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3. Auflage des von Dr. Heinrich Klang begründeten Kommentars zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch
ABGB §§ 1151 bis 1164a herausgegeben von o.
Univ.-Prof. Dr. Attila Fenyves Univ.-Prof. Dr. Ferdinand Kerschner ao. Univ.-Prof. Dr. Andreas Vonkilch bearbeitet von o.
Univ.-Prof. Dr. Walter Schrammel
Wien 2012
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek. Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de/ abrufbar.
Zitiervorschlag: Schrammel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1151 Rz 2
Alle Rechte vorbehalten. Alle Angaben in diesem Fachbuch erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung des Autors bzw der Herausgeber oder des Verlages ist ausgeschlossen. ISBN: 978-3-7046-5699-5 © Verlag Österreich GmbH 2012 1010 Wien, Bäckerstraße 1 Tel. (++431) 610 77-333, Fax (++431) 610 77-502 e-mail: [email protected] http://www.verlagoesterreich.at Umbruch: b+R satzstudio, graz
Vorwort Im Vorjahr hat das Projekt der 3. Auflage des Klang-Kommentars einen großen Sprung nach vorne gemacht. Verlag und Herausgeber konnten im Rahmen eines eintägigen Symposiums über „Kodifikation und Richterrecht“, das am 19. Oktober 2011 im Festsaal des BMJ stattfand, vier neue Bände präsentieren, und zwar die Bearbeitungen der §§ 285–352, 353–379, 897–916 und 1375–1410. Es ist sehr erfreulich, dass sich diese Entwicklung ungebrochen fortsetzt. Wir sind in der Lage, bereits im ersten Quartal des Jahres 2012 zwei weitere Bände vorzustellen. Schrammel hat das Dienstvertragsrecht kommentiert (§§ 1151–1164a), Gusenleitner-Helm und Vollmaier haben im Band, der den §§ 1451–1502 gewidmet ist, das Recht der Ersitzung und Verjährung bearÂ� beitet. Die Herausgeber haben zudem Grund zur Hoffnung, dass es damit nicht sein Bewenden hat, sondern möglich sein wird, heuer noch weitere Bände zu präsentieren. Unser Dank gilt den Autoren, die sich der mühevollen Aufgabe einer Kommentierung unterzogen haben, die dem hohen wissenschaftlichen Anspruch des „Klang“ entspricht. Sie haben damit einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen des Vorhabens geleistet, die 3. Auflage des Kommentars in absehbarer Zeit vollständig vorliegen zu haben. Wien, im Frühjahr 2012
Attila Fenyves Ferdinand Kerschner Andreas Vonkilch
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Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Abgekürzte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Sechsundzwanzigstes Hauptstück. Von Verträgen über Dienstleistungen Dienst- und Werkvertrag. § 1151 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1152 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dienstvertrag. § 1153 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anspruch auf das Entgelt. § 1154 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1154a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1154b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1155 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erlöschen der Ansprüche. § 1156 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fürsorgepflicht des Dienstgebers. § 1157 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endigung des Dienstverhältnisses. § 1158 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigungsfristen. § 1159 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1159a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1159b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1159c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freizeit während der Kündigungsfrist. § 1160 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Insolvenzverfahren. § 1161 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorzeitige Auflösung. § 1162 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1162a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1162b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1162c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1162d . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeugnis. § 1163 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwingende Vorschriften. § 1164 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dienstzettel für das freie Dienstverhältnis. § 1164a . . . . . . . . . . . . . . . .
15 45 71 91 99 101 127 142 147 158 195 196 196 196 207 215 222 247 247 248 248 273 285 290
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
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Abkürzungsverzeichnis ABGB AB Abs AcP AEUV aF AG AH AktG AlVG AMFG AN AngG Anm ASchG AP APSG Arb ArbAbfG ArbBG ArbVG ARÄG ARG ASoK Art ASG ASGG ASVG Aufl AÜG AuslBG AVRAG AZG
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Amtsblatt (der Europäischen Gemeinschaften) Absatz Archiv für civilistische Praxis Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft Abgeordnetenhaus Aktiengesetz BGBl 1965/98 Arbeitslosenversicherungsgesetz BGBl 1977/609 Arbeitsmarktförderungsgesetz BGBl 1969/31 Arbeitnehmer Angestelltengesetz BGBl 1921/292 Anmerkung ArbeitnehmerInnenschutzgesetz BGBl 1994/450 Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsplatzsicherungsgesetz BGBl 1991/683 Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen der Gerichte und Einigungsämter Arbeiter-Abfertigungsgesetz BGBl 1979/107 Arbeitsrechtliches Begleitgesetz Arbeitsverfassungsgesetz BGBl 1974/22 Arbeitsrechtsänderungsgesetz BGBl I 2000/44 Arbeitsruhegesetz BGBl 1983/144 Arbeits- und Sozialrechtskartei Artikel Arbeits- und Sozialgericht Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz BGBl 1985/104 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz BGBl 1955/189 Auflage Arbeitskräfteüberlassungsgesetz BGBl 1988/196 Ausländerbeschäftigungsgesetz BGBl 1975/218 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz BGBl 1993/459 Arbeitszeitgesetz BGBl 1969/461
BAG BAG Bd BEA BEinstG BG BGB BGBl
Berufsausbildungsgesetz BGBl 1969/142 (dt) Bundesarbeitsgericht Band Bundeseinigungsamt Behinderteneinstellungsgesetz BGBl 1970/22 Bundesgesetz (d) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt
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Abkürzungsverzeichnis
Blg BlgNR GP BMJ BPG BRD BSG BSGE BVerfG B-VG bzw
Beilage Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates (Nummer, Gesetzgebungsperiode) Bundesministerium für Justiz Betriebspensionsgesetz BGBl 1990/282 Bundesrepublik Deutschland (d) Bundessozialgericht Entscheidungen des (d) Bundessozialgerichts (d) Bundesverfassungsgericht Bundes-Verfassungsgesetz StGBl 1920/45 idF von 1929 BGBl 1930/1 beziehungsweise
ders dh DHG DRdA dt E EA EAG EB ecolex EFZG EGMR EO Erk Erl erl EuGH EuGVVO EvBl EVÜ EWR
derselbe das heißt Dienstnehmerhaftpflichtgesetz BGBl 1965/80 Das Recht der Arbeit (Wien) deutsch Entscheidung Einigungsamt Gesetz über die Errichtung von Einigungsämtern und über kollektive Arbeitsverträge StGBl 1920/16 Erläuternde Bemerkungen ecolex, Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht Entgeltfortzahlungsgesetz BGBl 1974/399 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Exekutionsordnung RGBl 1896/79 Erkenntnis Erläuterung erläuternde Gerichtshof der Europäischen Union Verordnung (EG) Nr 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl 2001, L 12, S 1 Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht BGBl III 1998/208 Europäischer Wirtschaftsraum
f, ff folgend(e) FN Fußnote FS Festschrift G Gesetz GehaltskassenG Gehaltskassengesetz gem gemäß GewG Gewerbegericht GewO 1859 Gewerbeordnung RBGl 1859/227
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Abkürzungsverzeichnis
GlbG GlUNF GmbH GP GedS
Gleichbehandlungsgesetz BGBl 1979/108 Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des k.k. Obersten Gerichtshofes, Neue Folge; begonnen von Glaser und Unger, fortgeführt von Pfaff, Schey, Krupsky, Schrutka von Rechtenstamm und Stepan (1898 bis 1915) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetzgebungsperiode Gedenkschrift
H hA HGG HH HHB hL hM Hrsg
Heft herrschende Ansicht Handlungsgehilfengesetz, RGBl 1910/20 Herrenhaus Herrenhausbericht herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber
idF idR IESG insb IO iS iVm
in der Fassung in der Regel Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz BGBl 1977/324 insbesondere Insolvenzordnung idF BGBl I 2010/29 im Sinn in Verbindung mit
JBl JournG
Juristische Blätter Journalistengesetz StGBl 1920/88
KG KJBG KO LG LGBl LG(Z) Lit lit
Kreisgericht Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen BGBl 1987/599 Konkursordnung RGBl 1914/337 Landesgericht Landesgesetzblatt Landesgericht (für Zivilrechtssachen) Literatur litera
mE maW MietSlg MRK
meines Erachtens mit anderen Worten Mietrechtliche Entscheidungen Europäische Menschenrechtskonvention BGBl 1958/210
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Abkürzungsverzeichnis
MSchG mwH mwN
Mutterschutzgesetz BGBl 1979/221 (Wv) mit weiteren Hinweisen mit weiteren Nachweisen
NF Nov NR Nr NZ NZA
Neue Folge Novelle Nationalrat Nummer Österreichische Notariatszeitung Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
ÖAKR öarr ÖGB OGH ÖJT ÖJZ ORF ÖZW
Österreichisches Archiv für Kirchenrecht Österreichisches Archiv für Religionsrecht Österreichischer Gewerkschaftsbund Oberster Gerichtshof Österreichischer Juristentag Österreichische Juristenzeitung Österreichischer Rundfunk Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
P PKG RdM RdW Rz RGBl RV RZ
Punkt Pensionskassengesetz BGBl 1990/281 Recht der Medizin Österreichisches Recht der Wirtschaft Randzahl Reichsgesetzblatt Regierungsvorlage Österreichische Richterzeitung
S s SchauSpG Slg Soz SSV-NF StGBl StGG stmk SZ
Seite siehe Schauspielergesetz BGBl 1922/441 Sammlung Sozialrechtliche Mitteilungen der Arbeiterkammer Wien Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes in Sozialrechtssachen (Neue Folge) Staatsgesetzblatt Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte und Pflichten der Staatsbürger RGBl 1867/142 steiermärkische Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivil- (und Justizverwaltungs-)sachen, veröffentlicht von seinen Mitgliedern
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Abkürzungsverzeichnis
TAG
Theaterarbeitsgesetz BGBl I 2010/100
ua uam udgl UrlG usw uU
und andere und andere mehr und dergleichen Urlaubsgesetz BGBl 1976/390 und so weiter unter Umständen
VBG VersRdSch VfGH VfSlg vgl VKG VO VwGH VwSlg NF
Vertragsbedienstetengesetz BGBl 1948/86 Versicherungsrundschau Verfassungsgerichtshof Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes vergleiche Väterkarenzgesetz BGBl 1989/651 Verordnung Verwaltungsgerichtshof Sammlung der Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes, Neue Folge
wbl wobl Wv
Wirtschaftsrechtliche Blätter (Blg zu ,,Juristische Blätter“) Wohnrechtliche Blätter Wiederverlautbarung
Z Zak ZAS ZASB zB ZfA ZfV ZfVB ZIAS ZIK ZPO zT
Zahl, Ziffer Zivilrecht aktuell Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Judikaturbeilage zur ZAS zum Beispiel Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Verwaltung Die administrativrechtlichen Entscheidungen des VwGH und die verwaltungsrechtlich relevanten Entscheidungen des VfGH in lückenloser Reihenfolge (Blg zur ZfV) Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht Zeitschrift für Insolvenzrecht und Kreditschutz Zivilprozeßordnung RGBl 1895/113 zum Teil
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Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Im Folgenden findet sich ausschließlich die im gesamten Band häufig abgekürzte Literatur. Genauere Angaben über Werke, die nur in einzelnen Bestimmungen aufscheinen und dort abgekürzt werden, können den Literaturhinweisen bei den betreffenden Bestimmungen entnommen werden. AngG-Komm Marhold/Burgstaller/Preyer (Hrsg), Kommentar zum Angestelltengesetz ArbVG-Kommentar Strasser/Jabornegg/Resch (Hrsg), Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz Rummel3 I Rummel, Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Auflage, Bd I ZellKomm Neumayr/Reissner (Hrsg), Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht, 2. Auflage 2011
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Sechsundzwanzigstes Hauptstück. Von Verträgen über Dienstleistungen Dienst- und Werkvertrag. §Â€1151. (1) Wenn jemand sich auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet, so entsteht ein Dienstvertrag; wenn jemand die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt, ein Werkvertrag. (2) Insoweit damit eine Geschäftsbesorgung (§Â€ 1002) verbunden ist, müssen auch die Vorschriften über den Bevollmächtigungsvertrag beobachtet werden. IdF RGBl 1916/69 (III. Teilnovelle). Mat: 78 BlgHH, 21. Session 1912. Lit: Mayer-Maly, Erwerbsabsicht und Arbeitnehmerbegriff (1965); Rohringer, Der Lehrling als Arbeitnehmer, DRdA 1968, 140; F. Bydlinski, Arbeitsrechtskodifikation und allgemeines Zivilrecht (1969); Ostheim, Die Weisung des Arbeitgebers als arbeitsrechtliches Problem, Verh. 4.€ÖJT€I/4 (1970); Tomandl, Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages in rechtsvergleichender und rechtspolitischer Sicht (1971); Wachter, Wesensmerkmale der arbeitnehmerähnlichen Person (1980); Schrammel, Zur Rechtsstellung freier Mitarbeiter des Österreichischen Rundfunks, JBl 1982, 449; ders, Sozialversicherung und geistliches Amt, ÖAKR 1982, 81; Wachter, Der sogenannte freie Dienstvertrag, DRdA 1984, 405; Firlei, Flucht aus dem Arbeitsrecht, DRdA 1987, 271, 411; Holzer, Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen der Mitarbeit von Vereinsmitgliedern im Rahmen wirtschaftlicher Vereinstätigkeiten, in Korinek/Krejci (Hrsg), Der Verein als Unternehmer (1988) 352; Kronawetter, Zum Dienstverhältnis kirchlich bestellter Religionslehrer, DRdA 1991, 198; Strasser, Abhängiger Arbeitsvertrag oder freier Dienstvertrag, DrdA 1992, 93; Ritzberger-Moser, Abgrenzung des Arbeitsvertrages vom freien Dienstvertrag, DRdA 1993, 150; Spielbüchler, Vertragsrecht, Arbeitsvertragsrecht und Vertragsbedienstetenrecht, FS Strasser II (1993) 341; Rebhahn, Dienstnehmerbegriff und persönliche Abhängigkeit bei Vertretungsbefugnis, wbl 1998, 277; Mosler, Beschäftigung nach Bedarf − arbeitsrechtliche Grenzen der flexiblen Teilzeitarbeit, DRdA 2002, 461; Kietaibl, Arbeitsvertragliche Folgen bei Verkennung der Arbeitnehmereigenschaft durch die Vertragsparteien, JBl 2004, 626; Kuras/Strohmayer, Der „freie Dienstvertrag – Anthologie aus einer Schaffensperiode, FS Bauer/Maier/Petrag (2004) 37; Naderhirn, Arbeitnehmerbegriff und VertretungsÂ� befugnis, RdW 2004, 424; Schrammel, Arbeitsvertrag versus freier Dienstvertrag, FS Bauer/Maier/Petrag (2004) 25; Korn, Der „selbst ernannte“ Arbeitnehmer, ASoK 2005, 2; Kietaibl, Arbeitsvertragliche Rückabwicklung bei aufgedeckter Scheinselbständigkeit, wbl 2006, 207; Resch (Hrsg), Abhängiger Arbeitsvertrag versus Selbständigkeit (2006); Tomandl, Der rätselhafte freie Dienstnehmer, ZAS 2006, 248; ders, Welchen Nutzen bringt ein neuer Dienstnehmerbegriff? – Zugleich eine Kritik an bisherigen Abgrenzungen in der Rechtsprechung, ZAS 2008, 100; Reiner, Zur Konstruktion des Arbeitnehmerbegriffs durch Referenzrahmen am Beispiel der Natur der Tätigkeit: Eine Gefahr für das dogmatische Erbe von Hugo Sinzheimer, JBl 2010, 549; Ettmayer, Die Rechtsstellung von „Unternehmensleitern“ – Systematische Erwägun-
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Schrammel
gen zum AN-Begriff, ÖJZ 2011, 581; Kietaibl, Allgemeine Arbeitsbedingungen (2011); Resch, Wirtschaftliches Eigeninteresse und Arbeitnehmerbegriff – Modifiziert der OGH den Arbeitnehmerbegriff?, ZAS 2011, 19.
Übersicht I. Vorbemerkung II. Fremdwirtschaftliche Zweckbestimmung der Dienstleistungen III. Abgrenzung Dienstvertrag – Werkvertrag 1. Allgemeines 2. Dienstvertrag (Arbeitsvertrag) a) Verpflichtung „für eine gewisse Zeit“ b) Persönliche Abhängigkeit c) Vertretungsbefugnis d) Ablehnung einzelner Dienste e) Weisungsrecht f) Wirtschaftliche Abhängigkeit 3. Werkvertrag 4. Relevanz des Parteiwillens IV. Abgrenzung zu anderen Vertragstypen 1. Freier Dienstvertrag 2. Geschäftsbesorgung 3. Gesellschaftsvertrag 4. Bestandvertrag V. Abschluss des Arbeitsvertrages 1. Formvorschriften 2. Geschäftsfähigkeit 3. Abschluss durch Vertreter VI. Besondere Dienstvertragsbestimmungen 1. Öffentlicher Dienst 2. Ausbildungsverhältnisse
1–7 8–15 16–59 16–21 22–51 22–23 24–27 28–32 33–43 44–48 49–51 52–56 57–59 60–74 60–64 65–66 67–69 70–74 75–80 75–76 77–78 79–80 81−94 81–88 89–94
I. Vorbemerkung 1
Das 26. Hauptstück hat seine Fassung durch §Â€150 der III. Teilnovelle erhalten. Die Regelungen sind bis auf wenige Ausnahmen bis heute unverändert geblieben. Neu gefasst wurden die Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§Â€1154b) und die Freizeit zur Postensuche (§Â€1160). Neu eingefügt wurde §Â€1164a, überholte Regelungen (§§Â€1156 alt und 1156a) wurden gestrichen. Die Bestimmungen über den Dienstvertrag haben allerdings nur (mehr) 2 einen eingeschränkten Anwendungsbereich. Nach §Â€ 153 der III. Teilnovelle sollten die für bestimmte Dienstverhältnisse bestehenden besonderen gesetzlichen Vorschriften, insbesondere die GewO 1859 und das Handlungsgehilfengesetz 1910, unberührt bleiben. §Â€153 Abs€2 ordnet an, dass die Bestimmungen des 26. Hauptstückes zur Anwendung gelangen, „insoweit in den für bestimm16
Vorbemerkung
§ 1151
te Dienstverhältnisse bestehenden besonderen gesetzlichen Vorschriften Bestimmungen über den Dienstvertrag nicht enthalten sind“. Die Bestimmungen über den Dienstvertrag haben daher bloß subsidiäre Geltung. Die ABGB-Regeln kommen nur dann zur Anwendung, wenn ein bestehendes Spezialgesetz den in Frage stehenden Anspruch überhaupt nicht regelt.1 Das gleiche Subsidiaritätsprinzip gilt auch für die Anwendung von Normen, die – wie §Â€1014 – nicht zu dem im 26. Hauptstück des ABGB geregelten Dienstvertragsrecht gehören, aber auf Dienstverträge (§Â€1151 Abs€2) analog angewendet werden.2 Dies bedeutet, dass zB für Angestellte nicht die Regeln des §Â€1154b über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bei persönlichen Verhinderungen, sondern die „Spezialregelungen“ des §Â€8 AngG zur Anwendung gelangen. Für Arbeiter, die in den Geltungsbereich des EFZG fallen, kommt nur §Â€1154b Abs€5 über die Entgeltfortzahlung bei persönlichen Verhinderungen zur Anwendung, die im EFZG nicht geregelt ist. „Allgemeine“ Bedeutung hat §Â€1155, weil entsprechende Regelungen in den Sondergesetzen fehlen. Ein „eigenständiger“ Anwendungsbereich ist den Dienstvertragsbestimmungen des ABGB nur bei Beschäftigungsverhältnissen geblieben, die bislang noch keinem Sondergesetz unterworfen sind. Dazu gehören Beschäftigungsverhältnisse zu Religionsgemeinschaften und vertragliche Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Bereich, insbesondere zu Städten mit eigenem Statut, für die noch keine landesgesetzliche Regelung erlassen wurde.3 Der Grund für die Subsidiaritätsanordnung liegt in der Entwicklung der gewerblichen Arbeitsverhältnisse seit dem In-Kraft-Treten des ABGB im Jahre 1811. In seiner Stammfassung hatte das ABGB nicht zwischen Dienst- und Werkvertrag unterschieden. Das 26. Hauptstück kannte nur den Lohnvertrag als grundsätzlich einheitlich konzipierten Typus für „entgeltliche Verträge über Dienstleistungen“.4 Bei der Schaffung dieser Regelungen im Jahre 1811 hatten „moderne“ Arbeitsverhältnisse wenig Bedeutung, weil die gewerblichen Arbeitsverhältnisse ebenso wie die häuslichen Dienstverhältnisse in Stadt und Land im Wesentlichen Polizeisache waren und der Bedarf an landwirtschaftlicher Arbeit zum Großteil durch Zwangsdienste gedeckt wurde.5 Diese Rahmenbedingungen hatten sich im Laufe der Zeit aber entscheidend verändert, das ABGB ist – was die Regelung arbeitsrechtlicher Beziehungen betraf – lückenhaft geworden. Das Bedürfnis nach gesetzlichen Regelungen hat zur Schaffung von Sondergesetzen für einzelne Bereiche geführt. Die GewO 1859 hatte besondere Regelungen für die gewerblichen Hilfsarbeiter vorgesehen, das Handelsgesetzbuch traf Regelungen für Handlungsgehilfen, spezielle Vorschriften wurden für Arbeitnehmer bei Regiebauten der Eisenbahnen in Kraft gesetzt. Der Gesetzgeber hat diese Sonderregelungen grundsätzlich nicht angetastet, die Sonderregelungen sollten aber kein Surrogat für ein modernen Anforderungen genügendes bürgerliches Recht der Arbeit sein. 1╇
OGH 9.10.1991, 9 ObA 165/91, Arb 10.987; 16.11.1988, 9 ObA 502/88, Arb 10.749. OGH 24.2.1988, 9 ObA 504/87, Arb 10.664. 3╇ OGH 25.9.1991, 9 ObA 158/91, Arb 10.985; vgl dazu unten Rz 81 ff. 4╇ Krejci in Rummel3 I §Â€1151 Rz 1. 5╇ So der HHB, 78 BlgHH, 21. Sess 203. 2╇
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Schrammel
Auch wenn der konkrete Anwendungsbereich der Dienstvertragsbestimmungen eingeschränkt ist, kommt den Regelungen des 26. Hauptstückes eine ganz wesentliche Bedeutung für die arbeitsrechtliche Systembildung zu. Die Bestimmungen des ABGB sollten neben den Sonderregelungen als „systematische Grundlage und zugleich als Richtlinie sozialer Regelung aller Arbeitsverhältnisse“ stehen und subsidiär auf alle Typen anwendbar sein.6 Wer Arbeitnehmer ist, wird im 26. Hauptstück des ABGB definiert.7 Das ABGB legt damit auch den Anwendungsbereich der arbeitsrechtlichen Sondergesetze fest. Das 26. Hauptstück ist insoweit Grundlage der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, unabhängig vom Inhalt der geleisteten Dienste.
II. Fremdwirtschaftliche Zweckbestimmung der Dienstleistungen 8
„Dienstleistungen“ fallen nur dann in den Anwendungsbereich des 26. Hauptstückes, wenn sie fremdwirtschaftlich zweckbestimmt sind. Beim Werkvertrag ergibt sich dies schon aus der notwendigen Entgeltlichkeit des Vertrages. Entgeltlich ist ein Vertrag über Dienstleistungen, wenn der Dienstleistende für die Zurverfügungstellung der Dienste eine Gegenleistung erhält.8 Die Erbringung der Dienste muss dem Empfänger der Dienste eine zureichende Veranlassung für die Gewährung einer Gegenleistung geben und insoweit den Interessen des Empfängers zu dienen bestimmt sein. Fremdwirtschaftlich zweckbestimmt ist auch der Verlagsvertrag, der nach der Systematik des 26. Hauptstückes ebenfalls zu den Verträgen über Dienstleistungen gehört. Der Urheber hat dem Verleger das Werk zur Vervielfältigung und Verbreitung auf eigene Rechnung zu überlassen.9 Der Verleger übernimmt das Risiko für den Erfolg und die Qualität des vervielfältigten Werkes; er trägt den Verlust oder zieht aus dem Geschäft den Gewinn.10 Aber auch beim Dienstvertrag, für den Entgeltlichkeit nicht zwingend vorgeschrieben ist, genügt es nicht, dass die Dienste in einer fremden Organisation erbracht werden; die Dienste müssen „für einen anderen“ geleistet werden. Entscheidend ist, dass die Dienste im Interesse des Empfängers liegen, das sich an dessen betrieblichen Zwecken und Erfordernissen orientiert. Die fremdwirtschaftliche Zweckbestimmung hat vor allem bei Tätigkeiten 9 aus religiösen, karitativen oder sozialen Motiven Bedeutung.11 Eine religiös motivierte Arbeit kann eigenen Interessen, aber auch fremden Interessen dienen. Wer in einem Ordensspital Krankenpflegedienste leistet, erfüllt regelmäßig eine aus dem Ordensverhältnis entspringende Pflicht und verfolgt damit einen im Wesentlichen eigenwirtschaftlichen Zweck. Die religiöse Bestimmung kann freilich auch darin liegen, dass Dienste einem (Krankenhaus-)Un6╇
78 BlgHH, 21. Sess 204. Krejci in Rummel3 I §Â€1151 Rz 4. 8╇ Vgl § 1152 Rz 3. 9╇ Vgl Krejci in Rummel3 I §§Â€1172, 1173 Rz 31 ff. 10╇ Krejci in Rummel3 I §§Â€1172, 1173 Rz 65. 11╇ Vgl Rebhahn, ZellKomm § 1151 Rz 78. 7╇
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ternehmen angeboten werden, das an der Dienstleistung ein wirtschaftliches Interesse hat. Ist nach der Parteiabsicht die Förderung fremder Interessen Inhalt der Rechtsbeziehung, werden die Dienste für einen anderen erbracht.12 Wer eine fremde Organisation nur benützt, um eigene Ziele zu verfolgen, 10 zB seine eigene Ausbildung zu verbessern, arbeitet im eigenen Interesse; die Leistung ist in diesem Fall nicht fremdwirtschaftlich orientiert. Der OGH hat daher zu Recht Leistungen von so genannten Volontären nicht dem 26. Hauptstück unterstellt,13 wenn die konkrete Beschäftigung objektiv in erster Linie dem Ausbildungsinteresse dient. Auch Tätigkeiten in geschützten Werkstätten fallen nicht unter das 26. Hauptstück, wenn sie primär im Eigeninteresse des Leistenden erbracht werden.14 Ob der Leistende im Eigeninteresse handelt, ergibt sich nicht allein aus dem Charakter der Einrichtung, in der die Leistung erbracht wird. Die Gewöhnung eines Nichtsesshaften an geregelte Arbeit wird prima facie im Interesse des Nichtsesshaften liegen. Wenn die Organisation, in der die Leistung erbracht wird, für die „Arbeit“ ein Entgelt bezahlt, kann darin die wirtschaftliche Werthaftigkeit der „geschützten“ Arbeit für den Empfänger zum Ausdruck kommen. Dann wird die Arbeit zwar auch im eigenen Interesse, aber auch mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung erbracht.15 Diese Auffassung wird auch vom EuGH in seiner Judikatur zum Arbeit- 11 nehmerbegriff nach Art 45 AEUV geteilt. Arbeitnehmer sind zunächst nur Personen, die eine „tatsächliche und echte Tätigkeit im Lohn- und Gehaltsverhältnis“ verrichten, die sich nicht als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt.16 Personen können sich nicht auf die Freizügigkeitsregeln des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union berufen, wenn ihre Beschäftigung der Rehabilitation oder der Wiedereingliederung dient.17 Dies ist etwa bei Drogenabhängigen gegeben, die infolge von in ihrer Person begründeten Umständen auf unbestimmte Zeit nicht in der Lage waren, unter normalen Bedingungen zu arbeiten und deshalb in ein entsprechendes Beschäftigungsprogramm eingebunden wurden. Nicht entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob die Einrichtung, in der die Leistung erbracht wird, einen „karitativen“, nicht auf Gewinnerzielung gerichteten Charakter hat. Entscheidend ist vielmehr der eigenwirtschaftliche Charakter der Tätigkeit. Der EuGH hat daher eine Berufung auf Art 45 AEUV für zulässig erachtet, wenn ein Sektenmitglied im Rahmen kommerzieller Aktivitäten der Sekte tätig ist, sofern die Sekte für die materielle Existenz der Mitglieder sorgt und diese Vorteile als indirekte Kompensation für eine tatsächliche Arbeit angesehen werden können.18 Vgl dazu Schrammel, Sozialversicherung und geistliches Amt, ÖAKR 1982, 83. OGH 11.10.1995, 9 ObA 176/95, ZAS 1997, 15 (Risak). 14╇ OGH 29.10.2009, 9 ObA 105/09w, ZAS 2011, 32; 18.2.2010, 8 ObA 48/09f, Arb 12.868. 15╇ Vgl BSG 16.4.1985, 12 RK 53/83, BSGE 58, 67. Im Anlassfall ging es um die Beschäftigung von Nichtsesshaften in einem Schlossgarten. Der die Arbeit organisierende Verband der freien Wohlfahrtspflege leistete für die Arbeit ein „Entgelt“, das weit über dem Sozialhilferichtsatz lag. Die gezahlten Beträge wurden vom Schlossgarten refundiert. 16╇ EuGH 30.3.2006, C-10/05 (Mattern und Cikotic), Slg 2006, I-3145; vgl Schrammel/Winkler, Europäisches Arbeits- und Sozialrecht 49 f. 17╇ EuGH 31.5.1989, Rs 344/87 (Bettray), Slg 1989, 1621. 18╇ EuGH 5.10.1988, Rs 196/87 (Steymann), Slg 1988, 6159. 12╇ 13╇
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Die Arbeit des Sektenmitglieds wurde insoweit als fremdwirtschaftlich orientiert angesehen.19 Auch bei der Erbringung von „Diensten“ im Familienverband oder im 12 Rahmen von Vereinen oder anderen „Zweckgesellschaften“ (zB freiwillige Feuerwehr) stellt sich die Frage, ob der Dienstleistende fremde oder bloß eigene Interessen fördern will. Wenn §Â€90 ABGB ausdrücklich anordnet, dass die Ehegatten einander Beistand zu leisten haben und ein Ehegatte im Erwerb des anderen mitzuwirken hat, soweit ihm dies zumutbar und nach den Lebensverhältnissen des Ehegatten üblich ist und nichts anderes vereinbart wurde,20 dann zeigt sich in dieser Bestimmung, dass die Mitarbeit im Familienverband im gemeinsamen Interesse der Ehepartner liegt. Der dem im Betrieb des Ehepartners mitarbeitenden Ehegatten zustehende Anspruch auf angemessene Abgeltung seiner Mitwirkung nach §Â€98 ist kein Entgeltanspruch mit der Zweckbestimmung, die Mitarbeit zu veranlassen;21 die Mitarbeit erfolgt in der Regel auch nicht mit dem Ziel, ein singuläres Interesse des Ehepartners zu fördern. Die Mitarbeit ist vielmehr Ausdruck eines kooperativen Prinzips.22 Die fehlende Arbeitnehmereigenschaft von mitarbeitenden Ehepartnern oder von anderen kooperativ tätigen Personen wird meist auf das Fehlen persönlicher Abhängigkeit gestützt, darauf kommt es aber im Ergebnis gar nicht an. Das äußere Bild der Erfüllung familiärer Beistandspflicht kann der Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten im Prinzip völlig gleichen; die Beistandspflichterfüllung schließt eine Einordnung des Angehörigen in den Betrieb des anderen nicht aus. Die eheliche Mitarbeit ist aber in den meisten Fällen auf die Wahrnehmung gemeinsamer eigener Interessen gerichtet, die Tätigkeit ist grundsätzlich nicht fremdwirtschaftlich zweckbestimmt.23 Damit ist nicht ausgeschlossen, dass auch zwischen Eheleuten vertragliche Beziehungen bestehen, die ausschließlich einem Fremdinteresse (dh dem wirtschaftlichen Interesse des anderen Ehepartners) dienen. So hat etwa die Judikatur gemeint, dass Leistungen nicht zur Beistandspflicht der Ehegattin gehören, die dem Manne einen Hausbau ermöglichen.24 Übersteigt die Mithilfe das Maß üblicher Familiendienste, so kann darin ein Indiz für die fremdwirtschaftliche Zweckbestimmung gesehen werden.25 Ähnliches gilt bei Tätigkeiten im Rahmen von Vereinen. Die Mitarbeit in 13 einem Verein ist in der Regel eigenwirtschaftlich bestimmt. Pfadfinderführer, die ein Jugendcamp leiten, erbringen auf den ersten Blick Dienste für den Verein, sie werden aber bloß eigenwirtschaftlich tätig, wenn die Führungsaufga19╇ Resch, Wirtschaftliches Eigeninteresse und Arbeitnehmerbegriff, ZAS 2011, 19 ff, stellt in seiner Kritik zu sehr auf die fehlende Gewinnabsicht auf Seite des Empfängers und die persönliche Abhängigkeit ab. 20╇ Vgl Stabentheiner in Rummel3 I §Â€90 Rz 10 f. 21╇ OGH 6.10.2005, 8 ObA 44/05m. 22╇ Vgl Holzer, Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen der Mitarbeit von Vereinsmitgliedern im Rahmen wirtschaftlicher Vereinstätigkeiten, in Korinek/Krejci (Hrsg), Der Verein als Unternehmer 352 ff. 23╇ OGH 28.3.2001, 9 ObA 25/01v. 24╇ OGH 3.10.1967, 8 Ob 265/67, SZ 40/123; Smutny in Kletečka/Schauer, ABGB-ON § 90 Rz 35. 25╇ Vgl Krejci in Rummel3 I §Â€1151 Rz 20.
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ben zu ihren Mitgliedschaftspflichten gehören.26 Die eigenwirtschaftliche Zweckbestimmung steht auch dann im Vordergrund, wenn die Tätigkeit nur im Zusammenwirken mit anderen Vereinsmitgliedern sinnvoll ausgeübt werden kann. Insoweit dient die Mitarbeit aller Vereinsmitglieder immer auch den Interessen eines anderen (zB philharmonisches Quartett). Solange sich die konkrete Tätigkeit im statutenmäßigen Wirkungsbereich des Vereins bewegt, agiert der „Dienstleistende“ nicht fremdwirtschaftlich, sondern im eigenen Interesse.27 Diese Zweckbestimmung wird verdeckt, wenn man nur auf die Mitspracherechte bei Erbringung der Leistung abstellt und die ArbeitnehmerÂ� eigenschaft verneint, wenn dem kooperativ Tätigen Einfluss auf die Gestaltung der Leistung zukommt.28 Fehlt die Fremdbestimmung, liegt kein Dienstvertrag im Sinne von §Â€1151 vor.29 Holzer zeigt dies anschaulich am Beispiel der Wiener Philharmoniker.30 Die entscheidende Frage ist allerdings nicht, ob die Leistungen fremdbestimmt, sondern ob sie fremdnützig erbracht werden. Praktische Bedeutung hat die mitgliedschaftlich geprägte Dienstleistung vor 14 allem in der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach §Â€176 Abs€1 Z 6 ASVG gelten als Arbeitsunfälle auch Unfälle, die sich bei einer betrieblichen Tätigkeit, wie sie sonst ein nach §Â€4 Versicherter ausübt, ereignen, auch wenn dies nur vorübergehend geschieht. Nach der Rechtsprechung des OGH liegt eine „betriebliche Tätigkeit“ nicht vor, wenn sie nur auf Grund mitgliedschaftlicher oder ähnlicher Verpflichtungen ausgeübt wird. Die Judikatur hat etwa die Errichtung eines Hochsitzes durch den Obmann und Jagdleiter einer Jagdgesellschaft als eigenwirtschaftlich angesehen, weil diese Aufgaben nach der Satzung der Jagdgesellschaft zu den Mitgliedschaftspflichten gehörten.31 Es muss sich vielmehr um eine spezifische Tätigkeit handeln, die als Ausübung der Erwerbstätigkeit erscheint. Die Handlungstendenz muss auf Belange des Unternehmens gerichtet sein. Dabei sind die Gesamtumstände zu betrachten, weil es nicht ausreicht, dass die einzelne Verrichtung losgelöst von den sie tragenden Umständen dem Unternehmen nützlich und ihrer Art nach dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist. Ob die geleistete Tätigkeit dem Unternehmen dienlich war, kann nicht aus einer nachträglichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, sondern muss aus dem Zweck der geleisteten Tätigkeit erschlossen werden.32 Ein Vertrag über Dienstleistungen für einen anderen liegt schließlich auch 15 dann nicht vor, wenn nach der Parteiabsicht von vornherein keine Dienste erbracht werden sollen und der Vertrag nur auf die Beschaffung von Entgelt für den „Dienstleistenden“ abzielt. Im Gegensatz zu Resch bestehen daher sehr wohl Zweifel an der Arbeitnehmereigenschaft, wenn etwa im staatsnahen Non26╇
Vgl BSG 24.3.1998, B 2 U 13/97, NZS 1998, 531. OGH 21.5.1996, 10 ObS 2111/96f; 19.3.2002, 10 ObS 39/02m. 28╇ So aber Holzer, Mitarbeit von Vereinsmitgliedern, in Korinek/Krejci (Hrsg), Der Verein als Unternehmer 354. 29╇ Vgl zur Fremdbestimmung Rz 24 ff. 30╇ Holzer, Mitarbeit von Vereinsmitgliedern, in Korinek/Krejci (Hrsg), Der Verein als Unternehmer 356 f. 31╇ OGH 19.3.2002, 10 ObS 39/02m. 32╇ OGH 19.8.1997, 10 ObS 427/97t, SSV-NF 11/91 mwN zur vergleichbaren deutschen Rechtslage. 27╇
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Profit-Bereich unnötig Personal eingestellt wird (etwa um vor einer Wahl die Beschäftigungsquote bei Jugendlichen zu heben) und diese Personen tatsächlich kaum beschäftigt werden oder wenn die – so genannten – Arbeitnehmer überwiegend nur private Verrichtungen in der Arbeitszeit durchführen.33
III. Abgrenzung Dienstvertrag – Werkvertrag 1. Allgemeines 16
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Der Begriff der „Dienste“ in §Â€1151 ist weit zu verstehen; er umfasst Tätigkeiten aller Art. Gegenstand eines „Vertrages über Dienstleistungen“ können mechanische oder schöpferische Tätigkeiten, faktische Leistungen oder die Setzung von Rechtshandlungen sein. Selbst ein passives Verhalten kann zum Inhalt eines Dienstleistungsvertrages gemacht werden.34 Wer sich etwa von einem Seiltänzer über das gespannte Seil tragen lässt, leistet gleichwohl Dienste.35 Grundsätzlich können alle Tätigkeiten, die rechtlich erlaubt sind, Gegenstand eines Dienstleistungsvertrages sein.36 Entscheidend ist, dass die menschliche Arbeitskraft verwertet wird. Keine Dienste erbringt daher, wer lediglich Kapital zur Verfügung stellt, damit fremde Interessen gefördert werden. Die Erbringung von Diensten für einen anderen kann sehr unterschiedlich gestaltet sein. Bestimmte Leistungen ergeben für den Empfänger nur Sinn, wenn der Dienstleistende in die betriebliche Organisation des Leistungsempfängers eingegliedert wird; bei anderen Leistungen schadet es nicht, wenn der Leistende über große Freiheiten bei der Erbringung der Leistung verfügt. Diese Unterschiedlichkeiten bei der Erbringung von Dienstleistungen erfordern auch eine differenzierte rechtliche Erfassung dieser Leistungen. Es liegt auf der Hand, dass Personen, die bei ihrer Tätigkeit in einen fremden Betrieb eingegliedert sind, über den sie nicht verfügen, entsprechenden Schutz genießen müssen, damit sie bei ihrer Tätigkeit keinen Schaden erleiden. Ist der Dienstleistende bei der Ausführung der Dienste relativ frei, muss dieser Schutz nicht, jedenfalls nicht in gleicher Weise gegeben sein. Der Gesetzgeber der III. Teilnovelle hat keine umfassende Regelung über Dienstleistungsverträge getroffen. Er hat lediglich die zwei – aus damaliger Sicht – wichtigsten Formen der Diensterbringung rechtlich erfasst.37 Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass Dienste auch auf anderer Rechtsgrundlage erbracht werden. In den Materialien wird darauf hingewiesen, dass die formelle Trennung von Dienstvertrag und Werkvertrag in der neuesten Gesetzgebung allgemein anerkannt sei.38 Anlass zu dieser Trennung gab die Beobachtung, dass Verträge Vgl Resch, Wirtschaftliches Eigeninteresse und Arbeitnehmerbegriff, ZAS 2011, 22. Schrammel, Zur Rechtsstellung freier Mitarbeiter des Österreichischen Rundfunks, JBl 1982, 449 ff. 35╇ Vgl Ehrenzweig, System II/13, 479. 36╇ Krejci in Rummel3 I §Â€1151 Rz 32. 37╇ Der im 26. Hauptstück geregelte Verlagsvertrag hat in §Â€1151 keine besondere Erwähnung gefunden. 38╇ 78 BlgHH, 21. Sess 206. 33╇ 34╇
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über die Verwertung menschlicher Arbeitskraft in zwei Formen in Erscheinung treten. Charakteristisch für diese beiden Formen sei der Gegensatz der wirtschaftlichen Bedingungen und Zwecke in folgenden Punkten: a) dauerndes Verpflichtungsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und ArbeitÂ� geber;╇ b) Arbeit unter der Leitung und Verfügung und╇ c) mit den Arbeitsmitteln des Arbeitgebers╇ d) persönliche Arbeitspflicht und persönlicher Anspruch auf die Arbeit,╇ e) Haftung für Diligenz, im Übrigen aber╇ f) Erfolg wie Misserfolg der Arbeit auf Rechnung des Arbeitgebers, somit╇ g) persönliche und wirtschaftliche Unterordnung des Arbeitnehmers in den Organismus des Unternehmens des Arbeitgebers bei der einen Form. ╇ Hingegen bei der anderen Form des Einsatzes menschlicher Arbeitskraft ╇ a) Verpflichtung zu einer Leistung, deren Erfolg╇ b) nach eigenem Plan zu bewerkstelligen und╇ c) mit eigenen Mitteln, auch╇ d) durch Gehilfen und Substituten, aber╇ e) unter Haftung nicht nur für Sorgfalt, sondern Gewährleistung für Mängel der Arbeit, und╇ f) Übernahme der Gefahr des Misslingens, kurz╇ g) das Geschäft eines selbstständigen Unternehmens. Der Gesetzgeber der III. Teilnovelle hat daraus abgeleitet, dass die rechtli- 21 che Gestaltung der einen Form des Einsatzes menschlicher Arbeit als besonderer Vertragstyp im Gegensatz zur anderen Form geregelt werden muss. Mit der Formulierung in §Â€1151 Abs€1, dass ein „Dienstvertrag“ vorliegt, wenn sich jemand auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet, sollte das Eintreten in ein persönliches Dienstverhältnis, ein sich „Verdingen“ zum Ausdruck gebracht werden.39 Mit der „Herstellung eines Werkes“ sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass nicht die fortdauernde Arbeit, sondern das Werk selbst Gegenstand der Leistung ist; der Leistende übernimmt den Erfolg der Arbeit.40 2. Dienstvertrag (Arbeitsvertrag) a) Verpflichtung „für eine gewisse Zeit“ Der Dienstvertrag oder Arbeitsvertrag41 setzt zunächst voraus, dass sich 22 der Dienstleistende „für eine gewisse Zeit“ zu Diensten verpflichtet hat. Demgegenüber ist beim Werkvertrag die Herstellung eines abgegrenzten Werkes 39╇ Die Materialien verweisen in diesem Zusammenhang auf art 1179 code civil des franÂ�çais – s’engager au service de quelqu’un. 78 BlgHH, 21. Sess 208. 40╇ 78 BlgHH, 21. Sess 209. 41╇ Im Folgenden wird der moderne Ausdruck „Arbeitsvertrag“ verwendet.
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Schuldinhalt. Die konkrete Dauer der Verpflichtung zur Dienstleistung für eine gewisse Zeit wird im Gesetz nicht näher bestimmt. Das Gesetz verlangt insbesondere keine bestimmte Mindestdauer der Dienstleistung. Das Zeitelement soll nur auf ein dauerndes Verpflichtungsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber hinweisen. Der Arbeitsvertrag ist im Gegensatz zum Werkvertrag ein Dauerschuldverhältnis, bei dem nicht von vornherein nur eine einzelne, bestimmte Dienstverrichtung geschuldet wird, deren Durchführung€ – wie lange dies auch immer dauern mag€– die Pflicht des Schuldners abschließend erfüllt, sondern dass Dienste einer mehr oder weniger bestimmten Art für eine von vornherein befristete oder aber für eine unbestimmte Dauer geschuldet werden.42 Die Dauer des Verpflichtungsverhältnisses kann allerdings auch mit dem 23 Erreichen eines bestimmten „Erfolges“ begrenzt werden. Insoweit gibt es auch bei Dauerschuldverhältnissen scheinbar eine „letzte“ Erfüllungshandlung, mit der die Vertragsbeziehung beendet wird. Wesentlich für das Vorliegen eines Arbeitsvertrages ist allerdings, dass die konkrete Leistung nicht per se den Charakter einer letzten Erfüllungshandlung hat. Wer sich zu Errichtung eines gotischen Gewölbes verpflichtet hat, erfüllt seine Verpflichtung mit dem Setzen des Schlusssteines. Der Schlussstein vermittelt den geschuldeten „Erfolg“. Auch die Tätigkeit der beim Bau eingesetzten Personen kann mit dem Setzen des Schlusssteines begrenzt werden; die Beendigung der Tätigkeit ergibt sich allerdings nicht aus dem „Wesen“ des Schlusssteines, sondern aus der vertraglich vereinbarten zeitlichen Begrenzung. Ohne diese Begrenzung würde die Dienstverpflichtung auch weitere Bautätigkeiten umfassen. b) Persönliche Abhängigkeit 24
Für die Abgrenzung des Arbeitsvertrages von anderen Formen des Einsatzes menschlicher Arbeitskraft haben sich in der Judikatur im Laufe der Zeit gewisse „Stehsätze“ entwickelt. Der Arbeitsvertrag ist danach vor allem durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers, durch dessen Unterworfenheit unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers gekennzeichnet, die sich in organisatorischer Gebundenheit, insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle – nicht notwendig auch in Weisungen über die Art der Ausführung der Tätigkeit – äußert. Zu den wesentlichen Merkmalen eines Arbeitsvertrages gehören die persönliche, auf Zeit abgestellte Arbeitspflicht des Arbeitnehmers, dessen disziplinäre Verantwortung, die Fremdbestimmtheit der Arbeit, deren wirtschaftlicher Erfolg dem Arbeitgeber zukommt, die persönliche Fürsorge- und Treuepflicht sowie die organisatorische Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers.43 Die Bestimmungsmerkmale der persönlichen Abhängigkeit müssen nicht alle allgemein vorliegen und können in unterschiedlich starker Ausprägung bestehen. Entscheidend ist, ob die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach überwiegen. So Krejci in Rummel3 I §Â€1151 Rz 34. Vgl OGH 10.7.2008, 8 ObA 55/07g, RdW 2009, 40; 17.2.2005, 8 ObA 20/04f; 6.10.2005, 8 ObA 44/05m; vgl auch 19.6.1991, 9 Ob 902/91, Arb 10.944. 42╇ 43╇
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Für die Judikatur kommt es also primär darauf an, inwieweit der Dienst- 25 leistende in die Organisation des Empfängers der Dienstleistung eingebunden ist. Ein Arbeitsvertrag liegt immer dann vor, wenn die Dienstleistung in persönlicher Abhängigkeit erfolgt. Die „persönliche Abhängigkeit“ ist ein kombinatorischer Begriff. Persönliche Abhängigkeit liegt nicht erst dann vor, wenn alle von der Judikatur als charakteristisch gewerteten Umstände vorliegen; ebenso unzulässig ist es, persönliche Abhängigkeit nur dann zu verneinen, wenn kein einziges der von der Judikatur genannten Kriterien zutrifft. Die einzelnen Elemente der persönlichen Abhängigkeit – Bindung an Ort, Zeit und arbeitsbezogenes Verhalten, persönliche Fürsorgepflicht, Eingliederung in den Betrieb etc – stehen zueinander im Verhältnis eines beweglichen Systems. Das Fehlen einzelner Elemente kann durch die besondere Ausprägung anderer Elemente aufgewogen werden. Das Abstellen auf die organisatorische Gebundenheit an Arbeitszeit, Ar- 26 beitsort und Kontrolle ist allerdings wenig aussagekräftig, wenn die Dienstleistung von ihrem Inhalt her entweder nach einer gewissen Freizügigkeit verlangt oder nur unter weitgehender Bindung an eine bestehende Organisation erbracht werden kann.44 Bei künstlerischen (Ensemble-)Leistungen muss jedes Ensemblemitglied wissen, dass seine individuelle Leistung nur bei völliger Einordnung in das Stück und in dessen Inszenierung Sinn ergibt. Individuelle Ausnahmen hinsichtlich der Art, des Ortes oder der Zeit der Erbringung der Einzelleistung sind durch die gegenseitige Abhängigkeit, das Ineinandergreifen und das notwendige Zusammenspiel aller Faktoren von vornherein ausgeschlossen: Radames kann nicht erst im zweiten Akt auftreten. Arbeitsort und Arbeitszeit sind durch das Stück vorgegeben. Es wäre allerdings verfehlt, allein aus bestimmten Sachzwängen und der sich daraus ergebenden Einordnung des Dienstleistenden auf ein Arbeitsverhältnis zu schließen. Entscheidend kann nur sein, ob der eine Vertragspartner über die Arbeitskraft des anderen verfügungsberechtigt wird. Vereinfacht gesagt, ist zu fragen, ob der Dienstleistende – gäbe es die sachlich bedingte organisatorische Eingliederung nicht – in eine vergleichbare, aber ausschließlich rechtlich bedingte Organisation gebunden werden kann. Bei einem Künstler kann diese rechtliche Gebundenheit angenommen werden, wenn der Künstler etwa zu bestimmten Proben, die vom Theaterunternehmer angeordnet werden, zur Verfügung stehen muss. Das „Erarbeiten“ einer Inszenierung ist nicht „stückbedingt“; Ort und Zeit der Dienstleistung werden vielmehr vom Theaterunternehmer bzw vom Regisseur bestimmt. Anders ist die Situation, wenn der Künstler bei einer einzelnen Aufführung – bereits einstudiert – eine bestimmte Rolle verkörpert. Ein nur durch das Zusammenwirken mehrerer Personen erreichbarer Er- 27 folg bietet zweifellos ein gewisses Indiz dafür, dass die Einzelleistung auf Grund einer rechtlichen Verfügungsmacht des Unternehmers erfolgt; der Unternehmer wird in aller Regel alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um den angestrebten Erfolg sicherzustellen, und daher bestrebt sein, den Vertrag mit den Dienstleistenden so zu gestalten, dass ihm ein rechtlicher OrganisaÂ� 44╇ Vgl Schrammel, Zur Rechtsstellung freier Mitarbeiter des Österreichischen Rundfunks, JBl 1982, 449.
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tionszwang diesen gegenüber möglich ist. Der Sachzwang ist daher für das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit nicht völlig irrelevant.45 Die Judikatur ist in dieser Frage ambivalent. Der OGH hat gemeint, die Bindung zB an einen bestimmten Unterrichtsstoff oder an einem vorgegebenen Lehrzielkatalog würde noch keine persönliche Abhängigkeit begründen, allerdings offen gelassen, ob dies immer so sein muss.46 Erfordert die Tätigkeit eine besondere sachliche Ausstattung, kann dem Umstand, dass die vorhandenen Mittel auch tatsächlich genutzt werden, keine „wesentliche“ Indizwirkung für das Vorliegen eines Arbeitsvertrages haben.47 Eine gewisse Indizwirkung ist dem Sachzwang aber offenbar nicht abzusprechen. Der Judikatur ist zuzubilligen, dass der Sachzwang allein noch nicht auf persönliche Abhängigkeit hinweist. Entscheidend ist, ob sich der Dienstleistende einer umfassenden, über den Sachzwang hinausgehenden Verfügungsmacht seines Vertragspartners unterworfen hat. Dies muss in jedem Einzelfall festgestellt werden. c) Vertretungsbefugnis 28
Ein ganz wesentlicher Faktor für das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit ist die Möglichkeit, sich bei der Dienstleistung eines Vertreters zu bedienen. Steht es dem Dienstleistenden frei, übernommene Arbeiten nach Gutdünken einer anderen Person zu übertragen, dann unterliegt der Dienstleistende bei der Durchführung dieser Arbeiten nicht einer fremdbestimmten Gestaltung und kann daher auch nicht Arbeitnehmer sein.48 Eine allfällige Vertretungsbefugnis kann allerdings sehr unterschiedlich 29 strukturiert sein.49 Denkbar ist, dass zwar ein Vertreter bei der Dienstleistung nominiert, aber nur dann eingesetzt werden darf, wenn der Vertragspartner seine Zustimmung erteilt. Denkbar ist, dass ein Vertreter nur bei Vorliegen ganz bestimmter Verhinderungsfälle (zB im Falle von Krankheit) eingesetzt werden darf. Die Vertretungsbefugnis kann aber auch so ausgestaltet sein, dass es völlig im Belieben des Dienstleistenden steht, sich bei der vereinbarten Arbeit vertreten zu lassen; die „Verpflichtungen“ des Dienstleistenden sind dann auf die rechtzeitige Bekanntgabe des Vertreters begrenzt. In diesem Fall bestimmt also allein der Dienstleistende, was unter einer „Verhinderung“ zu verstehen ist. Ist eine „grundlose“ Vertretung vereinbart, spielt es rechtlich keine Rolle, wenn eine Verhinderung wegen „Krankheit“ oder wegen Antritts eines „Urlaubs“ bekannt gegeben wird. Der Arbeitnehmer könnte – sanktionslos – auch persönliche „Arbeitsunlust“ anführen. Nach Meinung des OGH liegt eine Bestimmungsfreiheit bei der Durchfüh30 rung der Arbeit nur dann vor, wenn der Dienstleistende die Arbeiten generell und ohne Rücksprache mit dem Vertragspartner an andere Personen delegieVgl auch Reiner, Zur Konstruktion des Arbeitnehmerbegriffs, JBl 2010, 564. OGH 5.5.1999, 9 ObA 10/99g, ASoK 1999, 277 (kritisch Karl). 47╇ OGH 10.7.2008, 8 ObA 55/07g (Gefängnisarzt), RdW 2009, 40. 48╇ So OGH 26.6.1997, 8 ObA 2158/96b; 13.1.1988, 14 ObA 46/87, Arb 10.697; Strasser, Abhängiger Arbeitsvertrag oder freier Dienstvertrag, DRdA 1992, 97. 49╇ Vgl dazu Schrammel, Arbeitsvertrag versus freier Dienstvertrag, FS Bauer/Maier/Petrag 25 ff. 45╇ 46╇
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ren darf. Bei einer derartigen Konstellation, die es dem Dienstleistenden rechtlich ermöglicht, die angetretene Arbeit einzustellen und durch andere Personen fortsetzen zu lassen, die also – konsequent fortgeführt – auch ein Verlassen des „Arbeitsplatzes“ bei Wegfall der Arbeitslust einschließt, kann niemals davon gesprochen werden, dass der Dienstleistende während der Arbeit in seiner persönlichen Bestimmungsfreiheit beschränkt ist. Die „persönliche“ Freiheit, auch nach der rechtsverbindlichen Zusage, Dienste zu erbringen, die Dienstleistung zu unterlassen, schließt das Vorliegen eines Arbeitsvertrages jedenfalls aus. Der OGH verlangt allerdings, dass eine vertraglich eingeräumte Vertre- 31 tungsbefugnis auch tatsächlich genutzt wird oder bei objektiver Betrachtung zu erwarten ist, dass eine solche Nutzung erfolgt. Dahinter steht die Überlegung, dass für die Abgrenzung des Arbeitsvertrages von anderen Vertragstypen nicht die Bezeichnung, sondern die tatsächliche Handhabung des Vertragsverhältnisses entscheidend ist.50 Ein „inhaltsleeres“ Vertretungsrecht ist unbeachtlich, wenn der wahre Wille der Parteien (§Â€914) gar nicht auf Vertretung gerichtet ist.51 Diese objektive Betrachtung muss die gesamte Lebenssituation des 32 Dienstleistenden einbeziehen. Wenn jemand eine weitere Beschäftigung – etwa auf Grund eines „echten“ (Teilzeit-)Arbeitsvertrages mit Überstundenverpflichtung – ausübt, wird die „freie“ Beschäftigung nicht ohne Not unterlassen, aber durchaus interessiert sein, Kollisionen mit der „fixen“ Arbeitspflicht zu vermeiden. Der OGH hat daher zu Recht im Falle eines Zeitungszustellers argumentiert, es sei keinesfalls undenkbar oder nach allgemeiner Lebenserfahrung auch nur unwahrscheinlich, dass sich ein Zusteller regelmäßig eines oder auch mehrerer Vertreter (aus dem Familien- oder Bekanntenkreis) bedient, etwa um selbst eine günstige Gelegenheit zu einer anderen kurzfristigen, aber lukrativeren Tätigkeit zu nützen, oder sich sogar überhaupt die Zustelltätigkeit mit einem zweiten Zusteller „teilt“. d) Ablehnung einzelner Dienste Gegen das Vorliegen eines Arbeitsvertrages sprechen auch vertragliche 33 Vereinbarungen, die dem Dienstleistenden das Recht einräumen, bestimmte Arbeiten nach Gutdünken abzulehnen. Ähnlich wie bei der Vertretungsbefugnis kann ein Ablehnungsrecht sehr unterschiedlich strukturiert sein. In der Regel finden sich Ablehnungsrechte im Gefolge von Rahmenvereinbarungen, in denen sich der Dienstleistende grundsätzlich bereit erklärt, für einen anderen Dienste zu erbringen, die allerdings zeit- und umfangmäßig noch nicht konkretisiert sind. Die notwendige Konkretisierung der Rahmenvereinbarung kann so konstruiert sein, dass der Empfänger der Dienstleistung konkrete Arbeitsanbote stellt, die vom Dienstleistenden angenommen oder abgelehnt werden können. Das „Initiativrecht“ zur Konkretisierung liegt in diesem Fall beim 50╇
OGH 5.5.2004, 9 ObA 53/04s; 25.11.2003, 8 ObA 44/03h. Rebhahn, Dienstnehmerbegriff und persönliche Abhängigkeit bei Vertretungsbefugnis, wbl 1998, 277 ff; OGH 18.10.2006, 9€ObA 96/06t; 30.10.2003, 8€ObA 45/03f. 51╇
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Empfänger der Dienstleistung. Denkbar ist aber auch, dass der Dienstleistende konkrete Anbote zur Erbringung von Diensten stellt, die dann vom Vertragspartner angenommen oder abgelehnt werden können. Hier liegt also die Initiative beim Dienstleistenden. In der Praxis kommen aber auch Mischformen vor. Sehr oft wird die erwähnte Rahmenvereinbarung um einen zwischen den Vertragspartnern einvernehmlich festgelegten „Dienstplan“ ergänzt. In diesem Dienstplan gibt einerseits der Dienstleistende bekannt, zu welchen Zeiten er dem Vertragspartner zur Verfügung steht; der Vertragspartner kann dann die Dienste zu diesen Zeiten abrufen. Auf der anderen Seite informiert der Dienstplan auch über die Beschäftigungsmöglichkeiten des Empfängers der Dienste. Eine Verpflichtung des Dienstleistenden, eine bestimmte Beschäftigung auszuüben, besteht in allen Fällen aber nicht. Die „Freiheiten“ des Dienstleistenden über seine Arbeitskraft sind je nach Vereinbarung unterschiedlich gewichtet. Steht das Initiativrecht zur Arbeitsaufnahme dem Dienstleistenden zu, ist ihm zweifellos ein relativ großer Dispositionsspielraum eingeräumt; der Dienstleistende kann selbst Prioritäten im Einsatz seiner Arbeitskraft setzen. Das Ablehnungsrecht steht in einem engen Konnex mit dem Recht, Vertre34 ter bei der Dienstleistung zu benennen, weist aber strukturelle Unterschiede zu letzterem auf. Das Ablehnungsrecht bezieht sich auf den Zeitraum bis zur Annahme eines Beschäftigungsanbots. Ein allenfalls vereinbartes Recht, einzelne Arbeitsaufträge abzulehnen, sagt aber noch nichts über die Gestaltung des Verhältnisses nach dem Zustandekommen einer Beschäftigungsvereinbarung aus. Kann der Dienstleistende die Aufnahme einer konkreten Arbeit ablehÂ�nen, dann fehlt es an einer Verpflichtung zu dauerhafter Arbeitsleistung; der Dienstleistende ist nicht zu einer dauernden Bereithaltung der Arbeitskraft verpflichtet. Ein vereinbartes Recht des Dienstleistenden zur Stellung eines Vertreters bezieht sich demgegenüber nicht auf den „Antritt“ der Dienste, es reicht gleichsam in die Erfüllungsphase hinein. Auch in diesem Zusammenhang ist die Judikatur ambivalent. Der OGH hat 35 einerseits relativ lapidar die Meinung vertreten, dass ein „Rahmenvertrag“ weder ein Arbeitsvertrag noch ein freier Dienst- oder ein Werkvertrag sein kann, wenn es dem Dienstleistenden immer möglich ist, eine Anfrage, ob er bei einem kommenden Einsatz zur Verfügung stehe, abzulehnen.52 Diese Position wird von der Judikatur aber nicht streng eingehalten. Ähnlich wie bei der Vertretungsbefugnis wird geprüft, ob das Ablehnungsrecht tatsächlich wiederholt ausgeübt wird oder bei objektiver Betrachtung zu erwarten ist, dass eine solche Nutzung erfolgt.53 Richtig ist, dass stets geprüft werden muss, ob das vereinbarte Ablehnungsrecht dem wahren Willen der Parteien entspricht. Der OGH hat in einer Reihe von Entscheidungen dem vereinbarten Ablehnungsrecht deshalb keine Beachtung geschenkt, weil die Ablehnungsvereinbarung teils mit anderen Vertragsbestimmungen, teils mit dem tatsächlich gelebten Vertrag in Widerspruch stand.54 Im Fall einer Kosmetikberaterin konnte über 52╇
OGH 20.2.2002, 9 ObA 296/01x. OGH 19.12.2007, 9 ObA 118/07d. 54╇ Vgl OGH 26.6.1997, 8 ObA 2158/96b (Nachhilfelehrer), wbl 1997, 481; 13.4.1988, 9 ObA 52/88 (Kosmetikberaterin), ZAS 1989, 136. 53╇
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einen Zeitraum von drei Jahren praktisch eine Vollzeitbeschäftigung festgestellt werden; die fehlende vertragliche Verpflichtung, Aufträge zu übernehmen, stand daher ganz offenkundig mit der tatsächlichen Parteiabsicht in Widerspruch.55 Es kann aber nicht genügen, dass allein aus der wiederholten Erbringung 36 von Diensten bereits auf die Unbeachtlichkeit des Ablehnungsrechtes geschlossen wird.56 Zu beachten ist, dass der Dienstleistende auch bei Vereinbarung eines Ablehnungsrechtes in der Regel ein wirtschaftliches Eigeninteresse an der Erbringung der Dienste hat. Wird der Dienstleistende immer wieder aufgefordert, Dienste zu erbringen, darf angenommen werden, dass eine Ablehnung nicht ohne Not erfolgen wird. Der OGH hat in einer älteren Entscheidung zu Recht darauf hingewiesen, es sei nicht entscheidend, ob von einem Recht, Arbeitsleistungen nicht zu erbringen, aus Interesse am Verdienst faktisch nicht Gebrauch gemacht wurde.57 Für den Arbeitgeber bietet eine leistungswillige Person natürlich den Reiz, 37 dieser Person immer wieder Arbeitsanbote zu machen. Die Konsequenz ist allerdings, dass der Arbeitgeber dann – nach Meinung der Judikatur − auf die Erbringung der Leistung vertrauen darf. Das Ablehnungsrecht wird dadurch gleichsam „überwunden“. Das Vertrauen auf die künftige Erbringung von Diensten mag dann gerechtfertigt sein, wenn der „Pool“, aus dem der Unternehmer Arbeitskräfte rekrutiert, relativ klein ist. Wenn allerdings dem Unternehmer eine Vielzahl von interessierten Dienstleistenden zur Verfügung steht, kann aus der mehrmaligen Beauftragung einer Person noch nicht zweifelsfrei darauf geschlossen werden, dass damit die Ablehnungsvereinbarung abgeändert wird.58 Hat sich der Dienstleistende zur Durchführung einer bestimmten Arbeit 38 bereit erklärt, kann die Durchführung dieser Arbeit durchaus in einem sehr reglementierten Rahmen erfolgen. Auch wenn keine Verpflichtung zur dauernden Bereitstellung der Arbeitskraft besteht, kann die im Einzelfall übernommene Arbeit sehr wohl in persönlicher Abhängigkeit erfolgen. Diese Abhängigkeit hat der OGH im Falle eines Detektivvertrages angenommen. Der Detektiv erhielt jeweils einen nach Ort, Zeit und Art der Durchführung genau bestimmten („isolierten“) Auftrag. Eine Verpflichtung, Aufträge anzunehmen, bestand nicht; tatsächlich wurden Aufträge auch abgelehnt. Der Dienstleistende unterlag aber während seines Einsatzes einer weitgehenden Kontrolle durch den Auftraggeber. Er musste sich immer wieder telephonisch melden, die Fahrzeiten wurden mit Fahrtenschreiber aufgezeichnet und über jeden Einsatz war detailliert zu berichten. Der OGH59 wertete die jeweiligen Rechtsverhältnisse als echte Arbeitsverhältnisse; die Freiheit, Aufträge abzulehnen, wurde durch die feste Eingliederung in den Betrieb des Detektivunternehmens überlagert („bewegliches System“). 55╇ Mosler, Beschäftigung nach Bedarf – arbeitsrechtliche Grenzen der flexiblen TeilzeitÂ� arbeit, DRdA 2002, 463. 56╇ So aber OGH 13.11.2003, 8 ObA 86/03k, ASoK 2004, 245. 57╇ OGH 19.12.1978, 4 Ob 81/78. 58╇ Vgl Korn, Der „selbst ernannte“ Arbeitnehmer, ASoK 2005, 2. 59╇ OGH 28.8.1997, 8 ObA 2347/96x, SZ 70/147.
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Steht fest, dass der Dienstleistende bei den konkreten Arbeitseinsätzen persönlich abhängig ist, muss weiters geprüft werden, ob die einzelnen Arbeitsverhältnisse trotz des Ablehnungsrechtes nicht als einheitliches Dauerarbeitsverhältnis zu werten sind. Der OGH greift in diesem Zusammenhang auf seine Judikatur zu den so genannten „Kettenverträgen“ zurück. Unter einem Kettenvertrag versteht man die Aneinanderreihung mehrerer befristeter Arbeitsverhältnisse. Kettenverträge werden von der Judikatur wie ein einheitliches, unbefristetes Arbeitsverhältnis verstanden, wenn die wiederholte Befristung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt werden kann.60 Dabei sind zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden: a) die befristeten Arbeitsverhältnisse schließen unmittelbar aneinander an; b) zwischen den einzelnen Arbeitsverhältnissen liegen mehr oder weniger lange Zwischenräume. Für die hier interessierende Frage ist vor allem die Haltung des OGH zur zweiten Fallgruppe von Relevanz. In dem eben erwähnten Fall des Privatdetektivs qualifizierte der OGH die einzelnen „Einsatzverhältnisse“ als unzulässige Kettenverträge. Dies hatte zur Konsequenz, dass das gesamte Rechtsverhältnis als unbefristetes Arbeitsverhältnis angesehen werden konnte, bei dem es eben gelegentliche Unterbrechungen gab. Auf der anderen Seite hat der OGH die Tätigkeiten eines Rot-Kreuz-Sani40 täters nicht als einheitliches Arbeitsverhältnis gewertet, weil die „Rahmenvereinbarung“ den besonderen Bedingungen und Bedürfnissen eines studentischen Neben-Jobs entsprach, in dem die vornehmliche Berücksichtigung der Erfordernisse eines Studiums sichergestellt war. Das im Vordergrund stehende Medizinstudium des Dienstleistenden stellte eine hinreichende Rechtfertigung für den Abschluss von einzelnen „Kurzarbeitsverhältnissen“ dar, die eine möglichst flexible Bedachtnahme auf Prüfungen, Praktika ua ermöglichen sollten. Die Rahmenvereinbarung war daher nach Meinung des OGH inhaltlich noch zu unbestimmt, um eine durchgehende arbeitsvertragliche Bindung als „rechtliche“ Klammer der einzelnen befristeten Arbeitsverträge zu begründen. Der Dienstleistende hatte insbesondere keine verpflichtende Arbeitsbereitschaft außerhalb der durch seine Angaben (in einer „Strichliste“) und durch seine Annahme eines konkreten, an dieser Strichliste orientierten Vorschlages bestimmten Einsatztage.61 Zu beachten ist auch, dass ein Kettenvertrag immer nur dann angenommen 41 werden kann, wenn sich der nachfolgende befristete Arbeitsvertrag als Fortsetzung des vorangegangenen Vertrages darstellt. Liegen zwischen den einzelnen befristeten Arbeitsverträgen Zeiten der Nichtbeschäftigung, so ist das Ausmaß der Unterbrechungszeiten den Beschäftigungszeiten gegenüberzustellen. Übersteigt die Dauer der Unterbrechungszeiten bei weitem die der Beschäftigung, ist das Vorliegen eines unzulässigen Kettenarbeitsvertrages zu verneinen.62 Das bedeutet, dass ein (unzulässiger) Kettenvertrag nicht vorliegt, wenn der Arbeitnehmer zwar regelmäßig beschäftigt wird, die Arbeitseinsätze aber 60╇
Vgl §Â€1158 Rz€23 ff. OGH 6.7.1998, 8 ObA 15/98h. 62╇ So OGH 6.7.1998, 8 ObA 15/98h; vgl auch Peschek, Der Saisonbetrieb in Theatern als Rechtfertigung für Kettenarbeitsverträge, RdW 1994, 400. 61╇
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auf einzelne Tage der Woche beschränkt sind. Zu denken ist hier an so genannte „ultimo-Kräfte“ oder tageweise Beschäftigte. Ungeachtet der zeitlichen Streuung könnte nach Meinung der Judikatur 42 eine dauernde Bindung im Rahmen eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses nur unter dem Gesichtspunkt einer sittenwidrigen, nur den Arbeitnehmer bindenden Vertragsgestaltung im Sinne von Arbeit auf Abruf oder bedarfsÂ� orientierter variabler Arbeitszeit (KAPOVAZ) bejaht werden, wenn der Vertrag die Interessen des Arbeitgebers einseitig gegenüber denen des Arbeitnehmers bevorzugt.63 Diese einseitige Bindung ist aber gerade nicht gegeben, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitseinsatz jederzeit ablehnen kann. Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass ein Ablehnungsrecht 43 nur dann gegen das Vorliegen eines Arbeitsvertrages spricht, wenn auch bei der konkreten Gestaltung der Arbeit eine relative Freiheit des Dienstleistenden gewährleistet ist. Die Kombination „jederzeitiges Ablehnungsrecht und generelle Vertretungsbefugnis“ schließt die Annahme eines Arbeitsverhältnisses aber jedenfalls aus. e) Weisungsrecht Wenn der Arbeitsvertrag „für eine gewisse Zeit“ abgeschlossen wird und 44 zur wiederholten Erbringung gattungsmäßig umschriebener Dienste verpflichtet, liegt es auf der Hand, dass diese Dienste im Vorhinein nicht abschließend festgelegt werden können. Die Dienste bedürfen einer laufenden Konkretisierung. Diese Konkretisierung erfolgt regelmäßig durch Weisungen des Arbeitgebers. Das Weisungsrecht ist ein dem Arbeitgeber eingeräumtes, aus dem Vertrag 45 erfließendes Gestaltungsrecht, die Dienste näher zu konkretisieren.64 Das Weisungsrecht an sich ist keine arbeitsrechtliche Besonderheit, auch bei anderen Rechtsverhältnissen bedürfen die vertraglich geschuldeten Einzelleistungen oft einer nachträglichen Konkretisierung durch den Vertragspartner. Auch der Werkunternehmer kann entsprechende Weisungen erhalten, sofern das „Werk“ nicht schon ausreichend vorweg im Vertrag beschrieben ist.65 Für ein Arbeitsverhältnis spricht, wenn die Weisungsbefugnis des Leis- 46 tungsempfängers vertraglich über die bloße Konkretisierung der Dienste hinausgeht und dem Leistungsempfänger mit Abschluss eines Arbeitsvertrages auch das Recht eingeräumt wird, die Abfolge der Arbeiten einseitig zu gestalten. Arbeitsvertragstypisch sind Weisungen über die Art und Weise der Durchführung der obliegenden Dienste.66 Diese „persönliche“ Weisungsbefugnis wird in der Regel nicht ausdrücklich vereinbart, sie ergibt sich aber in der Regel konkludent aus der Eingliederung in die Betriebsorganisation des Leistungsempfängers. Wenn die Leistung in einer fremden Organisation zu erbrin63╇ Rebhahn, Zur Überwälzung des Wirtschaftsrisikos auf den Arbeitnehmer bei Arbeit auf Abruf, FS Schnorr, 1988, 225; ders, Schranken für KAPOVAZ und Arbeit auf Abruf, RdW 1989, 194. 64╇ Krejci in Rummel3 I §Â€1151 Rz 41. 65╇ Tomandl, Wesensmerkmale 67. 66╇ Krejci in Rummel3 I §Â€1151 Rz 48.
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gen ist, muss sich der Leistende in die bestehende betriebliche Hierarchie einordnen, die dann zu einer Bindung in Bezug auf Ort und Zeit der Tätigkeit und die Abfolge der Arbeit führt. Nicht entscheidend ist, ob der Arbeitgeber sein Weisungsrecht tatsächlich 47 ausübt. Oft ist der Arbeitgeber mangels Fachkenntnis gar nicht in der Lage, Weisungen zu erteilen. Die Autorität des Arbeitgebers bleibt aber gewahrt, wenn eine Weisung etwa mit Hilfe einer sachkundigen Person ausgeübt werden könnte. Die Grenzen des Weisungsrechtes ergeben sich in erster Linie aus dem 48 Vertrag selbst. Der Vertrag kann nicht dazu verpflichten, gesetz- und sittenwidrige Anordnungen zu befolgen. Gesetzwidrige Überstunden muss der Arbeitnehmer daher nicht leisten.67 Durch einseitige Gestaltung kann auch nicht die übernommene Arbeitspflicht erweitert werden, sofern ein derartiges Gestaltungsrecht nicht ausnahmsweise vereinbart ist. Versetzungen an einen anderen Arbeitsort sind daher nur dann durch Weisung möglich, wenn die Versetzung keine Änderung des Arbeitsvertrages bedeutet.68 f) Wirtschaftliche Abhängigkeit 49
In den Materialien zur III. Teilnovelle wird darauf hingewiesen, dass der Arbeitsvertrag durch die persönliche und wirtschaftliche Unterordnung des Arbeitnehmers in den Organismus des Unternehmens des Arbeitgebers charakterisiert sei.69 Die Materialien haben sich allerdings in der Folge nicht näher mit dieser wirtschaftlichen Unterordnung befasst. Sie geben jedenfalls keinen Anhaltspunkt, dass diese wirtschaftliche Unterordnung Voraussetzung für das Vorliegen eines Arbeitsvertrages ist. Tatsächlich spielt dieses Kriterium bei der Charakterisierung des Arbeitsvertrages keine tatbestandsrelevante Rolle.70 Unter „wirtschaftlicher Unterordnung“ kann sehr Unterschiedliches ver50 standen werden. Als wirtschaftlich abhängig werden üblicherweise Personen angesehen, die auf das Erwerbseinkommen zur Deckung ihres Lebensunterhaltes angewiesen sind.71 Würde man das Angewiesensein auf Erwerbseinkommen als essentiale des Arbeitsvertrages werten, würde die rechtliche Qualifikation eines Rechtsverhältnisses als Arbeitsverhältnis von der Vermögenslage des Dienstleistenden abhängen, die sich im Laufe der Zeit auch verändern kann. Unentgeltliche Rechtsverhältnisse könnten nicht als Arbeitsverhältnisse angesehen werden, weil der Dienstleistende auf Erwerbseinkommen offenkundig nicht angewiesen ist. Aus den MateriaÂ�lien ergibt sich klar, dass diese Form der wirtschaftlichen Unselbständigkeit für das Vorliegen eines Arbeitsvertrages keine Bedeutung haben soll.72 Zutreffend sagt daher die Judikatur, dass auch der Millionär Arbeitnehmer sein kann.73 Vgl Rebhahn, ZellKomm §Â€1151 Rz 59. Krejci in Rummel3 I §Â€1151 Rz 50. 69╇ Vgl oben Rz 24 ff. 70╇ Krejci in Rummel3 I § 1151 Rz 62. 71╇ Rebhahn, ZellKomm § 1151 Rz 57. 72╇ Vgl 78 BlgHH, 21. Sess 210. 73╇ OGH 23.2.1971, 4 Ob 9/71, Arb 8844. 67╇ 68╇
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Wirtschaftliche Abhängigkeit kann aber auch in der Unterordnung des Ar- 51 beitnehmers unter eine fremde Betriebsorganisation zum Ausdruck kommen; der Arbeitnehmer wird mit fremden und nicht mit eigenen Produktionsmitteln tätig.74 Die Materialien haben die wirtschaftliche Unterordnung offensichtlich in diesem zuletzt genannten Sinn verstanden. Dies bedeutet allerdings, dass die wirtschaftliche Unterordnung keine eigenständige Bedeutung für die Abgrenzung des Arbeitsvertrages hat, weil sie in Wahrheit nur ein anderer Aspekt der persönlichen Abhängigkeit ist. Wer nicht über die Produktionsmittel verfügt, kann auch nicht selbst über den zweckmäßigen Einsatz seiner Arbeitskraft entscheiden. Er ist daher an Weisungen des Vertragspartners gebunden. 3. Werkvertrag Rechtliche Grundlage einer Dienstleistung für einen anderen kann auch ein 52 Werkvertrag sein. Für die Abgrenzung, ob ein Arbeitsvertrag oder ein Werkvertrag vereinbart wurde, ist nach §Â€1151 Abs€1 entscheidend, ob im Einzelfall die Herstellung eines bestimmten Arbeitserfolges das Ziel des Vertrages und der Grund zur Leistung eines Entgeltes war oder ob nach dem Parteiwillen die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft auf eine gewisse Dauer erreicht und entlohnt werden sollte.75 Während der Arbeitsvertrag auf die Bereitschaft zur Dienstleistung auf Zeit, die Verfügung des Arbeitgebers über die Arbeitskraft des Dienstpflichtigen abstellt, ohne dass von vornherein ein bestimmter Arbeitserfolg geschuldet würde, kommt es beim Werkvertrag auf das Ergebnis der geschuldeten Arbeitsleistung, auf das Werk als geschlossene Einheit an.76 Zum Unterschied vom Arbeitnehmer schuldet der Werkunternehmer nicht ein bloßes Bemühen um einen vom Besteller definierten Erfolg, sondern den bedungenen Erfolg selbst. Die damit verbundene Arbeitsleistung wird nicht selbständig, sondern als bloßes Mittel gewertet; sie geht daher im Werkvertrag auf.77 Diese schematisierende Unterscheidung – hier „Werk“, dort „Wirken“ – 53 hilft, wenn es etwa darum geht, den Vertrag über einen einmaligen Bühnenauftritt78 oder die Tätigkeit einer Sängerin als Arbeitsvertrag oder Werkvertrag einzuordnen. Muss die Sängerin zu vereinbarten Terminen – also mehrmals – auftreten, dazwischen aber nicht tätig sein, und kann sie sich bei einzelnen Terminen durch eine Ersatzkraft vertreten lassen, liegt ein Werkvertrag vor;79 hat sie auch während der Auftritte bei Proben zur Verfügung zu stehen, wird das Rechtsverhältnis als Arbeitsvertrag zu qualifizieren sein. Im Anlassfall war ein Engagement als „Solosängerin“ im Ausland vereinbart; das Entgelt war von den Auftritten abhängig. Zwischen den Auftritten kehrte die Sängerin je74╇
Rz 64.
Vgl Tomandl, Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages 59 ff; Krejci in Rummel3 I §Â€1151
75╇
OGH 23.2.1971, 4 Ob 9/71, Arb 8844. Vgl Krejci in Rummel3 I § 1151 Rz 93; Rebhahn, ZellKomm § 1151 Rz 134 ff. 77╇ Vgl Mazal, Freier Dienstvertrag oder Werkvertrag?, ecolex 1997, 277; näheres bei Schopper in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1165. 78╇ Vgl OGH 15.12.1993, 7 Ob 549/93, ecolex 1994, 398. 79╇ OGH 21.10.1987, 14 ObA 77/87, wbl 1988, 91. 76╇
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weils wieder nach Österreich zurück und absolvierte hier weitere Auftritte. Insoweit war also eine in sich geschlossene Tätigkeit vereinbart. Das bloße Abstellen auf einen bestimmten Erfolg genügt aber nicht, wenn 54 der „Erfolg“ aus unterschiedlichen Teilleistungen besteht. Wenn sich etwa Personen zu Schlägerungsarbeiten in einem Forst (Aufarbeitung eines Windbruches) verpflichten, wird zwar im Ergebnis ein Erfolg vereinbart, damit ist aber noch nicht gesagt, dass die Arbeitspartie das „Geschäft eines selbständigen Unternehmens“ besorgt.80 Die für ein Werkvertragsverhältnis zu fordernde Individualisierung des „Erfolges“ ist zwar auch dann gegeben, wenn das Werkergebnis als Ziel klar definiert ist, mögen sich auch die einzelnen Realisierungsschritte erst während der Vertragsdurchführung ergeben. Entscheidend ist allerdings, ob der Werkleistende in persönlicher Unabhängigkeit, dh weisungsfrei arbeitet. Zu prüfen ist weiters, ob der Werkunternehmer nach eigenem Plan und mit eigenen Mitteln arbeitet, Gehilfen verwenden kann und selbst nicht in eine fremde Organisation eingegliedert ist. Ein Werkunternehmer hat Anweisungen des Bestellers nur soweit zu be55 achten, als sie sich auf den vom Besteller gewünschten Erfolg beziehen, den er zu umschreiben hat und der allenfalls von ihm auch modifiziert werden kann. Hingegen hat ein Werkbesteller kein Recht, die Arbeitnehmer des Werkunternehmers zu kontrollieren oder ihnen bezüglich der Ausführung des Werkes Weisungen zu erteilen. Umgekehrt ist aber auch der Werkunternehmer dem Werkbesteller gegenüber nicht verpflichtet, in bestimmter Weise eine Aufsicht oder ein Weisungsrecht gegenüber seinen Arbeitnehmern auszuüben. Der Unternehmer schuldet dem Besteller nicht bestimmte Vorbereitungs- und Ausführungstätigkeiten, sondern nur den Erfolg. Ist dieser nicht vertragsgemäß, so stehen dem Besteller die daraus resultierenden Ansprüche zu. Die Mangelhaftigkeit eines Werkes ist gewährleistungs- und schadener56 satzrechtlich sanktioniert. Der Unternehmer haftet aber auch für jeden durch ein mangelhaftes Werk oder aus Anlass der Erstellung des Werkes dem Besteller sonst zugefügten Schaden. Dabei muss er für das schuldhafte Verhalten seiner Gehilfen so einstehen, als ob er es selbst gesetzt hätte. 4. Relevanz des Parteiwillens 57
Die rechtliche Qualifikation der Abgrenzung des Arbeitsvertrages zum Werkvertrag hängt nicht von der Bezeichnung durch die Parteien ab. Gemäß dem für die Vertragsauslegung maßgebenden §Â€914 ist bei der Auslegung von Verträgen nicht „am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften“, sondern die „Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht“ Die Erforschung der Parteiabsicht besteht zunächst in der Ermittlung des von den Parteien gemeinsam wirklich Gewollten. Soweit zwischen den Vertragsparteien über den Vertragszweck, die vertragliche Gesamtkonstruktion oder einzelne Vertragsbestimmungen beim Abschluss des Vertrages eine einvernehmliche Auffassung bestand, hat diese vor dem Vertragstext Vorrang. Ein Indiz für das Vorhandensein eines 80╇
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OGH 17.12.1957, 4 Ob 87/57, Arb 6786.
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solchen gemeinsamen tatsächlichen Willens kann auch die Art und Weise sein, wie der Vertrag nach seinem Abschluss von den Parteien vollzogen wird. Daraus ergibt sich, dass eine Person nach dem wahren Willen der Parteien 58 auch dann Arbeitnehmer sein kann, wenn die Parteien den Vertrag etwa in der Absicht, den Bund und die Gebietskrankenkasse bezüglich der einzubehaltenden Lohnsteuer bzw der Sozialversicherungsbeiträge zu verkürzen, als „Werkvertrag“ bezeichnet haben.81 Der Dienstleistende ist Arbeitnehmer, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit von seinem Vertragspartner erfolgen soll. Die Parteien müssen nur den Willen haben, sich für die Zukunft rechtlich zu binden.82 Dieser Bindungswille muss sich aber nicht auf die Herbeiführung ganz bestimmter Rechtsfolgen beziehen.83 Wenn die Parteien Arbeitsleistungen vereinbaren, durch die ein Arbeitsverhältnis begründet wird, dann kommt es nicht darauf an, ob sich die Parteien der rechtlichen Tragweite ihres Verhaltens bewusst waren. Auch wenn der Abschluss eines Arbeitsvertrages ausdrücklich abgelehnt wird, die Parteien aber eine rechtliche Bindung eingehen wollten, kann ein Arbeitsvertrag durch die einvernehmliche besondere Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien zustande kommen. Dies gilt nach Meinung der Judikatur auch dann, wenn der Dienstleistende selbst den Abschluss eines Arbeitsvertrages kategorisch abgelehnt hat.84 Missverständlich ist allerdings, wenn der OGH „generalisierend“ meint, 59 die rechtliche Qualifikation eines Vertrages hänge nicht vom Willen der vertragschließenden Parteien und von der von ihnen „allenfalls“ gewählten Bezeichnung ab, sondern primär vom Inhalt ihrer Vereinbarungen.85 Krejci hat zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass der klare Parteiwille, einen Arbeitsvertrag schließen zu wollen, den Ausschlag für die Annahme eines Arbeitsvertrages geben kann, wenn Tatbestandselemente des Arbeitsvertrages verwirklicht sind, aber Zweifel darüber bestehen, ob dies in ausreichendem Maße der Fall ist.86
IV. Abgrenzung zu anderen Vertragstypen 1. Freier Dienstvertrag Die von der Judikatur entwickelte Formel zur Abgrenzung des Arbeitsver- 60 trages87 beruht auf der Erkenntnis, dass Dienstleistungen für den Empfänger nur dann Sinn machen, wenn der Dienstleistende in eine bestehende Organisation eingegliedert ist, die zu persönlicher Abhängigkeit führt. Die moderne Arbeitswelt verlangt allerdings immer weniger nach einer derartigen betrieblichen Eingliederung. Viele Leistungen, die vor einigen Jahren nur erbracht werden konnten, wenn dem Leistenden eine entsprechende Einrichtung – zB eine 81╇
OGH 12.2.1998, 8 ObA 42/98d. Vgl OGH 2.9.1987, 14 ObA 76/87 – mangelnde Verpflichtungsfähigkeit steht daher der Annahme eines Vertrages entgegen. 83╇ Rebhahn, ZellKomm § 1151 Rz 64. 84╇ OGH 11.10.2007, 8 ObA 40/07z, ZAS 2010, 327 (Schauer). 85╇ OGH 19.5.1981, 4 Ob 104/80. 86╇ Krejci in Rummel3 I § 1151 Rz 68. 87╇ Vgl Rz 24. 82╇
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juristische Fachbibliothek zur Bearbeitung von Lehre und Rechtsprechung – zur Verfügung stand, können heute ohne feste Bindung an einen vorgegebenen Arbeitsort und zu jeder Tages- und Nachtzeit angeboten werden. Fehlt es bei der Erbringung der Leistung an persönlicher Abhängigkeit, kann die Leistungsvereinbarung kein Arbeitsvertrag iSd §Â€1151 sein. Die Leistung erfolgt aber auch nicht auf Grund eines Werkvertrages, wenn sie nicht auf einen vorgegebenen Erfolg abzielt, sondern „für eine gewisse Zeit“ erfolgen soll. Das ABGB hat Vereinbarungen, die zu gattungsmäßig umschriebenen 61 Dienstleistungen verpflichten, nicht besonders geregelt. Derartige VereinÂ� barungen werden üblicherweise als „freie Dienstverträge“ bezeichnet. Es handelt sich dabei um Vereinbarungen, welche zur Arbeit ohne persönliche Abhängigkeit, weitgehend selbständig und frei von Beschränkungen des persönlichen Verhaltens verpflichten. Kann der Dienstleistende selbst über Prioritäten im Einsatz seiner Arbeitskraft entscheiden, liegt ein freier Dienstvertrag vor. Die Judikatur hat den Unterschied zwischen freier Mitarbeit und Arbeitsverhältnis sehr treffend an Hand der Frage charakterisiert, welche Rechtsfolgen bei einem Unterbleiben eines Arbeitauftrages eintreten. Ein Arbeitnehmer müsste in solchen Fällen dem Arbeitgeber eine rechtfertigende Erklärung geben (zB Arbeitsunfähigkeit), freie Dienstnehmer müssten auch ohne Erklärung mit keinen rechtlichen Konsequenzen rechnen.88 Die Befugnis zur freien Regelung der Arbeit steht dem Dienstleistenden zu, wenn er – wie die Judikatur ausführt – frei von Beschränkungen des persönlichen Verhaltens agiert und die Möglichkeit hat, den Ablauf der Arbeit selbständig zu regeln und jederzeit zu ändern. Insgesamt ist nicht auf die Bezeichnung und die Gestaltung des (schriftlichen) Vertrages, sondern auf die allenfalls davon abweichende tatsächliche Handhabung des Vertragsverhältnisses abzustellen.89 So hat etwa die Judikatur einen Arzt, der in einem in der Form eines „funk62 ärztlichen Bereitschaftsdienstes“ betriebenen Ärztenotdienst über seine Einsätze frei verfügen konnte, nicht nur seine Einteilungswünsche im Voraus äußern, sondern jeweils auch entscheiden durfte, ob er den eingeteilten Dienst antreten wolle oder sich vertreten lasse, wofür es keiner Entschuldigung bedurfte, als freien Dienstnehmer angesehen, weil der Arzt seine Dienste weitgehend selbständig und – abgesehen von vorgegebenen sachlichen Einschränkungen, die die Dienstleistungen als Notarzt an sich betreffen – frei von Beschränkungen des persönlichen Verhaltens erbringen konnte.90 Ähnlich argumentierte der OGH im Falle eines Gefängnisarztes. Der Arzt war zwar verpflichtet, die im Vertrag festgeschriebenen Leistungen selbst zu erbringen, er musste auch bei Erbringung der Leistung in den Betriebsräumlichkeiten anwesend sein, konnte allerdings bei Verhinderung einen Vertreter entsenden und musste bei mangelnder Betreuung der Insassen mit keinen disziplinären Konsequenzen rechnen.91 88╇ OGH 5.5.1999, 9 ObA 10/99g; 26.3.1997, 9 ObA 54/97z, Arb 11.586; Schrammel, JBl 1980, 451. 89╇ OGH 23.1.2002 9 ObA 280/01v; 25.11.2003, 8 ObA 44/03h. 90╇ OGH 28.8.1991, 9 ObA 99/91, Arb 10.954. 91╇ OGH 10.7.2008, 8 ObA 55/07g, RdW 2009, 40.
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Als freie Dienstverträge werden auch die Anstellungsverträge der Vor- 63 standsmitglieder von Aktiengesellschaften gewertet. Da die Vorstandsmitglieder nach dem Aktiengesetz zur weisungsfreien Besorgung der Geschäfte der Gesellschaft berufen sind, kann auch der wesentliche Inhalt des Anstellungsvertrages im Kern nur auf weisungsfreie Geschäftsführung im Innen- und Außenverhältnis (Vertretung), sowie auf weisungsfreie Dienstleistung gegen angemessenes Entgelt lauten.92 Damit fehlt den Vorstandsmitgliedern nach Meinung der Judikatur die persönliche Abhängigkeit von der Gesellschaft; der Anstellungsvertrag ist daher grundsätzlich als „freier Dienstvertrag“ zu qualifizieren.93 Der freie Dienstvertrag ist kein Dienstvertrag iSd 26. Hauptstückes. Die 64 §§Â€1151€ff sind daher auf den freien Dienstvertrag nicht unmittelbar anwendbar. Nach Meinung der Judikatur können allerdings auf das freie Dienstverhältnis jene Normen des 26. Hauptstückes analog angewendet werden, die nicht vom persönlichen Abhängigkeitsverhältnis des Arbeitnehmers ausgehen und den sozial Schwächeren schützen sollen. Auf das freie Dienstverhältnis sind daher die Kündigungsmodalitäten der §§Â€ 1159, 1159a und b sowie der §§Â€1162 bis 1162d analog anzuwenden.94 Hingegen sind sondergesetzliche Regelungen, die nur bei Arbeitnehmereigenschaft zustehen, wie etwa Urlaubsentschädigungen, auf das freie Dienstverhältnis nicht anwendbar.95 2. Geschäftsbesorgung Geschäftsbesorgungen sind Verrichtungen rechtlicher Art; die Geschäfts- 65 besorgung besteht in der Vornahme von Rechtsgeschäften und anderen Rechtshandlungen, zB in der Vorbereitung von Vertragsabschlüssen. Rein tatsächliche Handlungen fallen grundsätzlich nicht unter den Begriff der Geschäftsbesorgung. In vielen Fällen sind Arbeitsverträge, aber auch Werkverträge mit einer Geschäftsbesorgung verbunden.96 Die Geschäftsbesorgung kann auch Hauptinhalt des Arbeitsvertrages sein. §Â€1151 Abs€2 besagt, dass in diesen Fällen neben den Vorschriften des 26. Hauptstückes auch die für die Geschäftsbesorgung geltenden Vorschriften zu beachten sind. Aus dem Nebeneinander von Arbeitsrecht und Auftragsrecht ergibt sich, 66 dass dem Arbeitnehmer entsprechend §Â€1014 jedenfalls der mit der Geschäftsbesorgung verbundene Aufwand zu ersetzen ist.97 Die Judikatur hat aus diesem „allgemeinen“ Prinzip des Anspruchs auf Auslagenersatz im Fall einer aufgetragenen Geschäftsbesorgung eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf Arbeitsverträge schlechthin als sachgerecht befürwortet, ohne dass es daÂ� 92╇ OGH 16.7.2002, ecolex 2002/348; vgl auch Strasser in Jabornegg/Strasser, AktG5 §§ 75, 76 Rz 3. 93╇ OGH 19.6.1991, 9 Ob 902/91, Arb 10.944; vgl auch Geppert, Der „Anstellungs“vertrag des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft, DRdA 1980, 1. 94╇ OGH 26.3.1997, 9 ObA 54/97z, Arb 11.586. 95╇ OGH 19.6.1991, 9 Ob 902/91, Arb 10.944. 96╇ Nach Meinung des OGH handelt es sich zB beim Reiseveranstaltungsvertrag um einen mit einer Geschäftsbesorgung verbundenen Werkvertrag; vgl OGH 15.9.2004, 9 Ob 42/04y. 97╇ Vgl zu Notwendigkeit und Nützlichkeit des Aufwands OGH 12.4.2011, 4 Ob 53/11i.
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rauf ankomme, ob der Arbeitsvertrag zu einer Geschäftsbesorgung und/oder faktischen Tätigkeit verpflichtet.98 3. Gesellschaftsvertrag 67
Nach §Â€1175 entsteht eine Erwerbsgesellschaft, wenn zwei oder mehrere Personen einwilligen, ihre Mühe allein, oder auch ihre Sachen zum gemeinschaftlichen Nutzen zu vereinigen. Die Erbringung von Diensten kann somit auch auf Grund eines Gesellschaftsvertrages geschuldet sein, wenn ein Vertragspartner seine „Mühe“ als Beitrag zum gemeinsamen Nutzen einbringt. Für eine solche Gesellschaft ist nach herrschender Auffassung die Bildung einer wirtschaftlichen Organisation charakteristisch, die den Partnern Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte sichert, die in der Mitsprache, Mitberatschlagung und Mitbeaufsichtigung in allen wesentlichen Fragen der Unternehmensführung, Unternehmensorganisation und des Unternehmensbestandes zum Ausdruck kommen. Während für das Arbeitsverhältnis das Subordinationsverhältnis kennzeichnend ist, herrscht in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts das Prinzip der Kooperation und der grundsätzlichen Gleichordnung.99 Die Gesellschafter können allerdings vertraglich einem der Gesellschafter Weisungsrechte gegenüber den Mitgesellschaftern (Geschäftsführungsbefugnis) einräumen. Die Abgrenzung, ob ein Vertrag als Arbeitsvertrag oder als Gesellschafts68 vertrag zu qualifizieren ist, wird daher meist an Hand der für das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit entwickelten Kriterien geprüft. Hat der Arbeitsgesellschafter einen bestimmenden Einfluss auf die Führung der wirtschaftlichen Organisation, ist das Rechtsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren.100 Dabei wird oft zu wenig beachtet, ob die Gesellschafter, auch wenn einem Gesellschafter Geschäftsführungsbefugnisse zukommen, weiterhin ihre Tätigkeit zu ihrem eigenen gemeinschaftlichen wirtschaftlichen Nutzen oder zum Nutzen des geschäftsführungsbefugten Gesellschafters erbringen. In der zitierten „Schischulentscheidung“101 hat der OGH gemeint, dass die behördliche Bestellung eines Schischulleiters und die damit eingeräumten Befugnisse (Erlassung einer Betriebsordnung) die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen nicht verändert habe; die Gesellschaft habe weiterhin zum eigenen gemeinschaftlichen Nutzen gearbeitet. Bei Kapitalgesellschaften kann die Erbringung von Diensten nicht gesell69 schaftsrechtlich begründet sein, die Gesellschafter haben Kapitaleinlagen zu leisten. Erbringt ein Gesellschafter auch Dienste für die Gesellschaft, kann dem nur ein gesondertes Rechtsverhältnis zugrunde liegen.102 Ob dieses Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis oder als freies Dienstverhältnis zu qualifizieren ist, muss an Hand der dargestellten Abgrenzungskriterien beurteilt werden. Danach ist die Arbeitnehmereigenschaft eines Geschäftsführers einer GmbH, der gleichzeitig Gesellschafter der GmbH ist, durch das Ausmaß der Vgl zB OGH 22.2.2006, 9 ObA 142/05f. Strasser in Rummel3 I §§ 1014, 1015 Rz 2. 3 I § 1151 Rz 100. Vgl OGH€24.4.1975, 7€Ob€ 100╇ Vgl auch Ettmayer, Die Rechtsstellung von „Unternehmensleitern“, ÖJZ 2011, 582 ff. 101╇ OGH€24.4.1975, 7€Ob 102╇ Rebhahn, ZellKomm § 1151 Rz 161. 98╇ 99╇
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Abgrenzung zu anderen Vertragstypen
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persönlichen Abhängigkeit bestimmt, die vom Umfang der Beteiligung an die Gesellschaft abhängig ist. Ein bestimmender Einfluss ist nicht nur dann zu bejahen, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile verfügt, sondern auch, wenn die Beteiligung zwar geringer als 50 Prozent ist, dem Geschäftsführer aber auf Grund des Gesellschaftsvertrags eine Sperrminorität zusteht, die ihn befähigt, Beschlüsse der Generalversammlung in den für seine persönliche Abhängigkeit wesentlichen Angelegenheiten zu verhindern.103 4. Bestandvertrag Besondere Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich, wenn Dienstleistun- 70 gen im Austausch gegen die Einräumung eines Wohnrechtes erbracht werden. Man kann diese Dienstleistung als Entgelt verstehen, das auf Grund eines Mietvertrages zu leisten ist, man kann die Einräumung des Wohnrechtes aber auch als Naturalentgelt werten, das auf Grund eines Arbeitsverhältnisses geschuldet wird. Auch ein Nebeneinander von Arbeitsvertrag und Bestandvertrag ist nicht ausgeschlossen. Wenn der Parteiwille nicht hinreichend erkennbar ist, prüft die Judikatur in 71 Zweifelsfällen den wirtschaftlichen Zweck des Vertrages. Ein Mietvertrag soll vorliegen, wenn das Entgelt für die Wohnung in solchen Dienstleistungen besteht, die nur einen geringen Teil der Erwerbstätigkeit erfassen und die Wahrung der wirtschaftlichen Selbständigkeit des Dienstpflichtigen gegeben ist.104 Ein Bestandvertrag wird auch dann angenommen, wenn der Hauptgegenstand einer Vereinbarung die Überlassung einer Wohnung zur Abwendung einer drohenden Obdachlosigkeit ist und dafür Arbeiten verrichtet werden sollen, für die nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der Arbeitszeit aufzuwenden ist.105 Hingegen liegt ein Arbeitsvertrag vor, wenn die vom Wohnungsbenützer zu leistenden Tätigkeiten in persönlicher Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit zu verrichten sind. Ein Bestandvertrag liegt regelmäßig nicht vor, wenn die Arbeitsleistung 72 ohne die Beistellung von Wohnraum gar nicht möglich ist. Dazu gehören Dienste, die eine ständige Anwesenheit am Arbeitsort erfordern. Als Beispiel können etwa der Heizer einer Betriebsanlage oder Betreuungspersonen des Arbeitgebers (Butler, Krankenpfleger, Leibwächter etc) genannt werden.106 Ein Bestandverhältnis ist auch auszuschließen, wenn ohne die Beistellung von Wohnraum durch den Arbeitgeber ein Arbeitseinsatz nur schwer möglich wäre, weil die Anreise der Arbeitnehmer zu lange dauern würde (zB PersoÂ� nalwohnung in Wintersportgebieten). Wenn der Dienstvertragsbezug evident ist, begründet die Überlassung des Wohnraumes nach Meinung des OGH kein Bestandverhältnis, sondern nur ein obligatorisches Benützungsverhältnis.107 103╇
OGH 17.10.2002, 8 ObA 68/02m, Arb 12.272. Krejci in Rummel3 I § 1151 Rz 105. 105╇ OGH 10.7.1979, 4 Ob 7/79, Arb 9803. 106╇ Schrammel, AngG-Komm § 24 Rz 1. 107╇ OGH 10.10.2001, 9 ObA 333/00w; vgl auch Werkusch, wobl 2002, 33. 104╇
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Ist die Überlassung von Wohnraum Teil der arbeitsrechtlichen Beziehung (Entgelt oder Arbeits„behelf“), können die Parteien den die Wohnungsbenützung betreffenden Teil des Arbeitsvertrages ohne besondere Abrede nicht teilkündigen.108 Eine Teilkündigung des Wohnbenützungsverhältnisses wäre rechtsunwirksam. Sie würde den Arbeitnehmer zum vorzeitigen Austritt berechtigen. Die Beendigung der dienstvertragsbezogenen Überlassung von Wohnraum kann daher im Regelfall nur uno actu mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses selbst erfolgen. Denkbar ist allerdings auch, dass Arbeitsvertrag und Bestandvertrag 74 nebeneinander bestehen. Ein neben dem Arbeitsvertrag bestehender – und diesem untergeordneter – „Mietvertrag“ wird vor allem bei Werkswohnungen abgeschlossen.109 Als Werkswohnungen werden Wohnungen bezeichnet, die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber in eigens bestimmten Objekten gegen Zahlung eines auf den Lohn anrechenbaren Zinses zur Verfügung gestellt werden.110 Die Abgrenzung zur Naturalwohnung ist fließend. Die Qualifikation einer Wohnung als Werkswohnung hat vor allem im Arbeitsverfassungsrecht rechtliche Bedeutung. Gemäß §Â€97 Abs€1 Z€7 ArbVG können durch Betriebsvereinbarung Richtlinien für die Vergabe von Werkswohnungen festgelegt werden.
V. Abschluss des Arbeitsvertrages 1. Formvorschriften 75
Der Arbeitsvertrag ist ein schuldrechtlicher Konsensualvertrag, der von den Parteien mündlich oder schriftlich abgeschlossen werden kann;111 das ABGB enthält diesbezüglich keine besonderen Formvorschriften. Da Entgeltlichkeit nicht Voraussetzung für das Vorliegen eines Arbeitsvertrages ist, kommt der Vertrag zustande, wenn die Parteien darüber einig sind, dass die eine Partei Dienste in persönlicher Abhängigkeit für die andere Partei erbringt. Der Arbeitsvertrag kann nicht nur ausdrücklich durch übereinstimmende 76 Willenserklärungen der Parteien, sondern auch schlüssig durch ein Verhalten erfolgen, das bei Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund daran zu zweifeln übrig lässt, dass der andere sich in bestimmter Weise verpflichten wolle. Das wird in der Regel der Fall sein, wenn ein Teil Dienstleistungen erbringt und der andere sie annimmt.112 Bedeutung hat der konkludente Abschluss etwa bei der Verlängerung eines zunächst befristet abgeschlossenen Vertrages. Wird nach Beendigung des Vertragsverhältnisses weiter gearbeitet, kann darin ein Offert zum Neuabschluss eines Vertrages gesehen werden. Werden die Dienste vom Arbeitgeber angenommen und auch weiter entlohnt, kann dies als Annahme des Vertragsofferts verstanden werden. Die Hauptbedeutung 108╇ OGH 18.10.1977, 4 Ob 129/77, Arb 9609; 9.6.1983, 9 ObA 82/93, RdW 1994, 21; vgl auch Wolf, ecolex 1997, 790. 109╇ Vgl ausführlich Schrammel, AngG-Komm § 24 Rz 8 ff. 110╇ Krejci in Rummel3 I § 1151 Rz 114; Schrammel, AngG-Komm § 24 Rz 6. 111╇ Krejci in Rummel3 I § 1151 Rz 6. 112╇ Vgl OGH 1.7.1980, 4€Ob€52/80, SZ 53/101.
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des konkludenten Vertragsabschlusses liegt bei Veränderung der Arbeits- und Entgeltpflicht im Laufe des Vertragsverhältnisses (betriebliche Übung).113 2. Geschäftsfähigkeit Die Voraussetzungen für den Abschluss eines gültigen Arbeitsvertrages 77 entsprechen weitgehend den für andere Rechtsgeschäfte bestehenden Vorschriften. Mündige Minderjährige sind allerdings ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters befugt, Arbeitsverträge abzuschließen.114 Dies gilt allerdings nicht für Dienstleistungen auf Grund eines Lehr- oder sonstigen Ausbildungsvertrages. Der mündige Minderjährige kann damit auch alle einseitigen Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen, die mit der weiteren Gestaltung des Dienstvertrages zusammenhängen (Kündigung, vorzeitiger Austritt, Entlassung, einvernehmliche Auflösung), ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters vornehmen und, soweit es sich um Erklärungen des Vertragspartners handelt, entgegennehmen.115 Besteht im begrenzten Umfang eigene Handlungsfähigkeit des Minderjährigen, so ist in diesem Umfang der gesetzliche Vertreter – von Fällen gewillkürter Stellvertretung abgesehen – ausgeschaltet; er ist in diesem Umfang nicht berechtigt, den Minderjährigen zu vertreten.116 Daraus ergibt sich, dass auch die Zustellung einer Auflösungserklärung nur an den gesetzlichen Vertreter für sich allein nicht die rechtswirksame Auflösung des Rechtsverhältnisses bewirken kann. Der gesetzliche Vertreter des Kindes kann allerdings nach §Â€152 ABGB das 78 durch den Vertrag begründete Rechtsverhältnis aus wichtigen Gründen vorzeitig lösen. Das Auflösungsrecht des gesetzlichen Vertreters ist auf die in §Â€152 Satz€1 genannten Dienstverträge beschränkt; es bezieht sich nicht auf den dort ausdrücklich ausgenommenen Lehrvertrag.117 Der Lehrvertrag muss nach §Â€15 BAG vom Lehrling selbst schriftlich aufgelöst werden; die Auflösung bedarf nach §Â€15 Abs€1 und 4 BAG überdies der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. Ein selbständiges Auflösungsrecht des gesetzlichen Vertreters ergibt sich daraus nicht.118 3. Abschluss durch Vertreter Arbeitgeber ist jene Person, der sich der Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag 79 auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung verpflichtet hat.119 Nicht immer ist bei Abschluss eines Vertrages klar, wer mit dem Arbeitnehmer kontrahiert und wer daher aus eigenem Recht die Dienste des Arbeitnehmers fordern darf. Dies gilt vor allem bei Personengesellschaften (Kommanditgesellschaften), bei denen 113╇
Vgl zur betrieblichen Übung § 1152 Rz 32 ff. Krejci in Rummel3 I § 1151 Rz 151. 115╇ OGH 8.10.2003, 9 ObA 53/03i. 116╇ Stabentheiner in Rummel3 §§ 153–154a Rz 1a. 117╇ OGH 22.9.2010, 8 ObA 63/09m, ecolex 2011, 68; vgl auch Drs, ZellKomm §§Â€151–154 ABGB Rz€26; Thunhart in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 §Â€152 Rz€9. 118╇ OGH 22.9.2010, 8 ObA 63/09m, ecolex 2011, 68. 119╇ OGH 29.8.1996, 8 ObS 2049/96, EvBl 1997/21. 114╇
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die Personengesellschaft selbst oder bloß der Komplementär als Arbeitgeber in Betracht kommen. Probleme können auch entstehen, wenn ein Gesellschafter Vertragsverhandlungen führt, aber an mehreren Gesellschaften beteiligt ist. Wer auf Arbeitgeberseite Vertragsverhandlungen führt, hat offen zu legen, ob er im eigenen Namen oder als Vertreter auftritt. Wer dem Arbeitnehmer nicht mitteilt, dass er im Auftrag eines Dritten handelt, wird selbst Vertragspartner und Arbeitgeber.120 Eine ausdrückliche Berufung auf die Vollmacht ist dabei nicht zu fordern; 80 es genügt, wenn der Vertreter in einer dem Geschäftspartner klar erkennbaren Weise zum Ausdruck bringt, dass er für den Vollmachtgeber auftritt.121 Der Offenlegungsgrundsatz verlangt nach ständiger Judikatur auch nicht die Nennung des Namens des Geschäftsherrn durch den Vertreter, wenn sich der Kontrahent jederzeit danach erkundigen oder darüber informieren kann, wer als Geschäftsherr auftritt.122 Für den Abschluss des Arbeitsvertrages ist diese „allgemeine“ Aussage allerdings zu modifizieren. Nach §Â€2 AVRAG ist dem Arbeitnehmer nach Abschluss des Arbeitsvertrages eine Aufzeichnung über den geschlossenen Vertrag auszuhändigen, aus dem auch Name und Anschrift des Arbeitgebers hervorzugehen hat. Die gleiche Verpflichtung statuiert §Â€1164a für freie Dienstverhältnisse. Man kann daraus entnehmen, dass der Vertreter den Geschäftsherrn offen zu legen hat, wenn Arbeitsverträge abgeschlossen werden.
VI. Besondere Dienstvertragsbestimmungen 1. Öffentlicher Dienst 81
Nach §Â€153 Abs€1 der III. Teilnovelle finden die Dienstvertragsbestimmungen des ABGB keine Anwendung auf das Dienstverhältnis der als Beamte oder Bedienstete des Hofes, des Staates, einer staatlichen Anstalt, eines Landes, Bezirkes, einer Gemeinde oder eines öffentlichen Fonds angestellten Personen, „sofern das Dienstverhältnis nicht auf einem privatrechtlichen Vertrag beruht“. Ausgenommen sind daher nur jene Personen, deren Beschäftigungsverhältnis durch einen öffentlich-rechtlichen Akt begründet wurde. Beruht die Beschäftigung hingegen auf einer vertraglichen Grundlage, sollen die Dienstvertragsbestimmungen des ABGB auf diese Beschäftigung Anwendung finden. Auch der Dienstvertrag der öffentlich Bediensteten ist somit eine Erschei82 nung des Zivilrechts.123 Die Normen des ABGB kommen allerdings nur dann zur Anwendung, wenn in einer „besonderen“ Rechtsvorschrift keine Regelungen getroffen sind. Die Subsidiaritätsregel des §Â€153 Abs€2 der III. Teilnovelle gilt auch in Bezug auf öffentliche, durch privatrechtlichen Vertrag begründete Dienstverhältnisse. 120╇
OGH 22.3.2011, 8 Ob 22/11k, Zak 2011, 194. OGH 6.12.1989, 9 ObA 337/89; 20.5.1987, 9 ObA 3/87. 122╇ OGH 6.10.2005, 6 Ob 69/04x; Strasser in Rummel3 I § 1002 Rz 50. 123╇ Spielbüchler, Vertragsrecht, Arbeitsvertragsrecht und Vertragsbedienstetenrecht, FS Strasser II 377 ff. 121╇
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Besondere Dienstvertragsbestimmungen
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Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass das Dienstverhältnis von Angehörigen des öffentlichen Dienstes nach geltendem Recht durch gesetzliche Regelungen näher bestimmt wird. Aus Art 21 Abs€1 B-VG geht hervor, dass sowohl das Beamten- als auch das Vertragsbedienstetenrecht einem verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt unterliegt. Das öffentliche Dienstrecht ist besonderen gesetzlichen Regelungen zu unterwerfen, die Vollziehung ist an diese Gesetze gebunden. Sämtliche Entscheidungen und Rechtsakte, mit denen dienstrechtliche Beziehungen gestaltet werden, müssen ausdrücklich oder schlüssig durch eine gesetzliche Grundlage gedeckt sein. Dem Staat ist nicht jene Privatautonomie eröffnet, die einem Arbeitgeber im Bereich der Privatwirtschaft ermöglicht, mit seinen Arbeitnehmern alle Regelungen zu treffen, die durch Gesetz nicht verboten sind. Auch bei privatrechtlich begründeten Dienstverhältnissen ist das Gesetz nicht bloße Schranke, sondern Voraussetzung für das privatrechtliche Handeln des Staates. Für Bedienstete des Bundes hat der Gesetzgeber vor allem mit dem Vertragsbedienstetengesetz den verfassungsgesetzlichen Vorgaben entsprochen. Für die meisten Landes- und Gemeindebediensteten bestehen eigene Landesvertragsbediensteten- und Gemeindevertragsbedienstetengesetze. Schon aus diesem Grund ist die praktische Bedeutung der Dienstvertragsbestimmungen des ABGB bescheiden. Besondere Probleme ergeben sich allerdings auf Grund der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung auf den Gebieten des Arbeitsrechtes und des Dienstrechtes der Bundes-, Landes- und Gemeindebediensteten. Gemäß Art 10 Abs€1€Z€16 B-VG obliegt dem Bund die Gesetzgebung und die Vollziehung auf dem Gebiet des Dienstrechtes und des Personalvertretungsrechtes der Bundesbediensteten. Die Gesetzgebung und die Vollziehung in den Angelegenheiten des Dienstrechtes und des Personalvertretungsrechtes der Bediensteten der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände obliegt gemäß Art€ 21 Abs€1 B-VG hingegen grundsätzlich den Ländern.124 Durch die Übertragung der uneingeschränkten Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Dienstrechtes der Landes- und Gemeindebediensteten an die Länder sind diese ermächtigt, das Dienstrecht im selben Umfang zu regeln wie der Bund. Die Länder können daher auch ein eigenes, vom ABGB abweichendes „Dienstvertragsrecht“ für Landes- und Gemeindebedienstete schaffen. Damit stellt sich die Frage, wie Rechtsverhältnisse zu Ländern oder Gemeinden zu beurteilen sind, wenn der Landesgesetzgeber von seiner Dienstrechtskompetenz noch gar keinen Gebrauch gemacht oder nur einzelne Angelegenheiten besonders geregelt hat. In beiden Fällen ist fraglich, ob die Dienstvertragsbestimmungen des ABGB subsidiär zur Anwendung gelangen. Spielbüchler hat zu Recht darauf hingewiesen, wenn den Ländern und Gemeinden nach Art 17 und Art 116 Abs€ 2 B-VG von Verfassungs wegen die Stellung als Träger von Privatrechten garantiert ist, könne ihre Befähigung zum Abschluss privatrechtlicher Verträge auch auf dem Gebiet des Dienstvertrages nicht davon abhängen, dass die Länder ein besonderes Dienstvertrags124╇
rück.
Die geltende Kompetenzverteilung geht auf die B-VG-Novelle 1999, BGBl I 1999/8, zu-
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recht geschaffen haben. Die Kompetenz zur Regelung des Dienst(vertrags) rechtes ermächtigt Bund und Länder zur Erlassung von Regelungen, die vom allgemeinen Zivil- und Arbeitsrecht abweichen. Ohne solches – das Vertragsbedienstetenverhältnis aus dem Kreis der sonstigen Dienstverträge herausÂ�hebendes – Vertragsbedienstetenrecht handelt es sich um einen gewöhnlichen Dienstvertrag, der den Regeln des allgemeinen bürgerlichen GesetzÂ� buches über den Dienstvertrag und allen anderen gemeinen arbeitsrechtÂ�liÂ�chen und/oder zivilrechtlichen Regeln folgt. Das allgemeine Zivil- und ArbeitsÂ�vertragsrecht bildet daher auch die Grundlage der Arbeitsverträge mit den Gebietskörperschaften, soweit keine besonderen Regelungen bestehen. Die ausschließÂ�liche Landeskompetenz zur Regelung des Arbeitsverhältnisses (Art 21 Abs€1 B-VG) bleibt so geartet, dass die subsidiäre Geltung des allgemeinen Zivil- und Arbeitsrechtes für den Fall des Fehlens von Sondervorschriften nicht ausgeschlossen ist. „Allgemeines“ Zivilrecht liegt dann vor, wenn sich die betreffenden Regelungen auf alle privatrechtlichen Verträge beziehen; dazu gehören etwa die Regelungen des ABGB über das Zustandekommen des Vertrages, über die Stellvertretung, die Erfüllung, die Zession etc; das „allgemeine“ Arbeitsvertragsrecht umfasst jene Regelungen, die für Arbeitsverhältnisse schlechthin gelten.125 Die Erweiterung der Landeskompetenzen durch die B-VG-Nov 1999 führt 88 daher nicht automatisch zum Wegfall der bisherigen Bundesregelungen. Es ist Sache der Länder, diese Regelungen durch eigene zu ersetzen. Insoweit hat daher auch das 26. Hauptstück weiterhin Bedeutung für das Dienstrecht der Landes- und Gemeindebediensteten.126 2. Ausbildungsverhältnisse 89
Schon in den Materialien zur III. Teilnovelle wird klar zum Ausdruck gebracht, dass auch Lehrverhältnisse als Verträge über Dienstleistungen zu gelten haben, die dem 26. Hauptstück des ABGB unterliegen.127 Das geltende Berufsaubildungsrecht bezeichnet als Lehrling eine Person, die aufgrund eines Lehrvertrages zur Erlernung eines in der Lehrberufsliste angeführten Lehrberufes bei einem Lehrberechtigten fachlich ausgebildet und im Rahmen dieser Ausbildung verwendet wird.128 Zwar wird der Lehrling im Betrieb von seinem Vertragspartner ausgebildet, er hat aber, um diese Ausbildung zu erlangen, nach den Weisungen des Vertragspartners zu arbeiten und insoweit den Zwecken des Vertragspartners zu dienen. Etwas anders stellt sich die Situation bei so genannten Volontären und 90 (Ferial-)Praktikanten dar. Volontäre sind an sich zur Ausübung eines Berufes im Hinblick auf ihre Vorbildung schon befähigt, sollen aber zur Erweiterung ihrer Kenntnisse und zur Anwendung dieser Kenntnisse in der Praxis Einblick Vgl dazu ausführlich Spielbüchler, FS Strasser II 359 ff. Vgl dazu auch Schrammel, Arbeitsrechtliches zur Privatisierung öffentlicher Aufgaben, FS Krejci II 1673. 127╇ 78 BlgHH, 21. Sess 210. 128╇ § 1 BAG. 125╇ 126╇
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Literatur
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in die Verhältnisse größerer Unternehmungen gewinnen.129 Ferialpraktikanten sind Personen, die zusätzlich zu einer theoretischen (schulischen) Ausbildung praktische Kenntnisse erwerben wollen, also Personen, deren kurzfristiger Aufenthalt im Betrieb lediglich dazu dient, die Einrichtungen des Betriebes kennenzulernen. Gemeinsam haben Volontär und Praktikant, dass mit der Tätigkeit im Betrieb ein Ausbildungszweck verfolgt wird. Bei diesen Beschäftigungen ist zunächst zu prüfen, ob überhaupt eine fremdwirtschaftlich zweckbestimmte Leistung erbracht wird.130 Gegen ein Arbeitsverhältnis spricht, wenn die Arbeit des Ferialpraktikanten oder Volontärs während der überwiegenden Zeit seiner Beschäftigung für den Arbeitsprozess gar nicht notwendig war und somit keinen betrieblichen Zwecken und Erfordernissen gedient hat. Der Ausbildungszweck überwiegt, wenn der Beschäftigte Arbeiten, die nicht dem Ausbildungszweck dienen, nur in einem zeitlich zu vernachlässigenden Ausmaß verrichtet, wenn sich die von ihm verrichteten Tätigkeiten nicht nach Maßgabe der Betriebserfordernisse, sondern nach Wahl des Auszubildenden richten, wenn dem Ferialpraktikanten größere Freiheiten bei der zeitlichen Gestaltung der Anwesenheit im Betrieb eingeräumt werden und eine Lohnverpflichtung fehlt. Nach Meinung der Judikatur ist aber immer eine Gesamtbetrachtung entscheidend, so dass den einzelnen beispielsweise aufgezählten Indizien nur mitbestimmender Charakter zukommt und das Fehlen des einen oder anderen nicht ohne weiteres auf ein Arbeitsverhältnis schließen lässt.131 Der Ausbildungszweck ist daher nur der erste Prüfungsschritt. Wenn der „Praktikant“ auch nützliche Arbeiten für den Betrieb verrichtet und dabei auch in den Betrieb eingegliedert ist, kann dies als abhängige Beschäftigung für einen anderen verstanden werden. Arbeitnehmer sind demgegenüber Ferialarbeiter, die sich während ihrer Ferien etwas dazuverdienen wollen, somit Schüler und Studenten, die jedoch die Tätigkeit nicht zu Ausbildungszwecken verrichten.132
§Â€1152. Ist im Vertrage kein Entgelt bestimmt und auch nicht Unentgeltlichkeit vereinbart, so gilt ein angemessenes Entgelt als bedungen. IdF RGBl 1916/69 (III. Teilnovelle). Mat: 78 BlgHH, 21. Session 1912. Lit: Mayer-Maly, Die Weihnachtsremuneration, JBl 1956, 196; F. Bydlinski, Lohnund Kondiktionsansprüche aus zweckverfehlenden Arbeitsleistungen, FS Wilburg (1965) 45; Kocevar, Unentgeltliche Dienstleistungen, DRdA 1975, 77; Wilhelm, Entgeltliche und unentgeltliche Arbeitsverhältnisse, in Tomandl (Hrsg), Entgeltprobleme aus arbeitsrechtlicher Sicht (1979) 1; Cerny, Entgeltregelungen in Betriebsvereinbarungen, FS Strasser (1983) 487; Krejci, Grenzen einseitiger Entgeltbestimmung durch den Krejci in Rummel3 I § 1151 Rz 136; vgl auch OGH 28.1.2010, 8 ObA 5/01h. Vgl oben Rz 8 ff. 131╇ OGH 11.10.1995, 9 ObA 176/95, ZAS 1997, 15 (Risak). 132╇ OGH 20.8.2008, 9 ObA 66/07g, DRdA 2010, 13 (Burger). 129╇ 130╇
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Arbeitgeber, ZAS€1983, 203; Grillberger, Die Dienstreise als arbeitsrechtliches Problem, DRdA 1986, 265; Migsch, Das regelmäßige Entgelt€ – seine Bedeutung für das Lohnfortzahlungs- und das Abfertigungsproblem, FS Schwarz (1991) 131; Spielbüchler, Die Vergütung rechtsgrundloser Arbeitsleistungen€ – ein Beitrag zum Bereicherungsrecht, FS Schwarz (1991) 201; Krejci, Stock Options und Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ecolex 2001, 16; Mosler, Mitbestimmung der Belegschaft bei leistungs- und erfolgsbezogenen Entgelten, FS Cerny (2001), 433; Weiss, Die Berücksichtigung von Unternehmensbeteiligungen und Aktienoptionen bei Entgeltfortzahlungsund Beendigungsansprüchen, ASoK 2001, 245; Zehetner/Wolf Arbeitsrechtliche Probleme bei Stock Option Modellen, ecolex 2001, 12; Binder, Zur Wiederentdeckung des „Truckverbots“ oder Gedanken über das Verhältnis von Barzahlungsgebot zum NaturalÂ� entgelt, FS Bauer/Maier/Petrag (2004) 111; Risak, Einseitige Entgeltgestaltung im Arbeitsrecht (2008); ders, Innovative Entlohnungsmodelle, ZAS 2009, 140; Felten, Leistungs- und erfolgsbezogenes Entgelt (2010).
