditionslinie des Amtes des Lord Protektors ist Hobbes aber durchaus zuzutrauen. Auch wenn der Philosoph später bestreitet, seinen „Leviathan“ mit Blick auf Cromwell und die Legitimation seiner Regierung geschrieben zu haben – und was blieb ihm angesichts der Restauration der Monarchie unter Karl II. anderes übrig? – so mutet diese Passage in seinem „Leviathan“ zumindest so an, als ob er sich der Möglichkeit bewusst war, dass das Rump früher oder später von einem ambitionierten Usurpator abgelöst werden könnte. Alles erschien Hobbes besser, als die unzureichende Herrschaft des Rump, dessen Tätigkeiten seine im „Leviathan“ geäußerte Kritik an parlamentarischen Regierungen in vielen Punkten als berechtigt erscheinen ließ. Die Vorteile des Prinzips der Ein-Mann-Herrschaft, die Hobbes herausgearbeitet hatte, wurden später auch von einigen Royalisten pragmatisch für die Unterordnung unter das Protektorat wiederverwendet.⁷² Hobbes favorisiert im „Leviathan“ zwar die Herrschaft einer Einzelperson als Souverän, er ist jedoch kein großer Verfechter der Idee der Erbmonarchie. Die Betonung einer klaren Regelung der Nachfolge ist ihm jedoch wichtig⁷³, um zu
Cromwells Aufstieg aber als kleineres Übel. In der machiavellistischen Tradition wurde Cromwell als Fürst („prince“) angesprochen. Vgl. Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 165. The Marquesse of Ormond’s Declaration, Proclaiming Charles the Second, King of England, Scotland, France, and Ireland, London 1649, S. 3. Vgl. Woodford, Benjamin, Perceptions of a monarchy without a king: reactions to Oliver Cromwell’s power, Montreal u. a. 2013, S. 125. So von Albertus Warren und John Hall of Richmond. Vgl. Hall, John, The True Cavalier Examined by His Principles, London 1656. Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 165. Siehe dazu auch die grundsätzliche Unterscheidung, die Woodford zwischen „Stuart Loyalists“ und „Cromwellian Monarchists“ macht. Woodford, Perceptions, S. 113, 119. Auch andere Befürworter der Monarchie (auch wenn deren Haupt Cromwell sein sollte) störten sich nicht so sehr am Wechsel der herrschenden Dynastie, sondern forderten vielmehr eine klare Regelung der Erbfolge, so z. B. der anonyme Autor von „A Copy of a Letter written to an Officer of the Army by a True Commonwealthsman and No Courtier“ (London 1656). Vgl. Woodford, Perceptions, S. 118.
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verhindern, dass „men that are governed by an Assembly, should return into the condition of Warre in every age; and they that are governed by One man, as soon as their Governour dyeth“.⁷⁴ Um diese die innere Ordnung fortwährend bedrohende Situation zu vermeiden, schlägt Hobbes ein Nachfolgeprinzip vor, das nicht zwangsläufig die Kinder oder nächsten Verwandten des Monarchen zu neuen Königen bestimmt: „For the word Heire does not of it selfe imply the Children, or nearest Kindred of a man; but whomsoever a man shall any way declare, he would have to succeed him in his estate.“⁷⁵ Diese Absage an die Idee der Erbmonarchie war für viele Royalisten ein herber Schlag und machte Hobbes bei den Anhängern des Königs im Exil nicht beliebter. Zwar schließt Hobbes damit Verwandte des verstorbenen Souveräns nicht grundsätzlich aus der Nachfolge aus, sie müssen aber ausdrücklich von ihm dazu bestimmt worden sein. Zudem öffnet er damit das über Jahrhunderte eng limitierte Feld der möglichen Nachfolger auch für andere Führungspersonen. In diesem Sinn und vor dem Hintergrund der englischen Situation Ende der 1640er bzw. zu Beginn der 1650er Jahre, scheint Hobbes einen Weg gesucht zu haben, der in der Hauptsache eines ermöglichen sollte: die Legitimierung eines einzelnen Mannes zum rechtmäßigen Herrscher und damit verbunden die Abschaffung der für ihn unsäglichen Herrschaft des Rump. In der Frage, wer diese Führungsperson sein sollte, bleibt er jedoch ganz bewusst ambivalent und offen für alle möglichen Szenarien. Dass die Fülle der „authority“ im Staat laut Hobbes beim souveränen Herrscher liegt, steht damit außer Frage. Ein weiterer bedeutender Themenkomplex, dem sich Hobbes in seinem „Leviathan“ widmet und der eng verbunden ist mit der Vollmacht des Souveräns, ist die Stellung von öffentlichen Beamten. Grundlegend definiert der Autor: „A PUBLIQUE MINISTER, is he, that by the Soveraign, (whether a Monarch, or an Assembly,) is employed in any affaires, with Authority to represent in that employment, the Person of the Common-wealth.“⁷⁶ Schnell sind Parallelen zu Hobbes’ Äußerungen zu Vertretern festzustellen. Ein öffentlicher Beamter wird demnach, ebenso wie ein rechtmäßiger Vertreter, zu bestimmten Handlungen autorisiert, d. h. bevollmächtigt. Im Fall eines öffentlichen Beamten ist jedoch klar, dass es nur einen Autor geben kann, dessen Willen gemäß er Handlungen ausführt – den Souverän. Er ist der einzige, der Beamte in ihre Funktionen bestellen und sie auch wieder entlassen kann, auch wenn dies in der Praxis über weiter verzweigte, bürokratische Mechanismen realisiert wird. Aus diesen Überlegungen setzt sich auch die Bezeichnung „öffentlicher Beamter“
Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 298. Ebd., S. 302. Ebd., S. 376.
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zusammen, denn die betreffende Person ist ein Beamter, weil sie aufgrund der Vollmacht eines anderen handelt und öffentlich, weil diese andere Person den Souverän meint.⁷⁷ Wer vom Souverän in ein solches Amt berufen wird, für den stellt dies eine außerordentliche Ehre dar. Im zehnten Kapitel schreibt Hobbes: „But in Commonwealths, where he, or they that have the supreme Authority, can make whatsoever they please, to stand for signes of Honour, there be other Honours.“⁷⁸ Damit gemeint sind die Verteilungen von Titeln, Ämtern, Beschäftigungen und Handlungen vom Souverän an die Untertanen, die ein Zeichen seines Willens sind und im Staat damit demjenigen zur Ehre gereichen, den der Souverän berücksichtigt. Beamte können auf verschiedensten Gebieten durch den Souverän ernannt werden, etwa für allgemeine Verwaltungsaufgaben oder im militärischen Bereich.⁷⁹ Besonders deutlich wird ihre Stellung in Hobbes’ Beschreibung des zweiten Aufgabenbereiches: „they that have Authority concerning the Militia; to have the custody of Armes, Forts, Ports; to Levy, Pay, or Conduct Souldiers, or to provide for any necessary thing for the use of war, either by Land or Sea, are publique Ministers.“⁸⁰ Die öffentlichen Beamten haben eine Amtskompetenz für den ihnen anvertrauten Bereich der Staatsgeschäfte inne, die ihnen vom Souverän übertragen wurde. Sie haben das Recht, auf den ihnen zugewiesenen Gebieten und in bestimmten zuvor festgelegten Bahnen zu handeln und zu entscheiden. Diese offensichtliche Möglichkeit, die Vollmacht des Souveräns zu übertragen, etwa im Rahmen der Berufung von Beamten, ist eine wesentliche Erkenntnis für das Verständnis des Hobbesschen Autoritätsbegriffs. Der Souverän ist nicht aufgrund personaler Eigenschaften und Qualitäten der Träger der gebündelten „authority“, sondern aufgrund der Übertragung durch den covenant. Mit der Einigung aller Menschen, sich einem Souverän zu unterwerfen um ihr Leben in einem Staat geschützt zu wissen, wurde das Recht jedes Einzelnen, über sich selbst zu verfügen, auf den Souverän übertragen, der es von nun an in Form einer unbeschränkten Vollmacht innehat, alles zu tun und zu befehlen, wobei der Erhalt des Lebens seiner Untertanen immer sein erstes Anliegen sein muss. Zur Verwaltung seines Reiches bestellt der Souverän Beamte und andere Bevollmächtigte, sie sind jedoch nur zeitweise und stets in Abhängigkeit vom Souverän mit bestimmten Amtskompetenzen betraut. Diese Vollmachten sind ihnen nicht zu Eigen, sondern gehören zu jeder Zeit dem Souverän, der sie delegieren kann. Diese Delegationsvorgänge und der Prozess der Übertragung aller Vollmachten durch den co
Vgl. ebd., S. 378. Ebd., S. 138. Vgl. ebd., S. 376 f. Ebd., S. 378.
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venant auf den Souverän ähneln sich zwar im ersten Moment, weisen tatsächlich aber eine voneinander gut zu unterscheidende Qualität auf, die am ehesten mit dem Unterschied zwischen Besitz und Leihgabe beschrieben werden können. Eine weitere Frage, der sich Hobbes widmet, ist die nach dem politischen Leben unter einem souveränen Herrscher. Kann es ein solches unter einem derart mit unumschränkten Vollmachten in allen Fragen des Staates ausgestatteten Herrscher überhaupt geben? Die Antwort lautet: Ja. Zu allen denkbaren politischen Vereinigungen, zu denen sich die Untertanen zusammenschließen können, schränkt Hobbes jedoch ein, dass sie „made by authority from the Soveraign Power of the Common-wealth“ sein müssen. Zu den politischen Vereinigungen zählen auch politische Körperschaften und juristische Personen.⁸¹ In Abgrenzung dazu gibt es die privaten Vereinigungen, die entweder durch die Untertanen selbst unter sich errichtet werden oder aber aufgrund einer ausländischen Macht. Auch wenn insbesondere Letzteres keineswegs in den privaten Sektor zu fallen scheint, so schiebt Hobbes damit doch allen Möglichkeiten ausländischer Herrscher, in einem bürgerlichen Staat Fuß zu fassen bzw. sich der Herrschaft in etwaigen Abstufungen zu bemächtigen, einen Riegel vor. Er stellt klar: „For no authority derived from forraign power, within the Dominion of another, is Publique there, but private.“⁸² Diese grundlegende Feststellung greift Hobbes auch an späterer Stelle erneut auf, wenn er die Macht und Befugnis des Papstes außerhalb seines weltlichen Herrschaftsbereichs behandelt. Innerhalb seines weltlichen Herrschaftsbereichs besitzt ein jeder Souverän eine Stellung unbeschränkter Vollmacht. Hobbes bestärkt diese im 30. Kapitel nochmals, indem er alle Souveräne davor warnt, sich den bürgerlichen Gesetzen zu unterwerfen, da sie so ihre souveräne Vertretungsvollmacht aufgeben, indem sie die ihnen eigenen Gewalten abtreten. Gemeint sind unter anderem die oberste Gerichtsbarkeit, die Gewalt, Krieg und Frieden zu erklären, Steuern zu erheben und Soldaten nach staatspolitischer Notwendigkeit zur Musterung einzuberufen.⁸³ Jeder Untertan, der dies von seinem Souverän fordert, soll über seine Pflichten aufgeklärt werden und eine Belehrung erhalten über die Gesetze und „of the Authority that maketh them Lawes“, so Hobbes.⁸⁴ Es lohnt sich, noch kurz bei der eben dargelegten Feststellung zu verweilen, dass eine fremde Macht im Herrschaftsgebiet des Souveräns keine Vollmacht haben kann. Dies leuchtet für weltliche Mächte durchaus ein, denn ein ausländischer König oder Fürst oder ein anderer Träger der Souveränität eines fremden
Vgl. ebd., S. 348. Ebd., S. 348. Vgl. ebd., S. 520. Vgl. ebd., S. 528.
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Staates kann seine Ambitionen, über das Territorium eines anderen zu herrschen, nicht per se behaupten. Er kommt zumindest nicht umhin, seinen Anspruch argumentativ zu untermauern, etwa indem er im Falle der Thronfolge eine größere verwandtschaftliche Nähe zum vorigen oder dem rechtmäßigen Throninhaber behauptet. Alles andere würde einen unbegründeten, geradezu tyrannischen Akt der Invasion bedeuten. Für den Gesellschaftsvertrag bedeutet dies entweder die Unterordnung der Bürger unter einen neuen Souverän, wenn dieser eher dazu im Stande ist, das Leben seiner Untertanen zu schützen, wie es im Fall einer erfolgreichen Invasion nur logisch wäre. Hobbes zufolge ist die Unterordnung unter einen neuen, wenn auch ausländischen Souverän legitim, wenn dadurch dem Zweck gedient ist, das eigene Leben besser zu schützen. Einzige Alternative ist stets der Rückfall in einen Bürgerkrieg, was Hobbes in jedem Fall als die schlechteste aller möglichen Varianten bewertet, da Gesundheit und Leben jedes Einzelnen dann wieder zur Disposition stünden. Mit dieser Argumentation bestärkt Hobbes die Wirkkraft seines Werkes, denn mit der immer wieder konstatierten Alternativlosigkeit zu seinem Modell drängt er alle Gegner ins Abseits. Das Verhältnis zwischen Untertanen und neuem Machthaber – auch wenn dieser ein Usurpator ist – beschreibt Hobbes auch in seinen „Considerations“, die erst 1680 veröffentlicht wurden. Zwar blickt Hobbes in einer Retrospektive auf die Ereignisse der Commonwealth-Zeit, dennoch äußert er einige aufschlussreiche Gedanken zu seiner Einschätzung des soeben angesprochenen Verhältnisses. So thematisiert er im Zusammenhang mit seiner eigenen Flucht aus England das Verharren unter anderem von Geistlichen im Land auch unter dem neuen Regime: „I hope you will not call them all desertors, (or because by their stay here openly they accepted of the Parliament’s and of Oliver’s Protection) defenders either of Oliver’s, or of the Parliament’s Title to the Sovereign Power.“⁸⁵ Dass nicht alle Einwohner eines Landes vor einer neuen Regierung – sei ihre Legitimation auch noch so fragwürdig – fliehen und ins Exil gehen können, erscheint Hobbes vollkommen plausibel. Die im Land Verbliebenen sind seiner Ansicht nach nicht als Verräter zu bezeichnen, denn sie handelten ab dem Moment, in dem das Königtum abgeschafft war, aus einer Notwendigkeit heraus. Anders urteilt Hobbes über jene, die sich während der Bürgerkriege gegen den König gestellt hatten. Unter ihnen sei keiner „that has not something more or less to blush for; as having either assisted that rebellious Parliament, without necessity, (when they might have had Protection from the King, if they had resorted to him for it in the field), by
Hobbes, Thomas, Considerations upon the Reputation, Loyalty, Manners, and Religion, of Thomas Hobbes of Malmesbury, in: The English Works of Thomas Hobbes of Malmesbury, hg.v. Sir William Molesworth, Bd. 4, London 1840, S. 409 – 440, hier S. 421.
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Covenanting, or by Action, or with Money, or Plate, or by Voting against His Majesties Interest, in Himself, or His Friends“.⁸⁶ Der entscheidende Punkt ist also der zeitliche Horizont: In der Situation von 1642 war die offene Rebellion gegen den souveränen Herrscher ein Akt des Verrats. Dem durch covenant autorisierten Monarchen stand der illegitime Usurpator in Gestalt der parlamentarischen Opposition⁸⁷ gegenüber. Ab dem Zeitpunkt, zu dem das Königtum abgeschafft und der König hingerichtet worden war, hatten die in England verbliebenen Untertanen keine andere Schutzmacht mehr als das Rump bzw. später den Protektor Cromwell. Die Konkurrenz zwischen Souverän und Usurpator war durch den Tod Karls I. aufgelöst wurden. Die Menschen konnten sich zwischen dem Rückfall in den Naturzustand oder der Sicherung ihres Lebens unter einer neuen Herrschaft entscheiden.⁸⁸ Letzteres kann somit nicht als Verrat gewertet werden. Hobbes’ Philosophie folgend gab es einen neuen covenant, der das Rump zur Herrschaft autorisierte. Auch wenn Hobbes selbst diese parlamentarische Form der Herrschaft als unzureichend kritisierte, so kam er nicht umhin, ihre de facto „authority“ für den Moment anzuerkennen, was ihn nicht davon abhielt, dem englischen Volk zu einer anderen Form der Regierung zu raten. Interessant ist auch die Anwendung des Arguments, dass eine fremde Macht im Herrschaftsgebiet des Souveräns keine Vollmacht haben kann, auf den Papst. Bereits im 12. Kapitel des „Leviathan“ argumentiert Hobbes virtuos mit Autorität an dieser besonders brisanten Stelle. Denn der Papst und seine „spirituall subjects, residing in the territories of other Christian Princes“⁸⁹ maßen sich, so Hobbes, schon seit Jahrhunderten Rechte an, die jeder Grundlage entbehrten.⁹⁰ Ebd., S. 426. Generell ist die Verwendung des Begriffs der „Opposition“ vor dem Hintergrund der politischen Lebens- und Erfahrungswelt der Mitte des 17. Jahrhunderts nicht unumstritten. Michael Mendle wies bereits darauf hin, dass es weniger feste politische Lager gab, als dies in der Moderne der Fall ist; stattdessen aber mehr, durchaus als normal angesehene Fluktuation. „If recent scholarship shrewdly has perceived the factionalism and back-door accomodation inherent in what used to be called unthinkingly „the opposition“, it is allowable, indeed necessary to insist upon the confrontational aspects of accomodation, consensus (when enforced by test oaths and purges), and the pursuit of office. […] Tudor and Stuart political culture had but the most rudimentary idea of a political spectrum“ Mendle, Michael, Dangerous Positions. Mixed government, the estates of the realm, and the making of the answer to the XIX. Propositions, Tuscaloosa 1985, S. 171 f. Vgl. Hobbes, Considerations, S. 20. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 186. Vgl. ebd., S. 186. „Lastly, amongst the points by the Church of Rome declared necessary for Salvation, there be so many, manifestly to the advantage of the Pope […] For who is there that does not see, to whose benefit it conduceth, to have it believed, that a King hath not his Authority from Christ, unlesse a Bishop crown him? That a King, if he be a Priest, cannot Marry? That whether a
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Hobbes geht bereits relativ früh in seinem Traktat näher auf die Beziehung zwischen dem bürgerlichen Souverän und dem Haupt der katholischen Kirche ein. Ausgehend von Hobbes’ Grundüberzeugung, dass der Papst nur innerhalb des Kirchenstaates als Bereich seiner bürgerlichen Souveränität die uneingeschränkte „authority“ im Sinne der Vollmacht inne hat, entlarvt er einige der von der Kirche als zentral vermittelten Rechtsansprüche als nicht bindend. Insbesondere sei es ganz offensichtlich, dass der Glaube daran, dass „a King hath not his Authority from Christ, unlesse a Bishop crown him“⁹¹ eine Regelung darstellt, die lediglich dem Vorteil des Papstes und seiner geistlichen Untertanen dient. Dieser Anspruch ist ihre Eintrittskarte in die oberste Machtebene eines jeden christlichen Staates – und dies ohne rechtliche Basis, so Hobbes. Denn außerhalb seines weltlichen Reiches habe der Papst keinerlei Macht über die Souveräne anderer Staaten. England wird als Vorreiter gezeigt, wenn es darum geht, sich dieser unrechtmäßigen Bevormundung durch Rom zu entledigen, wobei sich Hobbes mit Sicherheit auf den Sonderweg der anglikanischen Kirche bezieht, die sich 1534 durch die Suprematsakte von der römisch-katholischen Kirche losgesagt hatte und fortan den englischen Monarchen als Oberhaupt bestimmte. Diesem Beispiel sollen Hobbes’ Meinung nach auch andere christliche Fürsten folgen.⁹² Als bisherigen Hinderungsgrund für die Emanzipation der Fürsten von Rom sieht Hobbes ihren fortgeführten gegenseitigen Streit untereinander, der sich mitunter in einem Wettstreit äußert – ironischerweise auch darum, wer das Recht beanspruchen kann, Schutzmacht der katholischen Kirche zu sein. Zentral bleibt also Hobbes’ Forderung nach der Beseitigung jeder „forraign Authority“⁹³innerhalb des eigenen Herrschaftsbereiches, in dem es nur eine ungeteilte Souveränität geben kann. Die Rechtmäßigkeit des Herrschers hängt nicht von der Beurteilung und Approbation durch Rom ab, sondern ist Teil eines innenpolitischen Prozesses – dem Gesellschaftsvertrag der Untertanen. Mit dieser Aussage verstärkt Hobbes
Prince be born in lawful Marriage, or not, must be judged by Authority from Rome. That Subjects mey be freed from their Alleageance, if by the Court of Rome, the King be judged an Heretique? That a King may be deposed by a Pope […] for no cause; and his Kingdome given to one of his Subjects? „ Ebd., S. 186. Vgl. ebd., S. 186. Bezeichnenderweise beschreibt Hobbes die angemaßte „authority“ Roms auf den Gebieten christlicher Könige in einer anderen Ausgabe des Leviathan auch als „power“, denn es ist keine legitime Vollmacht, die der Papst hier besitzt, sondern eben nur der Versuch, seine Macht auszuweiten. „Authority“ hat das Oberhaupt der katholischen Kirche nur innerhalb seines eigenen weltlichen Herrschaftsbereiches, alle außerhalb desselben angemaßte Befugnis muss sich mit einem anderen Begriff verknüpfen – Macht bzw. „power“ ist für die Einheitlichkeit von Hobbes’ Argumentation an dieser Stelle die bessere Alternative. Vgl. ebd., S. 186, besonders FN 85.
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nochmals, dass es keinen Anspruch auf Vollmachten innerhalb eines bürgerlichen Staates geben kann, der nicht unmittelbar mit dem Souverän verbunden ist. An späterer Stelle reflektiert Hobbes seine eigene Situation zu den 1651 gegebenen politischen Umständen. Nachdem er zuvor deutlich gemacht hat, dass der Souverän allein für die verbindlichen, religiösen Lehren verantwortlich ist (vgl. dazu Kap. 3.2.2), lehnt er es ab, sich bezüglich einer Bibelstelle auf deren Bedeutung festzulegen. Er trage lediglich vor, was wörtlich in der Bibel steht, denn: „attending the end of that dispute of the sword, concerning the Authority, (not yet amongst my Countrey-men decided,) by which all sorts of doctrine are to bee approved, or rejected“.⁹⁴ Er bestärkt hiermit die Tatsache, dass die Entstehung des Staates in einer Person – der des Souveräns – ein innenpolitischer Prozess ist. Indem er sich selbst abwartend zeigt, verweist er auf das, was in Zukunft folgen muss: die Unterwerfung jedes Einzelnen unter die Partei der Sieger, indem er ihr sein Recht sich selbst zu regieren überträgt und sie so autorisiert. Hobbes lebt somit das vor, was er von jedem guten Untertanen gleichermaßen erwartet, damit die anarchischen Verhältnisse des Bürgerkrieges beendet werden können. Dies ist, wie Hobbes selbst im Schlusswort zu seinem „Leviathan“ und auch wiederholt in späteren Schriften betont, die Intention seiner Abhandlungen: „ocassioned by the disorders of the present time […] to set before mens eyes the mutuall Relation between Protection and Obedience“⁹⁵, um so einen Beitrag zu leisten zur Fortführung des öffentlichen Friedens. Dies schrieb Hobbes in einer Zeit, in der das Königtum offiziell abgeschafft war und ein Parlament die Regierungsarbeit aufgenommen hatte. Er plädierte somit eindeutig für die Unterordnung unter das Rump und später eben auch den Protektor als kleineres Übel, auch wenn sein nach der Restauration der Monarchie verfasstes Urteil über diese beiden Regierungen desaströs ausfällt: „The democrats were victorious, and established a democracy; but then they unexpectedly lost it, the reward of their so many crimes. One tyrant took over England, Scotland, and Ireland, and confounded the democratic prudence of laity and ecclesiastics alike. The people, wearied by war, despised them no less than it had admired them before. When the lawful king was at last restored, they begged for pardon […] Pardon was given as a general amnesty“.⁹⁶ Es ist aber zu bedenken, dass er dieses Schlusswort seiner lateinischen Übersetzung des „Leviathan“ anfügte, die nach der Restauration der Monarchie erschien und somit zu einem Zeitpunkt, zu dem Hobbes seine eigene Stellung in der erneuerten Stuart-Monarchie mit allen Mitteln
Ebd., S. 708. Ebd, S. 1141. Ebd., S. 1129.
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versuchen musste zu konsolidieren. Seine Grundabsicht ist jedoch klar, er will Frieden für das englische Volk und einen erneuten Ausbruch des Bürgerkrieges um jeden Preis vermeiden. So resümiert Hobbes, dass sein „Leviathan“ während der anhaltenden Bürgerkriege von geringem Nutzen war, „of little use, I say, but of some use nevertheless. For I hoped that it would be of use later, after the war was over.“⁹⁷ Trotz des prekären Zeitpunktes zur Einspeisung seiner Staatslehre, gemeint sind die Abschaffung einer alten und die noch etwas unklare Einsetzung einer neuen Regierung, ist Hobbes sich über ihren friedensstiftenden Wert sicher.⁹⁸ Die Frage danach, was Hobbes auf staatlicher Ebene unter dem Autoritätsbegriff verstand, kann also beantwortet werden: gemeint war die rechtmäßig durch den covenant übertragene Vollmacht des Souveräns. Die Beschreibung der Beziehung zwischen Souverän und Kirchenoberhaupt legt aber nahe, dass Hobbes sich nicht auf die politische Ebene als Bezugsrahmen der bürgerlichen Herrschaft beschränkte. In den letzten beiden Teilen des „Leviathan“ beschäftigt er sich mit der Wechselbeziehung zwischen Kirche und Staat und mit den Irrtümern, die die Herrschaft geistlicher Würdenträger betreffen. Bezeichnenderweise lässt sich schon an den Titeln der beiden Teilstücke die Fahrtrichtung seiner Argumentationen ablesen: Teil III nennt er „Vom christlichen Staat“ und den letzten Teil „Vom Reich der Finsternis“. Eine Trennung zwischen staatlicher und kirchlicher Sphäre für die Beschreibung der „authority“ des Souveräns scheint von Hobbes nicht beabsichtigt zu sein, denn auch die Kirche stellt ihm zufolge lediglich einen christlichen Staat dar. Die in der vorliegenden Arbeit vorgenommene Untergliederung in Staat und Kirche dient einer besseren Überschaubarkeit der Argumentation.
3.2.2 Kirche Grundsätzlich hält Hobbes fest, dass er sich für all seine Ausführungen „concerning the Rights of those that are the Supream Governors on earth, of Christian Common-wealths; and of the duty of Christian Subjects towards their Soveraigns“ auf die Texte der Bibel bezieht: „And to that end, I shall speak in the next Chapter, of the Books, Writers, Scope and Authority of the Bible.“⁹⁹ Dies wird im folgenden Abschnitt für die uns interessierende Thematik bedeutungsvoll, denn wenn
Ebd. Vgl. ebd., S. 1141. Ebd., S. 584.
3.2.2 Kirche
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Hobbes die Bibel zitiert, Begebenheiten des Alten und Neuen Testaments schildert und auslegt und sich den Fragen des Kirchenregiments bzw. der Kirchenhierarchie zuwendet, nutzt er häufig den Autoritätsterminus. Aus diesen Zusammenhängen können zahlreiche Eigenschaften der „authority“ bei Hobbes abgeleitet werden, was nicht nur einer klareren Definition dient, sondern auch ein Licht auf Hobbes’ rhetorische Taktik wirft. Eine Grundüberlegung Hobbes’ muss notwendigerweise an den Anfang der Betrachtungen zum Bereich „Kirche“ gestellt werden, da dies den Kontext bildet für alle folgenden Überlegungen. Alles im vorigen Abschnitt Gesagte zur absoluten „authority“ des bürgerlichen Souveräns gilt ungemindert auch für den kirchlichen Bereich: der Souverän ist das Oberhaupt der Kirche. Warum dies so ist bzw. wie Hobbes diesen Standpunkt belegt, wird im Laufe der nun folgenden Argumentation geklärt. Dennoch ist eines ganz klar und soll schon an dieser Stelle vorweggenommen werden: Nur der bürgerliche Souverän kann die christliche Religion in seinem Gebiet zur Staatsreligion autorisieren – oder es eben auch unterlassen.¹⁰⁰ Die Folge einer solchen Anordnung ist die Bindung aller Untertanen an die vom Souverän bestimmte Religion, soweit es alle öffentlichen und äußeren Handlungen betrifft. Einzig das Gewissen jedes Menschen ist frei; in seinem Inneren kann er glauben, was er will. Dies darf aber nicht zu einem äußerlich wahrnehmbaren Konflikt führen. Damit bekräftigt Hobbes einen Grundsatz, der seit Königin Elisabeth I. (1558 – 1603) besteht und in der offiziellen Rhetorik der „outward conformity“ Ausdruck findet.¹⁰¹ Hobbes verwendet „authority“ auf der Ebene der Kirche zunächst scheinbar auch für anderes als den Anspruch des Souveräns, wenn er zum Beispiel im Kapitel 32 zu der „authority“ der Bibel, ihrer Bücher, Autoren und ihrem Ziel kommt.¹⁰² Schnell wird jedoch deutlich, dass die „authority“ der Bibel kein allein stehendes Merkmal ist, das diesem heiligen Buch per se inhärent ist und aus
Vgl. ebd., S. 800. Als ein Beispiel für einen solchen Übertritt eines Staates zu einer neuen Religion nennt Hobbes die Annahme des Christentums durch Kaiser Konstantin.Vgl. ebd., S. 820. Die Bezeichnung der „outward conformity“ war v. a. auf die englischen Katholiken gemünzt, die nach außen hin den protestantischen Riten der englischen Staatskirche folgen sollten, deren Gewissensfreiheit jedoch nicht zur Disposition stand. Die Folge war eine oberflächliche Konformität, die den Raum freigab für ein Höchstmaß an Diversität die religiösen Anschauungen betreffend. Vgl. u. a. Lake, Peter, Bad Queen Bess? Libels, Secret Histories, and the Politics of Publicity in the Reign of Queen Elizabeth I., Oxford 2016. Caldwell, Melissa M., Skepticism and Belief in Early Modern England. The reformation of moral value, London, New York 2017. Ryrie, Alec, The Age of Reformation. The Tudor and Stewart Realms 1485 – 1603, London u. a. 2009. Analog dazu sind auch die Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens von 1555 zu nennen, mit dem sich der im Reich umgesetzte Grundsatz „cuius regio, eius religio“ verbindet. Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 584.
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dessen Seiten auf geradezu überirdisch anmutende Art und Weise herausfließt. Stattdessen leitet sie sich Hobbes’ zufolge allein aus der zuvor erfolgten Autorisierung durch den jeweiligen bürgerlichen Souverän ab. Der Grund dafür ist die Tatsache, dass Souveräne in ihren Herrschaftsgebieten die alleinigen Gesetzgeber sind.¹⁰³ Die Bibel als Ganzes oder auch nur Teile von ihr zu kanonisieren, also gleichsam zu verbindlichen Glaubenssätzen zu erheben,¹⁰⁴ obliegt aus diesem Grund allein dem Souverän. In diesem Sinn schreibt Hobbes: „those Books only are Canonicall, that is, Law, in every nation, which are established for such by the Soveraign Authority“¹⁰⁵. Der Philosoph bleibt seinem Konzept von der „authority“ als Vollmacht des Souveräns auch in Glaubensfragen bzw. auf dem Gebiet der Kirche treu. Dabei ist einmal mehr seine rhetorische Strategie bemerkenswert, die zunächst ein Argument der Gegenseite aufgreift, um es dann mit einer gezielten Entwertung und Neudefinition auszuschalten.¹⁰⁶ Im vorliegenden Fall geht es um den Wert der Bibel als niedergelegtes Wort Gottes und um den Anspruch des Klerus, das Primat bei ihrer Exegese inne zu haben – was die Geistlichkeit in ihrer Stellung im Staat gegenüber dem weltlichen Herrscher stärkt. Hobbes dekonstruiert mit der strikten Anwendung seines „authority“-Konzeptes diesen Anspruch. Indem allein der Souverän die Vollmacht besitzt, die Bücher der Bibel zu kanonisieren und sie nicht per se verbindliche Glaubenssätze darstellen, wird eine eigenmächtige Einmischung des Klerus weitgehend ausgeschaltet. Dessen Anspruch „iure divino“ eingesetzt zu sein, wird von Hobbes somit vollkommen negiert, stattdessen entscheidet allein der bürgerliche Souverän. Im folgenden 33. Kapitel „Of the Number, Antiquity, Scope, Authority, and Interpreters of the Books of Holy Scripture“ konkretisiert Hobbes seine Gedanken hierzu.¹⁰⁷ Nachdem er sich mit der Authentizität der einzelnen Texte der Bibel und ihrer jeweiligen Verfasser beschäftigt hat, kommt er zu einem allgemeinen Schluss. Es sei klar, so Hobbes, dass allen Büchern derselbe Geist innewohne und sie zur Erreichung desselben Zieles zusammenwirken, „which is the setting forth of the Rights of the Kingdome of God, the Father, Son, and Holy Ghost“ und weiterhin „to convert men to the obedience of God“.¹⁰⁸ Diese Ziele sind vereinbar
Siehe oben Kap. 3.2.1. Hobbes leitet dies folgendermaßen her: Die Bücher der heiligen Schrift sind ein Kanon, das heißt sie sind die Regeln des christlichen Lebens. Damit gemeint sind alle Lebensregeln, zu deren Beachtung das menschliche Gewissen verpflichtet, das sich gleichsam aus Gottes Willen speist. Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 586. Ebd., S. 586. Zu Hobbes rhetorischer Strategie vgl. Skinner, Reason and Rhetoric, S. 11 ff. Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 586 ff. Ebd., S. 602.
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mit den Anliegen der Kirche, weshalb auch nicht die Autorschaft eines Buches der Bibel es kanonisch macht, sondern die Autorität der Kirche – was in diesem Fall nichts anderes ist als die Weisung des Souveräns, der gleichsam Oberhaupt der Kirche in seinem Herrschaftsbereich ist. Nicht die Frage, woher die Verbindlichkeit der Schriften stammt, ist zielführend, sondern nur die Frage, durch wen sie kanonisiert werden und warum.¹⁰⁹ Hobbes stellt klar, dass die biblischen Gesetze, soweit sie den natürlichen Gesetzen folgen, „carry their Authority with them, legible to all men that have the use of naturall reason“¹¹⁰. „Authority“ bedeutet demnach in diesem Zusammenhang die Verbindlichkeit biblischer Schriften aufgrund ihrer Vernunft oder ihrer logischen Überzeugungskraft. Damit stellt er die Bibel gleich mit allen Schriften der Morallehre, die mit der Vernunft übereinstimmen und deren Vorschriften Hobbes zufolge ewige Gesetze sind, weil man sie eben unmöglich widerlegen kann. Für alles Weitere gilt entweder, dass Gott sie selbst zu Gesetzen erheben und diese einer oder mehreren Personen bekanntmachen muss, etwa durch eine Offenbarung. Oder aber: „He therefore, to whom God hath not supernaturally revealed, that they [the Laws] are his, nor that those that published them, were sent by him, is not obliged to obey them, by any Authority, but his, whose Commands have already the force of Laws; that is to say, by any other Authority, than that of the Common-wealth, residing in the Soveraign. (…) Again, if it be not the Legislative Authority of the Common-wealth, that giveth them the force of Laws, it must bee some other Authority derived from God“¹¹¹. Nun ergibt sich ein scheinbarer Widerspruch zwischen der früheren Aussage, dass die „authority“ der Kirche bestimmte Teile der Bibel kanonisiert, und dem soeben Ausgeführten, dass in alttestamentlicher Zeit nur Gott allein als bürgerlicher Souverän bzw. nach der Auflösung des Alten Bundes die israelitischen Könige in derselben Stellung bestimmen konnten, welche Regeln der Bibel verbindlich werden. Tatsächlich entkräftet Hobbes diesen widersprüchlichen Eindruck mit einem zentralen Versatzstück seiner Argumentation zum Verhältnis zwischen Kirche und Staat. Es besteht im Grunde aus der Gleichstellung zwischen beidem: „But the Church, if it be one person, is the same thing with a Common-wealth of Christians“.¹¹² Staat und Kirche sind Hobbes zufolge Versammlungen derselben Personen. Beides sind einzelne, künstliche Personen. Der Staat besteht aus der Person seines Souveräns, der alle Menschen in sich vereint. Die Kirche besteht aus
Vgl. ebd., S. 604. Ebd. Ebd. Ebd., S. 606.
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allen Christen, die in der Person des christlichen Souveräns vereint sind. Nur in dem Fall, dass die Kirche unter dem christlichen Souverän zusammengefasst werden kann, hat sie auch „authority“ im Sinne einer Weisungsbefugnis an die Gläubigen inne – andernfalls hat sie weder Macht zu befehlen, noch kann sie handeln, sich rechtmäßig versammeln oder eine Gewalt bzw. ein Recht auf irgendetwas geltend machen.¹¹³ Hobbes bringt in seinem 39. Kapitel folgende Definition: „I define a CHURCH to be, A company of men professing Christian Religion, united in the person of one Soveraign; at whose command they ought to assemble, and without whose authority they ought not to assemble. (…) Andtherefore a Church, such a one as is capable to Command, to Judge, Absolve, Condemn, or do any other act, is the same thing with a Civil Common-wealth, consisting of Christian men; and is called a Civill State, for that the subjects of it are Men; and a Church, for that the subjects thereof are Christians.“¹¹⁴ Daraus folgt, dass der bürgerliche Souverän zugleich auch Oberhaupt der Kirche ist bzw. er die Person des Staates genauso verkörpert, wie die der Kirche. Und da das so ist, hängt von ihm allein die Kanonisierung der Bücher der Bibel ab, ebenso wie die Exegese der Heiligen Schrift, „whosoever hath a lawfull power over any Writing, to make it Law, hath the power also to approve, or disapprove the interpretation of the same“.¹¹⁵ Dass das Recht auf Bibelexegese allein dem Souverän zusteht und alle Untertanen sich seinem Urteil diesbezüglich zu unterwerfen haben, bestärkt Hobbes an seinem eigenen Beispiel. Zu Beginn des 38. Kapitels versucht er sich zwar an der Interpretation einer Bibelpassage (1. Mose 3, 22), allerdings nur unter Vorbehalt: „with submission neverthelesse both in this, and in all questions, whereof the determination dependeth on the Scriptures, to the interpretation of the Bible authorized by the Common-wealth, whose Subject I am“.¹¹⁶ Natürlich widerspricht der Gedanke, dass der bürgerliche Souverän allein die Auswahl der kanonischen Texte und ihre Auslegung übernimmt¹¹⁷ aufs Ärgste den Vorstellungen vieler Zeitgenossen und insbesondere dem Selbstverständnis
Vgl. ebd. Ebd., S. 732. Ebd., S. 608. Ebd., S. 700. Vgl. auch ebd. S. 708. „but attending the end of that dispute with the sword, concerning the Authority (not yet amongst my Countrey-men decidid), by which all sorts of doctrine are to bee approved, or rejected; and whose commands, both in speech, and writing, (whatsoever be the opinion of private men) must by all men, that mean to be protected by their Laws, be obeyed. For the points of doctrine concerning the Kingdome of Man, as not to be determined, but by them, that under God have the Soveraign Power.“
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kirchlicher Würdenträger, allen voran dem des Papstes. Der Begriff der „authority“ ist in diesem Zusammenhang nicht neu, wurde jedoch in der Vergangenheit vollkommen gegensätzlich von den Bischöfen genutzt, um sich von den weltlichen Herrschern abzugrenzen. Es sei an die Zwei-Schwerter-Lehre von Papst Gelasius I. (492– 496) erinnert, der im weltlichen Herrscher die „regalis potestas“ verortete, die Bischöfe hingegen mit „auctoritas sacrata pontificum“ ausstattete,¹¹⁸ wobei letztere aus geistlicher Sicht natürlich schwerer wog.¹¹⁹ Indem Hobbes „authority“ grundsätzlich dem bürgerlichen Souverän zuschreibt und ihn zudem zum obersten Kirchenherren macht, nimmt er den Bischöfen die Grundlage ihrer Macht und spricht ihnen jede Einflussmöglichkeit ab, die über die direkte Weisung des Souveräns hinausgeht. Erneut zeigt sich an diesem Beispiel Hobbes’ rhetorische Strategie: Er eignet sich das Argument der Gegenseite an und deutet es derart um, dass es seinen Zwecken dient. Nun kann man die Frage stellen, warum Hobbes einen so großen Teil seines Hauptwerkes dem Verhältnis zwischen dem englischen Souverän und dem Oberhaupt der katholischen Kirche widmet, hatte doch England bereits seit 1531 durch die Lossagung der englischen Bischöfe von der Vormachtstellung des Papstes und der damit verbundenen Einführung der anglikanischen Kirche mit Rom gebrochen. Dieser Prozess wurde 1534 weiter vorangetrieben durch die Suprematsakte, mit der das Parlament den König als Oberhaupt der anglikanischen Kirche – „Head of the Church“ – offiziell bestätigte. Aufgrund dieser Basis und befördert durch weitere Entwicklungen, etwa umfassende Reformen nach dem Tod König Heinrichs VIII., war der politische Einfluss der katholischen Würdenträger in England Mitte des 17. Jahrhunderts gering. Ein wesentliches, prägendes Element der römisch-katholischen wie auch der anglikanischen Kirche war jedoch die Verwaltung des Kirchenbereichs durch Bistümer und die damit verbundene Einteilung Englands in die zwei Erzdiözesen Canterbury und York sowie 24 weitere Diözesen, deren Bischöfe auch Mitglieder im Oberhaus waren. Ähnlich wie auch der Papst und die katholischen Bischöfe sahen sich die anglikanischen Geistlichen durch „iure divino“ im Amt eingesetzt. Ihre Mitsprache und Mitent-
Brief von Papst Gelasius I. an Kaiser Anastasios I. von 494, ediert in: Schwartz, Eduard, Publizistische Sammlungen zum Acacianischen Schisma, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonische Abteilung, 24/1 (1935), S. 20. Vgl. Schulze, Hans K., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, Bd. 3, Stuttgart 1998. Angenendt, Arnold, Das Frühmittelalter. Die abendländische Christenheit von 400 bis 900, Stuttgart 2001. Zimmermann, Harald, Das Papsttum im Mittelalter. Eine Papstgeschichte im Spiegel der Historiografie, Stuttgart 1981. Levison, Wilhelm, Die mittelalterliche Lehre von den beiden Schwertern, in: Deutsches Archiv für die Erforschung des Mittelalters 9 (1952), S. 14– 42. Goez, Werner,Zwei-Schwerter-Lehre, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 9, München 1998, Sp. 725 f.
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scheidung durch die Mitgliedschaft im House of Lords nicht nur in kirchlichen, sondern auch in politischen Angelegenheiten¹²⁰ war Hobbes jedoch ein Dorn im Auge. Er hielt eine derartige Verteilung der Kompetenzen für staatszersetzend und wollte die Position des Souveräns stärken, indem er den Bischöfen ihre Stellung streitig machte und den König als „Supreme Head of the Church“ mit den dazugehörigen Vollmachten ausstattete. Eine Schlüsselstelle dafür findet sich im letzten Kapitel des „Leviathan“: „And first, to this Error, that the present Church […] are annexed these worldly Benefits; First, that the Pastors, and Teachers of the Church, are entitled thereby, as Gods Publique Ministers, to a Right of Governing the Church; and consequently […] to be Rectors, and Governours of the Commonwealth.“¹²¹ Diese klare Absage an das „iure divino“-Argument der Bischöfe wurde nach der Restauration in der lateinischen Ausgabe des „Leviathan“ ausgespart. Zudem richtet sich Hobbes deutlich gegen das von den früheren Monarchen stets favorisierte Episkopalsystem, indem er es als mit schuldig an der Beschneidung der christlichen Freiheit und als wesentlichen Faktor der Synthese der päpstlichen Gewalt darstellt, die glücklicherweise durch Elisabeth I. in England aufgehoben wurde.¹²² Die sich Ende der 80er Jahre und zu Beginn der 90er Jahre des 16. Jahrhunderts abzeichnende, neue Konjunktur des „iure divino“-Arguments¹²³ trotz der Tatsache, dass „the Bishops, who before exercised their Functions in Right of the Pope, did afterwards exercise the same in Right of the Queen and her Successors“, ärgerte Hobbes sehr. Deshalb verhöhnt er die Bischöfe, die durch das Eingreifen der Presbyterianer ihre Macht verloren hatten – welchen selbst kurze Zeit später die Macht genommen wurde: „Nor ought those Teachers to be displeased with this losse of their ancient Authority“, denn aufgrund ihrer zahlreichen
Vgl. Generell zur Kirchen- und Religionsgeschichte Englands zu Beginn des17. Jahrhunderts Milton, Anthony, Catholic and Reformed. The Roman and Protestant Churches in English Protestant Thought, 1600 – 1640, Cambridge 1995. Zum englischen Protestantismus: Tyacke, Nicholas, Aspects of English Protestantism. 1530 – 1700, Manchester u. a. 2001. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 1104. Vgl. ebd., S. 1114, 1116. Der Hauptgrund hierfür lag in der Abwehr von presbyterianischen Reformforderungen für die englische Kirche. Zudem waren sich viele Vertreter des „iure divino“-Arguments über die kirchliche Ausrichtung des designierten Thronfolgers Jakob IV./I.unsicher, da dieser vor seiner englischen Thronbesteigung eine den schottischen Presbyterianern gegenüber zurückhaltende Politik betrieb. Dass diese Zweifel unbegründet waren zeigte sich nach 1603 an der feindlichen Haltung Jakobs gegenüber den Presbyterianern. Zudem war er, ebenso wie sein Nachfolger Karl I., ein Fürsprecher der bischöflichen Legitimation „iure divino“. Vgl. Pečar, Macht der Schrift, S. 287 f.
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Fehler seien sie selbst schuld daran, „to make men stumble one time or other upon the suppression of their Authority“.¹²⁴ Über Hobbes’ religiöse und kirchenpolitische Anschauungen wurde in der Forschung viel geschrieben. Bereits royalistische Zeitgenossen hatten Hobbes bald nach dem Erscheinen des „Leviathan“ scharf als Atheisten attackiert.¹²⁵ Die historische Forschung hat der Bedeutung der Religion als einem Hauptaspekt und Einflussfaktor seiner Philosophie jedoch häufig weniger Beachtung geschenkt, was u. a. Jeffrey Collins und Aloysius Martinich als großes Forschungsdesiderat beschrieben haben.¹²⁶ Hier wurde er zuweilen als Theist, dann wieder als Atheist beschrieben – je nachdem, welchem Teil des „Leviathan“ man in der Analyse den größeren Stellenwert einräumen wollte.¹²⁷ Zum Teil wurde sich dem dritten und vierten Teil des „Leviathan“ gar mit der Grundannahme gewidmet, dass sich wörtliche und rhetorische Bedeutung des Textes diametral gegenüberstehen und er deshalb abseits der Inhaltsebene als Ironie zu verstehen sei.¹²⁸ Besonders Collins betonte, dass durch diese Vernachlässigung von Hobbes’ religiösen und kirchlichen Anschauungen ein säkularisiertes Bild seiner politischen Theorie erzeugt werde, das in die Irre führe.¹²⁹ Stattdessen betont er „the fundamentally religious nature of the Hobbesian project“ – und meint damit Hobbes’ radikale erastianische Kirchenlehre.¹³⁰ Hier enden die Übereinstimmungen zwischen Collins und Martinich, denn beide fassen Hobbes’ Haltung in religiös-kirchlichen Fragen konträr. Während sich für Collins mit Hobbes’ Erastianismus¹³¹ die Abkehr
Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 1116. Vgl. Collins, Allegiance, S. 488. Vgl. ebd., S. 1. Martinich, Two Gods, S. 1, 11 ff. Brandon, Coherence, S. 2 ff. Vgl. Brandon, Coherence, S. 15, 118. Ein Beispiel für eine solche Gewichtung ist Sharon Lloyd, die ähnlich wie Martinich Teil drei des „Leviathan“ als wichtigsten Teil identifiziert und Hobbes so eine religiös-orientierte politische Theorie zuschreibt. Vgl. Lloyd, Sharon, Ideals as Interests in Hobbes’s Leviathan, Cambridge 1992, S. 77, 349. Martinich, Two Gods, S. 13 ff. Vgl. Johnston, David, The Rhetoric of Leviathan, Princeton 1986, S. 111 f. Johnston zufolge lag es in Hobbes Absicht, durch den Einsatz rhetorischer Techniken in Teil drei und vier des „Leviathan“ zu zeigen, wie Religion, Aberglaube und Irrationalität aus der Gesellschaft getilgt werden können. Hobbes sah den verbreiteten Aberglauben als Bedrohung der Autorität des Souveräns, mit seiner Auslöschung sollte der Staat gestärkt werden. Vgl. auch Brandon, Coherence, S. 10. Vgl. Collins, Allegiance, S. 1. Ebd., S. 4 f. Benannt nach dem reformierten, schweizerischen Theologen Thomas Erastus (1524– 1583). Seine Kirchenlehre steht in schroffem Gegensatz zum Calvinismus. Insebsondere das Verhältnis zwischen Staat und Kirche steht bei Erastus im Mittelpunkt. Hintergrund ist seine Hilfe beim Aufbau der Pfälzer Kirche, wo er an der Spitze einer anticalvinistischen Oppositon stand. Die Kirche ist der Staatsgewalt untergeordnet, die Souveränität der Obrigkeit erstreckt sich dabei vor allem auf die äußere Organisation der Kirche, nicht jedoch auf deren geistlichen Auftrag (Predigt
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von der Sache der Stuarts oder, wie er schreibt, „the migration in the political allegiance of Thomas Hobbes“ hin zu den Independents beschreiben lässt¹³², ist Hobbes für Martinich ein relativ orthodoxer Calvinist, der zwar nicht die religiösen Standardansichten seiner Zeit vertrat, aber dennoch eine Rückkehr zum Status der Kirche und zur Religiosität unter der Herrschaft von Jakob I. (1603 – 1625) wollte.¹³³ Mit diesen sich gegenüberstehenden Einschätzungen verbinden sich bei Collins und Martinich ganz unterschiedliche Ansichten über zahlreiche Einzelheiten von Hobbes’ religiösen und kirchlichen Anschauungen und seiner Intention beim Verfassen des „Leviathan“. Lediglich über Hobbes’ Antipresbyterialismus ist man sich einig.¹³⁴ Verortet man Hobbes im erastinianischen Lager, so war
und Sakrament). In diesem Sinn steht Erastus auch gegen die Presbyterialverfassung. Vgl. NDB, Bd. 4, Berlin 1959, S. 560. Zu Hobbes Erastianismus und seinen Hauptwerken „De Cive“ und „Leviathan“ als ambitionierteste pro-erastianische Schriften sowie ihrer Bedeutung in der religiösen und kirchenpolitischen Debatte der Zeit vgl. Goldie, Reception of Hobbes, S. 611 ff. Vgl. Collins, Allegiance, S. 5. Vgl. Martinich, Two Gods, S. 1 ff.Wobei Martinich betont, dass die Kategorien „Standard“ und „Orthodoxie“ zeitlich sehr variabel sind, für das Verständnis von Hobbes Religiosität aber zentral. Neben der calvinistischen Orthodoxie markiert Martinich die Neuformulierung einer Theorie des Christentums, die es mit der „new science“ von Wissenschaftlern wie Galileo Galilei (1564– 1641/ 2) und Nikolaus Kopernikus (1473 – 1543) und den damit verbundenen Herausforderungen kompatibel machen würde, als eines der Hauptanliegen Hobbes’. Statt eine neue konzeptionelle Grundlage der Religion zu schaffen, trug Hobbes aber eher zu deren Zersetzung bei – er scheiterte Martinich zufolge grandios an seinem politisch-religiösen Projekt. Vgl. Ebd., S. 5, 7 f. Zur calvinistischen Doktrin zu Beginn des 17. Jahrhunderts vgl. Tyacke, Aspects, S. 133. Es gibt in der Forschung Gegner von Martinichs These, Hobbes sei Calvinist gewesen. Ausdrücklich dagegen wendet sich z. B. Eric Brandon, für den Hobbes keinesfalls als Calvinist zu klassifizieren ist. Aufgrund der von Brandon angenommenen Ziele des „Leviathan“, nämlich der Betonung der Überlegenheit des Absolutismus und der Bestimmung des wirklichen Souveräns, sind große Teile der calvinistischen Lehre sogar mit der materiellen Philosophie des „Leviathan“ unvereinbar – z. B. der von Calvin (1509 – 1564) angeführte Dualismus von Körper und Seele, der die Grundlage für das politische Argument des Klerus bildet, zwischen weltlicher und geistlicher Ebene zu unterscheiden. Generell befindet Brandon viele der von Martinich angeführten calvinistischen Anschauungen als für Hobbes Ziele und politische Philosophie unbedeutend. Vgl. Brandon, Coherence, S. 12 f. Daran lässt Hobbes selbst tatsächlich auch keine Zweifel, vgl. nur Kapitel 47 des Laviathan: „The Authors therefore of This Darknesse in Religion, are the Romane, and the Presbyterian Clergy.“ Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 1106. Vgl. Martinich, Two Gods, S. 334. Collins betont, dass die meisten von Hobbes Kritikern Presbyterianer waren – bei den Republikanern hingegen stießen vor allem seine religiös-kirchlichen Anschauungen auf Wohlwollen und es stand eher seine politische Theorie in der Kritik. Die Presbyterianer fürchteten vor allem die politischen Auswirkungen von Hobbes’ Erastianismus, der den Staat Collins zufolge zum Oberhaupt in allen kirchlichen Belangen machte.Vgl. Collins, Allegiance, S. 488 f.Vergleicht man diese Aussage jedoch mit der Theologie Thomas Erastus, so fällt auf, dass der Staat bei ihm lediglich
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sein Hauptanliegen „to reduce the Christian church, its clergy and doctrine, to an arm of state“¹³⁵ und damit verbunden die Abschaffung des Episkopalsystems. Martinichs Deutung zufolge bevorzugte Hobbes ebenso wie die früheren Könige das Episkopalsystem, solange dem König die Befugnis zugestanden wird, kirchliche Angelegenheiten zu regulieren.¹³⁶ Dieser Ansicht kann allein aufgrund der oben angeführten Zitate aus dem „Leviathan“ nicht zugestimmt werden. An der Absolutheit des königlichen Anspruchs auf die Oberherrschaft in allen die Kirche betreffenden Belangen, lässt Hobbes keinen Zweifel. Lediglich wenn es dem Souverän gefällt, zur Verwaltung der Kirche Bischöfe zu autorisieren, sei dies gut zu heißen. Die Anmaßungen des englischen Episkopats, auch nach der Lossagung von der katholischen Kirche ihre Macht direkt von Gott abzuleiten, sind Hobbes in hohem Maße zuwider und haben seiner Meinung nach zum Ausbruch des Bürgerkrieges beigetragen.¹³⁷ In dieser Sicht tendiere ich, was Hobbes’ über die äußere Ordnung der Kirche verfügt – nicht jedoch über den geistlichen Auftrag. Hobbes sah das bekanntlich anders. Der Souverän war absoluter Herrscher auch in der Versammlung aller Christen, die sich Kirche nennt. Somit waren seine Weisungen auch betreffend die inhaltliche Ausrichtung des Glaubens zentral und verbindlich. Hobbes Philosophie in dieser Sache ist also radikaler als die ursprüngliche Theologie des Schweizers Erastus. Collins, Allegiance, S. 5. Martinich beschreibt Hobbes wiederholt als Vertreter der „high Calvinists“, die für die Monarchie und das Episkopalregiment waren und eine calvinistische Theologie umsetzen wollten. Vgl. Martinich, Two Gods, S. 334 f. Besonders zu berücksichtigen ist hier die Rolle Erzbischof Lauds, wie sie Hobbes im Behemoth darstellt. Vgl. Collins, Allegiance, S. 275. Insgesamt spielt hier auch die in der Forschung viel diskutierte Verschiebung der religiös-theologischen Ausrichtung Englands vom Calvinismus unter Jakob I. hin zum Arminianismus unter Karl I. eine Rolle. Der in der Forschung nicht unumstrittene Nicholas Tyacke beschreibt Karl I. gar als Architekten einer arminianischen Revolution. Vgl. Tyacke, Aspects, S. 143. Zwischen denen durch die Arminianer mit dem Kampfbegriff der Puritaner betitelten Calvinisten und den Arminianern, die von den Calvinisten in direkten Zusammenhang mit dem Papismus gebracht wurden, entspann sich eine hitzige Debatte. Arminianismus wurde Tyacke zufolge während der Herrschaft Karls I. in direkten Zusammenhang mit Absolutismus gebracht, während das Parlament, vor allem das Unterhaus, calvinistische Ansichten vertrat. Vgl. Ebd., S. 144 ff., 151. Kritische bzw. gegenteilige Positionen wurden u. a. von Peter White und Julian Davies vertreten. Vgl. Davies, Julian C., The Caroline Captivity of the Church, Oxford 1992. White, Peter, The Rise of Arminianism Reconsidered, in: PP 115 (1987), S. 201– 229. Ferner Sharpe, Kevin, Religion, Rhetoric and Revolution, in: Ders., Remapping Early Modern England. The Culture of Seventeenth-Century Politics, Cambridge 2000, S. 345 – 391. Andreas Pečar kritisiert hingegen, dass die Forschung zwar hitzig über die vermeintlich arminianische Ausrichtung der (Erz‐) Bischöfe Laud, Neile und Cosin debattiert (ebenso wie über ihren Anteil an der stärkeren Betonung der „ceremonies“ im Gottesdienst und der Altäre in der Kirche) sowie über die Rolle Karls I. hierbei. Auch die Frage, ob dies einen Bruch in der in England etablierten Kirchentradition und ihrer Dogmatik darstellt, wurde bislang energisch diskutiert. Aber, und dies stellt Pečar als Desiderat der Forschung dar, die historische Bedeutung von reli-
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kirchlich-religiöse Haltung betrifft, eher zu Collins und seiner Verortung des Philosophen beim Erastinianismus. Dies wurde auch von Zeitgenossen Hobbes’ bereits wahrgenommen, beispielsweise beschrieb der überzeugte Calvinist und spätere Bischof von Lincoln Thomas Barlow (1608/9 – 1691) Hobbes’ „wild Erastianisme“¹³⁸ und eine scharfe Kritik an Hobbes’ erastianischer Unabhängigkeit erfolgte durch Herbert Thorndickes (1598 – 1672) „Epilogue to the Tragedy of the Church of England“ und in „Just Weights and Measures“.¹³⁹ Was die weitreichenden Folgen aus dieser Zuschreibung für Hobbes’ politische Ausrichtung betrifft, ebenso wie die Gewichtung seiner Rolle bei einer von Cromwell und den Independents maßgeblich vorangetriebenen Kirchenrevolution, die den Weg in ein liberales, modernes Europa ebnete und somit die Aufklärung vorwegnahm,¹⁴⁰ ist meiner Auffassung nach etwas mehr Zurückhaltung angebracht. Auch die weitgehende Aussparung des Konfliktes zwischen Arminianern und Calvinisten trägt nicht dazu bei, ein deutliches Bild von den religiösen Fronten des Bürgerkrieges und des Interregnums zu zeichnen. Zwar muss die Hobbessche Ausprägung des Erastianismus tatsächlich als relativ radikal angesehen werden, denn seine Forderungen, die Kirche dem Souverän vollständig unterzuordnen, bezogen sich nicht nur auf die äußere Struktur der Kirche, sondern auch auf die Theologie und die Sakramente.¹⁴¹ Seine Kritik an den Bischöfen ist jedoch schwerer einzuordnen. Es handelte sich weder um eine völlige Ablehnung des Episkopats, wie Collins schreibt, noch um eine weitgehende Favorisierung desselben, wie Martinch es behauptet. Anhand von Hobbes’ Argumentation der Vollmacht bzw. „authority“ des Souveräns die Kirche betreffend, ist deutlich ersichtlich, dass er das Amt der Bischöfe nicht angreift, solange es auf der Autorisierung des Sou-
giösen Zuschreibungen und konfessionellen Etiketten hat eine weit größere Bedeutung für die Erforschung der politischen Debatten, als die tatsächliche Glaubenswelt von Ebf. Laud u. a. In diesem Sinn betont Pečar, dass Begriffe wie Arminianer und Puritaner zuerst Fremdzuschreibungen und Kampfbegriffe waren, nicht religiöse Selbstbeschreibungen, was ihren Wert als analytische Begriffe stark dezimiert. Vgl. Pečar, Macht der Schrift, S. 16 ff., 395 f. Barlow, Thomas, Animadversations on a MS Tract Concerning Heresy, Oxford, Queen’s College MS 204, fo. 19. Zitiert nach Collins, Allegiance, S. 272. Spurr, John, Thomas Barlow, in: ODNB, https://doi.org/10.1093/ref:odnb/1439. Vgl. Goldie, Reception of Hobbes, S. 612. Vgl. Collins, Allegiance, S. 6 f., 10, 279 f. Bezogen auf die Theologie resümiert Hobbes am Ende des 33. Kapitels: „Which question cannot bee resolved, without a more particular consideration of the Kingdome of God; from whence also, wee are to judge of the Authority of Interpreting the Scripture. For, whosoever hath a lawfull power over any Writing, to make it Law, hath the power also to approve, or disapprove the interpretation of the same.“ Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 608. Zu denSakramenten äußert sich Hobbes ab S. 792 ff., so unter anderem zur Taufe, zur Buße bzw. dem Erteilen der Absolution.
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veräns fußt. Diese Herleitung ist im Gegensatz zur „iure divino“-Argumentation des Klerus die Basis für die Legitimation der Stellung der geistlichen Würdenträger im Staat und all ihrer Handlungsbefugnisse. Dies immer im Fokus zu behalten, mahnt Hobbes auch bei den Monarchen an, die selbst einen Großteil der Schuld daran tragen, dass sich der Klerus derart in ihrem Herrschaftsbereich emanzipieren konnte: „But the Emperours, and other Christian Soveraigns, under whose Government these Errours, and the like encroachments of Ecclesiastiques upon their Office, at first crept in […] may neverthelesse bee esteemed accessaries to their own, and the Publique damage“.¹⁴² In diesem Sinn ist Eric Brandons pragmatischer Herangehensweise Beachtung zu schenken, der sich einer nur säkularen oder nur religiösen Klassifizierung Hobbes’ verweigert und stattdessen betont, wie wichtig es für die Geschlossenheit und Überzeugungskraft von Hobbes’ Philosophie war, Argumente aus beiden Bereichen zu liefern.¹⁴³ Einer grundlegenden Frage in diesem Zusammenhang wendet sich Hobbes in Kapitel 34 und den folgenden Kapiteln¹⁴⁴ zu. Es geht darum, ob die christlichen Souveräne in ihren jeweiligen Herrschaftsgebieten absolut und unmittelbar unter Gott herrschen oder ob sie einem Stellvertreter Christi untertan sind. Ausgangspunkt seiner Argumentation ist die Frage, ob es ein Reich Gottes auf Erden gibt. Dies bejaht er in historischer und eschatologischer Perspektive: Der erste Bund zwischen Gott und den Israeliten stellte ein Gottesreich auf Erden dar.¹⁴⁵ Da Abraham der Erste in diesem Reiche war, war er folglich der bürgerliche Souverän, der direkt von Gott Befehle empfing und sie an das Volk weitergab, das ihm aus diesem Grund gehorchen musste. Abrahams Bund wurde später immer wieder erneuert, so auch durch Moses. Was das Volk zum Gehorsam ihm gegenüber verpflichtete, war im Grunde die Zustimmung jedes Einzelnen bzw. ihr Glaube
Ebd., S. 1112. Die in den ersten beiden Teilen des „Leviathan“ angeführten Argumente der natürlichen Vernunft bedienen dieser Logik folgend die rationale Sphäre. In den Teilen drei und vier macht sich Hobbes eine völlig andere Quelle zu Nutze, nämlich die rationale Bibelexegese. Damit erweitert Hobbes die politische Philosophie der ersten beiden Teile und zielt direkt auf Konfliktfälle zwischen weltlicher und kirchlicher Gewalt, zu denen er sich in den ersten beiden Teilen noch nicht geäußert hat. In diesem Sinn erscheint besonders der letzte Teil als Kritik an der Tradition der römisch-katholischen Kirche. Zwar plädiert Brandon auch für eine Vernachlässigung von Hobbes’ wirklichem Glauben, da er diesen als nebensächlich und für das Verständnis des „Leviathan“ als nicht nötig erachtet – eine Position, der mit Vorsicht zu begegnen ist. Aber seine grundlegende Betrachtung der religiösen Äußerungen Hobbes’ als Argumente im Sinne einer politischen Sprache ist auch in der vorliegenden Arbeit unbedingt zu berücksichtigen. Vgl. Brandon, Coherence, S. 2 f., 13 ff. Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 610 ff. (ab Kapitel 34). Vgl. hier und im Folgenden ebd., S. 736 ff.
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daran, dass Moses der von Gott erwählte Statthalter war und das sich hieraus ergebende Gehorsamsversprechen (2. Mose 20. 18, 19: „And they said unto Moses, speak thou with us, and we will hear, but let not God speak with us lest we die.“¹⁴⁶). Mit der Vollmacht Moses‘ konkurrierende Ansprüche wurden von Gott aufgelöst, etwa im Falle von Aarons und Mirjams Auflehnung gegen Mose (4. Mose 12).¹⁴⁷ Nach Moses Tod ging das von Hobbes als priesterlich gekennzeichnete Reich an den Hohenpriester Eleasar über, den Gott zum Souverän erklärte. Die Hohenpriester hatten fortan bis zur Zeit Sauls die oberste, unmittelbar göttliche Vollmacht inne, das heißt sie entschieden über Krieg und Frieden und waren die oberste Instanz der Rechtsprechung – bürgerliche und kirchliche Gewalt waren in ein und derselben Person vereint.¹⁴⁸ Das göttliche Reich auf Erden endete, als die Israeliten den besonderen Vertrag verwarfen und den Hohepriestern die königliche Bevollmächtigung entzogen. Die Folge dessen beschreibt Hobbes so: „Having therefore rejected God, in whose Right the Priests governed, there was no authority left to the Priests, but such as the King was pleased to allow them (…) And for the Government of Civill affaires, it is manifest, it was all in the hands of the King.“¹⁴⁹ Erst mit der Ankunft Jesus Christus in der Welt änderte sich diese Lage laut Hobbes erneut. Sein Erscheinen diente der Erneuerung des alten Bundes zwischen Gott und dem Volk Israel.¹⁵⁰ Dieses Anliegen war jedoch nicht mit der Begründung eines neuen Königreiches verbunden, ganz im Gegenteil gebot Jesus seinen Anhängern, den bestehenden Obrigkeiten zu gehorchen. Denn: „The Kingdome hee claimed was to bee in another world: He taught all men to obey in the mean time them that sate in Moses seat.“¹⁵¹ Die Vollmacht Jesus‘ auf Erden sollte dieselbe sein, die auch Moses inne hatte; beide waren der Allmacht Gottes als Vater untergeordnet und vertraten in ihrer Person die Herrschaft der Person Gottes.¹⁵² Warum ist es Hobbes nun so wichtig zu zeigen, dass das Reich Christi nicht von dieser Welt ist? Es geht eindeutig um die Diskussion über die Befugnisse und Rechte kirchlicher Würdenträger in einem Staat.¹⁵³ Diese Diskussion ist nicht neu, sondern wurzelt in der weitgehend antikatholischen Ein-
Ebd., S. 740. Vgl. ebd., S. 742. Vgl. ebd., S. 748. Vgl. ebd., S. 752. Vgl. ebd., S. 764. Ebd., S. 766. Vgl. ebd., S. 772. Vgl. ebd., S. 976.
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stellung in England bereits seit den frühen Tagen der englischen Reformation.¹⁵⁴ Ein wiederkehrendes Thema der englischsprachigen Literatur war die Gleichstellung zwischen „popery“ und anti-absolutistischen Theorien.¹⁵⁵ Befeuert durch die Ereignisse des Gunpowder Plot, eines versuchten Anschlags britischer Katholiken auf die königliche Familie und alle Parlamentsangehörige bei der Parlamentseröffenung 1605, und dem darauf folgenden Oath of Allegiance 1606, der auch eine Klausel gegen die „papal deposing power“ enthielt, entspann sich eine Kontroverse, die sich schnell auch auf dem Kontinent ausbreitete und ihren Höhepunkt zwischen 1606 und 1614 erreichte. Eines der zentralen Themen war eben die Frage, ob der Papst die Vollmacht besaß, christliche Monarchen abzusetzen. Einer der bekanntesten Fürsprecher dieser päpstlichen Befugnis war Kardinal Bellarmin (1542– 1621), der mehrere Streitschriften zur Gewalt des Papstes verfasste.¹⁵⁶ Er folgte dabei der Doktrin Thomas von Aquins (1225 – 1274), die besagte, dass der Papst als Repräsentant der Kirche die oberste Autorität über das Christentum habe. In der Weiterentwicklung dieser Grundthese bestätigten Bellarmin und andere (unter anderem Francisco Suárez (1548 – 1617)) dem Papst ein Interventionsrecht¹⁵⁷ in weltlichen Angelegenheiten, genauer: Der Papst kann einen
Die anti-papistische Propaganda dieser Zeit betonte die irreligiöse Natur der römisch-katholischen Theologie und den aufwieglerischen und anti-monarchischen Charakter ihrer politischen Doktrin. Z. B. John Foxe, Acts and monuments, hg.v. Cattley, S.R., Townsend, G., 3 Bde., London 1837– 41. Foxe (1516/7– 1587) betont, dass der römische Katholizismus die königliche Macht zerstört. Vgl. Sommerville, Royalists and Patriots, S. 48. Beispiele sind George Buchanans (1506 – 1582) „De jure regni apud Scotos“ unddie unter dem Pseudonym Stephanus Iunius Brutus erschienene „Vindiciae contra tyrannos“ (beide 1579). Beide Schriften wurden als papistisch verdammt, obwohl die Autoren protestantisch waren. Vgl. Sommerville, Royalists and Patriots, S. 48. Bellarmin führte einen über Streitschriften ausgetragenen Konflikt mit Kg. Jakob I., dies z.T. unter dem Synonym Mattheus Tortus. Die Titel lauten wie folgt: Responsio ad librum. Triplici nodo, triplex cuneus, 1608. Apologia pro responsione ad librum Jacobi I, 1609. Tractatus de potestate summi pontificis in rebus temporalibus, 1610. Inhaltlich beruhen diese Bücher, insbesondere seine dritte Schrift, auf einem Kurs, den der spätere Kardinal (seit 1599) in den 1570ern und 1580ern am Collegio Romano hielt. Die schriftliche Fassung wurde zum Standardwerk der anti-protestantischen Argumentation in der Römisch Katholischen Kirche. Vgl. Malcolm, Noel, Fußnote zu Kapitel 42 des Leviathan, lat. Fassung, S. 779. Interessanterweise wurde diese päpstliche Befugnis auch „potestas indirecta“ des Papstes genannt – also sein indirekter Einfluss auf die Könige der Christenheit. Vgl. Pečar, Macht der Schrift, S. 319. Mit dem Begriff der potestas verbindet sich also eine amtsbezogene Kompetenz des Papstes, die derjenigen der weltlichen Herrscher übergeordnet sein muss, wenn sie irgendeinen Einfluss auf sie entfalten will. Demnach trat die „potestas indirecta“ des Papstes in unmittelbare Konkurrenz zur potestas der Monarchen. Wohlmöglich war dies ein Grund, weswegen Hobbes die „authority“ in seinem Leviathan stark machte. In Gegenüberstellung zur angemaßten „potestas indirecta“ des Papstes und, wie schon erwähnt, im Zuge einer Revision und Neudefinition des
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christlichen König absetzen, wenn er denkt, dass dies im Interesse des Christentums ist.¹⁵⁸ Dass der Anlass für eine solche päpstliche Intervention einen weiten Interpretationsspielraum lässt, liegt auf der Hand. Ebenso klar ist, dass die „deposing power“ des Papstes eine Position darstellt, die naheliegenderweise von den meisten Monarchen kritisch gesehen wurde. Nicht nur Vertreter des Absolutismus wie der Paternalismus-Theoretiker Sir Robert Filmer schrieben gegen Bellarmin,¹⁵⁹ sondern auch Thomas Hobbes.¹⁶⁰ Skinner wertet Hobbes’ „Leviathan“ als bedeutenden, wenn auch verspäteten Beitrag zur säkularen Verteidigung des Oath of Allegiance. ¹⁶¹ Er hält Bellarmin entgegen, dass der Papst keine souveräne Zwangsgewalt innehat, da ihm Jesus schlicht keine solche überlassen habe. Lediglich die Gewalt, das Gottesreich zu verkünden und die Menschen auf dessen Kommen vorzubereiten und sie zu belehren, habe der Papst bzw. hätten die kirchlichen Würdenträger inne. Sie seien Lehrmeister, keine Befehlshaber, und ihre Regeln seien keine Gesetze, sondern Ratschläge. Und, da das Reich Christi nicht von dieser Welt ist, „therefore neither can his Ministers (unlesse they be Kings) require obedience in his name. For if the Supreme King, have not his Regall Power in this world; by what authority can obedience be required to his officers?“¹⁶²Nicht nur die Tatsache, dass Jesus ihnen keine Gewalt überlassen hat, sondern auch dass der Heiland allen Fürsten, egal ob christlich oder ungläubig, die rechtmäßige Vollmacht überlassen hat, spricht laut Hobbes gegen die Ansprüche der Kirchenfürsten seiner Zeit.¹⁶³ Hobbes ist somit zu den Vertretern des „divine right of kings“ zu zählen, die sich direkt gegen den Einfluss des Papstes („potestas indirecta“) richteten. Mit Hilfe dieses Arguments sollten die Institution der Monarchie sowie die Person des Königs gegen Ansprüche und (angemaßte) Kontrollrechte von Papst, Great Assembly und Volk befreit werden und die Legitimierung von Widerstand gegen den König aus diesen Ansprüchen heraus verhindert werden.¹⁶⁴ Wie bereits herausgearbeitet wurde, spielen die Untertanen für Hobbes’ Autorisierung des Souveräns durch den covenant zwar eine wichtige Rolle, er ist jedoch weit davon ent-
auctoritas-Begriffes, wie er seit Gelasius ursprünglich für die Bischöfe genutzt wurde, um deren den weltlichen Mächten überlegene Gewalt abzubilden. Vgl. Sommerville, Royalists and Patriots, S. 177. Vgl. ebd., S. 28. Hobbes geht besonders auf diese ein: Bellarmin, Tractatus de potestate summi pontificis.Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 778. Vgl. Skinner, Visions, S. 250. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 780. Vgl. ebd., S. 782. Vgl. Pečar, Macht der Schrift, S. 241 ff., 319 f.
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fernt, der Demokratie oder Widerstandrechten gegen den Souverän den Vorzug zu geben. Zudem wird im oben angeführten Zitat auch deutlich, dass die Autorität des Souveräns bei Hobbes zwei Quellen hat. Sie kommt zuerst durch den covenant zustande und der Übertragung der persönlichen Herrschaftsrechte aller Individuen im Staat. Zudem leitet sie sich aber auch von Gott ab, insbesondere was die sakrale Sphäre betrifft. Durch die Gleichsetzung von Kirche und Staat kann der Souverän bei Hobbes beide Quellen der Autorität für sich beanspruchen und bedient sich somit sowohl bei den Vertretern des „divine right of kings“, wie auch bei den Theoretikern des Parlaments, die das Recht auf Volksvertretung stets für sich reklamiert hatten. Analog zu dem, was Hobbes über die Beamten auf staatlicher Ebene schreibt, gibt es auch im Bereich der Kirche Vergleichbares. Weltliche Beamte werden, so Hobbes, durch den Souverän ernannt, um stellvertretend für ihn die Ausübung der praktischen Regierungsgeschäfte auf einem bestimmten Gebiet zu übernehmen. Dazu werden sie mit dem hierfür notwendigen Maß an Autorität ausgestattet. Ich hatte bereits festgestellt, dass Autorität damit nicht als personale Eigenschaft gelten kann, die ausschließlich an eine Person gebunden ist aufgrund von Charaktereigenschaften, Leistungen etc. Vielmehr ist Autorität das Recht auf Handlung, das der Souverän auf einen Beamten überträgt, ihn also autorisiert, in seinem Sinne zu agieren, mithin könnte man es mit den deutschen Termini der Amtskompetenz oder der Vollmacht übersetzen. In der Beschreibung der ersten Regierungsverhältnisse zur Zeit Moses‘¹⁶⁵ trifft man erneut auf diese Art von Autorisierungsmechanismen. In Hobbes’ Vorstellung gab es zuerst das Reich Gottes, in dem er der Souverän war. An Moses delegierte Gott einen Teil seiner souveränen Autorität mit dem Ziel, sein Volk besser beherrschen und in seinem Sinne mit den Geboten belehren zu können. Da ein Mann allein der Aufgabe kaum gewachsen war, wurde die Autorität Moses‘ erneut weiter übertragen auf die 70 Ältesten: „I will take (saith God) of the Spirit, which is upon thee, and will put it upon them, and they shall bear the burthen of the people with thee“¹⁶⁶ (4. Mose 11, 17). Die Ältesten waren von nun an autorisiert, weiszusagen: „they had received authority so to do, and prophecyed according to the mind of Moses, that is to say, by a Spirit, or Authority subordinate to his own“¹⁶⁷. Zum einen kommt hier zum Ausdruck, wie sich die Vollmacht in der
Die Grundlagen legt Hobbes ab Kapitel 35 dar. Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, ab S. 634 ff. Zusammenfassend sagt er: „that the Kingdom of God is a Civil Common-wealth, where God himself is Soveraign, by vertue first of the Old, and since of the New Covenant, wherein he reigneth by his Vicar, or Lieutnant“ Ebd., S. 708. Ebd., S. 618. Ebd.
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Praxis vom Souverän nach unten auf seine Amtsträger verteilt, zum anderen aber auch, welche hierarchischen Abstufungen es hierbei gibt. Inhaber der absoluten Autoritätsfülle bleibt im vorliegenden Fall stets Gott. Als nächster unter ihm steht Moses als sein Stellvertreter auf Erden. Die 70 Ältesten wiederum unterstehen seiner Autorität und sind berechtigt, aber auch verpflichtet, in Moses‘ Sinn zu handeln.¹⁶⁸ Hobbes schreibt: „There was no Prophet in the Time of Moses, nor pretender to the Spirit of God, but such as Moses had approved, and Authorized. (…) To these [Seventy of the Elders of Israel] God imparted his Spirit; but it was not a different Spirit from that of Moses (…) But as I have shewn before (chap. 36) by Spirit, is understood the Mind; so that the sense of the place is no other than this, that God endued them with a mind conformable, and subordinate to that of Moses, that they might Prophecy, that is to say, speak to the people in Gods name, in such manner, as to set forward (as Ministers of Moses, and by his authority) such doctrine as was agreeable to Moses his doctrine.“¹⁶⁹ Basierend auf seiner Bibelexegese schafft Hobbes die göttliche Legitimierung seiner Fiktion des covenant, indem er zuerst den Bund zwischen Gott und Abraham und später zwischen Gott und Moses als Prototypen seines Gesellschaftvertrages beschreibt. Dieser erhält seine bindende Kraft letztlich durch eine göttliche Weisung, was bedeutet, dass nicht nur der Souverän sondern die gesamte sozial-politische Ordnung gottgewollt ist. Mit dieser Ableitung geht Hobbes über das „divine right of kings“-Argument hinaus und erreicht, dass jeder Widerstand zu seinem Konzept als gegen Gott gerichtet und daher unmöglich erscheinen muss. Im Verlauf der Ausführungen Hobbes’ finden sich noch zahlreiche Belege des soeben besprochenen Autorisierungsmechanismus in weiteren hierarchischen Ebenen. Beispielsweise schreibt er: „God spake also many times by the event of Lots; which were ordered by such as he had put in Authority over his people“¹⁷⁰und führt Saul und Josua als solche durch Gott erwählten Autoritätsträger an, die durch ihr Handeln den Willen Gottes ausführen.¹⁷¹ Ein wesentliches Merkmal der Autorität bei Hobbes, das sich aus den soeben zitierten Passagen ergibt, ist ihre gleichbleibende Qualität. Zwar gibt es innerhalb der hierarchischen Abstufungen ihres Verteilungsmechanismus Unterschiede zwischen der Autoritätsfülle der Inhaber, dennoch ist sie immer von demselben Charakter. Sie wird als Handlungsberechtigung delegiert, bleibt als Vollmacht aber im Besitz des Souveräns.
Vgl. auch ebd., S. 902. Ebd., S. 746. Ebd., S. 672. Vgl. ebd.
3.2.2 Kirche
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Ein weiterer, wesentlicher Punkt ist in diesem Zusammenhang der Übertragungsmechanismus der Autorität. Sie bedarf der eindeutigen Ermächtigung durch den Souverän bzw. durch eine von ihm zur Delegierung der Vollmacht ermächtigte Person. Deutlich wird dies, wenn Hobbes über die Berechtigung spricht, das Volk in religiösen Fragen zu lehren und diese Lehren verbindlich zu machen.¹⁷² Fest steht, dass diese Befugnis nur dem Souverän zukommt, denn: „He, that to maintain every doctrine which he himself draweth out of the History of our Saviours life, and of the Acts, or Epistles of the Apostles; or which he belieeveth upon the authority of a private man, wil oppose the Laws and Authority of the Civill State, is very far from being a Martyr of Christ, or a Martyr of his Martyrs.“¹⁷³ Selbst die Apostel und Jünger Jesus’ hatten durch ihn lediglich den Auftrag erhalten, dem Volk zu predigen, aber „the points of their Commission, as they are expressely set down in the Gospel, contain none of them any authority over the Congregation“.¹⁷⁴ Sie haben somit keine über die Predigt, zu der sie ausdrücklich befugt sind, hinausgehende Vollmacht über die Gemeinde inne. Erst recht haben einfache Gläubige kein Recht dazu, sich das Predigen von Lehren anzumaßen, die sie als wahr erachten. Es wird also sehr deutlich gemacht, dass ohne den Auftrag der Souveränität keine eigenmächtige Handlung zu erfolgen hat und dass, falls eine Ermächtigung vorliegt, auch nur innerhalb des festgelegten Rahmens rechtmäßig gehandelt werden kann. Die Vollmacht zur Verbreitung der Lehre Christi ist für diese Abläufe ein eindringliches Beispiel. Ein weiteres Exempel für die Funktionsweise delegierter Vollmacht führt Hobbes mit den heiligen Sakramenten der Taufe und des Beichtens an. Zu beidem hat Jesus seine Nachfolger, die Apostel und ihre Stellvertreter, ermächtigt (Joh. 20, 22). Was hier auf den ersten Blick wie eine Alternative zum Prinzip der absoluten Souveränität des weltlichen Herrschers aussieht, fügt sich bei näherer Betrachtung in Hobbes’ Philosophie ein. Jesus bzw. in späteren Beispielen die Kirche von Antiochia unterstanden dem römischen Kaiser, der in dieser Zeit der bürgerliche Souverän war, nur als Untertanen bzw. Bürger, nicht jedoch als Gläubige, da der Kaiser selbst Heide war. Offenbar zählte er durch diesen Umstand für Hobbes nicht zu den zu respektierenden, christlichen Souveränen, die umfassende Vollmacht für den Staat und die Kirche inne hatten. In diesem Sinn unterscheidet Hobbes auch zwischen bekehrten und heidnischen Staaten, wobei die „authority“ über die Kirche in nicht-christlichen Staaten bei den Aposteln und ihren Nachfolgern lag.¹⁷⁵ Diese zuerst Jesus und seinen Anhängern zugestandene Vollmacht
Vgl. ebd., S. 788 f. Ebd. Ebd., S. 790. Vgl. ebd., S. 774 ff.
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ist nicht gebunden an die Delegation des weltlichen Herrschers. Zwar spricht Hobbes den heidnischen Souveränen nicht direkt ihre Befugnisse ab, wenn sie über ihresgleichen herrschen – wo sie über Christen regieren wollen, liegen die Dinge für Hobbes aber anders. Daran ändert auch die zuvor zugestandene Entscheidungsbefugnis des bürgerlichen Souveräns über eine Staatsreligion wenig, denn sie gilt nur für christliche Souveräne, die dann auch „authority“ über die Kirche besitzen. Keinesfalls meint Hobbes damit auch die Akzeptanz anderer Religionen, denn Christen sind nichtan die Weisungen heidnischer Herrscher auf religiösem Gebiet gebunden. Es kann in diesem Fall also nicht von einer von Christen verlangten „outward conformity“ gesprochen werden, da dieses Prinzip nur für die Spielarten des christlichen Glaubens gilt, nicht aber für eine heidnische Religion. Es geht Hobbes also keinesfalls um religiöse Toleranz gegenüber nicht-christlichen Religionen. Die Befugnisse der Apostel als Nachfolger Jesu zur Sündenvergebung sind klar begrenzt, indem sie an die äußeren Zeichen der aufrichtigen Reue des Beichtenden gekoppelt ist. Sind diese Zeichen vorhanden, so sind die Berechtigten verpflichtet, die Sünden zu vergeben. Ungeachtet dessen kann nur Gott allein beurteilen, ob die Reue auch innerlich und damit aufrichtig war, und wird den Betreffenden zu gegebener Zeit richten. Sind die äußeren Merkmale der Reue nicht sichtbar, so sind die Apostel und ihre Nachfolger auch nicht dazu bevollmächtigt, den Beichtenden von seinen Sünden loszusprechen.¹⁷⁶ Den gleichen Grundsatz veranschaulicht Hobbes an anderen Beispielen, wie der Exkommunikation oder der Bevollmächtigung dazu, in der Kirche öffentlich Schriften zu verlesen.¹⁷⁷ „Authority“ als Vollmacht spielt bei Hobbes auch eine Schlüsselrolle, wenn es um die Berufung der ersten Apostel geht. Er zitiert zur Untermauerung seiner Argumentation die Apostelgeschichte (Apg. 13, 1−3) und stellt anschließend Folgendes fest: „it is manifest, that though they [Barnabas, Saulus] were called by the Holy Ghost, their Calling was declared unto them, and their Mission authorized by the particular Church of Antioch“. Und weiter: „It is therefore evident that Paul, and Barnabas were Apostles; and yet chosen, and authorized (not by the first Apostles alone, but) by the Church of Antioch; as Matthias was chosen, and authorized by the Church of Jerusalem“.¹⁷⁸ Die Schlussfolgerung Hobbes’ zeigt, dass sich selbst die ersten christlichen Bischöfe ihre Stellung nicht selbst angemaßt hatten, sondern der grundlegenden Berufung durch Gott zwangsläufig auch eine Autorisierung durch die Kirche folgen musste. Mit Kirche ist dabei nicht die
Ebd., S. 792 f. Vgl. ebd., S. 828 ff. Ebd., S. 832.
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Versammlung der Ältesten gemeint, sondern die Gemeinde, also die vollständige Versammlung aller Christen einer Stadt.¹⁷⁹ Diese Versammlungen waren in einer Zeit, in der der bürgerliche Souverän noch kein Christ war, die ausschlaggebende „authority“ aller Gläubigen. Hobbes’ politische Theorie bezieht sich für seine eigene Gegenwart stets auf einen christlichen Souverän, eine Unterscheidung, die programmatisch ist. Sobald der bürgerliche Souverän Christ ist, herrscht er über die Versammlung der Christen in seinem Land – ob man diese Versammlung Staat oder Kirche nennt, ist letztlich egal, denn es handelt sich um dieselben Menschen. Die Kirche als solche verliert mit der Einsetzung des christlichen Staates alle Vollmachten – denn die Menschen übertragen dieselben via covenant. Was nun Hobbes’ Kirchenverständnis betrifft, so ist darüber in der Forschung viel diskutiert worden. Dass er die Kirche im Sinne einer vom bürgerlichen Souverän emanzipierten, ihre Befugnisse vom Papst oder direkt von Gott ableitenden, eigenständigen Institution ablehnt, ist bereits deutlich gemacht worden. Das Bischofsamt kann nur durch den bürgerlichen Souverän verliehen werden, die damit verbundenen Vollmachten werden durch ihn autorisiert und sind jederzeit reversibel. Was nun die u. a. von Collins behauptete Nähe Hobbes’ zu den Independents betrifft, so ist das letzte Kapitel des „Leviathan“ aufschlussreich. Collins wertet den Moment nach der Hinrichtung Karls I. als Wendepunkt für Hobbes’ politisch-religiöse Gefolgschaft. In diesem Moment erschien ihm Oliver Cromwell, der selbst einer der bedeutendsten Vertreter der Independents und maßgeblich am Vorantreiben des Prozesses gegen Karl I. beteiligt war, als Geißel des Klerus und als Sieger der (wieder‐) vereinten Staatsmacht.¹⁸⁰ Und in der Tat spricht Hobbes selbst bei der Rekonstruktion der Ereignisse, die zur Wiederherstellung der christlichen Freiheit führten, von drei grundlegenden Schritten. Erstens der Auflösung der Macht der Päpste, zweitens der Niederwerfung des Episkopats und drittens, fast zeitgleich, der Entmachtung der Presbyterianer.¹⁸¹ Danach, so Hobbes, „we are reduced to the Independency of the Primitive Christians to follow Paul, or Cephas, or Apollos, every man as he liketh best“.¹⁸² Die Wiederherstellung der christlichen Freiheit und des Status quo, der der Abschaffung der bis dato etablierten Kirche folgte, vergleicht Hobbes mit einem „clean swept house“, in dem alles möglich sei.¹⁸³ Eine Lösung, wie sie den Independents vorschwebte, also der Wegfall eines übergreifenden Systems und stattdessen das Zusammentreten lokaler, unabhän
Vgl. ebd., S. 836. Vgl. Collins, Allegiance, S. 7. Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 1114 ff.. Ebd., S. 1116. Ebd., S. 1124.
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giger Gemeinden aufgrund von gegenseitigem Konsens¹⁸⁴, wird auch von Hobbes zunächst wohlwollend ins Auge gefasst.¹⁸⁵ Die individuelle Entscheidung jedes vernunftbegabten Menschen, das zu glauben, was ihm das Richtige erscheint – wobei Gottes Absicht im Gewissen jedes Einzelnen steckt¹⁸⁶ – ist auch für Hobbes der Idealfall. Er knüpft daran aber eine Bedingung, die angesichts des Bürgerkrieges, der auch durch die in England miteinander konkurrierenden, protestantischen Strömungen ausgelöst wurde und vor dem Hintergrund des erst 1648 zu Ende gegangenen Dreißigjährigen Krieges, der neben anderen Konfliktlinien ebenfalls eine konfessionell motivierte Auseinandersetzung war, utopisch anmutet: Die Glaubensentscheidung müsste ohne Streit vonstatten gehen und der Einsicht, dem Gewissen und der Vernunft jedes Individuums überlassen werden. Aber gerade vor dem Hintergrund des von Hobbes beschriebenen, idealen Gesellschaftssystems, in dem der Souverän in seinem Herrschaftsbereich über die Religion entscheidet, ist diese Überlegung als Schlag gegen jene zu werten, die aufgund ihrer religiösen und kirchlichen Überzeugungen – und deren Propagierung im Sinne eines Bruchs mit der von Hobbes geforderten „outward conformity“ – mit Schuld am Ausbruch des Bürgerkrieges waren (Katholiken, Presby-
Vgl. Bennett, Martyn, Historical Dictionary of the British and Irish Civil Wars 1637– 1660, Lanham, Maryland, London 2000, S. 116 f. Er knüpft daran aber bestimmte Bedingungen: „Which, if it be without contention, and without measuring the Doctrine of Christ, by our affection to the Person of his Minister […] is perhaps the best: First, because there ought to be no Power over the Consciences of men, but of the Word it selfe, working Faith in every one, not alwayes according to the purpose of them that Plant and Water, but of God himself, that giveth the Increase: And secondly, because it is unreasonable in them, who teach there is such danger in every little Errour, to require of a man endued with Reason of his own, to follow the Reason of any other man, or of the most voicesof many other men; Which is little better, then to venture his Salvation at crosse and pile.“ Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 1116. Vgl. ebd. Hobbes verbindet mit dem Schlagwort Gewissen („conscience“) zunächst das private Urteil jedes Menschen, das eng mit der eigenen Vernunft („private Reason“) verbunden ist. Vgl. ebd., S. 532, 696. Die Grenzen des eigenen Gewissens sind allerdings eng und der öffentlichen Vernunft des Souveräns untergeordnet (S. 696), insbesondere auch, wenn der Souverän heidnisch ist (S. 922 und 954: um des Gewissens willen muss heidnischen Herrschern gehorcht werden, nicht aus Angst vor ihrem Zorn oder aus einem Mangel an Stärke heraus). Ebenfalls eng mit dem Gewissen verbunden ist die Ausbildung einer eigenen Meinung, wobei das Gewissen die Basis für eine private Meinung ist. Exemplarisch macht Hobbes dies fest an der Ausbildung einzelner, selbst zusammengereimter Meinungen von Menschen, die im Übrigen an den grundlegenden Glaubenssatz glauben. Diese sind aufgrund dieser „singular superstructure of their own, proceeding perhaps from a good & pious conscience“ nicht gleich aus der Kirche auszustoßen. Hobbes will damit bekräftigen, dass nicht jede kleine Meinungsverschiedenheit auf religiösem Gebiet gleich zur Aufstellung neuer Glaubensartikel und in letzter Konsequenz zu einer weiteren Spaltung der Kirche führen muss. Vgl. ebd., S. 802.
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terianer). Mit Sicherheit schaute Hobbes gespannt auf das Experiment der Independents, deren Anhänger vor allem in der Armee zu finden waren. Die Durchsetzung ihrer Vorstellungen ließe sich jedoch nur realisieren mit der Zustimmung bzw. Autorisierung des neuen bürgerlichen Souveräns. Ein Zugeständnis behält Hobbes bei: Das Gewissen jedes Menschen ist frei, im Inneren kann er glauben, was immer er will. Dass dies die vom Souverän eingesetzte Kirchenhierarchie nicht tangiert, steht jedoch ebenso deutlich außer Frage. In diesem Sinne schließt Hobbes den „Leviathan“ mit einer pessimistischen Vorahnung. Ob der Geist Roms wieder Einkehr in England hält „or rather an Assembly of Spirits worse than he, enter, and inhabitate this clean swept house, and make the End thereof worse than the Beginning? For it is not the Romane Clergy onely, that pretends the Kingdome of God to be of this World, and thereby to have a Power therein, distinct from that of the Civill State.“¹⁸⁷ Die Gefahr eines erstarkenden Klerus, sei er katholischer oder anderer Konfession, der mit der Behauptung, das Reich Gottes sei bereits auf der Erde gegenwärtig, auch seine Legitimation direkt von Gott ableitet, ist demzufolge noch nicht gebannt. In diesem Zusammenhang ist es auch interessant, wie Hobbes auf die Nachfolgeregelungen vakanter Bischofssitze eingeht – insbesondere auf die Sedisvakanz des römischen Bistums. Vor der Regelung der Bischofswahl durch die Kaiser stellt Hobbes die Abläufe als gewissermaßen historisch aus dem Gewohnheitsrecht gewachsen dar. Vorbild für die Besetzung eines Bischofsstuhls war Hobbes zufolge die Wahl obrigkeitlicher Beamter durch alle Einwohner eines Ortes – ähnlich zu den Abläufen, die bereits bei der Wahl der Apostel begegnet sind. Auch die römischen Bischöfe wurden zunächst durch eine Versammlung der Christen jeder einzelnen Stadt gewählt, was sich später verlagerte zur Wahl durch den römischen Klerus und schließlich durch die Kardinäle im Konklave.¹⁸⁸ Der Nachfolger des römischen Bischofs wurde indessen niemals durch seinen Vorgänger festgelegt. Da sie dieses Recht nie für sich beanspruchten, folgert Hobbes: „they had no right to appoint the successors of other Bishops, without receiving some new power; which none could take from the Church to bestow on them, but such as had a lawfull authority, not onely to Teach, but to Command the Church; which none could doe, but the Civill Soveraign“¹⁸⁹ – womit Hobbes den Kreis seiner Argumentation wieder schließt. Die christlichen Könige, so schreibt Hobbes nachdrücklich im Anschluss, „are still the Supreme Pastors of their people, and have Power to ordain what Pastors they please, to teach the Church (…) in that
Ebd., S. 1124. Vgl. ebd., S. 836. Ebd., S. 838.
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he is the Soveraign (which is as much as to say the Church by Representation,) the Teachers hee elects, are elected by the Church. And when an Assembly of Christians choose their Pastor in a Christian Common-wealth, it is the Soveraign that electeth him, because tis done by his Authority.“¹⁹⁰ Daraus folgert Hobbes, dass alle Wahlen von Priestern durch das Volk oder den Klerus in der Vergangenheit kraft der Bevollmächtigung durch den christlichen, bürgerlichen Souverän stattfanden und damit keine Argumente gegen sein Recht liefern. Vielmehr folge daraus, „that it is by his [the Soveraigns] authority, that all other Pastors are made, and have power to teach, and performe all other Pastorall offices; it followeth also, that it is from the Civill Soveraign, that all other Pastors derive their right of Teaching, Preaching, and other functions pertaining to that Office; and that they are but his Ministers“.¹⁹¹ Um die hier beschriebene Hierarchie abschließend deutlich zu machen, sei noch folgende Passage zitiert: „All Pastors, except the Supreme, execute their charges in the Right, that is by the Authority of the Civill Soveraign, that is, Iure Civili. But the King, and every other Soveraign, executeth his Office of Supreme Pastor, by immediate Authority from God, that is to say in Gods Right, or Iure Divino.“¹⁹² Nochmals stellt sich Hobbes gegen den „iure divino“-Anspruch der Bischöfe. Er verwendet eines ihrer zentralen Argumente gegen ihren bischöflichen Anspruch und für den bürgerlichen Souverän. Wie bereits erwähnt, stellt dies die Indienstnahme des wesentlichen Legitimationsmusters kirchlicher Herrschaft für den Anspruch des Souveräns dar. Auf geistlichem Gebiet ist der Souverän direkt von Gott autorisiert, hinzu kommt seine Autorisierung von allen Menschen im Staat durch covenant auf weltlichem Gebiet, was die Übernahme und Umdeutung des Hauptarguments zur Legitimation parlamentarischer Vertretungen bedeutet. Die Stoßrichtung von Hobbes’ Argumentation macht seine beiden Hauptgegner deutlich: den Klerus, wenn er sich eigenständige Rechte „iure divino“ und damit unabhängig vom Souverän anmaßt und die parlamentarische Opposition, die besonders die von antiken Freiheitsgedanken beeinflussten „Democratical Gentlemen“ mit einschließt. Eines von vielen Beispielen für Kleriker, die mit dem „divine right“ für ihren Stand argumentierten, liefert der bereits erwähnte Kardinal Bellarmin, der im Zusammenhang mit der Kontroverse über den Oath of Allegiance und die „deposing power“ des Papstes schrieb: „By divine right the power attributed to Christ’s Vicar is not properly temporal, but extends to temporal things.“¹⁹³ Mit der Ebd., S. 852. Ebd. Ebd., S. 854. Bellarmin, De potestate summi pontificis, S. 271. Vgl. Sommerville, Royalists and Patriots, S. 183.
3.2.2 Kirche
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Ausbildung der Anglikanischen Kirche war deutlich gemacht worden, dass das Recht des Papstes, sich in die englischen Belange einzumischen, nicht länger anerkannt wurde. Zudem hatte der englische Monarch ein weitreichendes Mitsprache- und Mitbestimmungsrecht in kirchlichen Belangen. Dennoch kam mit den Presbyterianern auch eine Haltung auf, deren wesentliches Merkmal eine Trennung zwischen Kirche und Staat war. Die presbyterianische Kirche sollte frei sein von der monarchischen Kontrolle, der König lediglich ein den anderen Gläubigen gleichgestelltes Mitglied.¹⁹⁴ Dass diese Vorstellungen keinesfalls Hobbes’ Zustimmung gefunden haben, liegt auf der Hand. Deswegen erteilt er mit der Ablehnung des „iure divino“-Arguments nicht nur einem der bedeutendsten Argumentationen für die Macht und den Einfluss kirchlicher Würdenträger eine Absage, sondern auch den presbyterianischen Bestrebungen, eine Nationalkirche nach ihren Vorstellungen in England zu begründen.¹⁹⁵ Nachdem Hobbes diese grundsätzlichen Zusammenhänge erklärt hat, hält er jeden Menschen dazu an, „to consider who is the Soveraign Prophet; that is to say, who it is, that is Gods Viceregent on Earth; and hath next under God, the Authority of Governing Christian men“.¹⁹⁶ Wer den vom christlichen Souverän festgelegten Lehren entspricht, der handelt analog zur religiösen Legitimierung der Hobbesschen Staatstheorie im Sinne Gottes. Wer allerdings von den durch den christlichen König autorisierten Lehren abweicht, der verachtet somit auch die Lehre Christi und ist Unruhestifter und ein Gegner des göttlichen Plans. Die kirchlichen Würdenträger haben keinerlei Autorität Gesetze zu erlassen, sondern ihre „Vorschriften“ können im Licht ihrer Abhängigkeit vom bürgerlichen Souverän lediglich als Ratschläge angesehen werden, denen kein rechtlich verbindliches Element innewohnt.¹⁹⁷ Gleiches gilt bezogen auf die Gerichtsbarkeit. Insbesondere der Papst hat außerhalb des Gebietes, in dem er selbst der bürgerliche Souverän ist, keine Gerichtsbarkeit inne und kann sie aus diesem Grund auch nicht auf andere Bischöfe übertragen – ihm mangelt es hierzu schlichtweg an der
Vgl. Bennett, Historical Dictionary, S. 189 f. Diese Bestrebungen zeichneten sich seit dem Bürgerkrieg ab. Eine vollständige Etablierung einer presbyterianischen Nationalkirche nach dem Vorbild der schottischen „Kirk“ scheiterte am Widerstand der Armee, in der vor allem Independents dienten. Zwar kontrollierten die Presbyterianer gegen Ende des Ersten Bürgerkrieges das Unterhaus und es kam im Sommer 1647 zu einem Konflikt mit der New Model Army, die Umsetzung der Pläne scheiterte aber nach Pride’s Purge dann auch am Widerstand im Parlament. Vgl. Bennett, Historical Dictionary, S. 189 f. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 678. Dies bestärkt Hobbes noch mehrmals, z. B. S. 900: „All lawfull Power is of God, immediately in the Supreme Governor, and mediately in those that have Authority under him.“ Vgl. ebd., S. 894 ff.
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notwendigen Vollmacht.¹⁹⁸ „Authority“ hat er nur dort inne, wo er durch die Menschen in seinem Herrschaftsgebiet zum bürgerlichen Souverän autorisiert ist, nicht jedoch außerhalb dieses Gebiets, denn hier hat er nur soviel Einfluss, wie ein anderer Souverän ihm zugesteht. Theoretisch könnte ein Souverän zwar auch den Papst zu solch weitreichenden Handlungsbefugnissen (wie einer kirchlichen Gerichtsbarkeit) autorisieren, Hobbes rät jedoch jedem Herrscher davon ab, neben seiner eigenen eine weitere umfangreiche Macht zu etablieren bzw. ihr Erstarken zuzulassen. Denn der Weg von anfangs autorisiertem Handeln zum Beanspruchen weiterreichender Kompetenzen und schließlich zur Usurpation der Position des Souveräns selbst ist nicht weit, wenn der Herrscher schwach ist und einer solchen Entwicklung Tür und Tor öffnet. Eine interessante Passage zur Stellung des Papstes bietet das 45. Kapitel des „Leviathan“, das bereits passend mit „Von der Geisterlehre und anderen Überbleibseln heidnischer Religion“ überschrieben ist. Hier geht Hobbes näher auf den Namen „Pontifex Maximus“ ein, den sich die Päpste selbst gegeben haben. Er stamme von den „römischen Heiden“: „This was the name of him that in the ancient Common-wealth of Rome, had the Supreme Authority under the Senate and People, of regulating all Ceremonies, and Doctrines concerning their Religion.“¹⁹⁹ Zwar setzte sich zuletzt in der Namensgebung der Papst durch, allerdings „in right only of the Emperour; and not without the bounds of the Empire; nor any where, after the Emperour had lost his power in Rome […] From whence wee may by the way observe, that there is no place for the superiority of the Pope over other Bishops, except in the territories whereof he is himself the Civill Soveraign; and where the Emperour having Soveraign Power Civill, hath expressely chosen the Pope for the chief Pastor under himselfe, of his Christian Subjects.“²⁰⁰ Erneut wird der Papst betreffend seiner Befugnisse im Ausland in die Schranken gewiesen. Für weitere Befugnisse, die sich der Papst außerhalb seines eigenen Herrschaftsbereiches anmaßt, hält Hobbes ähnlich abgeleitete Negierungen der Ansprüche bereit, wobei er sich häufig direkt auf die Bibel bezieht. Dies zielt zum einen natürlich ganz eindeutig gegen die sich ausweitenden Ansprüche der katholischen Kirche, zum anderen adressiert Hobbes aber auch an andere christliche Herrscher. In einem hypothetischen Szenario legt er die Folgen einer Akzeptanz der durch Rom angemaßten Befugnisse durch Fürsten und Staaten dar, um ihnen die Augen zu öffnen. Ein jeder bürgerlicher Souverän solle sich anhand dessen überlegen, „whether it bee convenient for them, and conducing to the
Vgl. ebd., S. 902. Ebd., S. 1046. Ebd., S. 1048.
3.2.2 Kirche
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good of their Subjects, of whom they are to give an account at the day of Judgment, to admit the same [gemeint ist die Lehre Bellarmins].“²⁰¹ Eine besondere Schwierigkeit stellen in diesem Rahmen die Lehren der Universitäten dar, die „von der päpstlichen Autorität errichtet und eingerichtet“ wurden. Sie verschleiern Hobbes zufolge das Licht des Evangeliums und halten dazu an, Irrtümer als wahren Glauben hinzunehmen.²⁰² All diese Lehrsätze haben nur ein Ziel: „the setting up of an unlawfull Power over the lawfull Soveraigns of Christian People; or for the sustaining of the same, when it is set up; or to the worldly Riches, Honour, and Authority of those that sustain it“.²⁰³ Hobbes nimmt an dieser Stelle alle christlichen Souveräne ins Visier, unter deren Regierung sich solche Irrtümer und andere Übergriffe des Klerus auf ihre Ämter als bürgerliche Souveräne einschleichen konnten. Sie seien „accessaries to their own, and the Publique damage“²⁰⁴, so urteilt Hobbes, denn „without their Authority there could at first no seditious Doctrine have been publiquely preached“²⁰⁵. Mit dieser Anschuldigung nimmt er wohl auch direkt auf Karl I. Bezug und gibt ihm zumindest einen Teil der Schuld an der Eskalation des Konfliktes im Bürgerkrieg und den dadurch ausgelösten Entwicklungen. Hobbes spielt hier sicher auch auf Männer wie den Erzbischof von Canterbury William Laud (1573 – 1645) und den Bischof von Ely Matthew Wren (1585 – 1667) an, deren Einfluss unter der Herrschaft Karls I. enorm war.²⁰⁶ Hobbes richtet sich zusammenfassend gegen einen Klerus, der für sich eine autonome und von der staatlichen „authority“ unabhängige Position und die damit verbundenen Rechte einfordert – sei es aus dem Ausland (wie im Falle des Papstes) oder im Inland der englische Klerus. Hier begegnen wir einem weiteren Aspekt der „authority“. Sie ist nicht nur als das Recht auf Handlung zu verstehen, sondern kann auch die Pflicht zu einer Handlung sein, insbesondere wenn es um ihren Selbsterhalt geht. Der Souverän kann durch unüberlegte Delegierung seiner Autorität bzw. indem er bestimmte Lehren unter seiner Regierung duldet, zum Missgeschick seines Staates beitragen. Nur auf diese Weise konnte es zur „Synthesis and Construction of the Pontificiall Power“²⁰⁷ kommen, wie Hobbes gegen Ende des „Leviathan“ betont, aber auch die starke Stellung der Bischöfe ist hiermit gemeint. Zwar waren die Gründe für den
Ebd., S. 910. Vgl. ebd., S. 1110, 1118 f. Ebd., S. 1112. Ebd. Ebd. Vgl. Tyacke, Aspects, S. 141. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 1114.
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3 Thomas Hobbes
Ausbruch des Bürgerkrieges vielfältig, dennoch propagierten die Befehlshaber der Armee zu Beginn des Konfliktes, dass die religiöse Motivation sehr hoch gewesen sei.²⁰⁸ Dies verwundert nicht angesichts der unterschiedlichen Auffassungen zu Religion und Kirche, die in England in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts auftraten. Nicht nur die genuin religiösen, inhaltlichen Aspekte müssen hier Berücksichtigung finden, wie sie sich in unterschiedlichen Formen bei Presbyterianern, Calvinisten, Independents u. a. äußerten. Sondern auch die Etikettierung von politischen Gegnern mit Namen wie „Puritaner“ oder „Arminianer“ ist Teil der Gemengelage vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges.²⁰⁹ Eine umfassende Analyse dieses Themas ist nicht das Anliegen der vorliegenden Arbeit. Aber Hobbes’ Kritik an der Herrschaft Karls I. ist auch unter Berücksichtigung dieser Aspekte zu werten. Seine Kirchenpolitik ließ zu viel Diversität zu²¹⁰, der Einfluss von Kirchenmännern wie Erzbischof Laud war immens. Damit habe Karl I. seine Stellung selbst gefährdet und Spaltung und schließlich Aufruhr zugelassen. Grundsätzlich störte sich Hobbes nicht an Glaubensvorstellungen, die vom Mainstream oder der Staatsreligion abwichen – solange sie im Verborgenen blieben. Das Gewissen jedes Menschen ist frei, für sich kann er glauben, was er will. Diese Freiheit darf sich jedoch nicht äußerlich spiegeln, denn hier hat der Untertan in jedem Fall den Glaubenssätzen und Zeremonien der Staatskirche zu folgen, für deren strikte Umsetzung der Souverän verantwortlich zeichnet.
Tyacke, Aspects, S. 151. Ein gutes Beispiel dafür liefert der Fall Richard Montagus, dessen Traktat „A Gagge for the New Gospel? No, a New Gagg for an Old Goose“ (1624) den Anlass für mehrere Beratungen im Parlament gab. Dieses ursprünglich gegen eine Schrift katholischer Missionare gerichtete Traktat entfaltete eine breite Wirkung. Nicht nur, dass Montagu mit der Bezeichnung „Arminianer“ belegt wurde (wobei es eine große Forschungsdebatte gibt, ob dem wirklich so war), sondern auch die Absicht Karls I., den Protestantismus als wahren Glauben zu verteidigen, wurde in Frage gestellt. Was als lokaler Fall begann, wurde schnell als Bedrohung der Orthodoxie in England wahrgenommen. Vgl. Pečar, Macht der Schrift, S. 396. Ein Hauptgrund hierfür war sicher auch der „Imagepolitik“ Karls I., die ihn als Verteidiger des wahren, protestantischen Glaubens in einer Zeit „Heiliger Kriege“ gegen die Katholiken präsentierte. Dieses Selbstbild war aufgrund der Heirat mit der katholischen Prinzessin Henrietta Maria und z. B. durch die militärische Unterstützung Frankreichs bei der Vertreibung der Hugenotten aus La Rochelle nicht gut aufrecht zu erhalten. Dass zunehmend Kritik an der Religionspolitik des Königs und den vermeintlich arminianischen Bischöfen geübt wurde, die unter seiner Herrschaft Fuß fassten (und die Rückführung der englischen Kirche in den Schoß der katholischen Kirche anstrebten – so die Befürchtungen), war die Folge. Vgl. Pečar, Macht der Schrift, S. 389 ff.
3.2.3 Öffentliches Leben
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3.2.3 Öffentliches Leben Geht man davon aus, dass Staat und Kirche als Herrschaftsbereiche beide dem bürgerlichen, christlichen Souverän unterstehen und Hobbes alle denkbaren Entscheidungen und Handlungen immer wieder auf die Vollmacht dieses Souveräns zurückführt, so bleibt kaum Raum für den Gedanken an einen anderen denkbaren Träger von „authority“. Dennoch findet man, wenn auch in bescheidenem Umfang, „authority“ auch an anderen Stellen, insbesondere wenn Hobbes über Einzelpersonen des öffentlichen Lebens schreibt. Besonders prominent verwendet er den Begriff im Zusammenhang mit Gelehrten und ihren Schriften, vor allem was die Autoren der klassischen Antike betrifft. Frühneuzeitliche Gelehrte zitierten in ausuferndem Maß Klassiker wie Cicero (106 – 43 v.Chr.) und Aristoteles (384– 322 v.Chr.), jedoch nicht ausschließlich, um eine Forschungstradition zu belegen, wie dies auch in der heutigen Wissenschaft getan wird, sondern vor allem um ihre eigenen Traktate aufzuwerten.²¹¹ Das Zitieren antiker Gelehrter kritisiert Hobbes in diesem Sinn als Kampf der zeitgenössischen Autoren um Anerkennung. Somit bezieht er kritisch zur Methodik der Scholastiker Stellung. Alle Autoren, die solche Rückgriffe für nötig und gut halten, macht So werden z. B. bei den Republikanern der Zeit nicht nur klassische, sondern auch biblische Bezüge genutzt, u. a. von James Harrington, Marchamont Nedham und Algernon Sidney. Vgl. Wordon, James Harrington, S. 525. Zu bedenken ist hier auch die gängige schulische und universitäre Ausbildung der gelehrten Eliten. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts dominierte der Humanismus an den Universitäten, der bereits seit dem Ende des 14. bzw. zu Beginn des 15. Jahrhunderts eine Wiederbelebung der Beschäftigung mit antiken Quellen, ihrer Interpretation und Adaption beinhaltete. Die bürgerlichen, florentinischen Humanisten rezipierten antike Werke und beurteilten antike Gemeinwesen mit Blick auf ihre zeitgenössische, politische Situation, was Kritik an der Monarchie und eine Favorisierung der Republik als überlegenes Staatsmodell hervorrief (ein Phänomen, das sich bereits im 14. Jahrhundert abzeichent, z. B. bei Coluccio Salutati (1331– 1406), Leonardo Bruni (1369 – 1444) und wenig später bei Leon Battista Alberti (1404– 1472)). Sie sind die Vorläufer der bedeutendsten humanistischen Abhandlungen – der politischen Theorien Niccolò Machiavellis (1569 – 1527) und Francesco Guicciardinis (1483 – 1540), auf die auch im Kontext der englischen Debatte der 1640er und 1650er häufig rekurriert wurde. Die Grundlage hierfür bildete auch die Rezeption der Florentiner Humanisten durch bildungsreisende Engländer von der Mitte des 15. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts (z. B. Francis Bacon (1561– 1626), Walter Raleigh (1552/4– 1618) und Roger Ascham (1514/5 – 1568)) und die Rezeption der repubikanischen Konzepte Machiavellis durch Richard Becon († 1594) in „Solon his follie; or a politique discourse touching the reformation of common weales conquered, declined, or corrupted“ (Oxford 1594). Zudem blieb v. a. der englische Adel dem humanistischen Zugriff auch nach dessen Blütezeit (Mitte des 16. Jahrhunderts) weiterhin verpflichtet und sah die humanistische Bildung als eine Art Klassenmerkmal. In den 1650er Jahren taucht der Humanismus somit in veränderter Form wieder in England auf. Vgl. Peltonen, Classical Humanism, S. 2 f., 7, 13 f., 310. Rahe, Against Throne and Altar, S. 79, 152.
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Hobbes lächerlich: „For words are wise mens counters, they do but reckon by them: but they are the money of fooles, that value them by the authority of an Aristotle, Cicero, or a Thomas, or any other Doctor whatsoever, if but a man.“²¹² Statt die Aussagen anerkannter, antiker Autoritäten wie Aristoteles abzuwägen, zu bewerten und über ein Problem entscheiden zu lassen, sollte eine Behauptung stets den Prinzipien der natürlichen Vernunft entnommen sein, wodurch sie verständlich und nachvollziehbar wird und unmöglich zu widerlegen ist. Der Berufung auf eine andere, vermeintlich höhere „authority“ bedarf es dann nicht mehr; sie ist überflüssig geworden. Zudem charakterisiert Hobbes den Glauben an einen Sprecher oder Gelehrten und seine Behauptungen im Unterschied zum Wissen als eben das – einen Glauben. In diesem Falle sind die „Authority, and good opinion wee have, of him that hath sayd it […] the object of our Faith“.²¹³ Es geht also nicht um Wissen, Wahrheit und Vernunft, sondern um Meinung, Glauben und – in diesem Zusammenhang treffend – Religion. In diesem Sinn schreibt Hobbes, dass „[who] cannot assure himselfe of the true causes of things“, die Ursachen dafür annimmt, die „his own fancy suggesteth; or trusteth to the Authority of other men, such as he thinks to be his friends, and wiser than himselfe“.²¹⁴ Hier liegt ein Sprachgebrauch von „authority“ vor, der sich von der scholastischen Methode ableitet, antike Autoritäten einen Sachverhalt entscheiden zu lassen. An anderer Stelle heißt es, dass der christliche Glaube seit der Zeit Jesus Christus auf zwei Faktoren gründete, „first, the reputation of their Pastors, and afterward the authority of those that made the Old and New Testament to be received for the Rule of Faith“.²¹⁵ Die „authority“, die hier anklingt, hebt sich von der Fassung ab, die auf den ersten beiden Ebenen von Staat und Kirche begegnet. Es scheint weniger von einem wie auch immer gearteten Recht auf Handlung die Rede zu sein, stattdessen erscheint „authority“ hier eng an eine bestimmte Person geknüpft – sei es nun an einen Schriftsteller oder einen Gelehrten bzw. einen anderen Sprecher, der Menschen überzeugen kann, seinen Worten Glauben zu schenken. Die „authority“ eines solchen Menschen entstammt eher der Zuschreibung durch andere, als dass sie eine festgelegte Handlungsbefugnis darstellt, und ist mit den Begriffen Ansehen und Überzeugungskraft treffender übersetzt.²¹⁶ Dies klingt auch in der bereits behandelten Passage zur Auslegung
Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 58. Ebd., S. 102. Ebd., S. 164. Ebd., S. 934. In diesem Sinn steht die hier angesprochene Ausprägung der „authority“ der Definition von Eschenburg näher. Eschenburg zitiert auch Theodor Geiger, der Autorität ebenfalls als „Anse-
3.2.3 Öffentliches Leben
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der natürlichen Gesetze in der Moralphilosophie an. Hobbes schreibt: „The Authority of writers, without the Authority of the Common-wealth, maketh not their opinions Law, be they never so true.“²¹⁷ Autoren wird zwar ein gewisses Ansehen und eine damit verbundene Überzeugungskraft ihrer Ansichten eingeräumt, beides hat allerdings wenig zu tun mit der Vollmacht des bürgerlichen Souveräns, die in jedem Fall über dem Einzelindividuum steht. Allein diese Vollmacht hat rechtsverbindlichen Charakter. Dies gilt z. B. auch für die Auslegung der Gesetze, die nicht durch einen Privatmann nach seinem Gutdünken erfolgen kann, sondern stets durch die Vollmacht des Staates autorisiert sein muss.²¹⁸ Dieser Grundsatz gilt auch, wenn z. B. Schriftsteller oder Philosophen vernunftmäßig richtige Auslegungen vorbringen. Hobbes bringt es mit der bekannten Klausel „sed Authoritas non Veritas facit Legem“²¹⁹ auf den Punkt. Ohne die staatliche Vollmacht des Souveräns kann aus den Meinungen von Privatpersonen kein Gesetz gemacht werden, das heißt diese Meinungen haben keine rechtliche Verbindlichkeit für andere. Hobbes untermauert seinen Standpunkt mit einem Beispiel zu seinen eigenen Überlegungen. Seine Auseinandersetzung mit den moralischen Tugenden und ihrer Notwendigkeit bei der Schaffung und Erhaltung des Friedens im vorliegenden Werk sei zwar „offensichtlich wahr“, dennoch kann er nur aufgrund dessen keine gesetzliche Verbindlichkeit für seine Feststellungen beanspruchen. Erst wenn die souveränen Regierungen der Länder seine Einsichten zum Teil ihres jeweiligen bürgerlichen Gesetzes machen, werden Rechtsverbindlichkeiten geschaffen.²²⁰ Ein Autor kann dennoch durch die Wahrheit seiner Folgerungen, wenn er sie aus den Grundlagen der Vernunft zieht, Ansehen und dadurch Folgebereitschaft generieren bzw. für sich in Anspruch nehmen. Wenn er es nicht auf die Wahrheit abgesehen hat, sondern auf die Anhängerschaft von Gläubigen, so kann er diese kraft seines Ansehens und durch die Argumente seiner Lehre erzeugen.²²¹ Dies bestätigt sich auch, wenn Hobbes von der drohenden Begrenzung der gelehrten „authority“ im Sinn von Ansehen schreibt: „Potest men, digest hardly any thing that setteth up a Power to bridle their affections; and Learned men, any thing that discovereth their errours, and thereby lesseneth their Authority.“²²² Das Vertrauen in bzw. der Glaube an einen
hensmacht“ definiert (im Handwörterbuch der Soziologie, hg.v. A. Vierkandt, Stuttgart 1959, S. 137). Vgl. Eschenburg, Theodor, Über Autorität, Frankfurt a. M. 1976, S. 12, 105. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 430. Vgl. ebd., S. 1096. Hobbes, Leviathan, lat. Fassung, S. 431. Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 430. Vgl. ebd., S. 934. Ebd., S. 524.
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Gelehrten ist Teil seines Ansehens und seiner damit verbundenen Überzeugungskraft, im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass all seine Fehler, wenn sie einmal aufgedeckt werden, zur Beschneidung seiner Reputation führen. Die Wahrheit der Äußerungen eines Gelehrten scheint der Dreh- und Angelpunkt dieser Form der „authority“ zu sein. Wenn Hobbes im letzten Teil des „Leviathan“ von der Einführung einer falschen Philosophie spricht, so bringt er dieses Übel mit Einzelpersonen in Verbindung, die „neither by lawfull authority, nor sufficient study, are competent Judges of the truth“.²²³ Er überlässt also das Urteil über die Wahrheit philosophischer Lehrsätze zum einen dem bürgerlichen Souverän und seiner rechtlich bindenden Vollmacht. Zum anderen gibt es aber einen weiteren Zugang zu diesem Richteramt, nämlich den Weg eines hinlänglichen Studiums. Beide Schlüsselkompetenzen sind notwendig bzw. berechtigen dazu, über die Wahrheit in der Philosophie zu urteilen. Damit hat Hobbes zwar die Vollmacht staatlicher Ebene nicht gleichgesetzt mit den persönlichen Qualifikationen und dem Ansehen eines einzelnen Menschen – aber er hat beides doch in Verbindung miteinander gebracht. Denkt man diese Zusammenhänge stringent weiter und beachtet man alles, was Hobbes bereits zum Verhältnis zwischen der Bevollmächtigung des bürgerlichen Souveräns und den Ansprüchen des Papstes gesagt hat, so fällt auch letzterer in die Kategorie einer Einzelperson. Der Bischof von Rom spricht innerhalb des Territoriums eines anderen Souveräns nicht für die Kirche – dies kann nur der Souverän. Den Ausnahmefall stellt die Ermächtigung des Papstes hierzu durch den bürgerlichen Souverän dar, aber abseits davon hat der Papst keinen Anspruch darauf, das Haupt der Christen in einem Staat zu sein. Die Grundlage für eine solche Argumentation der Kirche ist ihre Selbsteinschätzung als Reich Gottes, die Hobbes vielfach angreift und argumentativ verneint.²²⁴ Wenn nun aber der Papst und mit ihm im Grunde alle anderen kirchlichen Würdenträger, sofern sie vom Souverän nicht autorisiert worden sind, keinen legalen Anspruch auf die Vertretung der Kirche haben, dann sind sie Einzelpersonen und ihre Lehren Ebd., S. 1100. Vgl. ebd., S. 1118. „But after this Doctrine, that the Church now Militant, is the Kingdome of God spoken of in the Old and New Testament, was received in the World; the ambition, and canvasing for the Offices that belong thereunto, and especially for the great Office of being Christians Lieutnant, and the Pompe of them that obtained therein the principall Publique Charges, became by decrees so evident, that they lost the inward Reverence due to the Pastorall Function […] For from the Time that the Bishop of Rome had gotten to be acknowledged for Bishop Universall, by pretence of Succession to St. Peter, their whole Hierarchy, or Kingdome of Darknesse, may be compared not unfitly to the Kingdome of Fairies […] And if a man consider the originall of this great Ecclesiasticall Dominion, he will easily perceive, that the Papacy, is no other, than the Ghost of the deceased Roman Empire, sitting crowned upon the grave thereof“.
3.2.3 Öffentliches Leben
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müssen den gleichen Maßstäben der Wahrheit zu ihrer Beurteilung standhalten. Da Hobbes den Lehren der katholischen Kirche jedoch keinesfalls einräumt, wahr zu sein, sondern sie im Gegenteil als „Geisterlehre“ („Daemonology“) oder „dunkle Lehre“ („Dark Doctrines“) schmäht²²⁵, spricht er den kirchlichen Würdenträgern und Amtsinhabern auch die Überzeugungskraft ab.Vielmehr sitzen sie den Irrtümern antiker Gelehrter wie Aristoteles sowie denen der Scholastiker auf, was ihren letzten Anspruch auf „authority“ im Sinne eines aus überlegener Bildung generierten Ansehens – zumindest in Hobbes’ Augen – erlöschen lässt. Nicht nur im Zusammenhang mit kirchlichen Würdenträgern, sondern auch mit Dingen spricht Hobbes von „authority“. Besonders auffällig tut er dies, wenn er von gelehrten Schriften und – allen voran – der Bibel schreibt.²²⁶ Er widmet sich ihr ausdrücklich im 33. Kapitel seines „Leviathans“. Schnell wird jedoch bereits zu Beginn der Lektüre klar, dass die Bibel an sich nur ein Konglomerat vieler Bücher ist, die die Regeln des christlichen Lebens aufstellen sollen. „Canonicall, that is, Law“²²⁷ werden sie erst, wenn der bürgerliche Souverän sie dazu bestimmt. Die Verbindlichkeit der Bibel leitet sich also ausschließlich von ihm ab und nicht etwa von der inhärenten Heiligkeit der Schrift an sich.²²⁸ Für die „authority“ anderer Schriften, wie z. B. den Werken großer Gelehrter, gilt derselbe Vorbehalt wie für die „authority“ der Gelehrten selbst: Nicht die Schrift oder der große Name des Autors sind entscheidend, sondern die Wahrheit des Inhaltes. Über diese urteilt der Leser und schenkt der Schrift, so sie ihn überzeugt, seinen Glauben. Das heißt aber auch, dass die „authority“, die solchen Büchern eingeräumt wird, eine abstrakte ist, die keine Anknüpfungspunkte an die rechtliche Handlungsbefugnis
Vgl. ebd., S. 958, 1112. Dieses „Reich der Finsternis“, das Hobbes im viertel Teil des „Leviathan“ beschreibt, sieht Hobbes gegründet auf vier Irrtümer. Erstens dem Missbrauch der Bibel, wobei durch die Verdrehung ihrer Worte bewiesen werden sollte, dass das Reich Gottes die bereits jetzt auf der Erde gegenwärtige Kirche oder die Gesamtheit der lebenden Christen sei. Diese Täuschung führe zur Anmaßung der Position, in Stellvertretung für Jesu zu sprechen (der sich noch im Himmel befinde), durch eine Einzelperson oder eine Gruppe, worauf sich die katholische Kirche ja stets berufen hatte. (Vgl. ebd., S. 960) Zweitens der Einführung der Lehren heidnischer Dichter, die Dämonen und Geister als existierende Wesen beschreiben – dem verwehrt sich Hobbes bereits in seinem 34. Kapitel, in dem es ihm um die Natur und Bedeutung von Geistern, Gespenstern, Engeln etc. geht. (Ebd., S. 610 ff.) Geister und Dämonen seien immateriell „which are but Idols, or Phantasms of the braine, without any reall nature of their own“. Drittens der Vermischung von Überresten der (irrigen) griechischen Religion und Philosophie (insbesondere des Aristoteles) mit der Bibel. Viertensdie Vermischung all dessen mit falschen oder ungesicherten Überlieferungen und Historien. Vgl. ebd., S. 958. Vgl. ebd., S. 584. Ebd., S. 586. Vgl. ebd.
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des Souveräns hat. Sie wird stattdessen gemessen anhand ihrer Überzeugungskraft. Schließlich wendet sich Hobbes einem potenziellen Störfaktor durch „authority“ zu. Er warnt souveräne Herrscher vor charismatischen Führern unter dem Volk, die den rechtmäßigen Anspruch des bürgerlichen Souveräns in Frage stellen könnten. Hobbes formuliert wie folgt: „Also, the Popularity of a potent Subject, (unlesse the Commonwealth have very good caution of his fidelity,) is a dangerous Disease; because the people (which should receive their motion from the Authority of the Soveraign,) by the flattery, and by the reputation of an ambitious man, are drawn away from their obedience to the Lawes, to follow a man, of whose vertues and designes they have no knowledge.“²²⁹ Es steht außer Frage, dass dieser volkstümliche Mann keine Vollmacht innehat, wie Hobbes sie für den Souverän beschreibt. Dennoch kann er einen Einfluss auf die Menschen geltend machen, der wesentlich von seiner Berühmtheit abgeleitet ist, oder anders formuliert: von seinem Ansehen, das Folgebereitschaft generiert.²³⁰ Als Paradebeispiel für einen solchen Fall dient Hobbes die Machtergreifung Julius Cäsars‘, der sich die Anhängerschaft der Armee sicherte und sich somit zum Herrscher über Senat und Volk aufschwang.²³¹ Das hier zitierte Beispiel scheint zukunftsweisend, verbindet es doch die persönlichen Kompetenzen eines charismatischen Führers mit der Möglichkeit zur Mobilisierung der Gefolgschaft der Armee als wesentlichen Faktor für die Änderung politischer Machtverhältnisse, wie sie später auch durch Cromwell erfolgen sollte.
