ABGB, Kommentar 9783704665119, 3704665118


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Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Achtzehntes Hauptstück. Von Schenkungen
Schenkung. § 938
Insofern eine Verzichtsleistung eine Schenkung sei. § 939
§ 940
§ 941
§ 942
§ 943
und Maß einer Schenkung. § 944
Inwiefern der Geber für das Geschenkte hafte. § 945
Unwiderruflichkeit der Schenkungen. § 946
Ausnahmen
1. Wegen Dürftigkeit; § 947
2. Undankes; § 948
§ 949
3. Verkürzung des schuldigen Unterhaltes; § 950
4. des Pflichtteiles; § 951
§ 952
5. der Gläubiger; § 953
6. wegen nachgeborener Kinder. § 954
Welche Schenkungen auf die Erben nicht übergehen. § 955
Schenkung auf den Todesfall. § 956
Neunzehntes Hauptstück. Von dem Verwahrungsvertrage
Verwahrungsvertrag; § 957
§ 958
Wann er in einen Darlehens- oder Leihvertrag; § 959
oder in eine Bevollmächtigung übergehe; § 960
Pflichten und Rechte des Verwahrers; § 961
§ 962
§ 963
§ 964
§ 965
§ 966
und des Hinterlegers § 967
Sequester § 968
Ob dem Verwahrer ein Lohn gebühre § 969
Gastaufnahme § 970
§ 970a
§ 970b
§ 970c
Zwanzigstes Hauptstück. Von dem Leihvertrage
Leihvertrag § 971
Rechte und Pflichten des Entlehners
1. in Rücksicht des Gebrauches; § 972
2. der Zurückstellung; § 973
§ 974
§ 975
§ 976
§ 977
3. der Beschädigung; § 978
§ 979
§ 980
4. der Erhaltungskosten. § 981
Beschränkung der wechselseitigen Klagen. § 982
Einundzwanzigstes Hauptstück. Von dem Darlehensvertrage
Darlehensvertrag § 983
Arten des Darlehensvertrags § 984
Steigerung und Minderung des Werts § 985
Dauer und Auflösung des Darlehensvertrags. § 986
Außerordentliche Kündigung des Darlehensvertrags. § 987
Kreditvertrag. § 988
Befristung und Ende des Kreditvertrags. § 989
Unwirksame Vereinbarungen über das Kündigungsrecht
des Kreditgebers. § 990
Verweigerung der Kreditauszahlung. § 991
§§ 992–999 (aufgehoben)
Zinsen und Zinseszinsen. § 1000
§ 1001 (aufgehoben)
Stichwortverzeichnis
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ABGB, Kommentar
 9783704665119, 3704665118

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3. Auflage des von Dr. Heinrich Klang begründeten Kommentars zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch

ABGB §§ 938 bis 1001 herausgegeben von o.

Univ.-Prof. Dr. Attila Fenyves Univ.-Prof. Dr. Ferdinand Kerschner ao. Univ.-Prof. Dr. Andreas Vonkilch bearbeitet von ao.

Univ.-Prof Dr. Gunter Ertl

Wien 2013

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek. Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de/ abrufbar.

Zitiervorschlag: Ertl in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) §Â€938 Rz€2

Alle Rechte vorbehalten. Alle Angaben in diesem Fachbuch erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung des Autors bzw der Herausgeber oder des Verlages ist ausgeschlossen. ISBN: 978-3-7046-6511-9 © Verlag Österreich GmbH 2013 1010 Wien, Bäckerstraße 1 Tel. (++431) 610 77-333, Fax (++431) 610 77-502 e-mail: [email protected] http://www.verlagoesterreich.at Druckformenherstellung: b+R satzstudio, graz

Vorwort Die Herausgeber freuen sich, einen weiteren Band der dritten Auflage des Großkommentars zum ABGB („Klang-Kommentars“) präsentieren zu können. Damit sind mittlerweile bereits zwölf Bände der dritten Auflage erschienen, und es ist daher damit zu rechnen, dass dieses ambitionierte Projekt in absehbarer Zeit abgeschlossen werden kann. Der vorliegende Band stellt die Kommentierung der §§ 938 bis 1001, also des Schenkungsvertrages, des Verwahrungsvertrages, des Leihvertrages und des Darlehensvertrages, durch Gunter Ertl dar. Er ist Vorreiter zweier weiterer Bände, die ebenfalls das Recht der durch das ABGB geregelten Vertragstypen betreffen, nämlich des Tausch- und Kaufvertrages (Mader/Schwartze) und des Werkvertrages (Schopper), die im nächsten Jahr erscheinen werden. Der Dank der Herausgeber gilt Gunter Ertl, der sich der Mühe unterzogen hat, gleich vier Vertragstypen zu kommentieren und einen voluminösen Band der dritten Auflage ganz allein zu erstellen. Seine Kommentierung ist insofern von besonderer Aktualität, als die Neuerungen des Darlehensrechts durch das DaKRÄG erstmals in ihrer vollen Dimension dargestellt werden. Wien, im Herbst 2013

Attila Fenyves Ferdinand Kerschner Andreas Vonkilch

3

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Achtzehntes Hauptstück Von Schenkungen Schenkung. § 938 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Insofern eine Verzichtsleistung eine Schenkung sei. § 939 . . . . . . . . . . . 55 § 940 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 § 941 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 § 942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 § 943 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 und Maß einer Schenkung. § 944 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Inwiefern der Geber für das Geschenkte hafte. § 945 . . . . . . . . . . . . . . . 84 Unwiderruflichkeit der Schenkungen. § 946 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Ausnahmen: 1. Wegen Dürftigkeit; § 947 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Undankes; § 948 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 § 949  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3. Verkürzung des schuldigen Unterhaltes; § 950 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 4. des Pflichtteiles; § 951 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 § 952 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 5. der Gläubiger; § 953 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 6. wegen nachgeborener Kinder. § 954 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Welche Schenkungen auf die Erben nicht übergehen. § 955 . . . . . . . . . . 117 Schenkung auf den Todesfall. § 956 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Neunzehntes Hauptstück Von dem Verwahrungsvertrage Verwahrungsvertrag; § 957 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 § 958 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Wann er in einen Darlehens- oder Leihvertrag; § 959 . . . . . . . . . . . . . . . 149 oder in eine Bevollmächtigung übergehe; § 960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Pflichten und Rechte des Verwahrers; § 961 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 § 962 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 § 963 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 § 964 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 § 965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 § 966 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 und des Hinterlegers § 967 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 5