Übersicht I. Anwendungsbereich II. Begriff des Entgelts III. Entgeltformen 1. Bar- und Naturallohn 2. Zeit- und Leistungslohn 3. Sonderzahlungen 4. Aktienbezugsrechte 5. Betriebspensionen 6. Leistungen Dritter 7. Brutto- und Nettolohn IV. Bestimmung des Entgelts 1. Vertragliche Regelung 2. Betriebliche Übung, Freie Betriebsvereinbarung 3. Gleichbehandlungsgrundsatz 4. Kollektive Rechtsgestaltung 5. Behördliche Festsetzung 6. Angemessenes Entgelt 7. Arbeitskräfteüberlassung V. Entstehen des Entgeltanspruches VI. Veränderungen des Entgeltanspruches 1. Veränderungsvereinbarung 2. Aufwertung 3. Einseitige Reduktion des Entgeltanspruches 4. Entgeltkürzung als Disziplinarstrafe VII. Entgeltsicherung 1. Pfändungsschutz 2. Rückzahlungsbeschränkungen bei irrtümlicher Leistung von Entgelt 3. Insolvenzentgeltsicherung
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1–2 3–8 9–23 9–10 11–16 17 18–19 20 21 22–23 24–59 24–31 32–36 37–40 41–48 49–51 52–57 58–59 60–63 64–75 64 65 66–72 73–75 76–85 76–80 81–83 84–85
Begriff des Entgelts
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I. Anwendungsbereich §Â€1152 gehört zu den „allgemeinen“ Bestimmungen des 26. Hauptstückes, 1 die sowohl für Dienstverträge als auch für Werkverträge zur Anwendung gelangen. Darüber hinaus wird §Â€1152 auch auf andere Verträge über Dienstleistungen analog angewendet. Auch freie Dienstverträge sind im Zweifel entgeltlich; mangels abweichender Vereinbarung hat der freie Dienstnehmer Anspruch auf angemessenes Entgelt.1 Eine angemessene Entlohnung iSv §Â€ 1152 gebührt auch im Falle einer 2 zweckverfehlenden Arbeitsleistung.2 Wer Arbeitsleistungen oder Werke in Erwartung eines in Aussicht gestellten Vorteils (zB Hofübergabe) ganz oder teilweise unentgeltlich erbringt, hat Anspruch auf angemessenes Entgelt, wenn er in dieser Erwartung getäuscht wird.3 Arbeitsleistungen, die in der Natur nicht mehr zurückgenommen werden können, sind allerdings nur dann angemessen zu entlohnen, wenn der Leistungsempfänger damit rechnen muss, dass er sie besonders zu vergüten hat. Daher sind Dienstleistungen im Rahmen der ehelichen Beistandspflicht oder im Rahmen von Lebensgemeinschaften nicht nach §Â€1152 zu entlohnen.4 Dieser außergeschäftliche Entgeltanspruch ist von einer Bereicherung des Leistungsempfängers unabhängig, wenn dieser mit seiner Erstattungspflicht rechnen musste.5 Wenn der Leistende selbst den angestrebten Erfolg vereitelt, kann er nur Ansprüche im Rahmen der Bereicherung des Leistungsempfängers stellen.6 Der Lohnanspruch wird fällig, wenn sich die Nichterfüllung der Zusage herausstellt, die angemessene Höhe richtet sich nach dem Zeitpunkt der Erbringung der Arbeitsleistung.7
II. Begriff des Entgelts Nach §Â€917 werden bei einem entgeltlichen Vertrag entweder Sachen mit 3 Sachen oder Handlungen (Unterlassungen) mit Handlungen oder endlich Sachen mit Handlungen oder Handlungen mit Sachen vergolten. Entgeltlich ist danach jede Leistung, für die eine Gegenleistung erfolgt.8 Dieser weite Entgeltbegriff gilt auch für den Arbeitsvertrag und den Werkvertrag. Der Arbeitsvertrag ist entgeltlich, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber „Leistungen“ (iSv §Â€917) für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft erhält.9 Unbeachtlich ist, ob diese Leistungen laufend oder einmalig, im Hinblick auf die Ver1╇
Vgl OGH 15.11.2001, 8 ObA 95/01f, Arb 12.168. Vgl F.€Bydlinski, Lohn- und Kondiktionsansprüche aus zweckverfehlenden Arbeitsleistungen, FS Wilburg (1965) 45 (72); OGH 19.6.1973, 4 Ob 55/73, ZAS 1974, 98 (Aicher), 22.9.2010, 6 Ob 172/10b. 3╇ OGH 2.9.1987, 14 ObA 76/87, SZ 60/163; vgl zum Werklohn 7.9.1949, 2 Ob 354/49, SZ 22/122. 4╇ Vgl OGH 6.9.2000, 9 ObA 161/00t, DRdA 2001, 61. 5╇ Aicher, ZAS 1974, 100. 6╇ OGH 29.8.1990, 3 Ob 556/90, JBl 1991, 250. 7╇ Vgl OGH 10.10.2001, 9 ObA 222/01i. 8╇ Reischauer in Rummel3 I §Â€917 Rz 1. 9╇ OGH 15.7.1986, 14 Ob 114/86, RdW 1986, 314; 10.1.1984, 4 Ob 175/82, Arb 10.308. 2╇
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richtung der normalen Dienste oder von Sonderleistungen (zB Überstunden) oder zur Abgeltung besonderer Belastungen (zB Erschwernis- oder Gefahrenzulage) gewährt werden.10 Nicht zum Entgelt gehören jene Leistungen des Arbeitgebers, die nur der 4 Ermöglichung der Arbeit dienen, wie zB die Beistellung von Arbeitsräumen und Werkzeugen, oder bloß einen Aufwand ersetzen, den der Arbeitnehmer bei Erbringen der Dienste tätigen musste.11 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Dienste grundsätzlich mit den Mitteln des Arbeitgebers zu leisten sind. Der Arbeitgeber entscheidet, welche Mittel eingesetzt werden, um den Arbeitserfolg zu bewirken. Muss der Arbeitnehmer eigene Mittel zur Besorgung der Arbeit im Interesse des Arbeitgebers einsetzen, gebührt ihm gemäß §Â€1014 der Ersatz des Aufwandes.12 Dieser zu ersetzende Aufwand ist aber nicht Entgelt für die erbrachten Dienste. Ob eine bestimmte Leistung des Arbeitgebers unter den Begriff des Ent5 gelts fällt oder aber als Aufwandsentschädigung anzusehen ist, bestimmt sich allein danach, ob und inwieweit sie lediglich der Abdeckung eines konkreten finanziellen Aufwandes des Arbeitnehmers dient oder (auch) Gegenleistung für die Bereitstellung seiner Arbeitskraft ist. Dies lässt sich nicht immer leicht feststellen, vor allem dann, wenn Leistungen pauschal, dh ohne Nachweis eines konkreten Aufwands gewährt werden. Wird ein Aufwand des Arbeitnehmers überhöht abgegolten, dann handelt es sich bei der Leistung nur in jenem Umfang um Aufwandersatz, in dem ein tatsächlicher Aufwand abgegolten wird. Im darüber hinausgehenden Umfang ist die Leistung als Entgelt zu qualifizieren.13 Eine pauschale „Aufwandsentschädigung“ verliert ihren Charakter als solche nicht, wenn zumindest im Durchschnitt die konkreten Aufgaben im Wesentlichen der Summe der Pauschalien entsprechen bzw Pauschalzahlungen nicht unrealistisch hoch angesetzt werden.14 Fraglich kann mitunter auch die Einordnung von so genannten Wegzeitent6 schädigungen sein. Die zu entgeltende Bereitstellung der Arbeitskraft beginnt grundsätzlich mit dem vereinbarten Beginn der Arbeit. Die Zeit, die der Dienstnehmer braucht, um den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte zurückzuÂ� legen, ist daher grundsätzlich nicht als Arbeitszeit zu beurteilen, weil sie vor Dienstbeginn (oder nach Dienstende) liegt.15 Nach Meinung der Judikatur gehören Entschädigungen für Wegzeiten nur dann zum Entgelt, wenn sie nach dem Willen der Vertragsparteien den Zeitaufwand für eine regelmäßig zusätzliche Wegstrecke abgelten sollen, die der Arbeitnehmer zwischen dem „ständigen Betrieb“ und dem „nichtständigen Arbeitsplatz“ zurücklegen muss, um überhaupt mit der eigentlichen Arbeit beginnen zu können. Es handelt sich dann nicht um Zeitaufwand für den Weg von der Wohnung zum „ständigen 10╇ Vgl Schrammel, AngG-Komm, §Â€6 Rz 92, OGH 30.11.1987, 10 ObS 94/87, ZAS 1988, 201 (Jabornegg). 11╇ Dazu gehören etwa Fahrtkosten; vgl OGH 31.3.1993, 9 ObA 60/93, DRdA 1994, 29; vgl auch Lautner, Geltendes und künftiges Angestelltenvertragsrecht (1927) 352. 12╇ OGH 30.1.1994, 9 ObA 260/92; 19.12.2002, 8 ObA 129/02g mwN. 13╇ OGH 17.3.2004, 9 ObA 101/03y. 14╇ OGH 22.1.2003, 9 ObA 220/02x. 15╇ OGH 19.5.1993, 9 ObA 102/93, DRdA 1994, 53 (Spitzl); 29.4.2004, 8 ObA 36/04h.
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Betrieb“, der noch der privaten Sphäre zuzurechnen ist, sondern um zusätzliche Wegzeiten, die auf betrieblichen Erfordernissen, nämlich der Verrichtung der Arbeit auf entfernter liegenden Baustellen, beruhen.16 Die Zuordnung einer Leistung zum Entgelt bereitet auch dann Probleme, 7 wenn die Parteien der irrigen Annahme sind, es liege kein Arbeitsverhältnis, sondern ein Werkvertrag vor, und deshalb Werklohn zuzüglich Umsatzsteuer vereinbaren. In diesem Fall bildet der vom Empfänger der Dienste geleistete auf die Umsatzsteuer entfallende Betrag einen Bestandteil des Bruttoentgelts.17 Der Arbeitgeber kann daher diesen Entgeltbestandteil nicht mit der Begründung zurückfordern, dass die Finanzbehörden den Vorsteuerabzug nicht anerkannten, weil der Dienstleistende nicht Unternehmer iSd §Â€12 UStG, sondern Arbeitnehmer war. Das „Vergelten“ einer Leistung mit einer Gegenleistung ist in verschieÂ� 8 denen Formen rechtlicher Bindung möglich. Typischerweise beruht die Entgeltleistung im Arbeitsverhältnis auf der – synallagmatischen – vertraglichen Bindung durch den Arbeitsvertrag, der die Partner zu Diensten und zur Entgeltleistung verpflichtet. Entgeltlichkeit liegt aber auch dann vor, wenn ein Partner Leistungen nur für den Fall einer Gegenleistung verspricht, zu deren Erbringung der andere Partner aber rechtlich nicht verpflichtet ist (konditionale Entgeltlichkeit). Entgelt sind schließlich auch alle Leistungen, die ohne jede rechtliche Verpflichtung im Hinblick auf eine erwartete oder bereits erhaltene Gegenleistung erbracht werden (kausale Entgeltlichkeit).18
III. Entgeltformen 1. Bar- und Naturallohn Das Entgelt kann in Geld- oder in Naturalleistungen bestehen. Geldlohn 9 liegt nicht nur bei Barzahlung, sondern auch bei bargeldloser Überweisung vor.19 Zum Naturallohn gehören zB Lebensmittel, Holz- und Kohledeputate, die Bereitstellung von Wohnraum oder die private Nutzung von Dienstfahrzeugen. Grundsätzlich kann jede verkehrsfähige – körperliche oder nicht körperliche – Sache Entgelt sein. So kann etwa auch der Erlass einer Forderung, die dem Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer zusteht, Entgeltcharakter haben, wenn dadurch die erbrachten Dienste vergolten werden sollen. Zu beachten ist allerdings, dass nach sondergesetzlichen Vorschriften be- 10 stimmte Sachen nicht Entgelt sein dürfen. §Â€78 Abs 1 GewO 1859 verpflichtet die Arbeitgeber zur Barentlohnung ihrer Arbeitnehmer; auf den Barlohn dürfen nur bestimmte im Gesetz genannte Sachen angerechnet werden. Nach §Â€78 Abs 4 GewO 1859 darf nicht vereinbart werden, dass die Hilfsarbeiter Gegenstände ihres Bedarfes aus gewissen Verkaufsstätten beziehen müssen. §Â€ 8 16╇
OGH 18.3.1992, 9 ObA 59/92, RdW 1992/348; 5.6.2008, 9 ObA 30/07p. OGH 21.1.1999, 8 ObA 226/98p. 18╇ Vgl Wilhelm, Entgeltliche und unentgeltliche Arbeitsverhältnisse, in Tomandl (Hrsg), Entgeltprobleme aus arbeitsrechtlicher Sicht (1979) 1. 19╇ Spielbüchler/Grillberger I4 227; Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht 27 69. 17╇
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Abs 2 KJBG verbietet ganz allgemein die Verabreichung von geistigen Getränken und von Tabak an Kinder als Entgelt für ihre Arbeit. 2. Zeitlohn und Leistungslohn 11
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Nach der Berechnungsweise kann zwischen Zeitlohn und Leistungslohn unterschieden werden. Der Zeitlohn wird nach bestimmten Zeiteinheiten (Stunden, Wochen, Monat) gemessen. Er wird für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft in der betreffenden Zeiteinheit geleistet. Der in der Zeiteinheit geleistete Arbeitserfolg hat auf die Höhe des Entgelts keinen Einfluss. Der Arbeitnehmer erhält auch bei schwankenden Leistungen immer den gleichen Lohn. Besondere Leistungen werden nicht honoriert, Minderleistungen führen zu keiner Lohnkürzung.20 Beim Leistungslohn wird hingegen auf die in einer bestimmten Zeiteinheit erbrachte Leistung Bedacht genommen. Schwankungen in der Leistung des Arbeitnehmers wirken sich unmittelbar auf die Höhe des vereinbarten Arbeitsentgelts im Abrechnungszeitraum aus.21 Diese Verknüpfung von vorgegebener Arbeitsmenge und Entlohnung bietet dem Arbeitgeber eine relativ hohe Sicherheit, dass der Arbeitnehmer über eine längere Zeit eine gleichmäßige Leistung erbringen wird. Der „klassische“ Leistungslohn ist der Akkordlohn. Beim Geldakkord wird für jedes „Werkstück“ ein bestimmter Geldbetrag versprochen. Je mehr Werkstücke geleistet werden, desto höher ist der Auszahlungsbetrag. Beim Zeitakkord wird für jedes Werkstück eine bestimmte Zeit vorgegeben. Die Zahl der Werkstücke bestimmt den Zeitfaktor, der wieder mit dem Geldfaktor vervielfältigt wird. Die Entlohnungsform der Provision weist eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Akkordlohn auf. Die Provision besteht meist in einer prozentuellen Beteiligung am Wert zustande gekommener Geschäfte. Die Höhe des Entgelts hängt allerdings nicht allein von der Arbeitsleistung ab. Ein wesentlicher Einfluss kommt auch externen Faktoren zu, die vom Arbeitnehmer nicht beeinflusst werden können. Die Provision ist eine Kombination von Leistungslohn und marktabhängiger Erfolgsbeteiligung.22 Gewinnbeteiligungen orientieren sich im Gegensatz zur Provision nicht am Wert der vom Arbeitnehmer individuell vermittelten Geschäfte, sondern am wirtschaftlichen Gesamterfolg, der durch den Einsatz von Arbeitnehmern erzielt wird. Gewinnbeteiligungen werden meist als Ergänzung zu einem – zeitabhängigen – Grundlohn vereinbart. Zulässig ist aber auch die Vereinbarung einer Reingewinnbeteiligung mit Mindestgarantie.23 Vom Provisionsanspruch unterscheidet sich die Gewinnbeteiligung dadurch, dass der Anspruch auf Provision auch bei geänderter Ertragslage des Unternehmens erhalten bleibt, wenn die Provision einmal erworben ist. Der gewinnbeteiligte Arbeit20╇
Vgl OGH 15.7.1986, 14 Ob 117/86, ZAS 1988, 124 (Schnorr). Rüthers, ZfA 1973, 399. 22╇ Spielbüchler/Grillberger I4 230; OGH 30.1.1997, 8 ObA 2046/96g. 23╇ Vgl OGH Rv I 304/14, Fuchs 167. 21╇
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nehmer erhält hingegen aus diesem Rechtstitel nur dann etwas, wenn im einzelnen Geschäftsjahr ein Gewinn erzielt wurde.24 Auf den individuellen Arbeitseinsatz wird auch beim Prämienlohn Be- 16 dacht genommen. Der nach Zeiteinheiten bemessene Grundlohn wird bei Erfüllung einer bestimmten Sonderleistung durch Zuschläge erhöht. Die erwähnten Sonderleistungen werden sehr oft in Form von Zielvereinbarungen definiert. Dabei wird in der Regel nach Hauptaufgaben, persönlichen Entwicklungszielen und allfälligen Sonderaufgaben unterschieden. Am Ende einer Beobachtungsperiode findet dann entsprechend der Zielerreichung eine Bewertung durch den jeweils Vorgesetzten statt, die wiederum Grundlage für die Ausschüttung der Prämie ist.25 3. Sonderzahlungen In der Praxis erhalten Arbeitnehmer neben dem laufenden Entgelt für be- 17 stimmte Zeiteinheiten oder für bestimmte in der Zeit erbrachte Leistungen häufig auch Sonderzahlungen (Remunerationen), die meist mit einem besonderen Anlass (Weihnachten, Urlaub, Bilanzerstellung) verknüpft sind. 4. Aktienbezugsrechte Einem Arbeitnehmer eingeräumte Aktienbezugsrechte sind ebenfalls als 18 Entgelt zu beurteilen, auch wenn Aktienbezugsrechte in keinem synallagmatischen Zusammenhang zu Arbeitszeit und Arbeitserfolg stehen. Generell werden Optionen als Gestaltungsrecht verstanden, ein im Voraus bestimmtes Schuldverhältnis durch rechtsbegründende Gestaltungserklärung in Geltung zu setzen, hier den Kauf von Aktien zu einem bestimmten Kaufpreis. Sie haben den Zweck, einerseits die Qualität der bisher vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeiten zu honorieren und andererseits den Arbeitnehmer auch zu einem künftigen besonderen Arbeitseinsatz zu motivieren. Oft können die eingeräumten Optionen erst nach Ablauf einer bestimmten Wartezeit ausgeübt werden. Vor Erfüllung der Wartezeit besteht noch kein Anspruch auf Entgelt, weil die Zusage vor Ablauf der Wartezeit noch keinen selbstständigen wirtschaftlichen Wert hat. Die Vereinbarung einer Wartezeit ist grundsätzlich als sachlich anzusehen, wobei 5 Jahre eine Obergrenze darstellen.26 §Â€2a AVRAG legt allerdings fest, dass Vorteile aus Beteiligungen am Un- 19 ternehmen des Arbeitgebers oder mit diesem verbundenen Konzernunternehmen und Optionen auf den Erwerb von Arbeitgeberaktien nicht in die Bemessungsgrundlage für Entgeltfortzahlungsansprüche und Beendigungsansprüche einzubeziehen sind.
24╇
OGH 8.4.1992, 9 ObA 69/92, DRdA 1993, 41 (Geist). Vgl dazu OGH 8.10.2008, 9 ObA 144/07b, ZAS 2009, 241 (Schrank). 26╇ OGH 22.5.2003, 8 ObA 161/02p, DRdA 2004, 17 (Jabornegg). 25╇
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5. Betriebspension 20
Auch betriebliche Ruhegelder sind Entgelt für die erbrachten Dienste,27 soweit sie durch Arbeitgeberbeiträge finanziert werden.28 Die Leistungszusage kann unterschiedlich ausgestaltet sein. Der Arbeitgeber kann selbst zur Zahlung des Ruhegeldes verpflichtet sein (direkte Leistungszusage), die Verpflichtung des Arbeitgebers kann sich aber auch in der Zahlung von Beiträgen an eine Pensionskasse (Pensionskassenzusage) oder von Prämien für eine Lebensversicherung zu Gunsten der Dienstnehmer (Versicherungszusage) erschöpfen. In den letzteren Fällen wird der Versorgungsbezug von der PenÂ� sionskasse bzw vom Versicherungsunternehmen geleistet. Der Arbeitgeber kann schließlich auch eine betriebliche Kollektivversicherung für seine Arbeitnehmer abschließen. 6. Leistungen Dritter
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Entgeltschuldner ist grundsätzlich der Arbeitgeber. Leistungen Dritter, wie zB Trinkgelder, gehören aus arbeitsvertragsrechtlicher Sicht daher grundsätzlich nicht zum Entgelt.29 Leistungen Dritter sind allerdings dann Entgelt, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer entsprechende vertragliche Vereinbarungen getroffen wurden oder wenn sich eine Zuordnung der Leistungen aus den sonstigen Umständen ergibt. Wird zB ein Naturalentgelt von einem Dritten geleistet, dem die Arbeitsleistung zugute kommt, ist diese Zuwendung Entgelt aus dem Arbeitsverhältnis, wenn die Tätigkeit für den Dritten dienstvertraglich geschuldet ist30 oder wenn der Arbeitgeber auf die Zahlung Einfluss nimmt und einen Vertrauenstatbestand schafft.31 Einen solchen Vertrauenstatbestand hat der OGH bei Assistenzgebühren angenommen, die von verrechnungsbefugten Ärzten an die Krankenschwestern des Spitals weiter gegeben wurden. Im Gegensatz dazu stehen Leistungen, die einem Arbeitnehmer nur aus Gelegenheit seines Dienstverhältnisses von Dritten zufließen, die aber nicht Bestandteil des geschuldeten Entgelts sind. Diese Leistungen sind zwar als Einkommen des Arbeitnehmers anzusehen, aber in die Ermittlung des arbeitsrechtlichen Entgeltanspruches nicht einzubeziehen.32 7. Brutto- und Nettolohn
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Das vereinbarte Entgelt ist in der Regel ein Bruttolohn, von dem Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abgezogen werden. Vereinbarungen, nach denen dem Arbeitnehmer vom vertraglich zugesagten Entgelt auch der Dienstgeberanteil an den Sozialversicherungsbeiträgen abgezogen werden kann, sind im Hinblick auf §Â€539 ASVG unwirksam. Ob ein gesetzwidriger Abzug vorgenommen wurde, kann nur auf der Grundlage des vereinbarten Entgelts beur27╇
OGH 29.6.1988, 9 ObA 4/88, ZAS 1989, 200 (Petrovic). OGH 16.12.1992, 9 ObA 602/92, DRdA 1993, 369 (Resch). 29╇ OGH 6.4.1976, 4 Ob 13/76, Arb 9464; 11.1.1995, 9 ObA 249/94, Arb 11.348. 30╇ OGH 29.8.1990, 9 ObA 204/90, SZ 63/143. 31╇ OGH 23.5.1997, 8 ObS 52/97y, RdW 1997, 615. 32╇ OGH 22.7.2010, 8 ObA 2/10t. 28╇
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teilt werden. Nach Meinung der Judikatur kann vereinbart werden, dass nur das als Entgelt zugesagt ist, was nach Abzug aller Beiträge von einer Rechengröße (zB ein Drittel der Erlöse) verbleibt.33 Die Parteien können aber auch eine Nettolohnvereinbarung treffen. Bei 23 einer abgeleiteten Nettolohnvereinbarung wird nur eine punktuelle Einigung erzielt, wie viel dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nach Abzug aller Abgaben verbleiben soll. Die maßgebliche Größe ist stets der Bruttobetrag, von dem ausgehend bei einer Veränderung der Abgaben auch das Nettoentgelt neu zu berechnen ist. Bei einer originären Nettolohnvereinbarung richtet sich der Anspruch des Arbeitnehmers nur auf den Nettolohn. Der Arbeitgeber schuldet das Entgelt als konstante Größe.34 Den Arbeitnehmer trifft die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen einer originären NettoÂ� lohnvereinbarung. Im Zweifel ist nur eine abgeleitete Nettolohnvereinbarung anzunehmen, sofern nicht ausdrücklich eine originäre getroffen wurde.35
IV. Bestimmung des Entgelts 1. Vertragliche Regelung Ob Entgelt und in welcher Höhe Entgelt für die Zurverfügungstellung der 24 Arbeitskraft geleistet wird, ist zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu vereinbaren. §Â€ 1152 macht deutlich, dass Arbeitsleistungen auch unentgeltlich erbracht werden können. Dies gilt allerdings nur dann, wenn Unentgeltlichkeit von den Parteien auch vereinbart wurde. Diese Vereinbarung kann auch schlüssig erfolgen,36 beweispflichtig für das Vorliegen eines unentgeltlichen Vertrages ist der Arbeitgeber.37 Haben die Parteien Unentgeltlichkeit nicht vereinbart, steht dem Arbeitnehmer jedenfalls ein Anspruch auf Entgelt zu; der Arbeitsvertrag ist daher im Zweifel ein entgeltlicher Vertrag. Fraglich ist, ob auch beim Werkvertrag Unentgeltlichkeit vereinbart wer- 25 den kann. §Â€1151 legt den Schluss nahe, dass die Entgeltlichkeit ein essentiale negotii des Werkvertrages ist. Auch in den Materialien wird – im Hinblick auf die Gewährleistungspflicht – darauf hingewiesen, dass Unentgeltlichkeit den Werkvertrag „überhaupt“ ausschließt.38 Dies würde bedeuten, dass für diesen Vertragstyp Unentgeltlichkeit nicht vereinbart werden kann. §Â€1152 gilt allerdings auch für Werkverträge. Unentgeltliche Werkzusagen sind offenkundig nicht ausgeschlossen. Die Judikatur geht davon aus, dass auch bei einer Werkzusage im Rahmen der Vertragsfreiheit Unentgeltlichkeit vereinbart werden kann. Ein „Verzicht“ auf Werklohn bedarf keiner ausdrücklichen Erklärung, Unentgeltlichkeit kann auch schlüssig vereinbart werden.39 33╇
OGH 21.4.2004, 9 ObA 148/03k. OGH 28.2.1990, 9 ObA 48/90, ZAS 1991, 2 (Zeiler). 35╇ OGH 17.3.2004, 9 ObA 72/03h. 36╇ OGH 8.10.2008, 9 ObA 15/08h; 6.10.1970, 4 Ob 77/70, Arb 8817. 37╇ OGH 15.11.2001, 8 ObA 95/01f, Arb 12.168. 38╇ 78 BlgHH, 21. Sess 210 f. 39╇ Vgl OGH 29.3.2000, 6 Ob 168/99w; näheres bei Schopper in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 §Â€1165. 34╇
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Ein gesetzlicher Mindestlohn ist dem österreichischen Arbeitsrecht fremd. Nur für einzelne Arbeitnehmergruppen (Vertragsbedienstete des Bundes, der Länder und Gemeinden) ist der Lohn durch Gesetz normiert. Besteht keine lohngestaltende Norm, ist nahezu jede Entgeltvereinbarung zulässig, auch wenn das solcherart vereinbarte Entgelt nicht angemessen sein sollte. Die Grenze bildet die Sittenwidrigkeit.40 Das vereinbarte Entgelt gebührt für die vom Arbeitnehmer während der 27 vereinbarten Arbeitszeit zu erbringenden Dienste. Die Parteien können diese Dienste gleichsam „pauschal“ mit einem einheitlichen Geldbetrag abgelten, sie haben aber auch die Möglichkeit, die Höhe des Entgelts je nach der Intensität der Arbeitsleistung unterschiedlich festzusetzen. Praktische Bedeutung hat diese Differenzierung, wenn ein Arbeitnehmer zu Rufbereitschaften oder anderen Arbeitsleistungen mit geringerer Beanspruchung verpflichtet ist. So können etwa für Reisebewegungen niedrigere Sätze vorgesehen werden. Dies gilt jedenfalls für aufgetragene Dienstreisen etwa mit einem öffentlichen Verkehrsmittel.41 Im Zweifel wird der vereinbarte Lohn für Arbeitnehmer, bei denen übli28 cherweise Zeiten der Vollarbeit (Kernarbeit) mit Zeiten bloßer Arbeitsbereitschaft oder Rufbereitschaft oder mit Reisezeiten abwechseln, als – einheitlicher − Mischlohn aufzufassen sein. Reisezeiten zählen in diesem Zusammenhang jedenfalls dann zur Kernarbeit, wenn während der Reise die eigentliche Arbeitsleistung verrichtet wird. Als Vollarbeit im weiteren Sinn ist Reisezeit nach der Rechtsprechung auch dann zu werten, wenn die regelmäßige Reisetätigkeit, wie etwa bei einem Außendienstmitarbeiter oder Monteur, typisch mit der vereinbarten Dienstleistung verbunden ist, sodass sie zum ständigen Inhalt der Arbeitstätigkeit und damit zum ständigen Aufgabenkreis des Dienstnehmers gehört.42 Diese Wertung trifft nach Meinung des OGH auch für Reisezeiten von Mitgliedern einer Hilfsmannschaft zu, die im Unglücks- oder Störfall aus der Rufbereitschaft zum Einsatz gerufen werden. Der Hilfseinsatz im Störfall trifft die Einsatzkräfte im Allgemeinen unvorbereitet. Im Bewusstsein des bevorstehenden Einsatzes sind diese in der Regel auch einer besonderen Stress- und Belastungssituation ausgesetzt. Zudem könne davon ausgegangen werden, dass sich die Hilfskräfte schon während der Reisebewegung mit dem Einsatz gedanklich beschäftigen und sie die Fahrt auch zur Informationsaufnahme bzw zur Abklärung der Lage nützen. Diese Umstände würden für eine besondere Qualität der Reisezeit der Einsatzkräfte sowie für einen unmittelbaren Zusammenhang mit der eigentlichen Arbeitsverrichtung sprechen.43 Anders ist die Situation bei Arbeitnehmern, die nur ausnahmsweise zu Ar29 beitsleistungen mit geringerer Intensität herangezogen werden. Ergibt sich aus der Interpretation des Vertrages, dass der vereinbarte Lohn nur für Vollarbeit im engeren Sinn gebührt, kann dem Arbeitnehmer für Arbeitsleistungen mit geringerer Intensität grundsätzlich nur ein angemessen niedriger Lohn zustehen; für die Arbeitsleistung mit geringerer Intensität besteht insoweit keine 40╇
OGH 7.8.1997, 8 ObA 164/97v; 19.3.2003, 9 ObA 261/02a. OGH 29.8.2002, 8€ObA€321/01s. 42╇ OGH 27.9.1993, 9€ObA€182/93; 15.4.1999, 8€ObA€273/98z. 43╇ OGH 26.5.2010, 9 ObA 34/10f. 41╇
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vertragliche Lohnvereinbarung. Nach herrschender Auffassung gilt §Â€ 1152 nicht nur für Verträge ohne gültige Entgeltabrede oder Unentgeltlichkeitsvereinbarung, sondern auch für Verträge mit unvollständigen Entgeltabreden.44 Muss der Arbeitnehmer über Weisung seines Arbeitgebers von Österreich nach Australien fliegen, kann er für diese Reisebewegung nicht jenen Stundensatz begehren, der für Vollarbeit am inländischen Arbeitsort vereinbart wurde.45 Nach Meinung der Judikatur kann auch für das (angeordnete) selbstständi- 30 ge Lenken eines Privatfahrzeugs ein geringeres Entgelt vereinbart werden, sofern die Pkw-Fahrt nicht zur Vollarbeitszeit zählt, etwa weil sie nicht zum ständigen Inhalt der Arbeitstätigkeit zählt oder mit der eigentlichen Dienstleistung nicht gleichzusetzen ist.46 Reisezeiten zählen zwar aus arbeitszeitrechtlicher Sicht auch dann zur Arbeitszeit, wenn während der Reise keine Arbeitsleistungen erbracht werden (§Â€20b AZG), das Arbeitszeitrecht trifft aber keine Regelungen über die Entlohnung für diese Form der Inanspruchnahme des Arbeitnehmers. Das Lenken eines Fahrzeuges muss daher nicht notwendigerweise zur Vollarbeitszeit gehören; die Vereinbarung eines geringeren Entgelts ist damit nicht ausgeschlossen.47 Zu beachten ist allerdings, dass der Arbeitnehmer, der während der verein- 31 barten Arbeitszeit zur Vollarbeit verpflichtet ist, in der Regel nicht damit rechnen muss, mit Arbeitsleistungen geringerer Intensität betraut zu werden. Kann der Arbeitgeber keine Vollarbeit zuweisen, liegt dies in seinem Risikobereich (§Â€1155). Eine Interpretation des Vertrages wird regelmäßig ergeben, dass der vereinbarte „Voll“lohn für die Arbeitszeit ungeachtet der tatsächlichen Verfügung des Arbeitgebers über die Arbeitskraft zusteht. 2. Betriebliche Übung, Freie Betriebsvereinbarung Ein Anspruch auf Entgelt kann sich auch aus einer so genannten betriebli- 32 chen Übung ergeben oder in einer freien Betriebsvereinbarung begründet sein. Betriebliche Übungen werden nach herrschender Auffassung als regel- 33 mäßige Wiederholung gleichförmiger Verhaltensweisen im Betrieb charakterisiert. Die in einem Betrieb herrschende Übung hat zunächst selbst keinerlei eigene Normkraft, sie ist bloßes Faktum. Der OGH vertritt in ständiger Judikatur die Auffassung, dass eine vom Arbeitgeber durch regelmäßige, vorbehaltlose Gewährung bestimmter Leistungen an die Gesamtheit seiner Arbeitnehmer begründete betriebliche Übung, soweit sie seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt, durch die – gleichfalls schlüssige – Zustimmung der Arbeitnehmer zum Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge werden kann.48 Auf das tatsächliche Vorhandensein eines Erklärungswillens des Arbeitgebers kommt es dabei nicht an; OGH 26.6.2007, 1 Ob 219/06x, ecolex 2007, 850; Krejci in Rummel3 I §Â€1152 Rz 4. Vgl OGH 8.11.1989, 9 ObA 281/89, RdW 1990, 53. 46╇ Vgl OGH 27.9.1993, 9€ObA€182/93. 47╇ Vgl OGH 26.5.2010, 9 ObA 34/10f. 48╇ OGH 19.5.1981, 4 Ob 104/80, ZAS 1982, 10 (Tomandl); 5.4.2000, 9 ObA 40/00y, ASoK 2000, 397; vgl auch Schrammel, AngG-Komm §Â€6 Rz 3. 44╇ 45╇
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entscheidend ist, was die Arbeitnehmer bei sorgfältiger Würdigung seinem Erklärungsverhalten entnehmen können bzw welchen Eindruck sie von seinem schlüssigen Verhalten haben mussten. Der Vertrauensschutz des §Â€863 kommt allerdings nur dann zum Tragen, wenn das Verhalten des Arbeitgebers objektiv den Schluss auf einen bestimmten rechtsgeschäftlichen Willen zulässt und der Arbeitnehmer auch tatsächlich darauf vertraut hat und darauf vertrauen durfte.49 Nach ständiger Judikatur verliert eine regelmäßig gewährte Remuneration 34 den Charakter einer freiwilligen Zuwendung und begründet einen Anspruch auf Zahlung, wenn mangels ausdrücklicher Betonung des freiwilligen, unverbindlichen und jederzeit widerruflichen Charakters der Zuwendung ein EntgeltÂ� anspruch als stillschweigend vereinbart, oder nach Ortsgebrauch als bestehend angenommen werden kann.50 Wenn der Entgeltcharakter der Leistung in den Hintergrund tritt, prüft die Judikatur sehr genau, ob das Verhalten des Arbeitgebers bei objektiver Würdigung als Anbot zur Ergänzung der Arbeitsverträge verstanden werden konnte. Steht bei einer regelmäßig gewährten Leistung eher der soziale oder kulturelle Charakter der Leistung (verbilligte Theaterkarten) im Vordergrund, nimmt die Judikatur in der Regel an, dass der Arbeitnehmer auf keinen Verpflichtungswillen schließen durfte.51 Gleiches gilt für entgeltwerte Leistungen mit kollektivem Charakter (zB Werkskindergarten, Betriebszahnarzt). Derartige Leistungen werden von der Judikatur als objektiv ungeeignet angesehen, einzelvertragliche Verpflichtungen des Arbeitgebers für die Zukunft auszulösen.52 Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass eine vom Arbeitgeber 35 begründete betriebliche Übung – in der Form der Gewährung von Entgelt – dann zum Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge wird, wenn sie – aus der Sicht der Arbeitnehmer − den Willen des Arbeitgebers, sich für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt und vom Arbeitnehmer angenommen wird.53 Als freie Betriebsvereinbarung werden üblicherweise Abreden zwischen 36 Arbeitgeber und Betriebsrat bezeichnet, die Angelegenheiten betreffen, die weder durch Gesetz noch durch Kollektivvertrag der Regelung durch Betriebsvereinbarung zugänglich gemacht sind, die aber nach dem Willen der Parteien auf alle Dienstverhältnisse im Betrieb Anwendung finden sollen.54 Nach herrschender Auffassung sind unzulässige oder „freie“ Betriebsvereinbarungen nicht völlig unbeachtlich. Ihre rechtliche Bedeutung richtet sich nach allgemein bürgerlichrechtlichen Grundsätzen.55 Für die bürgerlichrechtliche Beurteilung unzulässiger Vereinbarungen hat nach ständiger Judikatur der dem ein49╇ OGH 22.10.1997, 9 ObA 105/97z, Arb 11.655; 18.9.1997, 8 ObA 141/97m, RdW 1998, 92; 9.7.1999, 9 ObA 102/99m. 50╇ OGH 27.7.1977, 4 Ob 114/77, ZAS€ 1978,€ 225 (Müller); 8.5.1979, 4 Ob 35/79, ZAS 1980,€99 (Tomandl). 51╇ OGH 6.4.1994, 9 ObA 354/93, SZ 67/58; 18.4.1997, 8 ObA 270/95, RdW 1997, 352. 52╇ Vgl OGH 22.10.1997, 9 ObA 105/97z, Arb 11.655. 53╇ Mayer-Maly, ZAS 1980, 181. 54╇ Vgl OGH 11.5.2005, 9 ObA 31/05g, DRdA 2005, 39. 55╇ Tomandl, Die Rechtswirkungen „freier“ Betriebsvereinbarungen, FS Strasser (1983) 583.
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zelnen Arbeitnehmer bekannt gegebene und von ihm stillschweigend zur Kenntnis genommene Inhalt bzw der tatsächlich beachtete Inhalt der Vereinbarung insofern Bedeutung, als er die Grundlage für einzelvertragliche Ergänzungen des Arbeitsvertrages abgeben kann.56 Entgeltabreden in freien Betriebsvereinbarungen werden daher regelmäßig Inhalt der Einzelarbeitsverträge und begründen damit – ähnlich wie betriebliche Übungen – einen Anspruch auf Leistung für die Zukunft. 3. Gleichbehandlungsgrundsatz Ein Anspruch auf Entgelt kann sich auch aus dem arbeitsrechtlichen 37 Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Arbeitsverhältnisse zu seinen Arbeitnehmern ident zu gestalten, doch ist die privatautonome Freiheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Gestaltung der Arbeits- und Lohnbedingungen vielfach eingeschränkt. Auch im Hinblick auf den Gleichbehandlungsaspekt kennt die Rechtsordnung Einschränkungen: Neben den im Gleichbehandlungsgesetz normierten Verboten unterschiedlicher Behandlung (geschlechtsspezifische Diskriminierung, Diskriminierung wegen des Alters ua) ist der von der Judikatur vor allem aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers57 und aus dem Verbot sittenwidriger Vertragsgestaltung (§Â€879) abgeleitete so genannte arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten.58 Dieser verwehrt dem Arbeitgeber, einzelne Arbeitnehmer willkürlich, dh 38 ohne hinreichende sachliche Rechtfertigung gegenüber einer Mehrzahl vergleichbarer Arbeitnehmer zu benachteiligen.59 Gleichbehandlung kann somit nur die Minderheit der Arbeitnehmer verlangen, wenn sie schlechter als die Mehrheit behandelt wird. Die Bevorzugung einzelner Arbeitnehmer gegenüber der Mehrheit verletzt den Gleichbehandlungsgrundsatz auch dann nicht, wenn sie krass willkürlich erfolgt. Im Falle einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, dh im Falle einer willkürlichen Schlechterstellung der Minderheit, hat diese einen Anspruch auf gleiche Behandlung. Diese Gleichbehandlungspflicht beruht auf der Überlegung, dass in der unsachlichen Benachteiligung einzelner Arbeitnehmer gegenüber einer Mehrheit eine Versagung des persönlichen Respekts gegenüber den Benachteiligten zum Ausdruck kommt. Dieser persönliche Vorwurf gegenüber den Benachteiligten tritt in den Hintergrund, wenn diese eine Mehrheit darstellen. Sachlich bezieht sich der Gleichbehandlungsgrundsatz auf die Gesamtheit 39 der Arbeitsbedingungen, wobei sich Schwerpunkte bei der überkollektivvertraglichen Entlohnung und bei der Gewährung von Betriebspensionen gebildet 56╇ Vgl dazu Schrammel, Die Beendigung freier Betriebsvereinbarungen, in Tomandl/Schrammel (Hrsg), Betriebsvereinbarungen (2010) 79. 57╇ Vgl dazu §Â€1157. 58╇ Vgl OGH€24.3.1959, 4 Ob 91/58, Arb€7020; F. Bydlinski, Der Gleichbehandlungsgrundsatz im österreichischen Privatrecht, ÖJT€1961, I/1; Mayerâ•‚Maly, Gleichbehandlung der Arbeitnehmer, DRdA€ 1980,€ 261; Binder, Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, DRdA 1983,€53. 59╇ OGH 10.4.1977, 4 Ob 70/77, Arb 9581.
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haben. Ein der Mehrheit gewährtes Entgelt ist auch der vom Bezug der Leistung ausgeschlossenen Minderheit zu gewähren, wenn sich diese in einer vergleichbaren Situation wie die Mehrheit befindet. Dies hat vor allem bei Differenzierungen nach Arbeitnehmergruppen Bedeutung. Die Judikatur betont, dass es dem Arbeitgeber grundsätzlich freisteht, Zuwendungen an die Arbeitnehmer auf bestimmte Arbeitnehmergruppen zu beschränken, sofern der Arbeitgeber bei der Gruppenbildung nicht willkürlich oder sachfremd differenziert.60 Gleichbehandlung können daher nur Arbeitnehmer „gleicher KategoÂ� rie“61 oder Arbeitnehmer mit „gleicher Tätigkeit“62 verlangen. So hat etwa der OGH eine unterschiedliche Einstufung von Arbeitnehmern, die verschiedene Arbeiten verrichteten, nicht als willkürliche und sachfremde Unterscheidung angesehen.63 Zu beachten ist, dass es dem Arbeitgeber nach ständiger Judikatur gestattet 40 ist, in zeitlicher Hinsicht zu differenzieren und Stichtagsregelungen zu treffen. Stichtagsregelungen sind im Zusammenhang mit zeitlicher Differenzierung grundsätzlich zulässig und können sachlich durchaus gerechtfertigt sein. So kann insbesondere die Gewährung einer Leistung durch eine generelle, im Voraus erlassene Regelung ab einem bestimmten Zeitpunkt für neu eintretende Arbeitnehmer ausgeschlossen werden; dadurch werden diese Arbeitnehmer im Ergebnis schlechter behandelt als die „Stamm“belegschaft.64 Stichtagsregelungen dürfen allerdings nicht zur Umgehung der Gleichbehandlungspflicht eingesetzt werden. Dies kommt in der Judikatur des OGH zum Ausdruck, wonach der Arbeitgeber ein erkennbares und generalisierbares Prinzip im Einzelfall nicht verlassen dürfe, ohne den Gleichbehandlungsgrundsatz zu verletzen.65 Ein generalisierbares Prinzip darf also nur durch ein neues generalisierbares Prinzip ersetzt werden. 4. Kollektive Rechtsgestaltung 41
Die Höhe des Entgelts wird bei Arbeitsverhältnissen vor allem durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, insbesondere durch den Kollektivvertrag bestimmt. Bei Werkverträgen existieren zahlreiche Gebührenordnungen, die das Entgelt für bestimmte Werkleistungen determinieren und in der Regel ausdrücklich zum Vertragsinhalt gemacht werden. Kollektivverträge sind im System des österreichischen Arbeitsrechtes 42 schriftliche Verträge, die zwischen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer abgeschlossen werden.66 In diesen Verträgen können ua die gegenseitigen aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer und Arbeitgeber geregelt werden. Der 60╇
OGH 16.12.1975, 4 Ob 60/75, Arb€9427; 6.9.1977, 4 Ob 114/77, Arb€9625. OGH 22.5.1962, 4 Ob 50/62, Arb€7570. 62╇ OGH 20.9.1962, 4 Ob 105/62, Arb€7653. 63╇ OGH 19.1.1982, 4 Ob 134/81, Arb€10.240. 64╇ Vgl OGH 16.12.1975, 4 Ob 60/75, Arb€9427; 6.9.1977, 4 Ob 114/77, Arb€9625; 22.3.1983, 4 Ob 27/83, Arb€10.241. 65╇ Vgl OGH 11.1.1989, 9 ObA 308/88, ZAS€1990, 132 (Mayer-Maly). 66╇ §Â€2 ArbVG. 61╇
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Kollektivvertrag ist – was sein Zustandekommen betrifft – ein privatrechtlicher Vertrag, der Rechtswirkungen nur zwischen den Vertragsparteien entfaltet. Gemäß §Â€11 ArbVG sind allerdings die Regelungen eines Kollektivvertrages, die nach ihrem Inhalt nicht bloß die Rechtsbeziehungen zwischen den Kollektivvertragsparteien gestalten, innerhalb des Geltungsbereiches des Kollektivvertrages unmittelbar rechtsverbindlich. Der Kollektivvertrag entfaltet somit eine normative Wirkung; er ist Gesetz im materiellen Sinn und wird deshalb auch als privatrechtlicher Normenvertrag bezeichnet. Die das Einzelarbeitsverhältnis gestaltenden Regelungen sind grundsätzlich unabdingbar; Sondervereinbarungen sind nur zugunsten des Arbeitnehmers zulässig.67 Dem Kollektivvertrag unterliegen jene Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die 43 zur Zeit des Abschlusses des Kollektivvertrages Mitglieder der am Kollektivvertrag beteiligten Parteien waren oder später werden.68 Die Rechtswirkungen des Kollektivvertrages treten allerdings auch für Arbeitnehmer eines kollektivvertragsangehörigen Arbeitgebers ein, die selbst nicht kollektivvertragsangehörig sind („Außenseiterwirkung“). Für die Anwendbarkeit eines Kollektivvertrages in einem bestimmten Betrieb ist daher primär die Kollektivvertragsangehörigkeit des Arbeitgebers entscheidend. Unterliegt der Arbeitgeber dem Kollektivvertrag, so erstreckt sich die normative Wirkung des Kollektivvertrages auf alle bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer, und zwar auch dann, wenn kein einziger Arbeitnehmer kollektivvertragsangehörig, dh Mitglied der am Kollektivvertrag beteiligten Arbeitnehmerorganisation ist. Die Außenseiterwirkung stellt lediglich auf die Beschäftigung bei einem kollektivvertragsangehörigen Arbeitgeber ab. Der Kollektivvertrag will den Arbeitnehmern ohne Einschaltung des Staa- 44 tes einen Mindeststandard bei wichtigen Arbeitsbedingungen sichern. Zu diesen Arbeitsbedingungen gehört vor allem das Entgelt, das dem Arbeitnehmer für die Bereitstellung seiner Arbeitskraft zu bezahlen ist. Die im Kollektivvertrag enthaltenen Entgeltregeln gewährleisten somit den Arbeitnehmern sozialen Schutz, der durch abweichende vertragliche Vereinbarungen nicht unterlaufen werden kann. Durch die Außenseiterwirkung wird auch die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer eines Betriebes in Bezug auf das Mindestentgelt gewährleistet. Fraglich ist, ob im Anwendungsbereich eines Kollektivvertrages unent- 45 geltliche Arbeitsverträge zulässig sein können. Rebhahn vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass der Kollektivvertrag den Abschluss unentgeltlicher Arbeitsverträge verbieten kann.69 Das ArbVG beschränke die Regelungsbefugnis des Kollektivvertrages nicht ausdrücklich auf entgeltliche Arbeitsverträge; die Unentgeltlichkeit sei nur eine Form der Bezahlung unter dem Kollektivvertrag. Dagegen ist einzuwenden, dass die Kollektivvertrags67╇ Die Kollektivvertragsparteien können dem Kollektivvertrag auch eine absolut zwingende Wirkung beilegen. Dieses Ordnungsprinzip stellt allerdings einen gewichtigen Eingriff in die verfassungsgesetzlich garantierte Privatautonomie der Arbeitsvertragsparteien dar; es bedarf stets einer sachlichen Rechtfertigung; vgl Schrammel, Arbeitsrechtliche Probleme in verfassungsrechtlicher Sicht, in Tomandl (Hrsg), Arbeitsrecht in einer sich wandelnden Rechtsordnung (1993) 81. 68╇ §Â€8 ArbVG. 69╇ ZellKomm §Â€1152 Rz 11.
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parteien nur die „aus dem Arbeitsverhältnis“ entspringenden Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer und Arbeitgeber regeln dürfen. Regelungen über den Abschluss des Arbeitsvertrages haben insoweit keine normative Wirkung. Wenn Rebhahn das Verbot unentgeltlicher Arbeitsverträge als Abschlussverbot bezeichnet, weist er selbst auf die fehlende normative Wirkung einer solchen Regelung hin. Könnte der Kollektivvertrag unentgeltliche Arbeitsverhältnisse verbieten, müsste in gleicher Weise auch ein Verbot von Teilzeitarbeit zulässig sein; auch die Teilzeitarbeit könnte als Bezahlung unter dem Kollektivvertrag verstanden werden.70 Auch die vereinbarte Karenzierung des Arbeitsverhältnisses könnte als kollektivvertragswidrig bezeichnet werden, wenn der Kollektivvertrag undifferenziert ein Mindestentgelt vorschreibt. Der OGH hat im Zusammenhang mit kollektivvertraglichen Entgeltregelungen die Auffassung vertreten, dass aus einer für „Vollarbeit“ geltenden Entgeltregel nicht auf eine verpflichtende Mindestarbeitszeit geschlossen werden darf.71 Dies bestätigt die Auffassung, dass die kollektivvertraglichen Entgeltregeln nur dann zur Anwendung kommen, wenn überhaupt ein Entgeltanspruch besteht. Ein Verbot unentgeltlicher Arbeitsverträge wäre überdies ein erheblicher Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Privatautonomie. Wenn der Gesetzgeber derartige Verträge ausdrücklich für zulässig erklärt und damit akzeptiert, dass Arbeitnehmer nicht im Hinblick auf eine Gegenleistung Dienste erbringen, kann auch kein öffentliches Interesse an einer Aufhebung dieser Entscheidung durch den Kollektivvertrag bestehen. Die Betriebsvereinbarung hat demgegenüber nur eine untergeordnete 46 Bedeutung als lohngestaltende Vorschrift. Betriebsvereinbarungen sind schriftliche Vereinbarungen zwischen dem Betriebsinhaber und dem Betriebsrat über Angelegenheiten, deren Regelung durch Gesetz oder Kollektivvertrag der Betriebsvereinbarung vorbehalten ist.72 Wenn sie auf die Regelung von Arbeitsbedingungen abzielen, haben Betriebsvereinbarungen normative Wirkung. Diese normative Wirkung tritt allerdings nur dann ein, wenn sich die Betriebspartner auf den ihnen durch Gesetz oder Kollektivvertrag eingeräumten Regelungsbereich beschränken. Der zulässige Regelungsbereich wird in erster Linie durch das ArbVG bestimmt. Dieses räumt der Betriebsvereinbarung eine Regelungsbefugnis nur für bestimmte Sonderentgelte ein, wie zB Prämien aus einem besonderen betrieblichen Anlass73 oder betriebliche Ruhegeldleistungen.74 Die Regelungsbefugnis bezieht sich grundsätzlich nicht auf das laufende Entgelt. Abweichendes gilt allerdings für leistungsbezogene Entgeltformen. Inso47 weit eine Regelung durch Kollektivvertrag oder Satzung nicht besteht, ist die Einführung und die Regelung von Akkord-, Stück- und Gedinglöhnen sowie akkordähnlichen Prämien und Entgelten, die auf statistischen Verfahren, Datenerfassungsverfahren, Kleinstzeitverfahren oder ähnlichen Entgeltfindungs301.
70╇ 71╇
OGH 14.4.1999, 9 ObA 24/99s; vgl auch 12.5.1953, 4 Ob 84/53, Soz I/A c, 21. §Â€29 ArbVG. 73╇ §Â€97 Abs 1 Z 15 ArbVG. 74╇ §Â€97 Abs 1 Z 18 und 18a ArbVG. 72╇
60
Vgl auch G. Klein, Arbeitsrechtliche Probleme neuer Arbeitszeitformen, DRdA 1984,
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methoden beruhen, sowie der maßgeblichen Grundsätze (Systeme und Methoden) für die Ermittlung und Berechnung dieser Löhne bzw Entgelte nur zulässig, wenn über die genannten Fragen eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird.75 Systeme der Gewinnbeteiligung sowie die Einführung von leistungsund erfolgsbezogenen Prämien und Entgelten, die nicht zwingend durch Betriebsvereinbarung geregelt werden müssen, können in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden. Bis zum In-Kraft-Treten der ArbVG-Novelle BGBl I 2010/10176 waren 48 nicht nur akkordähnliche Prämien, sondern auch „sonstige leistungsbezogene Prämien und Entgelte“ der zwingenden Mitbestimmung unterworfen. Nach Meinung der Judikatur waren Entgelte nicht nur dann leistungsbezogen, wenn sie auf Mengenleistungen (Quantitätsprämie) abstellten; es wurden auch Entgelte erfasst, die auf qualitative Bezugsgrößen wie Güte und Genauigkeit bei der Arbeit, besondere Ausnützung der Roh- und Werkstoffe, besondere Nutzung der Betriebsmittel, sonstige Einsparungen, genaue Einhaltung vorgegebener Termine etc aufbauten.77 Der Mitbestimmungstatbestand war allerdings nur dann gegeben, wenn der Entgeltfindung ein „Verfahren“ oder eine „Methode“ iSv §Â€96 Abs 1 Z 4 ArbVG zugrunde lag. Diese Voraussetzung war nach Meinung der Judikatur auch bei „Zielvorgabemodellen“ erfüllt, wenn innerhalb eines bestimmten Rahmens eine methodische Arbeits- und Persönlichkeitsbewertung erfolgte. Seit 1. 1. 2011 unterliegen die „sonstigen leistungsbezogenen Entgelte“ nicht mehr der zwingenden Mitbestimmung nach §Â€ 96 ArbVG, sondern nur mehr einer fakultativen Mitwirkung der Belegschaftsvertretung. 5. Behördliche Festsetzung Eine gesetzliche oder behördliche Festsetzung des Lohnes ist bei privaten 49 Arbeitsverhältnissen nur ausnahmsweise vorgesehen. Das österreichische Recht kennt keinen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn. Ein gesetzlicher Lohnanspruch ist nur für einzelne Arbeitsverhältnisse, zB für Arbeitnehmer im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung,78 oder für aus dem Ausland betriebsentsandte Arbeitnehmer79 vorgesehen. Einen gesetzlichen Lohnanspruch statuiert des AZG für die Leistung von Überstunden. Der nach §Â€10 AZG gebührende Zuschlag wird auf der Grundlage des „Normallohnes“ errechnet, der sich aus den getroffenen Vereinbarungen bzw aus den auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren kollektivrechtlichen Regelungen ergibt. Für Arbeitnehmer, die nicht von einem Kollektivvertrag erfasst sind, kön- 50 nen Arbeitsbedingungen durch Satzung eines Kollektivvertrages festgelegt werden. Das Bundeseinigungsamt (BEA) kann die Rechtswirkungen eines Kollektivvertrages auf nicht kollektivvertragsunterworfene Arbeitgeber (und Arbeitnehmer) erstrecken, wenn der Kollektivvertrag gehörig kundgemacht ist 75╇
§Â€96 Abs 1 Z 4 ArbVG. Die Novelle ist am 1.1.2011 in Kraft getreten. 77╇ OGH 8.10.2008, 9 ObA 144/07b, ZAS 2009, 241 unter Berufung auf Reissner, ZellKomm (1. Aufl) §Â€96 ArbVG Rz 27. 78╇ Vgl unten 7. 79╇ Vgl §§Â€7 ff AVRAG. 76╇
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und in Geltung steht, der zu satzende Kollektivvertrag überwiegende Bedeutung erlangt hat und die von der Satzung zu erfassenden Arbeitsverhältnisse im Verhältnis zu jenen, die dem Kollektivvertrag unterliegen, im Wesentlichen gleichartig sind.80 Bei der Satzung beschränkt sich die behördliche Tätigkeit somit auf die Erweiterung des Geltungsbereiches eines bestehenden Kollektivvertrages. Die Satzungserklärung ist als Verordnung zu qualifizieren.81 Das BEA ist aber nicht berechtigt, den Inhalt des zu satzenden Kollektivvertrages abzuändern. Der im Kollektivvertrag vorgesehene Lohn ist daher nicht Gegenstand der behördlichen Entscheidung. Für Arbeitnehmer, die keinem Kollektivvertrag unterliegen, weil kollek51 tivvertragsfähige Körperschaften auf Arbeitgeberseite nicht bestehen, und deren Lohn auch nicht in einer Satzung mit normativer Wirkung geregelt ist, kann das BEA einen Mindestlohntarif erlassen.82 Der als Rechtsverordnung83 zu qualifizierende Mindestlohntarif ist somit eine subsidiäre Rechtsquelle für Entgeltansprüche der Arbeitnehmer.84 Das ArbVG geht davon aus, dass die Regelung des Entgelts primär durch die Kollektivvertragsparteien erfolgen soll. Sind bestimmte Arbeitgeber nicht durch einen Kollektivvertrag erfasst, ist zu prüfen, ob der erwähnte soziale Schutz nicht durch Satzung eines Kollektivvertrags bewirkt werden kann. Die „rein“ behördliche – autonome – Festlegung von Arbeitsbedingungen soll nach dem Konzept des ArbVG ultima ratio sein. Konsequenterweise ist daher die Kompetenz des BEA zur Erlassung von Mindestlohntarifen auf die Festsetzung von Mindestentgelten und Auslagenersätzen beschränkt.85 6. Angemessenes Entgelt 52
Ein angemessenes Entgelt kann nur dann begehrt werden, wenn über die Höhe des Entgelts keine Vereinbarung getroffen wurde. Dies gilt sowohl für Arbeitsverträge als auch für Werkverträge.86 Auch eine „unangemessene“ Vereinbarung schließt die Anwendung der „Angemessenheitsregel“ aus. Haben die Parteien etwa vereinbart, dass Mehrleistungen eines leitenden Angestellten durch eine vereinbarte Gewinnbeteiligung abgegolten werden, ist eine Anwendung der Angemessenheitsregel auch dann ausgeschlossen, wenn entgegen den Erwartungen ein Gewinn nicht erzielt wurde.87 80╇
§Â€18 ArbVG. VfGH 29.9.1994, V 85, 86/92, VfSlg 13.880; VwGH 22.12.2009, 2009/08/0064; Strasser, ArbVG-Kommentar §Â€ 18 Rz 5; Slezak, Rechtsfragen von Mindestlohntarif und Satzung sowie deren Anwendbarkeit im Sozial- und Gesundheitssektor, JBl 2010, 627. Die Einräumung des Antragsrechts in §Â€18 Abs 1 ArbVG verleiht den Kollektivvertragsparteien ein subjektiv-Â�öffentliches Recht, dass die belangte Behörde bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen nach §Â€18 Abs 3 ArbVG den Kollektivvertrag im beantragten Umfang zur Satzung erklärt. Eine den Antrag in der Sache abweisende Erledigung hat in der Rechtsform eines Bescheides zu ergehen (VwGH 22.12.2009, 2009/08/0064). 82╇ Strasser, ArbVG-Kommentar §Â€22 Rz 2. 83╇ Vgl OGH 13.9.2001, 8 ObA 87/01d, Arb 12.137; VfGH 20.6.1966, V 7/66, VfSlg 5291. 84╇ So auch Strasser, ArbVG-Kommentar §Â€22 Rz 3. 85╇ Schrammel, Rechtsfragen des Mindestlohntarifes, ZAS 2005, 196. 86╇ Vgl zum Werkvertrag OGH 29.1.1981, 7 Ob 717/80. 87╇ OGH 3.6.1980, 4 Ob 72/80. 81╇
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Nach herrschender Auffassung ist jenes Entgelt als angemessen anzusehen, das sich unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Bedachtnahme auf das, was unter ähnlichen Umständen geleistet wird, ergibt.88 Dies gilt auch für den Werkvertrag. Bestehen für bestimmte Leistungen autonome Honorarrichtlinien der jeweiligen Leistungserbringer (zB autonome Honorarrichtlinien für Rechtsanwälte, Gebührenordnung für Architekten etc), so werden diese für die Prüfung des „angemessenen Entgelts“ herangezogen. Die Judikatur hat derartige autonome Honorarrichtlinien zunächst nur als Orientierungshilfen verstanden. Wurden diese Richtlinien allerdings von den Leistungserbringern tatsächlich beachtet, hat die Judikatur die betreffenden Honorarsätze ohne weitere Prüfung als „angemessenes Entgelt“ gewertet.89 Nach Meinung des OGH können auch verwandte Gebührenordnungen Orientierungshilfe und Anhaltspunkt für die Bestimmung des angemessenen Entgelts sein.90 Bei Arbeitsverträgen muss der gemeine, marktübliche Wert der Arbeitsleistung in Relation zu den erbrachten bzw zu erbringenden Diensten gesetzt werden. Bestehen kollektivvertragliche Regelungen, sind diese bei der Angemessenheitsprüfung jedenfalls zu berücksichtigen. Ist auf das Arbeitsverhältnis kein Kollektivvertrag anwendbar, können vergleichbare Kollektivverträge für die Feststellung des angemessenen Entgelts herangezogen werden. Werden aus irgendwelchen Gründen, etwa weil dies ortsüblich ist, höhere als die kollektivvertraglichen Mindestgehälter geboten, dann ist in der Regel von diesen Löhnen als dem angemessenen Entgelt auszugehen.91 Man könnte gegen die Berücksichtigung einer überkollektivvertraglichen Entlohnung einwenden, dass bei Anwendbarkeit eines Kollektivvertrages auf das in Frage stehende Arbeitsverhältnis ohnehin eine lohngestaltende Vorschrift existiert, die eine Berücksichtigung des angemessenen Entgelts ausschließt. Zu beachten ist allerdings, dass §Â€1152 die Anwendung der Angemessenheitsregel nur dann verbietet, wenn vertraglich kein Entgelt bestimmt ist. Die normative Einwirkung eines Kollektivvertrages auf das Arbeitsverhältnis stellt noch keine vertragliche Vereinbarung eines bestimmten Entgelts dar. Zu beachten ist allerdings, dass der Arbeitgeber nach §Â€ 2 AVRAG dem Arbeitnehmer unverzüglich nach Beginn des Arbeitsverhältnisses eine schriftliche Aufzeichnung über die wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag (Dienstzettel) auszuhändigen hat. Diese Aufzeichnung hat ua den Anfangsbezug (Grundgehalt, -lohn, weitere Entgeltsbestandteile wie zB Sonderzahlungen) und die Bezeichnung der auf den Arbeitsvertrag allenfalls anÂ� zuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung zu enthalten. Der Anfangsbezug muss dabei nicht in eine Beziehung zum anwendbaren Kollektivvertrag gebracht werden. Der Dienstzettel ist kein schriftlicher Vertrag, sondern eine bloße Wissenserklärung über eine mündlich getroffene Vereinbarung. 206.
88╇
OGH 26.7.2006, 3 Ob 80/06w, MietSlg 18.151; 21.10.1999, 6€Ob€236/99w, RdW 2000,
89╇ OGH 3.2.1977, 7 Ob 509/77, EvBl 1977/204; vgl auch Klicka, Die Verwendung der Autonomen Honorar-Richtlinien im Zivilprozeß, RdW 1993, 228; Spenling in KBB3 § 1152 Rz 6. 90╇ OGH 12.8.1996, 4 Ob 2161/96i. 91╇ OGH 6.6.1974, 6 Ob 93/74; vgl auch 4.12.1996, 9 ObA 2267/96i.
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Wenn aber im Dienstzettel einerseits der anwendbare Kollektivvertrag und andererseits ein bestimmter Anfangsbezug genannt werden, kann nicht mehr davon gesprochen werden, dass eine lohngestaltende Vorschrift nicht besteht. Dies gilt auch dann, wenn der Anfangsbezug dem kollektivvertraglichen Mindestlohn entspricht. In diesem Fall muss davon ausgegangen werden, dass eben nur der jeweilige kollektivvertragliche Mindestlohn bezahlt werden soll. Eine „Aufstockung“ des Entgelts auf eine ortsübliche überkollektivvertragliche Entlohnung scheidet daher aus.92 7. Arbeitskräfteüberlassung 58
Sonderregelungen über die Bestimmung des Entgelts gelten für überlassene Arbeitskräfte. Gemäß §Â€10 AÜG hat der Leiharbeitnehmer Anspruch auf ein angemessenes, ortsübliches Entgelt, das mindestens einmal monatlich auszuzahlen und schriftlich abzurechnen ist. Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, denen der Überlasser unterworfen ist, bleiben unberührt. Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist für die Dauer der Überlassung auf das im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche Entgelt Bedacht zu nehmen. §Â€10 AÜG enthält eine differenzierende Regelung über die Höhe des Loh59 nes. Zu unterscheiden ist zwischen dem „Grundlohn“, der unabhängig von einer konkreten Überlassung gebührt (§Â€10 Abs 1 Satz 1 und 2 AÜG), und dem „Beschäftigungslohn“, der für die Zeit der Überlassung zu bezahlen ist. Gemeinsam haben beide Lohnvarianten, dass dem Leiharbeitnehmer stets ein „angemessenes“ Entgelt zusteht. Damit wird die „allgemeine“ Regelung des ABGB für Dienstverträge abgeändert.93 Für den Bereich der gewerbsmäßigen Arbeitskräfteüberlassung sind von den Parteien vereinbarte, aber „unangemessene“ Lohnvereinbarungen unwirksam. Dem Leiharbeitnehmer gebührt jedenfalls, und zwar sowohl für überlassungsfreie Zeiten als auch für Zeiten der tatsächlichen Beschäftigung, ein angemessenes Entgelt. §Â€11 AÜG verpflichtet zum Abschluss einer ausdrücklichen Lohnabrede; diese Lohnabrede darf den jeweils angemessenen und ortsüblichen Lohn nicht unterschreiten. Besteht für den überlassenden Arbeitgeber ein Kollektivvertrag, sind die dort vorgesehenen Löhne als angemessenes Entgelt anzusehen.94 Für die Dauer der Überlassung kann sich ein „Zusatzanspruch“ ergeben, wenn die Kollektivvertragslöhne im Beschäftigerbetrieb den angemessenen Grundlohn übersteigen.
V. Entstehen des Entgeltanspruches 60
Der Entgeltanspruch entsteht – sofern nicht Unentgeltlichkeit vereinbart wurde – grundsätzlich mit der Erbringung der Arbeit. Nach herrschender Auffassung hat das allgemeine funktionelle Leistungssynallagma auch für die Entgeltpflicht des Arbeitgebers Bedeutung. Mit der Erbringung von Diensten entSo auch Rebhahn in Kletečka/Schauer, ABGB-ON §Â€1152 Rz 8. Schrammel, Zum „Grundlohn“anspruch überlassener Arbeitskräfte, ecolex 2001, 252. 94╇ OGH 2.2.2005, 9 ObA 130/04i, Arb 12.507. 92╇ 93╇
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steht der auf diese Dienste entfallende Anspruch auf das Entgelt. Diese synallagmatische Beziehung zwischen Arbeitsleistung und Entgelt zeigt sich vor allem darin, dass ohne Arbeitsleistung in der Regel auch keine Entgeltpflicht entsteht.95 Auch Sonderzahlungen werden in aller Regel sukzessive erworben, sofern der Anspruch keine bestimmte Widmung voraussetzt. Sonderzahlungen sind demnach eine Form aperiodischen Entgelts, das wie das laufende Entgelt die Tag für Tag geleistete Arbeit abgelten soll.96 Beim Werkvertrag entsteht die Werklohnforderung bereits mit Abschluss 61 des Vertrages, die Fälligkeit tritt hingegen erst mit der Herstellung des Werkes ein.97 Das Entstehen des Entgeltanspruches kann allerdings auch von zusätzli- 62 chen Kriterien abhängig sein.98 Ein Anspruch auf Provision wird üblicherweise erworben, wenn eine Zahlung eingeht;99 die Parteien haben auch die Möglichkeit, den Provisionsanspruch vertraglich auf die Dauer des Dienstverhältnisses zu beschränken.100 Ansprüche auf Betriebspension setzen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder den Eintritt von Berufsunfähigkeit voraus. Die Kollektivvertragsparteien können das Entstehen des Anspruchs auf Sonderzahlungen, auf die kein gesetzlicher Anspruch besteht, an bestimmte Bedingungen knüpfen. Entfällt nach den Bestimmungen eines Kollektivvertrags der Anspruch auf eine aliquote Sonderzahlung, wenn das Dienstverhältnis seitens des Dienstnehmers durch vorzeitigen Austritt ohne wichtigen Grund gelöst wird oder wenn er entlassen wird, bedeutet dies, dass dieser Anspruch bei einer gerechtfertigten Entlassung des Arbeitnehmers gar nicht erworben wird und ein bereits erhaltener Urlaubszuschuss auch ohne ausdrückliche Rückzahlungsverpflichtung zurückzuzahlen ist.101 Man erkennt daraus, dass die synallagmatische Beziehung zwischen Arbeitsleistung und Entgelt gelockert sein kann.102 Ob der Anspruch auf Entgelt somit „Tag für Tag“ erworben wird, hängt immer von der vertraglichen Gestaltung des Entgeltanspruches ab. Entgeltschuldner ist normalerweise der Arbeitgeber. In einzelnen Fällen 63 wurde die Entgeltverpflichtung aber vom Arbeitgeber abgelöst und einem Dritten auferlegt. So richtet sich der Anspruch des angestellten Pharmazeuten auf das laufende Entgelt nicht gegen den Apotheker, sondern gegen die Pharmazeutische Gehaltskasse103 und der Anspruch der Bauarbeiter auf Urlaubsentgelt und Abfertigung gegen die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungs-Kasse.104 Dahinter steht das Bestreben nach einem Riskenausgleich.105 Ohne die Einschaltung der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungs-Kasse würde die GeVgl Wilhelm, ecolex 1996, 6. OGH 28.7.1995, 9 ObA 64/97w; 10.7.1996, 9 ObA 2132/96m; vgl auch 18.2.2010, 8 ObS 1/10w, DRdA 2010, 425. 97╇ OGH 14.9.2004, 10 Ob 321/02g; 29.3.2001, 8 Ob 43/01h. 98╇ OGH 16.1.1991, 9 ObA 609/90. 99╇ Vgl §Â€10 Abs 3 AngG. 100╇ OGH 12.7.1989, 9 ObA 179/89. 101╇ OGH 4.8.2009, 9 ObA 97/08t, DRdA 2010, 68. 102╇ Vgl auch OGH 3.3.2010, 9 ObA 151/09k, wbl 2010, 357. 103╇ Vgl §§Â€11 ff GehaltskassenG. 104╇ §§Â€8, 13 f Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungs-Gesetz (BUAG). 105╇ Vgl dazu Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht 27 72 f mwN. 95╇ 96╇
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fahr bestehen, dass die Bauarbeiter wegen ihrer meist nur sehr kurzen Beschäftigungszeiten nicht zur Realisierung ihres vollen Urlaubs- bzw Abfertigungsanspruches kämen.
VI. Veränderungen des Entgeltanspruches 1. Veränderungsvereinbarung 64
Da der Anspruch auf Entgelt grundsätzlich vertraglich frei gestaltet ist, kann die Höhe des Entgelts von den Vertragsparteien auch einvernehmlich verändert werden. Auch Verschlechterungsvereinbarungen sind zulässig, so lange ein allenfalls anwendbarer unabdingbarer Kollektivvertragslohn (Satzung, Mindestlohntarif) nicht unterschritten wird. 2. Aufwertung
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Geldschulden sind Nominalschulden. Das Risiko der Geldentwertung trägt somit der Gläubiger.106 Der Arbeitnehmer hat daher ohne besondere vertragliche Grundlage keinen Anspruch auf Aufwertung seiner Geldbezüge.107 Eine „Aufwertung“ (Anpassung an geänderte wirtschaftliche Verhältnisse) kann nicht nur einzelvertraglich, sondern auch durch kollektivvertragliche IstLohnklauseln vorgenommen werden, die den Arbeitgeber verpflichten, die tatsächlich bezahlten Löhne um einen bestimmten Betrag zu erhöhen. 3. Einseitige Reduktion des Entgeltanspruches
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Die Leistung des Arbeitgebers kann vertraglich so gestaltet sein, dass dem Arbeitnehmer ein unbedingter Rechtsanspruch auf das Entgelt eingeräumt wird. In diesem Fall bedarf eine Entgeltreduktion einer vertraglichen Einigung. Entgelt kann vom Arbeitgeber aber auch mit dem Vorbehalt der Unverbindlichkeit oder mit einem Änderungs- bzw Widerrufsvorbehalt gewährt werden. Unverbindlichkeitsvorbehalte weisen darauf hin, dass eine Leistung frei67 willig und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bzw ohne Einräumung eines Anspruchs auf eine zukünftige Leistungserbringung gewährt wird. Auch durch die wiederholte Gewährung soll kein Rechtsanspruch für die Zukunft entstehen. Es soll dem Arbeitgeber von Fall zu Fall überlassen bleiben, neu zu entscheiden, ob und in welcher Höhe er die Leistung weiter gewähren will. Will er dies nicht mehr, so reicht es aus, dass die – ohnehin nicht verpflichtend zu erbringende – Leistung in einem anderen Ausmaß oder überhaupt nicht mehr gewährt wird.108 Da kein Anspruch des Arbeitnehmers besteht, bedarf es keines Widerrufs durch den Arbeitgeber. Ein vom Arbeitgeber dennoch erklärter „Widerruf“ ist daher keine auf Rechtsgestaltung gerichtete Willenserklärung. 106╇
OGH 11.1.1955, 4 Ob 132, 133/54, Arb 6192. OGH 19.6.1973, 4 Ob 55/73, ZAS 1974, 98 (Aicher). 108╇ Risak, Der Unverbindlichkeitsvorbehalt, ZAS 2006, 162€ff. 107╇
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Veränderungen des Entgeltanspruches
§ 1152
Der Änderungsvorbehalt ist darauf gerichtet, im Rahmen der Grenzen 68 des zwingenden Rechts einseitig bestimmte Bestandteile des Vertrags variabel gestalten zu können. Meist soll der Einsatz der Arbeitskraft oder die Zahlung des Entgelts zeitnah an die Bedürfnisse des Betriebs angepasst werden, indem durch Erhöhung oder Reduzierung arbeitsvertraglicher Ansprüche auf Phasen wirtschaftlicher Konjunktur oder Rezession reagiert wird. Besteht die VerÂ� änderung in der vollständigen Beseitigung eines Rechtsanspruchs, liegt ein Widerrufsvorbehalt vor, der dem Arbeitgeber das Recht einräumt, einmal gewährte Ansprüche des Arbeitnehmers zukünftig zur Gänze wieder einzustellen. Änderungs- und Widerrufsvorbehalte setzen einen Anspruch des Arbeitnehmers voraus, der durch den Widerruf wieder vernichtet werden kann. Diese Unterscheidung hat erhebliche rechtliche Konsequenzen bei der Einstellung der Leistung. Während die Ausübung des Widerrufsvorbehalts einer Ausübungskontrolle unterliegt109 – der Arbeitgeber darf das Gestaltungsrecht nur im Rahmen billigen Ermessens ausüben – findet eine solche Kontrolle bei einer unter Unverbindlichkeitsvorbehalt stehenden Leistung nicht statt, weil es in diesem Fall ohnedies keinen Anspruch des Arbeitnehmers gibt. Die Unterscheidung zwischen Unverbindlichkeitsvorbehalten und Wider- 69 rufs- bzw Änderungsvorbehalten wird in der Lehre in Frage gestellt.110 Schindler hat darauf hingewiesen, die Beliebigkeit hinsichtlich Veränderungen der Entgelthöhe sei kein zulässiger Vertragsinhalt. Regelmäßige Leistungen zu erbringen oder in Aussicht zu stellen, aber zu nichts verpflichtet zu sein, sei nicht möglich. Entsprechende Erklärungen seien – bei Dauerleistungen – eine unmaßgebliche Fehlbezeichnung.111 Auch Felten hat Unverbindlichkeitsvorbehalte in Bezug auf das Entgelt als unzulässig bezeichnet. Durch einen solchen Vorbehalt könne die Billigkeitskontrolle, wie sie bei der Ausübung von Widerrufsvorbehalten praktiziert werde, nicht abbedungen werden, insbesondere dann, wenn es sich um (laufendes) Entgelt für die vertraglich geschuldeten Dienste handelt.112 Demgegenüber hat Risak die Zulässigkeit von Unverbindlichkeitsvorbehalten grundsätzlich bejaht.113 Der OGH hat darauf hingewiesen, dass den in der Lehre gegen die Zuläs- 70 sigkeit von Unverbindlichkeitsvorbehalten vorgetragenen Argumenten, vor allem dem Gedanken, dass der Arbeitnehmer auf eine gewisse Beständigkeit seines monatlichen Entgelts vertrauen können müsse, im Zusammenhang mit den wesentlichen Teilen des laufenden monatlichen Entgelts erhebliches Gewicht zukomme. Für Entgeltsbestandteile, die nicht zum wesentlichen Teil des Grundentgelts gehören oder die nur unregelmäßig bzw aus besonderem Anlass gewährt werden (zB Sonderzahlungen), besteht hingegen nach Ansicht des OGH kein triftiger Grund, ausdrücklich und unmissverständlich erklärte Unverbindlichkeitsvorbehalte generell als unzulässig zu betrachten.114 109╇ Vgl Krejci, Grenzen einseitiger Leistungsbestimmung durch den Arbeitgeber, ZAS 1983, 206; OGH 14.12.1988, 9 ObA 512/88, ZAS 1989, 94 (Tomandl). 110╇ Vgl bereits Welser, Widerrufsvorbehalt und Teilkündigungsvereinbarung bei entgeltwerten Leistungen des Arbeitgebers, DRdA 1991, 1. 111╇ In Resch (Hrsg), Kritische Klauseln im Arbeitsvertrag, 55 ff (73 f). 112╇ Arbeitsvertragliche Flexibilisierungsklauseln im Entgeltbereich, RdW 2008, 278 ff (281). 113╇ Einseitige Entgeltgestaltung im Arbeitsrecht (2008) 223 ff. 114╇ OGH 24.2.2009, 9 ObA 113/08w, ZAS 2010, 321.
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Schrammel
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Einem generellen Verbot von Unverbindlichkeitsvorbehalten steht entgegen, dass der Gesetzgeber selbst im BPG Unverbindlichkeitsvorbehalte positivrechtlich verankert hat. Pensionszusagen ohne Rechtsanspruch unterliegen nicht dem BPG, Pensionszusagen mit Widerrufsvorbehalten dürfen hingegen nur bei Vorliegen der im Gesetz genannten Bedingungen eingeschränkt werden.115 Dem OGH ist daher zuzustimmen, dass Unverbindlichkeitsvorbehalte jedenfalls zulässig sind, wenn sie vertragliche „Nebenleistungen“ betreffen. Wenn schon betriebliche Pensionsleistungen unverbindlich gewährt werden dürfen, ist nicht einzusehen, warum dies bei anderen Nebenleistungen ausgeschlossen sein soll. Anders ist die Situation beim laufenden Entgelt. Wenn die Parteien einen 72 entgeltlichen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben, besteht ohne Zweifel ein Interesse des Arbeitnehmers, dass das vereinbarte Entgelt regelmäßig und in gleich bleibender Höhe gewährt wird. Die Judikatur hat daher zu Recht Vereinbarungen für unwirksam erklärt, die dem Arbeitgeber das Recht einräumen, ohne Zustimmung des Arbeitnehmers das für das Zuverfügungstellen der Arbeitskraft geleistete Entgelt zu kürzen. Eine beliebige, im freien Ermessen des Arbeitgebers stehende Kürzung des Arbeitsentgelts, etwa durch Entziehung einer Funktion, ist nach Meinung des OGH sittenwidrig.116 Die Gefahr einer Übervorteilung durch den Arbeitgeber besteht allerdings nicht, wenn die Lohnkürzung der nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichte unterliegt, an bestimmte materielle Voraussetzungen geknüpft ist oder wie jede einseitige Leistungsbestimmung sich im überprüfbaren Rahmen der Billigkeit zu halten hat. Unverbindlichkeitsvorbehalte in Bezug auf das laufende Entgelt sind daher ähnlich wie Widerrufsvorbehalte zu behandeln, die dem Arbeitgeber nur eine Gestaltungsmöglichkeit nach billigem Ermessen einräumen. 4. Entgeltkürzung als Disziplinarstrafe 73
Unter „Disziplinarmaßnahmen“ sind alle jene Maßnahmen zur Wahrung oder Wiederherstellung einer vorgegebenen Ordnung zu verstehen, die dem Arbeitnehmer rechtliche oder wirtschaftliche Nachteile zufügen mit dem ausdrücklich erklärten Zweck, ihn für eine Verfehlung zu bestrafen und andere Arbeitnehmer von ähnlichen Verfehlungen abzuhalten.117 Mit der Verhängung einer Disziplinarstrafe wird ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers missbilligt. Die Disziplinarstrafe ist auf die Sanktionierung des beanstandeten Verhaltens selbst gerichtet. Der Katalog möglicher Disziplinarstrafen ist weit gefächert; auch Geldstrafen gehören zu diesen möglichen Disziplinarmitteln.118 Disziplinarmaßnahmen sind nur dann zulässig, wenn sie nicht gegen zwin74 gendes Recht verstoßen. Problematisch sind Geldstrafen vor allem dann, wenn für das Arbeitsverhältnis ein kollektivvertraglicher Mindestlohn anwendbar 115╇
Vgl OGH 11.8.1993 9 ObA 141/93, DRdA 1994, 145 (Apathy). Vgl OGH 19.2.1980, 4 Ob 138/79, Arb 9854; 24.2.1993, 9 ObA 19/93. 117╇ Vgl OGH DRdA 1996, 131. 118╇ Vgl Schrammmel, Vertragliche Abtretung von Gestaltungs- und Disziplinarrechten, in Brodil (Hrsg) Civiles im Arbeitsrecht – Vertragliches und Haftendes im Arbeitsrecht (in Druck); Binder in Tomandl (Hrsg), Arbeitsverfassungsgesetz §Â€96 Rz 19. 116╇
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Entgeltsicherung
§ 1152
ist. Binder vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass eine Unterschreitung des kollektivvertraglichen Mindestlohnes zulässig sei, wenn die Geldstrafe in einer betrieblichen Disziplinarordnung vorgesehen ist und auch im Einzelfall mitbestimmungsunterworfen verhängt wird.119 Marhold/Friedrich meinen demgegenüber, eine Entgeltkürzung scheide als „betriebliche“ Disziplinarmaßnahme aus. Eine betriebliche Disziplinarordnung dürfe den Kollektivvertragslohn nicht schmälern, die Kürzung einer überkollektivvertraglichen Entlohnung scheitere am Günstigkeitsprinzip.120 Wenn die Entgeltkürzung in einer kollektivvertraglichen Disziplinarord- 75 nung vorgesehen ist, kommt auch eine Kürzung des kollektivvertraglichen Mindestlohnes in Betracht. Der Kollektivvertrag kann nach herrschender Auffassung auch dispositive Regelungen enthalten.121 Insoweit muss auch ein Unterschreiten des Kollektivvertragslohnes zulässig sein. Dies gilt jedenfalls für Arbeitnehmer, deren individueller Lohn ausschließlich im Kollektivvertrag begründet ist. Wurde eine überkollektivvertragliche Entlohnung vereinbart, ist eine im Kollektivvertrag vorgesehene disziplinäre Entgeltkürzung bezüglich der einer überkollektivvertraglichen, individuell vereinbarten Entlohnung dann zulässig, wenn man die entsprechende kollektivvertragliche Disziplinarregelung als Ordnungsnorm verstehen kann, die günstigere Einzelvereinbarungen ausschließt. Eine betriebliche (durch Betriebsvereinbarung eingeführte) Disziplinarordnung kann demgegenüber für sich allein weder eine Kürzung des Kollektivvertragslohnes anordnen noch Grundlage für eine Reduktion eines individuell vereinbarten Lohnes sein.122
VII. Entgeltsicherung 1. Pfändungsschutz Bestimmungen über die Pfändung von Bar- und Naturalentgelt finden sich 76 in der Exekutionsordnung. Das System der Pfändungsbeschränkungen der EO unterscheidet drei Kategorien von Forderungen: unpfändbare, beschränkt pfändbare und unbeschränkt pfändbare. Unpfändbar sind jene Geldleistungsansprüche, die in keinem Fall der 77 Pfändung und Verwertung unterliegen: Aufwandsentschädigungen, soweit sie einen tatsächlichen finanziellen Aufwand ersetzen (Materialkostenersatz, Reise-, Umzugskosten etc), diverse Auslagen- und Kostenersätze (Familienbeihilfe, Bestattungskosten uä), Ausbildungsbeihilfen (Stipendien).123 Beschränkt pfändbar sind jene Einkünfte und ihnen gleichgestellte An- 78 sprüche mit Einkommensersatzfunktion, bei denen nur ein über dem unpfändbaren Freibetrag („Existenzminimum“) liegender Mehrbetrag der ZwangsvollBinder in Tomandl (Hrsg), Arbeitsverfassungsgesetz §Â€96 Rz 19. Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht 590. 121╇ Vgl Tomandl, Dispositive Kollektivvertragsbestimmungen in Österreich, FS Floretta 639; OGH 20.10.2004, 8 ObA 88/04f. 122╇ Vgl Näheres bei Schrammel, Vertragliche Abtretung von Gestaltungs- und Disziplinarrechten, in Brodil (Hrsg) Civiles im Arbeitsrecht (in Druck). 123╇ Vgl §Â€290 EO. 119╇
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streckung unterliegt: Einkünfte aus einem privat- oder öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis, einem Lehr- oder Ausbildungsverhältnis (Arbeitsentgelt iwS) sowie Leistungen, die an die Stelle des Arbeitsentgelts treten (Pensionen und Renten, Arbeitslosengeld etc). Um die durch die Pfändungsbeschränkungen bewirkte Garantie eines Min79 desteinkommens des Arbeitnehmers abzusichern, erklärt §Â€293 Abs 2 EO jede rechtsgeschäftliche Verfügung (Zession, Anweisung, Verpfändung) über unpfändbare Forderungen für rechtlich wirkungslos. Betroffen sind nur Verfügungen über den Anspruch; in der Verwendung des einmal erhaltenen Entgelts unterliegt der Arbeitnehmer keinen Beschränkungen. Die Aufrechnung gegen unpfändbare Forderungen ist nach §Â€293 Abs 3 EO 80 nur zulässig zur Einbringung a) eines Vorschusses,124 b) einer im rechtlichen Zusammenhang stehenden Gegenforderung oder c) einer Schadenersatzforderung, wenn der Schaden absichtlich zugefügt wurde. 2. Rückzahlungsbeschränkungen bei irrtümlicher Leistung von Entgelt 81
Wer irrtümlich eine Nichtschuld bezahlt, kann das Geleistete gemäß §Â€1431 zurückfordern. Dieses Recht steht auch dem Arbeitgeber zu, wenn er Bezüge irrtümlich angewiesen hat, die dem Arbeitnehmer nicht oder nicht in diesem Umfang gebühren. Nach ständiger Rechtsprechung125 kann der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer irrtümlich bezahltes Entgelt allerdings nicht zurückfordern, wenn der Arbeitnehmer diese Bezüge im guten Glauben empfangen und gutgläubig verbraucht hat. Dabei wird der gute Glaube nicht nur durch auffallende Sorglosigkeit des Empfängers ausgeschlossen, sondern von der Rechtsprechung schon dann verneint, wenn er zwar nicht nach seinem subjektiven Wissen, aber bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit des ihm ausbezahlten Betrags auch nur zweifeln musste. Eine irrtümliche Auszahlung von Entgelt hat die Judikatur auch dann an82 genommen, wenn der Arbeitnehmer die vereinbarte Arbeitszeit, für die er entlohnt wird, so erheblich unterschritten hat, dass sie nur mehr einer geringer entlohnten Teilzeitbeschäftigung gleich zu halten ist. Der Arbeitnehmer schuldet dem Arbeitgeber eine auf Zeit abgestellte Arbeitsleistung; der vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer geschuldete Zeitlohn steht daher mit der Arbeitszeit und nicht mit dem Quantum der konkreten Arbeitsverrichtungen in einem synallagmatischen Zusammenhang. Redliche Parteien hätten, wäre ihnen der geminderte zeitliche Leistungsumfang bei Vertragsabschluss bekannt gewesen, zweifellos ein entsprechend geringeres Entgelt vereinbart. Die Zahlung des „vollen“ Lohnes für erhebliche zeitliche Minderleistungen ist daher irrtümlich erfolgt.126 Nicht anwendbar sind die in Judikat 33 neu entwickelten Grundsätze auf 83 auflösend bedingt gewährte Ansprüche, da hier der Arbeitnehmer stets mit dem 124╇
Vgl dazu §Â€1154a Rz 3 ff. Grundlegend OGH Judikat 33 neu; OGH 13.6.1978, 4 Ob 36/78, ZAS 1979, 170; 8.7.1992, 9 ObA 197–200/92, DRdA 1993, 214 (Wachter). 126╇ Vgl OGH 3.8.2005, 9 ObA 53/05t, ZAS 2007, 178 (Körber). 125╇
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Literatur
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Eintritt der Bedingung rechnen muss (zB Urlaubszuschuss, der nach dem Kollektivvertrag bei unbegründetem vorzeitigen Ausscheiden rückgezahlt werden muss).127 3. Insolvenzentgeltsicherung Das IESG128 gewährt dem Arbeitnehmer in Insolvenzfällen einen umfas- 84 senden Schutz in Situationen, in denen sein Entgeltanspruch gefährdet erscheint. Gesichert sind aufrechte, nicht verjährte und nicht ausgeschlossene Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Dazu gehören insbesondere Ansprüche auf laufendes Entgelt und Ansprüche aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, aber auch sonstige Entgeltsansprüche. Die Ansprüche dürfen allerdings weder verfallen noch verjährt sein. Ausgeschlossen sind ferner auf einer Einzelvereinbarung beruhende Ansprüche, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder in den letzten sechs Monaten vor dessen Eröffnung abgeschlossen wurden, über die betriebsübliche Entlohnung hinausgehen und sachlich nicht gerechtfertigt sind. Nach der Rechtsprechung sind darüber hinaus Ansprüche der Arbeitnehmer immer dann ausgeschlossen, wenn sie nur im Hinblick auf die Zahlung des Insolvenz-Entgelts zugebilligt wurden.129 Soweit sie noch nicht verfallen oder verjährt sind, werden alle innerhalb 85 von sechs Monaten vor dem Stichtag (Eröffnung des Insolvenzverfahrens) entstandenen Ansprüche auf laufendes Entgelt gesichert. Das Insolvenz-Entgelt ist für alle gesicherten Ansprüche höhenmäßig limitiert. Über den Grenzbetrag hinausgehende Ansprüche sind nach §Â€1 Abs 3 Z 4 IESG von der Sicherung ausgeschlossen. Der Grenzbetrag entspricht grundsätzlich dem doppelten Betrag der jeweiligen Höchstbeitragsgrundlage in der Pensionsversicherung nach dem ASVG. Der als Insolvenz-Entgelt beantragte Bruttobetrag darf diesen Grenzbetrag nicht überschreiten.
1. Dienstvertrag. §Â€1153. Wenn sich aus dem Dienstvertrage oder aus den Umständen nichts anderes ergibt, hat der Dienstnehmer die Dienste in eigener Person zu leisten und ist der Anspruch auf die Dienste nicht übertragbar. Soweit über Art und Umfang der Dienste nichts vereinbart ist, sind die den Umständen nach angemessenen Dienste zu leisten. IdF RGBl 1916/69 (III. Teilnovelle). Mat: 78 BlgHH, 21. Session 1912. Lit: Strasser, Das Recht des Dienstnehmers auf Beschäftigung, ÖJZ 1954, 60; Petrovic, Zur Einzelauflösung bei Gruppenarbeitsverträgen, ZAS 1985, 171; GrasslPalten, Gewissen contra Vertragstreue im Arbeitsverhältnis (1994); Andexlinger, Fol127╇ Vgl OGH 19.5.1981, 4 Ob 43/81, ZAS 1982, 23 (Runggaldier); 4.8.2009, 9 ObA 97/08t, DRdA 2010, 68. 128╇ BGBl 1977/324 idF BGBl I 2010/111. 129╇ OGH 27.1.1993, 9 ObS 15/92, DRdA 1993, 490 (Geist).
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gepflicht bei Betriebsverlegung, ecolex 1995, 45; F. M. Adamovic, Leistungsverweigerungsrecht bei Weisungskonflikten, RdM 1997, 67; Mosler, Arbeitsrechtliche Probleme der Teilzeitbeschäftigung, DRdA 1999, 338 ff; Drs, Versetzungsschutz bei veränderter Arbeitszeit, RdW 2000, 258; Klein, Möglichkeiten und Grenzen flexibler Teilzeitarbeit, FS Cerny (2001) 219; K. Mayr, Betriebsverlegung–Versetzung–Folgepflicht des Arbeitnehmers bei Betriebsverlegungen, RdW 2001, 295; Wachter, Grenzen des Weisungsrechts in bezug auf Art und Ort der geschuldeten Tätigkeit, DRdA 2001, 495; Mosler, Beschäftigung nach Bedarf, DRdA 2002, 465; Germ/Spenling, Versetzungsschutz im privaten Arbeitsrecht und im öffentlichen Dienstrecht – ein Vergleich, FS Bauer/Maier/Petrag (2004) 189; Schrammel, „Gewährleistung“ für schlechte Dienste?, FS Welser (2004) 985; ders, Diskriminierungsverbot, Privatautonomie und Religionsfreiheit, öarr 2008, 219.
Übersicht I. II.
Vorrang der vertraglichen Einigung Höchstpersönlichkeit der Dienste 1. Vertretungsrechte des Arbeitnehmers 2. Arbeitskräfteüberlassung III. Inhalt der Arbeitspflicht 1. Art der Arbeitsleistung 2. Weisungsrecht 3. Quantität und Qualität der Dienste IV. Recht auf Beschäftigung V. Arbeitsort 1. Bestimmung des Arbeitsortes 2. „Gewöhnlicher“ Arbeitsort a) Beginn der Arbeitsleistung b) Gewöhnlicher Arbeitsort bei grenzüberschreitender ╇ Tätigkeit VI. Arbeitszeit 1. Begriff der Arbeitszeit 2. Bestimmung der Arbeitszeit 3. Teilzeitarbeit 4. Rechtsfolgen bei fehlender Einigung über das Ausmaß der Arbeitszeit 5. Lage der Arbeitszeit 6. Mehrarbeit
1 2–13 2–6 7–13 14–30 14–18 19–21 22–28 29–31 32–41 32–35 36–41 36–38 39–41 42–62 42–43 44–48 49–53 54–57 58–61 62
I. Vorrang der vertraglichen Einigung 1
So wie §Â€1152 für das Entgelt bestimmt auch §Â€1153 den Vorrang der vertraglichen Einigung für die Bestimmung der Arbeitspflicht. Bestimmungsgründe können neben dem Einzelarbeitsvertrag auch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder betriebliche Übungen sein.1 Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz2 kann Art und Umfang der Dienste gestalten. 1╇ 2╇
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Vgl dazu §Â€1152 Rz 32 ff. Vgl zu diesem §Â€1152 Rz 37 ff.
Höchstpersönlichkeit der Dienste
§ 1153
II. Höchstpersönlichkeit der Dienste 1. Vertretungsrechte des Arbeitnehmers §Â€1153 formuliert als allgemeinen Grundsatz, dass der Arbeitnehmer seine Dienste persönlich und nur seinem Vertragspartner zu erbringen hat. Dies gilt allerdings nur dann, wenn sich aus dem Vertrag oder den Umständen nicht Abweichendes ergibt. Die Parteien des Arbeitsvertrages können daher auch vorsehen, dass sich der Arbeitnehmer bei Erbringung der Dienste vertreten lassen darf.3 Die Grenze für ein „arbeitsvertragliches“ Vertretungsrecht liegt dort, wo die persönliche Abhängigkeit des Dienstleistenden wegfällt. Ein generelles Vertretungsrecht ist zwar nicht verboten, der Dienstleistende verliert damit aber seine Arbeitnehmereigenschaft.4 Praktische Bedeutung haben Vertretungsrechte vor allem bei so genannten Gruppenarbeitsverhältnissen. Eine arbeitsteilige Wirtschaft bringt es mit sich, dass Arbeitsverhältnisse „gebündelt“ werden; die dem Arbeitgeber versprochene Einzelleistung macht für den Arbeitgeber in der Regel nur Sinn, wenn sie mit der Arbeitsleistung anderer Arbeitnehmer verbunden wird. Diese Bündelung kann sehr unterschiedlich strukturiert sein und so weit gehen, dass die Arbeitsleistungen verschiedener Arbeitnehmer untrennbar miteinander verknüpft sind, wie dies zB bei einem Streichquartett der Fall ist. Fällt ein Mitglied des Quartetts aus, ergibt die Leistung der anderen Mitglieder keinen Sinn, weil die Arbeitnehmer nur im Zusammenwirken die Interessen des Arbeitgebers fördern können. Nun ist es grundsätzlich Sache des Arbeitgebers, die Gruppe zusammenzustellen und den Ausfall eines Mitarbeiters durch geeignete Maßnahmen zu kompensieren. Eine vom Arbeitgeber organisierte Gruppe von Arbeitnehmern wird meist als Betriebsgruppe bezeichnet. Scheidet ein Gruppenmitglied aus, so hat der Arbeitgeber für einen entsprechenden Ersatz zu sorgen. Insoweit bleiben die Arbeitsverträge der einzelnen Gruppenmitglieder „autonom“.5 Die ein Zusammenwirken mehrerer Arbeitnehmer voraussetzenden Arbeitsleistungen können von den Gruppenmitgliedern aber auch „pauschal“ angeboten werden. Man spricht in diesem Fall von einer Eigengruppe. Ob ein Eigengruppenarbeitsverhältnis begründet wurde, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln. Nach Meinung des OGH ist das Erklärungsverhalten der Beteiligten jeweils vor dem Hintergrund der zu verrichtenden Arbeitsleistungen zu verstehen, je nachdem, inwieweit diese typischerweise nur gemeinsam und in einer eingespielten Zusammenarbeit erbracht werden können oder nicht.6 Probleme beim Eigengruppenarbeitsvertrag entstehen vor allem dann, wenn einzelne für die Gesamtleistung unentbehrliche Mitglieder ausfallen. Nach Meinung der Judikatur kann die ganze Gruppe dann entlassen werden, wenn ein Mitglied einen Entlassungsgrund gesetzt hat und die Gruppe keiÂ�3╇
Vgl schon OGH 27.4.1927, ZBl 1927/209; 20.9.1960, 4 Ob 135/60, Soz I A e, 410. Vgl §Â€1151 Rz 28 ff. 5╇ Vgl Schrammel, AngG-Komm §Â€6 Rz 38. 6╇ OGH 29.8.2002, 8 ObA 130/02d. 4╇
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nen vollwertigen Ersatz beistellen kann.7 Ebenso kann ein Gruppenarbeitsvertrag aufgelöst werden, wenn der Arbeitgeber gegenüber einem Gruppenmitglied einen Austrittsgrund (Ehrenbeleidigung) gesetzt hat.8 Im Anlassfall zu Arb 6143 hatten ein Kapellmeister, der gleichzeitig das Hauptinstrument, Violine, spielte und drei weitere Musiker einen Gruppenarbeitsvertrag abgeschlossen; der Kapellmeister wurde berechtigt entlassen. Der OGH meinte, die übrigen Musiker hätten versuchen müssen, für den Kapellmeister Ersatz zu stellen, um die Beendigung auch ihrer Arbeitsverhältnisse zu vermeiden. Der OGH hat daher offenkundig „aus den Umständen“ eine Stellungspflicht der Gruppenarbeitnehmer abgeleitet. 2. Arbeitskräfteüberlassung 7
Durch die Abtretung des Dienstleistungsanspruches erhält der Arbeitnehmer einen neuen Gläubiger (§Â€ 1393). Der Inhalt des Arbeitsvertrages wird durch die Abtretung zwar nicht verändert, die Abtretung verschafft dem ZesÂ� sionar Rechte unmittelbar gegen den Zessus.9 Die Abtretung des Dienstleistungsanspruches bedarf nach §Â€ 1153 jedenfalls der Zustimmung des Arbeitnehmers, die auch schlüssig erteilt werden kann. Von der Abtretung des Dienstleistungsanspruches sind Formen des drittbe8 zogenen Personaleinsatzes zu unterscheiden, die dem „Beschäftiger“ keine unmittelbaren Vertragsrechte gegen den Arbeitnehmer einräumen. Dazu gehört insbesondere die so genannte Arbeitskräfteüberlassung. Typologisch kann von einer Arbeitskräfteüberlassung immer dann gesprochen werden, wenn ein Arbeitgeber (Überlasser) Arbeitnehmer einem Dritten zur fremdbestimmten Arbeitsleistung überlässt.10 Entscheidend für das Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung ist, dass der Beschäftiger den überlassenen Arbeitnehmer wie einen eigenen Arbeitnehmer einsetzen kann; der Erfolg der Arbeitsleistung soll direkt dem Beschäftiger zugute kommen. Das Phänomen der Arbeitskräfteüberlassung tritt in der Praxis des Arbeits9 und Wirtschaftslebens in einer Reihe verschiedener Erscheinungsformen auf, die durchaus unterschiedliche Problemlagen aufweisen. Zur Arbeitskräfteüberlassung im weitesten Sinn gehören╇ a) die gelegentliche Zurverfügungstellung von Arbeitskräften („echte LeihÂ� arbeit“), ╇ b) die gewerbsmäßige Zurverfügungstellung von Arbeitskräften gegen EntÂ� gelt („unechte Leiharbeit“);╇ c) die Überlassung von Arbeitsgeräten mit Bedienungspersonal;╇ d) die Beistellung von Arbeitskräften für Montagearbeiten;╇ e) die Überlassung von Arbeitskräften in Erfüllung sozialer Aufgaben (Schwestern-GestellungsÂ�verträge);╇ f) die Zuweisung von Bundes- oder Landeslehrern an Privatschulen als „lebende Subventionen“;╇ 7╇
OGH 11.1.1955, 4 Ob 120/54, Arb 6143. OGH 23.1.2003, 8 ObA 104/02f. 9╇ Ertl in Rummel 3 I §Â€1392 Rz 1. 10╇ Vgl Wachter, Terminologische und typologische Überlegungen zur Arbeitskräfteüberlassung, ZAS 1975, 50. 8╇
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Höchstpersönlichkeit der Dienste
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g) die Bereitstellung von Arbeitskräften durch zentrale Personalbeschaffungsstellen, vor allem in Konzernen. Praktisch sehr bedeutsam ist die Unterscheidung in echte und unechte Ar- 10 beitskräfteüberlassung. Als echte Arbeitskräfteüberlassung ist eine ausnahmsweise, dh nicht ständige Überlassung einer Arbeitskraft an ein anderes Unternehmen zu verstehen. Bei der echten Arbeitskräfteüberlassung soll die Arbeitskraft nach Beendigung ihres Einsatzes beim Beschäftiger wieder auf ihren angestammten Arbeitsplatz zurückkehren. Die Arbeitskraft hat zwar während der Überlassung für den Betrieb des Beschäftigers nach dessen Weisungen zu arbeiten, diese Überlassung ist aber – bezogen auf das Rechtsverhältnis zwischen Überlasser und Arbeitskraft – ein Ausnahmefall. Im Regelfall wird die Arbeitskraft für betriebseigene Aufgaben des Überlassers verwendet.11 Bei der unechten Arbeitskräfteüberlassung erfolgt die Überlassung von Arbeitskräften an Dritte in der Regel gewerbsmäßig. Die Überlassung wird selbständig, regelmäßig und mit Ertragsabsicht betrieben. Oft hat der Überlasser gar keine Möglichkeit, die Arbeitskraft in seinem Betrieb für betriebseigene Aufgaben einzusetzen. Die Pflicht der Arbeitskraft ist jedenfalls von vornherein darauf gerichtet, nach Weisungen des Überlassers in anderen Unternehmen tätig zu werden. Eine „Überlassung zur Arbeitsleistung“ setzt immer voraus, dass dem Be- 11 schäftiger gewisse Weisungsrechte bezüglich der Art und Weise der von der überlassenen Arbeitskraft zu erbringenden Arbeitsleistung eingeräumt werden.12 Zum essentiellen Kern der dem Beschäftiger einzuräumenden Weisungsbefugnisse gehört das Recht, durch entsprechende Fachanweisungen den näheren Inhalt der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsleistung im Einzelnen zu bestimmen. Die überlassene Arbeitskraft schuldet weiterhin wie jeder andere Arbeitnehmer die Leistung von weisungsabhängiger Arbeit, deren nähere Konkretisierung aber dem jeweiligen Beschäftiger obliegt. Die Weisungsbefugnis des Überlassers wird demgegenüber auf bestimmte Teilbereiche beschränkt; in der Regel erschöpft sich die verbleibende Weisungsbefugnis des Überlassers auf die Erteilung von allgemeinen Anordnungen, wie zB Bestimmung des Arbeitsortes durch Zuweisung an einen Beschäftigerbetrieb, Abberufung der Arbeitskraft und Neuzuweisung einer anderen Arbeitsstätte. Von der Rechtsprechung wird die Ausübung der Rechte des Beschäftigers 12 meist als Delegation von Arbeitgeberfunktionen seitens des Überlassers verstanden. Die Rechtsposition des Arbeitgebers wird rechtsgeschäftlich zur Ausübung an einen Dritten übertragen. Der Beschäftiger handelt in diesem Fall aus einer vom Überlasser abgeleiteten Rechtsposition, er handelt grundsätzlich im Namen des Überlassers. Der OGH betont, die Bindung der Arbeitskraft an Weisungen des Beschäftigers bedeute nicht, dass dadurch ein Dienstverhältnis zwischen Beschäftiger und Arbeitskraft begründet werde. Die Arbeitskraft komme auch während ihrer Tätigkeit beim Beschäftiger rechtlich nur ihren Dienstpflichten gegenüber dem Überlasser nach; die Weisungen des BeschäfVgl Heinze, Rechtsprobleme des sog. echten Leiharbeitsverhältnisses, ZfA 1976,€183. Vgl dazu Becker, Zur Abgrenzung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages gegenüber anderen Vertragstypen mit drittbezogenem Personaleinsatz, ZfA 1978, 131. 11╇
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tigers an die Arbeitskraft seien rechtlich als Weisungen des Arbeitgebers (dh als Weisungen des Überlassers) zu beurteilen. Eine vertragliche Regelung zwischen dem Beschäftiger und der Arbeitskraft besteht im Allgemeinen nicht. Ausgehend von der Arbeitgeberrolle des Überlassers trifft diesen auch die Pflicht zur Entgeltzahlung an die Arbeitskraft.13 Die bloße Delegation von Weisungsrechten an den Beschäftiger ist nach 13 §Â€1153 auch ohne Zustimmung des Arbeitnehmers zulässig. Zu beachten ist allerdings, dass der Beschäftiger mit der Ausübung der übertragenen Arbeitgeberposition regelmäßig eigene Interessen verfolgt. Dem Beschäftiger sollen für den Zeitraum der Überlassung Arbeitgeberbefugnisse zur Ausübung im eigenen Interesse und zu eigenem Zweck übertragen werden. Die Delegation kommt daher einer Abtretung durchaus nahe. Im Anwendungsbereich des AÜG ist daher vorgesehen, dass die Überlassung jedenfalls der Zustimmung der überlassenen Arbeitskraft bedarf.
III. Inhalt der Arbeitspflicht 1. Art der Arbeitsleistung 14
Welche Dienste zu leisten sind, ergibt sich in erster Linie aus der vertraglichen Vereinbarung. Die Vertragsparteien können den Inhalt der Arbeitspflicht relativ genau umschreiben, sie können sich aber auch auf eine allgemeine Umschreibung der Dienstpflicht beschränken. Trifft der Arbeitsvertrag keine ausdrücklichen Regelungen, so ist zunächst durch Auslegung zu ermitteln, welche Dienste geschuldet sind. Gem §Â€ 914 ist auf die Absicht der Arbeitsvertragsparteien sowie auf die Übung des redlichen Verkehrs abzustellen. Zudem determinieren die Berufs- und Geschäftssitte das konkrete Arbeitsverhältnis näher. Aus derartigen äußeren Umständen lassen sich im Zweifel Art und Umfang der Verpflichtung zur Leistungserbringung näher bestimmen.14 Dem für Verträge geltenden Bestimmtheitserfordernis ist entsprochen, wenn die Gattung der Dienste so weit feststeht, dass Art und Umfang unter Heranziehung der Verkehrssitte oder des Zweckes bestimmt werden können. Im Zweifel darf der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die Verpflichtung 15 alles umfasst, was ein mit den übernommenen Aufgaben Betrauter gewöhnlich zu leisten bereit ist.15 Demnach gehört zB Kochen nicht zur typischen Tätigkeit einer Bedienerin;16 die Tätigkeit eines Reisenden verpflichtet nicht zur Verrichtung von Mitfahrdiensten auf einem LKW,17 hingegen gehören zur landwirtschaftlichen Arbeit nicht nur Tätigkeiten in Stall und Feld, sondern auch in Haus, Hof und Küche einschließlich der Pflege von Kranken und Auszüglern.18 13╇
OGH 29.1.2003, 7€Ob 304/02k; 19.12.2007, 9 ObA 125/07h, SZ 2007/211. Schrammel, AngG-Komm §Â€6 Rz 2. 15╇ OGH 13.1.1987, 14 Ob 198/86, ZAS 1987, 130 (Tomandl). 16╇ OGH 4.11.1965, 4 Ob 129/65, Soz III E, 343. 17╇ OGH 22.10.1957, 4 Ob 143/57, Arb 6746. 18╇ OGH 6.4.1965, 4 Ob 40/65, Arb 8066. 14╇
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Inhalt der Arbeitspflicht
§ 1153
Der konkrete Inhalt der Arbeitspflicht kann aber nie völlig detailliert um- 16 schrieben werden, da keiner der Vertragsparteien voraussehen kann, wie sich das Unternehmen und der einzelne Arbeitnehmer entwickeln und welche konkreten Arbeitsanforderungen jeder einzelne Arbeitsvertrag stellen wird.19 §Â€ 1153 bestimmt in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitnehmer die den Umständen nach angemessenen Dienste zu leisten hat. In den Materialien zur III. Teilnovelle20 wird hervorgehoben, dass mit den „Umständen“ nicht jene gemeint sind, die für die Auslegung des Vertrages zur Zeit des Vertragsabschlusses maßgeblich waren, „sondern die nachher während der Dauer des Dienstverhältnisses jeweils sich ergebenden Umstände“. Daher dürfen dem Arbeitnehmer „bei besonderen ,Umständen‘ und je nach der Art des Dienstverhältnisses selbst andere oder Mehrleistungen gegenüber den im Vertrag ,bedungenen‘ zugemutet werden“. Der Gesetzgeber vertritt damit eine dynamische Auffassung der Arbeitspflicht, deren Inhalt nicht ein für allemal starr festliegt.21 Die den Umständen nach angemessenen Dienste können im Verlaufe eines Arbeitsverhältnisses ein verschiedenes Ausmaß haben.22 Die durch geänderte Umstände gerechtfertigte Vertragsanpassung kann 17 allerdings nie so weit gehen, dass der Vertrag letztlich einen Inhalt erhält, den die Vertragspartner zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bei Kenntnis der später eingetretenen Umstände in dieser Weise erkennbar nicht geschlossen hätten. Noch so gravierende Umstände können nicht bewirken, dass der Arbeitnehmer Leistungen schuldet, zu denen er sich unter Zugrundelegung der Verkehrsauffassung nicht verpflichtet hätte.23 Nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes muss der Arbeitnehmer auch andere als die vertraglich bedungenen Dienste verrichten.24 In einer Notsituation darf der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer auch zeitliche Mehrleistungen verlangen.25 Praktische Bedeutung hat die Elastizität der Arbeitspflicht vor allem bei 18 Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis nicht ohne weiteres gekündigt werden kann. Ergibt sich aus geänderten Verhältnissen, dass die Arbeitspflicht diesen Verhältnissen entsprechend angepasst werden muss, steht dem Arbeitgeber in der Regel die Möglichkeit offen, das Arbeitsverhältnis durch Kündigung aufzulösen, wenn die Anpassung einseitig nicht erfolgen kann und der Arbeitnehmer eine Zustimmung zur Änderung des Vertrages verweigert. Diese Alternative steht dem Arbeitgeber aber nicht offen, wenn das Arbeitsverhältnis einem besonderen Bestandschutz unterliegt. Die Judikatur vertritt die Auffassung, dass die Verwendung des Arbeitnehmers bei praktisch unkündbaren (definitiven) Arbeitsverhältnissen nicht zu eng begrenzt werden darf, weil auch der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bzw der Definitivstellung redlicherweise nicht damit rechnen darf, dass er bei einer Änderung der Um19╇
OGH 9.7.1999, 9 ObA 51/99m. 78 BlgHH, 21. Sess 212. 21╇ Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht 27 103 f. 22╇ OGH 3.4.1962, 4 Ob 24/62, Arb 7543; 12.9.1996, 8 ObA 2108/96z. 23╇ Schrammel, AngG-Komm §Â€6 Rz 23. 24╇ OGH 20.4.1994, 9 ObA 23/94, Arb 11.177; 15.10.1957, 4 Ob 49/57, Arb 6714. 25╇ OGH 27.5.1999, 8 ObA 124/99i. 20╇
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stände ein arbeitsloses Einkommen beziehen werde.26 Die Dispositionsmöglichkeiten des Arbeitgebers im Hinblick auf den Einsatz des Arbeitnehmers gehen daher bei unkündbaren Arbeitsverhältnissen weiter als bei Fehlen eines entsprechenden Kündigungsschutzes. Aber auch bei Unkündbarkeit gibt es Grenzen in der Zumutbarkeit der neuen Beschäftigung, die nicht unbedingt in unmittelbarer Nähe der Gleichwertigkeit liegen müssen. Unzulässig ist zB die Zuweisung manueller Arbeiten, wenn der Arbeitnehmer zuvor eine koordinierende und kontrollierende Tätigkeit ausgeübt hat.27 2. Weisungsrecht 19
Der Dienstvertrag umschreibt die Gattung der Arbeit und steckt daher den Rahmen der vom Arbeitnehmer nach Bedarf auszuführenden Tätigkeiten ab. Innerhalb des durch den Dienstvertrag vorgegebenen Rahmens wird die Arbeitspflicht durch das Direktions- oder Weisungsrecht des Dienstgebers konkretisiert. Eine Anordnung ist dann als gerechtfertigt anzusehen, wenn sie sich innerhalb der durch den Dienstvertrag und den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten gezogenen Grenzen hält und sich auf die nähere Bestimmung der konkreten Arbeitspflicht oder auf das Verhalten des Dienstnehmers im Betrieb erstreckt.28 Fraglich ist, ob und inwieweit der Arbeitnehmer die Befolgung von Wei20 sungen ablehnen kann, die seinen religiösen Überzeugungen widersprechen oder ihn sonst in einen Gewissenskonflikt bringen. Bei Abschluss des Arbeitsvertrages ist meist nicht absehbar, ob die Einforderung bestimmter Dienstleistungen mit religiösen Überzeugungen oder anderen Werthaltungen des Arbeitnehmers in Konflikt geraten wird. Zu beachten ist allerdings, dass – wie bei der Anbahnung sonstiger Vertragsverhältnisse – den Beteiligten auch bei Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss eines Arbeitsvertrages Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten obliegen,29 die je nach dem in Aussicht genommenen Arbeitsvertragsinhalt und unter Berücksichtigung der Interessenlage der Verhandlungspartner von unterschiedlicher Intensität bzw Qualität sind.30 Im Rahmen seiner Aufklärungspflicht hat der Bewerber den Arbeitgeber unaufgefordert von Umständen zu informieren, die seiner Verwendung auf dem in Aussicht genommenen Arbeitsplatz entgegen stehen. Vice versa hat der Arbeitgeber den Bewerber von besonderen Umständen, die für diesen wichtig sind, zu informieren. Wenn dem Bewerber mitgeteilt wird, dass am Samstag 26╇
OGH 16.11.1994, 9 ObA 213/94, Arb 11.273. Der Arbeitnehmer wurde als „Städtischer Verwalter“ aufgenommen. Er hatte Tätigkeiten im Bereich der Weinwirtschaft, Friedhofsverwaltung, des Marktwesens, Straßenwesens und Parkwesens zu verrichten. Der Arbeitnehmer war im Wesentlichen mit der Anordnung und Beaufsichtigung der ihm übertragenen Arbeiten befasst, die von ihm unterstellten Arbeitern ausgeführt wurden. In der Folge sollte der Arbeitnehmer als Schulwart vorwiegend Reinigungs- und Aufräumarbeiten verrichten. OGH 16.11.1994, 9 ObA 213/94, Arb 11.273. 28╇ OGH 11.5.2010, 9 ObA 76/09h. 29╇ Vgl allgemein Gschnitzer, in Klang2 IV/1, 173 ff; ders, SchRAT, 6 ff; teilweise ablehnend Reischauer, in Rummel3 I Vor §§Â€918 ff Rz 14 f. 30╇ Brodil, Das arbeitsvertragliche Anbahnungsverhältnis (1993) 49 ff. 27╇
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Inhalt der Arbeitspflicht
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gearbeitet werden muss, hat der Bewerber von sich aus auf religiös bedingte Arbeitsverbote hinzuweisen. Mögliche Gewissenskonflikte oder religiös bedingte Beeinträchtigungen der Arbeitspflicht sind daher bei der Vertragsanbahnung auszuloten. Der Arbeitgeber hat Gewissenskonflikte seiner Arbeitnehmer zu respektie- 21 ren, wenn sie bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht vorhersehbar waren. Die Judikatur hat daher etwa das Sprechen des Erlösungsgebetes am Grab des in Israel verstorbenen und dort begrabenen Vaters31 oder die Teilnahme an der Seelenmesse für einen nahen Angehörigen32 als eine gegenüber der Vertragstreue höherwertige Pflicht erachtet und eine Abwesenheit vom Dienst als gerechtfertigt angesehen, weil dieser Konflikt nicht vorhersehbar gewesen ist. Vorhersehbare Leistungsstörungen lassen die vertragliche Leistungspflicht grundsätzlich unberührt und berechtigen nicht zur Anpassung des Vertrages.33 Muss der Arbeitnehmer schon bei Eingehen der vertraglichen Bindung damit rechnen, dass sich die Erfüllung des Vertrages mit seinem religiösen Weltbild nicht vertragen wird, kann er sich später nicht auf die Konfliktsituation berufen. Insoweit ist der Judikatur zuzustimmen, wenn sie die Befreiung von der Arbeitspflicht auf unvorhergesehene Ereignisse beschränkt.34 3. Quantität und Qualität der Dienste Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber im Rahmen der getroffenen Ver- 22 einbarungen seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitnehmer hat sich sorgfältig zu bemühen, die vereinbarten Aufgaben richtig auszuführen.35 Die Leistung der Dienste durch den Arbeitnehmer ist dazu bestimmt, ein fremdes Bedürfnis zu befriedigen; die Leistung muss auf die vom Arbeitgeber vorgegebenen Ziele ausgerichtet sein. Das tatsächliche Erreichen der vom Arbeitgeber vorgegebenen Ziele wird vom Arbeitnehmer in der Regel aber nicht geschuldet. Ein durch den Einsatz der Arbeitskraft bewirkter Erfolg oder Nichterfolg ist lediglich ein Indiz für ein sorgfältiges oder nicht sorgfältiges Bemühen. So schuldet zB ein angestellter Arzt nur eine sorgfältige Heilbehandlung, 23 nicht aber den Heilerfolg. Auf der anderen Seite lässt auch der Eintritt eines bestimmten Erfolges noch nicht auf ein sorgfältiges Bemühen schließen. Wer Schweißarbeiten zwar erfolgreich, aber unter Missachtung eines Rauchverbotes durchführt, erfüllt seine Pflicht nicht mit der gebotenen Sorgfalt.36 Der Arbeitnehmer hat die geschuldete Arbeit durch gehörigen Einsatz sei- 24 ner körperlichen und geistigen Kräfte fachgerecht zu leisten.37 Da der Arbeit31╇
OGH 25.4.1996, 8 ObA 2058/96x. Vgl Holzer, AngG-Komm §Â€8 Rz 44. 33╇ Ausführlich Schrammel, Innere Medienfreiheit und Arbeitsrecht, in Aicher/Holoubek (Hrsg), Das Recht der Medienunternehmen (1998) 65 ff. 34╇ Vgl dazu Schrammel, Diskriminierungsverbot, Privatautonomie und Religionsfreiheit, öarr 2008, 219. 35╇ Spielbüchler/Grillberger, Arbeitsrecht I4 66. 36╇ Schrammel, AngG-Komm §Â€6 Rz 52. 37╇ Beuthien, Lohnminderung bei Schlechtarbeit oder Arbeitsunlust?, ZfA 1972, 73. 32╇
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nehmer seine Dienste „in Person“ zu leisten hat, muss der Maßstab für den Umfang seiner Arbeitspflicht individuell, dh auf die Person des einzelnen Arbeitnehmers, bezogen werden.38 Der qualitative und quantitative Umfang der Leistungspflicht des Arbeitnehmers bestimmt sich daher nicht nach einem vorgegebenen Soll.39 Der OGH hat es daher zu Recht abgelehnt, dem Arbeitnehmer eine bestimmte gleich bleibende Tagespflichtleistung vorzuschreiben.40 Der Arbeitnehmer hat – in quantitativer Hinsicht – die vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten aber immer so einzusetzen, wie dies ohne Schädigung der Gesundheit möglich ist.41 Entspricht die geforderte Sollleistung dem individuellen Leistungsvermögen, hat sie der Arbeitnehmer auch zu erbringen. Er darf dieses Begehren nur dann ablehnen, wenn die Leistung über seinem individuellen Leistungsvermögen liegt und daher auf Kosten seiner Gesundheit erfolgen würde. Der Arbeitgeber darf daher nicht mit einer während des gesamten Arbeits25 verhältnisses gleich bleibenden Leistung rechnen. Das individuelle Leistungsvermögen kann sich im Laufe der Zeit verändern. Es liegt auf der Hand, dass von einem jugendlichen Arbeiter höhere körperliche „Qualitäten“ (zB Tragen schwerer Lasten) erwartet werden können als von einem älteren Arbeiter. Der Arbeitnehmer unterliegt bei seiner Arbeit den Weisungen des Arbeit26 gebers. Es ist Sache des Arbeitgebers, die tatsächlichen Arbeitsleistungen abzurufen. Der Arbeitgeber hat zu Beginn des Arbeitsverhältnisses den „Arbeitserfolg“ festzulegen, der durch den Einsatz des Arbeitnehmers bewirkt werden soll. Die „kritiklose“ Entgegennahme von Diensten durch den Arbeitgeber im Rahmen des „Versprochenen“ indiziert daher eine „rechtliche“ Kongruenz von tatsächlicher Leistungserbringung und individuellem Leistungsvermögen. Der Arbeitnehmer schuldet daher von sich aus nicht ein täglich wechselndes subjektives Leistungsmaximum. Es ist vielmehr Sache des Arbeitgebers, ein „Mehr“ an Leistung zu verlangen. Kann der Arbeitnehmer dieses Mehr nach seinen individuellen Fähigkeiten erbringen, dann ist er dazu auch verpflichtet.42 Der Arbeitgeber hat das Risiko schwankender Arbeitsleistungen allerdings 27 nur insoweit zu tragen, als das individuelle Leistungsvermögen mit der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung und den versprochenen Diensten übereinstimmt.43 Wenn sich die tatsächliche Leistung des Arbeitnehmers so verändert hat, dass sie für den Arbeitgeber wertlos wird, ist der Arbeitgeber auch nicht mehr verpflichtet, die Minderleistung als Erfüllung der versprochenen Dienste hinzunehmen. Die Untergrenze der „versprochenen Dienste“ wird bei Fehlen gegenteiliger Vereinbarungen durch die Verkehrssitte und zunächst nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestimmt. Wird der Arbeitnehmer unfähig, die „versprochenen Dienste“ zu erbringen, so kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beenden. So wie der 38╇
OGH 10.1.1984, 4 Ob 164/83, DRdA 1985, 389 (Csebrenyak). OGH 19.6.1991, 9 ObA 77/91, DRdA 1992, 49. 40╇ OGH 10.1.1984, 4 Ob 164/83, DRdA 1985, 389. 41╇ OGH 15.7.1986, 14 Ob 117, 118/86, ZAS 1988, 124 (Schnorr). 42╇ Schrammel, AngG-Komm §Â€6 Rz 57. 43╇ Schrammel, „Gewährleistung“ für schlechte Dienste?, FS Welser (2004) 985. 39╇
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Recht auf Beschäftigung
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Arbeitgeber kann auch der Arbeitnehmer bei eingetretener Arbeitsunfähigkeit das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beenden. Die dauerhafte Unmöglichkeit der Leistungserbringung, also das Absinken der individuellen Leistungsfähigkeit unter die versprochenen Dienste, berechtigt daher beide Parteien zur Auflösung der – sinnlos gewordenen – Rechtsbeziehung.44 Wenn dem Arbeitnehmer die Erbringung der versprochenen Dienste zwar 28 möglich ist, die tatsächliche Leistungserbringung aber unter das Versprochene absinkt, liegt eine Vertragsverletzung vor, für die der Arbeitnehmer „einzustehen“ hat, wenn sie ihm vorwerfbar ist. Beharrliche Pflichtverletzungen berechtigen den Arbeitgeber zur sofortigen Beendigung der Rechtsbeziehung. Ein Entgeltrückbehaltungsrecht steht dem Arbeitgeber nach hA bei nicht ordnungsgemäßer Erbringung der Arbeitsleistung allerdings nicht zu.45
IV. Recht auf Beschäftigung Der Arbeitnehmer hat die vertraglich umschriebenen Dienste anzubieten, 29 der Arbeitgeber ist aber grundsätzlich nicht verpflichtet, von den angebotenen Diensten Gebrauch zu machen. Der Gesetzgeber hat nur in Einzelfällen ein Recht auf tatsächliche Beschäftigung statuiert.46 Nach Meinung der Judikatur kann sich ein derartiger Anspruch allerdings auch konkludent aus der Natur des abgeschlossenen Vertrages ergeben. Ist zB vereinbart, dass die Höhe des zustehenden Entgelts vom Ausmaß der zugewiesenen Arbeit abhängt, darf der Arbeitgeber das Zuweisen von Arbeit nicht behindern.47 Die Judikatur hat viele Jahre lang einen darüber hinaus gehenden Anspruch 30 des Arbeitnehmers auf tatsächliche Beschäftigung verneint und dem Arbeitnehmer im Fall der Nichtbeschäftigung lediglich den Anspruch auf das Entgelt zugestanden.48 Die neuere Judikatur bejaht eine Beschäftigungspflicht, wenn mit der Nichtbeschäftigung zwangsläufig ein Qualitätsverlust verbunden ist.49 Der OGH hatte im Falle eines Chirurgen gemeint, dieser gehöre zu einer Gruppe von Arbeitnehmern, bei denen das Brachliegen ihrer Fähigkeiten zwangsläufig zu einer Minderung des chirurgisch-handwerklichen Niveaus führt. Insofern ergebe sich ein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung schon aus der Natur des Arbeitsvertrages. Der OGH hat dementsprechend eine Suspendierung grundsätzlich als diskriminierenden Eingriff in die renommierte Position des Arbeitnehmers gewertet; ein derartiger Eingriff sei nur bei gewichtigen Gründen zulässig, die eine Weiterbeschäftigung während der Kündigungsfrist objektiv unzumutbar machen. Ähnlich argumentierte der OGH im Falle des drohenden Verlustes einer Flugberechtigung.50 Wenn der OGH zur Begründung der Beschäftigungspflicht auf die „Natur der Sache“ rekurriert, so bedeutet dies ganz offenkundig, dass sich der Anspruch auf Beschäftigung 44╇
Vgl §Â€1162 Rz 40 ff. Vgl Schrammel, AngG-Komm §Â€6 Rz 62 ff. 46╇ §Â€18 BAG; §Â€18 TAG. 47╇ Vgl schon OGH 18.11.1932, 1 Ob 999/32, Arb 4220. 48╇ OGH 24.2.1993, 9 ObA 19/93, wbl 1993, 223; vgl dazu auch §Â€1155. 49╇ OGH 13.11.1996, 9 ObA 2263/96a, DRdA 1997, 207 (Resch). 50╇ OGH 15.1.1997, 9 ObA 2247/96y, DRdA 1997, 227. 45╇
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konkludent aus dem Vertrag ergibt. Der OGH hat daher mit seiner neueren Judikatur die ursprüngliche Rechtsprechung neu belebt. Die Gefährdung des beruflichen Fortkommens des Arbeitnehmers kann für 31 sich allein die Beschäftigungspflicht allerdings noch nicht begründen. Zu beachten sind auch die Interessen des Arbeitgebers, der den Arbeitnehmer nicht beschäftigt. Der drohende Verlust einer Fluglizenz kann den Arbeitgeber nicht zur Beschäftigung verpflichten, wenn es keine Fluggäste gibt, die befördert werden können. Bei ärztlichen Betätigungen hat der OGH zu Recht darauf hingewiesen, dass auf den Schutz höherwertiger Rechtsgüter, wie Gesundheit und Leben von Patienten, Bedacht genommen werden muss.51 Ein Recht auf Beschäftigung kann daher immer nur dann angenommen werden, wenn dem Arbeitgeber die tatsächliche Beschäftigung zumutbar ist. Eine Vertragsauslegung, die dem Arbeitnehmer zur Sicherung seiner beruflichen Qualifikation ein Recht auf Beschäftigung auch dann gewährt, wenn die Arbeitsleistung für den Arbeitgeber nutzlos ist, würde nicht der Übung des redlichen Verkehrs entsprechen.