3.2.4 Privatbereich Der Bereich privater Handlungen ist derjenige, den Hobbes weniger intensiv mit Autorität assoziiert. Unter einer Privatperson soll im Folgenden jeder verstanden werden, der kein offizielles Amt innehat und auch mit seinen Handlungen nicht in die öffentliche Sphäre eingreift; oder anders gesagt, der keine Bevollmächtigung durch den Souverän innehat. Wenn Hobbes in seinem 42. Kapitel „Of Power Ecclesiasticall“ von der „authority“ eines Privatmannes spricht, so würde die Verortung dieses Beispiels im Privatbereich dennoch irreführen. Denn es geht ihm hier darum, die religiösen Lehren von Privatmännern, die den Gesetzen und der Gewalt des bürgerlichen Souveräns widersprechen, zu entkräften bzw. ihren
Ebd., S. 516. Zu diesem Zusammenhang vgl. Kap. 3.3 die antiken Vorläufer von Hobbes’ authority. Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 516.
3.2.4 Privatbereich
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Anhängern vor Augen zu führen, dass sie falsch handeln, indem sie diesen Privatmännern Glauben schenken. Die Auswirkungen übersteigen den Bereich des Privaten und stellen stattdessen sogar die Vollmacht des Souveräns in Frage. Die hier gemeinte Ausprägung von „authority“ als Ansehen und die dadurch erzeugte Folgebereitschaft wurde bereits im vorigen Abschnitt bearbeitet. Es handelt sich um das Ansehen eines Sprechers, das sich aus verschiedenen Quellen seiner Persönlichkeit speist. Dennoch räumt Hobbes innerhalb des Familienverbandes, also der kleinsten, denkbaren Einheit menschlichen Zusammenlebens, dem Vater der Familie „authority“ ein. Diese Kompetenz des Vaters meint seine volle Entscheidungsgewalt über alle Belange seiner Familie und seinen Anspruch auf den absoluten Gehorsam aller Familienmitglieder. Sie ist eine Art Gewohnheitsrecht, das erst einmal grundsätzlich nicht in Frage gestellt wird. Dennoch macht Hobbes deutlich, dass die Gewährung dieses Rechtes ebenfalls durch den Souverän autorisiert wurde, und das solange, wie er keine anderen Ansprüche geltend macht.²³² In diesem Licht erscheint die Entscheidungsgewalt und der Anspruch des Familienvaters auf die Folgsamkeit seiner Familie als ein vom Souverän abgeleitetes und gewährtes Recht, das sich jedoch denselben Regeln zu unterwerfen hat, wie jedes andere übertragene Recht und somit jederzeit durch den Souverän zurückgenommen oder neu übertragen werden kann. Analog dazu beschreibt Hobbes auch das Verhältnis zwischen Herren und Knechten. Alle Äußerungen, die Hobbes zum Beispiel für die Vertretung von Personen und Dingen gemacht hat, gelten auch innerhalb des Familienverbandes, besonders, wenn man an die Vertretung von unmündigen Kindern und geistig behinderten Erwachsenen denkt.²³³ Es gilt aber immer eine Grundüberlegung: Die Gültigkeit und Verlässlichkeit solcher Vertretungen, Abkommen, Geschäfte etc. ist erst möglich, seit ein bürgerlicher Staat ins Leben gerufen wurde.Vorher herrschten Bürgerkrieg und Chaos und jeder Mensch hatte einen gleichen Anspruch auf alle Güter, entscheidend war seine persönliche Stärke und Durchsetzungskraft. Mit der Einsetzung eines bürgerlichen Souveräns gaben alle Untertanen ihre Ansprüche auf und erlangten im Gegenzug ein Leben in Sicherheit. Das heißt aber auch, dass alle Handlungen bis hinunter in die kleinste denkbare Ebene, den Mikrokosmos Familie, stets vom Verhältnis zwischen Souverän und Untertan determiniert sind. Dieser Logik folgend ist es im Grunde gleich, ob es sich um eine Staatsaffäre oder einen Familienstreit handelt: die Kompetenzen und Rechtsbefugnisse sind stets klar verteilt. Vor diesem Hintergrund ist Hobbes’ Erklärung zu verstehen: „For the Father, and
Vgl. ebd., S. 368. Vgl. ebd., S. 248.
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Master being before the Institution of Common-wealth, absolute Soveraigns in their own Families, they lose afterward no more of their Authority, than the Law of the Common-wealth taketh from them.“²³⁴ „Authority“ meint in diesem Zusammenhang keine direkte, ausdrücklich auf den Familienvater übertragene Vollmacht, sondern seine naturrechtlich abgeleitete und zum Gewohnheitsrecht gewordene Entscheidungsgewalt innerhalb seiner eigenen Familie und den Anspruch, dass diese seinen Beschlüssen Folge leistet. Dieser Anspruch gilt, solange der Souverän ihn nicht durch Gesetze explizit einschränkt. Wenn man so will, begegnet an dieser Stelle erstmals und als Einzelfall eine Art der Bevollmächtigung ohne eine zuvor erfolgte Delegierung durch den bürgerlichen Souverän. Die Entscheidungsgewalt des Vaters über seine Familie wohnt seiner spezifischen Stellung innerhalb der Familienhierarchie inne, folgerichtig übersetzt Hobbes diese „authority“ in der lateinischen Fassung seines „Leviathan“ mit „Nam ante institutionem Civitatum, Patris erat in Filios & Servos Potestas Summa“ – also mit dem römischen Äquivalent für eine an ein Amt gebundene Gewalt. Hobbes beendet seinen „Leviathan“ mit einer generellen Überlegung zur Autorität. Er schreibt in seinem Rückblick: „And to consider the contrariety of mens Opinions, and Manners in generall, It is they say, impossible to entertain a constant Civill Amity with all those, with whom the Businesse of the world constrains us to converse: Which Businesse, consisteth almost in nothing else but a perpetuall contention for Honor, Riches, and Authority.“²³⁵ Dieser so beschriebene ständige Wettstreit erinnert sehr an den Zustand, den er eingangs als Naturzustand mit dem „bellum omnia contra omnes“ beschrieb. Ungeachtet dessen erscheint auch hier Autorität außerhalb der staatlichen Sphäre als etwas, das eine Einzelperson für sich akquirieren kann und das ihr, genauso wie die Erlangung von Ehre und Reichtum, als erstrebenswertes Gut erscheinen mag. Autorität beschreibt erneut nicht das Recht auf Handeln, sondern eher eine personale Qualität, auf deren Charakter er jedoch nicht genauer eingeht. Diese, besonders für die Ebenen des öffentlichen Lebens und des Privatbereiches wiederholt auffindbare Verwendung des Autoritätsbegriffes soll im Folgenden genauer herausgearbeitet und mit dem Autoritätsbegriff auf staatlicher Ebene in Beziehung gesetzt werden.
Ebd., S. 368. Ebd., S. 1132.
3.3 Hobbes’ Autoritätsbegriff und seine antiken Vorläufer
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3.3 Hobbes’ Autoritätsbegriff und seine antiken Vorläufer Hobbes benutzt im „Leviathan“ Grundbegriffe der politischen Sprache, die seit Langem etabliert waren. Besonders Termini, die eng mit Vorstellungen von Herrschaft verknüpft waren, greift Hobbes auf, widerlegt sie oder macht sie sich für seine Argumentation zu Eigen. Der rhetorische Einsatz dieser Begriffe fußt darauf, sie auf neue Weise zu definieren, wo sie in ihrer bisherigen Deutung nicht in Hobbes’ Schema passen und auf diese Weise vor allem alternative Deutungen qua definitionem vorweg auszuschließen.²³⁶ Analog dazu verfuhr Hobbes auch mit dem Begriff der „authority“. Im Folgenden soll es deshalb um die Vorläufer seines „authority“-Konzeptes gehen, Traditionen sollen – wenn vorhanden – herausgearbeitet werden, um Hobbes besser verorten zu können. Ein Blick auf die römische Antike soll dafür die erste Station sein. Hier zu suchen, ist keine wahllose Entscheidung, sondern fußt auf der bereits angesprochenen Nähe zwischen dem antiken Verständnis von auctoritas und einzelnen Überlegungen Hobbes’ zu den Voraussetzungen und dem Wesen seines Staates. Auch die Forschungsliteratur zum Thema „Autorität“ legt stets nahe, dass die früheste Verwendung und zugleich der Höhepunkt ihrer Bedeutung in der Römischen Republik zu finden ist. So lässt beispielsweise Theodor Eschenburg seinen Band „Autorität“ in der römischen Antike beginnen: „Dies Wort hätte kaum die weltverbreitete und weltgeschichtliche Bedeutung erlangt, wenn es nicht zu einem zentralen Begriff und gewichtigen Instrument der römischen Staatspraxis […] geworden wäre“.²³⁷ Horst Dreitzel betont darüber hinaus die Bedeutung der lateinischen Sprache und der Rezeption und Selektion antiker Autoren für die Frühe Neuzeit, insbesondere was die Wissenschaftssprache betrifft.²³⁸ So wurde die antike Praxis der Übernahme von Lehnworten aus der griechischen Wissenschaftssprache seit dem Späthumanismus fortgesetzt und betraf Termini wie
Zu Hobbes’ rhetorischer Strategie im Leviathan vgl. Skinner, Reason, S. 334 ff. Im Unterschied zum rein wissenschaftlichen, die Kniffe der Rhetorik ablehnenden Stil in den „Elements“ und „De Cive“ wechselt Hobbes im „Leviathan“ zu einem Mittelweg. Zwar bleibt oberstes Anliegen die Wissenschaftlichkeit, die hergestellt wird durch Folgern aus der Vernunft. Dennoch nutzt Hobbes nun auch rhetorische Hilfen. Das aus seinen früheren Werken bekannte Grundmuster, den Bezug auf Gemeinplätze, anerkannte Zusammenhänge, Grundüberzeugungen, Maximen etc. zu vermeiden, um seine Rede zu verifizieren bzw. wenn er solche innerhalb seiner Theorie nutzt, sie dann aus den traditionellen Zusammenhängen und Deutungsmustern zu befreien und für seine Argumentationsführung umzudeuten, begegnet auch im „Leviathan“. Vgl. ebd., S. 304 f. Vgl. Eschenburg, Über Autorität, S. 11 ff., Zitat auf S. 13. Vgl. Dreitzel, Horst, Monarchiebegriffe in der Fürstengesellschaft. Semantik und Theorie der Einherrschaft in Deutschland von der Reformation bis zum Vormärz, 2 Bde., Köln 1991, Bd. 2, S. 17.
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„politica“, „autocratia“, „despotia“, „dynastia“ etc., also allesamt Begriffe, die für die Beschreibung politischer Verhältnisse zentral waren – und noch sind.²³⁹ Ein vergleichbares Vorgehen soll auch für den Autoritätsbegriff untersucht werden. Dabei geht es nicht um die Behauptung einer die Jahrhunderte überdauernden Analogie zwischen den Begriffen der antiken „auctoritas“ und der frühneuzeitlichen „authority“, die sich mit der Annahme verbinden würde, dass Begriffe im Laufe der Zeit und in unterschiedlichen Kontexten relativ konstant bleiben würden, gewissermaßen also ahistorisch sind. Stattdessen soll ein kritischer Vergleich gerade die Unterschiede zwischen beiden Termini herausfiltern, neue Horizonte für die zeitgenössischen, semantischen Bezüge eröffnen und – wo tatsächlich ein Bezug zu einer antiken Tradition des Terminus „authority“ hergestellt wird – dessen Ausrichtung und Intention hinterfragt werden. Dass zahlreiche Zeitgenossen Hobbes’ die antiken Autoren zitierten, um ihre politisch-gesellschaftliche Position im Diskurs des 17. Jahrhunderts zu legitimieren, steht außer Frage. Hobbes selbst zitiert fortwährend antike Autoren – wenn er auch oft scharfe Kritik an ihnen oder seinen eigenen Zeitgenossen übt, die ihnen bedenkenlos nacheifern.²⁴⁰ Die Vermittlung der Inhalte der klassisch-antiken Philosophie anhand der Lektüre ihrer großen Autoren spielte im Bildungswesen des 17. Jahrhunderts eine entscheidende Rolle – auch Hobbes’ Ausbildung macht
Vgl. ebd. Vgl. u. a. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 1094 ff. Skinner betont in diesem Zusammenhang das völlig fehlende zeitgenössische Bewusstsein für den historischen Entstehungskontext der klassisch-antiken Werke, die dann auch bedenkenlos auf aktuelle Probleme und Umstände übertragen wurden ohne relevante Unterscheidung zu zeitgenössischen Abhandlungen. Vgl. Skinner, Reason, S. 40. Zu nennen sind stellvertretend für Hobbes Abneigung gegen die Größen der klassischen Philosophie Aristoteles und Cicero. Gleichwohl ist sein Verhältnis zu den antiken Autoren ambivalent, denn er hielt zwar insbesondere ihre Rhetorik für gefährlich, da er in ihr den Keim für den Zerfall der Gemeinwesen sah. Die Gefahr lag Hobbes’ Ansicht nach an der höheren Bewertung der Redekunst und der damit verbundenen Vernachlässigung der Inhalte begründet. Andererseits hat Skinner aufgezeigt, wie sehr sich Hobbes bereits in den „Elements“ (Kap. 8, 9) auf die Rhetorik des Aristoteles bezieht. Vgl. Skinner, Reason, S. 38. Anderen antiken Gelehrten war Hobbes hingegen zugeneigter, v. a. Thukydides (um 460 – 400 v.Chr.) ist hier zu nennen, dessen Geschichte des Peloponnesischen Krieges Hobbes übersetzte. Aber auch mit anderen Autoren, wie Sallust (86–etwa 35 v.Chr.), Euklid (um 350–um 250 v.Chr.) und Livius (64/ 59 v.Chr.–12/17 n.Chr.) beschäftigte sich Hobbes eingehend.Vgl. ebd., S. 285. Fetscher, Einleitung, S. XII. Rahe, Antiquity, S. 251. Als Beispiele für Zeitgenossen, die Hobbes scharf angriff, sind insbesondere die Democratical Gentlemen zu nennen, gegen die Hobbes im Leviathan (u. a. Kap. 29) explizit Stellung bezieht. Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 506. Skinner, Visions, S. 178.
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hier keine Ausnahme.²⁴¹ Insbesondere die aristotelische Philosophie war in der scholastischen Lehre und im akademischen Leben zu Hobbes’ Zeiten dominant.²⁴² Hobbes hatte fundierte Kenntnisse über die antiken Staatswesen und Gesellschaften, lehnte aber die Aristotelische Tradition offenkundig ab.²⁴³ Das Wissen um eines der wesentlichen Ordnungsprinzipien der Römischen Republik, der auctoritas, die zumindest linguistisch eine Analogie zum Begriff der „authority“ nahelegt, zählt hierzu. Andere zentrale Begriffe des zeitgenössischen Diskurses, wie z. B. „liberty“, wurden von der Forschung bereits mit ihren antiken Wurzeln in Verbindung gebracht und umfassend untersucht.²⁴⁴ Daraus leitete man in der Vergangenheit eindeutige Aussagen zur Ausrichtung der Argumentation Hobbes’ bzw. seinen Intentionen ab, wie dies unter anderem durch Quentin Skinner erfolgte.²⁴⁵ Für den Begriff der „authority“ blieb eine differenzierte Un Kurz bevor Hobbes in die Schullaufbahn eintrat, gab es Bestrebungen, humanistische Prinzipien zu Erziehung und Bildung in den Schulalltag einzugliedern. Eine wesentliche Rolle spielte innerhalb der linguistisch orientierten Ausbildung die Erlernung der Kunst der Rhetorik, abgeleitet von der klassisch-römischen „studia liberia“ (also des Studiums von Dichtkunst, Geschichte und Moralphilosophie anhand der großen, vorwiegend lateinischen Autoren). Die englischen Bildungstheoretiker der Renaissance wollten die „studia humanitatis“ der römischen Antike wiederbeleben. Zu den wesentlichen Grundzügen des Bildungswesens der Tudorzeit vgl. Skinner, Reason and Rhetoric, S. 20 ff. Vgl. Leijenhorst, Cees, Sense and Nonsense about Sense. Hobbes and the Aristoltelians on Sense Perception and Imagination, in: The Cambridge Companion, S. 82– 108, hier S. 83. Damit wollte er sich Leijenhorst zufolge bewusst als moderni präsentieren und ist somit in einer Reihe mit René Descartes (1596 – 1650) einzuordnen. Trotz dieser Abgrenzungsbestrebungen zeigt Leijenhorst aber auch auf, wie tief Hobbes von seiner aristotelischen Ausbildung – wider Willen – beeinflusst war. Zudem war es, um von einem breiteren Publikum verstanden zu werden, unumgänglich, bei der Formulierung seiner Thesen Zugeständnisse an diese Tradition zu machen. Vgl. ebd., S. 83. Ähnliches gibt auch Skinner zu bedenken. Er räumt zwar ein, dass Hobbes alles andere als ein Aristoteles-Freund war, bezogen auf dessen Rhetorik jedoch deutlich von ihm Gebrauch machte. Auch wenn Hobbes selbst eine Abkehr vom Bildungsideal der RenaissanceHumanisten vollzog, insbesondere was die „ars rhetorica“ betraf, und stattdessen naturwissenschaftliche Grundsätze leitend für seine Philosophie wurden, heißt das nicht, dass nicht auch bei ihm rhetorische Rudimente seiner Ausbildung zu finden sind. Vgl. Skinner, Reason and Rhetoric, S. 38, 257 ff. Vgl. Skinner, Liberty. Skinner, Classical Liberty. Skinner, Freiheit. Scott, Classical Republicanism. Dagger, Republicanism. Collins, Early Modern Foundations. Skinner kritisiert deutlich alle Forschungspositionen, die den Antirepublikanismus im „Leviathan“ nicht zu den zentralen Themen zählen, z. B. Jeffrey Collins „Allegiance of Thomas Hobbes“. Skinner zufolge ist es eine der zentralen polemischen Absichten Hobbes’, die Auffassungen der „Democratical Gentlemen“ über Freiheit und damit verbunden über Freistaaten unglaubwürdig zu machen. Damit habe sich Hobbes bewusst gegen die gesamte Tradition des römischen und neorömischen Denkens über Freiheit und den liber homo gestellt, was gleichsam dem Bekenntnis einer zielgerichteten Intention entspricht. Vgl. Skinner, Freiheit, S. 96 ff.
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tersuchung zur Verwendung antiker Autoren durch Hobbes und andere zeitgenössische Autoren bisher aus, was anhand der Gewichtung der auctoritas in der antiken römischen Gesellschaft und vor allem auch der Politik der Republik doch sehr verwundert. Ein Ziel der Arbeit ist es auch, diese Leerstelle zu füllen. Dazu ist es zunächst unumgänglich, auf die Bedeutung der auctoritas in der klassischen Zeit, insbesondere während der Römischen Republik, einzugehen. Den antiken auctoritas-Begriff mit Autorität zu übersetzen, liefe jedoch genauso in die falsche Richtung²⁴⁶, wie Hobbes’ Konzept der „authority“ mit Autorität im modernen Sinne, also etwa Einfluss oder Ansehen, vollständig in Einklang zu bringen. Eine kurze Definition könnte wie folgt lauten: Mit der auctoritas klassisch-antiker Prägung kann der Einfluss und die Wirkungsfähigkeit von Einzelpersonen²⁴⁷ und vor allem auch des Senats in allen Situationen des staatlichen Lebens der Römischen Republik beschrieben werden.²⁴⁸ Cicero bringt es auf den Punkt mit der Formel: „cum potestas in populo, auctoritas in senatus sit“²⁴⁹ – in einer idealen Republik hat das Volk die Gewalt der Beamtenwahl und Gesetzgebung inne, der Senat aber die auctoritas. ²⁵⁰ Sie ist streng zu unterscheiden von einem gesetzlich verbrieften Befehlsrecht, wie es der Magistrat hatte; Heinze schreibt: „wo potestas oder imperium ist, hat die auctoritas keine Stätte“.²⁵¹ In der Natur solcher Definitionen liegt es aber, dass sie die Gegenstände nur verkürzend wiedergeben können, das ist besonders für die auctoritas eine Schwierigkeit, denn für sie gibt es kein modernes Äquivalent, das uns ihre Bedeutung schnell vor Augen führen könnte. Oder wie Wilfried Nippel treffend bemerkt: „However it is impossible to give a straightforward definition of the Roman term. Its implications have to be inferred from an embarrassing variety of usage in Vgl. Fürst, Fritz, Die Bedeutung der auctoritas im privaten und öffentlichen Leben der römischen Republik, Marburg 1937, S. 8. Gemeint sind gemeinhin römische Bürger, also Männer. Es gibt aber auch Untersuchungen zur Autorität von Frauen: Vgl. Lincoln, B., Authority. Construction and Corrosion, Chicago 1994, S. 90 ff. Vgl. zu auctoritas allgemein: Thielsch, E. W., Was ist und was heißt „Autorität“?, in: Kant Studien 71 (1980), S. 78 – 108. Zum lateinischen Begriff der auctoritas: Hiltbrunner, O., Auctoritas, in: Ders., Bibliographie zur lateinischen Wortforschung, Bd. 3, S. 30 – 68. Cicero, Marcus T., De Legibus, hg.v. Rainer Nickel, 3. Aufl., Berlin 2014, 3.28. In Abstufung dazu war die nächstbeste Alternative ein balancierter Staat, in dem die potestas beim Magistrat, die libertas beim Volk und die auctoritas beim Senat lag. Gleichwohl bleibt die auctoritas das „Eigentum“ des Senats. Vgl. Cicero, Marcus T., De Republica. Der Staat, hg.v. Karl Büchner, Berlin 1993, 2.57. Vgl. hierzu: Balsdon, J.P.V.D., Auctoritas, Dignitas, Otium, in: The Classical Quarterly 10/1 (1960), S. 43 – 50, hier S. 43 f. Nippel. Wilfried, The Roman Notion of Auctoritas, in: The Concept of Authority. A multidisciplinary approach, hg.v. P. Pasquino, P. Harris, Rom 2007, S. 13 – 34, hier S. 21. Heinze, Auctoritas, S. 360.
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legal and literary texts.“²⁵² Deshalb muss an dieser Stelle etwas weiter ausgeholt werden. In der klassischen Zeit war die auctoritas eine Eigenschaft, die verschiedenen Personen bzw. Personengruppen zugeschrieben wurde. Richard Heinze betont in seinem Aufsatz „Auctoritas“, dass sie „ein spezifisch römischer Begriff“ und „vom römischen Wesen unzertrennlich“ sei – sie „mag so alt sein wie das Römertum überhaupt“.²⁵³ Heinzes pathetische Sprache lässt bereits den zeitlichen Horizont seiner Arbeit erahnen, dennoch ist sein 1925 veröffentlichter Beitrag bis heute geschätzt und hat Maurizio Bettini zufolge „alle nachfolgenden Studien um diesen ‚Wertbegriff‘“ beeinflusst.²⁵⁴ Heinze verortet die ursprüngliche Bedeutung der auctoritas in der Eigenschaft des auctor bzw. dem Zustand des auctorum esse und somit in der Sphäre des Privatrechts. Verkürzt gesagt ist der auctor der Verkäufer eines Manzipants und die auctoritas der Zustand, in dem er nach dem Verkauf verbleibt, denn er ist dem Käufer zur Gewähr verpflichtet. Der auctor kann auch der Vormund eines Mündels beim Abschluss von Rechtsgeschäften sein. Ebenso kann die auctoritas patres in der alten Zeit des römischen Staates allen Beschlüssen der Gesetzgebungs- und Wahlkomitien Geltung verleihen.²⁵⁵ In diesem Fall besteht die auctoritas darin, dass der auctor sein Einverständnis zu erkennen gibt.²⁵⁶ Auch die später geläufige Form des auctors als Ratgeber begegnet bereits früh; seine auctoritas ist jedoch mehr als ein einfacher Rat, vielmehr ist sie das „maßgebliche Gutachten […] zu dem er durch seine besondere Einsicht befugt ist
Nippel, Roman Notion, S. 13. Heinze, Auctoritas, S. 351. Vgl. Bettini, Maurizio, Auf unsichtbaren Grundlagen. Eine linguistische Beschreibung der auctoritas, in: Das Sichtbare und das Unischtbare der Macht. Institutionelle Prozesse in Antike, Mittelalter und Neuzeit, hg.v. Gert Melville, Köln 2005, S. 237– 258, hier S. 239. In der Tat erscheint Heinze in fast jedem Aufsatz zum Thema der römischen auctoritas. Wilfried Nippel weist darauf hin, dass die Entdeckung der lateinischen Fragmente der Inschriften-Kopie vom Mausoleum Kaiser Augustus‘ (27 v.Chr.–14 n.Chr.) zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Welle von Publikationen zur römischen auctoritas auslöste. Zuvor war nur eine griechische Kopie bekannt, deren Wortlaut an der berühmten Stelle untreffend mit dignitas übersetzt wurde (da es im Griechischen ja kein Äquivalent zu auctoritas gibt, war dieser Übersetzungsfehler lange nicht aufgefallen). Heinze und andere, in der Weimarer Republik lebende Autoren verspürten Nippel zufolge den Wunsch nach einem starken Staat und widmeten sich so vermehrt Fragen der politischen Führerschaft. Die genaue Analyse des auctoritas-Konzepts ist somit in den Entstehungskontext der 1920-er Jahre einzuordnen. Vgl. Nippel, Roman Notion, S. 15, 28 f. Vgl. Heinze, Auctoritas, S. 350. Nippel, Roman Notion, S. 15. „that the expressed will of certain categories of persons needed an approbation by their superiors in order to gain a legal quality“, so beschreibt Nippel den Sachverhalt (Roman Notion, S. 15).
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und dem sich der andere, indem er fragt, von vornherein unterordnet“.²⁵⁷ Diese Verbindung zwischen einer Beratertätigkeit und der auctoritas des Ratgebers begegnet sowohl im privaten als auch im öffentlichen Raum, z. B. im juristischen Bereich.²⁵⁸ Heinze konstatiert für die römische Gesellschaft eine generelle Neigung dazu, Rat bei besonders geeigneten Personen zu suchen und sich diesem unterzuordnen – damit versucht er den immensen Stellenwert eines Konzeptes zu erklären, das in der griechischen Antike keinen Vorläufer hatte.²⁵⁹ Besondere Bedeutung hatte die auctoritas aber zur Zeit der Römischen Republik und bezogen auf den Senat, der die prägende Kraft in Politik und Gesellschaft und das entscheidende Organ der politischen Meinungsfindung war.²⁶⁰ Hier wurde über politische Entscheidungen debattiert und anschließend Rat erteilt.²⁶¹ Der Senat war zudem befugt, selbst Gesetzesentwürfe zu verfassen und über die Magistrate der Volksversammlung zur Abstimmung vorzulegen („ex auctoritate senatus“).²⁶² Zunächst erteilte der Senat diese Zustimmung nachträglich, seit der Wende vom 4. zum 3. Jahrhundert musste die auctoritas patrum jedoch vor dem Beschluss der Volksversammlung eingeholt werden.²⁶³ Zwar stellte diese Vollmacht des Senats kein ius dar, der Magistrat war also nicht rechtlich gebunden, dennoch wäre es politisch höchst unklug gewesen, dem Willen des
Heinze, Auctoritas, S. 353. Heinze führt die Bedeutung der auctoritas für die Entwicklung der römischen Rechtswissenschaft eingehend aus. Die auctoritas des Respondenten, der eine Art Berater des römischen Volkes in juristischen Fragen war, war Grund für die Unterwerfung des Laien unter seinen Rat und auch der Richter maß seinem Rat größeres Gewicht bei, je umfassender seine auctoritas war. Ein Beispiel gibt Cicero, De orat. 1, 198. Vgl. Heinze, Auctoritas, S. 358. Die Entscheidung wurde dann nicht mehr geprüft, sondern sich der auctoritas des Ratgebers unterworfen.Augustus verlieh einigen hervorragenden Gelehrten das Rechtsbelehrungs-Privileg; ihre persönliche auctoritas wurde somit verstärkt durch die auctoritas des princeps. Die Folge war eine Konkurrenz zwischen den Beratern, deren Ende erst das sog. Zitiergesetz des Kaisers Valentinian III. (419 – 455) von 426 darstellte: Der Kaiser wählte fünf Juristen aus der klassischen Zeit, deren juristische Ansichten künftig verbindlich gelten sollten. Bei Widersprüchen entschied das Mehrheitsprinzip. Vgl. ebd., S. 359 f. Heinze vermutet zwar, dass der Gehalt der auctoritas in jeder Gesellschaft mehr oder weniger vorhanden ist, er kann aber für den Fall der griechischen Antike kein Beispiel bringen. Tatsächlich gebe es kein Wort, das sich mit der auctoritas deckt oder ihren wesentlichen Inhalt ausdrückt.Vgl. ebd., S. 363. Vgl. Bleicken, Jochen, Lex publica. Gesetz und Recht in der Römischen Republik, Berlin 1975, S. 306. Vgl. ders., Geschichte der Römischen Republik, 6. Aufl., München 2004, S. 29. Vgl. Bleicken, Lex publica, S. 306. Vgl. Der Kleine Pauly, Bd. 1, Sp. 729. Balsdon, Auctoritas, S. 43. Balsdon weist darauf hin, dass solche Gesetze „ex autoritate patrum“ insbesondere bei Livius beschrieben werden.
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Senats nicht Folge zu leisten. Ebenso wenig waren Gesetze denkbar, denen der Senat nicht zustimmte.²⁶⁴ Das lag an der Rolle des Senats in der res publica und ganz zentral an seiner auctoritas – einer Kumulation aller auctoritas der einzelnen Senatoren. In der späten Republik war die auctoritas senatus ein Senatsbeschluss, der – im Gegensatz zum formalen Urteil des Senats (senatus consultum) – durch Interzession unwirksam geworden war.²⁶⁵ Die Gründe dafür waren vielfältig und umfassten zum Beispiel das Veto eines oder mehrerer Tribune oder Unstimmigkeiten im Ablauf der Beschlussfindung. Dennoch war die senatus auctoritas nicht Ausdruck einer im Sande verlaufenen Debatte, sondern zeigte vielmehr den Willen und die Intention der Mehrheit des Senats an.²⁶⁶ Somit entbehrte sie zwar strenggenommen der rechtlichen Wirksamkeit, sie vermochte es aber dennoch, die Römer zu binden. Später – so Heinze – ist mit auctoritas eine dem auctor dauerhaft zueigene Eigenschaft gemeint, die unabhängig ist von der unmittelbaren Ausübung. Heinze beschreibt sie als „Eignung, maßgeblichen Einfluss auf die Entschließungen der anderen kraft überlegener Einsicht auszuüben“.²⁶⁷ Dies stellt zwar keinen Befehl dar und die Unterordnung unter die auctoritas sowohl des Senats als auch unter die eines Privatmannes erfolgte freiwillig und somit nicht unter Beeinträchtigung der individuellen Freiheit, dennoch war ein Senatsbeschluss in der Wahrnehmung aller politischen Akteure quasi-verpflichtend.²⁶⁸ In diesem Kontext arbeitete Heinze eine weitere Entwicklungsstufe der auctoritas heraus: Sie verliert als Begriff der bloßen Meinungsäußerung an Ge-
Vgl. Bleicken, Jochen, Die Verfassung der Römischen Republik. Grundlagen und Entwicklungen, Paderborn 1995, S. 208. Die patrum auctoritas, also die Ratifikation von Entscheidungen des Volkes durch den Senat, war nötig um den Beschlüssen des Volkes legale Verbindlichkeit zu verschaffen. Mommsen sah die patrum auctoritas noch im Licht der auctoritas tutoris, also das Volk als Versammlung von Minderen, die rechtlich nicht ohne Zustimmung der „Väter“, also des Senats, handeln konnten. Vgl. Mommsen, Th., Römisches Staatsrecht, Bd. 3/2, 1034. Neuere Forschungen kritisieren diese Sichtweise und sehen die Funktion der auctoritas eher bei der Wahl der Magistrate und ihrer Kontrolle, da diese die Gesetze initiierten. Vgl. Nippel, Roman Notion, S. 17 f. Mommsen wird wegen seines Verständnisses von auctoritas und der Rolle des Senats auch kritisiert von Kunkel, W., Magistratische Gewalt und Senatsherrschaft, in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, Bd. 1/4, Berlin 1972, S. 3 – 22. Vgl. Heinze, Auctoritas, S. 353 f. Nippel, Roman Notion, S. 17 f. Vgl. Balsdon, Auctoritas, S. 43. Heinze, Auctoritas, S. 354. Dem Rat des Senats zu folgen, beschneidet weder die Freiheit des Volkes noch die Rolle der politischen Offiziellen, da er die „collective political wisdom“ darstellt. Im Gegenteil dazu sah Cicero im Ignorieren des Senats eine Gefahr für die Freiheit des Volkes: Cicero, M. T., De domo sua, in: Ders., Orationes, bearb. v. Albert Curtis Clark, hg.v. William Peterson, Oxford 1900, 130. Ders., Die philippischen Reden, hg.v. Rainer Nickel, Berlin 2012, 10, 23.Vgl. Nippel, Roman Notion, S. 21.
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wicht und bezeichnet die „Wirkung durch das Gewicht der Person“.²⁶⁹ Auctoritas kommt somit Begriffen wie Ansehen oder Prestige nahe, das Spezifische ist aber, dass sie andere in ihren Handlungen bestimmt, da mit ihr Vertrauen und Folgebereitschaft eng verbunden waren.²⁷⁰ Die genaue Funktionsweise der auctoritas ist nur über Beispiele zu ergründen, da sie ausschließlich in Bezug auf bestimmte Personen existierte. Cicero argumentierte häufig mit dem Konzept der auctoritas. Er beschrieb sie als nichts Sichtbares oder durch äußere Zeichen der Herrschaft Abbildbares. Das hohe Alter eines Mannes war ihr nicht abträglich, ganz im Gegenteil machten die langen Jahre eines im Dienste der res publica verbrachten Lebens die auctoritas aus bzw. förderten sie. Unter den Freuden des Alters nennt Cato der Ältere (234– 149 v.Chr.) bei Cicero an letzter und höchster Stelle die auctoritas. ²⁷¹ Maurizio Bettini fasst es treffend zusammen, wenn er sagt, dass die Autorität und das Ansehen einer Person die „Frucht einer zeitlich zurückliegenden Lebensführung“ sind.²⁷² Die auctoritas ist eine Qualität, die jeder einzelne Senator für sich reklamieren konnte. Sie wird oft direkt mit dem römischen Senat in Verbindung gebracht, aber auch Einzelpersonen konnten auctoritas beanspruchen. Gleichwohl musste der Träger derselben – der auctor – ein bestimmtes Fachwissen²⁷³ oder eine überlegene
Heinze, Auctoritas, S. 354. Vgl. Nippel, Roman Notion, S. 22. „qorum non in sententia solum, sed etiam in nutu residebat auctoritas“. Cicero, Cato, 174. In der Übersetzung Heinzes: „Sie [Paullus, Scipio und Maximus] brauchten nicht zu reden, ein Wink ihrer Augenbrauen schon wirkte.“ Vgl. Heinze, Auctoritas, S. 360. Bettini, Maurizio, Grundlagen, S. 237 ff. Ein sehr enger Zusammenhang besteht zwischen der auctoritas eines Gelehrten und der eines Redners, die ihm Überzeugungskraft verleiht. Cicero schwebte beispielsweise eine senatsähnliche Gesamtheit aller Philosophen vor, in der die sententia jedes Einzelnen durch seine auctoritas wirkte. Zur „summa auctoritate philosophi“ vgl. Cicero, De Off. II, 10. Ders., Cato der Ältere über das Alter; Laelius über die Freundschaft, hg.v. Max Faltner, 4. Aufl., Berlin 2004, S. 77: („nobilitas summorum philosophorum et auctoritas“) Vgl. Heinze, Auctoritas, S. 362. Auch die Beschreibung des Evander bei Livius legt nahe, dass die Bildung eines Mannes eine gewisse Rolle für seine auctoritas spielte. Evander hatte das Alphabet eingeführt („Er wurde verehrt, denn er hatte das Wunder vollbracht, bei diesen bar jeder Kunst lebenden Menschen das Alphabet einzuführen“), was neben seiner mutmaßlichen, göttlichen Abstammung Grund für seine Herrschaft via auctoritas war („euander tum ea, profugus ex Peloponneso, auctoritate magis quam imperio regebat loca“; „Zu der Zeit regierte Evander, ein Verbannter aus dem Peloponnes, jene Landstriche, und dies aufgrund seines Ansehens mehr denn einer königlichen Macht.“) Livius, Titus, Ab urbe condita, bearb. V. Wulf Brendel, 2. Aufl., Göttingen 2013, S. 1, 7 f. Übersetzung in: Bettini, Auf unsichtbaren Grundlagen, S. 237. Auctoritas wurde als Qualität führenden Experten zugeschrieben, so beschrieb z. B. Cicero Platos auctoritas auf dem Gebiet der Philosophie als bezwingend. Egal was Plato sage, Cicero würde seinen Überzeugungen auch ohne Begründung
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Befähigung auf einem bestimmten Gebiet vorweisen. Dabei ging es allerdings stets um Fähigkeiten, die für das Gemeinwesen von unmittelbarem Nutzen waren, wie etwa Eloquenz oder militärische Führungskompetenz. Cicero nennt die auctoritas auch unter den Anforderungen für einen Feldherren und er meint damit nicht sein Ansehen bei seiner Truppe, sondern das Gewicht seiner Persönlichkeit, das andere in ihren Handlungen bestimmt.²⁷⁴ Dass auch den principes civitatis die höchste auctoritas zu Eigen ist, ergibt sich daraus als logische Schlussfolgerung. Kaiser Augustus selbst bringt dies in aller Deutlichkeit in seinen „Res gestae“ zum Ausdruck.²⁷⁵ Besonders eng verbunden mit der auctoritas ist der Begriff der dignitas, nicht zuletzt durch Cicero, der erstere als Ausdruck der dignitas eines Mannes beschrieb.²⁷⁶ In der Bestandsaufnahme für die die dignitas generierenden Elemente treten deutlich die Parallelen zur auctoritas hervor: Es geht um die persönliche Reputation eines Mannes, sein Durchsetzungsvermögen, seine mofolgen. Vgl. Cicero, Marcus T., Tusculanae Disputationes, hg.v. Ernst A. Kirfel, Stuttgart 1997, 1, 49. Vgl. Nippel, Roman Notion, S. 24 f. Cicero, On Pompey‘s Command (De Imperio), 27– 49, bearb. V. Louise Hodgson, Ingo Gildenhard, Open Book Publishers 2014. Pompejus (106 – 48 v.Chr.) wird das Kommando im sog. Seeräuberkrieg übertragen. Die Folge ist ein steigendes Vertrauen in die wirtschaftliche Sicherheit: die Marktpreise fielen, die bis zum Vortag noch aufgrund der Angebotsknappheit hoch gewesen waren und der Zinssatz sank. Das erfolgte nicht auf seine Weisung oder auch nur seinen Rat hin, sondern hing direkt mit seiner Persönlichkeit – seiner auctoritas – zusammen. Sein Nomen reiche aus, um Hoffnung zu schöpfen, der Marktpreis wäre von nun an so niedrig gewesen, wie ihn nicht einmal eine lange Friedenszeit und fruchtbarste Felder hätten senken können („quantam vix ex summa ubertate agrorum diuturna pax efficere potuisset“).Vgl. Heinze, Auctoritas, S. 355: Bettini, Auf unsichtbaren Grundlagen, S. 257. Die betreffende Stelle in Heinzes Übersetzung lautet wie folgt: „An zwingender Machtbefugnis (potestas) habe ich nie mehr besessen, als mir jeweils, innerhalb der durch die Kollegialität gezogenen Schranken, kraft der mir übertragenen Ämter zustand; meine Vorrangstellung beruhte auf dem Einfluss (auctoritas), den man mir, mehr als irgendeinem anderen, als dem in politischen Fragen maßgeblichsten Führer freiwillig einräumte.“ Vgl. Heinze, Auctoritas, S. 355. Augustus, Meine Taten. Nach dem Monumentum Ancyranum, Apolloniense und Antiochenum (= Res gestae divi Augusti), hg.v. Ekkehard Weber, 6. Aufl., Berlin 2014, 34. Zu Augustus‘ auctoritas vgl. auch Lowrie, Michele, Writing, Performance, and Authority in Augustan Rome, Oxford 2009. Nippel verbindet mit dieser Aussage Augustus‘ seine Absicht, dem neuen politischen System des Prinzipats durch Anknüpfen an alte Werte bzw. Normbegriffe der Republik (vor allem der auctoritas, die er nun für sich beanpruchte) den Eindruck einer restaurierten Republik zu verleihen und sie so zu legitimieren. Vgl. Nippel, Roman Notion, S. 28 f. Als ein weiteres Beispiel nennt Cicero (Cicero, Marcus T., Speeches on behalf of Marcus Fonteius and Marcus Aemilius Scaurus, bearb. V. Andrew R. Dyck, Oxford 2012.) M. Aemilius Scaurus, der Princeps zu Zeiten Ciceros war: Er habe „mit seinem Wink den Erdkreis regiert“, also kraft seiner auctoritas. Übersetzung erneut von Heinze, Auctoritas, S. 355. Cicero, Marcus T., De inventione, hg.v. Theodor Nüßlein, Düsseldorf 1998,2, 166. Vgl. Balsdon, Auctoritas, S. 48.
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ralische Aufstellung, seine Leistungen und seinen sozialen Stand, d. h. die gute Stellung seiner Familie. Begünstigt wird die nur schwer zu bewerkstelligende Unterscheidung zwischen den beiden Konzepten unter anderem von den unterschiedlichen Definitionen von dignitas durch antike Gelehrte wie Tacitus, der das Konzept ständig weiterentwickelte.²⁷⁷ Eine Möglichkeit, dennoch mehr Trennungsschärfe zwischen den Termini zu erreichen, ist die stärkere Berücksichtigung des performativen Elements: Wähend die dignitas einer Person zueigen ist, ist die auctoritas eher eine Fremdzuschreibung. Sie ist zwar eng mit einem Individuum verbunden²⁷⁸, ist aber (und hier muss Heinze²⁷⁹ widersprochen werden) nur eine quasi-Eigenschaft.²⁸⁰ Tatsächlich entfaltet auctoritas ihre Wirkung ausschließlich in bestimmten Situationen und Zusammenhängen.²⁸¹ In der römischen Geschichte gibt es hierfür zahlreiche Beispiele, besonders einschlägig ist aber das des Senators Licinius Regulus. Aufgrund einer durch Kaiser Augustus 18 v.Chr. angestrebten Säuberung des Senats und Reduzierung seiner Mitglieder sollte er vom Senat ausgeschlossen werden. Der römische Geschichtsschreiber Cassius Dio (fl. 163 – 229) berichtet, dass dies zu großem Verdruss unter den Betroffenen führte. Nachdem der Sohn Licinius‘ Regulus und „viele andere, die er an Verdienst zu übertreffen glaubte, gewählt, er hingegen von der Liste gestrichen“ worden war, riss er sich „mitten im Senat das Unterkleid auf, entblößte die Brust, zählte seine vielen Feldzüge auf, und zeigte seine Narben vor“.²⁸² Tatsächlich kam es daraufhin zu einer erneuten Musterung des Senats, viele der vormals verstoßenen Mitglieder nahmen ihre Plätze wieder ein – unter ihnen auch Licinius Regulus.²⁸³ Zwar zählt dieses Beispiel der Funktions- und Wirkweise von aucto-
Vgl. Balsdon,Auctoritas, S. 48. Vgl. Bleicken, Verfassung, S. 209. Vgl. Heinze, Auctoritas, S. 354: Er beschrieb auctoritas als eine dem auctor dauerhaft aneignende Eigenschaft. Vgl. zu diesen Überlegungen auch Bettini, Auf unsichtbaren Grundlagen, S. 244. „Die Bedeutung von auctoritas wird dadurch nämlich geleichermaßen abstrakt und konkret und ist irgendwo zwischen einer Eigenschaftsbezeichnung und einer Tatbefugnis anzusiedeln.“ Bettini beruft sich bei dieser Einschätzung auf Collart, J., A propos du mot ‚auctoritas‘, in: Helikon 1 (1961), S. 211– 216. Vgl. dazu auch Bettini, Auf unsichtbaren Grundlagen, S. 244 ff., 258: „Die auctoritas im Sinne einer Situation, die dadurch geschaffen wird, dass eine Person sich zum auctor macht“ und sich so dafür einsetzt, dass eine bestimmte Angelegenheit gelingtund zum Wohl aller Bürger bzw. der Res publica beiträgt – wofür der auctor selbst bürgt. Cassius Dio’s Römische Geschichte, übersetzt v. D. Leonhard Tafel, Bd. 6, Stuttgart 1837, S. 1102 f. Vgl. Flaig, Egon, Ritualisierte Politik. Zeichen, Gesten und Herrschaft im Alten Rom, Göttingen 2004, S. 129.
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ritas bereits in die Kaiserzeit,²⁸⁴ dennoch wird deutlich, dass militärische Leistungen, aus denen dignitas entspringt, als politisches Argument im Sinne eines zu berücksichtigenden, individuellen Einsatzes für die Res publica geltend gemacht werden konnten. Damit gab Licinius Regulus nicht nur den Ausschlag zu einer erneuten Abstimmung, die dann auch in seinem Sinne ausfiel, sondern er warf seine dignitas in die Waagschale, die von den anderen Senatsmitgliedern als auctoritas anerkannt wurde und sie zu einem bestimmten Handeln bewegte. Ein ähnliches Beispiel liefert die Rolle des betagten Konsuls Servilius Pulex bei der Realisierung eines Triumphzuges des Feldherren Aemilius Paullus 167 v.Chr.²⁸⁵ Auch hier gab die auctoritas des kampferfahrenen Konsuls²⁸⁶ den Ausschlag für eine Neubewertung der Situation und die Entscheidung.²⁸⁷ Einem auctor, also dem Inhaber der auctoritas, folgten die Römer frag- und bedingungslos, zum Teil auch gegen die Vernunft.²⁸⁸ Der situativ bedingte, performative Charakter der auctoritas tritt auch in Balsdons Zusammenfassung zu Tage: „the effective exercise of consilium and auctoritas“ ist es, die zur Mehrung der dignitas beiträgt.²⁸⁹ Insbesondere die Einflussmöglichkeit der Senatoren auf das politische Regiment der Republik durch auctoritas, die zu keiner Zeit ein festgeschriebenes Recht darstellte, bedarf der Trennung von einem weiteren Kernelement der römischen Verfassung: der potestas. Damit ist die zivile Amtsgewalt der Magistrate
Nach dem Prinzipat des Augustus verlor die auctoritas an Bedeutung; Nippel resümiert „auctoritas has lost its emphatic connotation“ (Roman Notion, S. 32). Der Senat wurde zwar noch immer um Rat gefragt, er orientierte sich aber zunehmend an dem, was der Kaiser hören wollte. Beschlüsse „ex auctoritate senatus“ gab es noch immer, sie waren aber mehr Fassade. Die nun häufig genutzte Formel „ex auctoritate principis“ meinte eine Person oder eine Körperschaft, die mit dem Mandat des Kaisers handelte und nicht mehr die Quelle der Legitimation dieses Kaisers selbst war. Vgl. ebd., S. 30 ff. Vgl. Livius, Ab urbe condita, ab 35.7– 45.4. Plutarch, Lives. Dion and Brutus. Timoleon and Aemilius Paulus, bearb. v. Bernadotte Perrin, London 1993, S. 30 ff. Zur Präsentation von Narben als Argument im antiken Rom Vgl. Flaig, Ritualisierte Politik, ab S. 123. Weitere Beispiele für die Wirksamkeit der auctoritas von Senatoren liefert etwa Cicero, der die Unterstützung für ihn im Jahr 63 durch „consilium et auctoritas“ der Senatoren L. Lucullus, P. Servilius Vatia und M. Lucullus anerkannte. Vgl. Cicero, Marcus T., De dom., 132. Ders., On academic scepticism (= Academica), bearb. v. Charles Brittain, Indianapolis 2006, 2.3. Ebenso eindeutig war das Scheitern der Republik für Cicero daran gekoppelt, dass die auctoritas des Konsuls Ser. Sulpicius Rufus im Jahr 51 unbeachtet blieb. Vgl. Ders., An seine Freunde (= Epistolae ad familiares), hg.v. Helmut Kasten, 4. Aufl., München 1989, 6.1.6. Vgl. auch Balsdon, Auctoritas, S. 43 f. Vgl. Bleicken, Verfassung, S. 209. Vgl. Balsdon, Auctoritas, S. 48.
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gemeint.²⁹⁰ Unterschieden hiervon wird imperium, was die Amtsgewalt der höheren Beamten mit militärischer Kommandobefugnis meint, also zum Beispiel der Konsuln, Prätoren und Diktatoren. Imperium meinte ursprünglich die Vollgewalt des Königs und wurde erst im Zuge der Ständekämpfe erheblich eingeschränkt. Während imperium bezogen auf die militärische Befehlsgewalt zum Inbegriff der römischen Macht und des römischen Herrscherwillens wurde, wird durch potestas eine andere Form der Amtsgewalt ausgedrückt.²⁹¹ Der Begriff bezieht sich weniger auf den inhaltlichen Aspekt der Amtsbefugnis, sondern bildet das Verhältnis der Amtsgewalten untereinander hierarchisch ab (par potestas, maior potestas, minor potestas).²⁹² In diesem Sinne ist potestas stets Amtsgewalt in Bezug auf andere Amtsgewalt und als solches zentral für die reibungslose Regelung der Abläufe innerhalb der Magistratur. Alle Beamten waren durch das Rechtsinstitut der potestas zusammengefasst, sie regelte die Hierarchie vertikal und horizontal durch Interzessions- bzw. Verbietungsrecht, welches aus den jeweils unterschiedlichen potestates entsprang. Als solches fungierte die postestas der Beamten auch als Instrument zu ihrer kollektiven Selbstregulierung innerhalb der aristokratischen Gesellschaft.²⁹³ Weiterhin eng mit potestas und imperium verbunden ist der Begriff der provincia, der den sachlichen und räumlichen Geschäftskreis eines Magistrats meint.²⁹⁴ Der wesentliche Unterschied zwischen auctoritas und potestas besteht darin, dass Letztere die als ius verbriefte, exekutive Amtsgewalt der Magistrate bezeichnet, während auctoritas einen Einfluss der Senatoren meint, der über den streng rechtlich festgelegten Machtkreis hinausgeht, faktisch aber eine enorme Bindungskraft der Zeitgenossen erwirken konnte.²⁹⁵ Nur mit einem umfassenden Verständnis der auctoritas ist der ungeheure Einfluss des Senats zu verstehen, denn hier versammelten sich die Nobelsten der Römischen Republik und vereinten ihre individuelle auctoritas zu einem Organ, das die Summe aller sozialen Kräfte und politischen Leistungen Roms abbildete.²⁹⁶ Die auctoritas senatus war somit stärkste Kraft in der staatlichen Gemeinschaft und wirkte auch noch nach, wenn der Magistrat beispielsweise gegen einen Senatsbeschluss vorging. Dieser trat dann zwar nicht regulär in Kraft, dennoch blieb er als Autorität bestehen und wirkte als Wille des Senats und Handlungsaufforderung an jeden Einzelnen
Vgl. Bleicken, Verfassung, S. 97 f. Der Kleine Pauly, Bd. 4, Sp. 1093. Vgl. Bleicken, Verfassung, S. 99. Vgl. ebd., S. 98. Vgl. ebd.,, S. 103 f. Vgl. Der Kleine Pauly, Bd. 4, Sp. 1199. Vgl. Fürst, Auctoritas, S. 74 f. Vgl. Bleicken, Lex publica, S. 304. Ders., Verfassung, S. 209.
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nach.²⁹⁷ In diesem Sinne gab der Senat die Initiative zu staatlichen Aktionen und band alle Bürger durch seine auctoritas. Da die abstimmenden Bürger seinen Willen berücksichtigten, wirkte er indirekt auf Volksbeschlüsse ein und nahm auch auf den Magistrat Einfluss bezüglich der Volksgesetzgebung, indem er Gesetzesanträge, die der Magistrat dem Volk vorlegen wollte, autorisierte. Zwar hatte der Senat keine rechtliche Befugnis, die als ius verbriefte Gesetzesinitiative des Magistrats einzuschränken, dennoch war die Autorisierung von Gesetzen durch den Senat obligatorisch. In diesem Sinne spricht Jochen Bleicken von einer „defacto Monopolisierung der Gesetzgebung beim Senat“.²⁹⁸ Dass dieses Verhältnis keineswegs unproblematisch war, zeigt die spätere Entwicklung.²⁹⁹
3.4 Zur Diskrepanz zwischen Macht und Autorität und der Vereinbarkeit von „authority“ mit „potestas“ Wie kann die antike Verfassung Roms nun bei der Deutung von Hobbes’ Staatstheorie, insbesondere seiner Argumentation mit „authority“ weiterhelfen? Die umfangreiche Beschreibung der Vollmacht des bürgerlichen Souveräns ist bei Hobbes zweifelsohne die bedeutendste Facette des Begriffes. Die wichtigste Definition der „authority“ im „Leviathan“ gibt Hobbes selbst: „And as the Right of possession, is called Dominion; so the Right of doing any Action is called AUTHORITY.“³⁰⁰ Diese Aussage ist, unabhängig von allen später folgenden Ausführungen, Einschränkungen und Vernetzungen, der Grundbaustein von Hobbes’ Vorstellung der Autorität: Sie ist das oberste und exklusivste Recht des Souveräns. Und eben dies ist auch der größte Unterschied zum Begriff der antiken auctoritas: ihr Rechtscharakter. Denn wie soeben ausgeführt wurde, ist die antike auctoritas des Senats zwar ein ganz wesentliches Element des politischen Lebens und der
Vgl. Bleicken, Verfassung, S. 210. Bleicken, Lex publica, S. 309. Denn als Institution war der Senat nicht handlungsfähig und brauchte für Gesetzesanträge den Magistrat als Exekutive. Je mehr sich zudem das Imperium ausdehnte, desto mehr begann sich auch die Gruppe der Nobilität aufzulösen. Einzelne Aristokraten strebten nach mehr Macht und Einfluss im politischen Leben und emanzipierten sich über ihre Standesgenossen, deren Fülle an auctoritas und dignitas keine unüberwindbare Schranke mehr darstellte (bekannte Namen sind Cäsar, Pompeius, Antonius, Brutus und Cassius). Die Verfechter der traditionellen Ordnung warfen den Betreffenden Machtstreben und Maßlosigkeit vor und betonten die auctoritas des Senats, dem als bestimmende Kraft im politischen Gefüge unbedingt Folge zu leisten war. Vgl. Bleicken, ebd., S. 491. Grundlegend auch Meier, Christian, Res Publica Amissa. Eine Studie zur Verfassung und Geschichte der späten römischen Republik, Stuttgart 2017. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 244.
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Meinungsbildung sowie der Entscheidungsfindung der Römischen Republik. Eines war sie jedoch nie – ein festgeschriebenes „ius“. Nicht ohne Grund wurde deshalb das Konzept der antiken potestas näher erläutert. Hier findet sich das, was Hobbes später seinem Entwurf der „authority“ zudenkt, nämlich die als Recht verbriefte, exekutive Amtsgewalt. Damit steht Hobbes’ „authority“ der antiken potestas weitaus näher, als der auctoritas, auch wenn die Ähnlichkeit der Begriffe etwas anderes suggeriert. Wesentliche Unterschiede zwischen „authority“ und potestas existieren bezogen auf die Akteure bzw. Ausübenden dieser Amtsrechte. Im Falle von Hobbes’ Autorität ist dies zunächst stets der bürgerliche Souverän, da alle anderen Beamten ohne Ausnahme durch ihn autorisiert sind; sie üben Autorität kraft seiner Erlaubnis und Delegation aus, haben sie jedoch nie selbst inne bzw. sie leitet sich nicht aus ihrer Person heraus oder von ihrer gesellschaftlichen Stellung ab. Bei der antiken potestas sind es hingegen die Magistrate, die die Amtsgewalt für die Dauer ihrer Legislaturinnehaben. Eine Ähnlichkeit zwischen Hobbes’ „authority“ und antiker potestas sind die vielfältigen Delegierungsmechanismen und hierarchischen Abstufungen, die beide Konzepte kennzeichnen. Zwar spricht Hobbes in keinem Fall von drei verschiedenen Graden der Autorität, wie es eine kongruente Analogie zum potestasBegriff nahegelegt hätte. Denn diese Kompetenz wurde, wie oben ausgeführt, unterschieden nach maior potestas, minor potestas und par potestas. Nur an einer Stelle ist tatsächlich von par potestas die Rede – nämlich wenn Hobbes die Herleitung des päpstlichen Namens Pontifex Maximus beschreibt.³⁰¹ Eine an die maior potestas angelehnte Formulierung Hobbes’ könnte „Summa Potestas“ sein, die häufig in der lateinischen Übersetzung des „Leviathan“ für „Supreme Authority“ und ähnliche Wendungen verwandt wird. Dennoch macht er sich in seinem Hauptwerk die Mühe, in eigens dafür geschriebenen Kapiteln die Mechanismen der Verteilung der als „authority“ beschriebenen Handlungsrechte, ihre Verbindungen untereinander und vor allem ihre Ableitung überdeutlich darzulegen. Ihm war völlig klar, dass ein einzelner Mensch, auch wenn er der bürgerliche Souverän eines Staates ist, die Verwaltung desselben nicht allein bewältigen kann. Ein immenser Apparat an Beamten und Administratoren war hierfür vonnöten. Niemals sollte der Leser jedoch vergessen, wer tatsächlich die Quelle aller Autorität ist. Dieses Wissen sollte es den Untertanen leichter machen, „This [Pontifex Maximus] was the name of him that in the ancient Common-wealth of Rome, had Supreme Authority under the Senate and People“. Im Vergleich dazu die lateinische Übertragung: „Nom tamen nomen illud ante sumserunt, qum vim suam Imperium in Italia perdiderat, nam Pontificatus, magna Summae Potestatis pars erat.“ Ebd., S. 1046. Hobbes, Leviathan, lat. Fassung, S. 1047.
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ihren Stand in der Gesellschaft zu akzeptieren und damit Aufständen vorbeugen. Dies war nach Hobbes’ eigener Aussage ein wesentliches Anliegen des „Leviathan“ und vor dem Hintergrund der noch frischen Eindrücke des Bürgerkrieges nur zu verständlich. In diesem Sinne schließt Hobbes den „Leviathan“: „And thus I have brought to an end my Discourse of Civill and Ecclesiasticall Government, occasioned by the disorders of the present time, without partiality, without application, and without other designe, than to set before mens eyes the mutuall Relation between Protection and Obedience […]“.³⁰² Die Beschreibung von potestas als Amtsgewalt in Bezug auf andere Amtsgewalt ist interessant. In der Republik wurde unterschieden zwischen gleicher Amtsgewalt zwischen Kollegen, z. B. zwischen den beiden Konsuln, die sogenannte par potestas. Weiterhin gab es die übergeordnete Amtsgewalt zwischen höheren und niederen Magistraten, z. B. dem Konsul und den Quästoren, die maior potestas, und schließlich umgekehrt die niedere Amtsgewalt, z. B. die der Quästoren gegenüber den Konsuln, die als minor potestas bezeichnet wurde. Diese hierarchischen Abstufungen finden sich in ähnlicher Form in Hobbes’ „Leviathan“. Die Delegation der Autorität des Souveräns auf Institutionen beispielsweise mit legislativen oder exekutiven Befugnissen oder auf Einzelpersonen ist hierbei zu nennen, der Hobbes ein breites Spektrum einräumt. Dieses reicht von der Errichtung juristischer Personen, politischer Körperschaften und ihrer Vertreter sowie der Einsetzung von Beamten und aller, „welche vom Souverän autorisiert sind“, für die Vollstreckung von Urteilen, die Veröffentlichung der Befehle des Souveräns, die Unterdrückung von Tumulten, das Ergreifen und Einsperren von Verbrechern und die Umsetzung aller Handlungen zum Erhalt des Friedens. Indem der Souverän stets der Inhaber aller „authority“ bleibt, bildet Hobbes mit den Verteilungsmechanismen derselben die Ausbildung einer staatlichen Hierarchie ab und führt seine Staatstheorie im Lauf der Argumentation immer wieder auf dieses Muster zurück. So werden alle Institutionen, Korporationen, Ämter usw. stets an die übergeordnete Autorität des Souveräns – oder in antiken Wendungen seine maior potestas – zurückgekoppelt, was klare Abhängigkeitsverhältnisse schafft. Auch Hobbes’ so beliebte Zitation der Bibel veranschaulicht die innere Hierarchie der Autorität. Hobbes beschreibt den Vertragsschluss zwischen Gott und Moses sowie später dem Rat der 70 Ältesten, denen allen von Gott Autorität übertragen wurde, von denen Moses aber als Statthalter Gottes auf Erden die größte Autoritätsfülle erhielt. Übersetzt man dies in antike Wendungen von potestas, so erhielten die 70 Ältesten par potestas, kollegiale, gleiche Amtsgewalt; Moses hingegen war mit überlegener potestas ausgestattet,
Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 1140.
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das heißt im Vergleich zu ihm besaßen die Ältesten minor potestas. ³⁰³ Die Quelle aller Amtsbefugnis war Gott, der in dieser biblischen Zeit dieselbe Stellung einnahm wie später der bürgerliche Souverän, der ebensolche Hierarchien bei der Verteilung der Ämter im Staat schaffen und jederzeit wieder vernichten konnte. Die Beobachtung, dass Hobbes’ Autoritätsbegriff deutliche Ähnlichkeit mit dem Konzept der römischen potestas aufweist, lässt sich auch in der Sprache Hobbes’ wiederfinden. In seinem „Leviathan“ verwendet er „authority“ überaus häufig und an bedeutenden Stellen seiner Argumentation, wie bereits gezeigt wurde. Zugleich ist anzunehmen, dass er sich über die antiken Konzepte und die Verwendung von auctoritas und potestas in den römischen Quellen bewusst war. Die lateinische Übersetzung des „Leviathan“ entstand erst in der Restaurationszeit und somit einige Jahre nach der Veröffentlichung der englischen Fassung.³⁰⁴ Aufgrund der geteilten Sprache der Quellen der Römischen Republik und der lateinischen Ausgabe des „Leviathan“ und vor allem mit Blick auf die Mitte des 17. Jahrhunderts steigende Konjunktur des Rückbezugs auf klassisch-antike Werke, ihre Definitionen und Deutungszusammenhänge, liegt es nahe zu fragen, wie Hobbes den Begriff der „authority“ in der lateinischen Fassung übersetzte. Mit der Feststellung, dass „authority“ bei Hobbes dem Konzept der klassischen potestas näher kommt, als dem der auctoritas, lässt sich vermuten, dass er diesem Unterschied bewusst auch in der lateinischen Übersetzung Rechnung trägt. Aus diesem Grund sollen bei der Untersuchung der verwendeten Termini für „authority“ auch Begriffe wie Macht („power“), Gewalt („sovereign power“) u. ä. in den Blick genommen werden, die von der Forschung häufig eher mit potestas assoziiert wurden. Eines fällt schnell auf: Hobbes nutzt den Autoritätsbegriff deutlich häufiger in der früheren englischen Fassung. In der lateinischen Übersetzung wird anders übersetzt oder umschrieben, in einigen Fällen wird die betreffende Passage sogar ganz gestrichen. Mehrere Textstellen sollen hier als Belege angeführt werden.
Vgl. ebd., S. 618. Eine ältere Forschungstradition sieht den lateinischen Text als „Proto-Leviathan“, den Hobbes noch vor der 1651 veröffentlichten englischen Fassung geschrieben haben soll. Die spätere Veröffentlichung der lateinischen Übersetzung des „Leviathan“ soll dann nur eine Überarbeitung und partielle Anpassung dieses bereits vorliegenden, lateinischen Manuskripts gewesen sein. Zuerst vertreten durch Łubieński, Zbigniew, Die Grundlagen des ethisch-politischen Systems von Hobbes, München 1932, S. 253 – 270. Weiterentwickelt von Tricaud, François, Introduction, in: Thomas Hobbes, Leviathan, hg.v. François Tricaud, Paris 1971, S. XI–XXXVI, hier S. XIX–XXIX. Noel Malcolm hat dieser Annahme unter Berücksichtigung zeitgenössischer Quellen überzeugend widersprochen, vgl. Ders., Introduction, S. 168 – 175.
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Hobbes schreibt zu Beginn des 19. Kapitels in der englischen Fassung: „It is manifest, that men who are in absolute liberty, may, if they please, give Authority to One man, to represent them every one; as well as give such Authority to any Assembly of men whatsoever.“³⁰⁵ In der lateinischen Ausgabe lautet dieselbe Passage wie folgt: „Quod multitudo, antequam in Unam Civitatem coaluerint, potuit, si voluisset, Potestatem Summam in Unum hominem, non minore Iure quam in Coetum contulisse[…]“.³⁰⁶ Es geht Hobbes hier offensichtlich um die Errichtung verschiedener Staatsformen durch die Übertragung der Autorität auf Repräsentanten, entweder einen Monarchen oder eine wie auch immer geartete Versammlung von Männern. Interessant ist nun, dass „authority“ im englischen Text der Hobbesschen Definition folgend als Recht auf Handlung bzw. Amtsgewalt verwendet wird. In der lateinischen Übersetzung wird jedoch explizit nicht von auctoritas gesprochen, sondern es findet der Begriff summa potestas Verwendung – und dies an einer Stelle, an der Hobbes die Basis der Errichtung seines bürgerlichen Staates beschreibt. Diese Übersetzung ist meiner Ansicht nach kein Zufall, sondern ein Mittel, um dem Leser der lateinischen Fassung – die sich ja an ein Publikum europäischer Gelehrter richtete, die selbstredend des Lateinischen mächtig waren und zudem die notwendige, die römische Antike betreffende Vorbildung hatten, um einen solchen Verweis verstehen zu können – nochmals klar zu machen, um was es Hobbes ging. Nicht Macht in Form überlegener physischer Gewalt ist der Schlüssel zur Errichtung eines geordneten Gemeinwesens, sondern die auf festgelegten Rechtsgrundlagen beruhende, von der Gesamtheit der Bürger getragene Entscheidung, einen Souverän zur Herrschaft zu autorisieren und ihm damit jede mögliche Handhabe zur Regelung des öffentlichen Lebens zu übertragen. Eine weitere Stelle, an der Diskrepanzen zwischen dem Wortlaut der lateinischen und englischen Fassung bestehen, findet sich im Kapitel 42 „Von der kirchlichen Gewalt“. In dieser Passage geht es um die Frage, in welchen Fällen die Apostel und ihre Nachfolger die Befugnis haben, einem Büßer die Absolution zu erteilen. Dabei haben sie sich ausschließlich nach den äußeren Zeichen der Reue zu richten, meint Hobbes. Sind diese Reuezeichen äußerlich wahrnehmbar vorhanden, so muss dem Büßer Absolution erteilt werden, sind sie es nicht, so darf ihm keine Absolution gewährt werden. „[…] the outward marks of Pepentance; which appearing, they have no Authority to deny Absolution; and if they appeare not, they have no authority to Absolve.“³⁰⁷ In der lateinischen Entsprechung stellt
Ebd., S. 286. Hobbes, Leviathan, lateinische Fassung, S. 287. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 794.
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sich derselbe Satz wie folgt dar: „[…] & illis apparentibus, Potestatem non Absolvendi nullam habuerunt; non apparentibus absolvere non potuerunt.“³⁰⁸ Es geht hier nicht direkt um die übergeordnete Autorität des Souveräns, sondern um den festumgrenzten Aufgabenbereich – also die Amtsbefugnis – der Apostel und ihrer Nachfolger. Auch hier überträgt Hobbes in bewährter Manier ein Motiv aus der Bibel auf seine Staatslehre. So wie die Apostel die Vertreter und Nachfolger Jesu waren, von ihm dazu autorisiert, die christliche Lehre in die Welt zu tragen und die Sakramente zu spenden, so werden die Nachfolger der Apostel, also die Männer der Kirche, ebenfalls autorisiert: allerdings in diesem Fall durch den Souverän, der der Kirche ebenso vorsteht, wie dem Staat. Die letzte Entscheidung über die Absolution eines Sünders trifft natürlich stets Gott selbst, da er als einziger in die Seele des Menschen sehen kann und aufrichtige Reue von vorgetäuschter zu unterscheiden weiß. Den Vertretern der Kirche ist das nicht möglich. Deshalb müssen sie ihr Urteil auf der Basis des Sichtbaren fällen. Womit der Rahmen des ihnen Möglichen ausgeschöpft ist; genau so weit reicht ihre Amtsgewalt. Aus diesem Grund ist auch an dieser Stelle die Übersetzung von „authority“ mit postestas treffend und meint nicht Macht (womit potestas häufig gleichgestellt wird), sondern ein klar umrissenes, zugewiesenes Aufgabengebiet, das nicht aus eigener, sondern delegierter Vollmacht entspringt. Ein großes Defizit dieser Ordnung ist zwar offensichtlich, nämlich die Möglichkeit, Reue vortäuschenden Büßern Absolution zu gewähren, daran etwas zu ändern liegt aber außerhalb der Befugnis des Geistlichen. Ein weiteres Beispiel für die Übersetzung von „authority“ mit potestas gibt Hobbes in Kapitel 12 „Von der Religion“. Es ist eine überaus bedeutende Passage seines „Leviathan“, denn tatsächlich geht es ihm weniger um religiöse Anschauungen als vielmehr um angemaßte Macht und Befugnisse der Kirche und ihrer Vertreter, vor allem außerhalb des weltlichen Herrschaftsgebietes des Papstes. Seine Ausführungen hierzu haben ihm flächendeckend die Feindschaft oder zumindest Missgunst vieler katholischer Kirchenmänner eingebracht und waren in diesem Sinne auch ein Grund dafür, dass er sein französisches Exil verlassen musste.³⁰⁹ Durch Hobbes’ im „Leviathan“ an vielen Stellen auffindbare
Hobbes, Leviathan, lateinische Fassung, S. 795. Hobbes selbst gab in seinen „Considerations“ für seine Flucht aus Frankreich an, er „would not trust his safety with the French Clergy“ (S. 8). Ähnlich beschreibt er in seiner Autobiografie die Angst, vom römisch-katholischen Klerus in Frankreich schlecht behandelt zu werden, insbesondere, da er zu dieser Zeit bereits vom Hof Karls II. (1660 – 1685) verbannt war. Er beschreibt die Rückkehr nach England hier als Notwendigkeit („he was forced to take refuge in England“). The Life of Mr. Thomas Hobbes of Malmesbury. Written by himself in a Latine Poem And now Translated into English, London 1680, S. 17. Hobbes’ Angst, aufgrund der Denunziation durch fran-
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Strategie, mit der Kritik an der römisch-katholischen Kirche zugleich auch Kritik am Presbyterianismus und an einem, sich auf das „divine right“ berufendem Episkopat zu üben, machte er sich ebenfalls Feinde beim am Exilhof ausharrenden anglikanischen Klerus.³¹⁰ zösische Katholiken bei den Kirchenautoritäten des Landes verfolgt und sogar inhaftiert zu werden, war sicherlich begründet. Ob dies allerdings den einzigen Grund für das Verlassen des Exils darstellt und in wie fern Hobbes tatsächlich zur Flucht gezwungen war oder eine Rückkehr selbst wollte und vorbereitet hat, sind in der Hobbes-Forschung viel diskutierte Fragen, denen sich weiter unten noch genauer gewidmet werden soll (vgl. Kapitel 5). Insbesondere zu nennen sind hier Edward Hyde, Robert Payne (1596 – 1651), Richard Steward (1595 – 1651) und John Bramhall.Vgl. zu dieser Thematik auch Malcolm, Introduction, S. 36 ff. Dass der anglikanische Klerus durch das endgültige Scheitern der militärischen Operationen Karls II. in Worcester am Exilhof wieder erstarkte, war für Hobbes ein ungünstiger Umstand. Bei zentralen politischen Fragen hatte er zuvor häufig eine vollkommen andere Meinung vertreten, als viele der anglikanischen Geistlichen. Gemeint ist hiermit v. a. die Allianz zwischen Karl II. und den schottischen „Covenanters“ zur Rückeroberung Englands, die ein großes Streitthema war. Hobbes war ein Befürworter dieser Allianz und vertrat somit politisch eher pragmatische Prinzipien. Das Engländer von ihrem eigenen König mit Hilfe „fremder“ Soldaten (die obendrein Presbyterianer waren) angegeriffen werden sollten, war für viele andere Royalisten und insbesondere für die Vertreter der anglikanischen Kirche ein Gräuel. Aber auch bezogen auf die Fragen der Akzeptanz des „Engagements“ (das Hobbes bejahte) und der Praxis des „compounding“ (also des SichUnterordnens unter die neuen Machthaber durch Zahlung eines Abschlages des Privatbesitzes und die dadurch gewährleistete Sicherung des Großteils des Eigentums) vieler Royalisten (dem Hobbes ebenfalls positiv gegenüberstand), machte Hobbes sich viele Feinde. Vgl. Malcolm, Introduction, S. 96. Hobbes’ Ansichten waren zu diesem Zeitpunkt bereits im „Leviathan“ manifestiert: Das Werk fand Eingang in das „Stationer’s Register“ am 20. [30.] Januar 1651. Dem Buchhändler Andrew Crooke (um 1605 – 1674) lag zu dieser Zeit wohl bereits ein vollständiges Manuskript vor. Mitte April des Jahres waren die Überarbeitungen am Leviathan fast beendet. Darüber, wann das Werk im Handel erschien, finden sich unterschiedliche Angaben, in jedem Fall dürfte es Ende April oder spätestens Anfang Mai 1651 so weit gewesen sein. Einige Kopien erreichten dann auch relativ schnell Frankreich, sodass sich Hobbes’ Ansichten fluchs am Exilhof verbreiteten. Vgl. ebd., S. 91 ff. Probst, Infinity, S. 274 ff. Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 52 f. Spätestens ab Herbst 1651 wurde Hobbes zur Zielscheibe scharfer Kritik, besonders von Edward Hyde, der nunmehr der Hauptratgeber Karls II. war, und Richard Steward, der allerdings im November verstarb. Dass insbesondere der Earl of Clarendon federführend bei der Verbannung Hobbes’ vom Exilhof Karls II. war, lässt sich anhand mehrerer Quellen belegen. Die interessanteste Quelle stellt die Korrespondenz zwischen ihm und Edward Nicholas (1593 – 1669) vom Januar 1652 dar. Auf die Frage des in Den Haag weilenden Nicholas zur Rolle von Hyde und anderen Kirchenmännern bei der Verbannung Hobbes’ vom Hof antwortete Hyde: „I had indeede some hand in the discountenancing my old freind Mr. Hobbs“. Zudem fügt er an, dass die Katholiken im Umfeld der Königin hieran keinen Anteil hatten (auch das war eines der Gerüchte gewesen, die Nicholas zu Ohren gekommen waren). Vgl. Brief vom 8 [18] Januar 1652, ediert in: The Nicholas Papers I, hg.v. George Warner, London 1886 – 1920, Nr. 285. Zu Hydes Antwort: Clarendon, Edward
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Wie bereits erwähnt, hält Hobbes die Salbung eines Königs und seine Krönung durch Vertreter der Kirche und die angeblich erst dadurch ermöglichte Ableitung seiner Autorität von Gott für ein überholtes Ritual, dessen tatsächlicher Nutzen deutlich zu Tage tritt, denn diese Rituale seien „manifestly to the advantage of the Pope, and of his spirituall subjects, residing in the territories of other Christian Princes“.³¹¹ Aus diesem Grund sei es ein Leichtes, „[to] exclude all forraign Authority“³¹², wie dies auch in England bereits erfolgt sei. In der lateinischen Entsprechung ist an dieser Stelle von potestas die Rede.³¹³ Auch der darauf folgende Satz ist interessant, vor allem um den Sinn für die Feinheiten von Übersetzungen zu schärfen. In der englischen Originalfassung schreibt Hobbes: „For who is there that does not see, to whose benefit it conduceth, to have it believed, that a King hath not his Authority from Christ unlesse a Bishop crown
Hyde, Earl of, Brief vom 17. [27] Januar 1652, Bodl. MS Clarendon 42, fo. 316 v.. Vgl. Dazu auch Malcolm, Introduction, S. 99. Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 91 ff. Immerhin hatte Hobbes früher recht gute Kontakte zum Zirkel um die Königin gehabt, etwa zu John Colpeper (1600 – 1660) und Henry Jermyn (um 1605 – 1684) – Letzterer hatte ihm wohl auch die Stellung als Mathematiklehrer Karls II. verschafft. Vielleicht half ihm das in seiner recht prekären Situation Ende 1651 nicht viel, aber immerhin schienen die Kräfte, die ihn vom Hof verbannt sehen wollten, nicht aus dieser Richtung zu kommen.Vgl. Malcolm, Introduction, S. 27 ff. Eine weitere Quelle für die Rolle von Karl II. nahestehenden englischen Geistlichen bei der Verbannung Hobbes ist der „Mercurius Politicus“ Marchamont Nedhams. In der Ausgabe vom 8. [18]–15.[25] Januar 1652 schreibt Nedham, dass Karl II. nachdem er den „Leviathan“ in einer kostbaren Ausgabe von Hobbes erhalten hatte, „being afterward informed by some of his Priests, that the Book did not only contain many Principles of Atheism and grosse Imp[ie]ty […] but also such as were prejudicial to the Church, and reflected dangerously upon the Majesty of Soveraign Princes, therefore when M. Hobbs came to make tender of his service to him in person, he was rejected, and word brought him by the Marquiss of Ormond, that the King would not admit him.“ Nedham, Marchamont, Mercurius Politicus, 19 Bde., London 1971, Nr. 84, S. 1344. Und schließlich bestätigt Hobbes selbst in seiner Autobiografie, dass englische Theologen am Exilhof Schuld an seiner Verbannung waren. Evt. meinte er damit auch direkt John Bramhall, der im Dezember 1651 nach Paris zurückgekehrt war. „In 1651 a number of copies of that book, recently published in London, were sent into France, where certain English theologians denounced some of the doctrines contained in that book as both heretical and hostile to the royal side; and, indeed, those calumnies prevailed for some time – so much so, that he was banned from the royal household.“ Hobbes, Thomas, Thomae Hobbes Malmesburiensis Vita Carmine Expressa in Opera philosophica, hg.v. Molesworth, London 1839, S. 9 f. Hobbes kehrte zur Jahreswende 1651/52 nach England zurück. Vgl. Malcolm, Introduction, S. 99. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 186. Ebd. „non minus facile esset Principibus quibuscunque Potestatem illa, etiam sine Bello ejicere; quam ex Angliâ ejecta fuit.“ Hobbes, Leviathan, lat. Fassung, S. 187.
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him?“.³¹⁴ In der späteren lateinischen Übersetzung wird an dieser Stelle „authoritatem“ verwendet – also vermeintlich wörtlich übersetzt. In der deutschen Fassung findet man jedoch die Übersetzung mit „Gewalt“, was wiederum eher mitdem Machtbegriff verbunden ist.³¹⁵ Solche Unsicherheiten in der Übertragung – hier wurde die Übersetzung Walter Euchners aus der deutschen „Leviathan“-Ausgabe Iring Fetschers genutzt – sind sicherlich auch der bislang noch nicht erfolgten, systematischen Untersuchung der „authority“ als Argument in den Schriften der Mitte des 17. Jahrhunderts geschuldet. Es wurde bislang schlicht nicht erkannt, welche zentrale Bedeutung diesem Kernbegriff z. B. in Hobbes’ „Leviathan“ zukommt und von welcher Wichtigkeit es ist, hier auf eine akkurate Übersetzung zu achten. In der lateinischen Fassung wechselt Hobbes zwar an einigen Stellen zwischen „authoritate“ und „potestas“ hin und her, beide Begriffe sind aber mit seiner Grundintention vereinbar – nämlich „authority“ als Amtsgewalt zu verstehen. Meiner Ansicht nach nutzt er im Lateinischen ganz bewusst nie auctoritas, denn er weiß, welche Konnotationen mit diesem Begriff für diejenigen seiner Zeitgenossen verbunden sind, die mit der Verfassung der antiken Römischen Republik vertraut waren – wozu sicher auch die von Hobbes häufig angegriffenen „Democratical Gentlemen“ zählten, die gerade mit Bezug auf das republikanische System und die ausschlaggebende auctoritas der römischen Senatoren (also einer Versammlung von Menschen) Hobbes’ Argument hätten zu ihren Gunsten wandeln können, wie dies später bei James Harrington ja tatsächlich auch folgen sollte (vgl. Kap. 6). Stattdessen hat er das Kunstwort „authoritate“ eingeführt, das ihm an vielen Stellen eine wörtliche Übersetzung von „authority“ ermöglicht, ohne jedoch direkt auctoritas bemühen zu müssen. Auch potestas nutzt er für eine Übersetzung von „authority“ an einigen Stellen, was aber, wie gezeigt, mit seinem „authority“-Konzept gut vereinbar ist. Es erhärtet sich hier der Eindruck, als ob es Hobbes in der Mitte des 17. Jahrhunderts nicht als Widerspruch erschien, „authority“ mit potestas zu übersetzen. Auch seine Zeitgenossen dürften keine Probleme mit dieser Übertragung gehabt haben, so der einzig logische Schluss, wenn Hobbes sein Werk durch seine Leser verstanden wusste, ohne dass er anders übersetzte oder weitere Erklärungen abgab (siehe dazu Kapitel 4). Es gibt im „Leviathan“ zahlreiche solcher Stellen, an denen Hobbes „authority“ in der lateinischen Fassung mit potestas übersetzt. In Kapitel 22 „Von den Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 186. „Quis enim, cujus bono creditur Regis authoritatem nullam esse, nisi ab Episcopo coronatus sit, a Christo non esse, causam Ceremoniae illius in coronandis Regibus, non animadvertit?“ Hobbes, Leviathan, lat. Fassung, S. 187. Vgl. ders., Leviathan, engl. Fassung, S. 186. Ders., Leviathan, dt. Fassung, S. 92.
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politischen und privaten Vereinigungen der Untertanen“ schreibt er von der „authority“ der Väter als Souveräne in ihren eigenen Familien, von der sie nach der Bildung des Staates nur so viel verloren, wie der Staat ihnen tatsächlich entzogen hat – in der lateinischen Übersetzung ist hier von potestas die Rede.³¹⁶ Im folgenden Kapitel „Von den öffentlichen Beamten der souveränen Gewalt“ gibt es in der lateinischen Fassung ein bemerkenswertes Zusammenspiel zwischen „authoritas“ und „potestas“. Es geht um die Definition eines öffentlichen Beamten: „Minister Publicus is est qui in rebus, quae ad Civitatem pertinent per Authoritatem Summam habentis Potestatem, Civitatis Personam repraesentat.“³¹⁷ Abgekürzt heißt es in der englischen Fassung nur, dass der Souverän den Beamten mit der „authority“ ausstattet, in bestimmten Angelegenheiten die Person des Staates zu repräsentieren.³¹⁸ Die lateinische Fassung gibt hier mehr Aufschluss über die zugrundeliegenden Mechanismen: Der Beamte wird durch die höchste Autorität – also den Souverän, der die gesammelte Autorität aller Untertanen in sich vereint – dazu autorisiert, bei öffentlichen Angelegenheiten die Person des Staates zu repräsentieren. Sein Amt bringt eine klar umrissene Befugnis mit sich, es ist also überaus passend, hier mit potestas zu übersetzen. Sehr umfassend mit Autorität argumentiert wird im Kapitel 33 „Von Anzahl, Alter, Ziel, Autorität und Interpreten der Bücher der Heiligen Schrift“. In den meisten Fällen wird „authority“ im Lateinischen mit Hobbes’ Kunstwort „authoritate“ bzw. „authoritas“ übersetzt.³¹⁹ Eine Ausnahme gibt es aber dennoch: Hobbes übersetzt den Satz „The question truly stated is, By what Authority they [the Holy Scriptures] are made Law.“³²⁰ im Lateinischen mit „Quastionis status verus hic est, qua Auctoritate Scripturae fiunt Leges.“³²¹ Das etwas seltsam anmutende Kunstwort „Authoritate“ wird durch „Auctoritate“ ersetzt. Ob dies ein Übersetzungsfehler ist oder Hobbes es an dieser Stelle gezielt angewandt hat, muss eine offene Frage bleiben. Eine weitere Stelle ist interessant, denn Hobbes
„For the Father, and Master being before the Institution of Common-wealth, absolute Soveraigns in their own Families, they lose afterward no more of their Authority, than the Law of the Common-wealth taketh from them.“ Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 368. „Nam ante institutionem Civitatum, Patris erat in Filios & Servos Potestas Summa, neque Potestatis ejus patrem ullam amiserunt Patres, nisi quam sustulerunt ipsorum consensu Leges Civiles.“ Hobbes, Leviathan, lat. Fassung, S. 369. Ebd., S. 377. „A Publique Minister, is he, that by the Soveraign […] is employed in any affaires, with Authority to represent in that employment, the Person of the Common-wealth.“ Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 376. Vgl. ebd., S. 604, 606, 608; lat. Fassung, S. 605, 607, 609. Ebd., S. 604. Hobbes, Leviathan, lat. Fassung, S. 605.
3.4 Macht und Autorität – authority und potestas
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erwähnt im Lateinischen erneut potestas, ohne dass er damit „authority“ direkt übersetzen will.³²² Das englische „legislative power“ wird im Lateinischen gesplittet auf „Authoritate obligantur […] qui Summam habet in Civitate Potestatem“ und „Is enim Legislator solus est“. Es geht Hobbes also um die rechtsverbindliche Autorität des Souveräns, den er als den Inhaber der höchsten Amtsgewalt im Staat und alleinigen Gesetzgeber bezeichnet. Weniger schwierig zu deuten ist eine Stelle aus Kapitel 36, in der es Hobbes um die Übertragung von Autorität von Gott auf Auserwählte seines Volkes geht: „God spake also many times by event of Lots; which were ordered by such as he had put in Authority over his people.“³²³ In der lateinischen Entsprechung wird mit potestas übersetzt.³²⁴ In den vorliegenden Fällen meint diese Befugnis das Werfen eines Loses, z. B. durch Saul (1. Sam. 14, 43) und Josua (Jos. 18, 10)³²⁵, durch das Gott im Alten Testament seinen Willen offenbart. Es geht lediglich um den fest umrissenen Akt des Loswerfens an sich, nicht etwa darum, dass sich Saul oder Josua fortan als Kenner des göttlichen Willens bezeichnen können. In diesem Sinne üben sie ein Amt aus, welches bezogen auf Aufgabenbereich und Dauer fest umrissen ist. Dies waren einige Beispiele für die Verwendung von potestas als Übersetzung für „authority“. Eindeutig ist, dass Hobbes seinen „authority“-Begriff nicht in die Nähe der lateinischen auctoritas kommen lassen wollte, sondern ganz bewusst potestas nutzt, sowohl als Konzept, das dem seiner „authority“ nahe steht, als auch begrifflich in deutlicher Abgrenzung zu den klassisch-antiken Autoren. Potestas hilft ihm, seiner Argumentation mehr Klarheit zu verschaffen. Bedenkt man den Adressatenkreis der lateinischen Fassung des „Leviathan“³²⁶, so wird „He therefore, to whom God hath not supernaturally revealed, that they are his, nor that those that published them, by any Authority, but his, whose Commands have already the force of Laws; that is to say, by any other Authority, than that of the Common-wealth, residing in the Soveraign, who only has the Legislative power.“ Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 604. „Illi igitur quibus Deus non revelavit supernaturaliter, quòd Scripturae ab illo sint, vel eos, qui illas praedicant, ab eo missos esse, nulla, ut eas recipiant, Authoritate obligantur, praeterquam ejus, qui Summam habet in Civitate Potestatem. Is enim Legislator solus est.“ Hobbes, Leviathan, lat. Fassung, S. 605. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 672. „Loquutus Deus est etiam aliquando per Sortes; quae Sortes per illos semper ordinabantur, qui Summam in populo habuerunt potestatem.“ Hobbes, Leviathan, lat. Fassung, S. 673. Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 672. Die lateinische Übersetzung des „Leviathan“ richtete sich an ein gebildetes, europäisches Publikum. Die Übersetzung war auch nötig, weil die meisten Leser auf dem Kontinent keine oder nur sehr geringe Englischkenntnisse hatten. Nachdem die Elzevier-Ausgaben von „De Cive“ und die französischen Übersetzungen von „De Cive“ und den „Elements of Law“ erschienen waren, hatte sich Hobbes unter den kontinentalen Gelehrten einen Namen gemacht. Französisch war in
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deutlich, dass die Verwendung des potestas-Begriffes und die offensichtliche Vermeidung von auctoritas in diesem Zusammenhang kaum als Zufall zu werten ist. Nur Gelehrte konnten den lateinischen „Leviathan“ lesen. Er war nicht ausschließlich für das englische Publikum bestimmt, dem das Werk bereits mehrere Jahre in seiner Muttersprache zur Verfügung stand, sondern für die europäische „res publica litteraria“. Dass sich mit der Kenntnis der lateinischen Sprache meist auch eine profunde Kenntnis der klassisch-antiken Gesellschaften verband, ist aufgrund des zeitgenössischen Bildungssystems vorauszusetzen, denn zum Erlernen des Lateinischen waren – und sind – die Texte der antiken römischen Philosophen essentiell. Wichtige Grundlagen der Verfassung der Römischen Re-
diesen Zirkeln weiter verbreitet und so verwundern auch frühe Absichten von Hobbes-Anhängern (wie z. B. François du Verdus), den „Leviathan“ ins Französische zu übersetzen, nicht. Man erwartete eine solche Übersetzung mit Spannung, wie z. B. die Korrespondenz zwischen Hobbes und einigen seiner in Frankreich verbliebenen Freunde und Anhänger zeigt: 1657 drängte ihn Thomas de Martel zu einer schnellen Veröffentlichung einer französischen Übersetzung; Charles du Bosc informierte Hobbes 1659, dass „All yᵉ learned men I know desire that Leuiathan were in french or Latine“. Hobbes, Correspondence, Bd. 1, S. 480 f., 504. Eine niederländische Übersetzung wurde 1667 in Amsterdam publiziert und fand (z. B. auch im Reich – Samuel Pufendorf (1632– 1694) besaß ein solches Exemplar) Anklang. Obwohl die lateinischen Ausgaben des „Leviathan“ 1668 und 1670 gedruckt wurden, gab es eine zweite Auflage des niederländischen Werkes 1672, was ein ungebrochenes Interesse belegt. Neben diesen landessprachlichen Übersetzungen bzw. Übersetzungsbestrebungen (denn eine französische Übersetzung des „Leviathan“ wurde erst im 20. Jahrhundert realisiert) kennzeichnet Noel Malcolm die lateinische Übersetzung als die attraktivste Methode, um einen möglichst breiten, eurpoäischen Leserkreis („for educated readers throughout Europe“) anzusprechen. Vgl. Malcolm Introduction, S. 162 f., 165. Gegen eine lateinische Proto-Fassung sprechen auch gezielte Versuche des Hobbes-Anhängers und Freundes Henry Stubbe (1632– 1676) aus dem Jahr 1656, den „Leviathan“ ins Lateinische zu übertragen – was unnötig gewesen wäre, hätte eine lateinische Version bereits vorgelegen. Einen wesentlichen Beitrag zur Realisierung der lateinischen Übersetzung durch Hobbes selbst leistete Samuel Sorbière (1617– 1670), der 1663 während eines Aufenthaltes in England häufig in Hobbes’ Gesellschaft war und anschließend dem mit ihm bekannten niederländischen Verleger Johan Blaeu (1596 – 1673) einige von Hobbes lateinischen Werken zum Druck zukommen ließ. Anschließend schrieb Sorbière 1664: „I shall no longer trouble myself over the printing of your works, except to beg you – and him [Blaeu] – to add your Leviathan to them. You should make a Latin translation of it, or at least allow him to have one made by that learned man who has translated many of Lord Chancellor Bacon’s works [gemeint ist der niederländische Gelehrte Isaac Gruter].“ Hobbes, Correspondence, Bd. 2, S. 617, 619.Vgl. Malcolm, Introduction, S. 166 f. Auf das vielfache Drängen, seinen „Leviathan“ in die Gelehrtensprache der Zeit zu übersetzen, geht Hobbes auch selbst in seiner „Answer to a Book“ ein: „of late, when being sollicited from beyond the Sea to translate the Book into Latin, and fearing some other man might do it not to my liking“ – woraus auch ersichtlich wird, dass Hobbes selbst an der Übersetzung gearbeitet hat bzw. arbeiten wollte. Hobbes, Answer to a Book, S. 45, in: The English Works of Thomas Hobbes, Bd. 4, S. 317.Vgl. Malcolm, Introduction, S. 168.
3.4 Macht und Autorität – authority und potestas
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publik wie auctoritas und potestas waren den Lesern mit Sicherheit nicht neu, vielmehr muss angenommen werden, dass sie sie genau einzuordnen wussten. In diesem Sinn ist Hobbes’ Sprache zu deuten. Es ist ein Zeichen seiner Antikenrezeption, wenn er „authority“ nicht mit auctoritas übersetzt, sondern mit potestas, oder die Stellen in denjenigen Fällen, in denen eine solche Übersetzung zu viele Verwerfungen und Unklarheiten hervorrufen würde, einfach komplett weglässt. Auch in die andere Richtung ist diese Beobachtung zu machen.Wenn potestas bereits genutzt wird, um Autorität zu übersetzen und somit als mögliches lateinisches Pendant zu „Macht“ („power“, „force“) wegfällt, wie wird dann Macht übersetzt? Um diese Frage zu klären, bietet sich ein Blick in Kapitel 10 „Von Macht, Wert, Würde, Ehre und Würdigkeit“ an. Besonders zu Beginn des Kapitels beschäftigt sich Hobbes damit, dem Leser zu erklären, was Macht ist bzw. woraus sie sich ergibt. Er kennzeichnet unterschiedliche Felder, aus denen Macht entspringt, etwa durch natürliche Fähigkeiten und Eigenschaften, wie Stärke, Schönheit, Klugheit, Geschicklichkeit, Beredsamkeit, Freigiebigkeit und Vornehmheit.³²⁷ Macht ist ebenfalls, wenn eine Person in dem Ruf steht, Macht zu haben. Es geht in Hobbes’ folgenden Ausführungen häufig darum, dass es andere Menschen braucht, die einer Person bestimmte Eigenschaften, Fähigkeiten und Positionen zuschreiben, aus denen sich dann Macht ergibt,³²⁸ z. B. wenn diese Zuschreibungen Furcht oder Liebe hervorrufen. Aber auch ganz praktische, physisch-greifbare Dinge bedeuten Macht, etwa das nötige Know-how, um Kriegsgerät herzustellen, oder ein wissenschaftlicher Vorsprung. Auch jegliche Form der Ehrung eines Menschen durch einen anderen, sei es ein Hilfsgesuch oder der schlichte Gehorsam einer Person gegenüber einer anderen, bedeutet Macht. Diese Aufzählung wird überaus detailliert weiter fortgeführt. Für den vorliegenden Zweck soll der kurze Abriss genügen. Viel interessanter als die inhaltlichen Ausführungen ist die Sprache, die Hobbes nutzt. Er übersetzt „power“ gemeinhin nicht mit potestas, sondern diesen eher auf physische Überlegenheit rekurrierenden Machtbegriff in der lateinischen Fassung mit potentia. Was ist der Zweck hinter dieser Übersetzung? Meiner Ansicht nach will Hobbes der Macht als einem auf Stärke beruhenden Herrschaftskonzept keinen zu großen Spielraum zugestehen. Deshalb betont er auch, dass z. B. von vornehmer Geburt zu sein nicht gleich Macht bedeutet, sondern erst die damit verbundenen Privilegien Macht mit sich bringen, sofern ein Staat dem Adel solche Privilegien einräumt.³²⁹ Es ist wieder der Staat und somit der Souverän, der über Privilegien und damit ein-
Vgl. ebd., S. 132. Vgl. ebd., S. 132 ff. Vgl. ebd., S. 134.
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hergehend Macht entscheidet. Potestas hingegen bedeutet in enger Verknüpfung mit Hobbes’ Vorstellung von „authority“ ein legales Handeln innerhalb des bürgerlichen Staates. „Authority“ bzw. potestas benötigen nicht die Anerkennung bzw. Zuschreibung durch andere, wie das Hobbes zufolge bei Macht der Fall ist, sondern sind dem Souverän (oder eben den antiken Magistraten) zu Eigen: Ersterem durch den covenant aller Untertanen und letzteren für die Dauer ihrer Legislaturperiode durch die Verfassung der Römischen Republik. Diese eindeutige Trennung zwischen „authority“ und „power“, scheint ins Wanken zu geraten, berücksichtigt man folgenden Satz Hobbes’: „The Greatest of humane Powers, is that which is compounded of the Powers of most men, united by consent, in one person, Naturall, or Civill, that has the use of all their Powers depending on his will; such as the Power of a Common-wealth.“³³⁰ Tatsächlich ist es eben dieser Satz, der so oder sehr ähnlich immer wieder im „Leviathan“ begegnet – nur verwendet Hobbes üblicherweise „authority“ anstelle von „power“. Dies ist meiner Ansicht nach jedoch kein Widerspruch und wertet „authority“ als Argument bei Hobbes auch nicht ab bzw. stellt sie grundlegend mit Macht gleich. Es scheint mir vielmehr ein Einschub zu sein für alle Leser, die bisher überlegene Macht als wesentliches Merkmal eines souveränen Herrschers beurteilten. Sie können mit Macht nicht an Hobbes’ Autoritätskonzept vorbeiargumentieren, da er offenbar auch „power“ in dieses Konzept einbindet. Für den Schutz der Bürger, der Hobbes zufolge das oberste Anliegen jeder Regierung sein muss, sind sowohl die durch das Volk an den Souverän delegierte Vollmacht nötig, als idealerweise auch die größtmögliche potentia. Der Souverän muss in der Lage sein, jeden Untertan zum Gehorsam zwingen zu können, um zu verhindern, dass ein anderer die Macht erlangt, den Frieden zu stören. Es gelingt Hobbes auf diese Weise, Macht als ein wesentliches Moment der gesellschaftlichen Verfassung zwar zu benennen, es aber an „authority“ zu koppeln; Macht allein ist weit davon entfernt, eine prominente Position im „Leviathan“ einzunehmen. Wer die Mechanismen des Staates verstehen will, der muss „authority“ verstehen.³³¹ Zwar kommt auch Hobbes nicht umhin, Macht zu thematisieren; auf jeden Fall möchte er aber eine Gleichstellung zwischen Macht und Autorität vermeiden. Mit dieser argumentativen Ordnung scheint Hobbes in seinem 40. Kapitel „Von den Rechten des Gottesreiches, die Abraham, Mose, die Hohenpriester und die Könige von Juda innehatten“ zu brechen, denn an dieser Stelle nutzt Hobbes im englischen Original mehrfach „power“ und überträgt dies im Lateinischen mit
Ebd., S. 132. Zu den Hintergründen von Hobbes’ Argumentation mit Autorität vgl. auch Kapitel 3.3 und 3.4.
3.4 Macht und Autorität – authority und potestas
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potestas. Auch „authority“ begegnet wiederholt in diesem Kapitel – allerdings nur in der englischen Fassung; die betreffenden Passagen wurden in der lateinischen Übersetzung gänzlich weggelassen.³³² Hobbes führt aus, dass nach dem Tod von Aaron und Mose der Sohn Aarons, Eleazar, der Hohepriester wurde: „And God declared him [Eleazar] (next under himself) for Soveraign […] Therefore the Supreme Power of making War and Peace, was in the Priest. The Supreme Power of Judicature belonged also to the High Priest. […] And for the manner of Gods worship, there was never doubt made, but that the High Priest till the time of Saul, had the Supreme Authority. Therefore the Civill and Ecclesiasticall Power were both joined together in one and the same person, the High Priest; and ought to bee so, in whosoever governeth by Divine Right; that is, by Authority immediate from God.“³³³ Im lateinischen Text ist die Erwähnung der „Supreme Authority“ ausgespart worden, dagegen werden alle Stellen, an denen „Supreme Power“ vorkommt, mit „Summa Potestas“ übersetzt. Die Frage ist, ob sich dadurch an den bis hierher gemachten Schlussfolgerungen zum Einsatz und Sprachgebrauch von „authority“ durch Hobbes etwas ändert. Hat Hobbes absichtlich an dieser Stelle seine Sprache verändert? Und falls ja, weshalb gerade an dieser Stelle? Hobbes schreibt im 40 Kapitel über das Gottesreich, also dasjenige Reich, welches durch Gott selbst errichtet wurde und in dem er der oberste Souverän war, der Moses und seine Nachfolger zu seinen Vertretern autorisiert hatte. Erst die Entscheidung Samuels, der von dem Volk der Israeliten dazu aufgefordert wurde, einen König einzusetzen, beendete das Gottesreich: „and consequently in deposing the High Priest of Royall authority, they deposed that peculiar Government of God“.³³⁴ In der Folge spricht Hobbes dann wieder von der Autorität („authority“/„authoritas“) der Hohepriester, die sie jedoch nicht mehr von Gott erhalten, sondern vom bürgerlichen Souverän, dem König.³³⁵ Vielleicht liegt hierin der Schlüssel, um diesen Ausfall aus der eta-
Im Lateinischen wird die im Folgenden zitierte englische Passage wie folgt wiedergegeben: „Atque illum Summam habere Potestatem declaravit Deus […] Belli ergo & Pacis in Sacerdote Potestas Summa erat. Etiam Iudiciorum Summa Potestas penes eundem erat […] Quod autem ad cultum Divinum attinet, qui à Summo Sacerdote ordinandus esset, nunquamdubitatum est. Potestas ergò Civilis & Ecclesiastica conjuncta hactenus fuit in unâ & eadem personâ, Summo Sacerdote.“ Hobbes, Leviathan, lat. Fassung, S. 749. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 748. Ebd., S. 750. Vgl. ebd., S. 752. Hobbes, Leviathan, lat. Fassung S. 753. Zusammenfassend dazu kann auch die folgende Passage dienen: „To conclude; from the first institution of Gods Kingdome, to the Captivity, the Supremacy of Religion, was in the same hand with that of the Civill Soveraignty; and the Priests office after the election of Saul, was not Magisteriall, but Ministeriall.“ Nach der Er-
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blierten Terminologie Hobbes’ zu verstehen. Solange er vom Gottesreich spricht, spricht er auch von „power“ und der direkten, wörtlichen Übertragung potestas (in der deutschen Fassung von Macht und Gewalt). Wenn sich jegliche Herrschaftsansprüche direkt von Gott ableiten, so die Überlegung, scheint eine weitere Differenzierung und Hierarchisierung eventuell unnötig. Hobbes gebraucht den Autoritätsbegriff ja vor allem, um seinen Zeitgenossen vor Augen zu führen, wie ein bürgerlicher Staat aufgebaut ist, wie er funktionieren muss, will er sich nicht im Bürgerkrieg selbst auflösen. Solange Gott selbst direkt dem Volk Israel vorstand, waren solche Überlegungen weniger akut. Dies kam erst mit der Entscheidung der Israeliten, die „besondere Herrschaft Gottes“ abzuwerfen.³³⁶ Einen weiteren Anhaltspunkt für die terminologisch veränderte Argumentation Hobbes’ gibt das 42. Kapitel „Von der kirchlichen Gewalt“, in dem es Hobbes vor allem darum geht, die Machtansprüche der Päpste und des Klerus in Gebieten, in denen der Papst nicht zugleich der bürgerliche Souverän ist, zu entkräften. Erneut argumentiert Hobbes mit „power“ bzw. „potestas“. Dieses Mal wird die argumentative Schlagrichtung jedoch deutlich: Hobbes greift Kardinal Bellarmin an, der seinerseits mit seinen Schriften darauf zielte, die Gewalt der Päpste herzuleiten und zu verteidigen.³³⁷ Alle von Bellarmin angenommenen Gewalten der Päpste sind Hobbes zufolge souveräne bzw. Zwangsgewalten und stehen dem Papst und seinen Untergebenen nicht zu, da Gott sie ihnen nicht überlassen hat. Die Berufung der katholischen Würdenträger auf das Gottesreich ist für Hobbes gänzlich hinfällig, da dieses, wie er in Kapitel 40 gezeigt hat, aufgelöst wurde. Tatsächlich hat der Klerus nur eine Befugnis, nämlich Gläubige zu lehren und Ratschläge zu erteilen. Spricht Hobbes zu Beginn des 42. Kapitels noch von der (wie sich herausstellt angemaßten) „Ecclesiasticall Power of the Pope“ („Potestatem Ecclesiasticam Pontificis Romani“³³⁸), so ändert sich seine Sprache mit dem
nennung eines Königs übten die Priester also kein politisches Amt mehr aus, sondern nur noch einen geistlichen Auftrag. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 752. Vgl. ebd., S. 750 ff. Hobbes selbst nennt Bellarmins Werk „De summo pontifice“ von 1586. Vgl. ebd., S. 778 ff.. Ebd., S. 780, lat. Fassung, S. 781. Eine Verbindung zwischen potestas und auctoritas zur Beschreibung der zentralen Befugnisse des Papstes lässt sich auch im Konziliarismus finden. Bereits bis um 1200 etabliert sich die Bezeichnung „plenitudo potestatis“ in den Werken der Dekretionisten, allerdings noch als fluides Konzept mit mehreren Bedeutungen, u. a. jedoch auch schon zur Beschreibung der päpstlichen „authority“. Es finden sich zu dieser Zeit die Synonyme „plena potestas“ und „plena auctoritas“, es wurde also nicht strikt unterschieden zwischen beiden Termini. Zudem konnte mit ihnen sowohl der Papst gemeint sein als auch andere Prälaten, sogar Botschafter und Legaten: „any representative exercising full authority on behalf of his principal“ (Tierney, Foundations, S. 131.) Es gibt also bereits die enge Verbindung zwischen der Weisung eines Vorgesetzten (Autorisierung) und den mit einem Amt verbundenen Vollmachten.
3.4 Macht und Autorität – authority und potestas
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argumentativen Fortgang schnell. Da das Reich Christi nicht von dieser Welt ist, kann man sich zur Ableitung eines Herrschaftsanspruches auch nicht auf ihn berufen: „For if the Supreme King, have not his Regall Power in this world; by what authority can obedience be required to his Officers?“.³³⁹ An dieser Stelle beschreibt Hobbes Gott als „supreme king“ und nimmt damit die päpstliche Argumentation auf, die den Papst als Stellvertreter Gottes auf Erden benennt und ihm durch die direkte Ableitung des päpstlichen Auftrages bzw. der Befugnisse von Gott eine schwer anzugreifende Legitimationsgrundlage schafft. Hobbes hält dem entgegen, dass Gott Souverän im jenseitigen Himmelsreich ist, weshalb seine Stellvertreter auf Erden keinen rechtmäßigen Anspruch auf bürgerliche Herrschaft erheben können: „For if he by whose right [Gott] they [die Päpste] demand a royal right did not have a kingdom in this world, by what right will his ministers rule?“³⁴⁰ In der lateinischen Übersetzung der Stelle wird ebenfalls das Recht auf Herrschaft thematisiert: „quo jure imperium hebebunt Ministri ejus?“ Wie bereits gezeigt wurde, definiert Hobbes „authority“ als das Recht auf Handlung, weswegen sich diese Passage im Grunde mit der Frage nach der „authority“ beschäftigt, auch wenn sie wörtlich nicht genannt wird. Bei der Widerlegung der Ausführungen Kardinal Bellarmins argumentiert Hobbes ähnlich: betreffend die Befugnisse der „Ministers of Christ“ ist erneut von einer „lawfull Authority“ die Rede bzw. von einem differenzierterem Machtbegriff („Soveraign Civill Power, by politick institution“ /„Potestatem Civilem“).³⁴¹ Die Päpste haben entweder durch die Autorität der bürgerlichen Souveräne bestimmte Befugnisse eingeräumt bekommen oder aber wurden durch Einsetzung in ein politisches Führungsamt selbst Inhaber dieser Autorität. Dass die Unterscheidung zwischen Macht und Vollmacht, „power“ und „authority“ bzw. „potentia“ und „potestas“, zum Teil verwirren kann und nicht immer in aller Klarheit nachvollzogen wurde, beweist Iring Fetscher, der im
In diesem Sinn nutzten die Kanoniker Phrasen wie „plena potestas“, „plena auctoritas“ und „plenitudo potestatis“ in zwei unterschiedlichen Bedeutungen: erstens zur Beschreibung der „authority“, die von einer Gemeinschaft auf ihr (gewähltes) Haupt übertragen wurde („proctorial mandate“). Zweitens zur Beschreibung der römisch-katholischen Kirche als überlegen gegenüber allen anderen Kirchen. Vgl. ebd., S. 132 f. In der innerkirchlichen Debatte über die Befugnisverteilung zwischen Papst und Konzil wurden also durchaus die Begriffe der „auctoritas“ und „potestas“ zusammen gebraucht. Die strikte Abgrenzung beider Kompetenzen voneinander und die Zuweisung zur weltlichen bzw. geistlichen Sphäre (wie sie durch Papst Gelasius vorgenommen wurde) scheint in der innerkirchlichen Debatte keine Rolle zu spielen. Hier verfestigt sich vielmehr die Bezeichnung „plenitudo potestatis“ – „potestas“ als Amtsgewalt spielt die Hauptrolle. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 780. Ebd., S. 781, Anm. 21. Ebd., S. 782. Hobbes, Leviathan, lat. Fassung, S. 783.
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Vorwort zur deutschen Ausgabe des „Leviathan“ Folgendes schreibt: „Die Basis fürs öffentliche Bekenntnis ist nicht mehr die Wahrheit, sondern die Autorität, die durch souveräne Willkür alle Streitigkeiten entscheidet. Auctoritas und potestas werden daher bei Hobbes im Unterschied zu Bodin³⁴² nicht mehr getrennt. Das Symbol des Leviathan kann innenpolitisch nur die große Macht des durchs Zusammentreten der Individuen gestifteten Souveräns unterstreichen.“³⁴³ Mit Bezug zur Thematik des öffentlichen Bekenntnisses hat Fetscher richtig wahrgenommen, dass es Hobbes sowohl um auctoritas (hier nicht im Sinne der Kompetenz römisch antiker Senatoren, sondern des stets durch die katholische Kirche behaupteten Geltungsanspruchs) als auch um potestas geht, denn der bürgerliche Souverän vereint in sich neben der weltlichen Herrschaft auch die Oberherrschaft über die Kirche und entscheidet so über die nationale Konfession. Die durch Fetscher vorgenommene Übersetzung der beiden Kompetenzen potestas und auctoritas mit Macht in Verbindung mit der Beschreibung der Herrschaftspraxis als „souveräne Willkür“ verhindert jedoch ein korrektes Erfassen der Bedeutungsgehalte, die Hobbes mit der Wahl und Verwendung seiner Begrifflichkeiten meiner Ansicht nach beabsichtigte. Wie bereits gezeigt wurde, geht es ihm nicht um die Beschreibung von Macht als erster Größe im Staatsgefüge. Macht ist nur ein Element von vielen, sie generiert sich auf verschiedenen Ebenen, oft allein durch Umstände, die anderen eine hohe Meinung („reputation“) von der Macht eines Einzelnen verschaffen.³⁴⁴ Eindeutig inspiriert wurde Fetscher zu seiner Aussage durch die bereits zitierte Passage im „Leviathan“: „Sed Authoritas non Veritas facit Legem.“³⁴⁵ Es geht Hobbes aber eben nicht um souveräne Willkür, sondern um „authority“ in Anlehnung an antike postestas – mithin um eine rechtliche Befugnis zum Handeln, eine Amtsgewalt, die dem Souverän durch den covenant verliehen wurde. Dies sieht auch Quentin Skinner so, wenn er schreibt, dass der covenant der Ausdruck einer Handlung der Autorisierung ist, nicht aber des Rechtsverzichts, bei der sich jedes Mitglied der Menge selbst zum Autor dessen macht, was in
Der Bezug zu Bodins Schrift „De la démonomanie des Sorciers“ von 1593 erfolgt durch den Vergleich beider Autoren in ihrer Beschreibung des Leviathan als Symbol (Vgl. hierzu auch Schmitt, Carl, Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes. Sinn und Fehlschlag eines politischen Symbols, Stuttgart 2003). Während Bodin den Leviathan als Teufel bezeichnet, der Leib und Seele der Menschen für sich beansprucht und mit dem man deshalb unmöglich einen Vertrag schließen kann, erscheint er bei Hobbes als „sterblicher Gott“. Vgl. Fetscher, Einleitung, S. XLI. Ebd., S. XLI. Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, ab S. 132 ff. Ders., Leviathan, lat. Fassung, S. 431.
3.4 Macht und Autorität – authority und potestas
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seinem Namen durch den souveränen Repräsentanten gesagt oder getan wird.³⁴⁶ Otfried Höffe widmet sich in einem eigenen Artikel dem soeben zitierten, berühmten Satz aus dem „Leviathan“.³⁴⁷ Zunächst führt er ihn auf Platons „Nomoi“ zurück.³⁴⁸ „Geltung kraft Autorität“ ist, so Höffe, ein zentraler Teil des Satzes und bedeute bei Hobbes „Geltung kraft autorisierter Macht“ bzw. „Geltung kraft autorisierter Entscheidung“. Weiter schreibt Höffe „Autorität meint erstens einen Autor, nämlich einen Urheber und Willen; der Ausdruck bedeutet zweitens Macht, mit der sich der Wille durchsetzt. Die Macht besteht aber nicht in bloßer Machtfülle; sie verdankt sich, so das dritte Moment, einer Autorisierung.“³⁴⁹ Wie an dieser Interpretation deutlich wird, hat Höffe erfasst, worum es Hobbes im Kern mit seiner „authority“-Argumentation ging. „Authority“ als das Recht zum Handeln im Rahmen einer nationalen Herrschaft setzt stets voraus, dass der Herrscher auch die Macht hat, seine Beschlüsse umzusetzen: Höffe zufolge ist der Souverän als die Verkörperung der Rechtsbefugnis anzusehen. Er verfügt nicht über „nackte Macht“, sondern über eine autorisierte Macht, also über potestas und nicht über violentia. In diesem Sinne beinhalte die Rechtsordnung Legalität, die weder von Gott noch aus der eigenen Gnade des Souveräns abgeleitet ist, sondern aus der freien Anerkennung der Betroffenen.³⁵⁰ Eine Beobachtung, die für die Entstehung des Gemeinwesens bei Hobbes zwar richtig ist, die religiöse Legitimierung seiner Staatsphilosophie durch den Bund zwischen Gott und Abraham als ersten covenant jedoch weitgehend ausblendet. Die terminologische Schwierigkeit, den Bedeutungsgehalt von Hobbes’ Ausführungen wiederzugeben, wird durch die Wahl von Begriffen wie der „nackten Macht“ deutlich. Aus diesem Grund plädiere ich für eine klarere, wissenschaftliche Sprache und für die Aufnahme der „authority“, im Sinne der von allen Untertanen auf den Souverän übertragenen Vollmacht, die erst ein rechtmäßiges Herrschen ermöglicht, als Schlüsselbegriff in die histori-
Vgl. Skinner, Hobbes on Persons, S. 158. Vgl. Höffe, Otfried, „Sed authoritas, non veritas, facit legem“. Zum Kapitel 26 des Leviathan, in: Thomas Hobbes. Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines bürgerlichen und kirchlichen Staates, hg.v. Wolfgang Kersting, Berlin 1996, S. 235 – 257, S. 252. „Und so sei denn auch die Staatsverwaltung nur zum geringsten Teile Sache der Natur und weit mehr der Kunst und namentlich die Gesetzgebung beruhe ganz und garauf der letzteren und gar nicht auf der ersteren, und darum eben fehle es ihren Satzungen auch an Wahrheit. […] so dass alles Recht lediglich aus der Kunst und dem Gesetze entspringe und nicht in irgend einer Ordnung der Natur seinen Grund habe.“ Platon, Werke. Buch VIII–XII: Gesetze (=Nomoi), bearb. v. Klaus Schöpsdau, hg.v. Ernst Heitsch, Göttingen 2011, X, 889d–890a. Höffe, Sed authoritas, S. 252. Vgl. ebd., S. 255.: „Geltung kraft einer von jedem Betroffenen autorisierten Macht“; „Geltung kraft frei anerkannter Befugnis“; „Geltung durch Konsens“.
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sche Hobbes-Forschung.³⁵¹ Der Prozess der Autorisierung verleiht dem Souverän „authority“, was nicht die Macht zum Handeln meint, sondern das Recht darauf – ein immenser Unterschied! Höffe bestätigt mit seinen Ausführungen jedoch auch, dass die Verbindung zwischen dem Hobbesschen Machtbegriff und der Argumentation von „authority“ im Sinne der rechtmäßigen, verliehenen Vollmacht auffällig ist, aber häufig auch Probleme mit sich bringt, etwa wenn es an die Zuordnung Hobbes’ zu einer bestimmten Kategorie von Geltungstheoretikern geht. Höffe zufolge gehört Hobbes weder eindeutig den Machttheoretikern, noch den Anerkennungstheoretikern an, sondern vereint Teile beider Lager. Es besteht sogar die Nähe zu einer dritten Gruppe der Befugnis- und Ermächtigungstheoretiker.³⁵² Aufgrund des Verständnisses der „authority“ als zentralem Begriff bei Hobbes lehne ich die bisher häufig erfolgte Zuordnung des Philosophen zum Lager der Machttheoretiker ab. Sie greift meines Erachtens nach zu kurz und übersieht die ganz wesentliche, rechtliche Komponente der souveränen „authority“, die ausschlaggebend für die Schaffung und das Funktionieren des Staates auf allen Ebenen ist. Zudem sind mit dem Blick auf die religiöse Legitimation der „authority“ die Versuche, Hobbes als säkularen Theoretiker und direkten Vorläufer moderner Staatstheorien zu beschreiben, kritisch zu sehen.
3.5 Der Ratgeber: Autorität als Zuschreibung und personale Qualität Bislang wurde stets auf die strikte Trennung der Begriffe „authority“ (in der lateinischen Übersetzung „authoritas“) und auctoritas geachtet. Diese zunächst verwirrend anmutende Trennung ist für die Logik der Argumentation der vorliegenden Arbeit essentiell, denn jeder der Begriffe meint etwas anderes. Was „authority“ in enger Verbindung zum Konzept der antiken potestas meint, ist im vorangegangenen Kapitel deutlich geworden. Insbesondere für die Ebenen des öffentlichen Lebens und des Privatbereichs begegnet aber immer wieder ein diffuses, von Hobbes in seiner Entstehung und den wesentlichen Merkmalen nicht genauer definiertes Autoritätskonzept (siehe Kapitel 3.2.3 und 3.2.4).³⁵³ Besonders deutlich wird dies, wenn Hobbes von der Autorität von Schriftstellern bzw. Ge Skinner beschreibt in diesem Sinnrichtig den Prozess der Autorisierung des Souveräns: jeder Mensch überträgt seine „authority“ auf den Souverän und macht sich so zum Autor seiner Handlungen. Vgl. Skinner, Hobbes on Persons, S. 158. Vgl. Höffe, Sed authoritas, S. 256. Vgl. Hierzu nochmals Kapitel 3.2.3 und 3.2.4.
3.5 Der Ratgeber
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lehrten und ihren Werken spricht³⁵⁴, aber auch die Autorität volkstümlicher Männer – insbesondere von Militärs – ist hier zu nennen.³⁵⁵ Auch wenn zweifelsohne bei allen Überlegungen zur Autorität einer Einzelperson – sei es Gelehrter oder Prediger – die des Staates als übergeordnet gedacht wird, so klingt doch immer wieder eine andere Bedeutungsebene von Autorität an. Hobbes schreibt: „Die Verehrung, die wir Personen entgegenbringen, die wir nur für Menschen halten, wie z. B. Königen und Menschen von Autorität, ist bürgerliche Verehrung.“³⁵⁶ Auch die Aussage, dass die weltlichen Geschäfte der Menschen gemeinhin aus nichts anderem bestehen als dem „ständigenWettstreit um Ehre, Reichtum und Autorität“³⁵⁷, deutet in Richtung Ansehen als Übersetzung von Autorität.³⁵⁸ In diesen Fällen scheint eher eine personale Qualität beschrieben zu werden als eine Rechtsbefugnis. Vor allem scheint dies für das 25. Kapitel „Vom Rat“ zu gelten. Dass Hobbes dem Rat ein eigenes Kapitel widmet, ist besser verständlich, ruft man sich den Stellenwert der Metapher bzw. der Vokabel des Rates im frühneuzeitlichen England in Erinnerung, denn bereits lange vor dem Verfassen des „Leviathan“ kam dem Rat als „inspirational myth“ Bedeutung zu.³⁵⁹ Seit der Zeit John Fortescues (1394– 1476) und bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges war der Rat eines der Paradigmen und Traditionen, die den öffentlichen Diskurs beeinflussten und politische Institutionen formten. Francis Bacon betonte beispielsweise die enge und untrennbare Verbindung zwischen Rat und Königtum in der Antike mit der Formel „Soveraignty is married to counsel“.³⁶⁰ Darin kommt der Glaube daran zum Ausdruck, dass die Laster und Leidenschaften, denen ein Herrscher zwangsläufig unterliegt, nur durch den Rat guter Berater gemäßigt werden können, was erklärt, warum diese Metapher Mitte des 17. Jahrhunderts mit dem Ziel der Stärkung der
Vgl. u. a. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 58, 102, 430, 524, 1100. Vgl. ebd., S. 516. Ebd., S. 1026. Ebd., S. 1132. Insbesondere da Hobbes bereits beschrieben hat, dass es in einem bürgerlichen Staat andere Formen des Ehrens gibt und damit die Vergabe bzw. das Erringen von Ämternmeinte. Somit kann hier unter Ehre auch das Innehaben eines Staatsamtes verstanden werden, Autorität muss dann nicht unbedingt die Kompetenz bedeuten, rechtmäßig als Vertreter des Staates handeln zu dürfen. Deshalb liegt der Schluss nahe, dass hiermit Ansehen gemeint ist. Die Belegstelle dazu lautet: „But in Common-wealths, where he, or they that have the supreme Authority, can make whatsoever they please, to stand for signes of Honour, there be other Honours. A Soveraigne doth Honour a Subject, with whatsoever Title, or Office, or Employment, or Action, that he himselfe will have taken for a signe of his will to Honour him.“ Ebd., S. 138. Vgl. Hierzu grundlegend: Guy, rhetoric of counsel, S. 292. Vgl. ebd.
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Befugnisse des Parlaments in seinem Selbstverständnis als „Großer Rat“ des Reiches wiederbelebt wurde. Der Rat bzw. das Ratgeben war somit nie ein neutrales Konzept, sondern trug immer auch moralische und politische Werte in sich. Bereits Fortescue und Bacon beschrieben die Natur des Rates in denselben Termini. Der Ratgeber sollte ein ernster, gewichtiger Staatsmann sein, der einerseits fähig war, Handlungen herbeizuführen, andererseits aber auch, sie zu analysieren. Seine Hauptanliegen sollten Tugend, Bürgerlichkeit und das Gemeinwohl sein. Ein Herrscher hatte sich um gute Ratgeber zu bemühen, Schmeichler hingegen sollten nicht beachtet werden.³⁶¹ Seit der Zeit Fortescues bis in Hobbes’ Gegenwart verbanden sich mit „gutem Rat“ Ideale wie politische Freiheit, Tugend und bürgerliche Pflicht. Er stellte somit eine Gewähr für das Funktionieren der politischen Ordnung dar und integrierte die Mächtigen des Reiches in die politische Entscheidungsfindung und Regierung des Landes. Zwar war die Befolgung des Rates durch den Herrscher keine Verpflichtung, wohl aber das Einholen des Rates. Der Souverän musste seinen Ratgebern freundlich zuhören, der Geist eines guten Rates war die Freundschaft bzw. amicitia zwischen Herrscher und Ratgebern – ein Motiv, das sich bereits bei Aristoteles findet.³⁶² Der Zweck dieses Arrangements war die Ermöglichung des freien Sprechens des Ratgebers, der parrhesia. Auch Fortescue schlug die Brücke zurück zur Antike, indem er das Augusteische Prinzipat mit dem England seiner Zeit verglich. Aufgrund seiner Zugänglichkeit für Ratschläge idealisierte er das Prinzipat: Solange Augustus das aus den amici principis bestehende consilium hatte, war seine Herrschaft gut. Erst als er sich von diesem zurückzog und seine Beratung einzelnen „private counsellors“ überließ, verschlechterte sich seine Herrschaft, sein Reich verfiel zusehends. Der historische Kontext, in dem Fortescue schrieb, war der Höhepunkt der Rosenkriege, was seine Forderungnach der Beseitigung eigeninteressengeleiteter Berater des englischen Throns erklärt.³⁶³Ein weiterer bedeutender Rat ist später der „Privy Council“, der zunächst mit Vertretern unterschiedlicher Provenienz besetzt war, zunehmend aber aus Günstlingen des Königs bestand, was der „Pilgrimage of Grace“ zur Zeit der Regierung Heinrichs VIII. Anlass zu heftiger Kritik gab: Statt von Schmeichlern niederer Geburt sollte der König von hochadligen „councillors born“ beraten werden.³⁶⁴
Vgl. ebd., S. 293 f. Aristoteles, Nikomachische Ethik, übers. und hg.v. Ursula Wolf, 3. Aufl., Reibek 2011, VIII, 1. Vgl. Höffe, Ottfried, Aristoteles, München 1999, Kap. 15.3. Diese Berater forderten die Einführung eines exekutiven Rates aus Hochadligen, der die Befugnis haben sollte, den König zu belehren. Vgl. Guy, Rhetoric of counsel, S. 295. Vgl. Ebd., S. 297.
3.5 Der Ratgeber
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Dies drückt deutlich den feudalen Anspruch aus, dass die Magnaten des Reiches die natürlichen Ratgeber des Königs seien. Dem gegenüber stand der klassisch-humanistische Standpunkt, dass die Berufung der Ratgeber allein Sache des Königs war. Bacon schließlich sah mit seiner Verbindung von Souveränität (imperium) und Rat (consilium) das Parlament als Ort des consiliums an. Dies war natürlich nicht der Standpunkt der Krone und des Privy Council; das grundlegende Problem war die Frage, ob Ratgeben Recht oder Pflicht war. Nicht zuletzt durch die 1604 zusammengekommene Versammlung der Gesellschaft der Altertumsforscher, die das Parlament als curia bzw. concilium ³⁶⁵ beschrieben, wurde durch die Verwendung des consilium-Begriffs und der damit einhergehenden Anlehnung an die feudal-fürstliche Sprache, die Rhetorik der parlamentarischen Privilegien wiederbelebt.³⁶⁶ In der sich zuspitzenden Auseinandersetzung zwischen König und Parlament ab 1642 zerfiel die Ratsmetapher jedoch in ihre Einzelteile. König Karl I. zweifelte generell am Wert von Ratschlägen bzw. Ratgebern und misstraute auch dem Privy Council. Seit 1629 zeichnete sich die Absicht des Königs ab, ohne Parlament regieren zu wollen. Bereits 1627 hatte er die Parlamentarier beschuldigt, mit ihren Forderungen nicht die Frage des Ratgebens klären zu wollen, sondern der Frage der Abschaffung des Königtums nachzugehen. Es dauerte jedoch noch bis 1642, bevor sich die Opposition auf eine Sprache bzw. Rhetorik einigen konnte. Laut Guy stand dann das fürstlich-feudale Paradigma des Rates als eine kompromisslose politische Ideologie fest; ableiten kann man dies aus vielen zeitgenössischen Quellen, unter anderem aus Henry Parkers (1604 – 1652) „The case of shipmony“³⁶⁷ oder aus den „19 Propositions“.³⁶⁸ Die „Answer to the 19 Propositions“ Karls I., verfasst durch John Cary Viscount Falkland (um 1610 – 1643) und Sir John Colpeper, greift hingegen auf die klassischhumanistische Rhetorik zurück. Darin wurde unter anderem abgelehnt, dass der König dazu verpflichtet war, sich die Ratschläge des Great Council anzuhören und auch in welchem Maß den Ratschlägen nachgekommen werden sollte, oblag der
U. a. durch Sir John Dodderidge (1555 – 1628) und Sir Edward Coke (1552– 1634). Vgl. ebd., S. 301. Vgl. ebd., S. 304. Parker führt verschiedene Gründe an, aus denen das Parlament als Großer Rat des Reiches allen anderen Ratgebern überlegen und es deshalb absolut notwendig in einem Königreich ist, ein ratgebendes Parlament nicht nur zu institutionalisieren, sondern auch anzuhören und seine Ratschläge zu berücksichtigen. Vgl. Parker, Henry, The case of shipmony briefly discoursed, according to the grounds of law, policie, and conscience and most humbly presented to the censure and correction of the High Court of Parliament, London 1640, S. 35 ff. By the King, Nineteen Propositions made by both Houses of Parliament to the Kings most excellent Majesie, with his Majesties Answer thereunto, Cambridge 1642, S. 2. Vgl. Guy, rhetoric of counsel, S. 307 f.