Inhaltsverzeichnis

Sequester § 968 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Ob dem Verwahrer ein Lohn gebühre § 969 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Gastaufnahme § 970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 § 970a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 § 970b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 § 970c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Zwanzigstes Hauptstück Von dem Leihvertrage Leihvertrag § 971 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Rechte und Pflichten des Entlehners: 1. in Rücksicht des Gebrauches; § 972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 2. der Zurückstellung; § 973 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 § 974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 § 975 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 § 976 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 § 977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 3. der Beschädigung; § 978 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 § 979 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 § 980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 4. der Erhaltungskosten. § 981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Beschränkung der wechselseitigen Klagen. § 982 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Einundzwanzigstes Hauptstück Von dem Darlehensvertrage Darlehensvertrag § 983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Arten des Darlehensvertrags § 984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Steigerung und Minderung des Werts § 985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Dauer und Auflösung des Darlehensvertrags. § 986 . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 Außerordentliche Kündigung des Darlehensvertrags. § 987 . . . . . . . . . . 349 Kreditvertrag. § 988 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 Befristung und Ende des Kreditvertrags. § 989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 Unwirksame Vereinbarungen über das Kündigungsrecht des Kreditgebers. § 990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Verweigerung der Kreditauszahlung. § 991 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 §§ 992–999 (aufgehoben) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Zinsen und Zinseszinsen. § 1000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 § 1001 (aufgehoben) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371

6

Abkürzungsverzeichnis aA aaO ABG ABGB abl Abs AC AcP aE aF AG AGB AHGB AJZ allg ALR AnfO Anm AnwBl ArchBürgR ARD arg Art ASG ASVG AußStrG

anderer Ansicht am angeführten Ort Allgemeines Berggesetz RGBl 1854/146 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch JGS 1811/946 ablehnend Absatz Sammlung von Entscheidungen zum Handelsgesetzbuch, hrsg von Adler und Clemens Archiv für civilistische Praxis (Zeitschrift) am Ende alte Fassung Aktiengesellschaft; Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Handelsgesetzbuch RGBl 1863/1 Allgemeine Juristen-Zeitung allgemein Preußisches Allgemeines Landrecht Anfechtungsordnung RGBl 1914/337 Anmerkung Anwaltsblatt Archiv für bürgerliches Recht (Zeitschrift) ARD-Betriebsdienst (Zeitschrift) argumento (folgt aus) Artikel Arbeits- und Sozialgericht Allgemeines Sozialversicherungsgesetz BGBl 1955/189 Außerstreitgesetz BGBl I 2003/111

Bd Begr BFH BG BGB BGE BGH BGHZ bgld BKA B-KUVG Blg BlgBR BlgHH BlgLT BlgNR BMJ

Band Begründer (deutscher) Bundesfinanzhof Bundesgesetz (deutsches) Bürgerliches Gesetzbuch Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts (deutscher) Bundesgerichtshof Entscheidungen des (deutschen) Bundesgerichtshofs in Zivilsachen burgenländisch Bundeskanzleramt Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz BGBl 1967/200 Beilage Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Bundesrates Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Herrenhauses Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Landtages Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates Bundesministerium für Justiz

7

Abkürzungsverzeichnis

BPG BRBG Bsp bspw BSVG BT BVerwG BWG bzw

Betriebspensionsgesetz BGBl 1990/282 (Erstes) Bundesrechtsbereinigungsgesetz BGBl I 1999/191 Beispiel beispielsweise Bauern-Sozialversicherungsgesetz BGBl 1978/559 Besonderer Teil (deutsches) Bundesverwaltungsgericht Bankwesengesetz BGBl 1993/532 beziehungsweise

CTher

Codex Theresianus

d DB ders Diss DJZ DRdA DREvBl dt DVBl

deutsch Der Betrieb (Zeitschrift) derselbe Dissertation Deutsche Juristen-Zeitung Das Recht der Arbeit (Zeitschrift) Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen als Beilage zum Deutschen Recht (C) 1938–1944 deutsch Deutsches Verwaltungsblatt

E EB EBG ecolex EFSlg EF-Z EGEO EGZPO EO ErläutRV EStG EuGH EuGRZ EvBl EVHGB EWS

Entscheidung Erläuternde Bemerkungen Eidgenössisches Bundesgericht ecolex – Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht Ehe- und familienrechtliche Entscheidungen (Sammlung) Zeitschrift für Ehe- und Familienrecht Einführungsgesetz zur Exekutionsordnung BGBl 1953/6 Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung RGBl 1895/112 Exekutionsordnung RGBl 1896/79 Erläuterungen zur Regierungsvorlage Einkommenssteuergesetz BGBl 1988/400 Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen (Vierte) Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich dRGBl I 1938/1999 Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift)

FJ FJ-GVR FN FS

Finanz Journal Finanz Journal – Gebühren- und Verkehrssteuern-Rundschau Fußnote Festschrift

G GBG GebG

Gesetz Allgemeines Grundbuchsgesetz BGBl 1955/39 Gebührengesetz BGBl 1957/267

8

Abkürzungsverzeichnis

GesBR GewArch GewRÄG GH GlU GlUNF GmbH GP GrünhutsZ GS GSpG GSVG GuG GZ

Gesellschaft Bürgerlichen Rechts Gewerbearchiv (Zeitschrift) Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz BGBl I 2001/48 Gerichtshalle (Zeitschrift) Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des k.k. Obersten Gerichtshofes, hrsg von Glaser und Unger Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des k.k. Obersten Gerichtshofes, Neue Folge, begonnen von Glaser und Unger, fortgeführt von Pfaff, Schey, Krupsky, Schrutka und Stepan Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetzgebungsperiode Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart, begründet von Grünhut Gedenkschrift; Gedächtnisschrift Glücksspielgesetz BGBl 1989/620 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz BGBl 1978/560 Grundstücksmarkt und Grundstückswert (Zeitschrift) Österreichische Allgemeine Gerichts-Zeitung

H hA HaRÄG HfD HG HGB HHB hL hM HptSt Hrsg HS

Heft herrschende Ansicht Handelsrechts-Änderungsgesetz BGBl I 2005/120 Hofdekret Handelsgericht Handelsgesetzbuch dRGBl 1897, 219 Herrenhausbericht herrschende Lehre herrschende Meinung Hauptstück Herausgeber a) Handelsrechtliche Entscheidungen b) Halbsatz

idF idgF idS ieS iFamZ immolex insb IO iSd iVm iwS

in der Fassung in der geltenden Fassung in diesem Sinne im engeren Sinne Interdisziplinäre Zeitschrift für Familienrecht Neues Miet- und Wohnrecht (Zeitschrift) insbesondere Insolvenzordnung BGBl I 2010/29 im Sinne des, der in Verbindung mit im weiteren Sinne

JA JAP JB JBl

Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung (Zeitschrift) Judikatenbuch des Obersten Gerichtshofes Juristische Blätter

9

Abkürzungsverzeichnis

JEV JGS JMVBl JR Jura JuS Jus-extra JusGuide JW Jurist JZ

Journal für Erbrecht und Vermögensnachfolge Justizgesetzessammlung Verordnungsblatt des Justizministeriums Juristische Rundschau (Zeitschrift) Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Zeitschrift für Gesetzgebung, Judikatur & Literatur Jus Guide (Entscheidungssammlung) Juristische Wochenschrift Der Jurist – Eine Zeitschrift vorzüglich für die Praxis des gesammten österr. Rechts Juristenzeitung

KEG KG KH KHVG KRES krit KSchG

Kraftloserklärungsgesetz BGBl 1951/86 Kreisgericht; Kammergericht Plenarbeschlüsse und Entscheidungen des k.k. Obersten Gerichts- als Kassationshofes (Sammlung) Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz BGBl 1994/651 Konsumentenrecht-Entscheidungssammlung kritisch Konsumentenschutzgesetz BGBl 1979/140