V. Arbeitsort 1. Bestimmung des Arbeitsortes 32
Die Frage, an welchen Orten der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen muss, ergibt sich in erster Linie aus den vom Arbeitnehmer versprochenen Diensten und damit insoweit aus dem Vertrag. Wer sich als Feuerwehrmann verpflichtet hat, muss seine Leistung überall dort anbieten, wo die Feuerwehr Einsätze zu erbringen hat;52 Fernfahrer im internationalen Verkehr haben ihre Tätigkeit in jenen Ländern zu erbringen, die zum „Geschäftsbereich“ des Arbeitgebers gehören. Dieser Geschäftsbereich ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln.53 War der Arbeitgeber bei Abschluss des Vertrages nur in europäischen Ländern tätig, darf der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass auch sein Einsatzgebiet auf Europa beschränkt ist. Fahrten in den arabischen Raum oder in den Iran sind dann vom Arbeitsvertrag nicht umfasst. Die Parteien des Arbeitsvertrages können den Arbeitsort im Vertrag auch 33 näher umschreiben. Dies wird vor allem dann sinnvoll sein, wenn sich „aus den Umständen“ ein bestimmter Arbeitsort nicht zwingend ergibt. Ist im Vertrag kein bestimmter Arbeitsort vereinbart, wird der ständige Arbeitsort in aller Regel mit dem Standort des Betriebes ident sein, für den der Arbeitnehmer aufgenommen wurde.54 Die Judikatur weist allerdings zu Recht darauf hin, dass die Lage des Be34 triebes zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses spätere Änderungen des Arbeitsortes nicht ausschließt. Der Arbeitnehmer darf nicht damit rechnen, dass der Standort des Betriebes für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses gleich bleibt. Dem Arbeitnehmer muss klar sein, dass zB behördliche Auflagen 51╇
OGH 21.5.2003, 9 ObA 51/03w. OGH 7.2.1961, 4 Ob 1/61, Arb 7327. 53╇ Vgl OGH 23.2.1994, 9 ObA 24/94, SZ 67/33. 54╇ Schrammel, AngG-Komm §Â€6 Rz 85. 52╇
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Arbeitsort
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zu Standortverlagerungen zwingen. Auch bei einer ausdrücklichen Vereinbarung eines bestimmten Arbeitsortes muss der Arbeitnehmer daher eine Änderung des Arbeitsortes hinnehmen, wenn der bisherige Arbeitsort auf Dauer geschlossen wird.55 Redliche und vernünftige Vertragsparteien hätten für diesen Fall eine Folgepflicht im zumutbaren Rahmen vereinbart.56 Änderungen des Arbeitsortes sind nur zulässig, wenn das Erreichen des 35 neuen Arbeitsortes für den Arbeitnehmer keine unzumutbare Belastung darstellt.57 Die Judikatur berücksichtigt dabei ua die Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsort vor und nach der Betriebsverlegung, die Fahrzeit vor und nach der Betriebsverlegung, die Fahrtkosten vor und nach der Betriebsverlegung, das Verhältnis der Fahrzeit zur durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit und eine etwaige Abgeltung der Mehraufwendungen durch den Arbeitgeber.58 Eine Anreisezeit von zweimal je fünfzehn Minuten pro Tag liegt nach Meinung des OGH bei Zurverfügungstellung eines Dienstfahrzeuges im untersten Bereich aller auf dem Arbeitsmarkt auftretenden Anreisezeiten, die auch bei Teilzeitarbeit die Zumutbarkeit der Folgepflicht begründet. Es sei nämlich keine strenge Relation zwischen Arbeitszeit und Anreisezeit herzustellen, sondern zu berücksichtigen, ob bei der vereinbarten Arbeitszeit die verbleibende restliche Zeit durch die geänderte Anreisezeit unzumutbar betroffen wird.59 Die Verlängerung des täglichen Arbeitsweges um insgesamt eine Stunde wurde hingegen in Relation zur täglichen Arbeitszeit von acht Stunden grundsätzlich als unzumutbar angesehen.60 Keine Folgepflicht besteht, wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung der Arbeit am neuen Betriebsstandort nicht mehr in seine Wohnung zurückkehren könnte. 2. „Gewöhnlicher“ Arbeitsort a) Beginn der Arbeitsleistung Wird die Leistung regelmäßig an einem bestimmten Ort eingefordert, so 36 kann dieser Ort als „gewöhnlicher“ Arbeitsort bezeichnet werden,61 auch wenn die vertragliche Verpflichtung zur Dienstleistung auch andere Orte als Arbeitsorte umfasst. Die Qualifikation eines Arbeitsortes als „gewöhnlicher“ Arbeitsort zieht unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich. Der gewöhnliche Arbeitsort ist zunächst jene Örtlichkeit, an der sich der 37 Arbeitnehmer regelmäßig zur Aufnahme der Arbeit einzufinden hat.62 Die Arbeitszeit beginnt grundsätzlich am gewöhnlichen Arbeitsort; Wege von der Wohnung des Arbeitnehmers zum gewöhnlichen Arbeitsort zählen nicht zur Arbeitszeit. Sie liegen vor Arbeitsbeginn oder nach Arbeitsende und stellen 55╇
OGH 9.7.1999, 9 ObA 51/99m, ZAS 2001, 78. Korn, ZAS 2001, 79 f. 57╇ OGH 14.9.1994, 9 ObA 133/94, ZAS 1995, 131 (Vogt); 14.6.2000, 9 ObA 48/00z. 58╇ Vgl Mayr, DRdA 1997, 47 f. 59╇ OGH 11.6.1997, 9 ObA 121/97b. 60╇ OGH 22.11.1995, 8 ObA 2018/96i, DRdA 1997, 9. 61╇ Schrammel, AngG-Komm §Â€6 Rz 83. 62╇ OGH 17.3.2004, 9 ObA 109/03z. 56╇
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keine unmittelbare Erfüllung des Arbeitsvertrags dar, sondern dienen nur dazu, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seine arbeitsvertraglich geschuldeten Pflichten zu erfüllen.63 Der gewöhnliche Arbeitsort kann dabei durchaus weit gefasst sein. So hat etwa die Judikatur das gesamte Liniennetz eines städtischen Verkehrsunternehmens als gewöhnlichen Arbeitsort eines Busfahrers gewertet. Die (Wiederâ•‚)Aufnahme der Arbeit an einem bestimmten Abfahrtsort nach Beendigung der Arbeit an einem anderen Ort ist daher keine „Dienstreise“, sondern eine dem privaten Bereich zuzurechnende Wegzeit, auch wenn sie zwischen geteilten Diensten anfällt.64 Anders wäre die Situation, wenn der Arbeitnehmer über Auftrag des Ar38 beitgebers vorübergehend seinen Dienstort (seine Arbeitsstätte) verlässt, um an anderen Orten seine Arbeitsleistung zu erbringen. Die dafür aufgewendete Zeit ist grundsätzlich nicht mehr dem privaten Bereich zuzuordnen.65 b) Gewöhnlicher Arbeitsort bei grenzüberschreitender Tätigkeit 39
Der gewöhnliche Arbeitsort hat aber auch Bedeutung für das auf den Arbeitsvertrag anwendbare Recht und für die Zuständigkeit der Gerichte zur Entscheidung arbeitsrechtlicher Streitigkeiten. Gemäß Art€19 Nr€1 EuGVVO66 kann ein Arbeitgeber, der seinen Wohnsitz 40 im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz hat, „verklagt“ werden. Gemäß Art€19 Nr€2 EuGVVO kann der Arbeitgeber in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet hat oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat (lit a), oder wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet oder verrichtet hat, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat (lit€b). Art 19 Nr 1 EuGVVO eröffnet somit dem Arbeitnehmer neben der Klagemöglichkeit am allgemeinen Gerichtsstand des Arbeitgebers einen besonderen Vertragsgerichtsstand.67 Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Begriff des gewöhnlichen Arbeitsortes autonom auszulegen.68 Wird die Arbeit in mehreren Mitgliedstaaten verrichtet, so ist gewöhnlicher Arbeitsort jener Ort, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber hauptsächlich erfüllt, oder jener Ort, an dem der Arbeitnehmer den größten Teil seiner Arbeit verrichtet.69
295.
63╇ 64╇
OGH 15.12.2009, 9 ObA 6/09m; Mazal, Wegezeiten in der Bauwirtschaft, FS Cerny (2001)
OGH 15.12.2009, 9 ObA 6/09m. Vgl OGH 22.10.2009, 8 ObA 60/09w, wbl 2010, 146. Über die entgeltrechtlichen Folgen ist damit noch nichts ausgesagt; vgl dazu §Â€1152 Rz 6. 66╇ VO (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl 2001, L 12, S 1. 67╇ OGH 4.8.2009, 9 ObA 52/08z, DRdA 2010, 446 (Kozak). 68╇ EuGH 13.7.1993, C-125/92 (Mulox), Slg 1993, I-4075. 69╇ EuGH 27.2.2002, C-37/00 (Weber), Slg€2002, 65╇
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Diese Umschreibung des gewöhnlichen Arbeitsortes hat nach der Recht- 41 sprechung des EuGH auch für die Bestimmung des anwendbaren Rechts bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten Bedeutung. Nach Art 8 der so genannten „Rom I-Verordnung“70 unterliegen Individualarbeitsverträge grundsätzlich dem von den Parteien gewählten Recht. Soweit das auf den Arbeitsvertrag anwendbare Recht nicht durch Rechtswahl bestimmt ist, unterliegt der Arbeitsvertrag dem Recht des Staates, in dem oder andernfalls von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Wird die Arbeit in mehreren Mitgliedstaaten verrichtet, ist jener Ort als gewöhnlicher Arbeitsort anzusehen, von dem aus der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung sämtlicher Gesichtspunkte, die seine Tätigkeit kennzeichnen, seine Verpflichtungen im Wesentlichen erfüllt. Bei Transporttätigkeiten ist etwa zu berücksichtigen, von welchem Ort die Transportfahrten durchgeführt werden, wo der Arbeitnehmer Anweisungen für seine Fahrten erhält und an welche Orte die Waren transportiert werden.71
VI. Arbeitszeit 1. Begriff der Arbeitszeit Der Arbeitnehmer schuldet grundsätzlich eine auf Zeit bezogene Zurverfü- 42 gungstellung seiner Dienste. Unter „Arbeitszeit“ ist in diesem Zusammenhang jeder Zeitraum zu verstehen, in dem der Angestellte dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen hat. Der Arbeitszeitbegriff ist daher sehr weit gefasst. Die Verpflichtung, zu bestimmten Zeiten an einem näher festgelegten Ort zu verweilen oder sich in einem arbeitsfähigen Zustand zu erhalten, gehört ebenso zur Arbeitszeit wie die Durchführung einer Reise und das Verweilen am Bestimmungsort.72 Nicht zur Arbeitszeit gehören jene Zeiträume, in denen der Arbeitnehmer völlig frei über seinen Aufenthaltsort und sein Verhalten entscheiden kann. Die Intensität der Inanspruchnahme des Arbeitnehmers kann sehr unter- 43 schiedlich sein. Typologisch kann zwischen „Kernarbeit“ (Arbeitszeit im engeren Sinn) und „Arbeiten geringerer Intensität“ unterschieden werden.73 Diese Unterscheidung ist vor allem für die entgeltrechtliche Behandlung der Arbeitszeit relevant, sie hat aber auch im Arbeitnehmerschutzrecht Bedeutung. Kernarbeit leistet der Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber von der ihm eingeräumten Verfügungsmacht über die Zeit des Arbeitnehmers vollen Gebrauch macht, indem er vom Arbeitnehmer den ununterbrochenen Einsatz seiner körperlichen und geistigen Kräfte zur Lösung bestimmter Aufgaben verlangt. Unter Arbeitsbereitschaft werden üblicherweise Zeiten verstanden, während derer sich der Arbeitnehmer vereinbarungsgemäß an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten hat und jederzeit gewärtig sein muss, die Ar70╇ VO (EG) Nr 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl L 177, S 6. 71╇ EuGH 15.3.2011, Koelzsch, C-29/10. 72╇ Schrammel, AngG-Komm §Â€6 Rz 74. 73╇ Vgl dazu Schrammel, AngG-Komm §Â€6 Rz 75.
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beitsleistung aufzunehmen. Es muss sich allerdings um Zeiten handeln, bei denen erfahrungsgemäß häufig mit der Arbeitsaufnahme zu rechnen ist.74 Als Rufbereitschaft werden jene Fälle bezeichnet, in denen sich der Arbeitnehmer seinen jeweiligen Aufenthaltsort selbst wählen darf, an diesem aber erreichbar sein muss, damit ihn der Arbeitgeber von dort jederzeit zur Arbeitsleistung abrufen kann.75 2. Bestimmung der Arbeitszeit 44
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Der zeitliche Umfang der privatrechtlichen Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung wird wie die übrigen Arbeitsbedingungen grundsätzlich durch den Arbeitsvertrag bestimmt. Der Arbeitsvertrag kann sowohl ein bestimmtes zeitliches Ausmaß der Arbeitspflicht als auch die Dauer und Lage der Arbeitszeit festlegen. Der Arbeitsvertrag hat insbesondere zu bestimmen, ob der Arbeitnehmer „Vollzeitarbeit“ oder „Teilzeitarbeit“ zu leisten hat. Der Vereinbarung von Teilzeit stehen grundsätzlich keine Schranken entgegen.76 Der Kollektivvertrag kann nur das Höchstausmaß der Arbeitsverpflichtung mit normativer Wirkung festlegen. Die Regelungsmacht des Kollektivvertrages umfasst nicht die arbeitszeitliche Bindung des einzelnen Arbeitnehmers gegen seinen Willen. Eine Mindestarbeitsverpflichtung in Form eines Verbots der Teilzeitarbeit kann nicht zulässiger Inhalt eines Kollektivvertrages sein.77 Die Betriebsvereinbarung ist ermächtigt, die Verteilung der Arbeitszeit zu regeln. Das Ausmaß der Arbeitspflicht kann nur vorübergehend verkürzt oder verlängert werden. Die dauerhafte Regelung des Arbeitsausmaßes ist der Betriebsvereinbarung verwehrt. Bei Vollzeitbeschäftigten steht das Arbeitsausmaß im Ergebnis immer fest. Das geltende Recht schreibt den Parteien zwar nicht vor, was als „Vollzeitarbeit“ zu gelten hat; die Parteien können daher die „Vollzeitarbeit“ autonom definieren und zB vorsehen, dass 35 Stunden pro Woche als Vollbeschäftigung gilt. Auch die Kollektivvertragsparteien haben die Kompetenz, den Begriff „Vollzeitarbeit“ (zB 38 Stunden pro Woche) zu umschreiben. Fehlt eine Definition durch Einzelvertrag oder Kollektivvertrag, dann ist im Zweifel anzunehmen, dass die Parteien das gesetzlich zulässige Höchstausmaß an Arbeit (pro Woche) als „Vollarbeit“ vereinbart haben. Letztlich bestimmt also das AZG, welches Arbeitsausmaß der Arbeitnehmer zu leisten hat.78 Bei Arbeitsverhältnissen, für die eine Jahresarbeitszeit festgelegt ist (zB fliegendes Personal), muss das zeitliche Ausmaß der Arbeitszeit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers entsprechend so begrenzt werden, dass gesundheitÂ� 74╇
OGH 15.7.1986, 14 Ob 114/86, Arb 10.543. OGH 21.6.1966, 4 Ob 104/70, Arb 8856. 76╇ Ein Verbot der Teilzeitarbeit ist für das Lehrverhältnis anerkannt. 77╇ OGH 2.7.1957, 4 Ob 76/57, Arb 6684; vgl dazu allgemein Schrammel, Arbeitsrechtliche Probleme in verfassungsrechtlicher Sicht, in Tomandl (Hrsg), Arbeitsrecht in einer sich wandelnden Rechtsordnung (1993) 81 (90). Kritisch auch Resch, Rechtsfragen der Teilzeitbeschäftigung unter besonderer Berücksichtigung des ArbBG und des EWR, DRdA 1993, 97. 78╇ Vgl dazu Spielbüchler, Arbeitsrecht I4 171. 75╇
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liche Gefahren und Schäden für den einzelnen Arbeitnehmer verhindert werden.79 3. Teilzeitarbeit Teilzeitarbeit liegt nach §Â€19d AZG vor, wenn die vereinbarte Wochenarbeitszeit die gesetzliche Normalarbeitszeit oder eine durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung festgelegte kürzere Normalarbeitszeit im Durchschnitt unterschreitet. Teilzeitarbeit wird daher im AZG „vertragsrechtlich“ umschrieben. Die vereinbarte Arbeitszeit wird zur gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit in Beziehung gesetzt. Existiert ein Kollektivvertrag, so ist zu fragen, ob der zu prüfende Arbeitsvertrag in den Geltungsbereich des Kollektivvertrages fällt. Unterliegt das Arbeitsverhältnis dem Kollektivvertrag, ist die vereinbarte Arbeitszeit an der kollektivvertraglichen Arbeitszeit zu messen. Eine wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden ist daher als Teilzeitarbeit zu werten, wenn der anzuwendende Kollektivvertrag eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden vorsieht; Teilzeitarbeit liegt selbst dann vor, wenn alle Arbeitnehmer des Betriebes eine geringere als die kollektivvertragliche Arbeitszeit zu leisten haben. Vollarbeit würde nur dann geleistet werden, wenn der Kollektivvertrag eine wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden vorsieht. §Â€19d Abs€2 AZG bestimmt, dass das Ausmaß der Teilzeitarbeit zu vereinbaren ist. Diese Bestimmung drückt zunächst nur Selbstverständliches aus. Wenn bei Fehlen einer Vereinbarung im Zweifel Vollarbeit als vereinbart gilt, muss Teilzeitarbeit vertraglich bestimmt werden. Eine ausdrückliche Vereinbarung des Arbeitsausmaßes ist nicht erforderlich, das Gesetz lässt auch offen, wie konkret eine derartige Vereinbarung sein muss, damit sie den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Da für die Vereinbarung des Arbeitsausmaßes keine bestimmte Form gefordert ist, kann die geforderte Vereinbarung auch konkludent getroffen werden.80 Ob eine zumindest konkludente Vereinbarung über das Ausmaß der Teilzeitarbeit vorliegt, ist nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§Â€914) zu ermitteln. Dabei ist auf die Absicht der Arbeitsvertragsparteien sowie auf die Übung des redlichen Verkehrs abzustellen. Wenn etwa zu Beginn des Arbeitsverhältnisses eine Beschäftigung im Ausmaß von zwei bis drei Tagen pro Woche in Aussicht gestellt wurde und dieses Beschäftigungsausmaß dann auch tatsächlich geleistet wird, kann man wohl auf den Willen der Vertragsparteien schließen, dass dieses Arbeitsausmaß als vereinbart gilt.81 Denkbar ist auch, dass die Arbeitsvertragsparteien bei Abschluss des Vertrages zwar kein konkretes Arbeitsausmaß vereinbaren, wohl aber auf Gepflogenheiten in der betreffenden Abteilung hingewiesen haben. Der Umfang der geschuldeten Dienstleistungen kann aber auch auf Grund einer längeren Übung ermittelt werden. Wenn die Parteien bei Abschluss des Vertrages eine Teilzeitbeschäftigung vereinbaren wollten, ohne freilich das Ar79╇
OGH 25.11.1998, 9 ObA 249/98b; vgl auch §Â€18e Abs€2 AZG. Mosler, Arbeitsrechtliche Probleme der Teilzeitbeschäftigung, DRdA 1999, 338 ff. 81╇ So auch Klein, Möglichkeiten und Grenzen flexibler Teilzeitarbeit, FS Cerny 219 ff. 80╇
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beitsausmaß zu „umreißen“, und in der Folge ein regelmäßiges Arbeitsmaß zu beobachten ist, spricht nichts dagegen, in der regelmäßig geleisteten Arbeit auch die vereinbarte Arbeit zu erblicken. Dass die regelmäßig geleistete Arbeit den Inhalt des Teilzeitarbeitsverhältnisses konkretisieren kann, wird durch §Â€19d Abs€6 AZG belegt. Nach dieser Bestimmung dürfen teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern nicht benachteiligt werden, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Freiwillige Sozialleistungen sind zumindest in jenem Verhältnis zu gewähren, das dem Verhältnis der regelmäßig geleisteten Arbeitszeit zur gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit entspricht. Die Höhe freiwilliger Sozialleistungen hängt insoweit auf Grund einer ex-post-Betrachtung vom faktischen Vollzug des Arbeitsverhältnisses ab. Die geforderte „Regelmäßigkeit“ der Arbeitsleistung bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, dass immer ein gleiches Ausmaß an Arbeit erbracht wurde. Entscheidend kann hier nur eine Durchschnittsbetrachtung sein. Bei einer entsprechenden „Dichte“ der Arbeitsleistung im Sinne einer durchgehenden, regelmäßigen Inanspruchnahme der Arbeitskraft kann angenommen werden, dass die durchschnittliche Stundenzahl als vereinbartes Arbeitsausmaß gilt.82 Als Durchrechnungszeitraum ist dabei grundsätzlich ein Jahreszeitraum anzunehmen. Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass bei Fehlen einer aus53 drücklichen Vereinbarung über das Arbeitsausmaß zwei Prüfungsschritte zu setzen sind: ╇ 1) Zunächst ist zu fragen, ob sich aus den Umständen bei Vertragsabschluss ein bestimmtes Arbeitsausmaß ermitteln lässt. Liegen Anhaltspunkte für eine Unter- und Obergrenze der Arbeit vor, kann aus der tatsächlichen Gestaltung in einem relativ kurzen Zeitraum ein konkretes Arbeitsausmaß erschlossen werden. ╇ 2) Kann aus den Umständen bei Vertragsabschluss noch nicht auf ein konkretes Arbeitsausmaß geschlossen werden, so ist zu fragen, ob nicht aus der faktischen Gestaltung der Rechtsbeziehung auf eine konkrete Arbeitszeitvereinbarung geschlossen werden kann. Haben die Parteien in einem Beobachtungszeitraum kontinuierlich Arbeitsleistungen erbracht und entgegengenommen, ist anzunehmen, dass die durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden als vereinbarte Arbeitszeit iSd §Â€19d AZG zu gelten haben. 4. Rechtsfolgen bei fehlender Einigung über das Ausmaß der Arbeitszeit 54
Die Frage nach den Konsequenzen einer fehlenden Vereinbarung über das Ausmaß der Arbeitszeit braucht erst dann gestellt zu werden, wenn mit den Mitteln der Vertragsauslegung eine konkrete Arbeitszeit nicht ermittelt werden kann. Eine solche Konstellation wäre etwa dann gegeben, wenn die Arbeitsein82╇ So auch Mosler, Beschäftigung nach Bedarf, DRdA 2002, 465; ders, Arbeitsrechtliche ProbÂ�leme der Teilzeitbeschäftigung, DRdA 1999, 343.
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sätze völlig unregelmäßig erfolgen. Auch bei sehr kurzer Dauer des Arbeitsverhältnisses kann die Ermittlung eines konkludent vereinbarten Arbeitsausmaßes schwierig sein. Aus den gesetzlichen Bestimmungen des AZG ist abzuleiten, dass „Arbeit auf Abruf“ und sonstige Formen einer arbeitsanfallorientierten Beschäftigung dann unzulässig sind, wenn das wirtschaftliche Risiko, insbesondere das Risiko einer fehlenden Auftrags- oder Absatzlage, einseitig auf den Arbeitnehmer verlagert wird. Der OGH hat derartige Vereinbarungen bereits vor dem Inkrafttreten des §Â€19d AZG als sittenwidrig qualifiziert.83 Das Fehlen einer Arbeitszeitvereinbarung und die damit gegebene einseitige Gestaltungsmöglichkeit des Arbeitgebers bewirken allerdings nach zutreffender Ansicht keine Nichtigkeit des gesamten „Teilzeitvertrages“.84 Nur die dem Arbeitgeber eingeräumte freie Bestimmung des Arbeitsausmaßes wird als teilnichtig angesehen. Damit stellt sich die Frage, welche Regelungen an die Stelle der teilnichti- 55 gen Vereinbarung (Bestimmung des Arbeitsausmaßes durch den Arbeitgeber) zu treten haben. Absurd wäre es, wenn an die Stelle der „Nichtregelung“ der Arbeitszeit immer die gesetzlich oder kollektivvertraglich festgelegte Vollarbeit zu treten hätte. Wenn die Parteien (auch der Arbeitnehmer) eine Teilzeitbeschäftigung gewollt haben, dürfen sie in keine vertragliche Regelung gezwängt werden, die sie in dieser Form mit ziemlicher Sicherheit niemals abgeschlossen hätten. Eine am Normzweck orientierte Lösung muss daher den übereinstimmenden Willen der Parteien zur Teilzeitarbeit achten. Die als sittenwidrig zu wertende einseitige Gestaltungsmöglichkeit des Arbeitgebers über das Ausmaß der Arbeit – und damit über die Höhe des Entgelts – kann wohl nur dann „bereinigt“ werden, wenn man davon ausgeht, dass eine durchschnittliche Arbeitszeit als vereinbart gilt, wenn weder eine ausdrückliche Vereinbarung noch die Voraussetzungen für die konkludente Vereinbarung vorliegen. Probleme wirft die Bestimmung dieser durchschnittlichen Arbeitszeit auf. 56 Wie schon erwähnt, liegt ein „Nichtigkeitsfall“ ja erst dann vor, wenn sich das durchschnittliche Arbeitsausmaß weder aus den Verhältnissen bei Abschluss des Arbeitsvertrages noch aus dem faktischen Vollzug des Arbeitsverhältnisses ableiten lässt. Der OGH verweist in diesem Zusammenhang – zu Recht – auf die in §Â€ 1153 geregelte Angemessenheit der Dienstleistung bei mangelnder Vereinbarung. Die Angemessenheit wird vom OGH an Hand des „normalen“ Arbeitsbedarfes bei Beginn des Vertragsverhältnisses geprüft. Ein Indiz für diesen normalen Arbeitsbedarf kann dabei die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse bereits existenter Teilzeitarbeitnehmer sein. Daraus lässt sich ableiten, welche Arbeitsstunden vom Arbeitgeber benötigt werden. Wird der Teilzeitarbeitnehmer an Stelle eines anderen (zB gekündigten Arbeitnehmers) eingestellt, darf angenommen werden, dass der neu eingestellte Arbeitnehmer jene Arbeitsstunden „übernehmen“ soll, die der ausgeschiedene Arbeitnehmer geleistet hat. Wird der Arbeitnehmer als zusätzliche Arbeitskraft eingestellt, ist 83╇
Vgl OGH 12.2.1992, 9 ObA 247/91, DRdA 1992, 49; 8.8.2002, 8 ObA 277/01w. Vgl dazu ausführlich Mosler, Arbeitsrechtliche Probleme der Teilzeitbeschäftigung, DRdA 1999, 338 ff. 84╇
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an Hand des zusätzlichen Arbeitsbedarfes eine bestimmte Stundenanzahl zu errechnen. Fehlt also eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung über das Ar57 beitsausmaß, dann ist die „Geschäftssitte“ des betreffenden Arbeitgebers für das Ausmaß der Arbeitszeit bestimmend. Bei der Ermittlung der Geschäftssitte ist wiederum ein durchschnittlicher Wert an Arbeitsstunden heranzuziehen. Dadurch wird der „normale Arbeitsbedarf“ des Arbeitgebers eingegrenzt. Das durchschnittliche Ausmaß an Arbeitsstunden ist dann das vereinbarte Arbeitsausmaß iS des §Â€19d AZG.85 5. Lage der Arbeitszeit 58
§Â€19c AZG bestimmt, dass auch die Lage der Arbeitszeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu vereinbaren ist, soweit sie nicht durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung festgesetzt wird. Die Lage der Arbeitszeit darf daher vom Arbeitgeber nicht nach Willkür verändert werden. Eine einseitige Änderung ist dem Arbeitgeber nur dann gestattet, wenn dies aus objektiven, in der Art der Arbeitsleistung gelegenen Gründen sachlich gerechtfertigt ist, dem Arbeitnehmer die Lage der Normalarbeitszeit für die jeweilige Woche mindestens zwei Wochen im vorhinein mitgeteilt wird, berücksichtigungswürdige Interessen des Arbeitnehmers dieser Einteilung nicht entgegenstehen und auch keine Vereinbarung entgegensteht. Das AZG bietet allerdings auch die Möglichkeit zur Vereinbarung von 59 Gleitzeit, die in einem bestimmten Rahmen die Festlegung der Lage der Arbeitszeit durch den Arbeitnehmer selbst ermöglicht. Die Vereinbarung über die Lage der Arbeitszeit beschränkt sich in diesem Fall auf die Festlegung einer „fiktiven Normalarbeitszeit“, um etwa Entgeltfortzahlungsansprüche beurteilen zu können.86 Die Vereinbarung über die Lage der Arbeitszeit kann auch konkludent er60 folgen. Nach Meinung der Judikatur kann die erste Festlegung der Lage der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber nach Beginn der Beschäftigung als entsprechendes Anbot zur Vereinbarung über die Lage der Arbeitszeit verstanden werden.87 Stellt sich der Arbeitnehmer auf diese Arbeitszeitverteilung ein – befolgt er also die „Anordnung“ des Arbeitgebers –, ist dies als Zustimmung zum Anbot des Arbeitgebers zu werten. Die spätere Änderung der Lage der Arbeitszeit bedarf dann wiederum einer Vereinbarung. Probleme können sich in diesem Zusammenhang vor allem bei Teilzeitbe61 schäftigungen ergeben, weil die Arbeitsleistungen sowohl im Hinblick auf die Tage der Woche als auch im Hinblick auf die möglichen Arbeitsstunden innerhalb eines Tages in der Regel flexibel gestaltbar sind. Wird die Lage der Arbeitszeit vom Arbeitgeber einseitig geändert, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Änderung vorliegen (§Â€19c Abs€2 AZG), ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, dieser Anordnung Folge zu leisten. Fügt sich 85╇
OGH 8.8.2002, 8 ObA 277/01w. Vgl Grillberger, AZG3 § 49 Rz 16; OGH 8.8.2002, 8 ObA 277/01w. 87╇ OGH 13.6.2002, 8 ObA 116/02w. 86╇
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der Arbeitnehmer einer rechtswidrigen Anordnung, stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber dafür ein zusätzliches Entgelt zu leisten hat. Da der Arbeitnehmer nicht einen konkreten Arbeitserfolg, sondern nur die Verfügbarkeit innerhalb eines bestimmten Zeitraumes schuldet, deckt der dem Arbeitnehmer gebührende Zeitlohn auch durch rechtswidrige Anweisungen über die Lage dieses Zeitraumes erzielte Arbeitserfolge ab. Nach Meinung des OGH gilt dies aber nicht für Vorteile, die der Arbeitgeber bei rechtswidriger Vertragsgestaltung aus einer besseren Verfügbarkeit des Arbeitnehmers zieht. Der Arbeitnehmer, der einer rechtswidrigen Anweisung über die Lage der Arbeitszeit Folge leistet, kann daher – ex post – dafür ein angemessenes Entgelt iSd §Â€1152 fordern. Der OGH gewährt dem Arbeitnehmer einen Zuschlag in Höhe eines Prozentsatzes des im Unternehmen üblichen Stundenlohns. Unterschreitungen der Vorankündigungszeit (§Â€19c Abs€2 Z€2 AZG) sind jedenfalls finanziell abzugelten. Wird die Lage der Arbeitszeit kurzfristig geändert, ist der Zuschlag entsprechend hoch zu bemessen. Diese Judikatur ähnelt in vielen Punkten der Rechtsprechung zur Abgeltung von gesetzwidrig geleisteten Überstunden. Auch diese sind zu entlohnen;88 der Arbeitgeber soll keinen Vorteil aus seinem gesetzwidrigen Verhalten ziehen, der Arbeitnehmer soll für die Beeinträchtigung seiner Freizeit finanziell entschädigt werden. 6. Mehrarbeit Mehrarbeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer über das vereinbarte Ausmaß 62 an Arbeitszeit zu Arbeitsleistungen herangezogen wird. Nach Meinung der Judikatur ist der Arbeitnehmer ohne besondere Vereinbarung auf Grund seiner Treuepflicht nur in Ausnahmefällen, etwa bei einem Betriebsnotstand, zur Überstundenarbeit verpflichtet.89 Eine Weisung zur Mehrarbeit ist allein durch deren betriebliche Notwendigkeit (Terminarbeit) nicht gedeckt.90
Anspruch auf das Entgelt. §Â€1154. (1) Wenn nichts anderes vereinbart oder bei Diensten der betreffenden Art üblich ist, ist das Entgelt nach Leistung der Dienste zu entrichten. (2) Ist das Entgelt nach Monaten oder kürzeren Zeiträumen bemessen, so ist es am Schlusse des einzelnen Zeitraumes; ist es nach längeren Zeiträumen bemessen, am Schlusse eines jeden Kalendermonats zu entrichten. Ein nach Stunden, nach Stück oder Einzelleistungen bemessenes Entgelt ist für die schon vollendeten Leistungen am Schlusse einer jeden Kalenderwoche, wenn es sich jedoch um Dienste höherer Art handelt, am Schlusse eines jeden Kalendermonats zu entrichten. 88╇
OGH 10.5.1995, 9 ObA 65/95; 6.4.2005, 9 ObA 71/04p. OGH 26.11.1997, 9 ObA 309/97z. 90╇ OGH 23.4.1985, 4 Ob 49/85, Arb 10.449; 10.5.1995, 9 ObA 63/95, Arb 11.399. 89╇
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(3) In jedem Falle wird das bereits verdiente Entgelt mit der Beendigung des Dienstverhältnisses fällig. IdF RGBl 1916/69 (III. Teilnovelle). Mat: 78 BlgHH, 21. Session 1912. Lit: Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht und Einrede des nicht erfüllten Vertrages (1982); Koziol, Zur Rechtzeitigkeit der Leistung bei Banküberweisungen, RdW 1985, 148; Pfeil, Zur Zulässigkeit von Verfalls- und Verjährungsklauseln im Arbeitsrecht RdW 1986, 343; Wöss, Verjährung und Verfall im Arbeitsrecht, DRdA 1988, 216; Andexlinger, Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers, RdW 1994, 400; G. Krapf, OGH: Das Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers, DRdA 1995, 68.
Übersicht I.
Fälligkeit des Entgelts 1. Vorrang der vertraglichen Einigung 2. Gesetzliche Fälligkeitsregel II. Ort der Entgeltszahlung III. Bargeldlose Lohnzahlung 1. Bargeld – Buchgeld 2. Kontoführungskosten 3. Rechtzeitigkeit der Überweisung IV. Verjährung und Verfall 1. Verjährung 2. Verfall V. Zurückbehaltungsrecht
1–7 1–2 3–7 8–10 11–21 11–14 15–17 18–21 22–26 22–25 26 27–30
I. Fälligkeit des Entgelts 1. Vorrang der vertraglichen Einigung 1
§Â€1154 regelt entgegen seiner Überschrift nicht den Anspruch auf Entgelt, sondern nur die Fälligkeit des Entgelts. Die Fälligkeit des Entgelts wird in erster Linie durch den Vertrag bestimmt. Der historische Gesetzgeber hat eine zwingende Regelung der Zahlungszeit für nicht zweckmäßig erachtet; die gesetzlichen Bestimmungen über die Lohnzahlungsfristen sollten nur die Aufgabe haben, für den Fall mangelnder Vereinbarung der „Unsicherheit der Verhältnisse vorzubeugen“.1 Zwingender Natur ist lediglich die Bestimmung des Abs€3, wonach das Entgelt jedenfalls mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig ist. Die Vereinbarung über die Fälligkeit des Entgelts kann auch schlüssig er2 folgen. Bei einer Gewinnbeteiligung liegt es in der Natur der Sache, dass sie erst bezahlt werden kann, wenn der Gewinn festgestellt ist. Auch ohne besondere Abrede wird die Gewinnbeteiligung daher erst nach Feststellung eines allfälligen Jahresgewinnes fällig. Eine „Weihnachtsremuneration“ wird erst zur Weihnachtszeit fällig, ein „Urlaubszuschuss“ wird auch ohne ausdrückli1╇
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Vgl den HHB, 78 BlgHH, 21. Sess 214.
Ort der Entgeltzahlung
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che Vereinbarung mit Beginn des Urlaubs fällig werden. Konkludente Fälligkeitstermine können sich auch aus Vereinbarungen über leistungsbezogene Entgelte oder über Naturalentlohnung ergeben. 2. Gesetzliche Fälligkeitsregel Bei Fehlen einer vertraglichen Einigung statuiert §Â€1154 Abs€1 grundsätzlich eine Vorleistungspflicht des Arbeitnehmers. Dabei wird nicht unterschieden, ob das Entgelt in bar oder in Naturalien zu leisten ist. Diese Vorleistungspflicht wird in §Â€1154 Abs€2 für Zeitlohnvereinbarungen eingegrenzt. Wurde ein Zeitlohn vereinbart, ist die Dauer des Lohnzahlungszeitraumes entscheidend, wie lange der Arbeitnehmer vorzuleisten hat. Ein nach Stück oder Einzelleistungen bemessenes Entgelt ist für die schon vollendeten Leistungen am Schlusse einer jeden Kalenderwoche zu leisten. Handelt es sich um Dienste höherer Art, ist das Entgelt erst am Schluss des Kalendermonats fällig.2 Die gleiche Regelung gilt, wenn das Entgelt nach Stunden bemessen ist. Ein nach längeren Zeiträumen bemessenes Entgelt ist unabhängig von der Art der Dienste, am Ende des vereinbarten Lohnzahlungszeitraumes, jedenfalls aber am Ende des Kalendermonats fällig. Auch ein für einen Jahreszeitraum bemessenes Entgelt ist in monatlichen Teilbeträgen fällig.3 Im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit können die Parteien vorsehen, dass ein nach Zeiteinheiten bemessenes Entgelt im Vorhinein zu leisten ist; die Parteien können aber auch längere Zahlungszeitpunkte vereinbaren. In diesem Zusammenhang ist es daher auch zulässig, im Einzelfall abweichend von den im Vertrag vereinbarten oder nach §Â€1154 Abs€2 zur Anwendung gelangenden Zahlungszeitpunkten Stundungsvereinbarungen abzuschließen. In Sondergesetzen finden sich abweichende und zum Teil sehr komplizierte Fälligkeitsregeln. So bestimmt etwa §Â€19f AZG, dass der Arbeitnehmer bei Überstundenarbeit, für die Zeitausgleich gebührt, ohne dass der Zeitpunkt des Ausgleichs im Vorhinein vereinbart worden wäre, nach Ansammeln von zumindest 30 Überstunden nach 13 Wochen den Verbrauch des Guthabens einseitig bestimmen oder nach Verstreichen einer weiteren Woche auf die Auszahlung des auf die Überstunden entfallenden Entgelts bestehen kann. Das Entgelt wird daher nach dem jeweiligen Ansammeln von 30 Überstunden und dem Verstreichen von insgesamt 14 Wochen fällig; der genaue Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit ist daher variabel.4
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II. Ort der Entgeltzahlung §Â€1154 trifft keine Aussage über den Erfüllungsort. Nach der allgemeinen 8 Regel des §Â€ 905 Abs€ 1 ist der Erfüllungsort aus der Verabredung oder dem Zweck des Geschäftes zu bestimmen. Lässt sich der Erfüllungsort danach nicht 2╇
Vgl zu den Diensten „höherer Art“ §Â€1159 Rz 4 ff. Krejci in Rummel3 I §Â€1154 Rz 16. 4╇ Vgl OGH 17.3.2004, 9 ObA 114/03k. 3╇
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bestimmen, so ist am Wohnort des Schuldners bzw am Ort der Unternehmung zu leisten. Das Entgelt ist somit nach dieser allgemeinen Regel im Zweifel Holschuld. Aus der Verabredung kann sich aber ergeben, dass bestimmte Entgeltleistungen Bringschulden sind. Dies gilt zB für Naturalleistungen in Form von Deputaten, die am Wohnort des Gläubigers (Arbeitnehmer) zu erfüllen sind. Nach §Â€905 Abs€2 hat der Schuldner Geldzahlungen im Zweifel auf seine 9 Gefahr und Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz (Niederlassung) zu „übermachen“, das heißt zu übersenden. Geldschulden sind daher im Zweifel Schickschulden. Eine taugliche Übersendungsart ist dabei auch die Einzahlung (Überweisung) auf ein Konto des Gläubigers. Abweichend von §Â€905 Abs€2 wird die Verpflichtung des Arbeitgebers zur 10 Zahlung des Arbeitsentgelts nach der Verkehrssitte als Holschuld gewertet; diese Verpflichtung wird jedoch zur Schickschuld, wenn der Arbeitnehmer am Zahlungstag in der Betriebsstätte nicht anwesend ist.5
III. Bargeldlose Lohnzahlung 1. Bargeld – Buchgeld 11
Der Lohn ist zwar grundsätzlich bar (in Banknoten und Münzen) auszuzahlen. Die Vertragspartner können jedoch Zahlung durch Buchgeld (Überweisung auf ein Konto des Arbeitnehmers) vereinbaren. Wenn der Schuldner verpflichtet ist, dem Gläubiger Geld zu leisten, so bedeutet die Erbringung von Buchschuld nach Meinung der Judikatur eine Leistung an Zahlungs Statt (§Â€1414), mit der der Gläubiger nicht einverstanden sein muss. Buchgeld ist nicht (Bar-)Geld im engeren Sinn. Es handelt sich bei Buchgeld um Konten bei Kreditinstituten, über die zwar sofort verfügt werden kann. Dem Bargeld ist es insofern nicht voll vergleichbar, als ein weiterer Schuldner (die Bank) dazwischengeschaltet ist.6 Die bargeldlose Lohnzahlung bedarf daher grundsätzlich einer Vereinba12 rung mit dem Arbeitnehmer. Eine Verpflichtung zur Einrichtung eines Gehaltskontos kann nicht nur durch den Arbeitsvertrag, sondern auch durch Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung7 begründet werden. Die Vereinbarung der bargeldlosen Lohnzahlung wird im Bereich des Arbeitsrechtes grundsätzlich als zulässig angesehen; sie steht mit §Â€78 GewO 1859 (Truckverbot) nicht in Widerspruch. Wurde eine zulässige einzelvertragliche Vereinbarung über bargeldlose 13 Lohnüberweisung getroffen, sind die Parteien daran gebunden und können hiervon nicht einseitig ohne wichtigen Grund abgehen. Während die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung des Arbeitsent14 gelts nach der Verkehrssitte an sich eine Holschuld ist, begründet die Vereinbarung, das Entgelt auf ein Girokonto des Arbeitnehmers zu überweisen, eine Reischauer in Rummel3 I §Â€905 Rz 22. OGH 28.3.1996, 8 ObA 281/95, DRdA 1997, 7 (Kallab). 7╇ §Â€97 Abs 1 Z 3 ArbVG. 5╇ 6╇
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Schickschuld des Arbeitgebers.8 Das Kreditinstitut, das das Gehaltskonto des Arbeitnehmers führt, ist zur Zahlstelle geworden, an die der Arbeitgeber die Geldleistungen an den Arbeitnehmer durch Überweisung zu erbringen hat. 2. Kontoführungskosten Die Einrichtung eines Gehaltskontos setzt den Abschluss eines Bankver- 15 trages zwischen dem Arbeitnehmer und einer Bank voraus. Dieser Vertrag steht nach Meinung der Judikatur außerhalb der arbeitsvertragsrechtlichen Beziehungen des Arbeitnehmers zu seinem Arbeitgeber. Auch wenn der Arbeitnehmer zur Einrichtung eines Gehaltskontos verpflichtet ist, richten sich die Beziehungen des Arbeitnehmers in seiner Eigenschaft als Kontoinhaber zu dem kontoführenden Kreditinstitut nach dem Inhalt des zwischen diesen beiden Personen darüber abgeschlossenen Vertrages. Dies gilt auch für die mit der Kontoführung verbundenen und dem Kontoinhaber vom Kreditinstitut verrechneten Spesen. Wenn die Schuld des Arbeitgebers eine Schickschuld geworden ist, kom- 16 men auf diese Verpflichtung die Bestimmungen des §Â€905 Abs€2 zur Anwendung. Danach hat der Schuldner Geldschulden im Zweifel auf seine Gefahr und Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz (Niederlassung) zu übermachen. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber als Schuldner der Schickschuld die mit dem „Übermachen“, also mit der Überweisung, verbundenen Kosten zu tragen hat. In dem Zeitpunkt, in dem die überwiesene Geldleistung auf dem Konto des Arbeitnehmers gutgebucht wird, ist die Schuld des Arbeitgebers getilgt und die Überweisung der Geldleistung beendet. Das bedeutet, dass alle Spesen und Kosten, die außerhalb der Überweisung anfallen, also insbesondere jene Spesen und Kosten, die mit der Führung des Kontos und mit der Abhebung der Geldleistungen verbunden sind (Konto- und Buchungsgebühren), nicht zu den Kosten iS des §Â€905 Abs€2 gehören und daher von den Kontoinhabern, also von den Arbeitnehmern zu tragen sind. Diese Kosten entstehen nach Meinung der Judikatur nicht durch die jeweilige Überweisung und berühren nicht mehr das Arbeitsverhältnis, sondern beruhen ausschließlich auf der bankvertragsrechtlichen Beziehung des Arbeitnehmers zu seinem Kreditinstitut. Der OGH weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dem Arbeitnehmer Kosten auch dann zur Last fallen können, soweit Lohnschulden Holschulden sind. Mangels entgegengesetzter Norm, Vereinbarung oder Verkehrssitte ist der Arbeitnehmer auch bei Holschulden verpflichtet, Kosten selbst zu tragen, um in den Besitz des Arbeitsentgelts zu gelangen. Wenn der Arbeitnehmer zur Einrichtung eines Gehaltskontos verpflichtet ist, besorgt er mit dieser Einrichtung ein eigenes Geschäft und nicht das Geschäft seines Arbeitgebers.9 Der OGH hat die These von der Kostentragungspflicht zu einem Arbeits- 17 verhältnis entwickelt, in dem der Arbeitnehmer gesetzlich zur Einrichtung eines Gehaltskontos verpflichtet war. Die Aussagen des OGH haben aber auch für Arbeitsverhältnisse Bedeutung, in denen die Verpflichtung zur Einrichtung 8╇ 9╇
OGH 8.5.1991, 9 ObA 73/91, wbl 1991, 295. OGH 6.5.1987, 14 ObA 501/87, wbl 1987, 215.
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eines Gehaltskontos entweder auf normativ wirkenden kollektiven Rechtsgestaltungsmitteln oder auf einer Einzelvereinbarung beruht. Entscheidend ist, dass zu den „Übermachungskosten“ nur jene Kosten gehören, die mit der Überweisung des Lohnes selbst zusammenhängen. 3. Rechtzeitigkeit der Überweisung 18
Für die Rechtzeitigkeit bargeldloser Überweisungen ist mangels gegenteiliger Vereinbarung der Tag des Einlangens des Überweisungsauftrages beim kontoführenden Institut des Schuldners entscheidend, sofern bei diesem entsprechende Deckung (Guthaben oder Kredit) vorhanden ist. Der Überweisungsauftrag muss am Fälligkeitstag während der Geschäftsstunden bei der kontoführenden Bankstelle des Schuldners einlangen. Nur unter dieser Voraussetzung besteht nämlich die Möglichkeit, die Geldschuld noch am Fälligkeitstag vom Konto des Schuldners abzubuchen und damit „abzuschicken“.10 Aus der Rechtsbeziehung zwischen Schuldner und Gläubiger kann sich 19 allerdings ergeben, dass der Gläubiger bereits am Fälligkeitstag über das Geld verfügen soll. Diese Verfügungsmacht muss vor allem dann bestehen, wenn der Gläubiger ausdrücklich verlangt, dass die Zahlung zu einem bestimmten Zeitpunkt auf seinem Konto eingelangt sein muss. Ein derartiges Verlangen ist vor allem bei Nachfristsetzung wegen nicht gehöriger Zahlung typisch.11 Zu beachten ist auch, dass das Arbeitsentgelt nach der Verkehrssitte grund20 sätzlich als Holschuld gewertet wird, die dem Gläubiger eine Verfügung am Fälligkeitstag ermöglicht. Wenn nun dem Schuldner vertraglich das Recht eingeräumt wird, den Geldbetrag zu „übersenden“, so ist dies in aller Regel so zu verstehen, dass der Gläubiger nur eine andere Durchführung der Zahlung zulassen, sonst aber keine Nachteile übernehmen will. Der Schuldner hat daher im Zweifel bei Übersendung dafür zu sorgen, dass der Gläubiger − wie beim Bringen oder Holen des Geldes − am Fälligkeitstag das Geld tatsächlich erhält. Darauf hat Koziol zu Recht hingewiesen.12 Ist daher bargeldlose Lohnzahlung vereinbart, muss nach Lehre und Recht21 sprechung der überwiesene Betrag dem Arbeitnehmer am Fälligkeitstag auf seinem Konto gutgeschrieben sein. Der Arbeitgeber muss daher die Überweisung so rechtzeitig vornehmen, dass entsprechend allfälliger Bankbedingungen oder der üblichen ordnungsgemäßen Erledigung von Überweisungsaufträgen durch die Banken die Gutschrift rechtzeitig erfolgt.13
IV. Verjährung und Verfall 1. Verjährung 22
Entgeltansprüche der Dienstnehmer und Ansprüche auf Auslagenersatz verjähren gemäß §Â€1486 Z€5 „in drei Jahren“. Dies gilt nach §Â€1162d nicht für 10╇
OGH 24.10.1984, 3 Ob 86/84 , SZ 57/160; 12.11.2009, 6 Ob 218/09s. Vgl OGH 13.3.1984, 4 Ob 167/83, RdW 1985, 150; 16.10.1997, 8 ObA 322/97d. 12╇ Zur Rechtzeitigkeit der Leistung bei Banküberweisungen, RdW 1985, 148. 13╇ OGH 19.5.1993, 9 ObA 86/93; 27.6.1990, 9 ObA 161/90; 26.6.2003, 8 ObA 24/03t. 11╇
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Verjährung und Verfall
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Ansprüche wegen vorzeitigen Austrittes oder vorzeitiger Entlassung iSd §§Â€1162a und 1162b. Diese müssen bei sonstigem Ausschlusse binnen sechs Monaten nach Ablauf des Tages, an dem sie erhoben werden konnten, gerichtlich geltend gemacht werden. Die in drei Jahren verjährten Entgeltansprüche umfassen nicht nur das 23 nach Zeiteinheiten bemessene laufende Entgelt. Auch Provisionsansprüche14 oder Diensterfindungsvergütungen15 unterliegen der kurzen Verjährungsfrist. Ebenso unterliegen Ansprüche aus zweckverfehlenden Arbeitsleistungen, die inhaltlich nach §Â€1152 zu beurteilen sind, der dreijährigen Verjährungszeit des §Â€1486 Z€5.16 Für den Beginn des Laufes der dreijährigen Verjährungsfrist kommt es in 24 aller Regel nur auf die objektive Möglichkeit der Geltendmachung des Anspruchs an.17 Die Möglichkeit zur Geltendmachung wird regelmäßig mit der Fälligkeit des Anspruchs beginnen.18 Bei einzelnen Entgeltbestandteilen kann sich Abweichendes ergeben. So hat etwa der OGH bei Diensterfindungsvergütung die Auffassung vertreten, dass der Vergütungsanspruch jeweils mit der einzelnen Benützungshandlung fällig wird. Die Verjährungsfrist kann jedoch nicht zu laufen beginnen, wenn zur Bezifferung des Anspruchs Informationen (insbesondere über den mit der Erfindung erzielten Umsatz) erforderlich sind, die noch gar nicht vorliegen. Unter Berücksichtigung der Natur des Anspruchs und auf der vom Arbeitgeber betriebenen Großserienproduktion ist der Gerichtshof zur Auffassung gelangt, dass die Verjährung der in einem Jahr entstandenen Ansprüche erst mit dem Jahresabschluss für das jeweilige Vorjahr zu laufen beginnt.19 Bei zweckverfehlenden Arbeitsleistungen beginnt die Verjährungsfrist 25 nicht erst dann, wenn die Erfüllung der Zusage oder Erwartung objektiv schlechthin unmöglich wurde, sondern schon dann, wenn objektiv hinreichende Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass mit der Erfüllung der Zusage oder Erwartung nicht mehr gerechnet werden kann.20 2. Verfall Die Arbeitsvertragsparteien haben die Möglichkeit, auch für zwingende 26 gesetzliche Ansprüche Ausschlussfristen vorzusehen.21 Ausschlussfristen können auch durch Kollektivvertrag festgelegt werden. Nach der Rechtsprechung ist eine von der gesetzlichen Verjährung abweichende Verfallsklausel allerdings sittenwidrig, wenn sie zum Nachteil des Arbeitnehmers gegen zwingende gesetzliche Fristbestimmungen (zB §Â€1162d) verstößt oder wenn durch 14╇
OGH 17.5.1977, 4 Ob 76/77, Arb 9590. Vgl OGH 2.2.2005, 9 ObA 7/04a. 16╇ OGH 26.8.2009, 9 ObA 102/09d. 17╇ OGH 29.10.2009, 9 ObA 20/09w. 18╇ Vgl zum Beginn der Verjährungsfrist für Überstundenentgelt bei Vereinbarung eines Zeitausgleichs, der nicht ausgeschöpft wurde OGH 17.3.2004, 9 ObA 114/03k. 19╇ OGH 2.2.2005, 9 ObA 7/04a. 20╇ OGH 26.8.2009, 9 ObA 102/09d. 21╇ Vgl OGH 21.10.1999, 8€ObA€252/99p. 15╇
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eine unangemessen kurze Ausschlussfrist die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschwert würde.22 Die Festsetzung von Ausschlussfristen in der Dauer von drei oder vier Monaten hat die Judikatur nicht als übermäßige Erschwerung der Rechtsverfolgung angesehen.23
V. Zurückbehaltungsrecht 27
Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer bei Fälligkeit über das Entgelt verfügen kann. Der Arbeitnehmer hat zwar seine Arbeit durch die Lohnperiode zu kreditieren, er ist aber nicht verpflichtet, nach Ablauf der Lohnperiode weiter Kredit zu gewähren. Für die Zahlung des Entgeltes aus früheren Lohnperioden ist somit der Arbeitgeber vorleistungspflichtig. Gem §Â€1052 Satz€2 kann der zur Vorausleistung Verpflichtete seine Leis28 tung bis zur Bewirkung oder Sicherstellung der Gegenleistung verweigern, wenn diese durch schlechte Vermögensverhältnisse des anderen Teils gefährdet ist, die ihm zur Zeit des Vertragsabschlusses nicht bekannt sein mussten; §Â€1062 berechtigt den Verkäufer, die Übergabe der Sache zu verweigern, wenn der Käufer den Kaufpreis zur bedungenen Zeit nicht abführt. Diese Bestimmungen sind nach herrschender Auffassung auf alle zweiseitig verbindlichen entgeltlichen Verträge anzuwenden. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages kann dabei nicht nur im Verhältnis der jeweils unmittelbar gegenüberstehenden Teilleistungen erhoben werden, sondern auch im Verhältnis von später fällig gewordenen Teilleistungen zu ausständigen früheren. Bei solchen Geschäften steht nicht bloß jede einzelne Teilleistung mit der entsprechenden Gegenleistung, sondern jeweils die Gesamtheit der beiderseitigen Leistungen im Austauschverhältnis.24 Bei Verzug mit einer bereits fällig gewordenen Teilleistung kann jede spä29 ter fällig gewordene Teilgegenleistung so lange zurückbehalten werden, bis die ausstehende Teilleistung (im Sinne einer Vorleistung) erbracht worden ist.25 Der Arbeitnehmer ist daher berechtigt, seine Arbeitsleistung so lange zurückzuhalten, bis der Arbeitgeber den bereits fällig gewordenen Lohnrückstand gezahlt hat. Dem Arbeitgeber steht demgegenüber bei nicht ordnungsgemäßer Erbrin30 gung der Arbeitsleistung ein Entgeltrückbehaltungsrecht nicht zu.26 Der Arbeitnehmer schuldet keinen bestimmten Erfolg seiner Arbeit, sondern eine zeitbezogene Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft. Entspricht die in der Zeit erbrachte Leistung nicht den qualitativen oder quantitativen Vorstellungen des Arbeitgebers, sind Sanktionen nicht ausgeschlossen, die einseitige Kürzung des Lohnes ist dem Arbeitgeber aber verwehrt. 22╇
OGH 25.1.2011, 8 ObS 1/11x. OGH 5.7.2001, 8€ObA€156/01a; 29.5.2005, 9€ObA€63/05p. 24╇ OGH 25.5.1994, 9 ObA 6/94; F. Bydlinski, Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages in Dauerschuldverhältnissen, FS Steinwenter (1958) 140; Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht und Einrede des nicht erfüllten Vertrages (1982) 191. 25╇ Jabornegg, Kein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers?, FS Schwarz 91. 26╇ OGH 26.6.2003, 8 ObA 24/03t. 23╇
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Zum Begriff des Vorschusses
§ 1154a
§Â€1154a. Der nach Stück oder Einzelleistungen entlohnte Dienstnehmer kann einen den geleisteten Diensten und seinen Auslagen entsprechenden Vorschuß vor Fälligkeit des Entgelts verlangen. IdF RGBl 1916/69 (III. Teilnovelle). Mat: 78 BlgHH, 21. Session 1912.
Übersicht I. Allgemeines II. Zum Begriff des Vorschusses III. Auslagen
1–2 3–5 6
I. Allgemeines §Â€1154a ist eine Ergänzung der Fälligkeitsregel des §Â€1154. Der Entgeltan- 1 spruch entsteht grundsätzlich mit der Erbringung der Arbeit.1€Das nach Stück oder Einzelleistungen bemessene Entgelt wird im Zweifel aber erst am Schluss der Kalenderwoche fällig; bei höheren Diensten verschiebt sich der Fälligkeitszeitpunkt auf das Ende des Kalendermonats. §Â€ 1154a ermöglicht dem Arbeitnehmer, dass er vor Ablauf der Kalenderwoche oder vor dem Ende des Kalendermonats über Entgelt verfügen kann, das bereits ins Verdienen gebracht wurde. Der dem Arbeitnehmer zustehende Vorschuss setzt voraus, dass bereits be- 2 stimmte „Stücke“ hergestellt oder „Einzelleistungen“ erbracht wurden. Der Arbeitnehmer soll vor Ablauf der Kalenderwoche oder vor dem Ende des Kalendermonats über Entgelt verfügen können, das bereits ins Verdienen gebracht wurde. Wird das Entgelt nach Stück oder Einzelleistungen bemessen, lässt sich leicht feststellen, wie viel an Entgelt vor dem Fälligkeitszeitpunkt verdient wurde. Die Aliquotierung des Vorschusses verlangt daher in der Regel keine besondere Bewertung der bereits erbrachten Leistungen. Beim Zeitlohn könnte argumentiert werden, dass ein Vorschuss „entsprechend den geleisteten Diensten“ auch eine Bewertung der Leistung innerhalb der Zeiteinheit (zB zwei Tage) voraussetzt. Zu beachten ist allerdings, dass ein Vorschuss auch verlangt werden kann, wenn das „Stück“ vor dem Ende der Kalenderwoche oder des Kalendermonats begonnen, aber zum Ende des Fälligkeitszeitraumes noch nicht beendet wurde. Da der Vorschuss nur in jener Höhe begehrt werden darf, die den bereits geleisteten Diensten entspricht, muss in diesem Fall die bereits erbrachte Teilleistung bewertet werden.2
II. Zum Begriff des Vorschusses Der Vorschussbegriff des §Â€1154a ist daher enger als der „allgemeine“ Vor- 3 schussbegriff. In einem weiteren Sinn ist als „Vorschuss“ jede Vorauszahlung 1╇ 2╇
Vgl §Â€1154 Rz 1. Krejci in Rummel3 I §Â€1154a Rz 11.
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§ 1154a
Schrammel
eines noch nicht fälligen Entgelts, also auch die Vorauszahlung eines noch nicht verdienten Entgelts zu verstehen.3 §Â€1154a ist dispositiver Natur. Die Arbeitsvertragsparteien können daher 4 das Recht des Arbeitnehmers, Vorschüsse zu verlangen, einschränken oder überhaupt ausschließen. Andererseits können Vorschüsse auch auf erst in der Zukunft entstehende Entgeltansprüche gewährt werden. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer nicht nur einen Vorschuss auf 5 noch nicht fälliges Entgelt, sondern auch ein Darlehen gewähren. Ob Vorschuss oder Darlehen vorliegt, ist nach Meinung der Judikatur „aus den Umständen zu entscheiden“.4 Eine Verzinsung lässt auf ein Darlehen schließen; Darlehensgewährung ist auch anzunehmen, wenn die Rückzahlung zwar während des Arbeitsverhältnisses erfolgen soll, aber weitgehend unabhängig vom Bestand des Arbeitsverhältnisses geregelt ist.5 Die Abgrenzung ist vor allem im Exekutionsverfahren bedeutsam,6 hat aber auch für die Rückzahlung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Bedeutung. Ein dem Arbeitnehmer gewährter Vorschuss ist mangels abweichender Vereinbarung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sofort fällig und dem Arbeitgeber zurückzuzahlen.7
III. Auslagen 6
§Â€1154a gibt dem nach Stück oder Einzelleistungen entlohnten Arbeitnehmer auch das Recht, einen Vorschuss für Auslagen zu begehren. Darunter fallen jedenfalls Auslagen, die im Zusammenhang mit den erbrachten Diensten bereits entstanden sind. Fraglich ist allerdings, ob dem Arbeitnehmer ein Vorschussanspruch auch bezüglich noch nicht getätigter Auslagen zusteht. Adler/ Höller haben in der Vorauflage8 den Vorschussanspruch auf Auslagen beschränkt, die der Arbeitnehmer bereits gemacht hat, weil es nicht Absicht des Gesetzgebers gewesen sei, dem Arbeitnehmer seine Kreditierungspflicht abzunehmen. Krejci hat mit Recht darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber das Unternehmerrisiko zu tragen hat und daher Auslagen vorstrecken muss, die mit der Diensterfüllung durch den Arbeitnehmer verbunden sind.9 Ein Vorschussrecht bezüglich künftiger Auslagen, die der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers vornehmen muss, sei nur konsequent. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Sie entspricht der Judikatur, wonach die Dienste grundsätzlich mit den Mitteln des Arbeitgebers zu leisten sind.10 Daraus kann abgeleitet werden, dass den Arbeitnehmer bezüglich der Auslagen im Zweifel keine Vorleistungspflicht trifft. 3╇ Krejci in Rummel3 I §Â€ 1154a Rz 2; Preiss, ZellKomm §Â€ 1154a Rz 3; OGH 2.5.1911, Rv II 320/11, GlUNF 5464. 4╇ So OGH 2.5.1911, Rv II 320/11, GlUNF 5464. 5╇ Vgl OGH 9.5.2001, 9 ObA 39/01b. 6╇ §Â€293 Abs 3 EO. 7╇ OGH 9 ObA 125/91, ecolex 1991, 872; Preiss, ZellKomm §Â€1154a Rz 7. 8╇ Klang2 V 275. 9╇ In Rummel3 I §Â€1154a Rz 13. 10╇ Vgl §Â€1152 Rz 4.
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Allgemeines
§ 1154b
§Â€1154b. (1) Der Dienstnehmer behält seinen Anspruch auf das Entgelt, wenn er nach Antritt des Dienstes durch Krankheit oder Unglücksfall an der Dienstleistung verhindert ist, ohne dies vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit verschuldet zu haben, bis zur Dauer von sechs Wochen. Der Anspruch auf das Entgelt erhöht sich auf die Dauer von acht Wochen, wenn das Dienstverhältnis fünf Jahre, von zehn Wochen, wenn es 15 Jahre und von zwölf Wochen, wenn es 25 Jahre ununterbrochen gedauert hat. Durch jeweils weitere vier Wochen behält der Dienstnehmer den Anspruch auf das halbe Entgelt. (2) Bei wiederholter Dienstverhinderung durch Krankheit (Unglücksfall) innerhalb eines Arbeitsjahres besteht ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts nur insoweit, als die Dauer des Anspruchs gemäß Abs.€1 noch nicht erschöpft ist. (3) Wird ein Dienstnehmer durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit im Sinne der Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung an der Leistung seiner Dienste verhindert, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er seinen Anspruch auf das Entgelt ohne Rücksicht auf andere Zeiten einer Dienstverhinderung bis zur Dauer von acht Wochen. Der Anspruch auf das Entgelt erhöht sich auf die Dauer von zehn Wochen, wenn das Dienstverhältnis 15 Jahre ununterbrochen gedauert hat. Bei wiederholten Dienstverhinderungen, die im unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit stehen, besteht ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts innerhalb eines Dienstjahres nur insoweit, als die Dauer des Anspruchs nach dem ersten oder zweiten Satz noch nicht erschöpft ist. Ist ein Dienstnehmer gleichzeitig bei mehreren Dienstgebern beschäftigt, so entsteht ein Anspruch nach diesem Absatz nur gegenüber jenem Dienstgeber, bei dem die Dienstverhinderung im Sinne dieses Absatzes eingetreten ist; gegenüber den anderen Dienstgebern entstehen Ansprüche nach Abs.€1. (4) Kur- und Erholungsaufenthalte, Aufenthalte in Heil- und Pflegeanstalten, Rehabilitationszentren und Rekonvaleszentenheimen, die wegen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit von einem Träger der Sozialversicherung, dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen gemäß §Â€12 Abs.€4 Opferfürsorgegesetz, einem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen oder einer Landesregierung auf Grund eines Behindertengesetzes auf deren Rechnung bewilligt oder angeordnet werden, sind einer Dienstverhinderung gemäß Abs.€3 gleichzuhalten. (5) Der Dienstnehmer behält ferner den Anspruch auf das Entgelt, wenn er durch andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Dienstleistung verhindert wird. (6) Durch Kollektivvertrag können von Abs.€5 abweichende Regelungen getroffen werden. Bestehende Kollektivverträge gelten als abweichende Regelungen. IdF BGBl I 2000/44 (ARÄG 2000). Mat: NR RV 91 BlgNR 21. GP, AB 189 BlgNR 21. GP; BR AB 6153 BlgBR.
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§ 1154b
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Lit: Holzer, Die Dienstverhinderung aus anderen wichtigen, die Person des Dienstnehmers betreffenden Gründen, DRdA 1970, 107; Kuderna, Die Pflegefreistellung, DRdA 1977, 62; Binder, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche (1980); Petrovic, Entgeltfortzahlung bei Arztbesuch, RdW 1984, 281; Dusak, Hat der Organspender einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung?, RdW 1988, 48; Mazal, Ärztliche Bestätigung bei Krankenstand, RdW 1989, 273; Migsch, Das regelmäßige Entgelt€ – Seine Bedeutung für das Lohnfortzahlungs- u das Abfertigungsrecht, FS Schwarz (1991) 131; Tomandl, Alternativen zur Krankschreibung, ecolex 1991, 865; Gitter, Arbeitsrechtliche Probleme der stufenweisen Wiedereingliederung arbeitsunfähiger Arbeitnehmer, ZfA 1995; Trattner, Religiöse Pflichten, ASoK 1997, 263; Kleiner, Entgeltfortzahlung u Schadenersatzanspruch des Dienstgebers bei selbstverschuldeter Arbeitsunfähigkeit des Dienstnehmers, ASoK 1998, 336; Spitzl, Entgeltfortzahlungsanspruch bei Arbeitsunfall, ecolex€ 2006, 852; Binder, Zur Bemessung und Dauer von Entgeltfortzahlungsansprüchen, ZAS 2007, 100; Drs, Entgeltfortzahlungsanspruch bei Arbeitsunfall, RdW€2007, 673; Ettmayer, Die Risikoverteilung bei Verhinderung aus persönlichen Gründen, DRdA 2007, 93; Heinz/Ofner, Die Entlassungsjudikatur zum genesungsvereitelnden Verhalten während des Krankenstandes DRdA€2007, 11; Rauch, Krankenentgelt nach EFZG und neues Arbeitsjahr, ASoK€2007, 18; Heinz/Ofner, Andere wichtige Dienstverhinderungsgründe des Arbeitnehmers, DRdA 2008, 114; Schrammel, Diskriminierungsverbot, Privatautonomie und Religionsfreiheit, öarr 2008, 219; Wieshaider, Das staatliche Feiertagsrecht als vergessene Umsetzungsmaterie der Richtlinie 2000/78/EG, öarr 2008, 279; Rauch, Zulässige Kontroll-€und Informationsmöglichkeiten bei Krankenständen, ASoK€2009, 400; Winter/Wartinger, Pflichten des Arbeitnehmers bei Krankenstand, ZAS€2010/12.
Übersicht I. II.
Allgemeines Krankheitsbedingte Arbeitsverhinderungen 1. Krankheit und Unglücksfall 2. Arbeitsverhinderung 3. Verschulden 4. Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruches 5. Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruches 6. Mitteilungs- und Nachweispflichten 7. Verhalten des Arbeitnehmers im Krankenstand III. Arbeitsverhinderungen durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit 1. Allgemeines 2. Arbeitsunfall und Berufskrankheit 3. Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruches IV. Arbeitsverhinderungen aus wichtigen, die Person des Arbeitnehmers betreffenden Gründen 1. Wichtige Gründe a) Faktische Verhinderungen b) Rechtliche Gründe c) Sitte und Herkommen 2. Arbeitsverhinderung
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1–4 5–38 5–11 12–13 14–16 17–24 25–28 29–35 36–38 39–49 39–41 42–46 47–49 50–74 50–68 53–54 55–57 58–68 69–71
Allgemeines
3. Verschulden 4. Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruches Unabdingbarkeit
V.
§ 1154b 72–73 74 75–77
I. Allgemeines Der Arbeitnehmer hat aufgrund des Arbeitsvertrages vorrangig die Pflicht, die versprochenen Dienste dem Arbeitgeber anzubieten. Ist er dazu aus in seiner Person gelegenen Gründen nicht imstande, besteht für den Arbeitgeber keine Veranlassung zur Zahlung von Entgelt. Können die Interessen des Arbeitgebers nicht befriedigt werden, entfällt grundsätzlich auch die für die Wahrnehmung dieser Interessen versprochene Gegenleistung. Ohne Arbeit wird auch kein Lohn bezahlt. Von diesem Grundsatz macht §Â€1154b eine wichtige Ausnahme. Beruht die Verhinderung auf Krankheit oder Unglücksfall, bleibt der Arbeitgeber für eine gewisse Zeit zur Lohnzahlung verpflichtet. Das Risiko des Arbeitsausfalles wird für diesen Zeitraum auf den Arbeitgeber überwälzt. Gleiches gilt im Ergebnis, wenn die Verhinderung auf einem anderen wichtigen, die Person des Arbeitnehmers betreffenden Grund beruht. Die Voraussetzungen für die Entgeltfortzahlung bei „persönlichen“ Verhinderungen sind im Verhältnis zur krankheitsbedingten Verhinderung allerdings schärfer gezogen; die Dauer der Entgeltfortzahlung beschränkt sich auf einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum. §Â€1154b hat seine geltende Fassung im Kernbereich durch die III. Teilnovelle erhalten. Bis zum In-Kraft-Treten des ARÄG 20001 war allerdings auch der Fortzahlungsanspruch bei krankheitsbedingten Arbeitsverhinderungen auf eine „verhältnismäßig kurze, eine Woche nicht übersteigende Zeit“ beschränkt. Überdies stand der Anspruch erst nach einer Wartezeit von 14 Tagen zu. Beide Fortzahlungsansprüche waren auf den Anlassfall bezogen. Im Gegensatz dazu hatten Angestellte bereits unmittelbar nach Antritt des Dienstes Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Der Anspruch stand für eine Dauer von sechs Wochen in voller Höhe zu, für weitere vier Wochen hatten Angestellte Anspruch auf das halbe Entgelt. Für nicht dem AngG unterliegende Arbeitnehmer wurde die Entgeltfortzahlung bei krankheitsbedingten Arbeitsverhinderungen durch das EFZG2 verbessert. Für Arbeitnehmer, die dem EFZG unterlagen, wurde die Fortzahlung auf vier Wochen ausgedehnt, bei Arbeitsverhinderungen durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit gebührte ein zusätzlicher Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Die Fortzahlungsansprüche waren im Gegensatz zu §Â€1154b nicht mehr auf den Anlassfall, sondern im Wesentlichen auf das Arbeitsjahr bezogen. Das ARÄG 2000 hat die Entgeltfortzahlungsregeln des EFZG und auch des ABGB weitgehend an die Bestimmungen des Angestelltenrechtes angeglichen.3 Die Entgeltfortzahlungsbestimmungen zeigen deutlich, dass krankheitsund personenbezogene Umstände dem Fernbleiben vom Dienst die Rechts1╇
BGBl I 2000/44. BGBl 1974/399. 3╇ Vgl EB RV 91 BlgNR 21. GP. 2╇
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widrigkeit nehmen. Wenn der Arbeitgeber auch ohne Arbeit Entgelt zu zahlen hat, kann das Fernbleiben vom Dienst keine Verletzung des Arbeitsvertrages darstellen. Das Fernbleiben vom Dienst kann aber auch dann nicht rechtswidrig sein, wenn die Voraussetzungen für die Entgeltfortzahlung dem Grunde nach gegeben sind, der Fortzahlungsanspruch aber bereits erschöpft ist. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er ein und dasselbe Verhalten zunächst als rechtmäßig und nach Ausschöpfen der Entgeltfortzahlung als rechtswidrige Verletzung des Arbeitsvertrages wertet. Krankheitsbedingte Arbeitsverhinderungen stellen unabhängig vom Bestehen eines Entgeltfortzahlungsanspruches keine Verletzung des Arbeitsvertrages dar, wenn der Arbeitnehmer die Verhinderung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt hat. Gleiches gilt für personenbezogene Verhinderungen, sofern die Verhinderung dem Arbeitnehmer nicht vorwerfbar ist.
II. Krankheitsbedingte Arbeitsverhinderungen 1. Krankheit und Unfall 5
Nach §Â€ 1154b Abs€ 1 behält der Arbeitnehmer seinen Entgeltanspruch, wenn er nach Antritt des Dienstes durch Krankheit oder Unglücksfall an der Arbeitsleistung verhindert ist. Krankheitsbedingte Arbeitsverhinderungen vor Antritt des Dienstes lösen keinen Fortzahlungsanspruch aus, auch wenn der Arbeitsvertrag vor der Dienstverhinderung abgeschlossen wurde.4 Was unter „Krankheit“ zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher ausge6 führt. Naheliegend ist auf den ersten Blick, den sozialversicherungsrechtlichen Krankheitsbegriff auf das Arbeitsrecht zu übertragen. Aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht ist dies ein „regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der Krankenbehandlung notwendig macht“.5 Nicht als Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn gelten daher Körper- oder Geisteszustände, die entweder einer Behandlung nicht mehr zugänglich sind oder eine Krankenbehandlung nicht erfordern, weil sie zB auch ohne den Einsatz von ärztlicher Hilfe verbessert werden können. Die besondere Betonung der Behandlungsbedürftigkeit im Sozialversicherungsrecht ist dadurch bedingt, dass die Hauptleistung der sozialen Krankenversicherung in der Krankenbehandlung besteht, die ärztliche Hilfe und die Versorgung mit Heilmitteln und Heilbehelfen einschließt. Für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist aber nicht die Behandlungsfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit des regelwidrigen Körperoder Geisteszustandes entscheidend.6 Zu fragen ist vielmehr, ob dieser regelwidrige Zustand zur Arbeitsunfähigkeit führt. Im arbeitsrechtlichen Kontext ist daher unter Krankheit ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand zu verstehen, der den Arbeitnehmer arbeitsunfähig macht.7 Wenn man einen Bezug zum Sozialversicherungsrecht herstellen möchte, wäre ein Rückgriff auf die Holzer, AngG-Komm §Â€8 Rz€1; in Rummel3 I §Â€1154b Rz€5. §Â€120 ASVG. 6╇ OGH 3.6.1985, 4 Ob 59/85, ZAS 1987, 165. 7╇ So auch Drs, ZellKomm §Â€8 AngG Rz 4╇ 5╇
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Krankheitsbedingte Arbeitsverhinderungen
§ 1154b
deutsche Judikatur sinnvoller, die unter Krankheit einen Zustand versteht, der entweder eine (ärztliche) Behandlung erfordert oder den Versicherten arbeitsunfähig macht.8 Die Abkoppelung des arbeitsrechtlichen vom sozialversicherungsrechtlichen Krankheitsbegriff bedeutet allerdings nicht, dass die Wertungen des Sozialversicherungsrechtes völlig belanglos wären. Krejci hat mit Recht darauf hingewiesen, dass Krankheit nur dann anzunehmen ist, wenn der Zustand des Arbeitnehmers nach den Regeln medizinischer Diagnostik als „regelwidrig“ anzusehen ist.9 Das bloß subjektive „Unwohlsein“ bzw die subjektive Einschätzung des Arbeitnehmers, den Anforderungen des Dienstes nicht gewachsen zu sein, kann nicht als Krankheit angesehen werden, wenn sie aus medizinischer Sicht keinen „Krankheitswert“ hat. Insoweit bestehen durchaus Übereinstimmungen zwischen Arbeitsrecht und Sozialrecht. Wenn die Behandlungsbedürftigkeit für den arbeitsrechtlichen Krankheitsbegriff keine Rolle spielt, bestehen Entgeltfortzahlungsansprüche auch dann, wenn die Arbeitsverhinderung auf einem regelwidrigen Dauerzustand beruht, der medizinisch nicht mehr beeinflussbar ist. Der Verlust eines Fingers mag sozialversicherungsrechtlich nicht mehr als Krankheit gewertet werden, Entgeltfortzahlung ist aber zu leisten, wenn der Verlust dieses Fingers die weitere Arbeitstätigkeit (zB Musiker) ausschließt. Ebenso können kosmetische Behandlungen, die sozialversicherungsrechtlich grundsätzlich keinen Behandlungsanspruch auslösen, arbeitsrechtlich zu einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit führen. Auf der anderen Seite begründen psychische Beeinträchtigungen keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn sie vom Arbeitnehmer noch beherrschbar sind und somit nicht als regelwidrig gelten.10 Nicht als Krankheit gelten auch Schwangerschaft und Entbindung. Strittig ist, ob Organspenden als „Krankheit“ iSd §Â€1154b zu werten ist. Im Sozialversicherungsrecht wird die Organspende der Krankheit gleichgestellt; sie ist insoweit als „regelwidriger“ Zustand anzusehen. Auch wenn der sozialversicherungsrechtliche Krankheitsbegriff für das Entgeltfortzahlungsrecht nicht uneingeschränkt zu übernehmen ist, legt die Wertung des Gesetzgebers im Sozialversicherungsrecht nahe, die Organspende auch als Krankheit iSd §Â€1154b zu verstehen.11 Fraglich ist, ob auch Arbeitsverhinderungen durch Kuraufenthalte Entgeltfortzahlungsansprüche auslösen. §Â€1154b Abs€4 sieht eine „Gleichstellung“ ausdrücklich für Kuraufenthalte vor, die wegen eines Arbeitsunfalls gewährt werden. Dies bedeutet zunächst aber nur, dass für derartige Kuraufenthalte die besonderen Entgeltfortzahlungsregeln für Arbeitsverhinderungen zur Anwendung kommen (§Â€1154b Abs€3), die auf einem Arbeitsunfall beruhen. Man darf daraus nicht e contrario ableiten, dass andere kuraufenthaltsbedingte Abwesenheiten vom Dienst einer krankheitsbedingten Verhinderung nicht gleichgestellt werden dürfen. Die Judikatur hat schon vor längerer Zeit ganz allgemein 8╇
BSGE 26, 288. Krejci in Rummel3 I §Â€1154b Rz€22. 10╇ Vgl dazu auch Schrammel, Veränderungen des Krankenbehandlungsanspruches durch Vertragspartnerrecht?, ZAS 1986, 145. 11╇ So auch Krejci in Rummel3 I §Â€1154b Rz€30. 9╇
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Kuraufenthalte, die von der Sozialversicherung bewilligt wurden, einer Krankheit gleichgestellt.12 §Â€2 Abs€2 EFZG ordnet diese Gleichstellung für seinen Geltungsbereich ausdrücklich an. Eine analoge Anwendung im Anwendungsbereich des §Â€ 1154b ist daher geboten.13 Gegen eine analoge Anwendung könnte allerdings ins Treffen geführt werden, dass der Gesetzgeber des ARÄG 2000 die entsprechenden Bestimmungen des EFZG nicht in das ABGB übernommen und nur Sonderregelungen für Kuraufenthalte nach Arbeitsunfällen getroffen hat. Bedenkt man allerdings, dass die Sonderregelungen für Arbeitsunfälle in der Regierungsvorlage zu §Â€ 1154b14 noch nicht enthalten waren, kann die Nichtübernahme der EFZG-Regeln über „normale“ Kuraufenthalte auch als Versehen gewertet werden, das eine analoge Anwendung, die ja schon vor dem ARÄG 2000 vertreten wurde, nicht ausschließt. Auch der im Gesetz erwähnte „Unglücksfall“ ist im Gesetz nicht näher 11 umschrieben. Aus der Verbindung mit „Krankheit“ ist abzuleiten, dass nur ein die körperliche (oder geistige) Integrität beeinträchtigendes Ereignis als Unglücksfall anzuerkennen ist.15 Der „Unglücksfall“ hat dann allerdings für den „Grundanspruch“ auf Entgeltfortzahlung keine eigenständige Bedeutung; entscheidend ist nur, ob der Körper- oder Geisteszustand eine Arbeitsleistung ausschließt. 2. Arbeitsverhinderung 12
Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er durch Krankheit oder Unglücksfall außer Stande gesetzt wird, die versprochenen Dienste zu erbringen. Dies ist jedenfalls anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer die Dienstleistung gar nicht anbieten kann, weil ihm das Erreichen des Arbeitsplatzes durch Krankheit oder Unglücksfall unmöglich geworden ist. Als Beispiel kann hier der stationäre Krankenhausaufenthalt erwähnt werden. Im Übrigen ist die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit bzw Arbeitsunfähigkeit an der Reichweite der vertraglichen Dienste zu messen.16 Nicht entscheidend ist somit, ob der Arbeitnehmer noch Dienste zu verrichten in der Lage ist, die auf Grund des Arbeitsvertrages nicht geschuldet sind. Der Arbeitgeber hat grundsätzlich das Recht, vom Arbeitnehmer die ge13 samte Breite der Dienste abzurufen. Einschränkungen dieses Rechts können sich allerdings aus der Fürsorgepflicht ergeben. Geringfügige Verminderungen der Arbeitsleistung hat der Arbeitgeber hinzunehmen.17 Arbeitsunfähigkeit liegt demnach vor, wenn der Arbeitnehmer infolge von Krankheit nur mehr Teilleistungen – in quantitativer oder qualitativer Hinsicht – erbringen kann, die der Arbeitgeber nicht mehr als Erfüllung des Arbeitsvertrages hinnehmen muss. Der Arbeitgeber ist aber berechtigt, dem Arbeitnehmer im Rahmen des 12╇
Rz€14.
Vgl OGH 20.9.1962, 4 Ob 97/62, JBl 1963, 164 (Bydlinski); Holzer, AngG-Komm §Â€8
Krejci in Rummel3 I §Â€1154b Rz€26. 91 BlgNR 21. GP. 15╇ Holzer, AngG-Komm §Â€8 Rz€11. 16╇ Mazal, Ärztliche Bestätigungen im Krankheitsfall, RdW 1989, 273. 17╇ Mazal, ZAS 1987, 166; Binder, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche 189. 13╇ 14╇
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Arbeitsvertrages eine gesundheitsverträgliche Alternativtätigkeit zuzuweisen, wenn die vor Eintritt der Krankheit geleistete Tätigkeit wegen dieser Krankheit nicht mehr ausgeübt werden kann. Der Arbeitgeber kann sich daher auch mit Teilleistungen zufrieden geben, die vom Arbeitsvertrag gedeckt sind.18 Insoweit hat der Arbeitnehmer seine Restarbeitsfähigkeit dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen. Die Arbeitsunfähigkeit hängt also auch von der Entscheidung des Arbeitgebers ab, ob eine gesundheitsverträgliche Alternativ- oder Teiltätigkeit als Erfüllung des Arbeitsvertrages akzeptiert wird. Arbeitsunfähigkeit liegt demnach vor, wenn der Arbeitnehmer nur mehr Dienste erbringen kann, die der Arbeitgeber als Erfüllung des Arbeitsvertrages nicht hinnehmen muss und auch tatsächlich nicht entgegen nimmt. 3. Verschulden Der Fortzahlungsanspruch setzt voraus, dass der Arbeitnehmer die Arbeits- 14 verhinderung weder grob fahrlässig noch vorsätzlich herbeigeführt hat. Verschulden setzt Rechtswidrigkeit voraus.19 Grundsätzlich ist die Schädigung der eigenen Person, wenn dadurch keine fremde Rechtssphäre berührt wird, weder rechtswidrig noch schuldhaft. Die an sich schuldlose Handlung gegen die eigenen Interessen wird nach Meinung der Judikatur allerdings in dem Augenblick, in dem aus dem „Eigenschaden“ Ersatzansprüche abgeleitet werden, vom Standpunkt des in Anspruch genommenen Dritten aus gesehen, schuldhaft.20 Der OGH hat eine Arbeitsverhinderung durch Alkoholabhängigkeit nicht als „Verschulden gegen sich selbst“, sondern als Verletzung der Treuepflicht gewertet, Arbeitsverhinderungen, insbesondere auch durch Krankheit bedingte, nach Tunlichkeit zu vermeiden, um die Arbeitskraft dem Arbeitgeber voll zur Verfügung stellen zu können. Insoweit liegt dem „Verschulden“ auch ein rechtswidriges Verhalten zu Grunde. Es handelt sich daher offensichtlich nicht nur um eine bloße Obliegenheit,21 sondern um ein dem Arbeitnehmer vorwerfbares rechtswidriges Verhalten.22 Ein Verschulden des Arbeitnehmers an der Verhinderung ist immer dann 15 anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer die Dienstverhinderung durch sein ungewöhnlich leichtfertiges oder mutwilliges Verhalten herbeigeführt hat, wenn er sich mutwillig Gefahren aussetzt, die erheblich über das bei einer normalen und vernünftigen Lebensweise Übliche hinausgehen.23 Grobe Fahrlässigkeit entspricht der auffallenden Sorglosigkeit iSd §Â€1324.24 Als auffallende SorgÂ� losigkeit ist ein Versehen zu werten, das sich über alltäglich vorkommende Fahrlässigkeitshandlungen erheblich und ungewöhnlich heraushebt, wobei der Eintritt eines Schadens als wahrscheinlich voraussehbar ist. Der Verstoß gegen Mazal, ZAS 1987, 166. Krejci in Rummel3 I §Â€1154b Rz€44. 20╇ OGH 2.3.1976, 4 Ob 6/76, Arb 9460. 21╇ So Krejci in Rummel3 I §Â€1154b Rz€44. 22╇ So im Ergebnis auch Rebhahn/Ettmayer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON §Â€1154b Rz€ 23╇ OGH 22.4.1969, 4 Ob 28/69, SZ 42/57. 24╇ OGH 19.4.1977, 4€Ob 64/77, Arb 9580. 18╇ 19╇
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das normale Handeln muss auffallend sein.25 Die Judikatur hat im schadenÂ� ersatzrechtlichen Kontext etwa das Bücken nach einem bei Geschwindigkeit von 110 km/h durch den Luftzug zwischen die Beine gefallenen Zettel26 oder das Hantieren mit offenem Feuer in einem geschlossenen Raum, in welchem deutlicher Gasgeruch festzustellen war,27 als grob fahrlässig gewertet. Im Zusammenhang mit Forderungen auf Entgeltfortzahlung haben vor 16 allem Sportunfälle eine Diskussion ausgelöst, ob dem Arbeitnehmer grob fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden kann. Der OGH hat zu Recht die Meinung vertreten, dass die Ausübung einer Kampfsportart, bei der häufig mit Verletzungen zu rechnen ist, für sich allein noch nicht als grob fahrlässig anzusehen ist.28 Die durch Beteiligung am Sport ausgelöste Arbeitsverhinderung kann allerdings dann als vorwerfbar gewertet werden, wenn die „Eigenregeln“ des jeweiligen Sports grob missachtet wurden. Der Arbeitnehmer muss über die erforderliche körperliche Kraft, Geschicklichkeit und Ausbildung verfügen, die zur unfallfreien Ausübung der betreffenden Sportart erforderlich sind, und auch ein geeignetes Sportgerät einsetzen. Erfüllt der Arbeitnehmer diese Anforderungen, ist ihm grobe Fahrlässigkeit nicht vorzuwerfen, auch wenn das Unternehmen letztlich misslingt.29 4. Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruches 17
§Â€1154b ordnet an, dass der Arbeitnehmer während der Arbeitsverhinderung seinen Anspruch auf das Entgelt behält. Zum Entgelt gehören alle Leistungen des Arbeitgebers, die dem Arbeitnehmer für die Bereitstellung der Arbeitskraft gewährt werden, also nicht nur das regelmäßige Entgelt pro Zeiteinheit, sondern auch variable Entgeltbestandteile für quantitative oder qualitative Mehrarbeit, wie zB Erfolgsprämien,30 Nachtdienstzulagen31 oder Schichtzulagen.32 Die Formulierung, wonach der Arbeitnehmer den Anspruch auf das Ent18 gelt „behält“, legt nahe, dass immer das vor der Arbeitsverhinderung zustehende Entgelt fortzuzahlen ist. Das Abstellen auf den zuletzt bezogenen Lohn wird auch als „Bezugsprinzip“ bezeichnet.33 Wenn der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf das Entgelt während der Verhinderung behält, ist ein allfälliger Wegfall eines Entgeltbestandteils während der Zeit des Krankenstandes irrelevant. Konsequenterweise müssen im Rahmen des Bezugsprinzips auch Entgelterhöhungen während der Verhinderung unberücksichtigt bleiben. Würde das fortzuzahlende Entgelt nach dem Ausfallsprinzip berechnet, wären Veränderungen des Lohnanspruches während der Verhinderung zu berücksichtigen. 25╇
OGH 20.2.1973, 4 Ob 3/73, Arb 9179. OGH 14.1.1998, 9 Ob 358/97. 27╇ OGH 14.12.1982, 4 Ob 142/81. 28╇ OGH 4.10.1966, 4 Ob 55/66, ZAS 1967, 80 (Müller). 29╇ LG Klagenfurt 10.1.1979, 3 Cg 33/78 (Drachenfliegen), Arb 9753. 30╇ OGH 9.2.1960, 4 Ob 139/59, Arb 7170. 31╇ OGH 26.1.1994, 9 ObA 365/93, RdW 1994, 252. 32╇ OGH 7.6.2001, 9 ObA 295/00y, ZAS 2002, 151 (Lind/Leitner). 33╇ Vgl Holzer, AngG-Komm §Â€8 Rz 26╇
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Zu fragen wäre, was der Arbeitnehmer während der Verhinderung verdient hätte. Ein Provisionsvertreter, der während der Verhinderung keine Provisionen verdienen kann, hätte nach dem Ausfallsprinzip keinen Lohnausfall und daher auch keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Die Judikatur ist in sich widersprüchlich. „Verbal“ hat sich der OGH dem 19 Bezugsprinzip verschrieben:34 Entgeltortzahlung nach dem Bezugsprinzip ist in dem Ausmaß zu leisten, das vor der Dienstverhinderung bestanden hat. Der OGH stellt dieses Bezugsprinzip aber in Frage, wenn er meint, die Entgeltfortzahlung habe sich im Wesentlichen „sohin“ am so genannten Ausfallsprinzip, das im unmittelbaren zeitlichen Konnex mit der Dienstverhinderung steht, und danach zu orientieren, ob eine Zahlung mit einer gewissen Regelmäßigkeit gebührt. Dass der Gesetzgeber mit dem „Behalten“ des Entgelts nur auf das zuletzt 20 vor der Verhinderung gebührende Entgelt Bezug nehmen wollte, ist nicht zwingend. Darauf hat Holzer mit Recht hingewiesen.35 Mit dem Hinweis auf das Behalten wird zunächst nur zum Ausdruck gebracht, dass dem Arbeitnehmer durch die Arbeitsverhinderung kein finanzieller Nachteil entstehen soll.36 Das Entgelt soll nicht allein wegen der Arbeitsverhinderung gemindert werden. Da dem Arbeitnehmer in der Regel eine zeitbezogene Entlohnung gebührt, wird mit dem „Behalten“ angeordnet, dass der Zeitlohn auch während der Arbeitsverhinderung zu leisten ist. Es ist dem Gesetzgeber aber nicht zu unterstellen, dass er den an der Arbeitsleistung verhinderten Arbeitnehmer gegenüber den nicht verhinderten Arbeitnehmern privilegieren wollte. Genau diese Privilegierung tritt aber ein, wenn man das fortzuzahlende Entgelt ausschließlich vergangenheitsbezogen berechnet. Binder hat daher zutreffend gefolgert, dass das Bezugsprinzip mit dem Ziel der Entgeltfortzahlungsregeln nur beschränkt vereinbar ist.37 Auch wenn der Gesetzgeber nur vom „Behalten“ des Entgeltanspruches spricht und keinen Hinweis auf die Berechnung des Entgelts gibt, muss für die Höhe der Entgeltfortzahlung entscheidend sein, was der Arbeitnehmer pro futuro, dh nach Eintritt der Verhinderung, ins Verdienen gebracht hätte. Der Unterschied zwischen dem Bezugs- und dem Ausfallprinzip zeigt sich 21 vor allem in der Behandlung variabler Entgeltbestandteile, insbesondere bei der Entlohnung für Überstunden; Überstunden können regelmäßig wiederkehrend, aber in unterschiedlichem Ausmaß geleistet werden. Denkbar ist aber auch, dass der Zeitraum, in dem Überstunden zu leisten sind, von vornherein feststeht. Bei regelmäßig geleisteten Überstunden darf angenommen werden, dass sie auch während der Arbeitsverhinderung anfallen werden; unklar ist lediglich das konkrete Ausmaß. Wenn der Arbeitnehmer während der Verhinderung seinen Entgeltanspruch behalten soll, muss die Überstundenentlohnung daher in die Entgeltfortzahlung einfließen. Da das genaue Ausmaß nicht bekannt ist, ist dem Fortzahlungsanspruch ein Durchschnittswert zu Grunde zu 34╇
OGH 29.1.1998, 8 ObA 361/97i. Holzer, AngG-Komm §Â€8 Rz€16; vgl auch Binder, Zur Bemessung und Dauer von Entgeltfortzahlungsansprüchen, ZAS 2007, 100. 36╇ So auch OGH 17.10.2002, 8 ObA 67/02i. 37╇ Zutreffend Binder, ZAS 2007, 101. 35╇
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legen.38 Dies gilt auch für sonstige leistungsbezogene Entgelte. In der Regel wird ein Jahresschnitt zu befriedigenden Ergebnissen führen.39 Insoweit besteht zwischen Bezugs- und Ausfallsprinzip kein wesentlicher Unterschied. Anders ist die Situation, wenn die Überstundenarbeit im Vorhinein fest22 steht. War sie vor Eintritt der Arbeitsverhinderung notwendig, wäre die Überstundenentlohnung beim so genannten Bezugsprinzip in den Entgeltfortzahlungsanspruch einzubeziehen, auch wenn während der Verhinderung keine Überstundenarbeit anfällt. Wird sie erst während der Verhinderung notwendig, so wäre dies beim Bezugsprinzip zu vernachlässigen, beim Lohnausfallprinzip müsste für die wegen der Verhinderung zwar nicht geleisteten, aber vorhersehbaren Überstunden Entgelt geleistet werden. Sonderzahlungen, die nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhän23 gen, werden durch einen fortzahlungspflichtigen Krankenstand nicht geschmälert. Die Arbeitsverhinderung ist insoweit als „Dienstzeit“ zu werten. Eine Vereinbarung, dass Sonderzahlungen nur dann zustehen, wenn der Arbeitnehmer während eines bestimmten Zeitraumes tatsächlich gearbeitet hat (Anwesenheitsprämie), ist im Hinblick auf den zwingenden Charakter des §Â€ 1154b Abs€ 140 unzulässig.41 Das Bedenkliche an derartigen Anwesenheitsprämien liegt nach Meinung des OGH in der Reizwirkung, dass auch wirklich kranke Arbeitnehmer, um finanzielle Einbußen zu vermeiden, auf ihre Krankheit keine Rücksicht nehmen und „Raubbau“ mit ihrer Gesundheit treiben. Anders ist die Situation, wenn der Anspruch auf Entgeltfortzahlung er24 schöpft ist. Nach ständiger Judikatur hat der Arbeitnehmer mangels abweichender Vereinbarung für entgeltfreie Zeiten keinen Anspruch auf Sonderzahlungen; die Sonderzahlung ist an das Bestehen eines Entgeltanspruches geknüpft.42 5. Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruches 25
Die Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruches ist von der zurückgelegten Dienstzeit abhängig. Als „Mindestleistung“ gebührt dem Arbeitnehmer die Fortzahlung des vollen Lohnes durch sechs Wochen; für weitere vier Wochen besteht Anspruch auf die Hälfte des Lohnes. Nach einer Dienstzeit von fünf Jahren erhöht sich der Anspruch auf die Dauer von acht Wochen, nach 15 Jahren Dienstzeit auf zehn Wochen und nach 25 Jahren auf zwölf Wochen. Als Dienstzeit gelten Zeiten eines aufrechten Arbeitsverhältnisses.43 Nicht 26 entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer während des aufrechten Arbeitsverhältnisses auch zur Arbeitsleistung verpflichtet war. Aussetzungen (Karenzierungen) des Arbeitsverhältnisses, die den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses unberührt lassen, sind auf die erforderliche Dienstzeit anzurechnen.44 38╇
OGH 7.6.2001, 9 ObA 295/00y, ZAS 2002, 151 (Lind/Leitner). OGH 26.1.1994, 9 ObA 365/93, RdW 1994, 252. 40╇ Vgl §Â€1164. 41╇ OGH 7.6.2001, 9 ObA 295/00y, ZAS 2002, 151 (Lind/Leitner). 42╇ Vgl OGH 18.10.2000, 9 ObA 209/00a. 43╇ Holzer, AngG-Komm §Â€8 Rz€25. 44╇ Ausnahmen gelten für Karenzzeiten nach dem MSchG und VKG; vgl Holzer, AngGKomm §Â€8 Rz€27. 39╇
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§Â€1154b enthält keine Bestimmung über die Anrechnung von Vordienstzeiten. Befristete Arbeitsverhältnisse zum selben Arbeitgeber, die unmittelbar aufeinander folgend abgeschlossen werden, sind für die Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruches zusammenzurechnen, weil es nach dem Gesetzeswortlaut nur auf die zurückgelegte ununterbrochene Dienstzeit und nicht auf die rechtliche Gestaltung dieser Dienstzeit ankommt. Liegen zwischen den befristeten Arbeitsverhältnissen Zeiten der Nichtbeschäftigung, ist eine Zusammenrechnung geboten, wenn die unterbrochenen befristeten Arbeitsverhältnisse als unzulässiger Kettenvertrag zu werten sind. In diesem Fall gilt das Arbeitsverhältnis wegen der Unzulässigkeit der Befristungsabreden von vornherein als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Die Zeiten der Nichtbeschäftigung sind dann keine Unterbrechungen der Dienstzeit, sondern einfache Karenzzeiten. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung ist nicht (mehr) auf den Anlassfall, 27 sondern auf das Arbeitsjahr abgestellt. Bei wiederholten Arbeitsverhinderungen innerhalb eines Arbeitsjahres hat der Arbeitnehmer nur dann Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn der „Fortzahlungstopf“ durch vorangegangene Verhinderungen noch nicht erschöpft ist. Hat der Arbeitnehmer während des Arbeitsjahres eine für die Erhöhung des Anspruches relevante Dienstzeit erreicht, entsteht ein zusätzlicher Anspruch im Ausmaß von maximal zwei Wochen (von 6 Wochen auf 8 Wochen, von 8 Wochen auf 10 Wochen und von 10 Wochen auf 12 Wochen).45 Fraglich ist, ob bei einer durchgehenden, in das nächste Arbeitsjahr hin- 28 einreichenden Arbeitsverhinderung mit Beginn des neuen Arbeitsjahres ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht. Der OGH hatte zunächst die Auffassung vertreten, dass mit Beginn eines neuen Arbeitsjahres nur dann ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht, wenn der Arbeitnehmer nach Erschöpfen des Fortzahlungsanspruches im alten Arbeitsjahr seinen Dienst wieder aufgenommen hat.46 Kritik in der Lehre47 veranlasste den OGH, von dieser Auffassung abzugehen. Seit der Entscheidung 8€ ObA€ 163/98y48 vertritt der OGH die Meinung, dass bei ununterbrochener, fortdauernder krankheitsbedingter Arbeitsverhinderung mit Beginn des nächsten Arbeitsjahres ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch auch dann entsteht, wenn der Arbeitnehmer zuerst wegen Ausschöpfung des Entgeltfortzahlungsanspruchs kein Entgelt mehr erhalten hatte. Der OGH wollte damit willkürliche Ergebnisse vermeiden; seine frühere Auffassung hätte dazu geführt, dass bei einem durchgehenden Krankenstand kein neuerlicher Anspruch entstanden wäre, die Arbeitsleistung an einem einzigen Tag des neuen Arbeitsjahres hingegen einen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch ausgelöst hätte. Dem OGH ist zuzubilligen, dass der Gesetzeswortlaut, wonach der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf das Entgelt „behält“, nicht zwingend darauf hindeutet, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht auf einen Zeitraum folgen könnte, in dem weder Entgelt noch Ent45╇ Vgl OGH 16.2.1982, 4 Ob 96/81, ZAS 1982, 227 (Andexlinger). Die Entscheidung erging zu §Â€8 Abs 1 AngG, ist aber auf Grund der Angleichung der Rechtsvorschriften durch das ARÄG 2000 auch auf den Anspruch nach §Â€1154b übertragbar. 46╇ OGH 17.4.1997, 8 ObA 2123/96d, DRdA€1998, 4 (kritisch Pfeil). 47╇ Vgl Pfeil, DRdA 1998, 4; Andexlinger, ecolex 1997, 599. 48╇ OGH 28.1.1999, 8 ObA 163/98y, ZAS€1999, 167 (Pernkopf).
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geltfortzahlung geleistet wurde, sondern lediglich auf das vor der Erkrankung tatsächlich ins Verdienen gebrachte Entgelt und damit nur auf die Höhe der Entgeltfortzahlung Bezug nimmt. 6. Mitteilungs- und Nachweispflichten 29
§Â€1154b enthält keine ausdrücklichen Regelungen über die Verpflichtung des Arbeitnehmers, die Arbeitsunfähigkeit bekannt zu geben und ihre Ursache nachzuweisen. Eine Verpflichtung, die Arbeitsverhinderung dem Arbeitgeber mitzuteilen, ergibt sich freilich schon aus allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen. Wenn der Arbeitnehmer seine Leistung nicht erfüllen kann, gebietet die Treuepflicht, dass dem Arbeitgeber die Verhinderung mitgeteilt wird.49 Eine besondere Anordnung im Gesetz ist dafür nicht erforderlich. Auch im Anwendungsbereich des ABGB gilt daher die in den Sondergesetzen (§Â€8 AngG, §Â€4 EFZG) ausdrücklich verankerte Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung einer krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung. Das ABGB trifft auch keine besonderen Regelungen über den Nachweis der 30 Arbeitsverhinderung. Wenn der Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete Leistung nicht erbringt, obliegt ihm im Streitfall der Beweis, dass seine Abwesenheit vom Dienst gerechtfertigt war. Der Verhinderungsgrund – durch Krankheit oder Unglücksfall bedingte Unfähigkeit zur Dienstleistung – ist vom Arbeitnehmer zu beweisen.50 In den sondergesetzlichen Regelungen (§Â€8 AngG, §Â€4 EFZG) ist ausdrücklich vorgesehen, dass der Arbeitgeber ein ärztliches Zeugnis über Dauer und Ursache der Arbeitsunfähigkeit verlangen darf. Nach dem Wortlaut des ABGB kann der Arbeitnehmer im Streitfall jedes prozessual zulässige Beweismittel zum Nachweis seiner gerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst heranziehen. Zu beachten ist allerdings, dass der Arbeitnehmer nicht nur die Arbeitsunfähigkeit, sondern auch deren Ursache nachzuweisen hat. Wenn man Krankheit als einen nach den Regeln medizinischer Diagnostik regelwidrigen Zustand versteht,51 wird der Nachweis über die Ursache der Arbeitsverhinderung wohl nur durch ein ärztliches Zeugnis gelingen. Eine ausdrückliche Verpflichtung zur Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses besteht aber nach §Â€1154b nicht. Der Arbeitnehmer hat auch nachzuweisen, dass ihn die medizinisch diagÂ� 31 nostizierte Krankheit arbeitsunfähig gemacht hat. In der Praxis wird dieser Nachweis regelmäßig durch die ärztliche Bescheinigung erbracht, die auch über den Krankheitswert Auskunft gibt. Der Beweiswert einer ärztlichen Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit ist meist bescheiden, weil sich der Arzt auf die Angaben seines Patienten über die ausgeübte Tätigkeit verlassen muss. Die Bescheinigung über die Rechtsfrage der „Arbeitsunfähigkeit“ wird daher vom Arzt regelmäßig ohne Kenntnis der Art der Arbeitsleistung und der damit verbundenen Anforderungen ausgestellt.52 Drs, ZellKomm §Â€1154b Rz€8. OGH 14.11.1996, 8 ObA 2302/96d, Arb 11.518; 14.3.1978, 4 Ob 162/77, SZ 51/28. 51╇ Vgl oben Rz€6. 52╇ OGH 14.11.1996, 8 ObA 2302/96d, Arb 11.518; vgl auch Tomandl, Alternativen zur Krankschreibung, ecolex 1991, 865; Mazal, Ärztliche Bescheinigungen bei Krankenstand, RdW 1989, 273. 49╇ 50╇
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Nach der Rechtsprechung ist das Fernbleiben des Arbeitnehmers vom 32 Dienst nicht nur dann entschuldigt, wenn der Arbeitnehmer – objektiv betrachtet – arbeitsunfähig war, also infolge seiner Erkrankung nicht oder doch nur mit der Gefahr, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig war, seiner bisher ausgeübten – oder sonst nach dem Arbeitsvertrag zu verrichtenden – Tätigkeit nachzukommen, sondern auch dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit vom Arzt bejaht wurde, obwohl objektiv dazu keine Veranlassung gegeben war, der Arbeitnehmer aber auf die Richtigkeit der ausgestellten ärztlichen Bestätigung vertrauen durfte. Dem Arbeitnehmer wird in dieser Situation in aller Regel der gute Glaube zugebilligt, sich für arbeitsunfähig zu halten, wenn der Arzt zu dieser Feststellung gelangte.53 Immerhin billigt die Judikatur dem Arbeitgeber zu, die Beweisführung 33 über die Arbeitsunfähigkeit mittels Arbeitsunfähigkeitsbestätigung zu widerÂ� legen. Der Arbeitgeber kann im Prozess – meist im Gefolge einer wegen der Nichtleistung ausgesprochenen Entlassung – dartun, dass der Arbeitnehmer die Bescheinigung durch bewusst unwahre Angaben „erschlichen“ hat.54 Da §Â€1154b keine besonderen Mitteilungs- und Nachweispflichten statu- 34 iert, fehlen auch Regelungen, welche Sanktionen bei einer Verletzung von bestehenden „allgemeinen“ Mitteilungs- und Nachweispflichten eingreifen. Das ABGB trifft insbesondere nicht die Anordnung, dass der Fortzahlungsanspruch entfällt, solange die Arbeitsverhinderung nicht bekannt gegeben ist. Das Unterlassen der Mitteilung über die Arbeitsverhinderung bedeutet nicht, dass dadurch das Fernbleiben vom Dienst unrechtmäßig wird. Die Verletzung der Anzeigepflicht führt daher im Anwendungsbereich des §Â€1154b nicht zum Verlust des Fortzahlungsanspruches.55 Wenn allerdings dem Arbeitgeber dadurch ein Schaden entstanden ist, hat der Arbeitnehmer diesen durch das Nichtmelden der Verhinderung entstandenen Nachteil zu ersetzen. Muss zB wegen der nicht rechtzeitigen Meldung der Arbeitsunfähigkeit eine Nachtschicht abgesagt werden, weil der Arbeitgeber nicht mehr für Ersatz sorgen kann, sind die dem Arbeitgeber aus der Absage entstandenen Kosten zu ersetzen. Das Unterlassen der Anzeigen kann in diesem Fall auch zur Entlassung berechtigen.56 Ein Entlassungsgrund wird vor allem dann gesetzt, wenn dem Arbeitnehmer die Gefahr eines Nachteiles für den Arbeitgeber bewusst war und es leicht möglich gewesen wäre, die Dienstverhinderung anzuzeigen.57 Da dem Arbeitgeber kein Entgeltzurückbehaltungsrecht bei Unterlassen der Anzeige zusteht, ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses oft die einzig wirksame Sanktion gegen die Verletzung der Anzeigepflicht. Die zu den sondergesetzlichen Entgeltfortzahlungsbestimmungen entwickelte Judikatur, wonach das Nichtmelden der Arbeitsverhinderung durch den Fortfall der Entgeltfortzahlung ausreichend sanktioniert ist, kann auf Fortzahlungsansprüche nach §Â€ 1154b nicht übertragen werden. 53╇
OGH 14.7.1981, 4 Ob 42/81, Arb 10.004; 5.6.2002, 9 ObA 113/02m, DRdA 2003, 65. OGH 22.2.1995, 9 ObA 19/95, ecolex 1995, 505. 55╇ Krejci in Rummel3 I §Â€1154b Rz€48; ArbG Wien 9.2.1966, 3 Cr 418/65, Arb 8206. 56╇ OGH 22.10.1957, 4 Ob 109/57, Arb 6739; vgl ferner 14.3.1990, 9 ObA 69/90 (Rücknahme verkaufter Theaterkarten). 57╇ OGH 16.3.1995, 8 ObA 325/94; vgl auch Krejci in Rummel3 I §Â€1154b Rz€48. 54╇
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Anders ist die Situation bei Nichtvorlage einer vom Arbeitgeber geforderten ärztlichen Bescheinigung. Eine derartige Verpflichtung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Gelingt dem Arbeitnehmer auch ohne Vorlage einer Bescheinigung der Beweis, dass er tatsächlich arbeitsunfähig gewesen ist, steht ihm der Entgeltfortzahlungsanspruch zu. Kann er seine Abwesenheit vom Dienst nicht rechtfertigen, gebührt ihm keine Entgeltfortzahlung; die Abwesenheit ist überdies als Verstoß gegen die Arbeitspflicht zu werten, der zur Entlassung berechtigt. 7. Verhalten des Arbeitnehmers im Krankenstand
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Wenn man mit der Judikatur die These vertritt, dass eine Handlung gegen die eigenen Interessen dem Arbeitnehmer als Verletzung seiner Treuepflicht vorzuwerfen ist, wenn aus dem „Eigenschaden“ Ersatzansprüche abgeleitet werden, kann auch ein Verhalten im Krankenstand zu Nachteilen für den Arbeitnehmer führen. Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich keine Pflicht, möglichst rasch gesund zu werden. Wenn allerdings das Verhalten im Krankenstand den Heilungsprozess verzögert und damit die Entgeltfortzahlung verlängert, ist dieses Verhalten dem Arbeitnehmer als Verletzung der Treuepflicht vorzuwerfen. In der Praxis wird die Missachtung ärztlicher Anordnungen im Kranken37 stand meist mit der Entlassung des Arbeitnehmers beantwortet.58 Die Judikatur vertritt ganz allgemein die Auffassung, der Arbeitnehmer habe sich im Falle einer Krankheit und einer dadurch ausgelösten Arbeitsunfähigkeit so zu verhalten, dass die Arbeitsfähigkeit möglichst bald wiederhergestellt wird. Der Arbeitnehmer darf insbesondere die Anordnungen des Arztes oder, wenn solche infolge der allgemeinen Lebenserfahrung entbehrlich sind, die Gebote der allgemein üblichen Verhaltensweisen nicht betont und offenkundig verletzen. Ob ein Zuwiderhandeln tatsächlich zu einer Verlängerung des Krankenstands führt, ist in diesem Zusammenhang belanglos; es genügt die Eignung, den Genesungsprozess zu verzögern.59 Wenn der Arbeitnehmer die für die Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit notwendigen ärztlichen Anordnungen nicht befolgt, sondern ihnen offen zuwider handelt, werden die auf die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gerichteten dienstlichen Interessen des Arbeitgebers verletzt. Dieses Verhalten ist als wichtiger Grund für die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses anzusehen. So hat etwa die Judikatur die Teilnahme an einem Fußballspiel bei ärztlich 38 diagnostizierten Rückenschmerzen als Pflichtverletzung gewertet.60 Auch die Ausübung einer belastenden Tätigkeit bei einer stressbedingten Arbeitsunfähigkeit kann als wichtiger Grund für die sofortige Auflösung des Dienstverhältnisses angesehen werden.61 Die Entlassung erfolgt auch dann zu Recht, wenn sich der Arbeitnehmer trotz eines grippalen Infekts bei extremer Hitze Darauf weist Holzer, AngG-Komm §Â€8 Rz€9, zu Recht hin. OGH 28.2.2011, 9 ObA 128/10d, JBl 2011, 398. 60╇ OGH 28.2.2011, 9 ObA 128/10d, JBl 2011, 398. 61╇ OGH 21.1.2011, 9 ObA 3/11y. Kurze Belastungen sind aber noch nicht als Entlassungsgrund anzuerkennen. 58╇ 59╇
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Arbeitsverhinderungen durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit
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stundenlang in einer von ca zehntausend Leuten besuchten Badeanstalt aufhält.62 Kein Entlassungsgrund liegt vor, wenn das Verhalten für einen normalen Patienten ohne ärztliche Aufklärung nicht als gesundheitlich abträglich erkennbar war.63
III. Arbeitsverhinderungen durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit 1. Allgemeines Beruht die Arbeitsverhinderung auf einem Arbeitsunfall oder auf einer Be- 39 rufskrankheit, hat der Arbeitnehmer einen eigenständigen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, der vom Anspruch bei Arbeitsverhinderungen auf Grund einer Krankheit zu trennen ist. Der Anspruch besteht daher auch dann, wenn der Fortzahlungsanspruch nach §Â€ 1154b Abs€ 1 erschöpft ist. Entgeltfortzahlung nach §Â€1154b Abs€3 gebührt für einen Zeitraum von acht Wochen; nach einer Dienstzeit von 15 Jahren erhöht sich der Anspruch auf 10 Wochen. Eine weitere Fortzahlung im Ausmaß des halben Entgelts ist nach §Â€1154b Abs€3 nicht vorgesehen. §Â€1154b Abs€3 geht auf das ARÄG 200064 zurück, hatte aber ein Vorbild in 40 §Â€2 Abs€5 EFZG. §Â€2 Abs€5 EFZG hat Arbeitsverhinderungen, die auf einem Arbeitsunfall beruhten, gegenüber „einfachen“ (krankheitsbedingten) Arbeitsverhinderungen privilegiert. Diese Privilegierung bezog sich zum einen auf die Dauer der Entgeltfortzahlung, zum anderen auf den Zeitraum. Die Entgeltfortzahlung nach §Â€2 Abs€5 EFZG war auf den Anlassfall,65 die Entgeltfortzahlung bei krankheitsbedingten Arbeitsverhinderungen auf das Arbeitsjahr bezogen. In der Stammfassung des EFZG66 war die Entgeltfortzahlung bei krankheitsbedingten Arbeitsverhinderungen mit vier Wochen limitiert. Der Anspruch erhöhte sich nach fünfjähriger Dienstzeit auf sechs Wochen, nach 15 Dienstjahren auf acht Wochen und nach 25 Jahren auf zehn Wochen. Eine weitergehende Fortzahlung im Ausmaß des halben Entgelts war nicht vorgesehen. Der Anspruch bei Arbeitsunfall war daher zeitmäßig günstiger als die „allgemeine“ Regel, weil der Fortzahlungszeitraum jedenfalls acht Wochen umfasste und der erhöhte Anspruch (zehn Wochen) bereits nach 15 Dienstjahren zustand. Durch die Angleichung der Entgeltfortzahlungsvorschriften des EFZG und 41 des ABGB an das Angestelltenrecht hat sich diese Privilegierung allerdings verändert. Nach fünfjähriger Dienstzeit gebührt den Arbeitnehmern auch bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung im Ausmaß von acht Wochen, nach 25 Dienstjahren hat der Arbeitnehmer bei krankheitsbedingter Arbeitsverhinderung Anspruch im Ausmaß von 12 Wochen, bei Arbeitsverhinderungen infolge eines Arbeitsunfalles aber nur im Ausmaß von 62╇
OGH 14.9.1994, 9 ObA 126/94. OGH 21.12.2010, 8 ObA 81/10k. 64╇ BGBl I 2000/44. 65╇ Vgl dazu OGH 24.2.2009, 9 ObA 174/08s; 14.10.2008, 8 ObA 44/08s, DRdA 2010, 33 (Kozak). 66╇ BGBl 1974/399. 63╇
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zehn Wochen. Hinzu kommt, dass bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit durch jeweils vier Wochen das halbe Entgelt zu leisten ist. Ältere Arbeitnehmer sind daher bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit besser gestellt als bei Arbeitsverhinderungen, die durch einen Arbeitsunfall hervorgerufen wurden. In zeitmäßiger Hinsicht werden Arbeitnehmer nach dem EFZG und dem ABGB nur mehr in den ersten fünf Dienstjahren begünstigt. Als Privileg bleibt daher nur die auf den Anlassfall bezogene Struktur der Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfall. Ob diese Besserstellung die Verschlechterung in zeitmäßiger Hinsicht ausgleicht, muss bezweifelt werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Arbeitnehmer innerhalb eines Arbeitsjahres mehrere Arbeitsunfälle erleidet, dürfte nicht sehr hoch sein. Vorteile hat der Arbeitnehmer nur dann, wenn der „normale“ krankheitsbedingte Fortzahlungsanspruch bereits erschöpft ist.67 Die ursprüngliche Privilegierung des Arbeitsunfalles hat sich daher offenbar ins Gegenteil verkehrt.68 Eine sachliche Rechtfertigung für die Schlechterbehandlung von Arbeitsverhinderungen, die auf einem Arbeitsunfall beruhen, gegenüber krankheitsbedingten Arbeitsverhinderungen, ist nicht erkennbar. Die Regelung des ABGB und auch des EFZG ist daher nicht nur in sich widersprüchlich, sondern auch als Verstoß gegen das Gleichheitsgebot zu werten. 2. Arbeitsunfall und Berufskrankheit 42
§Â€ 1154b Abs€ 3 verweist bezüglich der Umschreibung von Arbeitsunfall und Berufskrankheit auf die Vorschriften des Sozialversicherungsrechts.69 Arbeitsunfall ist demnach ein im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung stehender Unfall;70 als Arbeitsunfälle gelten aber auch Unfälle auf Wegen von und zur Arbeit, Unfälle beim Schulbesuch und beim Studium sowie bestimmte Unfälle im Fremdinteresse. Berufskrankheiten sind die in der Anlage 1 zum ASVG aufgezählten Krankheiten, wenn sie durch die Ausübung der versicherten Tätigkeit entstehen.71 Für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach §Â€ 1154b Abs€3 ist nicht entscheidend, ob und welche Leistungen aus der Unfallversicherung beansprucht werden. Entscheidend ist nur, dass der Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit Arbeitsunfähigkeit nach sich zieht; der Arbeitnehmer muss auf Grund des Arbeitsunfalles oder der Berufskrankheit an der Leistung seiner Dienste verhindert sein. Probleme entstehen, wenn der Arbeitnehmer mehrere Berufstätigkeiten 43 (zB zwei Halbtagsbeschäftigungen) ausübt und der Arbeitsunfall beide Berufstätigkeiten unmöglich macht. Ist der Arbeitsunfall im geschützten Lebensbe67╇ Der OGH leitet daraus ab, dass die Entgeltfortzahlungsbestimmungen bei Arbeitsunfall in ihrer Gesamtheit dem Arbeitnehmer noch immer wesentliche Vorteile gegenüber den Entgeltfortzahlungsbestimmungen bei Krankheit gewähren; vgl OGH 14.10.2008, 8 ObA 44/08s, DRdA 2010, 33 (Kozak). 68╇ So auch Drs, Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfall, RdW 2007, 674. 69╇ Vgl Tomandl, Sozialrecht6 Rz€193 ff. 70╇ §Â€175 ASVG. 71╇ §Â€ 177 ASVG. In bestimmten Fällen können auch Erkrankungen, die noch nicht in die Positivliste aufgenommen sind, als Berufskrankheit anerkannt werden.
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Arbeitsverhinderungen durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit
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reich der Erwerbstätigkeit eingetreten, besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß §Â€ 1154b Abs€ 3 nur in jenem Arbeitsverhältnis, dem der geschützte Lebensbereich zugerechnet werden kann. Dies wird in §Â€1154b Abs€3 letzter Satz ausdrücklich angeordnet, ergibt sich aber schon aus dem Umstand, dass Arbeitsunfälle nur jene Unfälle sind, die in einem inneren Zusammenhang mit der die Versicherungspflicht begründenden Tätigkeit stehen. Auch wenn der Arbeitnehmer auf Grund beider Beschäftigungsverhältnisse UnfallverÂ� sicherungsschutz genießt, ist der Unfall grundsätzlich nur einer versicherten Tätigkeit zuzuordnen. Ereignet sich daher der Unfall bei Ausübung der geschützten Tätigkeit „A“, besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach §Â€1154b Abs€3; in der Beschäftigung „B“ ist der Fortzahlungsanspruch nach §Â€1154b Abs€1 zu beurteilen.72 Gleiches gilt bei Unfällen, die sich auf dem Weg zur oder von der Arbeit 44 ereignen. Entgeltfortzahlung nach §Â€1154b Abs€3 gebührt nur in jenem Arbeitsverhältnis, dem der Weg zugerechnet werden kann. Diese Zuordnung ist allerdings problematisch, wenn der Arbeitnehmer nach dem Ende der Arbeit in der Beschäftigung „A“ direkt die Arbeit in der Beschäftigung „B“ antritt. Drs will dem Arbeitnehmer in diesem Fall den Entgeltfortzahlungsanspruch bei Arbeitsunfall in beiden Arbeitsverhältnissen zubilligen.73 Zu beachten ist allerdings, dass der Weg von einer Beschäftigung zur nächsten Beschäftigung nicht automatisch beiden Beschäftigungen zurechenbar ist. Geschützt sind grundsätzlich nur Wege, die zwischen dem Beschäftigungsort und dem häuslichen Bereich des Versicherten zurückgelegt werden. Wege von oder zur Arbeit, die im eigenwirtschaftlichen Interesse zurückgelegt werden, genießen nicht den Schutz der Unfallversicherung. Es genügt daher nicht, dass ein Weg zur Arbeitsstätte hinführt oder von ihr wegführt. Ausnahmen kommen bei einer atypischen Gestaltung des Arbeitsverhältnisses zum Tragen. Wird der Versicherte außerplanmäßig zur Arbeit gerufen, ist auch der Weg vom tatsächlichen Aufenthaltsort zur Arbeit als Arbeitsweg anzusehen.74 Ein Weg, der nicht von der Wohnung aus angetreten wird, kann dann unter Unfallversicherungsschutz stehen, wenn der Wegantritt von dem anderen Ort aus objektiv begründet ist und mit der versicherten Tätigkeit in einem inneren Zusammenhang steht. So darf etwa bei einem Schichtarbeiter nicht verlangt werden, dass er sich vor Beginn der Nachtschicht zunächst in seine Wohnung begibt, um von dort den Weg zur Arbeit anzutreten. Ein Weg von einem „dritten Ort“ (zB Wohnung des Sohnes), den der Arbeitnehmer vor Arbeitsbeginn frei gewählt hat, kann in diesem Fall als Arbeitsweg gewertet werden.75 Für das hier interessierende Problem folgt daraus, dass der Weg zur Beschäftigung „B“ als Arbeitsweg in Betracht kommt; Unfälle auf diesem Weg sind dann der Beschäftigung „B“ zuzuordnen. Anders ist die Situation beim Weg, der von der Beschäftigung „A“ wegführt. Hier hat es beim allgemeinen Grundsatz zu verbleiben, dass der Weg nur dann geschützt ist, wenn er zur Ausübung einer Wohnfunktion zurück gelegt wird. Dies ist aber nicht der Fall, wenn der Weg der Arbeitsaufnahme an einem an72╇
OGH 15.3.1989, 9 ObA 73/89, DRdA 1989, 427. ZellKomm §Â€8 AngG Rz€28. 74╇ Vgl die Nachweise in OGH 10.5.2007, 10 ObS 47/07w, SSV-NF 21/27. 75╇ Vgl dazu BSGE 22, 60. 73╇
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deren Ort dient. Wege von der ersten zur zweiten Beschäftigung sind daher nur der zweiten Beschäftigung (Weg zur Arbeit) zuzuordnen.76 Die Entgeltfortzahlung für die Arbeitsverhinderung in der ersten Beschäftigung ist nach §Â€1154b Abs€1 zu beurteilen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes spielt es keine Rolle, ob sich der Arbeits45 unfall bei Ausübung der Erwerbstätigkeit, bei der Rettung eines Menschen oder bei einem neben der Erwerbstätigkeit ausgeübten Studium ereignet hat; es genügt offenbar, dass der Unfall in einem geschützten Lebensbereich eingetreten ist. Dies würde bedeuten, dass der Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung nach §Â€1154b Abs€3 auch dann verlangen könnte, wenn der Arbeitsunfall in keinerlei Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit steht; bei Ausübung mehrerer Erwerbstätigkeiten würde der erhöhte Fortzahlungsanspruch in jedem Beschäftigungsverhältnis zustehen. Eine derartige „allgemeine“ Erhöhung der Entgeltfortzahlung mag gerechtfertigt erscheinen, wenn der Verunfallte etwa als Lebensretter eingeschritten ist und dabei selbst verletzt wurde. Es ist aber nicht einzusehen, warum ein Arbeitgeber Entgeltfortzahlung nach §Â€ 1154b Abs€ 3 leisten soll, wenn der Unfall beim Studium, beim Herbeiholen einer Hebamme oder bei der Schulwegsicherung eingetreten ist. Besondere Probleme entstehen, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend wie ein Versicherter tätig geworden ist.77 Diese vorübergehende Beschäftigung könnte entsprechend der oben dargestellten Abgrenzung als „zweite“ Beschäftigung gewertet werden, auch wenn aus dieser vorübergehenden Beschäftigung gar kein Entgelt gebührt. Die Herbeiholung einer Hebamme oder das Blutspenden78 lassen sich aber einer weiteren Erwerbstätigkeit nicht gleichstellen. Aus dem systematischen Zusammenhang der Entgeltfortzahlungsregeln ist daher abzuleiten, dass die besondere Behandlung der arbeitsunfallbedingten Arbeitsverhinderungen nur für Arbeitsunfälle in Betracht kommt, die sich im geschützten Lebensbereich jener Erwerbstätigkeit ereignen, die auf Grund des Unfalles nicht mehr ausgeübt werden kann. Für die gesetzliche Unfallversicherung ist charakteristisch, dass ihre Leis46 tungen auch dann gewährt werden, wenn das schädigende Ereignis vom Versicherten selbst herbeigeführt wurde. Verbotswidriges Handeln schließt die Annahme eines Arbeitsunfalles nicht aus. Für den Entgeltfortzahlungsanspruch nach §Â€1154b Abs€3 bleibt es aber dabei, dass ein Fortzahlungsanspruch nicht besteht, wenn die Arbeitsverhinderung vom Arbeitnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde. Die sozialversicherungsrechtliche Anerkennung einer Gesundheitsschädigung als Arbeitsunfall begründet daher nicht automatisch auch einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. 3. Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruches 47
Wie schon erwähnt, ist der Anspruch nach §Â€1154b auf den Anlassfall bezogen. Bei wiederholten Arbeitsverhinderungen innerhalb eines Arbeitsjahres, die auf denselben Arbeitsunfall zurückgehen, besteht ein Anspruch auf EntVgl auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung III §Â€8 SGB VII Rz€ §Â€176 Abs 1 Z 6 ASVG. 78╇ §Â€176 Abs 1 Z 2 ASVG. 76╇ 77╇
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Arbeitsverhinderungen aus wichtigen Gründen
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geltfortzahlung nur so lang, bis der Anspruch (acht Wochen bzw zehn Wochen) erschöpft ist. Fraglich ist, ob der Arbeitnehmer, dessen Entgeltfortzahlungsanspruch in einem Arbeitsjahr ausgeschöpft wurde, bei andauernder Arbeitsverhinderung wegen des Arbeitsunfalls im neuen Arbeitsjahr einen neuerlichen Entgeltfortzahlungsanspruch in der sich aus §Â€1154b Abs€3 ergebenden Höhe hat. Ursprünglich hatte der OGH die Auffassung vertreten, dass im Fall eines 48 Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit der Beginn eines neuen Arbeitsjahres keinen neuerlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit begründet.79 Als wesentlich wurde hervorgehoben, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten grundsätzlich auf das Ereignis, nicht aber auf das Arbeitsjahr, abstelle. Von dieser Auffassung ist der OGH in der Folge abgegangen.80 Unter Hin- 49 weis auf die Judikatur zu wiederholten Arbeitsverhinderungen bei Krankheit81 meinte der OGH, dass auch bei einer ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit mit dem Beginn eines neuen Arbeitsjahrs jedenfalls ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entstehe. Diese Neuorientierung hat allerdings in der Lehre Kritik erfahren,82 die den OGH bewog, zu seiner ursprünglichen Auffassung zurückzukehren. Der OGH betonte wieder den anlassbezogenen Charakter der Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit und leitete daraus ab, dass der Fortzahlungsanspruch auch bei durchgehender Dienstverhinderung wegen eines Arbeitsunfalls bzw einer Berufskrankheit mit der€sich€aus€§Â€1154b Abs€1 bzw §Â€2€Abs€5 Satz€1 und 2 EFZG ergebenden Höhe begrenzt ist, wenn die Dienstverhinderung in das neue Arbeitsjahr hinreicht. Für die Anwendung€des€§Â€2€Abs€5 Satz€3 EFZG, der einen neuerlichen Entgeltfortzahlungsanspruch im neuen Arbeitsjahr bei wiederholter Arbeitsverhinderung gewährt, ist vorausgesetzt, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit zwischenzeitig wieder aufgenommen hat. Dieser Auffassung ist de lege lata zuzustimmen. Sie zeigt aber noch deutlicher, dass die geltende Sonderregelung für Arbeitsverhinderungen, die auf einem Arbeitsunfall beruhen, gegenüber „normalen“ Arbeitsverhinderungen sachlich nicht mehr gerechtfertigt werden kann.