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Entscheidung des Königs. Fortan sollte dieser nur Themen eigener Wahl mit Personen diskutieren, die er selbst dazu aufgefordert hatte, ihm Rat zu geben. Zusammenfassend kann man sagen, dass Ratgeben in der Antwort des Königs nicht als Recht des Parlaments dargestellt wurde, sondern als eine Pflicht, die der König nach eigenem Gutdünken abrufen konnte. In diesem Sinne betonte Karl I. die Natur des Rates in Abgrenzung zum Befehl – wie dies auch Hobbes tat. Der König sei kein Spielball seiner Ratgeber, ein Vorwurf, dem Karl I. wiederholt ausgesetzt war, sondern höre den Rat und entscheide anschließend eigenständig über den betreffenden Sachverhalt.³⁶⁹ Dies befeuerte die Diskussion aber nur weiter. Statt mit dem Konzept des Ratgebens der Frage nachzugehen, wie die Institutionen des Königreiches am besten vor Tyrannei geschützt werden konnten, verschärfte sich der Ton. Nun stellte sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Herrschenden. Der König wurde als von schlechten Beratern Verführter dargestellt, während das Parlament sich anschickte, in seiner Selbstwahrnehmung als „Great Council“ das Reich zu sichern. Der nächste Schritt zur Aneignung der Exekutivgewalt durch das Parlament kündigte sich hier bereits an.³⁷⁰ Die Bürgerkriege und das Interregnum führten Guys Ansicht nach zu einer Veränderung der Sprache politischen Denkens. Das traditionelle Vokabular des Ratgebens wurde abgelöst durch die Betonung von Rechten, deren Ausübung das Maß der Freiheit der Bürger in einem Staat abbildeten. Den rhetorischen Paradigmenwechsel sieht Guy in den 1650er Jahren als vollzogen an – die Sprache des Rates war seiner Ansicht nach überflüssig geworden. Wie sich die Thematik allerdings bei Hobbes darstellt, dessen „Leviathan“ genau in dieser Zeit der vermeintlichen Konsolidierung der Rechtsund Freiheitsrhetorik veröffentlicht wurde, soll im Folgenden beleuchtet werden. Hobbes beginnt seine Ausführungen zum Rat mit der Unterscheidung zwischen Rat und Befehl – zweier Begriffe, die seiner Ansicht nach oft verwechselt werden. Ein Grund dafür ist die ähnliche Form ihres verbalen Ausdrucks: So kann sowohl ein Rat als auch ein Befehl mit „Tu dies!“ geäußert werden.³⁷¹ Der wesentliche Unterschied ist aber, wem aus dem Gesagten der Vorteil erwächst. Denn während bei einem Befehl der Befehlende seinen eigenen Vorteil vor Augen hat, geht es beim Rat stets um den Vorteil des Beratenen: „Counsell, is where a man saith, Doe this, or Doe not this, and deduceth his reasons from the benefit that arriveth by it to whom he saith it. And from this it is evident, that he that giveth His Majesties Answer to the Nineteen Propositions of both Houses of Parliament, in: Joyce Lee-Malcolm (Hg.), The Struggle for Sovereignty. Seventeenth-Century English Political Tracts, 2 Bde., Indianapolis 1999, Bd. 1, S. 145 – 178. Vgl. Guy, rhetoric of counsel, S. 308 ff. Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 398.
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Counsell, pretendeth onely (whatsoever he intendeth) the good of him, to whom he giveth it.“³⁷² Während man zwar verpflichtet sein kann, einem Befehl Folge zu leisten, kann niemanderwarten, dass man einen Rat in jedem Fall befolgt. Niemand hat darüber hinaus das Recht, einem anderen einen Rat zu erteilen.³⁷³ Dies ist als eindeutige Stellungnahme zu der oben beschriebenen Diskussion um den Rat als Recht oder Pflicht innerhalb einer Monarchie zu bewerten.³⁷⁴ Hobbes erteilt allen Vertretern der verpflichtenden Verbindung zwischen Rat und Herrschaft eine klare Absage. Die Opposition zu Karl I., die sich seit Mitte der 1620er Jahre zunehmend radikalisierte durch die Tendenz des Königs, ohne Parlament herrschen zu wollen, und damit die Grundlagen für die Eskalation des Konflikts im Bürgerkrieg schuf, berief sich seit 1642 auf ihr Recht, den König zu beraten bzw. umgekehrt die Pflicht des Königs, seine Berater anzuhören und ihren Ratschlägen Folge zu leisten.³⁷⁵ Mit dem sich verschärfenden Ton in dieser Debatte wurde die
Ebd., S. 398. Vgl. ebd., S. 400: „A third difference between them [command and counsel] is, that no man can pretenda right to be of another mans Counsell; because he is not to pretend benefit by it to himselfe: but to demand right to Counsell another, argues a will to know his designes, or to gain some other Good himselfe; which (as I said before) is of every mans will the proper object.“ Vgl. Auch Martinich, Two Gods, S. 131. Karl I. bezweifelte den generellen Wert von Ratschlägen. Stattdessen habe man dem königlichen Befehl Folge zu leisten. In diesem Sinn klärte Karl 1627 seinen Privy Council auf: „the question was of obeying the King, not of counselling“. In den kommenden Jahren herrschte Karl I. bekanntlich ohne Parlament, Hauptberater war eine überschaubare Gruppe von Höflingen. Vgl. Guy, Rhetoric, S. 306. Cust, Richard, The Forced Loan and English Politics, 1626 – 1628, Oxford 1987, S. 82. Donald, Peter, An Uncounselled King: Charles I and the Scottish Troubles, 1637– 1641, Cambridge 1990. Dass dies vielen Peers nicht recht war, wird nach dem Scheitern des Short Parliament deutlich: 12 hochrangige Adlige (die allesamt aus dem Kronrat ausgeschlossen worden waren) verfassten eine Petition, in der sie den König zur Einberufung eines neuen Parlaments drängten. Auf der Agenda stand u. a. die Anklage der „authors and counsellors“, die für die schlechte Beratung des Königs und die Missstände im Land verantwortlich gemacht wurden. Vgl. Hyde, Edward, The History of the Rebellion and Civil Wars in England, 2 Bde., Oxford 1840, Bd. 1, S. 63. In der Hoffnung, um die Einberufung eines neuen Parlaments herum zu kommen, belebte Karl I. den „Great Council of peers“ wieder. Oliver St. John, der vier der zwölf Peers als Rechtsbeistand diente, griff zur Verteidigung ihrer Rechte auf Quellen der fürstlichen Tradition („baronial tradition“) zurück: In Notfällen habe der Adel die „authority“, eigenständig zu handeln. Vgl. Guy, Rhetoric, S. 307. Russell, Conrad, Causes of the English Civil War, Oxford 1990, S. 159. Adamson, John S., The English civil war. Conflicts and context, 1640 – 49, Basingstoke 2009, S. 58. Guy betont aber, dass es noch bis zur Mitte des Jahres 1642 dauern sollte, bis „both Houses finally agreed upon, and circulated, manifestos which reified the ‘feudal-baronial’ paradigm of ‘counsel’ as an uncompromising political theory“.Vgl. Guy, Rhetoric, S. 307. Ein Beispiel dafür liefert Parker, Henry, Observations upon some of his Majesties late Answers and Expressions, London 1642, S. 30: „if there bee any benefit in Lawes to limit Princes when they are seduced by Privadoes, and
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3 Thomas Hobbes
Position Karls I. angegriffen, indem er als von schlechten Beratern beeinflusst dargestellt wurde. Dies bot die Grundlage dafür, die Rolle des Souveräns im Staatsgefüge generell anzugreifen. Neben Francis Bacon, der mit seiner aus der Antike abgeleiteten Formel „Sovereignty is married to counsel“ die Basis für solch eine Argumentation schuf, basierten diese Angriffe auch auf anderen Autoren wie z. B. Thomas Elyot (um 1490 – 1546). In seinem Werk „The book named the Governour“ von 1531 beschrieb er einen guten Rat als Schranke zwischen Ordnung und Chaos. Allein mit Hilfe guter Ratgeber sei es möglich, die menschlichen Leidenschaften zu zügeln und Fehlurteile zu verhindern bzw. zumindest zu mäßigen. Die Beschreibung der menschlichen Laster und Fehler bezog sich dabei stets auf den Monarchen, der mit Hilfe guter Ratgeber davor bewahrt werden sollte, ein Tyrann zu werden.³⁷⁶ Antike Vorläufer dieser Idee waren Platon und Aristoteles, bei denen die Tyrannis erstmals eine stark negative Konnotation erfuhr.³⁷⁷ Platon sah die Rettung des tyrannischen Herrschers durch die Anleitung und Beratung durch einen fähigen Lehrer als möglich an – in diesem Fall konnte der Idealstaat verwirklicht werden, in dem der Herrscher zugleich Philosoph war.³⁷⁸ Und in der Tat findet man die Terminologie von dem zum Tyrannen verkommenen König in den Klagen gegen Karl I. wieder – besonders prominent bei John Milton, der vom Parlament beauftragt wurde, das in „Eikon Basilke“ geschaffene Bild des königlichen Märtyrers zu widerlegen und die Vorgehensweise des Parlaments, gemeint ist die Hinrichtung des Königs, zu legitimieren.³⁷⁹Mit seiner Beschreibung des Rates bezieht Hobbes nun eindeutig Position gegen diese Argumentation der antimonarchischen Opposition. Zudem macht er einerseits erneut Front gegen jene, die den antiken Vorbildern (für das Thema des Ratgebens ist vor allem Aristoteles gemeint) bedingungs- und fraglos nacheiferten, wie Francis Bacon dies getan hatte, andererseits entlarvt er aber auch die menschlichen Schwächen der Ratgeber. In der Rhetorik des Parlaments und anderer Quellen war stets von den Lastern und Leidenschaften der Könige die Rede, die will not hearken by the Great Councell of the Land, doubtlesse there must be some Court to judge of that Seducement, and some authoritie to inforce the iudgement, and that Court and Authoritie must bee the Parliament, or some higher Tribunall, there can bee no more certaine Crisis of Seducement, then of preferring private advise before publike.“ Vgl. Elyot, Thomas, The book named the Governor, London 1531. Vgl. Hierzu auch Guy, rhetoric of counsel, S. 293. Platon, Politeia, in: Ders., Sämtliche Werke, Bd. 2, hg.v. U. Wolf, Reinbek 2008, Teil 3, A V. Aristoteles, Politik, hg.v. E. Schütrumpf, Hamburg 2012, 1296 a (Buch IV, Kap. 11). Dazu auch: Giorgini, Giovanni, Plato and the Ailing Soul of the Tyrant, in: Silvia Gastaldi, Jean-François Pradeau (Hgg.), Le philosophe, le roi, le tyran, Sankt Augustin 2009, S. 111– 127. U. a. Vgl. Milton, Eikonoklastes. Ders., The Tenure of Kings and Magistrates, London 1649.
3.5 Der Ratgeber
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durch Ratgeber gemäßigt werden sollen.³⁸⁰ Hobbes dreht den Spieß um: Da insbesondere die Berater eines Staates bzw. des Souveräns ihren eigenen Leidenschaften unterliegen, ist es zwingend notwendig, dass die Ziele des Staates auch vereinbar sind mit den Interessen und Zielen des Beraters. Laufen die Interessen gegeneinander, so ist abzusehen, dass der Rat immer dem Vorteil des Beraters dient und ihn seinen persönlichen Zielen näher bringt. Hobbes beschreibt also nicht die Schwächen des Souveräns, sondern fokussiert sich auf die Beschreibung eines guten Beraters sowie auf die äußeren Merkmale des Rates und der Situation des Ratgebens an sich. Ein weiteres Merkmal eines guten Beraters ist die kurze sprachliche Form seines Rates, die klar das Wesentliche seines Ratschlages und die daraus folgenden Konsequenzen darlegt.³⁸¹ Da, wie bereits erwähnt, Erfahrung und lange Studien die Grundlage bilden, um einen Rat zu erteilen, kann und soll man nur auf den Gebieten raten, auf denen man beides vorweisen kann. Dies gilt insbesondere für die Beratung eines Staates: „No man is presumed to be a good Counsellour, but in such Businesse, as he hath not onely been much versed in, but hath also much mediated on, and considered. […] it requires great knowledge of the disposition of Man-kind, of the Rights of Government, and of the nature of Equity, Law, Justice, and Honour, not to be attained without study; And of the Strength, Commodities, Places, both of their own Country, and their Neighbours; as also of the inclinations, and designes of all Nations that may any way annoy them. And this is not attained to, without much experience. Of which things, not onely the whole summe, but every one of the particulars requires the age, and observation of a man in years, and of more than ordinary study.“³⁸² Die Schlagworte, die einen guten Berater kennzeichnen, sind Erfahrung und lange Studien, wobei Hobbes hier deutlich den Studien den Vorzug gibt. Am besten ist der Rat desjenigen, der die Gesetze und Regeln auf seinem Gebiet gelernt oder entdeckt hat, der also mit fundiertem Fachwissen aufwarten kann. Steht eine solche Person nicht zur Verfügung, so ist derjenige mit der größten Erfahrung auf dem betreffenden Gebiet der beste Berater.³⁸³ Derjenige, der um einen Rat ersucht, ist Hobbes zufolge immer auch der Autor des Rates, da er ihn gewissermaßen erst initiiert. Deshalb kann er den Ratge-
So z. B. bei John Milton, der die schlechten Ratgeber des Königs für seinen Fall und letztlich auch für seine Hinrichtung verantwortlich macht: „a King […] who was not to seek without the help and influence of a malicious council, to play his own parts […] for his own ends“ Milton, Life and Reign, S. 55 f. Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 404. Ebd., S. 406. Vgl. ebd.
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benden nicht anklagen oder bestrafen, wenn ihm der Inhalt des Rates nicht zusagt. Denn jemanden um einen Rat fragen, heißt auch, ihm zu erlauben, diesen Rat zu geben. Diese Grundprinzipien gelten im Kleinen wie auch auf der politischen Ebene. Der Souverän, sei es ein Monarch oder eine Versammlung, kann denjenigen, den er um Rat ersucht hat, nicht bestrafen. Aus der Natur des Rates leitet Hobbes auch ab, wer als geeigneter und wer als ungeeigneter Ratgeber gilt: „For Experience, being but Memory of the consequences of like actions formerly observed, and Counsell but the Speech whereby that experience is made known to another; the Vertues, and Defects of Counsell, are the same with the Vertues, and Defects Intellectuall“.³⁸⁴ Der Rat ist also die sprachliche Form, in der die Erfahrung eines Menschen mitgeteilt wird. Auch zur Situation der Raterteilung an sich hat Hobbes genaue Vorstellungen. Am besten sei derjenige bedient, der seine Ratgeber einzeln anhört und nicht in einer Versammlung. Ein beratendes Gremium, wie es z. B. der Privy Council in England darstellte, lehnt Hobbes ab. Zu viele Fehlerquellen können sich hier in den Ratschluss einschleichen: „but in an Assembly many of them [Counsellours] deliver their advice with I [Aye], or No, or with their hands, or feet, not moved by their own sense, but by the eloquence of another, or for feare of displeasing some that have spoken, or the whole Assembly, by contradiction; or for feare of appearing duller in apprehension, than those that have applauded the contrary opinion.“³⁸⁵ Zudem kann es in einer Versammlung begabte Redner geben, deren Intentionen den Zielen des Staates entgegenlaufen, die aber kraft ihrer leidenschaftlichen Rede andere von einem falschen Rat überzeugen. Insgesamt wird beim Thema des Rates noch einmal Hobbes’ Abneigung gegen eine gezierte Rede deutlich. Nur zu leicht verführt ein guter Redner aus den falschen Beweggründen die Versammlung der Ratgebenden. Hört man aber die Ratgeber einzeln und allein an, so hat man erstens den Vorteil vieler, getrennt voneinander vorgebrachter Ratschläge. Zudem kann man den Ratschlag durch das Gespräch mit dem Ratgeber prüfen, sowohl was das Verständnis und die Wahrheit des Rates betrifft, als auch was die Intention des Ratgebers anbelangt. Hobbes resümiert „A man that doth his businesse by the help of many and prudent Counsellours, with every one consulting apart in his proper element, does it best […] He does next best, that useth his own Judgement only […] But he that is carried up and down to his businesse a framed Counsell, which connot move but by the plurality of consenting opinions, the execution whereof is commonly (out of envy, or interest)
Ebd., S. 404. Ebd., S. 408.
3.5 Der Ratgeber
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retarded by the part dissenting, does it worst of all“.³⁸⁶ In diesem Sinn war der geheime Rat eines der Mittel, durch die Regierungen – auch die antiken Demokratien – Bestand hatten. Der Vorteil einer Demokratie lag Hobbes zufolge also nicht bei offenen Beratungen einer großen Versammlung; ihr Überleben wurde, genau wie das von Monarchien, durch diskrete Beratschlagungen und auf ihnen fußende Beschlüsse gesichert.³⁸⁷ Dies ist die Essenz dessen, was Hobbes über die Definition des Rates, über geeignete Ratgeber und das angemessene, situative Umfeld des Ratschlags schreibt. Durch das, was bereits weiter oben zur Natur der antiken auctoritas ausgeführt wurde, fällt eines deutlich ins Auge: Zwischen auctoritas und dem Ratgeben bei Hobbes bestehen zahlreiche Parallelen. Am Auffälligsten ist dies, wenn Hobbes über den idealen Ratgeber schreibt. Ihn zeichnen vor allem einschlägige Erfahrungen auf einem oder mehreren Gebieten aus und ein damit verbundenes hohes Alter. Erfahrung allein ist aber nicht ausreichend, sondern auch fundierte Kenntnisse auf dem speziellen Fachgebiet des Ratgebers, die sich an den (Natur‐)Gesetzen seiner Disziplin orientieren, sind zentral. Nur diese Kenntnisse und die reifliche Durchdringung der vorliegenden Problematik, zu der der Rat erteilt werden soll, qualifizieren zu einem guten Ratgeber. Er soll alle Seiten der betreffenden Sache abwägen und auch die Folgen seines Ratschlages bedenken und sie – auch dies ist eine zentrale Handlungsaufforderung Hobbes’ – dem Beratenen in klarer Sprache darlegen. Der Berater soll sich nicht durch eine leidenschaftliche Rede oder seine rhetorischen Fähigkeiten auszeichnen. Stattdessen ist derjenige ein guter Berater, dessen Sprache frei von unnötigen Schnörkeln ist. Vieles von dem findet sich auch bei der bereits erfolgten Beschreibung der Kernelemente zur Generierung von auctoritas wieder (siehe Kap. 3.3): Der Senator hat ein gewisses Alter erreicht, er hat im Laufe seines Lebens seine Erfahrungen gemacht und ist durch seine durchlaufenen Ämter und den Einsatz auf verschiedenen Gebieten (militärische oder politische Felder) ein Kenner seines Faches. Ein wesentliches Merkmal, um auctoritas zu erlangen, waren auch Studien auf einem bestimmten Gebiet bzw. überlegenes Wissen, ganz wie Hobbes dies auch dem Ratgeber zudenkt. Ein Unterschied besteht in der Ausrichtung dieser Studien, denn Hobbes ging es vordringlich um naturwissenschaftliche Expertise auf dem Gebiet der Physik bzw. allgemeiner um die Kenntnis der Naturprinzipien, von denen er seine Schlüsse die Natur des Menschen, die Gesellschaft und die Politik betreffend ableitete.Was die Senatoren der römischen Ebd., S. 410 ff. Vgl. ebd.Weitere lebenserhaltende Momente von Demokratien sind laut Hobbes ein äußerer, sie einender Feind, der gute Ruf eines großen, in ihr lebenden Mannes und die gemeinschaftliche Furcht vor gleichen Parteien.
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Antike hingegen vor allem auszeichnete, war ein aus einer militärischen und/oder politischen Ämterlaufbahn gewonnenes Erfahrungswissen, auch wenn gleichsam Gelehrtheit auf anderen Gebieten zu den Kompetenzen der Senatoren hinzukommen konnten.
3.6 Zur Selbstpositionierung Hobbes’ 3.6.1 „Leviathan“: Autorität als unautorisierter Sprecher Dass Hobbes mit seinem Kapitel „Vom Rat“ Stellung zu der Argumentation des Parlaments bezieht, ist bereits deutlich geworden. Bislang sind die Parallelen herausgearbeitet worden zwischen Hobbes’ Autoritätskonzept und der antiken potestas sowie der im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Klassifizierung eines idealen Ratgebers in Anlehnung an die antike auctoritas. Im Sinne der Austinschen Sprechakttheorie kann man fragen, was Hobbes tut, indem er diesen Konnex schafft? Um diese Frage zu beantworten, muss man sich ins Gedächtnis rufen, dass Hobbes zur Zeit der Abfassung und Veröffentlichung des „Leviathan“ keinerlei offiziellen Auftrag für sein Werk besaß. Er war weder von den im Exil lebenden Royalisten um Karl II. noch von den neuen Machthabern in England zu einer Stellungnahme zur aktuellen politischen Situation und ihren staatstheoretischen Grundlagen beauftragt worden. Anders lag dies bei einigen anderen zeitgenössischen Autoren, etwa bei John Milton und seiner Schrift „Ikonoklastes“.³⁸⁸ Gleiches gilt auch für Marchamont Nedham, der mit seiner Zeitschrift „Mercurius Politicus“ das offizielle Sprachrohr des Rump war.³⁸⁹ Thomas Hobbes hingegen musste seinen Beitrag zur politischen Debatte der Jahre nach dem Bürgerkrieg und der Hinrichtung des Monarchen selbst legitimieren. Der einzig
Milton, Eikonoklastes. „Eikonoklastes“ wurde veröffentlicht „By Authority“ des Parlaments; zur Abfassung schreibt Milton auf S. 2 f. des Vorworts: „any need of answering, in respect of staid and well-principl‘d men, I take it on me as a work assign’d rather, then by me chos’n or affected, which was the course both of beginning it so late, and finishing it so leasurely, in the midst of other imployments and diversions.“ Zu Miltons offiziellem Auftrag siehe auch Wordon, Marchamont Nedham, S. 58. Ders., Classical Republicanism, S. 190. Skinner, Visions, S. 210. Norbrook, Writing, S. 203 f. Nedham, Mercurius Politicus. Das Wochenblatt erschien vom 6. Juni 1650 bis zum 5. Januar 1661. Im Titel fasst Nedham seinen Auftrag und sein Anliegen zusammen: „Comprising the Summ of all Intelligence, with the Affairs, and Designs now on foot, in the three Nations of England, Ireland, and Scotland. In defence of the Common-wealth, and for Information of the People“ (Ausgabe vom 6.–13. Juni 1650). Siehe auch Norbrook, Writing, S. 222, 224. Wordon, Marchamont Nedham, S. 60 ff. Ders., English Republicanism, S. 249. Pocock, Machiavellian Moment, S. 382.
3.6.1 Autorität als unautorisierter Sprecher
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mögliche Weg, dies zu erreichen und seiner Abhandlung eine möglichst breite Wirkungsmöglichkeit zu verschaffen, waren eigene argumentative Anstrengungen. Ein möglicher Anknüpfungspunkt ist hier meiner Auffassung nach die Selbstinszenierung Hobbes’ als Idealtyp des von ihm beschriebenen Ratgebers.³⁹⁰ Über diesen Kunstgriff gelingt es ihm, eine Autorität als Sprecher in der laufenden, zeitgenössischen Debatte über die politische Zukunft Englands nach der Abschaffung der Monarchie herzustellen. Zunächst sei an den idealen Ratgeber erinnert: „And this is not attaines to, without much experience. Of which things, not onely the whole summe, but every one of the particulars requires the age, and observation of a man in years, and of more than ordinary study.“³⁹¹ Grundvoraussetzung, um Rat zu geben, ist zum einen das Alter des Ratgebers. Zur Zeit der Veröffentlichung des „Leviathan“ war der 1588 geborene Hobbes bereits 63 Jahre alt, diese Bedingung schien für ihn also keine Hürde zu sein. Zudem sollte der Ratgeber ein außergewöhnlicher Gelehrter sein, der sein Wissen nicht nur durch eingehende Studien erlangt, sondern auch durch Beobachtungen vervollständigt hatte. Hobbes folgte damit dem neuen, von Francis Bacon geforderten Kurs der Wissenschaft weg von der reinen Büchergelehrsamkeit des Mittelalters hin zur auf Beobachtung und Experimenten basierenden Erforschung der Naturphänomene. Die aus Beobachtungen stammenden Erkenntnisse sollten zu allgemein gültigenNaturgesetzen führen (induktives Verfahren), wofür der Wissenschaftler Erfahrung und Denken miteinander vereinen müsse.³⁹² Die Nähe zu Bacons Ansatz verwundert nicht, war Hobbes doch um 1626 sein Sekretär. Während Hobbes’ frühe wissenschaftliche Laufbahn geprägt war von der humanistischen literarischen Kultur³⁹³, erfolgte eine zunehmende Abkehr vom Humanismus zeitgleich mit seinem Eindringen in naturwissenschaftliche Thematiken, ein Interesse, dass wohl durch Hobbes’ Lektüre von Euklids „Elements“ begünstigt war.³⁹⁴ In Folge dessen entwickelte sich wohl auch seine Methode: die Geometrie wird für ihn zum Muster jeder Wissenschaft; die Beweisführung erfolgt Satz für Satz und von Be-
Vgl. auch Martinich, Two Gods, S. 131: Martinich räumt ein, dass Hobbes dem Souverän einen Rat erteilt. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 406. Vgl. Jaeger, Lars, Die Naturwissenschaften. Eine Biographie, Berlin, Heidelberg 2015, S. 87 ff. Bacon, Francis, Novum Organum Scientiarum, 1620. Ders., The advancement of learning, 1605 (spätere Ausgabe als „De dignitate et augmentis scientiarum“, 1623). Vgl. Skinner, Reason, S. 217. Vgl. ebd., S. 250. Fetscher, Einleitung, S. XIII.
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weis zu Beweis, alles baut logisch aufeinander auf.³⁹⁵ Dass die Natur bzw. die Naturgesetze für ihn die Grundlage allen weiteren Denkens bilden, drückt sich bereits zu Beginn seiner Einleitung zum „Leviathan“ aus: „Nature […] is by the Art of men […] imitated“.³⁹⁶ Bezogen auf Hobbes’ Aussage zur Qualifikation von Ratgebern kann man zunächst festhalten, dass er selbst die Voraussetzung einer aus naturwissenschaftlicher Beobachtung stammenden Gelehrsamkeit erfüllte. Hobbes’ Lebenslauf deckte aber auch die Forderung nach der klassischen Büchergelehrsamkeit, also der „ordinary study“ als Basis für weitere Studien, und die Vernetzung mit anderen Gelehrten ab: Bereits 1603 nahm er sein Studium in Oxford auf. Es folgte eine Anstellung als Tutor bei der Familie Cavendish, der er lebenslang eng verbunden blieb. Diese Stellung ermöglichte ihm den Zugang zu moderner wissenschaftlicher Literatur im Bereich der Naturphilosophie, auf die sich seine Lehren zum Großteil stützten, sowie Kontakt zu bedeutenden zeitgenössischen Wissenschaftlern und Politikern.³⁹⁷ Auch die „grande tour“, die ihn zusammen mit dem Earl of Newcastle nach Italien und Frankreich führte, kennzeichnet ihn als Gelehrten und Gentleman seiner Zeit. Nach seiner Rückkehr beginnt er die Thukydides-Übersetzung, die er 1629 veröffentlicht. Im Rahmen diverser Lehrtätigkeiten erfolgen weitere Aufenthalte in Frankreich, Italien und der Schweiz, hier entsteht auch der Kontakt zu Galilei. Um 1630 entwickelte Hobbes mit den drei Teilen „De Corpore“, „De Homine“ und „De Cive“ das Grundgerüst seiner Philosophie³⁹⁸, zu der an späterer Stelle noch zu kommen sein wird. Nachdem Hobbes aus Angst vor einer Verfolgung durch die Mitglieder des Parlaments, wie sie durch das Erstarken der monarchiekritischen Kräfte im Parlament und die Schwäche Karls I. wahrscheinlich wurde, ins Pariser Exil floh, gehörte er dort den bedeutenden Gelehrtenzirkeln um René Descartes und Marin Mersenne (1588 – 1648) an.³⁹⁹ Bereits vor seiner Flucht aus England hatte er „Humane Nature; or the fundamental Elements of Policie“ und „De Corpore Politico; or the Elements of Law, Naturall and Politique“ anonym veröffentlicht.⁴⁰⁰ Im Exil folgte 1642 der Druck von „De Cive“, das eine Umarbeitung und Erweiterung der „Elements“ darstellt.⁴⁰¹ Ab 1645 wird Hobbes zum Mathematiklehrer
Dies wird u. a. besonders im Kap. 5 des „Leviathan“ („Von Vernunft und Wissenschaft“) deutlich. Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 64 ff. Ebd., S. 16. Vgl. Fetscher, Einleitung, S. XII. Vgl. Skinner, Freiheit, S. 20. Vgl. Sprinborg, Introduction, S. 4. Gedruckt wurden die „Elements of Law“ erst 1650, zuvor kursierten jedoch bereits einige Abschriften. Vgl. Skinner, Freiheit, S. 21. Vgl. ebd., S. 63.
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des Prinzen von Wales, was ihm die mit der Restauration der Monarchie wichtig werdende Gunst Karls II. einbringt.⁴⁰² Zum Anfertigen des „Leviathan“ entschließt sich Hobbes ebenfalls noch im Exil, wo er von der Niederlage der Royalisten und der Hinrichtung Karls I. erfährt. Erzürnt darüber, dass die Sieger ihren Erfolg mit dem Wirken göttlicher Vorsehung begründen, macht er sich an das Verfassen seines Hauptwerkes, in dem er ja auch die religiöse Legitimation seiner Staatsphilosophie auf einer ganz anderen Grundlage errichtet: Nicht jede Rebellion, die politischen Umsturz zur Folge hat, ist von Gott gewollt aus dem einfachen Grund heraus, weil sie erfolgreich stattgefunden hat, sondern Gott gibt die von ihm gewollte Ordnung in seinem Bund mit Abraham vor. Ein Gemeinwesen soll nach diesem Vorbild errichtet werden, somit ist nicht Auflösung und Chaos der göttliche Wille, sondern der durch den covenant errichtete Staat. In seiner später verfassten Vita resümiert er wie folgt: „Obwohl ich zu dem Zeitpunkt beschlossen hatte, mein Buch De Corpore zu schreiben, für das die Materialien vollständig bereit lagen, schob ich die Fertigstellung auf, weil ich es nicht dulden konnte, dass so viele scheußliche Verbrechen den Geboten Gottes zugeschrieben werden, und entschied, es habe oberste Priorität für mich, die göttlichen Gesetze freizusprechen.“ Das Resultat war der „Leviathan“, „ein Werk, das nun in Vertretung aller Könige und all derer kämpft, die, ganz gleich unter welchem Namen, königliche Rechte innehaben.“⁴⁰³ Anhand seiner Ausbildung, der diversen Bildungsreisen und Lehrtätigkeiten sowie der umfassenden Publikationstätigkeit wird deutlich, dass Hobbes selbst seinem Anspruch gerecht wurde, Studien gemacht zu haben, die über das gewöhnliche Maß hinaus gingen. Auch das so häufig von ihm thematisierte Beobachten und Abwägen von Situationen und von den Folgen, die aus bestimmten Handlungen entspringen, hatte er seiner eigenen Auffassung nach wohl geradezu in Perfektion geschafft. Denn indem er all seine philosophischen Grundgedanken und seine Methodologie von der Geometrie und der physikalischen Lehre der Bewegung der Körper ableitete, kam er diesem Ideal wohl so nah wie nur irgend möglich. Auch im „Leviathan“ ist sein vorherrschender Stil die immer wiederkehrende Beschreibung von Ursache und Folge, angewandt auf unterschiedlichste Themenbereiche. Hobbes selbst resümiert zur Klarheit seiner Lehre: „And as to the whole Doctrine, I see not yet, but the Principles of it are true and proper; and the Ratiocination solid. For I ground the Civill Right of Soveraigns, and both the Duty and Liberty of Subjects, upon the known naturall Inclinations of Mankind, and upon the Articles of the
Vgl. Fetscher, Einleitung, S. XIVf. Hobbes, Thomae Hobbes Malmesburiensis Vita, Bd. 1, S. 92, Zeile 187– 191, S. 92, Zeile 200 – 202. Vgl. Skinner, Freiheit, S. 82.
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Law of Nature, to which no man, that pretends but reason enough to govern his private family, ought to be ignorant.“⁴⁰⁴ Ein weiteres Erkennungszeichen eines guten Ratgebers ist seine Uneigennützigkeit. Der Ratschlag soll nicht dem Berater zum Vorteil gereichen, sondern einzig dem Wohl und Vorteil des Beratenen dienen. Wiederholt hat Hobbes im „Leviathan“ seine eigene Uneigennützigkeit deutlich herausgestellt. Er ist der Ratgeber seines Volkes, er belehrt und ermahnt es dazu, was passiert, wenn es den trügerischen Lehren antiker Philosophen und deren Lobpreisung der demokratischen Staatsform unüberlegt folgt.⁴⁰⁵ Stattdessen zeigt er seinen Landsleuten auf, was Souveränität ist, zu welchem Zeitpunkt man als Untertan einem Eroberer verpflichtet ist, was Eroberung ist und wie es dazu kommt, dass die Menschen dazu verpflichtet sind, den Gesetzen des Eroberers zu gehorchen.⁴⁰⁶ Ihm ist dabei durchaus bewusst, dass manches an seiner Lehre Anstoß zu vehementer Kritik geben wird, z. B. sein Plädoyer für die Unterordnung unter eine de facto bestehende Regierung – zur Zeit der Veröffentlichung des „Leviathan“ konnte dies nur auf das Rump zielen und wurde von vielen Royalisten als aktive Werbung für das in ihren Augen unrechtmäßige Regime wahrgenommen. Auf der anderen Seite musste Hobbes’ generelle Favorisierung der Ein-Mann-Herrschaft, insbesondere seine häufig betonte Bevorzugung der Monarchie, den Ansichten der Mitglieder des Rump als den derzeitigen Machthabern in England sowie allen Befürwortern des „Free State“ widersprechen. Und auch seine Äußerungen den christlichen Staat betreffend war sich Hobbes der Verfänglichkeit seiner Thesen bewusst, die ihn insbesondere bei den Advokaten eines starken, selbstständigen Kirchenregiments nicht beliebt machen konnten.⁴⁰⁷ Dennoch behauptet er, allen aufrecht an Informationen interessierten und unvoreingenommenen Lesern eine neue Lehre anbieten zu können, die nicht nur wahr sei, sondern auch zu Frieden und Loyalität führe. Dies ist zugleich ein Seitenhieb auf alle, die eine andere als seine Meinung vertraten: Wer sein Werk nicht unvoreingenommen liest, der suche bereits beim Lesen nach Gegensätzen und Widersprüchen zu seiner eigenen Meinung und sei deshalb nicht im Stande, Hobbes’ Theorie objektiv zu bewerten und
Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 1139. Ebd., S. 1133 f. Insbesondere in der lat. Fassung des Leviathan, S. 1125 ff. Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 1133. „And for the Power Ecclesiasticall of the same Soveraigns, I ground it on such Texts, as are both evident in themselves, and consonant to the Scope of the whole Scripture. […] But for those that by Writing, or Publique Discourse, or by their eminent actions, have already engaged themselves to the maintaining of contrary opinions, they will not be so easily satisfied.“ Vgl. ebd., S. 1139.
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einen Nutzen daraus zu ziehen.⁴⁰⁸ Ganz am Ende seiner Abhandlung schreibt Hobbes: „And thus I have brought to end my Discourse of Civill and Ecclesiasticall Government, occassioned by the disorders of the present time, without partiality, without application, and without other designe, than to set before mens eyes the mutuall Relation between Protection and Obedience“.⁴⁰⁹ Da seine Schrift so offenkundig der Wiederherstellung einer friedvollen Staatsordnung dienen soll, gegen die er als Verfasser keine Einwände haben kann und gegen die auch kein vernunftbegabter Mensch etwas einwenden kann, behauptet er eine weitere Ratgeber-Voraussetzung zu erfüllen: die Gleichheit der Intentionen und Absichten von Berater und Beratenem. Der „Leviathan“ erscheint in dieser Hinsicht als Rat Hobbes’ zum Wohl der Allgemeinheit und nicht zum Vorteil des Ratgebers. Schließlich beschrieb Hobbes die Art und Weise, wie ein Rat zu erteilen ist, als zentral für seine Wirksamkeit. Zunächst sollte ein Ratschlag im Dialog zwischen Ratgeber und Beratenem gehört werden. Dies kann wohl durch die Tatsache, dass der „Leviathan“ dem nach Rat suchenden, an Informationen interessierten Leser in Schriftform zur Verfügung stand als erfüllt angesehen werden. Zwar handelt es sich hierbei nicht um einen realen verbalen Austausch. Mit Blick auf die Sprechakttheorie John Austins, die besagt, dass eine sprachliche Äußerung ein Sprechakt mit unterschiedlichen, möglichen Wirkungen ist⁴¹⁰, kann aber festgehalten werden, dass auch eine Äußerung in Schriftform diese Wirkungen erzielen kann. Der Analogieschluss zwischen einem tatsächlich stattfindendem Gespräch und der Situation zwischen Leser und Autor ist meiner Ansicht nach auch mit Blick auf die Bedeutung von gedruckten Schriften als zeitgenössische Massenmedien vertretbar.Das Verhältnis zwischen Leser und Autor schafft dabei gerade das, was Hobbes auch für den Ratschlag als zentral ansieht: Der Leser geht mit verschiedenen Fragen an die Lektüre des Buches, der Autor antwortet – der Unterschied liegt nicht in der Natur der Sache, sondern in der non-verbalen Form der Darreichung des Ratschlags. Dabei nimmt Hobbes jedoch ganz klar in der Funktion des Ratgebers den zentralen Part ein, denn er belehrt den Leser. In diesem Sinne findet kein Dialog statt, denn der Leser hat Hobbes’ überlegenen Einsichten zu folgen; alle, die dies nicht tun, sind entweder schlechte und unvernünftige
Ebd., S. 1139. Ebd., S. 1141. Z. B. kann ein Sprechakt andere vor etwas warnen, etwas mitteilen, versprechen etc. Der Sprecher tut also etwas, indem er etwas sagt (illokutionärer Akt). Zudem kann auch eine perlokutionäre Funktion mit dem Sprechakt verbunden sein, indem man einen anderen von etwas überzeugt, Erwartungen weckt oder ihn einschüchtert. Ein Sprechakt kann also eine bestimmte Wirkung beim Gegenüber erzielen, die jedoch maßgeblich vom Rezipienten selbst abhängig ist. Vgl. Austin, Sprechakte, S. 8 ff.
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Gelehrte und mit Vorurteilen behaftet oder schlicht Unruhestifter, die die friedenssichernde Wahrheit seiner Philosophie nicht anerkennen wollen. Hobbes reklamiert für sich damit ganz deutlich eine Sprecherautorität,der die anderen im übertragenen Sinne „zuhören“ müssen. Zudem geht es Hobbes aber auch um einen klaren, knappen Stil. Weder soll sich der Ratgeber in das Zitieren anderer Autoren verrennen, noch durch eine floskelhafte Sprache Unklarheiten in seine Ausführungen bringen. Als Gefahr hatte Hobbes ja insbesondere angesehen, dass sich einzelne ambitionierte Redner in einer Ratsversammlung präsentieren und ihre Kollegen von sich selbst und ihren Ansichten überzeugen können. All dies spiegelt deutlich Hobbes’ generelles Misstrauen gegenüber der Rhetorik und Eloquenz wider. Auch vor sich selbst macht er hier keinen Halt, in seinem Fazit schreibt er „There is nothing I distrust more than my Elocution; which neverthelesse I am confident (excepting the Mischances of the Presse) is not obscure. That I have neglected the Ornament of quoting ancient Poets, Orators, and Philosophers, contrary to the custome of late time, (weather I have done well or ill in it) proceedeth from my judgment, grounded on many reasons.“⁴¹¹ Hobbes’ kritische Haltung zur Rhetorik und seine damit verbundene Ablehnung von Volksversammlungen als Regierungen ist schon des Öfteren thematisiert worden. Der Schlüssel für eine überzeugende Rede liegt für den Philosophen eben nicht in der Rhetorik begründet, sondern in der Eleganz der Klarheit, die nur erreicht wird, wenn man den Grundsätzen der Wissenschaft folgt.⁴¹² Eben diese Vorgabe hat sich Hobbes selbst, wie das eben erwähnte Zitat zeigt, auf die Fahnen geschrieben und er konstatiert, seinem eigenen Anspruch gerecht geworden zu sein. Es gilt ein letztes Detail des Rates zu bedenken: Hobbes führt im Kapitel 25 aus, dass stets der Ratsuchende Autor des Rates ist – ob er ihm nun gefällt oder nicht – und der Ratgebende deshalb, ganz gleich welchen Inhalts sein Rat war, nicht für diesen bestraft werden kann. Mit diesem Kniff unternimmt Hobbes meiner Ansicht nach den Versuch, sich selbst gegen alle möglichen Angriffe zu verteidigen. Da seine Lehre allein den Prinzipien der Vernunft entspringt, wie er es im „Leviathan“ an zahlreichen Stellen betont, kann er von keinem rational denkenden, vernunftbegabten Menschen für sie verurteilt oder gar bestraft werden. Zudem ist der Leser als derjenige, der in seinem Buch einen Rat sucht, zugleich der Autor desselben. Martinich spekuliert darüber, ob Hobbes nicht vielleicht den Fall des zum Tode verurteilten Thomas Wentworth‘, des 1. Earl of Strafford (1593 – 1641), bei der Abfassung dieser Passage vor Augen hatte, denn Strafford wurde
Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 1139. Vgl. hierzu auch Skinner, Reason, S. 287, 303.
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beschuldigt, Karl I. schlecht beraten zu haben.⁴¹³ Darüber, welches unrühmliche Ende Berater erwartete, deren Ratschläge dem Parlament nicht gefielen, konnte sich Hobbes also keine Illusionen machen. Deshalb betont er, dass es keinen unerwünschten Rat gibt. Die Frage nach Hobbes’ Legitimation als zumindest nicht offiziell autorisierter Sprecher kann neben seiner Selbstdarstellung als Wissenschaftler und objektiver Beobachter auch durch folgende Überlegung geklärt werden: Indem der Leser Hobbes’ Buch gekauft hat und liest, schlüpft er in die Rolle des Ratsuchenden, der Hobbes selbst autorisiert. Der Inhalt vonHobbes’ Ratschlag mag dann so Manchem ungelegen kommen, dennoch ist er als Leser selbst aktiv geworden und hat den Rat eingefordert, ist somit Autor desselben. Und schließlich sind Hobbes’ Ziele mit denen eines jeden vernunftbegabten Lesers vereinbar, da die Schaffung einer funktionierenden Regierung im Fokus des „Leviathan“ steht. Hobbes hat sich somit durch argumentative Anstrengungen aus der Schusslinie der gängigen Kritik des Parlaments an den schlechten Ratgebern Karls I. manövriert, denen stets die Schuld an den Defiziten der königlichen Regierung gegeben wurde, wie u. a. auch John Milton einräumt.⁴¹⁴ Inwieweit diese Legitimationsanstrengungen des Philosophen erfolgreich waren, wie er also von seinen Zeitgenossen rezipiert wurde, ist eine noch zu klärende Frage (siehe Kapitel 5 und 6). In seiner 1668 erschienenen, gekürzten lateinischen Ausgabe des „Leviathan“ findet sich am Ende eine interessante Passage zu Hobbes’ Intentionen für die Abfassung des Werkes insgesamt, aber auch für die spätere lateinische Version: „But since I knew that men’s minds had for a long time been scribbled over with contray doctrines, I thought it necessary to explain everything at a greater length. I did explain (but in the English language) as best I could, at the time when the civil war, which had arisen in Scotland over ecclesiastical discipline, was being waged extremely fiercely in England too, and in Ireland – when, after not only bishops, but also the King, law, religion, and virtue had been taken away […] Therefore this teaching of mine was of little use; of little use, I say, but of some use nevertheless. For I hoped that it would be of use later […] after the war was over. […] Who can believe that all those seditious principles have already been eleminated, or that there is anyone other than the democrats who would want a doctrine as conducive to peace as this one to be eleminated? To prevent that from happening, I wished it to be available in Latin. For I see that quarrels among men about opinions, and about whose intellect should prevail, cannot be taken away by force of arms. Evils of this sort must be extinguished in the same way that they
Vgl. Martinich, Two Gods, S. 131. Milton, Eikonoklastes, Vorwort.
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arise. The minds of the citizens had been gradually infected by the writers of heathen politics and philosophy. That democratic ink must be wiped away by preaching, writing, and arguing. I do not understand how else this can be done, except by the universities. So let them make as much effort, henceforth, to support the claims of kingly power as they once made efforts on behalf of the power of the Pope. Meanwhile, let us all make an effort to prevent ourselves from being overwhelmed all together, thanks to our internal quarrels, by a foreign enemy.“⁴¹⁵ Die zitierte Passage ist nochmals eine Bestätigung des Hobbesschen Glaubens daran, dass antike Philosophen und die kritiklose Übernahme ihrer Lehren durch seine Zeitgenossen eine Hauptursache für den Ausbruch des Bürgerkrieges waren. Zugleich betont er aber auch, wie diesem Dilemma beigekommen werden kann. Nur durch Predigten – denn die Anhänger der Antike kennzeichnet Hobbes gleichsam als Heiden, die nur durch religiöse Praktiken zurückgeführt werden können – und eine Umorientierung der Lehre an den Universitäten sei es künftig zu schaffen, Bürgerkriegen vorzubeugen und allgemeiner den Missstand einer demokratischen Gesinnung im Volk abzuschaffen. Dass sich seine Schrift tatsächlich auch ganz zentral an die Universitäten richtet, ist auch an anderer Stelle zu lesen: „Therefore I think it may be profitably printed, and more profitably taught in the Universities, in case they also think so, to whom the judgment of the same belongeth. For seeing the Universities are the Fountains of Civill, and Morall Doctrine, from whence Preachers, and the Gentry, drawing such water as they find, use to sprinkle the same (both from the Pulpit, and in their Conversation) upon the People, there ought certainly to be great care taken, to have it pure both from the Ventime of Heathen Politicians, and from the Incantation of Deceiving Spirits.“⁴¹⁶ Hobbes beteuert zwar weiter oben im Text, dass er sich nicht die Stellung eines Lehrers anmaßt. Tatsächlich will er aber die universitäre Lehrerschaft mit seiner Schrift überzeugen und beeinflussen – oder um es anders auszudrücken: Er will ihnen dazu raten, welche Lehre am besten zu unterrichten ist. Hobbes selbst sieht seine schriftlichen Beiträge zur zeitgenössischen Debatte als Mittel an, in Zukunft Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten. Er war sich der Macht des geschriebenen Wortes bewusst, zudem richtet sich seine lateinische Fassung des „Leviathan“ an die Gelehrtenwelt. Gewissermaßen wird Hobbes mit seinem Werk aktiv. Die Einspeisung seiner Ideen in internationale Gelehrtenzirkel, denen sein Name aufgrund seiner früheren Veröffentlichungen und zum Teil auch aufgrund persönlicher Beziehungen bereits bekannt ist, geschieht mit dem deutlichen Willen, die Geisteshaltung seiner Zeitgenossen zu verändern. Sein
Hobbes, Leviathan, lat. Fassung (engl. Anm.), S. 1127– 1131. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 1140.
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Beitrag zur Debatte soll dazu führen, dass sich sowohl die Gebildeten als auch die Herrschenden mit seiner Lehre auseinandersetzen und sie idealerweise bei der Regierung Anwendung findet. Oder um mit Austin zu sprechen: Hobbes hat den perlokutionären Akt der Überzeugung anderer im Blick.⁴¹⁷ Zentral zu diesem Geflecht an Absichten und Wirkungen ist Hobbes’ Zwischenfazit am Ende der ersten beiden Teile des „Leviathan“. Er schreibt hier: „And now, considering how different this Doctrine is, from the Practise of the greatest part of the world, especially of these Western parts, that have received their Morall learning from Rome, and Athens; and how much depth of Morall Philosophy is required, in them that have the Administration of the Soveraign Power; I am at the point of believing this my labour, as uselesse, as the Common-wealth of Plato; For he also is of opinion that it is impossible for the disorders of State, and Change of Governments by Civill Warre, ever to be taken away, till Soveraigns be Philosophers. But when I consider again, that the Science of Naturall Justice, is the onely Science necessary for Soveraigns, and their principall Ministers […] and that neither Plato, nor any other Philosopher hitherto, hath put into order, and sufficiently, or probably proved all the Theoremes of Morall doctrine, that men may learn thereby, both how to govern, and how to obey; I recover some hope, that one time or other, this writing of mine, may fall into the hands of a Soveraign, who will consider it himselfe, (for it is short, and I think clear,) without the help of any interessed, or envious Interpreter; and by the exercise of entire Soveraignty, in protecting the Publique teaching of it, convert this Truth of Speculation, into the Utility of Practice.“⁴¹⁸ Hobbes ist sich der Neuartigkeit seiner Lehre bewusst, was durch diese Aussage deutlich wird. Dennoch hofft er auf einen Souverän, der seine Abhandlung liest und sich dann ohne den Einfluss schlechter Ratgeber zu Nutze macht. Hobbes’ Überzeugung nach trägt seine Theorie durch die Verdeutlichung der Hierarchien im Staat und die Herleitung dessen, wer warum Autorität inne hat und wozu diese berechtigt, zu einem langfristigen Friedenserhalt bei. Hobbes sieht sich offenkundig eher als die Universitätsgelehrten dazu befähigt, wieder Ordnung in das Chaos zu bringen, das durch Bürgerkrieg, Königsmord und die Herrschaft des Rump verursacht wurde. Dass auch Zeitgenossen des Philosophen dies so erkannt haben, beweist George Lawsons kritische „Examination“ von 1657. Hätte sich Hobbes stärker an der Bibel orientiert, so wäre er eher dazu im Stande, künftige Prinzen zu unterrichten, meint Lawson.⁴¹⁹
Vgl. Austin, Sprechakte, S. 8 ff. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 574. Vgl. Lawson, George, Examination, S. 145.
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3.6.2 Hobbes’ Selbstinszenierung in seinen weiteren Schriften Ein Zeugnis für Hobbes’ Selbstverständnis bietet das Titelbild der ThukydidesÜbersetzung von 1626 (Abb. 2). Hier stehen sich die Bilder Spartas und Athens gegenüber, zusammen mit der Abbildung des spartanischen Königs Archidamos II. (469 – 427 v.Chr.) und des berühmten attischen Strategen Perikles (um 490 – 429 v.Chr.). Insbesondere die Erinnerung an Athen und Perikles, der das Ideal des gebildeten Bürgers propagierte, der zwar arm sein mochte und für seinen Lebensunterhalt arbeiten musste, sich aber dennoch in öffentliche und staatliche Angelegenheiten einschaltete und mitdiskutierte, steht für alles, was Hobbes ablehnte. Stattdessen bevorzugte er die Monarchie Spartas, die oft als Vorbild der aristokratischen Republik gesehen wurde. Denn während in Athen diejenigen herrschten, die die besten Redner waren – was zwischen einem und mehreren variierte – wurden in Sparta Entscheidungen aus den Beratschlagungen des Königs mit seinem Adel getroffen. Zwar stellt dies noch nicht die später von Hobbes umschriebene, beste Form des Ratschlags dar. Und auch insgesamt gesehen kann nicht davon gesprochen werden, dass die spartanische Regierungsform diejenige war, die Hobbes in seiner Zeit wiederbeleben wollte. Dennoch wird deutlich, dass eine solche Regierung besser handelt als ein Volk, das sich nur durch die Rhetorik einzelner Männer leiten lässt. Dieses Beispiel verdeutlicht auch, wie Norbrook herausstellte, dass Hobbes zwar nachhaltig gegen die republikanische Demokratie argumentierte, dies jedoch bemerkenswerterweise innerhalb des klassisch-republikanischen Diskurses tat. Zwar zog er generell andere Schlüsse aus dem Gelesenen als die Vertreter der Republikaner, dennoch teilte er mit ihnen offenbar die Überzeugung, dass die Geschichte moralische Beispiele geben und lehren konnte, wie Tugenden innerhalb spezifischer politischer Strukturen zu erreichen waren.⁴²⁰ In Gegenüberstellung zum athenischen Ideal des aktiven Bürgers favorisierte Hobbes den Rückzug aus der turbulenten politischen Rhetorik, um einen unparteiischen, philosophisch-kritischen Blick über die Lage zu erhalten. Dies ist es, was auch Thukydides tat – vielleicht durfte er sich deshalb Hobbes’ Zuneigung erfreuen – und dies ist es auch, was man bei Hobbes selbst beobachten kann. Er war weit davon entfernt, sich aktiv und direkt an Politik zu beteiligen. Stattdessen arbeitete er bis in die 1640-er Jahre als Privado, das heißt er unterrichtete potenziell politisch einflussreiche Aristokraten und übte so eher indirekten, wenn auch nicht unerheblichen Einfluss aus.⁴²¹ In der Einleitung seiner Thukydides-Übersetzung
Vgl. Norbrook, Writing, S. 60 ff. Vgl. ebd., S. 62.
3.6.2 Hobbes’ Selbstinszenierung
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Abb. 2: Frontispiz, Hobbes, Thomas, Eight Bookes of the Peloponnesian Warre, London 1629, RB 17699, The Huntington Library, San Marino, California. Auszug veröffentlicht mit Genehmigung von Pro Quest. Weitere Vervielfältigung ist ohne die Erlaubnis von Pro Quest untersagt.
betonte Hobbes zudem mit sichtlichem Wohlwollen, wie sehr der antike Autor Volksversammlungen misstraute, sie sogar gehasst habe. Hobbes stellt die Kritikpunkte, die Thukydides an der Athenischen Demokratie hatte, in einer Art und Weise heraus, die auch alle Anhänger einer zeitgenössischen parlamentarischen
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Herrschaft beleidigen musste.⁴²² Hobbes betonte stattdessen, wie sehr er Thukydides für die Einsicht verehrt, dass die Herrschaft eines Einzelnen einer Demokratie weit überlegen sei. Dies führt er auch als Grund für seine Übersetzung an: Er wollte seinen Mitbürgern aufzeigen, wie falsch es ist, ihren derzeitigen Ratgebern zu folgen – womit er die Verehrer der antiken Demokratien meint.⁴²³ Im Vergleich zu seiner späteren Schrift „Leviathan“ wird hier ein Unterschied deutlich. Denn während er in seinem Hauptwerk die gängige scholastische Praxis des Sich-Beziehens auf antike Autoritäten meidet und ihr generell die Funktion abspricht, zu neuen Erkenntnissen zu kommen bzw. eigene Erkenntnisse durch die angeführte Autorität der großen Philosophen der Antike aufzuwerten, lässt er hier Thukydides selbst als antike Autorität in Gegenüberstellung zu anderen Autoritäten zu. Auch in seiner 1629 erschienen Übersetzung klingt somit die zentrale Bedeutung des Rates bei Hobbes an und zwar nicht nur im Sinne der zeitgenössisch geläufigen Argumentation mit „counsel“, wie sie bereits beschrieben wurde. Vor allem wirbt Hobbes um die aktive Abkehr seiner Zeitgenossen von ihren Ratgebern und mithin den vorgefassten Meinungen und Überzeugungen. Wem sie sich zuwenden sollten, steht dabei wohl außer Frage: Hobbes inszeniert sich bereits hier als zuverlässiger Ratgeber und als Mann, der zentrale Aspekte von auctoritas in sich vereint, ohne dies jedoch, wie später im „Leviathan“, gezielt auszusprechen. Um das Selbstbild, das Hobbes von sich in seinen früheren Schriften entworfen hat, genauer zu betrachten, muss man sich der nicht eben geradlinigen Publikationsgeschichte der späteren Werke des Autors gewahr sein. Zum Zeitpunkt seiner Rückkehr nach England aus dem französischen Exil waren seine drei philosophischen Hauptwerke bereits in englischer Sprache erschienen. Das Manuskript der „Elements of Law, Naturall and Politique“ von 1640 kursierte zwar bereits in einigen Abschriften⁴²⁴, war jedoch in zwei seperaten Teilen als „Humane Nature“ und „De Corpore Politico“ erst ab dem 11. Dezember 1649 bzw. dem 21. Februar 1650 käuflich erwerbbar.⁴²⁵ Beides waren allerdings Raubdrucke⁴²⁶, Hauptsächlich fand Hobbes drei Kritikpunkte an der Athenischen Demokratie: Die Dominanz selbstsüchtiger und ruhmsüchtiger Demagogen, die alle anderen, von ihrer Meinung abweichenden Ratschläge zum Nachteil des Allgemeinwohls entkräftete; die Unbeständigkeit der Entscheidungen, die sich aus den vielfältigen Zielen der Sprecher und ihrer rhetorischen Macht ergibt; die verzweifelten Versuche einiger, ihre Autorität und ihren Einfluss auf das Volk aufrecht zu erhalten. Vgl. hierzu Skinner, Reason, S. 229. Vgl. Skinner, Reason, S. 230. Vgl. Ders., Freiheit, S. 21. Vgl. Hobbes eigene Aussagen hierzu: „Of this Treatise, though not printed, many Gentlemen had Copies, which occasioned much talk of the author“ Hobbes, Considerations, S. 4 f. Vgl. Metzger, Thomas Hobbes und die Englische Revolution, S. 146 ff.
3.6.2 Hobbes’ Selbstinszenierung
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von deren Erscheinen Hobbes überrumpelt wurde, als ihm angeboten wurde, für die zweite Auflage die Möglichkeit zu Korrekturen zu haben. Das offensichtlich nicht von Hobbes verfasste Vorwort an den Leser des 1650 erschienenen „De Corpore Politico“, des zweiten Teils der „Elements of Law“, lobt Hobbes und seine Abhandlungen in den höchsten Tönen. Seine Schriften seien zum „benefit of mankind“ von einem seiner Freunde in Druck gegeben wurden, denn nichts von Hobbes’ Schriften solle ungedruckt bleiben. Insbesondere wenn es um das Zusammenleben vernunftbegabter Menschen in einer Gesellschaft ginge, seien „the Grounds and Principles of Policy, without which there would be nothing but confusion in the world“ von unschätzbarem Nutzen. Statt sich einer falschen Doktrin zuzuwenden, sollten Hobbes’ Gedanken als „excellent notions […] as the best that ever were writ in this kind“ betrachtet werden.⁴²⁷ Alles in allem handelt es sich um eine äußerst positive Ankündigung dessen, was den Leser erwartet. Diese Fremdzuschreibung dessen, was Hobbes mit seiner Schrift geleistet habe, eignet sich um die Rezeption von Hobbes’ Selbstinszenierung zu betrachten. Offenbar hatte er im Verfasser dieses Vorwortes einen glühenden Anhänger, der Hobbes wiederholte Intention zum Wohl der Menschen (d. h. für den Frieden) zu schreiben, als realisiert ansah. Hobbes’ Selbstinszenierung ist in diesem Fall also durchaus geglückt. Auch in einem Text, den Hobbes selbst verfasst hat, wird man diesbezüglich fündig. Auffällig ist, dass Hobbes seine Werke häufig wohlhabenden, in der Gesellschaft äußerst gut situierten Aristokraten widmete. „De Cive“ ist William Cavendish, dem 3. Earl of Devonshire (1617– 1684) gewidmet; „Humane Nature“ einem Namensvetter, William Cavendish, dem 1. Duke of Newcastle-upon-Tyne
Als hierfür Verantwortliche zu nennen sind v. a. Robert Payne, aber auch Mitglieder der Universität Oxford, etwa Seth Ward, kommen als Raubdrucker in Frage. Vgl. Metzger, Thomas Hobbes und die Englische Revolution, S. 147. Seth Wards Verhältnis zu Hobbes war später von einer mathematischen Kontroverse mit dem Philosophen gekennzeichnet. Den Auftakt des Disputs stellt Wards „Thomae Hobbii philosophiam exercitation epistolica“ von 1656 dar, auf die Hobbes mit seinen „Six Lessons to the Savilian Professor of Mathematics“im selben Jahr antwortete. 1650 jedoch dürfte Ward die äußerst positive Bewertung der Naturwissenschaften, insbesondere der Mathematik, durch Hobbes gefallen haben. Hobbes spätere scharfe Angriffe auf die Gelehrsamkeit an den Universitäten dürfte freilich zur Abkühlung des Verhältnisses zwischen beiden beigetragen haben. Robert Payne hingegen war ein enger Freund Hobbes’ und nicht nur der Kaplan des HobbesGönners Willam Cavendish, Earl of Newcastle, sondern auch Mitglied des Walbeck-Zirkels. (Vgl. Pyle, Andrew (Hg.), The Dictionary of Seventeenth Century British Philosophers, Bd. 2, Bristol 2000, S. 635 – 637.) Eine Veröffentlichung der Werke durch ihn ist also aufgrund seiner Verbindungen zu Hobbes und dem überaus positiven Vorwort gut denkbar. Hobbes, De Corpore Politico, Vorwort.
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(um 1593 – 1676)⁴²⁸, der derselbe Mann ist, dem Hobbes auch „Of Liberty and Necessity“ widmete. Die Widmungen verwundern nicht, da Hobbes bereits früh in den Dienst der Familie Cavendish trat. Interessant ist nun aber, dass William Cavendish, 1. Earl of Newcastle, die sogenannte „Welbeck Academy“ gründete – benannt nach einem Landsitz der Familie in Nottinghamshire. Diesem in den 1630ern gegründeten, philosophisch-wissenschaftlichen Zirkel gehörten bekannte Männer der Zeit an, unter ihnen der Mathematiker und Bruder des Dukes Charles Cavendish (um 1595 – 1654), der Kleriker und Naturphilosoph Robert Payne, Walter Warner (um 1558 – 1643) und – natürlich – auch Thomas Hobbes. Die Mitglieder des Welbeck-Zirkels waren durch zum Teil enge persönliche Beziehungen miteinander verbunden, so waren Hobbes und Payne gut befreundet. Aber auch Dienstbeziehungen schienen dem intellektuellen Austausch keinen Abbruch zu tun, denn bekanntermaßen war Hobbes der Tutor des Earls of Newcastle; Payne hingegen sein Kaplan.Wenn in der Literatur also davon die Rede ist, dass die politischen Freunde der Familie Cavendish Hobbes dazu drängten, eine Verteidigung der Sache des Königs gegen die aufrührerischen Rebellen zu verfassen, so ist sicher auch die Rolle des Welbeck-Zirkels hier mitzudenken.⁴²⁹ Unter diesem Druck entstanden Hobbes’ Hauptwerke; und tatsächlich: im Vorwort zu „Humane Nature“ geht er auf die drängende Rolle des Earls of Newcastle selbst ein. In privater Unterredung hätten sie die Prinzipien des Buches besprochen und Newcastle habe ihn zu einer schriftlichen Darstellung gedrängt. Ein solcher quasiAuftrag, den Hobbes gleich zu Beginn seines Werkes nennt, gibt seinem Buch eine zusätzliche Legitimation. Zugleich befriedigt er aber nicht nur das Drängen seines langjährigen Förderers, sondern führt auch einen gewichtigen Fürsprecher seiner Gedankengänge an. Dies sichert seiner Abhandlung bereits die Gewogenheit eines bestimmten Leserkreises zu, der mit der politischen Einstellung der Cavendishs d’accord war:Vereinfacht ausgedrückt sind dies die königstreuen Kreise um Karl I. Hobbes selbst kann sich abseits der Frage, warum er seine Gedanken veröffentlichte, hingegen ganz und gar der reinen Wissenschaft widmen. Hier begegnet ein Grundmuster seiner Selbstinszenierung, das er später noch häufig bemühen wird.
Gemeint ist William Cavendish, der 1. Earl of Newcastle-upon-Tyne, der ab 1665 1. Duke of Newcastle war. Auffällig ist die Namensähnlichkeit zu William Cavendish, dem 3. Earl of Devonshire, dem Hobbes „De Cive“ widmete. Diese ist bedingt durch die enge Verwandtschaft der beiden Titelinhaber, denn der Earl of Newcastle war der Neffe des 1. Earl of Devonshire (der ebenfalls William Cavendish hieß), dieser wiederum war der Großvater des 3. Earl of Devonshire. Stater, Victor, William Cavendish, 3. Earl of Devonshire, ODNB, https://doi.org/10.1093/ref:odnb/ 4947. Hulse, Lynn,William Cavendish, 1. Duke od Newcastle upon Tyne, ODNB, https://doi.org/10. 1093/ref:odnb/4946. Vgl. Fetscher, Einleitung, S. XIV.
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Er macht zunächst die Gruppe Gelehrter aus, die in der Vergangenheit durch wiederholte Fehler versagt hat – in „Humane Nature“ sind dies die Vertreter der dogmatischen Gelehrsamkeit („dogmatici“) – und stellt sich ihr als Heilsbringer gegenüber, der ihre Wissenschaft allein mit Hilfe der Lehrsätze der Vernunft neu begründen will.⁴³⁰ Sein Adressat ist nicht wie später im „Leviathan“ der Souverän selbst, sondern die Gruppe interessierter Wissenschaftler, denen der Earl of Newcastle sein Traktat weiterleiten soll: „for my part, I present this to your Lordship for the true and onely Foundation of such science“.⁴³¹ Und auch am Ende der Schrift betont er seinen wissenschaftlichen Standpunkt als Gelehrter, der sich eher mit den von ihm verehrten Mathematikern als mit den kritisierten „Dogmatici“ vergleichen lässt: „Thus have we considered the nature of Man so far as was requisite for the finding out the first and most simple elements wherein the compositions of Politick Rules and Laws are lastly resolved; which was my present purpose.“⁴³² Es begegnet das Element der Ableitung seiner Lehrsätze einzig von den Naturgesetzen, wie er es auch später im „Leviathan“ beibehält. Er folgert nicht aus den Aussagen anderer Gelehrter, sondern nur mit Hilfe der Vernunft und seines Verstandes. Die erste englische Übersetzung des 1642 verfassten „De Cive“ kam ab dem 12. März 1651 in den Handel. Nachdem die beiden anderen Werke als Raubdrucke veröffentlicht worden waren, stand Hobbes nun unter dem Druck, selbst zu veröffentlichen, bevor ihm jemand erneut zuvor kommen konnten. Von einem planvollen Vorgehen, wie Skinner es aufgrund der relativen Gleichzeitigkeit der englischen Ausgaben der drei Schriften annahm, kann, wie Metzger es aufgrund der Rekonstruktion der Publikationsgeschichte nachvollziehbar gemacht hat, wohl kaum die Rede sein.⁴³³ „De Cive“ war eine Umarbeitung und Erweiterung der „Elements of Law“. Es tauchen bereits einige der Gedankengänge auf, die Hobbes später im „Leviathan“ weiter präzisiert, etwa die fundamentale Vorstellung des Naturzustandes als Krieg jeder gegen jeden⁴³⁴, die Betonung der Monarchie als beste und überlegene Regierungsform⁴³⁵, der covenant aller Bürger miteinander zur Schaffung des Staates⁴³⁶, die Definitionen von Tugend⁴³⁷ und Freiheit⁴³⁸, die
Vgl. Hobbes, Humane Nature, Vorwort. Ebd. Ebd., S. 170. Vgl. Metzger, Thomas Hobbes und die Englische Revolution, S. 146. Vgl. Hobbes, De Cive, S. 7. Vgl., ebd., S. 9, 66 f., 70. Vgl. ebd., S. 19, 38. Vgl. ebd., S. 30. Vgl. ebd., S. 68.
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Charakterisierung des Souveräns mit seinen Rechten und Pflichten⁴³⁹ und die Betonung der Unteilbarkeit der souveränen Gewalt⁴⁴⁰. Diese Liste ist sicherlich weiterzuführen, sie soll aber grundlegend illustrieren, dass Hobbes’ Gedanken bereits mit dem Verfassen von „De Cive“ in eine bestimmte Richtung gingen, ohne jedoch wie später im „Leviathan“ bereits umfassend ausgearbeitet zu sein. Auch was Hobbes’ Stil betrifft, sind die an den Naturwissenschaften orientierten, argumentativen Ansätze der direkten Ableitung eines Faktes von dem zuvor Ausgeführten deutlich erkennbar; im „Leviathan“ setzt er diese Strategie jedoch mit mehr Stringenz um. Ein wiederkehrendes Motiv, das für die Selbstinszenierung Hobbes’ von Interesse ist, ist Abneigung gegen die Vertreter der antiken Philosophie und all jene, die ihnen in seiner Zeit blind anhängen und ihre Lehren verbreiten. Deshalb tritt Hobbes bereits in „De Cive“ für eine strikte Trennung seiner Zeit von der „rude simplenesse of Antiquity“ ein. „Without any great care or study“ zitieren die Menschen aller Nationen auch in Hobbes’ Zeit die antiken Philosophen, „to be esteemed and styled ingenuous, learned, skilful, what you will“ – für Hobbes alles „except prudent“.⁴⁴¹ Er macht damit erneut eine Gruppe Gelehrter aus, von der er sich abgrenzt und sich als überlegen darstellt, indem er eben nicht um äußere Anerkennung heischend die bekannten Denker der Antike zitiert, sondern sein Wissen bzw. seine Erkenntnis aus seinen eigenen Gedankengängen ableitet. Zu dieser engen Bezogenheit auf das Thema seiner Abhandlung und die scheinbare Gleichgültigkeit gegenüber dem, was Außenstehende über seine Arbeit denken, passt auch, dass er dem Leser das Urteil über seine Schrift mit der folgenden Formel überlässt: „wether you regard the dignity or profit of the matter treated of, or the right method of handling it, or the honest motive, and good advice to undertake it, or lastly the moderation of the author“⁴⁴². Natürlich ist der somit dargestellte Anspruch, rein wissenschaftlich fokussiert zu sein und abseits des Erkenntnisdranges wenig zu wollen und wahrzunehmen, nur eine Facette von Hobbes’ Selbstbild. Als Autor muss ihm daran gelegen sein, seine Leser zu überzeugen und mäßigend in den politischen Diskurs einzugreifen, gerade wenn man die Entstehungszeit von „De Cive“ mit ihren politischen Konflikten und Hobbes persönlichen Hintergrund bedenkt. In diesem Sinn kann „De Cive“ auch als Warnung an alle Zeitgenossen gesehen werden, die mit republikanischen Ideen aus der Antike aufwarten und sich der Sache des Parlaments verschreiben. In der Ausgabe von 1651 bestärkt Hobbes selbst diese Intention zur
Vgl. ebd., S. 44, 53, 77. Vgl. ebd., S. 77. Ebd., S. 3, 5. Ebd., S. 5.
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Abfassung des „De Cive“. Er erklärt seinen Grundgedanken für die Dreiteilung seines philosophischen Werkes in „Of Body“, „Of Man“ und „Of Civill government“ und den damit verbundenen logischen Aufbau, da eines aus dem anderen folgte.⁴⁴³ Aber die politischen Entwicklungen seiner Zeit störten den geordneten Ablauf seiner Veröffentlichungen: „Whilest I contrive, order, pensively and slowly compose these matters, for I onely doe reason, I dispute not, it so happen’d in the interim, that my Country some few yeares before the civill warres did rage, was boyling hot with questions concerning the rights of Dominion, and the obedience due from Subjects, the true forerunners of an approaching war. And was the cause which (all those other matters deferr’d) ripen’d, and pluckt from me this third part. Therefore it happens that what was last in order, is yet come forth first in time […]“⁴⁴⁴. Das selbsterklärte Anliegen Hobbes’ war es, seine Zeitgenossen davon abzuhalten, „[to] disturb the quiet of the publique“ aufgrund der Unzufriedenheit mit der Regierung bzw. einiger Unzulänglichkeiten derselben, die nie ganz auszuschließen sind. Statt nun aber durch den Rat ehrgeiziger, machthungriger Privatmänner von der Rechtmäßigkeit ihres Aufbegehrens überzeugt zu werden, will Hobbes ihnen die wahre Gerechtigkeit der Taten vor Augen führen, die sie Anfang der 1640-er Jahre im Begriff waren zu tun – und dies allein auf Grundlage der bürgerlichen Gesetze.⁴⁴⁵ „De Cive“ ist zu einem Zeitpunkt entstanden, der eine völlig andere politisch-gesellschaftliche Gemengelage aufweist, als später der „Leviathan“. Hobbes wollte die Menge der Unzufriedenen und Kritiker am Königtum erreichen, denn die Zeichen standen bereits deutlich auf Sturm. Dazu veranlassten ihn verschiedene Motive: Zum einen schlicht der wissenschaftliche Reiz, seine Gedanken zum Zusammenhang zwischen der Natur des Menschen und bürgerlichen Regierungen nachvollziehbar zu machen und in die philosophische Debatte einzuspeisen; zum anderen das Drängen seines Gönners. Gemäß dieser Intentionen stellte sich Hobbes auch in „De Cive“ als Gelehrter dar, wie dies bereits für den „Leviathan“ herausgearbeitet werden konnte. Die Parallelen zur antiken auctoritas der Senatoren sind nicht sehr ausgeprägt, dennoch fallen an einigen Stellen Ähnlichkeiten auf: Etwa wenn Hobbes die Primogenitur behandelt und verteidigt, da in der Regel der älteste Sohn derjenige mit der meisten Erfahrung und somit der weiseste sei.⁴⁴⁶ Diese Kausalkette Alter – Erfahrung – Weisheit ist wohlbekannt aus der Beschreibung der Elemente, die auctoritas generieren und wird auch im „Leviathan“ wieder begegnen (siehe
Vgl. ebd., S. 8. Ebd. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 63 f.
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Kapitel 3.6.1). Der Gedankengang scheint also nicht neu zu sein, sondern taucht bereits ein knappes Jahrzehnt zuvor auf. Tatsächlich gibt es auch in „De Cive“ eine Passage zum Thema Ratgeben. Sie erscheint wie die Kurzfassung des 25. Kapitels im „Leviathan“: Rat und Befehl werden in Verbindung miteinander gebracht, sind jedoch klar voneinander zu unterscheiden, wobei der Befehl mit dem Gesetz gleichgesetzt wird. Die Essenz aus dieser Stelle fasst Hobbes wie folgt zusammen: „Law and Counsell therefore differ many ways; Law belongs to him who hath power over them whom he adviseth, Counsell to them who have no power. To follow what is prescribed by Law, is duty, what by Counsell, is free−will. Counsell is directed to his end that receives it; Law, to his that gives it. Counsell is given to none but the willing; Law even to the unwilling. To conclude, the right of the Counsellour is made void by the will of him to whom he gives Counsell, the right of the Law−giver is not abrogated at the pleasure of him who hath a Law imposed.“⁴⁴⁷ Die Grundzüge der Natur des Rates werden also ebenso beschrieben wie später im „Leviathan“. Weniger deutlich hingegen fällt in „De Cive“ die Selbstinszenierung Hobbes’ als perfekter Ratgeber aus, was sicher auchder verkürzten Darstellung der Ratsthematik insgesamt entspringt, da dem Thema weniger Gewicht im Vergleich zum Gesamtwerk eingeräumt wird. Um sein Selbstbild als Ausnahmegelehrter noch klarer in Abgrenzung zu anderen Gelehrten seiner Zeit herauszuarbeiten, betont Hobbes, wie wichtig sprachliche Klarheit ist. Er kritisiert scharf all jene, die sich nicht über die Definitionen ihrer Begriffe im Klaren sind und diese in der Folge falsch verwenden. Hobbes hingegen zählt sich zu jenen, die „seriously consider the force of words“⁴⁴⁸. Hobbes’ Bewusstsein über Sprache und den Folgen ihrer korrekten Verwendung begegnet man häufig in seinen Schriften. Er selbst war sich über die Macht der Sprache deutlich im Klaren, ein wiederkehrendes Mittel seiner Argumentation sind Definitionen, die er strikt anwendet und aus denen er wiederum weitere Schlüsse zieht. Ein zusätzlicher Anhaltspunkt zu Hobbes’ Selbstsicht ist die Aufforderung an die Souveräne, die richtigen Doktrinen an ihren Universitäten lehren zu lassen. Da die Universitäten die wichtigsten Bausteine bei der Verbreitung von Wissen sind, indem sie Fachkräfte ausbilden, die ihr Wissen an die anderen Bürger weitergeben („instruct the vulgar“⁴⁴⁹), sei eine Regulierung oder zumindest Überwachung des hier verbreiteten Gedankenguts durch den Souverän bzw. seine Beauftragten unabdingbar. Die Verbreitung einer falschen Lehre berge immer auch das Po-
Ebd., S. 88. Ebd. Ebd., S. 83.
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tential in sich, Unruhen, Unzufriedenheit und letztlich Bürgerkrieg, Zerstörung und Chaos nach sich zu ziehen. Somit wird die Kontrolle der Universitäten zu einer zentralen Pflicht eines jeden Souveräns, dessen Daseinsberechtigung ja stets und zuerst die Sicherheit der Untertanen ist.⁴⁵⁰ Hobbes selbst ist nun folgendermaßen in diesen Gedankengang einzuordnen: Wie später auch im „Leviathan“, betont er bereits in „De Cive“, dass eine Verbreitung seiner Lehren an den Universitäten nur positive Effekte haben würde. In diesem Sinn sieht er sich selbst klar als Teil des „Wissensverteilungsmechanismus“, den er durch den Souverän kontrolliert wissen will. Wenn er schreibt: „I therefore conceive it to be the duty of Supreme Officers to cause the true elements of civill doctrine to be written, and to command them to be taught in all the Colledges of their severall Dominions“⁴⁵¹, meint er damit die von ihm vorgelegte Doktrin, die, da sie aus der natürlichen Vernunft abgeleitet ist, kaum wahrer sein könnte. Mit allen dem widersprechenden Lehren sollte folgendermaßen verfahren werden: „to root out those of the minds of men“. Dies sollte aber nicht durch einen bloßen Befehl und die Androhung von Strafen erfolgen, sondern „by the perspicuity of reasons“⁴⁵² – wobei Hobbes’ Traktaten hier eine besondere Rolle zukommen dürfte. Auch im Zusammenhang mit der Kontroverse zwischen Thomas Hobbes und John Bramhall⁴⁵³ Mitte der 1650er Jahre findet man Hinweise auf Hobbes’
Vgl. ebd., S. 81. Ebd., S. 83. Ebd. John Bramhall war anglikanischer Theologe und späterer Erzbischof von Armagh. In der Zeit der Bürgerkriege stand er auf der Seite der Royalisten und schrieb auch während er selbst im Exil war – und ohne den Auftrag hierfür zu haben – Verteidigungen der anglikanischen Kirche („A Serpent Salve“, 1643; „Fair Warning against the Scottish Discipline“, 1648). Hobbes lernte er vor 1646 im Pariser Exil kennen. Erste Gespräche über Freiheit („liberty“) und Notwendigkeit („necessity“) fanden statt, die den Grundstein für die spätere, Jahre andauernde Kontroverse legten. Die Aufzeichnung ihrer Pariser Diskussion gelangte 1654 in den Druck. Beide hatten zwar einer Veröffentlichung zugestimmt, die Publikation jedoch geschah ohne ihr Wissen durch hobbesfreundliche Hände – dementsprechend war die Auslegung des Gesprächs deutlich pro Hobbes gefärbt. Dies verärgerte Bramhall, der davon ausging, dass die Veröffentlichung durch Hobbes autorisiert worden war. Bramhall antwortete 1655 mit „Vindication of True Liberty“. Daraufhin schrieb Hobbes seine „Animadversations“ und Bramhall 1658 wiederum „Castigation of Hobbes’ Animadversations“ (mit einem Nachwort betitelt mit „The Catching of Leviathan, the Great Whale“). Bramhalls Werke wurden 1677 von John Vessey gesammelt und sind wieder abgedruckt in: Parker, John H. (Hg.),Library of Anglo-Catholick Theology, 5 Bde., Oxford 1842– 1845. Bramhall kritisierte v. a. Hobbes’ Einstellungen zu Kirche, Religion und Theologie; aber auch einige seiner politischen Standpunkte (z. B. die Unmöglichkeit ungerechter Gesetze und den Selbstschutz als oberste Pflicht sieht Bramhall als absurd an). McCafferty, John, John Bramhall, ODNB, https://doi. org/10.1093/ref:odnb/3237.
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Selbstbild und –inszenierung. 1645 erfolgte die erste Replik auf John Bramhall, die als Brief an den Earl of Newcastle vorliegt. Der Hintergrund war ein im Pariser Exil von Newcastle angeregtes Streitgespräch zwischen Hobbes und Bramhall über die Freiheit des Willens. Sie wurde allerdings erst 1654 – von Hobbes unbeabsichtigt – als „Of Liberty and Necessity“ veröffentlicht.⁴⁵⁴ Es war die erste Schrift, die Hobbes nach seinem „Leviathan“ veröffentlichte, deshalb ist hier auch seine Reaktion auf die umfangreiche Kritik zu seinem Hauptwerk abzulesen. Da zur Kritik an Hobbes später noch zu kommen sein wird, sollen an dieser Stelle nur diejenigen Äußerungen hervorgehoben werden, die Aufschluss über Hobbes’ Selbstinszenierung geben. Der Ton, den Hobbes in „Of Liberty and Necessity“ anschlägt, ist deutlich schärfer als noch in „De Cive“. Er weiß inzwischen um die zeitgenössischen Reaktionen zu seinem Diskursbeitrag, die meist weniger positiv ausgefallen waren, was ihn kaum verwundert haben dürfte, da er selbst verschiedene Gruppen („dogmatici“, Universitätspersonal, Republikaner, Klerus u. a.) direkt angriff. In diesem Sinn schreibt er „This book, I doubt not, will find no worse Entertainment than the Leviathan, both in regard of its bulk, and that it doth not strike so home at the Ministers and Catholick partie as that did.“ Da die vorliegende Schrift ein akademisches Streitgespräch abbildet und fortführt, ist nicht damit zu rechnen, dass es in dem Maße Kontroversen auslöste wie der „Leviathan“, dessen Anspruch es war, die Natur des Menschen zu erklären und den Schlüssel für ein funktionierendes, friedliches Gemeinwesen zu liefern. Dennoch spricht er selbst seiner aktuellen Schrift nicht die Bedeutung ab, denn er wendet sich in seinen Vorbemerkungen an den Leser: „that thou mightest know what a jewel thou hast in thy hands“.⁴⁵⁵ Auf wenigen Seiten, so konstatiert Hobbes, findet sich mehr, als Geistliche in tausenden Kanzelpredigten und Schriften gesagt haben. Erneut versorge er den Leser mit den besten Handlungsanweisungen – er stellt sich also zum Einen wieder als überlegenen Gelehrten dar, zum Anderen stellt insbesondere die letztgenannte Äußerung den Tatbestand eines Rates dar. Hobbes will den Menschen vor Augen führen, was es mit der Freiheit des Willens und der Freiheit zu Handeln auf sich hat bzw. was diese Freiheit notwendigerweise beschränken muss. In letzter Konsequenz zielen seine Argumente jedoch stets auf das Wohl der Menschen ab, so wie er sich dies am besten gesichert in einem Gemeinwesen vorstellt. Folgt man Hobbes’ eigener Definition eines Ratgebers, so visiert er stets das Wohl des Beratenen (also des Lesers) an und zeigt ihm alle Konsequenzen seines Handelns auf. Die im „Le Die erweiterte Fassung liegt vor als: Hobbes, Thomas, The Questions Concerning Liberty, Necessity and Chance, 1656, in: The English Works of Thomas Hobbes of Malmesbury, hg.v. Sir William Molesworth, London 1840, Bd. 7. Vgl. Skinner, Freiheit, S. 85. Hobbes, Of Liberty and Necessity, in: The English Works, Bd. 4, Vorwort.
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viathan“ bewährte Praxis zur Selbstinszenierung und Legitimierung der Wortmeldung wird somit von Hobbes erneut aufgegriffen. Eine weitere Kontroverse wissenschaftlicher – diesmal mathematischer – Natur entspann sich zwischen Hobbes und John Wallis. Wallis war zu Beginn der Auseinandersetzung 1655 bereits einer der angesehensten Mathematiker seiner Zeit⁴⁵⁶, Hobbes hingegen recht neu auf diesem Gebiet. Das ließ ihn Wallis schnell spüren, indem er Hobbes’ Unzulänglichkeit auf diesem Feld herausstellte, was viel öffentliches Interesse hervorrief.⁴⁵⁷ Hobbes antwortete mit „Six Lessons to the Professors of the Mathematiques“ (1656), in denen er in sechs Abteilungen die Fehler der Universitätsprofessoren darlegte. Der Angriff Hobbes’ war jedoch weniger erfolgreich als von ihm sicherlich gewünscht.⁴⁵⁸ In seinem letzten Abschnitt
Von Cromwell wurde er 1649 zum Savilian Professor of Geometry in Oxford ernannt. Besonderen Ruhm erlangte er durch seine Abhandlung „Arithmetica Infinitorum“ (1655). Er war gut mit Robert Boyle bekannt und ist zusammen mit diesem zum Hartlib-Zirkel zu rechnen, der bekanntlich der Vorgänger der Royal Society war. Wallis war zwar auch ein Verteidiger der Sache Karls I. – so unterzeichnete er 1648 die „Remonstrance against the King’s Execution“, er wurde jedoch auch vom späteren Lordprotektor Cromwell hoch geachtet, der ihn zu seinem Kryptologen beförderte. Nach der Restauration vergaß Karl II. jedoch nicht, was Wallis für seinen Vater versucht hatte und er wurde schnell in seinen Ämtern bestätigt. Vgl. Meli, Domenico B., John Wallis, ODNB, https://doi.org/10.1093/ref:odnb/28572. In diesem Zusammenhang beschuldigt er Hobbes auch, von anderen Autoren abgekupfert zu haben und bestreitet so die Aufrichtigkeit des Philosophen und mithin seine wissenschaftliche Reputation: „he [Hobbes] goes about to prove himselfs a honest man: Just like the honest man, who when he had cut a purse, put it slyly into another mans pocket (after he had taken out the money) that so this other might be hanged for it […] you will be able to judge, whether M. Hobs be not as well a good Mathematician, as an Honest Man“. Wallis, John, Due Correction for Mr. Hobbes, Or Schoole Discipline for not saying his Lessons right. In Answer to his Six Lessons, directed to the Professors of Mathematicks. By the Professor of Geometry, Oxford 1656, Vorwort. Eine weitere, zeitgenössisch sehr wirksame Kritik ist die Verunglimpfung der Lateinkenntnisse des gelehrten Gegenübers (man denke nur an die berühmten „Dunkelmännerbriefe“), die auch Wallis an Hobbes übt: Er habe seine Sprache der „natürlichen Rhetorik“ (womit Flüche und andere unfeine Redewendungen gemeint sind) im Londoner Fischmarktviertel „Billingsgate“ von „oyster women“ gelernt – und diese vermochten es nicht besonders gut, sich in Latein auszudrücken. Vgl. ebd., S. 2. Solche Anschuldigungen blieben indessen auch von Hobbes’ Vertrauten nicht unbeantwortet. In einem Brief an Hobbes bezeichnet John Aubrey (1626 – 1697) Wallis als „common-spye [who] steales from every ingeniose persons discourse, and prints it“, des Weiteren als „ill-natured man, an egregious lyer and back-biter, a flatterer, and fawner“. Aubrey, John, Brief an Hobbes vom 24. Juni/04. Juli 1675, in: Hobbes, The Correspondence, hg.v. Noel Malcolm, 2 Bde., Oxford 1994, Bd. 2, Nr. 199. Tatsächlich ist die Kontroverse zwischen Hobbes und Wallis in den größeren Kontext der Hobbesschen Kritik am Universitätssystem („Oxbridge“) zu sehen. Wie zu erwarten war, erzeugte sie eine Welle gegnerischer Stellungnahmen von Vertretern der etablierten Universitäten, unter ihnen Thomas Hall (1610 – 1665) („Vindiciae litterarum“, 1654) und Seth Ward (gemeinsam mit
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„Of Manners“ geht Hobbes auf die persönlichen Anschuldigungen gegen ihn ein. Kritik an ihm wurde u. a. geübt an seinem übergroßen Selbstbewusstsein, ihm wurde auch ein gewisser Jähzorn unterstellt, der alle traf, die seinen Erkenntnissen nicht folgten. Zudem wurde ihm vorgeworfen, dass Teile seiner Abhandlungen von anderen Autoren stammten, ohne dass er dies kenntlich gemacht habe (vor allem der im Zusammenhang mit dem Welbek-Zirkel bereits erwähnte Mathematiker Walter Warner wird hier genannt – was Hobbes jedoch vehement bestreitet). Schließlich habe er die Universitäten beleidigt und sei auch aufgrund seiner religiösen Anschauungen eine persona non grata. Hobbes legt diese persönlichen Anschuldigungen als Mittel aus, ihn fachlich zu treffen bzw. seine Folgerungen noch weiter zu diskreditieren.⁴⁵⁹ Abseits der Tatsache, dass Wallis ihm, was die mathematische Kompetenz betrifft, tatsächlich weit überlegen war und dies von den Zeitgenossen auch so wahrgenommen wurde,⁴⁶⁰ ist der Teil der Rechtfertigung Hobbes’ zu den Vorwürfen seine moralische Integrität betreffend doch aufschlussreich für die Frage seiner Selbstsicht. Zum Vorwurf der Selbstverliebtheit und Prahlerei bestreitet Hobbes, dies in seinen Schriften geschürt zu haben. Lediglich in seinen Widmungen habe er verschiedene Sätze geäußert, die in dieser Richtung gedeutet werden können. Diese hätten aber nur dazu gedient, seine Schriften bei seinen Gönnern zu bewerben und entsprachen den täglichen Gepflogenheiten im Umgang miteinander. „He that thinks this to be Ostentation, and self-conceit, is little versed in the common actions of human life“⁴⁶¹, verteidigt er sein Vorgehen. Alle anderen Folgerungen zu diesem angeblichen Fehler weist er vor allem Fremdzuschreibungen zu. Darin kann man erneut eine Strategie Hobbes’ sehen, sich Kritik an seiner Person zu Nutze zu machen, denn diese Fremdzuschreibungen sind keinesfalls nur negativ zu sehen, sondern gehen auch hervor aus der Erwähnung Hobbes’ bei großen Gelehrten der Zeit, etwa bei Mersenne. Daraus ergeben sich die großen Erwartungen seiner Zeitgenossen an
John Wilkins (1614– 1672) „Vindicae academiarum“, 1654). Seth Ward war zunächst kein HobbesGegner; er schrieb sogar das Vorwort zu Hobbes „Humane Nature“. Mit der vollen Darlegung seiner Philosophie verlor Hobbes jedoch nach Publikation des „Leviathan“ zunehmend Wards Unterstützung. Ward distanzierte sich von ihm in seinem „Philosophical Essay“ (1652) und „In Thomae Hobbii philosophiam exercitatio epistolica“ (1656).Vgl. Parkin, Jon, Science, religion, and politics in restoration England. Richard Cumberlands De legibus naturae, Woodbridge 1999, S. 154 f. Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 189, 191 f. Vgl. Hobbes, Six Lessons, S. 55 ff. Es formierte sich in der Folge der Kontroverse mit Wallis ein Hobbes-feindliches Lager von Naturwissenschaftlern (vor allem Mathematikern und Astronomen), zu denen auch Claude Mylon (1618 – 1660), Laurence Rooke (1622– 1662), der 2. Viscount Brouncker (1620 – 1684), John Pell (1611– 1685) und Christian Huygens (1629 – 1695) gehörten. Vgl. Parkin, Science, S. 155. Hobbes, Six Lessons, S. 56.
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ihn, nicht durch eine Prahlerei seinerseits: „Is that my fault? Can a man raise a great expectation of himself by boasting?“⁴⁶² Alle anderen Anschuldigungen betreffend legt Hobbes stets dar, wie wenig eigeninteressiert seine Intentionen waren.Weder sei er zu hart gegen seine Kritiker vorgegangen oder habe keine andere Meinung außer der seinen zugelassen – ganz im Gegenteil musste er oft einen scharfen Ton und Beleidigungen akzeptieren und sich geduldig mit Andersdenkenden zeigen. Noch schreibe er vorsätzlich gegen die Universitäten, sondern sei einfach nur überzeugt von seiner Doktrin und ihrer positiven Wirkung für das Gemeinwohl, wenn sie einmal an den Universitäten unterrichtet werden würde.⁴⁶³ Die schwerwiegende Anschuldigung, Hobbes sei ein Gegner der Religion, entkräftet er – wie schon so häufig zuvor – denn sie entbehrt jeder Grundlage und allen Fakten. Indem Wallis behauptet, Hobbes sei Atheist und begehe Plagiate, wiegelt er lediglich die Menschen gegen ihn auf und begehe Rufmord. Hobbes unternahm damit einen Versuch, die schwerwiegenden Atheismusvorwürfe gegen sich zu entkräften, und stattdessen mit klaren Worten seine Redlichkeit zu betonen. Er habe keinerlei egoistisches Interesse an einer besseren Stellung, Ämtern, einer wissenschaftlich hervorragenden Reputation, sondern gibt sich als einzig an der Erkenntnis und der Verbreitung ihrer heilsstiftenden Wahrheit interessierter Gelehrter. In enger Beziehung zu diesem Aspekt seiner Selbstinszenierung steht im Fortgang der Kontroverse mit Wallis, die noch bis 1678 und somit bis kurz vor Hobbes’ Todandauerte, sicherlich auch die Weigerung der Royal Society, ihn aufzunehmen.⁴⁶⁴ In seiner „Imagepflege“ fährt Hobbes einen soliden und unverrückbaren Kurs. Zu diesen Zeugnissen der Hobbesschen Selbstinszenierung in seinen frühen Schriften sowie den Werken, die unmittelbar in den Untersuchungszeitraum der
Ebd. Vgl. ebd., S. 58 f. Um der Tendenz einer Verallgemeinerung vorzubeugen: Freilich hat Hobbes nicht alle Vertreter der etablierten Universitäten angegeriffen bzw. wurde nicht gänzlich von „den Universitäten“ als vermeintlich geschlossene Institutionen abgelehnt. In diesem Sinne bestätigte auch Henry Stubbe Hobbes 1657, dass er anonyme Freunde in Oxford habe. Vgl. Parkin, Science, S. 154 f. Zum Verhältnis zwischen Stubbe und Hobbes: Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 204 ff. Ein Teil seiner Kritik am System der universitären Gelehrsamkeit ging wohl auch an diese Adresse oder wurde zumindest dadurch bestätigt. Über die Gründe für seine Nichtaufnahme in der Royal Society wurde von der Forschung viel spekuliert. Laut Noel Malcolm waren Hobbes mathematische Standpunkte durchaus mit der Sicht der Royal Society vereinbar. Aufgrund seiner politischen und religiösen Reputation war er für die Gesellschaft jedoch eine persona non grata. Demgegenüber kann John Wallis in unmittelbarer Nähe zu einigen der Gründer der Royal Society verortet werden; so war unter anderem der Naturphilosoph Robert Boyle (1627– 1691) ein enger Freund Wallis‘.
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vorliegenden Arbeit fallen, gesellen sich weitere Schriften Hobbes’, die die bislang gemachten Beobachtungen um eine weitere Dimension bereichern und deshalb ebenfalls kurz angesprochen werden sollen. Die besagte Dimension ist sozusagen eine Retrospektive, denn es geht hier um solche Texte, die Hobbes erst nach der Restauration verfasste und die damit seine Positionierung in der Vergangenheit aus einem Blickwinkel thematisieren, der um die spätere Wiederherstellung der Monarchie weiß. Zum einen sind die „Considerations upon the Reputation, Loyalty, Manners, and Religion“ zu nennen, in denen er dem Leser den Eindruck vermittelt, ein anderer Autor würde über Hobbes schreiben, da er von sich selbst in der dritten Person berichtet. Zunächst arbeitet Hobbes klar heraus, dass er einer der solidesten Royalisten war und ist, da er mit seinen „Elements“ bereits sehr früh ein Traktat verfasste, in dem er die Souveränität und die mit ihr verbundenen Rechte klar darlegte.⁴⁶⁵ Somit war er einer der ersten Autoren, die zur Verteidigung der Sache des Königs beitrugen, und dies gänzlich ohne ein Eigeninteresse zu verfolgen: „and one, amongst very few, that upon no other ground but knowledge of his Duty, and Pinciples of Equity, without special Interest, was in all points perfectly Loyal“⁴⁶⁶. Auch seine Darstellung der Beweggründe für die Flucht ins französische Exil stellt Hobbes in seinem gewohnten Duktus der Uneigennützigkeit dar. Grund für seine Flucht war nicht etwa die profane Angst davor, welche Risiken die Royalisten in den Vortagen des Bürgerkrieges bedrohten, sondern der Wille, sich nicht zum Werkzeug der gegnerischen Partei machen zu lassen. Ob dies tatsächlich Anfang der 1640-er Jahre das Leitmotiv Hobbes’ war, sei dahingestellt. Tatsächlich dient dieses Argument aber in der Zeit der erfolgten Restauration dazu, die vielfach auch von Royalisten gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu entkräften, er habe mit seinem „Leviathan“ Karl II. im Stich gelassen und Cromwell ein Mittel zur Legitimation seiner Machtansprüche in die Hand gegeben. Diese Intention bestätigt Hobbes zugleich selbst, indem er beteuert, wie wenig der „Leviathan“ diesen vermeintlichen Zwecken diente: „he wrote and published his Leviathan, far from the intention either of disadvantage to His Majesty, or to flatter Oliver“.⁴⁶⁷ Dass Karl II. selbst ihm nicht den Vorwurf der Untreue oder des Verrats machte, wird ebenfalls deutlich gemacht – weshalb es eine Anmaßung anderer sei, ihn dieser Vergehen zu beschuldigen.⁴⁶⁸ Die Rück-
Vgl. Hobbes, Considerations, S. 4 f. Ebd. Ebd., S. 8. Zwar räumt Hobbes auch ein, dass er eine kurze Zeit lang bei Karl II. in Ungnade gefallen war, dies sei allerdings die Schuld von missgünstigen Gelehrten gewesen, deren falsche Interpretation seiner Schrift den exilierten Thronerben dazu veranlasst hatte, Hobbes seine Gunst zu entziehen. Diese Verstimmtheit Karls II. hielt indes nicht lange an und Hobbes bekam Nachricht,
3.6.2 Hobbes’ Selbstinszenierung
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kehr Hobbes’ nach England nach der Hinrichtung Karls I. und der Übernahme der Regierung durch das Rump war nicht von Hobbes’ Übereinstimmung mit dem neuen Regime motiviert, sondern geschah, „because he [Hobbes] would not trust his safety with the french clergy“⁴⁶⁹. Cromwells Handlungen und sein später angemaßter Titel als Lordprotektor werden von Hobbes deutlich als Unrecht bewertet. Der Vorwurf, Hobbes habe den „Leviathan“ zur Verteidigung Cromwells geschrieben, entbehre jeder Grundlage, wie Hobbes selbst betont: „To that other Charge, That he writ his Leviathan in defence of Oliver’s Title, he will say, That you in your own conscience know it is false. What was Oliver when that Book came forth? It was in 1650 and Mr. Hobbes returned before 1651. Oliver was then but General under your Masters of the Parliament, nor had yet cheated them of their usurped power: For that was not done till […] 1653, which neither he nor you could foresee“.⁴⁷⁰ Die Feinde des Königs seien zugleich stets Hobbes’ Feinde gewesen, so versichert der Autor seinen Lesern.⁴⁷¹ Im Gegensatz dazu klagt er aber viele seiner Zeitgenossen an, denn „Mr. Hobbes his behaviour was such, that of them who appeared in that Scene, he was the only man I know […] that has not something more or less to blush for“.⁴⁷² Die wahre Intention zur Abfassung des „Leviathan“ war indessen nach Aussage des Autors die Unterstützung der königstreuen Untertanen, die in England verblieben waren. Durch die Hinrichtung ihres Königs und das Exil seines Erben waren sie ohne Schutzmacht in England verblieben. Zur Rettung ihres Lebens sei ihnen deshalb keine andere Wahl geblieben, als sich der Herrschaft des Rump bzw. später des Protektors unterzuordnen. Zu zeigen, dass dies ihre einzige Möglichkeit war und der Akt des SichUnterordnens nicht als Verrat zu bewerten ist, sei eine der Kernabsichten des „Leviathan“ gewesen.⁴⁷³ Auch in den „Considerations“ bleibt Hobbes einem zentralen Muster seiner Selbstinszenierung treu: er stellt sich mehrfach als Ausnahme-Gelehrter dar. So deckt er als Kenner der antiken Klassiker quasi en passent einen Zitationsfehler in
dass Karl II. selbst gesagt habe, dass er nicht glaube, dass Hobbes ihm zu irgendeiner Zeit Übles gewollt habe. Statt eines gebrochenen Verhältnisses sei es in der Folge sogar zu mehreren Gunstbezeugungen Karls II. gegenüber Hobbes gekommen, was Hobbes zu der Folgerung veranlasst, dass der Thronerbe seine Schriften besser verstanden habe als die vielen Gelehrten, die ihn beraten und sich zu Hobbes’ Kritikern aufgeschwungen haben. Vgl. ebd., S. 28 f. Ebd., S. 9. Ebd., S. 19. Vgl. ebd., S. 11 f. Ebd., S. 17. Vgl. ebd., S. 20.
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einer Predigt auf, in der sich ein Geistlicher auf Homer berief.⁴⁷⁴ Eine weitere Bekräftigung von Hobbes’ Status als hervorragender Gelehrter erfolgt durch die Nennung seines Namens in einem Atemzug mit Vertretern der zeitgenössichen wissenschaftlichen Elite wie René Descartes, Galileo Galilei, Francis Bacon und Pierre Gassendi (1592– 1655).⁴⁷⁵ Unabhängig von manch fachlicher Kontroverse waren dies doch große Namen in der Welt der Wissenschaft und Hobbes’ Einreihung in diesen extravaganten Kader ist eine deutliche Aussage und Teil seiner Selbstinszenierung. Dazu passen auch seine Aussagen zu Handwerkern und Kaufleuten, die zwar zur Wissenschaft beitragen können, z. B. durch den Bau von wissenschaftlichen Instrumenten, das Folgern aus Experimenten, das Denken, Bewerten und Vermitteln philosophischer Lehren sollte man jedoch den Fachmännern überlassen – mithin Hobbes und seinen Kollegen.⁴⁷⁶ Analog zum Unvermögen, einen sinnvollen Beitrag zu politischen Debatten leisten zu können, wird der Mittelschicht jede wissenschaftliche Kompetenz abgesprochen. In dieser Beziehung hält Hobbes strikt an seinen Überzeugungen fest. Und erneut ist man an die Passage „Vom Rat“ im „Leviathan“ erinnert – denn nicht nur der Philosoph, sondern auch der Ratgeber muss für seine Berufung qualifiziert sein. Die bereits bekannte Verbindung zwischen Alter, Erfahrung und Weisheit begegnet auch in den „Considerations“. Grund dafür ist die Anschuldigung von Hobbes’ Kritikern, er sei zu alt um noch einen sinnvollen Beitrag zur zeitgenössischen Debatte leisten zu können. Hobbes kontert: „By Mr. Hobbes his Calculation, that derives Prudence from Experience, and Experience from Age, you are a very young man“.⁴⁷⁷ Die Betonung seiner bereits früh erfolgten Ausbildung sowie sein Interesse für Logik, Physik, Geografie und die antiken Autoren ist auch in seiner Vita „The Life of Mr. Thomas Hobbes of Malmesbury“ zu finden.⁴⁷⁸ Neben einer Verteidigung seiner Werke „De Cive“, „De Corpore“ und „Leviathan“ kämpft er in seiner Vita auch gegen eine, insbesondere von den Vertretern der Naturwissenschaften häufig angestrebte Minderung seiner akademischen Reputation. Trotz der vielen Kritik, die Hobbes für seine Exkurse in die Mathematik einstecken musste, präsentiert er sich in seiner Autobiografie als ein den meisten Mathematikern überlegener Gelehrter. Gegen seine überaus nachvollziehbaren Demonstrationen der mathematischen Grundlagen konnten seiner Ansicht nach nur
Nicht nur dass das angeführte Werk das falsche ist, sondern auch den generellen Wert eines solchen Bezuges stellt Hobbes in einem scharfen Ton in Frage, der seinen Gegner der Lächerlichkeit preisgibt. Vgl. Ebd., S. 40. Vgl. ebd., S. 52. Vgl. ebd., S. 52 ff. Ebd., S. 61. Vgl. Hobbes, Life, S. 2 ff.
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„Mathematicians Half-Witted“⁴⁷⁹ demonstrieren. Zu dieser Gruppe der „SemiGelehrten“ zählt Hobbes auch John Wallis. Die Schlagkraft dieser Argumentation sei dahingestellt, da Wallis, wie bereits ausgeführt wurde, eine mathematische Koryphäe seiner Zeit war. Die Passage macht aber umso deutlicher, wie ernst es Hobbes damit ist, seine wissenschaftliche Reputation um jeden Preis aufrecht zu erhalten. Auf die rhetorische Frage nach der Größe seines Vermögens antwortet er am Ende der Vita passenderweise auch wie folgt: „How rich am I, that is, how wise, I pray?“⁴⁸⁰. Hobbes’ rückblickend beurteilendes Werk über den Bürgerkrieg und seine Folgen, „Behemoth“, gibt zwar aufgrund seiner Struktur nicht direkt ein Zeugnis ab zu Hobbes’ Sicht über seine Stellung als Autor und die Behauptung seiner Position in der Debatte. Da dieses monumentale Werk als Dialog zwischen einem Lehrer und seinem Schüler angelegt ist und ähnlich eines Katechismus alle Fragen um das Zustandekommen, den Verlauf und die Auswirkungen des Bürgerkrieges beantwortet, kann darin jedoch einmal mehr Hobbes’ Neigung abgelesen werden, sich als Ratgeber und Lehrer zu inszenieren. Streng genommen ist er im Behemoth sowohl Urheber der Fragen als auch Antwortender, dennoch entsteht der dialogische Eindruck, dass ein überlegen gebildeter Mensch einem anderen die Welt erklärt.
3.7 „Authority“ in früheren Schriften Nachdem im vorangegangenen Kapitel ausführlich geklärt wurde, wie sich Hobbes selbst als überlegener Universalgelehrter inszeniert und somit seine Position im zeitgenössischen Diskurs auch ohne das Vorhandensein eines offiziellen Auftrages zum Schreiben behauptet – also gewissermaßen eine Sprecherautorität für sich generiert – soll nun auf das Kernthema der Arbeit zurückgekommen werden: Hobbes’ „authority“-Konzept. Im Folgenden geht es insbesondere um die Frage, wie er vor dem „Leviathan“ mit „authority“ argumentierte bzw. ob dieser Aspekt seiner Staatsphilosophie ihm in früheren, friedlicheren Zeiten und unter anderen politischen Umständen bereits ebenso wichtig erschien, wie vor dem Hintergrund des Bürgerkrieges, eines enthaupteten Königs und der abgeschafften Monarchie. Es bietet sich an, chronologisch vorzugehen, weshalb zuerst ein Blick in die „Elements of Law“ und den Stellenwert der „authority“ in diesem ersten Teil der Hobbesschen Philosophie geworfen werden soll. Es fällt auf, dass Hobbes einige
Ebd., S. 15 f. Ebd., S. 16.
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seiner Kerngedanken bereits in diesem früheren Werk entwickelt hat. So begegnet die bereits bekannte Kausalkette Studien – Erfahrung – Weisheit – Ehre zum Generieren von „authority“ und die verkürzte Beschreibung der Natur des Rates im ersten Teil „Humane Nature“,⁴⁸¹ ebenso die analoge Beschreibung des Naturzustandes in „De Corpore Politico“. Eines ist jedoch auffällig: Hobbes verwendet hauptsächlich den Machtbegriff; eine klare Unterscheidung zwischen „power“ und „authority“ findet sich in den „Elements“ nicht.Vielmehr scheint es, als ob Hobbes den Autoritätsbegriff unreflektiert verwendet als einen Aspekt der verschiedenen Dimensionen von Macht. So unterscheidet er zwar zwischen körperlicher und geistiger Macht, wobei sich die körperliche Ebene in „nutritive power“, „generative power“ und „power motive“ aufgliedert, während mit der geistigen Macht Wissen verbunden ist. Es erfolgt aber nicht, wie später im „Leviathan“, die Zuweisung von körperlicher Stärke und überlegener Muskelkraft zu Macht und respektive die Definition von „authority“ als Handlung mit rechtlich fixierter Befugnis. Hobbes verwendet „authority“ innerhalb seiner Definition von Macht als eine Art vager Zusatzkompetenz: „By this power I mean the same with the faculties of the Body, Nutritive, Generative, Motive, and of the Minde, Knowledge; and besides these, such further power as by them is aquired, viz. Riches, Place of authority, Friendship or Favour, and Good Fortune“.⁴⁸² Im Allgemeinen wird in „Humane Nature“ der „authority“-Terminus weniger häufig verwendet, während Macht an prominenter Stelle genutzt wird. Hobbes gibt eine Art kurzer Definition von „authority“: „And Authority [is honourable] because a signe of the strength, wisdom, favour or riches by which it is attained“.⁴⁸³ Dabei gibt die Beschreibung der Elemente von Autorität zugleich auch einen Hinweis darauf, wie sie erlangt werden kann. Es fällt auf, dass diese Definition deutlich von dem abweicht, was Hobbes später im „Leviathan“ festlegt, denn in „Humane Nature“ ist keine rechtliche Komponente auffindbar, wie dies für die Definition im „Leviathan“ zentral ist. In dieser früheren Schrift Hobbes’ gibt es tatsächlich eher Analogien zwischen „authority“ und antiker auctoritas: Zur Erringung von Autorität im Sinne einer ehrenvollen Stellung innerhalb der Gesellschaft wird mit dem Hinweis auf „favour“ offenbar auf antike Kategorien rekurriert, wie z. B. die Klientelbindungen römischer Senatoren und die klassisch antike amicitia. Darüber hinaus nutzt Hobbes in „Humane Nature“ Autorität in Zusammenhang mit der Bibel und auch mit Einzelpersonen, wenn es um die Ausbildung von Wissenschaftlern geht. Diese beiden Anwendungsfelder unterscheiden sich nicht
Hobbes, Humane Nature, S. 33 ff., 164. Ders., Corpore Politico, S. 4 ff., 36. Hobbes, Humane Nature, S. 84. Ebd., S. 87.
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von den Passagen im „Leviathan“, in denen Hobbes Autorität für Gegenstände oder Einzelpersonen verwendet; sie erscheinen jedoch auch in dieser früheren Schrift eher von nachgeordneter Bedeutung zu sein, da sich mit ihnen keine grundlegende Definition oder ein erkenntnisleitendes Konzept verbindet. Hobbes kommt hier bereits zu denselben Schlussfolgerungen, die aus der Analyse des später verfassten „Leviathan“ bekannt sind. So etwa, wenn der Philosoph in „De Corpore Politico“ Aristoteles als denjenigen Gelehrten beschreibt, der gegenwärtig die meiste Autorität inne hat, da alle gebildeten Menschen seinen Lehren folgen.⁴⁸⁴ Autorität wird mit der Person und den Lehrsätzen Aristoteles‘ verbunden, Hobbes zieht hieraus die bekannten Schlüsse seiner Ablehnung der unkritischen Übernahme der Meinungen antiker Philosophen nur aufgrund ihrer Reputation in der gelehrten Welt. Auch in „De Corpore Politico“ findet sich „authority“ nicht als herausgehobenes Argument, weder was die inhaltliche Füllung des Begriffs betrifft noch was die Häufigkeit seiner Verwendung anbelangt. Genau wie in der Vorgängerschrift „Humane Nature“ legt Hobbes sein Hauptaugenmerk auf die Definition von Macht und ihren Auswirkungen.⁴⁸⁵ In „De Cive“ ändert sich dieses Bild nur geringfügig. Zwar wird der Begriff zusehends häufiger von Hobbes angeführt, an einer Definition, die derjenigen des „Leviathan“ nahe kommt, mangelt es aber immer noch. Stattdessen begegnet der Autoritätsbegriff in Gleichstellung mit einer Vielzahl anderer Termini, unter anderem mit „power“, „dominion“ und „right“.⁴⁸⁶ Die Verbindung zwischen dem Autoritätsbegriff und dem Herrscher ist eminent und tritt in Wendungen wie „Royall authority“, „Subjects […] nor were they kept in peace by disputations, but by power and authority“ und „the authority of the Rulers in chiefe, or of civill government“ hervor.⁴⁸⁷ Zum Teil beginnt Hobbes bereits damit, den Souverän mit „the supreme authority“ anzureden.⁴⁸⁸ Dennoch klingt der Konnex zwischen Autorität und Recht in „De Cive“ bereits an, wenn er auch bei Weitem noch nicht so detailliert herausgearbeitet ist wie im „Leviathan“: „authority“ wird als „right of nature“⁴⁸⁹ beschrieben. Dabei bleibt die Rechtssphäre aber nicht allein der Autorität vorbehalten; besonders bei der Beschreibung des Naturzustandes stehen Recht und Macht eng zusammen: Wer genügend Macht habe, könne sich rechtmäßig alles aneignen,⁴⁹⁰ da es nur die
Vgl. Hobbes, Corpore Politico, S. 36. Vgl. ebd., S. 4, 7. Vgl. u. a. Hobbes, De Cive, S. 45, 51 f., 57 f., 63, 71 f., 76 f., 79, 81 ff., 85. Ebd., S. 6 ff. Vgl. ebd., S. 45. Ebd., S. 9. Vgl. ebd., S. 14: „who having equal right, and equal power“
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Naturgesetze gibt und keine zivile Rechtsprechung, wie später mit der Einsetzung des Staates. Von Macht im Verbund mit physischer Stärke ist vor allem für den Naturzustand die Rede, eine trennscharfe Ausarbeitung des Unterschiedes zwischen reiner „power“ im Naturzustand und „authority“ nach dem Covenant eines jeden mit jedem fehlt jedoch in „De Cive“ noch. Insgesamt entsteht der Eindruck, als ob Hobbes in „De Cive“ viele wichtige Begriffe nutzt, ohne diese bereits trennscharf voneinander abzugrenzen. Möglicherweise schenkte er der genaueren Differenzierung erst mit dem äußeren Einfluss der aktuellen politischen Entwicklungen, die sich immer weiter radikalisierten und auch eine Verschärfung der geschriebenen Propaganda nach sich zogen, mehr Aufmerksamkeit. In diesem Sinne schreibt auch Braddick, dass der zentrale Stellenwert, den Hobbes der Sprache in seinem späteren Hauptwerk einräumt, eine Antwort auf die religiösen und politischen Auseinandersetzungen war. Mit Hilfe der Stabilisierung von Definitionen habe Hobbes eine Einigung über wesentliche Grundsätze erreichen und so viele Konfliktpunkte beilegen wollen.⁴⁹¹ Ein Beispiel für diese in „De Cive“ noch etwas verworren anmutende Gleichsetzung von Begrifflichkeiten bzw. das In-Beziehung-Setzen zueinander, ist folgende Passage: „In every City [meint den Souverän, Anmerkung C.S.] That Man, Or Counsell, to whose will each particular man hath subjected his will (so as hath been declared) is said to have the SUPREME POWER, or CHIEFE COMMAND; or DOMINION; which Power, and Right of commanding, consists in this, that each Citizen hath conveighed all his strenghth and power to that man, or Counsell.“⁴⁹² Termini wie „power“, „command“, „dominion“, „strength“ und „right“ werden gewissermaßen in einem Atemzug und weitgehend ohne sie voneinander zu trennen genannt, während später im „Leviathan“ deutlich unterschieden wird zwischen Recht, das eng mit „authority“ verbunden ist, und Macht. Sehr häufig wird in „De Cive“ noch mit Macht argumentiert, auch wenn hier bereits ein Bezug zur Rechtmäßigkeit dieser Macht hergestellt wird. Hobbes schreibt „that Man or Counsell is necessarily understood by Right to have the supreme power in the City“. Es entsteht der Eindruck, einer zunehmenden Differenzierung im Vergleich mit den beiden zuvor genannten Werken. Zu diesem Eindruck trägt zum einen die deutlichere Unterscheidung zwischen Macht als physische Überlegenheit im Naturzustand und Macht als Kompetenz des Souveräns mit Rechtskomponente im bürgerlichen Staat bei. Zum anderen werden aber auch die in „De Cive“ noch bestehenden Unzulänglichkeiten Vgl. Braddick, State Formation, S. 77. Zu Hobbes definitorischer Tätigkeit, die in direktem Bezug stand zu den Definitionen unterschiedlicher zeitgenössischer Themenkomplexe durch das Parlament (z. B. betreffend Freiheit, Eigentum, Recht, Gesetz, Volk, Steuern etc.) siehe Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 49 ff. Hobbes, De Cive, S. 39.
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deutlich. So stellt Hobbes die bürgerlichen Gesetze wie folgt dar: „civill Laws […] as being the Commands of him who hath the supreme power in the City. And the Civill Lawes (that we may define them) are nothing else but the commands of him who hath the chiefe authority in the City“.⁴⁹³ Er stellt „supreme power“ und „chiefe authority“ also in ihrer Bedeutung für die Schaffung der zivilen Gesetze direkt gleich. Es bleibt dennoch unklar, welche Kompetenz die andere bedingt. Denn kurz zuvor schreibt Hobbes noch über die zwei Schwerter (Justiz und Krieg), die dem Souverän angehören. Demzufolge stellt er fest, dass „all judgment therefore in a City belongs to him who hath the swords, (i. e.) to him, who hath the supreme authority“.⁴⁹⁴ Nur wenn ein Souverän beide Schwerter inne hat, zu dem auch der Bereich der Justiz gehört, besitzt er Autorität im Staat. Was hierbei aber Voraussetzung ist und was Effekt, wird nicht deutlich. Noch mehr zu dieser Verwirrung trägt Hobbes’ Äußerung zum Vorgang der Übertragung des Rechts auf Selbstregierung jedes Einzelnen auf den Souverän bei: „As an Aristocratie, so also a monarchy is derived from the Power of the People, transferring its Right, (that is) its Authoritie on one man.“⁴⁹⁵ Erneut werden Recht, Autorität und Macht zusammen genannt und gewissermaßen gleichgestellt. Es ist dennoch auffällig, dass sich im Verlauf von Hobbes’ Argumentation „authority“ und Recht immer mehr miteinander verbinden, so auch wenn er über die Nachfolge eines Monarchen spricht und dabei den Terminus „Regall Authority“ einführt. Später leitet er diese von der Bibel ab; sie sei durch Gott selbst beschrieben worden (in Sam. 8,9).⁴⁹⁶ Hobbes äußert sich auch indirekt über den Charakter von Autorität. Wie später im „Leviathan“ sieht er Autorität auch in „De Cive“ nicht als personale Eigenschaft an. Stattdessen wird man mit ihr ausgestattet bzw. in sie eingesetzt.⁴⁹⁷ Zudem kann sie unabhängig von der Person und ihren sonstigen Eigenschaften vergeben werden, so beschreibt Hobbes z. B. die „authority“ von Frauen bzw. ein Matriarchat, ohne einen Unterschied zu der von Männern bzw. dem üblicherweise vorherrschenden Patriarchat zu machen.⁴⁹⁸ Anhand dieser Charakteristika wird nicht nur eine Parallele zum „Leviathan“ deutlich, auch kann man festhalten, dass es keine Analogie zur antiken auctoritas gibt, da diese vordergründig auf der
Ebd., S. 43. Ebd. Ebd., S. 52. Vgl. ebd., S. 54, 74. Vgl. ebd., S. 60 Hobbes verweist für das Matriarchat auf die antiken Amazonen und fügt hinzu „and at this day in divers places, women are invested with the principall authority“, ohne jedoch weitere konkrete Beispiele zu nennen. Vgl. ebd., 60 f.
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Gehorsamsbereitschaft in Folge von bereits erbrachten Leistungen eines Senators für die res publica beruhte. Weitere Ähnlichkeiten zur Beschreibung des „authority“-Konzeptes im „Leviathan“ sind die Delegierungsmechanismen, die Hobbes insbesondere bei der Übertragung der königlichen Vollmacht auf einen Vertreter thematisiert.⁴⁹⁹ Zu diesem Feld zählt aber auch Hobbes’ Erkenntnis über den Unterschied zwischen dem Souverän als rechtmäßigem Inhaber der vollen Autoritätsfülle und der Ausübung von „authority“, die auch von einem Vertreter vorgenommen werden kann, so er dazu autorisiert ist.⁵⁰⁰ Eine weitere Analogie stellt die Beschreibung der „authority“ des Familienvaters dar.⁵⁰¹ Mit dem Fortschreiten der Argumentation in „De Cive“ fällt eine Stelle besonders auf, an der Hobbes klar zwischen Macht und Autorität unterscheidet: „I call a faction, a multitude of subjects gathered together, either by mutuall contracts among themselves, or by the power of some one without his or their authority who bear the supreme rule.“⁵⁰² Es wird deutlich, dass Macht der Partei bzw. Gruppe zugeordnet wird, die gegen die rechtmäßige Regierung aufbegehrt, während der Souverän „authority“ inne hat. Zugleich wird der Verführer des Volkes, gegen die Regierung aufzubegehren, als ein Mann beschrieben, dem Macht eignet, jedoch keine „authority“. Hierzu hat sich Hobbes bereits etwas früher in seiner Schrift geäußert. Er ordnet diesem Mann, der für einen Aufruhr oder gar die Absetzung des Souveräns verantwortlich ist, einige Attribute zu, die an antike auctoritas, aber auch an Max Webers Typus der charismatischen Herrschaft⁵⁰³ erinnern: „under some Commander, whom of their own accord, they are content to obey; not as being engaged by their submission to his command […] but for some opinion they have of his vertue, or military skill, or resemblance of humours“.⁵⁰⁴ Solche Gedanken und Zuordnungen, insbesondere die Definition von „authority“, erscheinen später im „Leviathan“ viel deutlicher als noch in „De Cive“. Der Auslöser für Hobbes, sich über diese Begriffe und ihre Konsequenzen vermehrt Gedanken zu machen, liegt in der politischen Entwicklung seiner Zeit. Die einseitige Betonung von Macht als entscheidender Kategorie von Herrschaft und Gefolgschaft in den frühen Werken seiner Philosophie weicht zunehmend einem differenzierten Begriff von Macht und daneben eben auch von „authority“. In „De
Vgl. ebd., S. 55. Vgl. ebd., S. 81. Vgl. ebd., S. 57, 62 f. Ebd., S. 85. Vgl. Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, Frankfurt a. M. 2005, Teil 1, Kap. 4. Hobbes, De Cive, S. 79.
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Cive“ klingt die später im „Leviathan“ deutlich herausgearbeitete Rechtskomponente vielfach bereits an. Hobbes unterscheidet hier beispielsweise bereits zwischen dem Recht auf „authority“ und der Ausübung derselben⁵⁰⁵, auch wenn es noch an einer grundlegenden Definition mangelt. In der Folge entwickelt er den Autoritätsbegriff weiter und hebt ihn über die bloße Macht hinaus, die nunmehr als physische Überlegenheit vor allem im Naturzustand eine Rolle spielt, im Übrigen aber mit der Errichtung eines Staatswesens zugunsten von „authority“ an Bedeutung verliert.⁵⁰⁶ Wie erwähnt ist Hobbes meiner Ansicht nach kein Machttheoretiker, wie dies vielfach in der Forschung behauptet wird⁵⁰⁷, sondern ein Theoretiker der absoluten „authority“. Er räumt zwar Situationen ein, in denen die Macht eines Usurpators bzw. eines fremden Eroberers die Autorität des Souveräns bezwingt, tatsächlich bleibt er aber seinem Anspruch treu, dass der rechtmäßige Souverän nur durch den covenant des Volkes das Recht und die Kompetenz erlangen kann, im Namen jedes Einzelnen zu herrschen – und dies gilt auch für einen Usurpator. Somit leitet Hobbes die rechtliche Handlungskompetenz eines Monarchen oder einer Versammlung eindeutig her – und mithin seine bzw. ihre „authority“. Hobbes nahm mit dem 1642 veröffentlichten Werk „De Cive“ Teil an den politischen Debatten um die Legitimität König Karls I. oder aber des Long Parliament. Seine politische Konzeption blieb nicht unwidersprochen, wie im Folgenden noch zu zeigen sein wird (Kapitel 4.2, 5, 6). Um sein „authority“-Konzept besser zu verstehen und als Argument in den Kontext der zeitgenössischen Debatten einordnen zu können, muss man sich mit der sprachlichen Verwendung des Terminus vor Hobbes beschäftigen. Die Frage ist, ob es eine bestimmte Bedeutungstradition von „authority“ gibt und wie bzw. durch wen maßgeblich mit dem Konzept der Vollmacht argumentiert wurde.
„We must then distinguish between the Right, and the exercise of supreme authority“ Ebd., S. 81. In diesem Sinn definiert Hobbes „power“: „The Power of a Man, (to take it Universally,) is his present means to obtain some future apparent Good. And is either Originall, or Instrumentall. Naturall Power, is the eminence of the Faculties of Body, or Mind: as extraordinary Strength, Forme [im Sinne von „beauty“], Prudence, Arts, Eloquence, Liberality, Nobility. Instrumentall are those Powers, which acquired by these, or by fortune, are means and Instruments to acquire more: as Riches, Reputation, Friends, and the secret working of God, which men call Good Luck.“ Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 132. Schneider, Thomas, Thomas Hobbes’ Leviathan. Zur Logik des politischen Körpers, Hannover 2003. Schmitt, Carl, Sinn und Fehlschlag. Ders., Politische Theologie.Vier Kapitel zur Lehre von der Souveränität, Berlin 2004. Hindess, Discourses of Power.
4 Zur Verwendung von Autorität vor Hobbes 4.1 Royal Proclamations Eine serielle Quelle für die Untersuchung von „authority“ vor Hobbes bieten die „Royal Proclamations“ aus der Zeit der Tudors und Stuarts. Die königlichen Proklamationen waren formelle Ankündigungen bzw. öffentliche Weisungen, mit denen die Herrscher mit dem Rat des Privy Council als king-in-council (bzw. queenin-council) ihren Untertanen bestimmte Anglegenheiten bekanntgaben. Zu diesem Zweck wurden sie mit dem Großen Siegel versehen und von einer hierzu autorisierten Person verkündet. Obwohl die Proklamationen für die Untertanen verbindlich waren, stellen sie – im Unterschied zu den Statuten des Parlaments – keine Quelle der Legislatur dar, denn sie mussten sich (mit wenigen Ausnahmen¹) stets nach geltendem Recht richten. Ihre Funktion lag eher in der Bekräftigung des bestehenden Rechts. Typische Themen der Proklamationen waren Kriegserklärungen, die Bekanntgabe nationaler Notstände, Neutralitätsbekundungen, die Einberufung und Auflösung von Parlamenten, die Ankündigung von Feiertagen, die Ausgabe von Münzen, aber auch die Bekräftigung von Statuten.² Für die Tudors ist auffällig, dass „authority“ insbesondere in den Proklamationen Königin Elizabeths I. auftritt. Die Themen der Proklamationen Elisabeths I. sind keine Überraschung – so gibt es mehrere feiertagsbezogene Aufforderungen, sich während der Fastenzeit an den Verzicht auf Fleisch zu halten³, ebenso Proklamationen das Münzwesen,⁴ die Auspreisung von Lebensmitteln⁵ und die Standardisierung von Gewichten und Maßen⁶ betreffend, zudem zahlreiche Bekräftigungen von bereits vorhandenen Gesetzen oder Beschlüssen zu unterschiedlichsten Angelegenheiten.⁷ Mit ihren Proklamationen sprach die Kö Eine vorübergehende Gleichstellung der „Royal Proclamations“ mit „Statute Laws“ erfolgte 1539 mit dem „Statute of Proclamations“, wurde jedoch bereits 1547 wieder entkräftet. Eine gesetzgebende Funktion hatten die königlichen Statuten nur in den eroberten Gebieten, also beispielsweise in den amerikanischen Kolonien. Vgl. Proclamations of Accession of English and British Sovereigns (1547– 1952), in: Heraldica (2007), Introduction. Vgl.Vorwort zu Bd. 1 der Stuart Royal Proclamations (im Folgenden SRP), hg.v. James f. Larkin, 2 Bde., Oxford 1973 – 1983. Tudor Royal Proclamations (im Folgenden TRP), hg.v. Paul L. Hughes, James f. Larkin, 3 Bde., New Haven, London 1964– 1969, hier Bd. 2, Nr. 466 und 477. TRP 2, Nr. 492. TRP 3, Nr. 701. TRP 3, Nr. 814. Etwa betreffend eines Statutes zum Hütemachen (TRP 2, Nr. 588/594), einem Versammlungsverbot (TRP 3, Nr. 769/735) oder das Spinnen von Wolle betreffend (TRP 3, Nr. 780). https://doi.org/10.1515/9783110659498-006
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4 Zur Verwendung von Autorität vor Hobbes
nigin also diverse Bereiche an und regelte diese. In vielen dieser Einzelaspekte staatlicher Verwaltung macht sich die Verwendung von „authority“ im Sinn einer monarchischen Kernkompetenz stark bemerkbar. Darüber hinaus bezieht sich „authority“ nicht zwangsläufig nur auf die Person bzw. das Amt der Königin. Stattdessen wird sie in unterschiedlichen Zusammenhängen und für verschiedene Personen angewendet, insbesondere für Inhaber von Verwaltungsposten, richterlichen Ämtern oder anderen offiziellen Positionen, wie an einzelnen Fallbeispielen Im Folgenden gezeigt werden wird. An prominentester Stelle wird „authority“ in den königlichen Proklamationen jedoch in Verbindung mit dem Herrscher selbst genutzt. Es heißt beispielsweise bezogen auf Königin Elisabeth I. „[…] according to the authority committed to her Highness for the quiet governance of all manner her subjects“⁸ oder „licensed by the authority of her majesty or her progenitors“⁹. „Authority“ erscheint in diesen Zusammenhängen als eine Vollmacht, die die Königin zur Ausübung ihrer Herrschaft innehat. In diesem Sinne regelt der Bezug auf die königliche Vollmacht die Prärogative des Monarchen, wie etwa das Münzwesen.¹⁰ Für die Stuart-Proklamationen lässt sich analog zu den Tudors der Gebrauch von „authority“ in direktem Zusammenhang mit der Person des Königs z. B. als „Regall Authority“ feststellen.¹¹ Häufig stehen jedoch die beiden Kompetenzen „power“ und „authority“ eng beieinander bzw. werden geradezu floskelhaft benutzt¹² – eine Unterscheidung fällt daher schwer. Die Herkunft der „authority“ wird an verschiedenen Stellen deutlich gemacht, ist jedoch nicht klar einer Quelle zuzuordnen. Einerseits, und darauf spielt das an zweiter Stelle genannte Beispiel bereits an, wird ein Bezug zu den Vorgängern im Amt des Herrschers hergestellt: auf die englischen Könige, aber auch auf große christliche Herrscher, wie etwa Kaiser Konstantin (306 – 337).¹³ Dieser Rückbezug auf namhafte Könige bzw. Kaiser der Vergangenheit ist ein bekanntes Mittel zur Herrschaftslegitimation und scheint auch für die Ableitung von „authority“ ein probates Mittel gewesen zu sein. Im Umkehrschluss ist „authority“ stets eng mit TRP 2, Nr. 451. TRP 2, Nr. 453. Zum Beispiel ein Erlass „Authorizing Copper Coinage“ TRP 3, Nr. 805. SRP, 1, Nr. 202. Gemeint sind Ausführungen in folgendem oder ähnlichem Wortlaut: „by her regal power and authority“. Unter anderem TRP 2, Nr. 694 („regal authority“), TRP 2, Nr. 655 („princely authority“) und TRP 3, Nr. 812, 714 („power and authority“), TRP 2, Nr. 665 („royal and sovereign authority“), TRP 3, Nr. 780 („her highness’ authority and prerogative regal“). TRP 2, Nr. 453. Zur Berufung auf den römischen Kaiser: „the fathers of the General Council of Nicea, convocated and assembled by the authority of the most Christian Emperor Constantine the Great, one of her [Elisabeth I.] natural progenitors“. Ebd., Nr. 665.