LG LGBl LGZ Lit lit

Landesgericht; Landesgesetz Landesgesetzblatt Landesgericht für Zivilrechtssachen Literatur litera (Buchstabe)

MDR MietSlg MMR MR MRA MR-Int mwH mwN

Monatsschrift für Deutsches Recht Mietrechtliche Entscheidungen (Sammlung) Multi Media & Recht (Zeitschrift) Medien und Recht (Zeitschrift) Medien und Recht, Archiv (Zeitschrift) Medien und Recht International (Zeitschrift) mit weiteren Hinweisen mit weiteren Nachweisen

NF nF NJ NJW NJW-RR N.N. NotAktsG nö Nov NRsp NZ

neue Folge neue Fassung Neue Justiz (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungs-Report Zivilrecht nomen nescio Notariatsaktsgesetz RGBl 1871/76 niederösterreichisch Novelle Neue Rechtsprechung des OGH (in ÖJZ) Österreichische Notariatszeitung

10

Abkürzungsverzeichnis

öarr ÖBA ÖBl ÖffSicherheit OGH ÖGZ ÖJZ OLG OR ÖStZ ÖStZB OVG ÖZW

Österreichisches Archiv für Recht und Religion (Zeitschrift) Österreichisches Bank-Archiv (Zeitschrift) Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht Öffentliche Sicherheit (Zeitschrift) Oberster Gerichtshof Österreichische Gemeinde-Zeitung Österreichische Juristenzeitung Oberlandesgericht (schweizerisches) Obligationenrecht Österreichische Steuer-Zeitung Die finanzrechtlichen Erkenntnisse des VwGH und des VfGH, Beilage zur Österreichischen Steuer-Zeitung Oberverwaltungsgericht Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

PKG Pkt

Pensionskassengesetz BGBl 1990/281 Punkt

RdU RdW RG RGBl RGRKomm RGZ RIS-Justiz RPflSlgA Rsp RV Rz RZ

Recht der Umwelt (Zeitschrift) Österreichisches Recht der Wirtschaft (Zeitschrift) (deutsches) Reichsgericht Reichsgesetzblatt Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes (Reichsgerichtsrätekommentar) Entscheidungen des (deutschen) Reichsgerichts in Zivilsachen (Sammlung) Rechtsinformationssystem-Justiz Sammelmappe für die Rechtspfleger-Besprechungen Rechtsprechung (Judikatur); Rechtsprechung (Zeitschrift) Regierungsvorlage Randzahl Österreichische Richterzeitung

S s SchR SchRAT SpR StGB StGBl stmk StProtNR SVSlg SWK SZ

Satz; Seite siehe Schuldrecht Schuldrecht Allgemeiner Teil Spruchrepertorium des Obersten Gerichtshofes Strafgesetzbuch BGBl 1974/60 Staatsgesetzblatt steiermärkisch Stenographische Protokolle des Nationalrates Sozialversicherungsrechtliche Entscheidungen (Sammlung) Österreichische Steuer- und Wirtschaftskartei (Zeitschrift) Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivil- (und Justizverwaltungs)-sachen (Sammlung)

11

Abkürzungsverzeichnis

taxlex tir TN TP

Zeitschrift für Steuer und Beratung tiroler Teilnovelle Tarifpost

ua UFS UFSjournal UGB UrhG uva UVS UWG

und andere; unter anderem Unabhängiger Finanzsenat Zeitschrift zu den Entscheidungen des UFS Unternehmensgesetzbuch BGBl I 2005/120 Urheberrechtsgesetz BGBl 1936/111 und viele andere Unabhängiger Verwaltungssenat Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb BGBl 1984/448

VAG VersR verst VersVG VerVVers VfGH VfSlg VG vgl VKrG vlbg VO VR VVG VwGH VwSlg VWT

Versicherungsaufsichtsgesetz BGBl 1978/569 Versicherungsrecht (Zeitschrift) verstärkt Versicherungsvertragsgesetz BGBl 1959/2 Veröffentlichungen des Bundesministeriums für Finanzen betreffend die Vertragsversicherung Verfassungsgerichtshof Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes Verwaltungsgericht vergleiche Verbraucherkreditgesetz BGBl I 2010/28 vorarlberger Verordnung Versicherungsrundschau (deutsches) Versicherungsvertragsgesetz Verwaltungsgerichtshof Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes (Sammlung) Der Wirtschaftstreuhänder (Zeitschrift)

WAG wbl WM wr WRG WRP WT

Wertpapieraufsichtsgesetz BGBl I 2007/107 wirtschaftsrechtliche Blätter Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht – Wertpapiermitteilungen wiener Wasserrechtsgesetz BGBl 1959/215 Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) Der Wirtschaftstreuhänder (Zeitschrift, deutsch)

Z Zak ZAS zB ZBl ZfB

Zahl Zivilrecht aktuell (Zeitschrift) Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht zum Beispiel Zentralblatt für die juristische Praxis Zeitschrift für Bergrecht

12

Abkürzungsverzeichnis

ZfRV ZfV ZfVB ZfWG ZHR ZIK ZLB ZPO ZStW ZUS zust zutr ZVB ZVersWiss

Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für Verwaltung Die administrativrechtlichen Entscheidungen des VwGH und die verwaltungsrechtlich relevanten Entscheidungen des VfGH in lückenloser Reichenfolge (Beilage zur ZfV) Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Insolvenzrecht und Kreditschutz Österreichische Zeitschrift für Liegenschaftsbewertung Zivilprozessordnung RGBl 1895/113 Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Unternehmensnachfolge & Steuerplanung zustimmend zutreffend Zeitschrift für Vergaberecht und Beschaffungspraxis Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft

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§ 938

Achtzehntes Hauptstück Von Schenkungen Schenkung §Â€938. Ein Vertrag, wodurch eine Sache jemandem unentgeltlich überlassen wird, heißt eine Schenkung. Stammfassung JGS 1811/946. Lit: Frankl, Die Formerfordernisse der Schenkung (1883); Liebisch, Das Wesen der unentgeltlichen Zuwendungen unter Lebenden 1927); Hohenfels, Schenkungsverträge mit Rückfallvereinbarung, NZ 1949, 39; Kulka, Unentgeltlichkeit und Freigebigkeit, ÖJZ 1969, 477, Migsch, Die sogenannte Pflichtschenkung, AcP 173, 46; Kocevar, Unentgeltliche Dienstleistungen, DRdA 1975, 77; Mayrhofer, Zur Rechtsnatur der „Dauerleihe“ an Museen und ähnliche Einrichtungen, NZ 1975, 86; Eccher, Antizipative Erbfolge (1980); Hofmann-Wellenhof, Erbverzicht und Ausschlagung der Erbschaft aus zivilrechtlicher Sicht, NZ 1984, 17; Edlbacher, Vermögenskurator für die Scheidungswaise, ÖJZ 1985, 675; Zemen, Im Zweifel Darlehen oder Leihe statt Schenkung?, JBl 1986, 205; Schmidinger, Subventionen aus Sicht eines Kreditinstitutes, ÖBA 1988, 19; Kralik/Beer, Die Schenkung unter auflösender Bedingung, NetV 1997, 14; Weinberger, Das Institut der mittelbaren Grundstücksschenkung, 1997,112; Nowotny, Zivilrechtliches zum Schenken von Sparbüchern und Bankguthaben, RdW 2000, 714; Taucher, Dispositionen über erbrechtliche Ansprüche, NZ 2001, 117; P. Bydlinski/ F. Bydlinski, Gesetzliche Formgebote für Rechtsgeschäfte auf dem Prüfstand (2001); Vollmaier, Die Form des dreipersonalen Pfandverhältnisses, JBl 2005, 545; Kogler, Der Erbverzicht (2013).