IV. Arbeitsverhinderungen aus wichtigen, die Person des Arbeitnehmers betreffenden Gründen 1. Wichtige Gründe Der Arbeitnehmer kann auch aus Gründen an der Arbeitsleistung verhin- 50 dert sein, die nichts mit einer Erkrankung oder einem Arbeitsunfall zu tun haben. Nach §Â€ 1154b Abs€ 5 behält der Arbeitnehmer seinen Entgeltanspruch, 79╇
OGH 15.6.1976, 4€Ob€52/76, Arb€ OGH 7.6.2006, 9€ObA€13/06m, ZAS€2006, 165. 81╇ Vgl oben Rz€28. 82╇ Vgl dazu OGH 14.10.2008, 8€ObA 44/08s, DRdA 2010, 33 (Kozak). 80╇
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wenn er durch andere wichtige Gründe an der Dienstleistung verhindert ist, die seine Person betreffen. Diese wichtigen Gründe sind im Gesetz nicht näher umschrieben. Nach 51 ständiger Judikatur sind andere wichtige, die Person des Dienstnehmers betreffende Gründe nicht nur Gründe, die in der Person des Dienstnehmers entstanden sind, sondern auch solche, die ihn angehen und ihn entweder durch ihre unmittelbare Einwirkung an der Dienstleistung hindern, oder nach Recht, Sitte oder Herkommen wichtig genug erscheinen, um ihn davon abzuhalten.83 Ein rechtmäßiger Hinderungsgrund kann in der Regel auch dann angenommen werden, wenn dem Arbeitnehmer mit Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalles aus besonderen Gründen eine vertragsgemäße Arbeitsleistung billigerweise nicht zugemutet werden kann. Jede unvorhersehbare Kollision von Vertragspflichten mit einer höherwertigen Pflicht kann das ansonsten pflichtwidrige Unterlassen der Dienstleistung im Einzelfall rechtfertigen.84 Diese wichtigen Gründe können in tatsächliche Hinderungsgründe, in 52 rechtliche Hinderungsgründe und in Hinderungsgründe, die sich aus Sitte und Herkommen ableiten, eingeteilt werden. Innerhalb der zuletzt genannten Gruppe kann zwischen familiären und religiösen sowie gegenüber der Arbeitspflicht „höherrangigen“ Verhinderungsgründen unterschieden werden. Es handelt sich dabei allerdings um keine scharfe Grenzziehung zwischen den einzelnen Verhinderungsfällen, sondern lediglich um eine typologische Erfassung der einzelnen Verhinderungsgründe. a) Faktische Verhinderungen 53
Ein Hinderungsgrund, der dem Arbeitnehmer gar keine Wahl lässt, sich für die Verrichtung der Arbeit oder die Erfüllung einer außerdienstlichen Pflicht zu entscheiden, sondern ihn wegen unmittelbarer Einwirkung faktisch daran hindert, Arbeit zu verrichten, ist als wichtiger Grund anzuerkennen.85 Der Arbeitnehmer wird faktisch an der Arbeitsleistung vor allem dann gehindert, wenn er den Arbeitsplatz auf Grund von Naturereignissen oder Verkehrsstörungen nicht erreichen kann. Naturereignisse begründen allerdings nur dann einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach §Â€1154b Abs€5, wenn sich das Ereignis der Arbeitnehmersphäre zuordnen lässt. Höhere Gewalt, von der die Allgemeinheit betroffen ist, ist nicht (mehr) als ein die Person des Arbeitnehmers betreffender Grund anzusehen (zB Überschwemmung eines ganzen Dorfes).86 Daraus ist allerdings nicht abzuleiten, dass nur der Arbeitnehmer allein 54 vom Hinderungsgrund betroffen sein darf. Benützt der Arbeitnehmer ein Massenverkehrsmittel, das an der Weiterfahrt gehindert ist, kann der Fortzahlungsanspruch nicht mit dem Argument versagt werden, dass auch andere Arbeitnehmer, die das Verkehrsmittel benützen, von der Störung betroffen sind. Entscheidend ist nach Meinung der Judikatur die unmittelbare Einwirkung des 83╇ OGH 22.2.1966, 4 Ob 12/66, DRdA 1966, 131; 27.5.1992, 9 ObA 70/92, DRdA 1993, 45 (Ritzberger-Moser). 84╇ OGH 19.4.1977, 4 Ob 22/77, ZAS 1978, 180 (Fischer); OGH 19.3.2003, 9 ObA 26/03v. 85╇ OGH 16.12.1987, 9 ObA 202/87. 86╇ So auch Holzer, AngG-Komm §Â€8 Rz
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Ereignisses auf€den Arbeitnehmer und nicht das Entstehen des Ereignisses in seiner Person. Daher wird es als belanglos angesehen, wenn ein derartiger Grund als Massenerscheinung auftritt, der auch andere Arbeitnehmer betrifft.87 b) Rechtliche Gründe Zu den rechtlichen Verhinderungsgründen gehören vor allem behördliche 55 oder gerichtliche Vorladungen,88 die Tätigkeit als fachkundiger Laienrichter,89 Geschworener und Schöffe oder die Erfüllung einer Impfpflicht.90 Von einer rechtlichen Verhinderung kann auch gesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer wegen Behebung einer Telefonstörung persönlich in seiner Wohnung anwesend sein muss.91 Die eigene Eheschließung ist ebenfalls als rechtlicher Hinderungsgrund anzusehen, wenn das persönliche Erscheinen vor dem Standesbeamten rechtlich gefordert ist.92 Wird der Arbeitnehmer durch eine ausländische behördliche Verfügung 56 gehindert, die Arbeit im Inland anzutreten, ist diese ausländische Entscheidung ebenfalls als rechtliches Hindernis der Arbeitsaufnahme anzusehen, das die Pflichtwidrigkeit des verspäteten Arbeitsantrittes ausschließt.93 Zu erwähnen ist schließlich noch die Aufbietung von Personen durch den 57 Bürgermeister zur unentgeltlichen Hilfeleistung in Katastrophenfällen.94 c) Sitte und Herkommen Zu den nach Sitte und Herkommen anzuerkennenden Verhinderungsgrün- 58 den gehören vor allem familiäre oder religiöse Verpflichtungen, die den Arbeitnehmer gerechtfertigt von der Arbeitsleistung abhalten. Die familiären Beistandspflichten gebieten, dass der Arbeitnehmer er- 59 krankte Ehepartner, Kinder oder Eltern zu pflegen hat, wenn diese eine Betreuung benötigen.95 Die notwendige Pflege von Angehörigen rechtfertigt die Abwesenheit vom Dienst. Auch der Besuch schwer kranker naher Angehöriger im Krankenhaus kann ein gerechtfertigter Hinderungsgrund sein.96 Allerdings ist die Betreuung der dreieinhalbjährigen Tochter während eines Spitalaufenthaltes kein solcher Grund, wenn es sich nicht um einen Akutfall handelt.97 Missverständlich ist, wenn der OGH aus der Bestimmung des §Â€16 UrlG 60 (Pflegefreistellung) ableitet, dass der Gesetzgeber „in den dort genannten Fällen“ der Notwendigkeit der Pflege von nahen Angehörigen diesen Aufgaben den Verpflichtungen aus dem Dienstvertrag gegenüber den Vorrang einräumt 87╇
OGH 24.2.1988, 9 ObA 42/88. OGH 25.3.1986, 4 Ob 35/85. 89╇ OGH 26.2.2004, 8 ObA 71/03d. 90╇ Holzer, AngG-Komm §Â€8 Rz€52. 91╇ OGH 27.5.1992, 9 ObA 70/92, DRdA 1993, 7 (Ritzberger-Moser). 92╇ Vgl dazu Holzer, AngG-Komm §Â€8 Rz€43. 93╇ OGH 10.4.1996, 9 ObA 21/96. 94╇ Vgl zB §Â€47 Abs 3 Stmk Gemeindeordnung€1967, LGBl 1967/115. 95╇ OGH 29.4.1958, 4 Ob 45/58, Arb 6868. 96╇ OGH 13.2.2003, 8 ObA 6/03w. 97╇ OGH 23.11.1993, 9 ObA 231/93. 88╇
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und „unter den Bedingungen des Urlaubsgesetzes“ einen Freistellungsanspruch gewährt.98 Damit ist nicht gesagt, dass eine Freistellung wegen der notwendigen Pflege naher Angehöriger nur unter den Bedingungen des UrlG gerechtfertigt ist. Die Entscheidung besagt nur, dass der relativ zwingende Anspruch auf Freistellung und Fortzahlung des Entgelts im Anwendungsbereich des UrlG nur dann in Betracht kommt, wenn die gesetzlichen Bedingungen dafür erfüllt sind. Im Anwendungsbereich des §Â€1154b sind die formalen Kriterien des UrlG jedoch nicht anzuwenden. Als familiäre Pflicht, die den Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung abhält, hat die Judikatur auch die Teilnahme an der Taufe, Firmung oder Eheschließung von Kindern, die Teilnahme an der Silbernen Hochzeit des Onkels und Ziehvaters,99 aber auch Sorgepflichten für Kinder, wie zB die Begleitung des Kindes zum Zahnarzt100 oder zum Flughafen101 gewertet. Auch religiöse Verpflichtungen können einen Entgeltfortzahlungsanspruch begründen. Der grundrechtliche Schutz von Glauben und Gewissen ist in Österreich durch Art€14 StGG, Art€63 Abs€2 StV von Saint-Germain und Art€9 MRK im Rahmen bestimmter Gesetzesvorbehalte verwirklicht. Alle diese Bestimmungen wollen im Ergebnis sicherstellen, dass kein Mensch entgegen einer für ihn bindend und unbedingt verpflichtend angesehenen ernsthaften Entscheidung handeln muss.102 Art€9 MRK schützt allerdings nicht jede mit einer Religion oder Weltanschauung begründete oder durch sie angeregte Handlung.103 Die Vorschrift gibt insbesondere keinen Anspruch auf Fernbleiben von der Arbeit an einem religiösen Feiertag.104 Das Fernbleiben von der Arbeit ist nach Meinung des EGMR kein durch Art€9 MRK geschütztes Bekenntnis der Religion. Will der Arbeitnehmer an einem religiösen Feiertag von der Arbeit fernbleiben, so bedarf es dafür einer besonderen gesetzlichen oder vertraglichen Grundlage. Eine gesetzliche Grundlage findet sich in §Â€8 ARG. Danach hat der Arbeitnehmer, der während der Wochenend- oder Feiertagsruhe beschäftigt wird, Anspruch auf die zur Erfüllung seiner religiösen Pflichten notwendige Freizeit, wenn diese Pflichten nicht außerhalb der Arbeitszeit erfüllt werden können und die Freistellung mit den Erfordernissen des Betriebes vereinbar ist. §Â€8 ARG hat vor allem religiöse Verpflichtungen im Auge, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu Kollisionen mit der Arbeitspflicht führen. Der Gesetzgeber räumt bei solchen regelmäßig wiederkehrenden Konflikten der Arbeitspflicht Vorrang ein. Das Gesetz statuiert keinen unbedingten Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht. Die religiöse Verpflichtung bleibt unbeachtlich, wenn eine Freistellung von der Arbeit aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist. Für die Erfüllung religiöser Pflichten außerhalb der Wochenend- und Feiertagsruhe bestehen keine besonderen Freistellungsansprüche. Durch die 98╇
OGH 22.10.1997, 9 ObA 259/97x. OGH 22.2.1966, 4 Ob 12/66, DRdA 1966, 131. 100╇ OGH 13.2.2003, 8 ObA 6/03w. 101╇ OGH 15.2.2001, 8 ObA 16/01p. 102╇ St. Korinek/Vonkilch, Gewissen contra Schadensminderungspflicht, JBl 1997, 756. 103╇ EGMR 1.7.1997 (Kalac gg Türkei), Slg 1997-IV, 1209. 104╇ EGMR 13.4.2006 (Kosteski gg Mazedonien), NZA 2006, 1401. 99╇
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gesetzliche Regelung werden daher in erster Linie Angehörige der katholischen Kirche privilegiert, weil sich die staatliche Feiertagsregelung vor allem an den Bedürfnissen der katholischen Kirche orientiert.105 Der Arbeitgeber hat unvorhersehbare Gewissenskonflikte seiner Arbeit- 65 nehmer aber auch ohne eine besondere gesetzliche Regelung zu respektieren. Bei Abschluss des Arbeitsvertrages ist meist nicht absehbar, ob die Einforderung bestimmter Dienstleistungen mit religiösen Überzeugungen oder anderen Werthaltungen des Arbeitnehmers in Konflikt geraten wird. Es ist durchaus denkbar, dass die Vertragstreue den Dienstverpflichteten in eine Konfliktsituation bringen kann, weil er bei Erfüllung des Vertrages gegen Gebote verstoßen würde, die ihm sein Glaube vorschreibt. Die Judikatur hat daher etwa das Sprechen des Erlösungsgebetes am Grab des in Israel verstorbenen und dort begrabenen Vaters106 oder die Teilnahme an der Seelenmesse für einen nahen Angehörigen107 als eine gegenüber der Vertragstreue höherwertige Pflicht erachtet und eine Abwesenheit vom Dienst als gerechtfertigt angesehen. Das Problem liegt freilich darin, dass nicht immer klar ist, wann ein derar- 66 tiger Konflikt vorliegt. Es kann nicht Aufgabe des Arbeitgebers sein zu bestimmen, wie gläubig jemand sein darf. Die Abgrenzung eines beachtlichen Konfliktes von einem für das Schuldverhältnis irrelevanten Konflikt muss vielmehr in der Vorhersehbarkeit des Konflikts gefunden werden. Die Vorhersehbarkeit des Konflikts verlagert das Problem von der Beurteilung des Gewissens oder der religiösen Überzeugung zu den Rechtsfolgen des Konflikts. Vorhersehbare Leistungsstörungen lassen die vertragliche Leistungspflicht grundsätzlich unberührt und berechtigen nicht zur Anpassung des Vertrages.108 Muss der Arbeitnehmer schon bei Eingehen der vertraglichen Bindung damit rechnen, dass sich die Erfüllung des Vertrages mit seinem religiösen Weltbild nicht vertragen wird, kann er sich später nicht auf die Konfliktsituation berufen. Insoweit ist der Judikatur zuzustimmen, wenn sie die Befreiung von der Arbeitspflicht auf unvorhergesehene Ereignisse beschränkt.109 Zu den sonstigen „höherrangigen“ Verhinderungsgründen gehören Um- 67 stände, die im öffentlichen Interesse liegen und den Arbeitnehmer an der Erfüllung der Arbeitspflicht hindern. Dazu zählt etwa die Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr, bei der Bergrettung oder bei anderen Hilfsorganisationen.110 Auch die Tätigkeit als Abgeordneter liegt im öffentlichen Interesse, wenn der Vertretungskörper nicht aus berufsmäßigen Mandataren zusammengesetzt, sondern Spiegelbild der beruflichen Zusammensetzung der Bevölkerung sein soll. Zu beachten ist allerdings, dass diese „öffentlichen“ Betätigungen mit einer gewissen Regelmäßigkeit gesetzt werden müssen; die Kollision mit den 105╇ Wieshaider, Das staatliche Feiertagsrecht als vergessene Umsetzungsmaterie der RichtÂ� linie 2000/78/EG, öarr 2008, 279 (281). 106╇ OGH 25.4.1996, 8 ObA 2058/96x. 107╇ Vgl Holzer, AngG-Komm §Â€8 Rz€44. 108╇ Ausführlich Schrammel, Innere Medienfreiheit und Arbeitsrecht, in Aicher/Holoubek (Hrsg), Das Recht der Medienunternehmen, 65 ff. 109╇ Vgl dazu Schrammel, Diskriminierungsverbot, Privatautonomie und Religionsfreiheit, öarr 2008, 219. 110╇ Holzer, AngG-Komm §Â€8 Rz€51. Nicht gerechtfertigt ist die Abwesenheit vom Dienst, um an einem Feuerwehrausflug teilzunehmen. OGH 4.11.1986, 4 Ob 156/85, Arb 10.563.
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Vertragspflichten ist daher vorhersehbar. Man kann daraus ableiten, dass die Abwesenheit vom Dienst während einer Feuerwehrübung zwar gerechtfertigt ist, aber nicht notwendigerweise einen Fortzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber begründet. Dies gilt auch für regelmäßig wiederkehrende Sitzungen eines allgemeinen Vertretungskörpers. Die Entgeltfortzahlung ist auf unvorhersehbare Ereignisse (Brandeinsatz) zu beschränken. Keine Entgeltfortzahlung gebührt, wenn die Abwesenheit vom Dienst rein 68 privaten Charakter hat. Die Grenzziehung zwischen einem rein privaten Grund und einem die Privatsphäre betreffenden wichtigen (höherrangigen) Grund ist freilich nicht einfach. Die Judikatur hat etwa die Ablegung der Jagdprüfung nicht als wichtigen Grund gewertet, weil die Prüfung nur bezweckte, dem Arbeitnehmer in seinem eigenen Interesse die von ihm angestrebte sportlichen Interessen gewidmete Freizeitgestaltung zu ermöglichen.111 Privaten Zwecken dienen in der Regel aber auch die Ablegung der Führerscheinprüfung,112 die Impfung, um in ein bestimmtes Urlaubsgebiet zu fahren, oder die Übersiedlung in eine neue Wohnung. Beim Führerschein lässt sich argumentieren, dass die Benutzung eines PKW auch das Erreichen des Arbeitsplatzes ermöglicht und die Führerscheinprüfung insoweit einen betrieblichen Bezug aufweist. Impfungen können verhindern, dass der Arbeitnehmer während des Urlaubs erkrankt; sie dienen daher auch der Erhaltung der Arbeitskraft. Insoweit handelt es sich noch um einen „wichtigen“ Grund, der allerdings nur dann die Abwesenheit und die Lohnfortzahlung rechtfertigt, wenn die Prüfung oder Impfung nicht außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt werden kann. Bei Übersiedlungen ist dieser betriebliche Bezug in der Regel nicht gegeben.113 Der Wohnungswechsel ist daher in der Regel keine höherrangige Pflicht, die der Arbeitspflicht vorgeht. 2. Arbeitsverhinderung 69
Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht nur dann, wenn der Hinderungsgrund notwendigerweise in die Arbeitszeit fällt.114 Probleme entstehen in diesem Zusammenhang, wenn der Hinderungsgrund vom Arbeitnehmer beeinflusst werden kann, wie dies etwa bei einem Arztbesuch oder bei der Beantragung eines Reisepasses der Fall ist. Die Judikatur geht davon aus, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich verpflichtet ist, seine Person betreffende Gründe so zu gestalten, dass sie tunlichst nicht in die Arbeitszeit fallen bzw den Arbeitsablauf möglichst wenig stören.115 Hat der Arbeitnehmer eine Gleitzeitvereinbarung mit freier Festlegung der Arbeitszeit getroffen, darf der Arbeitnehmer von sich aus die Arbeitszeit nicht ausschließlich auf die Zeiten der Arbeitsverhinderungen festlegen. Auf der anderen Seite kann der Arbeitnehmer auch 111╇
OGH 12.10.1988, 9 ObA 227/88, RdW 1989, 139. Vgl Frömmel, Fernbleiben zur Teilnahme an Führerscheinprüfung als Entlassungsgrund, RdW 1987, 95. 113╇ Vgl Drs, ZellKomm §Â€8 AngG Rz€136. 114╇ Unter Hinweis auf die Möglichkeit, mit Scheck oder Kreditkarte zu bezahlen bzw mittels Bankomatkarte Geld auch außerhalb der Banköffnungszeiten zu beheben, verneint Petrovic (RdW 1991, 329 ff) einen Anspruch auf bezahlte Freizeit für Bankwege bei unbarer Gehaltszahlung. 115╇ OGH 26.2.2004, 8 ObA 71/03d. 112╇
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Arbeitsverhinderungen aus wichtigen Gründen
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nicht verpflichtet sein, jede Arbeitsverhinderung gleichsam „nachzuarbeiten“. Da eine Gleitzeitvereinbarung nach §Â€4b Abs€3 Z 4 AZG auch Dauer und Lage einer fiktiven Normalarbeitszeit festlegen muss, gebührt die Entgeltfortzahlung für die Dauer der versäumten fiktiven Normalarbeitszeit.116 Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich verpflichtet, die Dienstverhinderung 70 dem Arbeitgeber umgehend mitzuteilen und glaubhaft darzulegen. Eine andere Frage ist, ob der Arbeitnehmer die Verhinderung bereits im Vorhinein anzuzeigen hat, wenn sie voraussehbar ist. Ist eine Vorsprache oder Antragstellung bei einer Behörde nicht an einen bestimmten Tag gebunden, hat der Arbeitnehmer nach Meinung der Judikatur die Verhinderung nicht nur anzuzeigen, sondern mit dem Arbeitgeber auch das Einvernehmen über den von ihm für möglich gehaltenen verspäteten Dienstantritt herzustellen. Die vorherige Ankündigung ist schon deshalb geboten, damit der Arbeitgeber entsprechende Dispositionen treffen kann, um den Ausfall der Arbeitskraft zu substituieren. Eine Verständigung über das Fernbleiben ist immer dann notwendig, wenn der Arbeitnehmer nach der Art des Hinderungsgrundes auf einen ganz bestimmten Termin der Freistellung nicht angewiesen ist, sondern darüber frei disponieren kann. In diesem Fall ist jeweils im Einzelfall eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und jenen des Arbeitnehmers vorzunehmen und ein Einvernehmen über den Zeitpunkt des Fernbleibens mit dem Arbeitgeber anzustreben. Der Arbeitgeber darf das Freistellungsansuchen nur ablehnen, wenn im Falle seiner Erfüllung am gewünschten Tag eine Störung des Geschäftsbetriebes zu erwarten ist.117 Unterlässt der Arbeitnehmer die Arbeit ohne vorherige Mitteilung oder 71 ohne vorheriges Einvernehmen mit dem Arbeitgeber, ist bezüglich der Rechtsfolgen zu differenzieren. Wenn objektiv gesehen ein wichtiger Hinderungsgrund vorgelegen ist, der auch zum Entfall der Arbeit an dem betreffenden Tag führen musste, berechtigt eine bloße Verletzung der Mitteilungspflicht im Allgemeinen nicht zur Entlassung; das Unterlassen der Mitteilung kann aber ein Mitverschulden des Arbeitnehmers an seiner – ungerechtfertigten – Entlassung begründen, wenn der Arbeitgeber bei Kenntnis des Rechtfertigungsgrundes die Entlassung aller Voraussicht nach nicht ausgesprochen hätte.118 Anders ist die Situation, wenn der Arbeitnehmer über den Termin des Fernbleibens von der Arbeit disponieren konnte und das anzustrebende Einvernehmen nicht hergestellt hat. Wenn die Interessen des Arbeitgebers am Dienstantritt höherrangig waren, ist das Unterlassen der Dienstleistung nicht gerechtfertigt und somit ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses.119 3. Verschulden Im Übrigen schließt jedes Verschulden des Arbeitnehmers, also auch leich- 72 te Fahrlässigkeit, den Entgeltfortzahlungsanspruch aus.120 Das Verschulden 116╇
So OGH 26.2.2004, 8 ObA 71/03d. Vgl OGH 10.6.1975, 4 Ob 29/75. 118╇ OGH 25.4.1996, 8 ObA 2058/96x, ZAS 1997, 55 (Apathy); vgl auch §§Â€1162a–d Rz€60. 119╇ OGH 24.10.1968, 4 Ob 49/68, Arb 8564. 120╇ Vgl Holzer, AngG-Komm §Â€8 Rz in Rummel3 I §Â€1154b Rz€43. 117╇
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des Arbeitnehmers ist erst dann zu prüfen, wenn feststeht, dass eine Dienstverhinderung durch einen wichtigen persönlichen Grund bedingt ist. Kann über die Dienstverhinderung disponiert werden, weil der wichtige Grund keinen bestimmten Zeitpunkt der Verhinderung bedingt, so ist die oben erwähnte Interessenabwägung nicht unter dem Blickwinkel des Verschuldens vorzunehmen. Das mögliche Verschulden kommt erst dann zum Tragen, wenn sich die Abwesenheit vom Dienst an einem bestimmten Tag als notwendig erweist, die Verhinderung aber hätte vermieden werden können. Zu denken ist hier etwa an die Vornahme einer Impfung als Voraussetzung für den Antritt einer Reise, die aber auch früher ohne Beeinträchtigung der Arbeit hätte durchgeführt werden können. Wenn der Arbeitnehmer grundsätzlich verpflichtet ist, seine Person betreffende Gründe so zu gestalten, dass sie tunlichst nicht in die Arbeitszeit fallen, ist die Abwesenheit vom Dienst – die notwendig ist, damit die Reise angetreten werden kann – dem säumigen Arbeitnehmer als Verschulden anzulasten. Wird der Arbeitnehmer faktisch – durch Verspätung eines Massenverkehrs73 mittels – an der Arbeitsleistung gehindert, ist diese schuldhaft herbeigeführt, wenn der Arbeitnehmer die üblichen Verspätungen im Individualverkehr infolge häufig vorkommender Verkehrsstockungen sowie die (meist geringfügigen) gewöhnlichen Verspätungen im Massenverkehr fahrplanmäßiger Beförderungsmittel nicht durch rechtzeitigen Antritt der Fahrt zur Arbeit einkalkuliert hat.121 4. Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruches 74
Entgeltfortzahlung nach §Â€1154b Abs€5 gebührt pro Anlassfall, aber nur für eine „verhältnismäßig kurze Zeit“. Als Richtwert kann ein Zeitraum von einer Woche gelten. Bis zum In-Kraft-Treten des ARÄG 2000122 war der Fortzahlungszeitraum mit einer Woche begrenzt. §Â€8 Abs€3 AngG hatte demgegenüber die Begrenzung mit einer Woche nicht vorgesehen. Nunmehr kann auch nach §Â€1154b Abs€5 Entgeltfortzahlung für einen die Woche übersteigenden Zeitraum begehrt werden.
V. Unabdingbarkeit 75
Die Entgeltfortzahlungsansprüche nach §Â€1154b Abs€1 bis 4 können weder durch den Arbeitsvertrag noch durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung aufgehoben oder beschränkt werden. Hingegen können Entgeltfortzahlungsansprüche nach §Â€ 1154b Abs€ 5 durch Kollektivvertrag abgeändert, dh für den Arbeitnehmer auch verschlechtert werden. Bestehende Kollektivverträge gelten als derartige abweichende Regelungen. Der Gesetzgeber des ARÄG 2000123 wollte die bestehende Praxis, dass 76 Kollektivverträge eine nähere Umschreibung der dem Arbeitnehmer zustehenden Fortzahlungsansprüche bei wichtigen persönlichen Gründen vornehmen, 121╇
OGH 16.12.1987, 9 ObA 202/97. BGBl I 2000/44. 123╇ BGBl I 2000/44. 122╇
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Literatur
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unberührt lassen. Zahlreiche Kollektivverträge enthalten Listen, in denen verschiedene Hinderungsgründe und die dafür zu bezahlenden Tage aufgezählt sind. Diese Listen haben einen durchaus ambivalenten Charakter. Zum Teil werden die Fortzahlungsansprüche gegenüber der gesetzlichen Regelung verbessert, etwa wenn Entgeltfortzahlung bei Heirat jedenfalls für drei Tage zu leisten ist oder auch Übersiedlungen als wichtiger Grund gelten; zum Teil beschränken die Kollektivverträge aber auch den Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn die Liste taxativen Charakter hat. Ist zB die Pflege von Angehörigen in einer taxativen Liste nicht enthalten, hat der Arbeitnehmer auch keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. §Â€ 1154b Abs€ 5 verbietet den Einzelvertragsparteien, die Entgeltfortzah- 77 lungsansprüche abzudingen; den Kollektivvertragsparteien steht diese Möglichkeit weiterhin offen. Insoweit ist die Angleichung der Rechtsstellung von Angestellten und Arbeitern nur partiell erfolgt. Angestellte haben nach §Â€ 8 Abs€ 3 einen zwingenden Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Verhinderung aus wichtigen, die Person betreffenden Gründen; der Anspruch nach §Â€1154b ist kollektivvertragsdispositiv.
§Â€1155. (1) Auch für Dienstleistungen, die nicht zustande gekommen sind, gebührt dem Dienstnehmer das Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Dienstgebers liegen, daran verhindert worden ist; er muß sich jedoch anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. (2) Wurde er infolge solcher Umstände durch Zeitverlust bei der Dienstleistung verkürzt, so gebührt ihm angemessene Entschädigung. IdF RGBl 1916/69 (III. Teilnovelle). Mat: 78 BlgHH, 21. Session 1912. Lit: Tomandl, Der Lohnanspruch Arbeitswilliger im Arbeitskampf, AcP Bd 164 (1964) 183; Schnorr, Entgeltansprüche bei Nichtleistung der Arbeit, in Tomandl (Hrsg), Entgeltprobleme aus arbeitsrechtlicher Sicht (1979) 21; Binder, Die Beendigung arbeitsvertraglicher Bindungen bei Eintritt dauernder Leistungsunmöglichkeit, FS Strasser (1983) 271; Holzer, Verschuldeter Annahmeverzug des Arbeitgebers und Anrechnung anderweitig absichtlich versäumten Verdienstes, DRdA 1983, 7; Krejci, Lohnzahlung bei Teilstreik (1988) 58; Binder, Vorteilsanrechnung im Arbeitsverhältnis, FS Schwarz (1991) 35; Schindler, Rechtsfragen des Streiks unter besonderer Berücksichtigung der Entgeltfortzahlung, in Resch/Reinhard, Fragen der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers (2004) 65; Marhold, Entgeltanspruch für Trittbrettfahrer?, ASoK 2005, 78; Ettmayer, Die Anrechnung des zu erwerben absichtlich Versäumten nach §Â€1155 ABGB, JBl 2006, 295; Binder, Zur Bemessung und Dauer von Entgeltfortzahlungsansprüchen, ZAS 2007, 100; Gerhartl, Anrechnung bei Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsausfall aus Umständen in der Arbeitgebersphäre, wbl 2007, 14; Naderhirn, Zum Verhältnis ausgewählter Entgeltfortzahlungstatbestände zueinander, ZAS 2007, 111.
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Übersicht I. II.
Anwendungsbereich Voraussetzungen der Fortzahlungspflicht 1. Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers 2. Die Abgrenzung der Sphären 3. Mehrfachverhinderungen III. Entgelt IV. Anrechnung eines anderweitigen Verdienstes 1. Allgemeines 2. Kongruenz 3. Absichtlich versäumtes Entgelt 4. Tatsächlich bezogenes Entgelt 5. Ersparnisse V. Entgeltschmälerung durch Zeitverlust VI. Abdingbarkeit
1–9 10–27 10–13 14–23 24–27 28–29 30–47 30–35 36–37 38–43 44–46 47 48–49 50–52
I. Anwendungsbereich 1
§Â€1155 überbürdet dem Arbeitgeber das Lohnrisiko, wenn die Dienstleistung des dazu bereiten Arbeitnehmers durch Umstände unterbleibt, die auf seiner Seite liegen; dem an der Dienstleistung behinderten Arbeitnehmer gebührt bis zur Beseitigung des Hindernisses das Entgelt, das er ohne das Hindernis verdient hätte.1 §Â€ 1155 erweist sich nach seinem Wortlaut als eine SonderÂ� regelung der Rechtsfolgen von Leistungsstörungen im aufrechten Arbeitsverhältnis.2 Fraglich ist allerdings, welche allgemeinen Vorschriften des Schuldrechts 2 über die Leistungsstörungen durch §Â€ 1155 modifiziert werden. Naheliegend ist, §Â€1155 als Sonderregelung zu den §§Â€1447 und 1419 zu verstehen. Nach §Â€ 1447 hebt der zufällige gänzliche Untergang einer bestimmten Sache alle Verbindlichkeit, selbst die, den Wert derselben zu vergüten, auf. Dieser Grundsatz gilt auch für diejenigen Fälle, in welchen die Erfüllung der Verbindlichkeit oder die Zahlung einer Schuld durch einen andern Zufall unmöglich wird. Bei zufälliger Unmöglichkeit der Leistungserbringung – die der Arbeitgeber nicht verschuldet oder sonst zu vertreten hat3 – würde der Arbeitgeber somit von der Entgeltpflicht befreit. Bei Annahmeverzug (§Â€1419) bliebe der Arbeitgeber weiterhin zur Entgeltzahlung verpflichtet. In seiner Stammfassung hatte §Â€1155 die Lohnfortzahlung auf Zufälle in 3 der Person des Arbeitgebers bezogen. Damit waren aber nur die Person selbst treffende Ereignisse gemeint, nicht aber „äußere“ Zufälle, wie zB BetriebsstöVgl Ehrenzweig, System II/12, 493. Schnorr, Entgeltansprüche bei Nichtleistung der Arbeit, in Tomandl, Entgeltprobleme aus arbeitsrechtlicher Sicht 21; vgl auch Bydlinski, Arbeitsrechtskodifikation und allgemeines Zivilrecht, 137 f. 3╇ Vgl OGH 23.4.1963, 8 Ob 91/63, SZ 36/65; Rebhahn, ZellKomm §Â€1155 Rz 4; Holly in Kletečka/Schauer, ABGB-ON §Â€1447 Rz 15. 1╇ 2╇
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rungen udgl.4 Nicht erfasst war auch der Annahmeverzug des Arbeitgebers. Die nunmehr vom Gesetz verwendete Formulierung „Umstände, die auf Seite des Dienstgebers liegen“ schließt nach ihrem äußerst möglichen Wortsinn sowohl alle objektiven als auch alle subjektiven, alle unverschuldeten und alle verschuldeten Gründe der Arbeitsverhinderung in sich, soweit sie zur Risikosphäre des Arbeitgebers gerechnet werden können.5 Dies war auch die Absicht des Gesetzgebers der III. Teilnovelle. Unter §Â€1155 sind demnach ua das von keiner Vertragspartei verschuldete, aber in die Risikosphäre des Arbeitgebers fallende Unmöglichwerden der Arbeitsleistung im Verlauf des aufrechten Arbeitsverhältnisses, das vom Arbeitgeber verschuldete Unmöglichwerden der Arbeitsleistung, die vom Arbeitnehmer nicht verschuldete, in die Risikosphäre des Arbeitgebers fallende Erfolglosigkeit des Arbeitsantrittes und schließlich auch der Annahmeverzug des Arbeitgebers zu subsumieren.6 Gegen diesen „allgemeinen“ Charakter der Regelung wird oft ins Treffen 4 geführt, dass §Â€1155, jedenfalls aber die Anrechnungsregel betreffend das anderweitig Verdiente oder zu verdienen Versäumte, im Falle des Annahmeverzuges nicht zur Anwendung gelangen soll. Für den Annahmeverzug habe der Gesetzgeber ohnehin in §Â€ 1419 eine Regelung bereit gestellt, die dem leistungsbereiten Arbeitnehmer den Lohn sichert, wenn der Arbeitgeber die Dienste nicht entgegennimmt. Hat nämlich der Gläubiger gezögert, die Zahlung anzunehmen, so fallen nach dieser Bestimmung die widrigen Folgen auf ihn. Der Gläubiger gerät in Verzug, wenn er die Annahme der vom Schuldner ordnungsgemäß angebotenen Leistung verweigert. Die Annahmeverweigerung muss nicht in einer Willenserklärung bestehen, schon ein die Leistung bloß faktisch zurückweisendes Verhalten reicht aus, um Annahmeverzug zu bewirken.7 Der Gläubiger gerät auch dann in Annahmeverzug, wenn seine Mitwirkung für die Erfüllung der Verbindlichkeit notwendig ist, diese Mitwirkung aber unterlassen wird. Als fehlende Mitwirkungshandlungen des Arbeitgebers wäre etwa die Nichtbekanntgabe der Spieltermine an einen Opernsänger zu werten.8 Der Gläubigerverzug lässt die Verbindlichkeit aufrecht;9 der die Leistung 5 verweigernde Arbeitgeber bleibt daher weiter zur Lohnzahlung verpflichtet. ohne dass sich der Arbeitnehmer das anderweitig Verdiente anrechnen lassen müsste. Es erscheint daher auf den ersten Blick nicht völlig inkonsequent zu sein, wenn man §Â€1155 nur auf unmöglich gewordene Dienstleistungen anwendet. Zu beachten ist allerdings, dass die Abgrenzung zwischen Annahmeverzug 6 und Unmöglichkeit der Dienstleistung große Schwierigkeiten bereitet. Gegenstand des Arbeitsvertrages ist nicht die einzelne jeweils geschuldete Arbeitsleistung oder die Summe aller jeweils zu erbringenden Leistungen, sondern die Bereitschaft, dem Arbeitgeber die eigene Arbeitskraft im vertraglich abge4╇ Vgl Zeiller, Commentar III 497; vgl auch den Bericht des Justizausschusses, 78 BlgHH, 21. Sess 221. 5╇ Schnorr, Entgeltansprüche 25. 6╇ Vgl Schrammel, ZAS 1983, 63 ff; Schnorr, Entgeltansprüche 23. 7╇ So Stabentheiner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON §Â€1419 Rz 3. 8╇ Vgl OGH 10.6.1975, 4 Ob 23/75, ZAS 1977, 57 (Schrammel). 9╇ Reischauer in Rummel3 I §Â€1419 Rz 10; OGH 21.1.1954, 2 Ob 1012/53, JBl 1954, 395.
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steckten Rahmen zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitnehmer erfüllt also bereits eine Pflicht aus dem Arbeitsvertrag, wenn er seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber bereit stellt. Der Arbeitnehmer ist zwar des weiteren verpflichtet, den Verfügungen des Arbeitgebers im Rahmen des vertraglich Vereinbarten auch nachzukommen – insoweit schuldet der Arbeitnehmer also auch die tatsächliche Erbringung der Dienste –, eine entgeltfähige Leistung des Arbeitnehmers liegt aber unabhängig davon vor, ob der Arbeitgeber von der Arbeitskraft des Arbeitnehmers Gebrauch macht, über den Arbeitnehmer verfügt und ihn zu seinem Nutzen einsetzt.10 Wenn zB der Arbeitnehmer (Zugbegleiter) am Arbeitsplatz erscheint, sich 7 dienstbereit meldet, aber nicht beschäftigt werden kann, weil etwa die Lokführer streiken und daher keine Züge verkehren, stellt sich die Frage, ob allein das tatsächliche Vorliegen eines Dienstverhinderungsgrundes bereits als Annahmeverzug gewertet werden kann. Der OGH hat in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber sei im Allgemeinen verpflichtet, den Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass er die angebotene Arbeitsleistung nicht annehmen will oder kann. Ohne eine entsprechende Erklärung des Arbeitgebers dürfte nämlich der Arbeitnehmer nicht darauf vertrauen, dass seine Dienste an dem betreffenden Arbeitstag endgültig nicht angenommen werden. Er dürfte sich dementsprechend auch nicht vom Betriebsgelände entfernen, will er nicht ein vertragswidriges Verhalten setzen, das den Arbeitgeber in letzter Konsequenz sogar zu einer Entlassung berechtigen könnte.11 Der Arbeitgeber sei auch im Streikfall derjenige, dem die betrieblichen Dispositionen, also auch jene über den Einsatz der Arbeitskräfte, obliegen. Der Arbeitgeber könnte etwa interessiert sein, dass sich der Arbeitnehmer am Bahnhof aufhält, damit sofort nach Streikende die Züge wieder abfahrbereit sind. Hält man sich diesen Umstand vor Augen, dann kann das Unterbleiben der konkreten Dienstleistung für sich allein noch nicht als Annahmeverzug verstanden werden. Annahmeverzug würde erst dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber erklärt, die Leistung nicht annehmen zu wollen. Das Unterbleiben der Dienstleistung kann aber auch nicht ohne weiteres als Unmöglichkeit der Leistungserbringung verstanden werden, weil – wie gezeigt – die Anwesenheit am Dienstort ja bereits eine Verfügung über die Arbeitskraft darstellen kann.12 Bydlinski13 hat zu Recht darauf hingewiesen, dass §Â€1155 keine Unmög8 lichkeit der Dienstleistung verlange, sondern nur, dass die Dienste durch Umstände auf Seite des Dienstgebers verhindert worden sind. Dies sei nicht nur bei Unmöglichkeit der Leistung, sondern auch bei Nichtannahme der möglichen Leistung durch den Arbeitgeber der Fall. Die schwierige Abgrenzung zwischen Annahmeverzug einerseits und Unmöglichkeit der Leistung andererseits sei daher für die Frage des Lohnrisikos bei Ausbleiben der Arbeitsleistung gar nicht nötig. Bydlinski will damit offenkundig ausdrücken, dass – gerade wegen der Schwierigkeit der Abgrenzung – eine alle Dienstverhinderungen Vgl Schrammel, ZAS 1983, 63 ff. OGH 19.12.2005, 8 ObA 23/05y. 12╇ Der OGH hat daher das Erscheinen am Arbeitsplatz und die Erklärung, dienstbereit zu sein, offenkundig als Erfüllung des Arbeitsvertrages gewertet. 13╇ Arbeitsrechtskodifikation 137 FN 260. 10╇ 11╇
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einschließende Deutung des §Â€1155 als völlig sachgerecht zu billigen ist und daher dem Sinn und Zweck des Gesetzes besser entspricht als eine Reduzierung des Anwendungsbereiches auf Fälle der Unmöglichkeit der Leistung. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Sie entspricht auch dem Willen des 9 historischen Gesetzgebers. Zusammenfassend überzeugen daher die Argumente der herrschenden Lehre und der Rechtsprechung, dass alle Verhinderungen der tatsächlichen Dienstleistung – mögen sie als Annahmeverzug oder Unmöglichkeit der Leistung qualifiziert werden – nach §Â€ 1155 zu beurteilen sind.
II. Voraussetzungen der Fortzahlungspflicht 1. Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers §Â€1155 ist nur anwendbar, wenn der Arbeitnehmer subjektiv und objektiv leistungsbereit ist. Er muss daher zunächst einmal leistungsfähig sein. Diese Leistungsfähigkeit fehlt im Falle einer Arbeitsunfähigkeit.14 Ein Entgeltfortzahlungsanspruch kann in diesem Fall allenfalls nach §Â€ 1154b in Betracht kommen. Der Arbeitnehmer muss aber auch leistungswillig sein.15 Bietet er die Dienstleistung zwar an, schützt er seinen Leistungswillen aber nur vor, wie dies häufig bei einem Teilstreik vorkommt, steht ihm kein Entgelt zu; beweispflichtig ist allerdings der Arbeitgeber. Die Anforderungen an die Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers dürfen allerdings nicht überspannt werden.16 Es ist nicht unbedingt erforderlich, dass der Arbeitnehmer seine Leistung Tag für Tag aufs Neue anbietet.17 Wenn der Arbeitgeber die Dienste des Arbeitnehmers willkürlich und erkennbar endgültig ablehnt, ist dieser nicht mehr verpflichtet, sich zur jederzeitigen Aufnahme der Arbeit bereit zu halten.18 Probleme entstehen, wenn der Arbeitnehmer während der Dauer der Nichtzulassung zur Arbeit durch den ersten Arbeitgeber eine andere Arbeit annimmt. Wenn der Gesetzgeber dem Arbeitnehmer die Obliegenheit auferlegt, eine sich ihm bietende Erwerbsgelegenheit zu ergreifen, um seinen Entgeltanspruch gegenüber seinem Arbeitgeber zu wahren, dann kann eine solche Zwischenarbeit nicht gegen die Arbeitspflicht zum ersten Arbeitgeber verstoßen.19 Steht die Dauer der Nichtzulassung zur Arbeit beim ersten Arbeitgeber fest, dann muss der Arbeitnehmer allerdings dafür sorgen, dass er die „Zwischenarbeit“ rechtzeitig beenden kann, um seinem ersten Arbeitgeber zeitgerecht zur Verfügung zu stehen. Verlangt dieser, dass er sich auf Abruf bereithält, scheidet die Aufnahme eines Zwischenarbeitsverhältnisses aus. Ist die Dauer der Nichtzulassung ungewiss oder unabsehbar, muss dem Arbeitnehmer für seinen Wieder14╇
Vgl OGH 27.10.1964, 4 Ob 98/64, Arb 8005. OGH 17.1.1990, 9 ObA 347/89 (keine Entgeltfortzahlung bei Teilnahme an Protestversammlung). 16╇ OGH 17.3.2004, 9 ObA 115/03g. 17╇ Schrammel, ZAS 1983, 66. 18╇ OGH 23.6.1981, 4 Ob 18/81, ZAS 1983, 62 (zustimmend Schrammel). 19╇ Vgl OGH 23.6.1981, 4 Ob 18/81 (Solotänzer), ZAS 1983, 62. 15╇
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eintritt bei richtigem Verständnis der ratio legis jene Zeitspanne eingeräumt werden, die er zur ordnungsgemäßen Auflösung des Zwischenarbeitsverhältnisses benötigt. 2. Die Abgrenzung der Sphären 14
§Â€1155 trifft keine Aussage, welche Umstände „auf Seite des Arbeitgebers“ liegen. Nach Meinung der Judikatur gehören zur Sphäre des Arbeitgebers alle die Dienstverhinderung auslösenden Ereignisse und Umstände, welche die Person des Arbeitgebers, sein Unternehmen, Organisation und Ablauf des Betriebes, die Zufuhr von Rohstoffen, Energien und sonstigen Betriebsmitteln, die erforderlichen Arbeitskräfte, die Auftragslage und Absatzlage sowie die rechtliche Zulässigkeit der betrieblichen und unternehmerischen Tätigkeit betreffen. Dazu gehören grundsätzlich auch Fälle „höherer Gewalt“.20 Die Judikatur geht damit offenkundig von zwei Sphären aus: Jener des 15 Arbeitgebers und einer zweiten, in die alle Umstände fallen, die in einem anderen Bereich auftreten. Entfällt die Arbeit aus irgendeinem Grund, der in dieser zweiten (risikomäßig dem Arbeitnehmer zuzuordnenden) Sphäre auftritt, so entfällt auch der Entgeltanspruch. Die den Arbeitgeber betreffende Sphäre wird dabei sehr oft „lokalisierend“ abgegrenzt. So hat etwa der OGH die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin, deren Schwangerschaft aber im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung weder der Arbeitnehmerin noch dem Arbeitgeber bekannt war, zu Recht als unwirksam erachtet, die Nichtbeschäftigung bis zur Bekanntgabe der Schwangerschaft jedoch der Sphäre des Arbeitgebers zugeordnet.21 Der OGH meinte, die Arbeitnehmerin habe während des gegenständlichen Zeitraumes zwischen – vermeintlicher – Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Wiederaufnahme der Arbeit nur im Hinblick auf die rechtsunwirksame Kündigung nicht gearbeitet. Entgegen der Meinung des Arbeitgebers sei nicht die Schwangerschaft der Arbeitnehmerin, sondern die Kündigung die Ursache für die Nichterbringung der Arbeitsleistung. Die Schwangerschaft bewirkte nur die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung. Diese sei ein Umstand iSd §Â€1155, der auf der Seite des Arbeitgebers vorlag – er hatte ja die Kündigung ausgesprochen – und die Arbeitnehmerin an der Erbringung der Arbeitsleistung hinderte.22 Die lokalisierende Theorie ist leicht anzuwenden, da sie sich damit be16 gnügt, einfache Kriterien für den Einfluss- und Verantwortungsbereich des Arbeitgebers aufzustellen. In ihrer Anwendung hat die so einfach erscheinende lokalisierende Theorie allerdings zu keinen einheitlichen Ergebnissen gefunden. Es ist nach ihr zwar eindeutig, dass der Arbeitgeber den Stromausfall zu vertreten hat, wenn seine eigene Transformatorenstation ausfällt. Durchaus fraglich ist aber, ob Einwirkungen höherer Gewalt den Arbeitgeber von der Entgeltpflicht befreien oder nicht. Zu erwähnen sind hier der generelle Strom20╇
OGH 16.12.1987, ZAS 1988, 167 (Schnorr). Die Arbeitnehmerin hatte von der Schwangerschaft erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Kenntnis erlangt. Die Beschäftigung wurde nach Bekanntgabe der Schwangerschaft wieder aufgenommen. 22╇ OGH 17.6.1980, 4 Ob 78/80, SZ 53/93. 21╇
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ausfall infolge eines Versagens der Überlandleitung, der sich auch im Unternehmen auswirkt, die Überflutung des Betriebsgebäudes durch Hochwasser oder der Ausfall unersetzlicher Rohstoffe wegen eines Krieges im Erzeugerland. Gegen die lokalisierende Theorie spricht, dass eine Regel, die eine Risikoverteilung zwischen zwei an der Dienstverhinderung gleichermaßen unschuldigen Vertragspartnern vornimmt, nicht in der Weise gedeutet werden kann, dass die eigentliche Ursache der Verhinderung und damit die für die Zurechnung ganz entscheidende Frage der Beeinflussbarkeit und Beherrschbarkeit des Risikos aus der Betrachtung auszuklammern wäre.23 Die neuere Judikatur hat die Abgrenzung der Sphären – jedenfalls ansatzweise – verfeinert, wenn sie meint, dass eine Entgeltpflicht nur bei solchen Arbeitsunterbrechungen in Betracht komme, die unter Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalles eindeutig der Einflusssphäre des Arbeitgebers zurechenbar sind.24 So hat der OGH etwa konzediert, dass „höhere Gewalt“ nicht in die Arbeitgebersphäre fällt, wenn sie neben dem einzelnen Unternehmen auch die Allgemeinheit trifft, wie beispielsweise Seuchen, Kriege, Revolutionen oder Terror.25 Den besseren Zugang zur Sphärenabgrenzung bietet daher die heute stark vertretene Zurechnungstheorie.26 Nach ihr nimmt §Â€1155 noch nicht selbst die Sphärenabgrenzung vor, sondern stellt lediglich eine Verweisungsnorm dar. Der Gesetzgeber lege in §Â€1155 nicht fest, welche Hinderungsgründe „auf Seite des Arbeitgebers“ liegen. Er setze die Beantwortung dieser Frage vielmehr voraus und verweise damit auf andere Rechtsregeln. Auch die lokalisierende Theorie könne die Absteckung der Bereiche nicht aus §Â€1155 gewinnen, da der Gesetzgeber an dieser Stelle keinen Hinweis auf Kriterien zur Sphärenabgrenzung gibt. Die Zurechnungstheorie folgert aus diesem Befund, dass die Kriterien zur Sphärenabgrenzung erst unter Heranziehung des gesamten Arbeitsrechts gefunden werden müssen. Aus der Struktur des Arbeitsverhältnisses ergibt sich, dass der Arbeitnehmer seine Dienste mit fremden Arbeitsmitteln verrichtet. Es ist grundsätzlich Sache des Arbeitgebers, die für die Erbringung der Dienste erforderlichen Betriebsmittel bereit zu stellen. Man kann daher dem Risikobereich des Arbeitgebers grundsätzlich das Risiko der Sachherrschaft sowie des technischen und organisatorischen Betriebsablaufes zuordnen.27 Insoweit ist es durchaus legitim, wenn die Judikatur zB Arbeitsverhinderungen, die auf einem Maschinenschaden28 oder auf Wasserarmut des Werksbaches29 beruhen, der Risikosphäre des Arbeitgebers zuordnet. Vgl Schnorr, Nichtleistung 41 f. OGH 23.6.1981, 4 Ob 18/81, ZAS 1983, 62. 25╇ OGH 16.12.1987, 9 ObA 202/87, ZAS 198, 167 (Schnorr); 1.4.1998, 9 ObA 27/98f. 26╇ Grundlegend Tomandl, AcP Bd 164, 200 ff; Schnorr, Nichtleistung 32 ff; Krejci, Der Teilstreik 31 ff. Binder, Die Beendigung arbeitsvertraglicher Bindungen bei Eintritt dauernder Leistungsunmöglichkeit, FS Strasser 286, steht der Sache nach dieser Lehre nahe. 27╇ So auch Rebhahn, ZellKomm §Â€1155 Rz 37. 28╇ Vgl EA Wien 21.4.1923, Arb 3339. 29╇ KG St. Pölten 8.5.1924, Arb 3262. 23╇ 24╇
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Der Umstand, wo der Hinderungsgrund lokal erstmalig in Erscheinung getreten ist, kann allerdings nicht das letztlich entscheidende Kriterium sein. Diesem Umstand kommt vielmehr nur Indizwirkung zu. Wegen dieser Indizwirkung genügt es für den Regelfall, dass der die Dienstleistung verhindernde Umstand in der Person, im Unternehmen oder im Vermögen des Arbeitgebers aufgetreten ist, um die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers zu begründen. Im konkreten Einzelfall kann der Arbeitgeber die Zurechnung aber dennoch abwenden, wenn er Gründe vorbringen und beweisen kann, die dartun, dass der den Lohn begehrende Arbeitnehmer eine stärkere Beziehung zu dem den Arbeitsausfall bewirkenden Risiko hatte als er. So kann er etwa einwenden, der Schaden sei im Betrieb aufgetreten, ob22 wohl er alle ihm zumutbaren Vorkehrungen getroffen habe. Dagegen kann er sich andererseits selbst mit dem Hinweis auf eine Naturkatastrophe nicht entlasten, wenn deren Eintritt vorhersehbar war.30 Wenn der Arbeitgeber seinen Betrieb in einem Gebiet ansiedelt, in dem mit Überschwemmungen zu rechnen ist, kann er der Lohnzahlungspflicht nicht mit dem Hinweis entgehen, dass die dann tatsächlich eingetretene Überschwemmung als „allgemeine Kalamität“ zu werten ist.31 Nach der Zurechnungstheorie lässt sich daher die Sphäre des Arbeitgebers 23 nicht schon im Vorhinein lokal abgrenzen; sie ist vielmehr als Summe aller ihm letztlich zurechenbaren Risken zu verstehen. 3. Mehrfachverhinderungen 24
Schwierig ist die Abgrenzung, wenn durch ein bestimmtes Ereignis nicht nur die Betriebsabläufe gestört werden, sondern auch der einzelne Arbeitnehmer an der Arbeitsaufnahme gehindert ist. Dies wäre zB der Fall, wenn der Arbeitnehmer seine Dienste aus einem gesetzlich anerkannten Grund nicht anbietet (persönliche Verhinderung) und der Arbeitgeber die Dienstleistungen wegen eines Betriebsstillstandes aber gar nicht annehmen könnte. Der OGH hat die Meinung vertreten, dass §Â€1155 nicht zur Anwendung 25 gelangt, wenn die Unterlassung der Arbeitsleistung der Sphäre des Arbeitnehmers und jener des Arbeitgebers zuzurechnen ist. Entscheidend sei in diesem Fall, ob der Arbeitnehmer an der Arbeitsleistung durch einen wichtigen, seine Person betreffenden Grund gehindert war.32 Im Anlassfall war der Arbeitnehmer durch Schneefall (Straßensperre) gehindert, den Arbeitsplatz zu erreichen. Von diesem „Schicksal“ waren etwa zwei Drittel der Arbeitnehmer betroffen; im Betrieb konnten nur die im Umkreis wohnenden Arbeitnehmer erscheinen. Einige dieser Arbeitnehmer hatten in der Produktion gearbeitet, andere hatten Schneeräumarbeiten durchgeführt. Der OGH führte aus, die Elementarereignisse, welche auch den Arbeitnehmer hinderten, den Arbeitsplatz zu erreichen, andererseits aber auch den Betrieb durch die Abwesenheit zahlreicher weiterer 30╇ Betriebsansiedlung in einem Gebirgstal, in dem erfahrungsgemäß häufig mit starken Schneefällen zu rechnen ist (so OGH 16.12.1987, 9 ObA 202/87, RdW 1988, 169). 31╇ Vgl Rebhahn, ZellKomm §Â€1155 Rz 37. 32╇ OGH 24.2.1988, 9 ObA 42/88, Arb 10.702.
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Arbeiter in Mitleidenschaft zogen, hätten nicht jenes Ausmaß erreicht, dass man von einer nicht mehr der Sphäre der Arbeitsvertragsparteien zuzurechnenden ausgedehnten „höheren Gewalt“ sprechen könnte. Der Betrieb selbst sei durch dieses Elementarereignis nicht unmittelbar betroffen worden. In concreto hat der OGH die Arbeitsverhinderung als wichtigen, die Person des Arbeitnehmers betreffenden Verhinderungsgrund gemäß §Â€1154b gewertet und dem Arbeitnehmer Lohnfortzahlung nach dieser Gesetzesbestimmung zugesprochen. Bemerkenswert ist, dass sich der OGH nicht mit dem formalen Argument 26 begnügt hat, §Â€1155 könne schon deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil der Arbeitnehmer gar nicht leistungsbereit war. Schnorr33 hat zu Recht darauf hingewiesen, die Fälle der Gesetzeskonkurrenz ließen sich nicht rein logisch lösen, sondern nur unter Beachtung der Zwecksetzung jener Entgeltfortzahlungsvorschriften, die mit §Â€ 1155 konkurrieren.34 Diese orientieren sich am Entgeltausfallsprinzip und wollen daher dem Arbeitnehmer jenes Entgelt sichern, das er verdient hätte, wäre er an der Arbeitsleistung nicht verhindert gewesen. Für diese Zeit soll ihm aus der Nichtleistung der Arbeit weder ein Nachteil noch ein Vorteil erwachsen. Folgt man dieser Zielsetzung des Gesetzgebers, ist zu fragen, ob der Arbeitgeber in der Lage gewesen wäre, die Arbeit anzunehmen, hätte sie der Arbeitnehmer ordnungsgemäß angeboten. Im erwähnten Anlassfall hat der OGH angenommen, der Arbeitnehmer hätte im Betrieb – zumindest zum Schneeschaufeln – eingesetzt werden können, wäre er im Betrieb erschienen. §Â€1155 war daher gar nicht anwendbar. Anders wäre es bei einer ausgedehnten „höheren Gewalt“ gewesen. In diesem Fall hätte geprüft werden müssen, ob die höhere Gewalt dem Arbeitgeber zurechenbar ist. Im Ergebnis verdient daher in allen Fällen des Zusammentreffens eines 27 Anspruches nach dem Entgeltausfallsprinzip mit §Â€1155 die letztgenannte Bestimmung den Vorrang. Ist der Arbeitgeber nach §Â€1155 zur Lohnzahlung nicht verpflichtet, kann auch eine persönliche Verhinderung des Arbeitnehmers keine Entgeltfortzahlung begründen. Ist hingegen eine Beschäftigung möglich, kann das Nichtanbieten der Leistung durch §Â€1154b substituiert werden. Der Umfang der Entgeltfortzahlung muss konsequenterweise – entsprechend dem Ausfallprinzip – jenem Betrag entsprechen, den Arbeitnehmer ohne persönliche Verhinderung zu bekommen hätten.
III. Entgelt Der Arbeitnehmer hat nach §Â€1155 Anspruch auf jenes Entgelt, das ihm 28 gebührt, wenn er die Dienste verrichtet hätte. Davon sind auch Überstundenentgelte und allfällige Zuschläge umfasst.35 Gleiches gilt für Provisionsansprüche und andere leistungsbezogene Entgeltbestandteile. Entgelt, das der Arbeitnehmer auch dann nicht erhalten hätte, wenn er gearbeitet hätte, steht ihm somit für die Zeit der Dienstfreistellung nicht zu.36 33╇
Nichtleistung 43. In diesem Sinne auch Mayer-Maly, ZAS 1981, 183 f (Konkurrenz mit §Â€14 MSchG). 35╇ OGH 30.11.1994, 9 ObA 203/94; 26.8.2004, 8 ObA 79/04g. 36╇ OGH 3.8.2005, 9 ObA 91/05f. 34╇
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Schrammel
Bei der Ermittlung des gemäß §Â€1155 geschuldeten Entgeltes ist dabei von jenen Provisionen auszugehen, die der Arbeitnehmer ohne den vom Arbeitgeber zu verantwortenden Hinderungsgrund üblicherweise erzielt hätte. Diese sind nach Meinung der Judikatur zweckmäßigerweise auf der Grundlage des Durchschnittes der in den letzten zwölf repräsentativen Monaten erzielten Umsätze zu ermitteln.37 Für die Zeit der Dienstfreistellung können allerdings wiederum nur jene Provisionen zugesprochen werden, die der Arbeitnehmer ohne Dienstfreistellung in diesem Zeitraum verdient hätte.38
IV. Anrechnung eines anderweitigen Verdienstes 1. Allgemeines 30
Die Anrechnungsbestimmung des §Â€1155 Abs€1 zweiter Halbsatz bezieht sich nach ihrem Wortlaut auf alle Fälle, in denen der Arbeitgeber zur Fortzahlung des Entgelts trotz des Unterbleibens der Dienstleistung verpflichtet ist. Wenn daher §Â€1155 auch auf den Annahmeverzug des Arbeitgebers Anwendung findet, muss sich der Arbeitnehmer grundsätzlich auch bei Nichtzulassung zur Arbeit anderweitigen Verdienst anrechnen lassen. Der OGH hat in einer älteren Entscheidung die Auffassung vertreten, dass 31 sich der Arbeitnehmer von dem Zeitpunkt an, in dem ihm klar sein musste, dass der Arbeitgeber seine Dienste nicht in Anspruch nehmen wird, ja eine Dienstleistung geradezu verhindert, anrechnen lassen müsse, was er bei Annahme von Angeboten Dritter verdient hätte.39 Holzer hat dagegen eingewendet, eine Anrechnungsverpflichtung des Arbeitnehmers müsse ausscheiden, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsleistung vorsätzlich behindert.40 Dieser Auffassung hat sich der OGH in einer Entscheidung aus dem Jahre 1997 angeschlossen.41 Eine Anrechnung gem §Â€ 1155 sei im Falle einer grundlosen Dienstfreistellung durch den Arbeitgeber wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen; dem Arbeitnehmer habe der volle Entgeltanspruch zu verbleiben. Risak42 hat dem OGH beigepflichtet und gemeint, dass §Â€1155 auf Fälle des unverschuldeten Unterbleibens der Dienstleistung einzuschränken ist. Der OGH ist in der Folge aber zu seiner früheren Rechtsansicht zurückge32 kehrt. Die Anrechnungsverpflichtung wurde auch bei grundloser Dienstfreistellung grundsätzlich bejaht. Selbst bei vorsätzlicher Verhinderung der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber sei ein tatsächlich bezogenes Entgelt des Arbeitnehmers anzurechnen, es sei denn, das Vorgehen des Arbeitgebers sei missbräuchlich gewesen, was sich aber aus der Tatsache vorsätzlicher Verhinderung allein noch nicht zwangsläufig ergibt.43 Zuletzt hat der OGH neuerlich darauf hingewiesen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich verdientes Entgelt von 37╇
OGH 1.4.1998, 9 ObA 27/98f, SZ 71/64; 14.4.1999, 9 ObA 63/99a. OGH 16.12.2008, 8 ObA 75/08z. 39╇ OGH 23.6.1981, 4 Ob 18/81, ZAS 1983, 62 (zustimmend Schrammel). 40╇ DRdA 1983, 7. 41╇ OGH 30.1.1997, 8 ObA 2046/96g, ZAS 1997, 168 (Risak). 42╇ ZAS 1997, 169. 43╇ OGH 17.3.2004, 9 ObA 115/03g, DRdA 2005, 9 (kritisch Eypeltauer). 38╇
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seiner Entgeltforderung gegen den Arbeitgeber abziehen lassen müsse. Wird der Arbeitnehmer aus Gründen, die auf Seiten des Dienstgebers liegen, an der Arbeitsleistung gehindert, ist in der Zeit der Verhinderung in anderen Dienstverhältnissen tatsächlich verdientes Entgelt ungeachtet der Motive für den „Annahmeverzug“ des Dienstgebers anzurechnen. Dies finde nur dann nicht statt, wenn der Einwand des Dienstgebers rechtsmissbräuchlich erhoben wird.44 Diese zuletzt genannte Entscheidung bedeutet allerdings nicht, dass bei 33 verschuldetem Annahmeverzug generell zwischen der Obliegenheit, einen anderen Erwerb zu suchen, und der Anrechnung des tatsächlich verdienten Entgelts in der Weise zu differenzieren ist, dass eine Anrechnung nur bei einem tatsächlich zufließenden Verdienst in Betracht kommt. Es ist wohl richtig, dass bei verschuldetem Annahmeverzug die Zumutbarkeit einer Ersatzbeschäftigung nachzugehen, anders beurteilt werden kann oder beurteilt werden muss als das tatsächliche Zufließen von Entgelt. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die Anrechnungsverpflichtung bei „versäumten Verdiensten“ einzuschränken ist.45 Folgt man der oben dargestellten Auffassung, dass §Â€1155 als „allgemeine“ 34 Regelung zu verstehen ist, dann hat §Â€1155 mehrere Funktionen zu erfüllen: Bei einer in die Risikosphäre des Gläubigers fallenden Unmöglichkeit der Leistung ist §Â€1155 als Anordnung zu verstehen, dass der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers trotz der eingetretenen Unmöglichkeit zur tatsächlichen Erbringung der Dienste jedenfalls aufrecht bleibt; der Arbeitnehmer wird nicht auf allfällige Schadenersatzansprüche verwiesen, die ein Verschulden des Arbeitgebers voraussetzen würden. Insoweit ist §Â€1155 eine Schutzvorschrift zugunsten des Arbeitnehmers. Die auch bei Unmöglichkeit der Dienstleistung vorzunehmende Vorteilsanrechnung soll allerdings das dem Arbeitgeber aufgebürdete Risiko in Grenzen halten. Die Anrechnung des vom Arbeitnehmer Ersparten oder während der Verhinderungszeit Erworbenen soll ausschließen, dass sich der Arbeitnehmer auf Kosten des Arbeitgebers bereichert; die Anrechnung des vom Arbeitnehmer absichtlich zu erwerben Versäumten gründet sich hingegen nach den Gesetzesmaterialien auf die exceptio doli.46 Anders liegt die Situation beim „Annahmeverzug“. Wenn sich der Arbeit- 35 geber grundlos weigert, die ihm ordnungsgemäß angebotenen Dienste anzunehmen, oder wenn ihn ein Verschulden an ihrem Nichtzustandekommen trifft, erscheint es auf den ersten Blick nicht unbillig, wenn er das volle Entgelt leisten muss. Zu beachten ist allerdings, dass §Â€1155 eine „symmetrische“ Lösung anstrebt. Auch der Annahmeverzug kann sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Im Arbeitsleben kann es durchaus vorkommen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit gutem Grund von der tatsächlichen Erbringung der Arbeitsleistung ausschließt. Man denke hier etwa an die Suspendierung des Arbeitnehmers bis zur Klärung der Frage, ob ein Entlassungsgrund vorliegt. Wenn der Arbeitgeber in solchen Fällen zur Weiterzahlung des Entgelts verpflichtet bleibt, so spricht nichts dafür, ihm die Vorteilsanrechnung zu untersagen. Wenn 44╇
OGH 29.9.2010, 9 ObA 81/10t. So aber Rebhahn, ZellKomm §Â€1155 Rz 58. 46╇ 78 BlgHH, 21. Sess 221. 45╇
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dem Arbeitnehmer auf der einen Seite weitreichende Entgeltfortzahlungsansprüche eingeräumt werden, dann hat §Â€ 1155 beim „Annahmeverzug“, also beim Verzicht des Arbeitgebers auf eine mögliche Dienstleistung, primär nicht die Aufgabe, dem Arbeitnehmer einen Entgeltfortzahlungsanspruch zu verschaffen, den er ohne diese Bestimmung nicht hätte; der Anspruch auf das Entgelt bliebe schon nach allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen durch den Annahmeverzug unberührt. §Â€1155 dient vielmehr dazu, dem Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der Vorteilsanrechnung zu eröffnen. §Â€1155 erweist sich insoweit als Schutzbestimmung zugunsten des Arbeitgebers. Daraus folgt, dass auch beim Annahmeverzug die Anrechnung des absichtlich zu erwerben Versäumten nicht ausgeschlossen ist. Die Berufung auf eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung der Anrechnung bleibt aber offen. 2. Kongruenz 36
Allgemeine Voraussetzung für die Anrechnung ist, dass das Unterbleiben der Dienstleistung, für die das Entgelt gefordert wird, für die Ersparnis, den anderweitigen Erwerb oder die anderweitige Verdienstmöglichkeit ursächlich war.47 Die Anrechnung umfasst daher grundsätzlich nur dasjenige, was der Arbeitnehmer gerade durch das Ausnützen jenes nunmehr frei gewordenen Teiles seiner Arbeitskraft, den er bisher dem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt hatte, erworben hat oder zumindest erwerben hätte können.48 Nicht anrechenbar sind daher Einkünfte, die der Arbeitnehmer schon vor 37 der Dienstverhinderung – etwa durch eine Nebenbeschäftigung – erzielt hat. Schwierigkeiten bei der Ermittlung der kongruenten Entgeltansprüche können sich vor allem bei Teilzeitbeschäftigten ergeben. Wird ein Teilzeitbeschäftigter an der Dienstleistung gehindert, kann sich die Anrechnungsverpflichtung nur auf solche Teilzeitbeschäftigungen beziehen, die erst durch den Ausfall der Dienstleistung möglich geworden sind. Auf die zeitliche Lagerung der „Ersatzbeschäftigung“ kommt es dabei nicht an. Hat der Arbeitnehmer eine Teilzeitbeschäftigung wegen daneben bestehender Betreuungspflichten ausgeübt, sind die Einkünfte aus einer „Ersatzteilzeitbeschäftigung“ grundsätzlich auch dann anzurechnen, wenn die neue Beschäftigung zeitlich anders gelagert ist als die verhinderte Dienstleistung, sofern die Betreuung weiterhin erfolgt. 3. Absichtlich versäumtes Entgelt 38
Versäumtes Erwerbseinkommen ist nur anzurechnen, wenn der Arbeitnehmer es „absichtlich“ unterlassen hat, ein ihm zumutbares Erwerbseinkommen zu erzielen. Die Zumutbarkeit bezieht sich vor allem auf die Art des in Betracht zu ziehenden Zwischenerwerbsverhältnisses. Wie schon erwähnt, sollen Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers und anderweitiger Erwerb harmonisch nebeneinander stehen; es dürfen daher sowohl die Anforderungen an die Leis47╇ 48╇
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OGH 10.6.1975, 4 Ob 23/75, ZAS 1977, 57 (Schrammel). OGH 24.1.1984, 4 Ob 40/83, RdW 1984,179.
Anrechnung eines anderweitigen Verdienstes
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tungsbereitschaft als auch die Anforderungen an die Bemühungen des Arbeitnehmers, sich eine Ersatzbeschäftigung zu beschaffen, nicht überspannt werden.49 Ganz allgemein gilt, dass ein absichtliches Versäumen nicht erst vorliegt, 39 wenn der Arbeitnehmer ein ihm konkret angebotenes zumutbares Vertragsangebot ausschlägt, um die Einrechnung zu verhindern,50 sondern bereits dann, wenn er keinerlei Bemühungen anstellt, eine Zwischenarbeit zu finden, obwohl ihm bekannt sein muss, dass solche Bemühungen durchaus erfolgversprechend sein können.51 Der Arbeitnehmer braucht allerdings keine Zwischenarbeiten zu verrichten, die inhaltlich von den vertraglich geschuldeten wesentlich abweichen, insbesondere einen sozialen Abstieg bedeuten.52 Um die „Bemühungspflicht“ des Arbeitnehmers einzugrenzen, sind meh- 40 rere Fallgruppen zu unterscheiden. Zur ersten Fallgruppe gehören Dienstverhinderungen, bei denen der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht bestritten ist und nur die Dienstleistung nicht entgegengenommen wird. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer damit rechnen, dass die Dienstleistung jederzeit wieder eingefordert werden kann. Nur wenn der Arbeitgeber die Dienste des Arbeitnehmers willkürlich und erkennbar endgültig nicht mehr in Anspruch nimmt, muss sich der Arbeitnehmer nicht mehr zur jederzeitigen Aufnahme der Arbeit bereit halten. Der Arbeitnehmer muss sich dann von dem Zeitpunkt an, in dem unmissverständlich klar war, dass der Arbeitgeber seine Dienste nicht in Anspruch nehmen wird, ja eine Dienstleistung geradezu verhindert, anrechnen lassen, was er bei Annahme von Angeboten Dritter verdient hätte.53 Zu beachten ist allerdings auch hier, dass der Arbeitgeber die Nichtannahme der Dienstleistung jederzeit beenden kann. Der Arbeitnehmer ist daher nicht verpflichtet, eine Ersatzbeschäftigung anzunehmen, die nicht ohne weiteres beendet werden kann. Der Arbeitnehmer kann nicht zum Vertragsbruch in der neuen Beschäftigung verpflichtet sein, wenn der „Stammarbeitgeber“ die Wiederaufnahme der Dienstleistung verlangt. Der Arbeitnehmer muss und darf bei einem Einstellungsgespräch auch nicht verschweigen, dass er in einem aufrechten Arbeitsverhältnis steht und daher gezwungen sein kann, das Zwischenarbeitsverhältnis gleichsam ohne Vorwarnung aufzulösen. Ein „harmonisches Nebeneinander“ von Leistungsbereitschaft und anderweitigem Erwerb wird daher einer Ersatzbeschäftigung meist entgegen stehen. Anders ist die Situation, wenn über den Fortbestand des Arbeitsverhältnis- 41 ses Streit entsteht. Wird ein kündigungsgeschützter Arbeitnehmer zu Unrecht entlassen, hat die Entlassung keine Beendigungswirkung; der Arbeitnehmer kann auf Feststellung klagen, dass sein Arbeitsverhältnis aufrecht besteht. Wird der Arbeitnehmer während dieses Rechtsstreits nicht beschäftigt – was 49╇
OGH 17.3.2004, 9 ObA 115/03g. So OGH 21.6.1966, 4 Ob 41/66, Arb 8255; vgl auch Ettmayer, Die Anrechnung des zu erwerben absichtlich Versäumten nach §Â€1155 ABGB, JBl 2000, 295. 51╇ Vgl OGH 16.12.1987, 9 ObA 114/87, RdW 1988, 357; Krejci in Rummel3 I §Â€ 1155 Rz 28. 52╇ Ein als Bootsführer und Chauffeur aufgenommener Student muss daher kein Anbot als Tellerwäscher oder Landarbeiter annehmen (OGH 21.1.1964, 4 Ob 5/64, Arb 7895). 53╇ OGH 23.6.1981, 4 Ob 18/81, ZAS 1983, 62. 50╇
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bei einer Entlassung regelmäßig der Fall ist –, richtet sich sein EntgeltsÂ�anspruch nach §Â€ 1155, wenn er im Rechtsstreit obsiegt. Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall nicht damit rechnen, dass ihn der Arbeitgeber während des Prozesses zur Arbeitsleistung auffordert, weil ja nach Meinung des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis gar nicht besteht. Insoweit ist der Arbeitnehmer aber auch dazu verhalten, während des Prozesses eine Ersatzbeschäftigung anzunehmen. Dies ist auch deshalb nicht unzumutbar, weil der Ausgang des Rechtsstreits nicht immer vorhersehbar ist und der Arbeitnehmer ohnehin eine neue Beschäftigung suchen muss, wenn er im Prozess unterliegt. Ähnliches gilt, wenn der Arbeitnehmer gekündigt wurde, eine Anfech42 tungsklage (§Â€105 ArbVG) eingebracht und in erster Instanz obsiegt hat. Bis zur Entscheidung der ersten Instanz ist das Arbeitsverhältnis aufgelöst.54 Gibt das Erstgericht der Anfechtungsklage statt, ist das Arbeitsverhältnis rückwirkend aufgrund der gemäß §Â€61 Abs€1 Z 1 ASGG eintretenden Verbindlichkeitswirkung – vorläufig bis zur Beendigung des Verfahrens – wieder hergestellt. Damit ist auch die Grundlage für eine Lohnfortzahlung nach §Â€1155 gegeben. Wird allerdings die Anfechtungsklage rechtskräftig abgewiesen, bleibt es bei der durch die Kündigung bewirkten Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zwischen Kündigung und der rechtskräftigen Beendigung des Anfechtungsprozesses besteht daher für beide Teile ein unsicherer Schwebezustand. Der Arbeitgeber hat die Beschäftigung nach Zugang der Kündigung nicht grundlos, sondern im Hinblick auf die von ihm ausgesprochene Beendigungserklärung und das hieraus resultierende Fehlen eines Arbeitsverhältnisses unterlassen.55 Wird vom Arbeitgeber gegen das klagsstattgebende erstinstanzliche Urteil Berufung erhoben, darf angenommen werden, dass der Arbeitgeber die Dienste bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens nicht in Anspruch nehmen wird. Bei dieser Sachlage ist der Arbeitnehmer dann aber auch verpflichtet, bis zum Abschluss des Verfahrens eine Ersatzbeschäftigung anzunehmen.56 Die Behauptungs- und Beweislast für die Vorteilsanrechnung liegt beim 43 Arbeitgeber.57 4. Tatsächlich bezogenes Entgelt 44
Wird der Arbeitnehmer aus Gründen, die auf Seiten des Arbeitgebers liegen, an der Arbeitsleistung gehindert, ist in der Zeit der Verhinderung in anderen Dienstverhältnissen tatsächlich verdientes Entgelt ungeachtet der Motive für den „Annahmeverzug“ des Arbeitgebers anzurechnen.58 Wie schon erwähnt, soll der Arbeitnehmer bei Nichtleistung seiner Arbeit nicht besser gestellt sein als bei Erbringung der Dienste. Wenn der Arbeitnehmer den Ausfall der Arbeit zu einem anderweitigen Erwerb nutzt, muss dieser Erwerb zu einer Verminderung der Lohnfortzahlung führen; andernfalls würde der Arbeitnehmer durch den Arbeitsausfall bereichert sein. 54╇
OGH 14.2.1990, 9 ObA 3/90, DRdA 1991, 244. Vgl OGH 5.9.2001, 9 ObA 24/01x. 56╇ Vgl OGH 1.12.1999, 9 ObA 283/99d. 57╇ Vgl OGH 10.6.1975, 4 Ob 23/75, ZAS 1977, 57 (Schrammel). 58╇ OGH 29.9.2010, 9 ObA 81/10t; 17.3.2004, 9 ObA 115/03g. 55╇
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Abdingbarkeit
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Anzurechnen sind nur Einkünfte aus Erwerbsbetätigungen, die mit der aus- 45 gefallenen Arbeitsleistung kongruent sind. Verdient der Arbeitnehmer einige Zeit im Zwischenarbeitsverhältnis mehr, als ihm nach §Â€1155 zusteht, kann das Mehreinkommen daher nicht auf andere Zeiträume angerechnet werden, in denen der Arbeitnehmer kein oder nur ein geringeres Einkommen bezieht.59 Nicht anzurechnen auf den Entgeltsanspruch nach §Â€1155 sind Leistungen 46 aus der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe) oder Leistungen aus der Pensionsversicherung (Alterspension).60 5. Ersparnisse Zu den auf den Lohnfortzahlungsanspruch anzurechnenden Ersparnissen 47 gehören vor allem Fahrt- und Aufenthaltskosten, die wegen des Arbeitsausfalles nicht mehr anfallen. Hat eine dem Arbeitnehmer gebührende Zulage nicht nur zum Ziel, eine Mehrleistung, insbesondere während der Nachtstunden zu entgelten, sondern auch finanzielle Belastungen durch die Nachtarbeit auszugleichen, ist dieser Anteil vom fortzuzahlenden Entgelt abzuziehen, wenn die Arbeit während der Nacht entfällt.61
V. Entgeltschmälerung durch Zeitverlust Kommen die Dienste zwar zustande, kann der Arbeitnehmer die vereinbar- 48 te Arbeitszeit aber nicht voll nutzen, so kann gemäß den vereinbarten Entgeltberechnungsregeln (zB Stundenlohn) ein Entgeltsausfall eintreten. In diesem Falle soll nach §Â€1155 Abs€2 auf die Umstände Bedacht genommen werden, die zu den Zeitverlusten geführt haben. Sind sie der Sphäre des Arbeitgebers zuzurechnen, steht dem Arbeitnehmer zusätzlich zum vertragsgemäß berechneten Entgelt eine angemessene Entschädigung zu. Als Beispiel erwähnen die Materialien62 die Behinderung von Akkordar- 49 beitern an der Erzielung des vollen Akkordlohnes durch Beistellung ungenügenden Materials oder ungenügender Mitwirkung anderer Hilfskräfte. Ein qualitativer Unterschied zu §Â€1155 Abs€1 liegt aber nicht vor, da der Arbeitnehmer die vereinbarte Leistung nur zur vorgesehenen Zeit erfüllen kann. Eine ausgefallene Arbeitsstunde kann daher nicht mehr nachgeholt werden; in Wahrheit ist die vereinbarte Dienstleistung nicht zustande gekommen. Zur Harmonisierung der Abs€1 und 2 wird die „angemessene Entschädigung“ daher dem fortzuzahlenden Entgelt des Abs€1 entsprechen müssen.63
VI. Abdingbarkeit §Â€ 1155 ist in der Aufzählung der zwingenden Vorschriften, die durch 50 Dienstvertrag oder Normen der kollektiven Rechtsgestaltung nicht aufgehoben Rebhahn, ZellKomm §Â€1155 Rz 52. OGH 21.9.1982, 4 Ob 114/82, Arb 10.185; 24.1.1984, 4 Ob 40/83, RdW 1984, 179. 61╇ OGH 20.12.1960, 4 Ob 152/60, Arb 7308. 62╇ 78 BlgHH, 21. Sess 221 f. 63╇ Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht 27 163. 59╇ 60╇
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§ 1156
Schrammel
oder beschränkt werden dürfen (§Â€ 1164), nicht enthalten. Die Lohnfortzahlungsregelung des §Â€1155 kann daher auch abbedungen werden.64 Einer Abdingung des Lohnfortzahlungsanspruches sind allerdings Gren51 zen gesetzt. Wenn §Â€1155 Grundlage des Lohnanspruches in allen Fällen einer auf Seiten des Arbeitgebers eingetretenen Dienstverhinderung ist, also auch Fälle des schuldhaften Annahmeverzuges einschließt, würde die Abdingung des §Â€1155 im Ergebnis dem Arbeitgeber das Recht einräumen, den Lohnanspruch des Arbeitnehmers einseitig zu gestalten. Der Arbeitgeber könnte durch Nichtentgegennehmen der angebotenen Dienste seine im Vertrag vereinbarte Lohnzahlungspflicht verringern. Eine beliebige, im freien Ermessen des Arbeitgebers stehende Kürzung des Arbeitsentgelts ist jedoch nach zutreffender Meinung des OGH65 sittenwidrig.66 Eine Abdingung des Lohnfortzahlungsanspruches auch für Fälle des schuldhaften Annahmeverzuges ist als unzulässig anzusehen. Eine Abdingung kommt daher grundsätzlich nur für Dienstverhinderungen 52 in Betracht, die zwar in die Risikosphäre des Arbeitgebers fallen, von ihm aber nicht oder nur schwer beeinflusst werden können.67
Erlöschen der Ansprüche. §Â€1156. Die dem Dienstgeber nach §Â€1154b obliegenden Verpflichtungen erlöschen, wenn das Dienstverhältnis infolge Ablaufes der Zeit, für die es eingegangen wurde, oder infolge einer früheren Kündigung oder einer Entlassung endet, die nicht durch die Erkrankung oder sonstige die Person des Dienstnehmers betreffende wichtige Gründe im Sinne des §Â€1154b verursacht ist. Wird der Dienstnehmer wegen der Verhinderung entlassen oder wird ihm während der Verhinderung gekündigt, so bleibt die dadurch herbeigeführte Beendigung des Dienstverhältnisses in Ansehung der bezeichneten Ansprüche außer Betracht. IdF BGBl I 2000/44 (ARÄG 2000). Mat: NR RV 91 BlgNR 21. GP, AB 189 BlgNR 21. GP; BR AB 6153 BlgBR. Lit: Rauch, Krankenentgelt nach EFZG und neues Arbeitsjahr, ASoK€ 2007, 18; Rothe, Entgeltfortzahlung: Neues Jahr€ –€ neuer Anspruch? Alles beim Alten?, ecolex 2010, 585.
Übersicht I. II.
Allgemeines Die Lohnfortzahlung ausschließende Beendigungen des Arbeitsverhältnisses 64╇
OGH 15.3.1989, 9 ObA 56/89, Arb 10.781; 18.8.1995, 8 ObA 282/95, Arb 11.442. Vgl OGH 24.2.1993, 9 ObA 19/93. 66╇ Vgl §Â€1152 Rz 72. 67╇ Rebhahn, ZellKomm §Â€1155 Rz 7. 65╇
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1–2 3–7
Die Lohnfortzahlung ausschließende Beendigungen des Arbeitsverhältnisses
§ 1156
III. Beendigung während der Arbeitsverhinderung IV. Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruches
8–10 11–16
I. Allgemeines Die Entgeltzahlungspflicht endet grundsätzlich mit dem Ende des Arbeits- 1 verhältnisses. Dies gilt auch für Entgeltfortzahlungsansprüche bei Arbeitsverhinderungen.1 §Â€1156 will allerdings vermeiden, dass der Arbeitgeber die Arbeitsverhinderung zum Anlass nimmt, einen nach §Â€1154b bestehenden Entgeltfortzahlungsanspruch durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verkürzen.2 Grundsätzlich kann eine Kündigung auch während der Erkrankung des Arbeitnehmers rechtswirksam ausgesprochen werden.3 In den Materialien zur III. Teilnovelle4 wird darauf hingewiesen, dass eine Kündigung wegen der Verhinderung nicht schlechthin verboten werden kann, weil die Kündigung keiner Begründung bedarf. Der Gesetzgeber wollte dem Arbeitnehmer aber dadurch Schutz gewähren, dass eine „schädliche“ Beendigung keinen Einfluss auf den Entgeltfortzahlungsanspruch haben soll: Der Arbeitgeber bleibt auch über das Ende des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Fortzahlungsfrist zur Entgeltzahlung verpflichtet. Die Fortzahlungspflicht gilt für alle in §Â€1154b geregelten Entgeltfortzah- 2 lungsfälle bei Arbeitsverhinderung. Erfasst sind daher nicht nur Arbeitsverhinderungen wegen Krankheit, auch bei wichtigen, die Person betreffenden Verhinderungen kann der Arbeitnehmer Lohnfortzahlung über das Ende des Arbeitsverhältnisses begehren.
II. Die Lohnfortzahlung ausschließende Beendigungen des Arbeitsverhältnisses §Â€1156 Satz 1 regelt zunächst, in welchen Fällen eine Fortzahlung des Ent- 3 gelts über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus ausscheidet. War das Arbeitsverhältnis zeitlich befristet, dann endet der Entgeltfortzahlungsanspruch jedenfalls mit Zeitablauf, auch wenn die Arbeitsverhinderung weiter besteht (zB Krankheit, Pflege etc). Wurde das Arbeitsverhältnis infolge einer „früheren“ Kündigung oder Ent- 4 lassung beendet, soll nach dem Wortlaut des Gesetzes die Entgeltfortzahlung mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ebenfalls entfallen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Kündigung frist- und termingerecht oder die Entlassung berechtigt oder unberechtigt ausgesprochen wurde. Einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Austritt des Arbeitnehmers oder Kündigung durch den Arbeitnehmer beenden die Ansprüche nach §§Â€1154b ebenfalls mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses.5 Vgl Holzer, AngG-Komm §Â€9 Rz 1. OGH 27.5.2004, 8 ObA 13/04a. 3╇ OGH 28.1.1998, 9€ObA€396/97v; 27.5.2004, 8€ObA€13/04a. 4╇ §Â€78 BlgHH, 21. Sess 224. 5╇ Krejci in Rummel3 I §Â€1156 Rz 3. 1╇ 2╇
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§ 1156
Schrammel
5
Aus dem systematischen Zusammenhang mit §Â€ 1156 Satz 2 ergibt sich klar, dass mit einer „früheren“ Kündigung oder Entlassung eine vor Eintritt der Arbeitsverhinderung ausgesprochene Beendigungserklärung gemeint ist. Fraglich ist dann allerdings, welchen Sinn die Einschränkung haben soll, dass die Beendigung nicht durch „die“ Erkrankung oder sonstige die Person des Dienstnehmers betreffende wichtige Gründe iSd §Â€1154b verursacht ist. Da §Â€1156 den Arbeitgeber davon abhalten will, das Arbeitsverhältnis mit 6 dem Arbeitnehmer aufgrund der Arbeitsverhinderung und den damit für den Arbeitgeber verbundenen Belastungen vorzeitig zu beenden,6 muss zwischen der durch Krankheit oder durch sonstige wichtige Gründe verursachten Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der nachfolgenden Arbeitsverhinderung ein Zusammenhang bestehen. §Â€ 1156 will krankheitsbedingte Kündigungen nicht schlechthin, sondern nur im Hinblick auf die damit verbundene Entgeltfortzahlung pönalisieren. Nicht jede wegen einer Erkrankung oder wegen eines sonstigen rechtmäßigen Verhinderungsgrundes ausgesprochene Beendigung lässt daher den Fortzahlungsanspruch über das Ende des Arbeitsverhältnisses bestehen. Wenn eine Arbeitsverhinderung nach Ausspruch der Kündigung oder Entlassung eintritt, endet der Fortzahlungsanspruch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses, wenn die Arbeitsverhinderung in keinem Zusammenhang mit einer die Beendigung verursachenden Erkrankung steht. Wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung oder Entlassung noch 7 gar keine Arbeitsverhinderung eingetreten ist („frühere“ Kündigung oder Entlassung), wird die Beendigung in aller Regel nicht durch die eine nachfolgende Arbeitsverhinderung begründende Erkrankung oder durch später eintretende persönliche Verhinderungsgründe verursacht sein. Ein Bezug zwischen Erkrankung und späterer eintretender Verhinderung besteht jedoch dann, wenn im Zeitpunkt der Kündigung oder Entlassung eine Krankheit besteht, die aber im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung oder Entlassung noch keine – „unmittelbare“ – Arbeitsverhinderung bewirkt oder wenn während der Kündigungsfrist (fiktiven Kündigungsfrist bei unbegründeter Entlassung) auf Grund der „Beendigungserkrankung“ ein neuerlicher Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht. Praktische Bedeutung hat §Â€1156 Satz€1 vor allem bei (chronischen) Erkrankungen, die immer wieder zu Arbeitsverhinderungen führen (zB Chemotherapien etc). Wird der Arbeitnehmer wegen der bestehenden Krankheit gekündigt, bleibt ein danach, dh während der Kündigungsfrist eintretender Entgeltfortzahlungsanspruch über das Ende des Arbeitsverhältnisses bestehen. Bei den sonstigen wichtigen die Person des Arbeitnehmers betreffenden Gründen kann ein Zusammenhang zwischen Kündigung und nachfolgender Arbeitsverhinderung gefunden werden, wenn der Arbeitnehmer seine Verhinderung im Vorhinein angekündigt (zB Teilnahme an einem Familienfest) und der Arbeitgeber noch vor Eintritt der Verhinderung die Beendigung erklärt hat.
6╇
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So Rebhahn/Kietaibl in Kletečka/Schauer, ABGB-ON §Â€1156 Rz 3.
Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruches
§ 1156
III. Beendigung während der Arbeitsverhinderung Eine Fortzahlung des Entgelts über das Ende des Arbeitsverhältnisses hin- 8 aus gemäß §Â€ 1156 Satz€ 2 setzt voraus, dass das Arbeitsverhältnis entweder „wegen“ der Verhinderung durch Entlassung oder „während“ der Verhinderung durch Arbeitgeberkündigung beendet wurde. In beiden Fällen muss die Verhinderung bereits eingetreten sein. Eine Fortzahlung des Entgelts über das Ende des Arbeitsverhältnisses kommt daher nicht in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis während einer Verhinderung gekündigt wurde, die Verhinderung vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses endet und während der Kündigungsfrist eine neuerliche Verhinderung eintritt. Unter einer Kündigung „während einer Verhinderung“ ist nur jene Arbeitsverhinderung zu verstehen, die zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung bereits vorlag. Eine Ausnahme wäre nur dann zu machen, wenn die zweite Arbeitsverhinderung sich zumindest teilweise als Folge der ersten Arbeitsverhinderung (Komplikationen der Ersterkrankung, die zu einer weiteren Erkrankung führen) darstellt.7 §Â€1156 Satz€2 differenziert nicht, ob die Entlassung wegen der Arbeitsver- 9 hinderung zu Recht oder zu Unrecht ausgesprochen wurde. Die Gleichstellung der Entlassung wegen der Arbeitsverhinderung mit einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung legt nahe, dass jedenfalls unberechtigte Entlassungen die Entgeltfortzahlung nach §Â€1154b nicht begrenzen. Wenn eine „normale“ Kündigung die Fortzahlungsansprüche unberührt lässt, muss dies umso mehr für unberechtigte Entlassungen gelten. Aus den erwähnten systematischen Gründen muss ein vom Arbeitgeber verschuldeter vorzeitiger Austritt des Arbeitnehmers den Anspruch auf Entgeltfortzahlung ebenfalls unberührt lassen. Auch eine berechtigte Entlassung „wegen der Arbeitsverhinderung“ lässt 10 den Lohnfortzahlungsanspruch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus bestehen. Berechtigt kann eine Entlassung wegen der Arbeitsverhinderung sein, wenn die Arbeitsverhinderung zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat. Der Arbeitgeber ist allerdings nicht verpflichtet, von seinem Entlassungsrecht Gebrauch zu machen; er kann anstelle der Entlassung das Arbeitsverhältnis auch durch Kündigung auflösen. Da das Gesetz bei der Kündigung „während der Verhinderung“ nicht auf die Absicht des Arbeitgebers abstellt, den Lohnfortzahlungsanspruch zu verkürzen,8 muss auch die berechtigte Entlassung den Fortzahlungsanspruch unberührt lassen.
IV. Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruches Der Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht über das Ende des Arbeitsver- 11 hältnisses hinaus für jenen Zeitraum, für den Entgeltfortzahlung auch bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gebührt hätte. Für die Frage der Entgeltleistung wird in diesem Fall die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses ohne den Hinderungsgrund fingiert. 7╇ 8╇
OGH 27.5.2004, 8 ObA 13/04a. Rebhahn/Kietaibl in Kletečka/Schauer, ABGB-ON §Â€1156 Rz 3.
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Schrammel
Nach §Â€1154b ist der Entgeltfortzahlungsanspruch bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit auf das Arbeitsjahr abgestellt. Bei ununterbrochener Arbeitsverhinderung über das Arbeitsjahr hinaus entsteht nach herrschender Auffassung mit Beginn des nächsten Arbeitsjahres ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch auch dann, wenn der Arbeitnehmer zuerst wegen Ausschöpfung des Entgeltfortzahlungsanspruchs kein Entgelt mehr erhalten hatte.9 Relativ unproblematisch ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer während des Krankenstandes gekündigt oder entlassen wird und während der (fiktiven) Kündigungsfrist ein neues Arbeitsjahr beginnt. War der Fortzahlungsanspruch vor Beginn dieses neuen Arbeitsjahres erschöpft, entsteht mit Beginn des neuen Arbeitsjahres ein neuer Anspruch, hat der Arbeitgeber über das Ende der Kündigungsfrist hinaus Entgeltfortzahlung zu leisten. Fraglich ist, ob der Entgeltfortzahlungsanspruch auch dann neu entsteht, wenn der Arbeitnehmer während des Krankenstandes gekündigt wird und das neue Arbeitsjahr erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, aber noch während des fortdauernden Krankenstands beginnt. Der OGH hatte zunächst die Auffassung vertreten, der Schutzzweck der gesetzlichen Regelung10 gebiete auch dann das Entstehen eines neuen Entgeltfortzahlungsanspruchs, wenn das Arbeitsverhältnis noch im alten Arbeitsjahr, aber während eines fortdauernden Krankenstands geendet habe, und die Fortzahlungszeiträume des alten und (fiktiven) neuen Arbeitsjahres ineinander übergreifen.11 Dieses Ergebnis konnte nicht überzeugen. Es hätte zur Konsequenz, dass bei einem mehrjährigen Krankenstand trotz beendetem Arbeitsverhältnis in jedem fiktiven neuen Arbeitsjahr unbegrenzt ein neuer Fortzahlungsanspruch entstehen würde.12 Wird das Arbeitsverhältnis im alten Arbeitsjahr beendet, kann ein neues Arbeitsjahr nicht mehr beginnen.13 Der OGH hat daher zu Recht diese Rechtsprechung aufgegeben und klar zum Ausdruck gebracht, dass eine Eingrenzung des Entgeltfortzahlungsanspruchs bei einem das Arbeitsjahr übergreifenden Krankenstand auf ineinander übergreifende Fortzahlungszeiträume aus dem Gesetz nicht ableitbar ist.14 Endet daher das Arbeitsverhältnis vor Beginn des neuen Arbeitsjahres, kann ein neues Arbeitsjahr nicht zu laufen beginnen. Damit kann trotz fortdauerndem Krankenstand ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch nicht mehr entstehen.15
9╇
OGH 28.1.1999, 8€ObA€163/98y, ZAS€1999, 18 (Pernkopf); vgl dazu §Â€1154b Rz 28. Im Anlassfall beruhte der Fortzahlungsanspruch auf §Â€5 EFZG. 11╇ OGH 7.6.2006, 9 ObA 115/05k. 12╇ Darauf weist auch Kallab (DRdA€ 2007, 24) hin, der im Übrigen der Entscheidung des OGH zustimmt. 13╇ Rauch, Krankenentgelt nach EFZG und neues Arbeitsjahr, ASoK€2007, 18 (21). 14╇ OGH 22.10.2010, 9€ObA€36/10z. 15╇ OGH 24.11.2010, 9 ObA 139/09w. 10╇
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Übersicht
§ 1157
Fürsorgepflicht des Dienstgebers. §Â€1157. (1) Der Dienstgeber hat die Dienstleistungen so zu regeln und bezüglich der von ihm beizustellenden oder beigestellten Räume und Gerätschaften auf seine Kosten dafür zu sorgen, daß Leben und Gesundheit des Dienstnehmers, soweit es nach der Natur der Dienstleistung möglich ist, geschützt werden. (2) Ist der Dienstnehmer in die Hausgemeinschaft des Dienstgebers aufgenommen, so hat dieser in Ansehung des Wohn- und Schlafraumes, der Verpflegung sowie der Arbeits- und Erholungszeit die mit Rücksicht auf Gesundheit, Sittlichkeit und Religion des Dienstnehmers erforderlichen Anordnungen zu treffen. IdF RGBl 1916/69 (III. Teilnovelle). Mat: 78 BlgHH, 21. Session 1912. Lit: W. Schwarz, Gedanken zur Treue- und Fürsorgepflicht im Arbeitsverhältnis, DRdA 1958, 72; F. Bydlinski, Zum arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, DRdA 1962, 53; W. Schwarz, Gedanken zur Wettbewerbsabrede, FS Hämmerle (1973) 349; Kramer, Arbeitsvertragliche Verbindlichkeiten neben Lohnzahlung und Dienstleistung (1975); ders, Die Persönlichkeit des Arbeitnehmers als Schutzobjekt der Fürsorgepflicht, DRdA 1975, 113; ders, Vermögensrechtliche Aspekte der Treue- und Fürsorgepflicht, in Tomandl (Hrsg), Treue- und Fürsorgepflicht im Arbeitsleben (1975) 107; W. Schwarz, Dauerschuldverhältnis und Dogmatik arbeitsvertraglicher Treuepflicht, FS Wilburg (1975) 355; Schwarz/Holzer, Die Treuepflicht des Arbeitnehmers und ihre künftige Gestaltung (1975); Tomandl (Hrsg), Treue- und Fürsorgepflicht im Arbeitsleben, 1975; Zöllner, Die vorvertragliche und die nachwirkende Treue- und Fürsorgepflicht im Arbeitsverhältnis, in Tomandl (Hrsg), Treue- und Fürsorgepflicht im Arbeitsleben (1975) 91; Marhold, Geheimnisschutz und Verschwiegenheitspflichten im Arbeitsrecht, in Ruppe (Hrsg), Geheimnisschutz im Wirtschaftsleben (1980) 93 ff; Martinek, Privatrechtliche Rechtsbehelfe zur Durchsetzung des Arbeitnehmerschutzes, FS Weissenberg (1980) 305; Marhold, Datenschutz und Arbeitsrecht (1986); Hanreich, Haftung bei Verletzungen des Arbeitnehmerschutzes, in Tomandl (Hrsg), Haftungsprobleme im Arbeitsverhältnis (1991) 81; Mosler, Gebietet die Fürsorgepflicht die Rücksichtnahme auf die individuelle Disposition des Arbeitnehmers?, wbl 1991, 378; Resch, Arbeitsvertrag und Nebenbeschäftigung (1991); Andexlinger, Passivrauchen am Arbeitsplatz, RdW 1992, 379 f; Mazal, Nötigung im Arbeitsrecht, ecolex 1994, 242; Hainz, Die Rechtsstellung von Rauchern im Arbeitsrecht, FS Tomandl (1998) 109.
Übersicht I. II.
Allgemeines Inhalt der Fürsorgepflicht 1. Leben und Gesundheit 2. Konkretisierung der Fürsorgepflicht durch das╇ öffentlich-rechtliche Arbeitnehmerschutzrecht 3. Vermögensinteressen der Arbeitnehmer 4. Achtung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers 5. Hausgemeinschaft
1–4 5–27 5–10 11–14 15–18 19–25 26–27 147
§ 1157
Schrammel
III. Adressaten der Fürsorgepflicht IV. Sanktionen bei Verletzungen der Fürsorgepflicht
28–31 32–34
I. Allgemeines Wie in jedem anderen Vertragverhältnis sind den Parteien neben der Erbringung der vereinbarten Hauptleistungen auch noch weitere Pflichten auferlegt. Dazu gehören Nebenpflichten, die der Vorbereitung und der reibungsÂ� losen Abwicklung der für den Vertragstyp charakteristischen Hauptleistungen dienen, sowie Schutz- und Sorgfaltspflichten, die der Schädigung von Rechtsgütern des Vertragspartners begegnen sollen. Solche Pflichten ergeben sich einerseits aus den auf das Vertragsverhältnis anwendbaren Rechtsvorschriften und andererseits aus der objektiven Vertragsauslegung.1 Über Art und Umfang dieser Nebenpflichten, über ihre Intensität und über 2 die zu ihrer Verwirklichung zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe lassen sich daher keine generellen, sondern nur vertragstypenspezifische Aussagen machen. Für das Arbeitsverhältnis ist charakteristisch, dass jeder Partner eines Arbeitsvertrages notwendigerweise wichtige Eigeninteressen der anderen Seite anvertrauen muss. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer Einblick in seinen Betrieb gewähren, ihm Werte (Betriebsmittel, Werkstoffe) und die Wahrung seiner unternehmerischen Interessen (Qualität der Produkte und Leistungen) anvertrauen.2 Umgekehrt bringt der Arbeitnehmer seine Person in das Arbeitsverhältnis mit ein und vertraut damit dem Arbeitgeber wichtige Persönlichkeitsgüter, wie Leben und Gesundheit an, er gewährt Einblicke in seinen Privatbereich und bringt Wertgegenstände in den Betrieb ein (Kleidungsstücke, Fahrzeuge).3 Die eben erwähnten Schutz- und Sorgfaltspflichten gehen daher im Arbeitsvertrag wesentlich weiter als bei den meisten übrigen Vertragsarten. Sie werden üblicherweise als Treuepflicht und Fürsorgepflicht bezeichnet. Das bedeutet allerdings nicht, dass die aus den beiden Pflichten ergeben3 den konkreten Verhaltensanforderungen quantitativ einander genau entsprechen müssen.4 Je nach dem Gewicht der jeweils dem anderen Vertragsteil zur Wahrung übergebenen Interessen können sich diese Verhaltensanforderungen sehr deutlich unterscheiden. Wer die Wahrung der Sorge für Leben und Gesundheit übernimmt, den werden höhere Anforderungen treffen als jenen, der es bloß mit vermögensrechtlichen Interessen seines Vertragspartners zu tun hat. Andererseits wird Arbeitnehmern, denen mehr Vertrauen entgegengebracht wird und wichtige Interessen ihres Arbeitgebers anvertraut werden, eine intensivere Treuepflicht treffen als einfache Arbeiter und Angestellte. So hat etwa die Judikatur einen Verstoß gegen die Treuepflicht angenommen, wenn ein Arbeitnehmer in Kenntnis der zunehmenden Abhängigkeit des Arbeitgebers von seinen Programmen deren Benützung ganz von der Mitwirkung seiner Person abhängig macht.5 1
Krejci in Rummel3 I §Â€1157 Rz 2. So schon Lederer, Grundriß des österreichischen Sozialrechts (1929) 142 ff. 3╇ Vgl OGH 26.6.1997, 8 ObA 187/97a, DRdA 1998, 21 (Klein). 4╇ Vgl Krejci in Rummel3 I §Â€1157 Rz 4. 5╇ OGH 22.12.1997, 8 ObA 380/97h, Arb 11.686. 1╇ 2╇
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Inhalt der Fürsorgepflicht
§ 1157
Der Gesetzgeber des ABGB hat im 26. Hauptstück ausdrücklich nur die 4 Fürsorgepflicht des Arbeitgebers geregelt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass den Arbeitnehmer keine Schutz- und Sorgfaltspflichten treffen.6 In den sondergesetzlichen Regelungen wird die Treuepflicht zum Teil ausdrücklich erwähnt,7 zum Teil erfolgt eine Konkretisierung über Entlassungsgründe, die an einen Treueverstoß (Untreue im Dienst, Vertrauensunwürdigkeit) anknüpfen, zum Teil werden Verstöße gegen einzelne Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers besonders sanktioniert (zB Verrat von Geschäftsgeheimnissen).
II. Inhalt der Fürsorgepflicht 1. Leben und Gesundheit §Â€1157 Abs€1 erwähnt ausdrücklich nur Leben und Gesundheit des Arbeit- 5 nehmers als Schutzobjekt der Fürsorgepflicht. Der Arbeitgeber ist danach vertraglich verpflichtet, die Arbeitsleistungen so einzufordern, dass Leben und Gesundheit nicht gefährdet werden. Das bedeutet nicht, dass gefährliche Arbeiten an sich verboten sind. Tätigkeiten, die gesetzlich nicht verboten sind, dürfen auch vertraglich ausgeübt werden; die Fürsorgepflicht steht dem nicht entgegen. Ein „mulmiges“ Gefühl und Angstzustände bei Ausübung der Tätigkeit begründen für sich allein daher noch kein Leistungsverweigerungsrecht.8 Zu beachten ist allerdings, dass mögliche Gefährdungen der Arbeitnehmer 6 bei Ausübung der gefährlichen Tätigkeit dem jeweiligen Stand der Technik entsprechend hintangehalten werden. Der Arbeitgeber hat zB eine Baustelle gegen eine quer über die Straße laufende Starkstromleitung abzusichern9 oder für den sicheren Zugang zu einem Dienstzimmer zu sorgen.10 Hat der Arbeitnehmer Arbeiten an einer Hackmaschine durchzuführen, gehört es zur Fürsorgepflicht, durch entsprechende Vorkehrungen dafür zu sorgen, dass die Maschine während der Verrichtung der Arbeiten nicht in Betrieb gesetzt wird.11 Wird der Leistungsort vorübergehend geändert (Probebühne), muss sichergestellt sein, dass an diesem Leistungsort keine zusätzlichen über das normale Maß hinausgehenden Gefährdungen (zB unsichere Umgebung) auftreten.12 Auch die Beistellung einer adäquaten Arbeitskleidung ist aus der Fürsorgepflicht abzuleiten.13 Der Arbeitnehmer hat nach herrschender Auffassung keinen Anspruch auf 7 die bestmögliche Ausstattung von Arbeitsräumen, Maschinen und anderen Arbeitsgeräten; der Arbeitgeber hat grundsätzlich nur für eine zumutbare Ausstattung seines Betriebes zu sorgen, damit Gefahren vermieden werden.14 Die 6╇
Vgl OGH 6.4.1994, 9 ObA 349/93, DRdA 1995, 44. Vgl §Â€76 GewO 1859. 8╇ Vgl OGH 27.2.2003, 8 ObA 9/03m. 9╇ OGH 13.1.1972, 2 Ob 222, 223/71, Arb 8972. 10╇ OGH 27.6.1969, 4 Ob 27/69, ZAS 1970, 142 (Goller). 11╇ OGH 4.2.1976, 8 Ob 274/75, SZ 49/15. 12╇ OGH 10.12.1997, 9 ObA 343/97z. 13╇ Marhold, AngG-Komm §Â€18 Rz 26. 14╇ Krejci in Rummel3 I §Â€1157 Rz 9; Marhold, AngG-Komm § 7╇
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Schrammel
Judikatur betont, die Fürsorgepflicht finde ihr Grenzen einerseits in den für das Dienstverhältnis relevanten Interessen des Arbeitnehmers und andererseits im allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Übermaßverbot). Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, eigene und schutzwerte Interessen zu vernachlässigen.15 Wenn allerdings die Abwicklung der Arbeit eine konkrete Gefährdung des 8 Arbeitnehmers mit sich bringt, darf der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz verlassen. Dies ergibt sich klar aus §Â€ 8 AVRAG. Dieses Verlassen darf zu keiner Benachteiligung des Arbeitnehmers führen, darauf gestützte Arbeitgeberkündigungen können bei Gericht angefochten werden. §Â€8 AVRAG erfasst nicht nur Fälle, in denen eine Sicherheitsmaßnahme ausnahmsweise versagt, das Verlassen des Arbeitsplatzes muss auch bei von vornherein unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen gerechtfertigt sein. Zwischen der Zumutbarkeit, Gefahren verhindernde Maßnahmen zu setzen, und der Gefährdung des Arbeitnehmers besteht daher ein enger Zusammenhang. Wenn der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz bei Gefahr letztlich sanktionslos verlassen darf, sofern die Gefährdung besonders hoch ist, müssen auch an die Zumutbarkeit, Gefahren vermeidende Maßnahmen zu ergreifen, hohe Anforderungen gestellt werden. Der Arbeitgeber muss bei einer hohen Gefährdung besondere Anstrengungen unternehmen, um Gefährdungen zu verhindern und seinen Betrieb technisch entsprechend aufrüsten. Kann sich der Dienstgeber aus finanziellen Gründen einen solchen Schutz nicht leisten, hat die Durchführung der gefährlichen Tätigkeiten zu unterbleiben.16 Die Bedachtnahme auf Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer kann auch 9 zu einer inhaltlichen Veränderung der Arbeitspflicht führen. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer eine leichtere Arbeit zuzuweisen, wenn der Arbeitnehmer gesundheitlich nicht in der Lage ist, die geforderten Dienste zu verrichten. Dieses Gebot gilt jedenfalls bei vorübergehenden Leistungseinschränkungen; es bezieht sich auf Arbeiten, die vom Arbeitsvertrag erfasst sind.17 Der Arbeitgeber ist allerdings nicht verpflichtet, seine Arbeitsorganisation umzustrukturieren oder gar nicht existierende Arbeitsplätze neu zu schaffen, nur um der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers gerecht zu werden.18 Die Zuweisung leichterer Arbeiten stellt sich meist im Zusammenhang mit einer allfälligen vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund (Dienstunfähigkeit). Dem Arbeitgeber steht das Auflösungsrecht nur zu, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar geworden ist. Kann der Arbeitnehmer noch auf einem anderen Arbeitsplatz im Rahmen des Vereinbarten eingesetzt werden, besteht insoweit kein wichtiger Grund zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.19 Die Fürsorgepflicht verstärkt hier nur ein „Gebot“, das sich aus dem Wesen der vorzeitigen Beendigung ergibt. 15╇ OGH 22.2.1995, 9 ObA 9/95 (Beistellung von Einzelzimmern auf einer Dienstreise), DRdA 1995, 421. 16╇ So Krejci in Rummel3 I §Â€1157 Rz 9. 17╇ Vgl OGH 13.6.2002, 8 ObA 79/02d. 18╇ OGH 29.9.2009, 8 ObA 43/09w, ecolex 2010, 80; vgl auch 29.4.1992, 9 ObA 18/92; 13.6.2002, 8 ObA 79/02d. 19╇ Vgl §Â€1162 Rz 25.
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Inhalt der Fürsorgepflicht
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Anders ist die Situation, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr fortsetzen will. Ein vorzeitiger Austritt setzt voraus, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zuvor Gelegenheit gegeben hat, ihm eine dem Gesundheitszustand adäquate Arbeit zuzuweisen.20 Unterlässt der Arbeitgeber eine Änderung der Beschäftigung, ist der Austritt gerechtfertigt. Der Arbeitnehmer ist allerdings nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet. Er kann die gesundheitsschädlichen Arbeitsleistungen einstellen und den Arbeitgeber damit in Zugzwang bringen, eine gesundheitsverträgliche Arbeit zuzuweisen. Wenn dem Arbeitnehmer ein Recht auf tatsächliche Beschäftigung nicht zusteht, kann allerdings die tatsächliche Zuweisung einer gesundheitsverträglichen Beschäftigung nicht erzwungen werden; unterlässt der Arbeitgeber die Zuweisung einer gesundheitsverträglichen Beschäftigung, verzichtet er insoweit auf die Entgegennahme von Diensten und hat Entgelt nach §Â€1155 zu leisten. Eine besondere Rücksichtnahme ist gegenüber Arbeitnehmern mit Behin- 10 derungen geboten. Der Arbeitgeber muss dem Behinderten einen Arbeitsplatz zuweisen, auf dem der Arbeitnehmer seine Kenntnisse und Fähigkeiten möglichst voll einsetzen kann.21 Anders als bei Leistungseinschränkungen, die sich während des Arbeitsverhältnisses ergeben, verpflichtet hier die Fürsorgepflicht bereits mit Aufnahme der Arbeit zu einer entsprechenden Gestaltung und „Anpassung“ der Arbeit an die (eingeschränkten) Fähigkeiten des behinderten Arbeitnehmers. 2. Konkretisierung der Fürsorgepflicht durch das öffentlich-rechtliche Arbeitnehmerschutzrecht Welche Standards in concreto einzuhalten sind, damit Leben und Gesund- 11 heit nicht gefährdet werden, ergibt sich nicht unmittelbar aus §Â€1157. Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer werden allerdings im Detail durch öffentlich-rechtliche Arbeitnehmerschutzvorschriften gesichert. Das staatliche Arbeitnehmerschutzrecht beruht auf der Vorstellung, durch staatliche Interventionen mit hoheitlichen Mitteln den Vollzug der Arbeitsverhältnisse beeinflussen zu können. Während §Â€1157 gegenseitige Rechte und Pflichten der beiden Parteien des Arbeitsvertrages festlegt, die in Hinkunft als aus dem Arbeitsvertrag geschuldet angesehen und daher in ihrer Rechtsdurchsetzung völlig mit jenen gleichgesetzt werden, die zwischen den Parteien gültig ausgehandelt worden sind, wollen Arbeitnehmerschutzbestimmungen ihr Ziel primär auf direktem Wege, also nicht erst über den Umweg der Ausgestaltung des Arbeitsvertrages erreichen. Sie legen daher Pflichten (Gebote oder Verbote) fest, deren Einhaltung von staatlichen Verwaltungsbehörden überwacht und notfalls durch die Verhängung von Verwaltungsstrafen erzwungen wird. Die Strafdrohung richtet sich gegen den Arbeitgeber, dem die Gesamtverantwortung für sein Unternehmen obliegt. Der wesentliche Unterschied liegt also darin, dass bei Arbeit20╇
§Â€1162 Rz 26. OGH 8.2.1996, 8 ObA 303/95, DRdA 1996, 245; 16.7.2004, 8 ObA 111/03m, DRdA 2004, 561; Marhold, AngG-Komm §Â€18 Rz 14. 21╇
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nehmerschutzbestimmungen der Gesetzeszweck nicht durch die Einräumung von subjektiven Rechtsansprüchen, deren Geltendmachung im Belieben des Anspruchsberechtigten liegt, sondern durch die Festlegung einseitiger Pflichten erreicht werden soll, die von Behörden überwacht werden.22 Diese staatlichen Arbeitnehmerschutzvorschriften werden inhaltlich durch 12 das europäische Gemeinschaftsrecht determiniert. Vor allem die (2.) RahmenRichtlinie aus 198923 hat neben der Regelung der Grundsätze des Arbeitnehmerschutzes in den Betrieben sowie der diesbezüglichen Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Ausgangspunkt für eine ganze Reihe von „Einzelrichtlinien“, insbesondere in den folgenden Bereichen fungiert: ╇ − Arbeitsstätten;╇ − Arbeitsmittel;╇ − Persönliche Schutzausrüstung;╇ − Arbeiten mit Bildschirmgeräten;╇ − Handhabung schwerer Lasten, die Gefährdungen der Lendenwirbelsäule mit sich bringen;╇ − Baustellen und Wanderbaustellen;╇ − Fischerei und Landwirtschaft.24 Diese Richtlinien sind in Österreich vor allem durch das ArbeitnehmerÂ� 13 Innenschutzgesetz (ASchG)25 und darauf gestützte Verordnungen umgesetzt. Jeder Arbeitgeber ist verpflichtet, die bestehenden Gefahren in seinem Betrieb zu ermitteln, zu beurteilen und zu dokumentieren sowie die erforderlichen Schutzmaßnahmen durchzuführen. Um dies tun zu können, hat er sich über den jeweils neuesten Stand der Technik und der Erkenntnisse auf dem Gebiet der Arbeitsgestaltung zu informieren. Er ist verpflichtet, eine geeignete Organisation mit den erforderlichen Mitteln bereitzustellen, Gefahren abwehrende Maßnahmen unter Berücksichtigung menschlichen Fehlverhaltens zu setzen, seine Arbeitnehmer ausreichend zu informieren und zu unterweisen, ohne jedoch die Arbeitnehmer mit Kosten für den Arbeitnehmerschutz zu belasten. Die Arbeitgeber sind auch verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen und Anweisungen zu ermöglichen, dass die Arbeitnehmer bei ernster, unmittelbarer und nicht vermeidbarer Gefahr ihre Tätigkeit einstellen und sich durch sofortiges Verlassen des Arbeitsplatzes in Sicherheit bringen. Diese Grundpflichten des Arbeitgebers werden dann vom Gesetz in eine Fülle einzelner Gebote aufgesplittert. Die in den jeweiligen Rechtsvorschriften enthaltenen Regelungen konkre14 tisieren die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Hat der Arbeitgeber seinen Betrieb zB iSd Arbeitsstättenverordnung eingerichtet oder gesetzlich vorgesehene medizinische Untersuchungen der Arbeitnehmer durchgeführt, ist davon auszugehen, dass damit Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer ausreichend gewahrt sind. Vgl Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht 27, Kapitel XXVII. Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, ABl L 183, S 1. Die Richtlinie war bis 31. Dezember 1992 von den Mitgliedstaaten umzusetzen (Art 18 Abs€1). 24╇ Vgl dazu Schrammel/Winkler, Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (2010) 187 ff. 25╇ BGBl 1994/450. 22╇ 23╇
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Inhalt der Fürsorgepflicht
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3. Vermögensinteressen der Arbeitnehmer Nach herrschender Auffassung hat der Arbeitgeber nach §Â€1157 Abs€1 nicht 15 nur dafür zu sorgen, dass Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer geschützt werden. Die Fürsorgepflicht bezieht sich auch auf vermögensrechtliche Interessen der Arbeitnehmer.26 Arbeitnehmer, die in den Betrieb integriert, den Weisungen des Arbeitgebers unterworfen und den Einflüssen des Betriebes ausgesetzt sind, sollen ganz allgemein vor negativen Einflüssen geschützt werden.27 Der Arbeitgeber hat daher – im Rahmen des Zumutbaren – vor allem dafür zu sorgen, dass die vom Arbeitnehmer in den Betrieb mitgebrachten Sachen vor einer Schädigung bewahrt bleiben.28 Das ASchG bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass der Arbeitgeber einen versperrbaren Kleiderkasten zur Verfügung zu stellen hat, damit der Arbeitnehmer seine Privatkleidung aufbewahren kann.29 Die Bedachtnahme auf die Vermögensinteressen der Arbeitnehmer geht 16 allerdings über das bloße Bereitstellen versperrbarer Kleiderkästen weit hinaus. So hielt die Judikatur den Arbeitgeber unter Umständen für verpflichtet, zu Gunsten des Fahrers eines LKW eine über das gesetzliche Ausmaß hinausgehende Haftpflichtversicherung abzuschließen.30 Die verschuldensabhängige Verantwortung des Arbeitnehmers gegenüber Dritten sollte dadurch im Ergebnis betragsmäßig begrenzt werden. Durch das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (DHG)31 ist dieser „Fürsorgegedanke“ gleichsam verallgemeinert und verstärkt worden. Die im DHG enthaltenen Haftungsminderungen werden in den Gesetzesmaterialien mit dem Argument begründet, der Arbeitgeber setze den Arbeitnehmer zu seinem eigenen Interesse und in seiner eigenen Organisation ein und müsse daher deren Gefahrenrisiko auf sich nehmen. Überdies hätten die modernen Arbeitsabläufe Schadenshäufigkeit und Schadenshöhe bedeutend gesteigert; es sei unbillig, diese Umstände allein den Arbeitnehmer tragen zu lassen; überdies könne der Arbeitgeber solche Schäden, ebenso wie andere Betriebsrisken, in seiner Kalkulation berücksichtigen und auf die Konsumenten überwälzen.32 Die besondere Bedachtnahme auf die Eingliederung des Arbeitnehmers in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers entspricht der eben erwähnten „allgemeinen“ Begründung, dass der Arbeitgeber auch Vermögensinteressen der Arbeitnehmer zu schützen hat. Gibt der Arbeitgeber Bauarbeiten in Auftrag, so treffen ihn Sicherungs- 17 pflichten für das Vermögen seiner Arbeitnehmer; der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass in der Nähe des Betriebes geparkte Autos der Arbeitnehmer nicht durch einen bei den Bauarbeiten eingesetzten Kran beschädigt werden.33 Hat sich der Arbeitgeber Gestaltungsrechte ausbedungen, hat er bei deren AusKrejci in Rummel3 I §Â€1157 Rz€39. Mosler, ZellKomm€§Â€1157 Rz€ 28╇ OGH 12.10.1982, 4 Ob 117/82, Arb 10.188 (versperrbare Einrichtung im Flugzeug). 29╇ §Â€27 ASchG; vgl Marhold, AngG-Komm §Â€18 Rz 69. 30╇ Vgl OGH 8.2.1966, 4 Ob 2/66, ZAS 1967, 142 (Edlbacher). 31╇ BGBl 1965/80. 32╇ Vgl EB RV 631 BlgNR 10. GP zum DHG. 33╇ OGH 15.12.1992, 4 Ob 553/92, ÖJZ 1993, 422. 26╇ 27╇
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übung die ideellen und materiellen Arbeitnehmerinteressen zu wahren.34 Auch Aufklärungspflichten gegenüber dem Arbeitnehmer, etwa über die Gefährlichkeit von Materialien35 oder über dessen Bindung an Kündigungsfristen,36 wurden aus der Fürsorgepflicht abgeleitet. Die Fürsorgepflicht verschafft aber keinen Anspruch auf die Gewährung 18 zusätzlichen Entgelts. Eine Betriebspension, eine freiwillige Sonderzahlung, ein Jubiläumsgeschenk mag durchaus aus sozialem Verantwortungsgefühl für den Arbeitnehmer gewährt werden, eine Rechtspflicht besteht zu solchen Leistungen jedoch nur dann, wenn diese durch Gesetz, kollektive Rechtsgestaltungsmittel oder rechtsgeschäftlich begründet wurde. 4. Achtung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers 19
Nach Meinung der Judikatur bezieht sich die Fürsorgepflicht nicht nur auf die Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum, sie umfasst vielmehr die gesamte Persönlichkeit des Arbeitnehmers.37 Schutz der Persönlichkeit impliziert auch Schutz der Individualität, dh der persönlichen Entwicklung, Selbstdarstellung und Bewahrung der Eigenständigkeit. Wenn die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu schützen ist, hat der Arbeitgeber auch dafür zu sorgen, dass die Sittlichkeit des Arbeitnehmers nicht beeinträchtigt wird. Die besondere Achtung der Sittlichkeit wird in §Â€1157 Abs€2 bei den in die Hausgemeinschaft aufgenommenen Arbeitnehmern angesprochen. Die Fürsorgepflicht verpflichtet aber bei allen Arbeitnehmern zur Wahrung der Sittlichkeit. Die Achtung der Persönlichkeit verpflichtet den Arbeitgeber insbesondere, 20 den Arbeitnehmer vor sexuellen Belästigungen zu schützen. Diese Verpflichtung wird im Gleichbehandlungsgesetz ausdrücklich angesprochen. Nach Meinung der Judikatur handelt es sich beim gesetzlichen Verbot der sexuellen Belästigung eines Arbeitnehmers bzw einer Arbeitnehmerin durch den Arbeitgeber um eine Konkretisierung der Fürsorgepflicht und um die ausdrückliche Sanktionierung ihrer Verletzung.38 Geht es um die Achtung der Persönlichkeit, hat der Arbeitgeber Daten 21 von Arbeitnehmern zu schützen, weil sich in ihnen ein Teil der Individualität widerspiegelt.39 Auf der anderen Seite hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Auskünfte über anderen Arbeitnehmer zu erteilen, damit der Arbeitnehmer Rechtsansprüche verfolgen kann. Wurde zB ein Arbeitnehmer durch ein Fehlverhalten eines ihm nicht bekannten Arbeitskollegen geschädigt, muss der Arbeitgeber diesen bekannt geben, damit Schadenersatzansprüche durchgesetzt werden können. Der OGH argumentiert, besonders in großen Betrieben mit komplexen Betriebsorganisationen sei es geradezu typisch, dass der einzelne 34╇ OGH 15.3.1989, 9 ObA 266/88, DRdA 1991, 10 (Apathy, Personalstrom-Preisbestimmung). 35╇ OGH 11.5.1965, 4 Ob 60/65, ZAS 1966, 23 (Selb). 36╇ OGH 18.12.1956, 4 Ob 148/55, Arb 6571. 37╇ Vgl OGH 22.2.1995, 9 ObA 9/95, DRdA 1995, 421; Schnorr, Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten und Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers, FS Strasser (1983) 97. 38╇ OGH 5.6.2008, 9 ObA 18/08z, ZAS 2009, 288 (Krömer). 39╇ OGH 20.12.2006, 9 ObA 109/06d, DRdA 2008, 26 (Mosler).