4.1 Royal Proclamations
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Herrschaft, also mit den königlichen Vollmachten und Vorrechten verknüpft. Ein weiterer Ursprung von „authority“ liegt in der ebenfalls bewährten Ableitung vom göttlichen Willen: „For these considerations her majesty, having also regard to maintain her authority given her by Almighty God over all manner of persons within her dominions“¹⁴ oder „that also all other means be used by her majesty’s royal authority, which is given her of God to defend Christ’s church“¹⁵. Ein dritter Ursprung der königlichen Vollmacht lässt sich aber auch – und dies ist durchaus bemerkenswert – in den Statuten verorten: „And further the Queen’s highness, according to the authority to her given by the said last recited statute […]“.¹⁶ In den königlichen Proklamationen kommt also bereits der Gedanke zum Ausdruck, dass die Vollmachten des Herrschers an ein rechtliches System rückgekoppelt sein müssen, um eine gerechte und vor allem rechtmäßige Herrschaftsausübung zu gewährleisten. Auch wenn die „Statute Laws“, auf die an dieser Stelle angespielt wird, eigentlich Normen meinen, die von den zur Gesetzgebung befugten Organen, etwa den gewählten Parlamanten, als Gesetze und Verordnungen erlassen werden¹⁷, ist für die Zeit der Herrschaft Königin Elisabeths I. eine genauere Betrachtung des Sachverhaltes nötig. Denn wie Comstock Weston und Renfrow Greenberg bei der Untersuchung von Robert Filmers „The Freeholders Grand Inquest“ betonten, waren die „statute laws“ vor der Herrschaft Edwards VI. (1547– 1553) stets Ausdruck der allein beim König liegenden Legislative. Diese Wahrnehmung verschob sich mit der Herrschaft Edwards VI., es wurde jedoch immer noch betont, dass der König bzw. die Köngin die Statuten erlässt, während das Parlament seinen Konsens dazu gibt. Dies änderte sich erst mit der Herrschaft Karls I. So kritisierte Filmer die Einführung der Formel „be it enacted by the king, the lords spirituall and temporal, and the commons“, die nicht mehr ausdrückte, dass es der König war, der die Gesetze erlässt und das Parlament, das seine obligatorische Zustimmung gibt. Stattdessen ließ diese Formel das Kooperationsprinzip der drei gleichberechtigten und gleichgestellten Stände (König, Lords und Commons) in ein ursprünglich vom König allein beanspruchtes Herrschaftsrecht Einzug halten.¹⁸ Dass das Parlament jedoch noch vor Beginn des Bürgerkrieges die Abschaffung der „Statute Laws“ forderte, zeigt, dass sie allge-
Ebd., Nr. 531. Ebd., Nr. 652. Gemeint ist ein Erlass des Parlaments im fünften Jahr der Herrschaft Königin Elisabeths I. „An Act Touching Certain Politic Constitutions Made for the Maintenance of the Navy“. Ebd., Nr. 636. Vgl. Blumenwitz, Dieter, Einführung in das anglo-amerikanische Recht. Rechtsquellenlehre, Methode der Rechtsfindung, Arbeiten mit praktischen Rechtsfällen, München 2003. Filmer, Sir Robert, The Freeholders Grand Inquest, S. 31– 34. Vgl. Comstock Weston, Renfrow Greenberg, Subjects and Sovereigns, S. 114, 118.
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mein immer noch als Mittel der direkten königlichen Einflussnahme wahrgenommen wurden. Für die Herrschaft Elisabeths I. lässt sich zwar aus der Betonung der „statute law“ für die Ableitung ihrer „authority“ nicht schließen, dass das Parlament dem König bzw. der Königin als gleichwertiger Regierungsträger die Vollmacht zu herrschen erteilt. Dennoch schien eine Verbindung zu geltendem Recht für die Durchsetzung des königlichen Willens ratsam und förderlich – auch wenn dieses Recht noch maßgeblich vom Willen des Monarchen geprägt war. In den Proklamationen Elisabeths I. findet sich auch ein Beispiel, in dem die „authority“ des Parlaments angesprochen wird. Es handelt sich dabei um die Bekräftigung der Durchsetzung des „Book of Common Prayer“, einer Verordnung, die „by the common consent of the realm and by authority of the parliament“¹⁹ verabschiedet wurde. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es sich auch hierbei nicht um eine der Vollmacht der Königin gegenüber stehende oder konkurrierende Kompetenz handelt, sondern um eine von ihr abgeleitete. Dies erscheint in diesem Fall auch sinnvoll, da die Durchsetzung des „Book of Common Prayer“ auch im Interesse Elisabeths I. lag. Neben der Verwendung von „authority“ in direkter Verbindung zum König bzw. der Königin, wird der Terminus auch – und hier wird man stark an Hobbes’ spätere Auführungen zur Autorität auf staatlicher Ebene erinnert – für andere Personen verwendet. Besonders häufig wird „authority“ als Bevollmächtigung königlicher Beamter genannt. Der Wortlaut variiert je nach angesprochenem Themenfeld, klingt aber etwa wie folgt: „justices and other ministers shall […] use the authority to them committed“.²⁰ Ähnlich wird die „public authority“ der Beamten beschrieben²¹ bzw. direkt „office“ und „authority“ miteinander verbunden.²² In einer Proklamation die Standardisierung von Maßen und Gewichten betreffend wird besonders die hierarchische Verteilung der zur Durchsetzung der neuen Maße und Gewichte benötigten Vollmachten deutlich. Von der Königin über den Lord Treasurer an den Exchequer und schließlich die örtlichen Bürgermeister bzw. Hauptverwalter werden nicht nur die Maße weitergegeben, sondern auch die Vollmacht, dieselben durchzusetzen und zu kontrollieren.²³ Gleiches gilt für das Amt des Postboten: Es existiert eine Proklamation Jakobs I., in der er ausdrücklich nur autorisierten Boten das Befördern der Post erlaubt.²⁴
TRP 2, Nr. 599. Ebd., Nr. 492. Vgl. Auch TRP 3, Nr. 814 („authority and power given by the same statute to the said mayor, bailiff, or other head officer“), Ebd., Nr. 799, Nr. 762, Nr. 784. TRP 2, Nr. 531. Ebd., Nr. 588/594. TRP 3, Nr. 814. SRP 1, Nr. 99.
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Ferner haben Gerichte bzw. Vertreter der niederen Jurisdiktion und auch Grundbesitzer die „authority“, um über Fälle von Rechtsverstößen zu urteilen²⁵: And further her majesty […] straightly chargeth and commandeth all and every justices of peace, mayors, sheriffs, bailiffs, and all other her highness‘ officers and ministers […] do within several limits and precincts of their jurisdiction and authority search and inquire for all and every such person and persons as shall any way offend against […] her majesty’s proclamation“.²⁶ Analog dazu wird auch in den Stuart-Proklamationen für die Abbildung der Amtshierarchie im Staat der Terminus der „authority“ gebraucht. Besonders auffällig ist dies für Verwalter und andere offizielle Ämter, etwa wenn von der „authority of Magistrates and government“ die Rede ist, der sich unter Strafandrohung nicht widersetzt werden darf.²⁷ Dasselbe gilt auch für Vertreter der Justiz bzw. der Rechtsprechung („Our authority given and imparted to Our Lord chiefe Justice and others“²⁸). Der Ursprung dieser amtlichen „authority“ lässt sich auch ablesen an den Androhungen von Strafen, falls die Amtsinhaber ihren Verpflichtungen nicht nachkommen: „all her officers and ministers […] will avoid her majesty’s indignation, which […] they ought not to escape if they shall be found negligent and careless in the execution of their authorities“.²⁹ Oder betreffend den Verzicht auf Fleisch während der Fastenzeit: „And likewise commandeth all manner officers, both ecclesiastical and temporal […] that they do not either by their own example or by lack of execution of their authority permit such licentious and carnal disorder“.³⁰ Zwar wird nicht direkt ein Strafmaß angedroht, dennoch ziehen alle Beamte, die den Wünschen und Anordnungen Elisabeths I. zuwider handeln, ihre Missbilligung auf sich oder sind, wie im Fall der Fastenzeit, durch den Mangel an der Durchsetzung ihrer Vollmachten selbst an den sich daraus ergebenden Missständen schuld. Das damit illustrierte Abhängigkeitsverhältnis ergibt sich gleichsam für die geistlichen Würdenträger, etwa „the persons of the bishops and others placed in authority ecclesiastical under her highness by her authority“.³¹ Alle Mitglieder der Verwaltung des Reiches, weltliche genauso wie geistliche Beamte und Würdenträger, unterliegen dieser Logik folgend der „authority“ des Königs bzw. der Königin und leiten ihre Vollmachten ausschließlich von ihm bzw.
TRP 2, Nr. 588/594; TRP 3, Nr. 701, 769/735 TRP 3, Nr. 780, Nr. 814, Nr. 784. SRP, 1, Nr. 202. Ebd., Nr. 202. TRP 2, Nr. 652. Ebd., Nr. 466 und 477. TRP 3, Nr. 709. Zur „authority“ der Geistlichkeit vgl. auch TRP 2, Nr. 599 (betreffend die Durchsetzung des „Book of Common Prayer“).
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ihr ab. Bezogen auf die Geistlichen des Landes heißt es in einer Proklamation von Jakob I., sie würden entgegen den erlaubten und landestypischen Formen des Gottesdienstes „assemblies without Authoritie“ abhalten.³² Daran ist klar ersichtlich, wo die Grenzen ihrer Autorisierung liegen, nämlich im Abhalten eines ordnungsgemäß ausgeführten und sich am Book of Common Prayer orientierenden Gottesdienstes. Zu dieser Gruppe der Reichsverwalter gehörten auch hochgestellte Adlige; so wird dem Marquis of Winchester von Königin Maria I. (1553 – 1558) und ihrem Gemahl Philipp (1554– 1558) bei seiner Ernennung zum „Lieutnant of Realm“ die „full power and authority“ verliehen „from time to time may levy, gather, and call together all and singular our subjects […] meet and apt for the wars“.³³ Mit dieser einheitlichen Formel werden auch andere künftige Aufgabenfelder des Marquis mit der nötigen Vollmacht ausgestattet, etwa die angemessene Bewaffnung, regelmäßige Musterungen, die Heerführung, die Ernennung lokaler Untergebener und ganz generell die Handlungsfreiheit in Notlagen (Aufstände, Rebellionen, Angriffe) betreffend.³⁴ In zwei weiteren Proklamationen taucht „authority“ auch in Bezug auf ausländische Gesandte bzw. auf Gesandte des Papstes auf. Die klare Hierarchie der „authority“ wird anhand der Bevollmächtigung der spanischen Gesandten deutlich, die während der laufenden Verhandlungen über konfiszierten spanischen Besitz nicht „without further authority from the Duke of Alva“ neuen Klauseln zustimmen könnten – sehr zum Missfallen Elisabeths I.: „contrary to her expectation, the ministers that treated on the part of the King of Spain […] lacked sufficient authority to conclude“.³⁵ Die Regeln und Grenzen solcher Bevollmächtigungen waren also, und dies belegt dieses Beispiel, den Zeitgenossen bekannt und kein typisch englisches Phönomen. Insbesondere in diesem diplomatischen Fall nimmt der Grad der Bevollmächtigung der Gesandten durch den Herzog von Alva eine prominente Rolle ein – und besiegelt das vorläufige Scheitern der Mission der spanischen Gesandten. Ein weiterer Fall, in dem es um ausländische Gesandte im weitesten Sinn geht, befasst sich mit katholischen Priestern: „those Romish priests were sent into this realm by foreign authority“ – was den Papst meint. Auch in einer Proklamation Jakobs I. wird im Zusammenhang mit den in England Fuss fassenden Jesuiten von der „authority derived from the Sea of Rome“ gesprochen.³⁶ Mit dem Einzug katholischer Geistlicher und ihrer Tätigkeit in
SRP 1, Nr. 35. TRP 2, Nr. 441. Ebd. Ebd., Nr. 583. SRP 1, Nr. 252.
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England, nämlich „to seduce our people from their affection to religion“, verbindet sich auch der scharfe Vorwurf Königin Elisabeths I. an all ihre Beamten und Untertanen „that many of them […] have been so remiss in preventing the resort of secular priests and Jesuits into places where they have authority“.³⁷ Zum Einen wird also dem Papst als oberstem katholischen Priester „authority“ zuerkannt, die offenbar auch im Ausland Bestand hat, zumindest was die Weisung an katholische Geistliche betrifft. Die so in Verbindung mit dem Papst beschriebene Vollmacht ist in dieser Hinsicht in etwa vergleichbar mit der des spanischen Königs, Gesandte zu schicken und mit bestimmten Befugnissen auszustatten. Zum Anderen ergibt sich aber aus der unerwünschten und nicht von der englischen Monarchie autorisierten, missionarischen Tätigkeit der katholischen Geistlichen ein Problem. Denn während die spanischen Gesandten in diplomatischem Auftrag unterwegs waren und in dieser Funktion auch von Elisabeth I. empfangen wurden, gilt nichts dergleichen für die Vertreter der katholischen Kirche. Es ist somit als ungeheure Anmaßung des Papstes zu werten, katholische Geistliche in missionarischem Auftrag ohne die hierzu nötige Autorisierung durch die Krone in englisches Staatsgebiet zu entsenden. Im Zusammenhang mit den unerwünschten katholischen Geistlichen wird auch ein anderer Aspekt von „authority“ angesprochen: Durch ihr Predigen und die Überzeugung von Engländern, zum katholischen Glauben zu konvertieren, eigneten sich die betreffenden Priester mitunter „authority“ an, wie in den Proklamationen beklagt wird. Diese Eigenschaft scheint sich von dem zu unterscheiden, was bisher in den Tudor Proclamations begegnete. Sie spielt nicht auf eine offizielle, vom Herrscher verliehene und sanktionierte Stellung an, sondern meint eine selbst erworbene Anerkennung im Volk, die beispielsweise durch eloquente Predigten errungen wurde und eine Überzeugungskraft hat, die auch Konversionen nach sich ziehen konnte. Diese Form der „authority“ hat dann auch nichts mehr mit einer an ein Amt gebundenen Vollmacht gemein, da dergleichen nicht von den katholischen Geistlichen behauptet werden konnte, die ja von Rechts wegen kein Amt durch die Königin verliehen bekommen hatten. Stattdessen weckt sie Erinnerungen an die unter anderem aus Ansehen generierte antike auctoritas. Tatsächlich ist diese Kompetenz predigtbegabter Priester aber maximal eine Randerscheinung. Es geht im Grunde vor allem um die großen Akteure der Politik – die Königin und den Papst – und das Drängen Elisabeths I., dem Oberhaupt der katholischen Kirche keine Vollmacht auf englischem Boden zu gewähren – sei es auch in Form versprengter Prediger und vereinzelter Konversionen.
TRP 3, Nr. 817.
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Ein weiterer Hinweis auf die Verwendung von „authority“, die nicht ausschließlich in direktem Zusammenhang mit dem königlichen Willen zu stehen scheint, findet sich ebenfalls auf geistlichem Gebiet. Betreffend einer angestrebten Kalenderreform wird in Zusammenhang mit den Bischöfen auf ihre „greatest authority, wisdom, and learning“³⁸ hingewiesen, was aufgrund der Verbindung von „authority“ mit Weisheit und Gelehrtheit zunächst sehr stark an die antike Ausprägung von auctoritas erinnert. Tatsächlich scheint es sich hier aber eher um eine diffuse Beschreibung der Bischöfe als Gruppe zu handeln, denn sie werden nicht direkt angesprochen, sondern als „prelates of the clergy in this her realm that were of greatest authority“ beschrieben. Daran, dass sich ihre bischöflichen Vollmachten dennoch vom weltlichen Herrscher ableiten, lässt die Proklamation in einem zweiten Schritt dann auch keinen Zweifel. Als historischen Vorgänger zu ihren Überlegungen die Kalenderreform betreffend führt Elisabeth I. das Konzil von Nicea an, in dem die geistlichen Würdenträger „convocated and assembled by the authority of the most Christian Emperor Constantine the Great, one of her [Elisabeths] natural progenitors“ waren. Dass es dennoch immer wieder einmal im Zusammenhang mit dem Klerus zur Anführung einer „authority“ kommt, die nicht ohne Weiteres direkt mit der Herrschaft des Königs bzw. der Königin assoziiert wird, ist auffällig. Hier mag noch ein Restbestand der kirchlichen auctoritas zu finden sein, wie sie Papst Gelasius durch die Zwei-SchwerterLehre für seinen Stand reklamierte. Diese alte Tradition der Trennung zwischen weltlicher potestas und geistlicher auctoritas scheint als Reminiszenz auch in den Proklamationen vereinzelt noch vorhanden zu sein. Dennoch versäumt es Elisabeth nie, ihre eigene Stellung deutlich zu machen und damit verbunden alle Vollmachten, die neben dem weltlichen auch den kirchlichen Bereich umfassen. Auch in den Proklamationen Karls I. wird „authority“ zunächst in direktem Zusammenhang mit dem König verwendet, z. B. als „Our Regall authoritie and commandment“³⁹ oder „Our Royall authoritie“⁴⁰. Besonders die frühen Proklamationen Karls I. betonen selbstbewusst die eigene königliche Vollmacht, zum Beispiel wiederholt gegenüber einigen Abgeordneten der Commons im Jahr 1629.⁴¹ Mit dem Fortgang der Ereignisse seit der Auflösung des Parlaments im selben Jahr und der Zuspitzung der politischen Situation während der parlamentslosen Herrschaft Karls I. bis 1640 scheint auch die in den Proklamationen zuvor noch deutlich formulierte Überlegenheit des Königs gegenüber seinen Untertanen abhanden gekommen zu sein. Statt die für die Proklamationen typischen, mitunter
TRP 2, Nr. 665. SRP 2, Nr. 108. Ebd., Nr. 110. Ebd., Nr. 108 und 110.
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recht gewöhnlichen Sachverhalte zu regeln und Gesetze zu bekräftigen, erscheinen Karls Proklamationen ab 1640 als zunehmend atemlose Antworten und Reaktionen auf die sich immer weiter beschleunigenden Ereignisse, die schließlich im Bürgerkrieg münden. Mit der Einberufung des Short Parliament 1640 stehen Kernthemen königlicher Herrschaft im Fokus – sowohl in den Parlamentsdebatten, als auch in den Proklamationen; es geht unter anderem um die Zensur und die Gefolgschaft in der Armee. So drückt Karl I. 1640 seinen Unwillen darüber aus, dass „libellous and seditious Pamphlets“ ohne seine „speciall Licence or Authority“ gedruckt und veröffentlicht wurden. Gleich geblieben ist die Bedeutung des Begriffes „authority“, der mit einer Vollmacht bzw. einer Erlaubnis gleichzusetzen ist – im vorliegenden Fall der Lizenz Schriften zu publizieren.⁴² Auch die Verweigerung von Soldaten, sich den Befehlen des vom König ernannten Oberbefehlshabers der Armee zu beugen, wird mit einem Verstoß gegen „His Majesties Government and Authority“ gleichgesetzt.⁴³ Die innerstaatliche Hierarchie, nämlich die Übertragung der Vollmacht, die Armee zu befehligen, vom König an den „Lord Generall“ wird hiermit ebenso angesprochen, wie durch die direkte Verbindung zwischen Herrschaft und Autorität deutlich wird, dass letztere zu den Kernkompetenzen des Königs gehört. Ein weiteres Beispiel hilft noch einmal das royalistische Verständnis von „authority“ zu verdeutlichen. In einer Proklamation, die sich mit zu Unrecht vom Volk erhobenen Kontributionen befasst, kritisiert Karl I., „that diverse officers […] in severall Counties where they are Belletted and Quartered take uppon them to power of assessinge demanding, and receiving from Inhabitants […] divers sommes of Money by way of Contribution […] without ever Expressinge […] by or from whose Authority such power is given them“.⁴⁴ Eine Bevollmächtigung muss zwangsläufig stets zuerst und durch den König erfolgen, bevor man die Befugnis hat, Kontributionen einzufordern. Alle diesem Ablauf nicht folgenden Zuwiderhandlungen werden mit der Todesstrafe belegt. Karl I. verlangt von seinen Untertanen, insbesondere den Armeeangehörigen, dass sie künftig klar darüber Auskunft geben, „by and from whome such Authority and power is given them“.⁴⁵ Das Bild der Stellung des Königs bzw. der Königin im Staat als sein Oberhaupt und Quelle aller „authority“, das auch in den Proklamationen früherer Monarchen einheitlich genutzt wurde, ändert sich mit dem Fortschreiten der Revolution und dem Ausbruch des Bürgerkrieges. Die veränderte politische Lage, besonders
Ebd., Nr. 297. Ebd., Nr. 319. Ebd., Nr. 439. Ebd., Nr. 439.
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ab dem Jahr 1642, lässt sich auch an den Proklamationen Karls I ablesen. Am 24. Oktober 1642 bietet er den Rebellen seine Gnade an, wenn sie unverzüglich die Waffen gegen die Krone niederlegen.⁴⁶ Bezeichnend ist dabei, dass er „authority“ plötzlich nicht mehr direkt mit seinem königlichen Amt verbindet, sondern bezogen auf den Heerführer der Rebellenarmee schreibt: „Whereas An Actuall and Open Rebellion is raised, and severall Armies marching against Us, under the Command and Conduct of Robert Earl of Essex, and other persons under his Commissions and Authority, who falsely pretend that what they do, is by vertue of Our Authority, and for Our Service, and so seduce many of Our weak Subjects from their dutie and Allegiance“.⁴⁷ Damit wird dem Earl of Essex eine „authority“ eingeräumt, die offensichtlich nicht vom König übertragen wurde und auch nicht in seinem Sinn ist. Ganz im Gegenteil erscheint nun der Befehlshaber der Rebellenarmee die Quelle der Vollmachten auch anderer Offiziere zu sein. Anhand dieser Beispiele lässt sich eine bedeutende Beobachtung machen: Der Umgang mit „authority“ ändert sich massiv. Der Terminus dient nicht mehr länger ausschließlich der Beschreibung der legitimen Vollmacht des Königs, sondern auch der Beschreibung der illegitimen Vollmacht des Parlaments bzw. der Armeeführung. Zudem kommt eine zweite Komponente in diesem Zitat hinzu. Denn durch die Behauptung der Rebellenarmee, dass sie trotz allem im Sinn und Dienst des Königs handelt, um letztlich sein Königreich und sein Amt zu schützen, seien viele Untertanen verführt wurden, für die falsche Seite zu kämpfen. Was sich zunächst widersinnig anhört, erklärt sich auch mit Blick auf die häufig kritisierten, schlechten Ratgeber Karls I. In einem für die Soldaten der Parlamentsarmee angefertigten Katechismus von 1644 wird dies deutlich. „What side are you of, and for whom do you fight?“, wird hier gefragt. Die Antwort lautet: „I am for King and Parliament; or, in plainer terms; I fight to recover the King out of the hand of a Popish Malignant Company, that have seduced his Majesty with their wicked Counsels and have withdrawn him from his Parliament.“ Und weiter: „But it is not against the King that you fight this Cause?“ Antwort: „No surely. Yet many do abuse the world with this base and absurd objection. Our onely aime is to rescue the King out of the hands of his and the Kingdomes enemies“.⁴⁸ Zu Beginn der 1640-er Jahre war die Formel gegen den König zu den Waffen zu greifen, um letztlich für den König zu kämpfen bzw. ihn und seine Vorrechte zu schützen, eine verbreitete Rechtfertigung der Opposition. Dass der König dies naturgemäß ganz Ebd., Nr. 351. Ebd. The Souldiers Catechisme Composed for the Parliaments Army, S. 2– 4, in: Bennett, Martyn, The English Civil War 1640 – 1649, New York 2013, S.119.
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anders beurteilte, war klar. Im Zusammenhang mit „authority“ gibt es also zwei Formen des Hochverrates: Entweder dient man den Rebellen im Auftrag des Parlaments, das die Armee mit falscher „authority“ ausstattet. Oder aber man dient den Rebellen, die selbst vorgeben, durch den König autorisiert zu sein bzw. in seinem Sinn („by vertue of Our authority, and for Our service“) zu handeln. Dieselbe Thematik wird später nochmals in „Eikon Basilike“ behandelt. In einem Gebetsteil heißt es: „Thou [God] seest I have no power to oppose them that come against me, who are encouraged to fight under the pretence of fighting for mee“.⁴⁹ Und bezogen auf die Irische Rebellion noch deutlicher: „it is no newes for some of my Subjects to fight, not onely without my Commission, but against my Command, and Person too; yet all the while to pretend, they fight by my Authority, and for my Safety.“ ⁵⁰ Karl I. erinnert die Verschwörer demgegenüber an ihre natürliche Pflicht, die sich aus dem „Oath of Allegiance and Supremacy“ ergibt, nämlich „to their Power to assist and defend all Jurisdictions, Priviledges, Preheminences, and Authority belonging to Us, or united and annexed to the Imperiall Crowne of this Realme“.⁵¹ Nochmals wird anhand dieser Formulierung deutlich, wem traditionellerweise die staatliche Vollmacht zusteht. Aber in einer wenige Tage später folgenden Proklamation verbindet Karl I. „authority“ einmal mehr mit der Gruppe seiner Gegner: „if any […] person whatsoever shall obey any Warrant, Order or Summons of any person or persons deriving his or their authority from one or both Houses of Parliament, or shall accordingly assist them […] that then such persons shall be taken as Rebells, and Traytors and shall be proceeded against with fire and Sword without mercy.“⁵² Anhand dieser Beispiele wird deutlich, dass der Terminus der „authority“ im Sinne einer Bevollmächtigung zunehmend wertneutral verwendet wird. Er steht nicht mehr allein für die herausgehobene Kompetenz des Herrschers, sondern findet auch Anwendung für die Bevollmächtigung durch nicht legitime Akteure wie das Parlament, das weit über seine angestammten Kompetenzen hinaus handelt. Zudem ist eine Verschärfung des Tones in den Proklamationen Karls I. zu bemerken. Während er im Zusammenhang mit dem Befehlshaber der Parlamentsarmee im Oktober 1642 noch von falschen Führungspersönlichkeiten sprach, die unter der Vorgabe ihrer vermeintlichen Vollmacht andere „weak subjects“ verführen, wird im Juni 1643 jedem, der sich der „authority“ des Par Eikon Basilike, The Pourtraicture of His Sacred Majestie in his Solitudes and Sufferings, London 1649, S. 70. Ebd., S. 87. SRP 2, Nr. 426. Ebd., Nr. 429.
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laments unterordnet, Hochverrat vorgeworfen. Während 1642 sein Angriff vor allem auf den kleinen, elitären Kreis der militärischen Führung und des Parlaments als Urheber der Rebellion zielte, die „authority“ für sich beanspruchten und im Umkehrschluss dem Großteil der fehlgeleiteten Untertanen Gnade in Aussicht gestellt wurde, verhalten sich die Dinge knapp ein Jahr später gänzlich anders: Jetzt wird jeder mit der Todesstrafe bedroht, der sich der „authority“ des Parlaments unterordnet – auch wenn dies eine aus königlicher Sicht angemaßte und unhaltbare, illegale Kompetenz des Parlaments ist, so wird ihr Besitz dem Parlament doch ohne Zweifel zugeschrieben. „Authority“, die zuvor allein dem König als Kernkompetenz aneignete und von dieser Quelle aus weiter delegiert wurde, ist in den vorliegenden Proklamationen eindeutig auf die gegnerische Partei übertragen worden. Dabei wurde die als prägend herausgearbeitete Rechtskategorie des „authority“-Begriffs weitgehend aufgehoben. Nur im Zusammenhang mit der Vollmacht des Königs wird auch von der Rechtsordnung des Reiches gesprochen; wenn es um das Parlament geht bzw. um die Führung der Rebellenarmee wird „authority“ in neutraler Form gebraucht, ohne dass sich damit eine rechtliche Grundlage verbinden würde. Das Gegenteil ist der Fall, denn alle, die der „authority“ des Parlaments folgen, machen sich strafbar. Die Verbindung zwischen „authority“ und dem parlamentarischen Lager durch die „Royal Proclamations“ selbst ist meiner Ansicht nach eine Schwäche in der Argumentation des Königs. Er gibt damit eine genuin monarchische Kompetenz auf und bringt sie direkt mit der Opposition in Verbindung. Falls dies als rhetorische Strategie gedacht war, etwa um durch das Aufzeigen der überlegenen rechtlichen „authority“ des Königs die Vollmacht des Parlaments zu diskreditieren, die einer traditionellen, rechtlichen Grundlage entbehrte, so muss der Versuch als Fehlschlag gewertet werden. Denn etwa ab 1642 hielt der „authority“-Begriff auch Einzug in die Schriften der parlamentarischen und antiroyalistischen Autoren gleichermaßen, wie in der Folge noch zu zeigen sein wird. Ein weiteres Indiz für das Scheitern einer solchen Strategie ist auch der sich verschärfende Ton in der Proklamation vom 21. Juni 1643. Während zuvor die sich der Rebellenarmee anschließenden Untertanen als verführte, ahnungslose Individuen dargestellt wurden, denen Straffreiheit in Aussicht gestellt wurde, ist der Ton 1643 ein ganz anderer. Der Plan, die eigene „authority“ gegenüber der angemaßten „authority“ des Parlaments zu behaupten, schien erfolglos gewesen zu sein.Umfassende Drohungen gegen alle, die sich gegen den König stellen wollten, sollten den Schaden richten. Dabei sind die Proklamationen nicht die einzige Quelle, die sich in einer unvorteilhaften Weise des „authority“-Argumentes bedienen bzw. es als gewichtige, diskursive Waffe des Königs schwächen. Auch in der „Answer to the Nineteen Propositions“ lässt sich ein ähnliches Vorgehen
4.1.1 Rückblick: König Jakob I.
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beobachten.⁵³ „Authority“ wird weitab von einer überlegten Delegation vom König z. B. auf offizielle Beamte oder das Parlament als Ganzes, wie dies zuvor durchaus üblich war,⁵⁴ nun genutzt zur Beschreibung einer „Arbitrary Lawlesse Power of a few Schismaticall, Factious and Ambitious persons“.⁵⁵ Vergleicht man nun die Verwendung und den Stellenwert von „authority“ in den Proklamationen der Tudors und Stuarts mit dem Autoritätskonzept bei Hobbes, so treten viele Parallelen deutlich zu Tage. Zuerst zu nennen ist hier die enge Verbindung von „authority“ mit dem Herrscher. Der Souverän ist die Quelle aller Vollmacht im Staat, die er delegieren kann, wie es ihm gefällt und damit eine innerstaatliche Amtshierarchie entstehen lässt. Besonders in den Tudor- und frühen Stuart-Proklamationen tritt dieses (Selbst‐) Verständnis deutlich zu Tage. Mit dem sich zuspitzenden Konflikt während der Herrschaft Karls I. treten zwei Quellen von „authority“ in Konkurrenz zueinander. Auf der einen Seite traditionellerweise der König als Quelle aller Vollmacht im Staat, die aus der göttlichen Vorsehung, den Naturgesetzen und den Gesetzen des Landes gespeist wird. Auf die andere Seite tritt nun aber das Parlament, insbesondere das Unterhaus, dessen „authority“ sich aus dem Auftrag durch das Volk speist. Genau diesen, sich 1642 herauskristallisierenden Lagern widmet sich auch Thomas Hobbes in seinem „Leviathan“. Wenn Hobbes’ Kritik an den Monarchen übt, die unter ihrer Herrschaft Spaltung, Zwietracht und schließlich auch Rebellion zulassen und solchen Herrschern letztlich am Ausbruch von Bürgerkriegen einen Gutteil der Schuld gibt, so zielt dies auch auf Karl I. Bezogen auf „authority“ scheint es geradezu Hobbes’ Anliegen gewesen zu sein, den Zustand unter den Tudors und Jakob I. wiederherzustellen.
4.1.1 Rückblick: König Jakob I. Die soeben gemachte Schlussfolgerung begründet sich aus der deutlich positiven Bewertung Jakobs I.⁵⁶ bei Hobbes. Im 19. Kapitel des „Leviathan“ beschreibt er ihn
Zu einer detaillierteren Diskussion der „Answer“ siehe Kapitel 4.2.2. Auch Karl I. verwandte in seinen Proklamationen „authority“ in Verbindung mit dem Parlament. Dies allerdings vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges und für einen Fall, in dem das Parlament ein Gesetz erlassen hatte, dessen schnelle Umsetzung er einforderte. In diesem Sinne leitete das Parlament seine Vollmacht von der politischen Verfasstheit des englischen Staates ab, letztlich also der royalistischen Logik zufolge vom König selbst. SRP 2, Nr. 320. Ebd., Nr. 351. Jakob war seit 1567 als Jakob VI. König von Schottland und wurde ab 1603 als Jakob I. auch König von England. Im Folgenden wird er der besseren Verständlichkeit wegen als Jakob I. an-
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als „our most wise King“,⁵⁷ eine weitaus positivere Einschätzung, als sie Karl I. zukommen sollte. Der Grund dafür war Jakobs politische Einstellung, denn er kombinierte absolutistische Prinzipien mit der Pflicht des Monarchen, die Gesetze zu befolgen und das Wohl des Volkes an die erste Stelle zu setzten – was Sommerville als „nuanced, moderated absolutism“ beschreibt.⁵⁸ Zwar hat Hobbes’ politische Philosophie nicht vollständig mit den Auffassungen Jakobs übereingestimmt, denn der König war überzeugter Vertreter des Paternalismus,⁵⁹ seine Ablehnung der katholischen Kirche und von selbstverliebten Vertretern des puritanischen Klerus sowie die generelle Auffassung, dass der König nicht nur weltlicher Herrscher ist, sondern auch über kirchliche Belange in seinem Herrschaftsbereich verfügt, müssen Hobbes’ Zustimmung gefunden haben. Auch in seinem Werk „Basilicon Doron“ bemührt Jakob I. den Begriff der „authority“. Er ermahnt seinen Sohn Heinrich, dem das Werk als eine Art Handbuch für eine gute Königsherrschaft gewidmet ist, aufgrund seiner „fatherly authoritie I have over you“.⁶⁰ Dieses vom Naturrecht abgeleitete Prinzip wird vom Mikrokosmos der Familie auch auf den Staat übertragen. Könige seien „publike persons, by reason of their office and authority“.⁶¹ Das Amt des Königs wird also direkt mit „authority“ in Verbindung gebracht und erinnert so einmal mehr an die spätere Verwendung des Terminus bei Hobbes. Zudem verbindet Jakob die „authority“des Königs eng mit den Gesetzen des Landes; beides werde von den Puritanern unterwandert, weshalb durch ihre Bestrafung ein Exempel statuiert
gesprochen, auch wenn einige seiner untersuchten Schriften noch aus der Zeit vor der englischen Thronbesteigung stammen. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 304. Seine politischen Prinzipien legte Jakob v. a. in „Basilikon Doron“ (fertiggestellt 1598) dar, einem Bestseller in England und auf dem Kontinent, der ihn zu einem der einflussreichsten politischen Autoren der Frühen Neuzeit machte. Auch seine Rede im Parlament vom 21. März 1610 wurde häufig zitiert. Vgl. Jakob I., Basilikon Doron, or his Maiesties instructions to his dearest sonne, Henrie the prince, London, Edinburgh 1603, in: Sommerville (Hg.), King James VI. and I. Political Writings, Cambridge 1994. Ders., Speech to Parliament 21. März 1610, in: ebd., S. 183. Sommerville, Johann, Introduction, in: ebd., XV. Dies zeigt sich auch anhand folgender Passage in „The Trew Law“: „By the Law of Nature the King becomes a naturall Father to all his Lieges at his Coronation: And as the Father of his fatherly duty is bound to care for the nourishing, education, and vertuous government of his children, even so is the king bound to care for all his subiects.“ Jakob I., The True Lawe of Free Monarchies, or, The Reciprock and Mutuall Dutie betwixt a free King and naturall Subiects, Edinburgh 1598, in: ebd., S. 65. In seiner Rede vom 21. März 1610 spricht er von der „Patriam potestatem“, also der „fatherly power“ des Königs. Jakob I., Speech to Parliament 21. März 1610, S. 183. Jakob I., Basilicon Doron, S. 3, 35. Ebd., S. 4.
4.1.1 Rückblick: König Jakob I.
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werden sollte.⁶² Ähnlich kritisch sieht der König die Rolle der Katholiken, die die religiöse Uneinigkeit des Landes für ihre Zwecke ausnutzen. An dieser Stelle macht Jakob jedoch auch den Grundsatz der „outward conformity“ deutlich, denn: „towards them, I onely use this provision, that where the Law is otherwayes, they may content themselves soberly and quietly with their own opinions, not resisting to the authority, nor breaking the Law of the Countrey“.⁶³ Schärfer attackiert Jakob die angemaßte „authority“ der Kirche. Er ermahnt seinen Nachfolger, sich nicht auf diese zu verlassen, wenn es um Gewissenfragen und insbesondere um die Auslegung der Bibel geht. Stattdessen soll sich Heinrich selbst aufgrund fundierter Lektüre ein Urteil bilden. Zwar greift der König auch die Täufer an, er dekonstruiert aber insbesondere die Ansprüche der katholischen Kirche: „Beware therefore in this case with two extremities: the one, to beleeve with the Papists, the Churches authority, better then your owne knowledge“.⁶⁴ Stattdessen fordert er seinen Sohn dazu auf, nur solche Geistliche anzuerkennen und ihr Wort zu ehren, deren Lehren mit der Heiligen Schrift übereinstimmen. Alle anderen solle er als „vaine men“ erkennen und „according to your office, gravely and with authoritie redact them in order againe“.⁶⁵ An dieser Stelle wird noch einmal ganz deutlich, welches Bild Jakob vom Verhältnis zwischen Kirche und Staat hat. Beide Gemeinschaften liegen gleichsam in der Verantwortung des Königs, der keine andere als seine eigene „authority“ anerkennen muss, die er aufgrund der gottgewollten, natürlichen Ordnung in seinem Amt als väterlicher Herrscher innehat. Eine Verbindung zwischen der Kompetenz der „authority“ und dem königlichen Amt wird zwar an einigen Stellen deutlich,“Basilicon Doron“ kennt jedoch auch eine weitere, personengebundene Ausprägung des Begriffes. Wenn Jakob I. seinen Nachfolger zu Straffällen und dem Maß der Bestrafung belehrt, unterscheidet er zwischen „some horrible crimes […] never to forgive“ (Hexerei, Inzest, Sodomie, Mord etc.) und „offences against your owne person and authoritie“, die der König nach eigener Einschätzung bestrafen soll.⁶⁶ Sie stellen somit offensichtlich keine Verletzung der Gesetze und damit einen Angriff auf die staatliche Ordnung dar, sondern betreffen den König als Privatperson – was eine Rechtsprechung nach seinem Gutdünken rechtfertigt; Heinrich muss in diesen Fällen nicht der Staatsräson Rechnung tragen. Das heißt aber auch, dass die somit beschriebene „authority“ direkt mit seiner Person verbunden ist, es handelt sich also offenbar um individuelle Qualitäten, die durch einen intimen Angriff in Frage
Ebd., S. 6. Ebd., S. 7. Ebd. S. 18 f. Ebd., S. 19. Ebd., S. 23.
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gestellt bzw. geschmälert werden sollten. In diesem Sinn erinnert die Passage eher an das antike Vorbild der auctoritas. Dies ist jedoch das einzige Beispiel, in dem „authority“ Konnotationen antiker auctoritas aufweist. An anderer Stelle tritt „authority“ zwar in Verbindung mit Einzelpersonen auf (v. a. mit Vertretern der Geistlichkeit), es handelt sich aber stets um Passagen, in denen diese vermeintliche Kompetenz bestritten wird.⁶⁷ Dass abseits der „authority“ im Sinne der mit dem Amt des Königs verbundenen Vollmacht immer noch Wahrnehmungen anderer Formen von auctoritas existierten, zeigt das Lob Erzbischof John Spottiswoods (1565 – 1639), der im Hinblick auf Jakob I. dessen auctoritas aufgrund seiner umfassenden, theologischen Gelehrsamkeit lobte, wie sie anhand seiner Publikationen erkennbar war.⁶⁸ Schließlich erwähnt Jakob I., dass „authority“ immer auch einen verpflichtenden Aspekt enthält. Ähnlich wie Hobbes, der die Könige selbst zu Teilen verantwortlich macht für die Beschneidung ihrer Rechte und Vollmachten, wenn sie konträre Meinungen unter ihrer Herrschaft zulassen, appelliert Jakob I. an seinen Sohn, dass er in Angelegenheiten von staatlichem Interesse, z. B. beim Erteilen von Befehlen oder dem Fällen von Urteilen, von einer klaren Sprache Gebrauch machen soll. Jede ausschweifende Rede und ganz besonders Widersprüche innerhalb einer Aussage seien dazu geeignet, die „maiestie of your authority“ zu schmälern.⁶⁹ Ein Jahr vor „Basilikon Doron“ war eine weitere Schrift Jakobs I. veröffentlicht worden, die Aufschluss über die Defintion und Verwendung von „authority“ gibt: „The True Law of Free Monarchy“. In Gegenüberstellung zur Idee der „mixed monarchy“ führt der König den Begriff der „free monarchy“ an und beschreibt „the true grounds of the mutuall duty, and allegeance betwixt a free, and absolute Monarche and his people“.⁷⁰ Jakob sichert seine Vorstellung einer idealen Monarchie dreifach ab – sie entspräche nicht nur in perfekter Weise dem göttlichen Willen, sondern entspringe gleichsam den Naturgesetzen und den Gesetzen des Landes. Die Stellung des Königs in Schottland (denn zum englischen König wurde Jakob erst 1603, also fünf Jahre nach der Publikation dieser Schrift) fasst er sehr deutlich wie folgt zusammen: „The kings therefore in Scotland were before any estates or rankes of men within the same, before any Parliaments were holden, or Laws made; and by them was the Land distributed (which at the first was whole
Z. B. auch ebd., S. 26. Der Logik Jakobs I. folgend ist das auch nötig, denn alle „authority“ abseits bzw. neben der des Königs führe zwangsläufig zu „great confusion“ und somit zu einer Schwächung der Macht des Königs. Vgl. Pečar, Macht der Schrift, S. 325. Ebd., S. 54. Jakob I., The True Lawe, S. 3.
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theirs) states erected and discerned, and formes of government devised and established. And so it followes of necessity, that the kings were the authors and makers of the lawes, and not the lawes of the kings. And to prove this my assertion more clearely, it is evident by the Roles of our Chancellery (which contain our eldest and fundamental lawes), that […] the whole subjects being but his vassals & from him holding all their lands as their Over lord, who according to good services done unto him changeth their holdings […] without advice or authority of either Parliament or any other subalterin judicial seate.“⁷¹ Der König wird somit als von jedweder anderen Institution unabhängige und übergeordnete Quelle nicht nur der Macht, sondern auch des rechtmäßigen Grundbesitzes gewertet, wobei das Eigentum an Boden bekanntlich der wesentliche und substantielle Rückbindungsfaktor jeglicher politischer Gewalt ist. Zudem stellt Jakob den König als den Ursprung aller Gesetze und der Rechtsprechung im Land dar – mithin besitzt der so ausgestattete Herrscher eine allumfassende, absolute Gewalt, die er ohne Rücksicht auf die Beschlüsse eines Parlaments oder Gerichts durchsetzen kann. Zwar verwendet Jakob hier „authority“ nicht im Zusammenhang mit dem König als „both the author and giver of strength“⁷² des Gesetzes, sondern mit dem Parlament bzw. den Gerichten. Er zeigt damit nichtsdestotrotz ihre dem König untergeordnete „authority“ auf – vor dem Hintergrund seiner eben zitierten Schilderungen kann kein Zweifel darüber bestehen, wem die Vollmacht im Staat tatsächlich aneignet. In diesem Sinn hat auch der König das letzte Wort bei der Auslegung bzw. ggf. Aussetzung der Gesetze: „generall lawes, made publikely in Parliament, may upon knowne respects to the King by his authority be mittigated and suspended upon causes only knowne to him.“⁷³ Ein guter König, so räumt Jakob I. ein, wird sich zwar den Gesetzen des Landes unterordnen, um seinem Volk ein Vorbild zu sein, er tut dies jedoch stets freiwillig und ist keineswegs dazu verpflichtet. Auch Jakob I. nutzt, ähnlich wie später Hobbes, die Kompetenzverteilung innerhalb des Staates und zwischen den verschiedenen Beamten zur Abbildung der Grundzüge der Hierarchie im Staat. In „The True Law of Free Monarchies“ bezieht sich der König dafür auf die „authority“ des Magistrats: Kein Privatmann hat ihm zufolge das Recht dazu, sich bei einer persönlichen Rechtsverletzung an seinem privaten Feind zu rächen, denn Adressat einer Klage und verantwortlich für die Rechtsprechung ist ein vom König dazu bestimmter Magistrat. Ebenso wenig kann eine Menge aus Privatmännern sich selbst im Sinne eines Lynchmobs
Ebd., S. 10. Ebd., S. 11. Ebd.
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bewaffnen bzw. „take upon them the use of the sword“, denn diese Kompetenz, sinnbildlich das Richtschwert zu führen, kommt gleichfalls dem Magistrat zu („the authority being alwayes with the Magistrate“⁷⁴). Im Bezug auf ihm vermeintlich zustehende Vollmachten lässt Jakob I. keinen Zweifel daran, wie er das Volk sieht: „the people that are alwayes subject unto him [the king] and naked of all authority“.⁷⁵ In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts war die verbreitete Argumentation für eine starke Königsherrschaft meist verbunden mit dem Naturrecht bzw. der göttlichen Ordnung. Das Muster der natürlichen Herrschaft eines Vaters über seine Familie wurde auf die Herrschaft des Königs über sein Volk übertragen, wobei dem Volk kein Widerspruchsrecht eingeräumt wurde. Die Ungleichheit der Menschen sei ferner Gottes Wille und von ihm seit der Zeit Noahs als eine natürliche Hierarchie so eingerichtet. Ausnahmen von dieser Regel – z. B. im Fall einer Usurpation – wurden zwar eingeräumt, sowohl in der biblischen Überlieferung als auch in historisch belegbaren Fällen, sie seien dann aber dem direkten Eingreifen Gottes in die Weltgeschichte geschuldet. Diese Argumentation hatte auch innerhalb der Kirche viele Anhänger, man denke beispielsweise an die Convocation der englischen Bischöfe von 1606. Eine grundlegend andere Richtung schlugen die Befürworter einer begrenzten Königsherrschaft und einer Ausweitung der Partizipation des Volkes an politischen Prozessen ein, die den Herrschaftsvertrag zwischen Volk und Herrscher als Argument für ihre Sache anführten. Bei diesem wechselseitigen Vertrag gehe es nicht nur um die Rechte des Königs, sonder auch um seine Verpflichtungen dem Volk gegenüber und um dessen Rechte. Im Krönungseid habe der Monarch sich verpflichtet, gut über sein Volk zu herrschen und es vor allen Dingen zu schützen. Dies implementierte jedoch auch die Möglichkeit, einen schlechten König abzusetzen, der Vertrag war mithin reversibel und ein Instrument für die Kontrolle über den König und die Restriktion seiner Rechte. Vor dem Hintergrund dieser Lagerbildung sticht Jakob I. heraus, der in seiner Schrift „The True Law of Free Monarchy“ für einen Herrschaftsvertrag argumentiert. Basierend auf einer Interpretation der Bibelstelle 1 Samuel 8 stellt Jakob die monarchische Herrschaft als auf einem Vertrag zwischen Gott und dem Volk Israel beruhend dar.⁷⁶ Die Forderung des Volkes nach einem König und die damit einhergehende Forderung nach der Abschaffung der direkten Herrschaft Gottes über sein auserwähltes Volk wurde von Gott unter der Maßgabe gewährt, dass er fortan
Ebd., S. 13. Ebd., S. 15. Vgl. Jakob I., The True Law, S. 5 f.
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nicht mehr verantwortlich sei für das Handeln dieses Königs – auch nicht im Falle einer Tyrannei, die vom Volk Israel billigend in Kauf genommen wurde.⁷⁷ Jakob I. macht zunächst deutlich, dass die Monarchie die gottgefälligste, der Perfektion am nächsten kommende Regierungsform ist.⁷⁸ Etwaige Zweifel über diese Tatsache und über die Verpflichtungen des Volkes gegenüber seinem freien und absoluten Souverän will er ausdrücklich ausräumen. Anlass dazu waren offenbar falsche Darstellungen über diese Zusammenhänge durch Autoren, auf die Jakob nicht näher eingehen will und deren einziges Ziel es gewesen sei, den Verstand der einfachen Leute zu vergiften. Jakob führt denn auch mehrere Quellen an, um seine Darstellung zu beweisen: Zunächst die Bibel selbst, dann die grundlegenden Gesetze des Landes und schließlich das Naturrecht.⁷⁹ Als erstes stellt Jakob die diversen Pflichten des Monarchen dar, wie sie in verschiedenen Bibelstellen beschrieben werden und Ausdruck im Krönungseid finden (der „the clearest, civill and fundamentall law, whereby the Kings office is properly defined“ ist). Daneben erfolgt die Anbindung an das Naturrecht, da ein König im Moment des gesprochenen Krönungseides zum Vater seiner Untertanen wird – mit allen Rechten und Verpflichtungen ihnen gegenüber. Es folgt die bereits erwähnte Begründung der monarchischen Herrschaft mit 1 Samuel 8. Jakob betont besonders, dass es nicht der Ehrgeiz Sauls war, der ihn zum König gemacht hat, sondern allein Gottes Wille, der der Forderung seines Volkes nachgegeben hat. Ab diesem Zeitpunkt war eine erneute Umkehr jedoch unmöglich, die Menschen sollten sich, egal wie beschwerlich das Leben unter ihrem neuen König werden würde, in Geduld und Demut üben. Allein Gott sei in der Lage, die Verhältnisse erneut zu ändern, nicht jedoch die Menschen, womit dem Volk jedes Widerstandsrecht gegen seinen König abgesprochen wird. Dieser Umstand wird zweifach abgesichert. Zum einen sei dies die göttliche Weisung, zum anderen sei es aber auch der beharrliche Wunsch des Volkes selbst gewesen: „but also yourselfes have chosen him unto you, thereby renouncing forever all priviledges, by your willing consent, out of your hands“.⁸⁰ Offenen Auges habe das Volk Israel alle Einschränkungen und Bürden einer Königsherrschaft akzeptiert im Austausch vor allem für den Schutz des Königs im Kriegsfall. Egal, wie tyrannisch ein König fortan regiert habe, es gebe in der Bibel kein Beispiel dafür, dass einer von Gottes Propheten je zur Rebellion gegen ihn aufgerufen habe – obgleich Männer wie Samuel, David und Elias die rhetorischen Fertigkeiten gehabt hätten, das Volk zum Widerstand
Vgl. Pečar, Ursprungslegenden, S. 24 f. Vgl. Jakob I., The True Law, S. 4 f. Vgl. ebd., S. 3. Ebd., S. 7.
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aufzurufen. Sie taten es jedoch nicht, weil es nicht legitim war, selbst bei solch drastischen Herrschern wie Ahab, Nebukadnezar oder Nero nicht. Mit dieser Bemerkung führt Jakob einen Seitenschlag gegen alle Autoren seiner Zeit, die hinter dem Deckmantel der Religion und mit Hilfe einer von ihnen behaupteten „liberty“ des Volkes versuchten, Unzufriedenheit,Widerstand und Rebellionen zu schüren.⁸¹ Nachdem Jakob den Ursprung der Königsherrschaft in biblischer Zeit aufgezeigt hat, kommt er zur Grundsteinlegung der Gesetze und der königlichen Macht für seinen eigenen Herrschaftsbereich. Während die von ihm angegriffenen Autoren beschreiben, dass im ersten Zeitalter Könige aus einer Versammlung der Edlen gewählt wurden, gewissermaßen Erste unter Gleichen waren, konstatiert Jakob, dass die Dinge in Schottland anders standen. Aufgrund der historischen Quellenlage sei nachweisbar, dass ein irischer König namens Fergus nach Schottland kam und sich selbst zum König über Land und Leute ausrief.⁸² Die wenigen Menschen, die das Land bewohnten, schlossen sich ihm an bzw. ordneten sich ihm unter und erkannten ihn damit als ihren König an. Gesetze wurden erst daraufhin von ihm und seinen Nachfolgern erlassen. Diese Darstellung widerspricht selbstredend den Autoren, die die Gesetze eines Landes als einzig belastbare Quelle bei der Entscheidung der Fragen über Herrschaft und Nachfolge sahen. In Jakobs Logik gab es zuerst einen König, danach Stände, Gesetze und Parlamente. Er bringt es mit folgender Formel auf den Punkt: „it follows of necessity, that the kings were the authors and makers of the lawes, and not the lawes of the kings.“⁸³ „Authority“ zählt in seinem Traktat „The True Law“ nicht zu den Schlüsselbegriffen von Jakob I., der Begriff fällt aber im Zusammenhang mit dem Parlament, allerdings in negativer Form: Es werden die Befugnisse des Königs aufgezählt, die er ohne „advise or authority of either parliament, or any other subalterin judicial seate“ ausübt. Im Gegensatz zu seiner selbstangemaßten Stellung sei das Parlament schlicht der oberste Gerichtshof des Königs und habe aus sich heraus keine Macht, z. B. Gesetze rechtskräftig zu machen – dies könne allein der König tun. Beschränkt wird das Staatsoberhaupt nur durch das göttliche Gesetz und den Grundsatz, das Wohl von Staat und Volk zu gewährleisten. Er kann Gesetze ändern bzw. beugen oder so auslegen, wie er es für richtig empfindet, und dies aufgrund seiner „authority“. Er ist niemandem außer Gott darüber Rechenschaft schuldig. Ein guter König wird sich dennoch den eigenen Gesetzen entsprechend
Vgl. ebd., S. 8. Vgl. ebd., S. 9. Ebd., S. 10.
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verhalten, allein schon, um seinem Volk ein Vorbild zu sein. Dazu verpflichtet ist er jedoch nicht, denn er steht über dem Gesetz. Jakob macht deutlich, dass es ihm in seinem Traktat stets um eine sogenannte „free Monarchy“ geht, nicht um ein Wahlkönigtum oder gar um eine Aristokratie venezianischen Vorbilds, wobei er diese Formen als der freien Monarchie unterlegen beschreibt. Keine Vasallen oder andere Lords haben das Recht, den König zu kontrollieren oder gar abzusetzen. Jakob bemüht die Metapher des Königs als Kopf und des Volkes als Körper.⁸⁴ „Authority“ wird auch im Zusammenhang mit der „magistracy“ erwähnt, was auch Obrigkeit bedeuten kann, hier aber das Richteramt meint, der König ist auch oberster Richter bzw. autorisiert andere Richter. Das Volk oder Teile des Volkes können sich nicht rechtmäßig bewaffnen und gegen die Obrigkeit wenden. Niemand kann für seine unrechtmäßige Rebellion den Grund anführen, das Commonwealth liege am Boden, etwa aufgrund der tyrannischen Herrschaft eines Königs, und man habe die Pflicht, dem Heimatland zu helfen. Stattdessen sei man vor allem dem König als Vater und nicht dem Land als Mutter verpflichtet.⁸⁵ Zudem habe ein König immer das Wohl des Landes und der Menschen vor Augen und bevorzugt deshalb in der Regel Ordnung und Gerechtigkeit. In Fällen, wo dies nicht zutrifft, ist ein tyrannischer König immer noch besser als gar keiner. Denn ohne jede Form der Herrschaft fällt das gesamte Volk in eine Art brutalen Zustand, in dem es weder Recht noch Unrecht gibt und in dem jeder alles tun kann. Schlechte Könige gibt es ohne Frage, sie sind aber auszuhalten und als Strafe Gottes für das sündige Volk anzusehen. Weiterhin negiert Jakob die Annahme, dass es einen bilateralen Vertrag zwischen dem König und seinem Volk gibt und ersterer von letzterem bei Vertragsbruch belangt, d. h. abgesetzt werden kann. Der Krönungseid sei kein solcher Vertrag, zudem könne nur Gott über einen solchen Verstoß richten, da das Volk als einer der beiden Vertragspartner nicht klagen und zugleich richten könne. Im Gegenteil maße es sich mit einem solchen Begehren die Rolle Gottes an. Im Gegenzug darf der König all jene, die ein solches Ansinnen vertreten, bestrafen.⁸⁶ Bezogen auf den Herrschaftsvertrag ergeben sich im Vergleich zwischen den Vorstellungen Jakobs und Thomas Hobbes zahlreiche Parallelen, dennoch sprechen beide nicht vom selben Konstrukt. Denn während in „The True Law“ basierend auf Jakobs Interpretation von 1 Sam. 8 von einem Vertrag zwischen dem Volk und Gott ausgegangen wird, ist im „Leviathan“ von einem Vertrag jedes
Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 13. Vgl. ebd., S. 15.
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einzelnen Bürgers mit jedem anderen die Rede. Gleich ist bei beiden Herrschaftsverträgen die Stellung des Königs, denn sowohl bei Jakob als auch bei Hobbes steht der Monarch über diesem Vertrag bzw. ist nicht als Vertragspartei anzusprechen. Hier unterscheiden sich beide Autoren von der von Vertretern des Herrschaftsvertrages üblicherweise vorgebrachten Meinung, es handele sich um einen Vertrag zwischen König und Volk. Damit entheben sowohl Thomas Hobbes als auch Jakob I. den König von der Rechtfertigungspflicht gegenüber seinen Untertanen, denn er ist nur Gott Rechenschaft über sein Handeln schuldig. Zudem kann der König nicht von seinem Volk kritisiert, in seinen Rechten beschränkt, bestraft oder abgesetzt werden. Die umfassenden Befugnisse des Königs, die jedes staatliche Feld betreffen, werden bei beiden Autoren deutlich. In diesem Sinne sehen sowohl Hobbes als auch Jakob in der absoluten Monarchie die bestmögliche Regierungsform, da sie die größtmögliche Einheit der Macht darstellt. Dabei steht der Souverän nicht nur über dem Vertrag, sondern auch über den Gesetzen, die er zwar, um seinem Volk ein gutes Vorbild zu sein, ebenfalls einhalten sollte – er ist aber durch nichts dazu verpflichtet. Sein oberstes Anliegen, auch hier sind sich beide Autoren einig, soll das Wohl des Volkes sein und sein Schutz. Ein Unterschied zwischen Jakob I. und Hobbes wird aber deutlich, wenn man die Metapher vom Reich als natürlichen Körper betrachtet. Hier vertritt Jakob I. eine durchaus traditionelle Sicht, indem er den König als caput und das Volk als ausführenden, auf die Befehle des Hauptes bloß reagierenden Körper darstellt. Hobbes fasst den Souverän anders: Nach erfolgtem Vertragsschluss des Volkes jeder mit jedem entsteht der Souverän als Vertretung jedes Einzelnen und aller Bürger insgesamt. Er handelt fortan im Namen aller und ist von jedem Untertanen dazu autorisiert, in seinem Namen zu sprechen und zu handeln. Mit der Autorisierung des Souveräns ist gleichsam der Staat entstanden und der Staat wiederum ist der Souverän; jedes einzelne Glied gehört ihm an. Gleich ist bei beiden Autoren, dass es vor dem Inkrafttreten des Staates eine Art Naturzustand ohne Gesetz und Ordnung gab. Bei Hobbes wird dieser Urzustand etwas drastischer geschildert, dennoch ist das Ergebnis bei beiden gleich. Bevor es einen Souverän gibt, der Gesetze erlässt und eine Ordnung einführt, herrscht Chaos. Jeder Mensch ist zwar gleich, d. h. aber auch, dass niemand an Straftaten gehindert werden kann – schlicht aus dem Grund heraus, weil es so etwas wie Straftaten noch nicht gibt. Erst durch den Staat wird definiert, was ein Verbrechen ist und was nicht und wie es ggf. bestraft wird. Vor diesem Hintergrund vertreten beide Autoren die Position, dass auch ein tyrannischer Herrscher besser ist, als gar keiner, da in diesem Fall der Rückfall in den brutalen Naturzustand erfolgen würde. Auffällig bei diesem Vergleich ist es, dass beide Autoren nicht nur „authority“ im Zusammenhang mit dem König verwenden, wenn sie seine Befugnisse be-
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sprechen, Gesetze auszulegen bzw. Recht zu sprechen, sondern für die Ableitung des Herrschaftsvertrages beide dieselbe Bibelstelle zitieren: 1 Sam. 8. Hobbes zitiert Vers 19 wörtlich und resümiert: „Here is confirmed the Right that Soveraigns have, both to the Militia, and to all Judicature; in which is conteined as absolute power, as one man can possibly transferre to another.“⁸⁷ Diese uneingeschränkte Gewalt des Souveräns ergibt sich Hobbes zufolge insbesondere aus den Worten Samuels, als er das Volk Israels über die Konsequenzen des von ihm geforderten Königtums aufklärt: „Ihr müsst seine [des Königs] Knechte sein.“ („You shall be his servants“⁸⁸). Hobbes kommt noch häufiger auf die Bedeutung der besagten Bibelstelle zurück, es geht ihm dabei im gesamten „Leviathan“ darum zu zeigen, dass es vor Saul, der aufgrund des Volksbegehrens der erste König nach der Aufkündigung der besonderen Herrschaft Gottes über das auserwählte Volk Israels war, keinen König gab. So schreibt Hobbes z. B. in Kapitel 40, dass die Hohepriester bis zur Zeit Sauls die „Supreme Authority“ inne hatten, was sowohl die „Civill“ als auch die „Ecclesiastical Power“ meint.⁸⁹ In diesen Tagen, so heißt es in der Bibel im Buch der Richter, gab es keinen König in Israel – die Dinge änderten sich erst mit Saul: „all authority, both in Religion, and Policy, […] now it was all in the king“.⁹⁰ Hobbes geht es bei der Zitation von 1 Samuel 8 jedoch nicht darum, den Herrschaftsvertrag zwischen Volk und Gott und seine Konsequenzen für die Stellung der Monarchie aufzuzeigen. Stattdessen zielt er auf die Anmaßung des Klerus ab, aus eigener Gewalt über kirchliche Belange entscheiden zu wollen. Diese Befugnis spricht Hobbes ihm mit dem Verweis auf die Einsetzung König Sauls in die „royall authority“ ab. Hintergrund sind natürlich die Forderungen der Geistlichkeit auf Selbstständigkeit und vor allem die Behauptung bestimmter Rechte auch in Gebieten außerhalb seines weltlichen Herrschaftsbereichs durch den Papst. Mit Blick auf die jüngste Vergangenheit schreibt Hobbes: „So that they alwais kept in store a pretext, either of Justice, or Religion, to discharge them selves of their obedience, whensoever they had hope to prevail.“⁹¹ Abschließend kann zu dieser Thematik gesagt werden, dass sowohl Hobbes als auch Jakob auf die Passage 1 Samuel 8 der Bibel rekurrieren und für beide hier eine neue Ära beginnt, nämlich die der Königsherrschaft.Während aber Jakob die immer noch gültige Verpflichtung der Menschen gegenüber ihrem König direkt von dieser Passage ableitet, legt Hobbes einen anderen Schwerpunkt, der die
Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 316. Ebd. Vgl. ebd., S. 748. Ebd., S. 750. Ebd., S. 756.
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Befugnisse des Souveräns auf kirchlichem Gebiet betrifft bzw. die Entmachtung des Klerus nach dem Ende der Herrschaft der Hohepriester beschreibt. Hobbes benötigt 1 Samuel 8 nicht, um die Entstehung einer weltlichen, souveränen Autorität abzuleiten, denn sein Herrschaftsvertrag kommt mit dem covenant gänzlich anders zustande. Stattdessen nutzt er aber die Stelle, um die auch den kirchlichen Bereich umfassenden Kompetenzen des Souveräns herauszustellen und zugleich jedwede Kritik daran als unzulässig zu verwerfen. Diese Auffassung wird in solcher Vehemenz noch nicht in „The True Law“ von Jakob I. vertreten, taucht aber später in seiner Schrift „Basilikon Doron“ ebenfalls auf. Angesichts der vielen Übereinstimmungen zwischen Hobbes und Jakob verwundert es nicht, dass der Philosoph Jakob im 19. Kapitel des „Leviathan“ als „our most wise king“ beschrieb. Mit Blick auf die Behandlung von 1 Samuel 8 durch Hobbes wird, besonders im Vergleich zu Jakobs Sprache bei der Behandlung derselben Stelle, deutlich, dass er auch hier der „authority“ eine ganz wesentliche Stellung zuschreibt. Er nutzt das Konzept der „authority“ als dem Souverän aneignende, aus der weltlichen und geistlichen Macht bestehende Vollmacht konsequent, so wie es in Kapitel 3 beschrieben wurde.
4.1.2 Zwischenfazit: „authority“ Sowohl in den königlichen Proklamationen als auch in den Publikationen Jakobs I. wird also ein besonderes Augenmerk auf „authority“ gerichtet. Nur wenn klar ist, wo die Quelle der Vollmachten im Staat liegt und wie begrenzt und jederzeit reversibel die mit bestimmten Ämtern verbundenen Befugnisse sind, lässt sich eine Schieflage der Macht im Staat zu Gunsten des Klerus sowie Unruhe und Bürgerkriegen vorbeugen. Dass Hobbes später in seinem „Leviathan“ der Defintion und Beschreibung von „authority“ im Staat eine so prominente Position zuweist, ist also kein Zufall, sondern dient dazu, an den vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges vorhandenen Diskurs anzuschließen und die Position des Herrschers wieder zu stärken. Die zum Teil selbstverschuldete Misere Karls I. sollte in dieser Logik durch einen Rekurs auf die starke „authority“ der Monarchen, wie sie z. B. von Elisabeth I. und Jakob I. für sich beansprucht wurde, vergessen gemacht werden. Die Betonung der „authority“ des Souveräns gilt bei Hobbes zwar theoretisch für alle Formen der Souveränität, vor allem ist jedoch eine Ein-MannHerrschaft gemeint. Zudem kann die Betonung der „authority“ als Appell an Karl II. gewertet werden, nicht dieselben Fehler zu machen, wie sein Vater. Die Definition von „authority“ als Recht auf Handlung durch Hobbes ist somit keineswegs ein Novum, wie die Proklamationen allgemein haben deutlich werden lassen. Erst erfolgt die Bevollmächtigung vom König oder den hierzu autorisierten
4.1.2 Zwischenfazit: „authority“
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Vertretern, dann darf rechtmäßig gehandelt werden – „authority“ gilt als bestimmend, dann erst folgt „power“. Mit der Öffnung des „authority“-Argumentes 1642 durch die Proklamationen und andere Schriftstücke Karls I. erfuhr die ursprüngliche Bedeutung des Begriffes jedoch eine Verlagerung. Die Aneignung der ehemals ausschließlich königlichen Kompetenz durch das Parlament war die Folge, ebenso wie eine Abkopplung vom ursprünglich so prägenden Rechtscharakter der „authority“. In dieser durch Debatten über das Handlungs- und politische Mitbestimmungsrecht freier Untertanen, über die „mixed constitution“ und das Kooperationsprinzip gleichberechtigter und gleichgestellter Stände geprägten Zeit⁹², kam der Opposition gegen Karl I. der „authority“-Begriff gerade recht.Antiroyalisten wie Henry Parker, Republikaner und andere suchten nach Argumenten, um ihr eigenes Vorgehen gegen den vermeintlich von schlechten Ratgebern verleiteten König zu rechtfertigen. Zunächst geschah dies noch unter dem Deckmantel, für den Erhalt des Königreiches und des Königs selbst gegen ihn kämpfen zu müssen. Auch radikale Autoren wie Henry Parker gaben sich vorerst noch den Anschein, im Grunde ihres Herzens überzeugte Royalisten zu sein.⁹³ Mit dem Fortschreiten der Bürgerkriege wurde die Königsherrschaft jedoch zunehmend als Tyrannei stigmatisiert, der Prozess gegen den König und seine Verurteilung scheinen in dieser Logik unausweichlich. „Authority“ spielte – freilich unter geänderten Vorzeichen – auch in den Debatten der 1640er Jahre und besonders im Prozess gegen Karl I. eine entscheidende Rolle, wie im folgenden Kapitel gezeigt werden soll.
Zur Bedeutung und der unterschiedlichen Ausformung des „mixed government“-Arguments vgl. grundlegend Mendle, Dangerous Positions, S. 1 ff. Mendle weist darauf hin, dass es zwei unterschiedliche, sich zum Teil gegenüberstehende Wahrnehmungen der Stände bzw. des „mixed government“ gab. Zum einen die klassische Einteilung in geistliche Fürsten, weltliche Fürsten und Gemeine mit dem König als über allem stehenden Haupt der Regierung, die als Sprache der königlichen Vorherrschaft und des Episkopats wahrgenommen wurde. Zum anderen die Formel von König, Lords und Commons, in der der König als einer von drei Ständen wahrgenommen wurde. Damit war der Weg frei für eine Minimierung der königlichen Vorrechte und eine Mehrung der Macht des Parlaments, das ein königliches Veto nun einfach mit einer zwei Drittel-Mehrheit ausschalten konnte. Der Klerus war hingegen als politischer Stand ausgeschieden. Mendle macht nachvollziehbar, wo die Wurzeln der unterschiedlichen Wahrnehmungen liegen und wie sie von den sich gegenüberstehenden Lagern der 1640er Jahre genutzt wurden. Parker, Observations, S. 41.
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4 Zur Verwendung von Autorität vor Hobbes
4.2 Der Sprachgebrauch von „authority“ in weiteren Quellen bis 1651 Die Untersuchung der Verwendung von „authority“, des Bedeutungsgehaltes und der Instrumentalisierung des Begriffes in den „Royal Proclamations“ hat bereits einige Parallelen zu Hobbes’ Nutzung und Konzept der „authority“ ergeben. In der Folge soll es insbesondere um Schriften gehen, die in direktem Zusammenhang mit den zeitgenössischen Debatten vor dem Ausbruch und zu Beginn des Bürgerkrieges 1642 stehen bzw. einen Beitrag zur Eskalation des Konfliktes geleistet haben sowie um Quellen, die während der Bürgerkriege und in ihrem Nachgang entstanden sind. Gefragt wird nach dem hier zu findenden Sprachgebrauch von „authority“ und dem jeweiligen politischen Bedeutungsraum des Begriffes. Damit verbunden sind zentrale zeitgenössische Argumentationsmuster und Diskurse, für deren politische Stoßrichtung „authority“ auf unterschiedliche Weise und mit jeweils spezifischen Intentionen eingebunden wurde. Als Zäsur für diesen Abschnitt wird das Publikationsdatum des „Leviathan“ gesetzt, was der Struktur der vorliegenden Arbeit geschuldet ist. Mit der Betrachtung der Vorläuferquellen des „Leviathan“ soll nach möglichen Traditionslinien und Brüchen im Zusammenhang mit dem Sprachgebrauch des Begriffes der „authority“ gefragt werden, die eventuell dazu geeignet sind, die Zuordnung Hobbes’ zu einem politischen Lager zu untermauern und seine Intentionen beim Abfassen seines Hauptwerkes deutlicher herauszuarbeiten. Aus diesem Grund erfolgt, wenn möglich, immer unverzüglich ein Vergleich der Quellen und ihrer Autoren mit bzw. eine Rückbindung an Hobbes.
4.2.1 „Authority“ und „potestas“ – kein englischer Sonderfall Als Einstieg soll etwas unüblicherweise eine Quelle der Emblematik dienen. Es wurde unter Bezug auf die antike Fassung von auctoritas und Hobbes’ Rezeption der potestas bereits festgestellt, dass potestas und die Fassung von „authority“ bei Hobbes enge Anknüpfungspunkte aufweisen. Dass diese Verknüpfung keineswegs neu ist, ließ sich auch anhand der Untersuchung der „Royal Proclamations“ herausarbeiten, in denen „authority“ mehrheitlich (ausgenommen die späteren Proklamationen Karls I.) ebenfalls als Amtskompetenz des Königs oder der Königin begegnet. Dass dieser Konnex zwischen „authority“ und potestas in keiner Weise spezifisch für England zu sein scheint, lässt sich an Cesare Ripas (um 1555 –
4.2.1 „Authority“ und „potestas“ – kein englischer Sonderfall
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Abb. 3: Auttorità, in: Ripa, Cesare, Iconologia overo Descrittione Dell’imagini Universali cavate dall’Antichità et de altri luoghi, Rom 1603, S. 35. Universitäts- und Landesbibliothek SachsenAnhalt in Halle (Saale), Ea 2789 1/3.
1622) monumentalem, ikonografischem Werk „Iconologia“ von 1603 ablesen.⁹⁴ Basierend auf ägyptischen, griechischen und römischen Schrift- und Bildquellen erstellte Ripa ein ikonologisches Verzeichnis, das unter anderem im Barock auch dazu genutzt wurde, abstrakten Begriffen und Allegorien eine Gestalt zu geben.
Ripa, Cesare,Iconologia overo Descrittione Dell’imagini Universali cavate dall’Antichità et de altri luoghi, Rom 1603, S. 35; hier in der englischen Ausgabe von 1709 zitiert.
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4 Zur Verwendung von Autorität vor Hobbes
Die „Auttorità“⁹⁵ (Abb. 3) erscheint als üppige Frauengestalt auf einem Thron sitzend, in der rechten Hand die gekreuzten Schlüssel haltend, mit aufgeschlagenen Büchern zu ihren Füßen; in der linken Hand hält sie ein Zepter, Waffen liegen auf dem Boden verstreut. In der später publizierten englischen Ausgabe heißt es in der Bildbeschreibung wie folgt: Es ist eine sitzende Staatsfrau dargestellt, sitzend, da dies die Prinzen und Magistraten angemessene, respektvolle Haltung ist. Sie ist reich gekleidet und mit Juwelen geschmückt, was ihre Ehre und Autorität nach außen sichtbar bezeugen soll. Ihre ernsthafte Pose und ihr reifes Alter bringen Referenzen mit sich. Hier bezog sich Ripa offenbar auf verschiedene antike Autoren, die über den Wert des Alters geschrieben haben. Mit einem hohen Alter verbanden diese Respekt, Erfahrung und Weisheit; alte Menschen sollten befehlen, während jüngere Menschen folgen sollten⁹⁶ – Ausführungen, wie sie später auch in Hobbes’ „Leviathan“ anklingen. Als Erklärung für die Schlüssel in ihrer rechten Hand liefert Ripa den Bezug auf die Schlüsselgewalt, die Christus dem heiligen Peter überließ. Gleichsam symbolisieren die Schlüssel die spirituelle Macht als die größte und nobelste – gewissermaßen den Triumph der Seele über den Körper. Die Schlüssel werden gen Himmel gestreckt als Zeichen dafür, dass alle Macht von Gott kommt. Das Zepter in der linken Hand steht für die weltliche Macht. Die Bücher symbolisieren den Respekt vor Gelehrsamkeit, Gelehrten und der Schrift, während die Waffen dieses Studium ermöglichen sollen („let arms give place to learning“).⁹⁷ „Auttorità“ wird bereits in der Überschrift mit „Potestà“ in Verbindung gebracht. Dabei scheint Ripa jedoch nicht zwei verschiedene Kompetenzen zu meinen, wie sie gemäß der Zwei-Schwerter-Lehre Gelasius‘ getrennt voneinander in Kirche und Staat zu finden sind. Stattdessen unterstreicht eine italienische Ausgabe von der „Iconologia“ von 1645 das Zusammenspiel zwischen potestas und auctoritas in Prinzen und Magistraten: „Si dipinge sedendo, perche il sedere è proptio de Principi, e Magistrati, per il qual atto si mostra Auttorità […] i quali hauendo [sic!] Potestà et Autorità de decidere, assuluere, e condennare“.⁹⁸ Autorität wird so direkt mit dem Amt bzw. der Amstgewalt der römischen Magistrate in Verbindung gebracht und auch auf die Fürsten zu Ripas Zeiten übertragen. Die
Vgl. hier und im Folgenden ebd. Z. B. Cicero in seinem fiktiven Dialog zwischen Cato dem Zensor, Scipio dem Jüngeren und Gaius Laelius Sapiens. Cicero, Cato der Ältere über das Alter (= Cato maior de senectute). Zur Kulturgeschichte des Altersdiskurses vgl. grundlegend auch Ehmer, Josef, Das Alter in Geschichte und Geschichtswissenschaft, in: Was ist Alter(n). Neue Antworten auf eine scheinbar einfache Frage, hg.v. Ursula Staudinger, Heinz Häfner, Berlin, Heidelberg 2008, S. 149 – 172, bes. S. 160. Ripa, Iconologia. Ebd., italienische Ausgabe aus Venedig von 1645, S. 54 f.
4.2.2 „Authority“ in Schriften bis 1642
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Vereinigung von spiritueller und weltlicher Macht im Herrscher weist enge Parallelen zu Hobbes’ Sicht des Souveräns als oberstem Herrscher über Staat und Kirche auf. Ripa trennt eben eindeutig nicht zwischen der spirituellen Macht des Klerus und der weltlichen Macht des Herrschers, sondern vereint beides in einer Person: „Le chiaui denotano l’Auttorità, e Potestà spirituale […] Lo Scettro nelle sinistra mostra l’Auttorità, e Potestà temporale“.⁹⁹ Unabhängig davon, ob Hobbes Ripas Werk bekannt war, weisen die zahlreichen Übersetzungen ins Französische, Niederländische, Deutsche und Englische und die überaus verbreitete Rezeption doch darauf hin, dass Zeitgenossen mit dem möglichen Bedeutungsgehalt von Autorität als Amtsgewalt vertraut waren.
4.2.2 „Authority“ in Schriften bis 1642 Eine deutlich an der gängigen Fassung von „authority“ aus den „Royal Proclamations“ orientierte Nutzung des Autoritätsbegriffs wird in der „Petition of Right“ des Parlaments von 1628 aufgegriffen.¹⁰⁰ Zwar wird die Petition „by authority of Parliament“ eingereicht und dem König vorgelegt. Diese stellt sich jedoch (noch nicht) als angemaßte Kompetenz dar, sondern leitet sich direkt vom König ab. In diesem Sinne werden auch die bereits beschriebenen Autorisierungsmechanismen vom König als Inhaber aller Vollmacht auf Verwalter, Beamte, Minister etc. erneut aufgegriffen.¹⁰¹ Dasselbe Muster begegnet in den verschiedenen Quellen des „Short Parliament“. Beispielsweise in der Rede Sir Francis Seymours (um 1590 – 1664) vor dem Short Parliament vom 16. April 1640, in dem er sich über „seminary priests“ beschwert, die so handeln, „as if they were authorized and allowed a dispensation and tolleration for their deceiptes and sines“.¹⁰² Seine scharfe Kritik an Puritanern und allen „fighters and contemners of the practitioners of religion“ verbindet sich auch mit einer Attacke auf jene, „that hold that the King hath unlimitted Power, and the subjects hath no propriety in their goods, and liberty of their persons“, die Seymour als „bad people in Church and Common wealth“ bezeichnet.¹⁰³ Diese Haltung passt durchaus zu Seymours Vita: Er wurde
Ebd., S. 55. Zur Quelle der „Petition of Right“ siehe Russell, Parliaments and English Politics. Eine gute Zusammenstellung der älteren Forschungsliteratur findet sich in Guy, J.A., The Origins of the Petition of Right Reconsidered, in: The Historical Journal 25/2 (1982), S. 289 – 312. Parliament of England, Petition of Right, London 1628. Seymour, Sir Francis, Speech in the Parliament House, 16. April 1640, in: Proceedings of the Short Parliament of 1640, hg.v. Esther S. Cope, Willson H. Coates, London 1977, S. 252. Ebd., S. 253.
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1620 für Wiltshire ins Unterhaus gewählt und vertrat diesen Wahlkreis sowohl im Short Parliament, als auch im Long Parliament. Zu Beginn seiner politischen Karriere war er durchaus kritisch gegenüber den absolutistischen Tendenzen Karls I. eingestellt, so verweigerte er unter anderem die Zahlung des Ship Money. Trotz seiner Kritik stellte er in seiner Rede vor dem Short Parliament die Vollmacht des Königs etwa betreffend die Regulierung der Verbreitung religiöser Inhalte nicht grundsätzlich in Frage. Auch dieser Umstand verweist bereits auf Seymours politischen Werdegang, denn mit zunehmender Radikalisierung der Forderungen der Opposition gegen Karl I. entzog er ihr seine Unterstützung und wurde dafür am 19. Februar 1641 als Baron Seymour of Trowbridge in den erblichen Adelsstand – und somit auch ins Oberhaus – erhoben. Während des Bürgerkriges kämpfte er dann auf der Seite der Royalisten. Für seine Königstreue wurde er im Zuge der Restauration 1660 zum Kanzler des Herzogtums Lancaster erhoben.¹⁰⁴ Auch in anderen Quellen des Short Parliament findet sich keine Stelle, in der die „authority“ Karls I. direkt angegriffen wird bzw. sich diese Kompetenz vom Parlament als Ganzes oder von einem der beiden Häuser angemaßt wird – wie dies später der Fall sein sollte. Dennoch wird nicht mit Kritik gespart, zum Beispiel was die Befugnisse der Rechtsprechung geistlicher Gerichte anbelangt, die sich kraft der Autorisierung durch den König auch Fällen annehmen, die eindeutig in die Sphäre der weltlichen Jurisdiktion gehören.¹⁰⁵ Das Verständnis vom Zusammenwirken der drei Stände zur Inkraftsetzung neuer Gesetze wird deutlich in folgender Formel: „itt may bee inacted by your most sacred Majestie with the assent of the Lords Spirituall and Temporall and the Commons in this present Parliament assembled And bee it inacted by the authoritie of the same“.¹⁰⁶ Zugleich wird in diesem Satz aber auch das bereits bekannte zeitgenössische Verständnis der „authority“ als ein mit einem Amt verbundener Auftrag deutlich, denn fortan soll kein Geistlicher ein weltliches bzw. Laienamt in einem der Gerichtshöfe des Reiches ausüben dürfen – wobei „any temporall or lay office commission or authority“ auf die direkte Gleichstellung zwischen beidem im Sinne amtlicher potestas hinweist. Eine Petition an das Short Parliament enthält auch die Klage über den Missbrauch von „authority“, indem „some violent and indiscreete cleargy men […] under pretense of authority have boldly violated and audaciously attempted many
Zu den biografischen Angaben vgl. Mosley, Charles (Hg.), Burke’s Peerage, Baronetage & Knightage, 3 Bde., 107. Aufl., Wilmington 2003, hier Bd. 3, S. 3680. Pym, Jon, Mr. Pymms Speech in the House of Commons, 17. April 1640, in: Ebd, S. 256. An Act for the Ease of the Clergie from some lay employment, 2. Mai 1640, in: Ebd., S. 273 f.
4.2.2 „Authority“ in Schriften bis 1642
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things contrary to ye Canons of ye Church“.¹⁰⁷ Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass es eine Gewalt gibt, die Geistliche zu ihren jeweiligen Taten und Äußerungen autorisieren muss. In dieser Hinsicht wird „authority“ also ebenfalls im Sinne einer – wenn auch in diesem Fall nicht gegebenen – Vollmacht gebraucht. Schließlich gibt es ein weiteres Beispiel für die Verwendung von „authority“, in diesem Fall jedoch angewandt auf Lord James Cranfield (1621– 1651), der als MP für den Bezirk Bramber in das Parlament einziehen sollte, seine Wahl jedoch ablehnte, woraufhin ein neuer Vertreter gewählt wurde. Mit dieser Entwicklung war Lord Cranfield aber scheinbar genauso wenig zufrieden, weshalb er das Ernennungsschreiben seines Nachfolgers unrechtmäßigerweise an sich brachte und zusammen mit „powerfull letters“, die seine eigene Wahl nun doch bestärken sollten, „repaired to the said Towne and of his owne authoritie without the sheriff drew the said burgessess together“, um die Angelegenheit zu seinen Gunsten zu klären. Dass er dies ohne irgendeine Vollmacht tat, liegt auf der Hand – weshalb auch eine Beschwerde an das Parlament gesandt wurde. Ein Handeln entgegen den gesetzten Vollmachten im Staat blieb also weder unbemerkt noch unkommentiert – auch nicht in der englischen Provinz.¹⁰⁸ Henry Parker, einer der radikalen Vertreter der antiroyalistischen Opposition im Parlament, verfasste 1640 sein Traktat „The case of the shipmony“, in dem er die Klärung der Frage nach dem Recht der Erhebung von Abgaben und Steuern durch eine breiter angelegte Diskussion der Befugnisverteilung im Land und insbesondere der Vorrechte des Königs herbeiführte. Parker hatte in Oxford studiert und wurde 1637 als Anwalt in Lincolns Inn zugelassen. Während er zu Beginn des Bürgerkrieges mit den Presbyterianern sympathisierte, wird er mit dem Fortschreiten des Konfliktes zu den Indepedents gezählt. 1642 wurde er zum Sekretär von Robert Devereux, dem dritten Earl of Essex, in der parlamentarischen Armee – einem Posten, dem weitere Stellungen als Sekretär unter anderem des Unterhauses und in Diensten Henry Iretons (um 1611– 1651)¹⁰⁹ in den 1640er und
Freeholders of Hartfordshire, To ye right honourable ye House of Commons now shortly to be assembled in Parliament the humble Petition of ye Freeholders and Freemen of ye county and burrough townes of Hartfordshire, 18. April 1640, in: Ebd., S. 277. Bishopp, Edward, To the honorable the House of Commons in the High Court of Parliament. The Humble Peticion of Sir Edward Bishopp, KNT and Baronett, 2. Mai 1640, in: Ebd., S. 289. Trotz dieses Zwischenspiels saß Cranfield während des Short Parliament im Unterhaus als Abgeordneter des Bezirks Liverpool. Henry Ireton war einer der engsten Gefolgsmänner – und seit seiner Heirat 1645 auch Schwiegersohn – Oliver Cromwells. Er trat 1642 den Parlamentstruppen bei, kämpfte und kommandierte in zahlreichen Schlachten. Er kann zu den Independents gerechnet werden und war einer der Agitators. Während des Prozesses gegen Karl I. gehörte er zum Gericht, das das Todesurteil über den König sprach. Nach der Hinrichtung des Königs ging er mit Cromwell nach
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beginnenden 1650er Jahren folgten. Zudem tat sich Henry Parker durch eine rege Tätigkeit als Verfasser politischer Schriften hervor.¹¹⁰ Im zeitlichen Horizont des noch nicht eskalierten Konfliktes von 1640 argumentiert Parker zunächst noch relativ zurückhaltend mit „authority“, wobei die generelle Stoßrichtung seines Argumentes jedoch bereits deutlich ist. Die „authority“, Steuern zu erlassen, liegt zunächst in den Gesetzen des Landes begründet, die wiederum gemeinschaftlich und im Sinne der „mixed monarchy“ durch König und beide Parlamentshäuser erlassen werden.¹¹¹ Ganz anders klingt Parker zwei Jahre später in seinen „Observations“, in denen er die judikative Obergewalt bei beiden Parlamentshäusern als Repräsentanten des souveränen Volkes verortet.¹¹² Doch 1640 ist auch bei Parker deutlich das bekannte Muster der vom König ausgehenden Delegation von „authority“ zu erkennen, auch wenn der generelle Tenor bereits in Richtung der Begrenzung der königlichen Vorrechte weist: „If a King should shut up the courts of ordinary Justice, & prohibit all pleadings and proceedings betweene man and man, and refuse to authorize Judges for the determining of suits, hee would be held to doe a most unkingly thing; and yet this may be as truly called a Prerogative, as to difuse and dissolve Parliaments.“¹¹³ Hier und an anderen Stellen kritisiert er zwar die englische Regierungspraxis, es erfolgt jedoch noch kein direkter Angriff auf die königliche
Irland, um die proroyalistischen Aufstände hier niederzuschlagen. Dies tat er zwar sehr brutal, aber erfolgreich, was ihm nach der Abreise Cromwells 1650 das Kommando über die in Irland stationierten Truppen der New Model Army einbrachte. Er erlag 1651 einem Fieber. Vgl. Gentles, Ian J., Henry Ireton, in: ODNB, https://doi.org/10.1093/ref:odnb/14452, Stand: 05.04. 2020. Vgl. Hewins, William A.S., Artikel zu Henry Parker, in: DNB, Bd. 43, S. 240 f. Hier findet sich auch eine Zusammenstellung seiner Schriften. Vgl. Parker, The case of shipmony, S. 10. Parker, Henry, Observations. Vgl. Skinner, Liberty before Liberalism, S. 1. Skinner beschreibt Parker wiederholt als zu der Gruppe der von Hobbes kritisierten „Democratical Gentlemen“ gehörend. In seinen Schriften mache er zur Kritik an der königlichen Politik Gebrauch von klassischantiken Argumenten, insbesondere wenn es um die bürgerliche Freiheit geht. Deshalb charakterisiert Skinner Henry Parkers „The case of shipmony“ als einflussreichste Denunziation der Politik vom neo-klassischen Standpunkt aus.Vgl. Skinner, Classical Liberty, S. 15. Die Erweiterung der vom „common law“ ausgehenden, ideologischen Wurzeln der Englischen Revolution um klassisch-römische Ideen und die Verteidigung und Legitimation derselben in neorömischen Wendungen der Antike ist eines von Skinners Hauptprojekten. Vgl. Skinner, Classical Liberty, S. 14 ff. Kritik an diesem Ansatz kam u. a. von Jeffrey Collins, der die von Skinner behauptete Führungsrolle Parkers bei der breiten Etablierung neoklassizistischer Ideen zur Legitimierung des Bürgerkriegs als freiheitswiederherstellendem Präventivschlag gegen die Krone in Frage stellt. Vgl. Collins, Jeffrey R., Quentin Skinners Hobbes and the Neo-Republican Project, in: Modern Intellectual History 5 (2009), S 343 – 367. Skinner, Classical Liberty, S. 24 f. Parker, The case of shipmony, S. 13.
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Vollmacht. Ein weiteres Beispiel für dieses taktische Vorgehen findet sich im Zusammenhang mit Parkers Kritik an allen, die dem Parlament schaden wollen und ihren eigenen Privatinteressen folgen, anstatt dem Interesse des Gemeinwohls gerecht zu werden. Insbesondere Papisten, Prelaten und Höflinge („Court parasites“) sind die Zielscheibe dieses Angriffs: „And the common Court doctrine is, that Kings are boundlesse in Authority, and that they are onely Cesars friends which justifie that doctrine“.¹¹⁴ Statt jedoch dem König seine „authority“ abzusprechen, versucht Parker mit der Ableitung und Definition der königlichen Prärogative und anderer wesentlicher Elemente im Staat (Besteuerung, Ratgeben) die Rolle des Parlaments zu stärken und statt der „vast power“ des Königs die Kontrollfunktion der Landesgesetze zu betonen.¹¹⁵ Dass er sowohl die Prärogative des Königs als auch seine „authority“ nicht grundsätzlich in Frage stellt, räumt auch Jeffrey Collins ein: „The test, even for one as radical as Parker, was often the justice of the exercise of prerogative power, not its mere existence.“¹¹⁶ Eine ähnliche Zurückhaltung betreffend die Formulierung von „authority“ gilt auch für die „Grand Remonstrance“, einer 204 Punkte fassenden Beschwerdeschrift der Commons von 1641. Dass der König die „authority“ im Staat inne hat, wird trotz des Charakters der Schrift nicht in Frage gestellt: „the pressing dangers and distempers of the State have caused us with much earnestness to desire the comfort of your gracious presence, and likewise the unity and justice of your royal authority, to give more life and power to the dutiful and loyal counsels and endeavours of your Parliament, for the prevention of that eminent ruin and destruction wherein your kingdoms of England and Scotland are threatened“.¹¹⁷ Die Vertreter des Parlaments wollen zwar in ihrem Selbstverständnis als Großer Rat des Königreiches eine deutlich einflussreichere Stellung als Ratgeber erlangen, dennoch wird die „unity and justice of your authority“ bestärkt und nicht angegriffen. In der „Remonstrance“ wurden Karl I. seine Versäumnisse aus parlamentarischer Sicht ohnehin nicht direkt vorgeworfen, sondern er wurde dargestellt als von schlechten Ratgebern beeinflusst und gesteuert. In diesem Sinn sei es das Anliegen der Commons zu zeigen, „how your royal authority and trust have been abused“, dies jedoch „without the least intention to lay any blemish upon your royal person“.¹¹⁸
Ebd., S. 34. Ebd. S. 22 ff. Collins, Quentin Skinners Hobbes, S. 356. The Grand Remonstrance, with the petition accompanying it, Presented to the King, December I, 1641, in: Rushworth, Bd. IV, S. 437. Vgl. History of England, Bd. X, S. 59 – 64, 71– 79, 88. The Grand Remonstrance, S. 437.
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4.2.3 „Authority“ in Schriften ab 1642 Ein erster Schritt für die Nutzung des „authority“-Arguments durch die Opposition war die „Militia Ordinance“ von 1642, die zugleich einen Meilenstein auf dem Weg in den Bürgerkrieg darstellt. Noch maßt sich das Parlament selbst die „authority“ als Kernkompetenz des Königs nicht an, es wird jedoch im Zusammenhang mit der Auflistung der Namen der für die Zusammenstellung und Befehligung der Miliz Verantwortlichen und ihrer Vertreter deutlich Bezug genommen auf die zum Beispiel aus den „Royal Proclamations“ bekannten Autorisierungsmechanismen: „and shall have further Power and Authority to lead, conduct, and employ the Persons aforesaid, arrayed and weaponed, as well within their said several and respective Counties and Places as within any other Part of this Realm of England, or Dominion of Wales, for the Suppression of all Rebellions, Insurrections and Invasions that may happen, according as they from Time to Time shall receive Directions from the Lords and Commons assembled in Parliament“; ferner:“shall have such Power and Authority, within the City of London and the Liberties thereof, as any of the Lieutenants before named are authorized to have, by this Ordinance, within their said several and respective Counties (the Nomination and Appointment of Deputy Lieutenants only excepted“.¹¹⁹ Es fällt zum Einen auf, dass „power“ und „authority“ in direkter Verbindung miteinander verwendet werden, wie das auch schon aus den „Proclamations“ bekannt ist. Zum anderen ist das die Militärs autorisierende Organ ohne Zweifel das Parlament, nicht mehr der König. Ganz im Gegensatz zu dem, was zuvor gebräuchlich war, stellen die beiden Häuser des Parlaments nun die überlegene Gewalt im Staat dar. Möglich gemacht wurde diese Argumentation auch durch die Gleichstellung des Königs als einem der drei Stände des Reiches, was im Umkehrschluss bedeutet, dass der Zusammenschluss von zwei Ständen (Lords und Commons) ausreicht, um den König als Entscheidungsträger auszuschalten. Diese theoretische Überlegung wurde erstmals mit der „Militia Ordinance“ auch in die Praxis umgesetzt, denn die Verordnung trat trotz der ausbleibenden Zustimmung Karls I. in Kraft. Eine aus Sicht der Royalisten ungeheuerliche Anmaßung des Parlaments und ein Novum in der Geschichte des britischen Königreiches. Während zuvor die Ernennung der Lord Lieutnants traditionell durch den König erfolgte und zudem kein Gesetz Geltungskraft erlangen konnte ohne königliche Zustimmung, setzten Lords und Commons sich nun nicht nur über den Protest einer royalistischen Minderheit im Parlament hinweg, sondern missachteten auch die Verweigerung
Ordinance of Parliament for the Safety and Defence of the Kingdom, 5. März 1642,House of Lords Journal, 1629 – 42, in: His Majesty’s Stationery Office, 1830, S.625 – 629.
4.2.3 „Authority“ in Schriften ab 1642
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des royal assentzu der vorgesehenen Verordnung. Gegen den Protest einiger Mitglieder des Oberhauses wurde die Frage „That, in this Case of extreme Danger, and of His Majesty’s Refusal, the Ordinance agreed on by both Houses for the Militia doth oblige the People, and ought to be obeyed, by the fundamental Laws of this Kingdom?“ positiv entschieden.¹²⁰ Auch in den 1642 folgenden „Nineteen Propositions“ wird der Ton schärfer, werden die Forderungen des Parlaments kompromissloser und konfrontativer als zuvor vorgebracht. Die Schrift präsentiert sich weniger als Verhandlungsbasis, denn als Ultimatum an Karl I., der seinen Hof zur Zeit der Veröffentlichung der „Propositions“ bereits nach York verlegt hatte. Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund der folgende Satz: „That no publick Act concerning the affaires of the Kingdome, be esteemed of any validity, as proceeding from the royall authority, unlesse it bee done by the advice and consent of the major part of your Councell, attested under their hands.“¹²¹ Es wird also ganz klar gemacht, dass fortan kein Gesetz allein kraft der „authority“ des Königs Gültigkeit erlangen soll. Hier wird die emanzipierte Selbstsicht des Parlaments nun nicht mehr nur als beratendes Gremium des Herrschers, sondern als Instanz mit Entscheidungsgewalt, wenn nötig auch gegen das Veto des Königs, deutlich. Die Formel dazu lautet, dass der König zwar bestimmte Rechte hat, auf die eine oder andere Weise zu handeln, dass dies aber nur „with the consent of both Houses of Parliament“ geschieht. Die „Nineteen Propositions“ sind eine Sammlung umfangreicher Rechte, die vom Parlament eingefordert wurden und unter anderem die königliche Heiratspolitik, die Erzeihung der Prinzen und Prinzessinen, das Inkrafttreten von Gesetzen und die Ernennung von Geistlichen, Verwaltern, Armeebefehlshaber etc. betraf. Diejenigen schlechten Ratgeber, die den König verführt haben – wie es bereits in der „Grand Remonstrance“ hieß – werden benannt (Papisten, Priester, Jesuiten) und ein kompromissloses Vorgehen gegen sie angekündigt aufgrund der bestehenden Gesetze, die qua „authority of Parliament“ in aller Rigorosität umgesetzt werden sollen.¹²² Die „Nineteen Propositions“ stellen somit einen Wendepunkt in der Argumentation mit „authority“ dar. Nicht mehr der König ist die Quelle aller Vollmachten im Staat, die er nach eigenem Gutdünken delegieren kann, sondern das Parlament beansprucht diese Kernkompetenz der Herrschaft nun für sich. Es hat also eine völlige Umkehrung der Verhältnisse stattgefunden. Wo vorher Vertreter des Parlaments und andere vom König Beauftragte nur kraft seiner „au That the People are bound by the Ordinance for the Militia, though it has not received the Royal Assent, 15. März 1642, House of Lords Journal, 1629 – 42, in: His Majesty’s Stationery Office, London 1830, S. 645 – 646. Karl I., Answer, S. 2. Ebd., S. 3.
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thority“ eine Vollmacht hatten zu handeln, ist es nun der König, der die Bevollmächtigung des Parlaments benötigt. Dies wird deutlich bei der Gültigkeit von Gesetzen, die nun nicht mehr aufgrund der „royall authority“ Geltungskraft beanspruchen können und ebenso bei der Verfolgung von staatszersetzenden Individuen, indem „some more effectuall course may be enacted, by authority of Parliament, to disable them from making any disturbance in the state.“¹²³ Dass eine Schrift solchen Inhalts nur die strikte Ablehnung Karls I. hervorrufen konnte, ist nicht verwunderlich. Die Antwort des Königs erfolgte in der bereits erwähnten „Answer to the Nineteen Propositions“. Auch Karl I. argumentiert während des Aufbaus eines aus königlicher Sicht idealen Regierungssystems bzw. einer gerechten Ordnung Englands mehrfach mit „authority“. Zunächst erscheint der Terminus in direkter Verbindung mit dem König als „Our Regall Authoritie“ mit direktem Bezug zum göttlichen Auftrag des Herrschers, wie es auch schon aus den „Royal Proclamations“ bekannt ist.¹²⁴ Doch wie ebenfalls bereits für diese Quellen herausgearbeitet wurde, wird auch in der „Answer“ „authority“ gleichsam für die Opposition gebraucht: „Their next step was to erect an upstart Authority without Us (in whom, and only in whom, the Laws of this Realm have placed that power) to command the Militia.“¹²⁵ Zwar soll deutlich gemacht werden, dass der Oberbefehl über die Armee ein Recht ist, dass qua Gesetz ausschließlich der König innehat. Dennoch wird dem Parlament „authority“ eingeräumt, die zwar offensichtlich der gesetzlichen Grundlage entbehrt, de facto aber besteht. Die Folge dieser Usurpation königlicher Rechte und Vollmachten wird richtig beurteilt: „thereby (as much as lay in their power) to weaken Our just Authoritie and due esteem amongst them“.¹²⁶ Der „legal Authority“ des Königs wird dabei stets die zu Unrecht behauptete „power“ oder „authority“ der Opposition gegenübergestellt. In den Forderungen des Parlaments, dass Beschlüsse und Gesetze erst mit einer parlamentarischen Mehrheit Gültigkeit und Wirkkraft erlangen, sieht Karl I. zu Recht die Aushöhlung seines königlichen Amtes – „to grant them [die parlamentarischen Forderungen] were in effect at once to depose both Ourself and Our Posteritie […] These being past, we may be waited on bare-headed,¹²⁷ we may have Our hand kissed; The Stile of Majestie
Ebd. Ebd., S. 1. Ebd., S. 2. Ebd. Diese Formulierung weist zunächst darauf hin, dass ein Einwilligen in die Forderungen des Parlaments den König gleichsam seiner Krone berauben würde. Es gibt aber einen weiteren Verweis: Ein so degradierter König würde mit einem gemeinen Mann gleichgestellt sein. William Prynne beschreibt später in seiner „Protestation“ von 1649 die Situation bzw. die eigentliche
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continued to Us; And the King’s Authoritie, declared by both Houses of Parliament, may be the Stile of Our Commands“.¹²⁸ Statt den aus royalistischer Sicht ungeheuerlichen und nie dagewesenen Forderungen des Parlaments nach einer Republik venezianischen Vorbilds nachzugeben, betont Karl I. die Vorteile einer „mixed monarchy“ und stellt klar, dass er seine Rechte nicht aufgeben oder unterwandern lassen wird: „And this kinde of regulated Monarchie having this power to preserve that Authoritie, without which it would be disabled to preserve the Laws in their Force, and the Subjects in their Liberties and Proprieties.“¹²⁹ Das Verhältnis von Recht bzw. Gesetz und „authority“ im Sinne von Vollmachten wird hierbei scheinbar ambivalent wiedergegeben. Einerseits hat nur der König durch geltendes Recht die Vollmacht dazu, z. B. die Armee zu befehligen. Andererseits ist es seine „authority“, die die Gesetze wahrt bzw. durch die sie Geltungskraft erlangen. Diese Passage lässt sich nur verstehen, wenn man sie in direkten Bezug zu der Formulierung in den „Propositions“ stellt. Hier hatte das Parlament der Geltungskraft der Gesetze allein durch königliche Vollmacht eine klare Absage erteilt und sich selbst stattdessen als gesetzesbewilligende Instanz eingesetzt. Die „Answer“ opponiert gegen diese Anmaßung, stattdessen sei die königliche Vollmacht auf Engste mit den Gesetzen des Landes verbunden bzw. vica versa. Dies immer wieder zu betonen ist eine der Hauptargumentationsstrategien der „Answer“, denn die royalistischen Autoren wollten deutlich machen, dass die Legitimitätsentwürfe des Parlaments sich außerhalb der englischen Rechtstradition bewegten. Es ist bemerkenswert, wie weit Karl I. den Rebellen entgegenkam, definiert er doch – entgegen seiner zu Beginn seiner Herrschaft offenkundigen Bevorzugung der von Jakob I. beschriebenen „Free Monarchy“¹³⁰ – England
Stellung der Commons im Regierungsgefüge wie folgt: „they alwayes have used to stand bareheaded at their Barre, but never yet to stand covered, much lesse to sit, vote or give Judgement“. Die Commons maßen sich 1649 die Übernahme des Gestus und Ritus von Lords und König in Verbindung mit der tatsächlichen, formalen Abschaffung beider Ämter an. Ihre vormalige Position wird klar beschrieben: sie hatten mit bloßem Haupt im Parlament zu stehen.Was Karl I. in der „Answer“ als seine zukünftige Stellung beschreibt, würde er den Forderungen des Parlaments nachkommen, weist starke Parallelen zu Prynnes Beschreibung der traditionellen Stellung der Commons auf und ist damit eine bildlich beschworene Vision des Kooperationsprinzips von drei gleichgestellten und gleichartigen Ständen in der Regierung, die von vielen Oppositionellen wiederholt eingefordert worden war. Ebd., S. 7. Ebd., S. 12. Vgl. Jakob I., The True Law.
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klar als gemischte und regulierte Monarchie.¹³¹ Eng verbunden damit ist die Vorstellung eines aus dem Krönungseid entspringenden Vertrages zwischen Herrscher und Volk, der erst Gedanken an eine „mixed monarchy“ ermöglicht hatte.¹³² Dass John Culpeper, der die „Answer“ für den König zusammen mit Lucius Cary Viscount Falkland verfasst hatte, den moderaten Royalisten¹³³ zuzuordnen ist, wird an diesem Zugeständnis deutlich. Culpeper war zu Beginn seiner politischen Laufbahn durchaus der Seite der Opposition zu Karl I. zuzurechnen, aufgrund von divergierenden religiösen Anschauungen und auch aus Zweifeln am zunehmend radikalen Kurs der Gegner Karls I. und seinen Folgen wechselte er in das royalistische Lager.¹³⁴ Zahlreiche spätere Anhänger Karls I. scheinen ähnliche Entwicklungen in ihrer Gefolgschaft gemacht zu haben. Auch Lucius Cary, der in
Die „Answer“ unterstützt damit die Idee, dass das Volk die menschliche Quelle der politischen Macht ist. Die Staatsform der balanced bzw. mixed monarchy sei durch die Erfahrung und Weisheit der Ahnen hervorgebracht wurden und diejenige Staatsform, die der König verteidigt: „There being three kindes of Government amongst men, Absolute Monarchy, Aristocracy and Democracy, and all these having their particular conveniencies and inconveniencies. The experience and wisdom of your Ancestors hath so moulded this out of a mixture of these, as to give to this Kingdom (as far as human prudence can provide) the conveniencies of all three, without the inconveniencies of any one, as long as the Balance hangs even between the three Estates“ Vgl. Comstock Weston, Renfrow Greenberg, Subjects and Sovereigns, S. 37, 46. Unter Berufung auf Fortescue vertraten u. a. Sir Robert Phelips (1586?–1638) und Sir Edward Coke diese Ansicht. Vgl. Sommerville, Lofty science, S. 252. Sommerville führt als einen der führenden moderaten Royalisten Edward Hyde an, der auch pro mixed monarchy argumentierte. Vgl. ebd., S. 266. Auch Mendle betont die enge Freundschaft, die zwischen Hyde und den Verfassern der „Answer“ bestand. Er geht sogar soweit zu sagen, dass Hyde die beiden Autoren aufgrund einer persönlichen Neigung schützen wollte und deshalb keine Änderungen an der „Answer“ vorschlug. Vgl. Mendle, Dangerous Positions, S. 6 ff. Auch Sir John Spelman (1594– 1643) ist zu diesen moderaten Royalisten zu zählen. Sie vertraten die Theorie einer rechtlichen Souveränität des „king in parliament“, wobei die gesetzgebende Gewalt im Kern stets beim König blieb. Dazu: Spelman, Sir John, The Case of Our Affaires, in Law, Religion, and other Circumstances briefly examined, and Presented to the Conscience, Oxford 1644. Ders., A View of a Printed Book, Intituled Observations upon His Majesties late Answers and Expresses, Oxford 1643. Vgl. Comstock Weston, Renfrow Greenberg, Subjects and Sovereigns, S. 108 f. Er war als Abgeordneter im Short Parliament für den Bezirk Rye und im Long Parliament für Kent gewählt worden. Noch 1640 sprach er sich gegen die Monopolstellung des Königs aus, wurde 1641 mit dem Impeachment-Verfahren gegen Sir Robert Berkeley betraut und unterstützte die Ächtung Thomas Wentworths. Er wollte jedoch eher eine Diskussion der politischen Verhältnisse und zwar mit weltlichen Argumenten. Die Abschaffung des Episkopats, wie sie der Root and Brach Bill vorsah, sowie die Kritik am Prayer Book waren nicht in seinem Sinne, weswegen es zum Bruch mit den Oppositionellen kam. Vgl. Chisholm, Hugh, Colepeper, John Colepeper, 1st Baron, in: Enzyclopaedia Britannic, 11. Aufl., Cambridge 1911, Bd. 6, S. 675.
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Cambridge und Dublin studiert hatte und ein äußerst gebildeter Mann war,¹³⁵ nahm zunächst aktiven Anteil an der Opposition: Er sprach sich 1640 gegen das Ship Money aus und war später für die Anklage gegen Thomas Wentworth‘. Zwar war er nicht für die Abschaffung des Episkopats, er sprach der Kirche aber jede Befugnis ab, die sie laut eigener Aussage „iure divino“ habe. Ähnlich wie Culpeper missfiel ihm der radikale Entwurf des Root and Branch-Gesetzes und er wechselte die politische Gefolgschaft. Edward Hyde konnte ihn 642 überzeugen, die ihm angebotene Stelle als Sekretär Karls I. anzunehmen, was ihn fortan dem royalistischen Lager zugehörig machte, auch wenn er aufgrund der politischen Entwicklungen hin zum Bürgerkrieg für keine der beiden Seiten eine tiefer empfundene Begeisterung und Loyalität aufbringen konnte.¹³⁶ Die beiden Autoren der „Answer“ nahmen das Kooperationsprinzip zwischen den im Parlament versammelten Ständen (den weltlichen Lords und den Commons) und dem König in die royalistische Argumentation auf. Die Gesetze, so die Autoren, werden gemeinsam von König und beiden Parlamentshäusern gemacht, „all having free Votes and particular Priviledges“. Gerade diese Zugeständnisse spielten der Opposition aber neue Mittel zur Verteidigung ihrer Anliegen in die Hand. Die Historikerinnen Corinne Comstock Weston und Janelle Renfrow Greenberg bewerten die Etablierung des Kooperationsgedankens in der „Answer“ als schweren Fehler. Versehentlich, so die beiden Historikerinnen, wurde das ursprünglich von den Commons zur Kritik an der absoluten Macht des Königs sowie dem Ausbau der eigenen Befugnisse instrumentalisierte Vokabular aufgenommen, mit der legislativen Gewalt in Verbindung gebracht und aufgrund der Prominenz der „Answer to the 19 Propositions“ schnell weit verbreitet. Der angerichtete Schaden sei immens gewesen und ließ sich nicht mehr rückgängig machen. Dem Kooperationsprinzip in der Regierung sei durch die Wortwahl Falklands und Colpepers Tür und Tor geöffnet wurden.¹³⁷ Lässt sich auch die Argumentation mit „authority“ ähnlich bewerten?Die zuerst durch die „Nineteen Propositions“ angemaßte Beanspruchung der „authority“ für das Parlament in einer neuen Weise, nämlich nicht mehr vom König
Falkland war der Begründer des sogenannten „Great Tew“-Zirkels, eines Gelehrtenzirkels, zu dem auch John Hales,William Chillingworth, Ben Johnson, Abraham Cowley, Edmund Waller und Edward Hyde gehörten. Vgl. Chisholm, Hugh, Falkland, Lucius Cary, 2nd Viscount, in: Enzyclopaedia Britannic, 11. Aufl., Cambridge 1911, Bd. 10, S. 149 – 151. Vgl. ebd., S. 37, 46, 90 f. Die betreffende Stelle für das Kooperationsprinzip in der Legislative lautet wie folgt: „In this Kingdome the Laws are jointly made by a king, by a House of Peers, and by a House of Commons chosen by the people all having free Votes and particular priviledges.“ Karl I., Answer, S. 12.
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abgeleitet, sondern aus sich selbst heraus, und die damit konstatierte Überlegenheit der parlamentarischen „authority“ im Vergleich zu der des Königs, war die Ansage, die im Raum stand. Wird nun mit der Verwendung des Begriffes „authority“ in der „Answer“ auch für das Parlament ein argumentativer Fehler begangen, indem diese ursprünglich allein dem König zustehende Kompetenz mit seinen politischen Gegnern verbunden und so als königliches Alleinstellungsmerkmal aufgegeben wird? Um diese Fragen zu beantworten, muss man sich vergegenwärtigen, dass es an Comstock Westons und Renfrow Greenbergs Untersuchung und Interpretation der „Answer“ viel Kritik gegeben hat. So wirft ihnen z. B. John Sanderson vor, die Quelle in unzulässiger Weise vereinfacht und ihrem spezifischen Entstehungskontext nur wenig Beachtung geschenkt zu haben.¹³⁸ Insbesondere die These Comstock Westons und Renfrow Greenbergs, dass durch die „Answer“ dem Parlament die Argumentation zur Rechtfertigung des Widerstandes in die Hand gegeben wurde, kritisiert Sanderson als Fehlinterpretation.¹³⁹ Stattdessen sei der Kooperationsgedanke schon im Short Parliament aufgetreten und muss in ähnlicher Form bereits seit Längerem kursiert sein.¹⁴⁰ Auch zu der Frage, ob relevante Abschnitte der „Answer“ aus royalistischer Sicht wirklich so schelcht beraten sind, wie Comstock Weston und Renfrow Greenberg dies beurteilen, bezieht Sanderson eine deutlich andere Stellung. Die „Answer“ habe Karl I. nicht implizit entthront, wie die Historikerinnen behaupten. Stattdessen betont Sanderson die realpolitische Lage des Königs 1642, die recht verheerend aussah. Den „Nineteen Propositions“ zustimmen konnte Karl I. keinesfalls – dies hätte tatsächlich seine eigene Entmachtung und eine Änderung der Verfassung Englands bedeutet. Ihm blieb somit nur die Chance, sich als Vermittler zu präsentieren gegenüber den politisch Extremen. In diesem Sinn stellt die „Answer“ Karl I. unter Rückbezug auf bereits stark präsente, politische Überzeugungen als Wächter des traditionellen Systems der mixed monarchy dar – was angesichts der politischen Situation von 1642 seine einzige Möglichkeit darstellte,
Vgl. Sanderson, John, The Answer to the Nineteen Propositions Revisited, in: Political Studies 32/4 (1984), S. 627– 636. Ebd., S. 628. Gemeint ist hier das Argument, dass die beiden im Parlament versammelten Stände gemeinsam den König als ersten Stand überstimmen können. Grundlage des Gedankens ist natürlich das Kooperationsprinzip und der Glaube daran, dass alle drei Stände von gleichem Wesen bzw. gleicher Wertigkeit sind. Eine solche Argumentation findet sich z. B. in Charles Herles „A Fuller Answer“ (London 1642) und in William Prynnes „Sovereigne Power of Parliaments and Kingdomes“ (London 1643). So führt Sanderson aus, dass Hobbes den Kooperationsgedanken bereits in seinem „De Cive“ ablehnt, was dessen grundlegende Existenz ja vorraussetzt. Im Short Parliament und zu Beginn des Long Parliament ist er bei Edward Bagshaw (1589/90 – 1662) und Henry Parker nachweisbar. Vgl. Sanderson, Answer Revisited, S. 629.
4.2.3 „Authority“ in Schriften ab 1642
219
sein Gesicht zu wahren.¹⁴¹ In eine ähnliche Richtung geht auch die scharfe Kritik Michael Mendles an Corinne Comstock Weston. Mendle stellt zwar die Aufnahme des eigentlich dem revolutionären Lager zuzuordnenden Vokabulars von „king, lords and commons“ bzw. des „king-in-parliament“ (statt „king-and-parliament“)¹⁴² als Versäumnis des Königs und seiner Berater (vor allem Edward Hydes) dar. Zugleich betont er aber die Notwendigkeit, auf die Argumentationsstrategie der Gegenseite einzugehen, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage 1641/42. Colpeper und Falkland versuchten Mendle zufolge vom königlichen Einfluss zu retten, was zu retten war. Zwar sei die „Answer“ nicht besonders originell gewesen, der Opposition wurde so aber der Wind aus den Segeln genommen, was die Gegner Karls I. vor die Aufgabe stellte, neue rhetorische Wege für die Vorantreibung ihrer Reformabsichten zu entwickeln.¹⁴³ Die argumentative Ausrichtung und der bemerkenswert moderate Ton der „Answer“, die den König als einen von drei Ständen ansprach, sind somit als wohl kalkulierte Strategie zu werten. Was bedeutet dies nun für die Bewertung der Argumentation mit „authority“ in dieser Quelle? Nach wie vor bemüht die „Answer“ „authority“ als königliche Vollmacht, nun allerdings – wie es auch schon in den Proklamationen Karls I. begegnete – nicht mehr ausschließlich dem Vgl. ebd., S. 634 ff. Sanderson charakterisiert Karls Vorgehen wie folgt: „a shrewd contribution to the process of political recovery which raised Charles from his nadir of 1641 to a point where, after Edgehill in October 1642 and again in 1643, the defeat of his opponents seemed an imminent prospect.“ Ebd., S. 636. Mendle betont vor allem die Debatten des Short Parliament und Henry Parkers „The Case of the Shipmoney“ als wesentliche Impulse zur Aufnahme dieser Wahrnehmung der regierenden Stände in die parlamentarische Rhetorik. Vgl. Mendle, Dangerous Positions, S. 134. Mendle resümiert: „There was already a new motive for the opposition to regret ever having brought up the estates of the realm, and a new motive for royalists to adopt it. This new motive lay in the king’s refusal to sign the militia bill.“ Und weiter: „For the opposition, the reversal was complete. Parker and the Fienneses, the great propagandists of the revised anatomy of the estates in 1640 and 1641, had no use for it in mid-1642.“ Mendle, Dangerous Positions, S. 177, 179. Ein Beispiel dafür sind Parkers „Observations“, in denen er zwar die Begrifflichkeiten des klassischen Konstitutionalismus betont (Demokratie, Aristokratie, Oligarchie, Monarchie etc.), jedoch nur ein einziges Mal von den Ständen („estates“) spricht. Nach der „Answer“ änderte sich in der Tat die Stoßrichtung der oppositionellen Rhetorik. Ende 1641 und 1642 wurde vor allem von der „good correspondency“ zwischen Lords und Commons gesprochen, was sich schnell als Druckmittel gegen die Lords entpuppte: Entweder kamen sie den Petitionen der Commons (die v. a. die Verbannung des Klerus aus der politischen Sphäre forderten) nach, oder sie würden aufgelöst werden. Da der König London bereits verlassen hatte und das Oberhaus durch Säuberungsmaßnahmen einem „suitably purified or terrified remainder“ gleichkam, ging man auf die Forderungen der Commons ein und stimmte der Verbannung der Bischöfe von der politischen Bühne zu (angestoßen durch die „Root and Branch-Petition“, durch den „Root and Branch-Bill“ realisiert). Vgl. ebd., S. 163 ff.
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4 Zur Verwendung von Autorität vor Hobbes
König zugeordnet. Auch in der „Answer“ wird damit zunehmend „authority“ wertneutral verwandt. Eine Ausnahme bildet sicher die Formulierung der „upstart Authority“, also sinngemäß übersetzt in etwa der „Vollmacht der Emporkömmlinge“, die bei der Einberufung der und dem Kommando über die Miliz wirksam wurde. Grundsätzlich wird jedoch nicht bestritten, dass die Rebellen de facto „authority“ inne haben, auch wenn diese Kompetenz der des Königs gegenübersteht und sich nicht aus der traditionellen Quelle speist (abgeleitet von Gott und aus den Gesetzen). Karl I. und den Autoren der „Answer“ mag das nicht gefallen haben, dennoch erkennen sie mit der Formulierung der „authority“ des Parlaments eine realpolitische Tatsache der Zeit an. Ob man unter anderen Vorraussetzungen so weit gegangen wäre, die Vollmacht des Königs als eine ausschließlich royale Kernkompetenz preiszugeben, ist fraglich. In der Situation von 1642 verhielt es sich aber mit der „authority“ wohl ganz ähnlich wie mit dem Kooperationsgedanken oder der Frage, ob der König als einer der drei Stände anzusehen war oder nicht¹⁴⁴ – ein moderater Ton und die Strategie der Selbstpositionierung als Vermittler waren die einzigen verbleibenden Optionen. Dennoch eröffnete die „Answer“ durch die Zuschreibung von „authority“ auch für das Parlament weitreichende Möglichkeiten zur Instrumentalisierung des Begriffes für die Legitimierung seiner Anprüche. Hierbei konnten nun ganz neue Wege gegangen werden bzw. bekannte Argumente in einer nie dagewesenen Weise in direkte Angriffe auf die englische Monarchie umgewandelt werden. Hier liegt trotz aller zeitgenössischen Notwendigkeit eine Schwäche der „Answer“ und ein schwieriges Erbe für alle Royalisten, die in den folgenden, im Zeichen der Niederlage des Königs stehenden Jahren argumentativ gegen das erstarkende
Die radikale Folgerung, die aus der Annahme gezogen wurde, der König sei einer der drei Stände und somit „co-essential (that is of the same substance or nature)“, lautet, dass dann auch das Parlament bzw. eines der beiden Häuser die Souveränität für sich beanspruchen konnte – beispielsweise während eines Notstandes – und in dieser Zeit die legislative Gewalt allein ausüben konnte. Vgl. Comstock Weston, Renfrow Greenberg, Subjects and Soveraigns, S. 40, 45. Dem widersprach Hobbes später vehement. Der König besteht ihm zufolge nicht aus demselben Material wie die anderen Stände, sondern ist eine künstliche Person und verkörpert den Staat. Er steht somit nicht gleichberechtigt neben den beiden Parlamentshäusern. Damit argumentierte Hobbes ähnlich wie andere royalistische Autoren der Zeit, die den König als „keeper of the kingdom“ als von den Ständen ausgeschlossen betrachteten. Eine sehr gute und einflussreiche Ablehnung des Kooperationsprinzips erfolgte in „The Freeholders Grand Inquest“, wahrscheinlich von Robert Filmer. Er verortete die rechtliche Souveränität beim „king-in-parliament“, allerdings so, dass der König allein Autor bzw. Schöpfer der Gesetze ist. Damit lieferte Filmer eine direkte Antwort auf Prynnes „Sovereigne Power of Parliaments“. Das Spezifische an Hobbes’ Theorie war jedoch, den König als Verkörperung des Staates und nicht als sein caput zu sehen.
4.2.3 „Authority“ in Schriften ab 1642
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Parlament angehen wollten, das in der Äußerung einer vom König völlig unabhängigen Vollmacht immer selbstbewusster wurde. Ein Beispiel dafür liefert Henry Parker, der in seinen „Observations“ von 1642 alle Zurückhaltung aufgab, die er 1640 noch geübt hatte. Nun nivelliert er den königlichen Anspruch der Ableitung seiner Macht von Gott. Als Mittel hierzu nutzt er die Gleichstellung zwischen der Macht des Königs, der Aristokraten und aller anderen – auch der Macht illegitimer Usurpatoren. Alle Macht komme stets von Gott bzw. die Machthaber seien Teil der göttlichen Vorsehung, was im Umkehrschluss bedeutet, dass diese Ableitung nicht mehr als royales Alleinstellungsmerkmal dienen kann. Die Quelle der Macht ist in jeder Gesellschaft das Volk, das entscheidet, in welcher Weise es verfasst sein will und dementsprechend diverse Regierungsinstitutionen ins Leben ruft; allerdings unter dem Vorbehalt, sie wieder auflösen zu können. Der göttliche Segen erscheint bei Parker als der eigentlichen Staatswerdung nachgeordnet.¹⁴⁵ In diesem Zusammenhang führt der Autor das antike Rom als positives Beispiel an, in dem die Regierungsform ihm zufolge ein fluides Konzept war, das an die jeweilige Situation angepasst werden konnte.¹⁴⁶ Die praktische Umsetzung des Volkswillens geschieht bei Parker in einem gemeinsam gefassten Konsens, also gleichsam einem Vertrag zwischen den Bürgern, wie dies auch später bei Hobbes begegnen wird: „And hence it appeares that at the founding of authorities, when the consent of societies convayes rule into such and such hands, it may ordaine what conditions and prefix what bounds it pleases, and that no dissolution ought to be thereof, but by the same power by which it had its constitution. As for the finall cause of Regall Authoritie […] the same people is the finall, which is the efficient cause of it“.¹⁴⁷ Doch statt einer irreversiblen Übertragung der Autorität jedes Einzelnen auf den Souverän, ist die von Parker beschriebene Übertragung jederzeit auflösbar. In der praktischen Umsetzung dieses Gedankens steht das Parlament stellvertretend für den Willen des Volkes bzw. seine „publique authority“, die bei Parker aufgrund des Grundsatzes „singulis major, universis minor“ der Vollmacht des Königs stets überlegen ist. Aus diesem Grund habe der Monarch auch keinerlei Befugnis, das Parlament nach eigenem Gutdünken einzuberufen und aufzulösen. Parker arbeitet auf der Grundlage der Grundsätze von Vernunft und Natur heraus, dass die Macht immer „in those which obay“ liegt.¹⁴⁸ Einen Herrschaftsvertrag lehnt Parker als wider die Parker, Observations, S. 1. Er spielt hierbei besonders auf die Ernennung von Diktatoren zu Zeiten bestimmter Notstände an. Vgl. ebd., S. 8. Ebd., S. 2. Ebd., S. 8.
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4 Zur Verwendung von Autorität vor Hobbes
Natur ab: „they which contract to obay to their own ruine […] they which esteeme such a contract before their owne preservation are felonious to themselves“.¹⁴⁹ Da er die Bewahrung des Gemeinwohls und den Schutz der Untertanen als Zweck jeden gesellschaftlichen Zusammenschlusses sieht, stellt er sich gegen Karl I., dessen für sich beanspruchte Vorrechte diesem obersten Grundsatz entgegen laufen, wie Parker an vielen Beispielen aufzeigt. Eines davon ist das Prärogativ des Königs, die Armee zu den Waffen zu rufen. Im Notfall sollte das Volk die Möglichkeit haben, sich selbst zu schützen und nicht erst warten zu müssen, bis der König „joynes his consent and authority“.¹⁵⁰ Der ursprünglichen Bedeutung der „royal authority“ und ihrer Wirkungsweise ist sich Parker also durchaus bewusst. Dafür spricht auch die folgende nüchterne Ableitung: „Without society men could not live, and without lawes men could not be sociable, and without authority somewhere invested, to judge according to Law, and execute according to judgement, Law was a vaine and void thing.“¹⁵¹ Der Ursprung des Staates liegt in der Übertragung der Vollmacht, Gesetze zu erlassen, zu richten und auszuführen – erst dann machen Gesetze Sinn, erst dann wird aus dem Menschen ein gesellschaftsfähiges Individuum und aus einer Ansammlung von Menschen eine Gesellschaft. Dass „authority“ auch bei Parker den Kern seiner Überlegungen zu Gesellschaft und Staat bildet, wird durch die soeben zitierte Passage deutlich. Im Sinne der alten Verfassung bewertet er die „Authority of King, Parliament and Magistracy“ als oberstes Gut, allerdings nur, wo Einigkeit herrscht und der Staatsbetrieb das oberste Ziel der Vergesellschaftung sichern kann. Kommt es jedoch zum Dissens, ist klar, wer die oberste Instanz darstellt: „the Parliaments Authoritie, if the Parliament bee […] vertually the whole kingdome it selfe, if it bee […] the supreame judicature, as well in matters of State as in matters of Law, if it bee […] the great Councell of the Kingdome, as well as of the King […] if their authoritie be so sacred, their intention so loyall, their act free from affensive violence“ ist ausschlaggebend.¹⁵² Der gesamte Text ist eine groß angelegte Verteidigung der Rechte des Parlaments als erster und oberster Rat des Reiches, verbunden mit weitreichenden, im Ernstfall die Kompetenzen des Königs überflügelnden Vollmachten. Dass der König sich hat von schlechten Ratgebern beeinflussen lassen, wird ihm nicht nur als persönliche Schwäche ausgelegt, sondern als Verstoß gegen die intendierte Ordnung Englands. Aus diesem Grund muss es Gesetze geben, „to limit Princes when they are seduced by
Ebd. Ebd., S. 16. Ebd., S. 13. Ebd., S. 28.