Übersicht I. Allgemeines II. Begriff der Schenkung 1. Vertrag 2. Sache a) Allgemeines b) Unkörperliche Sache c) Dienstleistungen d) Unterlassungspflichten e) Naturkräfte f) Vermögen, Unternehmen g) Künftige Sachen h) Fremde Sachen 3. Überlassung der Sache 4. Unentgeltlichkeit und Freigebigkeit a) Begriff b) Schenkungsabsicht

1–3 4–37 4–9 10–20 10 11–13 14–15 16 17 18 19 20 21–22 23–37 23–29 30 15

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c) Scheingeschäft d) Behauptungs- und Beweislast e) Bereicherung und Vermögensaufopferung f ) Motiv III. Gemischte Schenkung 1. Begriff 2. Rechtliche Behandlung IV. Einzel- und Grenzfälle 1. Unterhalt 2. Übergabevertrag, Abfindung und Erbschaftsvorhilfe, Erbverzicht 3. Erbschaftsschenkung 4. Kulanz und Entgelterhöhung 5. Vorkaufsrecht 6. Gesellschaftsvertrag 7. Ehepakte 8. Lebensversicherung zugunsten eines Dritten 9. Schadenersatz 10. Bürgschaft, Pfandrecht und andere Sicherungsrechte 11. Schulderlass 12. Zahlung für einen Dritten 13. Erfüllung einer Naturalobligation

31 32–35 36 37 38–47 38–39 40–47 48–81 48–50 51–53 54–58 59–62 63 64–66 67–69 70 71–72 73–77 78 79 80–81

I. Allgemeines 1

Der Begriff „Schenkung“ wurde vor allem früher in verschiedener Bedeutung verwendet, was zu Unklarheiten hinsichtlich seiner Stellung im Rechtssystem geführt hat. So wurde er als Rechtsgrund (causa donandi neben der causa credendi und solvendi) für die Veränderung von Vermögensrechten, nämlich für Zuwendungen, angesehen; man sprach ihm einen „allgemeinen Charakter“ zu, den die allerverschiedensten Rechtsgeschäfte annehmen könnten; manche fassten ihn als Eigentumserwerbsart auf; andere verwiesen ihn ins Obligationenrecht.1 Die Redaktoren des ABGB gingen von einem zweifachen Schenkungsbegriff aus, einem engeren und einem weiteren, wobei letzterer jede unentgeltliche Zuwendung umfasste, ein Sprachgebrauch, der auch heute noch gängig ist.2 Heute wird die Schenkung iSd §§ 938 ff , also die Schenkung ieS, allgemein als obligatorischer Vertrag verstanden, der auf dauernde Zuweisung des Schenkungsobjektes gerichtet ist, gleichzeitig aber den Prototyp der unentgeltlichen Rechtsgeschäfte darstellt.3 Das ABGB regelt die Schenkung ieS als einen Schuldvertragstypus. Es 2 handelt von ihr im Anschluss an die Lehre von Verträgen (und RechtsgeschäfDazu mit näheren Angaben Stanzl in Klang2 IV/1, 583. Zeiller, Comm III/1 154 f; Stubenrauch II 7. Aufl 132; Swoboda in Klang1 II/1 606 f und Vollmaier, JBl 2005, 558f; auch P. Bydlinski/F. Bydlinski, Gesetzliche Formgebote für Rechtsgeschäfte auf dem Prüfstand (2001) 63 unterscheiden zwischen Schenkung ieS und iwS. 3  Koziol/Welser13 I 190; Binder in Schwimann3 IV § 985 Rz 1 und 3; Schubert in Rummel3 I § 985 Rz 3. 1  2 

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ten) überhaupt (17. Hauptstück), wobei im 18. bis 29. Hauptstück teils schlechterdings unentgeltliche Verträge wie die Schenkung und der Leihvertrag, teils rein entgeltliche wie der Tausch-, Kauf- und Bestandvertrag, teils gemischte wie etwa Darlehens-, Verwahrungs- und Bevollmächtigungsvertrag behandelt werden. Das oben angedeutete Theorien- und Konstruktionsrecht ist damit zwar als solches für das österreichische Recht bedeutungslos geworden, strittig sind aber immer wieder die Fragen, wie weit der Bereich der Schenkung ieS reicht und inwieweit die Formvorschrift des § 943 bzw des § 1 lit d NotAktsG auch auf Schenkungen iwS, also andere unentgeltliche Rechtsgeschäfte, anzuwenden ist. Es kann daher zu Auslegungs- und Abgrenzungsproblemen zu diesen Verträgen, aber auch zu Ehepakten4 kommen. Die Regeln des Schenkungsvertrages nach §§ 938 ff sind daher unanwend- 3 bar, soweit Sondervorschriften für unentgeltliche Zuwendungen durch besondere Vertragstypen bestehen.5

II. Begriff der Schenkung 1. Vertrag Die Schenkung ist ein Vertrag und zwar ein schuldrechtlicher Vertrag. 4 Sie begründet stets obligatorische Pflichten und Rechte zwischen den Vertragsteilen, die allerdings Besonderheiten aufweist, wie zB die verschiedenen Fälle der Widerrufsberechtigung (§§ 946 ff). Zu den obligatorischen Pflichten gehört auch die Haftpflicht des Schenkers (§ 945), die im Verhältnis zu anderen (entgeltlichen) Vertragstypen abgeschwächt, aber keineswegs beseitigt ist. Nichts anderes gilt für die Hand- oder Realschenkung, bei der lediglich Abschluss und Erfüllung des Vertrages zusammenfallen. Die Schenkung ist ein (formpflichtiger) Konsensualvertrag, der durch 5 übereinstimmende Willensäußerungen des Schenkers und des Beschenkten zustande kommt. Diese Willensäußerung muss darauf gerichtet sein, dass der Schenker dem Beschenkten eine Sache unentgeltlich überlässt und sie dieser so annimmt; es muss also mit Schenkungswillen (animus donandi) gegeben und empfangen werden6 (dazu unten unter Rz 30). Erst die beiderseitigen Willenserklärungen erzeugen den Vertrag. Bloße Gefälligkeitshandlungen des täglichen Lebens und im gesellschaftlichen Verkehr ohne rechtsgeschäftlichen Charakter sind daher keine Schenkungen.7 Bei Abgrenzungsproblemen entscheidet letztlich die „Parallelwertung in der Laiensphäre“. Die Einladung zu einem Mittagessen ist also idR kein Schenkungsversprechen, das Mitbringsel aber sehr wohl eine Schenkung, die Einräumung einer Mitfahrgelegenheit nach diesem Mittagessen idR wiederum nicht. Die Unterscheidung wirkt sich praktisch vor allem in der Vertragshaftung aus. Aus demselben Grund – dem Fehlen beiderseitiger Willenserklärung – handelt es sich bei der Dereliktion Koziol/Welser13 I 191; OGH 7 Ob 102/72, JBl 1973, 32 (F. Bydlinski). Koziol/Welser13 II 190. 6  Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV§ 938 Rz 2; OGH 5 Ob 16/72, SZ 45/35; 5 Ob 29, 100/75, SZ 48/68 uza. 7  Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 1. 4  5 