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Inhalt der Fürsorgepflicht
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Arbeitnehmer nicht überblicken kann, welche Arbeitnehmer im Rahmen der Betriebsorganisation jeweils zur Wahrnehmung bestimmter Schutzfunktionen zuständig sind. Gerade dieses aus der Integration in einem großen Betrieb entstehende Risiko soll auch€durch §Â€1157 abgedeckt werden. Daher ist grundsätzlich eine Verpflichtung des Arbeitgebers als Adressaten€der€Bestimmung des€§Â€1157 auf Bekanntgabe der im Rahmen der Betriebsorganisation zur Wahrung von Schutzmechanismen zugunsten geschädigter Arbeitnehmer zuständigen Arbeitskollegen zu bejahen.40 Besondere Bedeutung hat die Achtung der Persönlichkeit auch für die Begründung von Gleichbehandlungspflichten im Arbeitsverhältnis. So wird etwa der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz41 aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers abgeleitet. Der Arbeitgeber darf einzelne Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund nicht schlechter behandeln als eine Mehrheit vergleichbarer Arbeitnehmer. Das „Herausgreifen“ eines Einzelnen und der Ausschluss von Vergünstigungen, die der Mehrheit gewährt werden, stellt eine besonders intensive Missachtung der Persönlichkeit dar; der Arbeitnehmer wird dadurch gleichsam an den Pranger gestellt, weil die Ungleichbehandlung auf ihn fokussiert ist. Dies unterscheidet die Schlechterbehandlung des Einzelnen gegenüber der Mehrheit von der Bevorzugung Einzelner ohne sachlichen Grund. Eine „kollektive“ Schlechtbehandlung hat nicht den individualisierenden Effekt, der einer „singulären“ Schlechterbehandlung zukommt. Die Fürsorgepflicht ist auch Grundlage für die in Spezialgesetzen enthaltenen besonderen Gleichbehandlungspflichten und Diskriminierungsverbote. Diese Gleichbehandlungspflichten bestehen schon ab der Aufnahme des rechtsgeschäftlichen Kontakts, sie wirken bereits vor Abschluss des Arbeitsvertrages. Bereits im Stadium der Vertragsverhandlung obliegt dem Arbeitgeber die Verpflichtung zur besonderen Obsorge im Interesse des (künftigen) Arbeitnehmers. Sexuelle Belästigungen im Anbahnungsstadium stellen eine Verletzung der vorvertraglichen Fürsorgepflicht dar, die durch §Â€ 6 GlbG ausdrücklich sanktioniert ist.42 Der Schutz der Persönlichkeit des Arbeitnehmers gebietet auch, bei KonÂ� trollen der Arbeitnehmer mit Zurückhaltung vorzugehen. Die Fürsorgepflicht verwehrt dem Arbeitgeber nicht, die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen zu überwachen.43 Bei Ausübung der Kontrollen hat der Arbeitgeber aber schonend vorzugehen und Erniedrigungen des Arbeitnehmers zu unterlassen. Diese Erniedrigungen können sich auch aus einer entsprechenden KonÂ� trolldichte ergeben.44 So ist etwa einem LKW-Fahrer nicht zuzumuten, bei seinen Fahrten den 14-jährigen Sohn des Arbeitgebers als „Aufpasser“ mitzunehmen.45 Die Fürsorgepflicht kann über das Ende des Arbeitsverhältnisses fortwirken. Der Arbeitgeber hat auch die Interessen der ausgeschiedenen Arbeitneh40╇
OGH 30.7.2009, 8 ObA 4/09k, JBl 2010, 67. Vgl §Â€1152 Rz 37 ff. 42╇ OGH 5.6.2008, 9 ObA 18/08z, ZAS 2009, 288 (Krömer). 43╇ OGH 20.12.2006, 9 ObA 109/06d, SZ 2006/191. 44╇ OGH 13.6.2002, 8 ObA 288/01p, SZ 2002/83. 45╇ OGH 25.11.1958, 4 Ob 102/58, Soz I A d, 359. 41╇
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mer zu wahren.46 Dies gilt insbesondere bei Erteilung von Auskünften über ehemalige Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber hat die Interessen des früheren Arbeitnehmers am weiteren Fortkommen zu schützen. Sachliche Auskünfte über bestimmte Fähigkeiten, die für einen neuen Arbeitgeber, der konzernmäßig mit dem früheren Arbeitgeber verbunden ist, sind nach Meinung der Judikatur allerdings unbedenklich.47 5. Hausgemeinschaft 26
Ist der Arbeitnehmer in die Hausgemeinschaft des Arbeitgebers aufgenommen, hat der Arbeitgeber mit Rücksicht auf die Gesundheit in Ansehung des Wohn- u Schlafraumes, der Verpflegung sowie der Arbeits- und Erholungszeit die erforderlichen Anordnungen zu treffen. §Â€1157 Abs€2 hat zur Voraussetzung, dass dem Arbeitnehmer im Wohnverband des Dienstgebers ein Wohnund Schlafraum zur Verfügung gestellt wird, so dass dadurch engere persönliche Beziehungen zwischen den Vertragsparteien entstehen. Die Judikatur leitet daraus ab, dass eine „Hausgemeinschaft“ mit juristischen Personen ausgeschlossen ist, weil es zu juristischen Personen keine derartigen persönlichen Beziehungen geben kann.48 Die Begriffe „Wohn- und Schlafraum“ sind weit zu verstehen. Dazu gehö27 ren auch Zugänge, sonstige Aufenthalts- und zur Mitbenützung zur Verfügung gestellte Räume einschließlich der Sanitärräume.49
III. Adressaten der Fürsorgepflicht 28
Adressaten der Fürsorgepflicht sind einerseits der Arbeitgeber als Verpflichteter und der Arbeitnehmer als Begünstigter. Der Arbeitgeber kann seine Fürsorgepflicht allerdings nicht nur durch „persönliches“ Verhalten verletzen. Eine Verletzung der Fürsorgepflicht ist dem Arbeitgeber auch dann anzulasten, wenn er zB einer allfälligen Belästigung des Arbeitnehmers durch Dritte nicht auf angemessene Weise abhilft. Auch juristische Personen sind Adressaten der Fürsorgeverpflichtungen. 29 Ist der Arbeitgeber eine juristische Person, dann ist dieser das Verhalten des vertretungsbefugten Organs unmittelbar zuzurechnen.50 Der Arbeitgeber hat aber auch für das Verhalten jener Personen einzustehen, die er zur Wahrnehmung der Fürsorgepflicht gegenüber den Arbeitnehmern oder Bewerbern einsetzt.51 Bei so genannten Leiharbeitsverhältnissen ist auch der Beschäftiger zur 30 Fürsorge gegenüber den bei ihm tätigen Arbeitnehmern verpflichtet, auch wenn zwischen dem Beschäftiger und der überlassenen Arbeitskraft keine verMosler, ZellKomm §Â€18 AngG Rz 12. OGH 7.2.2008, 9 ObA 104/07w. 48╇ OGH 22.2.1995, 9 ObA 9/95, DRdA 1995, 421. 49╇ Krejci in Rummel3 I §Â€1157 Rz 14; Goller, ZAS 1970, 143. 50╇ Vgl Tinhofer, Sexuelle Belästigung durch den Geschäftsführer einer GmbH, RdW 1994, 46╇ 47╇
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51╇
Rebhahn in Rebhahn, GlBG §Â€3 Rz 13; Kletečka in Rebhahn, GlBG §Â€12 Rz 13 ff.
Sanktionen bei Verletzungen der Fürsorgepflicht
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traglichen Beziehungen bestehen. Für Überlassungsverhältnisse, die in den Geltungsbereich des AÜG fallen, ergibt sich dies unmittelbar aus §Â€6 Abs€3 AÜG. Aber auch bei anderen Überlassungsverhältnissen treffen den Beschäftiger entsprechende Pflichten.52 Der Beschäftiger hat insbesondere Mobbing-Aktionen gegen überlassene oder zugewiesene Arbeitnehmer zu unterlassen bzw zu unterbinden.53 Der gebotene Schutz bezieht sich nicht nur auf den Arbeitnehmer persön- 31 lich. Der EuGH hat im Zusammenhang mit dem durch die Richtlinie 2000/78/ EG54 statuierten Verbot, Behinderte zu diskriminieren, zu Recht darauf hingewiesen, dass dieses nicht auf Personen beschränkt ist, die selbst behindert sind. Erfährt ein Arbeitnehmer, der selbst nicht behindert ist, durch einen Arbeitgeber eine weniger günstige Behandlung, als sie ein anderer Arbeitnehmer in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, und ist nachgewiesen, dass die Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen der Behinderung seines Kindes erfolgt ist, für das er im Wesentlichen die Pflegeleistungen erbringt, deren es bedarf, so verstößt eine solche Behandlung gegen das Verbot der unmittelbaren Diskriminierung in Art€2 Abs€2 lit€a der Richtlinie 2000/78/EG.55 Man erkennt daraus, dass die Fürsorgepflicht zwar auf die Arbeitsumwelt bezogen ist, den Arbeitnehmer aber nicht isoliert, sondern als Teil einer (Familienâ•‚)Gemeinschaft schützt, die außerhalb des Arbeitsverhältnisses angesiedelt ist, aber in das Arbeitsverhältnis hineinwirkt.
IV. Sanktionen bei Verletzungen der Fürsorgepflicht Die Fürsorgepflicht wird als „echte“ Rechtspflicht des Arbeitgebers ver- 32 standen.56 Ist der Arbeitgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht zur Setzung bestimmter Maßnahmen, zur Erbringung bestimmter Leistungen verpflichtet, steht dem Arbeitnehmer grundsätzlich ein Erfüllungsanspruch zu. Der einzelne Arbeitnehmer hat allerdings keine die gesamte Belegschaft bzw den ganzen Betrieb betreffenden Erfüllungsansprüche; vielmehr steht nur seine individuelle Position zur Diskussion. Er kann also zB die Ausfolgung eines vorgeschriebenen Arbeitshelmes, eines geeigneten Gehörschutzes, einer vorschriftsmäßig geschützten Elektrosäge verlangen. Ein individualrechtlicher Anspruch auf Umbau der Fabrikshalle mit Installierung einer erforderlichen Entlüftungsanlage steht dem Arbeitnehmer nicht zu.57 Im Übrigen kann der Anspruch nicht weiter gehen als der aus der Haupt- 33 leistungspflicht resultierende Erfüllungsanspruch. Hat der Arbeitnehmer kein Recht auf tatsächliche Beschäftigung, so hat auch die Verletzung der Fürsorgepflicht lediglich zur Folge, dass dem Arbeitnehmer wie im allgemeinen Ar52╇
OGH 17.3.2005, 8 ObA 117/04w. OGH 26.8.2004, 8 ObA 3/04f, ZAS 2005, 44 (Posch). 54╇ Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgeÂ� meinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, ABl L 303, S 16. 55╇ EuGH 17.7.2008, C-303/06 (Coleman), Slg 2008, I-5603. 56╇ OGH 18.11.1987, 9 ObA 103/87, DRdA 1988, 256. 57╇ Vgl Krejci in Rummel3 I §Â€1157 Rz 47. 53╇
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beitsrecht bei Nichtabstellen der Erschwernisse ein Austrittsrecht bzw ein Recht, seine Leistungen bis zur Abhilfe zu verweigern, zusteht.58 Verletzungen der Fürsorgepflicht können allerdings Schadenersatzansprü34 che gegen den Arbeitgeber auslösen. Hat der Arbeitgeber zB nicht dafür gesorgt, dass der Arbeitnehmer die Dienstwohnung sicher erreichen kann – der Arbeitnehmer rutschte auf einem „Eismugel“ vor dem Personalwohnheim aus und verletzte sich –, hat er dem Arbeitnehmer einen allenfalls entstehenden Verdienstentgang zu ersetzen und Schmerzengeld zu leisten.59
Endigung des Dienstverhältnisses. §Â€1158. (1) Das Dienstverhältnis endet mit dem Ablaufe der Zeit, für die es eingegangen wurde. (2) Ein auf Probe oder nur für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfes vereinbartes Dienstverhältnis kann während des ersten Monates von beiden Teilen jederzeit gelöst werden. (3) Ein für die Lebenszeit einer Person oder für länger als fünf Jahre vereinbartes Dienstverhältnis kann von dem Dienstnehmer nach Ablauf von fünf Jahren unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gelöst werden. (4) Ist das Dienstverhältnis ohne Zeitbestimmung eingegangen oder fortgesetzt worden, so kann es durch Kündigung nach folgenden Bestimmungen gelöst werden. IdF RGBl 1916/69 (III. Teilnovelle). Mat: 78 BlgHH, 21. Session 1912. Lit: Kuderna, Die zeitwidrige Kündigung, 1969, 287; Schwimann, Wirkung und schadenersatzrechtliche Folgen einer zeitwidrigen Kündigung des Dienstvertrages, ZAS 1969, 121; Strasser, Die Kündigung zur Unzeit, GedS Gschnitzer (1969) 415; Miklau, Probleme des Kettendienstvertrages, ZAS€1974, 43; Fitz, Die fristwidrige Kündigung, DRdA 1975, 241; Kuderna, Zur Diskussion über die zeitwidrige Kündigung, DRdA 1976, 57; Marhold, Die Wirkung ungerechtfertigter Entlassung€– Eine Kritik des sogenannten Schadenersatzprinzips, ZAS€1978, 5; Binder, Zur Konversion von Rechtsgeschäften (1982); Runggaldier, Die krankheitsbedingte Kündigung, ZAS€1982, 130; Schrank, Möglichkeiten und Grenzen der einseitigen Berichtigung zeitwidriger Kündigungen, FS Strasser (1983), 309; Schrammel, Resolutivbedingungen im Arbeitsverhältnis, ZAS€ 1984, 221; W. Schwarz, Zeitwidrige Kündigung und Wissenserklärung im Arbeitsrecht, ÖJZ 1984, 617; Holzer, Irrtumsanfechtung bei zeitwidriger Kündigung im Arbeitsverhältnis, JBl 1985, 82; Schrammel, Kettendienstverträge mit Rundfunkmitarbeitern, RdW 1986, 347; Egger, Die Beendigung von befristeten Arbeitsverhältnissen im Lichte der Rechtsprechung, wbl 1993, 40; Rauch, Zugang von Auflösungserklärungen, ASoK 2001, 343; Band, Befristeter Arbeitsvertrag mit Kündigungsmöglichkeit, ZAS 2004, 47; Tomandl, Höchstbefristung: eine andere Sichtweise, ZAS 2004, 48. 58╇ OGH 10.12.1997, 9 ObA 343/97z; Krejci in Rummel3 I §Â€1157 Rz 47; Mosler, ZellKomm §Â€18 AngG Rz 128. 59╇ OGH 27.6.1969, 4 Ob 27/69, ZAS 1970, 142 (Goller).
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Übersicht
§ 1158
Übersicht I. II.
III. IV. V. VI. VII.
Allgemeines Der befristete Arbeitsvertrag 1. Befristung 2. Beendigung des befristeten Arbeitsvertrages a) Zeitablauf b) Beendigung vor Zeitablauf 3. Der befristete Arbeitsvertrag im Europäischen Gemeinschaftsrecht a) Allgemeines b) Diskriminierungsverbot c) Kettenverträge 4. Kettenverträge im österreichischen Recht a) Allgemeines b) Die Position der Judikatur 5. Sonderbestimmungen für befristete Arbeitsverträge a) Schauspieler b) Arbeitskräfteüberlassung c) Rundfunkmitarbeiter d) Mutterschutzgesetz Der auflösend bedingte Arbeitsvertrag Der Arbeitsvertrag „auf Probe“ 1. Vereinbarung einer Probezeit 2. Beendigung des Probearbeitsverhältnisses Der Arbeitsvertrag bei „vorübergehendem Bedarf“ Der Arbeitsvertrag auf Lebenszeit einer Person Kündigung 1. Begriff 2. Inhalt der Erklärung a) Auflösung des Arbeitsverhältnisses b) Angabe des Endzeitpunktes des Arbeitsverhältnisses c) Bedingte Kündigungen 3. Zugang der Erklärung a) Allgemeines b) Mündliche Kündigungen c) Schriftliche Kündigungen d) Zugang der Kündigung bei Abwesenheit des Empfängers 4. Kündigungsverbote und Kündigungsbeschränkungen a) Sittenwidrige und gesetzwidrige Kündigungen b) Kündigungen zur „Unzeit“ c) Vertragliche Kündigungsbeschränkungen d) Gesetzliche Kündigungsbeschränkungen aa) Anfechtbare Kündigungen bb) Allgemeiner Kündigungsschutz cc) Kündigungsschutz außerhalb des ArbVG
1–4 5–49 5–9 10–15 10–11 12–15 16–27 16 17–22 23–27 28–32 28 29–32 33–49 33–39 40–43 44–47 48–49 50–53 54–59 54–57 58–59 60–61 62–65 66–107 66–69 70–76 70–71 72–73 74–76 77–86 77 78 79–82 83–86 87–107 87–91 92–93 94–95 96–107 96–97 98–106 107 159
§ 1158
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I. Allgemeines 1
§Â€ 1158 trifft Regelungen über die Beendigung des Arbeitsvertrages; die Aufzählung der Beendigungsgründe ist allerdings nicht erschöpfend. So hat etwa die vorzeitige Auflösung aus wichtigem Grund in den §§Â€ 1162 ff eine ausdrückliche Regelung erfahren. Als weitere „allgemeine“ Beendigungsgründe sind der Tod des Arbeitnehmers und die einvernehmliche Auflösung des Vertrages zu nennen, die im 26. Hauptstück aber nicht besonders erwähnt werden. §Â€1158 Abs€1 unterstreicht, dass Arbeitsverträge sowohl auf bestimmte Zeit 2 als auch unbefristet abgeschlossen werden können. Der befristete Arbeitsvertrag steht auf derselben Ebene wie der Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit; dem Gesetz ist keine Präferenz für den einen oder für den anderen Vertragstyp zu entnehmen. Der Abschluss eines befristeten Vertrages bedarf insbesondere keiner besonderen sachlichen Begründung, sieht man vom Ausnahmefall der Befristung von Arbeitsverträgen mit Arbeitskräfteüberlassern ab.1 Der Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit gilt allerdings als die übliche 3 Form des Beschäftigungsverhältnisses, weil der Arbeitgeber im Allgemeinen die Dienste des Arbeitnehmers fortlaufend benötigt. Befristete Arbeitsverhältnisse bilden daher nach Meinung des OGH die Ausnahme.2 Auch in den Begründungserwägungen der Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner über befristete Arbeitsverhältnisse3 wird hervorgehoben, dass unbefristete Arbeitsverträge dem Arbeitnehmer ein „stabiles“ Arbeitsverhältnis verschaffen und auf diese Weise zur „Lebensqualität“ der Arbeitnehmer beitragen. Befristete Arbeitsverträge sollen daher in der Regel nur dann abgeschlossen werden, wenn der Arbeitgeber nur einen vorübergehenden Bedarf an Arbeitskräften hat. Befristete Verträge können allerdings auch im Interesse des Arbeitnehmers liegen, wenn sich die Arbeitskraft in einer Abfolge bei verschiedenen Vertragspartnern besser vermarkten lässt. Befristete Verträge sind in diesem Sinne etwa bei Schauspielern oder Sportlern typisch. Mit der Aussage, der befristete Arbeitsvertrag stelle einen Ausnahmefall 4 dar, wird daher nicht eine bestimmte „Wertigkeit“ über Befristungen zum Ausdruck gebracht. Die Judikatur des OGH bedeutet lediglich, dass im Zweifel von einem unbefristeten Vertrag auszugehen ist; der befristete Vertrag muss unzweifelhaft vereinbart werden.4 Ergibt sich aus der Umschreibung der Dienste oder aus der angegebenen Zeitspanne keine hinreichend klare Festlegung der Dauer des Arbeitsverhältnisses, liegt kein Arbeitsvertrag auf bestimmte Zeit vor.5
1╇ 2╇
Rz€2.
3╇
OGH 16.10.2003, 8 ObA 1/03k, Arb 12.364. OGH 20.9.2000, 9 ObA 163/00m; 21.10.1998, 9 ObA 161/98m; Karl, AngG-Komm §Â€19
Vgl dazu unten 3. OGH 21.10.1998, 9 ObA 161/98m. 5╇ OGH 12.8.1999, 8 ObA 130/99x. 4╇
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Der befristete Arbeitsvertrag
§ 1158
II. Der befristete Arbeitsvertrag 1. Befristung Der Arbeitsvertrag ist nur dann für eine bestimmte Zeit abgeschlossen, 5 wenn der Endtermin mit einer gewissen Sicherheit tatsächlich eintreten wird (dies certus an). Diese Sicherheit ist gegeben, wenn das Arbeitsverhältnis zu einem kalendermäßig bestimmten Termin enden soll (dies certus an, certus quando). Eine Befristung kann aber auch dann vorliegen, wenn der EndterÂ�min zwar gewiss eintreten wird, aber noch nicht sicher ist, wann dies geschehen wird (dies certus an, incertus quando). Diese Form der Befristung wird auch als „unechte“ Befristung bezeichnet. Das betreffende Ereignis muss objektiv bestimmbar sein;6 sein Eintritt darf nicht von der Willkür einer Vertragspartei abhängen.7 Die Begrenzung eines Arbeitsvertrages „auf die Dauer des Bedarfes“ stellt daher keine Befristungsabrede dar, wenn der Bedarf letztlich vom Arbeitgeber bestimmt wird.8 Die Grenze zwischen einem Ereignis, das sicher eintreten wird, und einem ungewissen Ereignis ist allerdings nicht immer leicht zu ziehen. In alpinen Ländern kann in jedem Jahr mit SchneefälÂ�len gerechnet werden. Die vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Eintritt des ersten Schneefalls stellt insoweit eine Befristungsabrede dar.9 In mediterranen Ländern kann der Schneefall demgegenüber durchaus ungewiss sein. Das vereinbarte Ende des Arbeitsvertrages würde daher ungewiss bleiben; der Arbeitsvertrag wäre dann auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Fraglich ist, ob ein befristeter Vertrag vorliegt, wenn das Arbeitsverhältnis 6 nur für die Dauer einer bestimmten Arbeitsaufgabe oder für die Dauer der Abwesenheit eines anderen Arbeitnehmers abgeschlossen wird.10 Im Prinzip sind die Erfüllung einer Arbeitsaufgabe oder die Abwesenheit eines anderen Arbeitnehmers objektiv bestimmbare Kriterien. Problematisch sind derartige Vereinbarungen allerdings dann, wenn das intendierte Ende des Vertrages zwar nicht vom Verhalten einer Vertragspartei, wohl aber vom Verhalten eines Dritten abhängt. Die Judikatur hat die Vereinbarung, wonach der Vertrag „für die Dauer der Verlassenschaftsabhandlung“ abgeschlossen wird, als zulässige Befristungsabrede gewertet, weil die Dauer der Verlassenschaftsabhandlung objektiv feststellbar war.11 Der OGH hat allerdings mit Recht darauf hingewiesen, dass der Eintritt des Ereignisses dem Arbeitnehmer kaum bekannt sein wird. Der OGH hat daraus gefolgert, der kaum zugängliche Zeitpunkt der Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens müsse dem Arbeitnehmer möglichst frühzeitig mitgeteilt werden. Im Anlassfall hatte der OGH aus den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen einen bestimmten Endtermin des Arbeitsverhältnisses erschlossen, der durch eine Beendigung des Verlassen6╇
OGH 8.3.1977, 4 Ob 14/77, Arb 9563; 3.4.2008, 8 ObA 79/07m. Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht 27 34; OGH 8.3.1977, 4 Ob 14/77, Arb 9563. 8╇ OGH 7.11.1961, 4 Ob 120/61, Arb 7604. 9╇ Vgl GewG Innsbruck 3.11.1932, Cr 355/32, Arb 4389. 10╇ Vgl Krömer, ZAS 2009, 39. 11╇ OGH 26.2.1985, 4 Ob 29/85, ZAS 1986, 21. 7╇
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schaftsverfahrens zu einem anderen als dem angenommenen Zeitpunkt nicht mehr beeinflusst werden konnte.12 Ähnlich argumentiert der OGH, wenn der Arbeitsvertrag für die Dauer der 7 Abwesenheit eines anderen Arbeitnehmers geschlossen wird. Vereinbarungen „bis zur Beendigung der Karenzierung“13 oder für die Dauer der krankheitsbedingten Abwesenheit eines Mitarbeiters14 werden grundsätzlich als Befristungsabreden verstanden. Lässt sich allerdings aus den Umständen bei Abschluss des Vertrages kein Grund für die Abwesenheit des zu vertretenden Arbeitnehmers ermitteln, bleibt es für den „Vertretungsarbeitnehmer“ völlig ungewiss, wie lange sein Vertrag dauern wird. Diese Ungewissheit liegt nicht vor, wenn dem Arbeitnehmer bei Vertragsabschluss mitgeteilt wird, dass der zu vertretende Kollege bis zu einem kalendermäßig bestimmten Tag in Karenz sein wird. In diesem Fall endet das Vertretungsarbeitsverhältnis mit Ende dieses Tages, auch wenn der Vertretene vor diesem Zeitpunkt aus dem Betrieb ausscheidet.15 Diese Judikatur ist in sich nicht ganz widerspruchsfrei. Entscheidend ist 8 zunächst, ob das Ende des Arbeitsverhältnisses nach den Umständen bei Vertragsabschluss als objektiv bestimmt angesehen werden kann. Ist dies nicht der Fall, liegt von vornherein kein Arbeitsvertrag auf bestimmte, sondern auf unbestimmte Zeit vor. Bei Arbeitsverhältnissen für die Dauer der „Karenz“ eines anderen Arbeitnehmers kann sich die objektive Bestimmbarkeit des Vertretungsarbeitsverhältnisses vor allem aus den Karenzierungsgründen ergeben, wenn sie eine zeitliche Begrenzung der Karenz erkennen lassen. So wird etwa ein Arbeitsverhältnis für die Dauer der Bildungskarenz eines Betriebsratsmitglieds wohl als befristetes Arbeitsverhältnis zu gelten haben, weil Bildungskarenz nicht unbeschränkt in Anspruch genommen werden kann. Anders ist die Situation, wenn der zu vertretende Arbeitnehmer um eine „Auszeit“ gebeten hat, deren Ende letztlich von seiner Willensentscheidung abhängt. In diesem Fall wird man das Vertretungsarbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit eingegangen ansehen müssen.16 Ist das Vertragsende zwar objektiv bestimmbar und der Vertrag daher auf 9 bestimmte Zeit abgeschlossen, bleibt zu fragen, ob insbesondere den Arbeitgeber eine Mitteilungspflicht über das kommende Ende des Arbeitsverhältnisses trifft, wie dies der OGH in der Entscheidung 4 Ob 29/85 angenommen hat, wobei sich in erster Linie die Frage stellt, was rechtens ist, wenn die Mitteilungspflicht verletzt wurde. Handelt es sich bei objektiver Bestimmbarkeit des 12╇ Die Arbeitnehmerin war für die Dauer der Verlassenschaftsabhandlung zur Leiterin einer Apotheke bestellt. Mit der Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens konnte bis zum Ende des Jahres 1981 gerechnet werden. Die Geschäftsübergabe war für den 31.12.1981 vereinbart. Die Arbeitnehmerin hatte mit 2.1.1982 ein neues Dienstverhältnis begründet. Tatsächlich wurde das Verlassenschaftsverfahren am 30.12.1981 beendet. Der OGH sah auf Grund dieser Umstände eine Beendigung zum 31.12.1981 als vereinbart an. Die Arbeitnehmerin hatte dadurch Anspruch auf eine höhere Abfertigung; vgl dazu die Kritik von Rummel, ZAS 1986, 168 f. 13╇ OGH 25.2.1988, 9 ObA 422/97t. 14╇ OGH 23.2.1971, 4 Ob 6/71, Arb 8843. 15╇ Vgl OGH 3.4.2008, 8 ObA 79/07m, ZAS 2009, 37 (Krömer). 16╇ Vgl auch den von Krömer, ZAS 2009, 39 (FN 11) referierten Fall der Befristung bis zur Rückkehr des Arbeitgebers aus der Heilanstalt.
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Der befristete Arbeitsvertrag
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Vertragsendes im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses um ein befristetes Arbeitsverhältnis, ist schwer vorstellbar, dass sich dieses befristete Arbeitsverhältnis allein durch die Verletzung einer Mitteilungspflicht über den Eintritt des objektiv bestimmbaren Ereignisses in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umwandelt. Man wird eher von einer Art Ablaufhemmung ausgehen müssen, wenn die Mitteilungspflicht verletzt wird.17 Das Arbeitsverhältnis endet zwar weiterhin durch Ablauf der Zeit, allerdings erst nach Verstreichen einer bestimmten Frist nach Mitteilung, die dem Arbeitnehmer genügend Zeit gibt, sich auf das Ende des Arbeitsverhältnisses einzustellen.18 Welche Zeit dem Arbeitnehmer zur Verfügung stehen muss, kann nur im Einzelfall beantwortet werden. Die Frist kann jedenfalls nicht länger sein als die vom Arbeitgeber einzuhaltenden Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen auf unbestimmte Zeit (§§Â€1159 ff). 2. Beendigung des befristeten Arbeitsvertrages a) Zeitablauf Der zulässig befristete Vertrag endet – wie §Â€1158 Abs€1 ausdrückt – „mit 10 Ablauf der Zeit“. War der Vertrag kalendermäßig befristet, endet der Vertrag mit dem Ende des betreffenden Tages (§Â€903); bei unechten Befristungen endet der Vertrag mit dem Ende des Tages, an dem das Ereignis eingetreten ist. Eine besondere Willenserklärung ist nicht erforderlich, der Vertrag endet gleichsam „automatisch“.19 Die Vertragspartner sind grundsätzlich auch nicht verpflichtet, den jeweils anderen Teil über das nahe Ende des Vertrages zu informieren. Eine Informationspflicht ergibt sich nur dann, wenn das Vertragsende für einen Teil nicht erkennbar ist20 oder wenn ein Teil bei noch aufrechtem Vertrag ein Verhalten gesetzt hat, das beim anderen Teil den Eindruck erwecken muss, der Vertrag werde über das Ende der Frist fortgesetzt werden.21 Sonderregelungen gelten für Bühnendienstverhältnisse.22 Bei den Rechtsfolgen einer Verletzung von Informationspflichten ist je- 11 doch zu differenzieren. Ist nur das Ende des Vertrages für einen Teil nicht erkennbar, kommt es lediglich zu einer Ablaufhemmung; darf der Arbeitnehmer das Verhalten des Arbeitgebers als Fortsetzungsanbot verstehen, kommt es zu Vgl auch Rummel, ZAS 1986, 169. Die Situation ist hier ähnlich wie beim Erlöschen von Ansprüchen aus der gesetzlichen Krankenversicherung. Gem §Â€ 100 ASVG erlöschen Ansprüche aus der Krankenversicherung grundsätzlich ohne weiteres Verfahren, wenn die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung wegfallen. Kann der Versicherte den Wegfall der Leistungsvoraussetzungen aber nicht erkennen, ist der Versicherungsträger verpflichtet, dem Versicherten vom Erlöschen des Anspruchs Mitteilung zu machen, damit dieser sein Verhalten (zB Verlassen der Krankenanstalt, wenn der Aufenthalt nicht mehr medizinisch indiziert ist) danach einrichten kann; vgl OGH 10.12.1991, 10 ObS 43, 44/91, SSV-NF 5/134. 19╇ Vgl Karl, AngG-Komm §Â€19 Rz€82. 20╇ Vgl oben 1. 21╇ Zutreffend Karl, AngG-Komm §Â€19 Rz€82; Reissner, ZellKomm §Â€19 AngG Rz€7; vgl auch OGH 16.10.2003, 8 ObA 1/03k, Arb 12.364. 22╇ Vgl unten 33 ff. 17╇ 18╇
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einer Verlängerung des Vertrages auf unbestimmte Zeit, wenn das Fortsetzungsanbot – vor allem durch Weiterarbeit nach Ablauf der ursprünglich vereinbarten Frist – vom Arbeitnehmer angenommen wird. Auch wenn kein Fortsetzungsanbot gestellt wurde, kann die weitere Erbringung von Diensten als konkludentes Fortsetzungsanbot des Arbeitnehmers verstanden werden. Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn der Arbeitgeber die Dienste des Arbeitnehmers weiterhin in Anspruch nimmt.23 b) Beendigung vor Zeitablauf 12
Vor Ablauf der vereinbarten Vertragszeit kann auch das befristete Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil mit sofortiger Wirkung aufgelöst werden, wenn dafür ein wichtiger Grund vorliegt. Dies ergibt sich klar aus §Â€ 1162. Länger befristete Arbeitsverträge (§Â€1158 Abs€3) können vom Arbeitnehmer nach Ablauf von fünf Jahren durch Kündigung (unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten) aufgelöst werden. Eine weitergehende einseitige Auflösungsmöglichkeit sieht das Gesetz nicht vor. Nach Meinung der Judikatur schließen Befristung und Kündigung einander aus; der befristete Vertrag soll für die gesamte vereinbarte Vertragszeit Bestand haben.24 Der OGH vertritt allerdings in ständiger Rechtsprechung die These, dass 13 auch bei befristet abgeschlossenen Arbeitsverträgen, bei denen allein nach dem Gesetz die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur durch Ablauf der Befristung erfolgt und keine Kündigungsmöglichkeit besteht, eine Kündigungsmöglichkeit vertraglich vereinbart werden kann.25 Derartige Vereinbarungen sind nach Meinung der Judikatur aber nur zulässig, wenn die Kündigungsmöglichkeit nicht in einem auffallenden Missverhältnis zur Dauer der Befristung26 und zu ihrem Zweck steht. Eine Kündigung während der Dauer befristeter Dienstverhältnisse soll nur bei längerer Befristung zulässig sein, damit die Vorteile der Bestandfestigkeit des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine Kündigung gefährdet werden.27 Wann von einem „auffallenden Missverhältnis“ zwischen Befristung und 14 Kündigungsmöglichkeit gesprochen werden kann, wird von der Judikatur nicht einheitlich beantwortet.28 Bei einem für die Dauer von 9 Wochen abgeschlossenen Praktikantenarbeitsverhältnis argumentierte der OGH, es sei für den Arbeitgeber erkennbar gewesen, dass der Arbeitnehmer die Beschäftigung für die Fortsetzung seiner Schulausbildung benötigte und daher nur an einer Beschäftigung während der vollen vereinbarten Zeit interessiert war. Berücksichtige man neben der Kürze der Befristung auch dieses Interesse des Arbeit23╇ 24╇
Vgl OGH 11.3.1998, 9 ObA 25/98m. OGH 27.8.2003, 9 ObA 43/03v; 10.2.1999, 9 ObA 330/98i; Karl, AngG-Komm §Â€ 19
25╇
Erstmals OGH 17.12.1957, 4 Ob 87/57, Arb 6786; vgl auch 24.6.2004, 8 ObA 42/04s
Rz€85. mwN.
26╇
Vgl OGH 8.6.1994, 9 ObA 88–90/94. unbedenklich hat der OGH etwa die Kündigung eines auf vier Monate befristeten Arbeitsverhältnisses angesehen; vgl OGH 12.9.1996, 8 ObA 2206/96m, DRdA 1997, 40. 28╇ Vgl dazu Band, Befristeter Arbeitsvertrag mit Kündigungsmöglichkeit, ZAS 2004, 47. 27╇ Als
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nehmers, müsse die Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit iSd §Â€ 879 Abs€1 als unzulässig angesehen werden.29 Ähnlich argumentierte der OGH bei anderen Ausbildungsverhältnissen.30 Die Unzulässigkeit der Kündigungsmöglichkeit kann sich also allein aus dem Vertragszweck ergeben. Etwas anders ist die Situation, wenn das Arbeitsverhältnis nicht „besonders zweckbestimmt“ gestaltet ist. In diesem Fall ist die Kündigungsmöglichkeit zunächst in RelaÂ� tion zur Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses zu setzen. Eine Kündigung soll – wie erwähnt – grundsätzlich nur bei längerer Befristung zulässig sein.31 In seiner Entscheidung 8 Ob A 42/04s32 hat der OGH zusätzlich geprüft, ob die Befristung sachlich gerechtfertigt war. Ist die Befristung sachlich gerechtfertigt – zB bei einem Saisonarbeitsverhältnis –,33 soll offenkundig auch die Kündigungsmöglichkeit gerechtfertigt sein.34 Dieser Lösungsansatz kann nicht überzeugen.35 Die erstmalige Befristung eines Arbeitsverhältnisses bedarf keiner sachlichen Rechtfertigung; das Gesetz schreibt den Parteien auch nicht vor, welche Dauer sie ihren Verträgen zugrunde zu legen haben. Warum die Kündigung eines „sachlichen“, auf vier Monate befristeten Saisonarbeitsverhältnisses unbedenklich, die Kündigung eines „unsachlichen“ auf vier Jahre abgeschlossenen „Normalarbeitsverhältnisses“ aber sittenwidrig sein soll, ist nicht ersichtlich. Wenn es beim Verbot einer Kündigungsklausel um den „Bestandschutz“ des befristeten Arbeitsverhältnisses geht, wäre eher anzunehmen, dass die Kündigung bei einer sachlich begründeten Befristung ausgeschlossen sein muss. Wenn man einen vereinbarten Ausbildungszweck als kündigungsfeindlich wertet, wäre es konsequent, auch die vereinbarte Saisonarbeit als „bestandfest“ zu werten. Die Judikatur des OGH läuft im Ergebnis darauf hinaus, dass zB auch die Kündigung eines mit dem Erreichen des Pensionsalters befristeten Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber als bedenklich angesehen werden müsste.36 Das Missverhältnis zwischen Kündigung und Befristung kann sich daher mE nur aus der Relation Kündigung und Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses ergeben. Wenn ein Arbeitsverhältnis nur für kurze Zeit abgeschlossen wird, sollen keine zusätzlichen Kündigungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Eine wesentliche Voraussetzung für die Gültigkeit einer Kündigungsver- 15 einbarung besteht darin, dass sie mit den gesetzlichen Vorschriften über die Kündigung in Einklang steht. Die Kündigungsvereinbarung hat die zwingenden, in Gesetzen oder kollektiven Rechtsquellen des Arbeitsrechts enthaltenen Bestimmungen über Kündigungsfristen und -termine zu berücksichtigen.37 Zu 29╇
OGH 30.11.1995, 8 ObA 305/95. OGH 30.3.2006, 8 ObA 4/06f. 31╇ OGH 8.6.1994, 9 ObA 88–90/94. 32╇ OGH 24.6.2004, 8 ObA 42/04s, ZAS 2004, 47 (Band). 33╇ OGH 12.9.1996, 8 ObA 2206/96m, DRdA 1997, 40. 34╇ So auch OGH 11.10.2007, 8 ObA 56/07d. 35╇ Vgl auch die Kritik bei Tomandl, Höchstbefristung: eine andere Sichtweise, ZAS 2004, 48. 36╇ Dies übersieht offenbar Karl (AngG-Komm §Â€19 Rz€91), wenn sie fordert, ein Missverhältnis zwischen Kündigungsmöglichkeit und Befristung könne auch dann vorliegen, wenn die Kündigungsfristen kurz sind und das Arbeitsverhältnis lang dauert. 37╇ Reissner, ZAS 1995, 193; Karl, AngG-Komm §Â€ 30╇
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beachten ist insbesondere auch §Â€1159c. Danach haben die Kündigungsfristen für beide Teile gleich zu sein. Wird nur einer Vertragspartei eine Kündigungsmöglichkeit eröffnet, führt das „Fristengleichheitsgebot“ dazu, dass die Kündigung der vertraglich berechtigten Partei als rechtswidrig anzusehen ist. Die Berufung auf eine kürzere, nur dem Arbeitgeber eingeräumte Frist hat nach Meinung der Judikatur dieselben Wirkungen wie sonst eine zeitwidrige Kündigung.38 3. Der befristete Arbeitsvertrag im Europäischen Gemeinschaftsrecht a) Allgemeines 16
Die „europäischen Sozialpartner“ haben am 18. März 1999 eine Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverhältnisse abgeschlossen, die vom Rat durch die Richtlinie 1999/70/EG39 für verbindlich erklärt wurde. Diese Rahmenvereinbarung enthält allgemeine Grundsätze und Mindestvorschriften über befristete Arbeitsverhältnisse. Die Rahmenvereinbarung hat zwei Ziele: Sie will a) durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität der befristeten Arbeitsverhältnisse verbessern und b) einen Rahmen schaffen, der den Missbrauch durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverhältnisse verhindert. b) Diskriminierungsverbot
Die Rahmenvereinbarung gilt für befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedstaat geltenden Definition. Die Richtlinie bezieht sich nicht nur auf private Arbeitsverhältnisse, sondern auch auf Arbeitsverhältnisse, die mit Behörden oder anderen Stellen des öffentlichen Sektors abgeschlossen werden.40 Als „befristet beschäftigter Arbeitnehmer“ gilt eine Person mit einem 18 direkt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrag, dessen Ende durch objektive Bedingungen wie das Erreichen eines bestimmten Datums, die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe oder das Eintreten eines bestimmten Ereignisses bestimmt wird. Ob jemand als „Arbeitnehmer“ anzusehen ist, bestimmt das jeweils anwendbare nationale Recht. Die Rahmenvereinbarung enthält keinen gemeinschaftsrechtlich definierten Arbeitnehmerbegriff. §Â€ 4 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge bestimmt, 19 dass befristet beschäftigte Arbeitnehmer in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil für sie ein befristeter Arbeitsvertrag gilt, gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden dürfen, es 17
38╇
OGH 10. 9.1985, 4 Ob 105/85, JBl 1986, 331. 1999 L 175, 43. 40╇ EuGH 4.7.2006, C-212/04 (Adeneler ua), Slg 2006, I-6057; 7.9.2006, C-53/04 (Marrosu und Sardino), Slg 2006, I-7213; 13.9.2007, C-307/05 (Del Cerro Alonso), Slg 2007, I-7109. 39╇ ABl
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sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus objektiven Gründen gerechtfertigt. In Bezug auf bestimmte Beschäftigungsbedingungen gelten für befristet beschäftigte Arbeitnehmer grundsätzlich dieselben Betriebszugehörigkeitszeiten wie für Dauerbeschäftigte. Als „vergleichbarer Dauerbeschäftigter“ ist ein Arbeitnehmer desselben Betriebes mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag anzusehen, der in der gleichen oder einer ähnlichen Arbeit tätig ist, wobei auch die Qualifikationen angemessen zu berücksichtigen sind (§Â€3 der Rahmenvereinbarung). Ist in dem betreffenden Betrieb kein vergleichbarer Dauerbeschäftigter vorhanden, so erfolgt der Vergleich anhand des anwendbaren Kollektivvertrages oder – in Ermangelung eines solchen – gemäß den gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Bestimmungen oder den nationalen Gepflogenheiten. Ob eine gleiche oder ähnliche Arbeit vorliegt, muss auf Grund einer umfassenden Betrachtung aller Faktoren geprüft werden. Die Zusammensetzung der Vergleichsgruppen darf nicht willkürlich erfolgen; die Judikatur des EuGH zur Bildung der Vergleichsgruppen im Zusammenhang mit Diskriminierungen nach dem Geschlecht ist auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen zu beachten. Zu den „Beschäftigungsbedingungen“ iSv Art€ 4 der Richtlinie gehören 20 auch Entgeltsansprüche der befristet beschäftigten Arbeitnehmer. Nach Art€153 Abs€5 AEUV unterliegt zwar die Festsetzung des Lohn- und Gehaltsniveaus der ausschließlichen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, diese Ausnahme kann aber nach Meinung des EuGH nicht auf alle Fragen ausgedehnt werden, die mit dem Arbeitsentgelt in irgendeinem Zusammenhang stehen. Insbesondere kann der Vorbehalt des Art€153 Abs€5 AEUV einen befristet beschäftigten Arbeitnehmer nicht hindern, nach dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung eine Dauerbeschäftigten vorbehaltene Beschäftigungsbedingung zu beanspruchen, auch wenn die Anwendung dieses Grundsatzes zur Zahlung eines Ausgleichsarbeitsentgelts führt.41 Die Mitgliedstaaten sind daher nur befugt, die Höhe des Entgelts autonom zu regeln. Die Verteilung des Entgelts auf Dauerbeschäftigte und befristet Beschäftigte ist hingegen iSd Richtlinie vorzunehmen. Hat ein Mitgliedstaat die Richtlinie nicht gehörig umgesetzt, können be- 21 fristet Beschäftigte Ansprüche gegen einen öffentlichen Arbeitgeber unmittelbar auf die Richtlinie stützen. Nach Meinung des EuGH ist §Â€4 der Richtlinie unbedingt und hinreichend genau, um von einem Einzelnen vor einem nationalen Gericht in Anspruch genommen zu werden. Die Behörden eines Mitgliedstaates dürfen in ihrer Eigenschaft als öffentlicher Arbeitgeber keine Maßnahmen ergreifen, die dem Ziel der Richtlinie zuwiderlaufen.42 Der österreichische Gesetzgeber hat die „Antidiskriminierungsregelun- 22 gen“ der Richtlinie durch §Â€2b AVRAG in das nationale Recht transformiert. Danach dürfen Arbeitnehmer mit einem auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Arbeitsvertrag gegenüber einem Arbeitnehmer mit einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Arbeitsverhältnis nicht benachteiligt werden, es sei denn, 41╇ EuGH 13.9.2007, C-307/05 (Del Cerro Alonso), Slg 2007, I-7109; 15.4.2008, C-268/06 (Impact), Slg 2008, I-2483. 42╇ EuGH 15.4.2008, C-268/06 (Impact), Slg 2008, I-2483.
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sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Damit haben befristet beschäftigte Arbeitnehmer Gleichbehandlungsansprüche auch gegenüber einem „privaten“ Arbeitgeber. c) Kettenverträge 23
§Â€5 der Rahmenvereinbarung verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Ergreifung von Maßnahmen, um Missbrauch durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge (Kettenverträge) zu vermeiden. Die Rahmenvereinbarung sieht drei verschiedene Möglichkeiten der Missbrauchsvermeidung vor. Die Mitgliedstaaten können a) die Zulässigkeit mehrfach befristeter Arbeitsverhältnisse vom Vorliegen eines sachlichen Grundes abhängig machen; b) die Mitgliedstaaten können eine insgesamt maximal zulässige Dauer befristeter Arbeitsverhältnisse festlegen, c) die Mitgliedstaaten können aber auch die zulässige Zahl aufeinander folgend befristeter Arbeitsverhältnisse begrenzen. Der von der Rahmenvereinbarung intendierte Schutz der Arbeitnehmer ge24 gen „unsachliche“ Kettenverträge hängt ganz wesentlich davon ab, wie der Begriff „aufeinander folgend“ zu verstehen ist. Nur wenn aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge abgeschlossen werden, greift die Missbrauchskontrolle nach §Â€ 5 Z€ 1 der Vereinbarung. §Â€ 5 Z€ 2 der Rahmenvereinbarung sieht diesbezüglich vor, dass die Mitgliedstaaten festzulegen haben, unter welchen Voraussetzungen befristete Arbeitsverträge als „aufeinander folgend“ zu betrachten sind. Theoretisch können die Mitgliedstaaten daher vorsehen, dass nur unmittelbar aneinander anschließende Arbeitsverträge als „aufeinander folgend“ anzusehen sind. Bei Festlegung der „Unterbrechungsfristen“ muss aber immer auf den Sinn der Rahmenvereinbarung Bedacht genommen werden. Mitgliedstaatliche Regelungen dürfen nicht zur Umgehung des intendierten Schutzes benützt werden. Sieht etwa ein Mitgliedstaat vor, dass befristete Arbeitsverträge in jedem Fall nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes abgeschlossen werden dürfen, spielt die Dauer allfälliger Unterbrechungen im Rahmen eines Kettenarbeitsverhältnisses keine besondere Rolle. Anders ist die Situation, wenn lediglich die Gesamtzahl befristeter Arbeitsverträge begrenzt wird. Gilt dies nur bei unmittelbar aufeinander folgenden Arbeitsverhältnissen, könnte durch „Einschub“ eines einzigen arbeitsfreien Tages die Gesamtzahl der Befristungen beliebig gestaltet werden. Dies liegt nicht iSd Rahmenvereinbarung. Der EuGH hat die Meinung vertreten, eine nationale Bestimmung, nach der nur solche Arbeitsverhältnisse als „aufeinander folgend“ gelten, die höchstens zwanzig Werktage auseinander liegen, würde die praktische Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung unterlaufen.43 Zu fragen sei vielmehr in diesem Zusammenhang, wie viele Jahre der betreffende Arbeitnehmer bereits die gleiche Stelle besetzt hat und ob die zeitlich befristeten Verträge einen ständigen und dauernden Bedarf decken. Fraglich ist, ob die Mitgliedstaaten ihrer Umsetzungspflicht schon dann 25 nachkommen, wenn sie ganz allgemein festlegen, dass Kettenverträge nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig sind. Der EuGH hat darauf hinge43╇
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EuGH 4.7.2006, C-212/04 (Adeneler ua), Slg 2006, I-6057.
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wiesen, da der Begriff „sachliche Gründe“ in der Rahmenvereinbarung nicht definiert werde, müssten seine Bedeutung und seine Reichweite anhand des mit der Rahmenvereinbarung verfolgten Zieles und des Zusammenhangs, in dem §Â€5 Z€1 lit€a steht, bestimmt werden.44 Die Begründungserwägungen deuten darauf hin, dass nur solche Umstände als sachliche Gründe anerkannt werden dürfen, die ein objektives Interesse des Arbeitgebers an fortgesetzten befristeten Verträgen beschreiben. Der EuGH meint, „sachliche Gründe“ seien genau bezeichnete, konkrete Umstände, die eine bestimmte Tätigkeit kennzeichnen und daher in diesem speziellen Zusammenhang die Verwendung aufeinander folgender befristeter Arbeitsverträge rechtfertigen können. Diese Umstände können sich etwa aus der besonderen Art der Aufgaben, zu deren Erfüllung die befristeten Verträge geschlossen wurden und deren Wesensmerkmalen oder aus der Verfolgung eines legitimen sozialpolitischen Zwecks ergeben.45 Man wird aber wohl auch den Wunsch des Arbeitnehmers nach Abschluss von Kettenverträgen als sachlichen Grund anerkennen müssen. Die Rahmenvereinbarung dient ja dem Schutz der Arbeitnehmer und der Verbesserung ihrer Lebensqualität. Wenn es auf die besondere Art der Aufgaben ankommt, wird man vom 26 nationalen Gesetzgeber nicht erwarten können, dass er sämtliche Zulässigkeitsformen von Kettenverträgen determiniert. Eine allgemeine Begrenzung, wie sie auch der EuGH vornimmt, muss genügen. Nach Meinung des EuGH können Richtlinien auch durch Verweis auf allgemeine Grundsätze umgesetzt werden;46 die Mitgliedstaaten müssen keinen Katalog sachlicher Gründe festlegen. Nicht ausreichend ist allerdings, wenn in einem nationalen Gesetz der Abschluss von Kettenverträgen ganz allgemein für zulässig erklärt wird;47 eine nationale Regelung über wiederholte Befristungen kann nicht allein damit gerechtfertigt werden, dass sie in einer allgemeinen Rechtsvorschrift des Mitgliedstaats vorgesehen ist. Der Begriff „sachliche Gründe“ iSd §Â€5 der RichtÂ� linie verlangt, dass der in der nationalen Regelung vorgesehene Rückgriff auf die besondere Art des Arbeitsverhältnisses durch konkrete Gesichtspunkte gerechtfertigt wird, die vor allem mit der betreffenden Tätigkeit und den Bedingungen ihrer Ausübung zusammenhängen. Fraglich ist, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn unzulässige Kettenver- 27 träge abgeschlossen werden. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um jederzeit gewährleisten zu können, dass die durch die Richtlinie vorgeschriebenen Ergebnisse erzielt werden (Art 2 Abs€1); die Richtlinie sieht aber keine spezifischen Sanktionen für den Fall vor, dass dennoch Missbräuche festgestellt werden. Das Gemeinschaftsrecht verpflichtet die Mitgliedstaaten daher nicht zur Umwandlung eines unzulässig abgeschlossenen befristeten Vertrages in einen Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit. Nach der Judikatur des EuGH muss im Falle eines Missbrauches lediglich die Möglichkeit bestehen, eine Maßnahme anzuwenden, die effektive EuGH 4.7.2006, C-212/04 (Adeneler ua), Slg 2006, I-6057. EuGH 13.9.2007, C-307/05 (Del Cerro Alonso), Slg 2007, I-7109. 46╇ Vgl in diesem Zusammenhang EuGH 5.3.2009, C-388/07 (Age Concern England), Slg 2009, I-1589; vgl auch 23.4.2009, C-378-380/07 (Ángelidaki ua), Slg 2009, I-3071. 47╇ EuGH 4.7.2006, C-212/04 (Adeneler ua), Slg 2006, I-6057. 44╇ 45╇
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und gleichwertige Garantien für den Schutz der Arbeitnehmer bietet, um diesen Missbrauch angemessen zu ahnden und die Folgen des Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht zu beseitigen. Die Mitgliedstaaten können die Ziele der Richtlinie auch durch Schadenersatzansprüche bei missbräuchlichem Abschluss von befristeten Verträgen sichern.48 In diesem Zusammenhang haben die Mitgliedstaaten auch die Möglichkeit, den missbräuchlichen Einsatz aufeinander folgender befristeter Arbeitsverträge oder â•‚verhältnisse unterschiedlich zu behandeln, je nachdem, ob sie mit einem Arbeitgeber des Privatsektors oder mit einem Arbeitgeber des öffentlichen Sektors begründet worden sind. Es ist daher aus der Sicht des europäischen Gemeinschaftsrechtes zulässig, wenn unzulässige Kettenverträge im privaten Sektor in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt werden, während im öffentlichen Sektor nur Schadenersatzansprüche vorgesehen sind.49 4. Kettenverträge im österreichischen Recht a) Allgemeines 28
Als „Kettenverträge“ werden im österreichischen Arbeitsrecht befristete Arbeitsverträge bezeichnet, deren Geltungsdauer verlängert wird oder die in zeitlich nahem Abstand nach dem Ende eines befristeten Vertrages neu abgeschlossen werden. Typologisch entsteht bereits bei der ersten Verlängerung eines befristeten Vertrages eine „Kette“ befristeter Verträge. §Â€ 1158 enthält kein ausdrückliches Verbot, befristete Verträge zu verlängern. Der wiederholte Abschluss befristeter Verträge kann allerdings in Missbrauchsabsicht erfolgen. Die Bedenken gegen den wiederholten Abschluss befristeter Verträge beruhen darauf, dass manche zwingende Rechtsvorschriften dem Arbeitnehmer Ansprüche nur dann zuerkennen, wenn das Dienstverhältnis ununterbrochen eine bestimmte Mindestzeit gedauert hat (zB Abfertigung „alt“); in anderen Fällen richtet sich das Ausmaß von Ansprüchen nach der Dauer eines ununterbrochenen Arbeitsvertrages (zB Kündigungsfristen). Daher besteht die Gefahr, dass ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, den er an sich längerfristig benötigt, Kettenarbeitsverträge aufdrängt, um das Entstehen eines längeren ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses auszuschließen und sich dadurch diesen Ansprüchen zu entziehen. Zwar sehen viele arbeitsrechtliche Rechtsvorschriften die Zusammenrechnung von aneinander gereihten Dienstverhältnissen vor, bei kurzfristigen Unterbrechungen der Arbeitsleistungen zwischen den einzelnen befristeten Arbeitsverträgen können allerdings Nachteile für die Arbeitnehmer eintreten. Durch den wiederholten Abschluss befristeter Arbeitsverträge verliert der Arbeitnehmer aber vor allem den Kündigungsschutz (§Â€ 105 ff ArbVG).50 Dieser setzt voraus, dass der Arbeitsvertrag durch Kündigung beendet wird; befristete Arbeitsverhältnisse enden aber gerade nicht durch Kündigung, sondern – wie §Â€1158 Abs€1 anordnet – durch Zeitablauf. Der Verlust 48╇ EuGH 7.9.2006, C-53/04 (Morrosu und Sardino), Slg 2006, I-7213; 7.9.2006, C-180/04 (Vasallo), Slg 2006, I-7251. 49╇ Vgl EuGH 7.9.2006, C-180/04 (Vasallo), Slg 2006, I-7251. 50╇ Vgl dazu unten 92 f.
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des Kündigungsschutzes wiegt schwer, wenn befristete Arbeitsverträge aneinander gereiht werden, obwohl der Arbeitgeber Bedarf nach einem DauerÂ� arbeitsverhältnis hat. Durch Abschluss von Kettenverträgen kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Ergebnis für einen unbestimmten Zeitraum binden, ohne die mit einer Kündigung verbundenen Belastungen tragen zu müssen. Hier tritt der Wunsch der Arbeitgeber nach größtmöglicher Flexibilität bei der Gestaltung der Arbeitsbeziehungen in Widerstreit zum Wunsch der Arbeitnehmer nach Sicherheit des Arbeitsplatzes. Die aufgezeigte Divergenz verlangt nach Regelungen, die den unterschiedlichen Interessen angemessen Rechnung tragen. Es gilt, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Flexibilität und Sicherheit herzustellen. b) Die Position der Judikatur Die Judikatur steht Kettenverträgen sehr kritisch gegenüber. Die Recht- 29 sprechung unterscheidet zwischen zulässigen und unzulässigen Kettenarbeitsverträgen. Die Unzulässigkeit wird darin gesehen, dass die wirtschaftliche Unterlegenheit des Arbeitnehmers in rechtsmissbräuchlicher Weise dazu ausgenützt wird, um Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu unterlaufen.51 Bei unzulässigen Kettenarbeitsverträgen werden die zweite und die folgenden Befristungsvereinbarungen für nichtig angesehen; demgemäß gilt der Arbeitsvertrag ab dem Beginn des ersten befristeten Arbeitsverhältnisses als auf unbestimmte Zeit eingegangen.52 Ein zulässiger Kettenarbeitsvertrag liegt vor, wenn wirtschaftliche oder 30 soziale Gründe den wiederholten Abschluss befristeter Arbeitsverträge legitimieren. Beweispflichtig ist der Arbeitgeber.53 Der Arbeitgeber kann etwa dartun, dass sich der Arbeitnehmer gar nicht auf unbestimmte Zeit verpflichten wollte, oder dass die neuerliche Befristung im Interesse des Arbeitnehmers lag (zB zum Nachweis der Eignung für einen besonders qualifizierten Posten). Auch Branchenüblichkeit kann eine Rolle spielen.54 So hat etwa der OGH die bei Profifußballern vorherrschende Branchenüblichkeit von Kettenarbeitsverträgen als ausreichende sachliche Rechtfertigung angesehen.55 Gleiches gilt für Bühnendienstverhältnisse.56 Nach Meinung des OGH ist der wiederholte Abschluss befristeter Arbeitsverträge auch dann sachlich gerechtfertigt, wenn dem Arbeitgeber eine Ausbildungsverpflichtung (für Ärzte) obliegt und der Arbeitgeber daher Ausbildungsstellen immer wieder verfügbar machen muss.57 Ganz allgemein gilt, dass die Beweispflicht des Arbeitgebers strenger wird, je öfter befristete Arbeitsverhältnisse aneinander gereiht werden.58 Ein Kettenvertrag kann auch dann vorliegen, wenn zwischen den einzel- 31 nen befristeten Verträgen Zeiten der Nichtbeschäftigung liegen und sich der 51╇
OGH 14.9.1982, 4 Ob 75/82, Arb 10.149. OGH 27.5.1986, 14 Ob 86/86, Arb 10.527; Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht 27 35 f. 53╇ OGH 4.3.1973, 4 Ob 26/73, ZAS 1974, 8. 54╇ Vgl §Â€24 Abs 3 TAG. 55╇ OGH 10.2.1999, 9 ObA 330/98i; 24.2.1999, 9 ObA 329/98t. 56╇ Vgl OGH 27.5.2004, 8 ObA 99/03x. 57╇ OGH 22.5.2002, 9 ObA 80/02h. 58╇ Vgl OGH 4.9.2002, 9 ObA 89/02g; 22.5.2002, 9 ObA 80/02h. 52╇
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nachfolgende befristete Vertrag inhaltlich als Fortsetzung des beendeten Vertrages verstehen lässt.59 Dies wird vor allem bei kurzfristigen Unterbrechungen anzunehmen sein.60 Bei längeren Unterbrechungen spielen die Gründe für die Unterbrechung der Arbeitsleistung eine wesentliche Rolle. Wird der Betrieb während der „toten Saison“ stillgelegt, sind die einzelnen (befristeten) Saisonarbeitsverhältnisse nicht als Kettenvertrag anzusehen.61 Von einer „toten Saison“ kann nur dann gesprochen werden, wenn der Betrieb nicht „selbstbestimmt“ für eine gewisse Zeit des Jahres geschlossen wird. Es muss „unabwendbar“ feststehen, dass die Auslastung des Betriebes während einer bestimmten Jahreszeit einer Beschäftigung des Arbeitnehmers entgegensteht. In diesem Fall stellt die wiederholte Befristung des Arbeitsverhältnisses keine Abwälzung des typischen Betriebsrisikos der Ungewissheit über den Stand der Aufträge dar, die wiederholten Befristungen entsprechen vielmehr einem dringenden Bedürfnis der betrieblichen Organisation. Bei einem (Tourneeâ•‚)Zirkusunternehmen hat der OGH anerkannt, dass eine Spielpause im Winter im Wesentlichen auf die witterungsbedingte Unmöglichkeit, Vorstellungen abzuhalten, zurückzuführen ist.62 Bei einem Theaterbetrieb beruht eine übliche Sommerpause hingegen auf einer freien Entscheidung des Theaterunternehmers, weil der Betrieb in den Sommermonaten durchaus aufrecht erhalten werden könnte. „Saisonale“ Befristungen von Arbeitsverhältnissen sind in diesem Fall als sachlich nicht gerechtfertigt anzusehen.63 Es liegt vielmehr ein einheitliches Arbeitsverhältnis vor.64 Liegen zwischen den einzelnen befristeten Arbeitsverträgen Zeiten der 32 Nichtbeschäftigung, so ist auch das Ausmaß der Unterbrechungszeiten den Beschäftigungszeiten gegenüberzustellen. Übersteigt die Dauer der Unterbrechungszeiten bei weitem die der Beschäftigung, ist das Vorliegen eines unzulässigen Kettenarbeitsvertrages zu verneinen.65 Der nachfolgende befristete Vertrag ist in diesem Fall rechtlich als „Erstvertrag“ zu werten.
59╇
OGH 17.2.1987, 14 ObA 23/87; 4.9.2002, 9 ObA 89/02g. Vgl in diesem Zusammenhang die Judikatur zur Zusammenrechnung von unterbrochenen Arbeitsverhältnissen für den Abfertigungsanspruch: OGH 21.10.1987, 9 ObA 98/87 – Drei Tage zwischen erstem und zweitem Arbeitsverhältnis; OGH 27.8.1997, 9 ObA 262/97p – Elf Tage zwischen erstem und zweitem Arbeitsverhältnis. 61╇ OGH 25.6.1998, 8 ObA 58/98g. 62╇ OGH 20.3.2003, 8 ObA 167/02w; 4.9.2002, 9 ObA 89/02g. 63╇ OGH 25.5.1994, 9 ObA 67/94, DRdA 1995, 11. 64╇ Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Arbeitnehmer in jedem Fall auch Entgeltansprüche für die spielfreie Zeit besitzt. Der OGH hat bezüglich eines Billeteurs der Staatsoper mit Vorstellungsentgelt die Meinung vertreten, die Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses im Abstand von zwei Monaten jeweils für eine Saison von 10 Monaten sei unter dem Aspekt eines durchgehenden Arbeitsverhältnisses (und eines Vorstellungsentgelts) retrospektiv als Karenzierung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten (Arbeitspflicht – Entgeltpflicht) während der Unterbrechungszeit zu werten; vgl OGH 4.9.1996, 9 ObA 2126/96d. 65╇ OGH 6.7.1998, 8 ObA 15/98h. 60╇
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5. Sonderbestimmungen für befristete Arbeitsverträge a) Schauspieler §Â€24 Abs€1 TAG sieht – wie §Â€1158 Abs€1 – vor, dass das Dienstverhältnis mit Ablauf der Zeit endet, für die es eingegangen worden ist. Wird das Dienstverhältnis für eine oder mehrere Spielzeiten eingegangen, so ist die Dauer einer Spielzeit im Zweifel mit zwölf Monaten anzunehmen.66 Ist das Dienstverhältnis ohne Zeitbestimmung abgeschlossen worden, so endet es mit dem Ablauf der an der Bühne üblichen Spielzeit.67 Daraus ergibt sich, dass das Dienstverhältnis der Schauspieler regelmäßig als befristetes Dienstverhältnis zu werten ist. Der Abschluss eines Arbeitsvertrages auf unbestimmte Zeit ist zwar nicht verboten, ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit bedarf allerdings einer ausdrücklichen Vereinbarung. Wird über die Dauer des Dienstverhältnisses nichts vereinbart, entsteht – anders als nach §Â€ 1158 Abs€ 4 – kein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit; das Dienstverhältnis gilt in diesem Fall als befristet und endet mit Ablauf der Spielzeit. Die Zulässigkeit (mehrerer) befristeter jeweils auf das Spieljahr abstellender Bühnendienstverträge steht nach Meinung der Judikatur nicht in Frage;68 befristete Dienstverhältnisse stellen im Bereich des TAG – gemäß den Bedürfnissen der Theaterpraxis im Hinblick auf das Abwechslungsbedürfnis des Publikums sowie die Notwendigkeit, dass das Theaterunternehmen bei der Besetzung der Rollen flexibel agieren kann69 – sogar den Regelfall dar. Insoweit ist auch die Aneinanderreihung mehrerer befristeter Bühnendienstverträge sachlich gerechtfertigt. Gemäß §Â€27 TAG gilt ein für bestimmte Zeit und mindestens für ein Jahr eingegangenes Dienstverhältnis für ein weiteres Jahr verlängert, wenn der Theaterunternehmer dem Mitglied bis zum 31. Jänner des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet, nicht mitgeteilt hat, dass das Arbeitsverhältnis nicht verlängert wird. Das Mitglied muss, falls es mit einer Verlängerung des Bühnendienstvertrages nicht einverstanden ist, dies dem Theaterunternehmer bis spätestens 15. Februar des Jahres, in welchem der Vertrag endet, bekannt geben.70 Bei dieser Nichtverlängerungserklärung des Dienstgebers handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung nicht um die Kündigung eines auf unbefristete Zeit abgeschlossenen Dienstverhältnisses, sondern um die Erklärung der Ablehnung des Abschlusses eines neuen Dienstvertrages nach Ablauf der Befristung.71 Diese These war bis zum In-Kraft-Treten des TAG schlüssig, weil das Bühnenmitglied nach §Â€32 SchSpG selbst einen Antrag auf Verlängerung des Bühnendienstvertrages zu stellen hatte. Das Theaterunternehmen hatte zu die66╇
§Â€24 Abs 2 TAG. §Â€24 Abs 3 TAG. 68╇ OGH 27.5.2004, 8 ObA 99/03x; 18.10.20006, 9 ObA 100/06f. 69╇ Schwarz, Historische Entwicklung und aktueller Stand des Schauspielerrechts 119. 70╇ Vgl zB §Â€10 des Kollektivvertrages für die Ballettmitglieder im Konzernbereich der Bundestheater-Holding (Bundestheater-Ballettkollektivvertrag) vom 20.10.2005. 71╇ OGH 27.5.2004, 8 ObA 99/03x. 67╇
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sem Offert innerhalb der gesetzlich geregelten Fristen Stellung zu nehmen, wobei der Gesetzgeber das Schweigen des Theaterunternehmens als Zustimmung zur Verlängerung des Bühnendienstvertrages gewertet hat. Stellte das Mitglied keinen Antrag auf Verlängerung, endete das Bühnendienstverhältnis mit dem Ende der Spielzeit. Die Kollektivvertragspraxis hatte allerdings schon unter der Geltung des SchSpG jenen Weg eingeschlagen, der nunmehr der gesetzlichen Regelung des §Â€27 TAG entspricht. Die Problematik dieser Regelung liegt darin, dass es zu keiner automatischen Beendigung des VertragsÂ� verhältnisses durch Zeitablauf kommt, wenn das Theaterunternehmen keine NichtÂ�verlängerungserklärung abgibt.72 Jabornegg meint, eine derartige „Nichtverlängerungserklärung“ könne nicht den befristeten Arbeitsverhältnissen zugeordnet werden; das Arbeitsverhältnis bestehe vielmehr für eine zeitlich unbegrenzte Dauer, wenn nicht eine der Vertragsparteien das Vertragsende durch seine einseitige Erklärung herbeiführt.73 Dagegen lässt sich freilich argumentieren, dass die Kollektivvertragspra37 xis – und nun mehr auch der Gesetzgeber – offenkundig von einem stillschweigenden Antrag des Dienstnehmers auf Vertragsverlängerung ausgehen, den der Unternehmer schriftlich bis zum 31. Jänner des Jahres, in dem der Vertrag endet, ablehnen kann.74 Die Kollektivverträge und der Gesetzgeber unterstellen, dass das vom Ge38 setz vorgeschriebene Ansuchen des Dienstnehmers ohnehin die Regel sein werden und bei Stillschweigen des Unternehmers von einer Vertragsverlängerung ausgegangen werden könne.75 Karl hat im Übrigen zu Recht darauf hingewiesen, dass die Qualifikation 39 der Nichtverlängerungserklärung als bloße „Auslaufmitteilung“ die Ungewissheit des Arbeitnehmers über den weiteren Fortbestand des Arbeitsverhältnisses beseitigt.76 Wenn man Arbeitsverhältnisse auf bestimmte Zeit, deren Ablauf noch nicht feststeht, als belastend für den Arbeitnehmer wertet, liegt dieser unerwünschte Zustand wohl auch dann vor, wenn das befristete Arbeitsverhältnis zwar einen feststehenden Endtermin aufweist, eine Verlängerung aber nicht ausgeschlossen werden kann. Da Bühnendienstverträge auch mehrmals verlängert werden können, ist es durchaus sinnvoll – und iSd Judikatur wohl auch geboten –, wenn die Nichtverlängerung rechtzeitig bekannt gegeben wird. Es ist daher auch nicht notwendig, die Nichtverlängerungserklärung des Arbeitgebers als Reaktion auf ein – fingiertes – Anbot des Arbeitnehmers zu verstehen. b) Arbeitskräfteüberlassung 40
Nach §Â€11 Abs€2 Z 4 AÜG ist die Vereinbarung einer Befristung mit so genannten Zeitarbeitnehmern ohne sachliche Rechtfertigung verboten. Dies gilt auch für den erstmaligen Abschluss des Arbeitsvertrages. Zwischen ÜberJabornegg, DRdA 2000, 1. Kritisch auch Reissner, ZAS 2000, 16. 74╇ Vgl zB §Â€10 des Bundestheater-Ballettkollektivvertrages vom 20.10.2005. 75╇ Feil/Wennig, Bühnenrecht 39. 76╇ AngG-Komm §Â€19 Rz€106. 72╇ 73╇
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Der befristete Arbeitsvertrag
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lasser und überlassener Arbeitskraft ist eine ausdrückliche VereinbaÂ�rung zu treffen, die ua auch die Gründe für die Befristung des ArbeitsverÂ�hältnisses zu enthalten hat.77 Der Gesetzgeber will mit dieser Regel verhindern, dass Arbeitskräfteüberlasser das wirtschaftliche Risiko, ausreichend Abnehmer für die vom Überlasser beschäftigten Arbeitnehmer zu finden, auf die Zeitarbeitnehmer überwälzen. Dem Überlasser ist es daher verboten, das Arbeitsverhältnis nur für die Dauer einer konkreten Überlassung zu befristen.78 Die Zielsetzungen des AÜG verlangen allerdings nicht die Einschränkung 41 der allgemein gesetzlich zulässigen Erprobungsmöglichkeit; die Vereinbarung einer Probezeit nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Regeln wird auch von der Judikatur als zulässig angesehen.79 Eine sachliche Rechtfertigung für eine Befristung kann nur dann ange- 42 nommen werden, wenn die Befristung nicht der eben erwähnten Risikoverschiebung dient. Die vom AÜG verlangte sachliche Rechtfertigung kann nach Meinung der Judikatur ihre Ursache in der Sphäre des Überlassers oder in den persönlichen Umständen der Arbeitskraft haben. Eine Befristung ist daher zulässig, wenn sie im Interesse der Arbeitskraft liegt. Eine Befristung für eine zur Erprobung der Arbeitskraft erforderliche Zeit ist bei hochqualifizierten Arbeitskräften sachlich gerechtfertigt, wenn eine einmonatige Probezeit zur Feststellung der Qualifikation nicht ausreicht. Der sachliche Grund für die Befristung muss allerdings bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses objektiv überprüfbar vorliegen.80 Eine ohne sachliche Rechtfertigung vereinbarte Befristung des Arbeitsver- 43 trages führt zur Teilnichtigkeit der Befristungsabrede; das Arbeitsverhältnis gilt als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. c) Rundfunkmitarbeiter Gemäß §Â€32 Abs€5 ORF-Gesetz können befristete Arbeitsverhältnisse mit 44 journalistischen und programmgestaltenden Mitarbeitern, deren vereinbarte oder tatsächlich geleistete Arbeitszeit während eines Zeitraumes von sechs Monaten im Monatsdurchschnitt nicht mehr als vier Fünftel des 4,3-fachen der durch Gesetz oder Kollektivvertrag vorgesehenen wöchentlichen Normalarbeitszeit beträgt, ohne zahlenmäßige Begrenzung und auch unmittelbar hintereinander abgeschlossen werden, ohne dass hierdurch ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit entsteht. Beabsichtigt der ORF, ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis nicht mehr 45 abzuschließen, so ist der Arbeitnehmer von dieser Absicht schriftlich zu verständigen. Die Verständigung hat, wenn ab Beginn des ersten Arbeitsverhältnisses mit oder ohne Unterbrechungen ein Zeitraum von nicht mehr als drei Jahren verstrichen ist, vier Wochen vor Ende des laufenden Arbeitsverhältnisses zu erfolgen. Beträgt dieser Zeitraum ab Beginn des ersten Arbeitsverhältnisses mehr 77╇
§Â€11 Abs 1 Z 2 AÜG; vgl auch OGH 20.11.1991, 9 ObA 602/91. OGH 12.8.1999, 8 ObA 130/99x, DRdA 2000, 38 (Mosler). 79╇ OGH 28.8.1991, 9 ObA 161/91; 20.11.1991, 9 ObA 602/91; 29.9.2004, 9 ObA 101/04z. 80╇ OGH 20.11.1991, 9 ObA 602/91. 78╇
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als drei Jahre, so hat die Verständigung acht Wochen, und wenn der Zeitraum mehr als fünf Jahre beträgt, hat die Verständigung zwölf Wochen vor Ablauf des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu erfolgen. Erfolgt die Verständigung nicht oder nicht rechtzeitig, so gebührt ein Entschädigungsanspruch. Dieser beträgt bei einer Verständigungsfrist von vier Wochen 8,33 vH, bei einer Verständigungsfrist von acht Wochen 16,66 vH und bei einer Verständigungsfrist von zwölf Wochen 24,99 vH des vom ORF im letzten Jahr bezogenen Entgelts. §Â€32 Abs€5 ORF-Gesetz steht in einem engen Konnex mit jenen Regelungen 46 dieses Gesetzes, die einen erhöhten Schutz der Medienmitarbeiter gegenüber dem ORF statuieren. §Â€32 Abs€1 ORF-Gesetz ordnet an, dass der Österreichische Rundfunk und seine Tochtergesellschaften die Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit aller programmgestaltenden Mitarbeiter sowie die Freiheit der journalistischen Berufsausübung aller journalistischen Mitarbeiter bei Besorgung aller ihnen übertragenen Aufgaben im Rahmen dieses Bundesgesetzes zu beachten haben. Die journalistischen Mitarbeiter dürfen in Ausübung ihrer Tätigkeit insbesondere nicht verhalten werden, etwas abzufassen oder zu verantworten, was der Freiheit der journalistischen Berufsausübung widerspricht. Aus einer gerechtfertigten Weigerung darf ihnen kein Nachteil erwachsen. Diese „arbeitsrechtliche“ Regelung des Gesetzes erklärt sich wiederum aus dem gesetzlichen Programmauftrag des Österreichischen Rundfunks. Gemäß §Â€1 Abs€3 ORF-Gesetz hat der Österreichische Rundfunk bei Erfüllung seines Auftrages auf die Grundsätze der österreichischen Verfassungsordnung, insbesondere auf die bundesstaatliche Gliederung nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Länder sowie auf den Grundsatz der Freiheit der Kunst, Bedacht zu nehmen und die Sicherung der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, der Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und der Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit von Personen und Organen des Österreichischen Rundfunks, die mit der Besorgung der Aufgaben des Österreichischen Rundfunks beauftragt sind, gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu gewährleisten. Unabhängigkeit ist nicht nur Recht der journalistischen oder programmgestaltenden Mitarbeiter, sondern auch deren Pflicht. Unabhängigkeit bedeutet Unabhängigkeit von Staats- und Parteieinfluss, aber auch Unabhängigkeit von anderen Medien, seien es elektronische oder Printmedien, oder seien es politische oder wirtschaftliche Lobbys. Mit dem durch das ORF-Gesetz bewirkten Schutz der journalistischen und 47 programmgestaltenden Mitarbeiter ist freilich die Gefahr verbunden, dass die persoÂ�nelle Zusammensetzung einer Redaktion und deren gerade aktuelles Meinungsspektrum perpetuiert werden.81 Mayer-Maly hat darauf hingewiesen, die Absicherung der „inneren Pressefreiheit“ könne dazu führen, dass der Inhalt von Medienwerken vor allem durch Mehrheitsentscheidungen der Redakteure bestimmt wird.82 Wenn der ORF eine Vielfalt der Programminhalte gewährleisten soll, muss ihm auch eine Freiheit bei der Auswahl jener Mitarbeiter eingeräumt werden, die bei der Gestaltung der Programme mitwirÂ�81╇ Vgl Schrammel, Innere Medienfreiheit und Arbeitsrecht, in Aicher/Holoubek (Hrsg), Das Recht der Medienunternehmen (1998) 75. 82╇ Mayer-Maly, Arbeitsrechtliche und presserechtliche Aspekte des Mediengesetzes, JBl 1981, 628.
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Der befristete Arbeitsvertrag
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ken.83 Diese Freiheit umfasst die Entscheidung der Rundfunkanstalt darüber, ob die programmgestaltenden und journalistischen Mitarbeiter als Arbeitnehmer oder als freie Dienstnehmer bzw ob sie befristet oder unbefristet angestellt werden. Das ORF-Gesetz hält ausdrücklich fest, dass programmgestaltende und journalistische Mitarbeiter iSd ORF-Gesetzes sowohl Arbeitnehmer als auch freie Mitarbeiter des Österreichischen Rundfunks oder seiner Tochtergesellschaften sein können.84 Freie Mitarbeiter unterliegen nicht dem Kündigungsschutzregime des ArbVG, weil dieses nur auf abhängig Beschäftigte Anwendung findet. Kettenverträge mit freien Mitarbeitern können dann aber auch nicht der Umgehung des Kündigungsschutzes dienen. Wenn der Gesetzgeber daher anordnet, dass auch mit „echten“ Arbeitnehmern Kettenverträge abgeschlossen werden dürfen, so will er damit offenkundig eine „Flucht in den freien Dienstvertrag“ verhindern. Die Zulässigkeit von wiederholten Befristungen ermöglicht dem Unternehmen, Mitarbeiter − bei Wahrung der Unparteilichkeit im Einzelfall – auszutauschen, damit dem Programmauftrag nach Meinungsvielfalt entsprochen werden kann. Der Kettenvertrag sichert den journalistischen und programmgestaltenden Mitarbeitern gleichsam den Arbeitnehmerstatus. Aus innerstaatlicher verfassungsgesetzlicher Sicht ist die Regelung durchaus sachgerecht; sie bewirkt keine unsachliche DiffeÂ�renzierung zwischen „normalen“ Arbeitnehmern mit befristeten Verträgen und programmgestaltenden (journalistischen) Arbeitnehmern des ORF. Dem Bestandschutzinteresse der Mitarbeiter wird durch die besonderen EntgeltÂ�regelungen bei Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses Rechnung geÂ�tragen. d) Mutterschutzgesetz Ein befristeter Arbeitsvertrag kann auch mit schwangeren Arbeitnehmerin- 48 nen ohne besondere sachliche Rechtfertigung abgeschlossen werden. Allerdings bestimmt §Â€10a MSchG, dass der Ablauf eines auf bestimmte Zeit eingegangenen Arbeitsverhältnisses von der Meldung der Schwangerschaft bis zum Beginn des Beschäftigungsverbotes nach §Â€3 Abs€1 MSchG oder dem Beginn eines auf Dauer ausgesprochenen Beschäftigungsverbotes nach §Â€Abs€3 MSchG gehemmt ist, es sei denn, dass die Befristung aus sachlich gerechtfertigten Gründen erfolgt oder gesetzlich vorgeschrieben ist. Der Gesetzgeber bindet somit die Befristung nicht zwingend an sachliche Gründe; liegt kein sachlicher Grund für die Befristung vor, wird lediglich der Ablauf der Befristung gehemmt. Der Gesetzgeber wollte mit §Â€10a MSchG „Umgehungen“ des Mutterschutzgesetzes verhindern. Die schwangere Arbeitnehmerin soll zumindest bis zum Beginn des Beschäftigungsverbotes acht Wochen vor der voraussichtlichen Geburt beschäftigt bleiben, damit sie auch sozialversicherungsrechtliche Ansprüche aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft in Anspruch nehmen kann.85 83╇ Vgl dazu die Judikatur des dBVErfG und des dBAG: BVerfG 59, 231; BAG AP Nr 144 zu §Â€620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag. 84╇ §Â€32 Abs 4 ORF-Gesetz. 85╇ Der Versicherungsfall der Mutterschaft tritt nach §Â€120 Abs 1 Z 3 ASVG grundsätzlich mit dem Beginn der achten Woche vor der voraussichtlichen Entbindung ein. Mit diesem Zeitpunkt beginnt auch die Schutzfrist nach §Â€3 Abs 1 MSchG.
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Die sachlichen Rechtfertigungsgründe sind in §Â€10a Abs€2 MSchG aufgelistet. Eine sachliche Rechtfertigung für die Befristung liegt insbesondere vor, wenn das Arbeitsverhältnis zu Ausbildungszwecken abgeschlossen wurde oder wenn auf Grund der in der vorgesehenen Verwendung erforderlichen Qualifikation eine längere Erprobung als die gesetzliche oder kollektivvertragliche Probezeit notwendig ist. Eine längere Erprobung ist nach Meinung der Judikatur vor allem bei einer Verwendung gerechtfertigt, die eine hohe Qualifikation des Arbeitnehmers voraussetzt, wie zB bei EDV-Spezialisten oder OrdinaÂ� tionshilfen; bei Regalbetreuerinnen in einem Supermarkt nimmt die Judikatur keine Rechtfertigung einer über die Probezeit hinausgehenden Erprobungszeit an.86 Die Befristung ist ganz allgemein immer dann als sachlich gerechtfertigt anzusehen, wenn die Zeit der Erprobung in einem ausgewogenen Verhältnis zur Ausbildung und der angestrebten Verwendung steht.87
III. Der auflösend bedingte Arbeitsvertrag 50
Die Dauer eines Arbeitsverhältnisses kann auch mit dem Eintritt eines Ereignisses begrenzt werden, dessen Eintritt ungewiss ist (dies incertus an – auflösende Bedingung oder Resolutivbedingung). Gegen die Zulässigkeit von Resolutivbedingungen wird in der Lehre vorgebracht, wegen der Ungewissheit des Ereignisses könne sich keine der beiden Vertragsparteien rechtzeitig auf das Vertragsende einstellen; insbesondere könne sich der Arbeitnehmer, der von seinem Arbeitseinkommen lebt, nicht rechtzeitig um eine neue Erwerbsgelegenheit umsehen. Daraus wird abgeleitet, ein resolutiv bedingtes Arbeitsverhältnis sei als unbefristeter Arbeitsvertrag zu werten, der nicht mit Eintritt des ungewissen Ereignisses endet.88 Dies soll jedenfalls gelten, wenn es sich um Zufallsbedingungen handelt, bei denen ein möglicher Eintrittstermin nicht einmal annähernd abschätzbar ist und der Arbeitnehmer auch keine Chance hat, den Bedingungseintritt zu beeinflussen.89 Die Ungewissheit des Arbeitnehmers über das Ende seines Arbeitsvertrages 51 wird relativiert, wenn im Vorhinein festgelegt ist, zu welchem Zeitpunkt das ungewisse Ereignis eintreten müsste (dies incertus an, certus quando; zB: Sollte der Fußballklub am Ende der Spielsaison den Aufstieg in die höhere Spielklasse nicht geschafft haben,90 oder sollte zu Jahresende 2010 die Errichtung des Staudammes X abgeschlossen sein). In diesem Fall ist die Situation des Arbeitnehmers keineswegs ungünstiger als bei der zulässigen Befristung mit ungewissem Eintritt.91 Der Arbeitnehmer hat nicht nur wie bei einer kalendermäßigen Befristung die Sicherheit, bis zu dem im Vorhinein bekannten Tag einen Arbeitsplatz zu haben, sondern überdies die Chance (wenn die Bedingung nicht eintritt), das Arbeitsverhältnis unbefristet weiterführen zu können. Im Hinblick auf die Sicherheit des Arbeitsplatzes ist er daher besser gestellt als bei 86╇
OGH 8.6.2000, 8 ObA 316/99z; 8.8.2002, 8 ObA 319/01x. OGH 20.10.2004, 8 ObA 102/04i. 88╇ Vgl Kramer, DRdA 1973, 165. 89╇ Vgl Reissner, ZellKomm §Â€19 AngG Rz€ 90╇ OGH 9.11.1982, 4 Ob 85/82, ZAS 1984, 227. 91╇ Vgl Schrammel, Resolutivbedingungen im Arbeitsverhältnis, ZAS 1984, 221. 87╇
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Der Arbeitsvertrag „auf Probe“
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der echten Befristung, da dort das Ende des Dienstverhältnisses gewiss ist. Er erkauft diese Chance mit der Ungewissheit, ob die Bedingung an diesem Tag eintreten wird und kann daher keine wirksame Vorsorge für diesen Fall treffen. Das aber ist genau dasselbe Risiko wie bei der zulässigen unechten Befristung. Wie die unechte Befristung muss daher eine auflösende Bedingung zuläs- 52 sig sein, bei der von vornherein feststeht, wann die Bedingung eintreten müsste. Diese Auffassung vertritt nunmehr auch der OGH.92 Resolutivbedingungen sind nach der Judikatur nur dann unzulässig, wenn ein für die Beurteilung des Eintritts oder Nichteintritts der Beendigung maßgeblicher Stichtag nicht feststeht. Steht ein solcher Stichtag fest, ist die Resolutivbedingung auch dann zulässig, wenn der Eintritt oder Nichteintritt nicht ausschließlich vom Willen des Arbeitnehmers abhängig ist. Als problematisch werden von der Judikatur Resolutivbedingungen ange- 53 sehen, die nicht schon bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, sondern bei aufrechtem Arbeitsverhältnis vereinbart werden. Wird bei aufrechtem Arbeitsverhältnis eine Resolutivbedingung vereinbart, die nur dem Interesse des Arbeitgebers dient und deren Eintritt nicht nur vom Willen des Arbeitnehmers abhängt, so bewirkt dies eine Risikoverschiebung zu Lasten des Arbeitnehmers. Handelt es sich nicht um eine Neubegründung des Arbeitsverhältnisses mit Resolutivbedingung, sondern um eine Auflösungsvereinbarung, muss für den Arbeitnehmer Gewissheit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen.93
IV. Der Arbeitsvertrag „auf Probe“ 1. Vereinbarung einer Probezeit §Â€ 1158 Abs€ 2 1. Alternative gibt sowohl dem Arbeitgeber als auch dem 54 Arbeitnehmer die Möglichkeit, ein als unbefriedigend empfundenes Arbeitsverhältnis schon frühzeitig mit sofortiger Wirkung und ohne Begründung lösen zu können. Die Arbeitsvertragsparteien können zu diesem Zwecke einen Arbeitsvertrag „auf Probe“ vereinbaren. Die Vereinbarung einer Probezeit kann sowohl einem befristeten, als auch einem unbefristeten Arbeitsvertrag beigefügt werden. Ob ein „Probearbeitsverhältnis“ iSv §Â€1158 Abs€2 vereinbart wurde, hängt 55 nicht von der Wortwahl ab; entscheidend ist, ob während der Dauer der Erprobung vereinbarungsgemäß beide Teile das Recht zur sofortigen grundlosen Auflösung haben sollen.94 In diesem Sinn liegt ein Probearbeitsverhältnis vor, wenn beiden Teilen ausdrücklich das Recht zur sofortigen Auflösung während der Probezeit eingeräumt wird. Ein Probearbeitsverhältnis ist aber auch dann anzunehmen, wenn zB vereinbart wird, dass der erste Monat des Arbeitsverhältnisses „als Probemonat“ gilt. Die Probevereinbarung kann sowohl schriftlich als auch mündlich erfolgen.95 Vgl OGH 24.6.1998, 9 ObA 156/98a unter Berufung auf Schrammel, ZAS 1984, 223. OGH 20.12.2006, 9 ObA 116/06h. 94╇ So OGH 15.1.1985, 4 Ob 150/84, RdW 1985, 349; 21.10.1998, 9 ObA 161/98m. 95╇ OGH 29.3.1977, 4 Ob 17/77, Arb 9575. 92╇ 93╇
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Das Gesetz gestattet eine solche Vereinbarung generell96 höchstens für den ersten Monat des Arbeitsvertrages.97 Die Probezeit beginnt mit dem Tag des vereinbarten Arbeitsantritts; dieser Tag ist in die Probezeit einzurechnen.98 §Â€903 S€3 ABGB ist auf den Ablauf der Frist nicht anzuwenden; endet die Probezeit an einem Sonntag, muss die Auflösungserklärung an diesem Tag dem anderen Partner zugehen.99 Die Parteien können die Probezeit auch verkürzen,100 die Vereinbarung 57 einer längeren Probezeit ist teilnichtig; eine jederzeitige Beendigung kann nur im ersten Monat des Arbeitsverhältnisses erfolgen.101 Strittig ist, ob ein Arbeitsvertrag, der zB eine Probezeit von drei Monaten vorsieht, als befristeter Vertrag zu verstehen ist, der nach Ablauf von drei Monaten enden soll. Dies muss durch Auslegung der Vereinbarung ermittelt werden. Wollten die Parteien mit ihrer Vereinbarung keine längere Bindung eingehen, ist von einem befristeten Arbeitsverhältnis auszugehen, das im ersten Monat von beiden Parteien jederzeit aufgelöst werden kann. Wollten die Parteien eine dauernde Bindung nicht ausschließen, sondern nur erreichen, dass beiden Teilen eine möglichst lange Frist zur Erprobung zusteht, wird von einem unbefristeten Arbeitsverhältnis auszugehen sein, das nach Ablauf der zulässigen Probezeit durch ordentliche Kündigung beendet werden kann.102 2. Beendigung des Probearbeitsverhältnisses 58
Die Beendigung des Probedienstverhältnisses ist ein eigenständiger Auflösungsgrund.103 Gesetzliche Vorschriften über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder vorzeitige Auflösung aus wichtigem Grund, insbesondere die Vorschriften über den Kündigungsschutz, finden auf die Beendigung des Probedienstverhältnisses keine Anwendung.104 Die Auflösung des Probearbeitsverhältnisses kann allerdings vom Arbeitnehmer angefochten werden, wenn ihr eine nach dem Gleichbehandlungsgesetz verbotene Diskriminierung zugrunde liegt.105 Die Auflösung des Probearbeitsverhältnisses kann von beiden Teilen aus59 drücklich oder konkludent erfolgen. Eine konkludente Willenserklärung darf nur angenommen werden, wenn sie nach den üblichen Gewohnheiten und Ge96╇ Auch für den Bereich der Arbeitskräfteüberlassung; so OGH 28.8.1991, 9 ObA 161/91, DRdA 1992, 215 (zustimmend Mosler), und 20.11.1991, 9 ObA 602/91, DRdA 1992, 378. 97╇ Bei Lehrverhältnissen beträgt die Probezeit drei Monate; nach dem TAG ist die VereinÂ� barung einer Probezeit unwirksam. 98╇ Karl, Ang-Komm §Â€19 Rz€134; Reissner, ZellKomm §Â€ 99╇ OGH 10.11.1994, 8 ObA 286/94, DRdA 1995, 322 (Wachter). 100╇ OGH 17.2.2005, 8 ObA 124/04z. 101╇ OGH 20.2.1979, 4 Ob 125/78, DRdA 1980, 309. 102╇ In diesem Sinn Kramer, DRdA 1973, 162; Buchsbaum, ZAS 1980, 63; Floretta, DRdA 1980, 313 f und wohl auch OGH 21.9.1982, 4 Ob 99/82, Arb 10.184. Ein unkündbares befristetes Arbeitsverhältnis nehmen dagegen OGH 20.2.1979, 4 Ob 125/78, DRdA 1980, 14 und Adler/ Höller in Klang2 V 322 an. 103╇ Schrank, Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses 252 f. 104╇ OGH 8.3.1983, 4 Ob 18/83, Arb 10.224; 8.7.1999, 8 ObA 188/99a. 105╇ OGH 31.8.2005, 9 ObA 4/05m; Reissner, ZellKomm §Â€19 AngG Rz€
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Der Arbeitsvertrag auf Lebenszeit einer Person
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bräuchen in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Da Probearbeitsverhältnisse auch vom Arbeitnehmer jederzeit und ohne besondere Formalitäten aufgelöst werden können, kann auch das Nichterscheinen am Arbeitsplatz Erklärungswert (Auflösung des Arbeitsverhältnisses) haben. Nach Meinung des OGH ist das Nichterscheinen – ohne Information des Arbeitgebers – als Beendigungserklärung zu verstehen, wenn der Arbeitnehmer während der Probezeit im Zuge einer Krankmeldung bekannt gegeben hat, er werde an einem bestimmten Tag sicher zur Arbeit erscheinen.106
V. Der Arbeitsvertrag bei „vorübergehendem Bedarf“ In einer missverständlichen Weise stellt das ABGB dem Probearbeitsver- 60 hältnis einen Arbeitsvertrag gleich, der ausdrücklich für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfs abgeschlossen wurde.107 Auch dieser Arbeitsvertrag kann innerhalb des ersten Monats ohne Einhaltung einer Frist von beiden Teilen jederzeit aufgelöst werden. Anders als beim Probearbeitsverhältnis muss die jederzeitige Lösbarkeit nicht besonders vereinbart sein. Die freie Lösbarkeit ergibt sich vielmehr aus dem vorübergehenden Charakter des Arbeitsverhältnisses. Als „vorübergehend“ kann das Arbeitsverhältnis nur dann bezeichnet werden, wenn der Bedarf im Vorhinein objektiv nicht bestimmbar ist. Wäre er nämlich bestimmbar, dann läge eine Befristung vor. Wenn nun der Gesetzgeber in §Â€1158 Abs€1 anordnet, dass befristete Arbeitsverhältnisse mit Zeitablauf enden, kann nicht angenommen werden, dass §Â€1158 Abs€2 für eben diese befristeten Arbeitsverhältnisse ganz allgemein eine Lösungsmöglichkeit im ersten Monat des befristeten Arbeitsverhältnisses statuiert. Der Arbeitsvertrag für die Dauer eines vorübergehenden Bedarfs ist somit immer ein unbefristeter Arbeitsvertrag.108 Andererseits kann nicht jeder Arbeitsvertrag, dessen Dauer im Vorhinein 61 nicht bestimmbar ist, als Arbeitsvertrag für die Dauer eines vorübergehenden Bedarfes angesehen werden. Dies würde zum Ergebnis haben, dass jeder unbefristete Vertrag im ersten Monat ohne Einhaltung von Fristen und Terminen aufgelöst werden könnte. Von einem vorübergehenden Bedarf kann daher nur dann gesprochen werden, wenn die Dauer des Arbeitsverhältnisses zwar ex ante nicht feststeht, aber doch objektive Anhaltspunkte für eine bloß vorübergehende Beschäftigung vorliegen. Die in der Praxis auftretenden Beweisschwierigkeiten für das Vorliegen eines bloß vorübergehenden Bedarfes haben zur Folge, dass das Rechtsinstitut des Arbeitsvertrages für einen vorübergehenden Bedarfes nahezu keine Bedeutung hat.109
VI. Der Arbeitsvertrag auf Lebenszeit einer Person Ein auf die Lebenszeit einer Person abgeschlossener Arbeitsvertrag ist ein 62 befristeter Vertrag, der die Besonderheit aufweist, dass er vom Arbeitnehmer 106╇
OGH 7.8.2003, 8 ObA 51/03p. Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht 27 38 f. 108╇ Vgl OGH 23.2.1971, 4 Ob 6/71, Arb 8843. 109╇ So auch Reissner, ZellKomm §Â€20 AngG Rz 107╇
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nach Ablauf von fünf Jahren auch ohne besondere Vereinbarung durch Kündigung aufgelöst werden kann.110 Dem Arbeitsvertrag auf Lebenszeit einer Person steht ein befristeter Vertrag gleich, der für einen über fünf Jahre hinausgehenden Zeitraum abgeschlossen wurde. Die vom Arbeitnehmer einzuhaltende Kündigungsfrist beträgt sechs Monate. Dem Arbeitgeber steht eine gesetzliche Kündigungsmöglichkeit nicht zu. Auf wessen Lebenszeit der Vertrag abgeschlossen wird, lässt §Â€1158 Abs€3 63 offen. Da der Arbeitsvertrag den Arbeitnehmer zu höchstpersönlichen Dienstleistungen verpflichtet, endet der Arbeitsvertrag jedenfalls mit dem Tod des Arbeitnehmers.111 §Â€1158 Abs€3 kann sich daher nur auf Personen beziehen, die vom Arbeitnehmer verschieden sind. Es kann sich dabei um den ArbeitÂ� geber oder um andere, im Vertrag bestimmte Personen handeln. In der PraÂ�xis werden „Lebenszeitarbeitsverträge“ vor allem dann abgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer eine ausschließlich auf eine bestimmte Person bezogene Leistung zu erbringen hat, die nach dem Tod dieser Person ihren Sinn verliert. Zu nennen sind hier vor allem Pflegeleistungen oder persönliche Dienste, wie zB die Tätigkeit eines Privatsekretärs.112 Oft werden Arbeitsverhältnisse auf die Lebenszeit einer Person auch unter nahen Angehörigen abgeschlossen.113 Die Vereinbarung eines Lebenszeitarbeitsverhältnisses kann ausdrücklich 64 oder konkludent erfolgen. Bei den schon erwähnten, auf die Person bezogenen Leistungen wird man in aller Regel von einer konkludenten Befristung ausgehen müssen. Wird der Arbeitsvertrag ausdrücklich für die Lebenszeit des Arbeitneh65 mers abgeschlossen, handelt es sich um keinen befristeten Arbeitsvertrag. Eine derartige Vereinbarung wird man vielmehr als Ausschluss der Kündigung durch den Arbeitgeber während der Lebenszeit des Arbeitnehmers (Definitivstellung) deuten müssen. Der Arbeitnehmer kann das Arbeitsverhältnis hingegen jederzeit durch Kündigung – unter Einhaltung der gesetzlichen und kollektivvertraglichen Fristen und Termine – auflösen.
VII. Kündigung 1. Begriff 66
Arbeitsverhältnisse auf unbestimmte Zeit können von beiden Teilen durch Kündigung aufgelöst werden. Das Recht zur Kündigung bedarf bei unbefristeten Arbeitsverträgen keiner besonderen Vereinbarung; die Kündigungsmöglichkeit ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Die Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, das Arbeitsverhältnis zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt zu beenden. Die Anforderungen an den „in Reissner, ZellKomm §Â€21 AngG Rz€6; Karl Siehe dazu Fenyves, Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis (1982) 297; OGH 12.7.1977, 4 Ob 91/77, Arb 9604. 112╇ Vgl OGH 12.7.1977, 4 Ob 91/77, Arb 9604. 113╇ Vgl dazu Jabornegg/Resch, Das rechtliche Schicksal von Arbeitsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen beim Tod des Arbeitgebers, DRdA 1995, 220. 110╇ 111╇
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Kündigung
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der Zukunft liegenden Zeitpunkt“ dürfen dabei nicht überspannt werden. Mit dieser Formulierung soll lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass das Arbeitsverhältnis nicht sofort mit Zugang der Auflösungserklärung, sondern frühestens mit Ende des Tages beendet wird, an dem die Erklärung dem anderen Teil zugegangen ist. Die Einhaltung einer bestimmten Mindestfrist zwischen Zugang der Auflösungserklärung und dem Ende des Vertrages ist der Kündigung nicht wesensimmanent. Welche Fristen einzuhalten sind, ergibt sich aus den §§Â€1159 ff. Unterliegt das Arbeitsverhältnis der GewO 1859, kann die Einhaltung von Kündigungsfristen auch abbedungen werden. Die Kündigung ist nach §Â€1158 an keine bestimmte Form gebunden, sie 67 kann also mündlich oder schriftlich erklärt werden. Schriftformgebote sind allerdings in Sondergesetzen (zB BAG, VBG) vorgesehen. Im Anwendungsbereich dieser Gesetze sind mündlich ausgesprochene Kündigungen rechtsunwirksam; sie führen somit nicht die beabsichtigten Rechtswirkungen, nämlich Auflösung des Arbeitsverhältnisses, herbei. Eine schriftliche Kündigung liegt nur dann vor, wenn die Erklärung schriftlich verfasst und vom Erklärenden eigenhändig unterschrieben ist. Das Erfordernis der Schriftform soll gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Dabei genügt die Unterzeichnung mit dem FamilienÂ� namen.114 Nicht als schriftliche Kündigung gilt eine per e-mail oder SMS übermittelte Kündigung.115 Die Auflösungserklärung ist an den jeweiligen Vertragspartner des Auflö- 68 senden zu richten. Bei einer Arbeitgeberkündigung ist die Kündigung daher an den Arbeitnehmer zu richten. Wurde der Arbeitsvertrag von einem mündigen Minderjährigen abgeschlossen, ist die Auflösung nicht an den gesetzlichen Vertreter, sondern unmittelbar dem Minderjährigen zu erklären. Dies gilt auch bei Auflösung eines Lehrvertrages. Der Abschluss eines Lehrvertrages bedarf zwar der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters des Minderjährigen, die Auflösung kann jedoch auch gegenüber einem mündigen minderjährigen Lehrling erklärt werden. Im Umfang der eigenen Handlungsfähigkeit des Minderjährigen ist eine Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters – von gewillkürter Vertretung abgesehen – ausgeschlossen. Die Zustellung der Auflösungserklärung nur an den gesetzlichen Vertreter bewirkt daher noch keine rechtswirksame Auflösung des Lehrvertrages.116 Ist der Arbeitgeber eine Gesellschaft mbH, so ist zur Vertretung der Gesell- 69 schaft durch Entgegennahme von an sie gerichteten Erklärungen Dritter der Geschäftsführer berufen, dessen Vertretungsmacht eine ausschließliche in dem Sinne ist, dass die GmbH durch kein anderes Organ, insbesondere nicht durch die (den einzigen) Gesellschafter, vertreten werden kann.117 Gewillkürte Stellvertretung ist zulässig.
114╇
OGH 3.3.2008, 9 ObA 14/08m. Vgl OGH 7.2.2008, 9 ObA 96/07v. 116╇ OGH 8.10.2003, 9 ObA 53/03i. 117╇ OGH 30.4.1997, 9 ObA 124/97v. 115╇
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2. Inhalt der Erklärung a) Auflösung des Arbeitsverhältnisses 70
Aus der dem Vertragspartner zugegangenen Erklärung muss hervorgehen, dass der Erklärende das Arbeitsverhältnis „ordentlich“, dh unter Einhaltung der gesetzlich oder (kollektivâ•‚)vertraglich vorgesehenen Fristen und Termine beenden möchte. Dieser Auflösungswille wird jedenfalls erkennbar sein, wenn die Erklärung ausdrücklich als „Kündigung“ bezeichnet wird. Die Erklärung kann allerdings auch dann als Kündigung gelten, wenn zwar die ausdrückliche Bezeichnung als Kündigung fehlt, dem Vertragspartner aber erkennbar ist, dass der Erklärende eine „ordentliche“ Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung anstrebt. Dies wird anzunehmen sein, wenn etwa der Arbeitnehmer erklärt, er werde „mit 1. Jänner in Pension gehen“ oder der Arbeitgeber mitteilt, der Arbeitnehmer werde mit 1. Jänner „in den Ruhestand versetzt“. Ergibt sich aus der Erklärung ein Auflösungswille der Partei, lässt sich der Erklärung aber nicht entnehmen, dass es sich um eine ordentliche Auflösung durch Kündigung handelt, wird man die Erklärung im Zweifel als Auflösung mit sofortiger Wirkung verstehen müssen. Der Auflösungswille muss sich auf das gesamte Arbeitsverhältnis bezie71 hen. Nach herrschender Auffassung ist eine Teilkündigung, also eine Kündigung einzelner Bestimmungen oder zusammengehöriger Gruppen von Bestimmungen eines Arbeitsvertrages, grundsätzlich unzulässig.118 Weder dem Arbeitgeber noch dem Arbeitnehmer soll zugemutet werden, an einem (Restâ•‚) Arbeitsverhältnis festzuhalten, das er so nie gewollt oder vereinbart hätte. Ausnahmsweise kann eine Teilkündigung zulässig sein, wenn sie auf die Beendigung von Bestimmungen gerichtet ist, die auf einer Zusatzvereinbarung mit eigenem rechtlichem Schicksal beruhen. Die Zusatzleistung muss gegenüber der „Grund“leistung eine gewisse Eigenständigkeit aufweisen und in der Regel gesondert entlohnt sein.119 Dies ist etwa der Fall, wenn die Parteien neben dem Grundarbeitsvertrag eine Entsendungsvereinbarung getroffen haben.120 Haben die gekündigten Bestimmungen nach dem Parteiwillen ein eigenes rechtliches Schicksal, ist eine Teilkündigung auch ohne besondere Vereinbarung zulässig.121 b) Angabe des Endzeitpunktes des Arbeitsverhältnisses 72
Die Angabe einer bestimmten Kündigungsfrist oder des Kündigungstermins ist nicht erforderlich. Enthält die Erklärung keine Angaben über den Zeitpunkt, in dem das Arbeitsverhältnis enden soll, ist dieser Zeitpunkt unter Berücksichtung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen zu ermitteln. Ausgehend vom Zugang der Kündigung ist zu fragen, zu welchem nächstmöglichen Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis endet, wenn alle vorgesehenen 118╇
OGH 29.9.1981, 4 Ob 168/81; 18.10.1977, 4 Ob 129/77, ZAS 1979, 139. OGH 29.9.1981, 4 Ob 168/80, ZAS 1982, 217 (Mayer-Maly). 120╇ OGH 14.9.1988, 9 ObA 164/88, SZ 61/195. 121╇ OGH 29.9.1981, 4 Ob 168/80, ZAS 1982, 217 (Mayer-Maly). 119╇
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Fristen und Termine beachtet werden. Dem Erklärenden ist es aber nicht verwehrt, den von ihm intendierten Endtermin in die Erklärung aufzunehmen. Die ausdrückliche Festlegung des Endtermins ist jedenfalls dann notwendig, wenn das Arbeitsverhältnis nicht zum nächstmöglichen, sondern erst zu einem danach liegenden Termin enden soll. Probleme entstehen, wenn ein Endzeitpunkt in die Erklärung aufgenom- 73 men wird, dieser Endzeitpunkt aber vor Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist liegt, oder wenn der Endzeitpunkt kein gesetzlich oder vertraglich zulässiger Endtermin ist. Ob es sich bei diesem „falschen“ Endtermin um eine bloße – falsche – Wissenserklärung über das durch die Kündigung ausgelöste Ende des Arbeitsverhältnisses handelt oder ob der falsche Endtermin Teil des Auflösungswillens ist, muss durch Interpretation der Erklärung ermittelt werden. Die Kündigungserklärung ist immer so zu beurteilen, wie sie der Empfänger nach Wortlaut und Geschäftszweck bei objektiver Betrachtung verstehen konnte.122 Ergibt sich aus dem gesamten Verhalten des Erklärenden, dass er eine gesetzeskonforme Auflösung angestrebt hat, kann die Beifügung des falschen Endzeitpunktes als bloße Wissenserklärung verstanden werden; das Arbeitsverhältnis würde zum gesetzlich zulässigen Termin beendet sein.123 Ist dem Gekündigten hingegen erkennbar, dass der Kündigende auf jeden Fall zu dem von ihm angegebenen (verfehlten) Termin lösen will, ist dieser Wille zu respektieren. Die Judikatur nimmt hier zu Recht an, dass der Endzeitpunkt vom Willen des Erklärenden erfasst ist.124 Handelt es sich dabei um einen „unzulässigen“ Endzeitpunkt, ist die Kündigung insgesamt als „rechtswidrige Kündigung“ zu werten.125 c) Bedingte Kündigungen Die Kündigung darf grundsätzlich nicht an Bedingungen geknüpft werden, 74 weil diese den Adressaten in Unsicherheit versetzen, ob das Arbeitsverhältnis nun fortgesetzt werden wird oder nicht. Eine Ausnahme von der „Bedingungsfeindlichkeit“ der Kündigung wird zugelassen, wenn die Erfüllung der Bedingung ausschließlich vom Willen des Gekündigten abhängt. In diesem Fall besteht für den Gekündigten keine Unsicherheit über den weiteren Bestand des Arbeitsverhältnisses, weil er es in der Hand hat, die Beendigung zu vereiteln.126 Daher verstoßen auch so genannte Änderungskündigungen nicht gegen 75 das Verbot bedingter Kündigungen.127 Die Änderungskündigung besteht rechtsÂ� 122╇
OGH 25.9.1973, 4 Ob 68/73, ZAS 1975, 19 (Spielbüchler). Wenn zB der Arbeitgeber am 1. März erklärt, das Arbeitsverhältnis werde unter Beachtung der in §Â€1159b vorgesehenen Frist von 14 Tagen durch Kündigung aufgelöst, das Arbeitsverhältnis ende „daher“ am 14. März, dann ist diese letzte Folgerung zwar unrichtig, weil das Arbeitsverhältnis am 15. März endet, die falsche Erklärung wird man aber wohl als bloße Wissenserklärung verstehen müssen. 124╇ „Ich kündige Ihr Arbeitsverhältnis zum 26.3.“ 125╇ Vgl auch Kerschner, DRdA 1983, 367. 126╇ OGH 25.9.1979, 4 Ob 78/79, Arb 9810. 127╇ Schrammel, Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Versetzung und Änderungskündigung, ZAS 1975, 203 ff; Strasser, Zur Problematik der sogenannten Änderungskündigung, DRdA 1988, 1 ff. 123╇
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geschäftlich gesehen regelmäßig aus zwei einseitigen, zugangsbedürftigen Willenserklärungen, und zwar einmal aus dem Ausspruch der Kündigung, dh aus einer Auflösungserklärung in Bezug auf das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung von gesetzlich, kollektivvertraglich, betriebsvereinbarungsmäßig oder einzelvertraglich vorgesehenen Kündigungsfristen und -terminen und aus einem Angebot, den Inhalt des Arbeitsvertrages zu ändern. Die vom erklärenden Arbeitgeber vorzunehmende Verknüpfung dieser beiden Erklärungen kann im Wesentlichen auf zweifache Weise erfolgen. Der Arbeitgeber kann der Kündigungserklärung beifügen, dass sie (rückwirkend) rechtsunwirksam wird, wenn der Arbeitnehmer das Vertragsänderungsoffert annimmt (auflösend bedingte Änderungskündigung); die Kündigung kann aber auch unter der Bedingung ausgesprochen werden, dass diese erst bei Nichtannahme des gleichzeitig übermittelten Vertragsänderungsangebotes wirksam wird (aufschiebend bedingte Änderungskündigung).128 Die Änderungskündigung zielt in beiden Fällen nicht unmittelbar auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab, sondern auf eine inhaltliche Neugestaltung der Arbeitsbedingungen. Es ist ausschließlich Sache des Arbeitnehmers, ob er unter den neu angebotenen Arbeitsbedingungen im Arbeitsverhältnis bleiben will oder nicht. Der Arbeitnehmer wird daher nicht im Ungewissen über die Zukunft seines Arbeitsverhältnisses gelassen.129 Zulässig sind auch so genannte Eventualkündigungen, die für den Fall 76 ausgesprochen werden, dass eine zuvor ausgesprochene Kündigung als rechtsunwirksam erkannt oder vom Gericht für unwirksam erklärt wird. Derartige Kündigungen sind nach Meinung des OGH als Kündigungen unter einer Rechtsbedingung aufzufassen. Diese Rechtsbedingung führt zu keiner Ungewissheit für den Arbeitnehmer, so dass die gegen bedingte Kündigungen vorgebrachten Bedenken nicht zutreffen. Einem Arbeitgeber darf generell nicht die Möglichkeit genommen werden, ein bloß schwebend rechtsunwirksames Arbeitsverhältnis durch eine weitere Kündigung für den Fall zu beenden, dass dem ersten Anfechtungsbegehren des Arbeitnehmers stattgegeben wird.130 3. Zugang der Erklärung a) Allgemeines 77
Als empfangsbedürftige Willenserklärung kann die Kündigung die vom Erklärenden intendierten Rechtsfolgen (Beendigung des Arbeitsverhältnisses) erst dann auslösen, wenn sie dem Erklärungsempfänger zugeht. Nach ganz herrschender Auffassung ist die Erklärung zugegangen, wenn sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist. Nicht erforderlich ist, dass der Empfänger vom Inhalt der Erklärung tatsächlich Kenntnis erlangt hat; es genügt, wenn er die Möglichkeit erlangt, den Inhalt der Erklärung zu erfahren.
Vgl Strasser, Zur Problematik der sogenannten Änderungskündigung, DRdA 1988, 1. Vgl OGH 30.6.1994, 8 ObA 216/94, SZ 67/120; 23.1.2004, 8 ObA 7/04v. 130╇ OGH 13.2.2003, 8 ObA 4/03a. 128╇ 129╇
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b) Mündliche Kündigungen Wird die Kündigung mündlich unter Anwesenden oder fernmündlich unter 78 Abwesenden erklärt, gilt die Erklärung mit Abgabe als zugegangen, weil der Empfänger in diesem Fall den Inhalt der Erklärung tatsächlich erfährt. Abweichendes gilt nur dann, wenn der Empfänger – zB wegen Taubheit oder wegen fehlender Sprachkenntnisse – den Inhalt der Erklärung nicht versteht. Mangelnde Sprachkenntnisse des Empfängers schließen zwar eine mündliche Kündigung nicht aus, die Kündigung gelangt jedoch erst dann in den Machtbereich des Empfängers, wenn diesem die Möglichkeit der Kommunikation eröffnet ist. Dies wird zB anzunehmen sein, wenn während der Erklärung ein sprachkundiger Mitarbeiter anwesend ist, der die Erklärung dem Empfänger verständlich machen kann. Steht diese Möglichkeit nicht offen, muss die Erklärung wohl immer schriftlich abgegeben werden. c) Schriftliche Kündigungen Wird die Kündigung schriftlich ausgesprochen, gilt sie als zugegangen, 79 wenn das Schreiben unter Anwesenden dem Empfänger ausgehändigt wird, auch wenn der Empfänger das Kündigungsschreiben ungelesen wegwirft. Dies gilt allerdings nur dann, wenn das Kündigungsschreiben dem Arbeitnehmer bzw dem Arbeitgeber zugerechnet werden kann. Bei einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung wird man dies jedenfalls annehmen dürfen, wenn das Schreiben von einem zur Abgabe der Kündigung berechtigten Vertreter des Arbeitgebers überreicht wird oder wenn der das Schreiben aushändigende Mitarbeiter darauf hinweist, dass es eine Erklärung des Arbeitgebers enthält. Wird einem Arbeitnehmer von einem Kollegen kommentarlos ein Schreiben überreicht, besteht für den Empfänger in aller Regel keine Veranlassung, dieses Schreiben als rechtsgeschäftliche Erklärung des Arbeitgebers zu verstehen. Die Zurechnung des Schreibens – und damit auch der Kündigungserklärung – zum Arbeitgeber kann sich freilich auch aus der Gestaltung des Schreibens – zB offizielles Briefpapier des Arbeitgebers – ergeben. Bei schriftlichen Kündigungen unter Abwesenden muss das Kündigungs- 80 schreiben dem Empfänger zugestellt werden; zuzustellen ist grundsätzlich an den Ort, der zuletzt vom Vertragspartner als Zustelladresse angegeben wurde, oder an die dem Erklärenden bekannte Wohn-(Geschäfts-)Anschrift seines Vertragspartners. Die Kündigung gilt als zugegangen, wenn der Empfänger die Möglichkeit hat, das zugestellte Schreiben in Empfang zu nehmen, um den Inhalt zu erfahren. Eine bestimmte Zustellform sieht §Â€ 1158 nicht vor. Das Kündigungsschreiben kann in gleicher Weise von der Post, einem privaten Zustelldienst oder durch persönliche Abgabe beim Empfänger übermittelt werden. Auch das Platzieren des Kündigungsschreibens vor der Wohnungstür des Empfängers ist eine mögliche und zulässige Zustellform. Der Zugang der Kündigung hängt von der gewählten Art der Zustellung 81 ab. Wird eine Zustellform gewählt, bei der das Kündigungsschreiben im Hausbriefkasten des Empfängers abgelegt wird, ist das Schreiben zugegangen, wenn dem Empfänger eine Leerung des Hausbriefkastens möglich ist. Wird 187
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das Schreiben am Vormittag während der Arbeitszeit des Empfängers in den Hausbriefkasten gelegt, hat der Empfänger die Möglichkeit, am Abend vom Inhalt des Schreibens Kenntnis zu erlangen. Die Kündigung ist am Tag der Ablage im Hausbriefkasten zugegangen, auch wenn der Empfänger den Hausbriefkasten erst am nächsten Tag leert. Wird allerdings das Schreiben erst am Abend – nach Beendigung der Arbeitszeit des Arbeitnehmers – im Hausbriefkasten abgelegt, ist das Schreiben erst am nächsten Tag zugegangen, weil nicht erwartet werden darf, dass der Empfänger den Hausbriefkasten mehrmals am Tag leert. Wird das Kündigungsschreiben auf eine Art zugestellt, bei der das Schreiben vom Empfänger persönlich in Empfang zu nehmen ist („eingeschrieben“), ist der Zugang erfolgt, wenn der Empfänger tatsächlich an der Zustelladresse angetroffen wird. Wird der Empfänger nicht angetroffen und am Zustellort eine Benachrichtigung hinterlassen, wo das Schreiben behoben werden kann, ist der Zugang erfolgt, wenn der Empfänger erstmals die Möglichkeit hat, das Schreiben zu beheben. Dies wird bei so genannten eingeschriebenen Sendungen in aller Regel am Tag nach der Verständigung möglich sein. Wird das Schreiben materiell auf eine „ungewöhnliche“ Art zugestellt, 82 etwa durch Ablage unter dem Fußabstreifer oder durch Übermittlung in ein Krankenhaus, in dem sich der Empfänger befindet, ist der Zugang erst dann erfolgt, wenn das Schreiben dem Empfänger tatsächlich zukommt.131 d) Zugang der Kündigung bei Abwesenheit des Empfängers 83
Fraglich ist, zu welchem Zeitpunkt eine schriftliche Kündigung bei längerer Abwesenheit des Empfängers vom üblichen Zustellort zugeht. Der eine Kündigung Aussprechende trägt regelmäßig das Risiko für den ordnungsgemäßen Zugang der Erklärung. Ein Übergang des Risikos kann nur eintreten, wenn sich der Vertragspartner dem Zugang der Erklärung absichtlich oder wider Treu und Glauben entzieht. In diesem Fall muss er sich so behandeln lassen, als ob er die Auflösungserklärung rechtzeitig empfangen hätte. Der Arbeitgeber (GmbH) muss sich die Kündigung zurechnen lassen, wenn der zur Entgegennahme von Erklärungen berufene Geschäftsführer verstirbt und die Gesellschafter für die Vertretung der Gesellschaft nicht gesorgt haben.132 Der Arbeitnehmer muss sich den Empfang einer an die letzte bekannt ge84 gebene Wohnadresse selbst dann zurechnen lassen, wenn er die Wohnung bereits verlassen, dies dem Arbeitgeber aber nicht gemeldet hat, sofern ihm die Erklärung später tatsächlich zukommt.133 Ist der Empfänger einer Kündigungserklärung vom bekannt gegebenen Zustellort allerdings dauernd abwesend 131╇
OGH 26.4.1995, 9 ObA 55/95. OGH 30.4.1997, 9 ObA 124/97v. 133╇ OGH 3.4.1984, 4 Ob 25/84. Im Anlassfall hatte der Arbeitgeber nach der Inhaftierung des Arbeitnehmers die Entlassung ausgesprochen. Die Entlassungserklärung wurde an die letzte, dem Arbeitgeber bekannt gewordene Wohnadresse zugestellt und vom Vater des Arbeitnehmers in Empfang genommen. Dieser informierte den Arbeitnehmer bei einem folgenden Besuch über die Entlassung. Der Arbeitgeber hatte nicht gewusst, dass sich der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Entlassung noch in Haft befunden hat. 132╇
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und unbekannten Aufenthalts, muss der Kündigende einen Abwesenheitskurator bestellen lassen, dem die Kündigung zugestellt werden kann.134 Besondere Probleme entstehen bei Kündigungen während des Urlaubs. Da 85 Urlaub nur im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber konsumiert werden darf, muss der Arbeitgeber bei Ausspruch einer Kündigung jedenfalls damit rechnen, dass sich der Arbeitnehmer ab Beginn des vereinbarten Urlaubs nicht mehr an seinem Wohnort aufhalten wird. Hat der Arbeitgeber in Kenntnis der bevorstehenden Ortsabwesenheit des Arbeitnehmers den Zeitpunkt der Absendung der Kündigungserklärung so gewählt, dass ein rechtzeitiger Zugang nur unter günstigsten Bedingungen (Zustellversuch am nächsten Tag, Rückkehr des Adressaten an seinen Wohnsitz vor Schalterschluss beim Postamt) möglich gewesen wäre, kann dem Arbeitnehmer nicht der Vorwurf einer Zugangsvereitelung gemacht werden, wenn er seinen Tagesablauf an diesem Tag nicht auf die – keinesfalls mit Sicherheit zu erwartende – Zustellung ausgerichtet, sondern sich unmittelbar nach seinem Dienst – also noch vor dem rechtlichen Beginn des Urlaubs am darauf folgenden Tag – an den Urlaubsort begeben hat.135 Eine Kündigung kann dem Arbeitnehmer auch während des Urlaubs zuÂ� 86 gestellt werden. Der Arbeitnehmer ist allerdings nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber seine Urlaubsanschrift bekannt zu geben. Jeden Empfänger von Willenserklärungen treffen aber gewisse Obliegenheiten zur Vorsorge, dass ihn betreffende Erklärungen ihm auch zugehen können. Die Verpflichtung, für die Möglichkeit des Zugangs von rechtsgeschäftlichen Erklärungen vorzusorgen, ist umso stärker zu gewichten, je eher mit der Möglichkeit des Einlangens solcher Erklärungen zu rechnen ist.136 War dem Arbeitgeber die Urlaubsadresse des Arbeitnehmers nicht bekannt, wohl aber der Umstand, dass dieser „auf Urlaub fahren werde“, wäre es dem Arbeitgeber zumutbar gewesen, den noch am Vortag anwesenden Arbeitnehmer nach seiner Urlaubsadresse zu fragen. Das in der Zeit der Abwesenheit an die Wohnadresse zugesandte Kündigungsschreiben kann daher nicht als zugegangen angesehen werden.137 Die Auflösungserklärung gilt in diesem Fall erst mit dem tatsächlichen Empfang nach Beendigung des Urlaubs als zugegangen.138 Hätte der Arbeitnehmer auf eine entsprechende Frage des Arbeitgebers die Bekanntgabe der Urlaubsadresse verweigert und hätte ihm bewusst sein müssen, dass ihm während des Urlaubs eine Erklärung des Arbeitgebers zugehen könnte, wäre der Zugang bereits mit Zustellung an die Wohnadresse erfolgt. 4. Kündigungsverbote und Kündigungsbeschränkungen a) Sittenwidrige und gesetzwidrige Kündigungen Eine Kündigung kann sowohl vom Arbeitnehmer als auch vom Arbeitge- 87 ber grundsätzlich139 ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes, somit nach 134╇
LG Wien 1.12.1934, 46 Cg 221/34, Arb 4449. Vgl OGH 25.2.2004, 9 ObA 147/03p. 136╇ OGH 11.5.2006, 8 ObA 37/06h. 137╇ OGH 18.4.2002, 6 Ob 310/01h. 138╇ Vgl Tomandl, ZAS 1998, 149 f. 139╇ Eine Ausnahme sieht das VBG nach mindestens einjähriger Dienstzeit vor. 135╇
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„Willkür“ der Parteien, ausgesprochen werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es völlig im Belieben der Parteien steht, das Arbeitsverhältnis durch Kündigung aufzulösen. So sind etwa sittenwidrige Kündigungen nach herrschender Lehre und Rechtsprechung unwirksam.140 Eine sittenwidrige Kündigung ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber von seinem Kündigungsrecht aus gänzlich unsachlichen und insbesondere aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes zu missbilligenden Motiven Gebrauch gemacht hat.141 §Â€105 Abs 3 Z 1 ArbVG zeigt allerdings, dass eine aus verpöntem Motiv ausgesprochene Kündigung nicht in jedem Fall unwirksam sein muss. Das Spektrum der Unsachlichkeit ist durchaus weit gefasst. Die bloße Anfechtung von Kündigungen, die aus einem verpönten Motiv erklärt wurden, berücksichtigt die unterschiedliche Intensität eines sittenwidrigen Verhaltens.142 Unwirksam sind auch Kündigungen, die gegen ein gesetzliches Verbot 88 verstoßen (§Â€879). Dazu gehören vor allem Arbeitgeberkündigungen, die bezwecken, die in §Â€3 AVRAG angeordnete Eintrittspflicht des Betriebserwerbers in die zum Veräußerer bestehenden Arbeitsverhältnisse zu umgehen.143 Als unwirksam sind auch Kündigungen anzusehen, die gegen besondere Bestandschutzvorschriften zu Gunsten der Arbeitnehmer144 verstoßen und vom Gesetzgeber ausdrücklich als rechtunwirksam erklärt werden. Zu nennen sind hier insbesondere die Bestandschutzvorschriften zu Gunsten von Belegschaftsvertretern, Zivil- und Präsenzdienern, Eltern und Behinderten (besonderer Kündigungsschutz). Ist die (Arbeitgeberâ•‚)Kündigung als rechtsunwirksam anzusehen, kann der 89 Gekündigte eine Klage auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses erheben. Die Judikatur gewährt dem Arbeitnehmer aber ein Wahlrecht, entweder auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses zu klagen oder die nach dem Gesetzeswortlaut „unwirksame“ Auflösungserklärung gegen sich wirken zu lassen und Kündigungsentschädigung zu begehren.145 Gegen eine absolute Unwirksamkeit der fehlerhaften Auflösung spricht der Umstand, dass der besondere Schutz keinesfalls bezweckt, die geschützten Personen gegen ihren Willen zur Fortführung des Arbeitsvertrages zu zwingen. Der Gesetzgeber will nur ausschließen, dass das Arbeitsvertragsverhältnis gegen ihren Willen einseitig durch den Arbeitgeber gelöst wird. Die vom Gesetzgeber angeordnete Unwirksamkeit der Auflösungserklärung ist somit als relative Nichtigkeit zu verstehen, auf die sich nur der Arbeitnehmer selbst berufen kann.146 Der primären Funktion des gesetzlichen Kündigungsschutzes bzw Kündi90 gungsverbotes entsprechend ist zunächst die Fortsetzung des ArbeitsverhältVgl Floretta, JBl 1954, 525 ff; OGH 11.8.1993, 9 ObA 200/93, DRdA 1994, 9 (Floretta). OGH 21.5.2003, 9 ObA 262/02y. 142╇ Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht 27 266 f. 143╇ OGH 8.8.2007, 9 ObA 55/07i; 28.8.1997, 8 ObA 91/97h, SZ 70/171; Holzer/Reissner, AVRAG 99 ff. 144╇ §Â€120 ff ArbVG. 145╇ Vgl OGH 7.7.1981, 4 Ob 134/80, DRdA 1984, 20 (ablehnend Firlei); 14.9.1982, 4 Ob 99/81, DRdA 1983, 8 (Tögl); 18.9.1980, 4 Ob 129/79, ZAS 1982, 57 (Marhold). Ablehnend Mayer-Maly, DRdA 1989, 353 ff. 146╇ In diesem Sinne auch Krejci in Rummel3 I §§Â€1158–1159c Rz€3. 140╇ 141╇
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nisses anzustreben. Es obliegt dem Arbeitnehmer, zB unter Hinweis auf seine Eigenschaft als begünstigter Behinderter, die Unwirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufzuzeigen und seine Leistungsbereitschaft (also die Bereitschaft, seine Arbeitstätigkeit fortzusetzen) zu bekunden.147 Der die Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers voraussetzende Fortsetzungsanspruch kann nach Meinung des OGH nicht zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden. Eine Klage auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses muss vom Arbeitnehmer innerhalb einer angemessenen Frist erhoben werden. Dies wird mit einem Klarstellungsinteresse des Vertragspartners begründet, das vom OGH aus dem Charakter des Arbeitsverhältnisses als synallagmatisches Dauerschuldverhältnis und aus der Wahlmöglichkeit des Arbeitnehmers zwischen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und Geltendmachung kündigungsabhängiger Ansprüche abgeleitet wird. Den Arbeitnehmer trifft insoweit eine Aufgriffsobliegenheit. Kommt der Arbeitnehmer dieser Obliegenheit nicht nach, gilt das Arbeitsverhältnis als vom Arbeitgeber gelöst.148 Welche Frist dem Arbeitnehmer offen steht, die Rechtsunwirksamkeit ei- 91 ner gesetzwidrigen Kündigung geltend zu machen, kann generell nicht gesagt werden. Ein von einem begünstigten Behinderten rund drei Jahre nach Beendigung des Leistungsaustausches erhobenes Fortsetzungsbegehren wurde vom OGH zu Recht als verfristet angesehen.149 Bei Kündigungen, die gegen §Â€ 3 AVRAG verstoßen, hat der OGH die Meinung vertreten, der sich aus dieser Bestimmung in Verbindung mit Art 4 der Betriebsübergangsrichtlinie ergebende Kündigungsschutz sei zeitlich nicht befristet. Voraussetzung für den Kündigungsschutz sei ausschließlich, dass die Kündigung wegen des Übergangs erfolgt. Der zeitliche Zusammenhang zu diesem hat nur Indiz-Charakter; er bildet keine selbständige (weitere) Voraussetzung des Kündigungsschutzes. Auch eine länger als ein Jahr nach dem Betriebsübergang ausgesprochene Kündigung ist unzulässig, wenn einziger Grund der Betriebsübergang ist.150 b) Kündigungen zur „Unzeit“ Kündigungen dürfen auch zu einem Zeitpunkt ausgesprochen werden, der 92 den Vertragspartner besonders hart trifft. Es gibt keine gesetzlichen Bestimmungen, die eine Kündigung zur Unzeit verbieten würden. Es gehört sogar zum Wesen des unbefristeten Arbeitsvertrags, dass jeder Vertragspartner damit rechnen muss, die Gegenseite könnte den nächstmöglichen Termin zur Kündigung wahrnehmen. Es besteht daher kein durch die Rechtsordnung geschütztes Vertrauen darauf, dass der unbefristete Arbeitsvertrag länger als bis zum jeweils nächsten Kündigungstermin dauern wird. Ausnahmen sind nur dann anzuerkennen, wenn sich die Kündigung im 93 konkreten Fall nach Abwägung der beiderseitigen Interessen wegen besonders schwerwiegender Umstände als Rechtsmissbrauch erweist. So wird eine Kün147╇
OGH 22.10.2003, 9 ObA 82/03d, SZ 2003/136. OGH 30.6.1999, 9 ObA 160/99s, SZ 72/112. 149╇ OGH 12.6.1997, 8 ObA 41/97f. 150╇ OGH 1.2.2007, 9 ObA 16/06b; 8.8.2007, 9 ObA 55/07i. 148╇
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digung mit kurzer Kündigungsfrist, die dem Arbeitnehmer während dessen Urlaub zugeht, für rechtswidrig erachtet, weil sie den Arbeitnehmer zwingen würde, seinen Urlaub abzubrechen, um eine neue Stelle zu suchen, und damit den Erholungszweck des Urlaubs vereitelt.151 Die rechtswidrige Kündigung wird zwar als wirksam erachtet, der Arbeitgeber hat jedoch Schadenersatz zu leisten.152 c) Vertragliche Kündigungsbeschränkungen 94
§Â€1158 Abs€4 gehört zu jenen Bestimmungen, die zu Lasten der Arbeitnehmer vertraglich nicht abbedungen werden dürfen.153 Ein dem Arbeitnehmer auferlegtes vertragliches Verbot, das unbefristete Arbeitsverhältnis durch Kündigung aufzulösen, ist daher rechtsunwirksam. Für den Arbeitgeber bestehen keine gesetzlichen Beschränkungen der Kündigungsfreiheit. Der Arbeitgeber kann daher vertraglich auf sein Kündigungsrecht verzichten oder sich verpflichten, die Kündigung des Arbeitnehmers nur bei Vorliegen bestimmter Gründe auszusprechen. Eine Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers liegt auch 95 dann vor, wenn der Arbeitnehmer bei Ausspruch einer Kündigung bestimmte Vorteile aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis verlieren würde. Dem Arbeitnehmer dürfen im Fall der Ausübung des Kündigungsrechtes nicht finanzielle Opfer in einem Ausmaß auferlegt werden, dass sie die Kündigungsfreiheit wirtschaftlich in erheblichem Umfang beeinträchtigen. Eine solche unzulässige Beschränkung hat die Rechtsprechung etwa bei einer kollektivvertraglichen Regelung angenommen, durch die der Arbeitnehmer bei Eigenkündigung eine im Vergleich zu seinem Entgelt hohe Leistung verliert (Verlust der Weihnachtsremuneration bei Kündigung vor dem 1. 10. des laufenden Jahres).154 Als unzulässige Erschwerung der Kündigungsfreiheit hat der OGH auch die Verpflichtung gewertet, im Fall der Selbstkündigung die durch die vorzeitige Auflösung des Leasingvertrages über das dem Dienstnehmer zur Verfügung gestellte Dienstfahrzeug entstehenden Kosten in Höhe von 1½ Monatsgehältern zu tragen.155 d) Gesetzliche Kündigungsbeschränkungen aa) Anfechtbare Kündigungen 96
Dem Gesetzgeber stehen verschiedene Methoden zur Verfügung, um das Interesse der Arbeitnehmer am Fortbestand des Arbeitsvertrages gegen den 151╇ OGH 5.2.1952, 4 Ob 6/52, Arb 5363. Bei einer sechswöchigen Kündigungsfrist ist eine Beeinträchtigung des Erholungszwecks aber nicht anzunehmen; vgl 10.9.1963, 4 Ob 82/63, Arb 7792. 152╇ OGH 16.3.1988, 9 ObA 32/88, RdW 1988, 296. 153╇ §Â€1164 Abs 1. 154╇ OGH 2.9.1992, 9 ObA 154/92, DRdA 1993, 19 (Runggaldier); vgl auch Loritz, Folgerungen aus der Kündigungsfreiheit der Arbeitnehmer, in Tomandl (Hrsg), Neue Tendenzen im Arbeitsrecht auf dem Prüfstand 71 ff; vgl allgemein Risak, Einseitige Entgeltgestaltung im Arbeitsrecht (2008) 249 ff. 155╇ OGH 24.6.2004, 8 ObA 56/04z.