4.2.3 „Authority“ in Schriften ab 1642
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Privadoes, and will not hearken to the Great Councell of the Land“ und ein Gericht, dass sie umsetzt: „doubtlesse there must be some Court to judge of that seducement, and some authoritie to inforce that judgement, and that Court and Authoritie must bee the Parliament“.¹⁵³ Neben der deutlichen politischen Stellungnahme wird an dieser Stelle auch ein grundsätzlich von Hobbes abweichendes Verständnis vom Rat sichtbar. Bei Parker stehen sich „private advice“ und „publike advice“ gegenüber, wobei ersteres vom König bevorzugt wird und damit auch die eigeninteressierten Ratschläge machthungriger Höflinge mit einschließt. Die andere Möglichkeit ist der öffentliche Ratschlag, ein Recht des Parlaments und aufgrund der Häufung der Weisheit und Einsicht jedes einzelnen Parlamentsmitgliedes derjenige Ratschlag, dem die größere Wirkkraft zukommen sollte. Hobbes hatte einer solchen Bevorzugung des öffentlichen Rates einer großen Versammlung ja in deutlicher Weise widersprochen und statt ihrer Überlegenheit ihre Anfälligkeit für Opportunität und Beeinflussung durch redegewandte Sprecher kritisiert. Das 25. Kapitel seines „Leviathan“ erfüllt unter Berücksichtigung der in den 1640er Jahren gängigen Oppositionsrhetorik somit neben der Ableitung der eigenen Sprecherautorität Hobbes’ auch ganz wesentlich die Funktion, gegen das Parlament in seinem Selbstverständnis als überlegener, großer Rat des Reiches Stellung zu beziehen. Parkers Anliegen in den „Observations“ kann unter Berücksichtigung seiner Argumentation mit „authority“ klar herausgearbeitet werden. Er selbst bestreitet gegen Ende des Textes zwar, die Verfasstheit des Reiches grundsätzlich angreifen zu wollen: „I am as zealously addicted to Monarchy, as any man can, without dotage“.¹⁵⁴ Seine radikalen Ansichten zu den Vorrechten des Königs und denen des Parlaments scheinen seine Worte jedoch Lügen zu strafen. Wenn auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Abschaffung der Monarchie in der Praxis das Ziel war, so war ein Bürgerkrieg doch unumgänglich. Und dass auch eine grundsätzliche Änderung des Regierungssystems seine Vorteile hat, daran lässt Parker keinen Zweifel aufkommen. Die Argumentation mit „authority“ dient ihm im Kern zur Beschreibung der Genese des Staates, er verortet ihre Quelle im Volk und somit – in gedanklicher Verlängerung dieses Arguments – im Parlament. Parker weiß um die Bedeutung von „authority“ im Zusammenhang mit dem König, er hat jedoch keine Skrupel, diese Kompetenz von der Person und dem Amt des Königs abzuziehen und dem Parlament zuzuführen. Dieser vor 1642 noch nicht gewagte Schritt scheint vor dem Hintergrund eines unmittelbar bevorstehenden, bewaffneten Konfliktes nun gangbar.
Ebd., S. 30. Ebd., S. 41.
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4 Zur Verwendung von Autorität vor Hobbes
Eine Antwort auf Henry Parkers „Observations“ lieferte Dudley Digges (1613 – 1643) 1642 mit „An Answer to a Printed Book, Intituled, Observations upon some of His Majesties Late Answers and Expresses“. Zwar gab es viele royalistische Antworten auf Parker, diese gilt jedoch als die detaillierteste und überzeugendste. 1643 wurde posthum eine weitere Schrift Digges‘ veröffentlicht, deren Titel bereits die Stoßrichtung deutlich macht: „The Unlawfulnesse of Subjects taking up Arms against their Soveraign“. Digges war der Sohn des Diplomaten und Richters Sir Dudley Digges (1582/83 – 1639) und hatte sowohl in Oxford als auch in Cambridge Recht studiert. Digges war zwar auch Poet, bekannt wurde er jedoch als royalistischer Autor und Verfasser von politischen Schriften. „The Unlawfulnesse“ war sein bedeutendstes Werk und zugleich sein letzter Beitrag zur zeitgenössischen politischen Philosophie, da es Ende des Jahres 1643 – dem Todesjahr des jungen Autors – posthum veröffentlicht wurde. Seine Schrift wurde von J. W. Allen als „a sort of compendium of royalist argumentation“¹⁵⁵ beschrieben, in der es um die jeweiligen Autoritäten von König und Parlament geht. Besonders in royalistischen Kreisen erfreute sich das Werk großer Beliebtheit, weswegen es zu mehreren Neuauflagen (1644, 1662, 1664, 1679) kam.¹⁵⁶ Ausgehend von einem Vertrag aller Untertanen miteinander, mit dem sie ihre „private strength“ an einen Regierungsträger übertragen, entsteht Digges zufolge eine „publique authority“.¹⁵⁷ Genauso wie später Hobbes beschreibt Digges einen Naturzustand, der zwar grundlegend von der Gleichheit aller geprägt ist, jedoch auch von der Durchsetzung derjenigen, die die größte Kraft („force“) besitzen. Die bereits bekannte Unterscheidung zwischen „power“ als überlegene Stärke im Naturzustand und „authority“ als rechtmäßige Kompetenz des Herrschers, ist auch bei Digges anzutreffen. Dies ist bei weitem nicht die einzige Ähnlichkeit bzw. Übereinstimmung zwischen den beiden Autoren, was auch von der Forschung nicht unbemerkt blieb und zu der Annahme geführt hat, dass Hobbes Elemente von Digges entlehnte.¹⁵⁸ Die Unterscheidung zwischen den Termini von „power“ und „authority“ erfolgt jedoch bei Digges nicht immer trennscharf. Dass sich mit
Allen, J. W., English political thought, Bd. 1, 1603 – 1660, London 1938, S. 494. Vgl. Stoker, David, Dudley Digges (16013 – 1643), in: ODNB 2004. Digges, Dudley, The Unlawfulnesse of Subjects taking up Armes, London 1643, S. 6. Siehe dazu auch Kapitel 4.2.3. Neben inhaltlichen Ähnlichkeiten gibt es zudem stilistische Übereinstimmungen. Auch Digges nimmt die Argumente seiner Gegner auf und antwortet direkt auf sie, da dies ihm zufolge schneller zu dem gewünschten Ergebnis (ihrer Dekonstruktion) führt: „I took this method […] that by joyning issue upon their own grounds, I might put a quicker end on the debate.“ (Ebd., S. 71) Hobbes macht es ähnlich, verfeinert die Methode aber, indem er sich eines bestimmten Diskurses annimmt, um ihn dann subtil und von innen heraus zu dekonstruieren.
4.2.3 „Authority“ in Schriften ab 1642
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letzterem Begriff eine rechtliche Komponente verbindet, macht aber auch Digges deutlich. So zum Beispiel wenn er von irregeleiteten Bürgern, die einen Krieg gegen die Souveränität ausgelöst haben „to challenge the legal power“¹⁵⁹ spricht. Eine Art Definition von „authority“ liefert Digges, wenn er feststellt: „It is unlawfull to resist him, or them in whom the supream authority, (that is, all the legall power of the Kingdome) is placed“.¹⁶⁰ Zwar beschreibt er auch andere Formen der Regierung (Aristokratie, Demokratie), doch im Grunde ist Digges Royalist und die Ausrichtung dieser Worte ist klar: Sie sollen der Stärkung der Stellung des Königs dienen. Dieses Ziel versucht Digges mit dem Rekurs auf die traditionelle, aus den Proklamationen bekannte Deutung von „authority“ als dem König aneignende, überlegene, rechtliche Kompetenz zu erreichen. In diesem Sinn betont er wiederholt die Zusammenhänge zwischen dem Amt des Königs, Recht und Gesetz. Der König ist nur gebunden durch Gottes Gesetz und seinen eigenen Eid, seine Untertanen zu schützen. Er selbst untersteht aber als Person nicht den Gesetzen des Landes, sondern steht über ihnen und führt sie aus – weshalb er Digges‘ zufolge auch nicht rechtmäßig wegen einer Gesetzesübertretung angeklagt werden kann. Weiterhin haben sich Digges zufolge alle Untertanen verpflichtet, „not to resist authority“. Ein bemerkenswerter Unterschied zwischen Parkers Argumentation und der Digges‘: Während Parker die Bürger geradezu dazu aufforderte, den Gesellschaftsvertrag und alle geleisteten Eide zu vergessen, wenn ihre Sicherheit vermeintlich nicht mehr gewährleistet wäre, plädiert Digges in jedem Fall für ein Festhalten an einem einmal geschlossenen „covenant“, der irreversibel ist. Durch die ausdrückliche Darstellung der Einheit der Macht delegitimiert Digges alle Ansprüche der Opposition, ein Recht auf Widerstand und damit auf Rebellion zu haben: „those that take up Armes being not authorized so to do by law, are guilty of rebellion, and the consequences of it, murder and rapine.“¹⁶¹ Der König herrscht über sein Volk gleich einem Vater über seine Familie, womit Digges auch eine Absage an die von Parker häufig bemühte und vertretene Vorstellung „singulis major, universis minor“ verbindet.¹⁶² Auch mit Kritik an der „mixed monarchy“ ist Digges nicht sparsam: „a mixed monarchy is a contradiction“, urteilt er. Einzig denkbare Alternative zu einer absoluten Monarchie ist eine „restrained and limited monarchy“, in der der Monarch aber immer noch die souveräne Gewalt inne hat.¹⁶³
Ebd., S. 7. Ebd., S. 10. Ebd., S. 8 f. Vgl. ebd., S. 70, 75. Ebd., S. 168 f.
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Darüber, wo die Quelle der Vollmacht des Herrschers zu verorten ist, macht Digges unterschiedliche Aussagen. Einmal ist Gott die Quelle aller Macht, einmal das Volk, das mit dem „covenant“ die eigene Stärke übertragen hat.¹⁶⁴ Fest steht aber, dass sowohl die göttliche Weisung als auch der Herrschaftsvertrag zwischen Volk und Herrscher zur Einsetzung eines nicht mehr mit irdischen Mitteln zu belangenden Königs beigetragen haben: „they cannot retain, what they have parted with, nor have what they gave away“.¹⁶⁵ In diesem Sinn lehnt Digges auch die Idee dreier gleichberechtigter, koordinierter Stände als legislative Gewalt als „non-sense“ ab. Es muss immer klar bleiben, wer die oberste legislative Gewalt im Staat habe (der König) und wer lediglich delegierte Rechte und Privilegien genießt (das Parlament). Das Koordinationsprinzip anzuführen als Rechtfertigung eines Anspruches auf Widerstand gegen königliche Entscheidungen, so wie es die parlamentarische Opposition getan hatte, lehnt Digges hingegen ab. Auch die oppositionelle Behauptung, „War against the person of the King [is] not resistance of the higher power, but war against his authority onely“, lehnt Digges ab. Eine Trennung zwischen der Person und dem Amt des Königs mache keinen Sinn, denn man soll sich laut biblischer Weisung nicht der Person widersetzen, die mit Macht ausgestattet ist. Der Fehler der Opposition liege darin zu denken, „[that] power signifies the right and honest use of authority, whereas it signifies the right to use his authority, whether well or ill“.¹⁶⁶ Macht markiert also das Recht der Nutzung der „authority“ einer bestimmten Person, nämlich des Amtsinhabers. Auf die Monarchie übertragen heißt das, dass der König die oberste Vollmacht im Staat hat, er ist irreversibel „invested with authority“. Macht erlangt ein anderer Mensch im Staat nur, wenn der König sie ihm gibt, wenn er ihn also in einem bestimmten Maß zu einer Handlung autorisiert. Eine weitere Gruppe pro-monarchischer Autoren, auf die hier kurz eingegangen werden soll, sind die Vertreter des Patriarchalismus. Hier ist besonders Robert Filmer zu nennen, der einer der wichtigsten Theoretiker des absoluten Gottesgnadentums und der englischen Monarchie war. Als einer der überzeugtesten Anhänger Karls I. publizierte Filmer ab 1648 diverse pro-royalistische Schriften zugunsten des Monarchen im Konflikt mit dem Parlament. Hintergrund für sein erst recht spätes Engagement für die Sache des Königs ist sicher die Zeit seiner Inhaftierung in Leeds Castle, die von Beginn des Jahres 1643 bis Mitte 1645 andauerte. Bereits vor 1643 wurde Filmer durch die Commons wiederholt der Unterstützung der royalistischen Sache und der Beteiligung an antiparlamenta-
Ebd., S. 70 ff. Ebd., S. 72. Vgl. ebd., S. 161 f.
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rischen Petitionen sowie der Bereitstellung von Waffen für die Truppen Karls I. verdächtigt – nachweisen konnte man ihm hingegen nie etwas. Das schien ihn dennoch nicht vor einer langen Haft und einer zunächst sehr hohen Besteuerung und dann der Beschlagnahmung seiner Besitztümer zu bewahren. Auch nach seiner Entlassung ließ er sich nicht zu einer offenen Beteiligung am Bürgerkrieg auf Seiten des Königs hinreißen. Zu diesem Zeitpunkt war seine Gesundheit wohl bereits stark angegriffen – weit wichtiger jedoch als seine Beteiligung am bewaffneten Konflikt war für die Royalisten seine literarische Tätigkeit. Filmer verfasste zwei politische Traktate, in denen er die Autorität des Königs verteidigte. So war sein Anfang 1648 veröffentlichtes Werk „The Freeholders Grand Inquest“ nicht nur eine royalistische Untersuchung der englischen Gesetze und Verfassung, sondern gilt als beste Ablehnung des Kooperationsprinzips in der Regierung.¹⁶⁷ In „The Anarchy of a Limited or Mixed Monarchy“ von 1648 antwortete Filmer auf Philip Hunton¹⁶⁸ und andere Autoren, die die größere Stabilität einer gemischten Regierungsform betonten, indem er genau diese These negierte. Gerade eine mixed monarchy sei anfällig für politische Unruhen, eine stabile politische Gemeinschaft brauche, so Filmer, zwangsläufig eine einzelne willkürliche politische „authority“. Auch sein früheres und bekanntestes Werk „Patriarcha“, das wohl schon aus den 1630er Jahren stammt, jedoch erst 1680 posthum veröffentlicht wurde, reiht sich argumentativ in diesen Kanon ein. Zwar war dieses Werk einem breiteren Publikum erst lange nach der Restauration zugänglich, es liegt jedoch nahe, dass eine ausgesuchte Leserschaft schon zur Zeit seiner Abfassung damit vertraut war. Filmer verbrachte in den 1630er Jahren viel Zeit in Westminster, wo er Kontakt zu mehreren Gelehrtenzirkeln hatte: Zum einen zu einer Gruppe bestehend aus William Camden, Sir Henry Spelman (1563/4– 1641) und dem Laudianischen Geistlichen Peter Heylyn (1599 – 1662); zum anderen zu einem Zirkel gelehrter Gentlemen aus Kent um Sir Edward Dering und Filmers engen Freund Sir Roger Twysden (1597– 1672).¹⁶⁹ Es ist anzunehmen, dass seine Schrift hier bereits vor dem Druck kursierte und zumindest einen begrenzten Einfluss generierte. In „Patriarcha“ überträgt Filmer die von Gott eingesetzte Regierung Adams über seine Kinder und damit die ganze Welt auf die Regierung eines Staates. Von Adam leitet er die königlichen Herrschaftsrechte ab „as large and ample as the
Filmer, The Freeholders Grand Inquest. Hunton, Philip, A Treatise of Monarchy, Containing Two Parts: 1. Concerning Monarchy in generall, 2. Concerning this particular Monarchy, London 1643. Ders., A Vindication of the Treatise of Monarchy, London 1644. Burgess, Glenn, Sir Robert Filmer, in: ODNB.
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absolutest dominion of any monarch which hath been since the creation“.¹⁷⁰ Er stellt die „subordination of children“ als die „fountain of all regal authority“ dar, die zustande kommt durch den Willen bzw. die Einsetzung Gottes. Filmer ist also auch ein klassischer Vertreter des „divine right of kings“-Arguments. Entgegen denjenigen, die nur in Gott allein die Quelle der absoluten Macht sehen, dem König jedoch diverse Beschränkungen auferlegen, überträgt bei Filmer Gott dem König unumschränkte Vollmacht. Er ist aber auch einer der Gegner eines wie auch immer gearteten Vertrages zwischen König und Volk, was kaum verwundert, da die Vertragstheorie zu Beginn der 1640er Jahre eng mit der Opposition gegen Karl I. verbunden war, obgleich sie in ihrer ursprünglichen Ausprägung bereits seit dem 13. Jahrhundert existierte. Die Gegner des Königs im Parlament forderten mit dem Verweis auf den Herrschaftsvertrag eine rechtlich bindende Begrenzung seiner Macht. Allen „imaginary pactions“ zwischen König und Volk erteilt Filmer jedoch eine deutliche Absage. Im Gegensatz dazu wird der Herrscher als direkter Nachfolger Adams beschrieben und ist somit aufgrund dieses Naturrechts herrschaftsberechtigt über alle Familien des Landes. Auch bei Filmer finden sich die verschiedenen Verteilungsmechanismen von „authority“, allerdings eben in der royalistischen Definition der Übertragung von Rechten und Privilegien vom König an seine Untertanen im Rahmen der „universal fatherly care of his people“. Zwar ist Filmer überzeugter Royalist, dennoch räumt er auch andere Formen der Herrschaft als denkbar ein, denn neben dem König als Oberhaupt des Staates, der auf verschiedene Weisen in sein Amt kommen kann,¹⁷¹ können auch wenige (Aristokratie) oder viele bzw. alle (Demokratie) das Land regieren. In jedem Fall sei aber „the authority that is on any one, or in many, or in all of these, […] the only right of a supreme Father“ und damit das „natural right of regal power“. Es geht Filmer vordergründig um eine Beschreibung der Art des königlich-väterlichen Rechts auf Herrschaft. Zwar macht Filmer Zugeständnisse an andere Modi der Regierung: „In all kingdoms and commonwealths in the world, whether the Prince be Supreme Father of the people or […] whether a few or some multitude govern the commonwealth“¹⁷², seine Bevorzugung der Monarchie ist dennoch offenkundig¹⁷³ und wurde von der Forschung, die Filmer zu den royalistischen Autoren zählt, auch
Filmer, Robert, Patriarcha, in: Robert Filmer, Patriarcha and other Political Works, hg.v. Peter Laslett, Oxford 1949. „whether the Prince be Supreme Father of the People or but the true heir of such a Father, or wether he come to the Crown by usurpation, or by election of the nobles or of the people, or by any other way whatsoever“ Filmer, Patriarcha, S. 54 ff. Ebd. Vgl. Filmer, Observations, Vorwort.
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richtig erkannt.¹⁷⁴ Ganz anders liegen die Dinge in Bezug auf Hobbes. Freilich bedingten viele andere Elemente seine zeitgenössische Rezeption unter anderem auch als Gegner der Monarchie (vgl. Kapitel 5). Dennoch genügte einigen die bloße Erwähnung anderer Regierungsformen außer der Monarchie im „Leviathan“ dafür, Hobbes eine gewandelte, politische Ausrichtung zu unterstellen. Ein weiterer Vertreter des Anspruchs „Monarchia fundatur in paterno jure“ war der Erzbischof des irischen Bistums Tuam John Maxwell (um 1586 – 1647).¹⁷⁵ Ebenso wie Filmer betonte er die göttliche Ordnung, die den Monarchen als Nachfolger Adams als erstem König der Welt vorgesehen hat. Seine Mitmenschen erinnerte er eindringlich an diese von Gott eingerichtete Regierung: „I humbly entreat those who contrary minded to consider seriously how Almighty God […] fixed authority and power for government in the person of Adam“.¹⁷⁶ Er nennt Gott als unangreifbare Quelle der monarchischen Vollmacht, wobei er offensichtlich nicht zwischen „authority“ und „power“ unterscheidet. Auch bei Filmer findet sich keine eindeutige Trennung zwischen der „authority“ und der „regal power“, die beide von Gott abgeleitete Naturrechte sind. Maxwell gilt als einer der vehementesten Verfechter des Absolutismus seiner Zeit. Seine Arbeit beruft sich stark auf das „divine right of kings“-Argument.¹⁷⁷ Maxwell war ein entschiedener Gegner des Presbyterianismus: So wie jede andere Gesellschaft auch, so seine Überzeugung, braucht die Kirche eine verlässliche Regierung, die er durch das Episkopat gewärleistet sah. Der presbyterianischen Ansicht, der König sei der „authority“ der Kirchenältesten unterworfen, erteilt Maxwell eine Absage. Die Monarchie sei diejenige Regierungsform, die in der Bibel als die bestmögliche gekennzeichnet wird und der König „holds authority by direct divine institution“ und ist nur von Gott abhängig bzw. nur ihm Rechenschaft schuldig.¹⁷⁸ Das ist für Maxwell nicht gleichbedeutend mit einer despotischen Herrschaft außerhalb der
Vgl. Comstock-Weston, Renfrow-Greenberg, Subjects and Sovereignes, S. 114. Pečar, Ursprungslegenden, S. 19 f. Sommerville, Royalists and Patriots, S. 249. Skinner, Freiheit und Pflicht, S. 100. Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 79. Neben dem „jure divino“-Argument, das Maxwell vertritt, setzte er sich auch gegen eine Spaltung der Kirche ein. Er lehnte die politischen Philosophien von John Knox und George Buchanan offen ab. Dies und sein unbeirrtes Eintreten für die göttliche Legitimation des Monarchen ließ ihn im Ansehen bei Karl I. weit steigen. Er diente am königlichen Hof in Oxford als Kaplan Karls I. Vgl. Pearce, A.S. Wayne, John Maxwell, in: ODNB, https://doi.org/10.1093/ref:odnb/18406, Stand: 05.04. 2020. Maxwell, John, Sacro-Sancta Regnum Majestas, 1644, S. 83 ff., in: Documents and Debates. Politics, Religion and Society in revolutionary England, 1640 – 1660, hg.v. H. Tomlinson, D. Gregg, London 1989. Vgl. Burgess, British Political Thought, S. 215 ff. Maxwell, Sacro-Sancta, S. 17 ff., 24. Vgl. Burgess, British Political Thought, S. 216.
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geltenden rechtlichen Konventionen, an die auch der Souverän gebunden ist. Jedoch hat kein Volk das Recht, einen König zu verurteilen oder abzusetzen, denn er allein garantiert ein geordnetes Zusammenleben und das Volkswohl – auch wenn seine Herrschaft nicht unfehlbar sein mag.¹⁷⁹ Zwar werden alle Menschen frei und nicht in Sklaverei geboren, sie sind dennoch der Unterordnung unter eine politische Macht verpflichtet.¹⁸⁰ Zudem hat kein Mensch – da alle gleiche Rechte haben – eine Vollmacht über einen anderen inne, die zur Bildung eines Staates befähigen würde. Stattdessen tragen Könige eine Art göttliches Moment in sich, das bei der Regierung eines Staates zum Tragen kommt. Insgesamt lehnt Maxwell somit alle Vorstöße der Parlamentarier, die „authority“ im Volk zu verorten, ab.¹⁸¹ Hobbes’ detaillierte Beschreibung von „authority“ setzt sicher auch hier an: Die Verwechslung bzw. Gleichsetzung zwischen Vollmacht im Sinne einer rechtlichen Befugnis und der Macht etwas zu tun im Sinne überlegener Stärke und Befähigung sind bei ihm eben nicht dasselbe. Er räumt, wie gezeigt werden konnte, der „authority“ einen größeren Stellenwert ein und stärkt so den rechtmäßigen Anspruch der traditionellen Eliten vor der Usurpation derjenigen, die die größere Macht aufweisen, etwa weil sie von der Armee unterstützt werden. Diese Trennlinie zwischen Macht und Vollmacht als rechtlicher Befugnis ist gleichsam eine Abgrenzung zu den Verteidigern des Rump, für die der „necessity“ vor dem Recht die oberste Priorität zukam.
4.2.4 Die Armee – ein Sonderfall? Mit dem Beginn der „heißen Phase“ des Bürgerkrieges, markiert durch die erste Schlacht von Edgehill am 23. Oktober 1642, war endgültig die Notwendigkeit der Gegner Karl I. gegeben, sich selbst in ihrem Handeln gegen den König und seine „authority“ zu legitimieren. Zunächst gab es auf diesem Feld keine großen Innovationen. Stattdessen wurden Begriffe und Argumentationslinien genutzt, die Teil einer gemeinhin bekannten, politischen Sprache waren – wenn sie auch, wie im Fall der „authority“, auf einen neuen Inhaber (das Parlament) angewandt wurden.¹⁸² Seit Mitte der 1640er Jahre gewannen zunehmend radikalere Ideen an
Maxwell, Sacro-Sancta, S. 136, 159 f. Ebd., S. 124 f. Ebd., S. 48. Vgl. Burgess, British Political Thought, S. 193 ff. Burgess betont, dass zunächst v. a. das durch das Gesetz (und in Anlehnung an die schottischen Covenanters) verbriefte Recht auf Widerstand zum Schutz der Gemeinschaft bemüht wurde. Religiöse Argumente spielten in der ersten Phase des Bürgerkrieges hingegen noch eine untergeordnete Rolle. Eine Veränderung der Grundan-
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Boden, unter anderem die der Independents, deren Mitglieder hauptsächlich in der Armeeführung zu verortenden waren. Die „authority“ des Parlaments und insbesondere des Unterhauses als Repräsentant des Volkes, das über die Commons sein bürgerliches Recht auf politische Selbstbestimmung ohne tatsächliche politische Partizipation wahrnahm, wurde z. B. von Edward Sexby (1616 – 1658) hervorgehoben.¹⁸³ Und William Ball bekräftigte, dass in Zeiten des Konfliktes zwischen König und Parlament über ihre Autoritätsansprüche das Volk bzw. seine Armee als Korrektiv diene, um den Disput beizulegen.¹⁸⁴ Daran abzulesen sind
nahmen des politischen Denkens vollzog sich erst im Lauf der 1640er Jahre von der „Ancient Consitution“, die Geschichte und Gewohnheitsrecht betonte, hin zu einem „political rationalism“, der die Vernunft und das Naturrecht in den Fokus nahm. Utter-Barrister [wahrscheinlich Edward Sexby], England’s miserie, and remedie in a judicious letter from an utter-barrister to his special friend, concerning Leiutenant [sic.] Col. Lilburn’s imprisonment, London 1645. Sexby war zu Beginn des Bürgerkrieges ein einigermaßen erfolgreicher Offizier und diente in der New Model Army unter Thomas Fairfax. Er wird als einer der radikalsten Agitatoren beschrieben. Er hatte wesentlichen Anteil am Verfassen und der Verteilung der Schrift „Apologie of the Common Soldiers“, die als Schlüsseltext der Radikalisierung der Armee gilt. Sexby spielte eine große Rolle bei der Organisation und Aufrechterhaltung der Loyalität innerhalb der Armee. Mit Beginn der Zersplitterung der militärischen Räte im Herbst 1647 agierte Sexby als Vermittler zwischen den Fronten des Generalrats der Offiziere, der Agitatoren und den sog. „new agents“, die eine republikanische Verfassung und ein umfassendes Wahlrecht forderten. Sexby war wahrscheinlich einer der Autoren des Manifests der new agents, „The Case of the Army truly Stated“. Während der Putney Debates wandte sich Sexby gegen seine Vorgesetzten, die Friedensverhandlungen mit Karl I. anstrebten. Stattdessen machte er sich für die Rechte der einfachen Soldaten stark und forderte ihre politische Partizipation und ein weitreichendes Wahlrecht. Am Ende der Debatten bekannte er sich zu seiner antiroyalen Gesinnung. Im Unterschied zu John Lilburne und seinen Anhängern verstand Sexby es aber, sich in seinen jeweiligen Positionen unentbehrlich zu machen und konnte so eine steile militärische Karriere unter dem neuen Regime machen. Wegen einer dienstlichen Affäre verlor er jedoch sein Kommando und alle Versuche, sich zu rehabilitieren, blieben erfolglos. Sexby ging nach Flandern und Spanien und verhandelte mit den Royalisten über die mögliche Wiedereinsetzung Karls II. unter der Vorbedingung, dass die Freiheiten und Rechte der englischen Bürger garantiert würden. Pläne, den in seinen Augen zum Tyrannen verkommenen Cromwell in einem Attentat zu töten, scheiterten jedoch; Cromwell hingegen erlangte Kenntnis vom Gesinnungswechsel Sexbys. Als im Mai 1657 das Manuskript „Killing Noe Murder“ auftaucht, in dem das geplante Attantat auf Cromwell gerechtfertigt wird, wird dies (wahrscheinlich zu Unrecht) Sexby zugeschrieben. Sein letzter Versuch, in Flandern Unterstützung für seinen Plan zu gewinnen, scheitert an seiner Verhaftung im Sommer 1657. Geistig verwirrt und körperlich verzehrt stirbt er zu Beginn des Jahres 1658 im Tower of London. Vgl. Marshall, Alan, Sexby, Edward, in: ODNB, https://doi.org/10.1093/ ref:odnb/25151, Stand 05.04. 2020. Ball, William, Tractatus de Jure Regnandi & Regni: Or, the Sphere of Government, According to the Law of God, Nature and Nations, London 1645. Über Sir William Ball of Barkhams Leben ist
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zwei grundsätzliche Entwicklungen der Argumentationsweise. Erstens die zunehmende Überzeugung, dass Gott den Menschen bestimmte Geburtsrechte gegeben hat, zu denen ganz maßgeblich ihre Freiheit gehört – in politischen wie religiösen Belangen. Daraus leitet sich eine Absage an die absolute Vollmacht einer Regierung ab, sei es ein Königtum oder ein Parlament, da der Mensch schlicht nicht fähig sei, diese zu übertragen. Wie der Leveller und politische Autor Richard Overton (fl. 1640 – 1663) betonte, sei die „self propriety“ jedes Menschen von Gott geschaffen und von ihm begrenzt. Durch Konsens könne man lediglich einen Teil seiner Rechte und Freiheiten ab- bzw. aufgeben.¹⁸⁵ In diesem Sinne beschrieb Overton auch die Limitierung der parlamentarischen wie der königlichen Vollmacht; die einzig akzeptable Regierungsform sei „a limited government by consent“ – und zwar eines reversiblen Konsenses jedes Individuums.¹⁸⁶ „All political authority was entrusted authority“, die zustande kommt „by contract and agreement“, fasst Burgess die ganz ähnlich klingende Position des Levellerführers John Lilburne (um 1615 – 1657) zusammen.¹⁸⁷ Damit widersprach man
wenig bekannt. Er stammte aus Berkshire und war wahrscheinlich Jurist am Office of Pleas des Exchequer Court. Overton, Richard, An Appeale from the Degenerate Representative Body, London 1647. Besonders über Richard Overtons frühes Leben ist wenig Gesichertes bekannt. Wahrscheinlich ist, dass er während eines Aufenthaltes in den niederländischen Generalstaaten zum Baptismus konvertierte (vermutlich um 1615), andere Quellen legen die Aufnahme eines Studiums ab 1631 am Queen’s College in Cambridge nahe. Ebenso schwer fassbar wie biografische Details ist sein Gesamtwerk: ihm werden bis zu 150 Pamphlete und Artikel zugeschrieben, nur etwa ein Sechstel davon ist ihm aber einwandfrei zuzuordnen. Andererseits ist es wahrscheinlich, dass er der Autor einiger Pamphlete ist, die später William Walwyn oder John Lilburne zugeschrieben wurden. Aus einigen Bemerkungen in seinen Schriften kann darauf geschlossen werden, dass er Geistlicher war und eine zeitlang auch Soldat oder Feldgeistlicher. Seine frühen Schriften sind deutlich antikatholisch geprägt; er schrieb aus Sicht eines Puritaners und attackierte William Laud, dem er (neben Thomas Wentworth) die Hauptschuld an der schlechten Beratung Karls I. und damit an den Missständen der englischen Monarchie gab. Zwischen April 1645 und Januar 1646 veröffentlichte Overton eine Reihe antipresbyterianischer Satireartikel („Mar-Priest tracts“), die sich in der Armee großer Beliebtheit erfreuten. Vgl. Gibbons, B. J., Richard Overton, in: ODNB. Vgl. Ders., A Remonstrance of Many Thousand Citizens and other free-born people of England, to their own House of Commons, London 1646. – Ein Traktat, dass Burgess als die Geburtsstunde der Leveller bezeichnet. Vgl. Burgess, British Political Thought, S. 248. Alle Menschen seit Adam und Eva seien Lilburne zufolge „by nature all equal and alike in power, dignity, authority, and majesty none of them having (by nature) any authority, dominion or magisterial power one over or above another; neither have they nor can they exercise any, but merely by institution or donation, that is to say by mutual agreement or consent, given, derived, or assumed by mutual consent or agreement, for the good benefit and comfort each of other.“ Lilburne, John, The Freemans Freedome Vindicated, London 1646, Postscript.
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Lilburnes frühe Kritik galt der Kirche und ihrem Episkopalwesen, das er als papistisch legitimiert und unchristlich beschrieb und die Menschen dazu aufforderte, dieses Joch abzuwerfen – wofür er bereits in den 1630er Jahren zu drakonischen Strafen verurteilt wurde. 1640 wurde er auf Betreiben Cromwells hin aus der Haft entlassen. Er beobachtete intensiv die Konflikte zwischen König und Parlament Anfang der 1640er Jahre und befürwortete die Hinrichtung des Earls of Strafford. Lilburne trat 1642 in die Parlamentsarmee ein und war an mehreren Schlachten des Bürgerkrieges beteiligt (u. a. Edgehill und Marston Moor). Er verweigerte jedoch 1645 den „Solemn League and Covenant“, da er sich nicht mit dem presbyterianischen Kirchensystem, das der Eid implizierte, arrangieren wollte und verließ die Armee Ende April 1645. Bis 1646 geriet Lilburne in verschiedene Konflikte mit presbyterianischen Geistlichen in London, politischen und geistlichen Presbyterianern im Unterhaus und fast dem gesamten Oberhaus. Er wandte sich ausdrücklich gegen jedwede Form der Nationalkirche und forderte stattdessen ein unabhängiges System kleiner Gemeinden. Vor diesem Hintergrund beteiligte er sich am pamphlet war zwischen Presbyterianern und Independents. Es ist wahrscheinlich, dass er seit 1646 mit Richard Overton zusammenarbeitete. Einer seiner erbittertsten Widersacher war William Prynne. Zwar verankerte Lilburne die oberste Autorität im Unterhaus, dieses sollte jedoch nicht unumschränkt herrschen, sondern in seiner Macht stark begrenzt sein. Lilburne wollte eine Reform des Parlaments, brachte jedoch auch umfassende Forderungen auf vielen anderen Gebieten hervor (betreffend den Handel, die Kirche, die oligarchische Herrschaftsstruktur Londons u. a.). Er musste für die freimütige Äußerung seiner Überzeugungen wiederholt Haftstrafen verbüßen, baute sein Netzwerk zu führenden Independents aber auch während einer längeren Haft im Tower 1646 – 48 weiter aus und wurde von Cromwell schon Anfang November 1647 als Führer der Leveller bezeichnet. Aus dem Gefängnis heraus unterstützte er die Auswahl und Arbeit der Agitatoren, warnte aber im Verlauf der Putney Debates vor ihrer zunehmenden Korrumpierung. Zwischen 1646 und 1649 veröffentlichte er an die 40 Pamphlete (teilweise zusammen mit Overton, Walwyn und Thomas Prince), in denen er jede machthabende Kraft im Land (Ober- und Unterhaus, Armeeführung unter Cromwell und Ireton) beschuldigte, ihre eigenen Partikularinteressen zu verfolgen. Insbesondere die militärische Führung, inzwischen mit Cromwell an der Spitze, beschuldigte er, die einfachen Soldaten durch die Verwerfung des „Solemn Engagement of the Army“ von 1647 verraten zu haben. Statt die hier zugesicherte Führung der Armee durch den General Council (Generalität und je zwei einfache Soldaten je Regiment) zu realisieren, habe man sich auf Verhandlungen mit Karl I. eingelassen. Gegen Ende des zweiten Bürgerkriegs setzte sich Lilburne entschieden für ein Agreement ein, verließ aber die Debatten in Whitehall vorzeitig, da er unzufrieden war mit der hier erarbeiteten Kompromisslösung. Er positionierte sich deutlich gegen einen Prozess gegen Karl I. und plädierte in dieser unsicheren Zeit für eine vorläufige Beibehaltung des Königtums als Gegengewicht zu dem sich erhebenden neuen Tyrannen: der Armeeführung unter Cromwell. Während der chaotischen Phase Ende 1648/Anfang 1649 zog sich Lilburne auf seinen Landsitz zurück, konnte sein Schweigen jedoch nicht lange aufrecht erhalten und veröffentlichte Ende Februar 1649 „Englands New Chains“. Er forderte Armee, Provinzen und Londoner Bürger dazu auf, sich gegen die neue Militärjunta, den Staatsrat und sein „puppet parliament“ zu stellen. Es folgte eine erneute Inhaftierung, während deren Dauer sich die Baptisten und Independents (bislang Verbündete der Leveller) im März 1649 dem Rump verpflichteten und die Zahl seiner Anhänger in der New Model Army schwand. Dennoch verfasste Lilburne zusammen mit Walnwyn, Overton und Prince (die mit ihm inhaftiert waren) eine finale Fassung des „Agreement“ sowie weitere Schriften (unter anderem „Legall Fundamentall Liberties“, das als
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natürlich dem gemäßigteren Verständnis der Übertragung der Vollmacht auf den König via Herrschaftsvertrag, wie er gemeinhin von der Opposition gegen Karl I. geäußert wurde.¹⁸⁸ Lilburne stellt das Volk als Souverän dar; die Menschen seien weder in der Lage, die Verfügungsgewalt über ihren Glauben, noch über ihr Leben oder ihren Besitz aufzugeben und an einen Herrscher zu delegieren, denn nur Gott dürfe ein solch absolute Macht über die Menschen haben, nicht jedoch ein anderer Mensch.¹⁸⁹ Die Auffassungen darüber, wie groß und direkt der Anteil des Volkes an der politischen Partizipation sein sollte, gingen im zeitgenössischen Diskurs weit auseinander und wurden im Rahmen der Putney Debates 1647 zwischen den Grandees der Armee, wie Oliver Cromwell und Henry Ireton, und Vertretern der Leveller, ¹⁹⁰ vor allem John Wildman (1622/3 – 1693)¹⁹¹, Edward Sexby und Thomas
beste Zusammenfassung der Forderungen Lilburnes in dieser Zeit gilt und zugleich eine Rechtfertigungsschrift ist). Hier kritisierte Lilburne nicht nur den Prozess gegen Karl I. als illegitim, sondern auch die Herrschaft seit seiner Hinrichtung als tyrannisch und ohne rechtliche Grundlage. Im August folgten weitere Schriften diesen Inhalts, die schließlich zu einer HochverratsAnklage führten. Entgegen aller Erwartungen gelang es Lilburne durch geschickte Verteidigung die Jury von seiner Unschuld zu überzeugen; er und seine Mitstreiter kamen zwar frei, die LevellerBewegung war jedoch am Ende und Lilburne zog sich aus der Politik zurück. In den Folgejahren versuchte er sich erfolglos als Jurist zu etablieren und geriet über den Umgang mit beschlagnahmtem Eigentum in einen Konflikt mit Arthur Hesilrige (einem etablierten Rumper), der zu seiner Ausweisung aus England mit der Androhung, wegen Verrats angeklagt zu werden, sobald er zurückkehren sollte, führte. Lilburne ging ins Exil, kehrte aber ohne Erlaubnis nach dem Sturz des Rump 1653 zurück und wurde prompt inhaftiert und des Verrats angeklagt. Erneut konnte er (mit Unterstützung der kurz wieder aufflackernden Leveller-Bewegung und einer großen Breite der Bevölkerung) der Todesstrafe entgehen, blieb aber zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung und Stabilität weiter in Haft. Körperlich geschwächt durch ein Leben geprägt von Konflikten und Gefängnisaufenthalten starb Lilburne 1657. Vgl. Sharp, Andrew, John Lilburne, in: ODNB, https://doi.org/10.1093/ref:odnb/16654, Stand: 05.04. 2020. Vgl. Burgess, British Political Thought, S. 252. Burgess kommentiert: Lilburne, John, Regall Tyrannie Discovered, London 1647, S. 9 – 11. Vgl. ebd. Tatsächlich handelt es sich zu Beginn der Putney Debates eher um eine noch recht lose Gruppe von Pamphletisten, denn der Name der Leveller ist eine spätere Fremdzuweisung. Karl I. gab der Gruppe um Lilburne nach den Putney Debates diesen Namen, Lilburne selbst grenzte sich stets bewusst von der Bezeichnung ab und nannte sich und seine Anhänger lieber Agitators oder Levellers so called. Nedham hielt in seinem royalistischen Nachrichtenbuch „Mercurius Pragmaticus“ fest, dass Karl I. die Agitatoren der Armee mit dem Namen der Leveller getauft habe „in a most apt Title for such […] to indeavor to cast downe and level the inclosures of Nobility, Gentry and Propriety, to make us all even“ – keinesfalls ein willkommener Gedanke für die zeitgenössischen Eliten. In diesem Sinn hing den Levellern das Label an, Anarchisten zu sein – woran auch
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Rainborough (fl. 1639 – 1673), diskutiert.¹⁹² Als Diskussionsbasis diente der Verfassungsentwurf der Leveller, das „1. Agreement of the People“ von 1647,¹⁹³ sowie
Cromwells rhetorische Strategie während der Putney Debates mit schuld war.Vgl. Gentles, Ian, The Agreements of the People and their Political Contexts, 1647– 1649, in: The Putney-Debates of 1647. The army, the levellers and the English state, hg.v. Michael Mendle, Cambridge 2010, S. 148 – 174, hier S. 152. Gentles verweist auf einen Artikel im Mercurius Pragmaticus vom 9.–16. November 1647. Wildman gehörte der New Model Army an und macht erstmals 1647 mit Kenntnissen um vertrauliche Diskussionen zum „Head of Proposals“ auf sich aufmerksam. In der Folge wird er als Co-Autor des „The Case of the Armie Truly Stated“ vermutet. Es gilt als gesichert, dass er am „Agreement of the People“ mitarbeitete, das er während der Putney Debates wiederholt verteidigte. In diesem Sinne ist er den Levellern zuzurechnen. Er ermutigte die Soldaten wiederholt dazu, Reformen zu fordern und kritisierte Cromwell und Ireton als Verräter am Vertrauen der Soldaten scharf (z. B. in der unter einem Pseudonym veröffentlichten Schrift „Putney Projects“ von 1647). Wildman sprach sich für ein umfassendes Wahlrecht aus und verortete alle Macht bei den Commons – König und Oberhaus sprach er die Kompetenz eines Vetos ab und forderte stattdessen einen Prozess gegen Karl I. Wildman war ein enger Weggefährte John Lilburnes und verbüßte – genau wie der Leveller-Führer – eine Haftstrafe für seine Überzeugungen. Anders als viele Leveller erkannte er aber den Königsprozess als legitim an und war zu einer Zusammenarbeit mit dem neuen Commonwealth bereit. Er wurde für Scarborough in das erste Protektoratsparlament gewählt, ihm wurde der Sitz aber versagt, was ihn dazu veranlasste, eine Petition für drei republikanische Offiziere zu verfassen, in der die Herrschaft eines Einzelnen verdammt wurde und Grundrechte, wie sie im Agreement niedergelegt waren, gefordert wurden. In der Folge wird Wildmans politischer Wankelmut deutlich: Während er zunächst zusammen mit anderen Levellern republikanische Parlamentarier traf und sogar ein Attentat auf Cromwell plante, wurde er 1655 festgenommen und der Konspiration mit Royalisten zur Restauration der Stuarts beschuldigt. Um frei zu kommen, willigte er in eine Tätigkeit als Doppelspion ein. Zunächst gab er vor, sich mit den im Exil befindlichen Royalisen um Karl II. zu verbünden, später dürfte genau das seine Absicht gewesen sein. Ende der 1650er Jahre äußerte er sich wiederholt in einer Weise, die eine Nähe zu James Harrington erkennen lässt; dementsprechend verwundert es nicht, dass Wildman 1659 eines der Mitglieder der Rota war. Nach der Restauration hatte Wildman zunächst einen guten Start in der neuen Monarchie, wurde aber dann dem Willen zur Wiedereinführung eines neuen Long Parliaments verdächtigt und geriet erneut in Haft. Nach einem längeren Auslandsaufenthalt zu Beginn der 1670er Jahre betätigte er sich immer wieder auch politisch. Vgl. Greaves, Richard L., Sir John Wildman, in: ODNB, https://doi.org/10.1093/ref:odnb/29405, Stand: 05.04. 2020. Die meisten der führenden Leveller wollten die Armee als Ganzes überzeugen, um sich ihrer Macht als Druckmittel gegen das Parlament zu bedienen, das entweder gezwungen werden sollte, an der Errichtung eines Commonwealth nach den Vorstellungen der Leveller teilzuhaben oder aufgelöst werden sollte. Sowohl das hier diskutierte Traktat „The Case of the Army Truly Stated“, das sich vor allem mit den Missständen in der Armee bzw. den Beschwerden der Soldaten beschäftigte, als auch der Verfassungsentwurf des „1. Agreement of the People“ können der Gruppe der Leveller zugerechnet werden. Sie wollten sich damit der Sympathie der Armee, insbesondere der unteren Ränge, für ihre Sache versichern. Dass ihre Auffassungen zum Teil auch Sympathie
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die Erklärung „The Case of the Army Truly stated“ der New Agents. ¹⁹⁴ Ein wesentlicher Fokus der Diskussionen, die uns nur als spätere Ausarbeitung der Kurzschrift-Notizen Sir William Clarkes (1623/4– 1666) überliefert sind und zeitgenössisch nie veröffentlicht wurden,¹⁹⁵ waren das Wahlrecht und seine Grundlagen. Während Maximiliam Petty (fl. 1617– fl. 1661) und Thomas Rainborough¹⁹⁶
bei einigen Vertretern der Offiziersränge fanden, ist zwar unbestritten, dennoch war kaum einer der hochrangigen Offiziere gewillt, die Leveller zu unterstützen. In diesem Sinn charakterisiert Woolrych das Treffen zwischen den Levellern und dem General Council wie folgt: „[it] was not so much a debate within the General Council as a confrontation between it and the delegates of a rival organisation whose members were bidding against it for the allegiance of the soldiery“. Vgl. Woolrych, Austin, The debates from the perspective of the army, in: Michael Mendle (Hg.), The Putney Debates of 1647. The Army, the Levellers, and the English State, Cambridge 2001, S. 53 – 78, hier S. 53, 68. Allgemeiner zu den Debatten siehe auch Burgess, British Political Thought, S. 260 ff. Woodhouse, A.S.P. (Hg.), Puritanism and Liberty. Being the Army Debates (1647– 49) from the Clarke Manuscripts, 3. erw. Ausg., London 1992. Vgl. zu den drei Fassungen des „Agreement“: Gentles, The Agreements of the people. Grundlage für diese Schrift waren die zentralen Beschwerden der New Model Army, wie sie sich bereits in der „Large Petition“ geäußert hatten. Die beiden Hauptbeschwerden, die die Armee als Gesamtheit in die Sphäre der Politik Einzug halten ließ, waren erstens die schäbige Behandlung der Soldaten durch das Parlament (Ausfall des Soldes, keine Befreiung von Entschädigungsforderungen für im Bürgerkrieg verübte Handlungen, keine Unterstützung der aus dem Krieg hervorgegangenen Invaliden bzw. Hinterbliebenen von Kriegstoten) und zweitens der Versuch, die Armee aufzulösen, indem man eine hauptsächlichaus den Offiziersrängen bestehende Truppe für die irische Expedition zusammenstellte und den Rest der Soldaten entlassen wollte. Vgl. Woolrych, Perspective of the army, S. 54 f. Vgl. Le Claire, Lesley, The Survival of the Manuscript, in: The Putney Debates, hg.v. M. Mendle, S. 19 – 35. Rainborough war zu Beginn des Bürgerkrieges zunächst in der Marine, später auch an Land unterschiedlichen Befehlshabern zugeteilt. Bis 1645 hatte er es zum Marine-Offizier gebracht und befehligte anschließend erfolgreich auch Truppen zu Land. Seine Intelligenz und sein militärisches Geschick brachten ihm die Anerkennung sowohl seiner Einheiten als auch der Befehlshaber der Armee ein. Sir Thomas Fairfax schlug ihn 1646 als Gouverneur von Worcester vor, 1647 wurde er ins Parlament gewählt, blieb zudem aber militärisch aktiv und erhielt immer mehr politische und administrative Verantwortung in der Armee (so gehörte er z. B. zu denjenigen, die Karl I. die „Heads of Proposals“ überbrachten). Ernüchtert von Cromwells und Iretons Verhandlungen mit Karl I. entwickelte sich eine Gegnerschaft zwischen Rainborough und Cromwell. Während der Putney Debates übernahm Rainborough eine führende Rolle und insistierte bekannterweise für ein selbst „the poorest hee“ umfassendes Wahlrecht. Sein politischer Extremismus führte zu seiner vorübergehenden Amtsenthebung als Befehlshaber (Rainboroughs Ziel war es, Admiral der Marine zu werden). Der erneut ausbrechende Konflikt führte aber zu Beginn des zweiten Bürgerkrieges zu seiner vergleichsweise schnellen Rehabilitierung (man befürchtete, Karl I. könne aus England fliehen). Doch weder Matrosen noch Offiziere der Marine, die selbst 1648 noch königsnah war, wollten den politisch extrem eingestellten Rainborough als Admiral und meuterten gegen ihn. Er quittierte den Marinedienst und fiel noch im gleichen Jahr einem royalistischen
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einen bis zum „poorest hee“ reichenden Kreis der Konsensbeteiligten wollten, verstand z. B. Ireton unter dem Begriff Freiheit vor allem den Schutz der Eigentumsrechte und sah dieser Logik folgend auch nur die Grundbesitzer als wahlberechtigt an. Auch die Argumentation mit „authority“ nimmt einen gewissen Stellenwert in den Putney Debates ein.¹⁹⁷ Mit diesem Begriff wurde vor allem die Kompetenz eines Souveräns beschrieben, wobei neben dem König auch das Parlament als Inhaber von „authority“ angesprochen wird.¹⁹⁸ Die Ableitung der „authority“ erinnert dabei an Hobbes’ covenant, denn mit Bezug auf das „Solemn Engagement of the Army“, dessen Bedingungen potentiell Pate für die Neuorganisation des politischen Systems standen, schließen die Soldaten untereinander einen Pakt, der erst durch die Zustimmung des Einzelnen Verbindlichkeit erlangt.¹⁹⁹ In seiner Schrift „The Case of the Army Truly Stated“ resümiert Ireton die in der Armee verbreitete Forderung, dass jeder Soldat dem „Solemn Engagement of the Army“ zustimmen muss, damit er der hieraus resultierenden „authority“ unterworfen werden kann. Diese „authority“ meint zum Einen die von den Soldaten bestimmten Vertreter aus den jeweiligen Regimentern, die als Beschwerdeführer gegenüber dem Parlament auftraten. Zum Anderen ist aber auch das Parlament als solches gemeint, dem sich die Soldaten unterordnen, sobald ihre Forderungen, z. B. den ausstehenden Sold betreffend, erfüllt sind. Übertragen auf den großen, politischen Kontext ist die Forderung nach einer individuellen Zu-
Attentat zum Opfer. Vgl. Gentles, Ian J., Thomas Rainborowe [Rainborow], in: ODNB, https://doi. org/10.1093/ref:odnb/23020, Stand: 05.04. 2020. Hier und im Folgenden wird die Ausgabe Woodhouses zitiert als „Puritansim and Liberty“. Es ist z. B. die Rede von der „Parliamentary authority“. Vgl. Puritanism and Liberty, S. 2, 29. Aber auch von einer „personal authority“, die der eines Magistrats gegenübersteht und somit nur den König meinen kann, wird gesprochen. Diese Äußerung von John Wildman richtete sich im Kern jedoch gegen jede „authority“ (des Königs und eines Magistrats – also des Parlaments), die nicht im Kern vom Volk abgeleitet ist und ausschließlich dessen Wohl im Blick hat.Vgl. ebd., S. 29. Von der „authority“ des Königs bezogen auf den Prozess der Gesetzgebung, insbesondere den königlichen Konsens zu Gesetzen, die zuvor von den Commons gewählt wurden, ist ebenfalls die Rede. Vgl. ebd., S. 111. Des Weiteren wird „authority“ im traditionellen Sinn genutzt und mit den Eliten im Staat in Verbindung gebracht: „men in places of power or authority in the world, with kings and great men“ (ebd., S. 39). In enger Anlehnung an den „Scottish National Covenant“ und die „Solemn League and Covenant“ schworen sich die Soldaten in diesem „military covenant“ gegenseitig und dem Parlament, sich freiwillig aufzulösen, wenn sie Wiedergutmachung für ihre Beschwerden erhalten würden und wenn alle Politiker, die die Armee missbraucht hatten, ihrer Stellung enthoben werden würden. Ebenso sollte ein neuer General Council of the Army ins Leben gerufen werden, der pro Regiment je zwei gewählte Offiziere und Soldaten enthalten sollte – und somit die „Agitators“ offiziell in die Befehlskette der Armee eingliedern würde.Vgl.Woolrych, Perspective of the army, S. 59 f.
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stimmung der Soldaten zum „Engagement“ gleichzusetzen mit der Forderung nach einem umfassenden Wahlrecht der englischen Bürger. Eine in den Putney Debates diskutierte „Hintertür“ des „Engagements“, nämlich die Möglichkeit, sich nachträglich aus der Verbindung zurückzuziehen, z. B. wenn ein Soldat für sich feststellt, dass das Abkommennicht gerecht oder ehrenhaft („just and honest“) sei, lehnt Ireton jedoch ab. Denn dies würde übertragen auf den größeren Kontext der Regierungsbildung bedeuten, dass der Bürger seine Vollmacht nicht unwiderruflich aufgibt, sondern Inhaber derselben bleibt.²⁰⁰ Eine solche Idee sei Ireton zufolge jedoch „a principle that will take away all commonwealths“. Stattdessen sei man, wenn man sich dem Gesetz durch das „Engagement“ unterworfen habe, auch an dieses gebunden – selbst wenn man nachträglich Mängel feststellt: „Yet if I have engaged that they shall bind me by law […] I am bound so far to my engagement that I must submit and suffer“.²⁰¹ Ireton, der der Schwiegersohn Oliver Cromwells war, konnte während der Putney Debates wachsenden Einfluss auf die Leveller geltend machen, die sich für den Verbleib fundamentaler Rechte und Freiheiten bei dem einzelnen Untertan ausgesprochen hatten, und sie von realitätsnäheren Positionen überzeugen.²⁰² Neben den armeeinternen Überlegungen zum „Solemn Engagement of the Army“ waren auch die Verpflichtungen und Bindungen, die aus den diversen Deklarationen entsprungen waren, die die Armee bezüglich ihrer Intentionen seit Juni 1647 veröffentlicht hatte, ein wesentlicher Teil der Debatte des ersten Tages. Cromwell stellte fest: „Before wee take this [the Agreement] into consideration itt is fitt for us to consider how farre wee are obliged, and how farre wee are free.“²⁰³ Die Klärung dieser Frage war von entscheidender Bedeutung für die Realisierung der Pläne der Leveller.²⁰⁴
Wobei Ireton jedoch einschränkt, dass der Rückzug eines Individuums aus der Vereinbarung kein grundsätzlicher Austritt sein muss, sondern einfach ein Rückzug in die Passivität sein kann. Der Betreffende muss sich dem Regime also nicht aktiv verpfichtet fühlen, darf sich im Umkehrschluss aber auch nicht aktiv an gegen das Regime gerichteten Maßnahmen beteiligen. Vgl. Ebd., S. 11, 30. Puritanism and Liberty, S. 11. Vgl. Burgess, British Political Thought, S. 259. Ebd., S. 9. Woolrych fasst die Lage treffend zusammen: „If its declarations did remain binding, it was under a moral obligation to continue its quest for a settlement by constitutional means in conjunction with its parliamentary allies, at least until its proposals had been thoroughly considered by the parliament and the king. But if Wildman had persuaded the Council that the sole consideration for it was „whether the thinge [the Agreement] bee just or the people’s due, and then there can bee noe Engagement to binde from itt“, the way would have been open for the army to march into London, as the Levellers wanted it to, and inaugurate a revolutionary settlement by
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Der Grund, aus dem eine übergeordnete „authority“ überhaupt ins Leben gerufen werden musste, war für Ireton klar: Es muss stets um den Erhalt des Friedens und der Gesetze gehen.²⁰⁵ Bezogen auf einige Standpunkte Iretons fallen durchaus Parallelen zwischen ihm und der späteren Argumentation Hobbes’ auf, nicht nur was den pragmatischen Zweck eines Staates betrifft, sondern auch die politische Regulierung der Religion betreffend.²⁰⁶ Ein weiteres Hauptthema ist die Forderung nach einer Verfassung, die die Rechte der souveränen Regierung begrenzt und das Volk als Basis aller „authority“ bestätigt: „we desire [first] to have the constitution of the supreme authority of this kingdom reduced to that constitution which is due to the people of this kingdom, and, reducing the authority to this, we will submit to it, we will acquiesce, we will cast our share into this common bottom“.²⁰⁷ Dieser Einwand kann einerseits auf den König bezogen werden, der formal (wenn auch in Gefangenschaft) die „supreme authority“ darstellte. Zugleich verlangt die Armee für ihre Unterordnung eine Begrenzung der Vollmacht des Parlaments durch kontinuierlich wiederkehrende Wahlen, ein verbessertes Vergabesystem der Parlamentssitze und ein erneuertes Wahlrecht. Damit sollte der Entwicklung des Parlaments zu einem dem Königtum ähnlichen, willkürlichen, das Volk unterdrückenden Machtapparat vorgebeugt werden – eine Befürchtung, die bereits vor den Putney Debates in der „Large Petition“ der New Model Army geäußert wurde.²⁰⁸
force.“ Woolrych, Perspective of the army, S. 70. Woolrych zitiert Wildmans Wortäußerung in den Debatten, vgl. Puritanism and Liberty, S. 29. Vgl. ebd., S. 26. Entgegen der Überzeugungen der Leveller sah Ireton deutlich die Gefahr bzw. das vergebene Potenzial einer ausbleibenden politischen Regulierung der (Staats‐) Religion. Mit der Gewährung der von den Levellern geforderten, absoluten Religionsfreiheit vergibt sich der Souverän ein Stück seiner Gewalt und es ist ihm schlechter möglich, für Ruhe und Frieden zu sorgen, denn für jeden Aufruhr gegen die Regierung können stets Glaubens- und Gewissensgründe angeführt werden. Vgl. Burgess, British Political Thought, S. 267. Ebd., S. 30. Gemeint ist: „The Petition of the officers and soldiers in the army“, gedruckt in: A declaration of the engagements, remonstrances, desires and resolutions from Sir Thomas Fairfax and the Generall Councel of the Army, 27. September 1647, S. 1 f. Vgl. Woolrych, Perspective of the army, S. 57 f.Verständlicherweise brachte diese Petition das gesamte Parlament gegen die Armee auf. Sir Thomas Fairfax, der Oberbefehlshaber der Parlamentsarmee (1612– 1671), wurde angewiesen, die Petition zu unterdrücken und für Ruhe und Ordnung in der Armee zu sorgen, was ihm für einige Wochen im Frühling des Jahres 1647 auch gelang. Doch die Beschwerden der Soldaten wurden schnell wieder zum Thema, als die acht Kavallerieregimenter in East Anglia und Essex Vertreter wählten, die die Behebung der Beschwerdepunkte gewährleisten sollten – die „New Agents“ oder „Agitators“. Vgl. ebd, S. 58.
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Betreffend den konventionellen, tradierten Gebrauch von „authority“ wird ein Dilemma der Disputanden bei den Putney Debates deutlich. Einerseits wird „authority“ immer noch dem König zugesprochen, andererseits möchte man sich von ihr als Ausdruck eines erdrückenden, königlichen Prärogativs befreien. Ireton sagt: „I can agree any further, that if the King do not confirm with his authority the laws that the people shall choose [those laws require not his authority], we know what will follow.“²⁰⁹ Gemeint ist zumindest die Abschaffung der Monarchie in der bekannten Form der Dreiteilung zwischen König, Lords und Commons. Die Putney Debates fanden in der Zeit zwischen den beiden Bürgerkriegen statt. Karl I. hatte die erste Runde des Konfliktes verloren und war zu Verhandlungen über die politische Zukunft des Landes, aber auch seiner selbst gezwungen – denn viele Vertreter der Armee wollten mit dem Monarchen „kurzen Prozess“ machen. In diesem Sinn spricht sich z. B. Maximilian Petty (getauft 1617– fl. 1661)²¹⁰ aus, der die Abschaffung von König und Oberhaus anstrebt zugunsten des Unterhauses als alleinigem „Representative of the people“.²¹¹ Auch die den Putney Debates vorausgehenden, wöchentlichen Treffen des General Council in Putney (im September und Oktober 1647) belegen diese Tendenz. Zu Beginn wurden vor allem die Rechte des Königs und seiner Erben thematisiert. Major Francis White († 1657) stellte die Frage, ob der König überhaupt irgendwelche verbliebenen Rechte habe. Er erklärte, dass es außer der Macht des Schwertes keine andere „authority“ im Königreich mehr gebe.²¹² Dass diese Behauptung zu der Zeit doch noch zu weit ging, zeigt sein sofortiger und einstimmiger Ausschluss aus dem General Council. ²¹³ Dennoch zeigt diese Episode, dass die Stellung des Königs bzw. der Mon Ebd., S. 89. Maximilian Petty war Leveller und ist v. a. aufgrund seines Beitrages zu den Putney Debates bekannt. Er war kein Mitglied der Armee, sondern einer der Zivilisten, mit denen die New Model Army verhandelte. Der Versuch, eine zivile Platform innerhalb der Armee zu etablieren, erreichte im Herbst 1647 seinen Zenit. Petty war zusammen mit John Wildman derjenige, der mit dem „Agreement of the People“ dem Offiziersrat eine alternative Lösung präsentierte (am 28. Oktober 1647). Neben seiner Ablehnung des Vetos von König und Oberhaus sprach sich Petty für ein umfassendes Wahlrecht aus – eine Position, die die Offiziere spaltete. Mit dem Ausbruch des zweiten Bürgerkrieges verhandelte das Parlament mit dem König, was die Armee jedoch strikt ablehnte. Auf den Whitehall Debates sollte ein zweites „Agreement of the People“ verhandelt werden; Petty war einer der Teilnehmer. Während der 1650er Jahre war Petty Verwalter für verschiedene Besitztümer des MP Henry Marten, pflegte aber weiterhin seine republikanischen Beziehungen. 1659 war er Mitglied in Harringtons Rota. Vgl. Howard, Beth R., Baker, P.R.S., Maximilian Petty, in: ODNB, https://doi.org/10.1093/ref:odnb/37848, Stand: 05.04. 2020. Puritanism and Liberty, S. 89. Vgl. ebd., S. 64. White wird historisch erstmals fassbar im Mai 1647, als er den parlamentarischen Kommissaren die Beschwerden seiner Soldaten (er war Hauptmann einer Infanterie-Einheit in Sir
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archie insgesamt keineswegs unantastbar war, auch wenn die Armee noch vor der Übernahme der zivilen Gewalt zurückschreckte. Zudem hatte Karl I. seine Reputation in der Armee mit seiner Weigerung, den „Heads of Proposals“ zuzustimmen, weiter beschädigt. Vor diesem Hintergrund sichert Ireton dem König in den Putney Debates nur dann weiterhin eine Position im Staat zu, wenn er auf die Forderungen des „Agreement“ eingeht. Später bekräftigt Ireton nochmals: „if the royal assent could not be had, we should account the authority of the Parliament valid without it“.²¹⁴ Es geht bei den Putney Debates jedoch nicht nur um die Vollmacht und die Position des Monarchen, sondern ganz entscheidend auch um die Anerkennung der „authority“ des Parlaments durch die Armee. Den Grandees Cromwell und Ireton war daran gelegen, die Armee stärker an die Tätigkeit des Parlaments zurückzukoppeln, statt dem Trend der Emazipation der Armeeführung von ihrem eigentlichen Befehlshaber – dem Parlament – nachzugeben.²¹⁵ Vor diesem Hintergrund sind Cromwells Worte zu verstehen: „For the actions that are [now] to be done, and those that must do them, I think it is their proper place to conform to the Parliament, that first gave them their being […] And [indeed] how they can take
Thomas Fairfax‘ Regiment) betreffend die Auflösung der Armee in Saffron Walden übergibt.White vertrat auch in der Folge sein Regiment und verweigerte z. B. seine Zustimmung zu einem Vorschlag, dem Parlament für 10 Jahre den Oberbefehl über die Armee zu geben. Er verband seine Ablehnung mit einer antipresbyterianischen Positionierung, indem er der presbyterianischen Mehrheit des Parlaments unterstellte, gemeinsam mit den Schotten für die Versklavung des Volkes sorgen zu wollen. Seine Auffassungen zeugen von einer Nähe zu den Levellern, so verwundert es nicht, dass er während der Putney Debates als einer der Agitatoren auftrat, die mit den Levellern zusammenarbeiteten. Die Armee, so White, sei die einzig legitime Kraft im Königreich. Er warnte vor einer Einigung mit Karl I. und plädierte dafür für eine Entmachtung des Königs und die Befreiung des Volkes durch die Armee. Er plädierte erstaunlicherweise aber gegen die Hinrichtung Karls I., da niemand im Land die nötige Autorität dazu habe. Bevor sich eine neue Autorität des Volkes durch die konsequente Umsetzung des „Agreement of the People“ konstituiert habe, könne eine solche Entscheidung nicht rechtmäßig getroffen werden. Zudem sei es nicht die Person des Königs, von der die Gefahr ausgehe, sondern das königliche Amt, das es zu beseitigen gelte. Nach dem Leveller-Aufruhr von 1649 wurde White, der unter den Levellern hohes Ansehen genoss, von der Armeeführung als Unterhändler ausgesandt. Er hörte sich ihre Beschwerden an und führte sie anschließend unwissentlich in einen Hinterhalt, bei dem die Leveller verhaftet wurden. White bemührte sich, Blutvergießen zu verhindern, wurde aber fortan von den Levellern als Verräter an der Sache angesehen (z. B. in der Schrift „The Levellers (Falsly so called) Vindicated“). White rechtfertigte seinen Einsatz („A True Relation of the Proceedings in the Businesse of Burford“) und machte anschließend als Offizier Karriere in der New Model Army.Vgl. Zaller, Robert, White, Francis, in: ODNB, https://doi.org/10.1093/ref:odnb/66328, Stand: 05.04. 2020. Ebd., S. 94. Vgl. Burgess, British Political Thought, S. 246.
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the determination of commanding men, conducting men, quartering men, keeping guards, without an authority otherwise than from themselves, I am ignorant. […] For those things that have been done in the Army, as this of [issuing] The Case of the Army Truly Stated, there is much in it useful, and to be condescended to; but I am not satisfied how far we shall [do well to] press [it]. Either they are a Parliament or no Parliament. If they be no Parliament they are nothing, and we are nothing likewise.“²¹⁶ Cromwell appelliert somit an seine Kameraden, die Stellung des Parlaments als souveräne Regierung anzuerkennen und den Ursprung der Armee als aus der parlamentarischen Beschlussfassung stammend anzuerkennen. Jeden, der diese Einsicht verweigert, beschuldigt Cromwell, nicht ernsthaft gegen den gemeinsamen Feind – den König und seine Anhänger – zu kämpfen. Stattdessen sei man verpfichtet, dem Parlament die Vorstellungen der Armee („plan for settlement“) vorzulegen. Das Parlament soll damit nicht übergangen und in seiner Vollmacht verkannt, sondern ganz im Gegenteil als oberste Entscheidungsinstanz respektiert werden. Damit klingt auch das grundsätzliche Selbstverständnis an, vom Volk in Form der im Parlament versammelten MP mit der notwendigen „authority“ ausgestattet worden zu sein, was die Legitimität der Armee auf eine breite und belastbare Basis stellt. Im weiteren Verlauf seiner Rede betont Cromwell dann auch nochmals: „what we shall centre upon [must be the rules of war and our authority from the Parliament. We must not let go of that] if it have but the face of authority. [We are like a drowning man]: if it be but an hare swimming over the Thames, he will take hold of it rather than let it go.“²¹⁷ Für die Armee sei es in jedem Fall besser, auf eine vom Parlament abgeleitete Vollmacht zu rekurrieren, auch wenn die „authority“ des Parlaments selbst fragwürdig scheint. Auffällig ist, dass „authority“ als Schlagwort in der Diskussion hauptsächlich und bis auf wenige Ausnahmen nur von Ireton und Cromwell genutzt wurde. Auf den regulierenden Einfluss Iretons auf die Leveller wurde bereits hingewiesen; nun stand die Bekräftigung im Vordergrund, dass ein „genuine social levelling“ nur durch „universal consent“ aller Bürger zustande kommen würde. Glenn Burgess vertritt die These, dass es vor allem Irteon zu verdanken war, dass die Leveller von einer recht losen Gruppe von Flugschrift-Autoren vor 1647 zu einer geschlosseneren politischen Gruppe zusammenwachsen konnten, die 1648 – 49 steigenden Einfluss geltend machen konnte.²¹⁸ Der Appell sowohl Iretons als auch Cromwells, die „authority“ des Parlaments zu achten und die eigene Hand-
Puritanism and Liberty, S. 97. Ebd., S. 98. Vgl. Burgess, British Political Thought, S. 259 f.
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lungsbefugnis von ihm abzuleiten, mag Ausdruck ihrer weniger radikalen, politischen Einstellung gewesen sein. Im Gegensatz zu den Levellern strebten sie nicht die Durchsetzung einer völlig neuen politischen Ordnung an. Stattdessen setzten sie auf Verhandlungen zwischen Parlament und König. Das gut funktionierende Denkmuster von der Vollmacht des Königs wird jedoch auch in ihrer gemäßigteren Argumentation auf das Parlament übertragen – ein Kniff für die Legitimierung des eigenen Handelns, solange eine Ableitung vom Parlament (z. B. in Form eines Befehls) gewährleistet ist. Das „Agreement of the People“, das den Putney Debates zugrundelag, konnte am 29. Oktober 1647 mit nur wenigen Gegenstimmen beschlossen werden. Der Einfluss Iretons ist deutlich beispielsweise an der Fassung des Wahlrechtes spürbar, welches nicht universal gedacht war, wie die Leveller es ursprünglich gefordert hatten, sondern „servants and beggars“ ausnahm und so Iretons Idee vom landbesitzenden Wähler entgegenkam.²¹⁹ Des Weiteren werden in diesem ersten „Agreement“ die „many inconveniences apparantly arising from the long continuance of the same persons in authority“ stark kritisiert. Abhilfe soll das Prinzip ständiger Parlamentsauflösungen und –neuwahlen schaffen.²²⁰ Indirekt spielt man damit natürlich auch auf die Missstände einer monarchischen Regierung an. In einem an das „Agreement“ angehängten Brief an die Offiziere und Soldaten wird mit einem deutlichen Bezug zum Stellenwert der „authority“ die Angst vieler Armeemitglieder thematisiert, für ihr Vorgehen im Bürgerkrieg später bestraft zu werden. Eine Garantie für die universelle, langfristige Gültigkeit eines Indemnitätsbeschlusses gäbe es nicht, da dieser von einer konträr eingestellten Gruppe im Parlament, etwa im Fall eines Wiedererstarkens der royalistischen Partei, bei der nächsten Sitzung für null und nichtig erklärt werden könne. Am ehesten zweckdienlich sei also eine Vereinbarung mit dem Volk selbst, ein „mutual Agreement between the people and you“, „that no person shall be questioned by any authority whatsoever for anyting done in relation to the late public differences“.²²¹ In Anerkennung der politischen Realitäten des wechselnden Einflusses verschiedener Lager bzw. politischer Gruppierungen entsteht hier der Eindruck, dass „authority“ ihren Ordnungscharakter verliert. Sie erscheint nicht mehr als belastbares Argument der langfristigen Gültigkeit eines Beschlusses, wie noch in den „Royal Proclamations“. Stattdessen wird der Begriff verwendet für alle künftigen Entscheidungsträger, ohne sich auf den König oder das Parlament festzulegen. Die Hauptsache war die Sicherstellung der Straffrei-
Vgl. ebd., S. 259. Agreement of the People, S. 444. Ebd., S. 448.
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heit der Soldaten, welche „authority“ dies gewährleisten würde, war offenbar zweitrangig. Dieses Bild bestätigt auch ein anonymer Fürsprecher der Armee, der zu Beginn des Jahres 1648 deren Vorgehen gegen die Kritik einiger Geistlicher in London in sehr direkten Worten verteidigt. Auch er verwendet „authority“ an prominenter Stelle. Zum einen bringt er sie bereits im Titel in direkte Verbindung mit dem König: „By a Presbyterian patriot, that hath covenanted to preserve the rights and priviledges of Parliaments, and the Kings Majesties person and authority“ – ein Reflex der traditionellen Verwendung des Begriffes; zugleich jedoch ein Titel, der wenig über die wahre Intention des Textes aussagt. Denn auf der anderen Seite findet der Autor sehr deutliche Worte für die Regierung, die seiner Ansicht nach bislang versagt habe, auch wenn sie angeblich mit „authority“ gehandelt habe: „We have had too much colourable authority, under the cloake whereof hath been acted so much wrong and injustice to the publike[…]“.²²² Zwar gab es in der Vergangenheit, so der Autor, verschiedene Personen bzw. Gruppen, die für sich die Vollmacht zum Herrschen beansprucht haben, womit er offenbar nicht nur frühere Könige, sondern insbesondere für die Zeit nach dem Bruch zwischen König und Parlament auch Gruppierungen innerhalb desselben meint, wie der Verlauf seiner weiteren Argumentation nahelegt. Denn er macht deutlich, dass das höchste Anliegen der rechtmäßig einberufenen Armee der Schutz des Volkes und die Verteidigung seiner Freiheiten ist. Weder bindet irgendein Eid die Armee an den Schutz des Königs, wenn dies zu Lasten der Privilegien des Parlaments geht; noch unterstützt die Armee das Parlament, wenn dies gleichbedeutend mit dem Ruin des Volkes ist. Das handlungsleitende Primat ist somit der Schutz des Volkes in seiner Freiheit, seiner Sicherheit und seinen Rechten – eine Argumentationsbasis, die bereits bei der Untersuchung der Putney Debates begegnete. Nicht „authority“ legitimiert in dieser Logik eine Regierung, sondern allein der Nutzen für das Volk. Wenn dieser gegeben ist, schließt der Autor jedoch weder die Monarchie noch die Parlamentsherrschaft per se als geeignete Regierungsformen aus. Die vorliegende Schrift datiert auf den 7. Februar 1648, wurde also zu einer Zeit verfasst, als sich die Möglichkeit eines zweiten Bürgerkriegs bereits abzeichnete. Im Januar hatte das Parlament mit der „Vote of no Adresses“ die Verhandlungen mit dem aus der Haft nach Schottland geflohenen König abgebro Anonym, An ansvver to the cities representation set forth by some ministers of the Gospel, within the province of London. Concerning the proceedings of the army. By a Presbyterian patriot, that hath covenanted to preserve the rights and priviledges of Parliaments, and the Kings Majesties person and authority, in the preservation, and defence of the true religion and liberties of the kingdoms; and not otherwise, London 1649 (verfasst am 7. Februar 1648), S. 4,
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chen. Bereits im Frühling sollten in verschiedenen Teilen Englands royalistische Aufstände aufflackern und schließlich erneut zu Kämpfen führen, in die nun auch massiv die schottischen Truppen verwickelt waren.²²³ Das Parlament bestand zu dieser Zeit zwar noch aus Ober- und Unterhaus, war jedoch ein Ort, an dem sich Abgeordnete unterschiedlichster religiöser und politischer Überzeugungen versammelten. Von einer Volksvertretung als einheitlicher Institution und Quelle der „authority“ konnte kaum die Rede sein. In diesem Sinn oblag es dem Autor zufolge der Armee zu entscheiden, wem sie ihre Loyalität schuldet. Die Wahl fiel auf die Commons, da hier eher die Kräfterepräsentiert waren, die sich für die Freiheiten des Volkes einsetzten. In der Abwägung zwischen Commons und Lords verwendet der anonyme Autor auch „authority“ in einer klaren hierarchischen Abstufung: „for though in the formality of Authority the Lords be above the Commons, yet in the materiall and substantiall parts, they are above the Lords“.²²⁴ Was auch immer der Verfasser unter der „formality of authority“ versteht – vielleicht eine an der Ständeordnung orientierten Überlegenheit der Lords gegenüber den Commons, was die Möglichkeiten bzw. das Gewicht seiner politischen Einflussnahme betrifft – sie ist in einem direkten Vergleich den Commons unterlegen. Eventuell spielt der Verfasser hier auf die größere Nähe der sich aus Rittern und Bürgern zusammensetzenden Commons zum gemeinen Volk an, das mit seiner Arbeit die wesentlichen Güter des Lebens erzeugt. Fest steht jedoch, dass der Autor die bisherige staatliche Hierarchie umkehrt und den Commons den Vorrang vor dem Oberhaus gibt. Später sollte die Armee mit der Säuberung des Parlaments und der im März 1649 folgenden, formalen Abschaffung von König und Oberhaus dieser Tendenz in der Praxis Ausdruck verleihen. Den Vorwurf, dass sich die Armee unzulässig eine „authority“ über Parlament und König anmaßt, weist der Autor dezidiert ab. Stattdessen habe das Parlament sich ebenfalls unzulässig „authority“ gegenüber dem König angemaßt – und zwar mit dem Beginn des Bürgerkrieges. Eine Folge der langjährigen Auseinandersetzungen zwischen König und Parlament als zwei konkurrierenden Quellen von „authority“ scheint gewesen zu sein, dass „authority“ als Legitimation von Herrschaft mitunter generell in Frage gestellt wurde. Die Parlamentsarmee selbst war hierfür geradezu prädestiniert, denn wie bereits aus einer Proklamation Karls I. hervorging, konnte sie im Grunde in keiner Hinsicht „authority“ als Legitimationsgrundlage für sich beanspruchen. Sie war als Ganzes weder vom König
Zu den realpolitischen Entwicklungen der Jahre 1647– 49 vlg. hier und im Folgenden: Schilfert, Gerhard, Die englische Revolution 1640 – 1649, Berlin 1989. Woolrych, Austin, England without a king 1649 – 1660, Routledge 1993. Anonym, An ansvver, S. 20.
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einberufen, d. h. autorisiert worden, noch ließ Karl I. einen Zweifel daran, dass auch ihre Befehlshaber ohne jegliche Vollmacht handelten. Seit seiner Proklamation von 1643²²⁵ mussten vielmehr alle Soldaten in der Rebellenarmee fürchten, bei einer Niederlage des Hochverrats angeklagt zu werden. Auch wenn diese Weisung Karls I. nicht umgesetzt wurde, was vielleicht auch an der für die Royalisten ungünstigen Entwicklung des Bürgerkrieges lag, so hatte er kraft königlicher Vollmacht doch eine Drohung ausgesprochen, die zumindest theoretisch jedes Mitglied der Parlamentsarmee betraf. Grund genug dafür, sich den Einwänden von formeller „authority“ gänzlich zu verschließen, insbesondere da auch die Vorgesetzten mit diesem Beispiel vorangingen, ignorierten sie doch den Umstand der nicht vom König erteilten Vollmacht. Dies würde auch die deutliche Verachtung dieser Qualität in der vorliegenden Schrift durch den anonymen Autor erklären, der für die Armee schreibt und ihr Handlungsfreiheiten einräumen will, die sie aufgrund des Autoritätsgefüges vor 1642 nie aus sich selbst heraus hätte generieren können. Der Verfasser lehnt ganz offenbar „authority“ an sich als Begründung einer legitimen Herrschaft ab. In diesem Sinn verspottet er die Geistlichen, die zögern, eine Kraft zu unterstützen, die „without any colour of legall Authority shall attempt such change“.²²⁶ Der Verfasser erscheint als Mann der Tat, dem die Notwendigkeit, zum Schutz des Volkes zu handeln dringender erscheint, als irgendein legaler Anspruch auf Handlungsvollmacht. „Authority“ ist für ihn ein bloßer Anstrich, die leere Hülle eines durch die zeitgenössischen Entwicklungen de facto unmächtigen, starren Systems, das seiner Grundaufgabe nicht mehr nachkommen kann. Demgegenüber steht die Armee, die bereit ist, Fakten zu schaffen. „Authority“ hat für den Verfasser eindeutig nur noch den Charakter einer Formalie und ist Teil der überkommenen Ordnung des von König und beiden Parlamentshäusern dominierten Staates und somit nicht länger ein wesentlicher Faktor der aktuellen, politischen Entscheidungsfindung. Er stellt darüber hinaus generell die Legitimität der „authority“ von König und Parlament in Frage und verwirft sie schließlich zugunsten einer praxisbezogenen Politik zum Wohl des Volkes – „salus populi suprema lex esto“ ist der immer wieder begegnende Grundsatz. Anhand dieser Quelle und ihres Umgangs mit „authority“ werden verschiedene, in der New Model Army verbreitete Denkmuster deutlich: Zum Einen ist das Volk die Quelle aller Vollmacht und gleichzeitig das Ziel aller Regierungshandlungen, zum Anderen hat die Armee die universellen Freiheitsansprüche der Bürger zu verteidigen und durchzusetzen. Was zählt, ist vor allem die interne
SRP 2, Nr. 429. Ebd., S. 4.
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Befehlskette der Armee; die Weisungen und Befugnisse der traditionellen Regierungsinsitutionen sind dieser nachgeordnet. Zwar wird das Unterhaus noch am ehesten der Realisierung der politischen Grundsätze für fähig erachtet, allerdings nur mit der Einschränkung, dass das Volkswohl an erster Stelle stehen muss. In dieser Hinsicht deckt sich die Einstellung des Autors mit verschiedenen Äußerungen von u. a. John Wildman und John Lilburne, dass alle „legal authority“ im Staat nicht mehr vorhanden sei. Das Fehlen dieser rechtmäßigen Amtsgewalt in Kriegszeiten erinnert auch stark an Hobbes, für den Bürgerkriege einen Rückfall in den Naturzustand des „bellum omnium contra omnes“ bedeuteten.²²⁷ Auch die Betrachtung des Unterhauses als der führenden Insitution weist eine gewisse Nähe z. B. zum „1. Agreement of the People“ auf, in dem die Überlegenheit des House of Commons festgehalten wurde, das „inferiour only to theirs who chuse them“ sei.²²⁸ Dass ein bekennender Presbyterianer den Text verfasst hat, ist angesichts des späteren Umgangs der Armee mit der das Parlament dominierenden Gruppe der Presbyterianer nicht uninteressant. Denn sie wurden während der durch die Armee durchgeführten Säuberungen in großer Zahl aus dem Parlament vertrieben. Bereits im Vorfeld der Putney Debates im Juni 1647 hatte die Armee sich in unmittelbarer Nähe zur Londoner City niedergelassen und die führenden Presbyterianer aus dem Unterhaus verbannt.²²⁹ Dies erklärt die generell unter den Presbyterianern verbreitete Feindseligkeit gegenüber der Armee – womit der anonyme Autor des vorliegenden Traktats aus der Norm fällt. In eine ähnliche Richtung wie der anonyme Autor argumentierte Ireton in seiner „Remonstrance“, die die Grundlage für Pride’s Purge war.²³⁰ Ireton schlägt hier im Vergleich zu seinen vorhergehenden Arbeiten argumentativ einen neuen Weg ein. Statt der Forderung der Leveller nach einem allgemeinen Konsens nachzugehen, nutzt er die „language of interest“: Das öffentliche Interesse steht
Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 192. Vgl. Gentles, The Agreements of the people, S. 150. Hintergrund war die von dem Presbyterianer Denzil Holles (1598 – 1680) geführte „Essex peace party“ im Unterhaus, die eine Auflösung des Großteils der New Model Army durchsetzen wollte, ohne auf die Beschwerden der Soldaten (vor allem den schuldigen Sold) einzugehen. Hierdurch wurden die oben erwähnte Wahl von Agitatoren und das „Solemn Engagement of the Army“ (5. Juni 1647) ausgelöst. Hinzu kommt ein konterrevolutionärer Putschversuch einer den Presbyterianern nahe stehenden Gruppe, die u. a. das Londoner Miliz-Kommitee zurück in presbyterianischer Hand sehen wollte (26. Juli 1647).Vgl. Gentles, The Agreements of the People, S. 149. Der Offiziersrat stimmte am 15. November 1648 der „Remonstrance“ zu, am 20. November wurde sie den Commons übersandt. Diese lehnten sie jedoch am 6. Dezember ab, woraufhin die Säuberung des Parlaments stattfand, in dessen Folge alle MP, die gegen den Plan der Armee waren, eine Regierung ohne König durchzusetzen, vom Parlament ausgeschlossen wurden. Vgl. Burgess, British Political Thought, S. 260, 263.
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über dem Individuum. Nicht der Konsens der Beherrschten gibt den Ausschlag, sondern das Wohl des Volkes, d. h. die Sicherung des Friedens wiegt mehr als die Freiheit des Einzelnen. Zur Umsetzung dieser Maxime sei nur das Parlament befähigt. Nach Pride’s Purge wurde ein 16-köpfiges Kommitee gebildet, um eine neue Verfassung auszuarbeiten – das „2. Agreement of the People“ – dessen Entwurf bei den Whitehall Debates zwischen Dezember 1648 und Januar 1649 analog zum Verfahren der Putney Debates diskutiert wurde. Die Sicht der Leveller auf die zeitgenössische Situation fasste Wildman am 14. Dezember 1648 zusammen: „All authority hath been broken in pieces“ – und dies durch göttlichen Willen; ein Indiz dafür, dass die Leveller diese Möglichkeit einer staatlichen und gesellschaftlichen Neuordnung durchaus begrüßten.²³¹ Ähnlich über den aktuellen Zustand einer rechtmäßigen Vollmacht äußerte sich auch John Lilburne bei seiner Weigerung, im Verfahren gegen Karl I. einer der Richter zu sein. Erst müsse eine Volksvertretung ins Leben gerufen werden, die dann ein Verfahren gegen den König einleitet. Ein Verfahren ohne eine derzeit gültige „authority“ sei jedoch ungerecht und ein Todesurteil folgerichtig ein gemeiner Mord „upon their own principles, which led them to look upon all legall authority in England as now broken“.²³² Hier tritt der Bruch zutage, der sich bereits während der Whitehall Debates zwischen den Levellern und der Armeeführung sowie den religiösen Sektariern (z. B. Joshua Sprigge (um 1618 – 1684)²³³) abzeichnete und zu dem es endgültig im Februar 1649 zwischen Levellern und Armeeführung kommen sollte. Dementsprechend ist das „3. Agreement of the People“ auch die radikalste Äußerung der Forderungen der Leveller und ein Grund für die Verhaftung ihrer führenden Vertreter John Lilburne, William Walwyn (um 1600 – 1681)²³⁴ und Richard Overton.²³⁵ In diesem finalen „Agreement“
Zitiert nach Ebd., S. 264. Lilburne, John, Legall Fundamentall Liberties, in: Leveller tracts, hg.v. W. Haller, G. Davies, 1964, S. 432 f. Sprigge war independenter Geistlicher und äußerte sich in den 1640er Jahren fast ausschließlich zu rein religiösen Themen. Seine Standpunkte waren von religiöser Toleranz geprägt. In London war er aufgrund seiner Unterstützung für die New Model Army Sir Thomas Fairfax‘ sehr unpopulär. Die Stadtväter und der presbyterianische Klerus denunzierten die New Model Army als Nährboden von religiösem Sektarismus und Häresie. Fairfax bot ihm daraufhin eine Stelle als Sekretär und Kaplan in der Armee an. Nach 1648 wurde Sprigge ein Fellow am All Souls College in Oxford, eine Stelle, die er bis 1669 innehatte. Gentles, Ian J., Joshua Sprigge, in: ODNB, https://doi. org/10.1093/ref:odnb/26177, Stand: 05.04. 2020. William Walwyn war Londoner Seidenhändler und entwickelte bereits früh liberale Überzeugungen, so kehrte er z. B. der calvinistischen Prädestinationslehre den Rücken und trat für eine absolute religiöse Freiheit ein. Seine auf Nächstenliebe basierende Weltsicht veranlasste ihn, seiner eigenen Aussage nach, sich politisch zu engagieren (Walwyn, Whisper in the Eare, S. 2 f.).
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vom 1. Mai 1649 wurde festgehalten „That the Supreme Authority of England and the Territories therewith incorporate, shall be and reside henceforward in a Representative of the people consisting of four hundred persons“.²³⁶ Ein neu geschaffenes Parlament sollte nach den einschlägigen Vorstellungen der Leveller das Wahlrecht, die Zusammensetzung und die Mandatsverteilung betreffend, auch mit der Übernahme des tradierten „authority“-Terminus die rechtmäßige Nachfolge der Monarchie antreten. Die Herkunft der „authority“ macht den Unterschied aus, wie bereits eine Deklaration vom 22. März 1649 zeigt: „The same power and authority which first erected a king“ – also das Volk bzw. die Wahlberechtigten – sei auch in der Lage, die Monarchie abzuschaffen.²³⁷ Die Passage über die Unzulänglichkeiten von „persons in Authority“ über längere Zeiträume hinweg, wie sie aus den ersten beiden Fassungen des „Agreement“ bekannt ist, wurde unverändert übernommen.
Bereits zu Beginn des Bürgerkrieges rief Walwyn zu politischer Toleranz auf und sah die Zeit gekommen, diese mit allen Mitteln durchzusetzen. Er hatte Kontakt zu religiösen Sektariern und politisch radikal Denkenden, so lernte er unter anderem 1645 John Lilburne kennen und wurde zusammen mit ihm und Richard Overton zu einem der Führer der später als „Leveller“ bezeichneten Gruppe. Für Walwyn blieben religiöse Freiheit und die Durchsetzung einer repräsentativen Demokratie die Eckpfeiler seiner Forderungen. Mit dem Fortgang des Bürgerkrieges stellte sich auch bei Walwyn zunehmend Ernüchterung über die Arbeit des Parlaments ein und er näherte sich der Armee als treibender politischer Kraft in der Gesellschaft an. Dieser Zustand hielt jedoch aufgrund der sich zuspitzenden Konkurrenz zwischen Levellern und Radikalen in der Armee nicht lange an, die sich besonders im Verlauf der Putney Debates zeigen sollte. Es ist wahrscheinlich, dass Walwyn der Autor des finalen Entwurfs des „Agreement of the People“ war, das hier diskutiert wurde; bei den Putney Debates selbst war er jedoch nicht anwesend. Walwyn war praktischer veranlagt als z. B. Lilburne und insgesamt eher gewillt, sich mit bestimmten Situationen zu arrangieren, um das Beste für die Freiheit des Volkes zu erreichen. Zwar wurde er als einer der führenden Leveller 1649 zusammen mit Lilburne und Overtonverhaftet, er legte jedoch am Tag seiner Entlassung unumwunden das Engagement ab und trat während des Interregnums kaum mehr politisch in Erscheinung. Vgl. Taft, Barbara, William Walwyn, in: ODNB, https://doi. org/10.1093/ref:odnb/28661, Stand: 05.04. 2020. Vgl. Burgess, British Political Thought, S. 270. Agreement of the Free People of England (the Third and Final), 1. Mai 1649, in: G.E. Aymler (Hg.), op cit, S. 162 f., zitiert nach: Documents and Debates. Politics, Religion and Society in revolutionary England, 1640 – 1660, hg.v. H. Tomlinson, D. Gregg, London 1989. Vgl. Sharpe, Image Wars, S. 405.
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4 Zur Verwendung von Autorität vor Hobbes
4.2.5 1649: Das Ende der Monarchie – auch das Ende aller rechtmäßigen Herrschaft? Die Gefangennahme Karls I. markiert das Ende des zweiten Bürgerkrieges, in dessen Folge der König vom eigens dafür errichteten High Court of Justice wegen Hochverrat an seinem Volk und anderen Schwerverbrechen angeklagt wurde.²³⁸ Der Prozess gegen den König begann am 20. Januar 1649 und sollte nur sechs Tage dauern. Innerhalb dieser Zeitspanne wurde Karl I. mehrfach durch den Lord President dazu aufgefordert, zu den Anschuldigungen Stellung zu nehmen. Die Antworten des Angeklagten sind jedoch bezeichnend und ihren Inhalt betreffend von großer Konstanz. Karl I. wusste zweifelsohne, welches Schicksal ihm bestimmt war; irgendein Fehlverhalten oder Verbrechen zu gestehen hätte seine Situation nicht geändert, sondern nur seine Ehre und sein Ansehen beschädigt. Diese Einsicht diktierte ihm seine Strategie, es der Anklage aufgrund der generellen Infragestellung der Vollmacht des High Court of Justice schwer zu machen, den Prozess gegen ihn zu führen. Im Verlauf des Prozesses wurde Karl I. mehrfach vor das Gericht geführt. Im Zentrum all seiner Äußerungen stand die Argumentation mit „authority“. Er wollte wissen, „by what power I am called hither […] I would know by what Authority, I mean, lawful; there are many unlawful Authorities in the World, Theeves and Robbers by the high ways: but I would know by what Authority I was brought from thence, and carried from place to place […] and when I know by what lawful Authority, shall answer: Remember I am your King, and what sinnes you bring upon your heads, and the Judgement of God upon this Land, thinke well upon it, I say thinke well upon it, before you go further from one sin to a greater; therefore let me know by what Authority I am seated here & I shall not be unwilling to answer, in the mean time I shall not betray my Trust. I have a Trust committed to me by God, by old and lawful descent, I will not betray it to answer to a new unlawful Authority, therefore resolve me that, and you shall hear more of me.“²³⁹ Die Antwort des Gerichtes hierauf war, dass es in Vertretung des Volkes zusammengetreten sei, welches die wahre „authority“ des Landes darstellte. Karl I. lehnte eine solche Autorisierung rundheraus ab, stattdessen betonte er, dass England eine Erbmonarchie und kein Wahlkönigtum sei und aufgrund dieser Tatsache kein Parlament gegenüber dem König weisungsbefugt ist. Er lehnte Vgl. King Charles his tryal at the High Court of Justice in Westminster Hall, veröffentlicht von J. Playford, London 1655, S. 6. Allgemeiner zum Prozess: Orr, Donald Alan, Treason and the State. Law, politics and ideology in early modern British history, Cambridge 2007. Edwards, Graham, The last days of Charles I., Stroud 1999. Ebd., S. 10 f.
4.2.5 1649: Das Ende der Monarchie
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somit die „lawful authority“ des Gerichts ab, ebenso wie seine generellen hierarchischen Ansprüche, über dem König zu stehen: „I do not come here as submitting to the Court“.²⁴⁰ Stattdessen beharrte er: „Let me see a legall Authority warranted by the Word of God, the Sciptures, or warranted by the Constitutions of the Kingdom, and I will answer.“²⁴¹ Karl I. bezweifelte also, dass die Commons eine Legitimation aufweisen konnten, die der des Königs vergleichbar war und die entweder direkt von Gott und der Bibel oder von den Gesetzen und der Verfassung des Landesstammte. Im Gegensatz zu der königlichen „authority“, die sich aus den eben genannten Quellen speist, verband Karl I. mit dem Parlament und dem über seinem Fall tagenden Gericht eine „usurped“ bzw. „Tyrannical […] unlawful authority“.²⁴² Sich dieser Kompetenz unterzuordnen, wertete Karl I. als eine Sünde, die ebenso groß gewesen wäre, wie sich gegen die rechtmäßige Vollmacht zu stellen. Aus der Antwort des Lord President („we are satisfied with our Authority“) geht zwar hervor, dass das Parlament sich durch die Anschuldigungen des Königs nicht in seiner Befugnis beschränkt sah, über den König zu Gericht zu sitzen. Der Angeklagte hingegen beharrte standfest auf seiner Überzeugung und verlangte nach einem Beweis für die „authority“ des Parlaments bzw. des High Court of Justice. Auch in den folgenden Verhandlungstagen weigerte sich Karl I. zur Anklage Stellung zu nehmen und „instead of answering, did there dispute the Authority of this high Court“.²⁴³ Er verfeinerte seine Strategie jedoch und machte die Nichtakzeptanz der „authority“ des Gerichts zu einer Staatsangelegenheit. Es gehe ihm keinesfalls um sich selbst als Privatperson, sondern um die Ordnung des Staates und die Freiheit seiner Untertanen: „I was here against the legality of this Court, and that a King cannot be tryed by any Superiour Jurisdiction on earth; but it is not my case alone, it is the Freedom and the Liberty of the people of England; and you do pretend what you will, I stand more for their Liberties. For if power without Law may make Laws, may alter the fundamental Laws of the Kingdom, I do not know what subject he is in England, that can be sure of his life, or any thing he calls his own. Therefore when that I came here, I did expect particular Reasons to know by what Law, what Authority you did proceed against me here“.²⁴⁴ Dass das Gericht in dieser Frage nicht disputierte, sondern den König weiterhin zu einer Aussage aufforderte, ist klar. Der Lord President stellte die Sachlage gar so dar, als ob die Könige Englands seit jeher von den Commons ihr Amt übertragen bekämen
Ebd., S. 11. Ebd., S. 12. Ebd. Ebd., S. 14. Ebd., S. 15 f.
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und ihnen deshalb Rechenschaft schuldig seien – was Karl I. selbstverständlich rundheraus ablehnte: „I deny that, thew me one President.“²⁴⁵ Der König forderte die Anführung eines Präzedenzfalles und verlangte zu wissen, wann die Commons zu einer Institution der Rechtsprechung geworden seien – mit diesem Begehren endet der zweite Verhandlungstag. In der folgenden Sitzung sah sich das Gericht veranlasst zu betonen, dass die Commons „the Jurisdiction of the Supream and highest Authority of England“ seien. Der König hatte es also geschafft, durch sein Beharren auf Auskunft über die „authority“ des Gerichts dasselbe in die Defensive zu drängen. Mehrfach verteidigte der Lord President die Stellung des Gerichts und der Commons, doch der Angeklagte ließ sich nicht beirren. Er betonte immer wieder, dass er für den Frieden des Reiches, die Freiheit und Rechte des Volkes und den Erhalt der alten Gesetze und der Ordnung des Landes einstehe, wozu er von Gott bestimmt sei und die zu wahren er geschworen habe. Diese Argumente bedeuten gebündelt zwar nicht eben eine neue, aber dennoch eine machtvolle Wiedergabe der traditionellen, königlichen Legitimationsbasis.²⁴⁶ Auffällig ist neben der zentralen Argumentation auch die deutliche Unterscheidung zwischen Macht und rechtmäßiger Vollmacht. Der König bekannte: „I am not Sceptick for to deny the power that you have, I know that you have power enough […] I thinke it would have been for the Kingdoms peace, if you would have taken the paines for to have shown the lawfulness of your power“²⁴⁷ – wobei „lawfulnesse of your power“ auch mit „authority“ übersetzt werden könnte. Bis zu seiner Urteilsverkündung blieb Karl I. seinem Standpunkt treu. Zwar blieb ihm in seiner prekären Situation wohl auch nicht viel anderes übrig, dennoch ist es bemerkenswert, welchen Stellenwert er der „authority“ innerhalb seiner Verteidigung einräumt. Sie ist sein Hauptargument, sowohl für die Verteidigung seiner selbst, als auch für die Kritik am Gericht. Bereits am 26. Januar 1649 wurde Karl I. schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt und schließlich am 30. Januar vor dem Banqueting House hingerichtet. Seine Argumentation mit „authority“ hatte dennoch große Wirkkraft und die daraus für die neuen Machthaber erwachsenden Probleme konnten nicht durch die Beseitigung der königlichen Person gelöst werden. Das von Karl I. so oft bemühte Konstrukt einer rechtmäßigen, königlichen Vollmacht im Gegensatz zu einer angemaßten „authority“ der Commons stellte eine Herausforderung für die Propagandisten des Rump dar. Zudem wurde eine neue Welle der Empörung mit der Abschaffung des Oberhauses durch den „Act Abolishing the House of Peers“ Er meint wohl einen Präzedenzfall für diese Anmaßung des Gerichts und der Commons. Vgl. ebd., S. 17. Vgl. ebd., S. 22 f. Ebd., S. 32.
4.2.5 1649: Das Ende der Monarchie
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vom März 1649 losgetreten. Das Oberhaus sei „useless and dangerous to the People of England to be continued“, so urteilten die Commons kraft der „Authority of this present Parliament“.²⁴⁸ Der Bruch zwischen Lords und Commons hatte sich bereits länger abgezeichnet. Auf Seiten der Konservativen schrieb z. B. William Prynne (1600 – 1669) 1648 die „Protestation of the peers, lords, and barons of this realme“. Prynne, der sich vor dem Bürgerkrieg unter anderem aufgrund seines zunehmend erastianischen Kirchenverständnisses und der offenen Gegnerschaft zu Erzbischof Laud mehrmals in Haft befand, wurde zwar vom Long Parliament 1640 begnadigt und gehörte anschließend zur vordersten Front der radikalen Opposition. Durch das sich rapide wandelnde politische Klima dieser Zeit, insbesondere die Ansichten und Forderungen der Independents, fand er sich jedoch schnell auf der Seite der konservativ Denkenden wieder und damit erneut im Widerspruch mit den inzwischen den politischen Ton angebenden Personen. Ab 1644 veröffentlichte er mehrere Pamphlete gegen die Independents, zugleich war er jedoch auch gegen die Etablierung eines presbyterianischen Systems und schrieb ab 1647 auch gegen die Armee. Seit 1648 gehörte er dem Parlament an, war jedoch eines der Mitglieder, die durch Pride’s Purge von demselben ausgeschlossen und vorübergehend inhaftiert wurden. Nach seiner Freilassung im Januar 1649 begann er mit einer gezielten literarischen Tätigkeit gegen die neue Regierung und wurde so zu einem erheblichen Störfaktor. Genau in diesen Kontext ist auch Prynnes „Protestation“ einzuordnen, die mit einiger Verzögerung erst 1649 publiziert wurde, was einen Teil ihrer Argumente, z. B. das Plädoyer gegen den Königsprozess, hinfällig macht. Das Hauptthema der „Protestation“ ist jedoch eine Beschwerde des Oberhauses gegen einige Mitglieder der Commons: Der Vorwurf lautet auf Subversion der Grundgesetze und der königlichen Regierung und die dadurch erfolgte Versklavung des Volkes durch die unlimitierte Tyrannei der Commons. In Gegenüberstellung zu deren noch jungen und im Grunde sehr begrenzten Rechten stellte Prynne die „just Prerogatives“ des Oberhauses dar, die der Verteidigung der Sicherheit des Monarchen, der Gesetze und Freiheit des Reiches und aller freien Männer des Landes sowie der Vorrechte und „authority“ der Lords selbst dienen. Als „principal Authority and Judicatory“ des Landes sah Prynne die zweigeteilte Regierung, bestehend aus Parlament und Monarch. Nicht „a few insolent mis-advised Members of the (late) House of Commons“allein bilden die höchste „authority“ im Land – ganz im Gegenteil dazu zeigt Prynne den Commons auf, zu welchen Maßnahmen sie keine Vollmacht
Parliament of England, An Act for the Abolishing of the House of Peers, in: Acts and Ordinances of the Interregnum, 1642– 1660, hg.v. C.H. Firth, R. S. Rait, London 1911, S. 24.
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besitzen.²⁴⁹ Insbesondere der angestrebte Prozess gegen den König und einige Peers (die „Protestation“ wurde am 8. Februar 1648 verfasst) sowie die Auflösung des Oberhauses werden scharf attackiert und als Unrecht verurteilt. Da das Oberhaus „farr ancienter than the Commons House“ sei, sei dieses Ansinnen unmöglich umzusetzen. Die ungeheurerliche Anmaßung der Commons hingegen wird als „most transcendant Tyranny and Usurpation over the King, Kingdom, Parliament, Peers, Commons, and Freeman of England ever practised or attempted in any age“ beschrieben. Für Prynne steht außer Frage, dass die Umsetzung der Forderungen der Commons nur „Anarchy and confusion in all places“ nach sich ziehen kann. Es ist interessant zu sehen, wie die Anschuldigung der Tyrannei, die zunächst ja auf die despotische Herrschaft Karls I. angewandt wurde, im Verlauf der 1640er Jahre immer mehr für das Parlament bzw. besonders die Commons und das Rump Anwendung fand. Und tatsächlich hat auch Anthony Ascham diese Anschuldigung aufgegeriffen und kritisiert, dass stets nur beschrieben würde, wie man sich unter einem Tyrannen, der Schlechtes tut, verhalten soll, nie jedoch, wie man sich zu verhalten hat unter einem guten Tyrannen²⁵⁰ – womit er zweifelsfrei das Rump meinte. Die Anschuldigung von Usurpation und Tyrannei waren also nur schwer von der Hand zu weisen, wurden aber von Verteidigern des Rump versucht, in ihr positives Gegenteil zu verkehren. Zusammenfassend ist festzustellen, dass Prynne eine Art Mittelposition einnimmt. Auffällig ist zwar, dass er die „principal Authority“ immer auch mit einem Recht auf Handeln verbindet – ganz so, wie Hobbes dies später auch definierte. Dennoch gibt es einen gravierenden Unterschied: Prynne verortet die Quelle der Vollmacht bzw. aller rechtlichen Befugnisse weder ganz beim Herrscher noch ganz im Volk, sondern in der seiner Meinung nach zweigeteilten Regierungsform des Landes. Die Aufrechterhaltung dieser politischen Struktur scheint für ihn entscheidend, um die Freiheiten des Volkes zu gewährleisten. In diesem Sinn
So haben die Commons unter anderem weder die Macht noch das Recht, eine Person oder Sache (sei sie ziviler oder krimineller Art) abzuurteilen. Auch zum Beschluss oder der Proklamation irgendeines rechtlich bindenden Aktes, zur Befehlsgewalt über andere Personen, insbesondere über die Peers und den König, zur Aburteilung über die Peers oder den König, zur Festlegung bzw. Beeinflussung der Erbfolgeregelungen etc. haben sie in der Vergangenheit nie ein Recht besessen und besitzen dies auch nun nicht. Vgl. Prynne, William, A declaration and protestation of the peers, lords, and barons of this realme, against the late treasonable proceedings, and tyrannical usurpations of some members of the Commons House, who endeavour to subvert the fundamentall laws and regall government of this kingdom, and enslave the people to their boundless tyranny instead of freedom, London 1649, S. 1. Vgl. Ascham, Anthony, A Combate between two seconds. One for obeying the present government, the other, the second part of a demurrer, undeservedly called religious, London 1649, S. 6 f.
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verwundert es nicht, dass er sich zehn Jahre später energisch für die Restauration der Monarchie einsetzte. In eine ganz andere Richtung geht Robert Bennetts (1605 – 1683) Argumentation in seiner Schrift „King Charle’s trial justified“ von 1649. Bennett hatte auf Seiten des Parlaments im Bürgerkrieg gekämpft und war später Abgeordneter im „Parliament of Saints“²⁵¹ (1653) bzw. dem „First Protectorat Parliament“ (1654).²⁵² „King Charle’s trial justified“ ist eine Rechtfertigungsschrift des Königsprozesses und der anschließenden Hinrichtung Karls I., aber auch eine Verteidigung der Souveränität des Volkes. Für Bennett ist das Gemeinwohl bzw. der „civill peace“ oberstes Anliegen der Regierung und besonders auch der Rechtsprechung. Damit ergibt sich ein wesentlicher Unterschied zu William Prynne: Während bei dem konservativen Autor die Freiheit der Menschen im Vordergrund stand, sind bei Bennett – wie bei anderen Verteidigern des Rump – die Notwendigkeit für Ruhe und Ordnung bzw. der innere Frieden ausschlaggebend für die Form der Regierung und die Unterordnung des Volkes unter dieselbe. Ausgelöst durch die aktuellen politischen Umbrüche seien allerdings im Volk vermehrt drängende Fragen aufgetreten, auf die Bennett nun antworten möchte. Auf eine dieser Fragen, nämlich mit welcher Vollmacht das Gericht handelte bzw. wer ihm die „authority“ gab, über Karl I. zu urteilen, antwortete Bennett schlicht: das Volk selbst. Denn seit der Zeit von Wilhelm dem Eroberer (1066 – 1087) haben die englischen Könige
In der Litertaur auch als „Barebones Parliament“ oder „Nominated Assembly“ bezeichnet. „Barebones“ geht auf die ironische Bezeichnung der zeitgenössischen Gegner zurück, wobei auf einen der Abgeordneten Bezug genommen wurde (den Prediger „Praise-God Barebone“). Der zweite Name rekurriert auf das nicht durch Wahlen erfolgte Zusammentreten des Parlaments, in dem vor allem Geistliche saßen. Vgl. Hutton, Ronald, The British Republic 1649 – 1660, Basingstoke 2000. Woolrych, Austin, Commonwealth to Protectorate, Oxford 1982. Zu erwähnen ist auch Bennetts religiöser Radikalismus. Im Laufe der 1640er Jahre wurde er überzeugter Baptist mit starken milleniaristischen Zügen. Er hatte u. a. engeren Kontakt zum späteren Fifth Monarchy-Anhänger Thomas Harrisson. Seine Schrift „King Charle’s trial justified“ enthält auch eine radikale Schicksalslehre. Bennett war einer der wenigen MP, der die Auflösung des Rump durch Cromwell unterstützten. Er war Mitglied des ersten Council of State und der Nominated Assembly – und bitter enttäuscht vom jähen Ende dieses Parlaments. Die Übernahme der Macht durch Oliver Cromwell untertützte Bennett eher zögerlich und nur vor dem Hintergrund der Aufrechterhaltung der religiösen Freiheit durch Cromwell. Während des Protektorats bekleidete er noch mehrfach Posten in unterschiedlichen Gremien und Kommissionen und unterstützte zuletzt auch Richard Cromwell. Mit der Restauration zog er sich auf sein Landgut in Cornwall zurück.Vgl. Morill, John, Robert Bennett, in: ODNB, https://doi.org/10.1093/ref:odnb/2110, Stand: 05.04. 2020.
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4 Zur Verwendung von Autorität vor Hobbes
„no other colour to the Crown, but the Parliament and peoples Authority“.²⁵³ Ganz der gängigen Argumentationsweise des Parlaments und insbesondere des High Court of Justice während des Königsprozesses folgend, verortete Bennet die Quelle aller politischen Macht im Volk, dessen alleiniger Repräsentant das Unterhaus selbst sei. Dieses wird als oberste Instanz dargestellt und das nicht erst seit der Abschaffung des Oberhauses. Hier sei die legale Basis aller zivilen und militärischen Macht zu verorten. Vermeintliche Entscheidungen des Königs, Beschlüsse, Erlasse, Gesetze etc. seien nur dem Namen nach vom König bestimmt worden; er wird als „conduit pipe of Authority“ beschrieben. Die eigentliche Macht im Staat sei das Volk, das „the life and […] originall of all true power“ ²⁵⁴ sei. Mit der Abschaffung der Monarchie und der Hinrichtung des Königs falle, so Benett, alle Macht und Autorität im Staat an das Volk zurück. Auch die bereits angeführte, klassische Unterscheidung zwischen „singulis maior, universis minor“ fand bei Bennet Anwendung. Er unterschied zwischen dem Parlament, das „supreme in power to give“ und dem König, der „supreme in power given“ war – ein Hinweis auf die Quelle der Macht im Land, die laut Bennet beim Parlament gelegen habe und nur an den König in Form der Übertragung seines Amtes durch das Parlament delegiert wurde.²⁵⁵ Damit wagt Bennet die Umkehr der Definition von „authority“, wie sie die royalistischen Quellen aufweisen. Nicht der König ist der Inhaber der Vollmacht im Staat und delegiert diese an seine Untergebenen bzw. das Parlament, sondern das Parlament in seinem Selbstverständnis als Vertreter des Volkes delegiert „authority“ an einen von ihm dazu bestimmten Monarchen. Insbesondere den Commons kommen hierbei als einzigen gewählten Volksvertretern im Gegensatz zu den durch königliches Patent einberufenen Lords eine besondere Rolle zu. Sie sind es auch, die z. B. Friedensrichter mit „authority“ ausstatten und die in Bennets Vorstellung deshalb auch rechtmäßig den Prozess über Karl I. führen konnten.²⁵⁶
4.2.6 Eikon Basilike vs. Eikonoklastes Einen interessanten Ansatzpunkt für die Untersuchung der Argumentation mit „authority“ bietet der Moment ihres größten Bruches: die Hinrichtung König Karls
Bennet, Robert, King Charle’s trial justified, Or, eight objections against the same fully answered and cleared, by Scripture, Law, Historie and Reason. Being the sum of a Charge given at the last Sessions held at Trewroe in the County of Cornwall, April 4th 1649, London 1649. Ebd., S. 3. Ebd., S. 7 f. Ebd., S. 11 ff.
4.2.6 Eikon Basilike vs. Eikonoklastes
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I. Bereits am Tag nach der Enthauptung des Monarchen am 30. Januar 1649 wurde „Eikon Basilike“ veröffentlicht – ein Meisterwerk der royalistischen Propaganda, das den getöteten König zum Märtyrer seines Volkes stilisierte. Während man sich über die Autorschaft nicht gänzlich einig ist – sowohl der König selbst als auch der Bischof von Worcester John Gauden (1599/1600 – 1662) oder Jeremy Taylor (1613 – 1667), Bischof des irischen Bistums Down and Connor, kommen in Frage²⁵⁷ – ist der durchschlagende Erfolg des Werkes unbestritten. Allein im ersten Jahr der Publikation mussten 35 Auflagen gedruckt werden, um der immensen Nachfrage gerecht zu werden.²⁵⁸ Karl I. präsentierte sich in „Eikon Basilike“ zwar immer noch als König mit allen dazugehörigen Rechten.²⁵⁹ Darüber hinaus findet jedoch eine Art Sakralisierung seines Selbst statt, eine Mystifizierung sowohl der Monarchie als auch der Person des Königs, der sein Gewissen als oberste Instanz all seiner Handlungen beschreibt. Er allein teile die Vernunft als Mensch und Monarch mit Gott und präsentiert sich so nicht nur als Nachfolger der göttlichen Patriarchen, sondern vergleicht sich am Vorabend seiner Hinrichtung gar mit Gottes Sohn. Ein Beispiel dafür liefert das Kapitel über die Beschlagnahmung königlicher Magazine, Festungen, der Miliz und der Marine durch die Gegner des Königs. Interessant ist diese Passage besonders im Hinblick auf die Argumentation mit „authority“, da z. B. in der „Answer to the 19 Propositions“ gerade mit Bezug auf die Miliz in prominenter Weise mit diesem Schlagwort argumentiert wurde. Die Strategie in
William Laud, der Erzbischof von Canterbury, war bereits früh auf den jungen Taylor aufmerksam geworden und förderte seine Karriere. 1642 schloss sich Taylor dem Hof Karls I. in Oxford an und war in den kommenden Jahren als Militärkaplan der Royalistenarmee tätig. Der König selbst sorgte dafür, dass ihm 1642 ein Doctor of Divinity der Universität Oxford verliehen wurde. Taylors Pfarrei in Uppingham wurde von den Parlamentstruppen geplündert und beschlagnahmt, Taylor selbst geriet Anfang 1645 in Wales in Gefangenschaft, kam aber rasch wieder frei und ließ sich als Lehrer hier nieder. Er wurde Kaplan im Haushalt des 2. Earls of Carbery. Vgl. Spurr, John, Jeremy Taylor, in: ODNB, https://doi.org/10.1093/ref:odnb/27041, Stand: 05.04. 2020. Zu „Eikon Basilike“ vgl. Burgess, British Political Thought, S. 327. Daems, Jum, Nelson, Holly f., Introduction to Eikon Basilike, Peterborough 2006. Sharpe, Kevin, Image Wars, S. 391 ff. Ders., Remapping, S. 147 ff. Lamont, W., Oldfield, S., Politics, Religion and Literature in the Seventeenth Century, London 1975. Wedgwood, C.V., Poetry and Politics under the Stuarts, Cambridge 1960. Zaller, R., Breaking the Vessels. The Decentralization of Monarchy in Early Modern England, in: The Sixteenth Century Journal 29/3 (1998), S. 757– 778. Skinner, Visionen des Politischen, S. 234 ff. Norbrook,Writing, S. 204 ff. Champion, Justin, Republican learning. John Toland and the crisis of Christian culture, 1696–1722, Manchester 2009, S. 103 ff. Hutton, Ronald, British Republic, S. 26 f. So betont er z. B., dass ihm der Oberbefehl über die Miliz zusteht, ihm zudem die Krone gehört mit allen daran geknüpften Rechten. Vgl. Eikon Basilike, The Pourtraicture of His Sacred Majestie in his Solitudes and Sufferings, London 1649, S. 66.
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4 Zur Verwendung von Autorität vor Hobbes
„Eikon Basilike“ unterscheidet sich jedoch völlig von dieser früheren Quelle. Der König war besiegt und zum Tode verurteilt worden und ging deutlich weniger auf weltliche Belange ein. Stattdessen stellte er sich selbst als von den kämpferischen Handlungen überrascht und begleitet von nur wenigen Gefolgsleuten einer Übel wollenden Übermacht ausgeliefert dar. Er betonte seine „truly unwillingnesse to fight“ und den „defensive part“, den er selbst einnahm. Er sei nicht in der Lage gewesen, sich selbst, geschweige denn sein Volk zu schützen, da der Großteil seiner Armee einem anderen Kommando folgte. Statt dieses Bekenntnis jedoch als Schwäche auszulegen, attribuierte Karl I. sich selbst den unverbrüchlichen Glauben und die Opferbereitschaft der frühen Christen, die gegen ihre Verfolger nur mit „Prayers and Tears“ kämpfen konnten: „if not to conquer as a soldier, yet to suffer as a Martyr“.²⁶⁰ Mit ihrem Vorgehen habe die Miliz ihn zum Märtyrer gemacht: „making me a glorious king, by taking away my kingly power“ – einer Rolle, in der er seinen größten Nutzen entfalten konnte „to support my Friends, and [be] a Terrour to my enemies“.²⁶¹ Der Zeichen seiner weltlichen Macht sowie der Liebe seiner Untertanen beraubt, gab sich der König ganz Gottes Gnade anheim. Die Unschuld seiner Seele, Gottes Gnade und sein Platz im Himmelreich sei „the greatest Treasure and Ammunition for a King“, die niemand ihm nehmen könne.²⁶² Auf eine hochgradig emotionale Art verabschiedete sich Karl am Ende des Werkes als Ehemann und Familienvater von seiner Frau und seinen Kindern und schafft so die Verbindung zwischen Persönlichem und Öffentlichem.²⁶³ Freimütig räumte er bei der Beschreibung seiner Regierungszeit in einer persönlichen Retrospektive auch menschliche Fehler ein; ein Zugeständnis, das auch heute noch beim Leser Anklang findet. So büßt der König nun laut eigener Aussage dafür, im Fall des Earls of Strafford gegen sein Gewissen gehandelt zu haben, indem er zuließ, dass das Parlament einen loyalen Gefolgsmann hinrichtete. Diesen Fehler, gegen sein Gewissen gehandelt zu haben, würde er zwar nie wieder begehen, er führt seine eigene missliche Lage aber auf diese Fehlentscheidung zurück.²⁶⁴ Kevin Sharpe bezeichnet „Eikon Basilike“ als „his [Karls I.] most famous discourse and most powerful act of authority“.²⁶⁵ Zwar zielt diese Bemerkung eher auf die Wirkung des Traktats, dennoch lässt sich in „Eikon Basilike“ erneut eine ganz spezifische Verwendung des Terminus „authority“ feststellen. Dem Parla-
Vgl. ebd., S. 63. Ebd., S. 65. Vgl. Ebd., S. 69. Vgl. Sharpe, Image Wars, S.391 ff. Vgl. Eikon Basilike, S. 9. Sharpe, Remapping, S. 147.
4.2.6 Eikon Basilike vs. Eikonoklastes
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ment gestand Karl I. eine „just authority“ zu – scheinbar ein Novum für eine royalistische Schrift, denn zuvor war von den königstreuen Autoren stets die unrechtmäßige „authority“ des Parlaments betont wurden. Er bestritt, jemals die Absicht gehabt zu haben, mit Gewalt gegen das Parlament vorzugehen. Stattdessen habe er die Gerechtigkeit und Vernunft auf seiner Seite gehabt und sei entschlossen gewesen „rather to bear the repulse with patience, then to use such hazardous extremities“.²⁶⁶ Der vielbemühte Vorwurf des Parlaments, der König habe den Bürgerkrieg gegen sein eigenes Volk begonnen, was auch ein zentrales Argument für die Hinrichtung des Königs war, wurde so entkräftet. Auf der anderen Seite verurteilte Karl die Aufstände scharf als Verstoß des Pöbels gegen „all boundaries of Lawes, and reverence to Authority“, der Gottes Missfallen in höchstem Maß auf die englische Nation gelenkt habe.²⁶⁷ Dass die dem Parlament zugestandene Vollmacht jedoch der traditionellen, monarchischen Argumentation folgend als vom König erteilt und begrenzt angesehen wurde, zeigt sich an einem Zitat über das „Root and Branch“-Gesetz. Die zugrundeliegende „Root and Branch“-Petition forderte die Abschaffung des Episkopats; der im Anschluss daran von Oliver St. John (um 1598 – 1673) 1641 eingebrachte Gesetzesentwurf sah den Ausschluss der Bischöfe aus dem Oberhaus vor. Zwar wurde das Gesetz nicht verabschiedet, das Ziel der Befürworter wurde aber mit dem 1642 in Kraft tretenden „Bishops Exclusion Act“ und der „Ordinance for the abolishing of Archbishops and Bishops in England and Wales“ von 1646 dennoch erreicht. In „Eikon Basilike“ beschrieb Karl I. die Vorgänge aus seiner Sicht und resümierte: „This is the true state of those obstructions pretended to be in point of Justice and Authority of Parliament“.²⁶⁸ Damit ist klar, dass das Parlament weit über seine Befugnisse hinaus gehandelt hat, Recht und Vollmacht in dieser Art zu handeln standen ihm nicht zu. Im Besitz der hierfür nötigen „authority“ zu sein, wurde vom Parlament vorgetäuscht, um seine Ziele durchzusetzen – keine Frage, bei wem die rechtliche Befugnis eigentlich lag. Die Klassifizierung der „just Authority“ des Parlaments ist somit gleichsam übersetzbar als eine rechtmäßige Vollmacht, deren Quelle der König ist. In einem Atemzug mit der Betonung seiner Rechte als Herrscher erlegte sich Karl I. mit Rücksicht auf die ihm nachfolgende Regierung Schweigen auf: Ehre und Gerechtigkeit verböten ihm, weiter über realpolitische Themen zu sprechen. Damit diskreditierte er gleichzeitig seine Gegner, die offenbar der Ehre und dem Gesetz zuwider handelten.²⁶⁹ Dabei hatte Karl I. keineswegs die Herrschaft des Parlaments im Sinn – vielmehr
Eikon Basilike, S. 15. Ebd., S. 16. Ebd., S. 58. Ebd., S. 67.
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sieht er die Probleme und Disfunktionalität einer Demokratie voraus; man müsse das Volk jedoch die Erfahrung jener „Hydra“ machen lassen um dann glorreich zu einer Monarchie zurückzukehren. Es ging Karl I. um die Erneuerung der „Sun of Sovereignty“, also die erneute Einsetzung eines Königs zum Wohl des Volkes. Die künftige Rehabilitierung der Monarchie sei gleichbedeutend mit der „just Recovery of their Rights from unjust Usurpations and Extortions“.²⁷⁰ Es wird zwischen Recht und Unrecht unterschieden und die beiden sich im Bürgerkrieg gegenüberstehenden Parteien klar einer Sphäre zugeordnet; „Authority“ verbindet sich erneut ganz deutlich mit dem geltenden Recht. In diesem Sinn unterschied er auf der Grundlage der göttlichen Vorsehung und den Gesetzen zwischen dem Souverän und dem Volk. Die „Nineteen Propositions“ entlarvt er als „violent oppositions, if once they gain to be necessary impositions upon the Regall Authority“.²⁷¹ Als Grund für die Formulierung der „Propositions“ sah er die Verfolgung von Privatinteressen oder das geheime Ziel der Aneignung der königlichen Macht als ausschlaggebend an. Insgesamt gesehen bleibt die Betonung der göttlichen Quelle der königlichen Vollmacht ein starkes Argument in „Eikon Basilike“. Komplementär dazu beschreibt Kevin Sharpe den Sonderfall der englischen Könige, die sich seit der Lossagung von der römisch-katholischen Kirche stets auch als oberste Kirchenherren und PriesterKönige sahen.²⁷² Bezogen auf den schottischen Covenant machte Karl I. deutlich, dass der König in Fragen der religiösen Verfasstheit seines Herrschaftsgebietes die ausschlaggebende Kraft sei. Scharf kritisiert er die Schotten, „unlesse they dare preferre ambigious, dangerous and unauthorized novelties, before their knowne and sworne duties, which are indispensible, both to God and My selfe“.²⁷³ Demgegenüber warf er die „divine Authority and Sacred power“ in die Waagschale, die die Könige von Gott erhalten.²⁷⁴ Der König habe damit aber auch die göttliche Pflicht erhalten, für Sicherheit und Ruhe im Staat zu sorgen, wofür er auch die Aufsicht über die Kirche haben muss. Karl betonte die historische Zweckmäßigkeit der Einsetzung einer Kirchenverwaltung, also der bischöflichen Strukturen, die sowohl einen aus der Frühkirche und dem apostolischen Auftrag abgeleiteten, kirchlichen Nutzen hätten, als auch eine verlässliche, kontinuierliche Stütze der weltlichen Herrschaft seien. Dabei ist natürlich zu betonen, welcher Hierarchie das englische Episkopat folgte: Der König entschied über die Tragweite der
Ebd. Ebd., S. 72. Vgl. Sharpe, Image Wars, S. 394. Eikon Basilike, S. 103. Ebd., S. 130.
4.2.6 Eikon Basilike vs. Eikonoklastes
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Vollmacht der Bischöfe; ihr „Office, Power and Authority“²⁷⁵: „For those secular additaments and ornaments of Authority, Civill Honour & Estate, which my Predecessors, and Christian Princes in all Countries have annexed to Bishops and Church-men; I look upon them, but as just rewards of their learning and piety, who are fit to be in any degree of Church Government“.²⁷⁶In seiner eigenen Zeit sah Karl I. die ursprünglichen, gerechten Ansprüche der Kirchenväter auf den Titel und die damit einhergehende Macht der Nachfolge der Apostel²⁷⁷ durch ambitionierte Männer usurpiert und zu falschen Zwecken genutzt: „proud Usurpers against true Episcopacy: who, if they be not Traytors and Boasters, yet they seeme to be very covetous, heady, high-minded; inordinate and fierce lovers of themselves“.²⁷⁸ Insbesondere im Hinblick auf die „Solemn League and Covenant“ der Parlamentsarmee mit den Schotten sah der König kirchliche Grundwerte geopfert, die Herrschaft der Bischöfe ohne seine Zustimmung abgeschafft und die kirchlichen Würdenträger ihrer „due Authority and Revenues“ beraubt.²⁷⁹ Vor diesem Hintergrund rechtfertigte Karl I. seinen Waffengang gegen das eigene Volk. Er habe einzig die richtige Ordnung der Kirche aufrechterhalten und den Glauben verteidigen wollen: „I onely fought to continue what was necessary in point of Order, Maintenance, and Authority to the Churches Government“.²⁸⁰ Generell ist die Betonung der Vorrangstellung der Seele bzw. des Seelenfriedens und der Religion vor politischen Angelegenheiten eine der Hauptstrategien des Werkes. Das kann kaum verwundern, denn die politische Agenda Karls I. war auf ganzer Linie gescheitert, auf dieser Ebene konnte er nicht mehr sinnvoll argumentieren. Die Herausstellung seiner eigenen Verbundenheit zu Gott, der ihn direkt in sein königliches Amt berufen und ihm bestimmte Aufträge, Rechte und Ebd., S. 144. Ebd., S. 151. Zu dieser Herleitung der bischöflichen Struktur der Kirche äußerte sich Karl I. mehrfach. „Authority“ wird hier häufig verwendet, um die Kompetenz der Apostel-Nachfolger in der christlichen Frühkirche zu beschreiben: „wisdome and piety of the Apostles, that first setled Bishops in the Church; which Authority they constantly used, and enjoyed in those times, which were purest for Religion, though sharpest for persecution.“ Ebd., S. 147.Zweifellos stellt sich die Situation der Bischöfe zur Zeit der Herrschaft der Stuarts gänzlich anders dar. Nicht eine direkt von den Kirchenvätern abgeleitete „authority“ ist ausschlaggebend, sondern der Wille des Königs. Karl I. sieht hier aber keinen Widerspruch für eine gute Kirchenordnung, denn er habe stets die ursprünglich von Gott gewollte Ordnung der Kirche als beste Art und Weise der Kirchenverwaltung respektiert („Not that I am against the managing of this Presidency and Authority in one man, by the joynt counsell and consent of many Presbyters: I have offered to restore that“. Ebd., S. 147). Zu dieser Spannung vgl. Milton, Catholic and Reformed, S. 454 ff. Ebd., S. 145. Ebd., S. 150, 152. Ebd., S. 162, 177.