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einer Sache mit nachfolgender Aneignung durch eine andere Person nicht um eine Schenkung, mag auch zB bei der Irrtumsanfechtung der Dereliktion zwecks Rückgängigmachung des Eigentumserwerbes durch den Okkupanten die analoge Anwendung der einschlägigen Vorschriften für die unentgeltlichen Rechtsgeschäfte geboten sein.8 Schenkungsanbot und -annahme müssen nicht ausdrücklich erklärt werden; sie können sich auch aus einem schlüssigen Verhalten des Schenkers oder (und) des Beschenkten ergeben.9 Im schlüssigen Schenkungsanbot wird oft die „wirkliche Übergabe“ iSd § 943 liegen. Zu besonderer Großzügigkeit bei der Beurteilung eines Verhaltens des Beschenkten als schlüssig besteht nur dann Anlass, wenn es offensichtlich ist, dass die Annahme des Geschenks für ihn nur oder deutlich überwiegende Vorteile hat. Das Erfordernis der Zustimmung des Beschenkten zur Schenkung hat nicht nur konstruktive sondern auch gute sachliche Gründe. Müsste sich dieser ein Geschenk aufdrängen lassen, so könnten ihm daraus zunächst eine lästige gesellschaftliche Verpflichtung entstehen, vor allem aber könnte die geschenkte Sache schadensträchtige Mängel aufweisen oder ihre Übernahme lästige rechtliche Pflichten auslösen. Das traditionelle Lehrbuchbeispiel ist das geschenkte Tier, das an Maul- und Klauenseuche leidet und nun den ganzen Stall des Beschenkten ansteckt, näher liegt uns heute der Fall des Verschenkens einer gebrauchten Sache, für die der Geschenkgeber keine Verwendung mehr hat oder auch die Zuwendung eines schwer kontaminierten Grundstücks. Bei Verträgen zugunsten Dritter ist allerdings zu beachten, dass es hier um ein Dreipersonenverhältnis geht und der Vertragspartner des Schenkenden im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht einmal wissen muss, wer bedacht wird.10 Aus diesem Grund bedarf es hier zwar nicht der Annahme der Schenkung durch den Begünstigten, doch kann dieser die Zuwendung gem §  881 Abs 2 ausschlagen11 (näheres unter § 943 Rz 19). Der Schuldner kann auch nicht verhindern, dass ein Dritter für ihn die Schuld zahlt, muss aber die Zahlung nicht als Geschenk annehmen und ist dann der Kondiktion des Zahlenden ausgesetzt (dazu Rz 80); zum Schuld­erlass s § 939 und § 943. Der Schenkungsvertrag kann bedingt abgeschlossen werden und zwar sind sowohl Suspensiv- als auch Resolutivbedingungen zulässig;12 zu den Besonderheiten der Schenkung auf den Todesfall s § 956, zur Schenkung unter Auflage s §§ 940, 941; zur Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Schenkung s Rz 32 ff.

Ertl, Aneignung preisgegebener Sachen, JBl 1974, 281 und 342. Stanzl in Klang2 IV/1, 584 mit Fallbeispielen aus der älteren Rsp in FN 11; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 1. 10  Der Extremfall wäre hier die Versicherung für Rechnung „wen es angeht“ (§ 80 VersVG), bei der nicht nur offen bleibt, wer im Versicherungsfall begünstigter Dritter sein soll, sondern sogar, ob das nicht der VN selbst sein wird. 11  OGH 3 Ob 627/77, SZ 51/82; Schubert in Rummel3 I § 983 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 5. 12  Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 3f. 8  9 

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2. Sache a) Allgemeines Geschenkt wird eine Sache. Der Begriff der Sache ergibt sich aus § 285. 10 Schon wegen dieses weiten Sachbegriffs kann die Schenkung verschiedenen Erfüllungsgeschäften, so der Übertragung, Begründung oder Aufgabe eines dinglichen Rechtes an einer Sache, dem Erlass (§ 1381) oder der Abtretung einer Forderung zugrunde liegen. Die Sache muss lediglich einen Wert verkörpern und im Verkehr stehen.13 Darüber hinaus darf kein im Gesetz besonders geregelter Vertragstypus eines anderen unentgeltlichen Vertrages vorliegen, also insb Leihe, unentgeltliches Darlehen, Verwahrungsvertrag, Bevollmächtigungsvertrag.14 Umstritten ist die Behandlung eines Vertrages über Dienstleistungen, näheres dazu unter Rz 14 f. Auch soweit keine dauernde Zuordnung einer Sache vorliegt, kommt die unmittelbare Anwendung von Schenkungsrecht nicht in Betracht, doch bedeutet das nicht, dass nur Rechte von grundsätzlich unbeschränkter Dauer (wie vor allem das Eigentum) verschenkt werden können. Verschenkbare Rechte können nach allgemeiner Auffassung ihrer Natur nach auch begrenzt sein und so gibt es hier zahlreiche Abgrenzungsfragen. Dies betrifft vor allem unentgeltlich eingeräumte Bestandrechte.15 Die Leihe ist jedenfalls besonders „vertypt“ und daher keine Schenkung. Sie ist aber von einem geschenkten Bestandrecht manchmal kaum zu unterscheiden. Ein Servitut des Wohnungsrechtes ähnelt hinsichtlich der dauernden oder doch langfristigen Zuwendung einem Pfandrecht, das nach allgemeiner Auffassung ebenfalls geschenkt werden kann. Schließlich können neben einer Dienstbarkeit oder einem Fruchtgenuss16 auch Forderungen unabhängig von ihrer Dauer geschenkt werden, sodass einer schenkungsweisen Abtretung von Bestandrechten nichts im Wege steht.17 Auch sonst kann, der Art der geschenkten Sache entsprechend, die Schenkung sogar als solche die Form eines Dauerschuldverhältnisses annehmen und daher auch aufgekündigt werden. Insgesamt muss gesagt werden, dass die von der hM vorgenommene Abgrenzung zwischen Schenkungen und allgemein unentgeltlichen Rechtsgeschäften (Schenkungen ieS und iwS) gerade auch im Hinblick auf das Erfordernis der dauernden Zuordnung des Schenkungsobjektes immer wieder unklar und inkonsequent ist. Schuld daran trägt vor allem das vom Verkehr in manchen Fällen als überstreng empfundene und daher nicht gelebte Formerfordernis des Notariatsaktes mangels wirklicher Übergabe, näheres s § 943.

Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 10. Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 2; Koziol/Welser13 II 190; vgl auch Stanzl in Klang2 IV/1, 584 und Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 1 ff; auch schon Ehrenzweig, System II/12 364. 15  Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 3 und OGH 6 Ob 327/71, MietSlg 24.098. Zu verschiedenen Sonderfällen vgl allerdings Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 13 und 14 mit weiteren Nachweis­ungen aus der Rsp: OGH 1 Ob 616/49, MietSlg 1.135 (9); OLG Wien 12 R 153/93 EF 68.988; OGH 1 Ob 285/55, JBl 1955, 473 (krit Gschnitzer); 1 Ob 491/53, MietSlg 2.791; 8 Ob 194/62, MietSlg 9.361. 16  Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 2. 17  OGH 6 Ob 327/71, MietSlg 24.098; Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 2. 13  14 

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b) Unkörperliche Sachen 11

Im Urentwurf (III § 50) war die Schenkung als ein Vertrag umschrieben, „wodurch eine Sache oder ein Recht unentgeltlich übertragen wird, … ohne Unterschied, ob die Übergabe sogleich oder später erfolge“. Die Worte „oder ein Recht“ wurden infolge Erinnerung der juristischen Fakultät von Wien gestrichen, weil „unter dem allgemeinen Ausdruck: „Sache“ auch die unkörperliche oder das Recht schon begriffen sei“.18 Auf die Schenkung von Rechten nimmt auch § 1381 Bezug. Unproblematisch ist die Schenkung von körperlichen Sachen, der Kern12 fall der gesetzlichen Regelung. Nach § 285 a sind Tiere zwar keine Sachen, werden aber als solche behandelt, soweit keine abweichenden Regelungen bestehen. Da Tiere jedoch auch Gegenstand des Eigentums sind,19 können sie verschenkt werden. Geschenkt werden können ferner Forderungen20 und Anwartschaften21, also zB Abfertigungs- und Betriebspensionsanwartschaften, aber auch die Rechtsposition eines Vorbehaltskäufers, aber auch diejenige eines Vorbehaltsverkäufers, näheres unter Rz 13 und 63. Allgemein anerkannt22 sind Schenkungen von Immaterialgüterrechten, so zB von Werknutzungsrechten und Werknutzungsbewilligungen (§  24 UrhG). Welche Befugnisse einem Schenkungsnehmer übertragen worden sind, ist iZw nach dem praktischen Zweck der ins Auge gefassten Werknutzung zu bestimmen.23 Das Urheberrecht selbst ist vererblich und kann (nur) durch Schenkung auf den Todesfall übertragen werden (§ 23 UrhG), doch steht dies einer Schenkung der Tantiemen auch unter Lebenden nicht im Wege.24 Das Recht aus der Anmeldung eines Patents und das Patentrecht sind mögliche Gegenstände von Schenkungen, und zwar auch von Schenkungen unter Lebenden (§ 33 PatG). Markenrechte können unabhängig von einem Eigentümerwechsel am Unternehmen verschenkt werden, solange damit keine Täuschungsgefahr verbunden ist (nähere Regelung in § 11 MSchG). Die Zulässigkeit der selbständigen Schenkung von Gestaltungsrech13 ten25 ist ein schwieriges und vielschichtiges Problem, das nicht generell beantwortet werden kann und die Gerichte vor allem im Zusammenhang mit Vorkaufsrechten beschäftigt hat. Zwar weisen auch solche einen Vermögenswert auf, die hM lehnt eine Schenkung aber zutreffend ab, da das Vorkaufsrecht unselbständiger Teil einer auf entgeltlichen Austausch angelegten Vertragslage ist. Bei der Begründung des Vorkaufsrechtes fehlt es an der zwischen den Vertragsschließenden definitiven Übertragung eines selbständigen Rechts. Das Ofner II 24. Spielbüchler in Rummel3 I § 285 a Rz 2; auch Klicka in Schwimann3 II § 285a Rz 1. 20  Ertl in Rummel3 II/3 § 1392 Rz 2. 21  Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 10; Vollmaier, 22  Stanzl in Klang2 IV/1, 585; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 2; Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 13; OGH 4 Ob 93/94, SZ 67/172 = ÖBl 1995, 131; 4 Ob 53/04d, MR 2005, 107. 23  OGH 4 Ob 53/04d, MR 2005, 107. 24  Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 13; ÖBl 1959, 14. 25  Zum allgemeinen Problem der Zession von Gestaltungsrechten vgl Ertl in Rummel3 II/3 § 1393 Rz 5; Heidinger in Schwimann3 VI § 1393 Rz 15 ff; Neumayr in KBB3 § 1393 Rz 8; jeweils mwN. 18  19 

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Gestaltungsrecht ist also nur vorübergehend eingeräumt, es soll den eigentlichen (als bedingt) geplanten Leistungsaustausch nur vorbereiten. Allerdings können die Parteien eine besondere Entgeltbeziehung unabhängig von diesem zugrundeliegenden Vertrages vereinbaren, doch hat das Recht selbst dann nur vorübergehenden Charakter;26 siehe dazu auch unter Rz 63. Ganz allgemein lässt sich darüber hinaus sagen, dass akzessorische Nebenrechte dann verschenkt werden können, wenn deren Zession grundsätzlich möglich ist.27 c) Dienstleistungen Dienstleistungen sind Sachen iSd § 938, sie werden in § 303 sogar ausdrück- 14 lich unter den schätzbaren Sachen angeführt. Auch durch freigebige Dienstleistungen werden Vermögenswerte übertragen, der Zuwendungsempfänger erspart sich die Zahlung des Lohns und der Versprechende begibt sich für die Zukunft des Lohnes. Daher wenden die Rsp und große Teile des Schrifttums Schenkungsrecht auf die Zuwendung von Dienstleistungen an.28 Dagegen spricht jedoch entscheidend, dass die Zuwendung von Dienstleistungen in §§  1151 ff gesetzlich eigens behandelt wird. Da es sich in diesen Fällen jedenfalls um unentgeltliche Rechtsgeschäfte handelt, die deren Anfechtungs­regeln unterliegen, liegt der Hauptunterschied in der Anwendung des §  1 lit d NotAktsG: Hier müsste die analoge Anwendung der Notariatsaktspflicht eigens begründet werden, bei unmittelbarer Anwendung von Schenkungsrecht hingegen deren Nichtanwendung durch teleologische Reduktion (dazu siehe § 943 Rz 23 ff). Die Folgen zeigen sich im Fall der E OGH 6 Ob 808/83, SZ 59/11 besonders krass: Ein Luftbeförderungsunternehmen, Mitglied der IATA, wird von einem Fluggast auf Gewährung eines Freifluges in Anspruch genommen, der möglicherweise auch noch gegen das RabattG verstoßen hat. Der OGH hat die behauptete Zusage des Freifluges mangels Vorliegens eines Notariatsaktes als formungültig gewertet und die Frage des Übereilungsschutzes nicht näher geprüft. Auch wenn die Unterstellung von Dienstleistungen unter den Begriff des 15 Schenkungsvertrages grundsätzlich gebilligt wird, liegt ein solcher nicht vor, wenn Dienste auf Grund familienrechtlicher Verhältnisse oder im Rahmen einer Lebensgemeinschaft, der Nachbarschaftshilfe oder aus Erkenntlichkeit geleistet werden.29 Schenkungsabsicht wird allerdings idR vorliegen, wenn der Rahmen dieser Beziehungen mit dem Gebotenen weit überschritten wird. Ebenso ist es bei Zuwendungen an die „Geliebte“ für Erwerb und Renovierung eines Häuschens.30 26  F. Bydlinski in Klang2 IV/2, 760 ff; Aicher in Rummel3 I § 1072 Rz 8; vgl auch Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 13; 1 Ob 108/03vRdW 2004, 659; aM Faistenberger, Das Vorkaufsrecht (1967) 21. 27  Siehe dazu oben unter FN 24. 28  Stanzl in Klang2 IV/1, 585 f; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 2; Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 2; SZ 7/155; OGH 6 Ob 808/83, SZ 59/11 = JBl 1986, 526 (krit Pfersmann) = RdW 1986, 174 (gemischter Vertrag, dessen Schwergewicht auf einer Dienstleistung liegt); dagegen Ehren­ zweig, System II/12, 362; Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 11; Kocevar, DRdA 1975, 77; vgl Voll­maier, JBl 2005, 560 f. 29  Stanzl in Klang2 IV/1, 587 f; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 2 30  RdW 1991, 226 zu OGH 8 Ob 560/90; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 2.