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Kündigungswunsch des Arbeitgebers zu schützen.156 Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit, bestimmte Kündigungen gänzlich zu verbieten oder von der Genehmigung durch ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde abhängig zu machen. Verstöße gegen derartige Kündigungsbeschränkungen führen zur Rechtsunwirksamkeit der Kündigung. Der Gesetzgeber hat aber auch die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer in be- 97 stimmten Fällen die Anfechtung einer nach allgemeinem Zivilrecht gültigen Arbeitgeberkündigung zu eröffnen.157 Im Unterschied zu den besonderen gesetzlichen Bestandschutzvorschriften bleibt die Kündigung bei Unterlassen der Anfechtung wirksam; die Anfechtung ist regelmäßig nur innerhalb kurzer Fristen möglich. bb) Allgemeiner Kündigungsschutz Mit dem in den §§Â€ 105 ff ArbVG geregelten allgemeinen Kündigungsschutz will der Gesetzgeber verhindern, dass der Arbeitgeber ein Arbeitsvertragsverhältnis aus bestimmten verpönten Motiven bzw ohne ausreichende Abwägung der beiderseitigen Interessen auflösen kann. Die gesetzlichen Regelungen können hier nur kurz skizziert werden:158 Der allgemeine Kündigungsschutz kann nur in betriebsratspflichtigen Betrieben wirksam werden; erfasst sind nur Arbeitnehmer iSd §Â€36 ArbVG. Besteht im Betrieb ein Betriebsrat, so hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung zu verständigen. Eine ohne Verständigung des Betriebsrates ausgesprochene Kündigung ist rechtsunwirksam. Der Betriebsrat hat innerhalb einer Woche die Möglichkeit, zur Kündigungsabsicht Stellung zu nehmen. Er kann der Kündigung ausdrücklich zustimmen, ausdrücklich widersprechen oder zur Kündigungsabsicht keine besondere Stellung beziehen. Der Arbeitgeber kann die Kündigung ohne Rücksicht auf die Stellungnahme des Betriebsrates aussprechen.159 Hat der Betriebsrat der Kündigungsabsicht ausdrücklich widersprochen, kann der Arbeitnehmer nach erfolgtem Ausspruch der Kündigung eine Kündigungsanfechtung verlangen. Eine Anfechtung der Kündigung durch den Arbeitnehmer selbst ist nur dann zulässig, wenn der Betriebsrat eine vom Arbeitnehmer verlangte Anfechtung der Kündigung unterlässt.160 Bei ausdrücklichem Widerspruch des Betriebsrates kann die Kündigung sowohl wegen eines verpönten Motivs als auch wegen Sozialwidrigkeit angefochten werden. Hat der Betriebsrat keine Stellung zur Kündigungsabsicht bezogen, kann die Kündigung vom Arbeitnehmer unmittelbar wegen eines verpönten Motivs oder wegen Sozialwidrigkeit angefochten werden. Hat der Betriebsrat der Kündigungsabsicht ausdrücklich zugestimmt, kann die Kündigung vom Arbeitnehmer nur wegen eines verpönten Motivs angefochten werden; eine Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit ist ausgeschlossen. Vgl Schrank, Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses 24 ff. Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht 27 253 ff. 158╇ Ausführlich Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht 27 253 ff. 159╇ Wird die Kündigung vor einer ausdrücklichen Stellungnahme des Betriebsrates oder – bei Schweigen des Betriebsrates – vor Ablauf der Wochenfrist ausgesprochen, ist die Kündigung rechtsunwirksam. 160╇ OGH 30.8.2001, 8 ObA 177/01i. 156╇ 157╇
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In betriebsratspflichtigen Betrieben, in denen kein Betriebsrat besteht, besitzt der gekündigte Arbeitnehmer dagegen das Anfechtungsrecht unmittelbar. Das Klagebegehren hat in allen Fällen auf Unwirksamerklärung der ausgesprochenen Kündigung zu lauten; die Klage ist somit eine Rechtsgestaltungsklage.161 Das Gericht kann in der Sache selbst entweder die Anfechtung abweisen, wodurch die Kündigung wirksam bleibt, oder der Anfechtung stattgeben und die Kündigung (rückwirkend) für unwirksam erklären. Der Gesetzgeber hat sich damit für ein kollektivrechtlich geprägtes Modell entschieden. Gegen den Willen des Betriebsrates ist eine Anfechtung der Kündigung wegen Sozialwidrigkeit ausgeschlossen (so genanntes Sperrrecht des Betriebsrates); bei ausdrücklichem Widerspruch hat der Betriebsrat auch das Recht, das Anfechtungsverfahren zu führen. Das kollektivrechtliche Modell ist allerdings nicht voll verwirklicht. Eine Kündigungsanfechtung ohne den Willen des gekündigten Arbeitnehmers ist nicht möglich; besteht kein Betriebsrat, kann der Arbeitnehmer dennoch die Kündigung anfechten. Der Gesetzgeber sieht Kündigungen als sittenwidrig an, wenn sie aus ganz bestimmten verpönten Motiven ausgesprochen werden. Einmal geht es um die Absicht des Arbeitgebers, einen Arbeitnehmer deshalb zu kündigen, weil er von seiner Koalitionsfreiheit162 (§Â€105 Abs 3 Z 1 lit a und b ArbVG) oder von bestimmten Mitwirkungsmöglichkeiten des Arbeitsverfassungsgesetzes (Z 1 lit c–f, j ArbVG) Gebrauch gemacht hat. Verpönt sind ferner Auflösungserklärungen, die das Ziel haben, einen besonderen Kündigungsschutz des Arbeitnehmers nicht entstehen zu lassen (Z 1 lit h) oder sich von Arbeitnehmern zu befreien, die besondere Arbeitnehmerschutzaufgaben im Betrieb wahrgenommen (Z 1 lit g) oder ihnen selbst vermeintlich zustehende Rechtsansprüche163 durchzusetzen versucht haben (Z 1 lit i). Gemäß §Â€105 Abs€3 Z 2 ArbVG ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt, es sei denn, der Betriebsinhaber erbringt den Nachweis, dass die Kündigung a) durch Umstände, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren, oder b) durch betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen, begründet ist. Die Prüfung der Sozialwidrigkeit hat nach der Rechtsprechung des OGH in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen. Zunächst ist zu prüfen, ob durch die Kündigung überhaupt wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt werden.164 Liegt eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung vor, hat das Gericht zu prüfen, ob Kündigungsrechtfertigungsgründe vorliegen. Dabei kann es sich entweder um subjektive Rechtfertigungsgründe oder um objektive Rechtfertigungsgründe handeln. Nach der Judikatur des OGH sind die beeinträchtigten Interessen des Arbeitnehmers mit den Interessen des Betriebes in Beziehung zu setzen; die Kündigungsrechtfertigung schließt somit eine 161╇ OGH 13.1.1993, 9 ObA 320/92, DRdA 1993, 47 (Andexlinger); 27.10.1994, 8 ObA 310/94, Arb 11.272. 162╇ Dazu siehe VwGH 6.10.1982, 82/01/0153, Arb 10.151; 15.6.1983, 82/01/0190, Arb 10.319. 163╇ Nicht nur auf Entgelt, vgl OGH 22.12.1993, 9 ObA 223/93, DRdA 1994, 38 (Verletzung der Fürsorgepflicht; zustimmend Anzenberger). 164╇ OGH 12.10.1988, 9 ObA 206/88, Arb 10.755; 8.9.1993, 9 ObA 146/93, Arb 11.109.
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Interessenabwägung ein.165 Behauptet der Arbeitgeber, die Kündigung sei durch betrieblich nachteilige Umstände in der Person des Arbeitnehmers sachlich begründet (subjektive Betriebsbedingtheit der Kündigung), ist zu prüfen, ob trotz des Vorliegens dieser sachlichen Gründe die Interessen des Gekündigten an der Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrages überwiegen. Überwiegen die Interessen des Gekündigten, so ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt; überwiegen hingegen die betrieblichen Interessen an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ist die Kündigungsanfechtungsklage abzuweisen.166 Bei Vorliegen objektiver Rechtfertigungsgründe (objektive Betriebsbedingtheit der Kündigung) ist zu fragen, ob der Arbeitgeber seiner sozialen Gestaltungspflicht nachgekommen ist; die objektiv betriebsbedingte Kündigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie gleichsam als letztes Mittel eingesetzt wird. Kann der Arbeitnehmer auf einem anderen – freien – Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden, so ist ihm dieser Arbeitsplatz vor Ausspruch der Kündigung anzubieten. Unterlässt der Arbeitgeber dieses Anbot, so ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt.167 cc) Kündigungsschutz außerhalb des ArbVG Der Gesetzgeber hat auch außerhalb des ArbVG besondere Anfechtungs- 107 möglichkeiten von Kündigungen geschaffen, die im Ergebnis auf einem verpönten Motiv beruhen. So bestimmt etwa §Â€15 AVRAG, dass Arbeitnehmer die Kündigung bei Gericht anfechten können, wenn diese ua wegen einer beabsichtigten oder tatsächlich in Anspruch genommenen Bildungskarenz ausgesprochen wurde; gem §Â€§Â€8 AVRAG kann ein Arbeitnehmer, der seinen Arbeitsplatz wegen einer drohenden Gefahr für sein Leben oder seine Gesundheit verlassen hat und deshalb gekündigt wurde, die Kündigung bei Gericht anfechten. Weitreichende Anfechtungsmöglichkeiten sieht auch das Gleichbehandlungsgesetz vor, wenn die Kündigung etwa wegen des Geschlechts (§Â€12 Abs€7 GlBG) oder wegen der religiösen Ausrichtung (§Â€16 Abs€7 GlBG) erfolgte.
Kündigungsfristen. §Â€1159. Die Kündigung ist zulässig: wenn bei einem Dienstverhältnisse, das keine Dienste höherer Art zum Gegenstand hat, das Entgelt nach Stunden oder Tagen, nach Stück oder Einzelleistungen bemessen€ist, jederzeit für den folgenden Tag; wenn ein solches Dienstverhältnis die Erwerbstätigkeit des Dienstnehmers hauptsächlich in Anspruch nimmt und schon drei Monate gedauert hat oder wenn das Entgelt nach Wochen bemessen ist, spätestens am ersten Werktage für den Schluß der Kalenderwoche. Die Wirkung der Kündigung 165╇
OGH 15.3.1989, 9 ObA 279/88, DRdA 1989, 24 (Floretta). OGH 23.5.1997, 8 ObA 96/97v, DRdA 1997, 508. 167╇ Vgl dazu Tomandl, ZAS 1999, 106 f. 166╇
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tritt im Falle der Entlohnung nach Stück oder Einzelleistungen keinesfalls vor Vollendung der zur Zeit der Kündigung in Ausführung begriffenen Leistungen ein. §Â€1159a. (1) Wenn ein Dienstverhältnis, das Dienste höherer Art zum Gegenstande hat, die Erwerbstätigkeit des Dienstnehmers hauptsächlich in Anspruch nimmt und schon drei Monate gedauert hat, so ist ohne Rücksicht auf die Art der Bemessung des Entgelts eine mindestens vierwöchentliche Kündigungsfrist einzuhalten. (2) Dasselbe gilt überhaupt, wenn das Entgelt nach Jahren bemessen ist. §Â€1159b. In allen anderen Fällen kann das Dienstverhältnis unter Einhaltung einer mindestens vierzehntägigen Kündigungsfrist gelöst werden. §Â€1159c. Die Kündigungsfrist muß immer für beide Teile gleich sein. Wurden ungleiche Fristen vereinbart, so gilt für beide Teile die längere Frist. IdF RGBl 1916/69 (III. Teilnovelle). Mat: 78 BlgHH, 21. Session 1912. Lit: Schrank, Möglichkeiten und Grenzen der einseitigen Berichtigung zeitwidriger Kündigung, FS Strasser (1983) 309; Apathy, Beiderseitiges Verschulden bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, in Tomandl (Hrsg), Beendigung des ArbeitsÂ� verhältnisses (1986) 81; Runggaldier, Verfassungswidrigkeit ungleicher Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte?, wbl 1990, 380; Resch, Grenzen privatautonomer Dispositionen über das Auflösungsrecht des Arbeitnehmers, ZAS 1991, 4; Loritz, Folgerungen aus der Kündigungsfreiheit der Arbeitnehmer, in Tomandl (Hrsg), Neuere Tendenzen des Arbeitsrechts auf dem Prüfstand (1999) 71; J.€Winkler, Zur Gestaltung von Kündigungsterminen in Arbeitsverhältnissen, ecolex 1999, 788.
Übersicht I. II. III. IV. V. VI.
Kündigungsfristen und Kündigungstermine Einfache Dienste; höhere Dienste Kündigung von Arbeitsverhältnissen mit „einfachen Diensten“ Kündigung von Arbeitsverhältnissen mit „höheren Diensten“ Fristengleichheitsgebot Zeitwidrige Kündigungen
1–3 4–7 8–13 14–16 17–22 23–30
I. Kündigungsfristen und Kündigungstermine 1
Unter Kündigungsfrist wird der Zeitraum zwischen dem Zugang der Kündigungserklärung und dem vorgesehenen Endzeitpunkt des Arbeitsvertrages verstanden. Sie wird üblicherweise als Mindestfrist festgelegt und soll dem Vertragspartner ermöglichen, rechtzeitig für die Auswirkungen der Beendi196
Einfache Dienste; höhere Dienste
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gung des Arbeitsvertrages vorzusorgen (Suche eines neuen Arbeitsplatzes oder einer neuen Arbeitskraft). Der Kündigungstermin bezeichnet üblicherweise den vorgesehenen letz- 2 ten Tag des Arbeitsvertrages (Endtermin); mitunter aber auch den letzten Tag, an dem die Kündigung ausgesprochen werden darf (Anfangstermin). Die Kombination einer Kündigungsfrist mit einem Kündigungstermin führt im Ergebnis zu einer Verlängerung des Zeitraumes zwischen Zugang der Kündigung und zulässigem Ende des Arbeitsvertrages. Die in den §§Â€1159 ff geregelten Kündigungsfristen und Kündigungstermi- 3 ne sind relativ zwingend gestaltet (§Â€1164). Eine Verkürzung der Kündigungsfrist ist daher unzulässig; die Parteien sind aber nicht gehindert, eine längere Kündigungsfrist einzuhalten, als im Gesetz vorgesehen ist. Dies gilt modifiziert auch für die gesetzlichen Kündigungstermine. Wenn das Gesetz eine Kündigung „spätestens am ersten Werktag“ einer Kalenderwoche für zulässig erklärt, kann die Kündigung auch am vorangehenden Tag ausgesprochen werden; ist die Kündigung „für den Schluss der Kalenderwoche“ zulässig, kann die Kündigung auch für den Schluss der nächstfolgenden Kalenderwoche erklärt werden. Der gesetzliche Endtermin (Schluss der Kalenderwoche) ist aber jedenfalls zu beachten. Nennt der Kündigende keinen bestimmten Endtermin, gilt die Kündigung als zum nächsten zulässigen Kündigungstermin ausgesprochen.
II. Einfache Dienste; höhere Dienste Das Gesetz unterscheidet in den §§Â€1159 ff zwischen Arbeitsverhältnissen, 4 die „einfache Dienste“ zum Gegenstand haben, und Arbeitsverhältnissen, die zu „höheren Diensten“ verpflichten. Was unter einfachen bzw höheren Diensten zu verstehen ist, wird allerdings im Gesetz nicht näher ausgeführt. Gewisse Hinweise ergeben sich aus der Subsidiaritätsregel des §Â€153 der III. Teilnovelle. Danach finden die Dienstvertragsbestimmungen des ABGB nur dann Anwendung, wenn für bestimmte Arbeitsverhältnisse keine besonderen gesetzlichen Vorschriften in Geltung stehen. Enthält eine „besondere gesetzliche Vorschrift“ Regelungen über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, gehen diese den Kündigungsbestimmungen der §§Â€1159 ff vor.1 Im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der III. Teilnovelle2 hatten vor allem die 5 Gewerbeordnung 1859 und das Handlungsgehilfengesetz 1910 „besondere Vorschriften“ über die Kündigung enthalten. Die GewO 1859 fand Anwendung auf das Arbeitsverhältnis von selbständigen Gewerbetreibenden und ihren „Hilfsarbeitern“. Nach §Â€73 GewO zählten zu den Hilfsarbeitern zB Kellner, Kutscher und Fabriksarbeiter; nicht zu den Hilfsarbeitern gehörten die für höhere Dienstleistungen angestellten Werkführer, Mechaniker, Buchhalter, 1╇ Dies gilt unabhängig von der zwingenden Wirkung der Kündigungsbestimmungen des ABGB. Die dispositiven Kündigungsbestimmungen der GewO 1859 verdrängen daher die einseitig zwingenden Bestimmungen des ABGB; vgl OGH 7.7.2004, 9 ObA 25/04y; Reissner, ZellKomm §Â€1159 Rz 3. 2╇ 1.1.1917.
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Expedienten oder Chemiker.3 Nach Meinung der Judikatur war unter „gewerblicher Hilfsarbeit“ die Verrichtung untergeordneter, keinerlei Schulung bedürfender Dienste zu verstehen.4 Die ältere Judikatur verstand zB die Tätigkeit eines Küchenmädchens5, die Tätigkeit einer Wäscherin in einer Reinigungsanstalt6 oder die Tätigkeit eines Ziegelschupfers7 als „gewerbliche Hilfsarbeit“. Als „höherer Dienst“ wurde ua die Tätigkeit eines Hopfeneinkäufers8, eines Magazineurs9 oder eines Kesselschmiedmeisters einer Maschinenfabrik10 gewertet. Das HGG galt für das Dienstverhältnis von Personen, die im Geschäftsbe6 trieb eines Kaufmannes oder bei einem in §Â€2 aufgezählten Arbeitgeber vorwiegend zur Leistung kaufmännischer oder höherer nichtkaufmännischer Dienste angestellt waren. §Â€1 Abs€2 bestimmte, dass Personen, die bloß untergeordnete Verrichtungen zu leisten hatten, nicht als Handlungsgehilfen galten.11 Auch das HGG unterschied daher zwischen „höheren“ und „einfachen“ Diensten. Wenn nun der historische Gesetzgeber des ABGB in vereinfachender Wei7 se zwischen höheren und einfachen Diensten differenziert, muss angenommen werden, dass er dabei auf die in den bestehenden Sondergesetzen enthaltenen Differenzierungen Bezug genommen hat. Das ABGB sollte ja subsidiär ua auf Personen Anwendung finden, die zwar „höhere nichtkaufmännische Dienste“ zu leisten hatten, aber nicht bei einem Kaufmann oder einem in §Â€2 HGG genannten Arbeitgeber beschäftigt waren. Ebenso waren die Dienstvertragsbestimmungen des ABGB anwendbar auf Personen, die zwar bei einem Kaufmann, aber in untergeordneter Stellung tätig waren. Gleiches galt in Bezug auf die GewO. Dienstverhältnisse von Personen, die mit höheren Diensten iS des §Â€73 Abs€3 GewO 1859 betraut, aber nicht dem HGG unterstellt waren, unterlagen den Dienstvertragsbestimmungen des ABGB, ebenso Hilfsarbeitertätigkeiten in nicht gewerblichen Betrieben. Man muss daher annehmen, dass der historische Gesetzgeber eine harmonische Wechselbeziehung zwischen HGG, GewO 1859 und ABGB herstellen wollte. Waren sondergesetzliche Kündigungsbestimmungen nicht anwendbar, sollten jedenfalls die Kündigungsvorschriften des ABGB eingreifen, wobei dem Gesetzgeber offenkundig eine Abbildung der sondergesetzlichen Regelungen vorschwebte. Höhere Dienste iS der Kündigungsvorschriften des ABGB sind demnach alle jene Dienste, die materiell als Angestelltentätigkeiten iSd HGG und des nachfolgenden AngG oder als höherer Dienst iSd §Â€73 Abs€3 GewO 1859 zu werten sind. Zu den einfachen Dienstleistungen gehören die gewerbliche Hilfsarbeit bzw die untergeordneten Verrichtungen iSd HGG und AngG. 3╇
§Â€73 Abs 3 GewO 1859. VwGH 27.10.1911, VwSlg 8499; 21.10.1912, VwSlg 9147. 5╇ GewG Brünn 13.12.1898, Arb 129. 6╇ GewG Teplitz 16.12.1907, Arb 1438. 7╇ VwGH 11.5.1900, VwSlg 14.177. 8╇ VwGH 30.4.1915, VwSlg 10.888. 9╇ VwGH 6.5.1914, VwSlg 10.238. 10╇ GewG Brünn 5.5.1902, Arb 788. 11╇ Vgl dazu Mayer/Grünberg, Kommentar zum HGG (1911) 27 ff. 4╇
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Kündigung von Arbeitsverhältnissen mit „einfachen Diensten“
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III. Kündigung von Arbeitsverhältnissen mit „einfachen Diensten“ Hat der Arbeitnehmer bloß einfache Dienste zu leisten, so kann das Arbeitsverhältnis von beiden Teilen mit Ablauf des auf die Erklärung folgenden Tages aufgelöst werden. Dies gilt allerdings nur dann, wenn das Entgelt nach Stunden oder Tagen bzw nach Stück- oder Einzelleistungen bemessen ist. Einen besonderen Anfangs- oder Endtermin sieht das Gesetz nicht vor. Abweichendes gilt, wenn ein derartiges Arbeitsverhältnis bereits drei Monate gedauert hat und die Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers hauptsächlich in Anspruch nimmt. In diesem Fall kann die Kündigung nur zum Schluss einer Kalenderwoche (Sonntag) ausgesprochen werden (Endtermin). Die Kündigungserklärung muss dem Vertragspartner spätestens am ersten Werktag der Kalenderwoche zugehen (Anfangstermin). Dies wird in aller Regel ein Montag sein; ist dieser Tag ein Feiertag, muss die Kündigung spätestens am folgenden Werktag ausgesprochen werden. Das Arbeitsverhältnis endet in diesem Fall ebenfalls am Ende der Kalenderwoche; die Kündigungsfrist nach §Â€1159, 2. Alternative ist daher nicht starr, sie beginnt frühestens an einem Montag und endet jedenfalls an einem Sonntag. Wird die Kündigung erst am zweiten Werktag der Woche (idR Dienstag) ausgesprochen, kann das Arbeitsverhältnis rechtmäßig erst am Sonntag der folgenden Woche enden. Von einer hauptsächlichen Inanspruchnahme der Erwerbstätigkeit kann nur dann gesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber im Rahmen des rechtlich Zulässigen zumindest überwiegend zur Verfügung stellt. Dabei ist von den gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Höchstgrenzen der zulässigen Arbeitszeit auszugehen. Die Beurteilung, ob das Dienstverhältnis bereits drei Monate gedauert hat, richtet sich nach den Verhältnissen im letztmöglichen Kündigungszeitpunkt.12 War der Arbeitnehmer am Tag des Ausspruches einer Kündigung „zum folgenden Tag“ drei Monate beschäftigt, ist die Kündigung zum folgenden Tag unzulässig. Wird die Mindestbeschäftigungszeit erst am Tag nach dem Ausspruch der Kündigung erfüllt, war die am Vortag ausgesprochene Kündigung rechtmäßig. Die Vertragsparteien haben die in §Â€ 1159, 2. Alternative geregelten Anfangs- und Endtermine auch dann zu beachten, wenn das Arbeitsverhältnis zwar nur einfache Dienste zum Gegenstand hat, das Entgelt aber nach Wochen bemessen ist. Auf die hauptsächliche Inanspruchnahme kommt es in diesem Fall ebenso wenig an wie auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses. Bei einer Entlohnung nach Stück oder Einzelleistungen endet die Kündigungsfrist keinesfalls vor Vollendung der zur Zeit des Zugangs der Kündigung in Ausführung begriffenen Leistungen. Dies gilt sowohl für die Kündigung nach §Â€1159, 1. Alternative als auch für die Kündigung nach §Â€1159, 2. Alternative (länger dauernde „Stücklohnarbeitsverhältnisse“). Dem Arbeitnehmer soll damit jedenfalls der Lohnanspruch für das in Ausführung befindliche Stück gesichert sein. Eine Verkürzung der Kündigungsfrist – bei Fertigstellung des Stückes vor Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist – sieht das Gesetz 12╇
OGH 21.9.1982, 4 Ob 99/82, Arb 10.184.
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nicht vor. Der Beginn eines neuen Stückes während der bereits laufenden Frist führt andererseits nicht zu einer Verlängerung der Kündigungsfrist. Eine Verlängerung der Kündigungsfrist wird ausschließlich durch das im Kündigungszeitpunkt in Ausführung befindliche Stück bewirkt. Hat der Arbeitnehmer zwar nur „einfache“ Dienste zu leisten, wird sein 13 Entgelt aber nach Monaten bemessen, ist nach §Â€1159b eine Kündigungsfrist von vierzehn Tage einzuhalten. Ist ein Jahreslohn vereinbart, beträgt die Kündigungsfrist nach §Â€1159a Abs€2 vier Wochen.
IV. Kündigung von Arbeitsverhältnissen mit „höheren Diensten“ 14
Arbeitsverhältnisse, die höhere Dienste zum Gegenstand haben, können unter Einhaltung einer vierwöchentlichen Kündigungsfrist aufgelöst werden, sofern das Arbeitsverhältnis die Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers hauptsächlich in Anspruch nimmt und schon drei Monate gedauert hat (§Â€ 1159a Abs€1). Die Art der Lohnbemessung spielt in diesem Fall keine Rolle. Ist ein Jahreslohn vereinbart, kommt die vierwöchentliche Kündigungsfrist auch dann zur Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis noch nicht drei Monate gedauert hat oder die Erwerbstätigkeit nur nebenberuflich ausgeübt wird (§Â€ 1159a Abs€2). Ein besonderer Kündigungstermin ist in §Â€ 1159a nicht vorgesehen. Der 15 Beginn der vierwöchentlichen Frist wird durch den Zugang der Kündigungserklärung ausgelöst; das Arbeitsverhältnis endet am Ende jenes Wochentages der vierten Woche, der von seiner Benennung dem Tag des Zugangs der Kündigung entspricht.13 Dies ergibt sich aus §Â€902 Abs€2 ABGB. Hat das Arbeitsverhältnis zwar höhere Dienste zum Inhalt, aber noch nicht 16 drei Monate gedauert oder wird die Erwerbstätigkeit nicht hauptsächlich in Anspruch genommen, beträgt die Kündigungsfrist nach §Â€ 1159b vierzehn Tage. Nach §Â€ 902 Abs€ 1 ist bei einer nach Tagen bemessenen Frist der Tag nicht mitzuzählen, in welchen das Ereignis fällt, von dem der Fristenlauf beginnt. Der Fristenlauf beginnt daher am Tag nach dem Zugang der Kündigung.14
V. Fristengleichheitsgebot 17
§Â€1159c ordnet an, dass die Kündigungsfrist immer für beide Teile gleich zu sein hat. Wurden ungleiche Fristen vereinbart, so gilt für beide Teile die längere Frist. Das Fristengleichheitsgebot gehört nach §Â€ 1164 nicht zu den unabdingbaren Ansprüchen der Arbeitnehmer. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich allerdings, dass §Â€1159c eine zweiseitig zwingende Wirkung 13╇ Reissner, ZellKomm §Â€1159a Rz 9. Beispiel: Zugang der Kündigung am Mittwoch, dem 4. November; Ende des Arbeitsverhältnisses am Mittwoch, dem 2. Dezember. 14╇ Im Ergebnis endet daher das Arbeitsverhältnis bei einer am Mittwoch, dem 4. November ausgesprochenen Kündigung – wie bei Einhaltung einer zweiwöchentlichen Frist – am Mittwoch, dem 18. November.
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Fristengleichheitsgebot
§§ 1159–1159c
aufweist.15 Die Kündigungsvorschriften des ABGB haben einseitig zwingenden Charakter, die gesetzlichen Kündigungsfristen sind für beide Vertragsteile gleich lang. Ohne zwingende Wirkung hätte §Â€1159c wenig Sinn. Wollen die Parteien die gesetzlichen Kündigungszeiten verändern, haben sie darauf zu achten, dass keine ungleichen Fristen vereinbart werden. Dieses Fristengleichheitsgebot findet jedenfalls Anwendung auf alle Kün- 18 digungen, die den Kündigungsvorschriften des ABGB unterliegen. Nach Meinung der Judikatur soll §Â€1159c aber auch auf Dienstverhältnisse Anwendung finden, die durch „besondere Bestimmungen“, insbesondere durch die GewO 1859, geregelt sind.16 Schon im Jahre 1927 hatte der OGH judiziert, die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, auf das die GewO Anwendung findet, habe nach Maßgabe der Vereinbarung zu geschehen. Die Kündigungsvorschriften des §Â€1159, insbesondere die Bestimmung des letzten Satzes dieses Paragraphen, würden nicht zur Anwendung gelangen; die Kündigung sei nur durch die Bestimmung des §Â€1159c beschränkt.17 In seiner neueren Rechtsprechung präzisiert der OGH, für das Verhältnis zwischen dem Sondergesetz und dem ABGB sei entscheidend, ob die Regelung im Sondergesetz als abschließend zu betrachten oder nach der Teleologie des Gesetzes als lückenhaft anzusehen ist. Da §Â€77 GewO 1859 nur die Kündigungsfristen dispositiv regelt, würden für alle sonstigen Fragen des Kündigungsrechts entsprechende Vorschriften fehlen. Insoweit müssen die Bestimmungen des ABGB ergänzend eingreifen. Würde man §Â€77 GewO 1859 als vollständige Regelung des Kündigungsrechts begreifen, wären die Parteien – so der OGH – auch bei der Vereinbarung ungleicher Kündigungsfristen (in jedem beliebigen Ausmaß) zu Lasten des Arbeitnehmers vollkommen frei. Eine solche Auslegung des Verhältnisses zwischen ABGB und Spezialgesetz wäre wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot verfassungswidrig.18 Diese Judikatur ist nicht konsistent. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass 19 die Kündigungsregeln des ABGB nach der Subsidiaritätsregel des §Â€153 der III. Teilnovelle nur dann zur Anwendung gelangen, wenn in Sondergesetzen Bestimmungen über den Dienstvertrag nicht enthalten sind. Nach ständiger Judikatur des OGH ist diese Bestimmung so zu verstehen, dass eine Anwendung der Vorschriften des ABGB nur dann zulässig ist, wenn das Spezialgesetz den in Frage stehenden Anspruch „überhaupt nicht regelt“.19 Im hier interessierenden Zusammenhang ist daher zu fragen, ob die GewO 1859 eine Norm für Kündigungen enthält.20 Dies kann nicht ernsthaft bestritten werden.21 §Â€77 GewO 1859 besagt ausdrücklich, dass die Kündigungsfrist von den Parteien einvernehmlich festzulegen ist; einseitig zwingende Mindestkündigungsfristen sind der GewO 1859 fremd. Nur bei Fehlen einer Vereinbarung über die So auch Reissner, ZellKomm §Â€1159c Rz 2. OGH 8.7.1992, 9 ObA 142/92, ZAS 1994, 60. 17╇ OGH 21.12.1927, Prä 626/27, SZ 9/171. 18╇ OGH 8.7.1992, 9 ObA 142/92, ZAS 1994, 60 (Micheler). 19╇ OGH 18.12.1956, 4 Ob 143/56, Arb 6570; 9.10.1991, 9 ObA 165/91, Arb 10.987. 20╇ Vgl zum Verhältnis ABGB – Spezialgesetz bereits OGH 2.7.1918, PlssB, Jud 256. 21╇ Dies wird auch vom OGH nicht bestritten; vgl den Hinweis in OGH 8.7.1992, 9 ObA 142/92. 15╇ 16╇
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§§ 1159–1159c
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Kündigungsfrist ist von beiden Teilen eine Kündigungsfrist von vierzehn Tagen einzuhalten. Die vom OGH vorgenommene Unterscheidung zwischen „Kündigungsfristen“, die in der GewO 1859 geregelt sind, und „Fristengleichheitsgebot“, das in der GewO 1859 nicht geregelt sein soll, ist mehr als gekünstelt. Wenn das Spezialgesetz die Kündigungsfristen dispositiv gestaltet, sind eben auch unterschiedliche Kündigungsfristen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer möglich. Auch der Hinweis auf die verfassungskonforme Interpretation ist in sich 20 widersprüchlich. Der OGH vertritt in ständiger Judikatur die These, dass die Parteien in der Festsetzung der beiderseitigen Kündigungsfrist für gewerbliche Hilfsarbeiter frei sind. Diese Freiheit wird auch nicht durch die einseitig zwingenden Kündigungsbestimmungen des ABGB eingeschränkt.22 Wenn es also der OGH für verfassungskonform hält, dass der Arbeitgeber mit einem im Wochenlohn beschäftigten gewerblichen Hilfsarbeiter einen Ausschluss der Kündigungsfrist vereinbaren kann (§Â€77 GewO 1859), während eine Vereinbarung mit einem Hilfsarbeiter in einem nicht gewerblichen Betrieb an der einseitig zwingenden Bestimmung des §Â€1159, 2. Alternative zu messen und daher als nichtig anzusehen ist, fällt es schwer, eine Verfassungswidrigkeit in der Nichtbeachtung des §Â€1159c bei gewerblichen Hilfsarbeitern zu erkennen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass §Â€1159c nicht anzuwenden ist, wenn für das Arbeitsverhältnis sondergesetzliche Kündigungsregeln zur Anwendung kommen. Dass sondergesetzliche Kündigungsregeln auch für den Arbeitnehmer „un21 günstigere“ Bedingungen ermöglichen, zeigt §Â€20 AngG. Gemäß §Â€20 Abs€2 AngG kann der Arbeitgeber mangels einer für den Angestellten günstigeren Vereinbarung das Arbeitsverhältnis mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres durch vorgängige Kündigung lösen. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen und erhöht sich nach dem vollendeten zweiten Dienstjahr auf zwei Monate. Nach §Â€ 20 Abs€ 3 AngG kann die Kündigungsfrist durch Vereinbarung nicht unter die im Abs€2 bestimmte Dauer herabgesetzt werden; jedoch kann vereinbart werden, dass die Kündigungsfrist am 15. oder am Letzten eines Kalendermonats endet. Nach §Â€20 Abs€4 AngG kann der Angestellte mangels einer für ihn günstigeren Vereinbarung das Dienstverhältnis mit dem letzten Tage eines Kalendermonats unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist lösen. Diese Kündigungsfrist kann durch Vereinbarung bis zu einem halben Jahr ausgedehnt werden; doch darf die vom Arbeitgeber einzuhaltende Frist nicht kürzer sein als die mit dem Angestellten vereinbarte Kündigungsfrist. Dem Arbeitgeber stehen also − ohne besondere Vereinbarung – aufgrund des Gesetzes vier jährliche Kündigungstermine zur Verfügung. Gemäß §Â€ 20 Abs€3 AngG kann aber zu seinen Gunsten vereinbart werden, dass die Kündigungsfrist nicht bloß zum Quartal, sondern jeweils am 15. oder Letzten eines Monats enden kann. Es kann also zu einer vertraglichen Erweiterung der Arbeitgeber-Kündigungstermine von 4 auf bis zu 24 pro Jahr kommen. Eine derartige Vereinbarung ist nach Meinung der Judikatur auch dann zulässig, wenn 22╇
1/06x.
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Vgl OGH 2.9.1992, 9 ObA 154/92, DRdA 1993, 206 (Runggaldier); 7.7.2004, 9 ObA
Fristengleichheitsgebot
§§ 1159–1159c
für die Arbeitnehmerkündigung die gesetzliche Regelung des §Â€20 Abs€4 AngG beibehalten wurde, nämlich eine einmonatige Kündigungsfrist zum jeweils Letzten eines Kalendermonats.23 Dies bedeutet im Ergebnis, dass zB eine am 2. März erklärte Kündigung des Arbeitnehmers zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. April führt. Eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung würde demgegenüber – unter Annahme einer Kündigungsfrist von sechs Wochen – das Arbeitsverhältnis bereits am 15. April beenden. Man erkennt daraus, dass das Fristengleichheitsgebot offenkundig nicht zu den „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“ des Kündigungsrechtes gehört. In Wahrheit geht es dem OGH auch gar nicht so sehr um Vereinbarungen, 22 die für den Arbeitnehmer längere Kündigungsfristen als für den Arbeitgeber vorsehen. Die These vom allgemein gültigen Fristengleichheitsgebot wird vor allem in Fällen herangezogen, in denen das Kündigungsrecht des Arbeitnehmers durch bestimmte vertragliche Vereinbarungen indirekt erschwert wurde. Dazu gehören Abreden, wie zB Verfall von Kautionen, Wegfall von Erfolgsbeteiligungen oder der Verlust durch die erbrachte Arbeitsleistung bereits verdienter Sonderzahlungen bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer.24 Der OGH will vermeiden, dass dem kündigenden Arbeitnehmer für den Fall der Ausübung seines Kündigungsrechts ein finanzielles Opfer in einem Ausmaß auferlegt wird, das die Kündigungsfreiheit wirtschaftlich in erheblichem Umfang beeinträchtigt.25 Es geht also um Regelungen, die einen Anreiz schaffen, vom Kündigungsrecht keinen Gebrauch zu machen.26 Ein Verbot solcher Regelungen kann aber nicht unmittelbar aus dem Fristengleichheitsgebot abgeleitet werden. Werden zB zulässigerweise (im Anwendungsbereich der GewO 1859) Kündigungsfristen für beide Teile ausgeschlossen, kann das vom OGH als unerwünscht betrachtete „wirtschaftliche“ Ergebnis nicht als „Verkürzung“ der dem Arbeitnehmer zustehenden Kündigungsfrist gewertet werden. Das Fristengleichheitsgebot hilft hier nur indirekt, um den Verlust von Vorteilen hintanzuhalten. In Wahrheit geht es nicht um gleiche Fristen, sondern um das Kündigungsrecht als solches. Das freie Kündigungsrecht steht auch einem gewerblichen Hilfsarbeiter zu.27 Beschränkungen der freien Kündbarkeit können nicht nur direkt vereinbart, sondern auch durch „wirtschaftliche“ Regelungen bewirkt werden. Ist die Beschränkung der freien Kündbarkeit unzulässig, können auch wirtschaftliche Beschränkungen unzulässig sein. Auf §Â€1159c muss in diesem Fall nicht rekurriert werden.28 23╇ So OGH 28.11.2007, 9 ObA 116/07k. Unzulässig wäre nur eine Vereinbarung, mit welcher dem Arbeitgeber unter Einhaltung der gesetzlichen 6-Wochen-Frist 24 Kündigungstermine eingeräumt werden, während der Arbeitnehmer zwar zum Monatsletzten, aber nur unter Einhaltung einer gegenüber §Â€ 20 Abs 4 AngG auf sechs Wochen verlängerten Frist kündigen könnte (OGH 23.10.2000, 8 ObA 174/00x). 24╇ Vgl zB OGH 5.3.1997, 9 ObA 57/97s; 8.7.1992, 9 ObA 142/92. 25╇ So ausdrücklich OGH 8.7.1992, 9 ObA 142/92. 26╇ Vgl Runggaldier, DRdA 1993, 209; vgl auch Binder, Faktische Kündigungserschwerungen zu Lasten des Arbeitnehmers, ZAS 1993, 92. 27╇ Vgl Resch, Grenzen privatautonomer Dispositionen über das Auflösungsrecht des Arbeitnehmers, ZAS 1991, 4. 28╇ So auch im Ergebnis Reissner, ZellKomm §Â€1159c Rz 6.
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VI. Zeitwidrige Kündigungen 23 24
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Unter einer „zeitwidrigen“ Kündigung ist eine Auflösungserklärung zu verstehen, die eine vorgeschriebene Kündigungsfrist verkürzt und (oder) einen allenfalls vorgeschriebenen Kündigungstermin missachtet.29 Ob eine zeit- oder terminwidrige Kündigung vorliegt, ist zunächst eine Frage der Auslegung der Kündigungserklärung.30 Nennt die Kündigung einen Endzeitpunkt, so ist zu prüfen, ob dieser Endzeitpunkt vom Erklärungswillen umfasst ist, oder ob es sich diesbezüglich um eine bloße Wissenserklärung handelt. Ist der falsche Endzeitpunkt vom Erklärungswillen umfasst, liegt eine zeitwidrige Kündigung vor.31 Ein bei Ausspruch einer zeitwidrigen Kündigung unterlaufener Irrtum wird von der Judikatur als unbeachtlicher Motivirrtum gewertet. Bei der Ermittlung der für die Kündigung maßgebenden Zeitdauer des Arbeitsverhältnisses handle es sich um Umstände, die nach der Verkehrsauffassung der Kündigende auf eigene Gefahr festzustellen hat und über die er eine Aufklärung von anderen nicht erwartet.32 Fraglich ist, welche Rechtsfolgen die zeitwidrige Kündigung auslöst. TheoÂ�retisch scheint es für die Behandlung zeitwidriger Kündigungen drei Möglichkeiten zu geben: Man hält sie entweder für unwirksam oder für wirksam, oder rechtswidrig oder man deutet sie in wirksame Kündigungen zum nächstmöglichen Termin um. Die Judikatur war lange Zeit schwankend. In älteren Entscheidungen hat sich der OGH zunächst für die Konversionslösung, also für die Umdeutung einer zeitwidrigen Kündigung in eine wirksame Kündigung zum nächsten zulässigen Kündigungstermin entschieden.33 Der OGH führte aus, nach herrschender Rechtsprechung behalte die vorschriftswidrige Kündigung eines Dienstverhältnisses ihre Wirksamkeit für den nächsten zulässigen Kündigungstermin, woraus folge, dass das Dienstverhältnis bis dahin fortbestehe.34 Auch der VwGH vertrat die Auffassung, dass zeitwidrige Kündigungen nicht wirkungslos sind, sondern für den nächsten zulässigen Kündigungstermin gelten.35 Es gab allerdings bereits in der älteren Judikatur gegenteilige Auffassungen. Diese zielten darauf, bei einer gesetzwidrigen Kündigung Schadenersatzansprüche zu eröffnen,36 wobei die Grundlage in einer analogen Anwendung von §Â€1162b bzw §Â€29 AngG gefunden wird. Nach den zitierten Vorschriften behält der Arbeitnehmer, den sein Arbeitgeber ohne wichtigen Grund vorzeitig entlässt, unbeschadet weitergehenden Schadenersatzes seine vertragsmäßigen Ansprüche auf das Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch ordnungsmäßige Kündigung hätte verstreichen Holzer, Irrtumsanfechtung bei zeitwidriger Kündigung im Arbeitsverhältnis, JBl 1985, 82. So auch Kerschner, DRdA 1983, 365. 31╇ Vgl §Â€1158 Rz 73. 32╇ Zustimmend Mayer-Maly, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsleben, Vortrag vor der Wiener Juristischen Gesellschaft, ÖJZ 1989, 726. 33╇ Vgl OGH 24.4.1956, 4 Ob 44/56, Arb 6430. 34╇ Im Anlassfall hatte der klagende Arbeitnehmer diese Position für sich reklamiert. 35╇ VwGH 28.4.1965, 4 Ob 34/65, Arb 8082. 36╇ Vgl schon OGH 16.7.1954, 4 Ob 90/54, Arb 6044; 3.7.1956, 4 Ob 28/56, Arb 6485. 29╇ 30╇
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müssen. Der zeitwidrig gekündigte Arbeitnehmer wurde somit wie ein zu Unrecht Entlassener behandelt. In der Entscheidung Arb 866937 wird darauf hingewiesen, der Regelung 28 des §Â€29 AngG liege der Gedanke zugrunde, dass ein Dienstverhältnis gegen den Willen eines Teiles unerwünscht sei. Dieser Gedanke lege auch die analoge Anwendung der in §Â€29 AngG vorgesehenen Regelung auf Fälle, in denen mit einer kürzeren als der gesetzlichen oder vertragsmäßigen Frist gekündigt wird, nahe. Diese Auffassung hat sich letztlich durchgesetzt und ist herrschende Rechtsprechung geworden. Die zeitwidrige Kündigung beendet somit das Arbeitsverhältnis zum „falschen“ Zeitpunkt; dem Arbeitnehmer werden Schadenersatzansprüche für jenen Zeitraum eingeräumt, bis zu dem das Arbeitsverhältnis bei ordnungsgemäßer Kündigung gedauert hätte. Diese Auffassung kann nicht überzeugen, auch wenn die praktische Be- 29 deutung bei Kündigungen nach den Vorschriften des ABGB eher gering ist. Da die Kündigungsfristen sehr kurz sind, kommt es bei einer zeitwidrigen Kündigung in der Regel wohl nur zu geringen „Verkürzungen“ des Arbeitsverhältnisses.38 Die entscheidende Frage ist, ob ein Vergreifen in der Kündigungsfrist die Fortsetzung der Arbeitsbeziehung bis zum Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Kündigungsfrist nach dem gesetzlich zulässigen Kündigungstermin unzumutbar macht oder nicht.39 In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach §Â€ 1162 bzw nach den §§Â€ 26 und 27 AngG nur zulässig ist, wenn ein wichtiger Grund für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt. Erklärt eine Partei die sofortige Auflösung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes, muss der Erklärungsempfänger dieses rechtswidrige Verhalten nicht hinnehmen, weil dem Erklärenden ein Auflösungsrecht (mit sofortiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses) gar nicht zusteht. Das rechtswidrige Verhalten des Erklärenden kann hier durchaus als erhebliche „Zerrüttung“ der Arbeitsbeziehung gewertet werden, die dem ErÂ�klärungsgegner die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Auch wenn man für diesen Fall die Auffassung vertritt, dass Arbeitsverhältnisse gegen den Willen einer Vertragspartei nicht erwünscht sind, so ist die Situation bei einer zeitwidrigen Kündigung aber anders zu bewerten. Die Kündigung als solche ist ja nicht ausgeschlossen. Wenn die Kündigungsfristen nicht eingehalten werden, handelt der Erklärende zwar rechtswidrig, das Auflösungsrecht steht dem Erklärenden aber jedenfalls zu. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zur unbegründeten Entlassung oder zum unbegründeten 37╇
OGH 21.10.1969, 4 Ob 63/69. Verkürzungen sind vor allem bei Kündigungen merkbar, die nach §Â€1159, 2. Alternative nicht am ersten Werktag zum Schluss der Kalenderwoche ausgesprochen werden. Wird hingegen eine derartige Kündigung nicht zum Schluss der Kalenderwoche, sondern zB zum Schluss der Arbeitswoche am Freitag ausgesprochen, würde das Arbeitsverhältnis bei einer Konversion bis zum Schluss der Kalenderwoche am Sonntag aufrecht bestehen; der Arbeitnehmer hätte Lohnansprüche bis zu diesem Tag. Bei Annahme des Schadenersatzprinzips wäre zwar das Arbeitsverhältnis am Freitag beendet, die Lohnansprüche bis Sonntag wären aus dem Titel des Schadenersatzes zu leisten. In beiden Fällen hätte der Arbeitnehmer aber am Samstag und Sonntag nicht mehr zu arbeiten. 39╇ Darauf weist zu Recht Mayer-Maly, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsleben, Vortrag vor der Wiener Juristischen Gesellschaft, ÖJZ 1989, 726, hin. 38╇
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Austritt. Es ist daher nicht angebracht, Regelungen, die dann eingreifen, wenn die gewählte Auflösungsart nicht besteht, auf Sachverhalte zu übertragen, in denen die Auflösung als solche dem Erklärenden jedenfalls zusteht. Die KonverÂ� sionslösung, die zur Umdeutung der zeitwidrigen Kündigung in eine wirksame Kündigung zum nächsten zulässigen Termin führt, entspricht der beiderseitigen Interessenlage daher besser als die Gleichsetzung der zeitwidrigen Kündigung mit einer ungerechtfertigten Entlassung. Ein überzeugendes Argument, weshalb die zeitwidrige Kündigung zur Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum nächsten zulässigen Termin bzw dem ihm entsprechenden Fristablauf führen soll, ist in der Judikatur nie vorgetragen worden.40 Reissner41 wendet gegen die Konversionslösung ein, sie würde auf die In30 teressen des Arbeitnehmers nicht Rücksicht nehmen, der Sicherheit über das Ende des Arbeitsverhältnisses haben soll. Er wirft die Frage auf, ob der Arbeitnehmer mit dem falschen Termin die Arbeit einstellen oder sich arbeitsbereit erklären soll. Derartige Unsicherheiten seien nach der ratio legis unterwünscht. Diese Aussage verwundert, weil Reissner offenkundig der herrschenden Auffassung zustimmt, dass der Kündigende nicht verpflichtet ist, die Kündigungszeit anzugeben.42 Wird vom Arbeitgeber keine Kündigungszeit angegeben, muss der Arbeitnehmer zunächst selbst das „richtige“ Ende seines Arbeitsverhältnisses ermitteln. Er muss dazu nicht nur die Kündigungsfristen und -termine berechnen, sondern zuvor auch eine Entscheidung über die rechtliche Qualifikation seines Arbeitsverhältnisses (einfache Dienste oder höhere Dienste) treffen. Wird die Kündigungszeit nicht angegeben, hat der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Zuganges der Erklärung noch keine „Sicherheit“ über das Ende des Arbeitsverhältnisses. Dies nimmt der Gesetzgeber ganz offenkundig in Kauf. Man kann daher gegen die Konversionslösung schwer einwenden, sie sei „unerwünscht“. Sie führt letztlich auch zu keinen Benachteiligungen des Arbeitnehmers. Man wird die Angabe des falschen Kündigungszeitpunktes zunächst als Weigerung des Arbeitgebers verstehen müssen, die Leistung des Arbeitnehmers ab diesem Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen. War das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt – auf Grund der Konversion der „falschen“ Kündigung in eine „richtige“ Kündigung – noch nicht beendet, stehen dem Arbeitnehmer Lohnansprüche nach §Â€1155 zu. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, seine Leistung dem Arbeitgeber „aufzudrängen“. Verlangt der den falschen Kündigungszeitpunkt erkennende Arbeitgeber, dass das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet ist, wird er wohl vom Arbeitnehmer die weitere Arbeitsleistung einfordern. Mit dem „Abrufen“ der Leistung kann der Arbeitnehmer aber auch das richtige Ende in gleicher Weise ermitteln wie bei einer Kündigung ohne Angabe des Kündigungszeitpunktes.43 40╇ Mayer-Maly, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsleben, Vortrag vor der Wiener Juristischen Gesellschaft, ÖJZ 1989, 726. 41╇ ZellKomm §Â€20 AngG Rz 60. 42╇ ZellKomm §Â€20 AngG Rz 39. 43╇ Aus diesem Grund geht auch der weitere Einwand Reissners ins Leere, wonach die Konversionslösung dem Arbeitgeber den risikolosen Versuch eines Rechtsbruchs ermöglicht. Das Nichterscheinen am Arbeitsplatz nach dem falschen Kündigungszeitpunkt bedeutet nicht, dass der Arbeitnehmer damit auch seine weitere Leistungsbereitschaft verweigert.
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Zweck des Freistellungsanspruches
§ 1160
Freizeit während der Kündigungsfrist. §Â€1160. (1) Bei Kündigung durch den Dienstgeber ist dem Dienstnehmer während der Kündigungsfrist auf sein Verlangen wöchentlich mindestens ein Fünftel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ohne Schmälerung des Entgelts freizugeben. (2) Ansprüche nach Abs. 1 bestehen nicht, wenn der Dienstnehmer einen Anspruch auf eine Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung hat, sofern eine Bescheinigung über die vorläufige Krankenversicherung vom Pensionsversicherungsträger ausgestellt wurde. (3) Abs. 2 gilt nicht bei Kündigung wegen Inanspruchnahme einer Gleitpension gemäß §Â€253c ASVG. (4) Durch Kollektivvertrag können abweichende Regelungen getroffen werden. IdF BGBl I 2000/44 (ARÄG 2000). Mat: NR RV 91 BlgNR 21. GP, AB 189 BlgNR 21. GP; BR AB 6153 BlgBR. Lit: Haslinger Freizeit zur Postensuche, DRdA 1967, 187; Wachter, Der Anspruch auf Postensuchtage, in Tomandl (Hrsg), Beendigung des Arbeitsvertrages (1986) 117; Drs, Die Beschäftigungssicherungsnovelle 1993 und ihre Auswirkungen auf den Anspruch auf „Postensuchtage“, RdW 1993, 337; G. Klein, Arbeitsrechtliches zur Beschäftigungssicherung, DRdA 1993, 403; Nocker, Entschädigung für die „Postensuchtage“ bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ecolex 1997, 864; Brodil, Replik: Entschädigung für Sonderurlaub, ecolex 1998, 416; Rotter, Wann gebührt Freizeit zur Postensuche? Postensuchtage nur bei Dienstgeberkündigung, ASoK 2002, 217; Drs, Postensuchtage und Urlaub, RdW 2003, 580; Pacic, Problembereiche bei der Freizeit während der Kündigungsfrist (Postensuchtage), ASoK 2007, 458.
Übersicht I. II. III. IV.
Zweck des Freistellungsanspruches Auflösung des Arbeitsverhältnisses Ausmaß des Freistellungsanspruches Verlangen des Arbeitnehmers 1. Vereinbarung mit dem Arbeitgeber 2. Verweigerung der Freizeitgewährung V. Freizeitgewährung bei Bestehen von Pensionsansprüchen VI. Unabdingbarkeit
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I. Zweck des Freistellungsanspruches §Â€1160 gewährt dem Arbeitnehmer einen Freistellungsanspruch während 1 der Kündigungsfrist. Der Freistellungsanspruch soll dem Arbeitnehmer das Aufsuchen eines neuen Arbeitsplatzes erleichtern. Die Stammfassung (idF der III. Teilnovelle) des §Â€1160 hatte ausdrücklich auf diesen Zweck hingewiesen: War der Dienstnehmer in die Hausgemeinschaft des Dienstgebers aufgenom207
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men oder durch das Dienstverhältnis gehindert, eine andere Stellung aufzusuchen, so war ihm nach der Kündigung „zu diesem Behufe“ ohne Schmälerung des Entgelts auf Verlangen die angemessene Zeit freizugeben.1 Materiell handelte es sich bei dieser Regelung um eine besondere Freistellung aus einem wichtigen, die Person des Arbeitnehmers betreffenden Grund.2 Die geltende Fassung des §Â€ 1160 Abs€ 1 nimmt auf diesen Zweck nicht 2 mehr ausdrücklich Bezug. Aus §Â€1160 Abs€2 ergibt sich allerdings, dass Freistellungsansprüche nicht (mehr) bestehen, wenn der Arbeitnehmer einen Pensionsanspruch besitzt. Der Freistellungsanspruch setzt also voraus, dass der Arbeitnehmer im Erwerbsleben verbleibt. Insoweit bleibt die „Postensuche“ Hauptzweck des §Â€1160.3 Der Arbeitnehmer muss allerdings nicht nachweisen, wie er den Freistellungsanspruch nutzt.4 Der Freistellungsanspruch hat sich daher offenkundig zu einem Anspruch auf „Sonderurlaub“ während der Kündigungsfrist gewandelt.5
II. Auflösung des Arbeitsverhältnisses 3
Ein Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers besteht nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber durch Kündigung aufgelöst wurde. Kein Freistellungsanspruch besteht somit offenkundig bei einvernehmlicher Auflösung, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Zeitablauf oder bei Kündigung durch den Arbeitnehmer. Wird das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund aufgelöst, ergibt sich aus der Natur der Sache, dass ein Freistellungsanspruch nicht in Betracht kommt, weil das Arbeitsverhältnis mit Zugang der Auflösungserklärung endet. §Â€1160 Abs€1 idF der III. Teilnovelle hatte den Freistellungsanspruch bei 4 jeder Form der Kündigung gewährt. Adler/Höller6 haben darauf hingewiesen, dass die Gründe für einen Freistellungsanspruch (Postensuche) auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen vorliegen würden; es sei daher angemessen, für diesen Fall §Â€ 1160 analog anzuwenden.7 Dieser Auffassung ist auch der OGH gefolgt.8 Der OGH hat überdies die Meinung vertreten, der Anspruch auf Postensuchtage stehe auch dann zu, wenn auf Anregung des Arbeitgebers eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses vereinbart wurde.9 Durch die Beschäftigungssicherungsnovelle 199310 wurde zwischen Ar5 beitgeber- und Arbeitnehmerkündigung differenziert. Der Freistellungsanspruch wurde bei einer Arbeitnehmerkündigung herabgesetzt. Die geltende Vgl dazu Adler/Höller in Klang2 V 327. Brodil, ecolex 1998, 417; Drs, DRdA 2001, 351. 3╇ Vgl OGH 23.10.2000, 8 ObA 174/00x, DRdA 2001, 33. 4╇ Vgl Karl, AngG-Komm §Â€22 Rz 3. 5╇ Vgl dazu OGH 23.10.2000, 8 ObA 174/00x; Brodil, ecolex 1998, 416. §Â€33a Abs 1 VBG bezeichnet die Freistellung ausdrücklich als Sonderurlaub. 6╇ Klang2 V 328. 7╇ Vgl schon Mayer-Grünberg, Komm zum Handlungsgehilfengesetz (1911) 262. 8╇ OGH 10.2.1993, 9 ObA 604/92, DRdA 1993, 55 (Eypeltauer). 9╇ OGH 10.11.1959, 4 Ob 124/59, Arb 7140; vgl auch Karl, AngG-Komm §Â€22 Rz 10 ff. 10╇ BGBl 1993/502. 1╇ 2╇
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Auflösung des Arbeitsverhältnisses
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Fassung des §Â€1160 Abs€1 geht auf das Arbeitsrechtsänderungsgesetz 200011 zurück. Mit dieser Novelle wurde der Freistellungsanspruch ausdrücklich auf den Fall der Arbeitgeberkündigung beschränkt; bei Arbeitnehmerkündigung ist ein Freistellungsanspruch ausgeschlossen.12 Der OGH hatte die analoge Anwendung des §Â€1160 Abs€1 auf befristete Arbeitsverhältnisse – unter Berufung auf Wachter13 – vor allem mit dem Argument begründet, dass der Freistellungsanspruch – idF vor der Beschäftigungssicherungsnovelle 1993 – auch bei Arbeitnehmerkündigung zustand. Gerade dieser Anspruch ist aber seit 2001 nicht mehr existent. Konnte man zur ursprünglichen Fassung des §Â€1160 Abs€1 noch die Meinung vertreten, der Gesetzgeber habe zu Beginn dieses Jahrhunderts nur eine Regelung für eine Konstellation schaffen wollen, die in der Praxis den Regelfall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bilde und bei der das Bedürfnis nach Postensuchtagen am augenfälligsten sei, so lässt sich seit dem Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 eine planwidrige Gesetzeslücke als Voraussetzung für die analoge Anwendung des §Â€1160 auf befristete Dienstverhältnisse oder für den Fall der einvernehmlichen Beendigung nicht mehr feststellen. Ein Freistellungsanspruch steht nicht mehr zu, wenn der Arbeitnehmer für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbst verantwortlich ist. Dies ist aber auch bei einer vereinbarten Befristung und bei einvernehmlicher Beendigung der Fall. Der OGH hatte zur früheren Fassung des §Â€1160 Abs€1 gemeint, ein unlösbarer Wertungswiderspruch sei nur dann zu vermeiden, wenn diese Bestimmung auch auf den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Fristablauf analog angewendet werde. Bei der geltenden Fassung des Gesetzes würde jedoch ein Wertungswiderspruch nicht zu vermeiden sein, wenn die Freistellung zwar bei einvernehmlicher Beendigung, nicht aber bei Selbstkündigung gewährt wird. Diesen Wertungswiderspruch kann man auch nicht auflösen, wenn man die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bemüht, um einen Anspruch auf Freizeit zumindest bei befristeten Arbeitsverhältnissen zu begründen.14 Die Postensuche ist nach geltendem Recht nur mehr Motiv, aber nicht mehr „Geschäftszweck“ der Freizeitgewährung. Der Anspruch auf Freistellung steht daher ausschließlich bei einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber, nicht aber bei einer anderen Form der Beendigung, zu. Der OGH hat die Frage, ob seit dem In-Kraft-Treten des Arbeitsrechtsän- 6 derungsgesetzes 2000 ein Anspruch auf „Postensuchtage“ auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen besteht, noch nicht beantwortet.15 Er hat lediglich zum Ausdruck gebracht, dass eine analoge Anwendung nur dann in Betracht kommt, wenn in einem Kollektivvertrag Postensuchtage auch bei einer Arbeitnehmerkündigung gewährt werden. In diesem Zusammenhang hat der OGH ausdrücklich auf den unlösbaren Wertungswiderspruch hingewiesen, wenn ein Freizeitanspruch bei Selbstkündigung gewährt, bei Beendigung des Arbeitsverhältnis11╇
BGBl I 2000/44. Rotter, ASoK 2002, 218. 13╇ Der Anspruch auf Postensuchtage, in Tomandl (Hrsg), Beendigung des Arbeitsvertrages 12╇
122.
14╇ 15╇
So Pacic, ASoK 2007, 458 ff. OGH 28.11.2007, 9 ObA 148/07s.
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ses durch Zeitablauf jedoch verneint wird. Dies kann aber konsequenterweise nur bedeuten, dass eine Analogie ausgeschlossen ist, wenn bei Selbstkündigung kein Anspruch besteht.
III. Ausmaß des Freistellungsanspruches 7
Der Anspruch steht nach dem Gesetz in jeder Woche der Kündigungsfrist im Ausmaß eines Fünftels der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zu. Bei einer „normalen“ Vereinbarung der Arbeitszeit im Ausmaß von 40 Wochenstunden hat der Arbeitnehmer somit einen Anspruch auf 8 Stunden Freizeit pro Woche. Die Freistellung kann dabei in einem oder auch „gestückelt“ in Anspruch genommen werden. Hat der Arbeitnehmer regelmäßig Überstunden geleistet, steht ihm ein entsprechend höherer Anspruch zu; war die Arbeitszeit einzel- oder kollektivvertraglich verkürzt, ist von der verkürzten Arbeitszeit auszugehen.16 Da die Kündigungsfristen nach den §§Â€1159 ff sehr kurz sind, ist die Rea8 lisierung des Freistellungsanspruches in der Praxis oft mit Schwierigkeiten verbunden. Kann das Arbeitsverhältnis jederzeit für den folgenden Tag gekündigt werden (§Â€1159, 1. Halbsatz), besteht die Möglichkeit der Freistellung nur an diesem letzten Tag des Arbeitsverhältnisses. Da die Freistellung nur auf Verlangen zu gewähren ist, muss der Arbeitnehmer unverzüglich nach Zugang der Kündigung das entsprechende Verlangen stellen, will er die gesetzlich vorgesehenen „Postensuchstunden“ in Anspruch nehmen. Bei einer Kündigung zum Schluss der Kalenderwoche (§Â€1159, 2. Halbsatz), stehen immerhin mehrere Tage für die Postensuche zur Verfügung. §Â€1160 Abs€1 gibt dem Arbeitnehmer einen Mindestanspruch auf Freizeit 9 während der Kündigungsfrist. Diese Regelung machte Sinn, solange der Freizeitanspruch mit der Postensuche rechtlich verknüpft war. Konnte der Arbeitnehmer einen erhöhten Bedarf an Freizeit (zB Vorstellung außerhalb des Wohn- und bisherigen Arbeitsortes) nachweisen, sollte ihm offenkundig – gestützt auf §Â€1160 Abs€1 – auch ein erhöhter Anspruch zustehen. Mit dem Wegfall der Zweckwidmung durch die Beschäftigungssicherungsnovelle 1993 hat die Festlegung eines „Mindestanspruches“ ihren Sinn verloren, weil das Gesetz in keiner Weise erkennen lässt, in welchen Fällen ein erhöhter Freistellungsanspruch zustehen soll.17 Das bedeutet allerdings nicht, dass seit dem In-Kraft-Treten der Beschäfti10 gungssicherungsnovelle 1993 ein erhöhter Anspruch völlig ausgeschlossen ist. §Â€1160 gewährt dem Arbeitnehmer nunmehr einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung, der an keinen besonderen Nachweis gebunden ist. Man könnte §Â€1160 auch als „Pauschalleistung“ verstehen, die alle denkbaren Konflikte zwischen Arbeitspflicht und Eigeninteressen des Arbeitnehmers entschärfen soll. §Â€1160 verdrängt aber nicht die sonstigen Regelungen des ABGB, 16╇ Karl, AngG-Komm §Â€22 Rz 41. Für die Regelmäßigkeit der Überstundenleistung ist in analoger Anwendung des §Â€3 Abs 3 EFZG auf die durchschnittliche Arbeitsleistung in den letzten 13 Wochen vor Beginn der Kündigungsfrist abzustellen; vgl Drs, RdW 2003, 520. 17╇ Zutreffend G. Klein, DRdA 1993, 403.
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Verlangen des Arbeitnehmers
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die eine Freistellung von der Arbeitspflicht statuieren. Insbesondere bleibt §Â€1154b Abs€5 unberührt, wonach der Arbeitnehmer aus wichtigen, seine Person betreffenden Gründe von der Arbeitspflicht unter Fortzahlung des Entgelts befreit werden kann. Wenn der Arbeitnehmer mit der „Pauschalfreizeit“ gemäß §Â€1160 nicht „auskommt“ und ein wichtiger Grund nach §Â€1154b Abs€5 vorliegt, steht ihm nach dieser Gesetzesbestimmung auch ein erhöhter Freizeitanspruch zu. Diese erhöhte Freizeit kann sich zB aus einer komplizierten Wohnungssuche, aber auch aus einer Postensuche mit „intensiven“ VorstellungsÂ� gesprächen oder Eignungstests ergeben. Der erhöhte Anspruch ist an diese „wichtigen Gründe“ gebunden; der Arbeitnehmer hat die Gründe nachzuÂ� weisen und überdies darzutun, dass die ohnehin bestehende Freistellung nach §Â€1160 Abs€1 nicht gereicht hat, die eigenen Interessen wahrzunehmen.
IV. Verlangen des Arbeitnehmers 1. Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Der Freistellungsanspruch setzt ein entsprechendes Verlangen des Arbeit- 11 nehmers voraus. Der Arbeitnehmer ist daher nicht berechtigt, die Freizeit nach eigenem Gutdünken in Anspruch zu nehmen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben vielmehr eine Vereinbarung über die Inanspruchnahme der Freizeit zu treffen.18 Die Vereinbarung über die Inanspruchnahme der bezahlten Freizeit kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Aus der Verknüpfung des Anspruches mit der Kündigungsfrist ergibt sich, 12 dass die Freizeit – bei entsprechendem Verlangen – in jeder Woche der Kündigungsfrist gewährt werden muss; der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch, die Freizeit zu horten, der Arbeitgeber hat kein Recht zu verlangen, dass die Freizeit von einer Woche in eine andere Woche verschoben wird. Hat der Arbeitnehmer ein deutliches Verlangen nach Freizeitgewährung gestellt, ist der Arbeitgeber grundsätzlich zur Gewährung dieser Freizeit verpflichtet. Wenn sich der Gesetzgeber nicht mit einer bloßen „Mitteilung“ des Arbeitnehmers begnügt, an welchen Tagen Freizeit in Anspruch genommen wird, sondern auch nach dem Wegfall der Zweckwidmung eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber verlangt,19 hat bei der zeitlichen Festlegung des Freizeitanspruches weiterhin eine Abwägung der beiderseitigen Interessen stattzufinden. Der Arbeitgeber darf ein Freizeitverlangen des Arbeitnehmers aus schwerwiegenden betrieblichen Gründen ablehnen. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer den Zweck der Freistellung nicht rechtfertigen muss. In diesem Fall werden betriebliche Gründe gegen das Freistellungsverlangen mehr Gewicht haben als in Fällen, in denen vom Arbeitnehmer ein konkreter Zweck der Freistellung geltend gemacht wird. Die ursprüngliche Zweckwidmung der Freizeitgewährung hat daher bei der Interessenabwägung weiterhin Bedeutung.20 18╇
Vgl OGH 13.3.1984, 4 Ob 19/83, RdW 1984, 319. So auch Karl, AngG-Komm §Â€22 Rz 17; aA Reissner 20╇ Karl, AngG-Komm §Â€22 Rz 26 f; Schindler in Mazal/Risak, Das Arbeitsrecht – System und Praxiskommentar II Kap XX Rz 4; OGH 18.10.2006, 9 ObA 131/05p. 19╇
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2. Verweigerung der Freizeitgewährung 13
Fraglich ist, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn der Arbeitgeber einem Verlangen nach Freizeitgewährung nicht entspricht. In seiner älteren Judikatur (zur Rechtslage vor dem In-Kraft-Treten der Beschäftigungssicherungsnovelle 1993) hat der OGH die Auffassung vertreten, das eigenmächtige Fernbleiben des Arbeitnehmers vom Arbeitsplatz zur Postensuche während der Kündigungsfrist erfülle den Tatbestand eines Entlassungsgrundes.21 Dies sei allerdings nicht der Fall, wenn auf Seiten des Arbeitnehmers ein gewichtiger Grund dafür vorliegt. Einen derartigen gewichtigen Grund hat der OGH bejaht, wenn der Arbeitnehmer zu einem bestimmten Termin zur Vorstellung bei einem neuen Arbeitgeber vorgeladen war und diesen Termin nicht verschieben konnte. Diese Judikatur hat auch zur geltenden Rechtslage Bedeutung. Wenn Freizeit nur nach Abschluss einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Anspruch genommen werden darf, muss die eigenmächtige Inanspruchnahme als Vertragsverletzung (Unterlassen der Dienstleistung ohne rechtfertigenden Grund) gewertet werden. Ist die Vertragsverletzung dem Arbeitnehmer vorwerfbar, liegt ein wichtiger Grund zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor.22 Anders ist die Situation, wenn das Verlangen nach Freizeit vom Arbeitgeber 14 abgelehnt wird und der Arbeitnehmer auch nicht eigenmächtig vom Dienst fern bleibt. Der Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht in jeder Woche der Kündigungsfrist gehört zwar nach §Â€1164 zu den unabdingbaren Rechten des Arbeitnehmers, mit Zustimmung des Arbeitnehmers kann die Freizeitgewährung in den verbleibenden Wochen der Kündigungsfrist aber wohl nachgeholt werden. Ist die Konsumation in natura nicht (mehr) möglich, steht dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Abgeltung der nicht gewährten Freizeit in Geld zu. Schon zur alten Rechtslage vor dem In-Kraft-Treten der BeschäftigungsÂ� 15 sicherungsnovelle 1993 wurde die Meinung vertreten, dass dem Arbeitnehmer in diesem Fall – abgesehen von weitergehendem Schadenersatz – jedenfalls ein Entschädigungsanspruch „in Höhe des Entgelts für die verweigerte Arbeitssuchzeit“ zustehe.23 Auch nach Änderung des §Â€1160 durch das Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 wurde diese Linie im Schrifttum aufrecht erhalten. Drs24 wies darauf hin, der Arbeitnehmer müsse sich im Falle der rechtswidrigen Verweigerung der Freizeitgewährung durch den Arbeitgeber nicht mit einem – risikoträchtigen – eigenmächtigen Fernbleiben begnügen, sondern könne eine Entschädigung des Freistellungsanspruches in Geld verlangen. Der OGH hat sich diesen Lehrmeinungen angeschlossen.25 Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf eine finanzielle Abgeltung in Höhe jenes Entgelts, das der Arbeitgeber bei Inanspruchnahme der Freizeit hätte fortzahlen müssen. Kein Anspruch auf eine finanzielle Abgeltung besteht, wenn der Arbeit16 nehmer aus Verschulden des Arbeitgebers berechtigt ausgetreten oder vom Ar21╇
OGH 6.4.1976, 4 Ob 16/76, ZAS 1977, 104; vgl auch 10.10.1990, 9 ObA 258/90. Vgl auch Schnorr, ZAS 1977, 107. 23╇ Haslinger, Freizeit zur Postensuche, DRdA 1967, 187, 193. 24╇ DRdA 2001, 350, 351. 25╇ OGH 18.10.2006, 9 ObA 131/05p. 22╇
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Freizeitgewährung bei Bestehen von Pensionsansprüchen
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beitgeber zu Unrecht entlassen wurde. In diesen Fällen hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Kündigungsentschädigung. Der Anspruch auf Kündigungsentschädigung versteht sich grundsätzlich als Schadenersatzanspruch im Umfang jenes Entgelts, das für den Zeitraum gebührt hätte, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit oder durch ordnungsgemäße Kündigung durch den Arbeitgeber hätte verstreichen müssen. Dieser Schadenersatzanspruch umfasst alle Leistungen, die der Arbeitnehmer bei Fortbestand des Dienstverhältnisses als Gegenleistung für seine Arbeit erhalten hätte. Einschränkungen der Arbeitspflicht während der fiktiven Kündigungsfrist, die bei aufrechtem Dienstverhältnis einen Entgeltfortzahlungsanspruch begründet hätten, stellen in diesem Zusammenhang keinen gesondert zu ersetzenden „Schaden“ dar, weil der Arbeitnehmer für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt, ohnehin fiktiv von der Arbeitspflicht freigestellt ist. Die bei aufrechtem Arbeitsverhältnis zu gewährende Lohnfortzahlung für Postensuche geht in der Kündigungsentschädigung auf.26
V. Freizeitgewährung bei Bestehen von Pensionsansprüchen Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer während der 17 Kündigungsfrist Freizeit zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung hat. Dabei spielt es keine Rolle, welcher Pensionsanspruch dem Arbeitnehmer zusteht. „Freizeitschädlich“ sind sowohl Alterspensionsansprüche als auch Pensionsansprüche wegen geminderter Arbeitsfähigkeit. Nach §Â€1160 Abs€3 soll Freizeit allerdings dann gewährt werden, wenn der 18 Arbeitnehmer wegen Inanspruchnahme einer Gleitpension gemäß §Â€253c ASVG gekündigt wurde. Diese sozialversicherungsrechtliche Bestimmung ist allerdings durch Art 73 des Budgetbegleitgesetzes 200327 mit 31. 12. 2003 aufgeÂ� hoben worden. §Â€1160 Abs€3 hat daher gegenwärtig keine praktische Bedeutung.28 Der Anspruch auf Freizeitgewährung bei Bestehen eines „Anspruches“ aus 19 der gesetzlichen Pensionsversicherung entfällt allerdings nur dann, wenn vom Pensionsversicherungsträger eine Bescheinigung über die vorläufige Krankenversicherung ausgestellt wurde. Gemäß §Â€10 Abs€7 ASVG ist eine derartige Bescheinigung auszustellen, wenn ein Antrag auf Pension gestellt wurde und die Zuerkennung der Pension wahrscheinlich ist. Bedenkt man, dass eine Freistellung nach §Â€ 1160 Abs€ 1 nur bei einer Arbeitgeberkündigung in Betracht kommt, hat §Â€1160 Abs€2 nur eine geringe praktische Bedeutung. Die Freistellung würde ja nur dann entfallen, wenn der vom Arbeitgeber gekündigte Arbeitnehmer sofort nach Zugang der Kündigung einen Pensionsantrag stellt oder wenn die Arbeitgeberkündigung eine Reaktion auf einen Pensionsantrag darstellt. In beiden Fällen muss die vorläufige Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen durch den Pensionsversicherungsträger abgewartet werden. Bei den Zutreffend OGH 23.10.2000, 8 ObA 174/00x; Brodil, ecolex 1998, 416. BGBl I 2003/71. 28╇ Vgl auch Reissner, ZellKomm §Â€22 AngG Rz 14. 26╇ 27╇
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kurzen Kündigungsfristen der §§Â€1159 ff wird in vielen Fällen eine Bescheinigung nach §Â€10 Abs€7 ASVG wohl erst nach Konsumation der Freizeit vorliegen. Die Sonderregelungen für den Fall des Pensionsantritts hatten größere 20 praktische Bedeutung, solange die Freizeitgewährung auch bei einer Arbeitnehmerkündigung vorgesehen war und der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine „Abfertigung alt“ – nach den Bestimmungen des AngG bzw des Arbeiterabfertigungsgesetzes – lukrieren konnte. Bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer steht nach §Â€23 Abs€7 AngG grundsätzlich kein Anspruch auf Abfertigung zu, dies gilt jedoch nicht, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis wegen Inanspruchnahme einer PenÂ� sion durch Kündigung zur Auflösung bringt (§Â€23a Abs€1 AngG). Von einer „Kündigung wegen Inanspruchnahme einer Pension“ kann nur dann gesprochen werden, wenn ein enger Zusammenhang zwischen Kündigung und Pensionierung besteht. Dieser Zusammenhang wird in der Regel durch einen Pensionsantrag nachgewiesen. Hatte der Arbeitnehmer aber einen Pensionsantrag gestellt, war auch eine Voraussetzung für die Ausstellung einer Bescheinigung nach §Â€10 Abs€7 ASVG erfüllt. Wurde die Bescheinigung vor Ablauf der Kündigungsfrist ausgestellt, bestand kein Anspruch auf Freizeitgewährung nach §Â€1160. Zu beachten ist allerdings, dass der Arbeitnehmer bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses Zeit hatte, das Vorliegen der „Inanspruchnahme der Pension“ (= Pensionsantrag) nachzuweisen.29 In diesem Fall war daher trotz Inanspruchnahme einer Pension Freizeit nach §Â€1160 zu gewähren.
VI. Unabdingbarkeit 21
Die Ansprüche des Arbeitnehmers nach §Â€ 1160 können gemäß §Â€ 1164 Abs€1 durch den Dienstvertrag oder durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung nicht aufgehoben oder beschränkt werden. §Â€1160 Abs€4 sieht allerdings vor, dass durch Kollektivvertrag abweichende Regelungen über die Freizeitgewährung während der Kündigungsfrist getroffen werden können. Beide Regelungen haben ihre geltende Fassung durch das Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 erhalten. Vergleicht man die beiden Regelungen, ist §Â€1160 Abs€4 als lex specialis zu verstehen. Der Anspruch auf Freizeitgewährung kann zwar weder durch den Einzelvertrag noch durch Betriebsvereinbarung abbedungen werden,30 die Kollektivvertragsparteien haben allerdings die Möglichkeit, den Anspruch auf Freizeitgewährung einzuschränken oder an Bedingungen zu knüpfen. Durch Kollektivvertrag kann daher zB bestimmt werden, dass Freizeit nur zur Postensuche gewährt wird.31
29╇
OGH 21.10.1998, 9 ObA 142/98t. Vgl OGH 7.9.2000, 8 ObS 13/00w, RdW 2001, 102. 31╇ Karl, AngG-Komm §Â€22 Rz 70. 30╇
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Allgemeines
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Insolvenzverfahren. §Â€ 1161. Welche Wirkungen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Dienstgebers auf das Dienstverhältnis hat, bestimmt die Insolvenzordnung. IdF BGBl I 2010/58 (IRÄ-BG). Mat: NR RV 771 BlgNR 24. GP, JAB 840 BlgNR 24. GP; BR AB 8380 BlgBR. Lit: Karner, IRÄG 1997: Neuregelungen für Arbeitnehmer, ecolex 1997, 782; Konecny, Beendigungsansprüche der Arbeitnehmer im Konkurs, ZIK 1997, 160; Grießer, Die wesentlichen arbeitsrechtlichen Änderungen des IRÄG 1997, ZAS 1998, 1; Nunner, Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Konkurs nach dem IRÄG 1997, wbl 1997, 315; Liebeg, Die Rechtsstellung der Arbeitnehmer in Insolvenzverfahren nach dem IRÄG 1997, RdW 1997, 540; Weber, Arbeitsverhältnisse in Insolvenzverfahren (1997); Weber, Beendigung der Arbeitsverhältnisse im Konkurs nach dem IRÄG 1997, ZIK 1997, 120; Holzer, Insolvenz und Arbeitsverhältnis, DRdA 1998, 325, 393; Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz (1999); C. Graf, EU-Insolvenzverordnung und Arbeitsverhältnis, ZAS 2002, 173; Weber-Wilfert, IRÄG 2010: Austritt wegen Entgeltvorenthaltens in der Insolvenz, RdW 2010, 350.
Übersicht I. II.
Allgemeines Auflösung der Arbeitsverhältnisse 1. Insolvenzspezifische Auflösungsmöglichkeiten 2. Allgemeine Lösungsrechte III. Forderungen der Arbeitnehmer 1. Ansprüche auf laufendes Entgelt 2. Beendigungsansprüche
1–6 7–21 7–16 17–21 22–28 22 23–28
I. Allgemeines Das ABGB enthält keine spezifischen Regelungen für den Fall, dass über 1 das Vermögen des Arbeitgebers ein Insolvenzverfahren eingeleitet wird. §Â€1161 verweist lediglich auf die Vorschriften der Insolvenzordnung (IO). Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hat grundsätzlich keine unmittel- 2 baren Auswirkungen auf den Bestand der Arbeitsverhältnisse mit dem insolvent gewordenen Arbeitgeber.1 Die Arbeitsverhältnisse werden durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht automatisch beendet. Die InsolvenzÂ� eröffnung bewirkt, dass dem Schuldner die Verfügung über sein gesamtes Vermögen entzogen wird. Die Verfügungsgewalt über das Vermögen wird dem Insolvenzverwalter übertragen. Rechtsstreitigkeiten, die die Geltendmachung oder Sicherstellung von Ansprüchen auf das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen bezwecken, können gegen den Schuldner weder anhängig gemacht 1╇ Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn über das Vermögen des Arbeitnehmers ein Insolvenzverfahren eröffnet wird.
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noch fortgesetzt werden. Der Insolvenzverwalter übt auch die Funktion des Arbeitgebers aus, ohne allerdings selbst Arbeitgeber zu werden.2 Der Insolvenzverwalter hat sich unverzüglich genaue Kenntnis über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu verschaffen; er hat insbesondere zu prüfen, ob das Unternehmen fortgeführt oder wieder eröffnet werden kann (§Â€81a Abs€3 IO). Kommt der Insolvenzverwalter zur Auffassung, dass eine Fortführung des Unternehmens wirtschaftlich untragbar ist, hat er das Unternehmen nach Bewilligung durch das Insolvenzgericht zu schließen. Die Schließung des Unternehmens darf nur dann angeordnet oder bewilligt werden, wenn feststeht, dass anders eine Erhöhung des Ausfalls, den die Insolvenzgläubiger erleiden, nicht vermeidbar ist. Als vermeidbar ist die Erhöhung des Ausfalls dann anzusehen, wenn sich ein Dritter verpflichtet, den Insolvenzgläubigern für den Ausfall zu haften, den diese auf Grund der Fortführung erleiden können. Ist eine Fortführung möglich, so ist das Unternehmen bis zur Berichtstagsatzung fortzuführen. Die Berichtstagsatzung – eine Versammlung der Gläubiger – ist vom Gericht spätestens 90 Tage nach Insolvenzeröffnung anzuberaumen (§Â€ 91a IO). In dieser Berichtstagsatzung hat der Insolvenzverwalter zu berichten, ob die Voraussetzungen für eine sofortige Schließung des gesamten Unternehmens oder für eine Fortführung gegeben sind. Kann das Unternehmen fortgeführt werden, ist weiters zu prüfen, ob die Erfüllung eines Sanierungsplanes möglich ist und dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger entspricht (§Â€114b IO). Wenn die Voraussetzungen für die Fortführung gegeben sind und ein voraussichtlich erfüllbarer Sanierungsplan dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger entspricht, hat das Insolvenzgericht nach Anhörung der Insolvenzgläubiger mit Beschluss die Fortführung auszusprechen und dem Schuldner auf dessen Antrag eine Frist zum Sanierungsplanantrag einzuräumen. Wird innerhalb von 90 Tagen ein Sanierungsplan nicht angenommen, so hat das Insolvenzgericht die Schließung des Unternehmens anzuordnen oder zu bewilligen.
II. Auflösung der Arbeitsverhältnisse 1. Insolvenzspezifische Auflösungsmöglichkeiten 7
Wird das Unternehmen fortgeführt, müssen auch die vom Schuldner begründeten Rechtsverhältnisse vom Insolvenzverwalter fortgesetzt werden. Der Insolvenzverwalter ist auch berechtigt, Arbeitnehmer während des Insolvenzverfahrens neu einzustellen.3 Dem Schuldner steht dieses Recht nicht zu; vom Schuldner abgeschlossene „neue“ Arbeitsverträge sind den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam; während des Insolvenzverfahrens vorgenommene 2╇ §Â€25 Abs 1 IO. In der Kompetenz des Schuldners bleiben lediglich Rechtshandlungen, die die Masse überhaupt nicht betreffen; vgl zum Problem der Ausstellung von Dienstzeugnissen §Â€1163 Rz 14. 3╇ Dies wird dann sinnvoll sein, wenn das Unternehmen auf längere Zeit fortgeführt werden kann.
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Auflösung der Arbeitsverhältnisse
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Rechtshandlungen des Schuldners können erst nach Insolvenzaufhebung wirksam werden.4 Können die Arbeitsplätze nicht auf Dauer garantiert werden, muss der Insolvenzverwalter die Beendigung der Arbeitsverhältnisse ins Auge fassen. Auch den Arbeitnehmern kann nicht zugemutet werden, sich für längere Zeit an ein insolventes Unternehmen zu binden, dessen Fortbestand in Schwebe ist. Die Insolvenzordnung bietet differenzierte Lösungsmöglichkeiten für den Insolvenzverwalter und die Arbeitnehmer. Hat der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis noch nicht angetreten, können sowohl der Insolvenzverwalter als auch der Arbeitnehmer vom Vertrag zurücktreten.5 Ist das Arbeitsverhältnis bereits angetreten worden, so kann es vom Arbeitnehmer a) innerhalb eines Monats nach öffentlicher Bekanntmachung des Beschlusses mit dem die Schließung des Unternehmens oder eines Unternehmensbereichs angeordnet, bewilligt oder festgestellt wird oder b) innerhalb eines Monats nach der Berichtstagsatzung, sofern das Gericht nicht die Fortführung des Unternehmens beschlossen hat, c) im vierten Monat nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn bis dahin keine Berichtstagsatzung stattgefunden hat und die Fortführung nicht in der Insolvenzdatei bekannt gemacht wurde, durch vorzeitigen Austritt beendet werden. Wird das Unternehmen fortgeführt, steht dem Arbeitnehmer kein Austrittsrecht zu.6 Der Insolvenzverwalter kann das Arbeitsverhältnis innerhalb dieser Fristen unter Einhaltung der gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder der zulässigerweise vereinbarten kürzeren Kündigungsfrist unter Bedachtnahme auf die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen zur Auflösung bringen.7 Bei diesem Lösungsrecht des Insolvenzverwalters handelt es sich inhaltlich um eine Kündigung eigener Art.8 Die Kündigungsmöglichkeit besteht auch bei solchen Arbeitsverhältnissen, die an sich durch Kündigung nicht aufgelöst werden dürfen (zB befristete Arbeitsverhältnisse, Arbeitsverhältnisse mit vertraglicher Unkündbarkeit). Bei Arbeitnehmern mit besonderem gesetzlichem Kündigungsschutz ist die Frist gewahrt, wenn die Klage des Insolvenzverwalters auf Zustimmung zur Kündigung fristgerecht eingebracht worden ist. Gleiches gilt für die Anzeigeverpflichtung nach §Â€45a AMFG. Werden die Arbeitsverhältnisse vom Insolvenzverwalter gekündigt, haben die Arbeitnehmer das Recht zum vorzeitigen Austritt während der Kündigungsfrist.9 Strittig war vor dem In-Kraft-Treten des IRÄG 2010,10 zu welchem Zeitpunkt die Frist zur begünstigten Lösung zu laufen beginnt. Diese Frage hatte vor allem dann praktische Relevanz, wenn in der Berichtstagsatzung kein Be4╇
OGH 8.5.1991, 8 Ob 655/90, RdW 1991, 288. Vgl zum Rücktrittsrecht des Masseverwalters OGH 6.7.1965, 5 Ob 146/65, SZ 38/1; Reissner, ZellKomm §Â€ 21 KO Rz 5. Dieser Grundsatz gilt für alle Arten von Arbeitsverträgen; vgl Holzer, DRdA 1998, 328. 6╇ Vgl Holzer, DRdA 1998, 393. 7╇ §Â€25 IO. 8╇ Wachter, ZAS 1972, 90; Holzer, DRdA 1998, 328. 9╇ §Â€25 Abs 1b IO. 10╇ BGBl I 2010/29. 5╇
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schluss zur Fortführung, aber auch kein Beschluss auf sofortige Schließung des Unternehmens gefasst wurde. Diese Situation konnte zB eintreten, wenn sich aus dem Bericht des Insolvenzverwalters eine negative Unternehmensprognose ergab und die Fortführung des Unternehmens nur im Falle des Erlages einer Kaution möglich war. §Â€114b KO in der Fassung vor dem In-Kraft-Treten des IRÄG 2010 war in sich widersprüchlich. Zum einen sah das Gesetz ausdrücklich auch die befristete Fortführung des Unternehmens vor, eine ausdrückliche Beschlussfassung war aber nur für den Fall der Fortführung auf unbestimmte Zeit vorgesehen.11 In seiner älteren Rechtsprechung hatte der OGH die Auffassung vertreten, 13 solange nicht endgültig feststehe, ob eine Unternehmensschließung, eine befristete oder eine auf einstweilen unbestimmte Zeit unbefristete Unternehmensfortführung beschlossen wird, könne die Monatsfrist für das begünstigte Lösungsrecht nach §Â€25 KO aF grundsätzlich nicht zu laufen beginnen.12 Wurde eine befristete Unternehmensfortführung zwar nach der Berichtstagsatzung, aber noch innerhalb der Frist von 90 Tagen gefällt, begann die Monatsfrist des §Â€25 Abs€1 KO aF mit der Veröffentlichung des Beschlusses über die befristete Fortführung.13 Wurde innerhalb der 90-Tage-Frist des §Â€91a KO kein Beschluss über eine allfällige Fortführung des Unternehmens gefasst, begann die Monatsfrist des §Â€25 Abs€1 KO aF nach Ablauf von 90 Tagen nach Eröffnung des Konkurses. In seiner neueren Rechtsprechung hat der OGH jedoch ausgesprochen, es 14 sei zwar richtig, dass weder der Insolvenzverwalter noch der Arbeitnehmer das Beschäftigungsverhältnis beenden dürfen, bis Klarheit über das Unternehmensschicksal besteht, der entscheidende Zeitpunkt sei aber jener der Berichtstagsatzung, in der zu beurteilen ist, ob eine unbefristende Fortführung möglich erscheint oder nicht. Wurde in der Berichtstagsatzung ein kundzumachender Beschluss über die Fortführung des Unternehmens auf einstweilen unbestimmte Zeit nicht gefasst, so lief die Monatsfrist des §Â€25 Abs€1 Z 2 KO aF mit dem Abschluss der Berichtstagsatzung.14 Das IRÄG 2010 hat die Unterscheidung zwischen befristeter und unbefriste15 ter Unternehmensfortführung aufgegeben. Das Austritts- bzw Kündigungsrecht steht nunmehr den Parteien innerhalb eines Monats nach der Berichtstagsatzung zu, wenn dort kein Beschluss auf Fortführung des Unternehmens gefasst wurde. Wurde ein Beschluss auf Fortführung des Unternehmens gefasst, kann das Austritts- bzw Kündigungsrecht erst dann realisiert werden, wenn in der Folge die Schließung angeordnet wird. Hat innerhalb der gesetzlichen Frist keine Berichtstagsatzung stattgefunden, kann das Arbeitsverhältnis im vierten Monat nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelöst werden, sofern die Fortführung des Unternehmens nicht öffentlich (in der Insolvenzdatei) bekannt gemacht wurde.15 So Konecny, Berichtstagsatzung und Lauf der Monatsfrist gem §Â€25 KO, ZIK 2004/236. OGH 29.4.2004, 8 ObS 5/04z, DRdA 2005/11 (Anzenberger). 13╇ Das Lösungsrecht nach §Â€25 KO entstand auch bei bloß befristet bewilligter Unternehmensfortführung. 14╇ OGH 11.5.2006, 8 ObA 36/06m. 15╇ §Â€25 Abs 1 Z€3 IO. Dies könnte zB der Fall sein, wenn ein vor der Berichtstagsatzung geschlossenes Unternehmen wieder eröffnet wird; vgl §Â€114a Abs 2 IO. 11╇
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Die begünstigte Lösungsmöglichkeit soll grundsätzlich nur jenen Arbeit- 16 nehmern oder bezüglich jener Arbeitnehmer offenstehen, die von der Unternehmensschließung unmittelbar betroffen sind. Wurde nicht die Schließung des gesamten Unternehmens, sondern nur eines Unternehmensbereiches angeordnet, steht das Austrittsrecht nur den Arbeitnehmern zu, die in dem betreffenden Unternehmensbereich beschäftigt sind. Das Kündigungsrecht des Insolvenzverwalters bezieht sich nur auf solche Arbeitnehmer. Hat das Gericht in der Berichtstagsatzung die Fortführung des Unternehmens beschlossen, kann der Insolvenzverwalter nur Arbeitnehmer kündigen, die in einzuschränkenden Bereichen beschäftigt sind. Ein besonderes Austrittsrecht für die in einzuschränkenden Bereichen beschäftigten Arbeitnehmer sieht das Gesetz nicht vor. 2. Allgemeine Lösungsrechte Neben den insolvenzspezifischen Lösungsrechten stehen den Vertragspar- 17 teien auch die allgemeinen arbeitsrechtlichen Auflösungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Arbeitnehmer können – ebenso wie der Insolvenzverwalter – ein unbefristetes Arbeitsverhältnis durch Kündigung beenden. Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes (§Â€1162) kann das Arbeitsverhältnis von beiden Teilen mit sofortiger Wirkung aufgelöst werden. Ein wichtiger Grund, der den Arbeitnehmer zur Auflösung berechtigt, liegt 18 im Vorenthalten des Entgelts. Hat der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis nach Insolvenzeröffnung fortgeführt, ist er auch zur Lohnzahlung verpflichtet. Kommt er damit schuldhaft in Verzug, steht dem Arbeitnehmer das Recht zum vorzeitigen Austritt zu. Fraglich war, ob die Arbeitnehmer auch Lohnrückstände, die vor Konkurs- 19 bzw Insolvenzeröffnung entstanden sind, zum Anlass eines vorzeitigen Austritts nehmen dürfen. Der OGH vertrat zu Recht die These, dass die Nichtzahlung von Lohnrückständen aus der Zeit vor Konkurs(Insolvenz)eröffnung durch den Insolvenzverwalter keinen Austrittsgrund darstellt, weil der Insolvenzverwalter nicht berechtigt ist, Arbeitnehmerforderungen außerhalb des Insolvenzverfahrens zu befriedigen.16 Dies sollte allerdings nicht gelten, wenn den Arbeitnehmern ein drohendes oder bereits eröffnetes Insolvenzverfahren nicht bekannt war und auch nicht bekannt sein musste.17 Im Anlassfall hatten die Arbeitnehmer den Austritt zunächst nur angedroht und am Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Schuldner erklärt. Der Schuldner hatte die Arbeitnehmer auf das drohende Insolvenzverfahren, das von ihm selbst beantragt wurde, nicht hingewiesen und den Arbeitnehmern war die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch nicht bekannt. Der OGH wies in der genannten Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass mit größer werdendem zeitlichem Abstand einer Austrittserklärung zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Informationsmöglichkeiten und daher die Pflicht des Arbeitnehmers zur Information zunehmen. Der Austritt wegen Lohnrückständen vor 16╇ Vgl zB OGH 24.6.1999, 8 ObA 298/98a. Dies galt auch bei Eröffnung eines Ausgleichsverfahrens; 3.11.1999, 9 ObA 189/99f, DRdA 2000, 404/47 (Gahleitner). 17╇ OGH 5.9.2001, 9 ObA 132/01d.
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Konkurs(Insolvenz)eröffnung konnte also nur dann als berechtigt angesehen werden, wenn er gleichsam „uno actu“ mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärt wurde. Hatten die Arbeitnehmer Informationsmöglichkeiten über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und erklärten sie dennoch den vorzeitigen Austritt gegenüber dem Insolvenzverwalter wegen offener Lohnforderungen vor Insolvenzeröffnung, war der Austritt zwar rechtswirksam, aber rechtswidrig. Nunmehr bestimmt §Â€25 Abs€3 IO ausdrücklich, dass ein Austritt nach Er20 öffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam ist, wenn er nur darauf gestützt wird, dass dem Arbeitnehmer das vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zustehende Entgelt ungebührlich geschmälert oder vorenthalten wurde. Der Gesetzgeber des IRÄG 2010 hat sich also nicht damit begnügt, die Rechtswidrigkeit des Austritts anzuordnen bzw festzuschreiben; der Austritt soll nicht bloß rechtswidrig, sondern rechtsunwirksam sein. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen. Die Rechtsunwirksamkeit des Austritts bewahrt den Arbeitnehmer vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, wenn er – aus Unkenntnis des geltenden Insolvenzrechts – einen rechtswidrigen Austritt erklärt, der aus seiner Sicht gerechtfertigt erschien. Dies war offenkundig die Absicht, die mit §Â€25 Abs€3 IO idF des IRÄG 2010 verfolgt wurde. Die Anordnung der Rechtsunwirksamkeit der Auflösung hat aber noch eine weitere Konsequenz. Bleibt nämlich das Arbeitsverhältnis aufrecht, kann auch der Insolvenzverwalter die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers verlangen. Dies muss nicht in jedem Fall im Interesse des Arbeitnehmers liegen.18 Einer gerichtlichen Durchsetzung des Weiterbeschäftigungsanspruches durch den Insolvenzverwalter steht faktisch entgegen, dass der Arbeitnehmer nicht gehindert ist, den wegen eines Lohnrückstandes unwirksamen Austritt durch einen zwar rechtswidrigen, aber rechtswirksamen unbegründeten Austritt zu ersetzen. Man wird daher annehmen müssen, dass die Rechtsunwirksamkeit der Auflösung nur vom Arbeitnehmer selbst geltend gemacht werden kann. Der Arbeitnehmer kann die an sich rechtsunwirksame Auflösung aber auch gegen sich gelten lassen. In diesem Fall ist die Beendigung allerdings als unbegründete Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu werten. Probleme entstehen, wenn der Arbeitnehmer den offenen Lohn noch vor 21 Insolvenzeröffnung eingefordert und dem Arbeitgeber eine Nachfrist zur Befriedigung gesetzt hat. Wird das Insolvenzverfahren während dieser Nachfrist eröffnet, stellt sich die Frage, ob der mit Ablauf der Nachfrist erklärte Austritt dennoch wirksam bleibt. Nach Meinung des OGH kann eine vor Insolvenzeröffnung abgegebene Erklärung (Setzen einer Nachfrist zur Befriedigung der offenen Ansprüche) nach Insolvenzeröffnung vom Insolvenzverwalter nicht so verstanden werden, dass der Austritt auch für den Fall einer geänderten Situation (Insolvenzeröffnung) erklärt wird, in der die Zahlung des Rückstandes rechtlich nicht mehr möglich ist. Die Austrittserklärung wird durch die Insolvenzeröffnung „überholt“. Das Arbeitsverhältnis bleibt daher weiterhin bestehen.19 Diese Judikatur wird durch §Â€25 Abs€3 IO bestätigt. 18╇ 19╇
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Vgl dazu Weber-Wilfert, RdW 2010, 351. OGH 8.5.2002, 9 ObA 53/02p.
Forderungen der Arbeitnehmer
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III Forderungen der Arbeitnehmer 1. Ansprüche auf laufendes Entgelt Gemäß §Â€46 IO sind Forderungen der Arbeitnehmer auf laufendes Entgelt 22 (einschließlich der Sonderzahlungen) für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung in jedem Fall Masseforderungen. Ansprüche auf laufendes Entgelt, die für Arbeitsleistungen vor der Insolvenzeröffnung gebühren, sind demgegenüber Insolvenzforderungen. 2. Beendigungsansprüche Wird das Arbeitsverhältnis nach Insolvenzeröffnung gemäß §Â€25 Abs€1 IO gelöst, so kann der Arbeitnehmer den Ersatz des verursachten Schadens als Insolvenzforderung verlangen. Nicht entscheidend ist, ob das Arbeitsverhältnis vom Insolvenzverwalter oder vom Arbeitnehmer aufgelöst wird. Hat der Insolvenzverwalter von seinem begünstigten Auflösungsrecht Gebrauch gemacht, kann der Arbeitnehmer die vertragsmäßigen Ansprüche auf das Entgelt für jenen Zeitraum geltend machen, der bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ordentliche Kündigung oder durch Zeitablauf hätte verstreichen müssen. Darüber hinaus steht dem Arbeitnehmer der höhere Abfertigungsanspruch (alt) zu, der sich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ordentliche Kündigung ergeben hätte. Ebenso ist ein während der fiktiven Kündigungsfrist neu entstandener Urlaubsanspruch zu entschädigen. Tritt der Arbeitnehmer gemäß §Â€25 IO vorzeitig aus, so steht ihm ebenfalls der Anspruch auf Kündigungsentschädigung zu. Der Arbeitnehmer soll offenkundig auch bei einem in seinem Interesse gelegenen Austritt so gestellt werden, wie er bei einer ordentlichen Kündigung seitens des Arbeitgebers gestellt wäre. Beendigungsansprüche sind auch dann Insolvenzforderungen, wenn die Auflösungserklärung schon vor Insolvenzeröffnung rechtswirksam abgegeben wurde oder wenn das Beschäftigungsverhältnis nach Insolvenzeröffnung vom Arbeitnehmer durch eine „normale“ (dh nicht begünstigte) Auflösung beendet wird, es sei denn, die Auflösung ist auf eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters oder auf ein sonstiges Verhalten des Insolvenzverwalters zurückzuführen (§Â€51 Abs€2 Z 2 lit c IO). Bis zum In-Kraft-Treten des IRÄG 2010 war es unerheblich, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet wurde. Dies bedeutete, dass Beendigungsansprüche, die aus einem vom Insolvenzverwalter verschuldeten Austritt des Arbeitnehmers (zB wegen Nichtzahlung des laufenden Entgelts nach Insolvenzeröffnung) oder aus der Mitwirkung des Insolvenzverwalters an einer einvernehmlichen Auflösung resultierten, auch dann Masseforderungen darstellten, wenn eine Beendigung nach §Â€25 KO möglich gewesen wäre.20 Nunmehr bestimmt §Â€51 Abs€2 Z 2 lit b IO, dass Ansprüche aus der Beendigung „nach §Â€25“ auch dann Insolvenzforderungen bleiben, wenn das Arbeitsverhältnis vom Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist wegen Nichtzahlung 20╇
OGH 16.11.2005, 8 ObA 59/05t.
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des Entgelts durch den Insolvenzverwalter aufgelöst wurde. Die Rechtshandlung des Insolvenzverwalters (Vorenthalten des Entgelts) ändert daher nichts an der Zuordnung der Beendigungsansprüche zu den Insolvenzforderungen, die ja bereits durch die Beendigung nach §Â€25 IO begründet wurden. Beendigungsansprüche behalten auch dann ihre Qualität als Insolvenzfor27 derung, wenn der Insolvenzverwalter ausdrücklich auf §Â€25 IO Bezug nimmt, allerdings einen falschen Kündigungstermin oder eine falsche Kündigungsfrist angibt.21 Beendigungsansprüche sind ferner dann Masseforderungen, wenn das Be28 schäftigungsverhältnis vor Insolvenzeröffnung eingegangen wurde und danach vom Insolvenzverwalter durch eine insolvenzrechtlich nicht begünstigte Auflösung (ordentliche Kündigung, Entlassung) beendet wurde. Masseforderungen sind schließlich alle Beendigungsansprüche, wenn das Beschäftigungsverhältnis während des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter neu eingegangen wurde (§Â€46 Abs€1 Z 3a IO).
Vorzeitige Auflösung. §Â€1162. Das Dienstverhältnis kann, wenn es für bestimmte Zeit eingegangen wurde, vor Ablauf dieser Zeit, sonst aber ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist von jedem Teile aus wichtigen Gründen gelöst werden. IdF RGBl 1916/69 (III. Teilnovelle). Mat: 78 BlgHH, 21. Session 1912. Lit: Binder, Die Beendigung arbeitsvertraglicher Bindungen bei Eintritt dauernder Leistungsunmöglichkeit, FS Strasser (1983) 271; Tomandl, Einschränkungen des Entlassungsrechtes durch kollektivvertragliche Disziplinarordnungen – dargestellt am Beispiel des Kollektivvertrages der Versicherungsangestellten, RdW 1983, 108; Fenyves, Bewegliches System und die Konkretisierung der „wichtigen Gründe“ bei Auflösung von Dauerschuldverhältnissen, in Bydlinski ua (Hrsg), Das bewegliche System im geltenden und künftigen Recht (1986) 141; Dusak, Die arbeitsrechtliche Relevanz außerdienstlichen Verhaltens, RdW 1988, 355; Grassl-Palten, Der Untergang des Entlassungsrechts, ZAS 1989, 1; Wachter, Bemerkungen zum Austrittsgrund der Arbeitsunfähigkeit bzw Gesundheitsgefährdung, DRdA 1989, 179; Mosler, Austritt wegen Gesundheitsgefährdung – eine Analyse der neueren Rechtsprechung, DRdA 1990, 195; Schramm, Der arbeitsrechtliche Unverzüglichkeitsgrundsatz (1995); Rauch, Beleidigungen im Arbeitsrecht, ASoK 2000, 171; Lindmayr, Die Entlassung (2002); Schrank, Schuldhaftes Arbeitnehmerverhalten bei Krankenständen und Krankschreibungen, ZAS 2003, 158; Trattner, Der vorzeitige Austritt, ASoK 2003, 4.
Übersicht I. Allgemeines II. Unverzüglichkeitsgrundsatz 21╇
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OGH 29.3.2001, 8 ObS 291/00b.
1–9 10–17
Allgemeines
II.
Wichtige Gründe 1. Allgemeines 2. Verschuldensunabhängige Auflösungsgründe a) Dienstunfähigkeit b) Längere Abwesenheit vom Dienst 3. Verschuldensabhängige Auflösungsgründe a) Vorenthalten des Entgelts b) Verletzung der Arbeitspflicht c) Verletzung von arbeitsvertraglichen Nebenpflichten d) Tätlichkeiten, Ehrverletzungen IV. Vertragliche Gestaltung der Auflösungsgründe 1. Zwingende Wirkung 2. Disziplinarstrafen a) Begriff b) Überprüfung der Disziplinarstrafe
§ 1162 18−63 18–20 21–31 21–27 28–31 32–63 33–39 40–47 48–54 55–63 64–74 64 65–74 65–68 69–74
I. Allgemeines Nach hA ist jedem Dauerschuldverhältnis eine vorzeitige Auflösung aus 1 wichtigem Grund schon seinem Wesen nach immanent.1 Alle Dauerschuldverhältnisse können von jedem Vertragsteil vorzeitig gelöst werden, wenn ein so wichtiger Grund eintritt, dass der Vertragspartei die Aufrechterhaltung des Vertrages nicht einmal bis zum Ablauf der vorgesehenen Befristung oder der Kündigungsfrist zugemutet werden kann.2 Die vom Arbeitgeber erklärte Auflösung des Vertrages wird üblicherweise als Entlassung, die Auflösung durch den Arbeitnehmer als vorzeitiger Austritt bezeichnet. Entlassung und Austritt sind einseitige Willenserklärungen, die das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang3 beim Erklärungsempfänger beenden. Auch bereits im Auflösungsstadium befindliche Arbeitsverhältnisse können durch Entlassung oder Austritt vorzeitig beendet werden. Für die Frage der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ist es rechtlich belanglos, welche Zeitspanne im Einzelfall bis zum Ende der Vertragszeit, bis zum nächstmöglichen Kündigungstermin oder bis zum Ende einer bereits laufenden Kündigungsfrist tatsächlich noch verstreichen müsste. Eine Entlassung kann daher auch noch am letzten Tag eines Arbeitsverhältnisses ausgesprochen werden.4 Nicht entscheidend für eine Beendigung aus wichtigem Grund ist, ob das 2 Arbeitsverhältnis bereits angetreten wurde. Es ist allerdings denkbar, dass die Auflösung vor Antritt des Dienstes anders behandelt wird als die Auflösung nach Dienstantritt. Wenn der Gesetzgeber – wie im ABGB – keine Unterscheidung trifft, gelten die „allgemeinen“ Grundsätze über die Auflösung des Rechtsverhältnisses aus wichtigem Grund in gleicher Weise für Arbeitsverhältnisse im Erfüllungsstadium wie für noch nicht angetretene Arbeitsverhältnisse. 1╇
OGH 8.11.1989, 9 ObA 239/89. Vgl OGH 17.3.1981, 4 Ob 17/81, Arb 9943; 25.3.1980, 4 Ob 42/80, Arb 9863. 3╇ Vgl zum Zugang der Erklärung §Â€1158 Rz 77 ff. 4╇ OGH 13.1.1976, 4 Ob 71/75, Arb 9431. 2╇
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Mit Zugang der Auflösungserklärung ist das Arbeitsverhältnis beendet. Allerdings treffen auch im Falle der vorzeitigen Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses beide Parteien Pflichten zu gegenseitiger Rücksichtnahme auf die beiderseitigen Interessen; sie haben die mit einer Auflösung des Rechtsverhältnisses verbundene Rückabwicklung so vorzunehmen, dass daraus keinem Teil ein Schaden entsteht, der mit kurzfristigen zumutbaren Maßnahmen leicht vermeidbar wäre. Im Rahmen dieser Pflichten hat daher der Arbeitnehmer für die Sicherung und das Zurückbringen der ihm anvertrauten Güter und Arbeitsgeräte zu sorgen, Belege auszufolgen und notwendige Endabrechnungen durchzuführen; der Arbeitgeber hat beispielsweise für die Rückbeförderung des Arbeitnehmers von einer auswärtigen Arbeitsstelle zu sorgen, wenn der Arbeitnehmer dorthin mit dem Firmenfahrzeug gebracht worden ist.5 Austritt und Entlassung sind nach §Â€1162 an keine bestimmte Form gebunden, sie können also mündlich oder schriftlich erklärt werden. Schriftformgebote sind allerdings in Sondergesetzen (zB BAG, VBG) vorgesehen. Im Anwendungsbereich dieser Gesetze sind mündlich ausgesprochene vorzeitige Auflösungen rechtsunwirksam; sie führen somit nicht die beabsichtigten Rechtswirkungen, nämlich Auflösung des Arbeitsverhältnisses, herbei.6 Aus der dem Vertragspartner zugegangenen Erklärung muss hervorgehen, dass der Erklärende das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung auflösen möchte. Dieser Auflösungswille wird jedenfalls erkennbar sein, wenn die Erklärung ausdrücklich als „Entlassung“ oder „Austritt“ bezeichnet wird. Der Auflösungswille kann sich aber auch aus einem bestimmten Verhalten der Partei ergeben, wenn der Erklärungsempfänger dieses Verhalten bei objektiver Würdigung zweifelsfrei als sofortige Auflösung des Vertrages verstehen muss. Die Judikatur hat zB das Hinwerfen des Werkzeuges, das Ausziehen der Arbeitskleidung und das Verlassen des Arbeitsraumes mit der Erklärung, der Dienstgeber solle sich seinen Dreck alleine machen, als Austrittserklärung gewertet.7 Auch die Aufforderung „Geben Sie mir die Arbeitspapiere“ wurde als Austrittserklärung verstanden,8 ebenso das Verlassen des Arbeitsplatzes unter Mitnahme der persönlichen Gegenstände.9 Hingegen wurde das Verlassen des Arbeitsplatzes auf die Frage des Arbeitgebers, ob der Arbeitnehmer jetzt gehe oder ob er eigenhändig hinausgeworfen werden müsse, zu Recht nicht als Austritt betrachtet.10 Als Entlassungserklärung wurde die Aufforderung an den Arbeitnehmer gewertet, er solle die Papiere holen, die Arbeit sei beendet, er müsse jetzt „stempeln“ gehen.11 Auch die nach einem Streit vom Arbeitgeber ausgesprochene Aufforderung zum sofortigen Verlassen des Betriebes bewirkt die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses.12 Wenn der Arbeitnehmer nach ei5╇
OGH 25.9.1991, 9 ObA 192/91. OGH 22.12.1999, 8 ObA 209/99i; vgl zur Schriftlichkeit auch §Â€1158 Rz 67. 7╇ LG Wien 6.3.1958, 44 Cg 37/58, Arb 6817. 8╇ OGH 24.4.1956, 4 Ob 195/55, Arb 6412. 9╇ OGH 10.10.1990, 9 ObA 239/90. 10╇ LG Wien 21.6.1965, 44 Cg 79/65, SozM III B 147. 11╇ OGH 28.11.1961, 4 Ob 132/61, Arb 7462. 12╇ OGH 25.8.1959, 4 Ob 88/59, Arb 7098. 6╇
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ner Diskussion mit dem Arbeitgeber erklärt: „Sagen Sie gleich, ich bin entlassen“, so ist dies noch nicht als Austrittserklärung aufzufassen. Mit der vom Arbeitgeber abgegebenen Erklärung: „Sie nehmen mir die Worte aus dem Mund“ wird vom Arbeitgeber klar gestellt, dass der Arbeitnehmer die vorangegangene Kritik des Arbeitgebers richtig als Entlassung aufgefasst hat.13 Keine Entlassungserklärung ist hingegen die bloße Abmeldung von der 8 Krankenkasse14 oder die Bemerkung „Wenn es Ihnen nicht passt, können Sie ja gehen“.15 Auch die Bemerkung „Verschwinden Sie“ nach einem Vorhalt des Arbeitnehmers, er werde am nächsten Tag bei seiner Interessenvertretung vorsprechen, wurde nicht als Entlassungserklärung gewertet.16 Im Anlassfall wurde diese Erklärung nach Dienstschluss abgegeben; der OGH leitete daraus ab, dass der Arbeitnehmer diese Bemerkung daher nicht als Aufforderung verstehen konnte, er solle die Arbeitsstelle während der Dienstzeit verlassen.17 Der wichtige Grund, der zur vorzeitigen Auflösung des Vertrages berech- 9 tigt, muss in der Erklärung nicht angegeben werden.18 Es genügt, wenn im Zeitpunkt der Auflösung tatsächlich ein wichtiger Grund vorliegt und die Auflösung auf einen derartigen Grund gestützt wird.
II. Unverzüglichkeitsgrundsatz Da das Auflösungsrecht seinen Grund in der Unzumutbarkeit der Weiter- 10 beschäftigung hat, muss die vorzeitige Auflösung unverzüglich, dh ohne schuldhafte Verzögerung, vorgenommen werden.19 Der im Falle der Säumigkeit eintretende Verlust des Rechts zur vorzeitigen Auflösung des Arbeitsvertrages ergibt sich daher unmittelbar aus den gesetzlichen Regelungen über die vorzeitige Vertragsauflösung.20 Die Arbeitsvertragsparteien haben keine Pflicht zur Entlassung bzw zum Austritt, wenn der andere Vertragsteil ein „beendigungswürdiges“ Verhalten gesetzt hat. Die Vertragsparteien können dieses Verhalten hinnehmen oder anstelle der vorzeitigen Auflösung eine Kündigung ins Auge fassen. Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer weiter beschäftigt, obwohl dieser einen Entlassungsgrund gesetzt hat, gibt er damit zu erkennen, dass ihm der Entlassungsgrund nicht wichtig genug ist, das Arbeitsverhältnis sofort zu beenden.21 Gleiches gilt für den Arbeitnehmer, der seine Dienste weiter anbietet, obwohl ein Austrittsgrund verwirklicht ist. Der unverzügliche Ausspruch einer vorzeitigen Auflösung ist daher eine den Auflösungsberechtigten belastende Aufgriffsobliegenheit, deren Verletzung zum Untergang des Auflösungsrechts im konkreten Fall ohne Rücksicht darauf führt, ob die sofor13╇
OGH 22.12.1993, 9 ObA 223/93. OGH 1.12.1953, 4 Ob 216/53, Arb 5877. 15╇ KG Wiener Neustadt 5.12.1973, 2 Cg 10/73, Arb 9217. 16╇ OGH 10.4.2003, 8 ObA 20/03d. 17╇ Vgl die oben zitierte Entscheidung des OGH 25.8.1959, 4 Ob 88/59, Arb 7098. 18╇ OGH 14.6.1955, 4 Ob 73/55, Arb 6250. 19╇ Vgl dazu allgemein Schramm, Unverzüglichkeit, und Grassl-Palten, ZAS 1989, 1 ff. 20╇ So auch OGH 2.6.2009, 9 ObA 9/09b. 21╇ OGH 12.9.1990, 9 ObA 181/90. 14╇
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tige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ansonsten gerechtfertigt ist oder nicht.22 Es ist daher missverständlich, wenn die Forderung nach unverzüglichem 11 Ausspruch einer Entlassung oder eines Austritts mit dem Argument begründet wird, der jeweils andere Vertragsteil dürfe nicht im Unklaren gelassen werden, ob das Arbeitsverhältnis weiter besteht oder aufgelöst wird.23 Dieses Argument kann nur dann zum Tragen kommen, wenn der Arbeitnehmer bzw Arbeitgeber weiß, dass dem Auflösungsberechtigten der Auflösungsgrund bekannt ist. Anders ist die Situation, wenn dem Auflösungsberechtigten der Auflösungsgrund zunächst nicht bekannt ist. Hat der Arbeitnehmer zB einen Dienstdiebstahl begangen, wird man wohl annehmen dürfen, dass er dieses Verhalten vor dem Arbeitgeber verheimlicht. Erfolgt nach dem Diebstahl keine unmittelbare Reaktion des Arbeitgebers, kann sich der Arbeitnehmer nicht mit Erfolg darauf berufen, der Arbeitgeber habe sein Entlassungsrecht verloren, weil der Arbeitnehmer Klarheit über den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses haben muss. Von einer schuldhaften Verzögerung der Auflösung kann nur gesprochen 12 werden, wenn dem Auflösungsberechtigten der Auflösungsgrund bekannt ist und keine entsprechende Reaktion erfolgt. Bekannt geworden ist der Entlassungsgrund dem Dienstgeber, sobald ihm die für die Beurteilung des Vorliegens eines Entlassungsgrundes wesentlichen Einzelheiten zur Kenntnis gelangt sind.24 An die geforderte Rechtzeitigkeit dürfen keine übertriebenen Ansprüche gestellt werden.25 Bestehen keine Zweifel, dass ein Entlassungs- oder Austrittsgrund vor13 liegt, hat der Auflösungsberechtigte sofort zu reagieren. Tätlichkeiten oder erhebliche Ehrverletzungen müssen nicht „überdacht“ werden, ob eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses erfolgen oder unterbleiben soll. Bei komplizierten Sachverhalten kann die Vertragspartei die erforderlichen Sachverhaltsermittlungen vornehmen26 und auch juristischen Rat27 einholen. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, schon aufgrund einer unüberprüften Anschuldigung die Entlassung auszusprechen. Vielmehr muss ihm in einem solchen Fall zugebilligt werden, sich zunächst Klarheit über deren Berechtigung zu verschaffen.28 Besteht ein Entlassungsgrund in einem strafbaren Verhalten, kann auch die Entscheidung der zuständigen Behörde abgewartet werden, wenn der Vertragspartei keine ausreichenden Mittel der Wahrheitsfindung zustehen.29 Zu beachten ist allerdings, dass der Auflösungsberechtigte klar stellen muss, auf die Beendigung nach Abschluss der Ermittlungen nicht verzichten zu wollen. 22╇
So OGH 19.5.1999, 9 ObA 23/99v. Vgl die ältere Judikatur des OGH 3.4.1973, 4 Ob 29/73, Arb 9091; 13.1.1976, 4 Ob 71/75, ZAS 1978, 50. 24╇ OGH 15.3.1989, 9 ObA 48/89. 25╇ OGH 4.3.1980, 4 Ob 36/80 (beharrliche Arbeitsverweigerung), Arb 9856; 15.4.1958, 4 Ob 30/58 (Verdacht der Untreue), Arb 6859; 2.4.2009, 8 ObA 66/08a. 26╇ OGH 23.6.1993, 9 ObA 126/93. 27╇ OGH 15.7.1987, 9 ObA 56/87, RdW 1988, 52. 28╇ OGH 9.7.1999, 9 ObA 173/99b. 29╇ OGH 30.3.1982, 4 Ob 98/81, DRdA 1982, 323; 14.12.1995, 8 ObA 309/95, RdW 1996, 543; 14.2.2001, 9 ObA 333/00m; vgl auch Eichinger, Entlassung wegen Straftaten, RdW 1997, 211 ff. 23╇
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Handelt es sich um ein – mögliches – Vergehen des Arbeitnehmers, kann diese Klarstellung zB in einem vorläufigen Verzicht auf die Dienste liegen. Handelt es sich bei dem wichtigen Grund um einen Dauertatbestand (etwa andauernde Dienstunfähigkeit oder Unterlassung der Arbeit), so geht das Recht zur Auflösung solange nicht unter, als dieser Tatbestand weiterhin verwirklicht wird.30 Zu berücksichtigen ist auch die Organisation des Arbeitgebers. Ist etwa zur Beschlussfassung über eine fristlose Entlassung die Entscheidung eines Gremiums einzuholen,31 so kann bis zu dessen Zusammentritt zugewartet werden, wenn die Einberufung ohne Verzögerung vorgenommen wurde. Andererseits muss sich der Arbeitgeber die Kenntnis eines Entlassungsgrundes zurechnen lassen, sobald dieser einem mit Personalangelegenheiten betrauten leitenden Angestellten bekannt ist.32 Probleme ergeben sich, wenn zwischen dem Eintritt des wichtigen Grundes und seinem Erkennen durch den Auflösungsberechtigten ein längerer Zeitraum verstrichen ist. Wird dem Arbeitgeber ein Entlassungsgrund erst nach längerer Zeit bekannt, ist bei der Beurteilung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch den lange zurückliegenden Entlassungsgrund unzumutbar geworden ist, auch eine in der Zwischenzeit erfolgte anstandslose Dienstleistung zu berücksichtigen. Entlassungsgründe können im Laufe der Zeit ihre Bedeutung verlieren, weil sie nach Verstreichen einer bestimmten Frist die Weiterbeschäftigung nicht mehr unzumutbar erscheinen lassen. Eine nach längerer Zeit ausgesprochene Entlassung mag zwar für sich allein betrachtet als rechtzeitig angesehen werden, sie ist aber möglicherweise nicht mehr geeignet, die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zu legitimieren.33 Das Recht zur vorzeitigen Beendigung geht auch dann nicht verloren, wenn ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Entlassung Gelegenheit gibt, den Grund, der für die Entlassung maßgebend ist, zu beseitigen. Reagiert der Arbeitnehmer innerhalb der gesetzten Frist nicht, ist die unverzüglich nach Verstreichen dieser Frist erklärte Entlassung rechtzeitig ausgesprochen. In diesem Zusammenhang stellt sich in der Praxis auch die Frage, ob bedingte Entlassungen zulässig sind. Nach Meinung der Judikatur ist die Möglichkeit, die Auflösung des Dienstverhältnisses bedingt zu erklären, zu verneinen, weil der Erklärungsempfänger ein berechtigtes Interesse an einer sofortigen Klarheit darüber hat, ob die Erklärung wirksam ist oder nicht.34 Dies gilt allerdings nicht, wenn die Erfüllung der Bedingung allein vom Willen des Erklärungsempfängers abhängt.35 Es ist daher auch zulässig, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter der aufschiebenden Bedingung entlässt, dass es diesem nicht gelingt, sich binnen kurzer Frist zu rechtfertigen.36 30╇
OGH 31.10.1967, 4 Ob 65/67 (Arbeitsverweigerung), Arb 8458. OGH 10.9.1963, 4 Ob 74/63 (Behörde), Arb 7791; VwGH 27.1.1965, Zl 1414/64, 8047 (Land); OGH 15.6.1982, 4 Ob 58/825 (Tiefbauamt), Arb 10.140. 32╇ OGH 2.12.1975, 4 Ob 74/75, ZAS 1977, 144 (Marhold). 33╇ OGH 21.10.1986, 14 Ob 155/86, SZ 59/117; 2.9.1987, 9 ObA 89/87. 34╇ Vgl OGH 18.10.1977, 4 Ob 137/77, Arb 9631. 35╇ OGH 2.6.2009, 9 ObA 9/09b. 36╇ OGH 25.9.1979, 4 Ob 78/79, ZAS 1981, 100. 31╇
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III. Wichtige Gründe 1. Allgemeines 18
Die zur vorzeitigen Auflösung berechtigenden „wichtigen Gründe“ sind im Gesetz nicht näher umschrieben. In Sondergesetzen findet sich demgegenüber oft eine taxative37 oder zumindest demonstrative38 Aufzählung von Austrittsund Entlassungsgründen. Wenn ein bestimmter Umstand ausdrücklich als Entlassungs- oder Austrittsgrund bezeichnet wird, handelt es sich bei diesem Umstand jedenfalls um einen wichtigen Grund, der zur sofortigen Auflösung berechtigt. Die in den sondergesetzlichen Regelungen zum Ausdruck kommenden Wertungen über das Vorliegen eines wichtigen Grundes haben auch Relevanz für die vorzeitige Auflösung von Arbeitsverhältnissen nach §Â€1162. Die Auflösung ist allerdings nicht auf die ausdrücklich geregelten Gründe beschränkt. Entscheidend ist vielmehr, ob im Einzelfall auf Grund objektiver Gesichtspunkte eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf einer vereinbarten Befristung oder bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist.39 Handelt es sich um eine Entlassung, ist im Rahmen dieser objektiven Beurteilung die Stellung des Arbeitnehmers entscheidend.40 Bei Arbeitnehmern, die besondere Vertrauenspositionen einnehmen, sind strengere Kriterien anzulegen als bei Arbeitnehmern in untergeordneten Verrichtungen. In der Regel handelt es sich bei den „wichtigen Gründen“ um nach Ab19 schluss des Vertrages eingetretene Veränderungen oder um ein schwerwiegendes vertragswidriges Verhalten der Gegenseite. Eine Auflösung des Vertrages ist aber auch dann möglich, wenn der wichtige Grund bereits vor Abschluss des Vertrages eingetreten, dem Vertragsteil aber noch nicht bekannt gewesen ist (zB Täuschung des Vertragspartners über wichtige Voraussetzungen).41 In diesem Zusammenhang kann auch ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers eine „Veränderung“ sein, die zur sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigt, wenn dieses Verhalten den betrieblichen Interessen zuwiderläuft.42 Entlassungs- und Austrittsgründe können darüber hinaus in verschuldensÂ� 20 unabhängige und verschuldensabhängige Gründe eingeteilt werden. Diese Unterscheidung ist allerdings nicht völlig präzise. Viele Auflösungsgründe sind nur verwirklicht, wenn dem Auflösungsgegner ein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden kann. Dies gilt zB für Untreue im Dienst, für Ehrverletzungen oder für das Vorenthalten des Entgelts. Bei anderen Austritts- oder Entlassungsgründen kommt es demgegenüber nicht darauf an, ob dem Auflösungsgegner ein derartiges Verschulden vorgeworfen werden kann. Sie berechtigen zur sofortigen Beendigung des Arbeitsvertrages bei einem schuldhaften Verhalten des Auflösungsgegners, aber auch dann, wenn dem AuflöZB §Â€82 GewO 1859; vgl OGH 17.9.1998, 8 ObA 234/98i; B. Gruber, ecolex 1991, 868. ZB §§Â€26, 27 AngG. 39╇ Vgl OGH 27.3.2003, 9 ObA 68/02v, DRdA 2003, 13 (Weiss). 40╇ So Friedrich, AngG-Komm §Â€25 Rz 7. 41╇ Vgl OGH 26.4.1983, 4 Ob 76/82, DRdA 1986, 12 (Petrovic). 42╇ Vgl Dusak, Die arbeitsrechtliche Relevanz außerdienstlichen Verhaltens, RdW 1988, 355. 37╇ 38╇
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sungsgegner kein Verschulden am Auflösungsereignis vorzuwerfen ist. Insoweit können diese Auslösungsgründe als „verschuldensunabhängige“ Gründe bezeichnet werden. Im Folgenden wird auf die in der Praxis wichtigsten Auflösungsgründe näher eingegangen. 2. Verschuldensunabhängige Auflösungsgründe a) Dienstunfähigkeit Zu den verschuldensunabhängigen Entlassungs- und Austrittsgründen zählt 21 in erster Linie die Unfähigkeit des Arbeitnehmers zur weiteren Dienstleistung (Dienstunfähigkeit). Unfähigkeit bedeutet den völligen und dauernden Mangel der Fähigkeit zur Verrichtung der vereinbarten oder angemessenen Dienstleistung, wobei es gleichgültig ist, ob dem Dienstpflichtigen die zur Bewältigung seiner Arbeitsleistungen notwendigen körperlichen, geistigen oder rechtlichen Voraussetzungen fehlen. Der Arbeitnehmer ist dienstunfähig, wenn er zur Erfüllung seiner dienstlichen Obliegenheiten schlechterdings unverwendbar ist.43 Dienstunfähigkeit berechtigt den Arbeitgeber unabhängig von einem Ver- 22 schulden des Arbeitnehmers zur Entlassung. Ob die Arbeitsunfähigkeit schon bei Beginn des Arbeitsverhältnisses gegeben war oder erst nachher eintrat, ist nicht entscheidend.44 Dienstunfähigkeit wird in den meisten Fällen auf gesundheitlichen Ein- 23 schränkungen beruhen, die den Arbeitnehmer außer Stande setzen, den vereinbarten Dienstpflichten nachzukommen. Die Unfähigkeit zur Dienstleistung kann sich auch aus „rechtlichen“ Gründen, wie zB dem Entzug der LenÂ� kerberechtigung,45 ergeben.46 Der Krankenstand als solcher, dh die krankheitsbedingte Abwesenheit vom Dienst, ist für sich allein noch kein Umstand, der zur Entlassung berechtigt. Bei länger dauernden Krankenständen kann allerdings die Arbeitsleistung für den Arbeitgeber gleichsam wertlos werden. Nach Meinung der Judikatur ist im Fall von durchgehenden lang dauernden Krankenständen für die Annahme einer Dienstunfähigkeit von der bereits eingetretenen Dauer des Krankenstandes und der Dauer sowie Einschätzbarkeit des weiter zu erwartenden Krankenstandes auszugehen. Eine starre Grenze lässt sich für den Fall von durchgehenden lang dauernden Krankenständen nicht finden. Wenn allerdings nach etwa einem halben Jahr durchgehenden Krankenständen eine weitere Krankheit auftritt, bei der eine weitere Krankenstands43╇ OGH 19.12.1990, 9 ObA 305/90, RdW 1991, 213; vgl auch Friedrich, AngG-Komm §Â€27 Rz 273. 44╇ Vgl OGH 2.9.2008, 8 ObA 46/98k, DRdA 2009, 150; 17.3.1994, 8 ObA 218/94, Arb 11.144; 27.3.2002, 9 ObA 68/02v, DRdA 2003, 13 (Weiss); kritisch Binder, Die Beendigung arbeitsvertraglicher Bindungen bei Eintritt dauernder Leistungsunmöglichkeit, FS-Strasser (1983) 271. 45╇ OGH 22.5.2002, 9 ObA 120/02s. 46╇ Vgl auch OGH 21.5.2003, 9 ObA 1/03t – Einverständniserklärung des Sicherheitsdirektors zur Vornahme von Sicherheitskontrollen auf Flughäfen gemäß §Â€4 Abs€1 des Bundesgesetzes über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen (SSSZG).