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Pflichten auferlegt habe, ist in seiner prekären Situation zu Beginn des Jahres 1649 schon weit effektvoller. Auch Kevin Sharpe bezeichnete das immer wiederholte Mantra Karls I. von „reason and religion“ als Beanspruchung der ultimativen, nämlich göttlichen Autorität für das Anliegen des Königs.²⁸¹ Dieser Vorzug von Glaubensfragen vor politischen Themen äußert sich zum Beispiel auch in Karls Beschwerde darüber, dass ihm während seiner Gefangenschaft geistige Seelsorger verweigert wurden. Hätte er Anderes eingefordert, das ihm rechtmäßig zusteht, wie etwa „My Revenues, My Power of the Militia, or any one of My Kingdomes“, wäre er über eine Ablehnung nicht verwundert gewesen – „But to deny Me the Ghostly comfort of my Chaplains, seems a greater rigour and barbarity“.²⁸² Gegen Ende des Traktats betonte Karl I. nochmals deutlich die Illegitimität des Vorgehens seiner Gegner. Sie stammen zwar aus dem Volk, seien selbst aber zu den größten Unterjochern desselben geworden, indem sie die Unterwerfung ihrer Landsleute forderten unter „novell injunctions, before they are stamped with the Authority of Laws, which they cannot wel have without my Consent.“²⁸³ Der König beharrte also auf der alten englischen Verfassung, laut der ein Gesetz nur durch die Zustimmung des Königs Rechtskraft erlangen konnte. Eine letzte Beschreibung der „authority“ seiner Gegner lieferte der König in seinem Appell an seinen Sohn und Nachfolger. Er mahnt ihn, nicht das ganze Volk für die Rebellion einiger weniger zu bestrafen, denn der Großteil sei unwissend und falsch informiert gewesen. Statt Rache zu üben und zu strafen, solle sein Sohn sich in Vergebung und Gnade üben. Der Gruppe der Rädelsführer gegenüber war der König jedoch nicht so nachsichtig. Er kündigt ihnen die göttliche Strafe für ihre Verbrechen an: „the earth of the lowest & meanest people opening upon them, and swallowing them up in a just disdaine of their ill-gotten and worse Authority: upon whose support and strength they chiefly depended for their building and establishing their designs against me, the Church & State.“²⁸⁴ „Authority“ wird in diesem Zitat klar als die ausschlaggebende Vollmacht für jedes verbindliche, politische Vorgehen definiert. Zugleich wird der Charakter der Vollmacht der Gegner Karls I. offengelegt: sie sei widerrechtlich angeeignet und auf die schlechteste Art und Weise genutzt worden. Damit wird abschließend nicht nur der generelle Stellenwert der „authority“ für Herrschaftsbefugte (und Herrschaftswillige) deutlich, sondern der Anspruch des Parlaments auf Alleinherr-
Vgl. Sharpe, Image Wars, S. 394. Eikon Basilike, S. 198. Ebd., S. 215. Ebd., S. 252.
4.2.6 Eikon Basilike vs. Eikonoklastes
263
schaft mit allen dem König gebotenen Mitteln des geltenden Rechts und der göttliche Ordnung negiert. „Eikon Basilike“ traf in der aufgeheizten Stimmung des Jahres 1649 durchaus auf fruchtbaren Boden. Im Laufe des Jahres bildete sich eine Koalition zwischen Levellern und Royalisten, die sich vor allem gegen das Rump richtete, das als neue Tyrannei betrachtet wurde. Das königliche Traktat schürte die öffentlichen Zweifel sowohl an der Frömmigkeit als auch an der Legalität des neuen Regimes. Der propagandistische Zweck von „Eikon Basilike“, wie er sich bereits im Frontispiz (Abb. 4) äußerte, nämlich die Stilisierung des hingerichteten Königs zum Märtyrer, wurde erreicht.²⁸⁵ Ronald Hutton stellte die These auf, dass viele Menschen das Ende der Monarchie bedauerten und sich die alte Ordnung mitsamt König zurückwünschten. Ein Indiz dafür sei der ungeheure Erfolg der Schrift bei den Zeitgenossen.²⁸⁶ Dass das Rump eine solch einflussreiche Schrift nicht unkommentiert lassen konnte, ist klar. Sharpe betont zu recht, von welch enormer Wichtigkeit es für das neue Regime war, seine Legitimität, sein Programm und seine Werte darzulegen und zu verbreiten. In den frühen Tagen des neu errichteten Commonwealth gab es zunächst nur Deklarationen zum Königsprozess und der Abschaffung von König und Oberhaus als Regierungsinstitutionen.²⁸⁷ Die Berücksichtigung der „authority“ zur Ableitung einer Herrschaftslegitimation lässt sich etwa am „Act Abolishing the Office of King“ vom 17. März 1649 nachvollziehen. Ganz der Tradition der „Royal Proclamations“ folgend, steht „authority“ auch hier noch in direktem Zusammenhang mit dem König und seinem Amt. Zwar erfolgt die Betonung des königlichen „office, style, dignity, power, or authority“ im Rahmen der gegenwärtigen Abschaffung und künftigen Nichtwiedereinsetzung von Königen oder Einzelpersonen mit königsgleichen Befugnissen. Dennoch war sich das Parlament offenbar über den Konnex zwischen Herrscher und rechtlich gewährter Vollmacht im Klaren. Deshalb wird gleich im ersten Satz nicht nur betont, dass man Karl I. „justly condemned, adjudged to die, and put to death“ habe, sondern auch, dass dies durch die „authority derived from Parliament“ geschehen ist. In der vorliegenden Quelle erfolgt also einerseits die formelle Ummünzung bzw.
Beispiele für zeitgenössische Kritik am Rump sind Bischof William Juxons (1582– 1693) „The Subjects Sorrow“ und Fabian Philipps (1601– 1690) „King Charles the First no Man of Blood but a Martyr for his People“. Vgl. Skinner, Visionen, S. 233 f. Als internationale Reaktion auf die Hinrichtung des Monarchen ist z. B. Andreas Gryphius (1616 – 1664) Trauerspiel „Ermordete Majestät oder Carolus Stuardus König von Gross Britannien“ zu nennen, das 1657 erschien. In der anglikanischen Kirche wird er später als Heiliger und Märtyrer verehrt. Vgl. Hutton, British Republic, S. 26. Vgl. Sharpe, Image Wars, S. 403.
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Abb. 4: Frontispiz, Karl I., Eikon Basilike, The Pourtraicture of His Sacred Majestie in his Solitudes and Sufferings, London 1649, The Rare Book & Manuscript Library, University of Illinois at Urbana-Champaign. Auszug veröffentlicht mit Genehmigung von Pro Quest. Weitere Vervielfältigung ist ohne die Erlaubnis von Pro Quest untersagt.
Aneignung der „supreme authority“ durch das Parlament.²⁸⁸ Andererseits nutzt das Rumpfparlament damit dezidiert monarchische Formen des Diskurses, statt eine neue, auf die eigenen Parameter passende Sprache und Repräsentation zu schaffen. Kevin Sharpe zufolge war dieses Versäumnis einer der Hauptgründe für das Scheitern der Republik als Regierung ebenso sehr wie als politische Idee.²⁸⁹ Die Deklarationen vermochten nur in begrenztem Rahmen den revolutionären Wandel, der sich ereignet hatte, zu erklären. Die Souveränität des Rump musste insbesondere angesichts der einflussreichen königlichen Schrift „Eikon Basilike“ und dem Vorsprung der Royalisten beim Wettbewerb um die formale
Act Absolishing the Office of King, 17. März 1648/1649, in: G.B. Adams, H.M. Stephens (Hgg.), Select Documents of English Constitutional History, London 1901, S. 397– 399. Vgl. Sharpe, Image Wars, S. 403.
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Begründung der Legitimität möglichst überzeugend herausgearbeitet werden. Mit dieser anspruchsvollen Aufgabe wurde John Milton beauftragt. Bereits zwei Wochen nach der Hinrichtung des Königs hatte Milton „The Tenure of Kings and Magistrates“ veröffentlicht. Der Lohn für diese schnelle Verteidigungsschrift war Miltons Ernennung zum Secretary of Foreign Tongues sowie der Auftrag, zwei weitere Schriften zu verfassen: „Eikonoklastes“ (erschienen im Oktober 1649) und „Pro Populo Anglicano Defensio“ (erschienen im Februar 1651), die sich, wie später auch die lateinische Übersetzung des „Leviathan“, an eine internationale Bildungselite („republic of letters“) richtete.²⁹⁰ Milton wird von der historischen Forschung zu der Gruppe der klassischen englischen Republikaner gezählt,²⁹¹ auch wenn er die Monarchie nicht rundheraus als Wurzel allen Übels ablehnte.²⁹² In „The Tenure of Kings and Magistrates“ führt er mehrere antike Kaiser an, die er für gute Könige erklärt, da sie ihre Herrschaft am Wohl des Volkes orientierten und sich im Falle eines Verstoßes gegen diese oberste Maxime einer gerechten Bestrafung anheim gaben.²⁹³ Ausschlaggebend ist die Unterordnung des Königs unter geltendes Recht: „a Prince is bound to the Laws; that on the autoritie of Law the autoritie of a Prince depends, and to the Law ought submit.“²⁹⁴ Neben dieser nicht eindeutigen Bevorzugung von Republiken durch den Republikaner Milton ist zudem eine genaue Aussage zum englischen Republikanismus dieser Zeit schwierig, denn es handelte sich nicht um eine einheitliche Bewegung. Statt eines gemeinsam verfolgten, politischen Konzeptes teilten die „classical republicans“ oder „neo-roman authors“ eher eine gemeinsame, an den Vgl. Skinner, Visions, S. 210 ff. Krischer, Souveränität ohne Autorität, S. 39. Norbrook, Writing, S. 204. So z. B. von Rahe, Against Throne and Altar, S. 2. Scott, Classical Republicanism, S. 62. Stattdessen hing Milton der aristotelischen Gleichsetzung zwischen wahrer Königsherrschaft mit Gesetz, Gerechtigkeit und Vernunft an. Die Interessen des Königs und des Volkes seien in einer idealen Monarchie im Grunde dieselben. Zunächst wurden Tyrannen kritisiert, nicht per se Monarchen. Vgl. Wordon, English Republicanism, S. 448. Auch Norbrook weist darauf hin, dass Milton der Monarchie die Legitimität in bestimmten Kontexten nicht abspricht. Vgl. Norbrook, Writing, S. 204. Milton führt König David und König Demophoon an – also gewissermaßen beides literarische Vorbilder. Aber auch Trajan und Theodosius d.J. als reale Herrscher werden genannt. Vgl. Milton, Tenure, S. 14. Auf der anderen Seite bringt Milton viele Beispiele für Herrscher, die nach einer Rebellion des Volkes vertrieben oder abgesetzt wurden und bei ihrer Restaurierung grausam Rache an den Rebellen übten. Damit zeigt Milton auf, dass es notwendig war, Karl I. hinzurichten, um nicht selbst als Verräter bestraft zu werden. Er rechtfertigt die Behandlung des Königs, der nach dem selbstverschuldeten Verlust seiner „authority“ nur noch eine Privatperson gewesen sei und als diese einen öffentlichen Prozess erhalten habe. Vgl. Milton, Tenure, S. 42 ff. Ebd., S. 14.
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Größen der Antike und des Humanismus orientierte, politische Sprache.²⁹⁵ Auffällig bei Milton ist, dass er sich vor allem mit der Seele der Verfassung („spirit of a constitution“²⁹⁶) beschäftigte, also mit den aus der klassischen Antike und dem Christentum abgeleiteten, moralischen Werten, die in einem Gemeinwesen umgesetzt werden sollten. Er formulierte aber nie ein Konzept der politischen Repräsentation oder beschrieb die konstitutionellen Mechanismen einer zu errichtenden Republik,²⁹⁷ anders wie z. B. James Harrington dies tat. Milton gehörte zu denjenigen Apologeten des neuen Regimes, die sich der klassischen Begrifflichkeiten des römischen Rechts bedienten. Insbesondere der Argumentation mit dem „liberty“-Begriff ist von der historischen Forschung in diesem Kontext viel Beachtung geschenkt worden.²⁹⁸ Bereits in „The Tenure of Kings and Magistrates“ macht Milton den Zusammenhang zwischen der Grundannahme, dass alle Menschen frei geboren sind, und den aktuellen politischen Ereignissen deutlich: Freie Menschen können sich jederzeit ihr Regierungssystem wählen.²⁹⁹ Darüber hinaus bemüht sich Milton um die Herstellung einer historischen Tradition der Absetzung und Tötung schlechter Könige in England, die die Hinrichtung Karls I. we-
Vgl. Wordon, Marchamont Nedham, S. 46 ff. Peltonen, Classical Humanism, S. 311. Wordon, English Republicanism, S. 447. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die enge Verbindung Miltons zum Zirkel um Samuel Hartlib (um 1600 – 1662) und damit auch zu Sir Cheney Colpeper, der ein großer Anhänger machiavellistischer Ideen war. Die „Hartlibians“ waren Befürworter der parlamentarischen Reformen und beschäftigten sich mit der Reorganisation der intellektuellen Kultur nach dem Zusammenbruch der Hofkultur. Dabei war sich aber v. a. auch Colpeper des avantgardistischen Charakters seiner Gedanken wohl bewusst. In einem Brief an Hartlib schrieb er „My paper is done […] better fitts to the next age“. Brief Colpepers an Hartlib vom 16. Mai 1644, CL, S. 201 f., siehe Norbrook, Writing, S. 443. Scott, Classial Republicanism, S. 62. Vgl. Norbrook, Writing, S. 141, 404. Vgl. u. a. Skinner, Visions, S. 197: Alle Menschen, so Milton, besitzen ein angeborenes Recht auf Freiheit. Dieses Grundrecht haben sie unter der tyrannischen Herrschaft Karls I. verloren; sie lebten in einem Zustand der Sklaverei. Die Hinrichtung des Königs und die Abschaffung der Monarchie sind für Milton (wie nur für wenige andere Republikaner, die in der Mehrheit das Verbrechen der Hinrichtung Karls I. scharf kritisierten) ein Akt der Selbstbefreiung des Volkes. „No man […] can be so stupid to deny that all men naturally were born free“ Milton, Tenure, S. 8. Milton unterteilt die Menschen grundsätzlich in zwei Lager: Die guten Menschen, die um ihre eigene Freiheit wissen und diese verteidigen und die schlechten Menschen, die ihre Versklavung als Naturgesetz annehmen und sich aufgrund von Gewohnheit und „blind affections within“ der gerechten und gottgefälligen Sache der Abschaffung des Tyrannen nicht anschließen. Vgl. ebd., S. 1 f. Zudem rekurriert Milton bei der freien Entscheidungsgewalt des Volkes über die Art der Regierung auf die Bibel (u. a. Deut. 17, 14 und Sam. 1, 8). Vgl. ebd., S. 15.
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niger als ein ungeheuerliches Novum erscheinen lassen soll.³⁰⁰ Zudem betont Norbrook, dass Miltons Republikanismus stets auch ein konservatives Moment enthielt, auch wenn er sich z. B. in „Aeropagitica“ von den traditionellen englischen Institutionen distanziert.³⁰¹ Für die englischen Republikaner gab es Mitte des 17. Jahrhunderts zwei Hochphasen: Zunächst die formelle Abschaffung der Monarchie und Errichtung des „Commonwealth and Free State“ 1649 bis zur Errichtung des Protektorats unter Oliver Cromwell 1653 – also die Zeit, in die auch die in der Folge zu betrachtenden Werke Miltons „Eikonoklastes“ und „The Tenure of Kings and Magistrates“ (beide 1649) fallen. Und, bedingt durch den Tod des Lord Protektors 1658, die Zeit unmittelbar vor der Restaurierung der Monarchie, als es für eine kurze Dauer möglich schien, das mit dem Protektorat gescheiterte Experiment einer englischen Republik doch noch zu realisieren. Auch an Miltons Schriften lassen sich diese Konjunkturen nachvollziehen.³⁰² Zwar hatte Milton mit einer Überarbeitung seines „Readie and Easy Way to Establish a Free Commonwealth“ (erschienen im Februar 1660) noch versucht, das Ruder herumzureißen und die republikanische Ordnung der royalistischen Unordnung gegenüber gestellt; seit Juni 1659 konnte jedoch kaum mehr ein Zweifel an der bevorstehenden Restauration bestehen – Milton tauchte, ähnlich wie viele andere Republikaner, in den Untergrund ab. Er wurde dennoch festgenommen, kam aber nach kurzer Haft wohl aufgrund der Fürbitten unter anderem von Andrew Marvell³⁰³ und Sir William Davenant (1606 – 1668) schnell frei.³⁰⁴
Ebd., S. 28: „that the people of Britain have depos’d and put to death thir Kings in those primitive times.“ Und auch für die jüngere Vergangenheit findet Milton zahlreiche historische Beispiele, z. B. den Fall der schottischen Königin Maria Stuart. Vgl. S. 28 ff. Vgl. Norbrook, Writing, S. 130 ff.: „Aeropagitica“ avancierte später zu einem Werk, auf das sich viele Republikaner bezogen, u. a. Marchamont Nedham, James Harrington, John Hall und Algernon Sidney. So entfernte er sich durch kritische Schriften zunehmend vom Protektorat, das er zusammen mit Marchamont Nedham verteidigt hatte, wie kein anderer Republikaner (z. B. durch die „Defensio seconda“),und näherte sich der „republikanischen Partei“ wieder an. Siehe dazu u. a. „A Treatise of Civil Power in Ecclesiastical Causes“, „The Cabinet Council“ und die neue Edition der „First Defence“. Diese Texte listen vor allem republikanische Grundeinstellungen und Maxime auf. Zudem wird das Protektorat, das in seiner Repräsentation und Hofhaltung mitunter sehr an das Königtum erinnerte, durch die Thematisierung von durch einen Einzelherrscher ausgelösten, höfischen Privatintrigen und der schwindenden Weisheit des Hofes grundsätzlich kritisiert. Vgl. Norbrook, Writing, S. 395. Sharpe, Image Wars, S. 488. Andrew Marvell hatte zwar 1642 den Protestation Oath abgelegt, hielt sich jedoch als Tutor eines jungen Adeligen während der kommenden Jahre des Bürgerkrieges bis 1647 im Ausland auf. Nach seiner Rückkehr wurde er als Royalist wahrgenommen, ein Umstand, den er mitder „Horatian Ode upon Cromwells Return from Ireland“ änderte, das eines der bedeutendsten politi-
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Dass der Versuch der Installierung einer republikanischen Regierung mit der Übernahme der Herrschaft durch das Rump in der Retrospektive in Miltons Augen gescheitert war, da dieses Rudiment eines Parlaments keine echte Republik darstellte, tritt deutlich aus vielen seiner Aussagen hervor. Einen Hauptgrund dafür sah er in der mangelnden Bildung seiner Mitmenschen begründet. Um die im Verlauf der Geschichte rar gesäten Chancen, Freiheit zu erlangen, ergreifen zu können, bedürfe es fähiger Männer – so Miltons Überzeugung. Genau an dieser Ressource fehlte es jedoch in England, da es kaum Kundige fremder Regierungsmodelle³⁰⁵ gab, wie sie ausgedehnte Bildungsreisen hervorbringen. Milton selbst hatte Italien und insbesondere Florenz bereist und hier viele Inspirationen gesammelt. Bereits seit 1647/48 drängte er seine Zeitgenossen zur Abkehr von pragmatischen Lösungen der politisch-konstitutionellen Krise nach dem Bürgerkrieg. Er beschuldigte sie der Engstirnigkeit und Ignoranz gegenüber den drängenden öffentlichen Problemen. Stattdessen wollte Milton die Errichtung eines „another Rome in the West“.³⁰⁶ In seinen früheren Werken, z. B. in „Aeropagitica“, hatte Milton noch größeres Vertrauen in das Volk als Urheber seiner eigenen Befreiung, dennoch weiß er um den verbreiteten Konservativismus und das Fehlen einer spezifisch republikanischen Kultur in England, was die Umsetzung einer politischen Erneuerung in seinem Sinn erschwert.³⁰⁷ So erklärt er sich in „The Tenure of Kings and Magistrates“ zum Aufklärer jener Zeitgenossen, die
schen Gedichte in englischer Sprache ist. Die Hinrichtung Karls I. wird ausdrücklich begrüßt und Cromwell als Schlüsselfigur der Republik gefeiert. Im Winter 1652/53 kehrte Marvell nach London zurück und wurde der Sekretär Miltons im Staatsrat, der ihn später (erfolglos) auch für einen Regierungsposten empfahl. So protegiert wurde bald Cromwell selbst auf ihn aufmerksam und machte ihn zum Tutor seines Schützlings William Dutton. Im Laufe der nächsten Jahre verfasste Marvell zwei weitere Gedichte, die Cromwells Regierung unterstützen und glorifizierten. 1657 wurde er Teil des civil service und John Thurloes Lateinsekretär. 1659 war er für Hull ins Parlament gewählt worden und unterhielt enge Kontakte zu James Harrington. Die Restauration der Stuarts überstand er vollkommen unbehelligt, weswegen er sich für seinen früheren Vorgesetzten und Förderer Milton einsetzen konnte.Vgl. Kelliher, W.H., Marvell, Andrew, in: ODNB, https://doi.org/ 10.1093/ref:odnb/18242, Stand 05.04. 2020. Vgl. Sharpe, Image Wars, S. 420, 428, 432. Mit der „Weisheit des Mittelmeerraumes“ meinte Milton die klassisch-antiken Gemeinwesen sowie das Italien der Renaissancezeit. Vgl. Wordon, Marchamont Nedham, S. 58. Vgl.Wordon, Classical Republicanism, S. 190. Ders., English Republicanism, S. 455 ff.: Milton war ein Kenner des Römischen Reiches und der antiken Autoren, unter anderem von Aristoteles, Cicero und Livius. Bereits vor dem Bürgerkrieg formulierte er Texte gegen die Überlegenheit von Monarchien vor jedem anderen Staatswesen und kam zunehmend zu republikanischen Überzeugungen. Zu Beginn der 1640er Jahre rezipierte er Machiavelli und dessen Vorzug eines Commonwealth gegenüber einer Monarchie. Vgl. Norbrook, Writing, S. 131, 188 f.
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angesichts der Abschaffung der Monarchie zu wanken begannen und „almost shiver at the Majesty and grandeur of som noble deed“: „To these I wish better instruction […] Instruction, I shall indeavour, as my dutie is, to bestow on them“.³⁰⁸ Als sich 1659/60 das endgültige Scheitern aller republikanischen Hoffnungen abzeichnete, äußerte Milton in „The Readie and Easy Way“ seine Wut gegen die „unbedachte Menge“, die davon besessen sei, zu Monarchie und Sklaverei zurückzukehren.³⁰⁹ In einem Brief von John Wall (1588 – 1666) an Milton teilt dieser 1659 Miltons Bedauern über die verlorene Chance, die Freiheit des Volkes langfristig in einem passenden Regierungssystem zu sichern.³¹⁰ Wall schreibt: „You complaine of the Nonprofesency of the nation […] but yet let us pity humane who made deep Protestations of their Zeal for Liberty both Spirituall and Civill […] when those being installed in power, shall betray the good thing committed to them, and lead us back to Egypt and by that Force which we gave them, to win us Liberty, hold us fast in Chains; what can poor people do! […] Besides while People are not free but straitned in accomodations for Life, their Spirits will be dejected and servile; […] that the norman conquest and Tyranny is continued upon the Nation without any Thought of removing it.“³¹¹ Auch bei Wall wird das Scheitern der republikanischen Hoffnungen neben dem Verrat der neuen Machthaber auch mit dem Fehlen einer politisch gebildeten Öffentlichkeit bzw. einer republikanischen Kultur verbunden. Eine ähnliche Haltung wird bei Milton bereits in „Eikonoklastes“ deutlich: Nur eine „vulgar audience“ sei fähig, auf einen Text wie „Eikon Basilike“ anzuspringen, der keinerlei Beweise für seine Behauptungen hervorbringt, außer einer von Gott gegebenen Vernunft. In diesem Sinn beschreibt Milton den Gegenspieler von „Eikonoklastes“ wie folgt: „The book which I have to answer
Milton, John, Tenure, S. 5. Vgl. Skinner, Visions, S. 221. Wall war Kleriker und ein bekannter Prediger und verbrachte die 1640er und 1650er Jahre am Christ Church College der Universtät Oxford als Unterdekan. In seiner Predigt „Ramus olivae“ lobt er Cromwell vor allem aufgrund seiner militärischen Führungsfähigkeiten und vergleicht ihn mit Alexander dem Großen. Gegen Ende der 1650er Jahre ist in seinen Schriften und Predigten ein Umdenken erkennbar: Er bedauerte die Beschäftigung der Menschen mit profanen Dingen und sich selbst und forderte Respekt gegenüber dem göttlichen Frieden. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass er die Restauration der Stuarts öffentlich begrüßte. Vgl. MacDonald, J.R., John Wall, in: ODNB, https://doi.org/10.1093/ref:odnb/28524, Stand: 05.04. 2020, überarb. v. Vivienne Larminie. Brief von John Wall an John Milton, 26. Mai 1659, in: Collection of letters and papers made by Thomas Birch, chiefly transcripts in his autograph but including a few original letters; 17th–18th, BL, Add MS 4292, b.
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pretends reason, not authorities.“³¹² Zwar schrieb Milton technisch unbezweifelt im besseren Stil, der Erfolg von „Eikon Basilike“ blieb seiner Schrift „Eikonoklastes“ jedoch verwehrt.³¹³ Ein Grund dafür mag eben seine hochstilisierte Sprache gewesen sein, die sich eher an ein elitär gebildetes Publikum richtete – anders als der emotionale Duktus des „Eikon Basilike“.³¹⁴ Wie Kevin Sharpe feststellt, hatte Milton eindeutig erkannt, dass historisch bedingt königliche Schriften und königliche Autorität eng miteinander verbunden waren. Für das Volk gab der Name des Königs als Verfasser eines Textes demselben Autorität. Aus diesem Grund tat Milton alles, um die königliche Autorität zu unterwandern, zum Beispiel mit der Darstellung Karls I. als unmännlichem Pantoffelhelden, der unfähig war, sich gegenüber seiner Ehefrau durchzusetzen und erst recht nicht dazu in der Lage, ein Land zu regieren.³¹⁵ Ein weiterer Angriff zur Verleumdung der Person des Königs gilt seinem Bildungsstand, den Milton als bestenfalls dürftig beschreibt.³¹⁶ In der 1651 erschienen Schrift „The life and reigne of King Charles or, the pseudo-martyr discovered“ fasst Milton seine Ein-
Siehe Sharpe, Image Wars, S. 393. Hutton, British Republic, S. 26. Dennoch rief „Eikonoklastes“ zahlreiche Antworten hervor, unter anderem: Hollingworth, Richard, Vindiciae Carolinae, or, A defence of Eikon basilike, the portraicture of His Sacred Majesty in his solitudes and sufferings in reply to a book intituled Eikonoklastes, written by Mr. Milton, and lately re-printed at Amsterdam, London 1692. Jane, Joseph, Salmasius his dissection and confutation of the diabolical rebel Milton: in his impious doctrines of falshood, maxims of policies, and destructive principles of hypocrisie, insolences, invectives, injustice, cruelties and calumnies, against His Gracious Soveraign King Charles I: made legible for the satisfaction of all loyal and obedient subjects, but by reason of the rigid inquisition after persons and presses by the late merciless tyrant Oliver Cromwel, durst not be sold publickly in this kingdom, under pain of imprisonment and other intollerable damages, London 1660. Ders., Eikon aklastos. The image unbroken: a perspective of the impudence, falsehood, vanitie, and prophannes, published in a libel entitled Eikonoklastee [sic] against Eikon basilike, 1651. Vgl. Norbrook, Writing, S. 125. Vgl. Sharpe, Image Wars, S. 400. Milton rekurriert hierbei auf die Passagen in „Eikon Basilike“, in denen Karl I. dezidiert seine Frau anspricht und die Ursachen für ihre nötig gewordene Flucht aus England scharf kritisiert. Der König spricht seine Frau auf intime, familiäre Art an, ebenso wie später seine Kinder. Er gibt sich eher als Privatmann und Vater der Familie, denn als Herrscher über ein Land. Was beim Volk viel Anklang fand, da es ihm wohl seinen König als Menschen näher brachte, nutzt Milton geschickt zur Diskreditierung des königlichen Status aus: Karl I. sei „govern’d and overswaid at home under a Feminine usurpation“ und kann deshalb nur „be farr short of spirit and autority without dores, to govern a whole Nation“. Milton, John, Eikonoklastes, S. 64. Milton stellt Karl I. als ungebildeten Mann dar, der unfähig ist, Gelehrte und Kleriker zu berufen. Zugleich könnte folgendes Zitat einen Seitenhieb auf das Stottern des Königs darstellen: „his Parole must needs be farr more unable to create learned and religious men; and who shall authorize his unlerned judgement to point them out?“ Ebd., S. 142.
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stellung, die auch „Eikonoklastes“ zugrunde liegt, zusammen. Der König sei hingerichtet worden „to cast that pilot overboard that not more out of ignorance than wilfulness, would obstinately have sunk the ship of the public in the vast ocean of his prerogative.“³¹⁷ Zwar arbeitet sich Milton in „Eikonoklastes“ Kapitel für Kapitel an „Eikon Basilike“ ab, dennoch bringt dieses spätere Zitat die Grundstimmung auf den Punkt. Bereits im Vorwort wird deutlich, was Milton später als Ignoranz des Königs fasst und was eine Wiederholung der viel bemühten Klage über die schlechten Ratgeber und „Hofparasiten“ Karls I. darstellt. Die Höflinge haben Miltons Ansicht nach schon immer des Königs „Regall Name and Authority“ für ihre eigenen Ambitionen genutzt. „The promoting of their own future designs“ sei auch der Zweck von „Eikon Basilike“, womit Milton ganz offen die Autorschaft des Königs in Frage stellt.³¹⁸ Zwar wird dem König hier zu Zeiten seiner Herrschaft „authority“ eingeräumt, jedoch wird die Stoßrichtung von Miltons Argumentation schnell klar. Bezogen auf die Klagen des Königs über seine Rolle bei der in Miltons Augen völlig gerechtfertigten Hinrichtung von Thomas Wentworth, dem ersten Earl of Strafford (1593 – 1641), stellt er fest „that if his conscience were so narrow and peculiar to it selfe, it was not fitt his Autority should be so ample and Universall over others“.³¹⁹ Auch Karls I. Beschwerde über die illegitimen Aufstände der Gemeinen gegen ihn mit dem Ziel „to pass all bounds of Law and reverence to Autority“ und dem Effekt, Gottes Missfallen in besonderem Maße erregt zu haben, entkräftet Milton. Die erfolgreichen Aktionen gegen den König seien eher ein Beweis dafür gewesen, dass Gott die tyrannische Herrschaft Karls I. missfallen habe und „he [God] intends to overturn [his proud Throne] by that contemptible Vulgar“. In diesem Aspekt argumentiert Milton, wie andere Anhänger des Parlaments vor ihm, gegen das von der royalistischen Seite immer wieder betonte Gottesgnadentum. Jede Änderung eines Regierungssystems sei gleichsam als Fingerzeig Gottes zu sehen – das heißt auch die Abschaffung der Monarchie verstößt durch die Hinrichtung eines von Gott erwählten Königs nicht gegen den göttlichen Willen, sondern erfüllt ihn. Ganz pragmatisch schließt Milton seine Überlegungen hierzu ab. „As for that supplicating People they did no hurt either to Law or Autority, but stood for it
Milton, John, The life and reigne of King Charls or, the pseudo-martyr discovered. With a late pely to an invective remonstrance against the Parliament and present government, London 1651, zitiert nach: Documents and Debates. Politics, Religion and Society in revolutionary England, 1640 – 1660, hg.v. H. Tomlinson, D. Gregg, London 1989. Vgl. Milton, Eikonoklastes, Vorwort. Auch im weiteren Verlauf des Textes bemüht Milton mehrfach die „Schlechte Ratgeber-Thematik“. Besonders scharf: Vgl. ebd., S. 80. Ebd., S. 14.
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rather in the Parlament against whom they fear’d would violate it.“³²⁰ Das Volk habe also zu keiner Zeit die bereits bekannte und auch hier beschworene Einheit von „Law and Autority“ verletzt, sondern für beides eingestanden – vertreten durch die Abgeordneten im Parlament. Im Vergleich mit dem König haben die Parlamentsmitglieder „undoubtedly […] most autoritie to judge of the public good, who for that purpose are chos’n out, and sent by the People to advice him“.³²¹ Karl I. hatte sich, wie andere Könige vor ihm, stets vorbehalten, den Vorschlägen des Parlaments und dem Rat anderer nur in dem Maße zuzustimmen, wie es der nur ihm offenbarte, göttliche Wille erlaubt. An dieser Stelle wird deutlich, dass es zwei unterschiedliche Modelle von „reason“ gibt, die den beiden Werken „Eikon Basilike“ und „Eikonoklastes“ zugrunde liegen. Während der König „reason“ als seine exklusive und individuelle Einsicht in die Absichten Gottes versteht, ist sie für Milton in humanistischer Tradition die natürliche Vernunft, die sich jedem mit rationalem Verstand klar darlegt. Nur vor diesem Hintergrund ist Miltons Äußerung zu verstehen, „Eikon Basilike“ „pretends to reason, not to Autorities and quotations:³²² and I hold reason to be the best Arbitrator, and the Law of Law it self“.³²³ Wie erwähnt, wird dem König als Amtsinhaber nicht per se „authority“ abgesprochen, wohl aber vor dem Hintergrund der Ereignisse während der letzten Herrschaftsjahre Karls I. Bereits in „The Tenure of Kings and Magistrates“ hatte sich Milton umfassend dazu geäußert, welche Gründe und Entwicklungen dazu führen, dass ein König rechtmäßig abgesetzt werden kann.³²⁴ Den Moment des Übergangs der „authority“ vom König auf das Parlament beschreibt Milton in „Eikonoklastes“ für den Fall Karls I. ganz genau. Es geht um die Garnison in Hull, die das hier untergebrachte, königliche Arsenal für den vorangegangenen „Bishop’s War“ mit Schottland bewachte. Mehrfach sei Karl I. vom Parlament dazu aufgefordert worden, das militärische Kommando in fähige Hände zu legen. Die Verfügung über Hull hätte der „malignant party“ des Königs jedoch zu viel Stärke im „causeless and most unjust civill war against his Subjects of Scotland“ verliehen – was durch das Parlament verhindert werden musste.³²⁵ Durch die wiederholte Ablehnung des Königs, den Forderungen des Parlaments nachzukom-
Ebd., S. 32. Ebd., S. 55. Womit diesmal tatsächlich im Sinne antiker auctoritas die überlegene Weisheit von Juristen auf ihrem Fachgebiet gemeint ist. Milton spielt noch öfter auf die Zitation von Autoritäten auf ihrem Fachgebiet an, z. B. in Milton, Tenure, S. 57. Ebd., S. 45 f. Ebd., S. 34 ff. Milton, Eikonoklastes, S. 66.
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men, sei man gezwungen gewesen „by the turbulence and danger of those times to put the Kingdom by thir owne autority into a posture of defence; and very timely sent Sir John Hotham […] to take Hull into his custody“.³²⁶ Mit der Übernahme des Befehls über die Garnison von Hull durch Hotham (1589 – 1645) ereignete sich jene berühmte historische Episode, in der Karl I. der Zutritt zur Stadt im April 1642 verweigert wurde; ein unübersehbares Signal seiner geschwundenen Vollmacht und unmittelbares Vorzeichen des Bürgerkrieges. Auch im Fortgang von „Eikonoklastes“ verknüpft Milton die Übernahme der militärischen Führerschaft eng mit der Aneignung der „authority“ durch das Parlament. Das ist bemerkenswert, denn an dieser Stelle erscheint weder der Rekurs auf das Volk als Quelle aller Vollmacht noch der Versuch, die Legitimität des Parlaments davon abzuleiten. Einzig die Notwendigkeit, sich gegen einen König zu verteidigen, der im Verborgenen gegen sein eigenes Volk mobil macht, wird angeführt.³²⁷ Die Antwort auf die Frage, wer den Bürgerkrieg begonnen hat, gibt somit den Ausschlag für die unwillkürliche Übertragung der „authority“ auf das Parlament. Wie bereits erwähnt, wendet sich Milton nicht grundsätzlich gegen eine Königsherrschaft, solange der Herrscher zum Wohl des Volkes handelt. Mit der Eröffnung eines Krieges gegen seine eigenen Untertanen hatte Karl I. jedoch jeglichen Anspruch auf Vollmacht verwirkt. Milton betont: „it hath bin oft anough told him, that he hath nor more autority over the sword then over the law; over the Law he hath none“.³²⁸ Schließlich wird nochmals mit Bezug auf die „Nineteen Propositions“ bzw. die „Answer“ des Königs hierauf klargestellt, dass die Abgeordneten des Parlaments die „full autority to redress public grievances“ haben.³²⁹ Milton rekapituliert die Herrschaftszeit Karls I., die zu diesen verhängnisvollen Entwicklungen geführt hat, als geprägt von Ungerechtigkeit, da alle Institutionen, die für das Recht hätten einstehen können, abgeschafft worden waren. Milton nimmt hier explizit Bezug zur Star Chamber und der High Commission, die eine Stellungnahme zum Zustand der Gerechtigkeit im Land abgeben sollten. Natürlich bezieht er sich vor allem auch auf die Parlamente, die von Karl I. eine „unprincely usage“³³⁰ erfahren hätten und schließlich von ihm aufgelöst worden waren. Zudem seien gute Verwalter, Richter und Geistliche durch die falschen Männer ersetzt worden, Bestechlichkeit sei an der Tagesordnung gewesen. Damit lässt er ein Bild entstehen, das der Selbsteinschätzung des Königs von seiner Regierungszeit gegenübersteht, hatte Karl I. seine Herrschaft doch als Zeit der
Ebd., S. 66 f. Ebd., S. 93. Ebd., S. 96. Ebd., S. 111. Ebd., S. 78.
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Gerechtigkeit, des Friedens, der Religiösität und des Wohlstandes skizziert.³³¹ Stattdessen fragt Milton: „Who can number the extortions, the oppressions, the public robberies, and rapines, committed on the Subject […] authoriz’d against the Subject“.³³² Dem König wird somit offen ein Missbrauch seiner Vollmacht vorgeworfen, da er sie gegen sein eigenes Volk instrumentalisiert hat. Folgerichtig wurde seine königliche „authority“ dann vom Parlament annektiert. Bezogen auf den Hintergrund der Irischen Rebellion, für die Milton auch Karl I. maßgeblich verantwortlich macht (der König sei der „Author of that Rebellion“³³³), legt Milton deutlich sein Verständnis von „authority“ dar: „As for the Commission granted them, he thinks to evade that by retorting, that some in England fight against him and yet pretend his autority. But though a Parlament by the known Laws may affirme justly to have the Kings autority, inseperable from that Court, though devided from his Person, it is not credible that the Irish Rebels who so much tender’d his Person above his Autoritie […] would be so farr from all humanitie as to slander him with a particular Commission sign’d and sent them by his own hand.“³³⁴ Es wird zunächst nochmals deutlich, dass die „authority“ eine mit einem Amt bzw. einer Institution verbundene Kompetenz ist, die dem König aberkannt wurde. Der Versuch Miltons, die Gesetze des Landes an dieser Stelle zu Ebd. Ebd., S. 78 f. Ebd., S. 116. Milton betont, dass die irischen Katholiken nicht auf die Hilfe ausländischer, katholischer Mächte vertrauen konnten, da diese in ihre eigenen Kriege verwickelt waren. Ohne Unterstützung sei der Irische Aufstand von 1641 jedoch nicht denkbar gewesen: „It remaines then that either some autoritie or som great assistance promis’d them from England, was that wheron they chiefly trusted.“ (Ebd., S. 115)– ihr Vertrauen sollte aber enttäuscht werden. Ebd., S. 119. Es geht hierbei um eine Erlaubnis bzw. Anordnung Karls I. vom 1. Oktober 1641, die den katholischen Anführern des Irischen Aufstandes befahl, zur Verteidigung des Irischen Königreiches Maßnahmen gegen die Protestanten zu ergreifen, die mit den Feinden des Königs im englischen Parlament assoziiert wurden. Der Rebellenführer Sir Phelim O’Neil (†1652) gibt hierüber in seiner „Proclamation of Dungannon“ Auskunft. Diese Vollmacht wurde von den Feinden Karls I. natürlich als Beweis für seine zur Tyrannei verkommene Herrschaft genommen, denn ihm konnte hiermit unterstellt werden, den katholischen Glauben in seinen Königreichen wieder einführen zu wollen. Dass dies den irischen Protestanten, den schottischen Covenanters und vielen Mitgliedern des Long Parliament nicht zusagte, ist klar. Zugleich gab diese „commission“ ihnen ein Argument gegen den König in die Hand, das insbesondere im sich zuspitzenden Klima von 1641 viel wert war. Karl I. leugnete, einen solchen Befehl erteilt zu haben und damit mitschuldig am Ausbruch der Irischen Rebellion gewesen zu sein. Vgl. Canny, Nicholas, Making Ireland British 1580 – 1650, Oxford 2001. Age of Atrocity, Violence and Political Conflict in Early Modern Ireland, hg.v. David Edwards, Pádraig Lenihan, Clodagh Tait, Dublin 2007. Lenihan, Pádraig, Confederate Catholics at War, 1641– 49, Cork 2001. The Civil Wars: A Military history of England, Scotland, and Ireland 1638 – 1660, hg.v. Jane Ohlmeyer, John Kenyon, Oxford 1998. O’Siochru, Michael, Confederate Ireland 1642– 49, Dublin 1999.
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bemühen, ist sicher fragwürdig – gab es doch in der englischen Geschichte keinen Präzedenzfall für die Ereignisse von 1649. Dennoch beweist es, dass der Konnex zwischen Recht und Gesetz auf der einen und der Vollmacht auf der anderen Seite hergestellt werden sollte. Zudem geht Milton auch auf die bereits besprochene Thematik der Beanspruchung der Vollmacht des Königs durch seine Gegner ein. Während es z. B. in der „Answer to the Nineteen Propositions“ jedoch die Führer der Parlamentsarmee waren, die sich anschickten, mit der königlichen „authority“ zu handeln, um eben diese zu schützen, ist es hier das Parlament, das behauptet, gerechterweise die Vollmacht des Königs inne zu haben. Dass die katholischen, irischen Rebellen den König überschätzt haben, der inzwischen seiner vom Parlament übernommenen „authority“ entbehrte und Versprechungen machte, die seine Möglichkeiten überstiegen, sei ihre eigene Schuld gewesen. Im Verlauf des „Eikonoklastes“ transformiert sich Miltons „authority“-Argumentation. Zu Beginn räumt er dem Monarchen eine nicht näher definierte Vollmacht ein, die dieser dann durch seine Politik verspielt habe und das Parlament dadurch dazu gezwungen wurde, die „authority“ des Königs zu übernehmen.³³⁵ Im Fortgang des Textes arbeitet Milton jedoch immer stärker das Parlament als Vertreter des Volkes als locus bzw. „residence of his Regal autority“ heraus. Die Rechte des Königs wurden vom Parlament gewährt, sie seien jedoch nie sein Eigentum gewesen. Der König habe sich irrtümlicherweise mit „the grand Representative of that people“ gleichgesetzt, sein Anliegen sei sogar gewesen „to magnifie and exalt his borrow’d rights and Prerogatives, above the Parliament and Kingdom of whom he holds them.“ Ein gleichbleibendes Moment ist die Betonung des Gemeinwohls, zu dessen Zweck jede Herrschaft eingerichtet ist. Karl I. habe jedoch seine eigenen Ansprüche mit dem Wohl seines Volkes gleichgesetzt. Milton betont mehrfach den wahren Charakter seiner „subservient rights“, er stellt also den Dienst eines guten Königs an seinem Volk in den Vordergrund. Indem Karl I. dieses Abhängigkeitsverhältnis verkannt hat, habe er selbst den Kampf gegen „his own Majesty and Kingship“ eröffnet „and then indeed sets the first hand to his own deposing“.³³⁶ Milton betont eindringlich die Bedeutung bestehenden Rechts für die Ausübung einer gerechten Herrschaft und die Aufrechterhaltung der Freiheit der Untertanen.³³⁷ Sowohl Gott als auch die
Genauso argumentierte Milton bereits in „The Tenure of Kings and Magistrates“: „And if the Parliament […] if they saw cause, take all power, authority and sword out of his hand, which in effect is to unmagistrate him, why might they not […] prodeed to punish him“. Milton, Tenure, S. 55. Ebd., S. 166. „To teach lawless Kings, and all who so much adore them, that not mortal man, or his Imperious will, but Justice is the onely true sovran and supreme Majesty on earth.“ Ebd., S. 42.
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Naturgesetze werden bemüht, wenn es darum geht, gesetzeskonformes Handeln über die Gefolgschaft gegenüber einer Einzelperson zu stellen: „For if neither God nor nature […] commands our obedience to the autority of Law onely, not to the Tyrannical force of any person“. Indem er dem Parlament zugleich „the making, repealing, judging, and interpreting of Law“ zuspricht, den König hingegen als Gesetzesbrecher diffamiert, ist die Grundlage für die Vollmacht des Parlaments geschaffen. In dem Wissen, Gottes Gesetzen und denen des Landes zu folgen, rechtfertigt das Parlament den Griff zu den Waffen gegen den König „in defence of Law and Libertie“ und „by autority of Parliament“.³³⁸ Zugleich werden alle geleisteten Eide für nichtig erklärt, da der König seinen Krönungseid zuerst gebrochen habe – ein deutliches Signal an alle, die sich nach wie vor an den „Oath of Allegiance and Supremacy“ gebunden sahen. Die geschworenen Eide galten nicht der Person Karls I., sondern seiner „authority“, die ihm durch das Volk (also das Parlament) verliehen wurde und an bestimmte Konditionen geknüpft war. Milton geht auf das Verhälnis von „Coronation Oath“ und „Oath of Allegiance and Supremacy“ ein: „the Oathes then were interchang’d, and mutual; stood and fell together; he swore fidelity to his trust; not as a deluding ceremony, but as a real condition of their admitting him for king“. Mit dem Bruch seines Krönungseides verloren alle anderen Eide ihre Bindungskraft und die dem König gewährte „authority“ fiel aufgrund des Vertragsbruchs von ihm ab.³³⁹ Eine sich durch den gesamten Text ziehende und immer wiederkehrende Strategie ist die Diskreditierung des königlichen Gewissens und das Aufzeigen des wahren Charakters des Königs. „Eikon Basilike“ hatte zuvor sehr stark mit dem persönlichen Anspruch Karls I. argumentiert, seinem Gewissen stets folgen zu müssen und ihm Vorrang vor allen persönlichen und politischen Handlungsmotiven zu geben. Zudem bemüht sich Milton sehr, die königliche Reputation anzugreifen: er beschreibt das Parlament als Mutter der Königlichkeit Karls I. Indem dieser wiederholt versucht hat, sich in die gesetzgeberische Tätigkeit des Parlaments einzumischen und kein Gesetz ohne seine königliche Zustimmung – oder in der derben Sprache Miltons „without his masculine coition“ – als gültig zu betrachten, stellt er seine eigene Einsicht über den kollektiven Verstand des Parlaments und macht sich so mit Caligula vergleichbar. Mit beißendem Spott schreibt Milton über die königliche Selbstsicht: „Nay that his reason is as Celestial and life-giving to the Parlament, as the Suns influence is to the Earth.“³⁴⁰
Ebd., S. 171. Hierauf geht Milton mehrfach ein: Ebd., S. 171, 235. Ebd., S. 112.
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Abschließend kann man also zusammenfassen, dass Milton in seinem „Eikonoklastes“ auf mehreren Ebenen die „authority“ des Königs angreift. Neben der Verleumdung der Person des Königs als Privatmann, d. h. als Ehemann und seinen Bildungsstand betreffend, aber auch bezogen auf sein „reines Gewissen“, kritisiert der Autor offen die Politik des Königs. Sowohl seine Religionspolitik, als auch seine unzureichende militärische Führerschaft und seine Rolle bei dem Ausbruch der Irischen Rebellion sind Themen, an denen sich Milton abarbeitet. Den Fixpunkt seiner Gedanken bildet das Gemeinwohl, dem alle Herrschaft verpflichtet ist. Sowohl die natürliche Vernunft, als auch Gottes Wort und die Gesetze des Landes verlangen von einem guten Herrscher die Erfüllung dieser obersten Pflicht, für Frieden und den Schutz des Volkes zu sorgen. Auf verschiedenen Wegen wird dargestellt, wie sehr der König dieser Pflicht nicht nachgekommen ist und so all seine, ihm vom Volk, das heißt vom Parlament, übertragenen Rechte verspielt hat. Vergleicht man nun Miltons Gedankenführung mit der Hobbes’, so scheinen sich beide Autoren grundsätzlich zu widersprechen. Zwar räumen beide ein, dass Herrschaft dem Schutz des Volkes dient, dennoch schließt Hobbes jegliche Kontrolle des einmal eingesetzten Herrschers aus, während Milton ein durch das Parlament als oberste legislative Instanz überwachtes System favorisiert. Am Ende von „Eikonoklastes“ beschäftigt sich Milton mit den Bindungen, die aus einem covenant erwachsen. In „Eikon Basilike“ hatte sich der König ebenfalls auf einen covenant bezogen, der dazu angetan sei, seine Person und „authority“ zu zerstören und meinte damit die „Solemn League and Covenant“ von 1643. Milton widerspricht dieser Sicht und macht den König stattdessen zu einem gleichberechtigten Teil des Bündnisses: „they Covnant and Swear in the sixth Article to preserve and defend the persons and autority of one another, and all those that enter into that League; so that this Covnant gives no unlimitable exemption to the Kings Person, but gives to all as much defence and preservation as to him, and to him as much as to thir own Persons, and no more“.³⁴¹ Diese Ausprägung eines Abkommens, das den Souverän als einen beteiligten Partner sieht, widerspricht Hobbes’ Sicht des covenants deutlich. Denn der Souverän entsteht bei Hobbes erst durch den Vertragsschluss eines jeden mit jedem und ist so von den Verbindlichkeiten des Vertrages ausgenommen. Die grundlegende Idee bei Milton ist auch nicht wie bei Hobbes eine irreversible Übertragung der individuellen „authority“, also des Rechtes, sich selbst zu regieren, auf den Souverän. Stattdessen geht es um ein gegenseitiges Schutzversprechen, die Person und ihre „authority“ betreffend. Denselben Gedanken hatte Milton bereits in „The Tenure of Kings and
Ebd., S. 236.
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Magistrates“ geäußert.³⁴² Was genau Milton mit der „authority“ der an dem Bündnis beteiligten Individuen meint, wird in „Eikonoklastes“ nicht weiter ausgeführt. Eines jedoch wird deutlich: Der König wird mit allen anderen Beteiligten gleichgestellt. Das bedeutet nicht einmal mehr die Vertretung der von Henry Parker zu Beginn der 1640er Jahre so oft zitierten Maxime „singulis major, universis minor“, denn der König wird als natürliche Person angesehen – mit den gleichen Rechten und Pflichten wie jeder andere. Ein Blick auf die früher erschienene Schrift „The Tenure of Kings and Magistrates“ gibt jedoch Aufschluss über Miltons Vorstellung der Übertragung der „authority“: „because no faith in all was found sufficently binding, they saw it needful to ordaine som authoritie, that might restrain by force and punishment what was violated against peace and common right. This authoritie and power of self-defence and preservation being originally and naturally in every one of them, and unitedly in them all, for ease, for order […] they communicated and deriv’d either to one, whom for the eminence of is wisdom and integrite they choose above the rest, or to more than one whom they thought of equal deserving“.³⁴³ Der Inhalt der Vollmacht jedes Einzelnen vor der Schaffung eines Gemeinwesens ist also durchaus mit Hobbes’ Ausführungen hierzu vergleichbar; es geht um die Gewalt, sich selbst zu schützen und am Leben zu erhalten. Darüber hinaus beschreibt Milton den Moment der Übertragung jedoch nicht wie Hobbes als umfassende Autorisierung eines Souveräns, sondern als eine Art Wahlkönigtum, das zudem in seiner Herrschaftspraxis durch Gesetze streng limitiert ist, um Willkürherrschaft vorzubeugen.³⁴⁴ Dass Miltons Argumente durchaus nicht neu sind, beweist unter anderem Samuel Rutherfords (um 1600 – 1661)³⁴⁵ Schrift „Lex, Rex“ von 1644 (eine Antwort auf John Maxwells „Sacro Ebd., S. 8 f.: „they agreed by common league to bind each other from mutuall injury, and joyntly to defend themselves against any that gave disturbance or opposition to such agreement. Hence came Citties, Townes, and Common-wealths.“ Ebd., S. 9. Ebd., S. 10. Neben dem Gesetz, das über allen Souveränen steht, kommen bei Milton den Ratgebern und dem Parlament wichtige Kontrollfunktionen zu. Im Einzelfall sei das Parlament allein zur Herrschaft befugt, um das Wohl des Volkes zu sichern. Zur Vorstellung des Wahlkönigtums vgl. besonders ebd., S. 48 ff. Hier bezieht sich Milton zur Ableitung des Grundsatzes auf die protestantischen Reformatoren, u. a. Luther (1483 – 1546), Calvin, Bucer (1491– 1551) und Zwingli (1484– 1531). Aber auch auf John Knox (1514– 1572) und seine Anhänger in Schottland und für den englischen Raum auf die beiden Theologen Thomas Cartwright (1535 – 1603) und William Fenner (um 1600– um 1640). Z. B. schrieb Cartwright: „Kings have thir authority of the people, who may upon occasion reassume it to themselves.“ Ebd., S. 51. Rutherford war Geistlicher in der Schottischen Kirche, verfasste aber auch politische Theorien. Er verstand es, sich ein Netzwerk innerhalb des schottischen Landadels aufzubauen und lenkte auf dieser Basis eine presbyterianische Kampagne gegen die Kirchenpolitik der englischen Krone. Zusammen mit Baillie und anderen wurde er 1643 zum schottischen Kommissionar
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sancta regum majestas“), in dem die Ableitung von Vollmacht und die Beziehung zwischen der öffentlichen und der königlichen „authority“ aufgezeigt wird. Rutherfords Werk kann als eine Art Resümee der Widerstandstheorie der schottischen Covenanters gesehen werden und illustriert in Verbindung mit den ähnliche, späteren Äußerungen Miltons die gedankliche Nähe zwischen Covenanters und englischen Parlamentariern bzw. Republikanern.³⁴⁶ Zwar räumt Rutherford ein, dass die königliche und alle andere „authority“ direkt von Gott kommt, das hindert ihn aber nicht daran, die grundsätzliche Freiheit aller Menschen anzuerkennen, und zwar auch die Freiheit, sich ihre Regierung selbst zu wählen und sie aufgrund dieser Tatsache zu limitieren, was die Rechtmäßigkeit ihrer möglichen Absetzung impliziert.³⁴⁷ Die Beschreibung des Souveräns bei Rutherford, Milton und anderen war ganz sicher nicht im Sinn Thomas Hobbes’.³⁴⁸ Eine Ähnlichkeit in den Vorstellungen Miltons und Hobbes’ bezogen auf den covenant lässt sich dennoch ausmachen, nämlich bezogen auf den Grund, aus dem ein solches Bündnis zwischen den Menschen nötig wird. Milton schreibt: „Till from the root of Adams transgression, falling among themselves to doe wrong and violence, and foreseeing that such courses must needs tend to the destruction of them all“³⁴⁹, was stark an Hobbes’ Naturzustand erinnert. Interessant ist auch Miltons Beschreibung der
ernannt und nach London geschickt, um hier an der Westminster assembly of divines teilzunehmen, die über das Kirchenregiment debattierte – Rutherford blieb bis 1647 in London und veröffentlichte eine Reihe seiner bedeutendsten Werke hier, u. a. auch „Lex, Rex“ – eine umfangreiche Verteidigung des bewaffneten Widerstands gegen Karl I. auf der Grundlage calvinistischer Widerstandstheorie und der politischen Theorie spanischer Neo-Scholastiker. Sein Hauptanliegen während der Londoner Zeit war die Förderung der Presbyterianismus hier, aber er wurde schnell vom Stand des englischen Puritanismus enttäuscht. Innerhalb der Assembly dominierten Erastinianer und Independents und Rutherford zeigte sich gegenüber der Vielzahl der religiösen Sekten und Splittergruppen desillusioniert bezüglich einer presbyterianischen Einheitsbewegung und kehrte nach Schottland zurück. Vgl. Coffey, John, Samuel Rutherford, in: ODNB, https://doi. org/10.1093/ref:odnb/24364, Stand: 05.04. 2020. Vgl. hierzu Burgess, British Political Thought, S. 190 f., 204. „the Office is immediately from God“, während den Menschen „the designation of the person“ eingeräumt wird. Aber: „that they may take again to themselves what they gave out, upon condition, if the condition be violated“ Rutherford, Samuel, Lex, Rex: The Law and the Prince, London 1644, S. 9, 16, 10. Vgl. Burgess, British Political Thought, S. 191. Ungeachtet der argumentativen Unterschiede verwandte Milton 1651 viel Mühe darauf, den „Leviathan“ in England zu publizieren. Trotz vieler Widersprüche zwischen Hobbes’ Ansichten und denen der Vertreter des Rump, erkannten die Republikaner den Wert des „Leviathan“ für die Legitimierung der de facto-Macht des neuen Regimes, was Hobbes bei den Republikanern einigermaßen beliebt machte. Vgl. Norbrook, Writing, S. 212. Milton, Tenure, S. 8.
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Qualifikation des künftigen Souveräns, denn sein hohes Ansehen aufgrund seiner Weisheit und Integrität ist ausschlaggebend für seine Ernennung. Zweifelsohne lehnt sich Milton hier stark an das antike Vorbild der auctoritas an und nutzt dieses klassisch-republikanische Versatzstück für seine Argumentation. Dies wird auch deutlich, wenn er betont, dass die so vom Volk gewählten Souveräne keine Herrscher sind – auch wenn sie sich das im Laufe der Geschichte angemaßt haben – sondern „[the peoples] Deputies and Commissioners“.³⁵⁰
4.2.7 Der Disput zwischen Richard Hollingworth und Anthony Ascham Ein weiterer interessanter Fall, in dem „authority“ eine Kernrolle einimmt, ist der Disput zwischen einem „Lover of Truth and Peace“, hinter welchem Synonym sich Richard Hollingworth verbirgt, der ebenfalls eine kritische Antwort auf Miltons „Eikonoklastes“ verfasste, und Anthony Ascham. Letzterer war Parlamentsmitglied und Diplomat und stand während des Bürgerkrieges auf der Seite des Parlaments. Mit seinen Schriften leistete er einen wichtigen Beitrag zur Propagierung und Sicherung des neu geschaffenen Rump, indem erdie Republik als bestgeeignete Regierungsform begründete und verteidigte³⁵¹ – eine politische Stellungnahme, die er während seiner Zeit als englischer Gesandter in Madrid durch ein royalistisch motiviertes Attentat mit dem Leben bezahlte.³⁵² Als Ascham 1649 „The bounds and bonds of publique obedience“ veröffentlichte, wurde in England heftig über das neugeschaffene Rump und seine Rechtmäßigkeit debattiert.³⁵³ Ascham geht gezielt auf die geäußerte Kritik ein, unter anderem auf den Vorwurf,
Ebd., S. 9. Während er in den Jahren des Bürgerkrieges kaum in Erscheinung trat, verfasste er Ende der 1640er Jahre in knapper Folge mehrere Schriften, in denen ab 1649 vor allem die unbedingte Gefolgschaft gegenüber dem Rump thematisiert wird: 1648 veröffentlichte er „A Discourse wherein is Examined what is Particularly Lawful“, im Jahr darauf eine Erweiterung dieses Textes als „Of the Confusions and Revolutions of Governments“, in der es vor allem um die EngagementKontroverse ging. Ebenfalls 1649 folgen „The Bounds and Bonds of Public Obedience“ und „The Original and End of Civil Government“.Vgl. Baldwin, Geoff, Anthony Ascham, ODNB, https://doi. org/10.1093/ref:odnb/731. Indem er positive Äußerungen zu Oberhaus und König als nostalgische Remineszenzen, die eine schlechte Angewohnheit seien, abgetan und als irrational verworfen hatte, hatte sich Ascham nicht nur den beißenden Hohn Edward Hydes zugezogen, der sich 1650 als Botschafter der Stuarts ebenfalls am spanischen Hof aufhielt, sondern auch loyalen Royalisten den Vorwand zu einem Attentat geliefert.Während Hyde die Tat verteidigte, verfasste John Milton einen Nachruf auf Ascham, der so zu einer Art Märtyrer des neuen Regimes wurde. Vgl. ebd. Vgl. zu Ascham: Skinner, Visionen des Politischen, S. 236 ff.
4.2.7 Richard Hollingworth vs. Anthony Ascham
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das Rump sei im Grunde durch den Ausschluss der Peers kein richtiges Parlament. Ascham kontert mit der Notwendigkeit, eine Regierung zu bilden bzw. eine andere abzusetzen, wenn diese nicht mehr in der Lage ist, ihren Zweck zu erfüllen. Als Hauptaufgabe einer jeden Regierung definiert Ascham den Schutz der Bürger bei der Ausübung ihrer Pflichten gegenüber Gott und ihren Mitmenschen.³⁵⁴ Da sich der König, der sich an der Stellung ausländischer Monarchen orientiert und sich irrtümlicherweise als absoluter Herrscher gesehen hatte, nicht auf die Forderungen eingelassen habe, sei ein Regierungswechsel unumgänglich gewesen. Die politische Macht in England sei dreigeteilt gewesen, so Ascham: Neben den beiden Häusern des Parlaments sei der König „in most things rather prince by office, than King by power“ gewesen.³⁵⁵ Die dreigeteilte Regierungsform der Zeit vor dem Bürgerkrieg sei jedoch „civily dead“. Aufgrund der Tatsache, dass England ein neues Haupt brauche, folgert Ascham, dass das Rump als herrschender Souverän anzusehen und England somit eine Republik geworden sei. Was Ascham als Kompetenz des Königs beschreibt, trägt deutliche Züge von Amtsgewalt, sie ist jedoch nicht vergleichbar mit „authority“, wie sie Hobbes später beschreiben sollte.³⁵⁶ Denn obwohl es um Vollmachten geht, die an ein Amt gebunden sind, zielt Aschams Argumentation hauptsächlich darauf, die Quelle dieser Vollmachten als von Gott kommend zu beschreiben und von der Person des Königs bzw. dem königlichen Amt abzukoppeln. In diesem Sinne rechtfertigt er auch die Hinrichtung Karls I.: Da er nicht länger der Inhaber seiner Stellung bzw. seines Amtes im Königreich war, entbehrte er auch gänzlich aller Macht, was gleichbedeutend war mit seinem zivilen Tod. Der Tod seines Körpers war nur die logische Schlussfolgerung daraus.³⁵⁷ Ascham unterscheidet zwar zwischen dem königlichen Amt und der Person des Königs – denn der Verlust seiner Macht war ja Grundbedingung für seine Absetzung, jedoch nicht zwischen der natürlichen und der künstlichen Person des Königs. Hier offenbart sich ein großer Unterschied zur Argumentation Hobbes’, der klar zwischen der künstlichen Person des Königs
Vgl. Ascham, Anthony, The bounds and bonds of publique obedience. Or, A vindication of our lawfull submission to the present government, or to a government supposed unlawfull, but commanding lawfull things, London 1649, S. 3, 7. Ascham, Bounds and bonds, S. 12. Hobbes hatte Kenntnis von Aschams Schrift und bezieht sich Malcolm zufolge in der „Review and Conclusion“ des „Leviathan“ auf Ascham, wenn er Kritik an „divers English Books lately printed“ übt (Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 1133. Siehe dazu Kapitel 5). Vgl. Malcolm, Introduction, S. 71. Zu den Verbindungen zwischen Ascham und Hobbes vgl. auch Skinner, Visionen, S. 247 ff. Kritisch zu Skinners Darstellung dieses Verhältnisses: Preston King (Hg.), Thomas Hobbes. Critical Assessments, Bd. 1: Background. Texts and Context, London, New York 1993, S. 395 ff. Vgl. ebd., S. 21.
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als Verkörperung des Staates und seiner natürlichen Person als Privatmann trennte. Ascham hingegen rechtfertigt die Tötung des Königs durch die Einheit der beiden Personen und durch die dadurch ermöglichte Gleichstellung des Königs mit einem einfachen Soldaten zu Kriegszeiten. Ihm zufolge ist es egal, ob Karl I. im Feld oder auf dem Schafott stirbt – beides sind unumgängliche Folgen des Bürgerkrieges. Bei Hobbes, der in der Person des Königs den Staat und damit jeden einzelnen Untertan verkörpert sah, wäre eine solche Gedankenführung absurd gewesen. Denkbar ist, dass Hobbes’ minutiöse Beschreibung und Trennung zwischen künstlicher und natürlicher Person des Souveräns auch den Zweck gehabt hat, der Argumentation Aschams kritisch zu begegnen. „Authority“ definiert Ascham folgendermaßen: „The grand case of Conscience distinguisheth betwixt Authority or Power, and Rulers deputed to the exercise of that Authority. The first is by Gods positive Ordinance, the other by his permission.“³⁵⁸ „Authority“ und „power“ werden also synonym verwendet und als positive Anordnung Gottes beschrieben. Ascham rekurriert hier auf die Bibel: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet“ (Röm. 13, 1). Mit der Überlegung, dass auch das Rump gewissermaßen eine göttliche Erlaubnis zu herrschen habe, da die Notwendigkeit der Neubildung einer handlungsfähigen Regierung zur Sicherstellung des Wohles des Volkes dies verlangt und oberste Priorität hat, schafft Ascham ein bindendes Argument um der de facto-Herrschaft des Rump Folge zu leisten.Die Einwohner eines Landes selbst haben bei der Wahl einer Regierungsform wenig Mitspracherecht, ebenso wenig tangiert es sie, wenn eine Regierungsform eine andere ablöst. Nur für die jeweils direkt Betroffenen haben solche politische Umwälzungsprozesse eine Bedeutung, nicht jedoch für die Untertanen, die unter einer Regierung ebenso gut leben können wie unter einer anderen, solange ihr Schutz und Wohl gewährleistet sind.³⁵⁹„Salus populi suprema lex esto“ ist auch unter der Herrschaft des Rump gewährleistet. An dieser Stelle beschreibt Ascham die „old legall authority“ als ein überkommenes Attribut der Monarchie. Das Parlament habe jedoch die „regall power“ und damit den König für eine gewisse Zeitspanne abgeschafft. Die Kritiker dieses Vorgehens werfen dem Parlament vor, hierzu keine „legall authority“ gehabt zu haben. Ascham hingegen gibt zu bedenken, dass dies nicht der springende Punkt ist, denn: „whilst his Argument should have been against our lawful obedience, it is against their exacting it, as to the legall authority, which yet is grossly false, for they exact it not as to the old legall authority, but as to the
Ebd., S. 23. Vgl. ebd., S. 3, 32.
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present supreme power of the people.“³⁶⁰ Was zählt, ist die gegenwärtige Macht des Rump, das die Regierungsrolle übernommen hat und so das göttliche Gebot nach herrschaftlicher Ordnung erfüllt. In diesem pragmatischen Sinn schreibt Ascham „And yet in one good sence it may be still called the same legall Authority, because we have still under it the same lawes for our properties as before, and continued in life by them, as our lives themselves are.“³⁶¹ Die einzig zulässige Art, weiterhin von einer „legall authority“ zu reden, bezieht sich Ascham zufolge auf die Gesetze, die gleichgeblieben sind. Zusammenfassend kann man folgern, dass „authority“ im Sinne einer an das königliche Amt gekoppelten Vollmacht für Ascham etwas nicht zwingend zur Herrschaft Nötiges darstellt. „Authority“ spielt nur in der Beibehaltung der Gesetze (beispielweise den Privatbesitz betreffend) eine Rolle. Wichtiger war für Ascham der tatsächliche Zustand des Landes und damit die Notwendigkeit zur Bildung einer neuen Regierung, die Beschreibung des Rump als einziger, herrschaftsfähiger Institution und die Forderung einer Unterordnung des Volkes unter diese Herrschaft aufgrund der „necessity“. Zudem versucht Ascham die Legitimation des Rump aus der göttlichen Vorsehung abzuleiten. Er ist sich jedoch stets des traditionellen Bedeutungsgehaltes von „authority“ bewusst, als einem mit dem König und seinem Amt aufs engste verbundenen Begriff. Deshalb versucht er gar nicht erst, rechtliche Vollmacht für das Rump abzuleiten, sondern bezieht sich auf die tatsächlich existierende Macht desselben, die der göttlichen Ordnung nicht zuwider läuft. Auf Anthony Aschams soeben skizzierte Abhandlung antwortet noch im selben Jahr der presbyterianische Geistliche Richard Hollingworth, der sich gemeinsam mit einem Zirkel Gleichgesinnter gegen die Independents und allgemeiner gegen religiöse Toleranz („liberty of conscience“) aussprach.³⁶² In seiner „Exercitation“ von 1649 verwendet er „authority“ in umfangreicher Form zur Beschreibung einer gesetzmäßigen Regierungsbildung und Herrschaft im Staat. In strenger Abgrenzung zu einer rechtmäßigen Herrschaft („lawful power“/„civil authority“) definiert Hollingworth Usurpation als „an intrusion into the Seat of Authority, a presuming to possesse, and manage the place & power thereof
Ebd., S. 26. Ebd. Als Quelle dafür dient der „Harmonious Consent“ von 1648, in dem sich Geistliche aus Lancashire und London explizit gegen religiöse Toleranz von Nichtpresbyterianern stellten; Hollingworth unterzeichnete als einer der ersten.Vgl. Stoker, David, Richard Hollingworth, ODNB, https://doi.org/10.1093/ref:odnb/13561.
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without a lawfull calling, right, or title thereunto“.³⁶³ Er bringt also die von Ascham getrennten Kompetenzen wieder enger zusammen – politische Gewalt legitimerweise auszuüben vermag nur, wer die Vollmacht dazu hat. „Authority“ sei alles andere als mit der Abschaffung der Monarchie gleichsam abgeschafft, wie Ascham dies behauptete. Rechtmäßig in ihr Amt gerufen wird eine Regierung allein durch den „permissive counsel“ Gottes. Alle, die sich unrechtmäßig einen Titel zur Herrschaft anmaßen oder „an Authority set up, and admitted against, or without right“, verwehrt Gott selbst alle Legitimität. Bei dieser Argumentation fällt auf, dass der Diskurs der Konkurrenz zwischen dem König und dem Parlament jeweils als Quelle der „authority“ in den Sprachgebrauch Einzug gehalten hat. Ohne bzw. gegen geltendes Recht „authority“ zu beanspruchen wird zwar scharf kritisiert, aber dennoch als reales Szenario gewertet. Die Entstehung einer rechtmäßigen Regierung erfolgt Hollingworth zufolge entweder auf Gottes Weisung hin, also z. B. durch Erbfolge, oder direkt durch die Nation, der Gott ein Recht eingeräumt habe, über die politische Verfasstheit ihres Landes zu bestimmen. Dabei ist „A calling from the people […] so necessary, and essentiall to a humanely constituted Magistracie“, dass die eigenmächtige Aneignung der Herrschaftsposition von einzelnen Privatmännern „of its owne minde, and will, or, by its force alone“ als Unrecht markiert wird.³⁶⁴ Dies stellt einen ganz deutlichen Schlag gegen Aschams Auffassung eines politisch im Grunde unmündigen Volkes dar, dem es egal sein kann, wer regiert, solange es sicher schlafen kann.³⁶⁵ Hollingworth hingegen sieht in England den Fall einer doppelten Usurpation von Herrschaft gegeben. Erstens rissen einige verbliebene Commons die „authority“ des Oberhauses an sich, zweitens, im Anschluss daran, die Regierung des Reiches. Allen Vertretern der Position, dass einer de facto bestehenden Regierung Gefolgschaft geleistet werden muss, auch wenn es sich um Usurpation oder die Herrschaft eines Tyrannen handelt – wie dies zum Beispiel Ascham³⁶⁶ forderte
Hollingworth, Richard, An Exercitation concerning usurped powers wherein the difference betwixt civil authority and usurpation is stated. That the obedience due to lawful Magistrates, is not owing, or payable, to Usurped Powers, is maintained. The Obligation of Oaths, and other Sanctions to the former, notwithstanding the Antipolitie of the latter is asserted. And the Arguments urged on the contrary part in diverse late Printed Discourses are Answered. Being modestly and inoffensively managed, by one Studios of Truth and Peace, both in Church and State, London 1649, S. 1 f. . Ebd., S. 3, 5. In diesem Sinn schreibt er: „non-obedience and subsistence in a state are incompatible; every man in a state stands in a Relation, and must either command or obey; and owes something to him, by whose care hee sleepes quietly in his Bed“ Ascham, Bounds and bonds, S. 32. Vgl. ebd., S. 22.
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und wie es in abgeschwächter Form auch später im „Engagement“ zu finden war – weist Hollingworth barsch zurück.Wo keine rechtmäßige Regierung besteht, kann auch keine Gefolgschaft eingefordert werden. Beides gehört für ihn untrennbar zusammen: „In saying he is a usurper, you say enough for the nullifying of his Authority, and my obedience; whatever strength he may have to compell, he hath no Authority to command me“.³⁶⁷ Dies ist eine ganz eindeutige Stellungnahme und eine Verwendung von „authority“, die nicht mehr wertneutral ist, sondern deutlich das Unrecht einer Herrschaftsanmaßung durch das Rump anprangert. In dieser Hinsicht spricht Hollingworth dem Rump jedwede Vollmacht ab und damit auch jeden Anspruch auf Unterordnung und Gefolgschaft. Wie auch Hobbes es zwei Jahre später im „Leviathan“ tut, unterscheidet Hollingworth klar zwischen Stärke, die mit einer unrechtmäßigen Aneignung einhergeht, und „lawful authority“. Er bekräftigt nochmals, „That violent possession gives no right to the Seat of Authority“³⁶⁸ und dass Usurpation keinerlei Auswirkungen auf die wahre, rechtmäßige Herrschaft hat. Der Magistrat, bei Hollingworth ein begrifflicher Platzhalter für die rechtmäßige Regierung, kommt durch einen „mutuall and reciprocall act, or agreement of both parties [master and servant]“ zustande. Hollingworth schwebt kein Herrschaftsvertrag vor wie bei Hobbes, stattdessen betont er die Bedeutung einer „mutuall civill obligation“, die „cannot arise but of the joynt or interchangable concurrance of both“.³⁶⁹ Hollingworth stellt sich mit der „Exercitation“ gezielt gegen die Herrschaft des Rump. Er ruft seinen Landsleuten die auf die Monarchie abgelegten Eide und ihre unverbrüchliche Gültigkeit in Erinnerung.³⁷⁰ Die hier beschworene Wahrung der „Kings Majesties person and authority“ bzw. aller „jurisdictions, priviledges, preheminencies, and Authorities granted to the Kings Highnesse“ kann nur vom König selbst bzw. seinen Erben aufgehoben werden. Ganz im Gegenteil dazu hatte sich Ascham bemüht aufzuzeigen, dass die dem König gegenüber geleisteten Eide keinen Bestand mehr hatten.³⁷¹ „Authority“ erscheint bei Hollingworth in der Konsequenz auf das Engste mit der Person des Königs bzw. seinem Amt verbunden und ist seine ihm von Gott übertragene Amtsgewalt, die durch den Konsens aller Untertanen akzeptiert und deren Bewahrung in Eiden garantiert wurde. Auffällig ist in diesem Traktat erneut die Verbindung zwischen königlicher Vollmacht und dem Bezug auf Recht und
Hollingworth, Exercitation, S. 9. Ebd., S. 11. Ebd., S. 14. Gemeint sind der Oath of Allegiance und der Oath of Supremacy sowie die Solemn League and Covenant, die Hollingworth in Auszügen wörtlich anführt. Vgl. ebd., S. 18 ff. Vgl. Ascham, bounds and bonds, S. 45 ff.
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Gesetz. In seiner Abhandlung definiert der Autor jedoch in Erweiterung dieser bereits begegneten Begriffsfassung zusätzlich „authority“ in Abgrenzung zu Stärke. Ein Mensch herrscht über einen anderen nicht aufgrund seiner überlegenen physischen Kraft, sondern idealerweise aufgrund seines überlegenen Verstandes und seiner Weisheit – Kompetenzen, die sehr deutlich an die antike Ausprägung der auctoritas erinnern, denn Vernunft und Erfahrung werden in direkte Verbindung mit „authority“ gebracht. In diesem Sinn schreibt er „the Authority that makes the Law is the Soul that quickens it“.³⁷² Kurz nach der Veröffentlichung von Hollingworths „Exercitation“ erfolgte die Antwort Aschams, in der der Autor erneut an seine Landsleute appellierte, der gegenwärtigen Regierung Folge zu leisten. Erneut argumentiert Ascham mit der Notwendigkeit, eine Regierung zu etablieren und ihr Gefolgschaft zu leisten. Er macht dabei keine Unterscheidung zwischen einer gerechten und einer ungerechten Regierung, beiden muss gleichermaßen gefolgt werden, wenn die „necessity“ es gebietet. Er definiert allerdings eine gerechte Regierung als eine Person, die aufgrund des mit ihrem Titel verbundenen Rechts regiert, womit ein König gemeint ist. Ascham ist sich der fragwürdigen Legitimation des Rump bewusst, insbesondere nach Pride’s Purge und der Abschaffung des Oberhauses. Sein erster Beitrag zur Debatte hatte diese Zweifel offenbar nicht zerstreuen können. Also geht er nun ganz offensiv mit der fehlenden „authority“ des Rump um, indem er es als ungerechte Regierung beschreibt, der man dennoch rechtmäßig folgen muss, denn nur damit dient man dem Erhalt des Gemeinwohls.³⁷³ Der Autor passt seine Argumentation auch betreffend der Ableitung und Definition von „authority“ an. Nun ist es jedoch nicht mehr Gott, der die „authority“ gewährt, sondern Stärke („force“) bzw. Macht („power“), die sie generiert: „the ground of obedience being in regard of an authority, gotten by a prevaling power“.³⁷⁴ Aschams Antwort auf Hollingworth gibt aber auch Aufschluss zu einer der zentralen Fragen der Forschung zum englischen Republikanismus dieser Zeit, nämlich der nach der Orientierung republikanischer Autoren des Commonwealth an antiken Vorbildern. Hierzu ist Aschams Erwähnung von exousia in diesem Kontext und die Übersetzung mit „authority“ oder „magistracy“ bemerkenswert. Zwar hatte Hobbes diesen Zusammenhang im „Leviathan“ nie wörtlich angesprochen, dennoch konnte auch für diesen Text die zeitgenössische Wahrnehmung von „authority“ als eine an ein Amt gebundene Vollmacht – denn genau
Hollingworth, Exercitation, S. 15 f. Vgl. Ascham, A Combate, S. 6 f. Ebd., S. 11.
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das ist es, was exousia aussagt³⁷⁵ – herausgearbeitet werden. Die Untersuchung von Aschams Text bestätigt diese Analogiebildung, die ja bereits in der „Iconologia“ Cesare Ripas begegnete – hier scheint also ein zeitgenössischer Konsens bestanden zu haben. In diesem Sinne ist eine Antikenrezeption zwar gegeben, äußert sich aber im Fall der „authority“ in einer Umdeutung des Stammwortes auctoritas und stattdessen mit der inhaltlichen Füllung des Begriffes mit der Bedeutung antiker potestas. In Aschams zweiten Beitrag ist ein deutlicher Wandel in seiner Argumentation zu bemerken. Sicherlich mit ausgelöst durch die Betonung der „authority“ bei Hollingworth, einer Kompetenz, die Ascham zuvor zugunsten der Macht abgetan hatte, sieht er sich in seiner Antwort gezwungen, seine Anschauungen zu revidieren. Zwar ist immer noch Gott die Quelle sowohl von Stärke als auch von „authority“, es ist aber zunächst Macht nötig, um sich „authority“ anzueignen. Vereinfacht könnte man sagen, jeder, der die Stärke hat, die Herrschaft an sich zu reißen, tut dies auch rechtmäßig – Faktizität und Vorsehung stimmen in dieser Logik stets überein. Weil das Volk einen Anführer braucht, muss es dem Rump Folge leisten, eine aus heutiger Sicht reichlich unorthodoxe Denkweise für einen Republikaner. In der Situation von 1649 war es aber wohl eines der wenigen Argumente, die für die Legitimation des Rump blieben. Dass „authority“ als ursprünglich eng mit den Königen verbundene Qualität dennoch nicht einfach außer Acht gelassen werden konnte, zeigt sich deutlich bei Ascham und macht auch den immer noch immensen Einfluss dieser und anderer traditioneller Legitimationsmuster auch nach dem Ende des Bürgerkrieges deutlich. Und obwohl die Zusammenfassung des Grundgedankens von Aschams „Combate“ auf den ersten Blick an die Argumentation Hobbes’ erinnert, so sind die Unterschiede zwischen ihm und Ascham doch gravierend: Hobbes lässt den Staat konkret aus einem covenant hervorgehen, während er bei Ascham einfach durch gerechtfertigte Usurpation entsteht. Zwar weist auch Hobbes auf die Möglichkeit einer gewaltsamen Herrschaftsübernahme hin – etwa im Falle einer fremden Invasion – er beschreibt aber auch für diesen Fall die freiwillige Unter-
Vgl. Bettini, Auctoritas, S. 239 ff. Exousia beschreibt Bettini vor allem im Zusammenhang mit der Bibel. Hier bedeutet es eine Gabe, die einer Person nich inhärent ist, sondern von außen kommt – in diesen Fällen von Gott verliehen wurde. In der Antike sind exousia und auctoritas ebenso weit voneinander entfernt, wie authority und auctoritas in der Frühen Neuzeit. Es ist in diesem Sinne Bettini zufolge auch kein Zufall, dass in der Vulgata, der lateinischen Übersetzung der Evangelien, exousia nicht mit auctoritas, sondern mit potestas übersetzt wurde. Bettini schreibt: „Man beachte jedoch, dass auch außerhalb des biblischen Kontextes die exousia im klassischen Griechisch immer eine Autorität bezeichnete, die von außen kommt, eine von jemandem verliehene oder zugestandene Befähigung, ein Potential.“ Ebd., S. 243.
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ordnung jedes Untertanen aus Vernunftsgründen (mehr Sicherheit, besserer Schutz) als Vorbedingung für die Aneignung von „authority“ durch die neuen Machthaber. Darüber hinaus spricht sich Hobbes explizit gegen ein Widerstandsrecht der Untertanen bzw. gegen eine rechtmäßige Absetzung des durch covenant eingesetzten Souveräns aus. Die einzige Ausnahme ist das Versagen des Souveräns, seiner wichtigsten, existentiellen Aufgabe nachzukommen: dem Schutz seiner Untertanen.³⁷⁶ Vor allem auch aufgrund der voneinander abweichenden Argumentation mit „authority“ unterscheiden sich beide Autoren. Sie ist bei Hobbes eben nicht die leere Hülle vergangenen Herrschaftsglanzes, die nach der unrechtmäßigen Eroberung entweder angeeignet oder einfach übergangen werden kann, sondern eine rechtliche Kompetenz, die alles Handeln im Staat legitimiert und auf die Person des Souveräns als Quelle zurückführt. Die Details von Hobbes’ Überlegungen zur Vollmacht des Souveräns sind bereits beschrieben worden. Interessant ist aber, dass ein so sehr den de facto-Theoretikern zugeordneter Philosoph wie Hobbes in Betrachtung anderer Autoren, die mit „necessity“ argumentierten, deutliche Unterschiede aufweist. Diese Verschiebung im Herrschaftsgefüge samt der Beanspruchung der ursprünglich königlichen Kompetenz der „authority“ für das Rump blieb von Zeitgenossen nicht unbemerkt. So findet sich in der Zeitung „The Impartial Scout“ folgende Passage: „the inhuman Regicides do wickedly usurp to themselves all the Authority of the King […] they seek the […] destruction of Monarchy“.³⁷⁷ Dies scheint bei weitem nicht die einzige Kritik am Rump und den Abläufen seiner Herrschaftssicherung gewesen zu sein. In seiner „Defintion of Treason“ vom 17. Juli 1649/1650 warnt das Parlament: „If any person shall maliciously or advisedly publish, by writing, printing, or openly declaring, that the said government is tyrannical, usurped, or unlawful; or that the Commons in Parliament assembled are not the supreme authority of this nation […] every such offence shall be taken, deemed, and adjudged by authority of this Parliament to be high treason“.³⁷⁸ Zwar schwingt eine gewisse Paradoxie in diesem Satz mit, denn Personen, die die „authority“ des Rump öffentlich nicht anerkennen, können sich wohl kaum an einer kraft dieser „authority“ gemachten Strafandrohung vom Gegenteil überzeugen lassen – auch wenn sie potentiell Gefahr laufen, für ihre Ansichten bestraft zu werden. Dennoch wird hier nicht nur deutlich, mit wie viel Gegenwind das Rump zu kämpfen hatte, sondern wie verzweifelt es auch versucht hat, bekannte Legitimationsmuster auf seine Herrschaft anzuwenden, um sein Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 264 ff. The Impartial Scout, London, 9. Juli 1650. BL Burney Collection. Definition of Treason, London, 17. Juli 1649/1650., in: Select Documents of English Constitutional History, hg.v. G.B. Adams, H.M. Stephens, London 1901, S. 400 – 402.
4.2.8 „Authority“ in der Propaganda des neuen Regimes
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wenig rühmliches Entstehen vergessen zu machen, das sich unter anderem einem Militärputsch verdankte.
4.2.8 „Authority“ in der Propaganda des neuen Regimes – der Fall Marchamont Nedham Eine Untersuchung der Propaganda des Rump als neuem Machthaber in England nach der Abschaffung der Monarchie kommt nicht an der Person Marchamont Nedhams vorbei.³⁷⁹ Zwar ist seine Karriere von mehreren Konversionen seiner politischen Gefolgschaft gekennzeichnet,³⁸⁰ die nicht nur die Kritik seiner Zeit-
Zu Nedham vgl. u. a. Rahe, Against, S. 179 – 248. Frank, J., Cromwell’s Press Agent: A Critical Biography of Marchamont Nedham 1620 – 1678, Latham 1980. Saracino, Stefano, Republikanische Träume von der Macht. Die Utopie als politische Sprache im England des 17. Jahrhunderts, Göttingen 2014, S. 125 – 143. Erste Bekanntheit erlangte Nedham als Journalist 1643, indem er für das Nachrichtenbuch „Mercurius Britanicus“ schrieb, das die Politik des Parlaments unterstützte und vor allem als Antwort auf das royalistische Medium „Mercurius Aulicus“ anzusehen ist. Nachdem er 1644 die Führung des „Mercurius Britanicus“ übernahm, veröffentlichte er mehrere Polemiken und direkte Angriffe auf die Person König Karls I., die ihm eine Verhaftung während der schwierigen Verhandlungen zwischen Parlament und König 1646 einbrachten. Er wurde in einer Audienz bei Karl I. von diesem begnadigt und wechselte die politischen Fronten, indem er ab September 1647 die royalistische Zeitschrift „Mercurius Pragmaticus“ herausgab. Er attackierte nun zwar das Parlament, hielt jedoch auch detaillierte Analysen verschiedener Machtblöcke und Interessenlagen für seine Leser bereit, womit er unter den zahlreichen royalistischen Nachrichtenbüchern der Zeit eine Ausnahme bildete. Mit der endgültigen Niederlage Karls I. wurde Nedham erneut inhaftiert und kehrte wiederum im Auftrag des Parlaments zum Journalismus zurück – mit seinem „Mercurius Politicus“. Sein republianischer Enthusiasmus kühlte ab 1653 zwar merklich ab, dennoch arbeitete er auch unter dem Cromwellschen Protektorat weiterhin in Regierungsdiensten. Mit der Verschärfung der Zensur durch Cromwell bereits kurz nach der Etablierung des Protektorats wurden der „Mercurius Politicus“ und der ebenfalls von Nedham geleitete „Public Intelligencer“ die einzigen verbliebenen Nachrichtenmedien des Landes und somit die offizielle Stimme der Regierung. Nedham verteidigte sowohl das „Instrument of Government“ mit seiner Schrift „The True State of the Case of the Commonwealth“, als auch die „Humble Petition“ und sicherte somit die Stabilität des Protektorats, das er im „Mercurius Politicus“ als der Zeit am besten angemessene Regierung darstellte. 1659 sah er die Restauration der Monarchie kommen und publizierte mehrere Pamphlete dagegen, auch aus der Angst einer Vergeltung der Royalisten gegenüber den Verteidigern des Rump bzw. des Protektorats heraus. Dennoch war er aufgrund der politischen Entwicklungen schnell gezwungen, unterzutauchen (evtl. verließ er England während dieser Zeit und ging ins holländische Exil). Dem folgten jedoch erneut eine Begnadigung und seine Rückkehr nach England. Hier veröffentlichte er zwei Gedichte aus dem „Mercurius Pragmaticus“, um seine Ergebenheit der Monarchie gegenüber zu illustrieren. In der Folge zog er sich aus dem Geschäft
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genossen zur Folge hatten,³⁸¹ sondern ihm auch in der heutigen Forschung oft das Etikett eines Opportunisten einbrachten,³⁸² dennoch avancierte er schnell zum offiziellen Sprachrohr des neuen Regimes. Besonders bekannt sind seine ab September 1650 erschienenen Leitartikel im Nachrichtenbuch „Mercurius Politicus“, das er seit Juni diesen Jahres herausgab. Hier bewarb er geistreich, zugleich jedoch humoristisch-unterhaltsam die Ziele der Republik, indem er komplexe, theoretische Argumente für eine nicht-elitäre Leserschaft einfach und verständlich darstellte und seinen Lesern somit eine Art Crashkurs in republikanischer Erziehung angedeihen ließ.³⁸³ Ähnlich wie Milton, zu dem eine Freundschaft und berufliche Verbindung bestand, sah Nedham die Engländer als Sklaven der Gewohnheit an. Unterdrückt von Königen und des Wissens um ihre eigene Freiheit
des Verfassens politischer Schriften zurück (mit einer Ausnahme Mitte der 1670er).Vgl. Norbrook, Writing, S. 174 ff. Sharpe, Image Wars, S. 483 ff. So wird er z. B. vom anonymen Autor von „The Character of Mercurius Politicus“ (1650) wie folgt beschrieben: „So many times has our Mercury been metamorphos’d, that now you may, if you please, call him the Mercurius Trismegistus“. Nedham selbst ist sich der Außenwirkung seiner häufigen politischen Lagerwechsel deutlich bewusst, weshalb er vielen seiner Schriften eine Art Apologie vorausschickt. Das Vorwort zu „The Case“ beginnt er mit den Worten: „Perhaps thou art of an Opinion contrary to what is here written: I confesse, that for a Time I my Self was so too, till some Causes made me reflect with an impartial eie upon the Affaires of this new Government.“ Nedham, Marchamont, The Case of the Commonwealth of England Stated, London 1650, To the Reader (A2). Sehr ähnlich in der Wortwahl jedoch mit anderer Orientierung nach der Restauration 1661: „Being convinced of the truth of these things, I conceive my self obliged to satisfie others; and therefore whatever I have been heretofore, I shall list my self henceforth, For King and Parliament.“ Ders., The True Character of a rigid Presbyter. [The preface subscribed „Mercurius Pragmaticus.“] … To which is added, A short history of the English Rebellion: compiled in verse, by M. Nedham, and formerly extant in his Mercurius Pragmaticus. The second edition, corrected, etc., London 1661, Vorwort. So nennt z. B. Wordon Nedhams Adaption des Republikanismus opportunistisch und beschreibt ihn als genuinen Royalisten.Vgl.Wordon, English Republicanism, S. 449. Für andere, z. B. Norbrook, war sein politischer Sinneswandel insofern interessenpolitisch begründet, als dass sich Karl II. im Frühjahr 1650 auf eine Allianz mit Nedhams persönlichen Erzfeinden zu bewegte: den schottischen Presbyterianern. Die Rückkehr auf die Seite des Parlaments wertet Norbrook somit hauptsächlich als Kampagne gegen diese potentiellen Verbündeten Karls II. Vgl. Norbrook, Writing, S. 222. Tatsächlich richtet sich Nedham im zweiten Teil seines „The Case“ direkt gegen verschiedene „Feindgruppen“ und zollt hier den Schotten und den Presbyterianern besondere Aufmerksamkeit. Vgl. Nedham, The Case, S. 50 ff. Zugleich gilt es für die moderne Forschung jedoch die Grundbedingungen der zeitgenössischen, politischen Lagerbildung zu berücksichtigen, wie Michael Mendle sie hier vor der Negativschablone des Verrats beschreibt: „In short, there was no loyal opposition, no automatically disloyal opposition, no political failure that did not contain within it the prospect of treason.“ Mendle, Dangerous Positions, S. 172. Vgl. Sharpe, Image Wars, S. 419 f. Norbrook, Writing, S. 223. Wordon, Marchamont Nedham, S. 62.
4.2.8 „Authority“ in der Propaganda des neuen Regimes
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beraubt, brauchten seine Landsleute dringend eine korrigierende, politische Unterweisung, für die er auch mit seinen Editorials sorgen wollte.³⁸⁴ Die Grundlage für diese Leitartikel bildete Nedhams 1650 veröffentlichte Schrift „The Case of the Commonwealth of England Stated“,³⁸⁵ die im Folgenden Gegenstand der Untersuchung sein soll. Sein Anliegen im „The Case of the Commonwealth of England Stated“ war es, die Überlegenheit eines freien Staates gegenüber den Unzulänglichkeiten einer königlichen Regierung herauszustellen. Jede Regierung, so Nedham, habe ihre Zeit – die Ära der Monarchie sei aber unwiederbringlich vorbei. Um die Unterordnung des englischen Volkes unter das neue Regime zu erreichen, beschrieb Nedham Gewalt und Eroberung als Grundlagen einer jeden Regierung. Damit war die auf den zivilen Gesetzen fußende Rechtmäßigkeit einer Regierung als Grundbedingung ihrer Legitimität eine hinfällige Kategorie. Denn mit der Eroberung eines Staates durch einen neuen Herrscher seien alle bis dato gültigen Gesetze als ebenso gestürzt anzusehen wie der besiegte Herrscher – ein deutlicher Bezug auf Hugo Grotius‘ „De Iure Belli“.³⁸⁶ Stattdessen solle niemand einer Regierung die Gefolgschaft verweigern, die den Schutz des Volkes gewährleisten kann. Dieses de facto-Argument erinnert nicht von ungefähr stark an Hobbes. So wurde von der Forschung bereits erkannt, dass Nedham im „The Case“ und den Editorials des „Mercurius Politicus“ z.T. Standpunkte aus Hobbes’ früheren Werken „recycelte“.³⁸⁷ Nachdem Nedham unter Rückbezug auf die antiken Philosophen³⁸⁸ und die Geschichte der vergangenen antiken Reiche und Gemeinwesen festgestellt hat, Vgl. Wordon, Marchamont Nedham, S. 62. Ders., Classical Republicanism, S. 192. Vgl. Norbrook, Writing, S. 224. Wordon, Marchamont Nedham, S. 62. Capp, Culture Wars, S. 63 f. Vgl. Nedham, The Case, S. 19 f. In der zweiten Auflage des „The Case“ bezieht sich Nedham zur Verteidigung des „Engagement“ direkt auf Hobbes. Vgl. Norbrook, Writing, S. 223, 278. Wordon betont jedoch auch, dass Nedham über Hobbes hinausging und dezidiert republikanische Argumente nutzte. Vgl. Wordon, Marchamont Nedham, S. 62. Zudem erinnert Nedhams zyklisches Geschichtsbild der immer wiederkehrenden Umbrüche und der natürlichen Folge verschiedener Regierungssysteme in seiner Grundannahme – nämlich der menschlichen Sündhaftigkeit als Auslöser dieser „fatal circumvolutions“ – deutlich an Hobbes Konstruktion des von den menschlichen Leidenschaften und Begierden geprägten Naturzustandes. Vgl. Nedham, The Case, S. 2. Sharpe fasst zusammen, dass Nedham das Hobbessche Argument der pragmatischen Grundlage von Unterordnung und Gefolgschaft im Austausch für Sicherheit popularisierte. Vgl. Sharpe, Image Wars, S. 420. Nedham zitiert eine Vielzahl von ihnen, u. a. Aristoteles, Cicero, Tacitus, Ovid, Seneca und Plutarch. In einer Zeit, in der sich die meisten Republikaner eher auf das aristokratische Gesellschaftssystem Spartas bezogen, stellt Nedham mit seiner Bevorzugung des demokratischen Athens eher eine Ausnahme dar (zusammen mit Milton und John Hall, die sich ebenfalls auf den
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dass die Ablösung einer Regierung durch „some other power, family or forme“ etwas Natürliches, Gottgewolltes und Unausweichliches ist – und somit scheinbar nebenbei eine rational wirkende Rechtfertigung für die Rebellion und den Königsmord anbietet – geht er auf die „power of the sword“ ein.³⁸⁹ Die Verfügung über eine exekutive Gewalt, z. B. das Militär, stellt Nedham als das Fundament aller Regierungen und notwendige Bedingung zur Durchsetzung des herrschaftlichen Willens dar. Erst der gewalttätigen Eroberung folgt die Aneignung des Rechts auf Herrschaft durch die siegreichen Usurpatoren. Im Umkehrschluss sichert allein militärische Macht die „Authority of their Lawes“.³⁹⁰ Als Beispiel für seine Folgerungen führt Nedham jedoch nicht nur antike Quellen und die Bibel (den Fall Nimrod) an, sondern auch die neue Geschichte Europas, z. B. die Vertreibung des „alten“³⁹¹ Königs von Portugal durch Philipp II. (1555/56 – 1598), der erst nach dem Akt der Eroberung sein Recht auf die Krone beanspruchte. Dass „the power of the Sword ever hath been the Foundation of all Titles to Government in England“ illustriert Nedham auch am Beispiel Heinrichs VII.: „Henry (from whom the late King derived his Claime) came in with an Army, and (as one hath well observed) by meere Power was made King in the Army, and by the Army“. Als Basis der Königsmacht beschreibt er damit die militärische Gewalt, erst danach krönte sich der neue Herrscher und befand sich dann auch im Stand der „authority“: „he got himself afterwards solemnly Crowned at Westminster. And soone after, upon Authority thus gotten, he called a Parliament“.³⁹² Die Betonung der Macht des Schwertes ist nicht nur als Anlehnung an Machiavelli zu sehen, sondern auch ein Beleg für die enge Beziehung Nedhams sowohl zur republikanischen Gruppe im Parlament (etwa zu Neville und Sidney), als auch zur radikalen Partei in- und außerhalb des Parlaments, die den Königsmord als Auftakt zu umfassenden, sozialen Reformen sah.³⁹³ Besonders Nedhams Beziehung zu den
athenischen Aeropagus bezogen), die mit seiner Ablehnung des venezianischen Modells (als Oligarchie, die einer „multiplied monarchy“gleichkam) gut zusammenpasst. Vgl. Norbrook, Writing, S. 222. Wordon, Marchamont Nedham, S. 67. Ders., English Republicanism, S. 449 f. Vgl. Nedham, The Case, S. 4 ff. Ebd., S. 20. Vgl. ebd., S. 9. Mit dem „alten König“ ist der von Philipp II. in der Schlacht von Alcantara (1580) besiegte Gegenkönig António von Crato gemeint, der sich selbst zum König gemacht hatte und damit gegen das Testament König Heinrichs I. (1579 – 1580) verstieß, der den Habsburger und Sohn Isabellas von Portugal Philipp II. zu seinem Nachfolger bestimmt hatte. Ebd., S. 13. Insbesondere der letztgenannten Gruppe war das Commonwealth die sozialen Reformen betreffend zu träge. Vgl. Wordon, Marchamont Nedham, S. 63 f. Pocock, Machiavellian Moment, S. 380 ff.
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Levellern ist hier zu nennen, die von der Forschung durchaus konträr beurteilt wird.³⁹⁴ Nedham stellt eine Umkehrung der Abfolge der Erlangung der Herrschaftskompetenz dar: zuerst sieht er eine Eroberung durch militärische Gewalt vor, im Anschluss daran erfolgt die Erhebung des rechtmäßigen Anspruchs auf „authority“, anstatt vor dem Waffengang einen begründeten Anspruch auf „authority“ vorzubringen und diesen dann mit Waffengewalt durchzusetzen. Dennoch sieht Nedham darin kein Problem für Ableitung der Gefolgschaft der Untertanen: „That those whose Title is supposed unlawfull, and founded meerly upon Force, yet being possessed of Authority may lawfully be obeyed.“³⁹⁵ In diesem Sinne hat kein Privatmann das Recht dazu, in Frage zu stellen „how those came by their Power that are in Authority over Them“. Nedham trennt also zunächst dezidiert zwischen „authority“ und „power“ und bricht somit mit der Praxis vieler Autoren, beides simultan zu verwenden und kaum zu diversifizieren. Gerade die Übernahme der königlichen Kompetenz der rechtlichen Vollmacht war in den Quellen des Parlaments ein wiederkehrendes Motiv, auch um das eigene Tun zu rechtfertigen. Mit der deutlichen Trennung und der Favorisierung von Macht bzw. militärischer Gewalt und Stärke vor einem rechtlichen Anspruch umgeht Nedham die hitzig geführte Debatte über die Legalität des Rump. Stattdessen betont er, dass zur Legitimierung von Regierungen der Konsens auch des „prevailing part“ des Volkes ausreichend ist – mit anderen Worten der nach den Säuberungsaktionen und der Abschaffung des Oberhauses verbliebenen Mitglieder des Parlaments. Diesem Überbleibesel der alten Institution ließen Zeitgenossen viel Spott angedeihen; Bezeichnungen wie „your bastard assembly“, „a mongrel parliament“ und „that junto that sit in the Commons House at Westminster“ sind nur einige Beispiele.³⁹⁶
So stellt Wordon die enge Verbindung zwischen den Vorstellungen Nedhams und der Leveller heraus (z. B. die gemeinsame Kritik an der langen Kontinuität der Parlamente, die zwangsläufig Mängel mit sich brachte; stattdessen forderte man einen ständigen Wechsel der Volksvertretungen). Nedham habe seine Sympathie zu den Levellern aber mit Rücksicht auf die Einstellungen seiner Arbeitgeber nicht offen äußern können. Seine wahre Ausrichtung wird jedoch bei der Verhaftung des Leveller-Führers John Lilburne deutlich, dessen Verteidigungsschrift wahrscheinlich Nedham verfasste (sie ist unterschrieben mit dem Kürzel M.N.) und in deren Folge Nedham verhaftet wurde. Im „Mercurius Politicus“ sieht Wordon daher sowohl Spuren der Visionen der Leveller als auch der Republikaner. Vgl. Wordon, Marchamont Nedham, S. 66. Im Vergleich dazu führt Pocock an, dass Nedham nur Spott für die Leveller übrig hatte. Vgl. Pocock, Machiavellian Moment, S. 383. Nedham, The Case, S. 16. Vgl. Sharpe, Image Wars, S. 457. Sharpe zitiert folgende Schriften: Anonym, The royall legacies of Charles the first of that name, of Great Britaine, France, and Ireland, King and martyr; to his persecutors and murderers. Being a short paraphrase upon His Majesties most Christian, and
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Immer wieder wurde von Gegnern des neuen „Commonwealth and Free State“ daran erinnert, dass die Revolution von einer kleinen Minderheit durchgeführt und auch die Hinrichtung des Königs von nur einem Drittel der Parlamentsmitglieder beschlossen worden war. Diesen Attacken auf das Rump aufgrund seiner Unrepräsentativität stellte sich Nedham nun entgegen. Nicht die Mehrheit des Volkes, vertreten im Parlament, sei ausschlaggebend für die Legitimierung von Regierungen, sondern der Konsens des aktuell vorherrschenden Teils. Nedham stellt die scheinbar demokratischen Mechanismen einer Volksvertretung somit in eine Analogie zum Ablauf von Eroberungen, bei denen wenige Mächtige über viele siegen können und anschließend ihr Wille ausschlaggebend ist. In diesem Sinne habe es nur zwei gegnerische Parteien gegeben – den König und seine Anhänger auf der einen und das Parlament auf der anderen Seite. Da der König sich unrechtmäßig die Regierungsbefugnisse des Parlaments aneignen wollte, habe er den Krieg ausgelöst und durfte rechtmäßig bekämpft werden. Ab diesem Zeitpunkt habe das Kriegsrecht gegolten. Mit dem Sieg der Parlamentstruppen sei „the whole Right of Kingly Authority being by military decision resolved into the prevailing Party, what Government so ever it pleases them next to erect, is as valid de Jure, as if it had the consent of the whole Body of the People.“³⁹⁷ Nachdem so die grundlegende Berechtigung der Herrschaft des Rump herausgearbeitet und die Notwendigkeit der Gefolgschaft und Unterordnung des Volkes begründet wurde, zitiert Nedham Hugo Grotius‘ (1583 – 1645) lateinische Schrift „De Iure Belli“. Nedham übersetzt eine Passage Grotius‘, in der „imperium“ vorkommt, direkt mit „authority“. Was die Bedeutung von imperium in der römischen Antike betrifft, sind bereits hinreichende Ausführungen gemacht worden (siehe Kapitel 3.3). Mit dieser Übersetzung konsolidiert Nedham seine Vorstellung der Einsetzung einer neuen Regierung. Wenn er zuvor das Primat des Schwertes einräumte, so ist dies auf den Kriegszustand zu beziehen, in dem es keine geltenden Gesetze außer dem Kriegsrecht gibt. Ist die Eroberung jedoch abgeschlossen und ein neuer Herrscher eingesetzt, so steht ihm in Friedenszeiten auch „authority“ zu. In diesem Sinn zitiert Nedham den athenischen Gesetzgeber Solon, der die Kopplung von Gesetz und Gewalt zur dauerhaften Aufrechterhal-
most charitable speech, delivered immediately before his translation, London 1649. Faithful and loyall subject to the present king, The rebels looking-glasse: or, The traytors doome. Wherein is discovered the judgements of God upon the rebels and traytors in all ages: collected out of several histories both sacred & profane. With a narration of this present rebellion, and of the horrid and execrable acts committed therin, and the judgements of God already observed to be saln upon the first actors and tormentors thereof. Published for the reducing of those that are already rebells, and deterring others from that sinn, London 1649. Nedham, The Case, S. 20 f.
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tung einer stabilen Gesellschaftsordnung betont – „making Authority and Power walk hand in hand together“.³⁹⁸ Und auch in der englischen Geschichte sieht Nedham diese Vorstellung bestätigt, denn vor der Zeit der römischen Besatzung sei England nie eine Monarchie gewesen. Stattdessen spricht er von einem Zusammenschluss verschiedener Regionen, die sich im Fall einer fremden Invasion einen obersten Befehlshaber zur Verteidigung wählten.³⁹⁹ Der direkte Vergleich zwischen diesem Befehlshaber und dem Diktator der Römischen Republik, der mit der zeitlich begrenzten Kompetenz des imperium ausgestattet war, drängt sich geradezu auf. Erst nach dem Abzug der Römer begann der Prozess der Verstetigung dieses Befehlshaberpostens im Sinne einer dynastischen Königsherrschaft. Grundsätzlich bleibt das Königtum aber vom imperium des Befehlshabers abgeleitet – „such as were termed then Kings, were but as their Generalls in War“.⁴⁰⁰ Somit steht „authority“ in direkter Abhängigkeit zur militärischen Macht und meint die Befehlsgewalt des Herrschers in Friedenzeiten. Dass dieses Prinzip auch im Umkehrschluss funktioniert, zeigt Nedham anhand seiner Kritik an Richard Hollingworths „An Exercitation concerning usurped Powers“. Hollingworth hatte das gegenwärtige Parlament in England als Usurpator bezeichnet, jedoch im Gegensatz zu Nedhams pragmatischer Auslegung des Begriffes mit einer deutlich pejorativen Konnotation des Wortes. Usurpation ist bei Hollingworth demnach „an Intrusion into the Seat of Authority, without any lawful Right, Title, or calling“.⁴⁰¹ Dem hält Nedham entgegen, dass Hollingworths Vorstellungen richtig waren bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der König und die Lords ihre Titel durch Kriegsrecht verloren haben. Auch den gesäuberten Teil des Unterhauses zählt Nedham zu den Feinden der Freiheit des Volkes, für die das Rump als einzige Kraft die Courage hatte, einzustehen.⁴⁰² Hollingworths Betonung des für eine rechmäßige Herrschaft notwendigen Rufs des Volkes („call“) nach einem neuen Herrscher verwirft Nedham. Dies sei in der Geschichte der Welt eine kaum nachweisbare Praxis; zudem seien auf dieser Grundlage betrachtet alle englischen Regierungen der Vergangenheit unrechtmäßig gewesen. Die Zustimmung Ebd., S. 20. In der Betonung der historischen Bedeutung der Regionen findet sich ein zeitgenössisch weit verbreitetes (und nach 1660 für den Republikanismus prägendes) Misstrauen gegenüber Zentralregierungen wieder. Nedham wies auf die Notwendigkeit regionaler Autonomie hin, denn die Wurzeln der monarchischen Tyrannei des modernen Europa lagen ihm zufolge auch in deren Fehlen begründet. Vgl. Wordon, Marchamont Nedham, S. 70. Nedham, The Case, S. 84. Generell ist die Verbindung zwischen Beispielen aus der (römisch) antiken Geschichte und der englischen ein wiederkehrendes Thema bei Nedham.Vgl. dazu Capp, Englands Culture Wars, S. 67. Nedham, The Case, S. 21. Ebd., S. 21 f.
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des Volkes, vertreten durch seine Repräsentanten im Parlament, sei in Friedenszeiten eine gute Sache. In Kriegszeiten jedoch verliert die „authority“ der vormals etablierten Herrscher ihren Wert und das Schwert kreiert den Titel des neuen Herrschers „and installs them with a new Majesty of Empire“.⁴⁰³ Mit Hinblick auf die von Royalisten und Presbyterianern immer wieder erhobenen Einwändedagegen, sich dem neuen Regime unterzuordnen, weil sie an den „Oath of Allegiance“ bzw. die „Solemn League and Covenant“ gebunden seien, entgegnet Nedham, dass beide Eide nicht mehr bindend seien. Er bezieht sich zur Unterstützung seiner Argumentation erneut auf Grotius, der seinerseits Iulius Caesars Frage „how can he hold you bound by Oath any longer, being outed of his authority and Command, remaining a private man, and a Prisoner, under the power of another?“ zitiert. Die Antwort ist einfach: „your Oath ended together with his authority“.⁴⁰⁴ Zunächst ist an dieser Stelle noch einmal gut zu belegen, dass das englische Wort „authority“ auch in der direkten Übersetzung antiker, lateinischer Quellen für potestas gebraucht wurde. In seinem Grundverständnis von „authority“ als eine an ein (Herrscher‐) Amt gebundene Vollmacht bildet Nedham also keine Ausnahme. In dem Moment jedoch, in dem der Herrscher seine militärische Macht verliert, büßt er auch seine „authority“ ein. Hier denkt Hobbes, bezogen auf das Ende des Herrschaftsvertrages und damit auch des Staates, ähnlich. Erringt der Feind in einem inneren oder äußeren Krieg den „Endsieg“ („finall Victory“) und ist es dem Staat dadurch nicht mehr möglich, im Austausch für die Loyalität seiner Untertanen ihren Schutz zu gewährleisten, so ist dieser Staat aufgelöst. Damit steht es jedem Menschen frei, sich selbst in der ihm angemessen erscheinenden Weise zu schützen, was auch die Unterordnung unter die Siegermacht beinhaltet.⁴⁰⁵ Die Konsequenz einer solchen Unterordnung ist der Schluss eines neuen covenants, der zwar auf Angst beruht (vor anderen Menschen beim Rückfall in den Naturzustand oder vor dem Eroberer), jedoch freiwillig in vernünftiger Abwägung der Alternative (Gefahr des Todes) geschlossen wird. Der „Leviathan“ wäre jedoch keine so umstrittene Schrift, wenn die Positionierung des Autors so einfach zu bestimmen wäre. Denn Hobbes schränkt ein, dass das Recht eines souveränen Monarchen durch die Handlungen eines anderen nicht zum Erlöschen gebracht werden kann, wohl aber die Verpflichtung der Untertanen ihm gegenüber.⁴⁰⁶ Damit eng verbunden sind auch Hobbes’ Äußerungen zur Berechtigung von inneren Unruhen und Rebellionen, denen er jede Ebd., S. 22 f. Ebd., S. 32. Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 518. Vgl. ebd.: „For though the Right of a Soveraign Monarch cannot be extinguished by the act of another; yet the Obligation of the Members [citizens] may.“
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Legitimität abspricht.⁴⁰⁷ Daraus ergibt sich eine gewisse Ambivalenz, denn einerseits kann gegen einen Souverän nicht rechtmäßig aufbegehrt werden, andererseits ist natürlich genau dies in England seit 1642 passiert. Hobbes verschließt sich den politischen Realitäten nicht, dennoch erkennt er die Rechte des Souveräns nach wie vor an; die rechtmäßige „authority“ des Königs bleibt unbestritten, ist aber vor dem Hintergrund zweier verlorener Bürgerkriege nicht mehr allein ausschlaggebend. Auf die Frage nach der Rechtmäßgkeit einer Rebellion gegen die souveräne Herrschaft geht auch Nedham mit vielfachen Bezügen auf die antike und die zeitgenössische Geschichte ein. Nedham greift auch auf die Bibel zur Untermauerung seiner Aussagen zurück: In der Heiligen Schrift sei das Gebot festgehalten, einer Herrschaft zu folgen und sie nicht in Frage zu stellen. Wie kann das Parlament aber sein Handeln gegen den König rechtfertigen, wenn man die souveräne Macht nicht in Frage stellen darf? Um zu einer für sein Anliegen positiven Antwort zu kommen, unterscheidet Nedham zwischen dem Besitz der Herrschaft und der Ausübung derselben. Zunächst ging es in dem Konflikt mit Karl I. nicht um die Aberkennung seiner Rechte, sondern um eine Kritik an seiner Regierungspraxis. Da der König nichts an seiner Art zu herrschen ändern wollte, griff er zu den Waffen, was das Kriegsrecht in Kraft setzte und somit eine legale Möglichkeit für die Änderung des Regierungssystems schuf. Die Errichtung des „Free State“ mit dem Rump als oberster souveräner Macht, entspreche dabei ebenso Gottes Vorsehung, wie die Monarchie es für die Dauer von über 600 Jahren getan habe, so Nedham.⁴⁰⁸ In einem zweiten Teil des „The Case of the Commonwealth of England, Stated“ geht Nedham auf vier Gruppen von Feinden des Rump ein: die Royalisten, die Schotten, die Presbyterianer und die Leveller. Besonders betreffend die letzten beiden Gruppen argumentiert er häufig auch mit „authority“. Nedhams Feindlichkeit gegenüber den Presbyterianern ist ein wiederkehrendes Thema in seinen Publikationen. Die Einführung der presbyterianischen Kirchenorganisation in England vergleicht er mit dem Trojanischen Pferd – viele ungute Entwicklungen seien durch die scheinbare bloße Veränderung der Titulaturen eingeführt worden. Insbesondere die von den Presbyterianern angestrebte Trennung zwischen Staat
Vgl. ebd., S. 264. Die einmal durch den covenant gebundenen Untertanen können keinen neuen Vertrag untereinander schließen und somit irgendeinem anderen Gehorsam leisten als dem von ihnen autorisierten Souverän. „And therefore, they that are Subjects to a Monarch, cannot without his leave cast off Monarchy […] nor transferre their Person from him that beareth it, to another Man, or other Assembly of men“. Ferner darf niemand, der die souveräne Gewalt innehat, rechtmäßig hingerichtet oder anders bestraft werden. Vgl. ebd., S. 270. Vgl. Nedham, The Case, S. 30.
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und Kirche und die damit verbundene Behauptung ihrer eigenen Macht als „iure divino“ werden hier genannt: „the chief Sticklers of the Presbyterian Clergy began to shew their Teeth; and sitting in an Assembly cheek by Jole with the Parliament, intermedled with their Affairs, labored to twist their Church discipline with the Interest of State, claimed in their open Pleas, Discourses, and their Confession of Faith, a Power in themselves distinct from the Civill, and demanded the Voting of this in both Houses, as Jure Divino, that so the Parliament might for ever cut the Throat of their owne Authority and Magistracy.“⁴⁰⁹ Nedham warnt somit eindringlich vor der Etablierung einer selbstständigen, presbyterianischen Nationalkirche. Stattdessen propagiert er fortwährend in seinen Schriften die Vorteile einer umfangreichen Religionsfreiheit bzw. religiösen Toleranz.⁴¹⁰ Neben dem Glaubensaspekt geht es hier aber vor allem auch um machtpolitische Fragen. Denn durch ihren Anspruch auf eine von der staatlichen Macht unabhängigen Kirche fordern die Presbyterianer auch eine eigene Gerichtsbarkeit in kirchlichen Angelegenheiten. Wenn ihnen diese Forderungen gewährt würden, seien sie nicht mehr zu beherrschen, so Nedham. Als Negativbeispiel für die Folgen der ungezügelten Macht der Presbyterianer führt er den Fall des 1. Dukes of Hamilton (1606 – 1649) an.⁴¹¹ Ungeachtet der Tatsache, dass Hamilton als Royalist ein Gegner des 1649 in England etablierten Regimes war, kommentiert Nedham die innenpolitischen Abläufe im Vorfeld seiner militärischen Operation im Sinne einer Warnung an die derzeitigen Machthaber in England: „Hamilton […] preparing to invade this Nation without the Kirke’s approbation, was by Them opposed, and all his Party also in Parliament (which were the Major Vote:) And after he had gotten as Authentick an Authority, as that Nation was conceived able to give him for his Designe; yet notwithstanding, the Assembly (because they saw the Grandees had deserted Them, and left the Kirk-Interest in the Lurch) protested against Hamilton’s Proceedings, and in him, against the Authority of Parliament whereby he was inabled, cursing Him and his Adherents.“⁴¹² Hier wird nochmals das
Ebd., S. 62. Eine Passage fast gleichen Wortlauts findet sich im Leitartikel des „Mercurius Politicus“ vom 13.06.–20.06.1650 und ist damit nur eines von vielen Beispielen für die Adaption von Grundgedanken aus dem „The Case“ in diesem Nachrichtenblatt. Allerdings ist der Angriff auf die Presbyterianer hier noch schärfer formuliert; sie werden als „lunatick Tithe-Dreamers, which have prostituted things of sacred Cognisance to their own filthy Corruptions“ beschrieben. MP, Leitartikel der Ausgabe 20.06.–27.06.1650. Vgl. Nedham, The Case, S. 90 f. Hamilton war ein enger Weggefährte Karls I. und sammelte 1648 ein Heer, um in England einzumarschieren und für die Sache der Stuarts zu kämpfen. Er wurde bei Preston von Cromwell geschlagen, gefangengenommen und 1649 hingerichtet. Vgl. Scally, John J., James Hamilton, 1. Duke of Hamilton, ODNB, https://doi.org/10.1093/ref:odnb/12087. Nedham, The Case, S. 68.
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Verständnis von „authority“ als einer Vollmacht deutlich, die vom obersten Souverän – in diesem Fall dem Parlament – übertragen werden kann – hier auf Hamilton in Form der Bestätigung seines militärischen Vorhabens (und damit im Sinne einer Übertragung des imperium, also des militärischen Oberbefehls auf ihn). Mit dem Einspruch der Kirk verbindet sich eine direkte Infragestellung der obersten Vollmacht des Parlaments und somit des gesamten Regierungssystems. Damit macht Nedham die schottische Kirk verantwortlich für die Niederlage von Hamiltons Expedition. Mit der unterstützenden Zitation der antiken Philosophen Plato und Plutarch lehnt Nedham eine basisdemokratische Regierung, wie sie die Leveller ⁴¹³ forderten, ab: „Such a Democratick, or Popular Forme, that puts the whole multitude into an equall exercise of the Supreme Authority, under pretence of maintaining Liberty, is, in the Judgement of all States men, the greatest enemy of Liberty“, da die Masse zu roh („so Brutish“) ist.⁴¹⁴ Nedham kritisiert vor allem die Schwachstellen der geforderten Vergabe von Ämtern an potenziell jeden erwachsenen Mann. Die Besetzung von Schlüsselpositionen im Staat durch ungebildete und politisch unerfahrene Männer würde zwangsläufig zu Chaos und einer schlechten Regierung führen. Nedham verweigerte also dem „Pöbel“ Zugang zu direkter politischer Partizipation; stattdessen befürwortete er eine auf dem Leistungsprinzip aufbauende Ämterbesetzung.⁴¹⁵ An dieser Stelle betont Nedham auch die Bedeutung des römischen Senats als Korrektiv zur Masse des Volkes: „It were much to be wonder’d, that the Senate of Rome stood so long in a Popular Form, (but we know) it was also underpropp’d by the Wisdome and Authority of the Senate“⁴¹⁶ – im Übrigen eine Passage, in der „authority“ mit direktem Bezug auf die auctoritas als Schlüsselkompetenz des römischen Senats genutzt wird. In der gegenwärtigen Situation fürchtet Nedham jedoch vor allem die Dominanz der Reichen und der besten Redner in den Ämtern des Staates – „He ordinarily gains the best bargain of Authority, that hath the longest Purse, and most powerfull
Zwar richtet sich Nedham direkt gegen die Leveller, dennoch hat z. B. Wordon seine argumentative Nähe zu dieser Gruppe herausgearbeitet, etwa was die Verhinderung einer langen Kontinuität bei der Ämterbesetzung durch sich ständig abwechselnde Parlamente betrifft. Ein weiteres Indiz für seine nicht zu ernst gemeinte (und wohl maßgeblich von seinen Arbeitgebern verlangte) Stellungnahme gegen die Leveller ist die Verteidigung ihres Führers John Lilburne, die Nedham 1645 einen Gefängnisaufenthalt eingebracht hatte. Vgl. Wordon, Marchamont Nedham, S. 66. Nedham, The Case, S. 71. Vgl. Wordon, Marchamont Nedham, S. 71. Nedham, The Case, S. 75 f.
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Tongue“⁴¹⁷ – wobei „authority“ hier im Sinne von Einfluss verwendet wird und keine Vollmacht meint. Die vermeintliche Vorgabe der Leveller, für die Freiheit ihrer Landsleute einzustehen, entlarvt Nedham durch den Vergleich der „meer Popularity“ mit einem Markt, auf dem alle Regierungsämter feilgeboten werden, als Weg in „licentiousnesse, mischief, mere Anarchy and Confusion“ und somit als Unterwanderung der Freiheit.⁴¹⁸ Als Gegenmodell bietet Nedham eine auf die Antike rekurrierende, geordnete Nachfolge der Amtsträger an – mithin eine Rotation der „authority“.⁴¹⁹ Was Nedham detaillierter als alternativen Mittelweg darstellt, findet sich im fünften Kapitel „A discourse of the Excellencie of a Free State above kingly government“. Aufgrund der Unzulänglichkeiten der Vorhaben und Vorstellungen der vier abgehandelten Oppositionsgruppen arbeitet Nedham heraus, dass der „Free State“, also das gegenwärtige Regime, am besten zur Wiederherstellung von Frieden, Wohlstand und Ehre im Commonwealth geeignet ist. Er weiß dennoch um die verbreitete Ablehnung des Volkes gegenüber der Regierung des Rump. Die Gründe dafür sucht er im Rekurs auf Machiavelli in der Natur des Menschen.⁴²⁰ Wer sein Leben lang in einer Tyrannei gelebt hat, weiß nichts mit der wiedererrungenen Freiheit anzufangen.⁴²¹ Das Rump wird als Garant dieser Freiheit dargestellt; seine nach den konstitutionellen Umwälzungen und Säuberungen ver-
Die Konkurrenz um die besten Ämter ist auch im „Mercurius Politicus“ ein wiederkehrendes Motiv der Kritik an den Royalisten, die dem „young Tarquin“ (Karl II.) nur folgen, weil sie sich davon ein einträgliches Amt an seinem restaurierten Hof versprechen, nicht jedoch aufgrund echter Überzeugung. Vgl. MP, Leitartikel 04.07.–11.07.1650. Ebd., S. 75, 79. Wordon, Marchamont Nedam, S. 65. Zur Machiavelli-Rezeption Nedhams vgl. Rahe, Against Throne and Altar, S. 2. Wordon, Marchamont Nedham, S. 62, 70 ff.. Pocock, Machiavellian Moment, S. 379 ff. Diese Passage illustriert Nedhams Vorreiterolle (zusammen mit Milton) bei der Verbreitung des englischen, republikanischen Denkens. Die „Königsmörder“, zu denen Nedham nicht zuletzt durch seine enge Bekanntschaft mit John Bradshaw (um 1602– 1659), dem Führer des Prozesses gegen den König und Staatsrat des Rump, gute Kontakte hatte, wurden von ihm als heroische Figuren bejubelt, die das Volk aus der Sklaverei geführt haben. Dass diese Freiheit keine neue ist, sondern eine wiederhergestellte, wird fortwährend betont. Das Volk sei der eigentliche Souverän und damit der Inhaber der Freiheit. Seine genuinen Rechte sollten wiederbelebt werden – eine Thematik, die Gemeine ebenso ansprach, wie die gebildete Elite. Mit der Betonung des Volkes als Inhaber der Souveränität betrat Nedham für das zeitgenössische, republikanische Denken in England neuen Boden. Denn seine Vorgänger sahen vor allem im Unterhaus das demokratische Element der englischen Verfassung. Nedhams Prämisse lautet hingegen, dass alle rechtmäßige Macht und Regierung, Majestät und Autorität ursprünglich beim Volk liegt und den Repräsentanten nur verwaltungsmäßig übertragen wird. Vgl. Capp, Englands Culture Wars, S. 67. Wordon, Marchamont Nedham, S. 62 f., 65. Sharpe, Image Wars, S. 423, 454.
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bliebenen Mitglieder werden zu Freiheitskämpfern stilisiert.⁴²² Zudem habe der verbreitete Luxus im Volk zu einer Degeneration der Sitten geführt. In diesem Sinn attestiert Nedham den vermeintlich weniger zivilisierten Gesellschaften des Nordens eine größere Affinität zur Freiheit und beklagt für England „civility hath degenerated into effeminacy“.⁴²³ Abschließend betont der Autor mit Cicero, dass sich alle Menschen, die in Sicherheit leben wollen, dem „Free State“ unterordnen müssen und bestimmte, sich aus der aktuellen Lage ergebende Notwendigkeiten billigend in Kauf nehmen sollen.⁴²⁴ Er vollendet den Anspruch der Schrift, die „justice of submission“ unter die neue Regierung aufzuzeigen, mit Bezügen auf die Bibel bzw. die göttliche Vorsehung, die die Abschaffung der Monarchie erst möglich gemacht hatte.⁴²⁵ Dass Nedhams Argumente auch viel Anlass zu Kritik und offen feindseligen Antworten gegeben haben, wird z. B. an der anonymen Antwort „The character of Mercurius Politicus“ von 1650 deutlich.⁴²⁶ Der Autor verwendet Nedhams Hauptargument der Macht des Schwertes, die Gemeinwesen und Regierungen formt, gegen ihn: „This is our Puny Mahomet, who intends us no Scripture but this his own Alcoran […] and imagines too, that by the power of the Sword he can make us believe it.“⁴²⁷ Anstatt die militärische Macht als Staaten konstituierendes Instrument zu betrachten, das fußend auf natürlichem Recht und Kriegsrecht eine gewisse Legitimität beinhaltet, diffamiert der anonyme Autor Nedhams Vorstellungen und betrachtet die „power of the sword“ als reine Drohgebärde Nedhams, um seine Ansichten bzw. die Interessen des Commonwealth als seinem neuen Arbeitgeber durchzusetzen.⁴²⁸ Im Bezug auf die Person Nedhams und seine Nedham, The Case, S. 80. Ebd., S. 82. Vgl. Ebd., S. 92. Damit zeigt er seine Verbundenheit mit anderen zeitgenössischen Autoren, z. B. George Wither, John Warren (1621– 1696), Anthony Ascham oder Jonathan Clapham (fl. 1656). Vgl. Capp, Englands Culture Wars, S. 69. Weitere, spätere Angriffe waren u. a.: Kilburne, William, A New-Years-Gift for Mercurius Politicus, London 1659. L’Estrange, Sir Roger, A Rope for Poll or A Hue and Cry after Marchemont Nedham, London 1660. Anonym, O. Cromwells Thankes to the Lord Generall, faithfully presented by Hugh Peters in another Conference. Together with an Hue and Cry after Mercurius Politicus, London 1660. Anonym, Character of Mercurius Politicus, S. 3. Was Nedhams Überzeugungen betrifft, so malt der anonyme Autor ein sehr abwertendes Bild des Opportunisten Nedham. Vgl. Anonym, Character, S. 2, 4 f. In der Fortsetzung der Kritik an Nedham, dem „The Second Character of Mercurius Politicus“, ebenfalls aus dem Jahr 1650, klingt einer der (noch mild ausgedrückten) Vorwürfe wie folgt: „he is the Cerberus of Hell with those three heads of Britannicus, Pragmaticus, and Politicus, howling against Religion, barking against Monarchy, and biting wheresoever he can get a dinner.“ Ebd., S. 1.