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d) Unterlassungspflichten 16

Mögliche Gegenstände einer Schenkung sind auch Unterlassungspflichten.31 Die besondere Pflicht, etwas zu unterlassen, wozu man an sich berechtigt wäre, kann Gegenstand des Rechtsverkehrs werden, hat ihren Preis und ist daher Sache im Rechtssinn. e) Naturkräfte

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Die freie Luft, das offene Meer, das fließende Wasser als Ganzes sind nicht beherrschbar und daher nicht Gegenstand des Rechtsverkehrs. Auf beherrschte Naturkräfte und künstlich erzeugte Energien32 (also vor allem Elektrizität und Dampfkraft) trifft dies nicht zu, sie sind daher Gegenstand der Schenkung. f) Vermögen, Unternehmen

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Auch ein Vermögen (§Â€ 944) oder ein Unternehmen können geschenkt werden; siehe darüber die Erl zu §Â€944. Das gilt insbesondere auch für Gesellschaftsanteile, also vor allem Aktien (§Â€ 61 AktG), Geschäftsanteile einer GmbH (§Â€ 76 GmbHG), aber auch für Anteile an Personengesellschaften;33 siehe auch unter Rz€64 ff. g) Künftige Sachen

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Nicht nur bereits vorhandene, sondern auch künftige Sachen können geschenkt werden, so die erwarteten Früchte und auch künftigen Rechte, umso mehr angefallene Rechte (§Â€939).34 Vorausgesetzt ist allerdings, dass die künftigen Rechte bestimmbar sind, dh die Personen und das Grundverhältnis feststehen, aus dem in Zukunft das Recht entstehen soll.35 Es genügt, wenn die Forderungen ausreichend individualisiert sind, und zwar im Zeitpunkt der Fälligkeit der Schenkungsverpflichtung. Auch sonst sind im Wesentlichen die Grundsätze der Zession künftiger Forderungen anzuwenden36. Für künftige körperliche Sachen kommt nur das Schenkungsversprechen in Betracht, nicht die Handschenkung. Bei der Schenkung von Forderungen kann das Formgebot des §Â€943 auch durch Verständigung des Schuldners erfüllt werden, näheres Stanzl in Klang2 IV/1, 586; Schubert in Rummel3 I §Â€938 Rz€2. Nowak NF 1339; SZ 4/83; SZ 7/410; Koziol/Welser13 I 243. 33╇ Binder in Schwimann3 IV §Â€938 Rz€14; VwGH 90/15/0084 NZ 1992, 127 uza. 34╇ Ehrenzweig, System II/12, 362; Schubert in Rummel3 I §Â€938 Rz€2. 35╇Binder in Schwimann3 IV §Â€938 Rz€10; Stanzl in Klang2 IV/1, 586. Das von ihm aus der Rsp gegebene Beispiel für eine nicht genügend bestimmte Schenkung – ein Garagenbesitzer tritt die „vom allfällig zu erwartenden monatlichen Einkommen für die Garagierung“ ihm zukommenden Geldbeträge an einen anderen ab (ZBL 1929/101) – dürfte allerdings zu streng beurteilt worden sein: Bekommt der Garagenbesitzer kein Einkommen aus der Garagierung, dann geht eben auch der Beschenkte leer aus. Unbestimmt wäre die Formulierung nur dann, wenn nicht (auch nach Anwendung des §Â€915) klar ist, ob jedes Einkommen aus der Garagierung abgetreten wird und auf welche Zeitspanne. 36╇ Dazu Ertl in Rummel3 II/3 §Â€1393 Rz€4 mwN. 31╇ 32╇

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unter Rz 12 zu § 943. Umgekehrt ist es auch möglich nur die Sache selbst zu schenken und sich die Natural- oder Zivilfrüchte vorzubehalten, zB einen Zinsbezug an einem geschenkten Kapital. h) Fremde Sachen Aus §  945 geht unzweifelhaft hervor, dass gültige Schenkungsverträge 20 auch über fremde Sachen abgeschlossen werden können. Es ist dann Sache des Geschenkgebers, für die Erlangung der Berechtigung zu sorgen. 3. Überlassung der Sache Die Sache wird dem Beschenkten überlassen. Damit sind Handschen- 21 kung und Schenkungsversprechen erfasst. In der Gesetzgebungskommission war vorgeschlagen worden, anstatt des zunächst vorgeschlagenen Wortes „übertragen“ besser zu sagen „zusichern“, weil übertragen soviel wie übergeben heiße.37 Damit wäre aber nur das Schenkungsversprechen getroffen worden. Der Ausdruck „überlassen“ umfasst beides. Bei der Handschenkung fallen Abschluss und Erfüllung des Schenkungsversprechens zusammen, beim Schenkungsversprechen folgt die Erfüllung dem Versprechen nach. Der Schenkungsvertrag ist daher kein Realvertrag, sondern ein – allerdings formgebundener (§ 943) – Konsensualvertrag. Auch bei einem Schenkungsvertrag ohne Beachtung der Formvorschriften wird durch die spätere Übergabe die spätere Vereinbarung erfüllt, weshalb nicht wegen Ungültigkeit zurückgefordert werden kann,38 es sei denn dies widerspricht dem Zweck dieses Formgebotes, Näheres unter §  943. Folgt die wirkliche Übergabe iSd §  943 dem Schenkungsversprechen nach, so ist das Formgebot erfüllt und es bedarf keiner neuerlichen Willenseinigung der Parteien.39 Wird ein Geldbetrag zum Erwerb einer Sache geschenkt, so entscheidet 22 der Parteienwille, ob unmittelbar der Geldbetrag oder mittelbar die Sache unentgeltlich zugewendet werden soll.40 Im Zweifelsfall ist Letzteres anzunehmen41, was vor allem im Widerrufsfall von Bedeutung ist.42 Aus wessen Mitteln die geschenkte Sache angeschafft wurde, ist bedeutungslos.43 Zu den Formvorschriften bei Schenkung unkörperlicher Sachen s §  943 Rz 12 ff. Als Überlassung ist auch der schenkungsweise Erlass einer Schuld, die schenkungsweise Aufgabe eines Rechts gegenüber dem Verpflichteten, anzusehen. Dabei ist aber immer wesentlich, dass der Beschenkte annimmt.