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dauer zwischen einem und bis zu drei Jahren zu befürchten ist, liegt Dienstunfähigkeit vor.47 Grundsätzlich ist der Arbeitgeber, der die Dienstunfähigkeit zum Anlass 24 einer Entlassung nehmen will, verpflichtet, dem Arbeitnehmer andere als die bisher verrichteten Arbeiten zuzuweisen, zu deren Verrichtung der Arbeitnehmer auch weiterhin in der Lage ist; dies gilt vor allem bei einem längeren Bestand des Arbeitsverhältnisses.48 Der Arbeitgeber ist allerdings nicht verpflichtet, seine Arbeitsorganisation umzustrukturieren oder gar nicht existierende Arbeitsplätze neu zu schaffen, nur um der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers gerecht zu werden.49 Auch beim Verlust der Lenkerberechtigung ist darauf abzustellen, ob das Lenken von Fahrzeugen eine durch den Arbeitsvertrag bedungene Aufgabe ist. Ein solcher Vertragsinhalt wird bei einem Kraftfahrer bzw Fahrzeugverkäufer oder einem Holzeinkäufer, welcher dauernd zu Waldbesitzern fahren muss,50 evident sein, es ist aber auch denkbar, dass das Lenken eines Fahrzeuges nur eine Art „Nebenpflicht“ aus dem Arbeitsvertrag darstellt, die neben anderen Tätigkeiten zu verrichten ist. In diesem Fall hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Rahmen der verbliebenen Fähigkeiten einzusetzen.51 Die „Pflicht“ des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer einen Ersatzarbeitsplatz 25 anzubieten, wird meist aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers abgeleitet, der die Arbeitsleistungen so einzuteilen hat, dass Leben, Gesundheit und Sittlichkeit der Arbeitnehmer nicht gefährdet werden.52 Ein Rückgriff auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ist allerdings entbehrlich, weil sich das Anbieten eines Ersatzarbeitsplatzes schon aus dem Wesen des Auflösungsgrundes ergibt. Besteht für den Arbeitnehmer noch eine Einsatzmöglichkeit im Rahmen des geschlossenen Arbeitsvertrages, die seinen gesundheitlichen Fähigkeiten entspricht, kann die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber auch nicht unzumutbar sein.53 Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis wegen Dienstunfähigkeit 26 mit sofortiger Wirkung beenden, hat er dem Arbeitgeber zuvor Gelegenheit zu geben, ihm eine dem Gesundheitszustand adäquate Arbeit zuzuweisen. Der Arbeitnehmer hat den Arbeitgeber daher über seine Dienstunfähigkeit aufzuklären.54 Eine derartige Bekanntgabe ist nur dann entbehrlich, wenn die Unfähigkeit zur Dienstleistung auch für den Arbeitgeber offenkundig ist.55 In diesem Fall hat der Arbeitgeber die Obliegenheit, von sich aus eine gesundheitsverträgliche Arbeit anzubieten. Die angebotene Arbeit muss im Rahmen des 47╇
OGH 31.1.2007, 8 ObA 103/06i. OGH 13.6.2002, 8 ObA 79/02d. 49╇ OGH 29.9.2009, 8 ObA 43/09w, ecolex 2010, 80; vgl auch 29.4.1992, 9 ObA 18/92; 13.6.2002, 8 ObA 79/02d. 50╇ OGH 4.5.1982, 4 Ob 50/81, Arb 10.108. 51╇ OGH 4.9.2002, 9 ObA 196/02t; 20.3.2003, 8 ObA 21/03a. 52╇ Vgl in diesem Zusammenhang OGH 26.8.2004, 8 ObA 69/04m; 17.12.1997, 9 ObA 196/97g, DRdA 1998, 359. 53╇ Vgl auch Mosler, DRdA 1990, 195; Friedrich, AngG-Komm §Â€26 Rz 23. 54╇ OGH 1.7.1987, 9 ObA 38/87, ZAS 1989, 19 (Schauer). 55╇ Vgl OGH 17.12.1997, 9 ObA 196/97g, DRdA 1998, 359. 48╇
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vom Arbeitnehmer Geschuldeten liegen; sie muss mit dem angegriffenen Gesundheitszustand des Arbeitnehmers verträglich sein. Weigert sich der Arbeitnehmer, eine zumutbare andere Arbeit zu verrichten, die im Rahmen seines Arbeitsvertrages liegt, ist ein Austritt nicht gerechtfertigt.56 Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber über seinen angegriffenen Gesundheitszustand nicht aufgeklärt hat. Der Austritt wegen Dienstunfähigkeit ist jedenfalls dann gerechtfertigt, 27 wenn der Arbeitnehmer zur Erbringung seiner Dienste vollständig unfähig geworden ist. Ein Austrittsrecht ist dem Arbeitnehmer aber schon dann zuzubilligen, wenn die Weiterbeschäftigung zu einer erheblichen Gefährdung seiner Gesundheit führen würde. Die Gesundheitsgefährdung ist in sondergesetzlichen Regelungen ausdrücklich als Austrittsgrund anerkannt.57 Auch im Anwendungsbereich des ABGB ist dem Arbeitnehmer nicht zuzumuten, die Beschäftigung so lange fortzusetzen, bis völlige Dienstunfähigkeit eingetreten ist. Der Austritt ist aber nur dann berechtigt, wenn bei Weiterbeschäftigung die Gefahr einer völligen Dienstunfähigkeit besteht. Es genügt daher nicht, dass die konkrete Beschäftigung zu einer vorübergehenden Gesundheitsbeeinträchtigung geführt hat. Es muss bei Weiterbeschäftigung ein weiterer Schaden drohen.58 b) Längere Abwesenheit vom Dienst Zu den verschuldensunabhängigen Auflösungsgründen kann auch die län- 28 gere Abwesenheit vom Dienst gezählt werden. Diese berechtigt allerdings nur den Arbeitgeber zur sofortigen Auflösung des Arbeitsvertrages. In sondergesetzlichen Regelungen wird einerseits die „gefängliche Anhaltung“59 und andererseits die „Verbüßung einer längeren Freiheitsstrafe“ und die „Abwesenheit während einer den Umständen nach erheblichen Zeit“60 als Entlassungsgrund gewertet. Als „gefängliche Anhaltung“ wird von der Judikatur auch die Untersuchungshaft angesehen, die vom Angehaltenen nicht unbedingt verschuldet sein muss.61 Auch die Abwesenheit vom Dienst muss nicht auf einem Verschulden des Arbeitnehmers beruhen.62 Eine unverschuldete Abwesenheit ist zB anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer während seines Urlaubs – oder auch bei Erfüllung seiner Dienstpflichten – von Terroristen in Geiselhaft genommen wird. Die Berechtigung zur Entlassung kann damit begründet werden, dass der 29 Arbeitgeber nicht über längere Zeit im Ungewissen gelassen werden soll, ob der Arbeitsvertrag gehörig erfüllt werden wird. Aus den sondergesetzlichen Regelungen ist weiters abzuleiten, dass die längere Abwesenheit vom Dienst nicht zur Entlassung berechtigt, wenn sie auf eine Krankheit oder auf einen 56╇
OGH 13.7.1982, 4 Ob 68/82, DRdA 1985, 13 (Mosler). §Â€26 Z 1 AngG; §Â€82a lit a GewO 1859. 58╇ Friedrich, AngG-Komm §Â€26 Rz 9 f. 59╇ §Â€82 lit i GewO 1859. 60╇ §Â€27 Z 5 AngG. 61╇ OGH 31.8.1994, 8 ObA 268/94, DRdA 1995, 19 (Pfeil). 62╇ Vgl dazu Friedrich, AngG-Komm §Â€27 Rz 406 ff. 57╇
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Unglücksfall zurückzuführen ist. Diese Wertung muss auch im Anwendungsbereich des ABGB anerkannt werden. Fraglich ist, wann von einer längeren Abwesenheit vom Dienst gespro30 chen werden kann. §Â€82i GewO 1859 verlangt ausdrücklich, dass die gefängÂ� liche Anhaltung zumindest 14 Tage gedauert hat. Diese Frist wird von der Judikatur auch als Untergrenze für eine längere Abwesenheit vom Dienst iSv §Â€27 Z 5 AngG herangezogen.63 Zu beachten ist, dass ein Zurückgreifen auf die in §Â€82i GewO 1859 genannte Frist auf unverschuldete Abwesenheiten vom Dienst nicht ohne weiteres übertragen werden kann. Eine gefängliche Anhaltung setzt jedenfalls eine gerichtliche oder behördliche Anordnung voraus. Auch wenn sich zB die Verhängung der Untersuchungshaft letztlich als unbegründet erweist, weil sich der Tatverdacht nicht erhärtet hat oder die betreffende Person im Strafverfahren freigesprochen wird, so darf sie doch nur verhängt werden, wenn ausreichende Haftgründe vorliegen. Insoweit mag eine gefängliche Anhaltung von 14 Tagen zur Begründung einer Entlassung ausreichen. Diese Situation ist aber nicht mit einer Abwesenheit vergleichbar, die auf eine „nichtbehördliche“ Freiheitsberaubung oder auf Witterungseinflüsse zurückgeht. Eine Entlassung wegen längerer Abwesenheit vom Dienst ist immer dann 31 ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer für die Dauer der Abwesenheit Entgeltfortzahlungsansprüche besitzt. Diese können vom Arbeitgeber durch eine Entlassung nicht unterlaufen werden.64 Zu beachten ist aber auch, dass nach den sondergesetzlichen Regelungen eine Entlassung ausscheidet, wenn die längere Abwesenheit durch Krankheit oder Unglücksfall bedingt ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob für die gesamte Dauer der Abwesenheit ein Lohnfortzahlungsanspruch gegeben ist. Diese Wertung des Gesetzgebers wird man auch bei Abwesenheiten berücksichtigen müssen, die nicht durch Krankheit oder Unglücksfall, wohl aber unverschuldet eingetreten sind. Wenn – wie oben gezeigt – ein Krankenstand nach etwa sechs Monaten in Dienstunfähigkeit „umschlagen“ kann, wird man annehmen dürfen, dass auch eine unverschuldete Abwesenheit vom Dienst, die länger als sechs Monate dauert, jedenfalls zu einer Entlassung berechtigt, wenn prognostisch mit einer weiteren Abwesenheit zu rechnen ist. 3. Verschuldensabhängige Auflösungsgründe 32
Zu den verschuldensabhängigen Auflösungsgründen gehören in erster Linie die verschiedenen Formen der nicht gehörigen Erfüllung des Arbeitsvertrages. Der Austritt des Arbeitnehmers ist insbesondere bei Vorenthalten des Entgelts oder bei einem ehrverletzenden Verhalten des Arbeitgebers berechtigt. Eine Entlassung wird bei Nichtleistung der Arbeit, bei Ehrverletzungen durch den Arbeitnehmer, aber auch bei einem Vertrauensverlust durch ein dienstliches oder außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers in Betracht kommen. 63╇ Vgl OGH 31.8.1994, 8 ObA 268/94, DRdA 1995, 19 (Pfeil); vgl ferner Friedrich, AngGKomm §Â€27 Rz 404. 64╇ So auch Friedrich, AngG-Komm §Â€27 Rz 407.
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a) Vorenthalten des Entgelts Der Arbeitsvertrag ist typischerweise ein entgeltlicher Vertrag. Der Arbeitgeber hat für die Zurverfügungstellung der Dienste die vertraglich vereinbarte Gegenleistung zu den vertraglich vereinbarten Terminen zu erbringen. Geschieht dies nicht, handelt der Arbeitgeber rechtswidrig. Zu Recht weist die Judikatur darauf hin, dass die Nichtzahlung des Entgelts zu den gravierendsten Störfaktoren im Arbeitsverhältnis überhaupt gehört.65 In den sondergesetzlichen Regelungen wird zwischen einer ungebührlichen Schmälerung des Entgelts und einem Vorenthalten des Entgelts unterschieden.66 Unter einer „ungebührlichen Schmälerung“ des Entgelts versteht man die einseitige, rechtswidrige Herabsetzung des gebührenden Entgelts,67 von einem „Vorenthalten des Entgelts“ spricht man dann, wenn der Entgeltsanspruch weder bestritten noch bezweifelt, das Entgelt jedoch bei Eintritt des Fälligkeitstermins nicht oder nicht zur Gänze geleistet wird.68 Aus welchem Grund der Arbeitgeber nicht in der Lage ist, das Entgelt rechtzeitig auszuzahlen, ist für die Berechtigung des Austritts nicht entscheidend.69 Schmälerung und Vorenthalten des Entgelts können sich auf alle Entgeltsformen, also auch auf Naturalentgelt beziehen.70 Insoweit ist die Unterscheidung zwischen „Schmälerung“ und „Vorenthalten“ wenig ergiebig. In beiden Fällen geht es darum, dass der Arbeitgeber das versprochene Entgelt nicht gehörig leistet oder geleistet hat. Nach Meinung der Rechtsprechung kommt es nicht darauf an, ob die nicht rechtzeitige Auszahlung des Entgelts infolge Benachteiligungsabsicht, Nachlässigkeit oder aus Unvermögen des Arbeitgebers geschieht.71 Die Rechtsprechung verlangt jedoch, dass der Arbeitgeber gewusst hat oder infolge der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht hätte wissen müssen, dass seine Vorgangsweise unrechtmäßig ist. Nur dann kann von einem Vorenthalten oder von einer Schmälerung des Entgelts gesprochen werden. Ob das Vorenthalten des Entgelts ungebührlich ist, hängt allerdings nicht allein vom Wissen bzw Wissen-Müssen des Arbeitgebers um die Unrechtmäßigkeit seines Verzugs, sondern auch davon ab, ob dem Arbeitnehmer die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses trotz Verzugs zumutbar ist. Der Austritt ist nur bei einer wesentlichen Verletzung der Vertragspflichten berechtigt. Diese wesentliche Verletzung liegt nicht vor, wenn über den Bestand des Entgeltsanspruches unterschiedliche Auffassungen bestehen. In der Praxis bestehen sehr oft Meinungsverschiedenheiten über das Ausmaß der vom Arbeitnehmer geleisteten Überstunden, die in fehlenden Aufzeichnungen ihren Grund 65╇ OGH 26.8.2009, 9 ObA 87/08x; vgl auch Löschnigg, DRdA 1984, 146; Konecny, Vorzeitiger Austritt im Konkurs wegen eines Entgeltrückstands, ZIK 1996, 146. 66╇ Vgl §Â€26 Z€2 AngG. 67╇ Vgl Friedrich, AngG-Komm §Â€26 Rz 40. 68╇ OGH 26.8.2009, 9 ObA 87/08x; 7.5.2003, 9 ObA 6/03b. 69╇ OGH 26.4.2004, 8 ObS 8/04s. 70╇ ZB Kündigung einer dem Arbeitnehmer unentgeltlich überlassenen Wohnung; vgl OGH 18.10.1977, 4 Ob 129/77, ZAS 1979, 139 (Rummel). 71╇ OGH 13.7.1982, 4 Ob 77, 78/82, Arb 10.147.
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haben. Zwar ist der Arbeitgeber zur Aufzeichnung von Überstunden verpflichtet, in vielen Fällen ist dafür aber auch eine Mitwirkung der Arbeitnehmer erforderlich. Bestehen Unklarheiten über das Ausmaß des Entgelts, ist es dem Arbeitnehmer grundsätzlich zumutbar, darüber einen Rechtsstreit zu führen.72 Der Arbeitgeber darf mit der Zahlung des Entgelts bis zum Ausgang des Prozesses zuwarten. Ein Austritt ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der vorenthaltene Be37 trag gering ist oder wenn erstmalig am Fälligkeitstag nicht gehörig geleistet wird. Auf die Höhe des vorenthaltenen Betrages kommt es allerdings nicht mehr an, wenn dem Arbeitnehmer durch längere Zeit Entgeltsteile vorenthalten werden.73 Wird am Fälligkeitstag nicht geleistet, ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer daraus ernstlich ableiten muss, dass er sein Entgelt nicht bekommen wird.74 Diese Befürchtung wird gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber zuvor angekündigt hat, er werde am Fälligkeitstag nicht zahlen können.75 Ist der Arbeitgeber bereits mehrfach in Zahlungsverzug geraten und wird 38 von ihm angekündigt, er werde auch in Zukunft nicht rechtzeitig zahlen können, muss der Arbeitnehmer den nächsten Fälligkeitstermin nicht abwarten. Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall nicht zuwarten, ob der Arbeitgeber sein rechtswidriges Verhalten in die Tat umsetzen wird. Der Austritt ist bereits mit der Ankündigung der nicht rechtzeitigen Zahlung gerechtfertigt.76 In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Arbeitnehmer Zahlungs39 verzögerungen oder Schmälerungen des Entgelts zunächst hinnehmen. Solange das gebührende Entgelt vom Arbeitgeber nicht geleistet wird, behält der Arbeitnehmer das Recht zum vorzeitigen Austritt. Der Arbeitnehmer darf jedoch das in der Vergangenheit gesetzte rechtswidrige Verhalten des Arbeitgebers nicht zum Anlass eines „plötzlichen“ Austritts nehmen. Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber eine angemessene Nachfrist setzen, die Entgeltsrückstände zu begleichen. Der Austritt ist erst nach dem ergebnislosen Verstreichen der Nachfrist gerechtfertigt.77 Den Arbeitnehmer trifft also eine Warnpflicht gegenüber dem Arbeitgeber; er muss kundtun, dass er Lohnrückstände nicht mehr tolerieren will. Keiner Nachfristsetzung bedarf es bei einem grob rechtswidrigen Verhalten des Arbeitgebers, aus dem geschlossen werden darf, dass auch eine Nachfristsetzung zu keiner Befriedigung der offenen Lohnforderung führen wird. Ein derartiges grob rechtswidriges Verhalten hat der OGH zu Recht bei einem Unterbleiben der Lohnzahlung durch sechs Monate angenommen.78 c) Verletzung der Arbeitspflicht 40
Die nicht gehörige Erfüllung der Arbeitspflicht durch den Arbeitnehmer berechtigt den Arbeitgeber zum Ausspruch der Entlassung, wenn das Fehlver72╇
Vgl OGH 13.11.2002, 9 ObA 169/02x, DRdA 2003, 284. Vgl OGH 16.12.1992, 9 ObA 300/92. 74╇ Vgl OGH 13.2.1997, 8 ObA 2285/96d, RdW 1997, 687. 75╇ OGH 18.10.1977, 4 Ob 129/77, ZAS 1979, 139 (Rummel). 76╇ OGH 7.6.2001, 9 ObA 135/01w, Arb 12.106. 77╇ OGH 8.2.1983, 4 Ob 12/83, Arb 10.218. 78╇ OGH 29.1.1998, 8 ObA 287/97g, ASoK 1988, 316. 73╇
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halten des Arbeitnehmers eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Die Arbeitspflicht wird vom Arbeitnehmer verletzt, wenn er die Dienstleistung unterlässt. Das Unterlassen der Dienstleistung ist dabei in einem weiten Sinn zu verstehen. Eine Pflichtverletzung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer die vereinbarten Dienste überhaupt nicht erbringt, sie ist aber auch dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer gerechtfertigte Weisungen des Arbeitgebers nicht befolgt, die sich im Rahmen des Arbeitsvertrages bewegen, oder sich beharrlich weigert, Arbeitsleistungen zu erbringen. In den sondergesetzlichen Regelungen des AngG werden das Unterlassen 41 der Dienstleistung, die Weigerung, Dienste zu leisten, und die Nichtbefolgung von Weisungen ausdrücklich als Entlassungsgrund anerkannt.79 In der Sache handelt es sich bei den genannten Entlassungsgründen nur um verschiedene Facetten der nicht gehörigen Erfüllung der Arbeitspflicht. Die Differenzierung hat deshalb Bedeutung, weil der Gesetzgeber dabei die Erheblichkeit der Pflichtverletzung näher umschrieben hat: Damit eine Entlassung gerechtfertigt ist, muss die Dienstleistung während einer den Umständen nach erheblichen Zeit unterbleiben; die Weigerung, Dienste zu leisten oder Weisungen zu befolgen, muss beharrlich erfolgen. Der Gesetzgeber hat damit nochmals zum Ausdruck gebracht, dass eben nicht jede Pflichtverletzung zur Entlassung berechtigt. „Entlassungswürdig“ sind nur jene Verhaltensweisen des Arbeitnehmers, die dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen. Das Unterlassen der Dienstleistung stellt nur dann einen Entlassungsgrund 42 dar, wenn der Arbeitnehmer pflichtwidrig und schuldhaft gehandelt hat. Pflichtwidrig ist nach der Judikatur jedes Verhalten des Arbeitnehmers, das mit den ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen arbeitsvertraglichen Pflichten, mit einer durch den Gegenstand der Dienstleistung gerechtfertigten Anordnung des Arbeitgebers oder mit der Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Verrichtung der ihm zugewiesenen Arbeiten nach bestem Wissen und Können im Widerspruch steht.80 Vorsätzliches Handeln ist nicht erforderlich, leichte Fahrlässigkeit genügt.81 Ein verschuldetes pflichtwidriges Unterlassen der Dienstleistung liegt daher nicht vor, wenn der Arbeitnehmer nach dem Verhalten seines Arbeitgebers im konkreten Fall annehmen konnte, dass eine Dienstleistung nicht verlangt wird,82 oder wenn der Arbeitnehmer auf Grund einer generellen Praxis im Betrieb annehmen durfte, dass der Arbeitgeber dem Fernbleiben vom Dienst zustimmen wird.83 In der Praxis hat diese vermutete Einwilligung des Arbeitgebers vor allem bei einem eigenmächtigen Urlaubskonsum Bedeutung. Ist es in einem Betrieb – mit Wissen der Geschäftsleitung – üblich, dass Kurzurlaube zwar gemeldet, aber auch ohne ausdrückliche Zustimmung der Geschäftsleitung konsumiert werden, darf ein Arbeitnehmer, der sich mehrfach, aber vergeblich, um eine Zustimmung zum Urlaubskonsum bemüht hat, zu Recht darauf vertrauen, dass auch eine neu installierte Geschäfts79╇
Vgl §Â€27 Z 4 AngG. OGH 18.4.1978, 4 Ob 7/78, Arb 9690. 81╇ OGH 19.12.1972, 4 Ob 96/72, Arb 9075. 82╇ OGH 3.4.1973, 4 Ob 25/73, Arb 9106. 83╇ OGH 30.11.1995, 9 ObA 164/95, RdW 1996, 541. 80╇
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führung die bisherige Übung beibehalten wird.84 Der Arbeitnehmer erwirbt zwar keinen Rechtsanspruch auf eigenmächtigen Urlaubskonsum, das Verhalten des Arbeitgebers in der Vergangenheit nimmt dem eigenmächtigen UrlaubsÂ� antritt aber den Charakter eines „wichtigen Grundes“. Ein die Entlassung ausschließender rechtmäßiger Grund, die Dienstleis43 tung zu unterlassen, liegt jedenfalls dann vor, wenn dem Arbeitnehmer für das Fernbleiben vom Dienst ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung zusteht. Das Fernbleiben vom Dienst ist aber auch dann gerechtfertigt, wenn dem Arbeitnehmer im Einzelfall eine vertragsmäßige Arbeitsleistung billigerweise nicht zugemutet werden kann.85 Dazu gehören ganz allgemein – und unabhängig vom Bestehen eines Entgeltfortzahlungsanspruches – Arbeitsverhinderungen, die auf Krankheit oder Unglücksfall beruhen oder durch andere wichtige, die Person des Arbeitnehmers betreffende Gründe bedingt sind, aber auch jede unvorhersehbare Kollision von Vertragspflichten mit einer höherwertigen Pflicht.86 Zu Recht differenziert die Judikatur in solchen Kollisionsfällen, ob die Arbeitsverhinderung vorhersehbar und vom Arbeitnehmer gestaltbar ist. Ist die Verhinderung vorhersehbar, hat der Arbeitnehmer den Arbeitgeber zu verständigen, damit dieser entsprechende Dispositionen treffen kann. Ist die Verhinderung auch zeitlich gestaltbar (zB Regelung von Erbschaftsangelegenheiten), muss über das Fernbleiben auch eine Einigung erzielt werden. Wie schon erwähnt, schließt eine durch Krankheit hervorgerufene Arbeits44 verhinderung die Pflichtwidrigkeit der Arbeitsversäumnis aus.87 Wurde die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt bescheinigt, darf der Arbeitnehmer grundsätzlich auf die Richtigkeit dieser Bescheinigung vertrauen.88 Dem Arbeitnehmer muss in dieser Situation in aller Regel, aber nicht ausnahmslos, der gute Glaube zugebilligt werden, sich für arbeitsunfähig zu halten, wenn der Arzt zur Feststellung seiner Arbeitsunfähigkeit gelangt. Der gute Glaube fehlt dem Arbeitnehmer, wenn er die ärztliche Bestätigung durch bewusst unrichtige oder stark übertriebene Angaben gegenüber dem Arzt erwirkt hat.89 Lässt der Arzt das Ende des Krankenstandes offen, ist der Arbeitnehmer, der sich subjektiv besser fühlt, verpflichtet, sich untersuchen zu lassen, ob die Voraussetzungen des Krankenstandes noch vorliegen.90 Fraglich ist, ob eine Pflichtwidrigkeit auch dann vorliegt, wenn die Arbeit 45 aus religiösen Gründen unterlassen wird, oder wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung aus Gewissensgründen verweigert. Die verfassungsgesetzlich garantierte Glaubens- und Gewissensfreiheit begründet keinen Anspruch des Arbeitnehmers, dass das Arbeitsverhältnis seiner religiösen Überzeugung gemäß gestaltet wird. Auch das Diskriminierungsverbot des Gleichbehandlungsgesetzes wegen einer religiösen Überzeugung verpflichtet den Arbeitgeber nicht, in zumutbarem Maße auf die religiösen Überzeugungen einzelner Ar84╇
OGH 18.4.1978, 4 Ob 7/78, Arb 9690. OGH 20.5.1998, 9 ObA 15/98a, DRdA 1999, 16 (Resch). 86╇ Vgl grundlegend OGH 25.4.1996, 8 ObA 2058/96, ZAS 1997, 55 (Apathy). 87╇ OGH 2.9.1987, 14 ObA 75/87, ZAS 1988, 130 (Beck-Mannagetta). 88╇ OGH 5.6.2002, 9 ObA 113/02m, DRdA 2003, 65. 89╇ OGH 10.10.2001, 9 ObA 182/01g; 29.11.2001, 8 ObA 189/01d. 90╇ OGH 15.4.1998, 9 ObA 52/98g. 85╇
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beitnehmer Rücksicht zu nehmen.91 Nach der Judikatur des EGMR umfasst die durch Art 9 MRK geschützte Religionsfreiheit in erster Linie die Freiheit, seine Religion gemeinsam mit anderen öffentlich oder im Kreise von Personen desselben Glaubens zu bekennen. In demokratischen Gesellschaften, in denen verschiedene Religionen in ein und derselben Bevölkerung nebeneinander bestehen, kann es notwendig sein, Beschränkungen dieser Freiheit aufzuerlegen, um die Interessen der einzelnen Gruppen auszugleichen und um sicherzustellen, dass die Anschauungen jedes einzelnen geachtet werden.92 Nach Meinung des EGMR ist es mit der Religionsfreiheit daher vereinbar, wenn von einem Lehrer verlangt wird, die normale Arbeitszeit einzuhalten, auch wenn sie allenfalls mit der Anwesenheit bei Gebeten kollidiert.93 Art 9 MRK schützt nicht jede mit einer Religion oder Weltanschauung begründete oder durch sie angeregte Handlung.94 Die Vorschrift gibt insbesondere keinen Anspruch auf Fernbleiben von der Arbeit an einem religiösen Feiertag.95 Das Fernbleiben von der Arbeit ist nach Meinung des EGMR kein durch Art 9 MRK geschütztes Bekenntnis der Religion. Will der Arbeitnehmer an einem religiösen Feiertag von der Arbeit fernbleiben, so bedarf es dafür einer besonderen gesetzlichen oder vertraglichen Grundlage. Fehlt diese Grundlage, ist das Unterlassen der Dienstleistung offensichtlich pflichtwidrig. Zu beachten ist allerdings, dass unvorhergesehene Kollisionen von Ver- 46 tragspflichten mit einer höherwertigen Pflicht die Abwesenheit vom Dienst im Einzelfall rechtfertigen. Der Arbeitgeber hat Gewissenskonflikte seiner Arbeitnehmer zu respektieren. Bei Abschluss des Arbeitsvertrages ist meist nicht absehbar, ob die Einforderung bestimmter Dienstleistungen mit religiösen Überzeugungen oder anderen Werthaltungen des Arbeitnehmers in Konflikt geraten wird. Es ist durchaus denkbar, dass die Vertragstreue den Dienstverpflichteten in eine Konfliktsituation bringen kann, weil er bei Erfüllung des Vertrages gegen Gebote verstoßen würde, die ihm sein Glaube vorschreibt.96 Die Judikatur hat daher etwa das Sprechen des Erlösungsgebetes am Grab des in Israel verstorbenen und dort begrabenen Vaters97 oder die Teilnahme an der Seelenmesse für einen nahen Angehörigen98 als eine gegenüber der Vertragstreue höherwertige Pflicht erachtet und eine Abwesenheit vom Dienst als gerechtfertigt angesehen. Es kann allerdings nicht Aufgabe des Arbeitgebers sein zu bestimmen, wie gläubig jemand sein darf. Die Abgrenzung eines beachtlichen Konfliktes von einem für das Schuldverhältnis irrelevanten Konflikt muss in der Vorhersehbarkeit des Konflikts gefunden werden. Vorhersehbare Leistungsstörungen lassen die vertragliche Leistungspflicht grundsätzlich unberührt und 91╇ Adomeit/Mohr, Komm zum AGG Rz 65 FN 9; Thüsing, Europäisches Arbeitsrecht, München 2008, Rz 74. 92╇ EGMR 25.5.1993 (Kokkinakis), 3/1992/348/421, ÖJZ 1994/5. 93╇ Vgl X gg Vereinigtes Königreich, Nr 8160/78, Komm Entsch 12.3.1981, DR 22 27. 94╇ EGMR 1.7.1997 (Kalac gg Türkei), Slg 1997-IV, 1209. 95╇ EGMR 13.4.2006 (Kosteski gg Mazedonien), NZA 2006, 1401. 96╇ Vgl dazu Schrammel, Diskriminierungsverbot, Privatautonomie und Religionsfreiheit, öarr 2008, 219. 97╇ OGH 25.4.1996, 8 ObA 2058/96x. 98╇ Vgl Holzer, AngG-Komm §Â€8 Rz 44.
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berechtigen nicht zur Anpassung des Vertrages.99 Muss der Arbeitnehmer schon bei Eingehen der vertraglichen Bindung damit rechnen, dass sich die Erfüllung des Vertrages mit seinem religiösen Weltbild nicht vertragen wird, kann er sich später nicht auf die Konfliktsituation berufen. Eine Befreiung von der Arbeitspflicht muss somit auf unvorhergesehene Ereignisse beschränkt bleiben. Nach Meinung der Judikatur ist der Arbeitgeber zur Entlassung wegen beharrlicher Dienstverweigerung berechtigt, wenn der Arbeitnehmer eine vorhersehbare Interessenkollision nicht auflöst.100 Führt eine nicht vorhersehbare Interessenkollision zu einer dauerhaften 47 Störung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen, ist eine Entlassung wegen Dienstunfähigkeit möglich. Wenn man die religiöse Überzeugung oder Gewissensentscheidungen des Mitarbeiters respektiert und nicht ein „Unwerturteil“ über die religiöse Betätigung abgeben möchte, kann das Unterlassen der Dienstleistung nicht als pflichtwidrig angesehen werden. Kann der Arbeitnehmer seine Dienste aus religiösen Gründen oder aus Gewissensgründen nicht mehr erfüllen, ist er in einer ähnlichen Situation wie bei Verlust einer für das Arbeitsverhältnis relevanten Berechtigung. d) Verletzung von arbeitsvertraglichen Nebenpflichten 48
Eine vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses kann auch bei schwerwiegenden Verletzungen vertraglicher Nebenpflichten gerechtfertigt sein. Der Arbeitnehmer ist zum Austritt berechtigt, wenn der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nicht nachkommt. So hat etwa die Judikatur das Verlangen nach verbotener Sonntagarbeit101 oder den systematischen Verstoß gegen Arbeitszeitvorschriften als Austrittsgrund gewertet.102 In diesem Zusammenhang hat der OGH zu Recht die These vertreten, dass der Arbeitnehmer bei eklatanten Verletzungen der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen vor dem vorzeitigen Austritt gegen die gesetzwidrigen Anordnungen nicht remonstrieren müsse, weil der Arbeitgeber das Einverständnis des Arbeitnehmers nicht annehmen könne und zwingende Normen der Parteiendisposition entzogen seien. Eine „Warnpflicht“ kann wohl nur dort bestehen, wo der Arbeitnehmer durch eigenes Dulden eines rechtswidrigen Zustandes eine Situation hergestellt hat, in der ein überraschender Austritt treuwidrig wäre.103 Der Arbeitgeber ist zur Entlassung berechtigt, wenn der Arbeitnehmer den 49 arbeitsvertraglichen Treuepflichten zuwider handelt. Die Palette der möglichen Verstöße ist dabei sehr weit gezogen. Als Entlassungsgrund ist jedenfalls das vorsätzliche Zuwiderhandeln gegen die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers zu werten, das in den sondergesetzlichen Regelungen auch als Untreue 99╇ Ausführlich Schrammel, Innere Medienfreiheit und Arbeitsrecht, in Aicher/Holoubek (Hrsg), Das Recht der Medienunternehmen (1998) 65 ff. 100╇ OGH 27.3.1996, 9 ObA 18/96. 101╇ Vgl OGH 28.8.1958, 4 Ob 80/58, Arb 6977. 102╇ OGH 7.8.2003, 8 ObA 64/03z, DRdA 2004, 46 (Kallab). 11.1.1995, 9 ObA 7/95, DRdA 1995, 48 (Grießer); 4.12.1996, 9 ObA 2267/96i, ZAS 1997, 21 (Steininger). 103╇ So Schindler, ZAS 1996, 21.
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im Dienst bezeichnet wird.104 Dazu gehören das Abwerben von Arbeitnehmern105 oder die Zuwendung unberechtigter Vorteile, wie zB das Verlangen nach einem höheren Kaufpreis, um eine höhere Provision zu lukrieren.106 Auch der Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen ist im weitesten Sinn als Untreue im Dienst zu qualifizieren. Eine Entlassung kann nicht nur bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen 50 dienstliche Interessen, sondern auch ganz allgemein bei Verhaltensweisen in Betracht kommen, die beim Arbeitgeber zu einem Verlust des Vertrauens in die „Korrektheit“ des Arbeitnehmers führen, der eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar erscheinen lässt. Das zur „Vertrauensunwürdigkeit“ führende Verhalten des Arbeitnehmers muss beim Arbeitgeber die Befürchtung hervorrufen, dass seine Interessen durch den Arbeitnehmer nicht mehr ausreichend gewahrt werden; nach ständiger Judikatur zu §Â€27 Z 1 AngG fällt unter den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit jede Handlung und Unterlassung des Angestellten, die mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und ihre Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens seines Arbeitgebers als unwürdig erscheinen lassen, weil der Arbeitgeber befürchten muss, dass der Angestellte seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen wird und dadurch die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährdet werden.107 Insoweit muss das Verhalten des Arbeitnehmers pflichtwidrig und vorwerfbar sein. Leichte Fahrlässigkeit genügt.108 Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich, es kommt auch nicht darauf an, 51 ob dem Arbeitgeber ein konkreter Schaden entstanden ist.109 Das zum Vertrauensverlust führende Verhalten kann sowohl im Dienst als auch außerhalb des Dienstes gesetzt werden. So hat etwa die Judikatur das Verschweigen der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung gegenüber Vereinsorganen und andere Informationspflichtverletzungen als „dienstlichen“ Vertrauensverstoß gewertet.110 Zu den dienstlichen Vertrauensverstößen kann auch ein Fehlverhalten im 52 Krankenstand gezählt werden. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber keinen Anspruch auf eine „rasche“ Gesundung seines Arbeitnehmers. Dem zur Entgeltfortzahlung verpflichteten Arbeitgeber ist aber zweifellos ein „dienstliches“ Interesse zuzubilligen, dass die durch Krankheit bedingte Störung im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis vom Arbeitnehmer nicht verlängert wird. Ein Zuwiderhandeln gegen ärztliche Anordnungen, das den Genesungsprozess verzögert, wie zB das einer ärztlichen Empfehlung – keine Belastung des Fußes – zuwiderlaufende Verhalten bei Ausübung einer Nebenbeschäftigung111 oder die Durchführung einer Einkaufsfahrt am zweiten Tag eines einwöchigen 104╇
Vgl §Â€27 Z 1 AngG. OGH 10.12.1963, 4 Ob 119/63, Arb 7851. 106╇ OGH 19.12.1972, 4 Ob 86/72, Arb 9073; vgl auch Pfeil, ZellKomm §Â€27 AngG Rz 13. 107╇ OGH 29.11.2001, 8 ObA 283/01b; 21.2.2002, 8 ObA 30/02y; 16.5.2002, 8 ObA 90/02x. 108╇ Vgl OGH 20.4.1994, 9 ObA 69/94. 109╇ OGH 9.7.1999, 9 ObA 129/99g, Arb 11.906; 19.9.2002, 8 ObA 192/02x, ASoK 2003, 105╇
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OGH 21.12.2009, 8 ObA 46/09m. OGH 16.6.1999, 9 ObA 106/99z.
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Krankenstandes,112 kann daher zur Vertrauensunwürdigkeit führen und die Entlassung rechtfertigen. Die Entlassung ist bereits dann berechtigt, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers geeignet ist, den Genesungsprozess zu verzögern. Auf eine tatsächliche Verlängerung des Krankenstandes kommt es nicht an.113 Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Entscheidend ist, ob ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers Rückschlüsse auf eine Gefährdung der dienstlichen Interessen zulässt. Die dienstlichen Interessen können – wie oben erwähnt – auch ohne Eintritt eines konkreten Schadens (hier: Verlängerung des Krankenstandes) beeinträchtigt werden. An das außerdienstliche Verhalten ist kein so strenger Maßstab anzulegen 53 wie an das Verhalten im Dienst;114 das außerdienstliche Verhalten kann aber im Einzelfall doch so beschaffen sein, dass das dienstliche Vertrauen des Arbeitgebers in objektiv nachvollziehbarer Weise beeinträchtigt wird.115 Das außerdienstliche Verhalten muss also in einem Zusammenhang mit der dienstlichen Position und dem Aufgabenbereich des Arbeitnehmers stehen.116 Außerdienstliches Verhalten wurde zB bei strafrechtlich relevanten Tätlichkeiten gegen den Ehepartner117 als Entlassungsgrund anerkannt. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist dem Arbeitgeber auch dann nicht zumutbar, wenn ein Arbeitnehmer in alkoholisiertem Zustand einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht und anschließend Fahrerflucht begeht.118 Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer wegen Vergewaltigung und schwerer Nötigung sowie Körperverletzung, gefährlicher Drohung und Urkundenfälschung verurteilt wurde.119 Keinen Zusammenhang mit den dienstlichen Aufgaben des Arbeitnehmers hat die Judikatur – zu Recht – bei der verbotenen Einfuhr vom Artenschutzabkommen geschützter Kakteen erblickt.120 Bei strafbaren Handlungen kommt es immer auf die Art der strafbaren 54 Handlung und auf die Person des Täters an. Bei Personen mit leitenden Funktionen, die eine entsprechende „Außenwirkung“ entfalten, können auch Verkehrsdelikte zu einem Vertrauensverlust führen, wenn sie in der Öffentlichkeit großes Aufsehen erregt haben.121 Bei gravierenden Straftaten, wie zB Vergewaltigung oder Betrug,122 ist die Stellung des Arbeitnehmers von untergeordneter Bedeutung. Diese sind regelmäßig als Entlassungsgrund zu werten.123
112╇ 113╇
Rz 44.
114╇
OGH 24.2.2000, 8 ObA 12/00y, Arb 11.993. Vgl OGH 16.5.2002, 8 ObA 100/02t, Arb 12.221; dagegen Pfeil, ZellKomm §Â€27 AngG
OGH 11.8.1993, 9 ObA 133/93, wbl 1993, 358. Vgl OGH 22.5.2002, 9 ObA 120/02s, Arb 12.228. 116╇ Friedrich, AngG-Komm §Â€27 Rz 80; OGH 2.11.1995, 9 ObA 156/95. 117╇ OGH 13.6.2002, 8 ObA 124/02x; 11.8.1993, 9 ObA 124/93m, wbl 1993, 358. 118╇ OGH 24.6.1998, 9 ObA 115/98x, DRdA 1998, 443. 119╇ OGH 1.9.1999, 9 ObA 214/99g, RdW 2000, 176. 120╇ OGH 2.11.1995, 9 ObA 156/95. 121╇ Vgl KG Wiener Neustadt 20.2.1958, 2 Cg 3/58, Arb 6888. 122╇ Vgl OGH 26.6.2002, 9 ObA 145/02t. 123╇ Pfeil, ZellKomm §Â€27 AngG Rz 38. 115╇
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Wichtige Gründe
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e) Tätlichkeiten, Ehrverletzungen Die Judikatur versteht als Tätlichkeit jede schuldhafte, objektiv gegen den 55 Körper gerichtete Handlung, wobei es auf die mit der Handlung verbundene Absicht grundsätzlich nicht ankommt. Dies können sowohl strafrechtlich relevante Handlungen (Körperverletzungen iS der §§Â€83 f StGB, körperliche Misshandlungen iS des §Â€115 StGB, wie Ohrfeigen oder Reißen an den Haaren) als auch gegen die körperliche Integrität gerichtete Handlungen sein, die nicht strafbar sind.124 Zu diesen Tätlichkeiten gehören etwa das Nachwerfen von Gegenständen und das Anspucken. Ehrverletzungen sind alle Handlungen, die geeignet sind, das Ansehen 56 und die soziale Wertschätzung des Betroffenen durch Geringschätzung, Vorwurf einer niedrigen Gesinnung, üble Nachrede, Verspottung oder Beschimpfung herabzusetzen und auf diese Weise das Ehrgefühl des Betroffenen zu verletzen. Strafbarkeit des Verhaltens ist nicht erforderlich.125 Tätlichkeiten und Ehrverletzungen berechtigen beide Vertragspartner zur 57 sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Entscheidend ist wiederum, ob die Weiterbeschäftigung für das Opfer der Tätlichkeit oder der Ehrverletzung unzumutbar geworden ist. Auch wenn es für das Vorliegen einer Tätlichkeit grundsätzlich nicht auf das Motiv der in Frage stehenden Handlung und das Verhalten der Beteiligten davor und danach ankommt, so spielen diese Aspekte für die Frage der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung eine ganz wesentliche Rolle. Physische Reaktionen auf verbale Provokationen sind nach Meinung der Judikatur nicht zu billigen. Wenn sie allerdings im Einzelfall von keiner besonderen Feindseligkeit, sondern eher von Ratlosigkeit und Unbesonnenheit eines bis dahin disziplinär nicht weiter auffälligen Arbeitnehmers getragen sind, ist eine sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht gerechtfertigt.126 Ehrverletzungen stellen nur dann einen Auflösungsgrund dar, wenn sie ihrer Art nach so schwerwiegend sind, dass ein Mensch mit normalem Ehrgefühl nur mit dem sofortigen Abbruch der Beziehungen reagieren kann.127 Der Ehrenbeleidigung muss eine Verletzungsabsicht in Bezug auf die „angesprochene“ Person zugrunde liegen. Sie muss objektiv geeignet sein, im erheblichen Maße ehrverletzend zu wirken, und muss im gegenständlichen Fall diese Wirkung auch hervorgerufen haben.128 Auch bei Ehrverletzungen müssen die Begleitumstände, unter denen bestimmte Äußerungen erfolgt sind, mitberücksichtigt werden. Eine bloß allgemein gehaltene ungebührliche Äußerung bildet keinen Auflösungsgrund.129 Erhebliche Ehrverletzungen verlieren auch dann den Charakter eines Auflösungsgrundes, wenn besondere Umstände sie als entschuldbar erscheinen lassen. Temperament oder Nervosität sind allerdings kein Freibrief für erhebliche Ehrverletzungen.130 124╇ Kuderna, Entlassungsrecht² 121 mwN; OGH 4.12.2002, 9 ObA 230/02t, DRdA 2003, 51 (Risak). 125╇ OGH 26.2.1998, 8 ObA 8/98d; 23.4.2003, 9 ObA 252/02b. 126╇ OGH 4.12.2002, 9 ObA 230/02t, DRdA 2003, 51 (Risak). 127╇ OGH 10.7.1979, 4 Ob 46/79, ZAS 1980, 13; 10.5.1995, 9 ObA 49/95. 128╇ OGH 22.10.1997, 9 ObA 162/97g. 129╇ Vgl OGH 11.11.1998, 9 ObA 238/98k. 130╇ OGH 8.5.1973, Arb 9111.
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Als entschuldbar hat die Judikatur sogar die Bezeichnung eines Vorgesetzten als „verstaatlichter Trottel“ gewertet. Diese Äußerung war in einem Brief einer Arbeitnehmerin an ihren Arzt enthalten. Die behinderte Arbeitnehmerin stand unter erheblichem psychischen Druck. Um diesen Druck abzubauen, sollte sie ihrem behandelnden Arzt jede Woche einen Brief über ihre beruflichen Probleme schreiben. Die Arbeitnehmerin hatte den Brief in ein Kuvert ihres Arbeitgebers gegeben, ohne sich selbst als Absender zu bezeichnen. Der Brief wurde auf Grund einer falschen Ortsangabe als unzustellbar an den Arbeitgeber zurück gesandt. Die Vorgesetzten der Arbeitnehmerin konfrontierten sie in der Folge mit dem Inhalt dieses Schreibens. Die Arbeitnehmerin zeigte sich äußerst verwundert und überrascht, distanzierte sich jedoch weder vom Inhalt des Schreibens noch entschuldigte sie sich. Vielmehr erklärte sie, dass das Schreiben nur für ihren Arzt bestimmt gewesen sei und sie im Privatbereich machen könne, was sie wolle. Angesprochen auf die Stelle „verstaatlichte Trottel“ erklärte sie zynisch: „Wenn Sie sich angesprochen fühlen.“ Die Vorgesetzten fühlten sich sowohl durch den Inhalt des Schreibens als auch durch die Reaktion der Arbeitnehmerin auf die Konfrontation mit diesem aufs Gröbste beleidigt und sprachen die Entlassung der Arbeitnehmerin aus. Der OGH kam zur Auffassung, dass der Inhalt des Schreibens an sich als private Äußerung an den Arzt keinen Entlassungsgrund darstellt. Auflösungsrelevant konnte lediglich das Verhalten der Arbeitnehmerin im Zeitpunkt der Konfrontation mit dem Inhalt des Schreibens durch die Vorgesetzten sein. Der Arbeitgeber hatte durch längere Zeit Druck auf die Arbeitnehmerin ausgeübt, um diese zur einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses zu zwinÂ�gen. Dieses trotz des angegriffenen Gesundheitszustandes der Arbeitnehmerin durch einen längeren Zeitraum ohne erkennbare menschliche Rücksichtnahme fortgesetzte Verhalten musste von einem bis zu seiner Erkrankung untadeligen, ja sogar wegen seines Arbeitseinsatzes belobigten Arbeitnehmers als in hohem Maße ungerechtfertigt empfunden werden. In dieser Situation musste der Arbeitnehmerin der völlig überraschende Vorhalt ihres an ihren Arzt gerichteten Schreibens besonders ungewöhnlich und existenzbedrohend erscheinen. Der OGH wertete dies als Ausnahmesituation für die Arbeitnehmerin. Die Erregung über den Vorhalt des nicht für den Arbeitgeber bestimmten Schreibens reichte daher nach Meinung des OGH aus, um das Verhalten der Arbeitnehmerin zu entschuldigen.131 Tätlichkeiten und Ehrverletzungen berechtigen dann zur sofortigen Auflö59 sung des Arbeitsvertrages, wenn sie unmittelbar vom jeweiligen Vertragspartner ausgehen und der andere Vertragsteil Opfer der Tätlichkeit oder Ehrverletzung ist. Bei juristischen Personen ist ein tätlicher oder ehrverletzender Angriff auf den Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zuzurechnen, wenn das Verhalten von dem zur Vertretung der juristischen Person berufenen Organ gesetzt wurde.132 Dem Arbeitgeber unmittelbar zurechenbar sind aber auch Verhaltensweisen, die von einem Repräsentanten des Arbeitgebers ausgehen. Nach Meinung der Judikatur sind als Repräsentanten einer juristischen Person nicht 131╇ 132╇
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OGH 8.2.1996, 8 ObA 303/95, RdW 1997, 91. OGH 8.4.1992, 9 ObA 56/92, DRdA 1992, 52 (Andexlinger).
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nur die zur Vertretung nach außen berufenen Organe anzusehen. Repräsentanten sind auch solche Organe, die selbständige innerbetriebliche Leitungs- und Überwachungsfunktionen besitzen. Dazu gehört zB der Aufsichtsrat einer juristischen Person. Beleidigt ein Mitglied des Aufsichtsrates einen Arbeitnehmer, ist dieses Verhalten der juristischen Person als unerlaubtes Verhalten zuzurechnen.133 Entscheidend ist, dass die betreffende Person zur selbständigen Ausübung von Unternehmer- und insbesondere Arbeitgeberfunktionen berechtigt ist.134 Bei natürlichen Personen kann die Stellung eines Repräsentanten auch Angehörigen des Arbeitgebers zukommen. Unter Angehörigen des Arbeitgebers versteht die Judikatur nicht nur den Ehegatten und die Kinder; der Angehörigenbegriff ist weit auszulegen. Geht man vom Gesetzeszweck aus, dann ist die Angehörigeneigenschaft insbesondere dann zu bejahen, wenn der Verwandte ein besonderes Naheverhältnis zum Unternehmen hat und die Ehrverletzung damit im Zusammenhang steht.135 Eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann aber auch dann berechtigt sein, wenn die Tätlichkeit oder Ehrverletzung gegenüber Dritten gesetzt oder von Dritten begangen wurde. Der Arbeitgeber ist auf Grund seiner Fürsorgepflicht dazu verhalten, den Arbeitnehmer in Schutz zu nehmen, wenn der Arbeitnehmer von Arbeitskollegen angegriffen oder beleidigt wird. Der angegriffene Arbeitnehmer hat daher vom Arbeitgeber zunächst Abhilfe zu verlangen. Weigert sich der Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer den gebührenden Schutz zu gewähren, ist der angegriffene Arbeitnehmer zum Austritt berechtigt. Wenn der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer Schutz gegen Tätlichkeiten und Ehrverletzungen durch Mitbedienstete gewähren soll, impliziert dies auch ein Entlassungsrecht des Arbeitgebers, wenn ein Arbeitnehmer einen Mitbediensteten tätlich angreift oder beleidigt. Eine Entlassung darf allerdings nur dann ausgesprochen werden, wenn mildere Mittel fehlen, die geeignet sind, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen (zB Versetzung).136 Die Entlassung ist im Übrigen nur dann berechtigt, wenn die Tätlichkeit oder Ehrverletzung gegen den Mitbediensteten in einem Zusammenhang mit der Dienstverrichtung steht. Private Auseinandersetzungen zwischen Arbeitskollegen berechtigen den Angegriffenen nicht zum Austritt; der Arbeitgeber hat bei rein „privaten“ Tätlichkeiten auch keine Abhilfe zu leisten. Insoweit besteht auch kein Entlassungsrecht wegen der Tätlichkeit oder Ehrverletzung.
133╇ OGH 20.1.1995, 9 Ob A 241/94, DRdA 1996, 7 (Geist); vgl auch Ostheim, Gedanken zur deliktischen Haftung für Repräsentanten anläßlich der neueren Rechtsprechung des OGH, JBl 1978, 57; Mazal, Nötigung und Arbeitsrecht, ecolex 1994, 239. 134╇ OGH 30.9.1987, 9 ObA 80/87. 135╇ OGH 8.4.1992, 9 ObA 56/92, DRdA 1992, 52 (Andexlinger). 136╇ OGH 4.12.2002, 9 ObA 230/02t, DRdA 2003, 51 (Risak).
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IV. Vertragliche Gestaltung der Auflösungsgründe 1. Zwingende Wirkung 64
Die „wichtigen“ Auflösungsgründe sind in ihrem Kern zweiseitig zwinÂ� gend,137 auch wenn die zwingende Wirkung in §Â€1164 nicht ausdrücklich erwähnt wird. Es wäre ein Verstoß gegen die guten Sitten, würden die Vertragsparteien im Vorhinein die Möglichkeit generell ausschließen, das ArbeitsÂ� verhältnis wegen eines Umstandes auflösen zu können, der nach allgemeiner Ansicht die Fortführung des Dienstverhältnisses unzumutbar macht. Das gilt zumindest für auf Verschulden beruhende Auflösungsgründe.138 Aber auch die Vereinbarung zusätzlicher Auflösungsgründe, die objektiv nicht als wichtiger Grund anzusehen sind, wäre nichtig.139 Zulässig ist lediglich die nähere Konkretisierung eines Auflösungsgrundes durch Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelvertrag. 2. Disziplinarstrafen a) Begriff
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Die Judikatur billigt grundsätzlich auch die Bindung des Ausspruches einer Entlassung an die vorherige Durchführung eines Disziplinarverfahrens.140 Mit der Verhängung einer Disziplinarstrafe wird ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers missbilligt. Die Disziplinarstrafe ist auf die Sanktionierung des beanstandeten Verhaltens selbst gerichtet. Sie bringt ein „Unwerturteil“ über das gesetzte Verhalten zum Ausdruck und hat damit einen abschließenden Sanktionscharakter.141 Die Disziplinarstrafe ist vorwiegend vergangenheitsbezogen. Unter „Disziplinarmaßnahmen“ in diesem technischen Sinn sind alle jene Maßnahmen zur Wahrung oder Wiederherstellung einer vorgegebenen Ordnung zu verstehen, die dem Arbeitnehmer Nachteile zufügen mit dem ausdrücklich erklärten Zweck, ihn für eine Verfehlung zu bestrafen und andere Arbeitnehmer von ähnlichen Verfehlungen abzuhalten.142 Die Verhängung von Disziplinarstrafen gegen Arbeitnehmer ist dem Ar66 beitsrecht nicht fremd. Ein Recht des Arbeitgebers zur Verhängung einer Disziplinarmaßnahme ergibt sich in aller Regel nicht allein aus dem ArbeitsÂ� 137╇ OGH 11.12.1984, 4 Ob 121/83, ZAS 1985, 139 (insoweit zustimmend Mayer-Maly); 28.10.1994, 9 ObA 192/94, DRdA 1995, 23 (Strasser); vgl auch Tomandl, Einschränkungen des Entlassungsrechts durch kollektivvertragliche Disziplinarordnungen – dargestellt am Beispiel der Versicherungsangestellten (Innendienst), RdW 1983, 108 ff. 138╇ Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht 27 236 f. 139╇ Grundlegend OGH 20.5.1930, 1 Ob 442/30, Arb 3985. 140╇ Vgl OGH 11.12.1984, 4 Ob 121/83, ZAS 1985, 139 (Mayer-Maly); 17.2.1987, 14 Ob 227/86, DRdA 1990, 9 (Jabornegg). 141╇ Vgl Marhold, DRdA 1996, 132; Risak, ZAS 1997, 83 ff; vgl auch Binder, Das betriebliche Disziplinarrecht im Widerstreit, RdW 1999, 600 ff; Schrammel, Schiedsgerichtsbarkeit im Sport, in Nautz/Brix/Luf (Hrsg), Das Rechtssystem zwischen Staat und Zivilgesellschaft (2001), 187 ff. 142╇ Vgl OGH 10.5.1995, 9 ObA 51/95, DRdA 1996, 8 (Marhold).
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Vertragliche Gestaltung der Auflösungsgründe
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vertrag,143 es bedarf einer besonderen gesetzlichen, kollektivvertraglichen, betriebsvereinbarungsrechtlichen oder einzelvertraglichen Grundlage.144 Dem Arbeitgeber muss durch die erwähnten Gestaltungsmittel ein einseitiges Gestaltungsrecht eingeräumt sein, das zur Verhängung von Disziplinarmaßnahmen berechtigt. Dieses Gestaltungsrecht räumt dem Arbeitgeber eine nach dem Grundsatz von Treu und Glauben und nach billigem Ermessen auszuübende Regelungsbefugnis ein, wobei nicht nur verbessernde, sondern auch verschlechternde Bestimmungen von einem solchen Gestaltungsrecht umfasst sind.145 Kündigungen und Entlassungen bedürfen allerdings keiner „besonderen“ 67 Rechtsgrundlage, weil sich diese Gestaltungsmittel schon unmittelbar aus dem Gesetz ergeben und – jedenfalls soweit es Entlassungen betrifft – dem Dauerschuldverhältnis immanent sind. Kündigungen und Entlassungen können vom Arbeitgeber auch mit der Intention ausgesprochen werden, damit ein „Unwerturteil“ zum Ausdruck zu bringen. Es ist daher durchaus fraglich, ob man Kündigungen oder Entlassungen als „Disziplinarmaßnahmen“ ansehen kann. Im Anwendungsbereich des ArbVG gehören Kündigungen und Entlassungen jedenfalls nicht zu den „Disziplinarmaßnahmen“ iSd §Â€102 ArbVG.146 Zu beachten ist allerdings, dass disziplinäre Kündigungen oder Entlassun- 68 gen regelmäßig an die Einhaltung bestimmter Verfahrensvorschriften gebunden sind. Über die Berechtigung der Auflösung des Arbeitsvertrages soll nicht allein der Arbeitgeber entscheiden; vielmehr soll die Entscheidung über das Fehlverhalten des Arbeitnehmers „betriebsintern“ vorbereitet oder überprüft werden. Diese Überprüfung wird typischerweise einer vom Arbeitgeber verschiedenen Stelle übertragen. Die zur Überprüfung berufene „Disziplinarkommission“ wird mit der Beurteilung betraut, ob Fehlverhalten geeignet sind, aus disziplinären Gründen eine Entlassung auszusprechen. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses soll nur zulässig sein, wenn die Disziplinarkommission die Entlassung empfiehlt. Denkbar ist auch, dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Disziplinarkommission übertragen wird. Insoweit bedarf aber auch die „disziplinäre“ Kündigung oder Entlassung einer besonderen Rechtsgrundlage. Eine „verfahrensabhängige“ Kündigung oder Entlassung kann daher durchaus als Disziplinarmaßnahme im weiteren Sinn verstanden werden. b) Überprüfung der Disziplinarstrafe Unter dem Aspekt der Frage der Zulässigkeit der Einschränkung des Ent- 69 lassungsrechtes des Arbeitgebers sind zwei verschiedene Fragenbereiche zu unterscheiden, und zwar einerseits (formell), inwieweit vorgesehen werden kann, dass Entlassungen ein Verfahren vorgeschaltet werden muss und andererseits (materiell), inwieweit das in seinem Kernbereich als unverzichtbar anzusehende Entlassungsrecht allgemein oder nur partiell einem Dritten übertra143╇
OGH 6.9.1977, 4 Ob 97/77, Arb 9623; 11.10.1977, 4 Ob 127/77, Arb 9649. OGH 29.8.1996, 8 ObA 2113/96, ZAS 1997, 81 (Risak). 145╇ Vgl OGH 16.6.1999, 9 ObA 17/99m. 146╇ Grundlegend OGH 17.3.2005, 8 ObA 12/04d. 144╇
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gen werden kann bzw inwieweit die Ausübung dieses Rechtes durch den „Dritten“ überprüft werden kann. Die Übertragung der Entlassungsbefugnis auf eine Disziplinarkommission 70 wird von der Judikatur als unproblematisch angesehen. Nach Meinung der Rechtsprechung kann aus arbeitsvertragsrechtlicher Sicht eine Disziplinarkommission als „Dritter“ mit der Konkretisierung bestimmter Rechte des Arbeitgebers betraut werden. Die Disziplinarkommmission kann organisationsrechtlich auch als weisungsfreie – vom Arbeitgeber und auch vom Betriebsrat unabhängige – Einrichtung gestaltet sein. Ein in Grundzügen ähnliches Modell findet sich – so der OGH – schon in §Â€1056 über die Zulässigkeit der Preisfestsetzung durch einen Dritten im Rahmen des Kaufvertrages. Auch dort wird der „Dritte“ nicht als Schiedsrichter, sondern als Privatperson mit Gestaltungsbefugnis hinsichtlich eines noch „unvollständigen“ Rechtsgeschäftes verstanden.147 Wenn neben den disziplinären Kündigungen und Entlassungen keine ande71 ren Regelungen über Kündigungen und Entlassungen vorgesehen sind, ist davon auszugehen, dass eine „schlichte“ Kündigung oder Entlassung nicht möglich sein soll.148 Der OGH weist zu Recht darauf hin, dass eine inhaltlich nicht determinierte „schlichte“ Kündigungs- oder Entlassungsmöglichkeit neben der disziplinären Kündigungs- oder Entlassungsmöglichkeit ineffektiv wäre.149 Wenn allerdings auf Grund der vertraglichen Gestaltung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Entlassung nur zulässig ist, wenn ein „verurteilendes“ Erkenntnis der Disziplinarkommmission vorliegt, muss der Arbeitgeber eine Fehlbeurteilung der Kommission (Verweigerung der Entlassung) grundsätzlich hinnehmen. Der OGH verweist neuerlich auf §Â€1056. Eine allenfalls pflichtwidrige Preisfestsetzung durch den Dritten berührt grundsätzlich nicht deren Verbindlichkeit, sondern führt nur zu Haftungsansprüchen gegenüber dem jeweils geschädigten Vertragspartner.150 Im Übrigen sei anerkannt, dass die konkrete Preisbestimmung im Rahmen des „billigen Ermessens“ erfolgen kann, wobei die richterliche Kontrolle der Preisfestsetzung nur möglich ist, wenn diese offenkundig unbillig ist und die Grenzen des Gestaltungsspielraumes überschritten wurden. Nur dann, wenn die Maßstäbe von Treu und Glaube in gröbster Weise verletzt werden und die Unrichtigkeit der Bestimmung einem sachkundigen und unbefangenen Beurteiler sofort erkennbar ist, werden diese Grenzen überschritten, während etwa allein das Verwerten falscher Unterlagen, die Anwendung falscher Methoden oder Rechenfehler dies noch nicht bewirken. Bezogen auf die Übertragung des Entlassungsrechtes auf eine Disziplinar72 kommission ergibt sich für den OGH daraus, dass es zulässig ist, in den Randbereichen das Entlassungsrecht auszuschließen und dementsprechend auch das Entlassungsrecht mit einem weiten Ermessen einem dafür verantwortlichen 147╇
So ausdrücklich OGH 17.3.2005, 8 ObA 12/04d. Denkbar ist, dass neben der „disziplinären“ Entlassung eine „schlichte“ Entlassung zB bei strafgerichtlicher Verurteilung zulässig ist; vgl OGH 28.10.1994, 9 ObA 192/94, DRdA 1995, 23 (Strasser). 149╇ OGH 17.3.2005, 8 ObA 12/04d. 150╇ Aicher in Rummel3 I §Â€1056 Rz 3. 148╇
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Allgemeines
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„Dritten“ zu übertragen. Die Grenze liegt dort, wo dessen Entscheidung in einer einem sachkundigen und unbefangenen Beurteiler sofort erkennbaren Weise im Kernbereich des Entlassungsrechtes offensichtlich unrichtig ist. Dies kann dann aber auch von den Gerichten überprüft werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Gerichte anstelle der Disziplinar- 73 kommission durch Rechtsgestaltungsurteil die Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen können.151 Hält der Arbeitgeber die Entscheidung der Disziplinarkommmission für rechtswidrig, kann er nach Abschluss des Disziplinarverfahrens unabhängig von dessen Ausgang die Entlassung aussprechen, die dann der nachträglichen gerichtlichen Prüfung unterliegt.152 Die gerichtliche Überprüfung einer allfälligen Nichtigkeit der Übertragung des Entlassungsrechtes erfolgt daher letztlich auf Initiative des Arbeitnehmers. Wird der Arbeitnehmer trotz eines die Entlassung verneinenden Erkenntnisses der Disziplinarkommission entlassen, kann er auf Feststellung des aufrechten Bestandes seines Arbeitsverhältnisses klagen, wenn sich die Gestaltung durch die Disziplinarkommission im Rahmen des billigen Ermessens gehalten hat. Wird der Arbeitnehmer durch ein Erkenntnis der Disziplinarkommission 74 entlassen, steht ihm nach Meinung der Judikatur die „volle“ Überprüfung dieser Entscheidung zu. Diese volle Überprüfung bezieht sich sowohl auf die Einhaltung der Verfahrensvorschriften als auch auf die materielle Richtigkeit der Entscheidung. Eine Beschränkung auf „grobe“ Unrichtigkeiten der DisziplinarÂ� entscheidung erfolgt nicht. Für diese weite Überprüfungsmöglichkeit spricht, dass die Entlassung nur zulässig ist, wenn tatsächlich ein wichtiger Grund zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt. Ob die Entlassung vom Vertragspartner selbst oder von einem „Dritten“ ausgesprochen wurde, kann für die Rechtmäßigkeit der Entlassung keine Rolle spielen.153 §Â€1162a. Wenn der Dienstnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt, kann der Dienstgeber entweder dessen Wiedereintritt zur Dienstleistung nebst Schadenersatz oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages verlangen. Wird der Dienstnehmer wegen eines Verschuldens vorzeitig entlassen, so hat er Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages zu leisten. Für die schon bewirkten Leistungen, deren Entgelt noch nicht fällig ist, steht dem Dienstnehmer ein Anspruch auf den entsprechenden Teil des Entgelts nur insoweit zu, als sie nicht durch die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisse für den Dienstgeber ihren Wert ganz oder zum größten Teil eingebüßt haben. §Â€ 1162b. Wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig entläßt oder wenn ihn ein Verschulden an dem vorzeiti151╇
Vgl OGH 17.1.1996, 9 ObA 182/95, DRdA 1996, 56 (Eypeltauer). Vgl Eypltauer, DRdA 1996, 56; Tomandl, Einschränkungen des Entlassungsrechts durch kollektivvertragliche Disziplinarordnungen – dargestellt am Beispiel des Kollektivvertrages der Versicherungsangestellten, RdW 1983, 108 ff. 153╇ OGH 4.10.2000, 9 ObA 190/00g. 152╇
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gen Austritte des Dienstnehmers trifft, behält dieser, unbeschadet weitergehenden Schadenersatzes, seine vertragsgemäßen Ansprüche auf das Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der Vertragszeit oder durch ordnungsmäßige Kündigung hätte verstreichen müssen, unter Anrechnung dessen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Soweit jedoch der oben genannte Zeitraum drei Monate nicht übersteigt, kann der Dienstnehmer das ganze für diese Zeit gebührende Entgelt ohne Abzug sofort fordern. §Â€1162c. Trifft beide Teile ein Verschulden an der vorzeitigen Lösung des Dienstverhältnisses, so hat der Richter nach freiem Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt. §Â€1162d. Ansprüche wegen vorzeitigen Austrittes oder vorzeitiger Entlassung im Sinne der §§Â€1162a und 1162b müssen bei sonstigem Ausschlusse binnen sechs Monaten nach Ablauf des Tages, an dem sie erhoben werden konnten, gerichtlich geltend gemacht werden. IdF RGBl 1916/69 (III. Teilnovelle). Mat: 78 BlgHH, 21. Session 1912. Lit: Marhold, Die Wirkungen ungerechtfertigter Entlassungen – Eine Kritik des sogenannten Schadenersatzprinzips, ZAS 1978, 5; Wachter, Beiderseitiges Verschulden bei der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses (1982); Kuderna, Das Verschulden des Arbeitgebers am vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers, DRdA 1984, 8; Apathy, Beiderseitiges Verschulden an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, in Tomandl (Hrsg), Beendigung des Arbeitsvertrages (1986) 81; Kuderna, Das Mitverschulden an der vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses, DRdA 1986, 181; Pfeil, Zur Zulässigkeit von Verfalls- und Verjährungsklauseln im Arbeitsrecht, RdW 1986, 343; Tomandl, Die fehlerhafte Beendigung des Arbeitsvertrages, in Tomandl (Hrsg), Beendigung des Arbeitsvertrages (1986) 25; ders, Die Kündigungsentschädigung besonders kündigungsgeschützter Arbeitnehmer, ZAS 1986, 109; Pfeil, Die Mitverschuldensregel bei vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses, wbl 1987, 175; Grießer, Vorzeitiger Austritt des Betriebsratsmitgliedes, DRdA, 1991, 442; Rauch, Verjährung und Verfall im Arbeitsrecht, ASoK 2000, 26; Weiß, Das Wahlrecht des besonders kündigungsgeschützten Arbeitnehmers und dessen Fristgebundenheit, DRdA 2003, 555.
Übersicht I. Allgemeines II. Die fehlerhafte vorzeitige Auflösung des Arbeitsvertrages III. Ansprüche des Arbeitgebers (§Â€1162a) 1. Unbegründeter Austritt 2. Verschuldete Entlassung a) Schadenersatz b) Entgeltminderung 248
1–3 4–19 20–30 20–23 24–30 24–29 30
Allgemeines
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IV. Ansprüche des Arbeitnehmers (§Â€1162b) 1. Kündigungsentschädigung 2. Besonders bestandgeschützte Arbeitnehmer a) Wahlrecht b) Zeitliche Dauer der Kündigungsentschädigung 3. Vorteilsanrechnung 4. Weitergehende Schadenersatzansprüche 5. Analoge Anwendung bei anderen rechtswidrigen Auflösungen des Arbeitsverhältnisses V. Mitverschulden an der vorzeitigen Auflösung (§Â€1162c) VI. Verfall der Ansprüche (§Â€1162d)
31–57 31–39 40–48 40–44 45–48 49–54 55 56–57 58–66 67–73
I. Allgemeines Die §§Â€1162a bis 1162d regeln die Rechtsfolgen einer berechtigten, vom 1 anderen Teil verschuldeten vorzeitigen Auflösung des Arbeitsvertrages und die Rechtsfolgen einer unbegründeten vorzeitigen Auflösung. Keine besonderen Anordnungen trifft der Gesetzgeber für die berechtigte verschuldensunabhängige vorzeitige Beendigung des Arbeitsvertrages. Entlassung und Austritt beenden das Arbeitsverhältnis mit Zugang der je- 2 weiligen Auflösungserklärung. Dies gilt jedenfalls für Auflösungserklärungen, die auf einem wichtigen Grund beruhen. Ob die Auflösung vom anderen Vertragsteil verschuldet wurde oder auf einem verschuldensunabhängigen Grund beruht, spielt für die Beendigungswirkung keine Rolle. Ansprüche, die auf einer berechtigten, vom anderen Teil verschuldeten Auflösung beruhen, sind daher grundsätzlich als Schadenersatzansprüche zu qualifizieren.1 Dies ist nicht zweifelhaft, wenn der Gesetzgeber ausdrücklich dem vertragstreuen Teil einen Anspruch auf „Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages“ (§Â€1162a) einräumt oder „weitergehenden Schadenersatz“ (§1162b) nicht ausschließt. Fraglich ist, ob auch der in §Â€1162b erwähnte Anspruch auf das „vertragsgemäße Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der Vertragszeit oder durch ordnungsmäßige Kündigung hätte verstreichen müssen“, als Schadenersatzanspruch zu qualifizieren ist. Beendet der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis durch berechtigten, vom 3 Arbeitgeber verschuldeten Austritt, sind die „vertragsmäßigen Ansprüche auf das Entgelt“ zweifellos als Schadenersatzspruch wegen verschuldeter Nichterfüllung des Vertrages zu werten. Anders ist die Situation bei fehlerhaften Auflösungserklärungen. Der Gesetzgeber hat die vorzeitige Auflösung des Arbeitsvertrages an das Vorliegen wichtiger Gründe und die Rechtzeitigkeit des Ausspruches gebunden. Fehlt eine der gesetzlichen Voraussetzungen für eine vorzeitige Auflösung, stellt sich zunächst die Frage, ob die Auflösungserklärung auch in diesem Fall zur Beendigung des Arbeitsvertrages führt. Wird das Arbeitsverhältnis durch eine fehlerhafte Auflösung beendet, sind die im §Â€ 1162b geregelten Ansprüche auf das vertragsmäßig gebührende Entgelt 1╇
Vgl auch den HHB, 78 BlgHH, 21. Sess 234.
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ebenfalls als Schadenersatzanspruch zu werten. Wird das Arbeitsverhältnis durch eine fehlerhafte Auflösung nicht beendet, können die Ansprüche auf das vertragsmäßig gebührende Entgelt auch als Erfüllungsanspruch angesehen werden.
II. Die fehlerhafte vorzeitige Auflösung des Arbeitsvertrages 4
Ungerechtfertigte Auflösungsversuche eines Arbeitsverhältnisses können differenzierte Rechtsfolgen nach sich ziehen. Die fehlerhafte Auflösung könnte als solche unwirksam sein; sie könnte in eine fehlerfreie umgedeutet werden oder trotz des Fehlers zu einer Auflösung, verbunden mit einem finanziellen Entschädigungsanspruch des Betroffenen, führen. Theoretisch stehen also die Unwirksamkeits-, die Konversions- und die Schadenersatztheorie zur Lösung dieser Fälle zur Verfügung. Unberechtigte Auflösungserklärungen sind bei Zielschuldverhältnissen 5 nach allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen als generelle Erfüllungsverweigerung gemäß §§Â€918 ff zu beurteilen.2 Das ABGB räumt dem von der Erfüllungsverweigerung Betroffenen jeweils ein Wahlrecht ein: Er kann seine eigene Leistung weiterhin erbringen und auch vom anderen Teil die weitere Erfüllung des Vertrages verlangen oder vom Vertrag zurücktreten und Schadenersatz (Differenzanspruch) verlangen. Die unberechtigte Auflösung entfaltet also keine Wirksamkeit, der vertragstreue Teil kann seinerseits das Rechtsverhältnis durch Rücktritt zur Auflösung bringen. Bei einer generellen Erfüllungsverweigerung ist eine Nachfristsetzung nicht erforderlich. Nach Meinung der Judikatur3 sind die in den §§Â€918 ff vorgesehenen Wahl6 möglichkeiten (Festhalten am Vertrag oder Beendigung) auch auf Dauerschuldverhältnisse sinngemäß anzuwenden. Bei begonnenen Dauerschuldverhältnissen wird allerdings das in den §§Â€918 ff normierte Rücktrittsrecht mit Wirkung ex tunc durch ein Auflösungsrecht aus wichtigem Grund mit Wirkung ex nunc ersetzt. Dies ändert allerdings nichts daran, dass bei einer Auflösung ohne wichtigen Grund dem vertragstreuen Teil die Wahlmöglichkeiten der §§Â€918 ff zu Gebote stehen.4 Die fehlerhafte Auflösung führt daher auch bei Dauerschuldverhältnissen grundsätzlich nicht zu einer Beendigung des Rechtsverhältnisses; der vertragstreue Teil kann entweder die weitere Erfüllung des Vertrages verlangen oder seinerseits das Rechtsverhältnis – mit Wirkung ex nunc – zur Auflösung bringen.5 Die Rücktrittserklärung ist formfrei und kann auch schlüssig erfolgen. Der 7 OGH hat in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, das Einstellen der eigenen Leistung verbunden mit dem Begehren auf Ersatz des durch die verschuldete Nichterfüllung entstandenen Schadens bedeute, dass das Ver2╇ Bydlinski, JBl 1975, 39; OGH 5.3.1952, 1 Ob 176/52, SZ 25/58; 18.4.1985, 8€Ob€506/84; vgl auch zur unberechtigten Stornierung einer Reise durch den Reiseveranstalter Fischer-Czermak, Leistungsstörungen beim Reiseveranstaltungsvertrag, JBl 1997, 274. 3╇ OGH 24.10.1973, 5 Ob 157/73, JBl 1975, 34. 4╇ So ausdrücklich OGH 24.10.1973, 5 Ob 157/73, JBl 1975, 34; zustimmend Bydlinski, JBl 1975, 39. 5╇ So Bydlinski, JBl 1975, 39.
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tragsverhältnis mit der unberechtigten Auflösungserklärung sein Ende gefunden habe.6 Der OGH verlangt daher keinen ausdrücklichen Rücktritt des vertragstreuen Teiles; ergibt sich aus den Umständen, dass der vertragstreue Teil am Vertrag nicht festhalten will, so wird die Beendigung des Vertragsverhältnisses auf die unberechtigte Auflösungserklärung „rückprojiziert“. Für Arbeitverhältnisse hat der OGH aber eine andere Lösung gefunden. 8 Die Judikatur vertritt in ständiger Rechtsprechung die These, dass dem Arbeitnehmer bei fehlerhaften Auflösungserklärungen durch den Arbeitgeber ein Wahlrecht, wie es in den §§Â€918 ff zum Ausdruck kommt, nur dann zusteht, wenn dem Arbeitnehmer entweder vertraglich Unkündbarkeit zugesichert wurde oder das Arbeitsverhältnis einem besonderen Kündigungs- oder Entlassungsschutz unterliegt. In diesem Fall ist eine fehlerhafte Auflösungserklärung grundsätzlich unwirksam; der Arbeitnehmer hat aber die Möglichkeit, zwischen der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und den Ansprüchen aus unbegründeter Beendigung zu wählen.7 Entscheidet sich der Arbeitnehmer für die Beendigungsansprüche, wird der fehlerhaften Auflösungserklärung Beendigungswirkung zuerkannt. Insoweit folgt die Judikatur den „allgemeinen“ vertragsrechtlichen Prinzipien. Bei Arbeitsverhältnissen, die von den Vertragspartnern durch Kündigung 9 frei aufgelöst werden können, hat sich der OGH jedoch für das Schadenersatzprinzip entschieden.8 Wird der Arbeitnehmer zu Unrecht entlassen, so beendet diese Entlassungserklärung das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung; die fehlerhafte Auflösungserklärung ist zwar rechtswidrig, aber rechtswirksam. Gleiches gilt für fehlerhafte Auflösungserklärungen des Arbeitnehmers. Der durch die fehlerhafte Beendigung Benachteiligte kann vom Vertragspartner nur Schadenersatz verlangen, ein Festhalten am Vertrag steht ihm nicht zu. Zur Begründung dieser den vertragstreuen Teil benachteiligenden Auffas- 10 sung stützt sich der OGH vor allem auf den Wortlaut des §Â€1162b.9 Der Gesetzgeber hat in dieser Bestimmung den vom Arbeitgeber verschuldeten Austritt des Arbeitnehmers gleich behandelt wie die unbegründete Entlassung. Auch bei einer unbegründeten Entlassung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Kündigungsentschädigung; er behält die vertragsmäßigen Ansprüche auf das Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit oder durch ordnungsgemäße Kündigung (durch den Arbeitgeber) hätte verstreichen müssen. Die Judikatur entnimmt daraus die Absicht des Gesetzgebers, den begründeten Austritt in seinen Rechtsfolgen der unbegründeten Entlassung völlig gleichzustellen: Da im ersten Fall kein Zweifel an der lösenden Wirkung besteht, müsse diese auch im zweiten Fall eintreten; da der begründete Austritt den Arbeitsvertrag löst, müsse dies auch für die unbegründete Entlassung gelten. OGH 24.10.1973, 5 Ob 157/73, JBl 1975, 34 (kritisch dazu Bydlinski, JBl 1975, 39). OGH 13.7.1982, 4 Ob 79/82, Arb 10.148; 14.9.1982, 4 Ob 99/81, DRdA 1983, 8 (Tögl). 8╇ Ständige Rechtsprechung; vgl etwa OGH 3.11.1981, 4 Ob 113/81, Arb 10.061; 5.9.1978, 4 Ob 77/78, Arb 9715. 9╇ OGH 5.5.1964, 4 Ob 47/64, Arb 7940; 16.11.1976, 4 Ob 68/76, ZAS 1978, 15. 6╇ 7╇
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Dabei wird freilich übersehen, dass die genannten Bestimmungen nicht den Grund der Lösung des Arbeitsverhältnisses, sondern nur die Rechtsfolgen einer Auflösungserklärung regeln wollen. Aus den Materialien zur III. Teilnovelle10 ergibt sich klar, dass der Gesetzgeber einer unberechtigten Auflösungserklärung keinesfalls eine das Arbeitsverhältnis auflösende Wirkung beilegen wollte. Die Regierungsvorlage hatte als Rechtsfolge vorzeitigen Austritts oder Entlassung ausschließlich einen Schadenersatzanspruch vorgesehen.11 Die Regierungsvorlage hatte unterstellt, dass durch die Austritts- bzw Entlassungserklärung das Dienstverhältnis jedenfalls beendet wird. Im Herrenhausbericht zur III. Teilnovelle12 wird dieser Grundgedanke als „irrig“ bezeichnet. Austritt oder Entlassung würden nur dann eine Auflösung des Vertragsverhältnisses bewirken, wenn die Erklärung auf einem gesetzlich anerkannten Grund beruht. Der Bericht hebt ausdrücklich hervor, dass ein „Austritt“ oder eine „Entlassung“ ohne wichtigen Grund rechtlich unwirksam ist. Die Auflösung ohne wichtigen Grund bedeute nur das tatsächliche Einstellen der Dienste, lasse also den Vertrag fortbestehen. Für diesen Fall müsse somit die erste Frage die nach der Erfüllung des Vertrages sein. In der Folge führt der Herrenhausbericht zu §Â€1162b aus, es müsse im Fal12 le einer Entlassung ohne wichtigen Grund unterschieden werden, ob der Vertrag auf bestimmte Zeit oder auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde. Im ersten Fall würde das Dienstverhältnis bis zum Ablauf der Vertragszeit fortbestehen, im zweiten Fall sei die Entlassungserklärung als Kündigung auszulegen. Der Herrenhausbericht hat dies als „benigna interpretatio“ zu Gunsten des Dienstgebers bezeichnet. Wenn der Dienstnehmer die vertragsmäßigen Ansprüche auf sein Entgelt begehrt, so begehre er dieses nicht aus dem Titel des Schadenersatzes, sondern als Vertragserfüllung.13 Der historische Gesetzgeber hat sich daher im Falle einer unberechtigten Entlassung ganz offensichtlich für die Konversionstheorie entschieden. Aus dem dann verabschiedeten Gesetzestext des ABGB ergibt sich kein 13 Hinweis, dass der Gesetzgeber von diesen Auffassungen des Herrenhauses später abweichen wollte. §Â€1162a ist ein Beleg für diese Absicht des historischen Gesetzgebers. Dem Arbeitgeber wird bei einem unberechtigten Austritt des Arbeitnehmers ein Wahlrecht eingeräumt: er kann Erfüllung oder Schadenersatz verlangen. Wenn aber dem Arbeitgeber ein Wahlrecht zwischen Erfüllung und Schadenersatz eingeräumt wird, ist nicht einzusehen, warum nicht auch dem Arbeitnehmer ein solches Wahlrecht zustehen soll. Als weiteres Argument für die lösende Wirkung werden auch „praktische 14 Bedürfnisse nach Klarheit über den aufrechten Bestand des Arbeitsverhältnisses“ ins Treffen geführt.14 Ein Streit darüber, ob ein Verhalten einen ausreichenden Grund für eine berechtigte Entlassung darstellt, könne negative Auswirkungen über die Vermittelbarkeit des Arbeitnehmers haben. Im Übrigen sei 10╇ Vgl zur gesamten historischen Entwicklung die eingehenden Nachweise bei Tomandl, Beendigung 29 ff. 11╇ Vgl §Â€174 f RV. 12╇ Vgl 78 BlgHH, 21. Sess 231 ff. 13╇ Vgl 78 BlgHH, 21. Sess 233. 14╇ Vgl Kuras, AngG-Komm §Â€29 Rz 8 mwN.
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die Aufrechterhaltung eines personenbezogenen Leistungsaustausches gegen den strikten Willen eines Vertragspartners typischerweise als unzumutbar anzusehen.15 Dieses Argument ist in sich widersprüchlich. Wenn die Aufrechterhaltung eines personenbezogenen Leistungsaustausches gegen den strikten Willen eines Vertragspartners tatsächlich als unzumutbar angesehen werden muss, ist nicht einzusehen, warum die unberechtigte Entlassung nicht auch Arbeitsverhältnisse mit besonderem Bestandschutz zur Auflösung bringt. Der personenbezogene Charakter des Arbeitsverhältnisses müsste wohl auch bei einem besonderen Bestandschutz eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als unÂ� zumutbar erscheinen lassen. Für diesen Fall billigt die Judikatur – wie oben ausgeführt – dem Arbeitnehmer aber ein Wahlrecht – Lösung des Arbeitsverhältnisses oder Erfüllung – zu. Man erkennt daraus, dass der Arbeitnehmer auf eine allfällige Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ohnehin durch entsprechende Wahl (Lösung des Arbeitsverhältnisses und Schadenersatz wegen Nichterfüllung) reagieren kann. Wenn das Wahlrecht aber bei besonders bestandgeschützten Arbeitsverhältnissen ausreicht, um die Interessen des vertragstreuen Teiles zu wahren, ist nicht einzusehen, warum bei nicht bestandgeschützten Arbeitsverhältnissen dieses Wahlrecht nicht ausreichen soll. Für die Auffassung der Judikatur kann allenfalls ins Treffen geführt werden, dass der fehlerhaft Auflösende ein Fortsetzungsbegehren des vertragstreuen Teiles sofort mit einer fehlerfreien Auflösungserklärung erwidern kann, wenn das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde. Wird der Arbeitnehmer zu Unrecht entlassen und begehrt er die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, so könnte der Arbeitgeber den Fortsetzungsanspruch durch Ausspruch einer ordnungsgemäßen Kündigung sofort begrenzen. Ist die freie Kündbarkeit hingegen ausgeschlossen, steht diese „Ausweichmöglichkeit“ nicht zur Verfügung. Der Fortsetzungsanspruch des Arbeitnehmers kann daher bei freier Kündigungsmöglichkeit die Kündigungsfrist nicht übersteigen. Für diesen Zeitraum besteht – bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses – ohnehin Anspruch auf Kündigungsentschädigung; auch weitergehender Schadenersatz kann geltend gemacht werden. Die Schadenersatztheorie vermeidet daher bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen den Ausspruch einer weiteren Auflösungserklärung. Anders ist die Situation bei befristeten Arbeitsverhältnissen. Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis besteht keine Möglichkeit, die fehlerhafte Auflösungserklärung durch eine ordnungsgemäße zu ersetzen, auch wenn die Dauer des möglichen Fortsetzungsanspruches feststeht.16 Aus diesem Grund hat der Herrenhausbericht zur III. Teilnovelle auch hervorgehoben, dass der Vertrag bei einer unberechtigten Auflösung bis zum Ablauf der Vertragszeit zu erfüllen ist. Die Vertreter der Schadenersatztheorie übersehen auch, dass der Schadenersatz für die Verkürzung des Arbeitsverhältnisses nicht immer ein Äquivalent 15╇
OGH 21.10.1969, 4 Ob 63/69, Arb 8669. Dadurch unterscheidet sich die „Unkündbarkeit“ befristeter Arbeitsverhältnisse von der vertraglich eingeräumten Unkündbarkeit unbefristeter Arbeitsverhältnisse. 16╇
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für den längeren Bestand des Arbeitsverhältnisses darstellt. So verliert der zu Unrecht entlassene Arbeitnehmer etwa anrechenbare Dienstzeiten für ein neues Dienstverhältnis, da die Dauer des Bezuges von Kündigungsentschädigung nicht als Dienstzeit gilt. Bei Anwartschaften auf Sozialleistungen wird eine Benachteiligung nur dann vermieden, wenn Zeiten des Bezuges einer Kündigungsentschädigung tatsächlichen Beschäftigungszeiten gleich gehalten werden.17 Aus all dem ergibt sich, dass sich die Schadenersatztheorie auf keine klare 19 gesetzliche Grundlage stützen kann. Sie verschafft nur dem Vertragsverletzer Vorteile. Die Judikatur sollte sich der überzeugenden Kritik18 stellen und dem vertragstreuen Teil das Wahlrecht einräumen, entweder Erfüllung (plus Vergütung des erlittenen Schadens) zu begehren oder die Beendigung hinzunehmen und Schadenersatz zu verlangen. Auch wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angesichts der freien Lösbarkeit unbefristeter Arbeitsverhältnisse durch die Vertragsparteien oft nur geringe praktische Bedeutung haben wird, besteht keine Veranlassung, die Entscheidung darüber dem vertragstreuen Teil abzunehmen.
III. Ansprüche des Arbeitgebers (§Â€1162a) 1. Unbegründeter Austritt Ist der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig ausgetreten, hat der Arbeitgeber nach dem Wortlaut des Gesetzes ein Wahlrecht: Er kann entweder die weitere Erfüllung des Vertrages und Schadenersatz wegen der „Verspätung“ oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages verlangen. Stellt der Arbeitgeber die Lohnzahlung ein und begehrt er gleichzeitig Ersatz des durch die verschuldete Nichterfüllung entstandenen Schadens, ergibt sich nach Meinung der Judikatur, dass das Vertragsverhältnis mit der unberechtigten Auflösungserklärung sein Ende gefunden hat. Trotz des klaren Wortlauts des Gesetzes wird von der Judikatur und der 21 herrschenden Lehre das Recht des Arbeitgebers, am Vertrag festzuhalten und vom Arbeitnehmer weitere Vertragserfüllung zu verlangen, abgelehnt. Die dafür vorgebrachten Gründe sind nicht überzeugend. Zum einen wird argumentiert, eine erzwungene Arbeitsleistung sei für den Arbeitgeber wertlos.19 Darauf wurde schon hingewiesen. Dies hat aber allein der Arbeitgeber zu entscheiden. Wenn dem Arbeitgeber ein Wahlrecht zwischen Erfüllung und Schadener20
17╇ Vgl §Â€1 Abs€6 AlVG. Die Bestimmung, wonach für Beginn und Ende der Arbeitslosenversicherungspflicht die Regelungen der §§Â€10 und 11 ASVG gelten, wurde erst durch die Novelle BGBl 1987/615 geschaffen. Seitdem gelten auch Zeiten, in denen Kündigungsentschädigung bezogen wird, als arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungszeiten. Zuvor waren Zeiten der Kündigungsentschädigung arbeitslosenversicherungsfrei; vgl VwGH 31.1.1985, Zl 84/08/0159; 29.1.1984, Zl 83/08/0083, SlgNr 11.600/A. 18╇ Vgl zuerst Marhold, ZAS 1978, 5 ff; ihm folgend Schrank, Fortbestand 360 ff; Fitz, DRdA 1983, 104 ff; Wachter, Rechtsprobleme bei Dienst-, Natural-, Werks- und Mietwohnungen von Arbeitnehmern2 (1983) 60; Krejci, ZAS 1980, 173 und in Rummel3 I §§Â€1162a und 1162b Rz 24; Mayer-Maly, DRdA 1989, 359 f. 19╇ So Pfeil, ZellKomm §Â€28 AngG Rz 6.
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satz wegen Nichterfüllung zusteht, kann er die „Wertlosigkeit“ einer weiteren Arbeitsleistung ohnehin durch die „richtige“ Wahl, nämlich Geltendmachung von Schadenersatz wegen verschuldeter Nichterfüllung, vermeiden. Noch weniger überzeugt das Argument, §Â€1162a sei durch nachfolgende Regelungen, insbesondere durch §Â€28 AngG, materiell derogiert worden. Richtig ist, dass §Â€ 28 AngG dem Arbeitgeber ein Wahlrecht nicht ausdrücklich einräumt. Zu beachten ist allerdings, dass §Â€28 AngG wörtlich mit §Â€28 HGG übereinstimmt. Das HGG wurde zeitgleich mit der III. Teilnovelle beraten und ist formell vor der III. Teilnovelle in Kraft getreten. Wenn das der III. Teilnovelle nachfolgende AngG die zuvor bestehende Regelung des HGG übernimmt, kann dies wohl kaum als materielle Derogation des §Â€1162a verstanden werden. Im Übrigen weicht die Textierung des §Â€28 HGG bzw §Â€28 AngG deutlich vom Text des §Â€1162a ab. Nach §Â€28 AngG steht dem Arbeitgeber bei einem unberechtigten Austritt oder bei einer vom Arbeitnehmer verschuldeten Entlassung ganz allgemein der Ersatz des „ihm verursachten Schadens“ zu. Das AngG differenziert daher nicht ausdrücklich zwischen unberechtigtem Austritt und verschuldeter Entlassung. Mayer/Grünberg weisen in ihrem Kommentar zum HGG20 darauf hin, dass §Â€28 HGG einen Erfüllungsanspruch des Arbeitgebers bei einem unberechtigten Austritt nicht ausschließt. Der Erfüllungsanspruch könne auch sinnvoll sein, wenn der Schadenersatzanspruch – etwa wegen Mittellosigkeit des Arbeitnehmers – zu keinem Erfolg führt.21 Man sieht daraus, dass man dem Argument von der materiellen Derogation mit Skepsis zu begegnen hat. Wenn dem Arbeitgeber bei einem unberechtigten Austritt ein Erfüllungs- 22 anspruch zusteht, muss naturgemäß auch die Frage beantwortet werden, wie dieser Anspruch durchgesetzt werden kann. Adler/Höller22 haben in der Vorauflage dieses Kommentars die Auffassung vertreten, der Anspruch auf Wiedereintritt in den Dienst sei vor den Gerichten geltend zu machen und das rechtskräftige Urteil mit den gewöhnlichen Zwangsmitteln der Verhängung von Geld- und Haftstrafen (§Â€ 354 EO) zu vollstrecken. Adler/Höller haben aber zu Recht darauf hingewiesen, dass der Erfüllungsanspruch bei einem kündbaren Arbeitsverhältnis nur bis zum Ablauf der vom Arbeitnehmer einzuhaltenden Kündigungsfrist bestehen kann. Da die Kündigungsfristen im ABGB relativ kurz sind, entfalle der Anspruch, wenn die Führung des Prozesses über das Ende der Kündigungsfrist hinaus andauert. Praktische Bedeutung kann daher der Erfüllungsanspruch wohl nur bei einem befristeten Arbeitsverhältnis haben. Der herrschenden Auffassung ist daher insoweit beizupflichten, dass der 23 Wiedereintritt zur Dienstleistung praktisch obsolet ist. Das bedeutet allerÂ�dings nicht, dass der Anspruch überhaupt nicht (mehr) besteht. Denkbar ist immerhin, dass auch der Arbeitnehmer an einer vom Arbeitgeber angebotenen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses interessiert ist, wenn er dadurch erhebliMayer/Grünberg, Kommentar zum HGG (1911) 350 ff. Beispiel wird der Vertragsbruch eines mit großen Opfern engagierten Ingenieurs erwähnt, wodurch der Stillstand der Fabrik herbeigeführt wird und ein Ersatzanspruch an der Vermögenslosigkeit des Vertragsbrüchigen scheitert. 22╇ Klang2 V 345. 20╇
21╇ Als
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che Schadenersatzforderungen wegen Nichterfüllung des Vertrages vermeiden kann. 2. Verschuldete Entlassung a) Schadenersatz 24
Die vom Arbeitnehmer verschuldete Entlassung beendet das Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages zu leisten. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer unberechtigt austritt und dieser Austritt zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. Der Schadenersatzanspruch ist nach dem Gesetz betragsmäßig nicht begrenzt, die RV zur III. Teilnovelle hatte demgegenüber eine Begrenzung mit dem Betrag des Entgelts festgelegt, das der Arbeitnehmer für die Zeit bis zur ordnungsgemäßen Lösung des Arbeitsverhältnisses zu beziehen gehabt hätte.23 Die Höchstbegrenzung ist nicht in das Gesetz aufgenommen worden, weil damit ein Anreiz zum Vertragsbruch geschaffen worden wäre.24 Die besondere Hervorhebung im Gesetz, dass der Arbeitgeber bei einer 25 vom Arbeitnehmer verschuldeten Beendigung des Arbeitsverhältnisses Schadenersatz verlangen kann, erscheint im Hinblick auf die allgemeine Regelung in den §§Â€1293 ff auf den ersten Blick überflüssig zu sein. Der Gesetzgeber wollte damit klarstellen, dass Schadenersatz wegen Nichterfüllung unabhängig davon begehrt werden kann, ob die Erfüllung des Vertrages noch möglich ist und gegebenenfalls eine Frist zur Nachholung gesetzt wurde.25 Die besondere Erwähnung des Schadenersatzanspruches in §Â€1162a zwei26 ter Satz kann darüber hinaus auch die Beweisführung für die Rechtswidrigkeit des Arbeitnehmerverhaltens erleichtern. Der Arbeitgeber hat nach den allgemeinen Grundsätzen des Schadenersatzrechtes den eingetretenen Schaden und die Rechtswidrigkeit des Schädigerverhaltens zu beweisen. Wenn der Gesetzgeber den Schadenersatzanspruch unmittelbar an die verschuldete Entlassung oder den unberechtigten Austritt knüpft, ist eine gesonderte Prüfung, ob das die Beendigung auslösende Verhalten des Arbeitnehmers mit dem behaupteten Auflösungsschaden in einem Rechtswidrigkeitszusammenhang steht, entbehrlich. Dem Arbeitgeber steht der „Auflösungsschaden“ daher auch dann zu, wenn die Entlassung zB auf einem außerdienstlichen Verhalten des Arbeitnehmers beruht.26 Zum Auflösungsschaden gehört der Aufwand des Arbeitgebers, der durch 27 die vom Arbeitnehmer verschuldete vorzeitige Auflösung des ArbeitsverÂ� hältnisses entstanden ist. Ersatzfähig ist daher nur der durch die Verkürzung des Vertragsverhältnisses eingetretene Nachteil des Arbeitgebers. Die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwingt den Arbeitgeber in erster Linie, einen neuen Arbeitnehmer zu suchen, der den ausgeschiedenen Arbeitnehmer ersetzt. Die Rekrutierungskosten sind allerdings regelmäßig kein 23╇
Vgl §Â€173 RV. 78 BlgHH, 21. Sess 232. 25╇ 78 BlgHH, 21. Sess 232. 26╇ Kuras, AngG-Komm §Â€28 Rz 4. 24╇
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durch die verschuldete Entlassung verursachter Schaden, weil sie der Arbeitgeber auch bei einer ordnungsgemäßen Lösung des Arbeitsverhältnisses zu tragen hätte.27 Ersatzfähig sind Rekrutierungskosten, zB durch Beiziehung eines externen Beraters, nur dann, wenn sie bei sofortiger Auflösung höher wären als bei einer ordnungsgemäßen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer.28 Bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen sind Mehrkosten wegen der relativ kurzen Kündigungsfristen des ABGB in der Regel nicht zu erwarten.29 Zu ersetzen sind allerdings jene Mehraufwendungen, die durch einen so- 28 fortigen Ersatz für die ausgefallene Arbeitskraft entstehen. Muss der Arbeitgeber zB ein fremdes Arbeitsgerät anmieten, um Verpflichtungen gegenüber seinen Kunden zu erfüllen, sind die Kosten dieser Ersatzbeschaffung vom Arbeitnehmer als Schaden wegen der Nichterfüllung des Vertrages zu ersetzen.30 Entscheidend ist, dass der behauptete Nachteil des Arbeitgebers in einem adäquaten Zusammenhang mit der vom Arbeitnehmer verschuldeten Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht; der Schaden muss sich aus der Beendigung des Rechtsverhältnisses ableiten. Daher sind Aufwendungen, die zwar die Beendigung legitimiert haben, aber vor der Beendigung entstanden sind, durchaus ersatzfähig, aber kein Schaden wegen der Beendigung. Dies gilt insbesondere für Detektivkosten, durch die der Entlassungsgrund bewiesen wird.31 Für den Ersatz dieser Kosten gilt daher auch nicht die Präklusivregel des §Â€1162d. Die Schadenersatzpflicht des grundlos ausgetretenen oder aus Verschulden 29 entlassenen Arbeitnehmers kann auch durch eine Konventionalstrafe gesichert werden.32 b) Entgeltminderung Durch die vom Arbeitnehmer verschuldete Beendigung des Arbeitsverhält- 30 nisses können vom Arbeitnehmer bis zur Beendigung erbrachte Leistungen ihren Wert verlieren, wenn die Leistung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht abgeschlossen war. Dies gilt insbesondere für Leistungen, die nicht ohne weiteres von einem anderen Arbeitnehmer weiter geführt werden können, weil sie die persönliche Handschrift des ausgeschiedenen Arbeitnehmers tragen, wie zB für künstlerische Leistungen (Porzellanmalerei oder Ähnliches). War das Entgelt für diese Leistung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht fällig, steht dem Arbeitnehmer nur ein aliquoter Anspruch auf das Entgelt zu, wenn die Wertminderung nach objektiven Gesichtspunkten erheblich ist. Wurde das Entgelt für die nicht abgeschlossene Leistung bereits 27╇
OGH 10.6.1998, 9 ObA 127/98m, DRdA 1998, 443. OGH 10.6.1998, 9 ObA 127/98m, DRdA 1998, 443. 29╇ Etwas anders ist die Situation bei kollektivvertraglich verlängerten Kündigungsfristen oder bei befristeten Arbeitsverhältnissen. 30╇ OGH 12.6.1979, 4 Ob 72/79, ZAS 1981, 23 (Schrank). 31╇ Vgl zum Ersatz von Detektivkosten OGH 17.2.1981, 4 Ob 67/80, ZAS 1981, 220 (Bernat); 12.7.2006, 9 ObA 129/05v. 32╇ OGH 10.5.1983, 4 Ob 45/83, ZAS 1984, 107 (Kohlmaier). 28╇
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im Vorhinein erbracht, steht ein Rückforderungsanspruch auf Grund des §Â€1162a nicht zu.33
IV. Ansprüche des Arbeitnehmers (§Â€1162b) 1. Kündigungsentschädigung 31
Ist der Arbeitnehmer berechtigt ausgetreten und trifft den Arbeitgeber ein Verschulden am Austritt, besteht Anspruch auf Kündigungsentschädigung. Der Arbeitnehmer ist finanziell so zu stellen wie bei einer ordnungsgemäßen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber. Gleiches gilt bei einer unberechtigten Entlassung, die zur Lösung des Arbeitsverhältnisses führt. Dahinter steht die Überlegung, dass der Arbeitgeber keinen finanziellen Vorteil aus einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ziehen soll, die ihm anzulasten ist.34 Der Arbeitnehmer soll aber bei einer dem Arbeitgeber anzulastenden vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch nicht besser gestellt werden als bei einer ordnungsgemäßen Auflösung des Arbeitsverhältnisses.35 Wird das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet, entfällt die Arbeitspflicht; der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, ein anderes Arbeitsverhältnis einzugehen und dadurch Erwerb zu erzielen. Die Kündigungsentschädigung gebührt unabhängig von der individuellen Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers, sie steht dem Arbeitnehmer daher auch dann zu, wenn er sofort nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen neuen Arbeitsvertrag abschließt.36 Das Gesetz sieht allerdings vor, dass sich der Arbeitnehmer anrechnen lassen muss, was er anderweitig verdient oder zu verdienen absichtlich versäumt hat. Wenn die Kündigungsentschädigung drei Monate nicht übersteigt, kann das vertragsmäßig gebührende Entgelt ohne Abzug gefordert werden. Die Kündigungsentschädigung wird von der Judikatur daher zu Recht als 32 Schadenersatzanspruch gewertet, der hinsichtlich des Entgelts für die ersten drei Monate der fiktiven Kündigungsfrist pauschaliert ist.37 War das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, entspricht 33 die Höhe dieser Kündigungsentschädigung dem Entgelt, auf das der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist Anspruch gehabt hätte. Zur Berechnung der Kündigungsentschädigung wird die Auflösungserklärung des Arbeitnehmers als – fiktive –Arbeitgeberkündigung behandelt. War das Arbeitsverhältnis auf bestimmte Zeit abgeschlossen, entspricht die Kündigungsentschädigung dem Entgelt, das der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Vertragszeit bezogen hätte, da eine vorherige Kündigung des befristeten Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht möglich ist.38 33╇ OGH 2.10.1956, 4 Ob 82/56, Arb 6509; ebenso Pfeil, ZellKomm §Â€ 28 AngG Rz 16; Kuras, AngG-Komm §Â€28 Rz 29. 34╇ Vgl OGH 5.2.1985, 4 Ob 13–18/85, ZAS 1986, 127 (Spielbüchler); 8.6.1994, 9 ObA 94/94, Arb 11.205. 35╇ OGH 13.2.1997, 8 ObS 2261/96z. 36╇ OGH 18.3.1999, 8 ObA 57/99m. 37╇ OGH 29.9.1981, ZAS 1982, 185 (Müller); 24.6.1999, 8 Ob 218/98m, RdW 2000, 85. 38╇ Vgl §Â€1158 Rz 12.
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Ansprüche des Arbeitnehmers (§ 1162b)
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Ob und in welchem Umfang ein Arbeitnehmer Anspruch auf Kündigungsentschädigung hat, hängt somit davon ab, inwieweit bei ordnungsgemäßer Beendigung des Arbeitsverhältnisses vertragsmäßige Ansprüche auf Entgelt zugestanden wären.39 Grundsätzlich gehören zum ersetzenden Entgelt nicht nur die laufenden Bezüge, sondern auch Sonderzahlungen,40 Zulagen, Zuschläge und sonstige Remunerationen. Bei der Höhe nach schwankenden EntgeltsÂ� bestandteilen, die dem Grunde auch während der fiktiven Kündigungsfrist zustünden, ist der Durchschnitt des letzten Jahres der Kündigungsentschädigung zugrunde zu legen.41 Hat der Arbeitnehmer für den Zeitraum bis zur ordnungsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Anspruch auf Entgelt, weil er zB arbeitsunfähig erkrankt und der Entgeltfortzahlungsanspruch ausgeschöpft ist, steht ihm auch aus dem Titel der Kündigungsentschädigung kein Anspruch zu. Nach Meinung der Judikatur kann der Arbeitnehmer in diesem Fall kein vertragsmäßig gebührendes Entgelt „behalten“.42 Stirbt der Arbeitnehmer vor Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist, gebührt für den restlichen Teil der fiktiven Kündigungsfrist keine Kündigungsentschädigung.43 Hat der Arbeitnehmer zunächst selbst gekündigt und wird er während der Kündigungsfrist zu Unrecht entlassen, steht Kündigungsentschädigung nur bis zu jenem Tag zu, an dem das Arbeitsverhältnis durch die Arbeitnehmerkündigung geendet hätte.44 Die Berücksichtigung des fiktiven Verlaufes des Arbeitsverhältnisses bewirkt andererseits, dass bei der Berechnung der Kündigungsentschädigung auch Vorteile einzubeziehen sind, die der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist bzw bis zum Ablauf der bestimmten Vertragszeit erworben hätte.45 Dies gilt insbesondere für Urlaubsansprüche, die während der Kündigungsfrist neu entstanden wären.46 Der Urlaub ist ein Freistellungsanspruch von der Arbeit unter Fortzahlung des Entgelts, der grundsätzlich im laufenden Urlaubsjahr konsumiert werden soll. Der Urlaubsanspruch weist daher eine Doppelnatur auf. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt zwar ein Verbrauch des Urlaubs in natura nicht mehr in Frage, die Leistung des Urlaubsentgelts bleibt aber möglich. Das ausständige Urlaubsentgelt kann daher im weitesten Sinne als vertragsmäßiges Entgelt verstanden werden, das nach §Â€1162b zu ersetzen ist. Der Gesetzgeber hat in §Â€ 10 UrlG für den Zeitraum bis zur tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine ausdrückliche Ersatzregelung für nicht verbrauchten Urlaub getroffen, die allerdings nicht alle Nachteile abdeckt, die dem Arbeitnehmer bei einer vom Arbeitgeber verschuldeten Beendigung des Arbeitsverhältnisses erwachsen. Fraglich ist allerdings die Berechnung dieser nicht abgedeckten Nachteile. Nach §Â€10 UrlG gebührt dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr, in dem das 39╇
OGH 31.8.2005, 9 ObA 5/05h, DRdA 2006, 29 (Weiß). Kuras, AngG-Komm §Â€29 Rz 46; OGH 11.8.1993, 9 ObA 177/93. 41╇ Vgl OGH 20.9.2000, 9 ObA 163/00m, ASoK 2001, 136; Kuras, AngG-Komm §Â€29 Rz 53. 42╇ OGH 29.9.1981, ZAS 1982, 85 (Müller); 11.8.1993, 9 ObA 177/93, wbl 1993, 403. 43╇ OGH 13.7.2006, 8 ObS 8/06v, ecolex 2006, 1023. 44╇ OGH 15.6.1976, 4 Ob 43/76, Arb 9471. 45╇ Vgl OGH 30.7.2007, 8 ObS 18/07s, Arb 12.691. 46╇ OGH 10.9.1985, 4 Ob 105/85, DRdA 1986, 19 (Petrovic). 40╇
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Arbeitsverhältnis endet, eine Urlaubsersatzleistung, die der Dauer der Dienstzeit in diesem Urlaubsjahr im Verhältnis zum gesamten Urlaubsjahr entspricht. Ein bereits verbrauchter Urlaub ist auf das aliquote Urlaubsausmaß anzurechnen. Der – aliquote – Ersatzanspruch nach §Â€10 UrlG stellt auf das tatsächliche Ende des Arbeitsverhältnisses ab. Wäre das Urlaubsjahr bei ordnungsgemäßer Beendigung voll abgelaufen, steht dem Arbeitnehmer zunächst aus dem Titel der Kündigungsentschädigung die Differenz zwischen der aliquoten Ersatzleistung nach §Â€10 Abs€1 UrlG und dem vollen Urlaubsentgelt zu: Bei einer ordnungsgemäßen Beendigung wäre das Urlaubsjahr nicht verkürzt worden, der Arbeitnehmer hätte daher Anspruch auf das volle Urlaubsausmaß und damit auf das volle Urlaubsentgelt gehabt. Reicht die fiktive Kündigungsfrist gleichsam in ein neues Urlaubsjahr hinein, gebührt dem Arbeitnehmer zusätzlich eine finanzielle Entschädigung für den neu entstandenen Urlaubsanspruch. Diese finanzielle Entschädigung kann allerdings nicht höher sein als bei einer ordnungsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses während des neu entstandenen Urlaubsjahres. Dem Arbeitnehmer gebührt daher aus dem Titel der Kündigungsentschädigung nur ein Entgelt, das der Urlaubsersatzleistung gemäß §Â€10 Abs€1 UrlG für das fiktive neue Urlaubsjahr entspricht. Wäre das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß beendet worden, hätte der Arbeitnehmer im Jahr des ordnungsgemäßen Endes Anspruch auf aliquote Ersatzleistung nach §Â€10 Abs€1 UrlG gehabt; der nicht verbrauchte Urlaub aus dem Vorjahr wäre nach §Â€10 Abs€3 UrlG voll zu entgelten gewesen. ╇ Beispiel: Urlaubsjahr = Kalenderjahr, kein Urlaub verbraucht. Ende des Arbeitsverhältnisses durch unbegründete Entlassung: ╇ 31. Oktober╇ Ende der fiktiven Kündigungsfrist: 31. März╇ Ansprüche des Arbeitnehmers: Urlaubsersatzleistung nach §Â€ 10 Abs€ 1 UrlG für 10/12 des nicht verbrauchten Urlaubs im Jahr der Beendigung;╇ Kündigungsentschädigung 2/12 des nicht verbrauchten Urlaubs für das Urlaubsjahr der Beendigung + Kündigungsentschädigung 3/12 des Urlaubsentgelts für das der Beendigung folgende Urlaubsjahr (1. 1. bis 31. 3.). Nachteile kann der Arbeitnehmer bei einer vom Arbeitgeber verschuldeten 38 Auflösung des Arbeitsverhältnisses auch bezüglich seines Abfertigungsanspruches („Abfertigung alt“) erleiden. Würde während der fiktiven Kündigungsfrist eine „Zeitgrenze“ überschritten, die iSd anwendbaren Abfertigungsregeln (§Â€23 AngG iVm §Â€2 ArbAbfG) einen höheren Abfertigungsanspruch auslöst, ist der Arbeitnehmer so zu stellen, als wäre das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß – dh mit höherem Abfertigungsanspruch – beendet worden. Auf den ersten Blick spricht nichts dagegen, diesen erhöhten Abfertigungsanspruch als Teil der Kündigungsentschädigung zu werten.47 Die Judikatur hat allerdings diesen erhöhten Abfertigungsanspruch unmittelbar aus den Abfertigungsbestimmungen und nicht aus §Â€1162b abgeleitet.48 Aus §Â€1162b wird nur der Grundgedanke übertragen, dass der Arbeitnehmer so zu stellen ist wie bei
47╇ 48╇
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So Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte, §§Â€23, 23a Rz 351. Vgl dazu Spielbüchler, ZAS 1986, 129 ff.
Ansprüche des Arbeitnehmers (§ 1162b)
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einer ordnungsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.49 Als Begründung wird angeführt, der Abfertigungsanspruch habe nicht den Charakter eines Entgelts, das für einen bestimmten Zeitraum gebührt, der auf die Lösung des Arbeitsverhältnisses folgt.50 Besser belegt wird diese These mit §Â€ 29 Abs€ 2 letzter Satz AngG, der ausdrücklich bestimmt, dass Abfertigungsansprüche durch die vorangehenden Regelungen über die Kündigungsentschädigung „unberührt“ bleiben. Diese Aussage müsse nach Einführung der Abfertigungsbestimmungen für Arbeiter auch auf §Â€1162b übertragen werden.51 Die Kündigungsentschädigungsbestimmungen zeigten damit, dass sie mit Abfertigungsfragen nichts zu tun haben wollen. Dieses Argument ist überzeugender als der bloße Hinweis auf den mangelnden Entgeltcharakter der Abfertigung im Kontext des §Â€1162b. Wenn nach §Â€1162b Ansprüche auf das vertragsmäßige Entgelt bis zum Ende der fiktiven Kündigungsfrist zustehen, ist nicht einzusehen, warum die Abfertigung, die sich nach dem im letzten Monat des Arbeitsverhältnisses gebührenden Entgelt bemisst, nicht auch nach dem letzten Bezug im fiktiven Arbeitsverhältnis bemessen wird. Versteht man §Â€ 1162b indirekt als Bemessungsvorschrift für die Abfertigung, ist das fiktive Ende des Arbeitsverhältnisses auch relevant für die anzurechnenden Dienstjahre, die der Abfertigung zugrunde zu legen sind. Der Abfertigungsanspruch selbst wird dabei durch §Â€1162b nicht berührt.52 Konsequenz dieser Auffassung ist einmal, dass der erhöhte Abfertigungs- 39 anspruch nicht der Verfallsregel des §Â€1162d unterliegt. Eine weitere Konsequenz liegt darin, dass die Übertragung der Grundwertung des §Â€1162b eine erhöhte Abfertigung nur dann legitimiert, wenn das Arbeitsverhältnis entweder vom Arbeitgeber durch unbegründete Entlassung oder vom Arbeitnehmer durch einen vom Arbeitgeber verschuldeten Austritt beendet wurde. Das bedeutet nicht, dass ein erhöhter Abfertigungsanspruch bei einem begründeten, vom Arbeitgeber aber nicht verschuldeten Austritt ausgeschlossen ist. Ein derartiger Anspruch kann sich aber nicht auf den Grundgedanken des §Â€ 1162b stützen, der ausdrücklich ein Verschulden des Arbeitgebers am Austritt verlangt.53 2. Besonders bestandgeschützte Arbeitnehmer a) Wahlrecht Auch der von einem besonders bestandgeschützten Arbeitnehmer erklärte 40 Austritt beendet das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung. Dem ArbeitnehVgl Kuras, AngG-Komm §Â€29 Rz 58. Vgl OGH 5.2.1985, 4 Ob 13–18/85, ZAS 1986, 127 (Spielbüchler). 51╇ So Spielbüchler, ZAS 1986, 130. 52╇ So Spielbüchler, ZAS 1986, 131. 53╇ Überzeugend Spielbüchler, ZAS 1986, 131. Auch Kuras, AngG-Komm §Â€ 29 Rz 58, kommt zur Auffassung, dass ein erhöhter Abfertigungsanspruch auch bei unverschuldetem Austritt möglich ist, weil §Â€29 AngG (§Â€1162b) nicht zur Anwendung gelangt. Kuras lässt allerdings offen, woraus sich dieser erhöhte Abfertigungsanspruch ergibt. Fraglich bleibt, ob die „Erhöhung“ bis zum Ablauf der vom Arbeitgeber einzuhaltenden Kündigungsfrist oder nur bis zum Ablauf der vom Arbeitnehmer zu beachtenden Kündigungsfrist zu berechnen ist. 49╇ 50╇
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mer stehen Schadenersatzansprüche nach §Â€1162b zu, wenn der Austritt vom Arbeitgeber verschuldet wurde. Bei einer unbegründeten Entlassung hat der Arbeitnehmer die Wahl, auf Erfüllung, dh auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, zu bestehen oder Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung geltend zu machen. Das Wahlrecht ist durch einseitige Gestaltungserklärung auszuüben.54 Diese Erklärung kann auch konkludent – durch Geltendmachung von Schadenersatzforderungen – ausgeübt werden. Hat der Arbeitnehmer eine Wahl getroffen, bleibt er an seine Entscheidung gebunden. Wird Schadenersatz wegen Nichterfüllung begehrt, kann nicht später auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geklagt werden.55 Für die Ausübung des Wahlrechtes steht dem Arbeitnehmer kein unbeschränkter Zeitraum zur Verfügung. Es ist auch dem vertragswidrig handelnden Arbeitgeber ein Klarstellungsinteresse zuzubilligen, ob das Arbeitsverhältnis durch die unbegründete Entlassung beendet wird. Den Arbeitnehmer trifft insoweit eine „Aufgriffsobliegenheit“. Nach Meinung der Judikatur besteht für den „Aufgriff“ keine fixe zeitliche Grenze, die Unverzüglichkeit ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen.56 Grenzen des Wahlrechtes lassen sich aber durchaus feststellen. Will sich der Arbeitnehmer für die weitere Erfüllung des Vertrages entscheiden, muss er zur Leistung der Dienste bereit sein. Die Leistungsbereitschaft muss freilich nicht besonders dokumentiert werden, wenn der Arbeitgeber erkennbar die Entgegennahme von Diensten nach der unberechtigten Entlassung verweigert. Aus dem Verhalten des Arbeitnehmers darf aber auch nicht der Schluss gezogen werden, dass er an der Aufrechterhaltung des Vertrages kein Interesse hat. Ein Desinteresse an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses könnte abgeleitet werden, wenn der Arbeitnehmer sofort nach der unbegründeten Entlassung ein neues Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber eingeht. Für die Wahl der Kündigungsentschädigung ergibt sich eine zeitliche Grenze aus §Â€1162d. Die angemessene Frist zur Geltendmachung des Wahlrechts kann daher nicht über sechs Monate nach der Beendigungserklärung hinaus gehen.57 Zu den besonders bestandgeschützten Personen gehören in erster Linie Per41 sonen, die nur mit gerichtlicher Zustimmung entlassen werden können, wie zB Betriebsratsmitglieder, Mitglieder des Jugendvertrauensrates oder Wahlwerber. Einen besonderen Entlassungsschutz genießen überdies Schwangere und Personen, die Karenz nach den Bestimmungen des MSchG oder VKG in Anspruch nehmen.58 Auch eine materiell berechtigte Entlassung bedarf einer gerichtlichen „Genehmigung“. Dieser besondere Entlassungsschutz ginge ins Leere, wenn berechtigte, aber ohne Zustimmung des Gerichts ausgesprochene Entlassungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führten. Ohne Zustimmung 54╇ 55╇
Rz 13.
OGH 4.6.1985, 4 Ob 12/84, DRdA 1986, 63. OGH 26.4.2001, 8 ObA 177/00p, ZAS 2002, 46 (Vonkilch); Kuras, AngG-Komm §Â€ 29
56╇ OGH 26.1.2000, 9 ObA 322/99i, DRdA 2001, 38 (Kerschner); 19.12.2002, 8 ObA 154/02h, DRdA 2003, 50 (Weiß). 57╇ Zutreffend Pfeil, ZellKomm §Â€29 AngG Rz 17; Weiß 58╇ Zu nennen sind weiters Präsenz- und Zivildiener (§§Â€14,15 APSG) und betreuende Familienangehörige (§Â€15a AVRAG).