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Stellung im Staat entspinnt sich zudem ein hinsichtlich der Verwendung von „authority“ interessanter Schlagabtausch. In einem Leitartikel des „Mercurius Politicus“ vom Juni 1650 schrieb Nedham: „But you’ll say, I am out of Fashion […] Yet you shall know I have authority enough to create a fashion of my own, and make all the world to follow the humor.“⁴²⁹ Offensichtlich spielt Nedham auf seine prominente Rolle als offizieller Sprecher des Rump an. Er nutzt „authority“ also im Sinne einer vom Rump als dem Souverän stammenden Bevollmächtigung – in diesem Fall, um die Regierung zu bewerben bzw. verbal zu verteidigen. Zugleich kann dieses Zitat als Hinweis auf die Qualität und Popularität seiner Schriften gelesen werden, mit dem sich Nedham nicht scheut, in eigener Sache zu werben. Der anonyme Autor des „The second Character of Mercurius Politicus“ fasst diese Äußerung Nedhams auf und bezieht dazu Stellung: „But in vaine doth he cling to the Publique, and skulke behind its Authority, I can teare off the Ivy without felling the Tree […] he being so wickedly out of the Fashion, they are as ashamed of his company“. Er stellt Nedham als einen verschlagenen, sich an der Öffentlichkeit bedienenden Parasiten dar. Selbst die aktuell an politischen Prozessen Beteiligten würden sich seiner Gesellschaft schämen, so der Autor weiter; Nedham habe „cast away all Conscience, and all respect of humane and Divine things“.⁴³⁰ Nedhams radikalere, demokratische Leitartikel aus dem „Mercurius Politicus“ wurden 1656 in einer gesonderten Schrift „The Excellencie of a Free State“ herausgegeben (siehe Kapitel 6.1).Das Werk war eine bearbeitete Neuauflage des soeben besprochenen „Discourse of the Excellency of a Free State“ und auch eine Kritik an Cromwells Protektorat. Ebenso wie in seinen Leitartikeln bediente er sich hierfür der Methode der suggestiven Kritik, bei der die enthusiastische Berichterstattung über Cromwells Erfolge und die Lobpreisung seiner Person zugleich als hintergründige Warnung der Leser vor dem königlichen Streben des Protektors zu verstehen waren.⁴³¹ In „The Excellency“ beschreibt Nedham diejenigen antiken
Nedham, MP, Leitartikel vom 06.06.–13.06.1650. Ein deutlicher Angriff auch auf Nedhams religiöse Haltung bzw. einer von mehreren direkt geäußerten Atheismus-Vorwürfen. Politiker (zu denen Nedham gehören will) müssen sich hingegen zumindest den Anschein von Religiosität geben, so der Autor: „those which would attend upon a State, must always have at least a Cloke of Religion, though the Suit be not of the same“. Anonym, Second Character, S. 5 f. Vgl. Norbrook, Writing, S. 235. Wordon, Marchamont Nedham, S. 66 f., 77 ff. Wordon unterstelltNedham ein ähnliches Vorgehen im „The Case“ und den frühen Leitartikeln des „Mercurius Politicus“ gegenüber dem Rump. Er kritisiert das Rump für die nicht erfolgte Abschaffung der Adelstitel, die immer noch eine nicht vom Leistungsprinzip dominierte Gesellschaft markierten (sozial gesehen war Nedham einer der radikalsten Republikaner). Zudem sah er das Rump als unikamerales Regierungssystem, das er zur Einführung einer gemischten Staatsform aufrief –
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Gemeinwesen, die am Besten zur Erhaltung der Freiheit geeignet waren, und kommt zu dem Schluss, dass Athen mit Solon als Gesetzgeber und dem Areopag als entscheidender Kammer die besten Vorraussetzungen hierfür geschaffen hatte.⁴³² Der Vergleich zwischen Cromwell als entscheidendem Gesetzgeber und den sich abwechselnden Parlamenten als eine Art englischer Areopag drängt sich auf und bietet eine deutliche Parallele zu Harringtons Gleichstellung von Cromwell mit dem Gesetzgeber Oceanas, Olphaus Megaletor (siehe Kapitel 6.2). Ein Diktator auf Zeit muss Nedham zufolge nicht gleichbedeutend mit dem Verlust der Freiheit des Volkes sein. Als Beispiel führt er das antike Rom an, wo die Tribune eine entscheidende Rolle bei der Errichtung des Freistaates spielten.⁴³³ Mit der direkten Verbindung der mit einer vorübergehenden, weitgehend unbeschränkten Macht ausgestatteten Tribune mit dem Titel des Protektos wird klar, dass Nedham Cromwells Stellung analog zu der der antiken Tribune sah. Auch seine Beschreibung Cincinnatus‘, eines guten Diktators auf Zeit, liefert Parallelen zu Cromwell: Cincinnatus kam aus eher einfachen Verhältnissen⁴³⁴ – ein deutlicher Schlag gegen die royalistischen Anfeidungen gegen Cromwell, die sich auch wesentlich auf seine für ein Regierungsamt mangelhafte Abstammung bezogen. Cincinnatus wurde als „fittest man“ in Zeiten der nationalen Bedrängnis gerufen („when the Roman Consul was in great peril […] and the City of Rome it self in a trembling condition“).⁴³⁵ Neben der Cromwell sehr zum Vorteil gereichenden Beschreibung der „magnanimity, integrity, and wisdom“ Cincinnatus’ und seinem großen Erfolg ist aber besonders eine Passage aufschlussreich über Nedhams Intention: „which work being over, he with all willingness quitted his Authority, and returned to the condition of a painful private life“.⁴³⁶ Nachdem Cincinnatus seine Aufgabe als Diktator auf Zeit erfüllt hatte, zog er sich freiwillig von seinem Amt zurück in sein Privatleben. Eine deutliche Handlungsempfehlung an Cromwell, die auch an Harringtons analoge Aufforderung an Olphaus Megaletor erinnert. Zugleich gibt Nedham zu bedenken: „people many times cast off persons that have done them eminent services […] they were so far from Ingratitude, that dieser Lesart folgend war Nedham innenpolitisch der Tradition des „mixed government“ verschrieben. Vgl. Ebd., S. 68. Ders., English Republicanism, S. 449. Nedham, The Excellencie of a Free-State, or, the right Constitution of a Commonwealth, London 1656, S. 8. „Tribunes, who were held sacred and inviolable, as Protectors of the Commons, and retained a power of meeting and acting with all Freedom in their great Assemblies. Now, and never till now, could they be called a Free State“ Ebd., S. 12. Er wurde „fetch’d from the Plough, to the dignity of a Dictator: for he had no more than four acres of land“ Ebd., S. 42. Ebd. Ebd.
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they have alwayes been excessive in their Rewards and Honours […] inrolling such men in the number of their Deities“.⁴³⁷ Eine ehrenvolle Stellung im Staat sollte auch Cromwell nach seiner freiwilligen Abdankung zugunsten der Herrschaft einer Volksversammlung gewährleistet werden. Offiziell blieb Nedham ein Verteidiger des Protektorats. Zusammen mit Milton, der sich mit seiner „Defensio Secunda“ an ein europäisches Publikum richtete, hatte er auch nach 1653 die Rechtmäßigkeit des Regimes und der pragmatischen Unterordnung unter dasselbe in seiner an das englische Publikum gerichteten Schrift „A True State of the Case of the Commonwealth“ propagiert.⁴³⁸
Ebd., S. 126. Vgl. Wordon, Marchamont Nedham, S. 75.
5 Zur Intention des „Leviathan“ und Hobbes’ Stellungnahme zu zeitgenössischen politischen Debatten Dass die Regierung des Rump von vielen betroffenen Zeitgenossen trotz aller Legitimationsbemühungen als unrechtmäßig angesehen wurde, zeigt der reaktionäre und defensive Charakter der verbalen Repräsentationen zu Beginn des Commonwealth. In einer Deklaration vom 27. September 1650 versucht das Rump „in vindication of their proceedings“ z. B. seine Arbeit als Werk Gottes darzustellen und sich selbst somit als Verkörperung der göttlichen Vorsehung. Es wird eingeräumt, dass es viel Unzufriedenheit im Volk gibt und viele Menschen dem Parlament bereits den Rücken gekehrt haben und sich für die Rückkehr der Monarchie stark machen. Der durch „Eikon Basilike“ heraufbeschworene Königsmythos ist ebenfalls als Einflussfaktor zu werten. In der Septemberdeklaration wird deshalb eine argumentative Strategie verfolgt, die alle Gegner der Arbeit des Rump zu Hindernissen für die Vollendung des göttlichen Plans erklärt. Diese Strategie deutet Kevin Sharpe zufolge auf einen wesentlichen Fehler des Rump hin: Man habe es verpasst, angemessene und neue Formen der Repräsentation zu finden, um damit die eigene konstitutionelle Legitimität zu zementieren. Stattdessen erfolgte in den unterschiedlichen Bereichen der Literatur, der symbolischen Repräsentation und der Performanzen häufig ein Rückgriff auf bekannte, monarchische Muster – sehr zu Ungunsten des Rump. Auch Cromwell erkannte dieses Defizit und drängte das Parlament Anfang November 1650 in einem Brief „[to] own your authority and improve it, to curb the proud […] relieved the oppressed […] [and] to reform the abuses of all professions […] Set upon these things in order to his glory and the glory of your Commonwealth“.¹ Das Unvermögen der Mitglieder des Rump zusammen mit der steigenden Unzufriedenheit der Armee ob der ausstehenden Reformen von Staat und Kirche² machte es Cromwell am
Vgl. Ebd., S. 410, 415. Der Versuch, den Presbyterianismus zur Staatsreligion zu erheben, scheiterte; die Frage nach einer Nationalkirche blieb offen. Auch bezogen auf die Gerichtsreform konnten kaum Fortschritte verbucht werden. Außenpolitische Erfolge, wie die gewonnenen Seeschlachten gegen die Niederlande im Englisch-Niederländischen Krieg (1652– 53) oder die Erfolge bei der Eingliederung Schottlands und Irlands ins Commonwealth, konnten über die innenpolitischen Problemlagen nicht hinwegtäuschen. Schließlich stand die Herrschaftslegitimation des Rump, das ursprünglich ja durch die Armee nur als Übergangsregierung eingesetzt worden war, zur Disposition. Den Termin zur Auflösung, wie er im „Agreement of the People“ festgeschrieben war, hatten die Mitglieder jedoch einfach verstreichen lassen. Insbesondere die Themen Wahlrecht und Neuhttps://doi.org/10.1515/9783110659498-007
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20. April 1653 möglich, das Parlament aufzulösen, ohne dass es viel Protest gab. Was folgte, ist bekannt: DieEinsetzung des deutlich kleineren „Parliament of Saints“ durch Cromwell am 4. Juli 1653 – und seine ebenso schnelle Entlassung am 12. Dezember. Nur vier Tage später installierte sich Cromwell als Lord Protektor und verkündete mit dem „Instrument of Government“ die erste geschriebene Verfassung Englands.³ Als Thomas Hobbes 1651 seinen „Leviathan“ veröffentlichte, griff er nicht nur in eine laufende Debatte um das Wesen der Verfasstheit des Staates ein, sondernauch in eine Debatte um politische „authority“. Der „Leviathan“ war ein Paukenschlag und rief vielerlei Reaktionen hervor, die meisten davon eher kritischer Natur.⁴ Nicht nur aus moderner Sicht scheinen einige von Hobbes’ Ansichten geradezu monströs und widersprechen den meisten Überlegungen zu freien und politisch mündigen Bürgern.⁵ Auch der bedeutende Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716), der Hobbes’ politische Philosophie grundsätzlich befürwortete, machte an dieser Stelle einige Einschränkungen. So sei es seiner Meinung nach unbedingt zulässig, dass im Falle einer drohenden, großen Gefahr durch den Herrscher auch Präventivmaßnahmen durch das Volk vorgenommen werden dürfen. Wenn ein Tyrann seine Wut an unschuldigen Bürgern auslässt, muss der Zusammenschluss der Untertanen in einer Allianz gegen den Tyrannen erlaubt sein. Diese Kritik an Hobbes’ Philosophie verkauft Leibniz indessen als Interpretation von Hobbes’ Gedankengängen mit dem Hinweis darauf, dass es sicherlich genauso von dem Philosophen intendiert gewesen sei.⁶
wahlen wurden von ihnen diskutiert (der verloren gegangene „bill for a new representative“); je länger das Parlament tagte, desto größer wurde aber der Eindruck einer selbstsüchtigen Oligarchie. Vgl. Hutton, British Republic, S. 19 ff. Vgl. Schilfert, Englische Revolution. Woolrych, Austin, England without a king. Eine „Checklist of Anti-Hobbes Literature and Allusion in England“ liefert Mintz, Hunting, S. 157– 160. Für den unmittelbaren Zeitraum des Interregnums führt Mintz Nedham an, aber auch Nathanael Culverwell (um 1619 – 1651), Luke Fawn (fl. 1652), Robert Filmer, Henry More (1614– 1687), Alexander Rosse, Seth Ward, Richard Baxter (1615 – 1691), Robert Vilvain (um 1576 – 1663), James Harrington, Philip Tanny (1612/15 – nach 1682), John Bramhall, Thomas Pierce (1621/2– 1691), Herbert Thorndike, Matthew Wren und John Worthington (um 1618 – 1671). Der Sturm der Empörung, den der „Leviathan“ bereits zu Lebzeiten Hobbes’ auslöste, ebbte auch bis ins 20. Jahrhundert hinein nicht völlig ab. So beschrieb z. B. George Catlin Hobbes 1922 als „a moral defective“ und für den römisch-katholischen Autoren Papini war der „Leviathan“ noch 1954 „diabolically inspired“. Catlin, George, Thomas Hobbes as a Philosopher, Publicist and Man of Letters, Oxford 1922, S. 14. Papini, Giovanni, The Devil, New York 1954, S. 150. Vgl. Mintz, Hunting, S. 155. Brief von Leibniz an Hobbes, 1674, in: Hobbes, Thomas, The Correspondence, hg.v. Noel Malcolm, Oxford 1994, Bd. 2, Nr. 195, S. 731– 735.
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Was Hobbes auf diese Unterstellung geantwortet hat, ist nicht überliefert. Aber viele der einschlägigen Stellungnahmen zeitgenössischer Kritiker zu Hobbes und die Antworten des Philosophen auf diese Kritik sind es. Parkin betonte, dass der „Leviathan“ auf eine Vielzahl zeitgenössischer religiöser und politischer Debatten Bezug nahm, was auch die zahlreichen Reaktionen und Kritiken verschiedenster Individuen und Gruppen beweisen.⁷ Anhand von Kernthemen der politischen Auseinandersetzung der Zeit sollen Hobbes’ Stellungnahmen innerhalb der verschiedenen Diskurse bis zum Jahr der Veröffentlichung 1651 im Folgenden skizziert werden. Besonders auffällig äußert sich Hobbes in „De Cive“ in vielfältiger Weise zu den Feinden eines Staates. Angesichts der realen politischen Entwicklungen in England um die Veröffentlichungszeit des Werkes 1642 sind Hobbes’ Äußerungen nicht als theoretische Szenarien zu werten, sondern haben eine ganz unmittelbare Stoßrichtung. Hobbes bezieht im eskalierenden Konflikt zwischen Karl I. und dem Teil des Parlaments, der eine Begrenzung der königlichen Kompetenzen und Handlungsbefugnisse will (und mithin einen Machtgewinn für das Parlament) deutlich Stellung für den König.⁸
Vgl. Parkin, Jon, The Reception of Hobbes’s Leviathan, in: The Cambridge Companion, S. 441– 459, hier S. 441. In seinem „De Cive“ greift Hobbes eine Reihe politischer Gegner des Königs bzw. der Monarchie an, die er zwar nicht einzeln benennt, deren Argumente er jedoch scharf kritisiert und widerlegt. So hinterfragt Hobbes beispielsweise die zeitgenössische Argumentation, dass ein Tyrann rechtmäßig entthront und getötet werden darf. Er fragt entrüstet: „How many throats hath this false position cut, That a prince for some causes may by some certain men be deposed?“ (Hobbes, De Cive, S. 5)Der Tyrannenmord an sich ist freilich kein neues oder spezifisch englisches Thema der Frühen Neuzeit, sondern begegnet in diversen Formen bereits seit der Antike. Für Hobbes sind derlei Gedanken ein einschlägiges Beispiel dafür was passiert, wenn die Äußerungen antiker Philosophen unkritisch von seinen Zeitgenossen übernommen werden. Einerseits erkennt Hobbes zwar an, dass der einzelne Bürger Angst vor einer solch überwältigenden Machtfülle haben kann, wie er sie für den Souverän beschreibt. Zudem ist ihm auch der mögliche Missbrauch der Stellung des Souveräns bewusst, wie er etwa durch die Laster und Leidenschaften des Herrschers ausgelöst wird. Zugleich macht er aber die Unumgänglichkeit einer Staatsgewalt deutlich, die mit der absoluten Autorität ausgestattet ist. Egal ob sie bei einem einzelnen Mann liegt oder bei einem Rat bestehend aus mehreren Männern – sie ist notwendig und in der einen oder anderen Form allgegenwärtig. Andere Zeitgenossen Hobbes’ wollten Karl I. als Tyrannen brandmarken (z. B. der schottische Kleriker Robert Baillie (1602– 1662)). Er konstatierte, dass eine „wicked faction“ Karl I. in die Tyrannei geführt habe, indem sie ihm einredete, seine Macht sei ungeteilt und absolut und sein Krönungseid kein echter Vertrag zwischen ihm und dem Volk, womit Karl I. als alleiniger Gesetzgeber übrig bliebe. Vgl. Sommerville, Lofty science, S. 254. Dem Volk erteilt Hobbes eine klare Absage. Ein sogenannter Tyrann unterscheidet sich laut Hobbes von einem rechtmäßigen Monarchen nicht aufgrund seiner größeren Machtfülle, dem Fehlen von Begrenzungen seiner Macht oder der Art und Weise, wie er in sein Amt kommt. Einzig die Bewertung seiner Regierung
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Die Positionierung Hobbes’ ist zum Einen festzumachen an seinem Umfeld, das von prominenten Royalisten geprägt war.⁹ Hobbes war sich über die politimacht den Unterschied aus: „insomuch as he is said to be a King, who governs wel, and he a Tyrant that doth otherwise.“ Hobbes, De Cive, S. 50. Auch der Abzug der Autorität von der Person des Souveräns durch ein Übereinkommen des Volkes, wie es in dieser Zeit beschrieben wurde, lässt Hobbes nicht gelten, da dies einen für alle derzeitigen und künftigen Herrscher unerträglichen Zustand herbeiführen würde, in dem sie permanent um ihre Autorität fürchten müssten – und somit letztlich auch um ihr Leben.Insgesamt gesehen geht es Hobbes um die Entkräftung der Anklage gegen Karl I., er sei ein schlechter König bzw. ein Tyrann. Hobbes räumt zwar ein, dass auch der Souverän menschliche Fehler machen kann (De Cive, S. 55), diese aber keinerlei Auswirkungen auf seine Kompetenzen oder seine Stellung haben. Der durch den Souverän aufrechterhaltene Staat ist in jedem Fall besser als ein Rückfall in den Naturzustand. Hobbes erreicht somit die Dekonstruktion der Tyrannei. Hobbes’ Arbeitgeber und Gönner William Cavendish, der spätere Earl of Newcastle, war selbst überzeugter Royalist. Rahe geht so weit, als Hobbes’ Intention für die Abfassung der „Elements“ den Willen zu sehen, einen Beitrag für die Verteidigung des Earls of Strafford leisten zu wollen, indem er den Royalisten um Newcastle ein säkulares Argument zuspielte. Vgl. Rahe, Against Throne and Altar, S. 315. Auch für Sommerville ist die Verbindung Hobbes’ zum Earl of Newcastle und dessen „Welbeck-Circle“ ein Argument dafür, ihn dem royalistischen Lager zuzuordnen. Vgl. Sommerville, Lofty science, S. 247 f. Newcastles großem Einfluss auf Karl I. verdankt sich wohl auch folgender Hinweis in den „Elements“: „this book [was] by your Lordship’s countenance to insinuate itself with those whom the matter it containeth most nearly concerneth“. Newcastle, dem die „Elements“ auch gewidmet waren, sollte es Karl I. und seinen engsten Beratern zuspielen. Auch mit weiteren führenden Royalisten wie Edmund Waller (dessen Sohn einer von Hobbes Schülern war), dem Earl of Devonshire (dem Hobbes „De Cive“ widmete) und Robert Filmer hatte Hobbes engen Kontakt. Auch wenn die spätere Veröffentlichung des „Leviathan“ Filmer schnell zu einer Entgegnung veranlasste: „Observations Concerning the Originall of Government upon Mr. Hobs „Leviathan“, Mr Milton against Salmasius, H. Grotius „De Jure Belli“ (London 1652). Vgl. Pečar, Andreas, Ursprungslegenden. Der Debattenkontext, in den Thomas Hobbes seine Idee vom Herrschaftsvertrag einbettete, in: Der sterbliche Gott. Thomas Hobbes’ Lehre von der Allmacht des Leviathan im Spiegel der Zeit, hg.v. Thomas Lau, Volker Reinhardt, Rüdiger Voigt, Baden-Baden 2017, S. 17– 34, S. 18. Weitere persönliche Verbindungen existierten zwischen dem Philosphen und dem Zirkel um die Königin, zu dem u. a. auch Sir William Davenant gehörte, der sein Gedicht „Gondibert“ Hobbes widmete. Vgl. Davenant, Sir William, The Author’s Preface to his much honor’d friend, M. Hobbes’, London 1650. Und dazu: Hobbes, Thomas, The Answer of Mr. Thomas Hobbes to Sir Will. D’ Avenant’s Preface Before Gondibert, beides in: Sir William Davenant’s Gondibert, hg.v. David f. Gladish, Oxford 1971. Auch Lord Colpeper, einer der Verfasser der königlichen „Answer to the Nineteen Propositions“ und Lord Jermyn, dem Hobbes wahrscheinlich seinen Posten als Tutor Karls II. verdankte, gehörten zu dem Kreis um die Königin. Einer von Hobbes’ einflussreichsten Schülern war George Villiers, der 2. Duke of Buckingham (1628 – 1687), der 1650 zusammen mit Newcastle einer der bedeutendsten Fürsprecher einer Allianz zwischen Karl II. und den Schotten zur Rückgewinnung der Krone wurde – ein politisches Anliegen, das auch Hobbes unterstützte und welches für Metzger den Ausschlag gibt, den Philosophen der „Louvre-Party“ zuzurechnen.
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schen Einstellungen von Personen wie den Earls of Newcastle und Devonshire, Edmund Waller und Robert Filmer völlig im Klaren, auch als er Newcastle und Devonshire seine Werke widmete – eine eindeutige Aussage und Sympathiebekennung für die royalistische Sache. Zum anderen widmete sich Hobbes Kernthemen der zeitgenössischen Debatte und bezog deutlich Stellung. So besprach er in seinem „De Cive“ die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Steuern durch den Monarchen allein,¹⁰ womit er jenen widersprach, die eine Trennung zwischen dem König und dem die finanziellen Mittel bewilligenden Parlament wollten. Hobbes thematisiert die Finanzierung eines Staates und die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Abgaben durch den König nicht zufällig. Seit dem Fall des als „Ship Money“ bezeichneten Hafenzolls (1626), einer der wichtigsten Einnahmen des Königs, gab es auf diesem Feld immer wieder Streit zwischen König und Parlament, welcher wesentlich zur Eskalation des Konfliktes beitrug.¹¹ Es ging dabei hauptsächlich um die Verteilung der
Vgl. Metzger, Thomas Hobbes und die Englische Revolution, S. 52 ff. Sommerville, Lofty science, S. 260 f. Malcolm, Introduction, S. 27 f. Hobbes, De Cive, S. 77. Die ständige, akute Geldknappheit des Monarchen wurde durch das Parlament versucht für seine Zwecke zu nutzen. So sollte Karl I. die „Petition of Right“ akzeptieren als Vorbedingung für die Gewährung dringend benötigter Finanzmittel. Mit einem bloßen Lippenbekenntnis stimmte Karl I. der Petition zu, wobei der rechtliche Status der „Petition of Right“ bis heute umstritten ist. Während sie für die einen mit der formalen Zustimmung des Königs am 7. Juni 1628, die in der Wendung der Zustimmung des Königs zu einem parlamentarischen Gesetzesentwurf („bill“) formuliert war, auch die Wirkkraft eines Gesetzes erhielt, hat sie für andere einen unverbindlichen Charakter und ist von der königlichen Gnade Karls I. abhängig und kein eigenständiges Gesetz. Der Status der „Petition of Right“ sollte nochmals während des Long Parliament Thema werden, als das Parlament betonte, dass es sich um ein gültiges Gesetz handele. Vgl. Hostettler, John, Sir Edward Coke. A Force for Freedom, Chichester 1997, S. 139. Young, Michael B., Charles I and the Erosion of Trust: 1625 – 1628, Albion 22/2 (1990), S. 217– 235, hier S. 232. Nach der Auflösung des Parlaments 1629 zwang erst eine erneute, durch die Bischofskriege ausgelöste Geldknappheit den Monarchen zur Wiedereinberufung des Parlaments, dessen Mitglieder über die absolutistische Regierungspraxis Karls I. erbost waren. Neben der Verteilung der Kompetenzen zwischen Krone und Parlament war vor allem das Kirchenregiment fortwährender Streitpunkt (über das Erstarken des Arminianismus während der Herrschaft Karls I. vgl. oben). Zusammengefasst wurden die Streitpunkte in der „Great Remonstrance“, in die das Parlament umfangreiche Forderungen einbaute. Zusammen mit der „Militia Ordinance“ und der Forderung nach der Abschaffung der „Statute Laws“ ergab sich für Karl I. ein unerhörter Angriff auf seine königlichen Prärogative ebenso wie auf die Verfasstheit des Landes insgesamt. In der Folge kam es zu einer tiefen Spaltung des Long Parliament; ein starkes royalistisches Lager griff das „divine right of kings“ nicht an. Auch vormalige Kritiker an der Monarchie wurden aufgrund des zunehmenden Radikalismus der Oppositionellen (vorangetrieben durch einige wenige, unter ihnen Henry Par-
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rechtlichen Kompetenzen zwischen Parlament und König. In diesem Sinn verorten auch Comstock Weston und Renfrow Greenberg den Mittelpunkt der Hauptkontroverse der Stuart-Herrschaft bei der Frage „Who makes Law“ – oder: Wer hat die „legal sovereignty“ inne?¹² Geäußert wurden die konträren Ansprüche von König und Parlament im Rahmen von eigentlich zur Steuerbewilligung einberufenen Parlamentssitzungen. Wenn Hobbes also in seinem „De Cive“ ein besonderes Augenmerk auf das unbestreitbare und von der Person des Königs untrennbare Recht legt, Steuern zu erheben und im Gegenzug allen, die an den Fundamenten dieses Vorrechtes rütteln wollen, eine Absage erteilt, so ist dies eine deutliche Stellungnahme gegen die zur Zeit der Abfassung immer fordernder auftretenden Abgeordneten des Long Parliament, aber auch generell gegen das System der mixed monarchy in England, das, da es eine Verteilung der Kompetenzen vorsah, Hobbes zufolge nur zur Schwächung der Monarchie bzw. sogar zu deren Abschaffung beitragen kann.¹³ Mit der zeitgenössischen Argumentation für eine „mixed monarchy“ verbanden sich meist auch Konzepte der Volkssouveränität und des Widerstandsrechts der Bürger. Vor allem die Idee der „majestas realis“ des Volkes im Vergleich zu den vom Volk als Machtquelle abgeleiteten und beschränkten Amtsrechten des Königs („majestas personalis“), die maßgeblich von den „Democratical Gentlemen“ geäußert wurde,¹⁴ lehnte Hobbes ab. Das Mittel dazu ist seine Konstruktion des Naturzustandes.¹⁵ Die Zeichen der Zeit, in der Hobbes „De Cive“ schrieb, veranlassten ihn dazu zu zeigen, mit welcher politischen Ordnung man Bürgerkrieg und Tumult vermeiden kann. Damit gab er vor allen seinen politisch einker, Henry Marten und Sir Peter Wentworth (1592– 1675)) in das royalistische Lager getrieben, unter ihnen Lord Falkland. Den Weg in den Bürgerkrieg beschritt Karl I. schließlich mit einem versuchten Staatsstreich, als er mit bewaffneten Truppen das Parlament stürmte. Vgl. Comstock Weston, Renfrow Greenberg, Subjects and Sovereigns, S. 17. Vgl. Rahe, Against, S. 12, 15. Sharpe, Kevin, The Personal Rule of Charles I., New Haven, London 1992, besonders Kap. IX (ab S. 537). Vgl. Comstock Weston, Renfrow Greenberg, Subjects and Sovereigns, S. 3. Zu Hobbes Ablehnung der Einzelaspekte der „mixed monarchy“ vgl. Skinner, Visions, S. 179. Vertreter dieses Standpunktes waren die sog. „Monarchomachen“. Als bekannte Vertreter nennt Horst Dreitzel die spanischen Spätscholastiker Fernando Vázquez de Menchaca (1512– 1569) und Diego Covarrubias (1512– 1577). Dreitzel beschreibt ihre Philosophie in Anlehnung an die humanistische Jurisprudenz und gegen die Überzeugungen Bodins gerichtet, der ja die „monarchia absoluta“ propagierte. Stattdessen bemühen die Monarchomachen eine an Cicero orientierte, republikanische Interpretation des Römischen Rechts. Vgl. Dreitzel, Horst, Monarchiebegriffe, Bd. 1, S. 82 ff. Zwar autorisiert jeder Einzelne den Souverän, indem er ihm seine individuellen Herrschaftsrechte bzw.Vollmachten überträgt, daraus folgt aber nicht, dass das Volk die Quelle seiner Macht ist. Denn vor dem covenant gab es so etwas wie ein Volk gar nicht, sondern nur den bellum omnium contra omnes.
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flussreichen Patronen eine Handlungsanweisung mit Präventionscharakter. Die für alle Untertanen verbindlichen Entscheidungen des Souveräns sind ablesbar an den Zivilgesetzen, womit sich Hobbes gegen die zeitgenössisch gängige Argumentation stellte,¹⁶ dass den Befehlen eines Königs nur Folge geleistet werden müsse, wenn sie richtig und gerecht seien – was wiederum ein privates Urteil darüber impliziert.¹⁷ In diesem Zusammenhang befasst sich Hobbes auch mit Verrat und seinen Folgen und richtet sich damit an jene, die beabsichtigen, gegen den König Position zu beziehen. Verrat sei dann gegeben, wenn eine Person sich von der Pflicht lossagt, ihrem Souverän zu folgen und zu gehorchen. Dies kann erfolgen, indem der Person des Souveräns Gewalt angetan wird oder erklärterweise werden soll, wie es bei Verrätern, Königsmördern und Deserteuren der Fall ist. Eine weitere Form des Verrates ist es aber – und dies ist die bedeutendere Aussage Hobbes’, bedenkt man die oppositionellen Kräfte im Parlament als Adressaten – wenn bestritten wird, dass eine Bindung an die Gefolgschaft zu einem Souverän besteht. Dies erfolgt, wenn man die Rechte des Souveräns bestreitet,¹⁸ was Hobbes als Verrat bewertet, der nach dem natürlichen Recht mit der Todesstrafe zu ahnden ist.¹⁹Damit geht Hobbes weiter als es selbst die Gesetze zu „high treason“ vorsehen und warnt alle, die das „divine right of kings“ mit den dazugehörigen Prärogativen anfechten. Hobbes richtet sich gezielt gegen alle Gegner eines Souveräns, der die Kernkompetenzen zum Führen eines Staates inne hat, um das unbeschadete Leben der Bürger zu gewährleisten. Alle anderen Überlegungen und Forderungen müssen sich dem unterordnen. Anhand seiner Verneinung vieler zentraler Argumente der Democratical Gentlemen ist zu ersehen, dass „De Cive“ eine deutliche politische, pro-monarchische Stellungnahme des Philosophen ist. Ein weiteres Indiz für seine royalistische Position war seine Entscheidung, England 1640 zu verlassen und ins französische Exil zu gehen, wo er später auch engen Kontakt zu Karl II. hatte, dessen Mathematiklehrer er ab 1646 war. Dieser Beziehung trug Karl II. auch nach der Restauration Rechnung, denn er lehnte alle durch den „Leviathan“
Hobbes widerspricht in zahlreichen Punkten seiner Philosophie den Democratical Gentlemen, unter ihnen Autoren wie Henry Parker,William Prynne, John Goodwin (1594– 1665), Charles Herle und Philip Hunton. Vgl. Skinner, Visions, S. 178 ff. Hobbes, De Cive, S. 75 f. „as he who should say, that he [the Souveraigne] had no Right to wage warre at his own will, to make Peace, list souldiers, levie monies, electing Magistrates, and publique Ministers, enacting Lawes, deciding controversies, setting penalties, or doing ought else, without which the State cannot stand“. Ebd. S. 94. Vgl. ebd., S. 95.
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hervorgerufenen Anträge einer Verfolgung des Philosophen ab und gewährte ihm sogar eine Pension aus der königlichen Kasse. Während Hobbes im „De Cive“ die Feinde der Monarchie scharf angreift, ist seine politische Positionierung im „Leviathan“ schwieriger festzumachen, insbesondere da das Traktat auch viel Verärgerung bei Vertretern des royalistischen Lagers hervorrief, wie etwa bei Edward Hyde, dem Earl of Clarendon und Leiter der Exilregierung Karls II. Dementsprechend vielseitig ist die Forschungsdiskussion über dieses Thema: Während traditionelle Forschungsmeinungen Hobbes als Royalisten sehen,²⁰ gibt es in jüngster Zeit die Tendenz, angeführt von Jeffrey Collins, Hobbes als Fürsprecher des neuen Regimes, bereits mit Blick auf ein Protektorat Oliver Cromwells zu beschreiben.²¹ Auch Pocock sieht Hobbes vor allem aufgrund seiner Verbindung zu Machiavelli als „radikalen Meister des politischen Denkens der Bürgerkriegszeit“.²² Rahe betont, dass Hobbes’ Royalismus nur von oberflächlichem Charakter und einer starken republikanischen Revision ausgesetzt war – Hobbes sei ein „provisorischer Royalist“ gewesen. In vielen wesentlichen Punkten habe sich Hobbes bewusst nicht politisch festgelegt, zudem stimme er in manch zentralem Argument mit John Milton und Marchamont Nedham überein.²³ Während Collins den „Leviathan“ und Hobbes’ Rückkehr nach England als Akt der aktiven Unterstützung des Philosophen für das neue Regime bzw. insbesondere Cromwells sieht, das nach der Hinrichtung Karls I. als einziges in der Lage schien, den Ambitionen des Klerus etwas entgegenzusetzen,²⁴ steht
Sommerville bekräftigt zwar einerseits, dass Hobbes Royalist war und bezeichnet seine drei Hauptwerke als „broadly royalist work“. Zugleich weist er jedoch darauf hin, dass das Lager der Königstreuen gespalten war zwischen Moderaten (u. a. Hyde) und Hardlinern. Eine eindeutige Zuordnung Hobbes’ zu einem dieser royalistischen Lager fällt (auch aufgrund seiner kirchenpolitischen Haltung) schwer.Vgl. Sommerville, Lofty science, S. 247 ff. Auch Malcolm sieht Hobbes als Royalisten, der erst konfrontiert mit den realpolitischen Entwicklungen das opportunistische Kapitel der „Review, and Conclusion“ verfasste. Vgl. Malcolm, Introduction. Vgl. Collins, Allegiance. Die Ansicht, dass es Hobbes’ Hauptintention beim Verfassen des Leviathan war, sich mit den neuen Machthabern gut zu stellen und die später folgende Herrschaft Cromwells als Protektor bereits im Voraus zu legitimieren, vertreten neben Collins auch Tönnies, Skinner und Lips. Vgl. Metzger, Hobbes und dieEnglische Revolution, S. 89. Pocock, Machiavellian Moment, S. 370. Vgl. ebd., S. 370, 380. Rahe, Against, S. 272 ff., 316. Ohnehin verortet Rahe Hobbes’ größte Bedeutung als Vordenker der Whigs in der Glorious Revolution und bedeutender Autoren während der Französischen Revolution und in den amerikanischen Kolonien. Vgl. ebd, S. 352. Collins‘ Auffassung zufolge sei es Hobbes’ Hauptanliegen gewesen, „to reduce the Christian church, its clergy and doctrine, to an arm of state“. Vgl. Collins, Allegiance, S. 5. In diesem Sinn habe das erastianische Kirchenverständnis Hobbes’ ihn nach dem Königsmord in enge Verbindung zu den Independents gebracht, wobei Collins grundsätzlich davon ausgeht, dass Hobbes mit der durch Cromwell getragenen Kirchenrevolution der Independents sympathisierte, zu ihrer
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Rahe einer solchen Interpretation skeptisch gegenüber. Die Sicherung seiner Rückkehr nach England sei zwar handlungsleitendes Motiv gewesen, Hobbes’ oberstes Anliegen war aber die Wiederherstellung bzw. Sicherung eines anhaltenden Friedenszustandes.²⁵ In dieser Hinsicht schließe ich mich der Position Rahes an: Mit dem „Leviathan“ wollte Hobbes in erster Linie seine Landsleute über die grundlegenden politischen Strukturen aufklären, die seiner Meinung nach für den Erhalt des Friedens und einer stabilen Regierung ausschlaggebend waren. Er macht ganz deutlich, welche Umstände und Fehleinschätzungen zu Tumulten und Bürgerkrieg führen und wie diese künftig zu vermeiden sind. Setzt
Verteidigung den „Leviathan“ schrieb und den Bürgerkrieg als vordergründig religiösen Konflikt sah.Vgl. ebd., S. 5, 7, 10. Mit der Betonung des sich wandelnden Kirchenverständnisses Hobbes’ fordert Collins eine Revidierung der Bewertung von Verfassungsfragen und der Darstellung der Auslöser für den Bürgerkrieg als Hauptthemen des „Leviathan“. Den Hauptgrund für die Entfremdung Hobbes’ von der Sache des Königs sieht Collins im Kirchenverständnis Karls I. und seiner Anhänger begründet: „deference to a corporatist, sacramental understanding of the clerical estate had become increasingly central to royalism throughout the 1640s“ – dem Hobbes widersprach. Ebd., S. 276. Kritik an dieser Sicht meldet u. a. Malcolm an, der betont, dass das kongregationalistische Kirchenmodell keine Neuheit des „Leviathan“ war, sondern bereits in „De Cive“ begegnet. Vgl. Malcolm, Introduction, S. 63 f. Auch dass Karl I. mit der „Answer to the Nineteen Propositions“ bereits auf die kirchenpolitischen Forderungen eines Teils des Parlaments einging, indem der Klerus nicht mehr explizit als einer der drei Stände aufgeführt wurde, spricht eher gegen Collins‘ Einschätzung. Dass Hobbes im „Leviathan“ der Religion einen großen Stellenwert einräumt, bleibt dabei unbestritten, immerhin widmet er ihr die beiden letzten Teile des Werkes. Auch die Reaktion der Zeitgenossen kann hieran keinen Zweifel aufkommen lassen, so zeigten sich viele von Hobbes’ Atheismus empört (z. B. schrieb ein anonymer Autor zu den vermeintlichen Prinzipien von Hobbes: „Thatt there is a Desireable Glory in Being and being Reputed an Atheist“ The principles of Mr. Hobs, 17th century, BL, Sloane MS 904, Bl. 14 f.), die römischen Katholiken am Hof denunzierten Hobbes bei den katholischen Autoritäten in Frankreich (was bei Hobbes die Angst vor einer Inhaftierung hervorrief) und auch die Mahnung Paynes vor der Veröffentlichung des „Leviathan“, Hobbes solle den Angriff auf das Episkopat nochmal überdenken und in seiner Schärfe abschwächen („All Trueths are not fitt to be told at all times.“ BL MS Harl. 6942, Nr. 130.) sind Belege hierfür. Vgl. Malcolm, Introduction, S. 59 f., 100. Für mich liefern im Hinblick auf die Untersuchung der „authority“ aber alle Belege aus den letzten beiden Teilen des „Leviathan“, in denen es um Religion und Kirchenverfassung geht, mit sehr wenigen Ausnahmen stets sakrale Argumente zur Bestätigung des Autoritätskonzeptes, das Hobbes vor allem im zweiten Teil des „Leviathan“ entworfen hat. Im Sinne der Auffassung des Biblizismus als politischer Sprache sehe ich in Hobbes’ kirchlich-religiösen Ausführungen Belege zur Untermauerung der absoluten „authority“ des Souveräns – der „Leviathan“ ist demnach nicht verfasst worden für die Durchsetzung der Kirchenrevolution der Independents, sondern die sakralen Argumente dienen in erster Linie der Durchsetzung von Hobbes’ politischer Theorie rund um seinen Kernbegriff „authority“. Vgl. Rahe, Against, S. 3.
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man also das Primat der inneren Ordnung und des Friedens voraus, so erscheint Hobbes die Art des Souveräns von nachgeordneter Bedeutung gewesen zu sein. Dennoch macht er im „Leviathan“ stets deutlich, dass seiner Meinung nach ein einzelner Mann am besten für dieses Amt geeignet ist. Bedenkt man die Situation von 1651 ein deutlicher Fingerzeig auch in Richtung des künftigen Lordprotektors. Zugleich bin ich nicht überzeugt von der These, dass sich Hobbes’ politische Gefolgschaft nach 1649 so grundlegend revidiert hat, dass er dem Royalismus völlig abgeschworen hat, als dessen Vertreter er auch noch im Rahmen der beginnenden Engagement-Debatte gesehen wurde.²⁶ Stattdessen gestaltete Hobbes seine Theorie der Ein-Mann-Herrschaft bemerkenswert offen und gibt somit sowohl einer Monarchie Raum, als auch einer alternativen Lösung, wie sie das Protektorat Cromwells darstellen sollte. Im Hauptteil des „Leviathan“ argumentiert Hobbes meines Erachtens nach eher seinen gewohnten Mustern folgend für die Monarchie. So spricht er z. B. jeglichen Aufstandsbemühungen der Untertanen gegen ihren eingesetzten Souverän die Legitimität ab und setzt so jene ins Unrecht, die im Bürgerkrieg seit 1642 offen gegen Karl I. vorgegangen sind.²⁷ Für die Darstellung dieser Zusammenhänge bemüht Hobbes ganz zentral „authority“ als Argument und zwar in einer vom traditionellen Verständnis der amtsgebundenen Vollmacht der englischen Monarchen geprägten Weise. Er widmet sich im „Leviathan“ hauptsächlich der Darstellung eines bereits bestehenden, das heißt durch covenant eingesetzten Staates, in dem die „authority“ nicht nur die staat-
So beriefen sich die Engager Anthony Ascham und Marchamont Nedham positiv auf den Royalisten Thomas Hobbes, und nutzen die von ihm in „De Cive“ dargestellten Zusammenhänge zwischen Schutz und Gehorsam für ihre Zwecke aus. Vgl. Ascham, Confusions and revolutions. Nedham, The Case. Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 264 ff.: „Consequently they that have already Instituted a Common-wealth, being thereby bound by Covenant […] cannot lawfully make a new Covenant, amongst themselves to be obedientto any other, in any thing whatsoever, without his permission. And therefore, they that are subjects to a Monarch, cannot without his leave cast off Monarchy, and return to the confusion of a disunited Multitude; nor transferre their Person from him that beareth it to another Man, or other Assembly of men“ Oder Ebd., S. 306: „But the Rights, and Consequences of Soveraignty, are the same in both. His Power cannot, without his consent, be Transferred to another: He cannot Forfeit it: He cannot be Accused by any of his Subjects, of Injury: He cannot be Punished by them: He is the Judge of what is necessary for Peace“ Hierzu äußert er sich gleichförmig in seinen später entstandenen „Considerations“: Alle, die das Parlament ohne Notwendigkeit unterstützt haben, verurteilt er. Denn zur Zeit des Ausbruchs des Bürgerkrieges sei Karl I. sehr wohl in der Lage gewesen, seine Untertanen zu schützen: „of them who appeared in that scene […] having either assisted that rebellious Parliament, without necessity (when they might have had Protection from the King, if they had resorted to him for it in the field)“ Hobbes, Considerations, S. 17.
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liche Hierarchie entstehen lässt, sondern insgesamt die Möglichkeiten und Grenzen legitimen Handelns bestimmt. Damit greift Hobbes auch in die laufende Debatte um die „legal sovereignty“ ein,also die Frage danach, wer die Kompetenz der Gesetzgebung im Land inne hat. Indem Hobbes die „authority“ des Souveräns in aller Deutlichkeit herausarbeitet, lässt er keinen Zweifel daran, dass auch dieses Recht dem Souverän zusteht. Damit verbindet sich eine Absage an eine Reihe von Argumenten und Legitimationsmustern der Opposition zu Karl I. (z. B. „singulis major, universis minor“; „mixed monarchy“ und Kooperationsprinzip in der Regierung) bzw. ihren Versuchen, die königliche Herrschaft zu delegitimieren (u. a. Vorwurf der Tyrannei; Betonung der bürgerlichen Freiheit durch politische Partizipation). Auch Hobbes’ Absage an das „iure divino“-Argument des Klerus zielt letzlich auf die Dekonstruktion der von der Kirche angemaßten und als überlegen empfundenen auctoritas im Vergleich zur potestas der weltlichen Herrscher (siehe auch Kapitel 3.2.2). Zugleich war Hobbes aber auch dazu gezwungen, die politischen Realitäten der Zeit anzuerkennen, denn der rechtmäßige König war hingerichtet und die Monarchie offiziell abgeschafft worden. Es gibt mehrere denkbare Motive, aus denen heraus eine Adaption seiner Theorie an diese neuen Verhältnisse denkbar war. Zunächst steht wie erwähnt die Friedenssicherung für Hobbes an erster Stelle, die im gegenwärtigen System immerhin gewährleistet zu sein schien. Zum anderen die von Hobbes intendierte, breite Anlegung seiner Philosophie im Sinne einer „scienta civilis“, die mehrere politische Szenarien umfassen musste, um die allgemeine Gültigkeit ihrer Grundprinzipien zu gewährleisten. Schließlich auch der persönliche Wunsch des Philosophen, nach England zurückzukehren. Berücksichtigt man seine soeben angesprochenen, grundsätzlichen Äußerungen zur Berechtigung von Aufständen bzw. allgemeiner zum (nicht vorhandenen) Widerstandsrecht der Untertanen in einem existierenden Staat, so stellt sich die Frage danach, wann dieser Staat aufgehört hat zu existieren? Versteht man „authority“ als Recht auf Handlung in einem Gemeinwesen, so kann dieses aufs Engste mit dem Souverän verknüpfte Recht nur außer Kraft gesetzt werden, wenn der Staat aufhört zu sein. In diesem Fall würde das Argument der Illegitimität von Aufständen nebensächlich werden und ein Untertan wäre wieder frei, seine „authority“ auf denjenigen zu übertragen, der seinen Schutz am besten gewährleisten kann. Und tatsächlich wendet sich Hobbes besonders in seiner „Review and Conclusion“ dieser Frage zu, indem er sich gezielt zur Eroberung äußert.²⁸ Ein
Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 1133 ff. Dieses Schlusskapitel des „Leviathan“ nimmt
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Staat hört auf zu existieren, wenn er im Krieg eine finale Niederlage erleidet und sich die Mittel, die die Untertanen zum Leben benötigen, fortan in der Hand des Feindes befinden. In diesem Fall kommt es zu einem neuen covenant zwischen den Besiegten und dem Sieger und somit zur Einsetzung eines neuen Staates. In diesem Sinn beschreibt Hobbes, anders etwa als Marchamont Nedham, den Unterschied zwischen einem Sieg und einer Eroberung: „By this also a man may understand, when it is, that men may be said to be Conquered; and in what the nature of Conquest, and the Right of a Conquerour consisteth: For this Submission is it that implyeth them all. Conquest, is not Victory it self; but the Acquisition by Victory, of a Right, over the persons of men.“²⁹ Der Sieg, das heißt die militärische Macht bzw. Überlegenheit, ist nicht ausschlaggebend für die Herrschaft, sondern das Mittel, um die Unterordnung der Menschen zu erreichen. Diese durch den covenant erfolgte, freiwillige Unterordnung ist es, die auch im Eroberungsfall (oder im Fall eines Bürgerkrieges) den Weg zu einer legitimen Herrschaft ebnet – und die Automatismen von „authority“ erneut einsetzt. Damit bleibt Hobbes auch im Fall einer Eroberung seiner Theorie treu, denn es geht ihm immer noch um das Recht auf Herrschaft. Die detaillierte Darstellung des Zeitpunktes des Todes des alten und der Geburt des neuen Staates, mithin die Schaffung eines Zeitfensters, in dem die Untertanen nicht mehr an ihre Verpflichtung dem alten Staat gegenüber gebunden sind, sondern frei entscheiden können, was sie mit ihrem Leben und ihrer „authority“ anfangen möchten,³⁰ ist zum Einen ein Zugeständnis an die real immer wieder stattfindenden, politischen Umwälzungen, deren Zeuge auch Hobbes geworden war. Zum Anderen kann sie mit Recht als Schaffung einer Möglichkeit für Hobbes’ englische Landsmänner gesehen werden, sich guten Gewissens dem neuen Regime unterzuordnen. Der kurze Intervall zwischen den beiden Staaten kann als rechtsfreier Raum gesehen werden, in dem die „autho-
eine ganz besondere Stellung innerhalb des Gesamtwerkes ein, das z. B. auch Malcolm als hauptsächlich royalistisch geprägt sieht.Vgl. Malcolm, Introduction, S. 77 ff. Im Unterschied dazu unternahm Hobbes mit der „Review“ den Versuch, sein Werk für das neue Regime bekömmlicher zu machen und so den Weg für seine beabsichtigte Rückkehr nach England zu ebnen. (Die Rückkehrabsichten Hobbes’ sind in der Forschung nicht unumstritten. Als Quelle für ein planvolles Vorgehen Hobbes’ wird Edward Hydes „Brief View and Survey“ (S. 7) angeführt: In einem Gespräch mit Hyde habe Hobbes erwähnt, dass er die Absicht habe, nach Hause zurückzukehren.) Besonders nach der verlorenen Schlacht von Dunbar (3. September 1650) und dem Tod Wilhelms II. von Oranien (6. November 1650), der der Schwager Karls II. und sein einflussreichster Verbündeter war, hatten sich die politischen Vorzeichen geändert und eine längere Herrschaft des Rump war wahrscheinlicher geworden – woraufhin sich Hobbes zum Verfassen der „Review“ entschied. Ebd., S. 1134. Vgl. Leviathan, engl. Fassung, S. 518.
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rity“ im Sinne einer Verfügungsgewalt über sich selbst wieder jedem einzelnen Menschen gehört. Der individuelle Wille gibt den Ausschlag für eine erneute Unterordnung, nicht eine Verpflichtung gegenüber der einen oder anderen Kriegspartei bzw. des untergegangenen Staates oder des sich abzeichnenden, neuen Gemeinwesens. Was Hobbes hiermit vor allem schafft, ist eine Entlastung seiner Landsleute, vor allem auch überzeugter Royalisten, die sich dem neuen Regime unterordnen mussten, weil sie insbesondere nach der verlorenen Schlacht von Worcester vorläufig keine Chance für die Restauration der Monarchie mehr gesehen haben. Hobbes selbst muss auch zu dieser Personengruppe gezählt werden, denn er hat sich nach seiner Rückkehr nach England, ganz seiner Feststellung folgend, dass es verschiedene Arten der Unterwerfung gibt,³¹ offiziell an den Council of State gewandt, um sich formell unterzuordnen, wobei es leider keinen Beleg darüber gibt, ob er das Engagement unterzeichnet hat.³² Dass es Hobbes’ Intention für das Verfassen der „Review“ war, seinen in England verbliebenen Landsleuten (und sich selbst) die Unterordnung unter das neue Regime zu ermöglichen, räumt er auch in seinen „Considerations“ freimütig ein. Dieses Verhalten sei jedoch in keiner Weise als Verrat zu werten, sondern aus einer Zwangslage heraus entstanden.³³ Natürlich stammt diese Quelle aus der Zeit der Restauration und Hobbes musste bemüht sein, sich angesichts der vielfach gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe zu rechtfertigen und als treuer Gefolgsmann Karls II. zu präsentieren. Dennoch widerspricht er seinen im „Leviathan“ entwickelten Ansichten über den Zusammenhang von Notwendigkeit und Unterordnung im Grunde nicht. Indem er sowohl das 1651 herrschende Rump, als auch Cromwell in Anerkennung seiner zu dieser Zeit bereits einflussreichen Stellung als möglicherweise folgenden Herrscher eine Grundlage liefert, ebenso rechtmäßig zu handeln, wie ein Monarch dies in einem Königreich tun würde, hat er meiner Ansicht nach weniger einen politischen Seitenwechsel vollzogen, sondern seine ganzheitliche Theorie eher pragmatisch an die aktuellen Entwicklungen angepasst – die ja auch in keiner Weise irreversibel waren, wie die Restauration 1660 zeigen sollte. Daran, dass Hobbes’ Hinwendung zum neuen Regime von einem Wandel seiner politischen Überzeugung bedingt war, zweifeln auch Johann Sommerville und Noel Malcolm. Die endgültige Niederlage der Royalisten bei Worcester erfolgte erst am 3. September 1651 (und wurde dem Pariser Exilhof am 13. September Vgl. Leviathan, engl. Fassung, S. 1133 f: „the point of time, wherein a man becomes subject to a Conquerour, is that point, wherein having liberty to submit to him, he consenteth, either by expresse words, or by other sufficient sign, to be his Subject.“ Vgl. Malcolm, Introduction, S. 100. Vgl. Hobbes, Considerations, S. 20, 26 f.
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bekannt) und damit nach der Veröffentlichung des „Leviathan“.³⁴ Mit der Betonung des Prozesscharakters mahnt Sommerville die historische Forschung davor, den aus heutiger Sicht bekannten Ausgang des Konfliktes als für die Zeitgenossen von 1650/51 gesetzten Fakt zu sehen. Zwar hatte Cromwell als starker Heerführer sein militärisches Geschick bewiesen, dennoch ist der Ausgang einer bewaffneten Auseinandersetzung im Vorfeld nie mit Gewissheit zu sagen. Zudem ist Hobbes’ Darstellung der Eroberung auch in einem anderen Kontext zu betrachten: Der Diskussion der Möglichkeit einer „military conquest“ des eigenen Landes durch Karl II., der sich zu diesem Zweck der irischen bzw. schottischen Truppen bedienen wollte. Als Hobbes sich 1649 entschied, die ursprünglich geplante Reihenfolge seines Forschungsprojektes an die Entwicklungen der Zeit anzupassen und den „Leviathan“ vorzuziehen, war Karl II. im Begriff, das Pariser Exil in Richtung Irland zu verlassen. Dass auch Verhandlungen mit dem presbyterianischen Schottland nötig werden würden, war abzusehen. Mit Hilfe einer solchen Armee gegen die eigenen Landsleute – mithin die Schutzbefohlenen Karls II. – zu marschieren, war für viele Royalisten undenkbar.³⁵ Es ging bei der hierdurch ausgelösten Debatte auch um den Wert einer Regierung durch Eroberung im Vergleich zu einer Regierung durch rechtmäßige Einsetzung. Anhand von Hobbes’ soeben skizzierter Stellungnahme wird zunächst deutlich, dass auch eine Eroberung eine legitime Regierung nach sich ziehen kann. Dies kann zum einen auf die Sieger des Bürgerkrieges bezogen werden, zum anderen könnte vor dem Hintergrund des Versuchs einer militärischen Rückeroberung des eigenen Landes aber auch Karl II. der Adressat dieser Äußerung gewesen sein. Das Gleiche gilt für die rechtmäßige Einsetzung, also aus Hobbes’ Sicht den covenant: Einerseits hat das Volk die siegreiche Kriegspartei zur Herrschaft autorisiert, andererseits sah sich Karl II. natürlich in der rechtmäßigen Nachfolge seines ermordeten Vaters. Es können also durchaus Zweifel daran angemeldet werden, ob Hobbes’ Argumentation für die Unterordnung unter einen erfolgreichen Eroberer nur das Rump meinte oder im Falle eines potenziell noch möglichen Sieges Karls II. für ihn gewissermaßen als (Rück‐) Eroberer des eigenen Landes und Herrschaftsrechtes auch auf die Gegner einer solchen Maßnahme im royalistischen Lager zielte.³⁶
Vgl. Sommerville, Lofty science, S. 267. Malcolm, Introduction, S. 95 f. Insbesondere Edward Hyde und seine Anhänger lehnten dieses Unterfangen ab.Vgl. Malcolm, Introduction, S. 30 ff. Dazu passt Hobbes’ Ablehnung des „iure divino“-Arguments und des Episkopats als solches, die mit den Forderungen der schottischen „Covenanters“ korrespondiert, im Gegenzug für eine militärische Unterstützung die Bischofskirche abzuschaffen und durch ein presbyterianisches System zu ersetzen. Auch wenn Hobbes für den Presbyterianismus ebensowenig übrig hatte wie für ein starkes Episkopat, so bestreitet er doch, dass letzteres eine göttliche Ordnung darstellt, die
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Der von Hobbes angesprochene Souverän konnte zwar theoretisch unterschiedliche Formen annehmen, Hobbes lässt jedoch keinen Zweifel an seiner Bevorzugung der Monarchie bzw. der Ein-Mann-Herrschaft. Freilich wurde damit auch Oliver Cromwell als möglicher Adressat des „Leviathan“ gesehen. Und zugegebenermaßen ist Hobbes genug Realist, um die Möglichkeit eines Protektorats bedacht zu haben, zumal er stets die Herrschaft eines starken Mannes der einer Versammlung vorzog. In diesem Sinn muss meiner Ansicht nach unterschieden werden zwischen einer idealistischen und einer real-pragmatischen Vorstellung Hobbes’, die sich bezogen auf die Situation Englands im Interregnum durchaus ambivalent darstellen. Hobbes Vorstellung einer idealen Regierung ist die des durch covenant eingesetzten Monarchen. Die zur Zeit der Publikation des „Leviathan“ andauernde Herrschaft des Rump war Hobbes ein Dorn im Auge, denn sie widersprach seinen grundlegenden Ansichten zu einem funktionierenden Regierungssystem. Besser als das schien dann doch eine mögliche Machtübernahme durch Cromwell in sein Konzept zu passen. Eine Position, für die er von Royalisten wie Robert Filmer viel Kritik einstecken musste.³⁷ Der aktuellen politischen Lage ist hingegen sicher auch sein Zugeständnis geschuldet, dass die Erbfolge nicht zwingend den neuen König bestimmen muss. Wobei gerade dieser Punkt ebenfalls mit Vorsicht zu genießen ist. Er stellt keine generelle Absage an die Idee der Erbmonarchie dar, vielmehr ist sich der Philosoph der realpolitischen Entwicklungen bewusst, die aus Wahlkönigtümern nur
vom König verteidigt werden muss. Einer Einigung mit Schottland sollte nichts im Weg stehen – auch wenn das bedeutete, dass Karl II. gemachte Zugeständnisse nach seiner erfolgreichen Wiedereinsetzung auf den englischen Thron womoglich nicht erfüllen würde. Ein Lippenbekenntnis gegenüber den „Covenanters“ schien für Hobbes kein Problem zu sein, denn die Ordnung der Kirche obliegt dem Souverän allein – was er im Leviathan wiederholt deutlich macht. Damit gehört diese Kompetenz für ihn zu einem Set an zentralen Gewalten, die der Souverän nicht ab- oder aufgeben kann, weil er damit seine eigene Macht spalten und aufgeben würde. Alle dahingehenden Zusagen sind von vornherein nicht bindend. Vgl. Malcolm, Introduction, S. 24 ff., 32 ff. „If his Conquerer be not in the state of Nature, but a Subject by Covenant, how can he get a right of Soveraignty by conquest when neither he himselfe hath right to conquer, nor subjects a liberty to submit? Since a former Contract lawfully made cannot lawfully be broken by them.“ Filmer, Observations, Vorwort. Diese scharfsinnige Beobachtung Filmers ist mit Sicherheit berechtigt. Indem Hobbes die Möglichkeit einer am Ende rechtmäßigen Usurpation der „authority“ beschreibt, bricht er mit den Grundsätzen seines Herrschaftssystems. Dass es aber hier eine Bruchstelle geben musste, war dem Philosophen angesichts der Geschichte vom Aufstieg und Fall von Regierungen und ganz besonders vor dem Hintergrund der jüngsten englischen Geschichte bewusst. In diesem Sinn ist die von Filmer erkannte Unstimmigkeit ein weiteres Indiz für Hobbes’ pragmatische Sicht auf die Lage 1651, aber auch ein Hinweis auf die nicht final entschiedene Frage danach, wer die souveräne Vollmacht im Staat inne hat.
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allzu schnell Erbfolgen und Dynastien entstehen lassen. Auch in Bezug auf Cromwell kann man diese Überlegung gut nachvollziehen, folgt ihm doch nach seinem Tod sein Sohn Richard im Amt des Lord Protektors nach, ein Mann mit zweifelhafter Befähigung und dem Hang zum politischen Misserfolg. Die Äußerungen Hobbes’ zur Leistungsmonarchie bzw. der Herrschaft der am besten Befähigten sind also meiner Meinung nach weniger ein egagierter Versuch, Cromwell einen Weg zum Herrscheramt zu ebnen, als vielmehr ein Zugeständnis an die politische Lage 1651, in der es hieß, zwischen zwei Übeln zu wählen. Aufschlussreich dazu ist auch Hobbes’ nachträgliche Rechtfertigung in den „Considerations“, in denen er sich gegen den Vorwurf wehrt, explizit für Cromwell geschrieben zu haben. Dies sei unter Berücksichtigung der zeitlichen Abfolge der Ereignisse, also der Veröffentlichung des „Leviathan“ 1651 und der Machtübernahme Cromwells 1653, gar nicht möglich gewesen.³⁸ Zwar sind die „Considerations“ eine Quelle, in der sich Hobbes nach der Restauration versucht zu verteidigen, und daher mit Vorsicht zu interpretieren, aber in diesem Fall der zeitlichen Verläufe ist Hobbes’ Argumentation nachvollziehbar. Gerade vor dem Hintergrund der möglichen Unterordnung unter ein als usurpatorisch angesehenes Regime störten sich viele Royalisten an Hobbes’ Äußerungen über die Zusammenhänge von Herrschaft und Gefolgschaft aufgrund von Erwägungen zum Schutz des eigenen Lebens. Die Sicherung der körperlichen Unversehrtheit sei Hobbes zufolge stets das oberste Anliegen jedes Menschen, was eine Unterordnung unter die Macht, die diesen Schutz am Besten gewährleisten kann, vernünftig macht. Diese Gedankenführung brachte Hobbes wie bereits erwähnt in enge Verbindung zu den „de factoists“³⁹ und erinnert überaus stark an die Verteidigung des Engagement, das seit Oktober 1649 zunächst von Männern in bestimmten Positionen (Offizielle, Schulmeister, Geistliche) gefordert wurde und ab Januar 1650 von allen erwachsenen Männern als Treueid auf das Rump bzw. als
„he [Hobbes] wrote and published his Leviathan, far from the intention either of disadvantage to His Majesty, or to flatter Oliver (who was not made Protector till three or four yeares after)“ Hobbes, Considerations, S. 8. Und ferner: „That he writ his Leviathan in defence of Oliver’s Title, he will say, that you in your own conscience know it is false.What was Oliver when that Book came forth? It was in 1650. And Mr. Hobbes returned before 1651. Oliver was then but General under your Masters of the Parliament, nor had yet cheated them of their usurped Power: For that was not done till two or three yeares after, in 1653. Which neither he nor you could foresee“ Ebd., S. 19. Sowohl Ascham in seinem 1648 erschienenem „Discourse“ als auch Nedham in „The Case of the Commonwealth, Stated“ gehen zur Ableitung des Zusammenhangs zwischen Schutz und Gehorsam auf Hugo Grotius ein.Vgl. Ascham, Anthony, A discourse, wherein is examined, what is particularly lawfull during the confusions and revolutions of government, or, How farre a man may lawfully conforme to the powers and commands … likewise, whether the nature of warre be inconsistent with the nature of the Christian religion?, London 1648. Malcolm, Introduction, S. 70.
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Akzeptanz einer Regierung ohne König und Oberhaus geleistet werden musste.⁴⁰ Es bleibt aber festzustellen, dass Äußerungen zum Zusammenhang zwischen Schutz und Gehorsam bereits früher in den Quellen präsent sind, so z. B. auch in einer Rede Edward Hydes von 1641.⁴¹ Eine der frühesten Verteidigungen der de facto-Regierung des Rump war John Durys „A Case of Conscience Resolved“ vom März 1649. Dury argumentierte für die Erhaltung des Friedens um jeden Preis und bezog sich unter anderem auch auf Calvin, um einen passiven Gehorsam zu rechtfertigen, denn Calvin hatte die Pflicht der Bürger, sich nicht in Staatsgeschäfte einzumischen, betont.⁴²
Vgl. Sommerville, Lofty science, S. 263. Skinner, Quentin, Conquest and Consent. Thomas Hobbes and the Engagement Controversy, in: The Interregnum. The Quest for Settlement 1649 – 1660, hg.v. G. E. Aylmer, London 1972, S. 287– 307. Malcolm, Introduction, S. 67. Clarendon, Edward Hyde, Earl of, Mr. Edvvard Hydes speech at a conference betweene both Houses on Tewsday the 6th of July 1641 at the transmission of the severall impeachments against the Lord Chiefe Barron Damport, Mr. Barron Trevor, and Mr. Barron Weston, London 1641, S. 11 f. Vgl. Malcolm, Introduction, S. 68. Aber auch in einem Calvin betreffenden Gerichtsurteil von 1608, vgl. Sommerville, Thomas Hobbes, S. 68 f. Der Zusammenhang zwischen Schutz und Gehorsam ist somit keine neue Erfindung Thomas Hobbes’, sondern fußt im feudalen Denken und wurde bereits zuvor in der Debatte um die Herrschaft in England aufgegriffen, z. B. von John Cary, Viscount Falkland, Robert Austin (um 1593 – 1661) und auch in den „Putney Debates“. Die Autoren der „Answer“, zu denen auch Falkland gehörte, betonten die Kompetenz der „regulated monarchy“, die Gesetze sowie die Freiheit und den Besitz der Untertanen zu schützen. Gewissermaßen im Austausch dafür sollten die Fürsten dem König ihren Respekt zollen und Spaltungen („the ills of division and faction“) meiden; das Volk sollte Furcht und Ehrerbietung („fear and reverence“) haben, was Tumulten, Gewalt und Zügellosigkeit vorbeugen sollte. Vgl. Answer, S. 12. Austin, Robert, Allegiance not impeached, viz. by the Parliament’s taking up of Arms (though against the King’s Personall Commands) for the just Defence of the Kings Person, Crown, and Dignity, the Laws of the Land, Liberties of the Subject, &c., London 1644. Vgl. Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 154. Einen Überblick zur Diskussion der „de facto“-Theorie gibt: Wallace, J. M., The EngagementControversy, 1649 – 1652. An Annoted list of Pamphlets, in: Bulletin of the New York Public Library LXVIII (1964), S. 384– 405.Vgl. Fröhlich, Helgard, England zwischen Anpassung und Widerstand. Ideen und Mentalitäten 1649 – 1653, Comparativ Heft 5 – 6 (1996), S. 233 – 256, hier S. 243 f. Hobbes greift die bereits vorhandenen Argumente auf und macht sie stark; von einer Überbewertung dieser Thematik in Hinblick auf sein Gesamtwerk ist jedoch abzusehen. Vgl. Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 153 ff. Vgl. Dury, John, A Case of Conscience Resolved. Concerning ministers medling with Statematters in their Sermons. And how far they are obliged by the Covenant to interpose in the affaires of Civill Government, London 1649. Dury bezieht sich auf Calvin: Calvin, Johannes, Unterricht in der christlichen Religion. Institutio Christianae Religionis, nach der letzten Ausg. übers. und bearb. von Otto Weber, 3 Bde., Neukirchen 1936 – 38, S. 20, 23, 25, 32. Calvin argumentiert auch angelehnt an Röm. 13, 1. Vgl. dazu: Münkler, Herfried, Politisches Denken in der Zeit der Reformation, in: Pipers Handbuch der politischen Ideen, hg.v. Iring Fetscher, Herfried Münkler, Bd. 2:
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Ein Grund für die Rezeption Hobbes’ als Befürworter des Engagement war wie erwähnt auch die positive Berufung der Engagers auf Hobbes. Denn mit der Hobbesschen Argumentation der freiwilligen, vernünftigen Unterwerfung unter einen Souverän zur Sicherung des eigenen Lebens, die er bereits vor dem „Leviathan“ z. B. in „De Cive“⁴³ äußerte, konnte auch der gegenwärtigen Regierung eine de facto bestehende Legitimationsbasis gewährt werden: die Wiederherstellung von Ordnung und Frieden und der Schutz der Untertanen. Beispiele für eine solche Berufung der Enagers auf Hobbes stellen Anthony Aschams „Of Confusions and Revolutions“ (1649) und Marchamont Nedhams „The Case of the Commonwealth, Stated“ (1650) dar. Sowohl Ascham als auch Nedham rekurrierten jedoch in Anerkennung der generellen Ausrichtung seiner Doktrin dezidiert auf den Royalisten Hobbes, so betonte z. B. Ascham, dass die Vertragstheorie des Philosophen auf die Krone zugeschnitten sei⁴⁴ und Nedham führte in der zweiten Auflage des „Case of the Commonwealth“ neben Salmasius auch Hobbes an, „onely in regard of the great reputation allowed unto those Books by the two Parties, Presbyterian, and Royall“.⁴⁵ Der Bezug auf Hobbes sollte royalistisch eingestellte Leser, die die Usurpation der Macht durch das Rump als illegitim ansahen, von der Sicht der Engagers überzeugen. Die Veröffentlichungsdaten von Aschams und Nedhams Schrift machen jedoch deutlich, dass sich beide Autoren auf früher erschienene Werke Hobbes’ beriefen, die sich noch nicht, wie später der „Leviathan“, eindeutig zur Möglichkeit der legitimen Unterordnung unter ein usurpatorisches Regime äußerten, so zitierte Nedham Teile von Hobbes’ „Elements of Law“.⁴⁶ Über Hobbes’ tatsächliche Haltung zum Engagement wurde auch in der Forschung heftig diskutiert. Quentin Skinner sieht das Zusammentreffen der Standpunkte von den Engagers und Hobbes nicht als zufällig an. Vielmehr be-
Von den Anfängen des Islams bis zur Reformation, München, Zürich 1993, S. 615 – 683. Vgl. Skinner, Visionen, S. 227 f. Vgl. Hobbes, De Cive, S. 38, 41. Vgl. auch Sommerville, Lofty science, S. 260. Vgl. Ascham, Anthony, Of the confusions and revolutions of governments wherein is examined how farre a man may lawfully conforme to the powers and commands of those who with various successes hold kingdomes divided by civill or forreigne warres […], London 1649. Zu den sogenannten „Engagers“ gehörten neben Anthony Ascham und Marchamont Nedham auch Albertus Warren, Francis Osborne (1593 – 1659), Thomas White (1592/3 – 1676) und John Hall of Durham. Sie propagierten den Vorteil einer Unterwerfung unter das Rump, der in der Friedenswahrung bestehe. Frieden wurde somit als Leistung des Staates begriffen. Vgl. Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 133 ff., 138. Nedham, The Case, 2. Aufl., S. 17. Auszüge aus dem zweiten Teil „De Corpore Politico“, Kapitel 1. Vgl. Malcolm, Introduction, S. 70 f.
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schreibt er den Philosophen als prominentesten Verfechter des Engagement. Er sei mit seinem „Leviathan“ aktiv für die Unterwerfung unter das Rump eingetreten.⁴⁷ An dieser Forschungsmeinung kam schnell Kritik auf. Die „de facto“-Theorie solle im Bezug auf das Gesamtwerk Hobbes’ nicht überbewertet werden, so unter anderem Lotte Mulligan, Judith Richard und John Graham sowie Hans-Dieter Metzger.⁴⁸ Deborah Baumgold erinnert ebenfalls daran, dass der Vortrag der „de facto“-Theorie kein Novum des „Leviathan“ ist, das aufgrund der Legitimationskrise des Rump hervorgebracht wurde, wie Skinner behauptet.⁴⁹ Stattdessen begegnet sie bei Hobbes bereits in den „Elements“ und kann deshalb nicht ausschließlich auf die spezifische Gemengelage 1650/51 zugeschnitten gewesen sein.⁵⁰ Diese Kritik mag zwar für die Darstellung der allgemeinen Zusammenhänge zwischen Schutz und Gehorsam in Hobbes’ früheren Werken richtig sein, in seinem „Leviathan“ begegnet diese Argumentation aber auf einem ganz anderen Niveau, denn unter Berücksichtigung des einzigen Existenzgrundes eines jeden Staates – der Sicherstellung des Gemeinwohls des Volkes bzw. des Schutzes der Untertanen – bietet Hobbes hier auch eine Rechtfertigung von Regierungen, die durch militärische Eroberung installiert worden sind. Vor dem zeitgenössischen Hintergrund musste eine solche Aussage auf das Rump zielen, worin sich einmal mehr Hobbes’ politischer Pragmatismus zeigt, denn der Philosoph sprach sich wiederholt gegen eine parlamentarische Herrschaft aus. Zu bedenken bleibt auch, dass die Engagers keine homogene Gruppe von Hobbes-Anhängern waren, wie Skinner dies konstatiert – das Gegenteil war der Fall. Hobbes’ Ideen wurden zwar in einigen Punkten übernommen, doch insbesondere bei Anthony Ascham ist eine Mischung aus Anerkennung und Kritik an Hobbes deutlich spürbar. Wie anhand der Umdeutung zentraler Hobbesscher Argumente durch Autoren der Engagers deutlich wird, belegt ein textlicher Bezug nicht unmittelbar eine gleiche inhaltliche Ausrichtung oder Intention beim Abfassen eines Traktats. In diesem Sinne betont auch Metzger, dass Hobbes’ Philosophie insbesondere von den Engagers nur partiell und aus distinkten Kontexten herausgerissen rezipiert wurde.⁵¹ Ein wesentlicher Unterschied tritt z. B. auf zwischen der auf den ersten Blick identisch scheinenden Argumentation für die Unterordnung unter einen Herr-
Vgl. Skinner, Conquest and Consent. Ders., Visionen, S. 226. Vgl. Mulligan, Lotte, Richard, Judith, Graham, John, Intentions and Conventions: A Critique of Quentin Skinner’s Method for the Study of the History of Ideas, Political Studies XXVII (1985), S. 84– 98, hier S. 94. Vgl. Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 153 ff. Vgl. Baumgold, Deborah, Hobbes’s political theory, Cambridge 1988, S. 17 ff. Vgl. Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 133 f. Vgl. ebd., S. 146.
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scher bei Nedham und Hobbes. Marchamont Nedham lehnte die Idee des Herrschaftsvertrages generell ab und favorisierte stattdessen die Gewalt eines Herrschers in Form von militärischer Überlegenheit. Das Schwert schafft bei ihm den Titel des Herrschers und installiert ihn „with a new Majesty of Empire, abolishing the old“.⁵² Zwar führt Nedham in einem Anhang zur Bestätigung seiner Argumentation einen Auszug aus Hobbes’ „De Corpore Politico“ an und versucht durch dieses Beispiel die Royalisten zur Kooperation bzw. Unterwerfung unter das Rump anzuleiten.⁵³ Der Unterschied zwischen seiner Argumentation und der später im „Leviathan“ ausgearbeiteten Argumentation Hobbes’ ist aber gravierend: Nicht die militärische Überlegenheit gibt Hobbes’ zufolge das Recht zur Herrschaft, sondern der Konsens aller Untertanen, wobei Hobbes zwischen einer ausdrücklichen und einer stillschweigenden Zustimung unterscheidet.⁵⁴ Oder auf den Punkt gebracht: Nicht imperium gibt den Ausschlag, sondern „authority“ im Sinne der Bevollmächtigung zum Handeln. Zwar räumt Hobbes wie erwähnt ein, dass auch die Usurpation von Macht zu einer legitimen Herrschaft werden kann, dies stellt aber gewissermaßen nur eine Variante der Herrschaftserlangung dar, der Raum zu geben Hobbes angesichts der politischen Entwicklungen seit 1649 gezwungen war. Ohne die Berücksichtigung dieses Szenarios hätte seine Theorie sicher viel von ihrer Überzeugungskraft und Allgemeingültigkeit verloren. Dass Hobbes einen solchen Ausnahmezustand nicht als Regelfall betrachtet hat, ist aber meiner Meinung nach an seiner strukturierten Herleitung der „authority“ zu erkennen – die Herrschaft des Souveräns gründet sich in der Regel auf sein durch den covenant sich ergebendes Recht zum staatsumfassenden Handeln, nicht auf die durch militärische Stärke errungene de facto-Position eines Machthabers. Mit der prominenten Instrumentalisierung des covenants erreichte Hobbes indessen mehrere Dinge: Indem er das Volk als Entscheidungsträger an der Basis beschreibt, wird seine Theorie vom Allem übergeordneten Staat erstens leichter vermittelbar, da sich jeder in der Position eines Urhebers selbst wiederfinden kann. Hobbes schließt sich ja durchaus selbst in diese Masse aus Untertanen ein. Er spricht nicht all seinen Mitbürgern die Vernunft ab, sondern beglückwünscht sie – sofern sie seine Doktrin akzeptieren – zu ihrer vernünftigen Entscheidung. Damit nimmt Hobbes einen Grundgedanken des englischen Selbstverständnisses auf, nämlich die mit dem „gotischen Mythos“ beschriebene Partizipation des Volkes an der Herrschaftsgewalt. Bereits vor der Zeit der normannischen Invasion habe ursprünglich das Volk das Parlament konstituiert und mit seiner überlege Nedham, The Case, S. 23. Nedham führt eine Passage aus „De Corpore Politico“ an, einem Teilstück der „Elements of Law“. Vgl. Malcolm, Introduction, S. 71. Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 1135.
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nen Gewalt ausgestattet. Dass die Genese des Parlaments gänzlich anders verlaufen war, wurde mit Hilfe dieses Mythos erfolgreich verdeckt. Der Rekurs darauf, der einzig wahre Repräsentant des Volkes zu sein, diente der parlamentarischen Elite zur Begründung ihrer Legitimität gegenüber der Krone und half auch bei der Beanspruchung umfassenderer Kompetenzen.⁵⁵ Einerseits schließt Hobbes das Volk nach dem Vorbild der angelsächsischen Frühzeit nicht aus, sondern weist ihm erneut einen einflussreichen Platz an der Basis der Staatswerdung zu: Die Übertragung ihrer individuellen „authority“ ruft den Staat ins Leben. Dass sich damit nicht auch Privilegien oder eine direkte Einflussnahme der Bürger auf die Politik ergeben, macht Hobbes andererseits dennoch deutlich. Dem Anspruch des Parlaments und insbesondere der Commons, als Vertreter des Volkes zu handeln und daraus ihre Legitimationsquelle zu beziehen, erteilt Hobbes eine deutliche Absage.⁵⁶ Eine generelle Forderung der Untertanen, in demokratischem Sinn von Repräsentanten vertreten zu werden, gab es im England dieser Zeit nicht. Eine Ausnahme bildet die Gruppe der Leveller, angeführt von John Lilburne, die besonders im ersten Entwurf ihres „Agreement of the People“ und in den darauf basierenden Putney Debates im Herbst des Jahres 1647 durchaus demokratische Einstellungen vertraten (siehe auch Kapitel 4.2.4). Ian Gentles resümiert: „the Levellers really did advocate something very close to universal manhood suffrage“.⁵⁷ Der Mehrheit des englischen Volkes dürfte es jedoch zu dieser Zeit noch relativ gleich gewesen sein, wer seine Repräsentation für sich beanspruchte, da sie ohnehin eine Fiktion darstellte. So gibt Stefano Saracino besonders mit Blick auf James Harrington zu bedenken, dass der englische Republikanismus des Interregnums nicht an dem modernen Wert der Teilhabe der Bürger am politischen Willensbildungsprozess gemessen werden kann. Vielmehr seien in vormodernen Republiken und in der Partizipationskultur des frühneuzeitlichen Republikanismus oligarische Partizipationsformen vorherrschend gewesen. Dem Volk wurde vor allem durch symbolische Partizipationsrituale politische Teilhabe sugge Vgl. Stollberg-Rillinger, Vormünder des Volkes?, S. 131. Pocock, Ancient Constitution. Smith, R.J., The Gothic Bequest. Medieval Institutions in British Thought, 1688 – 1863, Cambridge 1987. Comstock Weston, Corinne, England: Ancient Constitution and Common Law, in: J.H. Burns (Hg.), The Cambridge History of Political Thought 1450 – 1700, Cambridge 1991, S. 374– 411. Stollberg-Rillinger weist aber auch für den Beginn des 18. Jahrhunderts noch darauf hin, dass das Repräsentationsverständnis der politischen Parteien in England pragmatisch an dem ausgerichtet war, was politisch opportun schien (sowohl Torys als auch Whigs). Das schließt sowohl die Ausdehnung als auch die Einschränkung demokratischer Partizipation ein, z. B. was das Wahlrecht betraf, das korporativ war und noch weit davon entfernt, ein individuelles Wahlrecht zu sein. Vgl. Stollberg-Rillinger, Vormünder des Volkes?, S. 132 ff. Vgl. Gentles, The Agreements of the people, S. 156.
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riert.⁵⁸ So verwundert es auch nicht, dass Verteidiger des Rump wie Anthony Ascham und Marchamont Nedham dem Volk kaum reale Entscheidungs- oder Mitbestimmungsrechte einräumten. Ganz im Gegenteil argumentierte Ascham, dass es dem Volk gleich sein kann, unter welcher Regierung es lebt, solange diese nur seinen Schutz sicherstellen kann. Auch der (wie Ascham einräumt ungerechten) Regierung des Rump musste aufgrund solcher Notwendigkeitsüberlegungen Folge geleistet werden (vgl. Kapitel 4.2.7). In diesem Sinn hatte auch Cromwell die Leveller davor gewarnt, dass ihre Vision einer umfassenden Volkssouveränität ihrer Zeit gewissermaßen voraus ist: „wether […] the people of this Nation are prepared to receive and to goe on alonge with itt.“⁵⁹ Gemeinhin hatten die Vertreter des Parlaments bei der Behauptung der Repräsentation des Volkes einen argumentativen Vorteil. Diesen räumt Hobbes zugunsten der Ein-MannHerrschaft mit Hilfe der Negierung des Mündelkonzepts aus: Der Souverän herrscht nicht mehr über eine Masse an Menschen, die wenig vernunftbegabt und ohne Führung kopflos ist, sondern Bürger entscheiden sich bewusst und aufgrund der Reflektion ihrer Situation für die Unterordnung unter einen Souverän, der fortan ihr alleiniger Repräsentant ist, nicht mehr aber das Parlament. In dieser Hinsicht greift Hobbes die Argumentation Hollingworths auf, der von einem „agreement“ zwischen Volk und Herrscher geschrieben hatte und die Entstehung einer rechtmäßigen Regierung auf dem „call“ des Volkes aufbaute (vgl. Kapitel 4.2.7). Die häufig unüberlegte Verbindung zwischen einer Monarchie und der Unterdrückung des Volkes bzw. zwischen einer Republik und der Freiheit und Partizipation des Volkes muss anhand dieser Beispiele neu überdacht werden. Denn Royalisten und Absolutisten wie Hobbes und Hollingworth messen dem Volk einen deutlich höheren, politischen Wert bei, als die Republikaner Ascham und Nedham, bei denen das Volk einfach fraglos folgen sollte. Mit dem Anführen eines (wie auch immer gearteten) Vertrages zwischen Herrscher und Volk hatte sich Hobbes in den Augen seiner Zeitgenossen aber auch in direkte Verbindung mit dem weitestgehend antiroyalistischen, politischen Lager gebracht, das zuvor den Herrschaftsvertrag für sich beanspruchte. Zwar gab es auch einige wenige Ausnahmen, die den Herrschaftsvertrag für eine promonarchische Argumentation nutzten, zu nennen sind z. B. Dudley Digges,⁶⁰ der
Vgl. Saracino, Republikanische Träume, S. 111. Puritanism and Liberty, S. 8. Mit der Hobbesschen Prägung des covenant, also der Übertragung aller Vollmachten auf den Souverän und allen Folgen daraus, verbindet sich auch die Absage an die Auffassung, dass der Souverän an die Gesetze des Landes gebunden ist, wie sie auch bei Roger Maynwaring (1589/90 – 1653) und Dudley Digges zu finden ist. Gleichsam verhält es sich mit der Ablehnung eines Be-
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gegen Henry Parker Stellung bezog und in dessen Abhandlung Andreas Pečar zu Recht viele Parallelen zu Hobbes sieht⁶¹ und in rudimentärer Ausführung auch Richard Hollingworth. Generell zielte das Argument eines Vertrags zwischen König und Volk aber eher auf die Limitierung der königlichen Rechte.⁶² Denn da das Staatsoberhaupt all seine Befugnisse vom Volk erhielt, im Volk also die eigentliche Quelle der Souveränität zu verorten sei, war der Herrscher ihm auch jederzeit Rechenschaft schuldig. Übertrat der König die ihm auferlegten Begrenzungen,
sitzrechtes der Untertanen, das auch gegen den Souverän behauptet werden kann. Siehe: Digges, Unlawfulnesse. Vgl. Sommerville, Lofty science, S. 251, 257. Pečar, Ursprungslegenden, S. 26. Hier ist v. a. die Beschreibung des Naturzustandes zu nennen, in dem alle gleichberechtigt sind und das gleiche Recht auf alles haben. Das heißt aber auch, dass dies Konflikte mit sich bringt. Analog zu Hobbes beschreibt Digges einen kriegsähnlichen Naturzustand, in dem die größere Kraft bzw. Stärke („force“) entscheidet. Vgl. Digges, Unlawfulnesse, S. 4. Auch der Moment des Vertragsschlusses erinnert sehr an Hobbes’ Formulierung desselben: „Thus also by transferring every particular mans power into the hands of one, is not meant a reall laying down and naturall translation of their strength, […] but a consent and mutuall obligation (as of all to one […] or some Nobles […] so of every one to each other) of not using their naturall power, but only as Law shall require“ (Ebd., S. 5).Später nutzt Digges auch den Terminus des covenant, um diesen Vertragsschluss zu bezeichnen. Auch der Zweck einer so geschaffenen Regierung ist klar und liegt, wie auch bei Hobbes, im Schutz des Lebens jedes Einzelnen, wobei „the preservation of themselves“ das „prime dictate of nature“ ist (Ebd., S. 4). Stärker als bei Hobbes arbeitet Digges jedoch den Paternalismus heraus. Zu einer detaillierteren Untersuchung von Digges siehe auch Kapitel 4.2.3. Insbesondere bei den Commons war die Argumentation mit der Vertragstheorie beliebt, etwa im Fall der Steuererhebung, die der König bekanntermaßen nicht ohne die Bewilligung des Parlaments veranlassen konnte. Grundlage für die Annahme eines Vertrages zwischen Monarch und Volk war der Krönungseid. (In diesem Sinne beschrieb Henry Burton 1636 den „solemne and sacred Covenant“ zwischen Karl I. und dem schottischen Volk, zum Zweck, die „just rights and liberties“ der Schotten zu gewährleisten. Zugleich nahm er diesen Herrschaftsvertrag als Basis für die Rechtfertigung des Aufstandes der Schotten gegen Karl I. – die angestammten Rechte und Freiheiten der Schotten mussten verteidigt werden, so die simple Begründung. Vgl. Sommerville, Lofty science, S. 253.) Betreffend die Praxis der Steuererhebung bezog Hobbes eindeutig Stellung; allen Untertanen, die sich über erhobene und zum Teil zu hohe Steuern und Abgaben beschweren, erteilt Hobbes eine klare Absage. Dieses Geld sei unbedingt notwendig, um die Finanzierung des Staatsapparates sicherzustellen. Zwar räumt Hobbes gleichmütig ein, dass auch Missbrauch mit den Geldern betrieben wird, wenn der König sie etwa einsetzt, um seine Favoriten und seine Familie zu begünstigen. Tatsächlich sei dies aber das kleinere Übel, da in einer Demokratie viel mehr Menschen versuchen würden, sich selbst und die Ihrigen zu bereichern. Dies ist Hobbes zufolge zwar ein berechtigter Anlass zur Klage, zugleich jedoch auch eine unvermeidbare Notwendigkeit. Vgl. Hobbes, De Cive, S. 66 f.
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verlor er damit den Anspruch auf Loyalität und Gefolgschaft. Auch ein bewaffneter Aufstand wurde mit dieser Argumentation legitimiert.⁶³ Dass der covenant bei Hobbes ein völlig anderes Gepräge hat, schien royalistischen Kritikern wie Bramhall, Wallis und Hyde⁶⁴ zunächst egal. Tatsächlich war Hobbes nicht daran gelegen, die Ansprüche, die vor allem das Unterhaus vor Ausbruch und im Verlauf des Bürgerkrieges formuliert hatte, zu unterstützen. Er verankert zwar den Ursprung der Herrschaft im Volk und den vor Einsetzung des Staates jedem Menschen gegebenen Selbstherrschaftsrechten. Im Augenblick des Vertragsschlusses gibt der nunmehr zum Untertan gewordene Mensch dieses Recht auf Selbstherrschaft jedoch auf und überträgt es auf die künstliche Person des Souveräns. Dieser Vorgang ist irreversibel und allumfassend – und ein wesentlicher Unterschied zwischen Hobbes’ Idee vom Herrschaftsvertrag und der des parlamentarischen Lagers: Einem einmal durch den covenant eingesetzten Souverän kann seine Stellung nicht rechtmäßig wieder aberkannt werden.⁶⁵ Indem Hobbes mit der Betonung des Herrschaftsvertrages eine Verbindung schafft zum königskritischen bzw. monarchiefeindlichen Lager, durch die Transformation der hier genutzten Argumente aber auch jeden Anspruch auf Opposition gegen eine einmal eingesetzte Regierung ausschaltet, übt er zwar einen Schlag gegen die eigentlichen Verfechter des Herrschaftsvertrages aus.⁶⁶ Zugleich bringt er aber auch viele Royalisten gegen sich auf, die per se nichts von Herrschaftsverträgen hielten, die ja als Argument stets von der Gegenseite instrumentalisiert worden waren. Als Beispiel dient hier Robert Filmers Kommentar von 1652: „It may seem strange that I should praise his building, and yet mislike his foundation; but so it is.“⁶⁷ Vielen Anhängern der Monarchie erschien der „Leviathan“ im zeitlichen Horizont von 1651 als Werbung zur Unterordnung unter ein ihrer Meinung nach rechtswidriges, usurpatorisches und willkürliches Regime – das nach der Abschaffung des House of Lords und Pride’s Purge verbliebene Rumpfparlament.⁶⁸ In
Vgl. Parker, Observations. Dazu: Skinner, Visions, S. 205 ff. Vgl. Pečar, Ursprungslegenden, S. 25. „Wherefore no subjects how many soever they be, can with any Right desploye him who bears the chiefe Rule.“ Hobbes, De Cive, S. 47. Vgl. Pečar, Ursprungslegenden, S. 28. Filmer, Observations, Vorwort. Filmer geht damit zwar einerseits darauf ein, dass er die absolute Souveränität, wie sie von Hobbes dargelegt wurde, begrüßt. Dem Herrschaftsvertrag bzw. covenant als Grundlage der Entstehung von Staat und Souverän kann er hingegen nichts abgewinnen. Act Abolishing the House of Peers, 19. März 1649, in: Acts and Ordinances of the Interregnum, 1642– 1660, hg.v. C. H. Firth andR. S. Rait, London 1911, S. 24. Vgl. u. a. Hutton, British Republic, S. 4 ff., 11.
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diesem Sinn nennt Sommerville Hobbes’ Vertragstheorie „a feature in Hobbes’s theory that has perplexed a number of commentators“.⁶⁹ Die anhand der Vertragsthematik nachweisbare, rhetorische Strategie der Transformation von gegen die Monarchie gerichteten Argumenten und ihrer somit herbeigeführten Entkräftung mag Hobbes in einigen Fällen in die Predouille gebracht haben, von anderen Royalisten missverstanden worden zu sein. In der historischen Forschung wird an diesem Knackpunkt immer wieder von einer Ambivalenz in Hobbes’ Argumentation gesprochen,⁷⁰ die zum Teil sogar als seine Hauptintention beschrieben wird, sicherte der „viral charakter“ des „Leviathan“ doch seine Diskussion in unterschiedlichsten Lagern und Zusammenhängen und zwang passive Leser vermeintlich dazu, sich zu verantwortlichen Autoren eines Commonwealth zu wandeln.⁷¹ Es war eine von Hobbes’ rhetorischen Hauptstrategien, Begriffe zu definieren und in Zusammenhänge einzuordnen, die er logisch ableitete und immer wieder gleichförmig wiederholte, wodurch sie sich beim Leser manifestieren sollten. Für Hobbes waren seine Schlussfolgerungen sicher nicht ambivalent, sondern vielmehr zwingend logisch und fundiert begründet. Eine gewisse Ambivalenz einiger seiner Argumente räumt Hobbes zwar in einer an Karl II. gerichteten Vorrede zu den „Problemata physica“ selbst ein.⁷² Dieses nachträgliche Zugeständnis gilt wohl aber vor allem für seine „Review, and Conclusion“, mit der er seine Theorie an die aktuelle politische Gemengelage Anfang der 1650er Jahre anpassen wollte. Verständlicherweise muss er in der Situation der Restauration auf diesen faux pas eingehen.⁷³ Dem Hauptteil seiner
Sommerville, Lofty science, S. 256. Die Ambivalenz in einem Teil seiner Argumente sieht auch Probst als einen Hauptgrund für die feindselige, die politischen Lager übergreifende Rezeption des „Leviathan“ an. Vgl. Probst, Infinity, S. 274 f. Mit dem „viral character“ meint Parkin die schwer zu bewältigende, „richtige“ Interpretation des „Leviathan“, denn je nach persönlicher Positionierung fällt es leicht, das Werk in einer bestimmten Richtung zu deuten. Damit halten Hobbes Positionen Einzug in verschiedene Diskussionsfelder und –situationen, was Parkin zufolge bereits Kernaussagen zur Intention Hobbes’ zulässt: Seine Theorie sollte weitergetragen werden und so den größtmöglichen Einfluss gewinnen. Vgl. Parkin, Reception of Hobbes, S. 443 f. Ein Anliegen, das sich möglicherweise auch Hobbes’ Selbstsicht und –inszenierung als überlegener Gelehrter und Ratgeber schuldet? Hobbes entschuldigte sich nach der Restauration für die unbeabsichtigten Effekte der Veröffentlichung des Leviathan: „Therefore I must humbly beseech your sacred Majesty not to believe so ill of me upon reports, that proceed often, and may do now, from the displeasure which commonly ariseth from difference in opinion; nor to think the worse of me, if snatching up all the weapons to fight against your enemies, I lighted upon one that had a double edge.“ Zitiert nach: Probst, Infinity, S. 275. Zur Bedeutung der nach der Restauration von Hobbes unternommenen Revisionsbemühungen vgl. auch Collins, Allegiance, S. 275 ff. Collins kommt jedoch zu einem gänzlich anderen Er-
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Theorie jedoch die innere Kohärenz abzusprechen, dürfte nicht in seinem Interesse gelegen haben. Dass Hobbes’ Argumente trotz minutiöser Herleitung und seinem Beharren auf ihrer Eindeutigkeit dennoch auf vielfältige Weise verstanden wurden, zeigt sich aber zum Beispiel bei einem unter dem Pseudonym „Eutactus Philodemius“ publizierenden Autoren, der vermeintlich mit Hilfe von Hobbes „De Cive“ das Prinzip der Volkssouveränität nachwies.⁷⁴ Daraus zu schließen, Hobbes sei zum Zeitpunkt der Abfassung von „De Cive“ ein Verfechter der Volkssouveränität gewesen, ist abwegig – denn, so schreibt er später im „Leviathan“, so etwas wie ein Volk existiert erst durch den Staat, der mit dem covenant ins Leben gerufen wird. Trotz Vertrages und Übertragung aller „authority“ auf den Souverän bedeutet das nicht, dass das Volk weiterhin über diese Kompetenz verfügen kann, etwa wenn der Souverän nicht im Sinne der Bevölkerung bzw. eines Teils von ihr handelt. Denn zur Zeit des Vertragsschlusses existiert keine gesellschaftliche Einheit, sondern nur der Naturzustand mit im Wettbewerb stehenden Einzelindividuen. Philodemius‘ Fehlinterpretation mag einerseits als Beispiel dafür dienen, dass Hobbes’ Strategie der Nutzung zentraler Argumente seiner Gegner (in diesem Fall der Verfechter der Volkssouveränität) und ihre inhaltliche Neuausrichtung⁷⁵ (z. B. die Vertragstheorie bereffend) zeitgenössisch nicht immer richtig verstanden wurde, wofür z. B. auch die Hobbes-Kritik des Royalisten Robert Filmer ein Beweis ist.⁷⁶ Andererseits zeigt sich hieran aber, dass diese rhetorische Strategie Hobbes’ auch durch die Forschung häufig nicht richtig eingeordnet wurde, was zur Postulierung einer diffusen Ambivalenz in Hobbes’ Argumentation führte. Eine nicht unerhebliche Rolle für die Generierung vielfacher Kritik an Hobbes vor allem unter den Anhängern des Königs spielte die Religion. Hobbes’ Ablehnung des „iure divino“-Arguments, seine Angriffe auf das Episkopat und andere Positionen brachten ihm die Feindschaft vieler Kleriker ein, am prominentesten die von John Bramhall. Zudem gab es, wie Sommerville überzeugend dargestellt
gebnis. Hobbes neue Konformität gegenüber der restaurierten Monarchie sei nur „mechanical“ gewesen; tatsächlich habe er aber die Essenz seiner kirchlich-theologischen Philosophie beibehalten und sei so ein „revolutionary theorist“ geblieben. Vgl. Eutactus Philodemius, The Original and End of Civil Power, London 1649. Zitiert nach: Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 143. Vgl. Zu dieser Strategie Hobbes auch Pečar, Ursprungslegenden, S. 27 f. Übereinstimmungen zwischen Filmer und Hobbes gibt es zahlreiche, vor allem auch was die ungeteilte Herrschaftsgewalt des Souveräns anbelangt. Jedoch wertet Filmer Hobbes’ Vertragstheorie und damit verbunden den Ursprung der Monarchie analog zu dem oben Beschriebenen. Vgl. ebd., S. 3. Auch Filmer sieht bei Hobbes die Volkssouveränität verteidigt, ihm zufolge entscheiden aber nicht die Untertanen über die Herrschaft. Erneut wurde Hobbes’ Umdeutung der Vertragstheorie somit nicht gänzlich erfasst.
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hat, so etwas wie ein geschlossenes königstreues Lager nicht. Vielmehr waren die Anhänger der Stuarts geteilt in Moderate (zu denen u. a. Edward Hyde gehörte) und „Hardliner“ (zu denen Sommerville auch Hobbes zählt) mit jeweils unterschiedlichen Vorstellungen zum politischen Vorgehen Karls II. – auch hier hat sich Hobbes durch seine eindeutigen Stellungnahmen Feinde gemacht.⁷⁷ Die nachträgliche heftige Kritik auch aus dem Umfeld des Königs richtet sich gegen seine Lehre vom Herrschaftsvertrag, häufig aber vor allem gegen Hobbes’ Vorstellungen zu Kirche und Religion, die am Ende für die Rückkehr des Philosophen nach England mit ausschlaggebend waren.⁷⁸ Sommerville hat nachvollziehbar gemacht, wie sich das Verhältnis zwischen Hobbes und den moderaten Royalisten um Edward Hyde während des französischen Exils zusehends verschlechterte. Hobbes vertrat einerseits sehr rigorose Ansichten zum monarchischen Absolutismus, zugleich lehnte er aber andererseits das kirchenpolitische Ansinnen der royalistischen Hardliner ab. Demnach ist Hobbes schwerlich einem bestimmten royalistischen Lager zuzuordnen.⁷⁹ Seine Opposition zu den moderaten Royalisten um Edward Hyde ist aber eine Tatsache und führte zu viel Kritik⁸⁰von dieser Seite und zum (absichtlichen?) Unverständnis seiner Staatstheorie unter Verzicht auf Anerkennung chronologischer Tatsachen – wie Hobbes selbst ja später auch getadelt hat. Auch die Nähe zu den „Factoists“ und den „Engagers“, die wie bereits gezeigt frühere Werke des Royalisten Hobbes nutzten, um ihre Argumenta-
Vgl. Sommerville, Lofty science, S. 265 f.: „Leviathan, we may conclude, is a critique of the thinking of parliamentarians, and also of Hyde and his associates, who stressed the importance of episcopacy in the church and argued for mixed monarchy in the state.“ In diesem Sinn argumentiert auch Metzger, der Edward Hyde als maßgebliche Kraft bei der Konstruktion des Opportunismusvorwurfs gegen Hobbes bewertet. In „A Brief View and Survey“ habe Hyde diesen Vorwurf ausgearbeitet. Auch die (nachträgliche) Klage gegen Hobbes, er habe als Anerkennung der Legitimierung des Rump bzw. der Herrschaft Cromwells einen Posten als Staatssekretär angeboten bekommen, wurde von Zeitgenossen hervorgebracht (unter ihnen John Dowell, John Eachard (um 1637– 1697), John Whitehall und Thomas Tenison (1636 – 1715)). Eine Verteidigung Hobbes’ und Bestätigung, dass es sich beim Verlassen des Exils um eine Zwangshandlung handelte, bietet Christian Huygens (Quelle dafür ist Huygens, Lodewijk, The English Journal 1651– 1652, Leyden 1982, S. 75.) Vgl. Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 89 ff. Vgl. Sommerville, Lofty science, S. 265 ff. Zur zeitgenössischen Rezeption von Hobbes’ Verhältnis zu Cromwell ist z. B. die Satire von Edward Pettit aufschlussreich. Er lässt Hobbes in der Hölle den „Leviathan“ an Cromwell überreichen. Anschließend treten Hobbes, der Republikaner Henry Neville und der Vertreter der „mixed monarchy“ Richard Baxter vor den Richter (betreffenderweise sitzt dem Gericht John Bradshaw vor, der auch das Urteil gegen Karl I. fällte), um herauszufinden, wer der größte Schurke und Volksverführer sei. Pettit, Edward, The Visions of Government, London 1684, S. 90 – 145. Vgl. Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 162.
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tion anderen Königstreuen in England schmackhaft zu machen, gab Hyde und seinen Anhängern ein Argument gegen den Philosophen in die Hand. Dies war umso stärker, da Hyde nach der endgültigen Niederlage Karls II. bei Worcester die führende Stellung am Exilhof eingenommen hatte.⁸¹ Hyde hatte Hobbes nach dem Erscheinen des „Leviathan“ als Feind der Krone anklagt und eine harte Bestrafung gefordert. Daraus zu schließen, dass sich Hobbes’ politische Überzeugungen grundlegend gewandelt hatten, ist aber verfehlt, denn Hydes Diskreditierung des Philosophen⁸² verknüpfte sich mit vielen anderen Motiven.⁸³ Das Hobbes’ Ansatz die Unterordnung unter einen Usurpator ermöglichte, der kraft eines neuen covenants der Untertanen zum Schutz ihres Lebens auch rechtmäßig das Amt des Souveräns innehaben konnte, erscheint zunächst ein Gesinnungswechsel Hobbes’ zu sein – eine Abkehr von Karl II. und eine Unterwerfung unter das neue Regime des Rump (und später des Protektorats) – ja, sogar eine Hilfestellung zu seiner Legitimation. Doch gerade an dieser Stelle ist Hobbes’ Theorie doch geradezu bemerkenswert offen und realitätsnah; er weiß, dass keine Regierung ewig währt. Dieselben Mechanismen, die ihn in der Situation von 1651 zurUnterordnung unter das Rump veranlassen, würden jedoch auch im Falle einer Restauration der Monarchie greifen.
In diesem Sinne sehen viele Historiker die Rückkehr aus dem französischen Exil als erzwungenen Schritt aufgrund des wachsenden Einflusses Edward Hydes am Hof Karls II. sowie einer Intrige Hydes gegen Hobbes an. Vgl. u. a. Dzelzainis, Martin, Edward Hyde and Thomas Hobbes’s Elements of Law, Natural and Politic, in: The Historical Journal 32 (1989), S. 303 – 317. Vgl. Clarendon, Edward Hyde, Earl of, A Brief View and Survey of the Dangerous and pernicious Errors to Church and State, In Mr Hobbes’s Book Entitled Leviathan, Oxford 1676, S. 8. Neben unterschiedlichen Auffassungen über politische Themen und den sich daraus ergebenden Ratschlägen für Handlungen Karls II. ist besonders Hobbes’ Diskreditierung der Stellung der Bischöfe Hyde ein Dorn im Auge.Dass Hyde bei der Verbannung vom Hof Karls II. die Finger im Spiel hatte, zeigt seine Korrespondenz mit Edward Nicholas (1593 – 1669), der ihn Anfang 1652 fragt, ob er einen Anteil daran hatte. Hydes Antwort lautet: „I had indeede some hand in the discountenancing my old freind M.r Hobbs“. Bodl., MS Clarendon, 42, fo. 316 v (17./27. Januar 1652). Vgl. Malcolm, Introduction, S. 77 ff., 99.
6 Ausblick – „authority“ im Sprachgebrauch nach 1651 Bislang konnte Hobbes’ Verbundenheit zum traditionell-monarchischen Verständnis von „authority“ herausgearbeitet werden. Um die Relevanz des Begriffes und der mit ihm verbundenen Konnotationen bzw. seine Instrumentalisierung innerhalb der zeitgenössischen, politischen Debatte festzustellen, darf eine Betrachtung der Reaktionen auf das „authority“-Konzept des „Leviathan“ bzw. generell des Sprachgebrauchs von „authority“ nach 1651 nicht fehlen. Auch die Bewertung von Hobbes als Gegenpart zu den „neo-roman authors“ soll anhand des Begriffes der „authority“ für die Zeit nach der Veröffentlichung des „Leviathan“ überprüft werden. Aufgrund des begrenzten Gesamtumfangs der Arbeit kann die Analyse der Quellen für den Zeitraum nach dem „Leviathan“ nicht dasselbe Ausmaß annehmen, wie die der Quellen vor 1651. Dieses Kapitel soll daher nur Schlaglichter auf die „authority“-Rezeption werfen und ist als Anregung und Ausblick für weitere Überlegungen zum Thema gedacht.
6.1 Reaktionen auf Hobbes’ „authority“-Konzept Als eines der zentralen Themen des Hobbesschen „authority“-Konzeptes wurde der Diskurs um die „legal sovereignty“ herausgearbeitet – „authority“ ist laut Hobbes’ Definition das Recht auf Handlung.¹ Einen Reflex findet dieser Gedanke im „Commonplace Book“ Sir Samuel Tukes (1615 – 1674) aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Das Buch enthält „Collections out of Mr Hobbs Leviathan“, also Notizen, die sich Tuke offenbar während der Lektüre machte.² Unter anderem schreibt er: „For the Legislator is he by whose authority they continue to bee Laws.“³ Der Gesetzgeber hat also allein die Vollmacht, Gesetzen Gültigkeit zu verschaffen oder anders gesagt: Er hat die „legal auhority“ inne. An anderer Stelle bezieht sich Tuke auf die „lawful authority“ des Souveräns. Er greift somit zwei Hauptgedanken Hobbes’ auf. Zum einen die Rechtmäßigkeit des Souveräns, wie
Vgl. Hobbes, Leviathan, engl. Fassung, S. 245. Viele der Notizen übernehmen wörtlich Passagen aus dem Leviathan, z.T. mit gezielten Seitenangaben. Tuke, Sir Samuel, Commonplace book of Sir Samuel Tuke, 1st Bart., chiefly on historical, theological and philosophical subjects. Mostly French, but with some notes in English, including ‘Collections out of Mr Hobbs Leviathan. BL Evelyn Papers, Bd. CCLVI. Bl. 45 – 53, Add MS 78423, hier Bl. 51. https://doi.org/10.1515/9783110659498-008
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6 Ausblick – „authority“ im Sprachgebrauch nach 1651
sie durch den covenant entsteht; zum anderen seine Kompetenz der alleinigen Legislative. Da Tuke seinen Aufzeichnungen keine kritischen Kommentare beigefügt hat, kann man davon ausgehen, dass er diese politischen Ansichten Hobbes teilte oder sie zumindest als besonders bedeutend hervorheben wollte, was angesichts seines biografischen Hintergrunds naheliegt. Samuel Tuke war Offizier in der royalistischen Armee und verharrte zusammen mit Karl II. im französischen Exil, wo Königin Henrietta Maria (1609 – 1669) ihn protegierte. Wie Tuke zu Hobbes’ kirchlichen Ansichten stand, ist aufgrund der Tatsache seiner 1659 erfolgten Konversion zum Katholizismus sicher eine andere Frage.⁴ Ein weiterer Autor, der sich in positivem Sinn auf Hobbes’ „authority“-Konzept bezieht, ist Robert Filmer (siehe Kapitel 4.2). Bezogen auf „authority“ bedient sich Filmer an einem an traditionellen Deutungsmustern angelehnten Verständnis der „regal authority“, wie sie z. B. aus den „Royal Proclamations“ bekannt ist. Dass sich die Positionen Hobbes’ und Filmers in einigen Punkten nicht unähnlich sind, z. B. das Verständnis der umfassenden Vollmacht des Souveräns betreffend, verdankt sich bei Filmer eindeutig seiner royalistischen Gesinnung, wie sie etwa in seiner „Patriarcha“ begegnet, die zwar erst lange nach der Restauration veröffentlicht wurde, jedoch bereits in den 1630er Jahren verfasst worden ist.⁵ Zwar gibt es zwischen beiden Autoren auch Unterschiede, etwa den Herrschaftsvertrag und die Rolle Gottes bei der Legitimierung des Herrschers betreffend, dennoch zeigte sich Filmer in seinen 1652 veröffentlichten „Observations concerning the Originall of government“ zufrieden mit Hobbes: Niemand habe zuvor die Rechte der Souveränität so umfassend und vernünftig dargelegt wie er.⁶ Eine weitere Quelle, die sich dezidiert mit der „authority“ der neuen Machthaber auseinandersetzt, ist Clement Walkers († 1651) Schrift „The high court of Justice. Or Cromwells new slaughter house“, die im selben Jahr erschien wie der „Leviathan“ und der dritte Teil von Walkers Hauptwerk „History of Independency“ ist (unter seinem Pseudonym „Theodorus Verax“ erschienen). Walker kritisiert das Parlament scharf, insbesondere das Einberufen des High Court of Justice, des Gerichtes also, das den König zum Tode verurteilt hatte.⁷ Nach der Säuberung desselben sei lediglich der Bodensatz und Abschaum („Dregs and
Vgl. Firth, C. H., Sir Samuel Tuke, überarb. v. A.J. Hopper, ODNB, https://doi.org/10.1093/ref: odnb/27807. Vgl. Filmer, Patriarcha, S. 54 ff. Vgl. Ders., Observations, Vorwort. Walker, Clement, The high court of justice. Or Cromwells new slaughter house in England with the authority that constituted and ordained it. Arraigned, convicted, and condemned. For usurpation, treason, tyranny, theft and murder. Being the III. Part of the Historie of Independency, written by the same author, London 1651, S. 6.
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Lees“⁸) an Parlamentsmitgliedern übrig geblieben. Dieser Rest maßt sich nun aufgrund der Prämisse, dass alle souveräne Macht beim Volk liegt und das Rump sein einziger Repräsentant ist, die „Supreme Authority“ an. Tatsächlich schmieden sie jedoch im Verborgenen das eiserne Joch einer Militäroligarchie, verdankte sich das Rump in seiner derzeitigen Konstellation und Machtstellung doch eindeutig Fairfax und Cromwell.⁹ Walker war ein entschiedener Gegner des Rump; ihm waren die politischen Entwicklungen der vergangenen Jahre ein Gräuel. Auch das Engagement lehnte er vehement ab. Der von Nedham beschriebene Zusammenhang zwischen Schutz und Gehorsam wird als außerhalb aller Gesetze und Präzedenzfälle liegend verworfen.¹⁰ Analog zu der Schlüsselfrage Karls I. an den High Court of Justice während seines Prozesses widmet sich auch Walker der Frage „By what Persons and Authority this New erected, unpresidented Court is constituted?“¹¹ Die Verantwortlichen sind ihm zufolge die Vertreter des Rump, wobei der Autor immer wieder den illegitimen Ursprung und Charakter dieses parlamentarischen Rudiments betont. Die hier verbliebenen Mitglieder „usurpe[d] to themselves (with out any calling from God, or the People) more than a Regall, Legall or Parliamentary Authority, wherewith they have subverted the Fundamentall Government, Religion, Lawes, Liberties and Property of the Nation, and envassallised & enslaved them to their Arbitrary Domination, The Authority by which they erect this extrajudiciall Court is, The usurped, Legislative power“.¹² Mit der widerrechtlichen Beanspruchung der Gewalt, Gesetze zu erlassen, wird hier der Gehalt der „authority“ des Rump beschrieben. In Walkers Unterscheidung zwischen königlicher, gesetzlicher und parlamentarischer Vollmacht spiegelt sich die Durchsetzung des gewandelten Verständnisses der Stände und ihrer Verantwortung seit Beginn der 1640er Jahre. Auch beim Royalisten Clement Walker wird anderen Kräften im Staat politische Einflussnahme via eigener „authority“ gewährt. Der Schlüssel liegt also nicht mehr in der Absolutheit der königlichen Vollmacht, sondern im Zusammenspiel von (in dieser Deutung) König, Gerichten und Parlament. Damit weicht Walker stark von dem ab, was Hobbes zur Vollmacht des Souveräns schreibt; es ist aufgrund des Erscheinens beider Werke im gleichen Jahr auch fraglich, ob Walker Kenntnis vom „Leviathan“ gehabt hat bzw. in wie fern Hobbes’ Werk Einfluss auf Walkers Schrift gehabt hat. Aber deutlich wird doch der Stellenwert der Argumentation mit „authority“ auch in einer royalistischen Quelle nach Abschaffung der Monarchie. Zugleich scheint die Idee Vgl. ebd., S. 10. Vgl. ebd., S. 11. Vgl. ebd., S. 18. Ebd., S. 20. Ebd.
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der zur Regierung nötigen Kooperation zwischen den Ständen und Institutionen, wie sie in der königlichen „Answer to the Nineteen Propositions“ dargelegt wurde, inzwischen auch bei einigen Royalisten Wurzeln geschlagen zu haben. In diesem Sinn stellt Walker die Macht des Rump gleich mit einer „Absolute Authority“, die in dieser ungeteilten und unbeschränkten Form auch für eine mögliche Restauration der Monarchie nicht mehr wünschenswert scheint.¹³ Walker liefert zugleich ein Beispiel für die Umkehrung des ursprünglich an den König adressierten Vorwurfs der sich zur Tyrannei auswachsenden, absoluten Monarchie auf das Rump, das seinerseits von vielen Autoren der Zeit als unrechtmäßiges, tyrannisches Usurpationsregime angesehen wurde.¹⁴ Auffällig ist, dass Walker an vielen Stellen dezidiert unterscheidet zwischen der Macht des Rump und der „lawful authority“ des Königs und seines Erben, so zum Beispiel in der Bezeichnung der Entstehung des High Court of Justice als „being erected without lawful authority“¹⁵ oder der Kennzeichnung der Gewalt des Rump als „usurped, legislative power“.¹⁶ Ersterer wird als „an Arbitrary, Extrajuditiall conventicle of Bloud, […] which hath neither Lawe, Iustice, Conscience, Reason, President, or Authority Divine or Humane“ bezeichnet, der zu seiner Legitimation nur auf die „irrational votes and the power of the Sword to maintaine it“ zurückgreifen kann.¹⁷ Demgegenüber steht die „lawfull Authority“ des Königs und seiner Nachfolger, an die die Bürger durch ihre noch immer gültigen „Legall Oathes“ (Oath of Allegiance und Oath of Supremacy) gebunden sind „and from which no power On Earth can absolve me“.¹⁸ Macht („power“) wird somit in Gegenüberstellung zu „authority“ deutlich abwertend konnotiert. Walker, der selbst Mitglied des Long Parliament gewesen war, entwickelte sich seit Beginn der 1640er Jahre zunehmend zu einem Kritiker der radikaleren Forderungen des Parlaments bzw. in späteren Jahren zu seinem Gegner. Für seine politische Haltung musste er einen hohen Preis zahlen, denn das Rump ordnete am 24. Oktober 1649 seine Verhaftung und die Beschlagnahmung seiner Schriften an. Er wurde in den Tower überführt und des Hochverrates angeklagt, starb jedoch ohne Prozess 1651. Eine überaus interessante Quelle für die Rezeption von Hobbes’ „authority“Konzept ist Marchamont Nedhams „The Excellency of a Free State“ von 1656.
Ebd., S. 53. „But this Parliament […] confirme their usurped Tyrannie […] enslave the Nation to their Lawles wills and Pleasures“ Ebd., S. 58. Ebd., S. 42. Ebd., S. 19. Ebd., S. 44. Ebd., S. 45.
6.1 Reaktionen auf Hobbes’ „authority“-Konzept
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Absolut auffällig ist der Bruch in Nedhams Argumentation im Vergleich mit seinem früher erschienen Werk „The Case of the Commonwealth“ (siehe Kapitel 4.2.8). Während er 1650 zur Verteidigung der de facto bestehenden Regierung des Rump dem Volk kaum eine Rolle zusprach, außer der, sich freiwillig aus Vernunftsgründen unterzuordnen und gemeinhin das Schwert als ausschlaggebend für die Installation einer Regierung sah, hat sich sein Tenor sechs Jahre später grundlegend gewandelt. Als höchstes Gut der Menschen stellt er nun ihre Freiheit in den Vordergrund; das Volk sei „by vertue of their consent and authority“ die Grundlage der Regierungsbildung.¹⁹ Dabei richtet sich Nedham anhand eines ganzen Kataloges an antiken und neueren historischen Beispielen gezielt gegen jede Form der Monarchie und entlarvt in diesem Zusammenhang auch den Senat der Römischen Republik – der ja zum Beispiel Harrington als Ideal und Orientierungspunkt für seine Verfassung dient – als degenerierte Versammlung, die nicht die Freiheit des Volkes garantiert, sondern es versklavt.²⁰ Stattdessen erscheint Nedham einzig eine gewählte Volksversammlung, deren Bestand und fortwährende Erneuerung durch sukzessive Wahlen gewährleistet werden, als geeignete Regierungsform für einen Freistaat. Zur Beschreibung dieser Versammlung nutzt er wiederholt die Formel der „due and orderly succession of the Supreme Authority in the hands of the Peoples Representatives“.²¹ Die „authority“ liegt grundsätzlich beim Volk wird aber über eine Art Abkommen delegiert, sodass eine souveräne Volksversammlung entsteht, „founded upon the free Election, Consent or mutual Compact of men entring into a form of civil society“.²² Nicht nur diese Übereinkunft erinnert an Hobbes’ covenant, auch in anderen Punkten gibt es durchaus Übereinstimmungen zwischen den beiden Autoren, etwa wenn es um die Befähigung zur Bekleidung eines Regierungsamtes geht.²³ Obwohl Nedham „authority“ und „power“ mitunter auch simultan verwendet, fällt doch auf, dass er bei der detaillierten Beschreibung von historischen Präzedenzfällen immer wieder „authority“ mit den Formen einer rotierenden, parlamentarischen Herrschaft verbindet, deren Kompetenz er als delegierte Macht oder Amtskompetenz fasst und so eng an Hobbes’ „authority“-Verständnis
Nedham, Excellencie, S. 8. Vgl. ebd., S. 12, 33, 194. Ebd., S. Vorwort, S. 77. Ebd., S. 131. Um den Staat zu lenken, braucht es auch Nedham zufolge „Judgement and Experience“, also einen gewissen Bildungsstandard, den der gemeine Mann nicht vorweisen kann. Hier wird man unweigerlich auch an Harringtons „natural aristocracy“ erinnert, die den Senat stellt. Vgl. ebd., S. 99. Zudem fordert auch Nedham das Leistungsprinzip in der Regierung ein: „men put in Authority, that have a clear Reputation of transcendant Honesty and Wisdom“ Ebd., S. 194 f.
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6 Ausblick – „authority“ im Sprachgebrauch nach 1651
im Sinne von potestas anknüpft. Im Gegensatz dazu sieht er in Monarchien „authority“ und „power“ in der Person des Königs vereint – allerdings liege hier eine illegitime „authority“ vor, denn da das Volk der Inhaber der „authority“ ist, kann sich der König diese nicht von Rechts wegen anmaßen.²⁴ Vergegenwärtigt man sich die in den späten Proklamationen Karls I. gemachte Unterscheidung zwischen der eigenen, legalen „authority“ des Königs und der angemaßten „upstart authority“ des Parlaments, so findet man hier die Umkehrung dieser Argumentation. Der König ist bei Nedham derjenige, der sich die Vollmacht des Volkes widerrechtlich anmaßt. In diesem Sinn assoziiert Nedham historische Beispiele, in denen ein Freistaat zur Tyrannei verkommen ist, mit der „power“ einzelner Männer (die Herrschaft der 30 Tyrannen in Athen und für Rom Maelius und Manlius, Sulla, Caesar und Augustus).²⁵ Die englischen Könige hätten sich ihre generationenübergreifende Vollmacht lediglich angemaßt, so Nedham weiter.²⁶ Die einzige Passage, in der er „authority“ mit dem König verbindet, trägt somit einen deutlich negativen Charakter. Stattdessen zeigt er auf, welcher Natur die Kompetenz der Könige tatsächlich war: „the late King of England, who by our ancient Laws, was the same here, that Lewis ought to have been in France, an Officer in trust, to see to the execution of the Lawes“.²⁷ Insgesamt gesehen findet sich bei Nedham zwar eine im Vergleich zu Hobbes völlig konträre, politische Ausrichtung, denn er favorisierte ganz klar den Freistaat, womit sich bei ihm eine parlamentarische Regierung verband,²⁸ aber eines ist doch interessant zu sehen: Nedham bedient sich in freizügiger Weise des Hobbesschen „authority“-Arguments im Sinne einer delegierten Amtsvollmacht, Ebd., S. 153, 161 ff. Vgl. ebd., S. 72 ff. So beschreibt er für den Fall Roms den Verfall der Rechte des Volkes wie folgt: „It hath been usual in Free-States to hold up the Majesty and Authority of their Suffrages, or Votes intire, in their Senators, or supream Assemblies: for if this were not look’d to, and secured from controle, or influence of any other Power, then […] Liberty and Authority became lost forever. So long as the Roman people kept up their credit and Authority, as sacred, in their Tribunes, and Supream Assemblies, so long they continued really free: but when by their own neglect, they gave […] an opportunity of power to curb them, then their suffrages […] were trodden under foot“. Nedham bezieht sich direkt auf den Fall Syllas und seiner Anhänger im Senat sowie später auf Caesar. Ebd., S. 171 f. „that the reason wherefore Kings, and all other standing Powers, have presumed to abuse the People, is, because their continuation of Authority having been a means to state them in a condition of Impunity“ Ebd., S. 114 f. Ebd., S. 219. Nedham führt einen Katalog der verschiedenen Kritikpunkte von Royalisten an einer parlamentarischen Regierung an, die sich in fast allen Punkten mit Hobbes’ Anschauungen decken; zum Beispiel die Gleichstellung zwischen einer souveränen Volksversammlung und dem Chaos, weil in diesem Fall jeder Mann das gleiche Recht habe, zu regieren. Vgl. ebd., S. 93 ff., 127.
6.1 Reaktionen auf Hobbes’ „authority“-Konzept
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mit dem Unterschied, dass diese bei Hobbes irreversible Kompetenz des Souveräns bei Nedham zeitlich durch den Wahlturnus begrenzt und auf eine andere Regierungsform angewandt ist.²⁹ Während er 1650 noch „imperium“, also den militärischen Oberbefehl bzw. insgesamt die militärische Stärke, mit „authority“ gleichgestellt hatte, findet sich diese Verknüpfung nur noch an einer Stelle in „The Excellency“. Generell lehnt Nedham Tumulte, Aufruhr und Rebellion ab,³⁰ den Bürgerkrieg rechtfertigt er trotzdem aufgrund seiner absoluten Notwendigkeit angesichts der Regierungspraxis Karls I.³¹ Während Nedham 1650 jedoch noch generell von einer „new Majesty of Empire“ sprach und damit auf das antike imperium rekurrierte, vermischen sich nun „Majesty“ und „authority“ als Kom-
Zum potestas-Charakter der „authority“: „Authority is really and fundamentally in the people, and but Ministerially in their Trustees, or Representatives“ Ebd., S. 186. Auch die Errichtung der Exekutive beschreibt er in dieser Hinsicht wie folgt: „the Executive Power […] by their Authority transfer’d into the hand or hands of one Person, (called Prince) or into the hands of many (called States) for the administration of Government, in the Execution of those Laws“. Ebd., S. 212. Nedham betont fortwährend die Gefahren einer „standing authority“, also etwa eines Königtums oder einer Diktatur. Ebd., S. 27. Eine zeitliche Begrenzung der souveränen „authority“ hatte Hobbes natürlich nicht gefordert, aber auch bei ihm fand sich im Zusammenhang mit dem staatlichen Autorisierungssystem die Möglichkeit, einem Beamten seine Vollmacht wieder zu entziehen – Gleiches schildert auch Nedham. Vgl. ebd., S. 225. Nedham bekräftigt das Prinzip der sich abwechselnden, gewählten Versammlungen nochmals: „the right, liberty, welfare, and safety of a people, consists in a due succession of their Supreme Assemblies: surely then, the right constitution and orderly motion of them, is of the greatest consequence that can be“. Ebd., S. 242. Wobei das Bewegungsprinzip in der Regierung erneut stark an Harringtons Rotationsprinzip erinnert. „That in a Free-State, it is above all things necessary to avoid Civil Dissention, and to remember this, that the uttermost Remedy is not to be used upon every Distemper or Default of those that shall be intrusted with the Peoples Power and Authority: for, if one Inconvenience happen in Government, the correction, or curing of it by violence, introduceth a thousand: And for a man to think Civil War, or the Sword, is a way to be ordinarily used for the recovery of a sick-State, it were as great a madness, as to give strong Waters in a high Feaver“ Ebd., S. 185. Ein Zitat, aus dem deutlich der gewandelte Charakter von Nedhams Argumentation hervorgeht. Während er 1650 noch die Macht des Schwertes gefeiert hatte und die Unterordnung des Volkes forderte, warnt er nun vor gewaltsamen Konfliktlösungen. „We have a very notable instance also in our Nation, which may serve for a just example to all the world in point of behaviour. If we run over the Catalogue of the late Kings defaults in government, we find exraordinary patience in the people […] It were needless to reckon up the several Monopolies, Impositions, and other oppressions of the People […] with that highest of all Practices, not onely in dissolving Parliaments abruptly, but professedly designing the ruine of Parliaments, in depriving the People of their due Succession. Yet notwithstanding all this, that desperate Remedy of the Sword was forborn, untill invincible Necessity did put it into their hands, for the preservation of themselves, with their Rights and Liberties“. Ebd., S. 191 f.
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6 Ausblick – „authority“ im Sprachgebrauch nach 1651
petenzen der „supreme Assembly“.³² Mit der Beendigung des Bürgerkrieges haben die Menschen ein Recht gehabt, so Nedham, eine Regierung unter Ausschluss ihrer vormaligen Feinde zu errichten.³³ Interessant ist hierbei die Verknüpfung zwischen der Vollmacht des Volkes und seinem Recht, selbst über die künftige Regierungsform zu bestimmen – ein Konnex, der ebenfalls stark an Hobbes’ Betonung des Rechtscharakters der „authority“ erinnert. Für ein Bewusstsein Nedhams gegenüber den Unterschieden zwischen „authority“ und „power“ spricht auch die wiederholte Assoziation des Königs mit einer „arbitrary power“ – er könne kein Recht auf Herrschaft für sich beanspruchen, sondern missbrauche lediglich seine Macht.³⁴ Dass Nedham „authority“ als Amtsvollmacht nutzt, geht auch aus seiner Beschreibung der Kompetenz des militärischen Befehlshabers hervor: seine „authority“ legitimiert seinen Befehl, nicht mehr seine überlegene Stärke wie noch im „The Case of the Commonwealth“.³⁵ Zusammenfassend kann man also nicht nur generell einen im Vergleich zu 1650 deutlichen Wandel in der Argumentation Nedhams beobachten, sondern auch eine prominente Nutzung des Begriffs der „authority“, der in der Definition dem Hobbesschen Verständnis sehr nahe kommt. Zwar werden die Traditionen des Terminus, also seine direkte Verbindung mit dem Amt des Königs und seine Anwendung auf eine souveräne Form der Einzelherrschaft, negiert, dennoch verwundert angesichts von Nedhams vorheriger Favorisierung der Macht des Schwertes seine pejorative Beschreibung von Macht, Gewalt und militärischer Stärke in „The Excellency“ doch sehr. „Authority“ ist nun einer der Fixpunkte seines politischen Denkens und Argumentierens und er wendet diese Kompetenz stringent für das Volk und die von ihm gewählte Volksversammlung an, die die Fortführung und Bewahrung der Vollmacht des Volkes durch sich wiederholende Wahlen und aufeinander folgende Parlamente gewährleistet. Nedham liefert dabei ein Beispiel dafür, dass Hobbes’ Konzept durchaus von seinen Zeitgenossen verstanden und aufgegriffen wurde, zugleich kann man an „The Excellency of a Free-State“ aber auch die Instrumentalisierung des Terminus in der politischen Debatte nachweisen, da er von Nedham im Vergleich zu Hobbes für die Grundsteinlegung eines gänzlich anderen Regierungssystems verwandt wurde. Eine überaus kritische Reaktion auf Hobbes’ Hauptwerk lieferte 1657 George Lawson. Im Wesentlichen arbeitete Lawson die Hobbesschen Argumente des
Ebd., S. 223. „that upon the close of a Civil War, they have a Right; and not onely a Right, but usually a very great Resolution to keep out those Enemies of Liberty, whom they conquer, from a participation of any Right in Government“ Ebd., S. 98. Vgl. ebd., S. 132. Vgl. ebd., S. 164 f.