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Ansprüche des Arbeitnehmers (§ 1162b)
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des Gerichts ausgesprochene Entlassungen sind daher rechtsunwirksam. Umso mehr muss dies für materiell unberechtigte Entlassungen gelten. Das dem Arbeitnehmer eingeräumte Wahlrecht stellt sicher, dass der Arbeitnehmer nicht gegen seinen Willen an ein „belastetes“ Arbeitsverhältnis gebunden sein muss. Die eben genannten Personen genießen überdies auch einen besonderen 42 Kündigungsschutz. Auch Kündigungen dürfen nur nach vorheriger Zustimmung des Gerichts ausgesprochen werden. Einen besonderen Kündigungsschutz haben überdies Personen, die begünstigte Behinderte iSd BEinstG sind.59 Behinderte dürfen nur nach vorheriger Zustimmung des Behindertenausschusses gekündigt werden. Der Arbeitgeber hat daher in all diesen Fällen kein freies Kündigungsrecht. Hätte die unberechtigte Entlassung in diesen Fällen generell eine lösende Wirkung, würden die gesetzlich vorgesehenen gerichtlichen oder behördlichen Zuständigkeiten gleichsam unterlaufen werden; dem Arbeitgeber würde im Ergebnis ein freies Kündigungsrecht zustehen. Schon aus diesem Grund müssen daher unberechtigte Entlassungen grundsätzlich rechtsunwirksam bleiben.60 Als besonders bestandgeschützte Personen gelten auch Arbeitnehmer, die 43 mit ihrem Arbeitgeber einen Ausschluss der Arbeitgeberkündigung vereinbart haben oder deren Arbeitsverhältnis aufgrund seiner gesetzlichen Ausgestaltung nicht gekündigt werden kann (zB Lehrlinge). Die Judikatur argumenÂ�tiert, dass im „Normalfall“ eine unberechtigte Entlassung in eine jederzeit zulässige Kündigung umgedeutet werden kann. Eine solche Umdeutung sei nicht möglich, wenn ein gesetzlicher Kündigungs- oder Entlassungsschutz besteht. Das müsse aber auch dann gelten, wenn dem Dienstnehmer durch einen vertraglichen Ausschluss freier Kündbarkeit ähnliche Rechte wie durch eine gesetzliche Kündigungs- oder Entlassungserschwerung eingeräumt wurden, weil auch damit die Möglichkeit normaler Vertragsauflösung ausgeschlossen werde.61 Nicht überzeugend ist die Judikatur, wenn sie bei einem befristet Beschäf- 44 tigten die Rechtsunwirksamkeit einer unbegründeten Entlassung – und damit ein Wahlrecht des Arbeitnehmers – verneint. Befristete Arbeitsverhältnisse können – wie vertraglich unkündbare Arbeitsverhältnisse – nicht „normal“ aufgelöst werden. Das Argument, die Nichtkündbarkeit befristeter Arbeitsverhältnisse sei einem „besonderen“ Kündigungsschutz nicht vergleichbar,62 bleibt am Begrifflichen verhaftet und überzeugt nicht.63 c) Zeitliche Dauer der Kündigungsentschädigung Schwierigkeiten bereitet die Berechnung der Kündigungsentschädigung 45 bei besonders bestandgeschützten Arbeitnehmern. Fraglich ist, ob die fiktive Vgl dazu ausführlich Kuras, AngG-Komm §Â€29 Rz 9 ff. Praktische Bedeutung hat dieser bei Personen mit Kündigungsschutz nach dem BEinstG, weil das Gesetz Behinderten nur einen besonderen Kündigungsschutz, aber keinen besonderen Entlassungsschutz einräumt. 61╇ OGH 5.5.1964, 4 Ob 47/64, SZ 37/70; 2.12.1975, 4 Ob 74/75, ZAS 1977, 144 (Marhold). 62╇ So OGH 16.11.1976, 4 Ob 68/76, ZAS 1978, 15 (Marhold). 63╇ Vgl dazu oben Rz 17. 59╇ 60╇
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Dienstzeit unter Ausklammerung des besonderen Bestandschutzes oder unter Anrechnung des Bestandschutzes zu berechnen ist. Bei Mitgliedern des Betriebsrates würde in diesem Fall die vom Arbeitgeber einzuhaltende Kündigungsfrist frühestens nach Ablauf der Funktionsperiode zu laufen beginnen, bei behinderten Arbeitnehmern, die während des gesamten Arbeitsverhältnisses nur mit Zustimmung des Behindertenausschusses gekündigt werden dürfen, ist das fiktive Ende überhaupt nicht abzusehen. Nach Meinung der Judikatur ist der Kündigungsschutz bei Betriebsrats46 mitgliedern nach einem Austritt nicht zu berücksichtigen.64 Bei einer unbegründeten Entlassung hat das Betriebsratsmitglied ohnehin die Wahl, weitere Erfüllung des Vertrages zu verlangen. Es kann damit auch sein Mandat „erhalten“. Entscheidet sich das Betriebsratsmitglied für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, gibt es zu erkennen, dass das Betriebsratsmandat nicht erhaltungswürdig ist. Es besteht dann aber kein Grund, die Kündigungsentschädigung unter Einbeziehung des Zeitraumes bis zum Ablauf der Funktionsperiode zu bemessen. Diese Überlegungen treffen auch auf begründete Austrittserklärungen zu. Das Betriebsratsmitglied ist nicht verpflichtet, ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers mit einem Austritt zu beantworten. Anders als bei nicht bestandgeschützten Arbeitnehmern genießt das Betriebsratsmitglied bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses weiterhin den Schutz, der sich aus dem Betriebsratsmandat ergibt. Entscheidet sich das Betriebsratsmitglied für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, ist nicht einzusehen, warum es bei Berechnung der Kündigungsentschädigung besser gestellt sein soll als „normale“ Arbeitnehmer. Der OGH weist zu Recht darauf hin, dass der Zweck des besonderen Kündigungsschutzes für Betriebsratsmitglieder im Sinn des §Â€120 ArbVG überwiegend in der Sicherstellung der ihnen vom Gesetzgeber im Interesse des Betriebes und dessen Belegschaft übertragenen Aufgaben und im Schutz der Betriebsratsmitglieder vor persönlichen Vergeltungsmaßnahmen des Arbeitgebers liegt, die dieser ihnen im Zusammenhang mit ihrer Betriebsratstätigkeit zufügen könnte. Diese Zwecke des Kündigungsschutzes fallen jedoch im Augenblick der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weg. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlischt auch gemäß § 64 Abs 1 Z 3 ArbVG die Mitgliedschaft zum Betriebsrat. Dem ArbVG lasse sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber den Funktionären der Belegschaft in irgendeiner Weise eine entgeltmäßige Vorzugsstellung gegenüber anderen Belegschaftsmitgliedern einräumen wollte.65 Bei Arbeitnehmern, die nach dem BEinStG einen besonderen Kündigungs47 schutz genießen, nimmt die Judikatur eine fiktive Kündigungsfrist im Ausmaß von sechs Monaten an. Das bestandgeschützte Arbeitsverhältnis der Behinderten wird gleichsam als „Lebenszeitarbeitsverhältnis“ gewertet, das nach Ablauf von fünf Jahren vom Arbeitgeber unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten aufgelöst werden kann (§Â€1158 Abs€3).66 64╇
OGH 10.7.1991, 9 ObS 8/91, DRdA 1992, 15 (Grießer). OGH 17.12.1997, 9 ObA 394/97z, RdW 1998, 763. 66╇ OGH 16.12.1992, 9 Ob 902/92, DRdA 1993, 446 (Wachter); 26.11.1997, 9 ObA 146/97d, ZAS 1998, 178 (Resch); vgl auch Weiß, Die Kündigungsentschädigung austretender Behinderter, DRdA 1998, 403. 65╇
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Bei sonstigen kündigungsgeschützten Arbeitnehmern, insbesondere bei 48 Arbeitnehmern, die Kündigungsschutz nach dem MSchG oder VKG genießen, wird die Kündigungsentschädigung von der Judikatur unter Einbeziehung des Kündigungsschutzes berechnet. Der OGH argumentiert, beim Bestandschutz sei auf den konkreten Schutzzweck abzustellen. Zweck des besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutzes nach dem Mutterschutzgesetz sei die Wahrung der wirtschaftlichen Existenz der Mutter während und nach der Schwangerschaft. Bei vorzeitigem Austritt während der Schwangerschaft oder Schutzfrist gebührt die Kündigungsentschädigung daher für den Zeitraum von vier Monaten nach der Entbindung zuzüglich der individuellen Kündigungsfrist (§Â€ 10 Abs€ 1 MSchG).67 Die Absicht, nach der Geburt Karenz zu beanspruchen, ist bei der Berechnung der Kündigungsentschädigung nicht zu berücksichtigen.68 Nur bei einer Beendigung während der Karenz ist Kündigungsentschädigung für den Zeitraum von vier Wochen nach Beendigung der Karenz zuzüglich der individuellen Kündigungsfrist zu gewähren.69 Zu beachten ist, dass die Arbeitnehmerin bis zur Beendigung der Karenz gegenüber ihrem Arbeitgeber keinen Anspruch auf Entgelt hat. Dieser Zeitraum kann daher auch nicht „entschädigt“ werden.70 3. Vorteilsanrechnung Arbeitnehmer sollen aus der Auflösung des Arbeitsverhältnisses keine 49 Nachteile erleiden, aber auch keine unberechtigten Vorteile lukrieren. Die Arbeitnehmer müssen sich daher auf die vertragsmäßigen Entgeltansprüche anrechnen lassen, was sie durch Unterbleiben der Dienstleistung erspart, durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt haben. Die bis zum fiktiven Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zum Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses bestehenden Ersatzansprüche müssen periodenweise den anrechenbaren Vorteilen gegenüber gestellt werden. Diese Gegenüberstellung beginnt allerdings erst drei Monate nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.71 Ist daher die fiktive Kündigungsfrist nicht länger als drei Monate, hat eine Vorteilsanrechnung zu unterbleiben. Ersparnisse, die vom Entgeltsanspruch abzuziehen sind, sind in erster 50 Linie Fahrtspesen, die der Arbeitnehmer bei Fortführung des Arbeitsverhältnisses aufzuwenden gehabt hätte. Einzurechnen sind aber auch Aufwendungen für eine vom Arbeitnehmer beizustellende Dienstkleidung (zB Frack für Orchestermusiker). Einkünfte aus einer anderweitigen Verwendung sind nur dann einzurech- 51 nen, wenn sie gleichsam „wegen“ der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden sind. Zusatzeinkünfte aus einer Nebenbeschäftigung, die dem Arbeitnehmer bereits vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugeflossen 67╇
OGH 10.7.1996, 9 ObA 2070/96v, DRdA 1998, 6 (Reissner). OGH 16.5.2002, 8 ObS 297/01m, SSV-NF 16/5. 69╇ OGH 21.5.2007, 8 ObS 15/07z, DRdA 2008, 48 (Wolfsgruber). 70╇ OGH 12.9.1996, 8 Ob 2092/96x, SZ 69/207. 71╇ Vgl OGH 13.2.1997, 8 ObS 2260/96b, SSV-NF 11/19. 68╇
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sind, haben außer Ansatz zu bleiben.72 Einkünfte aus einem nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses neu eingegangenen Beschäftigungsverhältnisses sind insoweit anzurechnen, als sie für denselben Zeitraum gebühren, für den Kündigungsentschädigung geltend gemacht wird. Nicht entscheidend ist, ob der anderweitige Verdienst auch zum selben Zeitpunkt fällig ist wie die begehrte Kündigungsentschädigung. Ist die Kündigungsentschädigung wöchentlich oder monatlich im Vorhinein zu bezahlen, ist das für denselben Zeitraum gebührende anderweitig Verdiente auch dann anzurechnen, wenn es erst wöchentlich oder monatlich im Nachhinein auszuzahlen ist. Strittige Forderungen gegen den neuen Arbeitgeber sind einzubeziehen, wenn die Forderung „wahrscheinlich ohne Schwierigkeiten durchsetzbar“ ist.73 Nicht entscheidend ist, ob die anderweitige Verwendung der beendeten gleichwertig ist. Hat sich der Arbeitnehmer freiwillig für einen „minderen“ Erwerb entschieden, sind die daraus erfließenden Einkünfte dennoch auf die Kündigungsentschädigung anzurechnen. Umgekehrt können höhere Einkünfte den Anspruch auf Kündigungsentschädigung gänzlich verdrängen. Anders ist die Situation, wenn von der Kündigungsentschädigung absicht52 lich versäumte Einkünfte abgezogen werden sollen. Wurde der Arbeitnehmer zu Unrecht entlassen oder ist er berechtigt ausgetreten, wird ihm nicht zugemutet, eine „mindere“ Erwerbsmöglichkeit wahrzunehmen. Die Schadenminderungspflicht des Arbeitnehmers geht nicht so weit, dass der Arbeitgeber gleichsam um jeden Preis von seiner Ersatzpflicht befreit werden muss. Die absichtlich versäumte „anderweitige Verwendung“ muss daher der bisherigen Verwendung gleichwertig sein.74 Von einem absichtlichen Versäumen ist nur dann auszugehen, wenn der 53 Arbeitnehmer bei Vorhandensein reeller Chancen keine Anstrengung unternimmt, sich eine Ersatzbeschäftigung zu verschaffen, die ihm nach Treu und Glauben zumutbar ist. Dies betrifft nicht nur die Art der Tätigkeit. Der OGH hat daher zu Recht einem Arbeitnehmer, der mit seiner Frau und seinem dreijährigen Kind in einem Ort wohnte und dessen Gattin in diesem Ort Krankenschwester war, nicht zugemutet, für die Dauer einer Saisonbeschäftigung als Koch an einem zu weit entfernten Arbeitsplatz zu arbeiten.75 In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist es Sache des Arbeitgebers, den an54 rechnungspflichtigen Erwerb zu behaupten und zu beweisen.76 Der Arbeitgeber hat darzutun, dass der Arbeitnehmer eine sich ihm konkret bietende, zumutbare Verdienstmöglichkeit absichtlich, dh um die Anrechnung zu verhindern, ausgeschlagen oder es in der gleichen Absicht unterlassen hat, sich um einen anderen Verdienst zu bemühen. Es genügt also nicht der bloße Hinweis, es hätte während der fiktiven Kündigungsfrist andere Erwerbsmöglichkeiten gegeben. Diese den Arbeitgeber treffende Beweislast macht in der Praxis die Anrechnung eines absichtlich versäumten Erwerbes äußerst schwierig. Kuras, AngG-Komm §Â€29 Rz 67. Vgl OGH 5.3.1997, 9 ObA 51/97h. 74╇ Vgl OGH 17.12.2003, 9 ObA 135/03y. 75╇ OGH 11.1.1995, 9 ObA 231/94. 76╇ OGH 10.6.1965, 4 Ob 23/75, ZAS 1977, 57 (Schrammel); 23.6.1981, 4 Ob 18/81, ZAS 1983, 62 (Schrammel). 72╇ 73╇
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Mitverschulden an der vorzeitigen Auflösung (§ 1162c)
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4. Weitergehende Schadenersatzansprüche Das Begehren auf Kündigungsentschädigung schließt weitergehende Scha- 55 denersatzansprüche nicht aus. Zu diesen weitergehenden Ansprüchen hat die Judikatur zB den Entgang von Trinkgeldern gezählt, die der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist erzielt hätte.77 Auch die einem Primararzt entgangenen Einkünfte aus einer Privatpraxis in den Spitalsräumlichkeiten gehören zum weitergehenden Schadenersatzanspruch, der unabhängig von der Kündigungsentschädigung zusteht.78 5. Analoge Anwendung bei anderen rechtswidrigen Auflösungen des Arbeitsverhältnisses Die Schadenersatzregelung des §Â€1162b wird von der Judikatur auch auf 56 andere Fälle einer unberechtigten Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber angewandt. Dies gilt insbesondere bei zeitwidrigen Kündigungen durch den Arbeitgeber. Nach Meinung der Judikatur wird das Arbeitsverhältnis auch bei einer zeit- oder terminwidrigen Arbeitgeberkündigung zum „falschen“ Zeitpunkt aufgelöst, wenn die fehlerhafte Beendigung vom Auflösungswillen des Arbeitgebers umfasst ist.79 Die zeitwidrige Kündigung ist zwar rechtswidrig, aber rechtswirksam.80 Der OGH hält die beiden Auflösungsarten (unberechtigte Entlassung und zeitwidrige Kündigung) für rechtsähnlich; ihr allfälliger Unterschied im Zeitraum zwischen Endigungserklärung und tatsächlicher Endigung bzw zum nächst zulässigen Kündigungstermin sei nur quantitativ, rechtlich jedoch unwesentlich.81 Daher seien auf die zeitwidrige Kündigung und deren Rechtsfolgen die Bestimmungen der §§Â€1162b und 29 AngG analog anzuwenden.82 In gleicher Weise findet §Â€1162b analog Anwendung, wenn ein befristetes 57 Arbeitsverhältnis ohne Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit gekündigt wird.83
V. Mitverschulden an der vorzeitigen Auflösung (§Â€1162c) Trifft beide Teile ein Verschulden an der vorzeitigen Lösung des Arbeits- 58 verhältnisses, so hat der Richter nach freiem Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist nicht entscheidend, ob die Lösung des Arbeitsverhältnisses berechtigt oder unberechtigt war. Erfasst sind daher sowohl Ansprüche aus einer vom Vertragspartner verschuldeten berechtigten Auflösung (Austritt, Entlassung) als auch An77╇
OGH 12.3.1998, 8 ObS 234/97p, ecolex 1998, 571. OGH 4.7.1967, 4 Ob 39/67, JBl 1968, 379 (Strasser); Kuras, AngG-Komm §Â€29 Rz 75. 79╇ Vgl §Â€1158 Rz 73. 80╇ OGH 15.10.1974, 4 Ob 60/74, ZAS 1975, 223 (ablehnend Mayer-Maly). 81╇ So auch Kuras, AngG-Komm §Â€29 Rz 3. 82╇ Vgl auch OGH 25.3.1980, 4 Ob 137/79, ZAS 1982, 140 (Schrank); 8.7.1993, 9 ObA 166/93; 29.6.2005, 9 ObA 67/05a, SZ 2005/95. 83╇ Kuras, AngG-Komm §Â€29 Rz 4. 78╇
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Schrammel
sprüche wegen eines unbegründeten Austritts oder einer unbegründeten Entlassung. Die ältere Judikatur hat den Anwendungsbereich der Mitverschuldensregel 59 auf Fälle einer berechtigten Lösung des Arbeitsverhältnisses reduziert. Dabei ging die Rechtsprechung davon aus, dass die Mitverschuldensregel nicht dazu dient, dem Erklärenden durch teilweise Berücksichtigung seiner zu „schwachen“ Auflösungsgründe wenigstens einen Teil seines unbegründeten Anspruchs zu retten oder die ihn aufgrund der unberechtigten Auflösung treffenden Rechtsfolgen zu mindern.84 Die Mitverschuldensregel war daher in Wahrheit nur dann anzuwenden, wenn die vorzeitige Auflösung berechtigt war, aber auch den Auflösenden ein Verschulden traf.85 Zu nennen sind hier insbesondere vorzeitige Auflösungen wegen einer vom Vertragspartner ausgehenden Tätlichkeit oder Ehrverletzung, die allerdings vom Auflösenden provoziert wurde. Nicht anwendbar sollte §Â€1162c aber sein, wenn der Auflösungsgegner zwar ebenfalls ein provokatives Verhalten gesetzt hat, die vorzeitige Auflösung aber nicht gerechtfertigt war, weil sie (noch) nicht als erheblich eingestuft wurde. Nach der neueren Judikatur kann die Mitverschuldensregel „ausnahms60 weise“ auch dann zur Anwendung kommen, wenn sich die von einem Teil erklärte vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses zwar als ungerechtfertigt erweist, der Erklärungsempfänger aber ein schuldhaftes Verhalten an den Tag gelegt hat, das im Zusammenwirken mit einem ebenfalls schuldhaften Verhalten des Erklärenden für die Auflösung ursächlich war.86 Die Judikatur schränkt allerdings sofort ein, dass Tatbestände, die sich nicht als taugliche Auflösungsgründe erwiesen haben, für die Beurteilung eines allfälligen Mitverschuldens außer Betracht bleiben müssen. Die Mitverschuldensregel kann bei ungerechtfertigter vorzeitiger Auflösung nur dort greifen, wo der Erklärungsempfänger ein Verhalten gesetzt hat, das zusätzlich bzw unabhängig von dem für die vorzeitige Auflösung nicht ausreichenden Verhalten für die Auflösung kausal war. Die „Kausalität“ des Verhaltens sei auf die Auflösungserklärung zu beziehen. Das kausale Verhalten des Erklärungsempfängers kann zB in einer Verletzung von Informationsverpflichtungen bestehen, deren Erfüllung den Erklärenden in die Lage versetzt hätte, die mangelnde Berechtigung seiner Auflösungserklärung zu erkennen und davon Abstand zu nehmen. Ein Mitverschulden des unberechtigt entlassenen Arbeitnehmers an einer Entlassung kann darin liegen, dass er einen ihm bekannten Rechtfertigungsgrund für ein an sich pflichtwidriges Verhalten dem Arbeitgeber schuldhaft nicht bekannt gibt und der Arbeitgeber bei Kenntnis dieses Rechtfertigungsgrunds die Entlassung aller Voraussicht nach nicht ausgesprochen hätte.87 Zu Recht hat die Judikatur einem Arbeitnehmer Mitverschulden an der Entlassung angelastet, der am Grab eines Verwandten ein Erlösungsgebet sprechen wollte, dem Arbeitgeber aber die Regelung von Erbschaftsangelegenheiten als Grund seiner Abwesenheit mitgeteilt hatte. Erbschaftsangelegenheiten hätten die Abwesenheit zum gewünschten Termin nicht gerechtfertigt, der „wahre“ Grund stand als wichtiger Grund OGH 29.8.2002, 8 ObA 41/02s; Kuras, AngG-Komm §Â€32 Rz 12. Vgl OGH 6.6.2005, 9 ObA 44/05v. 86╇ OGH 26.8.2004, 8 ObA 17/04i; 24.2.2009, 9 ObA 136/08b. 87╇ OGH 31.8.2005, 9 ObA 108/05f, wbl 2006; 8 ObA 52/04m; 28.4.2008, 8 ObA 23/08b. 84╇ 85╇
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Mitverschulden an der vorzeitigen Auflösung (§ 1162c)
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für die Abwesenheit außer Streit. Der Arbeitgeber hätte bei Kenntnis dieses Grundes von einer Entlassung Abstand genommen.88 Die Neuorientierung der Judikatur ist zu begrüßen, die grundsätzlich ab- 61 lehnende Position zur „Kompensation“ nicht ausreichender Entlassungs- oder Austrittsgründe mit einem damit zusammenhängenden Verhalten des Erklärungsempfängers bleibt allerdings unverständlich. Im HHB findet sich zu §Â€1162c nur der lapidare Hinweis, diese Bestimmung beruhe auf dem in §Â€1304 ausgesprochenen Gedanken der Kulpakompensation.89 Mayer/Grünberg führen zur inhaltsgleichen Regelung des §Â€32 HGG aus, es sei erforderlich, dass das Verschulden mit der vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses durch den anderen Teil in einem kausalen Zusammenhang steht. Dies sei auch dann gegeben, wenn die Lösung des Arbeitsverhältnisses ungerechtfertigt war.90 Dies entspricht auch dem Zweck des §Â€ 1162c. Diese Bestimmung soll das strikte „Alles-oder-Nichts-Prinzip“, das den Entschädigungsregelungen der §§Â€1162a und 1162b zugrunde liegt, an konkrete Einzelfallgestaltungen anpassen, bei denen seine Anwendung unangemessen erscheint. Wenn sich nun ein gerechtfertigt ausgetretener Arbeitnehmer die Provokation des Arbeitgebers als Mitverschulden anrechnen lassen muss, was zu einer Reduktion seines Anspruchs auf Kündigungsentschädigung führen kann (aber nicht führen muss), ist nicht einzusehen, warum einem vergleichbaren Arbeitnehmer, der den Austritt verspätet – und damit ungerechtfertigt – erklärt hat, überhaupt kein Ersatzanspruch zustehen soll. Die Provokation ginge dann letztlich voll zu Lasten dieses Arbeitnehmers, das Verhalten des Arbeitgebers, das ja Anlass für die Austrittserklärung war, bliebe völlig unberücksichtigt. Auch der von Mayer/ Grünberg referierte Fall zeigt deutlich die Unausgewogenheit der heute herrschenden Judikatur. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer Diebstahl vorgeworfen, der Arbeitnehmer war erregt und hat seinen Austritt erklärt. Hält man die Austrittserklärung für überzogen, würde der Arbeitnehmer überhaupt keinen Anspruch auf Kündigungsentschädigung haben. Sachgerechter ist auch in diesem Fall, wenn beide Teile die durch die Vertragsauflösung entstehenden Nachteile zu tragen haben.91 Dies spricht dafür, die Mitverschuldensregelung auch auf ungerechtfertig- 62 te Beendigungen des Arbeitsverhältnisses anzuwenden, und zwar nicht nur dann, wenn der Erklärungsgegner ein „zusätzliches“ Verhalten gesetzt hat, das die unberechtigte Auflösung begleitet. Das eben erwähnte Problem steht in einem engen Konnex mit der Frage, 63 inwieweit §Â€1162c auch eine anspruchsbegründende Wirkung haben kann. 88╇ OGH 25.4.1996, 8 ObA 2058/96x, ZAS 1977, 55 (Apathy); vgl auch 31.8.2005, 9 ObA 108/05f, wbl 2006, 87. 89╇ 78 BlgHH, 21. Sess 235. 90╇ Mayer-Grünberg, Kommentar zum HGG 394 unter ausdrücklicher Bejahung der Entscheidung GewSlg 1648. In diesem Fall war der Dienstnehmer ausgetreten, weil er sich durch den Dienstgeber des Diebstahls bezichtigt fühlte. Das Gericht fand den Austrittsgrund nicht strikt gegeben. Dem Dienstgeber wurde jedoch ein Mitverschulden angelastet, weil er durch sein Verhalten beim aufgeregten Dienstnehmer die Diebstahlsvermutung aufkommen lassen musste. 91╇ Vgl auch Apathy, Beiderseitiges Verschulden an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, in Tomandl (Hrsg), Beendigung des Arbeitsvertrages 89.
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§§ 1162a–1162d
Schrammel
Tritt ein Arbeitnehmer berechtigt aus und ist ihm ein Verschulden an der Beendigung anzulasten, wird sein Anspruch auf Kündigungsentschädigung bei Anwendung des §Â€1162c entsprechend gemindert. Dem Arbeitgeber kann in einem Kündigungsentschädigungsprozess ein Schaden, der ihm durch das Verhalten des Arbeitnehmers entstanden ist, grundsätzlich nicht zugesprochen werden. Ist der Arbeitnehmer hingegen unberechtigt ausgetreten und verlangt er vom Arbeitgeber Kündigungsentschädigung, könnte argumentiert werden, dass ihm ja in diesem Fall gar kein Anspruch zusteht, weil Kündigungsentschädigung eben nur bei einem berechtigten Austritt zu leisten ist. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer berechtigt entlassen wird und in der Folge Kündigungsentschädigung begehrt. Das beiderseitige Verschulden an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses könnte prozessual nur in einem Verfahren releviert werden, das der Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer wegen des unberechtigten Austritts oder der verschuldeten Entlassung einleitet. Das Mitverschulden würde in diesem Fall also nur zu einer Anspruchsminderung eines nach den §§Â€1162a und 1162b zustehenden Anspruchs führen. Die neuere Judikatur hat §Â€1162c auch eine anspruchsbegründende Wir64 kung beigelegt. Tritt der Arbeitnehmer unberechtigt aus oder wird er berechtigt entlassen, ist ihm ein Teil der Kündigungsentschädigung zuzusprechen, wenn dem anderen Teil ein Mitverschulden an der Auflösung anzulasten ist.92 Dieser Auffassung ist zuzustimmen, weil sie dem Grundgedanken des §Â€1162c Rechnung trägt, den Auflösungsschaden bei beiderseitigem Verschulden endgültig aufzuteilen. Prozessual ist freilich immer zu berücksichtigen, dass das Gericht nur das zusprechen darf, was vom Kläger gefordert wurde. Gegen die Klagsforderung kann zwar aufgerechnet werden, das Gericht kann jedoch ohne Widerklage dem Beklagten keinen Schadenersatz zusprechen. Insoweit bleibt die Gesamtabwicklung des Auflösungsschadens immer beschränkt. §Â€ 1162c bezieht sich systematisch auf Ersatzansprüche, die nach den 65 §§Â€ 1162a und 1162b erhoben werden können. Dies gilt daher jedenfalls für Schadenersatzforderungen des Arbeitgebers nach §Â€ 1162a und für den Anspruch auf Kündigungsentschädigung nach §Â€1162b. Die Mitverschuldensregel erfasst daher nicht nur das laufende Entgelt für die Zeit der fiktiven KünÂ� digungsfrist, sondern auch alle zusätzlichen Leistungen, die während der fiktiven Kündigungsfrist entstehen, wie zB ein Anspruch auf Ersatz entgangenen Urlaubs, der während der fiktiven Kündigungsfrist neu entstanden wäre. Fraglich ist, ob auch Ansprüche nach §Â€1162c zu beurteilen sind, die sich nicht aus §Â€1162a oder §Â€1162b ergeben. Dies betrifft insbesondere den Anspruch auf Abfertigung und auf Urlaubsersatzleistung für Urlaubsansprüche im Jahr der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der OGH hat in der schon zitierten Entscheidung 8 ObA 76/01m gemeint, dass die Mitverschuldensregel des §Â€1162c nicht nur auf die von §Â€1162b erfassten beendigungsabhängigen Ansprüche, sondern auch auf andere derartige Ansprüche – Abfertigung oder Urlaubsentschädigung – anzuwenden sei. Diese Meinung entspreche der herrschenden 92╇ OGH 26.4.2001, 8 ObA 76/01m, DRdA 2002, 19 (Apathy). Im Anlassfall war nicht strittig, dass die Beendigung durch eine berechtigte Entlassung erfolgte. Dem Arbeitnehmer war bei einem angenommenen Mitverschulden des Arbeitgebers ein Drittel der Kündigungsentschädigung zuzusprechen.
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Verfall der Ansprüche (§ 1162d)
§§ 1162a–1162d
Lehre und auch der jüngeren Rechtsprechung.93 Die abweichende Meinung von Pfeil 94 wird zwar zitiert, aber nicht kommentiert. Pfeil hat gegen die These der Judikatur vorgebracht, dass die Abfertigung bei einem gerechtfertigten Austritt oder bei einer unbegründeten Entlassung unabhängig davon gebührt, ob dem Arbeitnehmer ein Verschulden an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorzuwerfen ist. Die Abfertigung ist insoweit kein Ersatzanspruch, der seine Grundlage in den §§Â€1162a und 1162b findet. Das Argument, §Â€23 Abs€7 AngG sehe den Entfall der Abfertigung bei „verschuldeter“ Entlassung vor, bedeutet nicht, dass ein Mitverschulden an einer unbegründeten Entlassung einer verschuldeten Entlassung gleichzuhalten ist.95 In der Sache ist wohl zu differenzieren. Der Anspruch auf Abfertigung bis zur tatsächlichen BeenÂ�digung ergibt sich ausschließlich aufgrund der Abfertigungsregelungen des AngG. Ein weitergehender Anspruch auf Abfertigung durch Berücksichtigung der fiktiven Kündigungsfrist ist hingegen ein Anspruch, der sich aus §Â€1162b ergibt. Auch wenn man den erhöhten Abfertigungsanspruch nicht als Teil der Kündigungsentschädigung versteht,96 ergibt sich die Berücksichtigung der fiktiven Kündigungsfrist für die Berechnung der Abfertigung aus §Â€1162b. Der erhöhte Abfertigungsanspruch unterliegt dann aber auch der Mitverschuldensregel des §Â€1162c. Wenn beide Teile ein Verschulden an der Auflösung des Arbeitsverhältnis- 66 ses trifft, hat der Richter über das Ausmaß der Ersatzansprüche zu entscheiden. Im Extremfall kann dies auch zu einem gänzlichen Verlust des Anspruchs auf Kündigungsentschädigung führen, wenn der Arbeitnehmer zwar ungerechtfertigt entlassen wurde, die Entlassung aber allein durch sein Verhalten (Irreführung über eine gerechtfertigte Abwesenheit durch Verschweigen des wahren Rechtfertigungsgrundes) ausgelöst wurde.97
VI. Verfall der Ansprüche (§Â€1162d) Grundsätzlich unterliegen auch Ansprüche aus einer vorzeitigen Auflösung 67 des Arbeitsverhältnisses den allgemeinen Regeln des ABGB über die Verjährung. Durch §Â€1162d wird allerdings eine Präklusivfrist für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen wegen vorzeitigen Austritts oder Entlassung festgesetzt. Der Gesetzgeber will damit erreichen, dass die Folgen einer vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses möglichst rasch klargestellt werden.98 Der Unterschied zwischen Verjährungs- und Präklusivfrist wird vor allem 68 darin gesehen, dass bei Präklusion das Recht als solches untergeht, während 93╇ Der OGH verweist auf Kuderna, Entlassungsrecht2 77; Wachter, Beiderseitiges Verschulden bei der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses (1992) 42 ff und Krejci in Rummel3 I §Â€1162c Rz 4 sowie auf OGH 23.6.1964, 4 Ob 56/64, Arb 7952; 22.2.1983, 4 Ob 17/83, Arb 10.222 und 18.8.1995, 8 ObA 202/95, RdW 1996, 276. 94╇ Die Mitverschuldensregel bei vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses, wbl 1987, 175 ff. 95╇ So aber Kuras, AngG-Komm §Â€32 Rz 5. 96╇ Vgl oben Rz 38. 97╇ OGH 25.4.1996, 8 ObA 2058/96x, ZAS 1977, 55 (Apathy); vgl auch Kuras, AngG-Komm §Â€32 Rz 15 ff. 98╇ Pfeil, ZellKomm §Â€34 AngG Rz 3.
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§§ 1162a–1162d
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der Ablauf der Verjährungsfrist nur die gerichtliche Geltendmachung der Forderung verhindert; die Bezahlung einer verjährten Forderung ist daher nicht als Zahlung einer Nichtschuld zu werten. Die Judikatur hat allerdings „Verjährungsregeln“ auch auf Präklusivfristen angewendet. Dies gilt insbesondere für die Hemmung und Unterbrechung der Fristen.99 Aus dem systematischen Zusammenhang ergibt sich, dass die Präklusivfrist nur für die aus den §§Â€1162a und 1162b erfließenden Ansprüche gilt.100 Erfasst sind daher sowohl die in §Â€1162a genannten Schadenersatzansprüche des Arbeitgebers101 als auch die nach §Â€ 1162b gebührende Kündigungsentschädigung.102 Keine Anwendung findet §Â€1162d somit auf die bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gebührende Urlaubsersatzleistung. Urlaubsansprüche, die erst während der fiktiven Kündigungsfrist zu einem Ersatzanspruch führen, müssen jedoch innerhalb der Frist des §Â€1162d geltend gemacht werden.103 Nicht erfasst sind Ansprüche auf Abfertigung, die nicht als Ersatzansprüche nach §Â€1162b gewertet werden.104 Dies gilt jedenfalls für Ansprüche, die auf Dienstzeiten bis zur tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses beruhen. Ergibt sich unter Berücksichtigung der fiktiven Kündigungsfrist ein höherer Anspruch, der auf dem „Grundgedanken“ des §Â€1162b beruht,105 muss der Differenzanspruch konsequenterweise auch der Präklusion nach §Â€1162d unterliegen. Nicht erfasst sind auch Ansprüche auf weitergehenden Schadenersatz. Diese Ansprüche bestehen nach dem Gesetzeswortlaut „unbeschadet“ der Ansprüche auf das vertragsmäßige Entgelt nach §Â€1162b. Die weitergehenden Schadenersatzansprüche sind dann aber keine Ansprüche „iSd §§Â€ 1162a und 1162b“.106 Inkonsequent ist die Judikatur, wenn sie den Anspruch auf entgangenes Trinkgeld als weitergehenden Schadenersatz qualifiziert, die Verfallsregel aber deshalb anwendet, weil der bis zum vereinbarten Endtermin entstehende Entgang an Trinkgeld ebenso vorhersehbar war wie der an weiterlaufendem Entgelt aus dem Arbeitsverhältnis.107 Die Präklusivfrist ist auch dann zu beachten, wenn ein besonders kündigungs- oder entlassungsgeschützter Arbeitnehmer nach einer rechtsunwirksamen vorzeitigen Beendigung von seinem Wahlrecht Gebrauch macht und Ersatzansprüche geltend macht.108 Vgl Kuras, AngG-Komm §Â€34 Rz 8 ff. So bereits Mayer/Grünberg, Kommentar zum HGG 403; OGH 31.3.1993, 9 Ob A 60/93, Arb 11.074. 101╇ OGH 18.11.1975, 4 Ob 69/75, Arb 9422. 102╇ OGH 18.1.1996, 8 ObA 297/95; 24.2.1999, 9 ObA 352/98z. 103╇ OGH 17.3.1999, 9 ObA 308/98d, DRdA 2000, 8 (Holzner). 104╇ Vgl Kuras, AngG-Komm §Â€34 Rz 5. 105╇ Vgl oben Rz 38. 106╇ So auch Kuras, AngG-Komm §Â€34 Rz 4; ablehnend Pfeil, ZellKomm §Â€34 AngG Rz 6. 107╇ OGH 12.3.1998, 8 ObS 234/97p, SSV-NF 12/36. Diese Entscheidung wird auch von Pfeil (ZellKomm §Â€34 AngG Rz 7) kritisiert. Wenn man allerdings – wie Pfeil – auch weitergehenden Schadenersatz der Präklusivregel unterstellt, wäre die Entscheidung intrasystematisch konsequent. 108╇ OGH 24.10.2005, 9 ObA 97/05p. 99╇
100╇
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Übersicht
§ 1163
Die Präklusivfrist beginnt ab dem Tag zu laufen, ab dem Ansprüche nach 73 den §§Â€1162a und 1162b erhoben werden können. Bei Ansprüchen auf Kündigungsentschädigung, die sofort gefordert werden können, beginnt die Frist somit mit Ablauf des Tages der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu laufen.109 Bei Ansprüchen, die erst nach der Beendigung zustehen (Kündigungsentschädigung ab dem vierten Monat), kann die Frist erst mit Ablauf des Fälligkeitstages zu laufen beginnen.
Zeugnis. §Â€1163. (1) Bei Beendigung des Dienstverhältnisses ist dem Dienstnehmer auf sein Verlangen ein schriftliches Zeugnis über die Dauer und Art der Dienstleistung auszustellen. Verlangt der Dienstnehmer während der Dauer des Dienstverhältnisses ein Zeugnis, so ist ihm ein solches auf seine Kosten auszustellen. Eintragungen und Anmerkungen im Zeugnisse, durch die dem Dienstnehmer die Erlangung einer neuen Stellung erschwert wird, sind unzulässig. (2) Zeugnisse des Dienstnehmers, die sich in Verwahrung des Dienstgebers befinden, sind dem Dienstnehmer auf Verlangen jederzeit auszufolgen. IdF RGBl 1916/69 (III. Teilnovelle). Mat: 78 BlgHH, 21. Session 1912. Lit: Runggaldier/Eichinger, Arbeitszeugnis, 1989; Pirker, Die Herausgabe von Arbeitspapieren, RZ 1990, 106; Eichinger, Anforderungen an den Inhalt eines Dienstzeugnisses, RdW 1995, 347; Trattner, Das Dienstzeugnis in der Praxis – Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses, ASoK 2004, 424; Celar, Das Arbeitszeugnis als Ausdruck der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht – Die Verpflichtung zur Angabe von Tätigkeitsbereichen im Sinne des Förderungsgebots und andere Rechtsfragen rund um den Anspruch auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses: Überblick über die jüngere Judikatur zu §Â€39 AngG, ASok 2006, 7; Freuhofmeier, Dienstzeugnis: Werturteile sind nicht einklagbar, taxlex 2008, 436; Gerhartl, Probleme des Dienstzeugnisses – Im Spannungsfeld zwischen Wahrheits- und Fürsorgepflicht, ASoK 2008, 413; Stärker, Auskunftserteilung über ehemalige Mitarbeiter – Fürsorgepflicht wirkt laut OGH nach, ASoK 2008, 406; Thomas, Mündliche Auskünfte über Ex-Arbeitnehmer, ecolex 2008, 942; Trattner, Das Dienstzeugnis und sein Inhalt, ASoK 2008, 144.
Übersicht I.
Zum Anspruch auf Ausstellung von Dienstzeugnissen 1. Gesetzlicher Anspruch 2. Inhalt des Dienstzeugnisses 3. Adressat der Ausstellungspflicht 4. Qualifizierte Dienstzeugnisse 109╇
1–24 1–6 7–10 11–14 15
OGH 17.11.1970, 4 Ob 97/70, Arb 8831.
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§ 1163
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5. Rechtsfolgen fehlerhafter Zeugniserteilung a) Erfüllungsanspruch b) Schadenersatz II. Informelle Auskünfte über den Arbeitnehmer III. Arbeitsbescheinigung IV. Rückstellung sonstiger Arbeitspapiere
16–22 16 17–22 23–24 25–27 28–29
I. Zum Anspruch auf Ausstellung von Dienstzeugnissen 1. Gesetzlicher Anspruch 1
§Â€1163 verpflichtet den Arbeitgeber, bei Beendigung des Dienstverhältnisses dem Angestellten auf dessen Verlangen ein schriftliches Zeugnis („Endzeugnis“) über die Dauer und die Art der Dienstleistung auszustellen. Verlangt der Angestellte während der Dauer des Dienstverhältnisses ein Zeugnis („Zwischenzeugnis“), so ist ihm ein solches auf seine Kosten auszustellen. Der Anspruch auf Ausstellung eines Zeugnisses ist unabdingbar. Das Endzeugnis ist eine Bestätigung über das zurückliegende Arbeitsver2 hältnis.1 Hauptzweck des Arbeitszeugnisses ist es, Arbeitnehmern bei Stellenbewerbungen einen Nachweis über Dauer und Inhalt zurückliegender Arbeitsverhältnisse zu ermöglichen. Der Anspruch auf ein Endzeugnis entsteht nach dem Wortlaut des Gesetzes „bei“ Beendigung des Dienstverhältnisses. Nicht entscheidend ist, wie das Arbeitsverhältnis beendet wurde. Der (ehemalige) Arbeitnehmer hat auch dann Anspruch auf Ausstellung eines Endzeugnisses, wenn das Arbeitsverhältnis durch verschuldete Entlassung oder durch unbegründeten Austritt aufgelöst wurde. Bei einer einseitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit sofortiger 3 Wirkung (Entlassung, Austritt) liegt es in der Natur der Sache, dass der Anspruch auf Ausstellung des Dienstzeugnisses erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht. Der Arbeitgeber hat ohne schuldhafte Verzögerung das Zeugnis auszustellen, wenn der Arbeitnehmer ein entsprechendes Verlangen gestellt hat.2 Fraglich ist, ob der Arbeitgeber im Falle einer Kündigung (durch den Ar4 beitnehmer oder Arbeitgeber) bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist zur Ausstellung eines Endzeugnisses verpflichtet ist.3 Auch bei einem befristeten Arbeitsverhältnis lässt sich argumentieren, dass der Arbeitgeber schon vor der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Endzeugnis auszustellen hat, weil die Beendigung absehbar ist. Für eine vorzeitige Ausstellung des Dienstzeugnisses könnte ins Treffen geführt werden, dass dem Arbeitnehmer mit Vorlage des Endzeugnisses der Antritt einer neuen Stelle erleichtert wird. Zu beachten ist allerdings, dass das Zeugnis über Tatsachen Auskunft zu geben hat. Auch wenn die „vorzeitige“ Ausstellung des Zeugnisses in zeitlicher Nähe zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt, kann es nur Runggaldier/Eichinger, Arbeitszeugnis 46. Reissner, ZellKomm §Â€39 AngG Rz 14. 3╇ So zB Reissner, ZellKomm §Â€39 AngG Rz 13; 1╇ 2╇
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Zum Anspruch auf Ausstellung von Dienstzeugnissen
§ 1163
eine Prognose über die tatsächliche Dauer des Arbeitsverhältnisses enthalten. Arbeitsverhältnisse können auch während der Kündigungsfrist oder vor Zeitablauf aus wichtigem Grund aufgelöst werden. Geschieht dies, dann hat das Zeugnis die tatsächliche Dauer des Arbeitsverhältnisses anzugeben, auch wenn das Arbeitsverhältnis an einem völlig „unüblichen“ Tag geendet hat.4 Gleiches gilt, wenn das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund beendet wird. Die rechtwidrige Beendigung löst zwar Ansprüche auf Kündigungsentschädigung aus, der Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt, hat im Dienstzeugnis aber außer Betracht zu bleiben.5 Das Nichtausstellen des Zeugnisses vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses mag zwar im Ergebnis den Antritt einer neuen Stelle erschweren,6 der Arbeitnehmer hat aber keinen Anspruch auf Bestätigung einer von den Parteien bloß „intendierten“ Dauer seines Arbeitsverhältnisses. Der Anspruch auf ein „Endzeugnis“ kann daher erst nach der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen. Dafür spricht auch der Gesetzeswortlaut. Dem Anspruch auf Ausstellung 5 eines Endzeugnisses „bei Beendigung des Dienstverhältnisses“ wird der Anspruch auf Ausstellung eines Zwischenzeugnisses „während der Dauer des Dienstverhältnisses“ gegenüber gestellt. Könnte der Arbeitnehmer bereits „während der Dauer des Dienstverhältnisses“ ein Endzeugnis beanspruchen, hätte die besondere Erwähnung des Zwischenzeugnisses wenig Sinn. Es wäre vor allem völlig unklar, zu welchem Zeitpunkt während des aufrechten Dienstverhältnisses der Anspruch auf Ausstellung eines Zwischenzeugnisses zum Anspruch auf Ausstellung eines Endzeugnisses mutiert. Während der Kündigungsfrist oder vor Ablauf der vereinbarten Vertragszeit kann nur die Ausstellung eines Zwischenzeugnisses (auf Kosten des Arbeitnehmers) verlangt werden.7 Das Zeugnis ist nach herrschender Auffassung eine Holschuld; der Arbeit- 6 nehmer hat das Zeugnis beim Arbeitgeber zu beheben.8 2. Inhalt des Dienstzeugnisses Aus der Formulierung des Gesetzes ergibt sich klar, dass der Arbeitnehmer 7 nur Anspruch auf Ausstellung eines einfachen Zeugnisses hat.9 Das Zeugnis hat einerseits Auskunft über die rechtliche Dauer des Dienstverhältnisses10 und über die Art der Dienste Auskunft zu geben. Es besteht also kein Anspruch des Dienstnehmers auf ein „qualifiziertes“ Dienstzeugnis mit Werturteilen des Dienstgebers über Leistung und Führung im Dienst.11 So auch Runggaldier/Eichinger, Arbeitszeugnis 95. Holzer, AngG-Komm §Â€39 Rz 12. 6╇ Vgl dazu unten Rz 10 f. 7╇ Vgl Haslinger, Das Zeugnis im Arbeitsrecht, DRdA 1966, 1 ff; ebenso Runggaldier/Eichinger, Arbeitszeugnis 47. 8╇ Runggaldier/Eichinger, Arbeitszeugnis 73 f; Haslinger, DRdA 1966, 10; Lenhoff, Angestelltengesetz 128. 9╇ OGH 17.12.2008, 9 ObA 164/08w. 10╇ Vgl Runggaldier/Eichinger, Arbeitszeugnis 92. 11╇ OGH 29.9.1999, 9 ObA 185/99t; 8.3.2001, 8 ObA 217/00w. 4╇ 5╇
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In einer älteren Entscheidung hat der OGH unter „Art der Dienstleistung“ jenes Wirklichkeit gewordene Tätigkeitsgebiet verstanden, das in seinen charakteristischen Zügen und ohne Rücksicht darauf, ob es dem im Vertrag vorgesehenen entsprochen hat, im Zeugnis beschrieben werden muss.12 Das einfache Zeugnis zerfällt also in zwei Teile: Es hat zum einen Angaben über die Person des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers zu enthalten; zum anderen hat es eine Tätigkeitsbeschreibung vorzunehmen, die alle wesentlichen Verrichtungen umfasst, die für die Dienstleistung des Arbeitnehmers charakteristisch waren. Das Dienstzeugnis muss die Art der Beschäftigung in der üblichen Weise bezeichnen. Grundsätzlich beinhaltet die Verpflichtung zur näheren Umschreibung des Tätigkeitsbereiches keine umfassende Dokumentation aller Einzeltätigkeiten, die vom Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses verrichtet wurden. Eine detaillierte Darstellung der Tätigkeiten ist nur dann gefordert, wenn dies für das Fortkommen des Arbeitnehmers von Bedeutung ist.13 Der OGH stützt diese umfassendere Information über die Tätigkeit auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die in der gesetzlichen Regelung des §Â€1163 nur eine besondere Ausprägung erfahren hat. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ist daher weiterhin für den Inhalt des Zeugnisses bedeutsam. So hat etwa der OGH den Anspruch eines Flugzeugwartes auf Ausstellung einer detaillierten Bestätigung über die Art der verrichteten Tätigkeit unter Zugrundelegung einer EG-Verordnung und auf Grund von internationalen Richtlinien bejaht. Wesentlich war in diesem Zusammenhang auch der Aspekt der Erhaltung der Berufsqualifikation, der den Nachweis einer entsprechenden Tätigkeit erforderte, ebenso wie der Umstand, dass am Arbeitsmarkt ebenfalls der Nachweis einschlägiger Tätigkeiten erforderlich war, weil die Luftfahrtbehörden dies verlangten.14 Das Dienstzeugnis hat jedenfalls vollständig und objektiv richtig zu sein. 9 Die Ausstellung eines den tatsächlichen Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers nicht entsprechenden „Gefälligkeitszeugnisses“ verstößt gegen die Wahrheitspflicht und ist daher unzulässig.15 Die Formulierung ist dem Dienstgeber vorbehalten.16 §Â€1163 Abs€1 letzter 10 Satz verbietet allerdings Hinweise, welche die Erlangung einer neuen Stellung erschweren („Erschwerungsverbot“). Das Dienstzeugnis darf daher – auch nicht indirekt – Angaben enthalten, die objektiv geeignet wären, dem Dienstnehmer die Erlangung einer neuen Dienststelle zu erschweren.17 Dazu gehören etwa Angaben über die Art der Beendigung des Dienstverhältnisses (Entlassung wegen beharrlicher Pflichtverletzung) oder über Krankenstände. Auch das Versehen des Dienstzeugnisses mit „Geheimcodes“, die potenzielle Dienstgeber über (tatsächliche oder vermeintliche) Unzulänglichkeiten des Dienst12╇
OGH 17.3.1914, Slg Fuchs 161. OGH 30.6.2005, 8 ObA 16/05v; 29.4.1958, 4 Ob 45/58, Arb 6868. 14╇ OGH 24.4.2003, 8 ObA 217/02y, DRdA 2004, 31 (Stadlmeier). 15╇ Runggaldier/Eichinger, Arbeitszeugnis 99; Holzer, AngG-Komm §Â€39 Rz 16; Reissner, ZellKomm §Â€39 AngG Rz 28. 16╇ OGH 29.9.1999, 9 ObA 185/99t; 8.3.2001, 8 ObA 217/00w. 17╇ OGH 8.3.2001, 8 ObA 217/00w. 13╇
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Zum Anspruch auf Ausstellung von Dienstzeugnissen
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nehmers informieren sollen, ist unzulässig.18 Die Formulierung darf also auch nicht „zwischen den Zeilen“ ein für den Dienstnehmer negatives Gesamtbild durchblicken lassen.19 Werturteile dürfen daher in das Dienstzeugnis nicht aufgenommen werden, wenn sie für den Dienstnehmer nicht zweifelsfrei günstig sind.20 Wie schon erwähnt, lassen sich negative Formulierungen „zwischen den Zeilen“ nicht immer vermeiden. Wird der Arbeitnehmer während eines Kalendermonats entlassen, hat das Dienstzeugnis die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu dokumentieren, auch wenn ein künftiger Arbeitgeber aus einer Beendigung während des Kalendermonats „negative“ Schlüsse ziehen kann. Nicht gefolgt werden kann dem OGH, wenn er eine Formulierung, wonach der Arbeitnehmer alle ihm übertragenen Aufgaben „zur vollen Zufriedenheit“ erledigt hat, als möglichen „Geheimcode“ nicht ausschließt.21 Die Vorinstanzen waren der Meinung, eine Abwertung des Arbeitnehmers könne nicht ausgeschlossen werden, weil der Arbeitgeber nicht die bestmögliche positive Formulierung „zur vollsten Zufriedenheit“ verwendet habe. Es sei zwar – so der OGH – richtig, dass Komparativ- und Superlativformen bei jenen Adjektiven unüblich sind, die bereits einen höchsten oder geringsten Grad bezeichnen. Dennoch würden aber auch solche Adjektive gelegentlich gesteigert, wenn der höchste oder geringste Grad noch verstärkt werden soll. Gerade in der „Zeugnissprache“ würden Superlative eine besonders große Rolle spielen. Wenn allerdings ein Arbeitgeber die Regeln der deutschen Sprache beachtet, sollte ihm das nicht zum Vorwurf gemacht werden, auch wenn es sich bei dem betreffenden Sprachwerk um ein Dienstzeugnis handelt.22 3. Adressat der Ausstellungspflicht Zur Ausstellung des Dienstzeugnisses ist grundsätzlich der Arbeitgeber 11 verpflichtet. Aus dem Dienstzeugnis muss auch hervorgehen, bei wem der Arbeitnehmer beschäftigt war. Der Name des Arbeitgebers kann entweder im eigentlichen Text des Zeugnisses aufscheinen, es genügt aber, wenn das Dienstzeugnis entweder auf dem Briefkopf des Arbeitgebers geschrieben wurde oder mit einer deutlich lesbaren Firmenstampiglie versehen ist, weil dann kein Zweifel bestehen kann, dass der im Dienstzeugnis genannte Arbeitnehmer in 18╇ Vgl Eichinger, Anforderungen an den Inhalt eines Dienstzeugnisses, RdW 1995, 347; Holzer, AngG-Komm §Â€39 Rz 19. 19╇ Als unzulässig wird man etwa die Formulierung „Der Arbeitnehmer war stets bemüht, die übertragenen Arbeiten zu unserer Zufriedenheit zu verrichten“ ansehen müssen, weil sie den Schluss nahelegt, dass das Bemühen ohne Erfolg geblieben ist; vgl auch Holzer, AngG-Komm §Â€39 Rz 19. 20╇ Gerhartl, Probleme des Dienstzeugnisses, ASoK 2008, 413. 21╇ OGH 17.12.2008, 9 ObA 164/08w. 22╇ Im Anlassfall hat der OGH die Wertung der Vorinstanzen als vertretbar angesehen und die außerordentliche Revision des Arbeitgebers zurückgewiesen. Der OGH hat allerdings auch darauf hingewiesen, dass die Formulierung „zur vollen Zufriedenheit“ nicht den Tatsachen entspreche, weil die Arbeitnehmerin wegen beharrlicher Pflichtverletzung entlassen worden war. Der Anspruch auf ein Zeugnis mit der Formulierung „zur vollsten Zufriedenheit“ war daher letztlich nicht durchsetzbar.
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der dort genannten Zeit in der dort genannten Funktion bei dem aus dem Briefkopf oder der Stampiglie zu ersehenden Arbeitgeber beschäftigt war.23 Der Arbeitgeber kann seiner Verpflichtung allerdings nur schwer nach12 kommen, wenn der Arbeitnehmer seine tatsächlichen Dienste – als überlassene Arbeitskraft – in einem „fremden“ Betrieb erbracht hat. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob auch der Beschäftiger zur Ausstellung eines Dienstzeugnisses verpflichtet ist. Gemäß §Â€6 Abs€3 AÜG obliegen für die Dauer der Beschäftigung die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers auch dem Beschäftiger. Im Anwendungsbereich des AÜG kann daher die These vertreten werden, dass die überlassene Arbeitskraft gegenüber dem Beschäftiger auf Grund der dem Beschäftiger obliegenden Fürsorgepflicht einen Anspruch auf Ausstellung eines Zeugnisses hat, auch wenn zwischen Arbeitskraft und Beschäftiger kein Vertragsverhältnis besteht. Lehre und Rechtsprechung haben im Übrigen immer wieder darauf hingewiesen, dass den Beschäftiger auch außerhalb des AÜG Schutzpflichten gegenüber der überlassenen Arbeitskraft treffen. So hat etwa die Judikatur die Haftungsbeschränkungen des DHG in bestimmten Fällen auch auf das Verhältnis Arbeitskraft – Beschäftiger angewendet und den Beschäftiger als „Arbeitgeber“ qualifiziert.24 Dies wird nunmehr durch §Â€7 AÜG klargestellt. Die überlassene Arbeitskraft kann gegenüber dem Beschäftiger daraus unmittelbare Ansprüche ableiten. Eine dogmatische Grundlage für diese Ansprüche kann im Überlassungsvertrag zwischen Überlasser und Beschäftiger gefunden werden, der insoweit als Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter qualifiziert werden muss.25 Die überlassene Arbeitskraft hat daher einen vertraglichen Anspruch auf Ausstellung eines in der Fürsorgepflicht wurzelnden Arbeitszeugnisses gegen den Beschäftiger, und zwar unabhängig davon, ob das AÜG auf die konkrete Überlassung anwendbar ist oder nicht. Dies schließt nicht aus, dass auch gegenüber dem „vertraglichen“ Arbeit13 geber ein Anspruch auf Verschaffung des Zeugnisses besteht. Der Arbeitgeber hat die ihm möglichen Schritte zu setzen, damit der Arbeitnehmer jene Zeugnisse erhält, die für sein Fortkommen wichtig sind. Fraglich ist auch, wer bei Insolvenz des Arbeitgebers zur Ausstellung eines 14 Dienstzeugnisses legitimiert ist bzw gegen wen der Anspruch gerichtlich geltend gemacht werden kann. Nach §Â€6 Abs€1 IO können Rechtsstreitigkeiten, die die Geltendmachung oder Sicherstellung von Ansprüchen auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen bezwecken, gegen den Schuldner weder anhängig gemacht noch fortgesetzt werden. Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die das zur Masse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen, können hingegen gemäß §Â€6 Abs€3 IO auch während des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner anhängig gemacht und fortgesetzt werden („Gemeinschuldnerprozess“). Zu den in §Â€6 Abs€3 IO bezeichneten Streitigkeiten gehören einerseits solche nicht vermögensrechtlicher Natur und andererseits solche vermögensrechtlicher Natur, sofern der Streitgegenstand weder einen Aktiv- noch einen Passivbestandteil der (Soll-)Masse bildet. Letzteres ist nur zu bejahen, wenn die dem 23╇
So OGH 8.3.2001, 8 ObA 217/00w. Vgl die umfassenden Nachweise bei Oberhofer, Außenhaftung des Arbeitnehmers 33 ff. 25╇ So auch Spielbüchler/Grillberger, Arbeitsrecht I4 154. 24╇
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Klagebegehren stattgebende Entscheidung im Prozess auf den Stand der Sollmasse unmittelbar keinen Einfluss nimmt. Unmittelbar ist der Einfluss allerdings auch dann, wenn der Streitgegenstand selbst zwar den Sollstand der Masse nicht berührt, mit vermögensrechtlichen, die Masse betreffenden Ansprüchen aber derart eng verknüpft ist, dass sich das klagsstattgebende Urteil auf deren Bestand oder Höhe notwendigerweise unmittelbar auswirkt. Ein Verfahren über den Anspruch auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses ist nach Meinung des OGH ein Anspruch, der das zur Masse gehörige Vermögen nicht betrifft und daher grundsätzlich gemäß §Â€6 Abs€3 IO auch während des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner fortgesetzt werden kann.26 Anders ist dies nur dann, wenn der Anspruch von einem Arbeitnehmer geltend gemacht wird, der nach Insolvenzeröffnung vom Insolvenzverwalter weiter beschäftigt wird. Bei der gegenwärtigen Gestaltung des Insolvenzrechtes, das typischerweise zur Fortführung des Unternehmens bis zur Berichtstagsatzung verpflichtet und den Arbeitnehmern bzw dem Insolvenzverwalter eine begünstigte Lösung nur im Falle einer Unternehmensschließung ermöglicht, wird der Anspruch auf Ausstellung des Dienstzeugnisses daher regelmäßig gegen den Insolvenzverwalter gerichtet sein. 4. Qualifizierte Dienstzeugnisse Ein gesetzlicher Anspruch auf Ausstellung eines qualifizierten Dienstzeug- 15 nisses, das auch ein Werturteil über die Leistung des Arbeitnehmers enthält, besteht nicht. Andererseits ist es dem Arbeitgeber jedoch nicht verwehrt, dem Arbeitnehmer ein solches (positives) Zeugnis auszustellen, wenn dies vom Arbeitnehmer beantragt wird. Werturteile des Arbeitgebers müssen jedoch mit der Realität in Einklang stehen.27 Der Arbeitgeber hat daher eine objektive Bewertung abzugeben, „Schönfärberei“ der Leistung wäre unzulässig. Die Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses erleichtert das Aufsuchen eines neuen Arbeitsplatzes in viel stärkerem Maß als die Ausstellung eines einfachen Zeugnisses, das lediglich über Art und Dauer der Arbeitsleistung Auskunft gibt. Darin liegt eine gewisse Gefahr für die Inhaber eines einfachen Zeugnisses. Enthält ein Zeugnis keine Bewertung der Leistung, könnte daraus der Schluss gezogen werden, dass offenkundig auch keine besonderen Leistungen erbracht wurden. Ein generelles Verbot, qualifizierte Zeugnisse auszustellen, lässt sich damit aber nicht begründen.28 Eine Ausnahme besteht im Bereich des Hausangestellten- und Hausgehilfenrechts. §Â€18 HGG bestimmt ausdrücklich, dass das Zeugnis keine anderen Angaben als solche über Art und Dauer der Dienstleistung enthalten darf. Dies wird man wohl als Verbot qualifizierter Zeugnisse verstehen müssen.29
26╇
OGH 6.6.2005, 9 ObA 118/04z. Runggaldier/Eichinger, Arbeitzeugnis 81. 28╇ Vgl dazu ausführlich Runggaldier/Eichinger, Arbeitszeugnis 97 ff. 29╇ Runggaldier/Eichinger, Arbeitszeugnis 101 f. 27╇
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5. Rechtsfolgen fehlerhafter Zeugniserteilung a) Erfüllungsanspruch 16
Kommt der Arbeitgeber seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Ausstellung eines Zeugnisses schuldhaft nicht, nicht gehörig oder verspätet nach, so kann der Berechtigte die Ausstellung eines ordnungsgemäßen Zeugnisses gerichtlich durchsetzen. Der Kläger hat in der Klage die begehrten Tatsachen (Beschäftigungszeit, Tätigkeit) zu behaupten; bei Klagsstattgebung ist der Arbeitgeber zu verurteilen, dem Kläger das begehrte Dienstzeugnis auszustellen.30 Nach zutreffender Meinung des OGH handelt es sich dabei um eine Verpflichtung, die vom Arbeitgeber in natura zu erfüllen ist. Das klagsstattgebende Urteil kann ausnahmsweise nicht die Abgabe der Willenserklärung (§Â€367 ZPO) ersetzen, weil die Vorlage eines klagsstattgebenden Urteils geeignet wäre, die Erlangung eines neuen Dienstpostens zu erschweren. Die Vorlage eines Urteils lässt nur den Schluss zu, dass sich der Arbeitgeber geweigert hat, ein Dienstzeugnis auszustellen; die – wenn auch gerechtfertigte – Verfolgung der Ansprüche mit Hilfe des Gerichtes könnte einen neuen Dienstgeber abschrecken, den Arbeitnehmer zu beschäftigen. Kommt daher der ehemalige Arbeitgeber trotz rechtskräftiger Verurteilung der Verpflichtung zur Ausstellung des Dienstzeugnisses in der ihm aufgetragenen Form nicht freiwillig nach, ist das Urteil gemäß §Â€354 EO (Geldstrafe, Haft) zu vollstrecken.31 b) Schadenersatz
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Bei fehlerhafter Zeugniserteilung kann der Arbeitgeber überdies gegenüber dem Zeugnisberechtigten ersatzpflichtig werden, wenn dieser durch die fehlerhafte Ausstellung einen Schaden erleidet.32 Die Haftung ist nach den Grundsätzen der Vertragshaftung zu beurteilen; die nicht gehörige oder verspätete Zeugnisausstellung stellt eine Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar.33 In der älteren Rechtsprechung war strittig, ob die Ersatzpflicht des Arbeit18 gebers wegen nicht gehöriger Erfüllung der Zeugnispflicht vom Nachweis der Verursachung eines konkreten Vermögensschadens beim Zeugnisberechtigten abhängt. Der OGH hat in einer grundlegenden Entscheidung zu §Â€39 HandlungsgehilfenG – der Vorgängerbestimmung des §Â€39 AngG – die Auffassung vertreten, ein Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen Ausstellung eines rechtswidrigen Zeugnisses sei vom Nachweis eines wirklich erlittenen Schadens unabhängig.34 Der OGH sprach dem in seinen Rechten verletzten 30╇ OGH 30.9.2005, 9 ObA 118/04z. Der Spruch hat zB zu lauten: Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen ein Dienstzeugnis mit folgendem Inhalt auszustellen „XY, geboren am xxx, war vom … bis … als Arbeiter bei der A-GmbH beschäftigt.“ 31╇ Ebenso Holzer, AngG-Komm §Â€39 Rz 23. 32╇ OGH Soz I A/d 141 f; LG Wien 23.2.1937, 44 Cg 6/37, Arb 4747; 30.1.1967, 44 Cg 163/66, Arb 8346; vgl auch Lenhoff, Angestelltengesetz 127 f. 33╇ Runggaldier/Eichinger, Arbeitszeugnis 128. 34╇ OGH 20.2.1912, Slg Fuchs 47.
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Zeugnisberechtigten als Ersatzbetrag jenes Entgelt zu, das dem Arbeitnehmer bei Fortbestand des alten Dienstverhältnisses vom Tag der Beanstandung des rechtswidrig ausgestellten Zeugnisses bis zum Tag der Übermittlung eines gesetzmäßigen Zeugnisses zugestanden wäre. Bei verspäteter Ausstellung hatte der Arbeitgeber demgemäß das Arbeitsentgelt vom Ende des Arbeitsverhältnisses bis zur Ausstellung des Zeugnisses fortzuzahlen.35 In der nachfolgenden Rechtsprechung hat sich die Auffassung durchge- 19 setzt, der Nachweis eines dem Arbeitnehmer tatsächlich entstandenen Vermögensnachteiles sei eine unabdingbare Voraussetzung des Schadenersatzanspruches gegen den Arbeitgeber wegen Verletzung der Zeugnispflicht.36 Strittig ist, ob es sich bei dem durch Nichtausstellung des Zeugnisses entgangenen Verdienst um einen positiven Schaden oder um entgangenen Gewinn handelt. Nach ständiger Judikatur ist der Verlust einer Erwerbschance dann positiver Schaden, wenn der Geschädigte eine rechtlich gesicherte Position auf Verdienst hatte, also jedenfalls dann, wenn eine bindende Offerte oder sogar ein Vorvertrag vorhanden ist. Selbst wenn der Geschädigte aber noch keine rechtlich geschützte Position gehabt haben sollte, ist der Verlust der Erwerbschance dann als positiver Schaden zu qualifizieren, wenn deren Realisierung nach den typischen Marktverhältnissen praktisch gewiss gewesen, der Gewinn „im Verkehr“ also schon als sicher angesehen worden wäre.37 Ist die Erwerbschance in diesem Sinne sicher, genügt leichte Fahrlässigkeit für die Ersatzpflicht des früheren Arbeitgebers. Den Beweis für die hohe Wahrscheinlichkeit, bei Vorlage eines Dienst- 20 zeugnisses einen entsprechenden Verdienst in einem neuen Arbeitsverhältnis zu erzielen, hat der Arbeitnehmer zu erbringen. Um dem Arbeitnehmer die Schwierigkeit des Nachweises der tatsächlichen Höhe des Schadens zu ersparen, hat sich die ältere Judikatur damit begnügt, die Höhe des Schadens nach §Â€273 ZPO zu bestimmen. Gefordert wurde lediglich der Nachweis, dass der Ersatzanspruch dem Grunde nach feststeht. Der Arbeitnehmer musste nachweisen, dass die verspätete Zeugnisausstellung für den Verdienstausfall aus dem Nichtzustandekommen eines neuen Arbeitsverhältnisses ursächlich war.38 Besteht für das „entgangene“ Arbeitsverhältnis ein kollektivvertraglicher Mindestlohn, ist dem Arbeitnehmer jedenfalls dieser Mindestlohn als Verdienstausfall zuzusprechen. §Â€273 ZPO wird dann nur für allfällige überkollektivvertragliche Entlohnungen oder leistungsabhängige Entgeltbestandteile (zB Provisionsverdienst) Bedeutung haben. Die Feststellung der Schadenshöhe gemäß §Â€273 ZPO bedeutet allerdings 21 nicht, dass für die Berechnung ein beliebig bestimmter Zeitraum maßgeblich ist. §Â€273 ZPO soll nach Meinung des OGH dem Gericht unter Berücksichti35╇ Vgl die Nachweise bei Runggaldier/Eichinger, Arbeitszeugnis 130. Das OLG Brünn hatte als Berufungsgericht demgegenüber die Meinung vertreten, für den Ersatzanspruch sei der Nachweis eines konkreten Schadens erforderlich. Die Entscheidung des OLG Brünn vom 28.12.1911 ist in der Sammlung Fuchs Nr 47 zitiert. Ähnlich argumentierten auch einzelne Gewerbegerichte; vgl GewG Wien, GewSlg 2801; GewG Reichenberg, GewSlg 2625. 36╇ OGH 26.2.1936, JBl 1936, 365; LG Wien 30.1.1967, 44 Cg 163/66, Arb 8346. 37╇ OGH 14.8.2008, 2 Ob 191/07p; 22.4.2008, 10 Ob 103/07f mwN. 38╇ OGH 26.2.1936, JBl 1936, 365.
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gung der Umstände des Einzelfalles die Ermittlung jener Verdienstchancen ermöglichen, die dem Zeugnisberechtigten bis zum Zeitpunkt der Übermittlung eines dem Gesetz entsprechenden Arbeitszeugnisses entgangen sind.39 Die Ersatzpflicht ist daher dem Grunde nach ganz eindeutig zeitlich limitiert. Für die Bestimmung dieses zeitlichen Rahmens sind mehrere Faktoren von Bedeutung. Wird dem Arbeitnehmer ein inhaltlich korrektes Zeugnis verspätet ausgestellt, kann die Schadenersatzpflicht nach Meinung des OGH über die Beendigung der Säumnis nicht hinausgehen. Der Arbeitnehmer soll nur für jenen Zeitraum Schadenersatz bekommen, in dem das vertragswidrige Verhalten des Arbeitgebers besteht. Etwas abweichend ist die Situation, wenn überhaupt kein Zeugnis oder ein inhaltlich untaugliches Zeugnis ausgestellt wird. In diesem Fall kann pro futuro nicht gesagt werden, wann sich die Bewerbungssituation des Arbeitnehmers verbessern würde. Dies bedeutet aber nicht, dass dem Arbeitnehmer deshalb eine Art „Dauerrente“ zuzusprechen ist. Wie schon erwähnt, muss der Arbeitnehmer den Verdienstausfall dem Grunde nach beweisen. Für ein entgangenes Arbeitsverhältnis kann nach Meinung der Judikatur angenommen werden, dass es jedenfalls so lange gedauert hätte, bis die erste Möglichkeit einer ordnungsgemäßen Kündigung gegeben war. Für diesen Zeitraum steht daher Schadenersatz zu.40 Dahinter steht die Überlegung, dass Arbeitsverhältnisse von den Parteien jederzeit durch Kündigung zur Auflösung gebracht werden können. Auch bei rechtzeitiger und gehöriger Ausstellung eines Zeugnisses hat der Arbeitnehmer keine Sicherheit, dass ein mit Zeugnis erlangtes Arbeitsverhältnis über die Kündigungsfrist hinaus andauern wird. Nach Ablauf der Kündigungsfrist des ersten entgangenen Arbeitsverhältnisses muss daher der Arbeitnehmer neuerlich unter Beweis stellen, dass ihm wegen der Nichtausstellung des Zeugnisses ein weiteres Arbeitsverhältnis entgangen ist. Zu beachten ist im Übrigen auch, dass der Arbeitnehmer bei nicht gehöÂ� 22 riger Ausstellung eines Zeugnisses jederzeit die Möglichkeit hat, die gehörige Ausstellung gerichtlich durchzusetzen. Ein Schadenersatzanspruch kann daÂ�her nur für jenen Zeitraum bestehen, bis zu dem ein positives Urteil ergehen könnte.
II. Informelle Auskünfte über den Arbeitnehmer 23
Erhält ein Arbeitgeber von einem Bewerber ein einfaches Dienstzeugnis ohne qualitative Bewertung der früher ausgeübten Tätigkeiten, so kann versucht werden, dieses Manko durch informelle Informationen beim früheren Arbeitgeber auszugleichen. Eine detaillierte gesetzliche Regelung zur Frage von informellen Auskunftserteilungen durch einen früheren Arbeitgeber oder durch Mitarbeiter eines früheren Arbeitgebers fehlt. Nach Meinung der Judikatur können die Regelungen über das Dienstzeugnis nicht unmittelbar auf informelle Auskünfte über den Arbeitnehmer angewendet werden.41 Bei Auskünf39╇ So OGH 26.2.1936, JBl 1936, 365. Dies wird im Übrigen auch in der Entscheidung des ASG Wien, 30 Cga 155/98b, zitiert. 40╇ So ausdrücklich GewG Leoben 2.3.1926, Cr 15/26, Arb 3606. 41╇ OGH 7.2.2008, 9 ObA 104/07w.
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ten, die dem Arbeitgeber zurechenbar sind, kann allerdings von einer Nachwirkung der Fürsorgepflicht ausgegangen werden. Der Arbeitgeber hat die Interessen des früheren Arbeitnehmers am weiteren Fortkommen zu schützen. Insoweit geht der Schutz über jenen allgemeinen nach §Â€1330, der sich auf die Verbreitung „unrichtiger“ Tatsachen bezieht, hinaus. Der frühere Arbeitgeber hat auch „richtige“ Auskünfte über den früheren Arbeitnehmer zu unterlassen, wenn dadurch die Erwerbschancen des Arbeitnehmers beeinträchtigt werden. Die Judikatur versteht diese nachwirkende Fürsorgepflicht aber zu Recht nicht als absolutes „Schweigegebot“. So hat etwa der OGH sachliche Auskünfte über bestimmte Fähigkeiten des früheren Arbeitnehmers als unbedenklich angesehen, wenn der neue Arbeitgeber mit dem früheren Arbeitgeber konzernmäßig verbunden ist.42 Der OGH hat in diesem Fall auch das Informationsinteresse des neuen Arbeitgebers als schutzwürdig erachtet.43 Auskünfte über die „Klagsfreudigkeit“ des Arbeitnehmers hat der OGH unter Zugrundelegung der Wertung des §Â€105 Abs€3 Z 1 lit i ArbVG grundsätzlich als unzulässig angesehen. Fraglich ist, inwieweit der Arbeitgeber auch für Auskünfte seiner Arbeit- 24 nehmer über frühere Arbeitskollegen einzustehen hat. Der Arbeitgeber hat jedenfalls für seine Repräsentanten einzustehen, die nach außen zur Abgabe von Erklärungen zuständig sind. Dies gilt auch dann, wenn der Repräsentant die Auskünfte „als Privatperson“ erteilt. Anders ist die Rechtslage bei „einfachen“ Arbeitskollegen des früheren Arbeitnehmers. Der OGH weist darauf hin, dass informelle Auskünfte von ehemaligen Arbeitskollegen regelmäßig nicht im Rahmen einer Rechtsbeziehung, sondern wegen eines Informationsbedürfnisses und einer entsprechenden Informationsfreudigkeit der Angesprochenen gegeben werden; sie stellen deren persönliche Meinung dar. Den Arbeitgeber trifft aber insoweit eine Verantwortung für die persönliche Meinung von Arbeitskollegen, als er eine entsprechende „Betriebsorganisation“ zu schaffen hat, die eine Wahrnehmung der Interessen des ausgeschiedenen Arbeitnehmers ermöglicht. Den Arbeitgeber treffen auf Grund der nachwirkenden Fürsorgepflicht bloße Anleitungs- und zumutbare Überwachungspflichten gegenüber den „einfachen“ Arbeitskollegen, die ihre Grenze in der Meinungsäußerungsfreiheit dieser Mitarbeiter zu finden haben. Das Fortkommen behindernde Äußerungen einfacher Arbeitskollegen können nur dann eine Haftung des früheren Arbeitgebers begründen, wenn diesem ein diesbezügliches Organisationsverschulden nachzuweisen ist.
III. Arbeitsbescheinigung Kein Dienstzeugnis iSd §Â€1163 ist die vom Arbeitgeber auf Grund der Be- 25 stimmungen des AlVG auszustellende Arbeitsbescheinigung. Hat der Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Beschäftigung keine neue Beschäftigung gefunden, kann er bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Leistungsansprüche aus der Arbeitslosenversicherung geltend 42╇ 43╇
OGH 7.2.2008, 9 ObA 104/07w. Im Anlassfall ging es ua um Auskünfte über die Englischkenntnisse des Bewerbers.
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machen. Gemäß §Â€46 Abs€4 AlVG hat der Arbeitslose seinen Anspruch nachzuweisen. Er hat eine Bestätigung des Arbeitgebers über die Dauer und Art des Arbeitsverhältnisses, über die Höhe des Entgelts und über die Art der Lösung des Arbeitsverhältnisses beizubringen. Die Angaben über die Art der Lösung des Arbeitsverhältnisses sind deshalb erforderlich weil Arbeitslosen nach §Â€11 AlVG für die Dauer von vier Wochen kein Arbeitslosengeld gebührt, wenn das Dienstverhältnis in Folge eigenen Verschuldens aufgelöst oder vom Arbeitlosen freiwillig beendet wurde. Wurde das Arbeitsverhältnis durch verschuldete Entlassung beendet, ist dies in der Arbeitsbescheinigung zu vermerken. Der Arbeitgeber ist nach §Â€46 Abs€4 AlVG zur Ausstellung der Arbeitsbe26 scheinigung verpflichtet. Verweigert der Arbeitgeber die Ausstellung dieser Bestätigung grundlos oder macht er darin wissentlich unwahre Angaben, so wird er gemäß §Â€71 Abs€1 AlVG, sofern die Tat nicht nach einem anderen Gesetz einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde bestraft. Die Rechtsprechung hat daraus abgeleitet, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf Ausstellung einer Bestätigung nach §Â€46 Abs€4 AlVG im öffentlichen Recht begründet und im Verwaltungsweg durchzusetzen ist. Der Rechtsweg zur Durchsetzung des Anspruchs auf Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung ist daher unzulässig.44 Konecny45 hat demgegenüber aus §Â€61 Abs€1 Z 3 ASGG abgeleitet, dass 27 auch die „Herausgabe“ der Arbeitsbescheinigung gerichtlich durchgesetzt werden kann. Richtig ist, dass die genannte Bestimmung ganz allgemein von der „Herausgabe der dem Arbeitnehmer bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses auszufolgenden Arbeitspapieren“ spricht, §Â€61 Abs€1 Z 3 ASGG hat allerdings keinen neuen materiellrechtlichen Herausgabeanspruch geschaffen. Die „Vollstreckbarkeitsregel“ des §Â€61 ASGG setzt vielmehr einen im Rechtsweg durchsetzbaren Anspruch auf Ausfolgung von Arbeitspapieren voraus. §Â€ 61 ASGG besagt lediglich, dass das erste Urteil der ersten Instanz über einen solchen Herausgabeanspruch vor Eintritt der Rechtskraft vollstreckbar ist. Der öffentlich-rechtliche Charakter des Anspruchs auf Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung wird dadurch nicht verändert.46
IV. Rückstellung sonstiger Arbeitspapiere 28
§Â€1163 Abs€2 verpflichtet den Arbeitgeber zur Herausgabe von „Zeugnissen“, die sich in Verwahrung des Arbeitgebers befinden. Der Herausgabeanspruch kann vom Arbeitnehmer jederzeit, dh auch während der Dauer des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht werden. Zu diesen Zeugnissen gehören zB Bestätigungen über frühere Beschäftigungen, die sowohl für die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses als auch für die kollektivvertragliche Einstufung (Anrechnung von Vordienstzeiten) Relevanz haben, oder Befähigungsnachweise für bestimmte Tätigkeiten, die vom Arbeitgeber aufbewahrt wer44╇
Vgl OGH 12.10.1988, 9 ObA 247/88, Arb 10.756; 28.8.2003, 8 ObA 74/03w. Wirkungen erstinstanzlicher Urteile in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten nach §Â€61 ASGG, ZAS 1986, 155. 46╇ Zutreffend OGH 12.10.1988, 9 ObA 247/88, Arb 10.756. 45╇
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Übersicht
§ 1164
den. Ist der Arbeitgeber zur Aufbewahrung verpflichtet, hat der Arbeitsnehmer Anspruch auf Ausstellung einer Kopie.47 Die Herausgabe kann im Rechtsweg durchgesetzt werden. Die erste Ent- 29 scheidung der ersten Instanz ist vorläufig vollstreckbar (§Â€61 Abs€1 Z 3 ASGG).
Zwingende Vorschriften. §Â€ 1164. (1) Die Berechtigungen des Dienstnehmers, die sich aus den Bestimmungen der §§Â€1154 Abs.€3, 1154b Abs.€1 bis 4, 1156 bis 1159b, 1160 und 1162a bis 1163 ergeben, können durch den Dienstvertrag oder durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung nicht aufgehoben oder beschränkt werden. (2) Die §§Â€ 1154b, 1156 und 1164 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl.€I Nr.€44/2000 sind auf Dienstverhinderungen anzuwenden, die in nach dem 31.€Dezember 2000 begonnenen Arbeitsjahren eingetreten sind. (3) Die verlängerte Anspruchsdauer nach §Â€1154b Abs.€1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl.€I Nr.€44/2000 bewirkt keine Verlängerung einer in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder Dienstverträgen vorgesehenen längeren Anspruchsdauer. Sehen Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder Dienstverträge einen zusätzlichen Anspruch im Anschluss an den Anspruch nach §Â€1154b Abs.€1 vor, wird die Gesamtdauer der Ansprüche nicht verlängert. (4) Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl.€ I Nr.€44/2000 für die Dienstnehmer günstigere Regelungen in Dienstverträgen oder in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung werden durch die Neuregelung des Bundesgesetzes BGBl.€I Nr.€44/2000 nicht berührt. IdF BGBl I 2000/44 (ARÄG 2000). Mat: NR RV 91 BlgNR 21. GP, AB 189 BlgNR 21. GP; BR AB 6153 BlgBR. Lit: Kocevar, Die Verfallsklauseln in den Kollektivverträgen, DRdA 1977, 222; Migsch, Der sogenannte Verzicht des Arbeitnehmers auf Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, FS Strasser (1983) 255; Eypeltauer, Verzicht und Unabdingbarkeit im Arbeitsrecht, 1984; Köck, Grenzen der Zulässigkeit des Verzichts auf schon entstandene Arbeitnehmeransprüche, ZAS 1986, 73; Eypeltauer, Wider den vereinbarten Verfall zwingender Arbeitnehmeransprüche bei aufrechtem Arbeitsverhältnis, DRdA 2001, 23.
Übersicht I. II. III. IV.
Allgemeines Günstigere Regelungen Verzicht Verfall
47╇
1–3 4−5 6–12 13–17
Vgl §Â€58 Abs€7 ASchG; OGH 24.4.2003, 8 ObA 217/02y.
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I. Allgemeines 1
§Â€1164 hat seine geltende Fassung durch das ARÄG 20001 erhalten. Die Berechtigungen des Arbeitnehmers, die sich aus den in Abs 1 erwähnten Regelungen ergeben, sind mit relativ zwingender Wirkung ausgestattet. Sie können weder durch den Arbeitsvertrag noch durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung aufgehoben oder beschränkt werden. Für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen bleiben unberührt. Die Regelungen in den Abs 2 bis 4 stehen im Zusammenhang mit der durch 2 das ARÄG 2000 vorgenommenen Umgestaltung der Entgeltfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall. Bis zum In-Kraft-Treten des ARÄG 2000 war die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf eine verhältnismäßig kurze, eine Woche nicht übersteigende Zeit beschränkt. Der Anspruch konnte (nur) für die ersten drei Tage der Verhinderung weder durch Einzeldienstvertrag noch durch Arbeitsordnung aufgehoben oder beschränkt werden.2 Zahlreiche Kollektivverträge und Einzelverträge hatten die Entgeltfortzahlung gegenüber den ABGB-Ansprüchen, aber auch gegenüber den Regelungen des EFZG verlängert. Die durch das ARÄG 2000 vorgenommene Verlängerung der Ansprüche sollte nicht doppelt wirksam werden. §Â€ 1164 Abs€ 1 enthält keine taxative Aufzählung der relativ zwingenden 3 Vorschriften. Der zwingende Charakter kann sich auch unmittelbar aus der betreffenden Regelung ergeben. So ist etwa §Â€1159c nicht in der Aufzählung der zwingenden Regelungen enthalten. Dennoch wird auch dieser Bestimmung ein zwingender Charakter beigemessen3 §Â€ 1154b Abs€ 5 gehört nicht zu den zwingenden Regelungen. Allerdings sieht §Â€1154b Abs€6 vor, dass durch Kollektivvertrag Abweichendes vereinbart werden kann. Eine einzelvertragliche Einschränkung der Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderungen aus wichtigen persönlichen Gründen ist daher offenkundig unzulässig. Auf der anderen Seite zählt §Â€1160 zu den zwingenden Bestimmungen, obwohl in §Â€1160 Abs€4 ausdrücklich vorgesehen ist, dass durch Kollektivvertrag abweichende Regelungen getroffen werden können. Der zwingende Charakter des §Â€1160 ist daher auf Abänderungen durch Einzelvertrag und Betriebsvereinbarung beschränkt.4
II. Günstigere Regelungen 4
Ob eine Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist als die gesetzliche Regelung, lässt sich nicht immer leicht beantworten. Nach herrschender Auffassung dürfen nicht einzelne Bestimmungen isoliert einander gegenüber gestellt werden. Es sind vielmehr Regelungsgruppen, die in einem rechtlichen und sachlichen Zusammenhang stehen, zu vergleichen. Dieser Gruppenvergleich entspricht auch den Vorgaben des §Â€2 ArbVG, die hier sinngemäß zur Anwendung kommen. 1╇
BGBl I 2000/44. §Â€1164 Abs 2 in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung. 3╇ Krejci in Rummel3 I §Â€1164 Rz 6; vgl auch §Â€1159 Rz 15. 4╇ Vgl §Â€1160 Rz 21; vgl ferner Neumayr in Kletečka/Schauer, ABGB-ON §Â€1164 Rz 2; OGH 7.9.2000, 8 ObS 13/00w, RdW 2001, 102. 2╇
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Verzicht
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Was zusammengehört, entscheiden Ziel und Zweck der einzelnen Bestim- 5 mungen.5 Geht es etwa um die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, müssen Regelungen über die Anspruchsdauer, über die Anrechnung von Vordienstzeiten und auch über das Verschulden miteinander verglichen werden. Hingegen ist der Zweck der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ein anderer als jener der Kündigungsentschädigung. Ein einzelvertraglich vereinbarter gegenüber dem Gesetz verlängerter Fortzahlungsanspruch im Krankheitsfall kann daher die Abdingung des Anspruchs auf Kündigungsentschädigung nicht rechtfertigen.
III. Verzicht Wenn der Arbeitnehmer auf einen arbeitsrechtlichen Anspruch rechtswirksam „verzichtet“, erlischt sein Recht und damit auch die Verpflichtung des Arbeitgebers. Da die in §Â€1164 als zwingend bezeichneten Ansprüche durch den Einzelvertrag nicht abbedungen werden dürfen, ist ein so genannter „Vorausverzicht“ auf unabdingbare Ansprüche, der den Verlust des Anspruches vor seiner Fälligkeit zum Inhalt hat, unzulässig. Wer arbeitsvertraglich auf ein gesetzlich zwingend eingeräumtes Recht „vorweg verzichtet“, schließt es aus. Das aber widerspricht dem Gesetzeszwang. Ein solcher Ausschluss ist daher unzulässig.6 Anders ist die Situation, wenn die Fälligkeit bereits eingetreten ist. In Lehre und Rechtsprechung besteht weitgehend Einigkeit, dass der Arbeitnehmer auf abdingbare Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sowohl während des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses als auch nach seiner Beendigung rechtswirksam verzichten darf und kann. Bei abdingbaren Ansprüchen ist auch eine Verschlechterungsvereinbarung oder ein „Vorausverzicht“ (vor Eintritt der Fälligkeit) zulässig. Auf „wirtschaftlichen Druck“ kommt es in beiden Fällen grundsätzlich nicht an.7 Fraglich ist, ob auf unabdingbare Ansprüche nach deren Fälligkeit verzichtet werden darf. Nach ständiger Rechtsprechung8 wird ein Verzicht auf arbeitsrechtliche Ansprüche, sofern er während des aufrechten Arbeitsverhältnisses abgegeben wurde und sich auf unabdingbare Ansprüche bezieht, wegen „wirtschaftlichen Druckes“ als unwirksam angesehen. Dieser wirtschaftliche Druck wird vor allem in der Befürchtung des Arbeitnehmers erblickt, ihm werde gekündigt werden, sollte er sich weigern, einen solchen Verzicht abzugeben. Die Judikatur ist in sich widersprüchlich. In seiner älteren Judikatur hatte der OGH offenbar gemeint, dass ein Verzicht bei aufrechtem Arbeitsverhältnis schon wegen der Unabdingbarkeit des Anspruchs unzulässig sei. Der wirtschaftliche Druck war hingegen zu prüfen, wenn der Verzicht bei oder nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses abgegeben wurde.9 In der Folge hat der Krejci in Rummel3 I §Â€1164 Rz 11. Krejci in Rummel3 I §Â€1154 Rz 58. 7╇ Vgl Krejci in Rummel3 I §Â€1154 Rz 57. 8╇ Vgl OGH 8.6.1927, Judikat 26 neu. 9╇ Vgl Krejci in Rummel3 I §Â€1154 Rz 57 ff. 5╇ 6╇
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OGH gemeint, dass die Drucktheorie auch den Verzicht auf unabdingbare Ansprüche während des aufrechten Dienstverhältnisses betreffe. Der „wirtschaftliche Druck“ konnte allerdings im Einzelfall widerlegt werden. Die Unabdingbarkeit des Anspruchs war daher nicht mehr das allein entscheidende Kriterium für die Unzulässigkeit des Verzichts bei aufrechtem Arbeitsverhältnis.10 Ist der entscheidende Umstand, der den Verzicht unwirksam macht, der auf 10 dem Arbeitnehmer lastende wirtschaftliche Druck, dann gibt es keinen überzeugenden Grund, warum dieser Druck beim Verzicht auf abdingbare Ansprüche unbeachtlich sein soll. Steht dem Verzicht aber in Wahrheit die Unabdingbarkeit entgegen,11 dann ist wiederum nicht einzusehen, warum der Verzicht ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsvertrages sowie generell bei Fehlen wirtschaftlichen Druckes im Einzelfall wirksam sein soll.12 Die so genannte Drucktheorie steht daher auf wenig gesicherten Beinen. Zu beachten ist, dass der Verzicht ein Verfügungsgeschäft ist, das zu seiner 11 Wirksamkeit eines eigenen Grundgeschäftes bedarf.13 Dieses Titelgeschäft kann entgeltlich oder unentgeltlich sein. Sofern der Verzicht auf zwingende Arbeitnehmeransprüche entgeltlich ist, kann schon die Günstigkeitsprüfung Abdingbarkeit ergeben, ohne dass auf das Vorliegen einer Drucksituation Bedacht zu nehmen ist.14 In die Günstigkeitsprüfung ist auch die Bereinigungswirkung eines Vergleiches einzubeziehen.15 Wird daher im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses etwa auf Überstundenentlohnung verzichtet, muss nicht auf das Vorliegen von wirtschaftlichem Druck rekurriert werden, wenn dem Arbeitnehmer auch Vorteile eingeräumt werden. Denkbar ist auch, dass dem Verzicht auch eine unentgeltliche Zuwendungsabsicht zugrunde liegt. Der OGH hat etwa einen Verzicht auf Überstundenentgelt angenommen, weil der Arbeitnehmer durch wiederholte ausdrückliche Erklärungen die Geltendmachung eines Entgelts für die laufend und nicht bloß aus außergewöhnlichen Anlässen geleisteten Überstunden ausgeschlossen hatte. Der Arbeitnehmer hatte wiederholt erklärt, dass er zwar Überstunden erbringe, dass er sie aber nicht bezahlt verlange.16 Der OGH musste auf das Vorliegen einer Drucksituation nicht Bedacht nehmen, weil er offenkundig an der Gültigkeit des Titelgeschäfts keine Zweifel hatte. Liegt daher ein gültiges – in der Regel entgeltliches – Titelgeschäft vor, 12 kommt es auf wirtschaftlichen Druck nicht an.17 Ob das Titelgeschäft gültig ist, muss genau geprüft werden. Vor allem bei einem unentgeltlichen Verzicht sind Willensmängel nicht auszuschließen.
10╇ Vgl OGH 16.10.1973, 4 Ob 94/73, ZAS€1975, 100 (Schwarz); 11.12.1973, 4 Ob 101/73, ZAS€1974, 145 (Müller). 11╇ Eypeltauer, Verzicht 42 ff. 12╇ Vgl Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht 27 92 f. 13╇ Dullinger in Rummel3 I §Â€1444 Rz 1. 14╇ Krejci in Rummel3 I §Â€1154 Rz 64. 15╇ Migsch, FS Strasser 255; OGH 16.1.1991, 9 ObA 315/90, ecolex 1991, 337. 16╇ OGH 17.6.1986, 14 Ob 95/86, DRdA 1988, 8 (kritisch Kerschner). 17╇ Vgl Holzer, AngG-Komm §Â€40 Rz 12;
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Verfall
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IV. Verfall In zahlreichen Kollektivverträgen, aber auch in Einzelarbeitsverträgen ist vereinbart, dass der Arbeitnehmer seine Ansprüche bei sonstigem Verfall innerhalb eines bestimmten Zeitraumes ab Fälligkeit geltend zu machen hat. Der Zweck derartiger Verfallsklauseln liegt darin, dem Beweisnotstand bei späterer Geltendmachung zu begegnen. Sie zwingen den Arbeitnehmer, allfällige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis möglichst bald und damit zu einer Zeit geltend zu machen, in der nicht nur ihm selbst, sondern auch dem Arbeitgeber die zur Klarstellung des rechtserheblichen Sachverhalts notwendigen Beweismittel in aller Regel noch zur Verfügung stehen.18 Diesem Zweck dienen sinngemäß allerdings auch die Bestimmungen über die Verjährung; eine scharfe Trennung zwischen Verfall und Verjährung ist diesbezüglich nicht möglich.19 Der Unterschied zwischen Verjährungs- und Präklusivfrist wird vor allem darin gesehen, dass bei Präklusion das Recht als solches untergeht, während der Ablauf der Verjährungsfrist nur die gerichtliche Geltendmachung der Forderung verhindert; die Bezahlung einer verjährten Forderung ist daher nicht als Zahlung einer Nichtschuld zu werten. Die Judikatur hat allerdings „Verjährungsregeln“ auch auf Präklusivfristen angewendet. Dies gilt insbesondere für die Hemmung und Unterbrechung der Fristen.20 Fraglich ist, ob die einzel- oder kollektivvertragliche Vereinbarung einer Verfallsklausel auch bei zwingenden Ansprüchen zulässig ist. Eypeltauer21 leitet aus der Unverzichtbarkeit unabdingbarer Ansprüche bei aufrechtem Arbeitsverhältnis ab, dass auch Verfallsklauseln (zumindest einzelvertragliche Verfallsklauseln) keinen Bestand haben können, weil zwischen einem Verzicht auf einen entstandenen Anspruch und der Nichtgeltendmachung des entstandenen Anspruchs während einer kurzen Verfallsfrist im Hinblick auf die Drucksituation, in der sich die Arbeitnehmer regelmäßig während des ArbeitsverÂ� hältnisses befinden, kein wertungsmäßiger Unterschied bestehe. Diese AufÂ� fassung kann schon deshalb nicht überzeugen, weil auch der Verzicht nicht nur in den engen Grenzen zulässig ist, die Eypeltauer unterstellt. Im Übrigen macht es sehr wohl einen Unterschied, ob ein Anspruch endgültig erlischt (Verzicht) oder ob seine Durchsetzung nur in einem bestimmten Zeitraum möglich ist. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass kollektivvertragliche Ausschlussfristen auch für zwingende gesetzliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zulässig sind, weil derartige Verfallsklauseln nicht die Ansprüche selbst, sondern nur ihre Geltendmachung beschränken. Nur dann, wenn sie zum Nachteil des Arbeitnehmers gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen über die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen verstoßen, wie etwa gegen §Â€ 1162d oder gegen §Â€ 34 AngG, können derartige kollektivvertragliche Be18╇
OGH 29.9.2009, 8 ObA 50/09z; 15.11.2006, 9 ObA 111/06y, DRdA 2007, 240. OGH 25.5.1994, 9 ObA 87/94. 20╇ Vgl Kuras, AngG-Komm §Â€34 Rz 8 ff. 21╇ Wider den vereinbarten Verfall zwingender Arbeitnehmeransprüche bei aufrechtem Arbeitsverhältnis, DRdA 2001, 23. 19╇
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stimmungen nichtig sein.22 Auch der Einzelvertrag kann für zwingende Ansprüche Verfallsfristen festlegen.23 Allerdings kann im Einzelfall eine Verfallsklausel dann unwirksam sein, 17 wenn die Frist zur Geltendmachung der Ansprüche besonders kurz bemessen ist.24 Der OGH hat eine Verfallsfrist von drei Monaten zur Geltendmachung der Abfertigung noch als angemessen und somit nicht als sittenwidrig gewertet.25 Die Berufung auf eine an sich zulässige Verfallsklausel kann sittenwidrig sein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die rechtzeitige Geltendmachung eines Anspruchs in einer Art und Weise erschwert oder praktisch unmöglich gemacht hat, die die spätere Berufung auf die Verfallsklausel als rechtsmissbräuchlich erscheinen lässt.26
Dienstzettel für das freie Dienstverhältnis. §Â€1164a. (1) Liegt ein freies Dienstverhältnis (§Â€4 Abs. 4 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr.€ 189/1955, in der jeweils geltenden Fassung) vor, so hat der Dienstgeber dem freien Dienstnehmer unverzüglich nach dessen Beginn eine schriftliche Aufzeichnung über die wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem freien Dienstvertrag (Dienstzettel) auszuhändigen. Solche Aufzeichnungen sind von Stempel- und unmittelbaren Gebühren befreit. Der Dienstzettel hat folgende Angaben zu enthalten:╇ 1. Name und Anschrift des Dienstgebers,╇ 2. Name und Anschrift des freien Dienstnehmers,╇ 3. Beginn des freien Dienstverhältnisses,╇ 4. bei freien Dienstverhältnissen auf bestimmte Zeit das Ende des freien Dienstverhältnisses,╇ 5. Dauer der Kündigungsfrist, Kündigungstermin,╇ 6. vorgesehene Tätigkeit,╇ 7. Entgelt, Fälligkeit des Entgelts. (2) Hat der freie Dienstnehmer seine Tätigkeit länger als einen Monat im Ausland zu verrichten, so hat der vor der Aufnahme der Auslandstätigkeit auszuhändigende Dienstzettel oder schriftliche freie Dienstvertrag zusätzlich folgende Angaben zu enthalten: ╇ 1. voraussichtliche Dauer der Auslandstätigkeit,╇ 2. Währung, in der das Entgelt auszuzahlen ist, sofern es nicht in€Euro auszuzahlen ist,╇ 3. allenfalls Bedingungen für die Rückführung nach Österreich und╇ 4. allfällige zusätzliche Vergütung für die Auslandstätigkeit. 22╇
OGH 2.4.2009, 8 ObA 90/08f, RdW 2009, 731. OGH 29.6.2005, 9 ObA 63/05p, Arb 12.540. 24╇ Der OGH hat eine Verfallsfrist von 6 Wochen für sittenwidrig gehalten; vgl OGH 15.10.1985, 4 Ob 110/84, Arb 10.475. 25╇ OGH 30.8.2007, 8 ObA 34/07v, DRdA 2008, 41 (Eypeltauer). 26╇ OGH 4.8.2009, 9 ObA 86/08z. 23╇
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Allgemeines
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(3) Keine Verpflichtung zur Aushändigung eines Dienstzettels besteht, wenn╇ 1. die Dauer des freien Dienstverhältnisses höchstens einen Monat beträgt oder╇ 2. ein schriftlicher freier Dienstvertrag ausgehändigt wurde, der alle in Abs.€1 und 2 genannten Angaben enthält, oder╇ 3. bei Auslandstätigkeit die in Abs.€2 genannten Angaben in anderen schriftlichen Unterlagen enthalten sind. (4) Jede Änderung der Angaben gemäß Abs.€ 1 und 2 ist dem freien Dienstnehmer unverzüglich, spätestens jedoch einen Monat nach ihrer Wirksamkeit schriftlich mitzuteilen, es sei denn, die Änderung erfolgte durch Änderung von Gesetzen. (5) Hat das freie Dienstverhältnis bereits am 1.€Juli 2004 bestanden, so ist dem freien Dienstnehmer auf sein Verlangen binnen zwei Monaten ein Dienstzettel gemäß Abs.€1 auszuhändigen. Eine solche Verpflichtung des Dienstgebers besteht nicht, wenn ein früher ausgestellter Dienstzettel oder ein schriftlicher Vertrag über das freie Dienstverhältnis alle nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Angaben enthält. (6) Die Bestimmungen der Abs.€1 bis 5 können durch den freien Dienstvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden. IdF BGBl I 2004/77 (Arbeitsmarktreformgesetz). Mat: NR RV 464 BlgNR 22. GP, AB 543 BlgNR 22. GP; BR AB 7069 BlgBR. Lit: Resch, Sozialversicherungspflicht für freie Dienstverträge, DRdA 2000, 15; Binder, Zu Funktion, Inhalt und Wirkungsweise von Dienstzetteln, FS Cerny (2001) 169; Kuras/Strohmayer, Der „freie“ Dienstvertrag – Anthologie einer Schaffensperiode, FS Bauer/Maier/Petrag (2004) 37; Risak, Dienstzettelpflicht auch für freie Dienstnehmer, ZAS 2004, 201; Trattner, Dienstzettel für das freie Dienstverhältnis, ASoK 2006, 59.
Übersicht I. Allgemeines II. Freie Dienstnehmer III. Rechtswirkungen des Dienstzettels
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I. Allgemeines Verträge über Dienstleistungen können schriftlich oder mündlich abge- 1 schlossen werden. Mündliche Verträge tragen allerdings die Gefahr in sich, dass der Inhalt des abgeschlossenen Vertrages oft unklar bleibt und im Laufe der Zeit in Vergessenheit gerät. Für Arbeitsverträge sieht die Richtlinie 91/533/ EWG (Nachweisrichtlinie),1 vor, dass jeder Arbeitnehmer über ein Schriftstück mit Angaben über die wesentlichen Bedingungen seines Arbeitsvertrages verfügen soll. Dadurch sollen die Arbeitnehmer besser vor etwaiger Unkennt1╇ ABl
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nis ihrer Rechte geschützt werden. Die gebotene Information kann durch einen schriftlichen Arbeitsvertrag, aber auch durch einen „Dienstzettel“ erfolgen, der die entsprechenden Angaben enthält. Die Verpflichtung zur Ausstellung eines Dienstzettels ist in Österreich schon lange vor der Erlassung der Nachweisrichtlinie im Dienstrecht der Angestellten verankert gewesen.2 Für Arbeitsverhältnisse, die von einer „Dienstzettelpflicht“ ausgenommen waren, ist durch §Â€2 AVRAG die entsprechende Verpflichtung begründet worden. Eine Regelung im ABGB war daher entbehrlich. Für freie Dienstverhältnisse besteht keine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Ausstellung eines Dienstzettels. Der österreichische Gesetzgeber hielt es allerdings für zweckmäßig, eine solche Verpflichtung auch für freie Dienstverhältnisse einzuführen. §Â€1164a ist durch das Arbeitsmarktreformgesetz 20043 in das 26. Hauptstück des ABGB eingefügt worden. In den MateÂ� rialien4 wird dazu ausgeführt, das Regierungsprogramm sehe die verpflichtende Ausstellung eines Dienstzettels für freie Dienstnehmer und freie Dienstnehmerinnen vor. Mit einem solchen Dienstzettel, der vom Dienstgeber oder von der Dienstgeberin verpflichtend auszustellen ist, sollten die freien Dienstnehmer und freien Dienstnehmerinnen über die wesentlichen Rechte und Pflichten aus ihrem Vertragsverhältnis besser als bisher informiert werden. Des Weiteren habe ein solcher Dienstzettel beweissichernde Funktion. Diese Neuerungen würden eine Stabilisierung derartiger Beschäftigungsverhältnisse und eine Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten schon im Vorfeld bewirken. Inhaltlich entsprechen die Verpflichtungen weitgehend den für Arbeitnehmer geltenden Vorschriften des §Â€2 AVRAG. Bemerkenswert ist, dass in den Erläuterungen zur RV des Arbeitsmarktreformgesetzes ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich die Neuregelungen in kompetenzrechtlicher Hinsicht auf Art€10 Abs€1 Z€11 B-VG („Arbeitsrecht, soweit es nicht unter Art€12 fällt; Sozial- und Vertragsversicherungswesen“) stützen. Nun sind freie Dienstnehmer gerade keine Arbeitnehmer; es ist daher höchst fraglich, ob Art€10 Abs€1 Z€11 B-VG die „richtige“ Kompetenzgrundlage für die Erlassung des §Â€1164a war. Besser wäre gewesen, man hätte die Bestimmung auf Art€10 Abs€1 Z€6 Bâ•‚VG („Zivilrechtswesen“) gestützt. Da dem Bund auch auf dem Gebiet des Zivilrechtswesens die Kompetenz zur Gesetzgebung und Vollziehung zusteht, ist die Neuregelung kompetenzrechtlich jedenfalls abgesichert. Das hier erwähnte Problem zeigt aber deutlich, dass die Regelung im 26. Hauptstück eher fehl am Platz ist. Das 26. Hauptstück befasst sich zwar ganz allgemein mit Verträgen über Dienstleistungen, „allgemeine“ Regelungen sind aber nur die Bestimmungen in den §§Â€1151 und 1152. §Â€1164a ist systematisch Teil des 1. Unterabschnittes, der grundsätzlich nur „echten“ Arbeitsverträgen gewidmet ist. Wenn ausdrückliche Regelungen für freie Dienstnehmer notwendig erscheinen, sollten diese systematisch in die „allgemeinen“ Regelungen über Dienstverträge aufgenommen und auch nicht auf eine einzelne Vorschrift reduziert werden. 2╇
Vgl §Â€6 AngG. BGBl I 2004/77. 4╇ Vgl EB RV 464 BlgNR 22. GP. 3╇
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Freie Dienstnehmer
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II. Freie Dienstnehmer Ein Dienstzettel ist nur freien Dienstnehmern „iSd §Â€4 Abs€4 ASVG“ aus- 6 zuhändigen. Nach dieser Bestimmung stehen den Dienstnehmern iSd ASVG Personen gleich, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, und zwar für ╇ 1) einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufsrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw) oder seines statutenmäßigen Wirkungsbereiches (Vereinsziel usw), mit Ausnahme der bäuerlichen Nachbarschaftshilfe; 2) eine Gebietskörperschaft oder eine sonstige juristische Person des öffentlichen Rechts bzw die von ihnen verwalteten Betriebe, Anstalten, Stiftungen oder Fonds (im Rahmen einer Teilrechtsfähigkeit), ╇ wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen; es sei denn ╇ a) dass sie auf Grund dieser Tätigkeit bereits nach §Â€ 2 Abs€ 1 Z€ 1 bis 3 GSVG oder §Â€2 Abs€1 BSVG oder nach §Â€2 Abs€1 und 2 FSVG verÂ� sichert sind oder ╇ b) dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine (Neben-)Tätigkeit nach §Â€19 Abs€1 Z€1 lit€f B-KUVG handelt oder ╇ c) dass eine selbständige Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zu einer der Kammern der freien Berufe begründet, ausgeübt wird oder ╇ d) dass es sich um eine Tätigkeit als Kunstschaffender, insbesondere als Künstler iSd §Â€2 Abs€1 des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes, handelt. Grundvoraussetzung für die Ausstellung eines Dienstzettels ist das Vorlie- 7 gen eines freien Dienstvertrages.5 Aus den Materialien ergibt sich, dass alle Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nach §Â€4 Abs€4 ASVG gegeben sein müssen, damit §Â€1164a zur Anwendung kommt. Liegen die Tatbestandmerkmale der Sozialversicherungsnorm vor, hat der „freie Dienstgeber“ die betreffenden Personen bei der Sozialversicherung anzumelden, die Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten und den geforderten Dienstzettel auszustellen. Der Gesetzgeber wollte mit diesen Regelungen im Wesentlichen die arbeitnehmerähnlichen freien Dienstnehmer erfassen, bei denen eine entsprechende Schutzbedürftigkeit gegeben ist.6 Dieses Ziel hat der Gesetzgeber aber nur unzureichend verwirklicht. §Â€4 Abs€4 ASVG begründet die Sozialversicherungspflicht einer bestimmten Gruppe von freien Dienstnehmern in der Sozialversicherung der Unselbständigen. Die in §Â€4 Abs€4 ASVG genannten freien Dienstnehmer, die nicht im „Geschäftsbetrieb“ eines Dienstgebers oder einer öffentlichen Einrichtung, sondern im „Privatbereich“ eines Dienstgebers beschäftigt werden – und allenfalls der Sozialversicherungspflicht nach §Â€ 2 Abs€4 GSVG unterliegen –, bleiben vom „Privileg“ des Dienstzettels ausge5╇ 6╇
Vgl zu diesem §Â€1151 Rz 60 ff. Vgl Resch, Sozialversicherungspflicht für freie Dienstverträge, DRdA 2000, 15.
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schlossen, auch wenn ihre Schutzbedürftigkeit durchaus ähnlich zu beurteilen ist wie die Schutzbedürftigkeit der nach §Â€4 Abs€4 ASVG Versicherten. Warum die „privaten“ freien Dienstnehmer – zB Nachhilfelehrer, Tagesmütter, Angehörige von Gesundheitsberufen – nicht über die Hauptpunkte des Vertrages informiert sein sollen und ihnen kein Instrument zur Beweissicherung in die Hand gegeben wird, ist nicht einsichtig. Das Anknüpfen an der Sozialversicherungspflicht nach §Â€4 Abs€4 ASVG erscheint daher in hohem Maße willkürlich und gleichheitswidrig.
III. Rechtswirkungen des Dienstzettels 8
Der Dienstzettel ist eine vom „freien Dienstgeber“ ausgestellte Beweisurkunde über einen zuvor mündlich abgeschlossenen Vertrag. Der Dienstzettel ist ein deklaratorisches Schriftstück, eine Wissenserklärung über die Rechtslage, die das Vereinbarte wiederzugeben hat. Probleme entstehen, wenn der Dienstzettel vom zuvor Vereinbarten ab9 weicht. Zur Beweiskraft der Urkunde hat der EuGH in seiner Judikatur zur Nachweisrichtlinie die Meinung vertreten, im nationalen Recht müsse eine ebenso starke Vermutung für die Richtigkeit der Angaben sprechen, wie sie sonst einem vom Arbeitgeber ausgestellten und dem Arbeitnehmer übermittelten Dokument zukommt. Der Arbeitgeber kann allerdings nachweisen, dass die in der Mitteilung enthaltenen Informationen falsch sind.7 Die Urkunde hat daher keine höhere Beweiskraft als andere Nachweise, die das nationale Recht als Beleg über das Vorhandensein und den Inhalt des Arbeitsvertrages zulässt.8 Dies entspricht auch der nationalen Judikatur zum „Arbeitnehmer-Dienst10 zettel“. Besteht eine Diskrepanz zwischen dem Inhalt des Dienstzettels und jenem des Vertrags, führt dies in der Regel selbst dann zu keiner Vertragsänderung, wenn der Arbeitnehmer den Dienstzettel gelesen und unterschrieben hat; er muss nicht damit rechnen, dass der Dienstzettel eine Willenserklärung im Sinne eines Anbots auf Abänderung des Vertrags enthält.9 Maßgeblich ist allein das im Vertrag Festgelegte. Dies gilt in gleicher Weise für den Dienstzettel nach §Â€1164a. Fraglich sind auch die Rechtsfolgen, wenn im Dienstzettel eine Angabe 11 über den Inhalt des Vertrages fehlt. Der EuGH hat zur Nachweisrichtlinie die Meinung vertreten, dass das Fehlen einer Angabe – zB Pflicht zur Überstundenleistung – aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht nicht automatisch zur Unwirksamkeit der getroffenen Vereinbarung führt. Die nationalen Gerichte haben vielmehr die nationalen Beweislastregeln im Lichte des Zweckes der Richtlinie anzuwenden und auszulegen, indem sie einer Mitteilung im Dienstzettel Beweiskraft in dem Sinne beimessen, dass sie als Nachweis der tatsäch7╇
EuGH 4.12.1997, C-253/96 bis C-258/96 (Kampelmann), Slg 1997, I-6907. Art€6 der Richtlinie ergibt sich klar, dass die nationalen Beweislastregeln durch die Richtlinie nicht berührt werden. 9╇ Neumayr in Kletečka/Schauer, ABGB-ON § 1164a Rz 13; OGH 28.11.2001, 9 ObA 267/01g, DRdA 2003, 3 (B. Schwarz). 8╇ Aus
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Rechtswirkungen des Dienstzettels
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lich bestehenden wesentlichen Punkte des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses angesehen werden kann. Der Beweis des Gegenteils durch den Arbeitgeber ist jedoch zulässig.10 Da der Dienstzettel nach nationalem Recht nur über etwas Vereinbartes Auskunft gibt, ist auch unter Berücksichtigung der Judikatur des EuGH immer der Beweis möglich, dass eine Mitteilung im Dienstzettel falsch ist oder dass Verpflichtungen bestehen, die im Dienstzettel nicht dokumentiert sind.11
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Vgl auch EuGH 8.2.2001, C-350/99 (Lange), Slg 2001, I-1061. Schrammel, AngG-Komm §Â€6 Rz 117.
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Stichwortverzeichnis Abfertigungsanspruch §§ 1162a–1162d Rz 38 Abhängigkeit – persönliche § 1151 Rz 24, 25 – wirtschaftliche § 1151 Rz 51 Ablaufhemmung § 1158 Rz 9 Ablehnungsrecht § 1151 Rz 35 Abwesenheit vom Dienst § 1162 Rz 28 Akkordlohn § 1152 Rz 13 Aktienbezugsrecht § 1152 Rz 18 Änderungskündigung § 1158 Rz 75 Änderungsvorbehalt § 1152 Rz 68 Annahmeverzug § 1155 Rz 3 Anrechnungsverpflichtung § 1155 Rz 31 Arbeitgeberkündigung § 1158 Rz 68 Arbeitnehmer § 1151 Rz 11 – Leistungsbereitschaft § 1155 Rz 12 – Vorleistungspflicht § 1154 Rz 3 Arbeitnehmerschutzvorschrift § 1157 Rz 11 Arbeitsbereitschaft § 1153 Rz 43 Arbeitsbescheinigung § 1163 Rz 25 Arbeitsjahr § 1154b Rz 27 Arbeitskräfteüberlassung § 1152 Rz 59; § 1153 Rz 8 Arbeitsleistung – zweckverfehlende § 1152 Rz 2 Arbeitsort § 1153 Rz 33 Arbeitsunfähigkeit § 1154b Rz 6, 12 Arbeitsunfähigkeitsbestätigung § 1154b Rz 33 Arbeitsunfall § 1154b Rz 39 Arbeitsverhinderung § 1154b Rz 3 – Nachweis § 1154b Rz 30 Arbeitsvertrag § 1151 Rz 22 Arbeitsweg § 1154b Rz 44 Arbeitszeit § 1153 Rz 42 – Ausmaß § 1153 Rz 54 – Lage § 1153 Rz 58 Aufgriffsobliegenheit § 1158 Rz 90; § 1162 Rz 10; §§ 1162a–1162d Rz 40 Aufklärungspflicht § 1153 Rz 20 Auflösungsschaden §§ 1162a–1162d Rz 27 Auflösungswille § 1158 Rz 70 Auftragsrecht § 1151 Rz 66 Aufwandsentschädigung § 1152 Rz 5 Aufwertung § 1152 Rz 65
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Stichwortverzeichnis
Ausfallsprinzip § 1154b Rz 18 Auskunftserteilung – informelle § 1163 Rz 23 Auslagen § 1154a Rz 6 Auslaufmitteilung § 1158 Rz 39 Ausschlussfrist § 1154 Rz 26 Austritt § 1162 Rz 1 – unbegründeter §§ 1162a–1162d Rz 20 Austrittsgrund § 1162 Rz 18 Barlohn § 1152 Rz 10 Beamter § 1151 Rz 81 Beendigung des Arbeitsvertrages § 1158 Rz 1 Beendigungsanspruch § 1161 Rz 25 Befristung § 1158 Rz 5 Behandlungsbedürftigkeit § 1154b Rz 8 Beistandspflicht – familiäre § 1154b Rz 59 Belästigung – sexuelle § 1157 Rz 20 Berichtstagsatzung § 1161 Rz 4 Berufskrankheit § 1154b Rz 39 Beschäftigung – Recht § 1153 Rz 31 Beschäftigungspflicht § 1153 Rz 30 Bestandvertrag § 1151 Rz 70 Betriebsgruppe § 1153 Rz 5 Betriebsratsmitglied §§ 1162a–1162d Rz 46 Betriebsvereinbarung § 1152 Rz 46 – freie § 1152 Rz 36 Bezugsprinzip § 1154b Rz 18 Bruttolohn § 1152 Rz 22 Buchgeld § 1154 Rz 11 Dauerarbeitsverhältnis § 1151 Rz 39 Dauerbeschäftigter § 1158 Rz 19 Dauerschuldverhältnis § 1151 Rz 22 Dauertatbestand § 1162 Rz 14 Dienste § 1151 Rz 16 Dienstfreistellung § 1155 Rz 31 Dienstleistung – Unmöglichkeit § 1155 Rz 6 – Unterlassen § 1162 Rz 41 Dienstleistungsvertrag § 1151 Rz 19
298
Stichwortverzeichnis
Dienstnehmer – freier § 1164a Rz 6 Dienstunfähigkeit § 1162 Rz 21 Dienstvertrag § 1151 Rz 21 – freier § 1151 Rz 61 Dienstzettel § 1164a Rz 2 Dienstzeugnis § 1163 Rz 7 Disziplinarkommission § 1162 Rz 74 Disziplinarmaßnahmen § 1152 Rz 73 Disziplinarstrafe § 1162 Rz 65 Drucktheorie § 1164 Rz 9 Ehrverletzung § 1162 Rz 56 Eigengruppe § 1153 Rz 5 Endtermin § 1158 Rz 5, 73 Endzeugnis § 1163 Rz 1 Entgelt – angemessenes § 1152 Rz 52 – Fälligkeit § 1154 Rz 1 – Vorenthalten § 1161 Rz 18; § 1162 Rz 34 Entgeltanspruch – außergeschäftlicher § 1152 Rz 2 Entgeltbegriff § 1152 Rz 3 Entgeltfortzahlung § 1154b Rz 2; § 1156 Rz 4 Entgeltkürzung § 1152 Rz 75 Entgeltminderung §§ 1162a–1162d Rz 30 Entgeltrückbehaltungsrecht § 1153 Rz 28; § 1154 Rz 30 Entgeltschuldner § 1152 Rz 63 Entlassung § 1162 Rz 1 – verschuldete §§ 1162a–1162d Rz 24 Entlassungserklärung § 1162 Rz 7 Entlassungsgrund § 1162 Rz 18 Erfüllung der Zeugnispflicht § 1163 Rz 18 Erfüllungsort § 1154 Rz 8 Ersatzarbeitsplatz § 1162 Rz 25 Erwerbseinkommen – versäumtes § 1155 Rz 38 Eventualkündigung § 1158 Rz 76 Fälligkeit des Entgelts § 1154 Rz 1 Familienverband § 1151 Rz 12 Ferialarbeiter § 1151 Rz 94 Ferialpraktikant § 1151 Rz 90 Formvorschrift § 1151 Rz 75 Freistellungsanspruch § 1160 Rz 1 299
Stichwortverzeichnis
Freizeitgewährung § 1160 Rz 13 Fristengleichheitsgebot §§ 1159–1159c Rz 17, 18 Fürsorgepflicht § 1157 Rz 2, 5; § 1162 Rz 48 Gebietskörperschaft § 1151 Rz 88 Geldakkord § 1152 Rz 13 Geldlohn § 1152 Rz 9 Geldstrafe § 1152 Rz 74 Geschäftsbesorgungen § 1151 Rz 65 Geschäftsfähigkeit § 1151 Rz 77 Geschäftssitte § 1153 Rz 14 Gesellschafter-Geschäftsführer § 1151 Rz 69 Gesellschaftsvertrag § 1151 Rz 68 Gewinnbeteiligung § 1152 Rz 15 Gewissenskonflikt § 1154b Rz 65; § 1153 Rz 21 Gleichbehandlungsgrundsatz § 1152 Rz 37; § 1157 Rz 22 Gleichbehandlungspflicht § 1157 Rz 22 Gleitzeit § 1153 Rz 59 Gruppenarbeitsverhältnis § 1153 Rz 4 Gruppenvergleich § 1164 Rz 4 Insolvenz-Entgelt § 1152 Rz 85 Insolvenzentgeltsicherung § 1152 Rz 84 Insolvenzforderung § 1161 Rz 22 Insolvenzverfahren § 1161 Rz 1 Insolvenzverwalter § 1161 Rz 2 – Lösungsrecht § 1161 Rz 11 Kapitalgesellschaft § 1151 Rz 69 Karenz § 1158 Rz 7 Kernarbeit § 1153 Rz 43 Kettenvertrag § 1151 Rz 39; § 1158 Rz 23, 28 Kollektivvertrag § 1152 Rz 42 Kontoführungskosten § 1154 Rz 15 Kontrolle des Arbeitnehmers § 1157 Rz 24 Konversionslösung §§ 1159–1159c Rz 29 Konversionstheorie §§ 1162a–1162d Rz 12 Krankenstand – Fehlverhalten § 1162 Rz 52 – Verhalten § 1154b Rz 36 Krankheit § 1154b Rz 2, 6 Kündigung § 1158 Rz 12, 66 – mündliche § 1158 Rz 78 – schriftliche § 1158 Rz 79 300
Stichwortverzeichnis
– sittenwidrige § 1158 Rz 87 – zeitwidrige §§ 1159–1159c Rz 25 Kündigungsentschädigung §§ 1162a–1162d Rz 31 Kündigungsfreiheit § 1158 Rz 95 Kündigungsfrist §§ 1159–1159c Rz 1 Kündigungsklausel § 1158 Rz 14 Kündigungsrechtfertigungsgrund § 1158 Rz 106 Kündigungsschutz § 1158 Rz 28 – allgemeiner § 1158 Rz 98 Kündigungstermin §§ 1159–1159c Rz 2 Kündigungsvereinbarung § 1158 Rz 15 Kuraufenthalt § 1154b Rz 10 Lebenszeitarbeitsvertrag § 1158 Rz 63 Lehrverhältnis § 1151 Rz 89 Leiharbeitnehmer § 1152 Rz 58 Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers § 1155 Rz 12 Leistungseinschränkung § 1157 Rz 9 Leistungslohn § 1152 Rz 12 Leistungspflicht – Umfang § 1153 Rz 24 Leistungsstörung § 1155 Rz 2 Leistungsverweigerungsrecht § 1157 Rz 5 Lohnrisiko § 1155 Rz 1 Lohnzahlung – bargeldlos § 1154 Rz 12, 21 Masseforderung § 1161 Rz 22 Mehrarbeit § 1153 Rz 62 Mindestlohn § 1152 Rz 26 Mindestlohntarif § 1152 Rz 51 Mischlohn § 1152 Rz 28 Mitteilungspflicht § 1158 Rz 9 Mitverschuldensregel §§ 1162a–1162d Rz 59 Nachweis der Arbeitsverhinderung § 1154b Rz 30 Nachweisrichtlinie § 1164a Rz 2 Naturallohn § 1152 Rz 9 Naturereignis § 1154b Rz 53 Nebenpflicht § 1157 Rz 1 Nettolohnvereinbarung § 1152 Rz 23 Nichtschuld § 1152 Rz 81 Nichtverlängerungserklärung § 1158 Rz 35 Notarzt § 1151 Rz 62 301
Stichwortverzeichnis
Offenlegungsgrundsatz § 1151 Rz 80 Organspende § 1154b Rz 9 Parteiabsicht § 1151 Rz 57 Person – besonders bestandgeschützte §§ 1162a–1162d Rz 41 Pfändung § 1152 Rz 76 Pflege § 1154b Rz 59 Postensuche § 1160 Rz 2 Präklusivfrist §§ 1162a–1162d Rz 67 Prämienlohn § 1152 Rz 16 Probezeit § 1158 Rz 54 Provision § 1152 Rz 14 Rahmenvereinbarung § 1151 Rz 33 Reisezeit § 1152 Rz 28 Remuneration § 1152 Rz 17 Resolutivbedingung § 1158 Rz 52 Rückabwicklung § 1162 Rz 3 Rücktrittserklärung §§ 1162a–1162d Rz 7 Rufbereitschaft § 1153 Rz 43 Ruhegeld – betriebliches § 1152 Rz 20 Rundfunkmitarbeiter § 1158 Rz 44 Saisonarbeitsverhältnis § 1158 Rz 14 Satzung § 1152 Rz 50 Schadenersatzanspruch §§ 1162a–1162d Rz 3 Schadenersatztheorie §§ 1162a–1162d Rz 4 Schauspieler § 1158 Rz 33 Schutz der Persönlichkeit § 1157 Rz 19 Sonderzahlung § 1152 Rz 17; § 1154b Rz 23 Sozialwidrigkeit § 1158 Rz 99 Sphärenabgrenzung § 1155 Rz 20 Sportunfall § 1154b Rz 16 Stundungsvereinbarung § 1154 Rz 6 Subsidiaritätsprinzip § 1151 Rz 3 Tätlichkeit § 1162 Rz 55 Teilkündigung § 1158 Rz 71 Teilzeitarbeit § 1153 Rz 44, 49 Treuepflicht § 1157 Rz 2, 3 Trinkgeld § 1152 Rz 21 302
Stichwortverzeichnis
Überstunde § 1152 Rz 49; § 1154b Rz 21 Übertragung der Entlassungsbefugnis § 1162 Rz 70 Übung – betriebliche § 1152 Rz 33 Unentgeltlichkeit § 1152 Rz 24 Unglücksfall § 1154b Rz 2, 11 Unmöglichkeit der Dienstleistung § 1155 Rz 6 Unternehmen – Fortführung § 1161 Rz 10 – Schließung § 1161 Rz 10 Unterordnung – wirtschaftliche § 1151 Rz 49 Unverbindlichkeitsvorbehalt § 1152 Rz 67 Unverzüglichkeitsgrundsatz § 1162 Rz 10 Urlaubsanspruch §§ 1162a–1162d Rz 36 Verfall § 1164 Rz 13 Verhalten – außerdienstliches § 1162 Rz 19 – im Krankenstand § 1154b Rz 36 Verjährungsfrist § 1151 Rz 24 Verkehrsstörung § 1154b Rz 53 Vermögensinteresse des Arbeitnehmers § 1157 Rz 16 Verpflichtung – religiöse § 1154b Rz 62 Verschlechterungsvereinbarung § 1152 Rz 64 Versorgungsbezug § 1152 Rz 20 Vertrag – befristeter § 1158 Rz 3 Vertragsanpassung § 1153 Rz 17 Vertrauensunwürdigkeit § 1162 Rz 50 Vertreter § 1151 Rz 80 Vertretungsbefugnis § 1151 Rz 29 Vertretungsrecht § 1153 Rz 3 Verzicht § 1164 Rz 6 Volontär § 1151 Rz 10, 90 Vorleistungspflicht des Arbeitnehmers § 1154 Rz 3 Vorschuss § 1154a Rz 2, 5 Vorstandsmitglied § 1151 Rz 63 Vorteilsanrechnung § 1155 Rz 34; §§ 1162a–1162d Rz 49 Wegzeitentschädigung § 1152 Rz 6 Weisungsrecht § 1151 Rz 45; § 1153 Rz 19 Werklohn § 1152 Rz 7 Werkswohnung § 1151 Rz 74 303
Stichwortverzeichnis
Werkvertrag § 1151 Rz 22, 52 Widerrufsvorbehalt § 1152 Rz 68 Wissenserklärung § 1164a Rz 8 Zahlungsverzug § 1162 Rz 38 Zeitakkord § 1152 Rz 13 Zeitlohn § 1152 Rz 11 Zeitverlust § 1155 Rz 48 Zielvereinbarung § 1152 Rz 16 Zugangsvereitelung § 1158 Rz 85 Zurechnungstheorie § 1155 Rz 19 Zurückbehaltungsrecht § 1154 Rz 27 Zustellort § 1158 Rz 84 Zweckbestimmung – fremdwirtschaftliche § 1151 Rz 9 Zwischenarbeit § 1155 Rz 13 Zwischenzeugnis § 1163 Rz 1
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