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zweiten und dritten Teils des „Leviathan“ systematisch ab und zeigte ihre Unzulänglichkeiten auf. Während er im zweiten Teil noch einige wenige, vernünftige Elemente finden konnte, verurteilte er den dritten Teil des „Leviathan“ als Wahnsinn: „in this [part] he [Hobbes] is like unto such as are lunatick“.³⁶ Der Leser werde dieses große Defizit jedoch selbst schnell bemerken – so er sich dazu durchringen könne, das Buch in Gänze zu lesen. Die fundamentalen Unterschiede im Denken zwischen Hobbes und Lawson werden schnell deutlich: Lawson bevorzugte eine Teilung zwischen Staat und Kirche,³⁷ da beides unterschiedliche Gemeinschaften seien. Zudem leitet er alle Macht direkt von Gott ab, der der einzig denkbare, absolute Souverän ist.³⁸ Das göttliche Gebot zielt Lawson zufolge auch nicht auf die Errichtung einer Monarchie als ideale Staatsform, sondern auf einen Freistaat.³⁹ Wenn überhaupt eine Monarchie als Regierung in Frage kommt, dann nur in ihrer regulierten Form⁴⁰ und unter Vorbehalt der Berufung der fähigsten Männer in die Regierungsämter.⁴¹ Für die uns hier interessierende Thematik der Verwendung von „authority“ ist die Tatsache aufschlussreich, dass er den Begriff in der gesamten Diskussion des zweiten, politischen Teils des „Leviathan“ meidet und erst für den dritten, theologischen Teil darauf zu sprechen kommt. Für die staatliche Sphäre nutzt er ausschließlich den Machtbegriff: „Power, in Latine (Potestas) in Greek (exousia) is (Jus imperandi) a quality inherent in a Superiour as such, whereby he can effectually command or bind any person subject, as subject. Imperium or Command is properly an act of a superiour Will, whereby the person subject is bound to obedience or punishment […] Supreme power civil, which is in Latine called (Majestas) which is (maxima Potestas in Civitate) […] to be a Sword committed by God unto higher Powers, for to punish the bad, and protect the good. For in all Government civil there must be a sword which is an outward coactive strength and force“.⁴² Lawson übersetzt den Machtbegriff direkt mit potestas: Die oberste, bürgerliche Macht wird als die einem Herrscher von Gott anvertraute Exekutive beschrieben, also die Kompetenz, Befehle zu erteilen, die einem ganz bestimmten Zweck dient: der Bewahrung des Gemeinwohls – womit eine gedankliche Nähe zwischen Lawson und den Engagers bzw. den Factoists besteht. Die somit klar umgrenzte Kompetenz des Herrschers, die
Lawson, Examination, S. 156. Vgl. dazu auch seine bedeutendste Schrift: Lawson, George, Politica Sacra & Civilis; Or a Model of Civil and Ecclesiasticall Government, London 1660. Vgl. Lawson, Examination, S. 9, 53. Ebd., S. 136. Ebd., S. 132. Ebd., S. 43. Ebd., S. 7.
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6 Ausblick – „authority“ im Sprachgebrauch nach 1651
Lawson mit „majestas“ gleichsetzt, wird nur wenig später wieder ganz anders beschrieben: „Majestas is sometimes maxima dignitas, and this no subject denyed to the King.“⁴³ Der König wird somit als Inhaber von Würde beschrieben, die kein Untertan ihm absprechen kann. Neben der alle Untertanen bindenden Befehlsbefugnis in einem Gemeinwesen hat der König auch den höchsten Rang im Reich inne. Diese Macht ist jedoch nicht unbeschränkt: „Kings may have potentiam, but not potestatem, force and fraud, but no just power to oppress their subjects.“⁴⁴ Bezogen auf eine illegitime Unterdrückung der Untertanen (die Lawson in der Praxis der absoluten Monarchie, im Regieren ohne die Regulierung eines Parlaments oder in der Gewährung umfassender königlicher Prärogative sah) mochte ein König vielleicht Zwang ausüben können, auch wenn dies gleichsam einen Betrug an seinem Volk darstellte. Er konnte jedoch nie eine „just power“ für sein Vorgehen für sich beanspruchen. Hier findet sich eine Parallele zu Hobbes’ Definition des „authority“-Begriffes als Recht auf Handlung und somit der engen Verknüpfung zwischen herrschaftlicher Praxis und sich aus den Gesetzen speisender Legitimität. Lawson hatte Hobbes zu Beginn seiner „Examination“ vorgeworfen, dass der Souverän bei ihm nicht an die Gesetze gebunden sei.⁴⁵ Dies ist zwar für die Zivilgesetze ein zutreffender Einwand. Er hat jedoch keine generelle Gültigkeit, denn Hobbes hatte seinen Souverän stets auf das Naturgesetz und die Gesetze der Vernunft verpflichtet. Wenn Lawson feststellt, dass kein Herrscher eine Macht besitzen kann, die über die Naturgesetze oder Gottes Gesetze hinausgeht und aufgrund der er über seine Untertanen verfügen kann, so war dies zwar als Angriff auf Hobbes gemeint – tatsächlich widerspricht er Hobbes’ Position aber kaum. Auch bei Hobbes war der Souverän stets dazu verpflichtet, das Leben seiner Untertanen zu schützen und zu bewahren – ganz wie auch Lawson dies fordert.⁴⁶ Dass Lawson die Grundaussage Hobbes’ zum Verhältnis zwischen Macht und Vollmacht nicht gänzlich erfasst hat, wird auch in folgendem Zitat deutlich: „The people indeed must be kept in awe and order, and this cannot be without power. But what is here [im „Leviathan“] understood by power? Its not potestas, but potentia, strength and force; which may be great in a Leviathan, yet without wisdom and justice can never long keep the people in subjection.“⁴⁷ Lawson liefert in der Tat eine genaue Beschreibung dessen, was Hobbes unter „power“ verstanden hat, nämlich die auf überlegener Kraft beruhende Möglichkeit zu
Ebd., S. 40. Ebd., S. 53. Ebd., S. 4. Ebd., S. 64. Ebd., S. 122.
6.2 „Authority“ in James Harringtons „Oceana“
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handeln – und übersieht dabei Hobbes’ Ausprägung der an ein Amt gekoppelten potestas, die „authority“ des Souveräns. Ganz dem traditionellen Verständnis der Vereinnahmung von auctoritas durch die Kirche folgend, verortet auch Lawson „authority“ bei der Bibel („The Authority of the Scripture is divine“) bzw. bei Gott, dessen Wort sie ist und der sie zum Gesetz erhoben hat, dem alle gläubigen Christen bereitwillig folgen müssen.⁴⁸ Weder staatliche noch geistliche Oberhäupter haben hierüber irgendeine Gewalt. Damit erteilt Lawson Hobbes’ Vorstellung von einem Souverän eine Absage, der gleichsam auch Vorsteher der Kirche ist und bestimmt, welche ihrer Lehren verpflichtend sind.
6.2 „Authority“ in James Harringtons „Oceana“ Ein Konzept von „authority“, das sehr von dem abweicht, was Hobbes in seinem „Leviathan“ beschreibt, findet sich in James Harringtons Schrift „The Commonwealth of Oceana“, die Ende des Jahres 1656 veröffentlicht wurde. Harrington gehörte einer alten Adelsfamilie aus den Midlands an und war finanziell unabhängig, das heißt, er musste sich nicht wie Nedham oder Hobbes um eine bezahlte Anstellung bemühen und dieses Abhängigkeitsverhältnis in seinen Schriften berücksichtigen.⁴⁹ Stattdessen unternahm er in den 1630er Jahren viele ausgedehnte Bildungsreisen auf den Kontinent, insbesondere nach Venedig, was seine Begeisterung für das Modell der Republik weckte,⁵⁰ und beteiligte sich auch in den 1640er Jahren nicht aktiv am Bürgerkrieg. 1647 trat er zwischen den beiden Bürgerkriegen als „gentleman of the bed chamber“ in den Dienst des inhaftierten Königs Karl I. Er war vom Parlament (wahrscheinlich von seinem Cousin und Parlamentsmitglied Sir James Harrington) dazu angehalten worden, den König im Sinne der Schaffung einer republikanischen Regierung zu beeinflussen. Und tatsächlich hält sich hartnäckig das Gerücht, dass er sich mit Karl I. wiederholt über politische Themen unterhielt, im Besonderen über das Venezianische System.⁵¹ Harrington blieb in des Königs Diensten, bis dieser aus Carisbroke Castle abtransportiert wurde. Die Tradition sieht Harrington deshalb als Verehrer Karls I. an, der unter seiner Hinrichtung sehr gelitten habe und somit von einigen Historikern zu den sogenannten „melancholic men“ gerechnet wird – eine These, die
Ebd., S. 163 f. Vor diesem Hintergrund ist auch die Einschätzung zu sehen, Harrington habe die „Oceana“ nicht so sehr geschrieben, um die politischen Entwicklungen seiner Zeit zu legitimieren, als vielmehr um sie zu erklären. Vgl. Pocock, Introduction, S. IX. Vgl. Norbrook, Writing, S. 160. Vgl. Ebd. Pocock, Einleitung, S. VIII.
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Pocock jedoch anhand seiner Schriften als nicht nachweisbar einschätzt.⁵² Die „Oceana“ war sein politisches Hauptwerk, wird aber von zahlreichen anderen Schriften ergänzt. Stets rief Harrington zur Etablierung einer echten Republik auf, auch und gerade als sich das Scheitern des Protektorats und damit die Möglichkeit zur Restauration der Monarchie abzeichnete. Es sei eine historische Chance, die sich den Engländern hier biete und bis zuletzt versuchte Harrington mit seinen Texten seine Landsleute vom Ergreifen dieser Chance zu überzeugen.⁵³ Als nach der Auflösung des erneuerten Rump im Winter 1659/60 Debatten über die neue Form einer Regierung geführt wurden, gründete Harrington die „Rota“, einen Club, in dem intellektuelle Ideen zum Thema durch ausgewählte Mitglieder wie Henry Neville, John Wildman, John Aubrey und William Petty (1623 – 1687) diskutiert wurden. Mit der steigenden Wahrscheinlichkeit der Restauration löste sich der Club im März 1660 auf. Nach der Restauration blieb Harrington zunächst noch ungestört, wurde jedoch 1661 in Plymouth inhaftiert, wo er einen physischen und mentalen Kollaps erlitt, aufgrund dessen er freigelassen wurde. Anschließend zog er sich nach Westminster zurück, wo sein Leben 1677 auch endete.⁵⁴ Mit dem Namen James Harrington verbindet sich eine lange Forschungstradition, die zu unterschiedlichen Ansichten über den Autor und sein Hauptwerk geführt hat, etwa was den utopischen Charakter der „Oceana“⁵⁵ oder die Herkunft und Ausrichtung von Harringtons republikanischem Denken betrifft.⁵⁶ Auch das
Vgl. Pocock, Einleitung, S. IX. U. a. Harrington, The Prerogative of Popular Government, London 1657. Ders., Art of Lawgiving. Vgl. Pocock, Introduction, S.VIII f. Wordon, Blair, Harrington’s Oceana. Origins and Aftermath 1651– 1660, in: Republicanism, Liberty and Commercial Society 1649 – 1776, hg.v. David Wooton, Stanford (Cal.) 1994, S. 111– 138, hier S. 136 f. Es gibt Uneinigkeit darüber, ob die „Oceana“ als Utopie anzusehen ist (und damit z. B. wie Thomas Mores (1478 – 1535) „Utopia“ (1516) nicht auf die Veränderung der realpolitischen Verhältnisse zielt) oder als politisches Reformtraktat, wie dies z. B. Pocock postuliert. Vgl. Saracino, Stefano, Republikanische Träume, S. 102 f. Eine andere Quelle, auf die sich Harrington bezieht, ist Francis Bacons Utopie „The New Atlantis“. Vgl. Pocock, Introduction, S. XVI. Während z. B. Saracino, Pocock, Wordon und Fink Harrington als Vertreter der „ancient prudence“ sehen (der somit die „modern prudence“ ablehnt, die z. B. Hobbes in seinem „Leviathan“ vertreten hatte), sieht Rahe in dieser Charakterisierung eine Fehlinterpretation und teilt so die Ansichten von unter anderem Wettergreen, Scott und Toth, die Harrington nicht als klassischen Republikaner ansehen. Auch Wordon räumt ein, dass klassische Elemente und Bezüge bei Harrington zwar durchaus präsent sind, sein Gesellschaftsmodell diesen jedoch häufig übergeordnet wird, so z. B. bei der Definition der Tugend, bei der er deutlich der humanistischen Tradition folgt. In diesem Sinn propagiert Harrington die Herrschaft des Verstandes und damit die Herrschaft der Gesetze, die das Commowealth gleichsam bilden und als oberste Prämisse (im Sinn von Gemeinwohl) zu berücksichtigen haben. Damit steht er im Kontrast zu antiken Größen wie
6.2 „Authority“ in James Harringtons „Oceana“
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Verhältnis zwischen Hobbes und Harrington war oft Gegenstand der wissenschaftlichen Betrachtung: Während zum Beispiel Pocock Harrington als klassischen Republikaner sieht, als Englands ersten bürgerlichen Humanisten und Machiavellisten, steht er für Rahe Hobbes näher als der klassischen Antike.⁵⁷ Scott resümiert, dass bei Harrington unter den äußeren Formen eines klassisch-republikanischen Konstitutionalismus und der klassisch-republikanischen Sprache die Wiederverwendung Hobbesscher Moralphilosophie und Metaphysik zu erkennen ist.⁵⁸ In dieser Hinsicht teilten Hobbes und Harrington nicht nur ihr oberstes Anliegen, nämlich die Herstellung und Bewahrung des nationalen Friedens, sondern auch Ansichten über die leidenschaftsbestimmte Natur des Menschen, über Selbstsucht und Ehrgeiz als handlungsleitende Motive besonders im politischen Sektor, das Misstrauen gegenüber der überzeugenden Rhetorik redebegabter Menschen und kirchenpolitische Ansichten.⁵⁹ Jedoch finden beide Livius und Aristoteles.Vgl.Wordon, James Harrington, S. 107. Zugleich beruft sich Harrington aber häufig auf antike Quellen und Vorbilder, z. B. besonders auf Polybius. Vgl. Harrington, Oceana, S. 10 f. Pocock, Introduction, S. XVIII. Vgl. Saracino, Republikanische Träume, S. 104. Fink, Zera S., The Classical Republicans: An Essay in the Recovery of a Pattern of Thought in Seventeenth-Century England, Evanston 1962, S. 52– 89. Pocock, J. G. A., Civic Humanism and its Role in Anglo-American Thought & Machiavelli, Harrington and English Political Ideologies in the Eighteenth Century, in: Politics, Language and Time, New York 1973, S. 80 – 147. Ders., The Machiavellian Moment, S. 383 – 400. Ders., Introduction, in: James Harrington, The Commonwealth of Oceana, bes. S. XIII (Pocock verortet die republikanische Essenz Harringtons in der Auffassung, dass der Mensch von Natur aus ein politisches Wesen ist; ein Bürger und kein Untertan.) Wordon, James Harrington. Rahe, Against, S. 323. Wettergreen, John A., Note on the Intention of James Harrington’s Political Art, Interpretation 2/1 (1971), S. 64– 78. Ders., James Harrington’s Liberal Republicanism, Polity 20/4 (1988), S. 665 – 687. Scott, Jonathan, The Rapture of Motion. James Harrington’s Republicanism, in: Political Discourse in Early Modern Britain, hg.v. N. Phillipson, Q. Skinner, Cambridge 1993, S. 139 – 163. Toth, Kathleen, Interpretation in Political Theory. The Case of Harrington, Review of Politics 37/3 (1975), S. 317– 339. Vgl. Pocock, Introduction, S. XVI. Rahe, Against, S. 323. Vgl. Scott, Classical Republicanism, S. 72. Für Hobbes siehe Kapitel 3 und 5 dieser Arbeit. Für Harrington: Ders., Oceana, S. 10, 33 f., 38 f., 63. Vgl. Scott, Classical Republicanism, S. 72 ff. Rahe, Against, S. 328, 334. Metzger betont besonders hinsichtlich des letztgenannten Punktes, dass die Sympathie zwischen Hobbes und Harrington sich daraus begründete, dass sich beide den Angriffen von presbyterianischen und anglikanischen Kirchenmännern ausgesetzt sahen – und nicht aufgrund einer politischen Übereinstimmung. Vgl. Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 213. Die Anerkennung der menschlichen Leidenschaften als Triebfeder besonders des politischen Handelns erfolgt bei Harrington ebenso wie bei Hobbes (Vgl. Oceana, S. 10). Private Motive sind nur natürlich, müssen jedoch überwunden werden. Die Hauptaufgabe der Politik besteht darin, den Leidenschaften der Menschen Vernunft überzuordnen und sie im Sinn des öffentlichen Interesses zu lenken. So strebt jeder Mensch nach Sicherheit, der Sicherung seiner Rechte und seines Besitzes – statt diese
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Autoren vollkommen unterschiedliche, konstitutionelle Wege, um die menschliche Natur in ein politisches System einzubinden bzw. sie zu zügeln. Harrington beschreibt ein Verfassungssystem, das einen exekutiven Magistrat und zwei voneinander getrennte Kammern für die Legislative vorsieht, auf die die politischen Funktionen aufgeteilt werden. Somit gibt es einen debattierenden Senat und eine abstimmende (aber zu den Vorschlägen des Senats schweigende) Volksversammlung.⁶⁰ Dem stellt er als Verfahren zur Auswahl des geeigneten Personals das Prinzip der Rotation in den Ämtern und ein depersonalisiertes Wahlsystem nach venezianischem Vorbild zur Seite.⁶¹ Ein wesentlicher Teil seines Systems ist das „agrarian“, also ein Gesetz zur gerechten Verteilung des Landes und zur Vermeidung von Landakkumulation in einer Hand bzw. in wenigen Händen, die sich dann – gemäß der mit Machiavelli geteilten Vorstellung, dass sich politische Macht stets auf Grundbesitz gründet⁶² – auch zu einer politischen Vormachtstellung auswachsen würde. In diesem Sinn gewährleistet das „agrarian“ die Balance des Grundbesitzes und eine Partizipation des Großteils der Bürger an Politik und Herrschaft.⁶³ Auf der anderen Seite liefert Harrington aufgrund dieser Überlegungen eine Erklärung für die jüngsten Ereignisse und politischen Verschiebungen in England: Da jede stabile Regierung die Eigentumsverhältnisse berücksichtigen muss („dominion must follow property“), mussten die den Adel schwächende Politik Heinrichs VII., die Säkularisierung der Klöster unter Heinrich VIII. und die damit verbundene breite Streuung des Eigentums zwangsläufig zum Zusammenbruch des Systems der „gothic monarchy“ führen – sie entbehrte fortan schlicht ihrer Grundlage, das heißt sie konnte nicht mehr auf die feudale Besitzordnung auf-
Bedürfnisse jedoch zu befriedigen, strebt Harrington ihre Nutzung für die Bildung der bürgerlichen Tugend an. Vgl. Wordon, James Harrington, S. 106 ff. Harrington, Oceana, S. 34, 147 ff. Ebd., S. 74 ff., 115 ff. Vgl. Rahe, Against, S. 334. Vgl. Wordon, James Harrington, S. 86. Vgl. Harrington, Oceana, S. 11 ff. Laut „agrarian law“ sollten große Landbesitze aufgeteilt werden. Die Schwelle für die Zugehörigkeit zur „equestrian order“, aus deren Reihen die Senatoren gewählt werden, lag bei einer Summe von 100 Pfund aus den Einkünften des jeweiligen Landbesitzes pro Jahr – und unterschritt somit die Summe, die im „Instrument of Government“ allein für die Berechtigung, an Parlamentswahlen teilzunehmen, veranschlagt war um die Hälfte. Für eine Mitgliedschaft in der Volksversammlung von „Oceana“ waren sogar weniger als 100 Pfund ausreichend. Im Übrigen berücksichtigt Harrington für sein Konzept der politischen Partizipation nur englische Bürger, das heißt Freie, in Abgrenzung zu den Dienenden und dem Gesinde. Vgl. Wordon, James Harrington, S. 95, 92.
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bauen, die bislang ihr Fundament gewesen war.⁶⁴ Damit kreierte Harrington eine neue Form der Diskussion, denn bisher wurden die „gothischen Regierungen“ in Europa und die mittelalterliche Verfassung in England durch die Republik als freiheitserhaltende Einrichtungen angesehen; erst die frühneuzeitlichen Monarchien hätten diese Freiheit unterminiert. Harrington hingegen sieht in der „gothischen Politik“ ein vorherrschend aristokratisches System, wobei wiederum der Besitz von Land entscheidend für die Macht des Adels war. Mit dem Streben der moderneren Monarchien, sich der Kontrolle des Adels zu entledigen, schuf man eine neue Aristokratie, deren Grundlage nicht mehr die wirtschaftliche Macht war, sondern allein die Gunst des Königs.⁶⁵ Die Abschaffung der Monarchie präsentiert Harrington somit nicht als Ergebnis des Bürgerkrieges, sondern den Bürgerkrieg als Konsequenz der Auflösung des monarchischen Regierungssystems: „But a monarchy divested of her nobility hath no refuge under heaven but an army.Wherefore the dissolution of this government caused the war, not the war the dissolution of this government.“⁶⁶ Geänderte Basisverhältnisse diktierten Harrington zufolge eine neue, republikanische „superstructure“.⁶⁷ Damit gab Harrington seinen Zeitgenossen einen neuen Ansatz, um die Erfahrungen des Bürgerkrieges und der Auflösung der Regierung zu verarbeiten.⁶⁸ Zugleich sieht die historische Forschung die Veröffentlichung der „Oceana“ als Versuch, das Volk in der Situation von 1656 zu einer Entscheidung zu drängen, entweder ein „popular government“ einzusetzen oder Cromwell die Erlaubnis zur Errichtung einer neuen Monarchie zu geben – wobei Harringtons Präferenz klar war.⁶⁹ Die
Vgl. Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 166 f. Wordon, English Republicanism, S. 451 f. Saracino, Republikanische Träume, S. 106. Pocock stellt in diesem Zusammenhang Harringtons Adaption von Bacons „History of King Henry the Seventh“ heraus, besonders was das Herrscherbild betrifft. Vgl. Pocock, Introduction, S. XVIII. Vgl. Wordon, English Republicanism, S. 452. Harrington, Oceana, S. 56. Vgl. Saracino, Republikanische Träume, S. 106. Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 167. Pocock, Introduction, S. XVIII f. Vgl. Wordon, English Republicanism, S. 453. Vgl. Ders., James Harrington, S. 82. Grundlegend sprach sich Harrington nach dem Vorbild Polybius‘ für ein System der gemischten Verfassung aus, das aus den drei möglichen Regierungsformen hervorging, das jedoch wenig Ähnlichkeit hatte mit der traditionellen, englischen „mixed monarchy“-Vorstellung, die Harrington als auf den falschen Grundlagen errichtet, instabil und unterdrückerisch ansah. Stattdessen orientierte er sich an den antiken Republiken, den biblischen Gemeinwesen sowie am modernen Venedig. Die Tolerierung eines Mannes in der vorrangigen Herrschaftsposition kommt bei ihm auch vor, allerdings zeitlich begrenzt: Der Gesetzgeber Oceanas, Olphaus Megaletor (ein Synonym für Cromwell), war, ganz dem antiken Vorbild des Lycurgus folgend, solange der Herrscher des Landes, wie er brauchte, um die gesetzliche Ordnung herzustellen. Danach dankte er freiwillig ab und überließ Oceana der Selbstregierung
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Frage nach Harringtons Stellung zu Cromwell ist im Übrigen nicht ganz einfach zu klären, denn der Grat zwischen offenem Lob und Ironie ist bei seiner Darstellung Cromwells schmal.⁷⁰ In dieser Hinsicht rechtfertigte Harrington auch die Militärrepublik unter Cromwell, wobei seine Adaption des machiavellistischen Ideals des „popolo armato“ eine gewisse Rolle spielt, das den englischen Bürger als bewaffneten Bürger einer Republik sah. Nicht nur die bürgerliche Freiheit wurde eng an den Besitz und den Einsatz von Waffen geknüpft, sondern auch die Ausbildung einer individuellen, bürgerlichen Tugend, die sich durch abwechselnden militärischen und politischen Dienst für das Gemeinwohl ergab.⁷¹ Nachdem nun die wesentlichen Grundstrukturen der „Oceana“ skizziert worden sind, soll auf den Gebrauch von „authority“ eingegangen werden. Dazu ist es noch einmal nötig, zu Harringtons konstitutioneller Vorstellung der in zwei Kammern aufgeteilten Legislative zurückzukehren: dem dabattierenden Senat, der analog zum Senat der Römischen Republik beschrieben wird, und der beschließenden, stummen Volksversammlung. Die „untroubled harmony“ Oceanas wird erreicht durch das System der Balance zwischen der senatorischen „wisdom of the few“ und dem entscheidenden „interest of the many“ der Volksversammlung.⁷² Dabei ist die Zusammensetzung vor allem des Senats von entscheidender Bedeutung. Denn hier findet sich Harrington zufolge eine „natural aristocracy“ zusammen, die sich maßgeblich durch ihre politische Funktion und weniger
der Bürger – was durchaus als Handlungsanweisung bzw. –emfehlung an Cromwell zu verstehen ist. Vgl. Harrington, Oceana, S. 66 f. Scott, Classical Republicanism, S. 64. Wordon, James Harrington, S. 86, 90 f. Vgl. Wordon, English Republicanism, S. 450. Wordon betont Harringtons Verbindung zu den „Commonwealthsmen“, die die Neuerrichtung einer Republik ohne Cromwell anstrebten. Vorgeblich war er Cromwell gegenüber loyal und räumte ihm die Rolle des republikanischen Gesetzgebers „Olphaus Megaletor“ ein. Doch Harrington blieb Cromwell gegenüber durchaus auch kritisch eingestellt, so beschreibt er ihn folgendermaßen: „the army, of which the most victorious captain and incomparable patriot Olphaus Megaletor was now general; who, being a much greater master of that art […] had so sad reflections upon the ways and proceedings of the parliament“ (Harrington, Oceana, S. 66). Seine Feindschaft zu Cromwell trat nach dessen Tod offener zu Tage, unter anderem in „The Art of Lawgiving“ (1659), in dem er seine Mitbürger dazu anstachelte, die Gelegenheit nach dem Kollaps des Protektorats zu nutzen um die Verfassung des Landes neu zu gestalten. In diesem Sinn klassifiziert Wordon die offene Widmung „Oceanas“ an Cromwell nicht als Akt der Verehrung, sondern als „Anti-Widmung“. Vgl. Wordon, Harringtons Oceana, S. 124. Vgl. auch Saracino, Republikanische Träume, S. 124. Vgl. Pocock, Einleitung, S. XIX f. Ders., Machiavellian Moment, S. VIII, 385. Harrington, Oceana, S. 135: „And that which is proposed by the authority of the senate, and resolved by the command of the people, is the law of Oceana.“ Vgl. Wordon, James Harrington, S. 97 f.
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aufgrund der sozialen Qualität ihrer Abstammung definiert.⁷³ Es sind zwar vergleichsweise immer noch die Wohlhabenden im Land, die für einen Sitz im Senat in Frage kommen (die Wahlbedingungen im Zusammenhang mit dem „agrarian“ wurden bereits angeführt). Zudem sollten die Senatoren aber auch Weisheit, Wissen und Ehre in sich vereinen. Diese Kompetenzen sind Harrington zufolge einerseits Ergebnis ihrer Erziehung (Ehre und Tugend), ihnen andererseits aber von der Natur gegeben (das leidenschaftliche Drängen nach Macht; die Fähigkeit, Menschen zu führen). Harrington beschreibt in seiner „Oceana“ somit eine Art Dienstadel, wiederum angelehnt an die römische Nobilität, jedoch unter dem Vorbehalt „never to rule of right and in its own name“.⁷⁴ Zur Erlangung der zum Senator notwendigen Bildung sind darüber hinaus eingehende Studien erforderlich, die nur diejenigen leisten können, die über genug Kapital und freie Zeit verfügen, da sie keinem Erwerb nachgehen müssen: „for that the politics can be mastered without study, or that the people can have leisure to study, is a vain imagination“.⁷⁵ Die potentiellen Senatsmitglieder Oceanas entspringen damit den Gruppen des hohen und niederen Adels – die Bürger des Landes müssten für die neuerliche Akzeptanz ihrer „natural leader“ lediglich das aus Bürgerkriegszeiten stammende Denken in Kategorien sich gegenüberstehender, politischer Parteien aufgeben und stattdessen dem System der Balance und der damit einhergehenden „politic of trust“ vertrauen.⁷⁶ Dem folgend defniert Harrington eine Republik als eine bürgerliche Gesellschaft von Menschen, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Anlagen und Weisheit verschiedene Rollen innerhalb des Gemeinwesens einnehmen – der naturgemäß kleinere Teil der Weisen (also die Vertreter eben jener „natural aristocracy“) leitet die Gesellschaft und erlangt dadurch „auctoritas patrum“. Harrington steigt mit einem direkten Antikenbezug in die Argumentation mit „authority“ ein; zugleich erinnert seine Vorstellung von den Herrschenden als natürlicheFamilienoberhäupter stark an den Patriarchalismus von König Jakob, Sir Robert Filmer und John Maxwell – mit dem Unterschied, dass in Harringtons Fall viele Schultern (der Senatoren) die Regierungsverantwortung tragen. Ein erneuter Bezug zum antiken Vorbild des Römischen Senats ist die Bezeichnung des Ergebnisses der Beratschlagungen des Senats von Oceana als Rat bzw. „senatus consulta“ und nicht etwa als Gesetze.⁷⁷ Das Senatorenamt ist dabei kein erbliches, sondern wird erlangt „by election for their excellent parts, which tendeth unto the advancement of the influence of
Vgl. Pocock, Machiavellian Moment, S. 394. Rahe, Against, S. 339 ff. Harrington, Oceana, S. 136. Vgl. ebd., S. 23, 33, 62.Wordon, James Harrington, S. 95. Pocock, Machiavellian Moment, S. 395. Harrington, Oceana, S. 23.
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their virtue or authority that leads the people“.⁷⁸ Dabei betont Harrington, dass in einem freien Commonwealth die Anerkennung der Tugend der potentiellen Senatoren zentral ist: Jene, die am tugendhaftesten sind, müssen sich auch in ihrer „authority“ auszeichnen. Alles andere bewertet Harrington als dumm und ungerecht und dem Gemeinwesen überaus abträglich.⁷⁹ Im Vorfeld hatte Harrington mit Bezug auf die antiken Autoren zwei Prinzipien der Regierung herausgearbeitet: Die äußeren Prinzipien der Güter des Vermögens und die inneren Prinzipien der Güter des Geistes. Auf Besitz bzw. Reichtum antwortet Macht („imperium“), auf Tugend und Weisheit antwortet hingegen „authority“.⁸⁰ Damit ist die „authority“ eine innerliche Qualität, die sich auf den Verstand und den Geist eines Menschen gründet und zudem die Voraussetzung darstellt, um in das Amt eines Senators gewählt zu werden. Einer idealen Regierung am Nähesten sei der Gesetzgeber dann, wenn er beide Prinzipien miteinander verbinden könne: Wenn also auf Besitz und Vermögen gegründete Macht mit einem überlegenen Geist vereint wären. In diesem Sinn zitiert Harrington den Ausspruch Platons „princes should be philosophers“.⁸¹ In einem republikanischen Gemeinwesen wie dem Oceanas, in dem alle Bürger Landeigner sind und somit in etwa den gleichen Anspruch auf „imperium“ haben, kann eine gute Gesetzgebung nur durch den Senat gewährleistet werden, der neben dem Besitz auch die geistigen Voraussetzungen in besonderem Maß mitbringt. Ein Gesetz kommt in Oceana somit kraft der väterlichen „authority“ des Senats und der Macht des Volkes (vertreten durch die Volksversammlung) zustande.⁸² Auch Harrington sieht die menschliche Natur, ähnlich wie Hobbes, als von Leidenschaften bestimmt an. Einzig die Kräfte des Verstandes vermögen es, diese Leidenschaften zu zügeln. Überwiegen die durch den Verstand gebotenen, tugendhaften Taten die sündhaften, so kann sich ein Mensch Ehre aneignen, und damit „authority“ über andere erlangen. Dies ist also Harringtons Herleitung von „authority“, mit der sich ein genereller Appell an die Pflege der Tugenden verbindet, die eigeninteressiertes Handeln beschränken sollen. Harrington rückt darüber hinaus „authority“ in direkten Bezug zu Gott: „those principles of power which, balanced upon earthly trash, exclude the heavenly treasures of virtue, and that influence of it upon government which is authority. We have wandered the earth to find out the balance of power; but to find out that of authority we must ascend, as I said, nearer heaven, or to the image of God which is the soul of
Ebd. Ebd., S. 35. Ebd., S. 11. Ebd., S. 18. Harrington bezieht sich auf Platon, Politeia, Buch 5, 473 d. Harrington, Oceana, S. 24.
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man.“⁸³ Gottes Plan offenbart sich in jedem Menschen individuell, so Harringtons Glaube. Dazu gehört auch die Ausstattung mit bestimmten Tugenden, so man sie als Werte ansieht, die zum Wohl aller in die Praxis umgesetzt werden können – und auch müssen, denn Harringtons Verständnis einer Gesellschaft ist das eines „commonwealth of participatory virtue“. Nur in der aktiven Beteiligung der Bürger am Gemeinwesen und insbesondere an der Politik verwirklicht sich ihre Tugend.⁸⁴ Dabei ging es Harrington nicht um die Beschreibung einer von Gott auserwählten Elite, die zum herrschen berufen ist und deren Anspruch aufgrund ihrer sakralen Legitimation von anderen nicht in Frage gestellt werden kann – wie dies auch die Fifth Monarchists für sich beanspruchten, zu denen Harrington eine gewisse argumentative Nähe aufweist, aufgrund der er von einigen Zeitgenossen zu dieser Bewegung gerechnet wurde.⁸⁵ Solche Positionierungsversuche verkennen aber die mit dem Begriff der „authority“ verbundene Antikenrezeption Harringtons. Es ging ihm nicht darum, die Herrschaft einer spirituellen Elite argumentativ zu begründen, sondern darum, die für eine gute Regierung zentralen, immateriellen Werte der „authority“ (Weisheit, Bildung, Tugenden, Ehre) mit dem Fingerzeig auf den göttlichen Willen im Gegensatz zur leichter greifbaren, weil materiellen, auf Besitz und Reichtum gegründeten Kompetenz der Macht aufzuwerten.⁸⁶ Die Analogie zwischen dem Römischen Senat mit seiner Kompetenz der auctoritas und der mit dem Senat Oceanas verbundenen „authority“ ist zu direkt, um übersehen zu werden. Da Oceanas Volksversammlung lediglich stumm abstimmt, sind die Senatoren im Grunde diejenigen, die die Gesetze und damit die Regierung maßgeblich gestalten. Auch bei Harrington findet sich damit, ähnlich wie bei Hobbes, der Konnex zwischen „authority“ und geltendem Recht. „But the government whose law is virtue, and whose virtue is law, is the same whose empire is authority, and whose authority is empire.“⁸⁷ Die Tugend einer Regierung ist das Gesetz -wird das Gesetz maßgeblich von der Tugend (oder man könnte auch sagen: von der „authority“ der Senatoren) bestimmt, so vereint sich die geistige Kompetenz mit der ursprünglich von ihr getrennten Macht. In einer Republik sind somit idealerweise
Ebd., S. 19. Vgl. Pocock, Machiavellian Moment, S. 397. Vgl. Ebd., S. 395. Saracino, Republikanische Träume, S. 112. Damit verbunden ist im Übrigen eine seiner gängigen, rhetorischen Strategien: Zunächst erfolgt die säkulare Begründung komplexer Sachverhalte, anschließend wird die göttliche Vorsehung betont, die hinter diesen scheinbar weltlichen Prozessen arbeitet und sich verwirklicht. Vgl. Wordon, James Harrington, S. 109. Harrington, Oceana, S. 19.
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„authority“ und „empire“ miteinander verbunden, wobei die Herrschaft der Gesetze die Freiheit des Gemeinwesens garantiert.⁸⁸ Die Einordnung von Harringtons „authority“-Begriff im Vergleich zu Hobbes ist nicht ganz einfach. Zunächst scheint deutlich zu Tage zu treten, dass man es mit zwei unterschiedlichen Definitionen zu tun hat: Bei Hobbes bezeichnet „authority“ das aus dem covenant abgeleitete Handlungsrecht des Souveräns als Grundvorraussetzung aller Regierungspraxis. Bei Harrington begegnet ein stark an den antiken, römischen Senat angelehntes Verständnis von „authority“ im Sinne von individuellen, geistigen Qualitäten. Hobbes’ „authority“ wurde bereits eng mit der antiken potestas in Verbindung gebracht, während Harrington deutlich auf das Prinzip der senatorischen auctoritas rekurriert. Vor dem Hintergrund dieser, sich deutlich voneinander unterscheidenden Definitionen sind auch Harringtons vielfache kritische Bezüge zu Hobbes leicht nachvollziehbar.⁸⁹ Der offensichtliche Schluss, der gezogen werden kann, lautet schlicht: Harrington ist ein an antiken Autoren und Gemeinwesen orientierter Verteidiger der Republik, während Hobbes sich eine absolute Souveränität wünscht, die möglichst auf den Schultern eines Mannes ruht. Dennoch wurde von der Forschung bereits erkannt, dass beide Autoren an vielen Stellen auch Berührungspunkte aufweisen, weswegen der Republikanismus Harringtons von Paul Rahe als von Hobbes geprägt dargestellt wurde.⁹⁰ Eine maßgebliche Gemeinsamkeit im Bezug auf die Argumentation mit „authority“ ist, dass beide Autoren diese strikt von der Macht trennen. Für Hobbes wurde dies bereits beschrieben; für Harrington ist besonders eine Passage aufschlussreich, in der er direkt auf Hobbes eingeht. Wenn Hobbes sagt, dass Reichtümer Macht seien, so liegt er richtig, meint Harrington. Wenn er aber Weisheit bzw. die daraus entspringende Reputation – also „authority“ im Sinne Harringtons und der antiken auctoritas – ebenfalls mit Macht gleichstellt, so liege er falsch: „For the learning or prudence of a man is no more power than the learning or prudence of a book or author, which is properly authority. A learned writer may have authority, though he have no power; and a foolish magistrate may have power, though he have otherwise no esteem or authority.“ Als Beispiel für die Illustration des Unterschiedes zwischen Macht und Ansehen führt Harrington den latinischen Heros Evander an und bezieht sich dabei auf dessen Beschreibung durch Livius: „regebat magis auctoritate quam imperio“ („he ruled rather by authority than po Ebd., S. 19 f. Damit nähert sich Harrington an antike Philosophen an (Aristoteles, Livius), die annahmen, dass in einem Gemeinwesen die Herrschaft der Gesetze und nicht der Menschen ausschlaggebend sei. Vgl.u. a. Harrington, Oceana, S. 8, 10 f., 13 f., 20, 25, 30, 38 f., 56, 63, 65. Vgl. Rahe, Against, S. 321 ff.
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wer“).⁹¹ Tatsächlich weicht diese Klassifizierung Harringtons jedoch gar nicht so weit vom Sinngehalt der berühmten Hobbesschen Formel „Sed Authoritas non Veritas facit legem“ ab. Die Wahrheit kann aus sich heraus kein Gesetz diktieren, ohne dass die „authority“ des Souveräns dies festlegt. Was Hobbes als Wahrheit beschreibt, formuliert Harrington lediglich anders: als Gelehrtheit und Weisheit eines Mannes, Buches oder Autors. Beide meinen jedoch denselben Grundsatz, nur dass bei Harrington die Zwei-Kammern-Legislative mit Vertretern der inneren Güter („authority“) und der äußeren Güter („Besitz“) das Gesetz macht, während bei Hobbes ein durch Konsens ins Leben gerufener Souverän diese Funktion übernimmt. Im weiteren Verlauf seiner Argumentation beschuldigt Harrington Hobbes, die eben beschriebenen Grundsätze der Herrschaft zu ignorieren. Stattdessen sei für ihn die Behauptung des öffentlichen Schwertes entscheidend: „Leviathan […] hath caught hold of the public sword, unto which he reduceth all manner and matter of government“ – wer die Macht des Schwertes inne hat, regiert. Die Gesetze seien ohne die militärische Macht als Exekutive nur bloßes Papier, so zitiert Harrington Hobbes. Wie aus diesen Zitationen hervorgeht, greift Harringtons Hobbes-Interpretation zu kurz, insbesondere vor dem Hintergrund der Einführung des „authority“-Begriffes durch Hobbes und der hinterlegten Definition wird deutlich, dass keinesfalls das „public sword“ im „Leviathan“ das entscheidende Moment ist. Darüber hinaus verachtet Hobbes auch nicht die Gesetze – er sieht sie aber vor der Einsetzung des Souveräns schlicht als nicht existent an, denn erst mit der Schaffung des bürgerlichen Staates können zivile Gesetze überhaupt erst erlassen werden und dann gehen sie, wie alles, was die öffentliche Sphäre betrifft, aus dem Souverän und seiner absoluten „authority“ hervor. Natürlich verfügt bei Hobbes der Souverän auch über die militärischen Ressourcen; er ist der oberste Befehlshaber der Armee und kann sie potentiell auch zur Durchsetzung seines Willens bzw. seiner Gesetze einsetzen. Aber die Argumentation mit Macht ist nicht zentral für die Grundlegung des Staates bei Hobbes, sondern ein von allen Bürgern im Moment der Herrschaftseinsetzung geteilter Konsens mit Blick auf die beste Möglichkeit zur Wahrung des Friedens und der Sicherheit, der die Autorisierung des Souveräns nach sich zieht. Indem Harrington jedoch eine vollkommen andere, deutlich an die Antike angelehnte Definition von „authority“ einführt und diese auf die betreffenden Passagen im „Leviathan“ versucht anzuwenden, muss er Hobbes geradezu fehlinterpretieren – die Kluft zwischen beiden Definitionen ist einfach zu groß.
Harrington, Oceana, S. 11. Er bezieht sich auf: Livius, Historiarum, I, VII.
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Mit dem Rekurs auf die römische auctoritas für seinen „authority“-Begriff bricht Harrington mit dem in England zeitgenössisch-gängigen Verständnis von „authority“ als an das Konzept der potestas angelehnte, mit einem Amt verbundene Vollmacht.⁹² In dieser Hinsicht ist Pococks Beobachtung, dass Harrington erstmals in der englischen, republikanischen Theorie das Konzept der Achtung bzw. Ehrerbietung greifbar macht, zu teilen. Ohne dass Pocock den Gehalt und Stellenwert von „authority“ als Argument in der politischen Debatte der Zeit systematisch thematisiert, hat er doch die Bedeutung des Begriffes in der institutionellen Struktur des Harringtonschen Staates wahrgenommen. Etwas diffus schreibt Pocock, dass Unterlegene (also das „gemeine Volk“) naturgemäß die geborenen Führer anerkennen sollen – und trifft damit nur einen Teil von Harringtons „authority“-Konzept.⁹³ Denn neben den von der Natur gegebenen Befähigungen der „natural aristrocracy“ zählen bei Harrington noch andere Komponenten: ein Leben, das ehrenvoll geführt wurde und so Tugend generiert sowie eine umfangreiche Bildung, die mit Erfahrung gepaart zu Weisheit wird.⁹⁴ Geht man vom Verständnis des Senats als eine Art das Volk beratendes Gremium aus, so findet man zahlreiche Anknüpfungspunkte zu Hobbes’ Verständnis vom Rat, das ja ebenfalls an antike auctoritas erinnerte. Wesentliche Unterschiede werden jedoch auch deutlich, z. B. was die Größe und Besetzung des Rates betrifft, denn Hobbes sah den vertraulichen Rat einer qualifizierten Einzelperson als den bestmöglichen an. Hobbes’ Vorbehalte gegen eine große, öffentliche Ratsversammlung (wie sie auch das Parlament darstellte) verdankten sich vor allem seinem Misstrauen gegenüber der überzeugenden Rhetorik einiger weniger, redebegabter Mitglieder. Auch bei Harrington findet sich dieses Misstrauen, wird aber in eine gänzlich andere, konstitutionelle Form übersetzt: die am schweigenden, Großen Rat Venedigs angelehnte Volksversammlung.⁹⁵ Mit der
Eine so konnotierte „authority“ begegnet zwar auch (z. B. bei der Beschreibung der Vollmacht des Parlaments insgesamt), sie tritt aber nur sehr selten auf und hat nichts mit der minutiösen Herleitung und Definition der „authority“ durch Harrington gemein.Vgl. ebd., S. 112: „it is a matter requiring not only more leisure than we have, but an authority which may be better able to bow men unto a more general consent […] it is necessary that we refer it unto the parliament“. Ein weiterer, seltener Gebrauch von „authority“ bezieht sich direkt auf die Vorbildfunktion der antiken Gemeinwesen bzw. Venedigs für die Verfasstheit von Oceana. Vgl. ebd., S. 105. Vgl. Pocock, Machiavellian Moment, S. 395. Harrington beschreibt den Adel Oceanas im Vergleich zum Adel von Athen als überlegen was seine inneren Werte betrifft. Er definiert den Adel wie folgt: „Ours of Oceana have nothing else but their education and their leisure for the public, furnished by their ease and competent riches, and their intrinsic value which, according as it comes to hold weight in the judgement of the people, is their only way unto honour and preferment.“ Harrington, Oceana, S. 141. Vgl. Scott, Classical Republicanism, S. 76.
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strikten Trennung zwischen dem Senat und der Volksversammlung als eigenständige, dauerhafte Institutionen wird die Balance des Regierungssystems von Oceana hergestellt und erhalten.⁹⁶ Wird gegen diese, die Balance zwischen den drei gemischten Regierungsformen gewährende Ordnung verstoßen, das heißt eine öffentliche Debatte in einer Volksversammlung eröffnet, so schaltet sich der Kriegsrat als einer von vier durch den Senat errichteten Räten ein. Interessant ist, dass während andere Aufgaben den ausdrücklichen Befehl des Senats voraussetzen, die Festnahme, Untersuchung, Verhandlung und Verurteilung der Delinquenten dem Kriegsrat aufgrund seiner „proper power and authority and without appeal“ obliegt.⁹⁷ Für zeitlich begrenzte Ausnahmezustände war Harrington also einem eigenverantwortlichen Handeln, ja sogar der Wahl einer junta und eines Diktators nicht abgeneigt.⁹⁸ Letzterer Einschub verdankte sich sicher der realen Situation in England seit 1653 und war in diesem Sinn ein Zugeständnis an die Stellung Oliver Cromwells als Lord Protektor. Zudem gab es für die Wahl eines Diktators auf Zeit in außergewöhnlichen Notlagen, zum Beispiel während einer fremden Invasion, durchaus auch antike Beispiele. Harrington liegt jedoch daran, dieses Amt tatsächlich als zeitlich begrenzt darzustellen – in diesem Sinne richtet er die Passage über die freiwillige Abdankung Olphaus Megaletors als Handlungsvorbild direkt an Cromwell. Die Darstellung eines Regierungssystems der Balance richtet sich gegen die Politiker der „modern prudence“, also jene, die politische Lehren aus der jüngeren Vergangenheit und nicht aus der Antike ableiteten, zu denen auch Thomas Hobbes zu zählen ist.⁹⁹ Zudem bezog Harrington dezidiert Stellung gegen die Advokaten einer „mixed monarchy“ bzw. „king and parliament“-Regelung, die er als „some new ammunition or gunpowder“ bewertet.¹⁰⁰ Stets sei ein Organ in der
Vgl. Harrington, Oceana, S. 144. Ebd., S. 125. Eine Formulierung, die durchaus an die gängige Definition von „authority“ als Vollmacht erinnert. Der Unterschied scheint aber zu sein, dass der Kriegsrat für sein Intervenieren in diesem Fall keine gesonderte Weisung des Senats benötigt. Das Schweigen der abstimmenden Volksversammlung ist genau wie das „agrarian“ und das Prinzip der Rotation eine der Grundordnungen Oceanas. In dieser Hinsicht ist jeder Bürger verpflichtet, diese Grundordnungen zu verteidigen, was einen zusätzlichen Befehl wohl überflüssig macht. Somit regeln und legitimieren die Gesetze und nicht die Vollmacht des Senats das Vorgehen des Kriegsrates. Ebd., S. 129 ff. Vgl. Saracino, Republikanische Träume, S. 104. Die „modern prudence“ war bei Harrington der „ancient prudence“ der Römer, Griechen und Israeliten unterlegen und hatte das Mittelalter maßgeblich geprägt. In diesem Sinn räumt Harrington der mittelalterlichen Verfassung und seinem Adel nur wenige Leistungen ein. Vgl. Wordon, James Harrington, S. 85 f. Harrington, Oceana, S. 144. Harrington beschreibt die „gothic politicians“, also jene, die das mittelalterliche System der „mixed monarchy“ favorisierten, als fehlgeleitet. Diese Art der Re-
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Lage, das andere abzulösen, weshalb unausweichlich Streit um die Vormachtstellung zwischen beiden Organen ausbrechen müsse. Der Ausweg aus dieser Situation ist die Etablierung des Senats als einem von der Volksversammlung getrennten Rat.¹⁰¹ Die dem Senat zugeordnete Eigenschaft der „authority“ trennt ihn von der Kompetenz der Volksversammlung, dem Befehl („command“); wirkt beides zusammen, entsteht ein Gesetz. Dass der Senat jedoch eine über diese legislative Partizipation hinausgehende Bedeutung hat, wird an seinen zusätzlichen Befugnissen deutlich. So beruft er die Magistrate, die die Exekutive Oceanas sind und der Volksversammlung – wieder dem römischen Vorbild folgend – die Ratschläge des Senats vorlegen.¹⁰² Die Reichweite der „authority“ des Senats, die nun nicht mehr nur die persönliche Eignung der Senatoren zu beschreiben scheint, sondern ihre mit dem Amt verbundene Kompetenz (man könnte auch sagen: Vollmacht), beschreibt Harrington mit Blick auf die Befugnisse des Staatsrats: „And the council of state, proceeding upon the same in their natural course (whether by their own power if it be a matter within their instructions, or by authority of the senate thereupon consulted if it be a matter of state which is not in their instructions, or by authority of the senate and command of the people if it be a matter of law […] shall return such answers, advice or orders, as in any of the ways mentioned shall be determined upon the case.“¹⁰³ Harrington unterscheidet die Arbeit des Staatsrates innerhalb seiner natürlichen Grenzen und Befugnisse, die gemäß seiner Instruktionen festgelegt sind (also seine potestas), von Belan-
gierung stelle ein Ringen zwischen Adel und Monarch dar, bei dem die königliche Souveränität erhalten und zugleich die Freiheit des Volkes gewährleistet werden sollte – ein unmögliches Unterfangen, das für Harrington instabil und auf den falschen Grundlagen errichtet war. Zu den so kritisiertenAutoren können z. B. die Royalisten John Cary, Viscount Falkland, und John Colpeper (die Verfasser der „Answer to the Nineteen Propositions“) gezählt werden, die die gemischte Monarchie Englands und das Kooperationsprinzip zwischen den Ständen favorisiert hatten. Ein Royalist, der ein ausgesprochener Gegner Harringtons war, war Matthew Wren d. J., der Sekretär des Earl of Clarendon. (siehe Wren, Matthew, Considerations on Mr. Harrington’s Commonwealth of Oceana. Restrained to the first part of the Preliminaries, London 1657. Ders., Monarchy Asserted, Or the State of Monarchicall and Polular Government; in Vindication of the Considerations upon Mr. Harrington’s Oceana, London 1660.) Mit seiner Beurteilung der „mixed monarchy“ widersprach er aber auch ausgewiesenen Republikanern, wie Algernon Sidney, der die größere Freiheit und Autonomie der noblen Ahnen gelobt hatte, die zum Schutz der Rechte des Volkes eingesetzt wurden, deren Kompetenzen später aber verloren gingen. Vgl. Wordon, James Harrington, S. 86. Vgl. Pocock, Machiavellian Moment, S. 388. Ders., English Republicanism, S. 451 f. Hellmuth, Intellectual History, S. 159 f. Zur Idee und den Hintergründen der „ancient constitution“ vgl. Pocock, Ancient Constitution. Harrington, Oceana, S. 147. Ebd., S. 173 ff., 214, 237. Ebd., S. 214.
6.2 „Authority“ in James Harringtons „Oceana“
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gen, die eine darüber hinausgehende Autorisierung durch den Senat erforderlich machen. Wenn es sich um Angelegenheiten handelt, die mit dem Gesetz zu tun haben, kommt als autorisierende Instanz zudem die Volksversammlung hinzu, da Gesetze nur im Zusammenspiel zwischen Senat und Volksversammlung entstehen. Die Bedeutung der Volksversammlung ist somit klar auf die gesetzgeberische Tätigkeit, genauer auf den Vorgang der Abstimmung, beschränkt. Der Senat hat im Rahmen der geltenden Gesetze darüber hinausgehende Relevanz und kann bestimmte Ausweitungen der Verantwortlichkeiten der Räte eigenständig kraft seiner „authority“ festlegen.¹⁰⁴ In einer idealen Republik treffen, so hatte Harrington formuliert, „power“ und „authority“ zusammen; Gleiches gilt für den Senat und letztlich im Kleinen für jeden Menschen.¹⁰⁵ Mit der davon und von Platon¹⁰⁶ inspirierten Formel „princes should be philosophers“ reflektiert Harrington nicht nur den Zusammenhang zwischen diesen beiden Ordnungsprinzipien, sondern schafft auch die Voraussetzung für die Umkehrung der Formel und die Anwendung auf sich selbst: Philosophen, zu denen sich Harrington selbst sicher rechnete, sollten die Fürsten sein. Seine Beschreibung der „natural aristocracy“ passt treffsicher auf seine eigene Vita. Auch in dieser Hinsicht unterscheidet er sich nicht so sehr von Thomas Hobbes, der den Archetyp eines idealen Ratgebers beschrieb – und damit ebenfalls sich selbst meinte. Dies erklärt die von ihm beanspruchte Stellung, dem Volk in der Situation von 1656 zu raten, zumal er mehrfach seine Absicht betont, andere über ein dauerhaftes, gerechtes Regierungssystem und dessen Schaffung informieren zu wollen und nicht mit Kritik an bestehenden Strukturen spart.¹⁰⁷So Hierzu äußert sich Harrington auch in seiner „Rota“: „In Ausübung dieser Funktionen, die naturgemäß nur senatorial bzw. autoritativ sind, soll sich kein Rat irgendwelche Befugnis aneignen außer jener, die ihm durch Parlamentsgesetz verliehen ist.“Zum Einen kommen hier die Gesetze als Basis aller Regierungstätigkeit zum Ausdruck, zum anderen wird aber auch die Bedeutung des Senats deutlich, der jährlich neue Magistrate und Räte wählt. Harrington, Die Rota. Modell eines freien Staates, in: James Harrington. Politische Schriften, hg.v. Jürgen Gebhardt, München 1973, S. 140 – 156, hier S. 145, 147 f. Vgl. Harrington, Oceana, S. 19. Werden beide Prinzipien (virtue und law bzw. authority und empire) vom Gesetzgeber miteinander vereint, so reicht dieser am nähesten an das göttliche Werk bzw. die göttliche Absicht heran. Vgl. Platon, Politeia, Buch 5, 473 d. Dazu: Spaemann, Robert, Die Philosophenkönige, in: Platon, Politeia, hg.v. Ottfried Höffe, Berlin 2011, S. 121– 133. Ebd., S. 241. In seiner Schrift „A parallel of the spirit of the people, with the spirit of Mr. Rogers“ rechtfertigt er seine Tätigkeit als Autor in diesem Sinn: „A people that can live of themselves, neither care for king nor Lords, except through the meer want of inventing a more proper way of Government; which till they have found, they can never be quiet: wherefore to help a people at this straight, is both the greatest charity to our neighbor, and the greatest service that a man can do unto his countrey.“ Harrington, James, A parallel of the spirit of the people, with the
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6 Ausblick – „authority“ im Sprachgebrauch nach 1651
sieht Pocock seine „Oceana“ vor allem als Reflex der Unzufriedenheit mit dem Protektorat und besonders mit der Verfassung der „Humble Petition and Advice“, die die Stellung Cromwells noch einmal neu definierte.¹⁰⁸ Auch wenn Harrington in historischer Perspektive großen Einfluss auf die politische Philosophie hatte,¹⁰⁹ wurde er nach der Publikation der „Oceana“ durchaus kritisiert, besonders scharf von Matthew Wren, dessen Widerlegung fast gänzlich auf Hobbesschen Argumenten basierte.¹¹⁰ Unter anderem wurde ihm vorgeworfen, mit seiner (vordergründigen) Lobhudelei gegenüber Cromwell einen Posten im Betrieb des Protektorats für sich herausschlagen zu wollen. Darauf antwortete Harrington höhnisch: „Now because I want an Office, I shall shew my Parts unto my Countrey, and how fit I m for the white Staff or long Poll of so worshipful a Preferment. Ridiculus ne sis, esto.“¹¹¹ Wren verriss ihn aufgrund des utopischen Charakters seiner Schrift als „Armchair legislator“ – ein Vorwurf, der das zeitgenössische Desinteresse am utopischen Genre widerspiegelt.¹¹² Mit dem Kollaps des Protektorats sah Harrington, der sich der logischen Überzeugungskraft seines Gesellschaftsentwurfes sicher war, erneut die Chance für die Einsetzung einer Republik gekommen. Auch in einigen Zeitungen wurden seine Ideen in dieser Zeit vielfach abgedruckt und insbesondere von der Armee-
spirit of Mr. Rogers. And an appeal thereupon unto the reader, whether the spirit of the people, or the spirit of men like Mr. Rogers, be the fitter to be trusted with the government, London 1659, S. 2. Vgl. Pocock, Introduction, S. IX. Nahezu alle Autoren, die sich nach den 1650er Jahren über Verfassungsfragen äußerten, fielen in der einen oder anderen Weise unter den Einfluss Harringtons, so z. B. der Gründer der Kolonie Pennsylvania William Penn (1644– 1718), John Locke (1632– 1704), John Wildman, Walter Moyle (1672– 1721), John Trenchard (1668/9 – 1723), Robert Harley (1661– 1724), Henry St. John, 1. Viscount Bolingbroke (1678 – 1751), William Blackstone (1723 – 1780), David Hume (1711– 1776), Montesquieu (1689 – 1755) sowie die Vertreter von Whigs und Torys gleichermaßen. Vgl. Rahe, Antiquity Surpassed, S. 260 ff. Das in der „Oceana“ greifbare Sendungsbewusstsein, also die Überzeugung, Gott habe England auserwählt, um die Welt von den kranken und korrupten Monarchien zu befreien und das System von „Oceana“ einem göttlichen Plan folgend in die Welt zu exportieren, hat somit zumindest zum Teil Fuß gefasst. Vgl. Wordon, James Harrington, S. 101. Rahe zieht treffend folgendes Fazit: „Harrington was, in fact, the first to apply the institutional analysis of politics pioneered by Machiavelli and the new political science of Hobbes to the task of constructing a viable, modern, constitutional republican order.“ Rahe, Against, S. 346. Vgl. Metzger, Hobbes und die Englische Revolution, S. 167 f. Wren, Considerations. Ders., Monarchy Asserted. Latein für „Mach dich nicht lächerlich“. Harrington, The prerogative of popular government, Preface. Vgl. Pocock, Introduction, S. XVII.
6.2 „Authority“ in James Harringtons „Oceana“
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führung, die über das weitere Vorgehen beratschlagte, diskutiert.¹¹³ Alle verheißungsvollen Möglichkeiten, aber auch die Verwirrung seiner Landsleute angesichts der konstitutionellen Herausforderungen, fasste Harrington wie folgt zusammen: „Now if a Monarchy (as most likely, because most obvious) be set up, it can be no settlement, because it is quite contrary unto the Balance of the Nation; and so they mend nothing, but made greater confusion: and a Commonwealth or Democracy consisteth of such Orders and such Novelties in this Land, as will never be light upon by an Assembly, nor credited by such as are unexperienced in the Art: so that this Nation going thus far about, will come but unto that very point, where it now stands at gaze, or to far greater confusion“.¹¹⁴ Mit diesem Zitat wirbt er für sein Konstrukt der „Oceana“ – und zugleich für seine eigene Person als in der politischen Kunst erfahrenem Ratgeber. Im Unterschied dazu charakterisiert er die politischen Akteure: „such an one as hath no experience or knowledge in these [proper political orders], hath a towardness, that is altogether childish: what they find uneasie, they tear off, and throw away; as in the late War“.¹¹⁵ Nach dem Abstreifen der alten Ordnung steht das Volk, welches vorwiegend aus politisch Unerfahrenen besteht, rat- und schutzlos da und kehrt schnell wieder zu alten gewohnten Mustern zurück. Dieser Beurteilung seiner Zeitgenossen schließt sich die bereits resigniert wirkende, pessimistische Eischätzung an, „That the people of this land have an aversion from Novelties or Innovations, that they are incapable of discourse or reasoning upon Government, that they do not understand the true Form of a Free and Equal Commonwealth, is no impediment unto them, nor excuse unto wise and honest men, why they should not be imbarqued.“ Schließlich fordert er die aktuell Regierungsverantwortlichen auf, eine neue Regierung – ein „well ordered Commonwealth“ – zu errichten, oder andernfalls ein unsicheres Leben zu führen, dem ein verhängnisvolles Andenken im Tod folgt.¹¹⁶
Vgl. Woolrych, Austin, Introduction, in: Complete Prose Works of John Milton, hg.v. Don M. Wolfe, New Haven, London 1953 – 82, S. 7. Davies, J. C., Utopia and the Ideal Society. A Study of English Utopian Writing, Cambridge 1981, Kap. 9. Harrington, A discourse shewing, that the spirit of parliaments, with a council in the intervals, is not to be trusted for a settlement: lest it introduce monarchy, and persecution for conscience, London 1659, S. 4. Ebd., S. 6. Ebd., S. 7, 9.
7 Fazit Die Frage nach der „authority“ des Souveräns, also seiner Berechtigung zum Herrschen, wurde Mitte des 17. Jahrhunderts in England viel diskutiert. Sie war der Schlüssel zu einem legitimen Handeln der Regierung, das auch von den Untertanen als solches anerkannt wurde und es damit den Machthabern ermöglichte, Gehorsam und Gefolgschaft einzufordern. Gerade in der Zeit der politischen Umwälzung, die dem Bürgerkrieg folgte, konnte sich kaum ein zeitgenössischer Autor der Argumentation mit „authority“ entziehen. Dass dieser Begriff in den Debatten der 1640er und 1650er Jahre so prominent war, verwundert kaum angesichts seiner traditionellen Bedeutung als Vollmacht der englischen Könige, wie sie etwa in den Proklamationen der Tudors und Stuarts festzustellen ist. Die aufs Engste mit dem königlichen Amt verbundene „regal authority“ der englischen Monarchen bildete nicht nur deren zentrale Kompetenz, sondern ließ aufgrund der verschiedenen, vom König ausgehenden Autorisierungen auch die staatliche Hierarchie entstehen. Dabei beinhaltete die Vorstellung von der königlichen „authority“ auch eine Absage an die Vollmacht der Kirche, wie dies unter anderem an den Schriften König Jakobs I. deutlich wird. Stattdessen herrschte ein Verständnis des königlichen Amtes vor, das weltliche und sakrale Vollmachten in sich vereint – ganz so, wie es auch die ikonographische Beschreibung der „Autoritá“ bei Césare Ripa impliziert. Die Verbindung zwischen dem Begriff der „authority“ und der inhaltlichen Füllung der antiken potestas im Sinne einer an ein Amt geknüpften Vollmacht wird hier deutlich. Bis zum Jahr 1642 erhielt sich diese eng mit dem König verbundene Auffassung der „authority“ aufrecht. Auch wenn vor dem Hintergrund der historischen Entwicklungen der Zeit, die immer stärker auf einen bewaffneten Konflikt zwischen König und Parlament hindeuteten, bereits die Stellung des Königs als über den Ständen stehendes, nicht an die Landesgesetze gebundenes Staatshaupt mitsamt seiner Vorrechte kritisiert wurde, so war die „authority“ im Land dennoch unverbrüchlich mit dem König verbunden. In diesem Sinn leitete auch das Parlament seine Handlungsvollmachten immer noch direkt vom König ab; seine Weisung autorisierte alle Vertreter der staatlichen Verwaltung, von der höchsten bis hinab in die niederste Ebene kommunaler Administration. Auch Henry Parker kritisierte in seiner Schrift „The Case of the Shipmoney“ von 1640 zwar bereits die Praxis der Gesetzgebung und forderte eine Umstrukturierung der hierfür mitverantwortlichen, im Parlament vertretenen Stände, die den König als gleichberechtigten Part einer dreigeteilten Regierung bestehend aus König, Ober- und Unterhaus vorsah. Die „authority“ Karls I. wurde jedoch noch nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Gleiches gilt für die Beschwerdeschrift „Grand Remonstrance“ https://doi.org/10.1515/9783110659498-009
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7 Fazit
(1641), die Karl I. die „unity and justice of your authority“ verbriefte. Zugleich wurde in der „Remonstrance“ auch die Bedeutung des Parlaments als großer Rat des Reiches hervorgehoben und der König als von schlechten Beratern beeinflusst dargestellt – eine Argumentation, die ohne direkten Angriff auf die Person des Königs doch eine deutliche Kritik ermöglichte und letztlich die Dekonstruktion seiner Stellung im Staatsgefüge vorbereitete. Mit der „Militia Ordinance“ von 1642 änderte sich das Vorgehen des Parlaments und wurde offensiver: Nicht mehr der König autorisierte die Armee, sondern die „power“ und „authority“ hierzu liege nun bei den beiden Parlamentshäusern, die zusammengenommen den König überstimmen können. Auch in den „Nineteen Propositions“ des Parlaments wird dessen erstarktes Selbstvertrauen deutlich, denn Gesetze sollten fortan nicht mehr aufgrund der „authority“ des Königs zustandekommen, sondern nur noch mit parlamentarischer Zustimmung. Damit stellte sich das Parlament selbst nicht mehr nur als großer Rat des Reiches dar, sondern als Entscheidungsträger, dessen Vollmacht nicht mehr durch den König erteilt wurde, sondern aus sich selbst heraus bestand (aufgrund der Selbstinszenierung als Vertretung des Volkes, welches der wahre Souverän ist). Gewissermaßen begegnet hier also die Umkehrung der Abhängigkeitsverhältnisse zwischen König und Parlament, wobei letzteres nicht mehr auf die Autorisierung durch den König angewiesen ist. Karl I. befand sich in einem Dilemma, das sich auch an seiner „Answer to the Nineteen Propositions“ ablesen lässt. Einerseits betont er seine königliche „authority“, andererseits ist er gezwungen, auf die Forderungen des Parlaments einzugehen, das Tatsachen schuf ohne die Autorisierung des Königs abzuwarten oder auch nur anzuerkennen – so trat zum Beispiel die „Militia Ordinance“ trotz des königlichen Vetos in Kraft. Um das Parlament in seiner angemaßten Stellung anzugreifen, versuchte Karl I. seine Legitimation zu bestreiten, indem er die eigene „legal authority“ der illegalen „upstart authority“ des Parlaments gegenüberstellte. In diesem Sinn betonte der König die eigene Bedeutung für die Verabschiedung von Gesetzen. Trotz der Tatsache, dass Karl I. in der Situation von 1642 kaum andere Argumentationsspielräume blieben, eröffnete seine Anerkennung der de facto„authority“ des Parlaments diese Ebene der Legitimation für seine Gegner, die sich in der Folge immer weiter von der königlichen Vollmacht emanzipierten. Henry Parker gab in seinen „Observations“ dem Gedanken, dass alle Macht beim Volk liegt und von diesem auf den Herrscher übertragen wird, großen Raum. Das Parlament tritt als Verwirklicher des Volkswillens auf, der König ist in dieser Konstellation unterlegen, da er zwar „singulis maior“, aber „universis minor“ ist. Der Zweck des Gemeinwesens ist, wie auch später immer wieder betont wird, das Gemeinwohl – dies umzusetzen, bedarf es nun aber nicht mehr zwangsläufig eines Königs. Zwar nutzte Parker den „authority“-Begriff zur Beschreibung der Genese des Staates, er legte ihn aber deutlich gegen das traditionelle Verständnis
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aus: Die rechtmäßige Vollmacht liegt aufgrund des soeben beschriebenen Anspruchs der Volksrepräsentation nicht länger beim König, sondern beim Parlament. Natürlich wurde diese formale Umkehrung des „authority“-Prinzips nicht widerstandlos hingenommen. So betonte Dudley Digges 1643 in seiner Schrift „The Unlawfulnesse of Subjects taking up Armes against their Soveraigne“, dass alle Untertanen ihre „private strength“ an den Herrscher – also den König – übertragen haben, wodurch eine „publique authority“ entstanden sei. Auffällig ist, dass Digges der „authority“ ebenfalls eine rechtliche Komponente zuordnet, ganz wie dies auch schon in der königlichen „Answer“ deutlich wurde: „authority“ ist die Gesamtheit der „legal power“, Macht also das Recht zur Nutzung der „authority“. Verbunden mit der Absage an die Vorstellungen der „mixed monarchy“, die die Gleichberechtigung von König und beiden Parlamentshäusern vorsah, der Betonung der rechtlichen Immunität des Königs und der Negierung des Widerstandsrechts der Untertanen nach einmal erfolgter Autorisierung des Souveräns ist Digges Instrumentalisierung der „authority“ als deutliche royalistische Positionierung und Schlag gegen jene Parlamentsautoren zu werten, die die traditionell monarchische Kompetenz der „authority“ für sich beanspruchen wollten. Ebenfalls für die überlegene Vollmacht des Königs argumentierten Patriarchalismus-Theoretiker wie Robert Filmer und John Maxwell. Bei ihnen diente die von Gott installierte Ordnung der Familie mit dem Vater als Haupt und Herrscher als Vorbild für die Herrschaft über einen Staat. Der König hat abgeleitet vom göttlichen Naturrecht als pater familias die uneingeschränkte Vollmacht über seine Untertanen, wobei es bei Maxwell keine Trennung gibt zwischen „authority“ und „regal power“. In eine ganz andere Richtung ging die Argumentation Edward Sexbys, der die „authority“ ausschließlich im Unterhaus verortete, das allein sich Volksvertretung nennen dürfe, sei es doch die einzige, durch Wahlen eingesetzte Institution. Sexbys während der Putney Debates geäußerte Betonung der Freiheit und des weit gefassten Wahlrechts als ursprüngliche Hauptgründe der englischen Bürger, die Waffen gegen den König erhoben zu haben, war zwar in dieser Klarheit ein Grund für die scharfe Kritik Cromwells an Sexby.¹ Die Darstellung des Volkes als zentralem Legitimationsfaktor begegnet aber ganz massiv auch in den Debatten der Armee, die sich Oliver Cromwell zufolge als vom Volk beauftragtes Korrektiv im Konflikt zwischen König und Parlament sah. Keine Regierung sollte einen absoluten Status haben, so Richard Overton während der Putney Debates. „Authority“ sei zwar grundlegend die Kompetenz des Souveräns, dieser könne aber ver-
Vgl. Marshall, Alan, Sexby, Edward, in: ODNB, https://doi.org/10.1093/ref:odnb/25151, Stand 05.04. 2020.
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schiedene Formen haben, zudem sei alle politische „authority“ stets limitiert (John Lilburne). Analog zu den Überlegungen Henry Iretons zur Gültigkeit des „Solemn Engagement of the Army“ kann für den größeren, staatlichen Kontext gefolgert werden, dass die grundlegende Zustimmung des Volkes, das heißt jedes einzelnen Mannes, das Moment ist, das die souveräne „authority“ verbindlich macht. Dabei standen die Disputanden der Putney Debates vor einem ähnlichen Dilemma, wie Karl I. bei der Frage, wie seine Antwort auf die „Nineteen Propositions“ ausfallen sollte. Einerseits erkannte man „authority“ traditionsgemäß als königliche Kompetenz an, andererseits wollte man sich gleichsam von ihr distanzieren, was aber nur über ihre Thematisierung erfolgen konnte. Der wesentliche Auftrag der Armee sei der Schutz des Volkes, womit sie in Einklang mit dem Hauptgrund des Bestehens eines Staates stünde, der denselben Zweck zu erfüllen habe. Auf der Überlegung, welche Regierung den größten Nutzen für das Volk habe, basiert die Loyalität der Armee – offenbar war das Parlament der beste Garant für die Sicherstellung des Staatsauftrags, denn Cromwell erkannte während der Putney Debates dessen „authority“ an. Die New Model Army hatte aufgrund ihres Vorgehens gegen Karl I. und seine Truppen auch keine andere Wahl, als sich diesem Legitimationsmuster unterzuordnen. Eine Ausnahme bildet Francis White, der außer dem Schwert keine andere „authority“ in England mehr gegeben sah – wer die militärische Macht hatte, die Herrschaft an sich zu reißen, der herrschte kraft eigener „authority“. In diese Richtung ging auch die Argumentation eines anonymen Fürsprechers der Armee, der „authority“ als Legitimationsbasis egal für welche Regierungsform ablehnte. Stattdessen legitimiere der Zweck, also der Schutz des Volkes, auch die Mittel – womit das Vorgehen der Armee gemeint war. In diesem Sinn tritt „authority“ als überkommene Formalie der traditionellen Ordnung in den Hintergrund. Dem stimmten auch John Wildman und John Lilburne zu, wenn sie sagten, dass es keine „legal authority“ mehr im Staat gebe. Das alte Muster der Ableitung der obersten „authority“ im Staat von Gott sei „broken in pieces“ (Wildman), stattdessen seien nun Neuwahlen angebracht, um dem politischen Handeln eine neue Legitimationsgrundlage zu geben. Die Frage danach, wer die rechtmäßige Vollmacht in England innehat und warum, veranlasste zahlreiche Autoren zu den unterschiedlichsten Wortmeldungen. Die von Karl I. in seiner „Answer“ gemachte Unterscheidung zwischen legaler und illegaler „authority“ blieb aber vielfach prägend und wurde auf diverse Modelle angewandt. So verortete William Prynne in seiner „Protestation“ die „principal authority and Judicatory“ bei der zweigeteilten Regierung zwischen König und Parlament. Die Aufrechterhaltung dieser Struktur garantiere bzw. sei die rechtliche Vollmacht. Die Anmaßung der Commons, als alleinige Volksvertreter die gesamte Vollmacht für sich zu beanspruchen, kritisierte Prynne heftig als Usurpation und Tyrannei – die zuvor von parlamentarischer Seite gegen Karl I.
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vorgebrachten Anschuldigungen wurden nun für das vermeintlich demokratischste Element der englischen Verfassung gebraucht. Trotz des schriftlichen Ringens um „authority“ und der vielfachen Versuche eingeschworener Royalisten, die Sache Karls I. und seine Stellung zu verteidigen, war sein Schicksal nach der erneuten Niederlage im Zweiten Englischen Bürgerkrieg besiegelt. Der eigens für seinen Schauprozess ins Leben gerufene High Court of Justice hatte nach eigener Aussage „authority enough“ (abgeleitet vom Volk, in dessen Vertretung das Gericht handele), um einen gesalbten König von Gottes Gnaden zu verurteilen. Auch wenn ihm Karl I. während seines Prozesses bis zuletzt eben jene Kompetenz hartnäckig absprach und die Frage nach der „authority“ zum Scheidepunkt für die Ordnung im Staat und die Freiheit der Untertanen stilisierte, half ihm das doch angesichts der Entschlossenheit seiner Richter, dem König die alleinige Schuld am Bürgerkrieg zu geben, wenig. Robert Bennetts „King Charle’s trial justified“ lieferte im Anschluss an den Prozess denn auch die vollständige Umkehrung des traditionell-monarchischen Verständnisses der „authority“ und der mit ihr einhergehenden Mechanismen der Autorisierung. Auch er verortete die Quelle der „authority“ im Volk, dessen alleiniger Repräsentant das Unterhaus sei. Diese bereits von Edward Sexby bekannte Argumentation wurde von Bennett jedoch noch weiter getrieben: Das Parlament stehe über dem König und habe ihm seine Vollmacht erst verliehen. Keine Spur mehr von der königlichen „authority“, die der Ausgangspunkt aller staatlichen Handlungen ist und Vertreter und Beamte autorisiert. Vor diesem Hintergrund ist auch die Aneignung der „supreme authority“ durch das Parlament im „Act Abolishing the Office of King“ zu verstehen. Dass die Royalisten auch nach der Hinrichtung Karls I. das Vorgehen des Parlaments nicht unkommentiert ließen, ist klar. Das bedeutendste Werk in diesem Kontext war „Eikon Basilike“, das nach wie vor die Legitimität der königlichen „authority“ betonte, von der das Parlament seine Stellung und Vollmachten lediglich abgeleitet habe. Die Unschuld und das Recht des hingerichteten Königs werden in Gegenüberstellung der mannigfaltigen Gesetzesverstöße des Parlaments betont. Um seine Machenschaften zu decken, habe das Parlament seine „authority“ bloß vorgetäuscht, denn die Quelle der Regierungsvollmacht sei keineswegs das Volk, sondern Gott. Indem das Parlament behauptete, kraft der „authority“ des Volkes zu handeln, sei es in Wahrheit zu dessen Unterdrücker geworden. Die Antwort des inzwischen gesäuberten und von den Lords befreiten Rumpfparlaments blieb nicht aus; John Miltons „Eikonoklastes“ ging auf die vielfache Betonung des Rechtscharakters der königlichen Vollmacht im Vergleich zur illegalen und angemaßten „authority“ des Parlaments ein, indem er konstatierte, dass die Gesetze die oberste „authority“ im Land darstellen. Allein von den
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Gesetzen hängt die „authority“ aller Fürsten und Herrscher ab – Karl I. habe aufgrund seiner Gesetzesverstöße selbst den Verlust seiner königlichen Kompetenzen verschuldet und konnte deshalb auch rechtmäßig hingerichtet werden. Grundlage für eine solche Argumentation war natürlich die Vorstellung, dass auch der König den Gesetzen unterstehe, das heißt, keine Immunität habe. Dass die Position des Königs in der Situation einer gerade erst abgeschafften, jahrhundertealten Monarchie nicht ganz so einfach wegzuargumentieren war, zeigen Miltons mannigfaltige Versuche, neben ihrer theoretisch-legalen Entkräftung auch die Person des Königs zu diskreditieren und damit gleichsam seine „authority“ anzugreifen. Dadurch wird aber auch deutlich, dass diese Kompetenz immer noch ganz wesentlich mit dem Amt und der Person des Königs verbunden war. Milton bemühte sich dennoch, die Abgeordneten des Rump als Vertreter des Gesetzes darzustellen und ihnen auf dieser Basis „legal authority“ zuzuordnen. Dafür versuchte er, historische Präzedenzfälle zu finden und die Rechtmäßigkeit des Parlaments zu belegen. Zum Ende seines „Eikonoklastes“ wird immer mehr das Volk, das heißt das Parlament, zum locus der „authority“, das dem König seit jeher seine Rechte gewährt habe. Dieses Verhältnis sei im Krönungseid abgebildet gewesen, der laut Milton gleichsam einen Vertrag darstellte, den der König gebrochen habe – womit er all seine Rechte selbstverschuldet verloren habe. Im Nachgang zu Miltons Verteidigung des Rump, der zu seiner Entstehung führenden Entwicklungen und seiner Legitimation, äußerten sich auch andere Autoren zur Rechtmäßigkeit des neuen Regimes und der Notwendigkeit einer Unterordnung unter dasselbe. Die sogenannten Engagers, unter ihnen Marchamont Nedham und Anthony Ascham, plädierten für die Unterordnung unter diejenige Macht, die de facto den besten Schutz der Bevölkerung gewährleisten kann. Ascham verband die Kompetenz der „authority“ ganz eindeutig mit dem Amt des Herrschers – und dissoziiert sie so vom König, da dieser nicht mehr der Inhaber dieses Amtes war. Gott blieb bei Ascham zwar die Quelle der „authority“, das Schicksal Karls I. sei aber gleichsam als göttlicher Fingerzeig zu beurteilen; ein Argument, mit dem die Hinrichtung des Königs gerechtfertigt wurde und die Autorisierung kraft göttlicher Weisung – also das „divine right of kings“ – von Königen als den einzig möglichen Inhabern der Souveränität abgekoppelt wurde. Mit der Verbindung zwischen natürlicher und künstlicher Person des Königs schafft Ascham zudem die Schlussfolgerung, dass der politische Tod Karls I. seinen zivilen Tod notwendigerweise nach sich ziehen musste. Die „old legal authority“ wird als überkommenes Attribut der Monarchie beschrieben; stattdessen sei nun Macht zugleich „authority“ – lediglich die Realisierung des Gemeinwohls verleiht einer Regierung egal welcher couleur ihre Rechtmäßigkeit. Aus dieser Argumentation geht aber auch hervor, dass Ascham sich sehr genau der Bedeutung der „legal authority“ als klassischem Argument der Royalisten
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gewahr war und wusste, dass das Rump aufgrund seiner Entstehungsgeschichte diese Kompetenz gezielt nicht die Anwendung dieses Arguments für das Rump, sondern betont stattdessen seine aktuelle „supreme power“. Dem widersprachen naturgemäß royalistische Autoren wie Richard Hollingworth, der „authority“ für die Herrschaft im Staat als unumgänglich ansah. Zwar taucht auch bei ihm diese Kompetenz bei der Beschreibung des Rump auf – ganz wie es seit der „Answer to the Nineteen Propositions“ des Königs seit 1642 immer wieder begegnet – jedoch stets nur als „authority against/without right“. Zudem betonte er den Engagers zum Trotz, dass „authority“ sich nicht mit Stärke oder Macht gleichsetzen lässt. Interessant ist auch zu sehen, wie wenig Mitbestimmungsrecht die Verteidiger des Rump dem Volk einräumten, das sie ja immer wieder als Basis ihrer Ansprüche anführten. Ascham schrieb, dass dem Volk die Form seiner Regierung egal sein kann, solange es nur von ihr geschützt wird. Hollingworth weist mit der Nennung eines „Agreement“ zwischen Herrscher und Volk letzterem mehr Bedeutung zu. Zudem verneint er die Möglichkeit einer Gefolgschaft gegenüber einer unrechtmäßig – also ohne „authority“ – zustande gekommenen Regierung. Hollingworths Argumentation scheint eine gewisse Wirkkraft entfaltet zu haben, denn Ascham überdachte in seiner Antwort seine Strategie noch einmal: Statt „authority“ generell unberücksichtigt zu lassen, unterschied er nun zwischen der gerechten Regierung des Königs und der ungerechten Regierung des Rump, er zieht für beide Formen jedoch den Schluss, dass ihnen aufgrund der „necessity“ gefolgt werden muss. Ascham ist und bleibt ein Factoist, dennoch war er gezwungen, offensiv mit der fehlenden „authority“ des Rump umzugehen. Auch Marchamont Nedham trat als ein Verfechter der Unterwerfung unter die de facto-Regierung dafür ein, dass die Grundlage jeder Regierung Gewalt ist. Zunächst schafft militärische Stärke in Kriegszeiten den Titel zur Herschaft, in Friedenszeiten erhält das neue Regime dann automatisch auch „authority“. Auch bei ihm spielt das Volk im Grunde keine Rolle; es sei kein „call“ des Volkes nach seiner Regierung nötig, wie dies Hollingworth einräumte. Im zeitgenössichen Horizont dieser Diskussion um „authority“ veröffentlichte Thomas Hobbes nun 1651 seinen „Leviathan“. Wie gezeigt werden konnte, nimmt „authority“ bei ihm im Sinne einer an das Amt des Souveräns gebundenen, rechtlichen Handlungsbefugnis einen immensen Stellenwert innerhalb seiner Staatsphilosophie ein. Sie ist die zentrale Kompetenz, die von jedem Menschen im Moment der Staatsgründung über den covenant irreversibel auf den Herrscher übertragen wird und dient in der Folge aufgrund der von Hobbes beschriebenen Autorisierungsmechanismen zur Beschreibung der gesamten, staatlichen Hierarchie. Indem Hobbes „authority“ als Recht auf Handlung beschreibt, knüpft er deutlich an den bereits seit Beginn der 1640er Jahre bestehenden Diskurs an, in dem es ja immer wieder um die Frage nach der „lawful authority“ ging. Auch im
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„Leviathan“ ist der zentrale Zweck eines jeden Staatswesens die Sicherung des Friedens und damit verbunden der Schutz der Untertanen. In einer „mixed monarchy“ sieht Hobbes diese Ziele jedoch als gefährdet an und auch eine an den antiken Gemeinwesen orientierte Demokratie führe letztlich zum Chaos und damit zurück in den Urzustand des „bellum omnium contra omnes“. Was Hobbes wollte, war die Sicherstellung einer staatlichen Ordnung, die er zentral mit „authority“ verknüpfte, während alle Handlungen der Individuen vor der Staatenwerdung von ihm mit Macht, Gewalt oder Stärke beschrieben werden. Hobbes machte hier also denselben Unterschied, den auch Richard Hollingworth berücksichtigte, als er Aschams Gleichstellung zwischen „authority“ und Stärke negierte. Auch eine Anbindung an Dudley Digges ist wahrscheinlich, der analog zu Hobbes’ Herrschaftsvertrag die Übertragung der „private strength“ als Vorbedingung zur Ausbildung einer „public authority“ beschrieb. Die Anknüpfung Hobbes’ an das traditionelle „authority“-Verständnis der englischen Monarchen, wie es aus den „Royal Proclamations“ herausgearbeitet werden konnte, ist meiner Ansicht nach ein deutlicher Fingerzeig für die Interpretation von Hobbes’ „Leviathan“, besonders was die Ausrichtung der Schrift betrifft. Als Befürworter der absoluten Souveränität eines Einzelherrschers war ihm daran gelegen, dem widersprechende Modelle zu diskreditieren – was seine Angriffe zum Beispiel auf die „Democratical Gentlemen“ nachvollziehbar macht. Zwar wurde sein Royalismus auch als einer republikanischen Revision ausgesetzt beschrieben (Paul Rahe), zudem wurde ihm eine gewisse Nähe zu den Engagers unterstellt. Es ist aber auffällig, dass zentrale Argumente sowohl von Republikanern wie John Milton, als auch von den Verfechtern des „Engagement“ Marchamont Nedham und Anthony Ascham bei Hobbes auf deutlichen Widerspruch treffen. So betonte zwar Milton, dass das Gesetz ausschlaggbend für die „authority“ des Fürsten sei bzw. diese überhaupt erst konstruiere. Dass bei ihm aber der Fürst (Karl I.) aufgrund der Gesetzesverstöße auch seine „authority“ verspielt habe und dadurch rechtmäßig hingerichtet werden konnte, widerspricht einer ganz wesentlichen Einsicht Hobbes: der rechtlichen Immunität des Souveräns, der nicht an die Gesetze gebunden ist und deshalb auch gar keine Verstöße begehen kann. Hintergrund ist die Trennung zwischen der natürlichen und der künstlichen Person des Souveräns, wobei letztere den Staat meint bzw. verkörpert. Bei Ascham hatte es eine solche Trennung beispielsweise nicht gegeben, weshalb er mit dem politischen Tod des Königs dessen natürlichen Tod als logischen nächsten Schritt darstellte. Nicht nur in diesem Punkt, sondern auch bezogen auf die Straffreiheit der Souveräne widersprach Hobbes vehement und auch hier spielt „authority“ eine zentrale Rolle. Der von jedem Einzelnen autorisierte Souverän übt all seine Handlungen kraft des Rechts jedes Individuums aus und zugleich in seinem Namen – den Souverän zu bestrafen, wäre daher dasselbe, wie sich selbst zu
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bestrafen und deshalb unsinnig. Ein weiteres Beispiel für einen zentralen Widerspruch findet sich zwischen Hobbes und Nedham. Letzterer hatte einen wie auch immer gearteten Auftrag des Volkes zur Regierungsbildung als unnötig markiert. Stattdessen entscheide die Macht des Schwertes über die Herrschaft, die sich automatisch „authority“ aneigne. Zwar stimmt es, dass auch Hobbes die Möglichkeit der Aneignung der Herrschaft durch Usurpation berücksichtigte und eine legitime Unterordnung im Nachgang einer militärischen Eroberung als rechtmäßig beschrieb. Allerdings ging er auch für dieses, nicht den Regelfall darstellende Szenario von der nach der Eroberung erfolgten Autorisierung des neuen Herrschers durch jeden einzelnen Untertan aus. Das Volk spielt in seiner Logik also einen ganz wesentlichen Teil bei der Staatswerdung – ein großer Unterschied zu Nedham. Zudem kann Nedhams Instrumentalisierung des lateinischen Begriffs imperium auch einen Hinweis darauf liefern, warum sich Hobbes so dezidiert mit der Herleitung der „authority“ auf allen denkbaren Ebenen eines Gemeinwesens beschäftigt hat. Denn imperium bildete in der römischen Antike die (zeitlich begrenzte) militärische Befehlsgewalt ab – ein Zusammenhang, auf den sich Nedham ganz eindeutig bezog. Nedham ist als Advokat des Rump sicher zu jenen Autoren zu rechnen, die Hobbes unter der Bezeichnung der „Democratical Gentlemen“ kritisierte und die viele ihrer Ideen direkt aus den antiken Gemeinwesen und den Klassikern der antiken Gelehrsamkeit bezogen. Dass vor allem die Römische Republik für sie ein Fundus an Ideen darstellte, verwundert nicht. Für das Funktionieren der antiken Republik waren einige Kernelemente von unschätzbarem Wert, unter anderem imperium, aber auch potestas und auctoritas. Wie in der vorliegenden Untersuchung gezeigt werden konnte, bezog sich Hobbes für sein „authority“-Konzept ganz maßgeblich auf den Inhalt der antiken potestas, also der an ein Amt gebundenen Vollmacht. Er bezog dieses Konzept mehr als alle anderen auf den Souverän; räumte hingegen der eng mit den römischen Senatoren verbundenen auctoritas nur in seinem Kapitel „Vom Rat“ einen Platz ein. Und auch dieses Kapitel ist ein deutlicher Schlag gegen die Verfechter der Befugnisse des Parlaments in seinem Selbstverständnis als großer Rat des Reiches. Zwar hatte sich, soweit es sich für die von mir untersuchten Quellen sagen lässt, kein Autor bislang dezidiert mit der klassischen auctoritas auseinandergesetzt und diese Kompetenz versucht, für das Parlament bzw. später das Rump nutzbar zu machen. Aber vielleicht ließ Nedhams deutlicher Bezug auf das antike imperium Hobbes aufhorchen und veranlasste ihn quasi zu einem Präventivschlag gegen ihn und andere Verehrer der Antike, mit dem er ganz deutlich machte, was „authority“ im Zusammenhang mit potestas für den Souverän meint und an welcher Stelle im Staatsgefüge man auctoritas einen angemessenen Platz einräumen konnte. Dass insbesondere Nedham Hobbes’ „authority“-Argumentation
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in seinem 1656 erschienenem Werk „The Excellencie of a Free-State“ aufgegriffen hat, konnte herausgearbeitet werden. Zwar unter politisch anderen Vorzeichen, aber dennoch mit demselben Begriffsverständnis als eine delegierte, mit einem Amt verbundene Vollmacht tritt „authority“ plötzlich an vielen entscheidenden Stellen in Nedhams Argumentation auf. Zwar sahen sowohl Hobbes als auch Nedham im Volk die entscheidende Quelle aller „authority“, aber während diese Kompetenz bei Hobbes durch den covenant irreversibel und umfassend auf den Souverän übertragen wird, bediente sich Nedham eher an Hobbes’ Vorstellung der Autorisierungsmechanismen für Ämter innerhalb des Staates. Zwar stellt die „supreme Assembly“ bei ihm die souveräne Regierung dar und hat in diesem Sinne auch „authority“ inne, diese Kompetenz wird aber immer wieder für einen bestimmten Zeitraum übertragen, ist in ihren Befugnissen begrenzt und auch wieder von einer Person abziehbar – ganz wie Hobbes dies für Beamte und andere Vertreter beschrieben hatte. Der Vergleich zwischen der eher dürftigen Argumentation mit „authority“ in Nedhams „The Case of the Commonwealth“ und der umfassenden Stellung, die der Begriff 1656 bei ihm einnimmt, legt nahe, dass er Hobbes’ Gesellschaftsentwurf, bei dem „authority“ eine ganz wesentliche Rolle gespielt hat, rezipiert hat. Zugleich bietet Nedham ein Beispiel für die Instrumentalisierung des Begriffs in der politischen Debatte der Zeit. In jedem Fall bleibt festzuhalten, dass „authority“ in den 1640er Jahren und zu Beginn der 1650er ein umstrittener Terminus war, der innerhalb des politischen Diskurses um Legitimität von zentraler Bedeutung war. In diesem Sinn hat Hobbes sicher versucht, mit seiner Definitionsstärke Klarheit in den Diskurs zu bringen und eine gewisse Ordnung wiederherzustellen. Dies zielt neben der sprachlichen Ebene natürlich auch auf die realpolitischen Verhältnisse von 1651. Unbestritten ist, dass sich Hobbes unter den Royalisten viele Feinde machte, obwohl seine Doktrin, wie ich meine, generell eine Bevorzugung der Monarchie erkennen lässt. Insbesondere sein Plädoyer für die Möglichkeit einer rechtmäßigen Unterordnung unter ein usurpatorisches Regime war für viele royalistische Zeitgenossen ein ungeheurer Affront. Wie bereits dargestellt wurde, verdankt diese Wahrnehmung Hobbes’ sich vor allem der „Review and Conclusion“ des „Leviathan“, einem spät verfassten Einschub, mit dem Hobbes seine Rückkehr nach England sicherstellen wollte. Die hier gemachten Zugeständnisse sind meiner Ansicht nach pragmatischer Natur, weswegen ich Woodfords Unterteilung der royalistischen Bewegung in „Cromwellian Monarchists“ und „Stuart Loyalists“ nachvollziehbar finde.² Erstere Gruppe beschreibt Woodford als vor allem
Vgl. Woodford, Perceptions, S. 113. Woodford zählt zu dieser Gruppe u. a. Peter Heylyn, James Howell und John Hall of Richmond.
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der Tradition und Form der monarchischen Regierung verpflichtet. Solange die Stabilität garantiert war, die sie nur durch das System der starken Ein-MannHerrschaft gewährleistet sahen, war auch ein anderer als der legitime StuartNachfolger als Herrscher denkbar, was zum Beispiel auch Cromwell berücksichtigte. In diesem Sinn erschien Cromwell als das kleinste Übel, da er am ehesten dazu im Stande war, Radikale (Leveller, Fifth Monarchists) in die Schranken zu weisen. Einen vergleichbaren Standpunkt vertrat auch Hobbes, wobei das kirchenpolitische Projekt Cromwells und seiner Anhänger gut zu Hobbes’ eigenem erastianischen Kirchenverständnis passte, was eine Annäherung sicher ebenfalls erleichterte.³ Als eine der größten Einwände der Royalisten gegen Cromwell führt Woodford seine unzureichende Abstammung an. Für die „Cromwellian Monarchists“ blieb er dennoch der am besten geeignete Mann für die Übernahme der Herrschaft – seine Fähigkeiten waren wichtiger als sein Stammbaum. Auch diese Position erinnert deutlich an Hobbes, der ja der Erbfolge als zwingender Voraussetzung für die Herrschaft eine Absage erteilt hatte und stattdessen an vielen Stellen in seinem „Leviathan“ das Leistungsprinzip als ausschlaggebend betonte. Damit bleibt die Frage zu klären, wie Autoren, die nach der Veröffentlichung des „Leviathan“ mit „authority“ argumentierten, dies taten und ob ein Einfluss Hobbes’ auf diese Autoren erkennbar ist. Zunächst ist nochmal zu betonen, dass Hobbes vor allem auch von Seiten des royalistischen Lagers scharf für seinen „Leviathan“ kritisiert wurde. Dies geschah zum Teil aufgrund der soeben beschriebenen Rechtfertigung der pragmatischen Unterordnung unter das neue Regime, zum anderen auch aufgrund seiner religiösen und kirchlichen Anschauungen. Indem Hobbes sich gegen die Autorität des Klerus‘ und gegen das Besitzrecht des Adels aussprach, stieß er zwei der Hauptunterstützer des designierten Thronerben vor den Kopf.⁴ Die Frage danach, ob sein „Leviathan“ von seinen Zeitgenossen richtig verstanden wurde, ist daher, geht man von Hobbes’ Bevorzugung eines monarchischen Regierungssystems aus, falsch gestellt, denn die Antwort würde für viele Zeitgenossen„nein“lauten. Tatsächlich gab es erklärte Royalisten, wie Robert Filmer, die trotz mancher Unterschiede die Verteidigung der Rechte des Souveräns durch Hobbes durchaus zu schätzen wussten. In diesem Zusammenhang spricht Filmer auch von der „regal authority“, wie sie Hobbes verwendet hat, wobei der gemeinsame Rekurs auf die traditionelle Verwendung des Terminus wie sie aus den „Royal Proclamations“ bekannt ist, auffällig ist. Auch Sir Samuel Tuke spricht im Zusammenhang mit der allein dem König zu Vgl. Collins, Allegiance. Gegen Collins‘Argumentation spricht sich z. B. Monicka PettersonTutschka aus: Hobbes smashes Cromwell and the Rump. An Interpretation of Leviathan, in: Political Theory 43/5 (2014), S. 631– 656. Vgl. Sommerville, Lofty science, S. 256 f.
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gewiesenen Legislative von seiner „legal authority“. Anhand dieser Beispiele wird deutlich, dass Hobbes bezogen auf „authority“ keine neue Denkschule gegründet hat, sondern vielmehr an bestehende Traditionen anknüpfte und in diesem Sinne auch Zuspruch durch Royalisten fand, die jedoch andere Aspekte seiner Doktrin ablehnten. Hobbes’ Verdienst ist aber vor dem Hintergrund der politischen Ereignisse der 1640er Jahre und dem zunehmend wertfreien, beliebigen Sprachgebrauch der „authority“ auch für die Opposition gegen Karl I. sowie die Aneignung dieses Kernbegriffs der herrschaftlichen Legitimierung durch die Vertreter des Parlaments bzw. später die Advokaten des Rump die genaue Darlegung seines Ursprungs sowie seine Definition. Hobbes stimmte ganz ofensichtlich nicht mit der Vernachlässigung der Legitimationsfrage überein, wie sie durch Anthony Ascham betrieben wurde. Stattdessen leitete er die Grundlagen der Vertretung und Repräsentation von Personen aus dem öffentlichen Leben ab und übertrug diese Grundsätze auf den Staat. Er machte genau deutlich, dass die Quelle aller Souveränität im Staat beim Volk liegt, zugleich verband er damit aber auch die jeden Bürger betreffende Unterordnung unter eine souveräne Regierung, die er schließlich auch religiös legitimierte – ein Meisterstreich, der den Engagers so nicht gelungen war. Die von Hobbes vielfach vorgenommene Trennung zwischen den Begriffen Macht und Autorität und die Abwertung des ersteren dienten zusätzlich der klareren Strukturierung des Diskurses. So ist an Clement Walkers Kritik am Rump gleichsam zu sehen, wie sich die Definitionen Hobbes’ festgesetzt hatten. Walker bezeichnete die Mitglieder des Rump als Bodensatz, der nach „Pride’s Purge“ übrig geblieben war. Zwar maßte sich dieses neue Regime eine „supreme authority“ an, Walker betonte aber, dass dies lediglich eine „usurped, legislative power“ bedeute, die der „Regall, Legall or Parliamentary Authority“ gegenüberstehe. Die willkürliche Gewalt des Rump und des High Court of Justice wird so der „lawful authority“ des Königs gegenübergestellt. Die Verteidiger des Rump schienen der neu ersarkten Argumentation mit „authority“ wenig entgegnen zu können. Statt zu versuchen, „authority“ mit seiner auch durch Hobbes stark beförderten Konnotation der traditionellen, rechtmäßigen Macht der Souveräne bzw. eines Einzelherrschers zu nutzen, gingen sie offensiv dazu über, den Machtbegriff in den Vordergrund zu stellen. Nicht nur Marchamont Nedham dient hierfür als Beispiel, auch George Lawson nutzte für die Darstellung der politischen Sphäre ausschließlich Macht oder in ihren lateinischen Entsprechungen „exousia“, „ius imperandi“ und „potestas“. „Authority“ spielte bei Lawson, der ein Advokat der Trennung zwischen Staat und Kirche war, nur für die kirchlichreligiöse Sphäre eine Rolle. Mit James Harringtons „Oceana“ veränderte sich diese Trennlinie. Während andere Verteidiger einer parlamentarischen Regierung scheinbar nicht wussten,
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wie sie an der „authority“ im Sinne von Hobbes vorbeiargumentieren sollten, bezog sich Harrington in ganz deutlicher Weise auf eine andere, an die antike Verfasstheit Roms angelehnte Tradition von „authority“. Der debattierende Senat, der ein sich aus der „natural aristocracy“ speisender Dienstadel ist, hat in seiner idealen Gesellschaft „authority“ inne. Analog zu den Befugnissen der antiken Senatoren der Römischen Republik zeichnen sich die Senatsmitglieder bei Harrington durch umfassende Studien und ihre persönliche Tugend aus; ihre Beschlüsse sind keine Gesetze, sondern „senatus consulta“ – direkte Analogien zum römischen Senat und seiner auctoritas. Als „authority“ definierte Harrington die Tugend und Weisheit eines Mannes, die dann auch anderen gegenüber wirksam wird, wobei auch dieser performative Charakter stark an antike auctoritas erinnert. Im Vergleich dazu generieren Besitz und Reichtum Macht, wobei sich Harrington hier gar nicht so stark von Hobbes’ Definition von Herrschaft („dominion“) als Recht auf Besitz unterscheidet (Leviathan, Kap. 16).Vor Hobbes war der antike Begriff der auctoritas in der zeitgenössischen Debatte kaum rezipiert worden und durch Hobbes dann auch gewissermaßen nur verdeckt in Verbindung mit seiner Beschreibung des Rates. Harringtons „Oceana“ änderte dies maßgeblich. Harrington konzentrierte sich auf eine Darstellung der „authority“ in Gegenüberstellung zu Hobbes’ Begriff, da beide grundlegend andere Regierungsformen favorisierten. In diesem Sinn ist seine Neudefinition, die sich auf antike Inhalte bezieht, als deutlicher Angriff auf Hobbes zu werten. In dieses Kalkül passt auch die positive Betonung der antiken Weisheit durch Harrington, die, wie er wusste, Hobbes ein Dorn im Auge war. Abschließend bleibt damit festzuhalten, dass „authority“ im politischen Diskurs der 1640er und 1650er Jahre eine herausgehobene Stellung einnahm. Zum einen bildete sie die argumentative Trennlinie zwischen Royalisten und Parlamentsanhängern. Zum anderen ist nachzuvollziehen, wie sehr das Parlament versucht hat, sich durch Aneignung dieser königlichen Kompetenz in seinem Handeln selbst zu legitimieren und seinem Vorgehen Sinn zu geben. Zugleich wird mit dem endgültigen Sieg der New Model Army über Karl I. aber auch deutlich, dass das neue Regime der Monarchie argumentativ hoffnungslos unterlegen war. Bei weitem nicht jeder war bereit, sich einer Regierung unterzuordnen, die sich nur auf ihre militärische Stärke als einzigen Legitimationsgrund berufen konnte. Die dürftige Argumentation des gesäuberten Parlaments, das einzige Repräsentationsorgan des Volkes zu sein, verliert vor allem aufgrund der Negierung irgendeiner Partizipation desselben an den politischen Abläufen an Gewicht und macht den Tyrannei-Vorwurf nachvollziehbar. Demgegenüber steht eine zunehmend selbstbewusste Darstellung der rechtlichen Verhältnisse durch die Royalisten – durch Karl I. während seines eigenen Schauprozesses, durch den Königsmythos „Eikon Basilike“, durch royalistische Autoren wie Filmer, Tuke und
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Walker nach der Hinrichtung des Königs und schließlich auch durch Hobbes’ „Leviathan“. Pragmatische Erwägungen zwangen zwar auch zu Zugeständnissen, der Fortgang der Ereignisse hin zur Errichtung eines Protektorats und schließlich der Restauration der Monarchie muss der traditionell geprägten und von Hobbes auf ein ganz neues Niveau gehobenen Argumentation mit „authority“ im Sinne einer an ein Herrscheramt gebundenen, rechtlichen Handlungsbefugnis eines einzelnen Mannes mittelfristig jedoch den größeren Erfolg einräumen. Harringtons Versuch, dieses starke Argument im Sinne einer dauerhaften, parlamentarischen Lösung zu entkräften, indem er „authority“ an das antike auctoriasKonzept anknüpfte, scheiterte im zeitgenössischen Horizont und konnte erst später seine Wirkung entfalten.
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Index Aaron 80, 129 Abraham 39, 79, 84, 128, 133, 147, 217 Absolutismus 76 f., 82, 229, 331 Aemilius Paullus 113 Agitator 209, 231, 233 f., 237, 239, 241, 247 Anarchie 51, 58 Anastasios I., römischer Kaiser 73 anglikanisch 73, 121, 163, 345 – anglikanische Kirche 66, 73, 91, 121, 163, 263 Aquin, Thomas von 81 Archidamos II., König von Sparta 154 Aristoteles 95 f., 99, 104 f., 136, 140, 173, 268, 291, 345, 352 Arminianismus 77, 309 – Arminianer 77 f., 94 Ascham, Anthony 2, 17, 95, 254, 280 – 287, 301, 314, 320, 322 f., 326, 366 – 368, 372 Atheismus 39, 122, 167, 302, 313 – Atheist 75, 167, 313 Aubrey, John 165, 344 auctoritas 5, 7, 15, 23, 45 f., 52, 54 – 56, 73, 82, 103 – 116, 118 f., 123, 125 – 127, 130 – 132, 134, 143 f., 156, 161, 172, 175 f., 185 f., 194, 204, 206, 272, 280, 286 f., 299, 315, 343, 349, 351 f., 354, 369, 373 Aufklärung 19, 27, 31, 78 Augustus, römischer Kaiser 47, 54 f., 107 f., 111 – 113, 136, 338 Austin, John L. 20, 149, 153, 236, 245, 255, 306, 321, 359 authority 1 – 5, 7, 9 – 18, 21, 24, 31 f., 34, 37, 39, 41 – 45, 47 – 52, 54 – 56, 58 f., 61 – 63, 65 – 75, 78, 80 – 87, 89 – 93, 95 – 106, 111, 115 – 120, 122 – 125, 127 – 135, 139, 144, 171 – 177, 179 – 196, 198 – 204, 207 – 215, 217 – 232, 237, 239 – 265, 271 – 289, 292 – 300, 302 f., 305 f., 313 – 317, 319, 324 f., 330, 333 – 343, 348 – 357, 361 – 374 Autoritarismus 23
https://doi.org/10.1515/9783110659498-011
Bacon, Francis 95, 126, 135 – 137, 140, 145, 170, 344, 347 Barebone’s Parliament 58, 255 Barlow, Thomas 78 Basilikon Doron 192, 194, 202 Begriffsgeschichte 13, 15, 22, 25 – 34 Behemoth 77, 171 Bellarmin, Kardinal Robert 81 f., 90, 93, 130 f. Bennett, Robert 88, 91, 188, 255, 365 Bevollmächtigung 43, 45, 50, 80, 86, 90, 98, 100, 102, 182, 184, 187, 189, 202, 214, 302, 324 Bloch, Marc 28 Book of Common Prayer 182 – 184 Bramhall, John 8, 121 f., 163 f., 306, 328, 330 Braudel, Fernand 29 Brunner, Otto 26 – 28, 30 Buchanan, George 81, 229 Calvin, Johannes 76, 278, 321 – Calvinismus 75, 77 – Calvinist 76 – 78, 94 – calvinistisch 76 f., 248, 279 Cambridge School 19, 25, 33 f. Canterbury, Erzdiözese 73, 93, 257 Cary, John, Viscount Falkland 137, 216 f., 321, 356 Cäsar, Gaius Iulius 100, 115 Cassius Dio 112 Cavendish, Familie 146, 158, 308 – Cavendish, Charles 157 f., 308 – Cavendish, William, 1. Duke of Newcastleupon-Tyne 157 f., 308 – Cavendish, William, 3. Earl of Devonshire 157 f., 308 Chaloner, Thomas 3 Chaos 39, 50 f., 101, 140, 147, 153, 163, 200, 299, 338, 368 charismatische Herrschaft 176 Cicero 45, 47, 95 f., 104, 106, 108 – 111, 113, 206, 268, 291, 301, 310
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Index
Clarendon, Edward Earl of 40, 59, 121 f., 312, 321, 332, 356 Coke, Edward 137, 216, 309 Colpeper, John 122, 137, 217, 219, 266, 308, 356 Commonwealth 2, 4, 6 – 8, 37, 53, 56, 59, 64, 100, 199, 228, 235, 238, 255, 263, 267 f., 286, 289 – 292, 294, 297, 300 f., 303 – 305, 320, 322, 329, 337, 340, 343, 345, 350 f., 356, 359, 370 compounding 121 consilium 113, 136 f. Conze, Werner 26 – 28, 30 Coronation Oath 276 covenant 10, 40 f., 43 – 47, 49, 51 f., 54 – 56, 62, 65, 68, 82 – 84, 87, 90, 128, 132 f., 147, 159, 174, 177, 202, 225 f., 233, 237, 260 f., 277, 279, 285, 287 f., 296 f., 310, 314, 316, 318 f., 321, 324, 326 – 328, 330, 332, 334, 337, 352, 367, 370 – Covenanters 121, 230, 274, 279, 318 f. Cromwell, Oliver 6 f., 10, 57 – 60, 65, 78, 87, 100, 165, 168 f., 209 f., 233 – 236, 238, 241 f., 255, 267 ff., 289, 298, 301 – 306, 312, 314, 317 – 320, 326, 331, 334 f., 347 f., 355, 358, 363 f., 371 Cromwell, Richard 7, 58 – 60, 65, 78, 100, 165, 168 f., 209 f., 231, 233, 235 f., 238, 241 f., 255, 267 – 269, 289, 298, 301 – 306, 312, 314, 317 – 320, 326, 331, 334 f., 347 f., 355, 358, 363 f., 371 Crooke, Andrew 121 Davenant, William 267, 308 De Cive 16, 76, 103, 125, 146, 157 – 164, 170, 173 – 177, 218, 307 – 314, 322, 327 f., 330 De Corpore Politico 40, 146, 156 f., 172 f., 322, 324 Demokratie 23, 38, 57, 83, 143, 154 – 156, 219, 225, 228, 249, 260, 327, 368 deposing power 81 f., 90 Descartes, René 105, 146, 170 Diderot, Denis 31 dignitas 106 f., 111 – 113, 115, 342
divine right of kings 82 – 84, 228 f., 309, 311, 366 du Bosc, Charles 126 Edward VI., König von England 181 Eikon Basilike 2, 11, 17, 189, 256 – 260, 262 – 264, 269 – 272, 276 f., 305, 365, 373 Eikonoklastes 2, 140, 144, 151, 256, 265, 267, 269 – 273, 275, 277 f., 280, 365 f. Elements of Law 16, 40, 125, 146, 156 f., 159, 171, 322, 324, 332 Elisabeth I., Königin von England 9, 69, 74, 179 – 186, 202 Engagement 12, 121, 226, 233, 237 – 239, 247, 249, 280, 285, 291, 314, 317, 320 – 323, 335, 364, 368 – Engagers 322 f., 331, 341, 366 – 368, 372 Erastus, Thomas 75 – 77 – Erastianismus 75 f., 78 – erastianisch 75 f., 78, 253, 312, 371 Euklid 104, 145 Exousia 286 f., 341, 372 Febvre, Lucien 28 Fifth Monarchists 255, 351, 371 Filmer, Robert 8 f., 82, 181, 220, 226 – 229, 306, 308 f., 319, 328, 330, 334, 349, 363, 371, 373 Fortescue, John 135 f., 216 Französische Revolution 31, 312 Freiheit 5, 9, 23 f., 46, 52, 54, 74, 87, 94, 105, 109, 136, 138, 146 f., 156, 159, 163 f., 174, 210, 229, 231 f., 237 f., 244 f., 248 f., 251 – 255, 266, 268 f., 275, 279, 290, 295, 300 f., 303, 315, 321, 326 f., 337, 347 f., 352, 356, 363, 365 Frontispiz 47, 263 Galilei, Galileo 76, 146, 170 Gelasius I., Papst 73 Gesellschaftsvertrag 39, 43, 49, 64, 66, 225 Grand Remonstrance 211, 213, 361 Great Tew-Zirkel 217 Grotius, Hugo 291, 294, 296, 308, 320 Gunpowder Plot 81
Index
Hall, John 2, 60, 267, 291, 322, 370 Hall, Thomas 165 Harrington, James 4, 6 – 8, 17 f., 95, 123, 235, 240, 266 – 268, 303, 306, 325, 337, 339, 343 – 359, 372 – 374 Hartlib, Samuel 266 – Hartlibians 266 – Hartlib-Zirkel 165 Hegel, Friedrich 27 Heinrich VIII, König von England 73, 136, 346 Henrietta Maria, Königin von England 94, 334 Herle, Charles 13, 46, 218, 311 Herrschaftsvertrag 54, 196, 199 – 202, 221, 226, 228, 234, 285, 296, 308, 324, 326 – 328, 331, 334, 368 Historische Semantik 26 f., 31 – 33 Hobbes, Thomas 2, 4 f., 8 – 11, 13, 15 – 18, 24, 34, 37 – 57, 59 – 106, 115 – 136, 138 – 177, 179, 182, 191 f., 194 f., 199 – 202, 204, 206 f., 210 f., 218, 220 f., 223 f., 229 f., 237, 239, 247, 254, 277 – 279, 281 f., 285 – 288, 291, 296 f., 305 – 345, 347, 350 – 355, 357 f., 367 – 374 Hollingworth, Richard 2, 17, 270, 280, 283 – 287, 295, 326 f., 367 f. Homer 170 Hugenotten 94 Humane Nature 146, 156 – 159, 166, 172 f. Humanismus 4, 21, 95, 145, 266 Hunton, Philipp 13, 46, 227, 311 Huygens, Christian 166, 331 Hyde, Edward, Earl of Clarendon 8, 121 f., 139, 216 f., 219, 280, 312, 316, 318, 321, 328, 331 f. Ideengeschichte 19, 26, 32 f. imperium 106, 114 – 116, 131, 137, 294 f., 299, 324, 339, 341, 350, 369 Independents 76, 78, 87, 89, 91, 94, 209, 231, 233, 253, 279, 283, 312 f. Instrument of Government 57, 289, 306, 346 Intellectual History 19, 21, 24 – 26, 34, 38, 210, 356 Invasion 41, 44, 64, 212, 287, 295, 324, 355
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Ireton, Henry 209 f., 233 – 243, 247, 364 iure divino 70, 73 f., 79, 90 f., 217, 298, 315, 318, 330 Jakob I., König von England 16, 76 f., 81, 182, 184, 191 – 198, 200, 202, 215, 361 Karl I., König von England 1 f., 9, 16, 59 f., 65, 74, 77, 87, 93 f., 137 – 140, 146 f., 151, 158, 165, 169, 177, 181, 186 – 189, 191 f., 202 – 204, 208 f., 211 – 220, 222, 226 – 236, 240 f., 245 f., 248, 250 – 252, 254 – 263, 265 f., 268, 270 – 276, 279, 281 f., 289, 297 f., 307 – 310, 312 – 315, 327, 331, 335, 338 f., 343, 361 f., 364 – 366, 368, 372 f. Karl II., König von England 8, 60, 120 – 122, 144, 147, 165, 168 f., 202, 231, 235, 290, 300, 308, 311 f., 316 – 319, 329, 331 f., 334 Konstantin I., römischer Kaiser 69, 180 Konziliarismus 42 f., 130 Kooperationsprinzip 49, 181, 203, 215, 217 f., 220, 227, 315, 356 Kopernikus, Nikolaus 76 Koselleck, Reinhard 26 – 32 Laud, William Ebf. von Canterbury 77 f., 93 f., 232, 253, 257 Lawson, George 2, 8, 153, 340 – 343, 372 Leveller 2, 59, 232 – 236, 238 – 243, 247 – 249, 263, 293, 297, 299 f., 325 f., 371 Leviathan 2, 8 – 11, 13, 15 – 17, 37 – 41, 44 f., 47, 49 – 51, 53 – 56, 60 f., 65 – 70, 74 – 79, 81 – 83, 87 – 89, 91 – 93, 96 – 100, 102 – 105, 115 – 126, 128 – 133, 135, 138, 141, 144 – 153, 156, 159 – 166, 168 – 177, 191 f., 199, 201 f., 204, 206, 223, 229, 247, 265, 279, 281, 285 f., 288, 296, 305 – 308, 311 – 320, 322 – 324, 328 – 335, 341 – 344, 353, 367 f., 370 f., 373 f. Liberalismus 38 liberty 4 f., 7, 24, 38, 52, 105, 119, 147, 158, 163 f., 198, 207, 210, 236 – 240, 242, 251, 266, 269, 283, 299, 317, 319, 326, 338 – 340, 344 Licinius Regulus 112 f.
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Index
Lilburne, John 231 – 235, 247 – 249, 293, 299, 325, 364 Livius, Titus 104, 108, 110, 113, 268, 345, 352 f. Long Parliament 177, 208, 216, 218, 235, 253, 274, 309 f., 336 Luther, Martin 278 Machiavelli, Niccólo 3, 5, 95, 268, 292, 300, 312, 345 f., 358 Maria I., Königin von England 184 Marten, Henry 2, 240, 310 Marvell, Andrew 2, 267 f. Marxismus 37 Maxwell, John 229 f., 278, 349, 363 May, Thomas 2, 41, 57, 66, 79, 92, 98, 119, 141, 152 f., 175, 184, 193, 195, 208, 210, 212, 214 f., 221, 251, 274, 278 f., 283, 285, 290, 293, 296, 307, 316, 320, 322, 328 f., 331, 339, 342, 352, 354 Mercurius Politicus 2, 16, 122, 144, 289 – 291, 293, 298, 300 – 302 Mersenne, Marin 146, 166 Milton, John 2 f., 7 f., 16 f., 59, 74, 140 f., 144, 151, 261, 265 – 280, 290 f., 300, 304, 308, 312, 359, 365 f., 368 mixed constitution 203 mixed monarchy 47, 50, 194, 210, 215 f., 218, 225, 227, 310, 315, 331, 347, 355 f., 363, 368 Monarchomach 42, 310 Moses 39, 79 f., 83 f., 117, 129 Naturzustand 39 f., 44, 51, 65, 102, 159, 172 – 174, 177, 200, 224, 247, 279, 291, 296, 308, 310, 327, 330 necessity 64, 158, 163 f., 195, 198, 230, 283, 286, 288, 314, 339, 367 Nedham, Marchamont 2, 5 f., 8, 16 f., 95, 122, 144, 234, 266 – 268, 289 – 304, 306, 312, 314, 316, 320, 322, 324, 326, 335 – 340, 343, 366 – 370, 372 Neo-Romans 4 f. – neorömisch 6, 105, 210 Neville, Henry 3, 292, 331, 344 new agents 231, 236, 239 Newcastle, Earl of 146, 157 – 159, 164, 308 f.
New Model Army 91, 210, 231, 233, 235 f., 239 – 241, 246 – 248, 364, 373 Nicholas, Edward 74, 77, 121, 274, 332 Oath of Allegiance 81 f., 90, 189, 276, 285, 296, 336 Oceana 4, 6 f., 17, 303, 343 – 359, 372 f. Oligarchie 57, 219, 292, 306 Ormond, Duke of 60, 122 outward conformity 69, 86, 88, 193 Overton, Richard 232 f., 248 f., 363 Oxbridge 165 Papst 42 f., 63, 65 f., 72 f., 81 f., 87, 90 – 93, 98, 120, 130 f., 184 – 186, 201 Parker, Henry 42, 46, 137, 139, 163, 203, 209 – 211, 218 f., 221 – 225, 278, 310 f., 327 f., 361 f. Parliament of the Saints 255, 306 Patriarchat 175 Payne, Robert 121, 156 – 158, 313 Perikles 154 Petition of Right 207, 309 Petty, Maximilian 236, 240, 344 Pilgrimage of Grace 136 Platon 133, 140, 350, 357 Pocock, J.G.A. 3 f., 6, 8, 19, 21, 25, 27, 33, 144, 292 f., 300, 312, 325, 343 – 345, 347 – 349, 351, 354, 356, 358 political language 19, 21, 33 potestas 15, 73, 81 f., 102, 106, 111, 113 – 120, 122 – 134, 144, 186, 204, 206, 208, 287, 296, 315, 338 f., 341 – 343, 352, 354, 356, 361, 369, 372 power 1, 11 ff., 14, 24, 37, 41 f., 43 f., 52, 56 – 60, 63, 66, 72, 78, 81 ff., 88 – 93, 97, 100, 118, 125, 127 – 132, 148, 152 f., 162, 169, 172 – 177, 180, 182, 184, 187, 189, 191 f., 201, 203, 207, 211, 214 f., 218, 220 f., 224 ff., 229, 232, 237, 249 f., 251 f., 256, 258, 260 ff., 267, 269, 275, 278, 282 – 284, 286, 292 f., 295 f. 298 f., 301, 303, 314, 320, 322, 327, 330, 335 – 342, 350, 352, 355 ff., 362 f., 367, 372.
Index
Presbyterianismus 121, 229, 279, 305, 318 – presbyterianisch 2, 59, 74, 91, 229, 233, 241, 247 f., 253, 278 f., 283, 297 f., 318, 345 Pride’s Purge 91, 247 f., 253, 286, 328, 372 Prinzipat 54, 111, 113, 136 19 Propositions 137, 217, 257 Protektor 7, 57 – 60, 65, 67, 169, 267, 302, 306, 312, 320, 355 – Protektorat 6 – 8, 10, 14, 57 f., 60, 255, 267, 289, 302, 304, 312, 314, 319, 332, 344, 348, 358, 374 provincia 114 Prynne, William 46, 214 f., 218, 220, 233, 253 – 255, 311, 364 Puritaner 77 f., 94, 192, 207, 232 Putney Debates 231, 233 – 241, 243 f., 247 – 249, 321, 325, 363 f. Rat
13, 15, 20, 52 – 54, 58, 65, 107 – 109, 111, 113, 117, 135 – 145, 149 – 152, 156, 161 f., 164, 170, 172, 179, 211, 222 f., 272, 307, 349, 354, 356 f., 359, 362, 369, 373 Repräsentant 42, 45 – 47, 81, 119, 133, 210, 231, 256, 296, 300, 325 f., 335, 365 Republikanismus 3 – 6, 8, 13, 18, 30, 265, 267, 286, 290, 295, 325, 352 – Republikaner 3 f., 6 – 8, 59, 76, 95, 154, 164, 203, 265 – 267, 279, 287, 291, 293, 302, 326, 331, 344 f., 356, 368 Res gestae 54, 111 Res publica 10, 109 f., 112 f., 115, 126, 176 Restauration 7 f., 30, 60, 67, 74, 147, 165, 168, 208, 227, 235, 255, 267 – 269, 289 f., 311, 317, 320, 329, 332, 334, 336, 344, 374 Römische Republik 5, 7, 45 f., 52, 103, 105 f., 108 f., 114 – 116, 118, 123, 127 f., 295, 337, 348, 369, 373 Root and Branch, Bill und Petition 217, 219, 259 Ross(e), Alexander 8, 306 Royal Society 165, 167 Rump 2, 6, 8, 10, 14, 16 f., 43, 58, 60 f., 65, 67, 144, 148, 153, 157, 169, 230, 233 f., 252, 254 f., 263 f., 268, 279 – 283, 285 – 289, 293 ff., 297, 300, 302, 305, 316 –
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319, 321 – 324, 326, 328, 331 f., 335 ff., 344, 365 ff. 369, 372. Scholastiker 95, 99, 279 Senat 52, 54, 92, 100, 106, 108 – 110, 112 – 116, 299, 337 f., 346, 348 – 352, 354 – 357, 373 Servilius Pulex 113 Sexby, Edward 231, 234, 363, 365 Ship Money 208, 217, 309 Short Parliament 139, 187, 207 – 209, 216, 218 f. Sidney, Algernon 3, 95, 267, 292, 356 Skinner, Quentin 4 – 6, 9, 19 – 22, 24 f., 27, 33 f., 38, 46, 49, 70, 82, 103 – 105, 132 – 134, 144 – 147, 150, 156, 159, 164, 210 f., 229, 257, 263, 265 f., 269, 280 f., 310 – 312, 321 – 323, 328, 345 Souverän 9 f., 39 f., 42 – 58, 60 – 80, 82 – 95, 97 – 102, 115 – 120, 124 f., 127 – 134, 136, 140 – 142, 145, 153, 159 f., 162 f., 173 – 177, 191, 197, 200 – 202, 207, 210, 221, 225, 230, 234, 237, 239, 242, 260, 277 – 282, 288, 296 f., 299 f., 302, 307 f., 310 f., 313 – 315, 319, 322, 324, 326 – 328, 330, 332 – 335, 337 – 343, 352 f., 361 – 364, 367 – 372 – Souveränität 13 f., 39, 49, 63, 66, 75, 85, 137, 148, 168, 177, 202, 216, 220, 225, 255, 264 f., 300, 327 f., 334, 352, 356, 366, 368, 372 – Soveraignty 42, 49, 129, 135, 153, 314, 319 Sozialgeschichte 27 f., 33 Sprechakttheorie 20 f., 144, 149 Sprigge, Joshua 248 Statute Law 179, 181 f., 309 St. John, Oliver 139, 259, 358 Stubbe, Henry 126, 167 Suprematsakte 66, 73 Tacitus 112, 291 Thukydides 104, 146, 154 – 156 Thurloe, John 58, 268 Tugend 3, 12, 97, 136, 154, 159, 344, 346, 348 – 351, 354, 373 – Virtue 3, 151, 350 f., 357
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Index
Tyrannei 138, 197, 203, 253 f., 263, 274, 295, 300, 307 f., 315, 336, 338, 364, 373 – Tyrann 43, 140, 231, 233, 254, 265 f., 284, 306 – 308, 338 Usurpation 58, 92, 196, 214, 228, 230, 254, 260, 270, 283 – 285, 287, 295, 319, 322, 324, 334, 364, 369 – Usurpator 60, 64 f., 177, 221, 292, 295, 332 Valentinian III., Kaiser des Weströmischen Reiches 108 violentia 133 Viscount Brouncker 166 Vollmacht 23, 38, 41, 43 – 45, 48 – 51, 55 – 57, 61 – 63, 65 f., 68, 70, 74, 78, 80 – 87, 92, 95, 97 f., 100 – 102, 108, 115, 120, 128, 130 f., 133 f., 176 f., 180 – 191, 194 – 196, 202, 207 – 209, 211, 213 – 215, 219 – 222, 226, 228 – 230, 232, 234, 238 f., 241 – 244, 246, 248, 250 – 256, 259 – 263, 273 – 276, 278 f., 281, 283 – 286, 288, 293, 296, 299 f., 310, 314,
319, 326, 333 – 335, 338 – 340, 342, 354 – 356, 361 – 365, 369 f. Walbeck/ Welbek-Zirkel 157, 166 Walker, Clement 334 – 336, 372, 374 Wallis, John 8 f., 165 – 167, 171, 328 Ward, Seth 8 f., 156 f., 165 f., 306 Warner, Walter 121, 158, 166 Warren, Albertus 60, 301, 322 Weber, Max 176, 321 Wentworth, Thomas 150, 216 f., 232, 271, 310 Whitehall Debates 240, 248 Whitelocke, Bulstrode 58 f. Wildman, John 234 f., 237 – 240, 247 f., 344, 358, 364 Wither, George 2, 301 Wren, Matthew 59, 93, 306, 356, 358 York
3 f., 9 f., 13 f., 24, 42, 69, 73, 188, 213, 281, 306, 321, 345
Zwei-Schwerter-Lehre
73, 186, 206