Ofner II 24. Stanzl in Klang2 IV/1, 587. 39  Schubert in Rummel3 I § 943 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 10; OGH 6 Ob 87/64, SZ 37/48. 40  Stanzl in Klang2 IV/1, 587. 41  VwGH 89/16/0068 ecolex 1991, 646. 42  Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 12. 43  SZ 10/98. 37  38 

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4. Unentgeltlichkeit und Freigebigkeit a) Begriff 23

Die Sache muss unentgeltlich überlassen werden. Darin liegt das entscheidende Merkmal der Schenkung. Unentgeltlichkeit bedeutet, dass der Schenker dem Beschenkten die Sache ohne Gegenleistung und auch nicht als Erfüllung einer Verbindlichkeit überlässt. Insofern handelt der Geschenkgeber jedenfalls freigiebig. Darüber, ob der andere Teil eine Gegenleistung erbringt oder der Leistende eine Verpflichtung erfüllt, befindet grundsätzlich der Parteienwille. Entgeltlichkeit liegt nicht nur vor, wenn Leistung und Gegenleistung durch gegenseitigen Vertrag versprochen werden (synallagmatische Verknüpfung), sondern auch wenn die Verpflichtung zur Leistung an die Bedingung einer Gegenleistung geknüpft (konditionale Verknüpfung) oder wenn die Gegenleistung als Zweck der Leistung vereinbart wird (kausale Verknüpfung).44 Auch im letzten Fall ist Konsequenz der Entgeltlichkeit, dass bei Wegfall der einen Leistung Anspruch auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung besteht.45 Gelegentlich wird zur Annahme einer echten Schenkung auch Freiwilligkeit, Liberalität oder Freigebigkeit gefordert.46 Gemeint ist damit nicht einfach, dass es keine Gegenleistung gibt, sondern dass der Geschenkgeber bei Vertragsabschluss nicht unter dem Druck von Sitte und Anstand stehen darf. Zweck dieses aus dem Gesetz nicht ableitbaren Erfordernisses ist es, die Pflichtschenkung aus dem Schenkungsrecht zu lösen und überdies den Begriff der entgeltsfremden Rechtsgeschäfte als kontradiktorischen Gegensatz zu den entgeltlichen und unentgeltlichen zu untermauern; siehe dazu unten unter Rz 25 ff. Was bei einem entgeltlichen Vertrag als Gegenleistung zu verstehen ist, 24 darüber entscheidet also letztlich der Parteiwille.47 Es ist daher nicht notwendig, dass sie gleichwertig ist oder auch nur überhaupt einen Vermögenswert hat. Es genügt vielmehr nach allgemeiner Auffassung jedes (wenigstens prinzipiell eigenwirtschaftliche) Interesse am versprochenen Verhalten des Empfängers, um Schenkung auszuschließen.48 Auch eine bloß erhoffte Gegenleistung schließt nach der Rsp den Schenkungscharakter, also die Unentgeltlich44  Stanzl in Klang2 IV/1, 587; ebenso Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 4 und Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 7, OGH 3 Ob 217/09x, JBl 2010, 502. 45  Binder in Schwimann3 IV§ 917 Rz 6, § 938 Rz 32 und § 942 Rz 1 ff; für kausale Verknüpfung OGH 6 Ob 632/88, MietSlg 40.698. 46  Kulka, ÖJZ 1969, 477; auch Migsch, AcP 173, 46. 47 Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 4; Kerschner, Irrtumsanfechtung 99. 48  OGH 1 Ob 785/82, SZ 56/30 = EvBl 1983/133; 6 Ob 227/70, JBl 1971, 197; VwGH 99/16/0187, immolex 2000/172 = MietSlg 52.921; Stanzl in Klang2 IV/1, 587 f; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 4 und § 940 f Rz 4; Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 30. Ein Beispiel für das Fehlen des eigenwirtschaftlichen Interesses bietet die E OGH 5 Ob 180/07t, Zak 2008/270, 154 = bbl 2008/103, 128: Hier hatte eine Gemeinde mit „Einbringungsvertrag“ eine Liegenschaft ohne Entgelt an eine KG übertragen, deren Kommanditistin sie selbst war; damit sollte der KG ermöglicht werden, ihrer Aufgabe der „Errichtung und Verwaltung der Gebäudeinfrastruktur für Feuerwehrhäuser“ nachzukommen. Dieser „Einbringungsvertrag“ war daher auch nicht notariatsaktspflichtig.

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keit, nicht aus.49 Damit treten Abgrenzungsschwierigkeiten auf, weil auch völlig unproblematisch als Schenkung anerkannte Rechtsgeschäfte häufig nicht bar aller wirtschaftlichen Hintergedanken zu sein pflegen. Entgeltliche Stundung als Gegenleistung für die Einräumung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots: OGH 1 Ob 785/82, SZ 56/30 = EvBl 1983/133; Zuwendung ehelichen Gebrauchsvermögens bzw von Ersparnissen als Entgelt für die Zustimmung zur einverständlichen Scheidung nach §  55a EheG: OGH 7 Ob 671/85, SZ 58/209 = EvBl 1986/106; Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung ist ein entgeltliches Geschäft, OGH 4 Ob 219/09y, JBl 2010, 440 (Kogler). Die Gegenleistung kann auch in einer Zuwendung an Dritte50 oder auch in einer Unterlassung bestehen. Die Erfüllung allgemeiner moralischer Pflichten kann als solche aber nicht gewertet werden.51 Die Verbindlichkeit, die der Leistende erfüllen will, braucht keine erzwing- 25 bare Rechtspflicht sein. Die Verweigerung der staatlichen Hilfe bei der Durchsetzung der Naturalobligation ändert nichts daran, dass der Naturalschuldner wirklich schuldet. Hat er seine Schuld erfüllt, kann er nicht kondizieren.52 Strittig ist, ob sogenannte „Pflicht-“ und „Anstandsschenkungen“ dem Schenkungsrecht unterliegen, also Zuwendungen, die nach gesellschaftlicher Anschauung zwar nicht rechtlich, aber moralisch gefordert werden können, deren Unterlassung als Anstandsverletzung gilt und eine Minderung der Achtung nach sich zieht. Die unentgeltliche Verfügung muss also im Zeitpunkt ihrer Vornahme nach Maßgabe ihres Anlasses, der Beziehungen des Schuldners zum Bedachten und den gesamten persönlichen Vermögensverhältnissen des Schuldners dadurch veranlasst sein, dass ihre Unterlassung den Schuldner dem Vorwurf sittlicher Minderwertigkeit aussetzen würde. Das ist namentlich dort der Fall, wo die sittliche Anschauung, die der Normierung einer gesetzlichen Verpflichtung zugrunde liegt, über deren Bereich hinaus Befolgung gebietet.53 Die Rsp betont, dass hier grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen ist,54 wobei es in aller Regel um Fragen der Gläubigeranfechtung geht. Als Anstandsschenkung hat die Rsp zB anerkannt: Pflege durch den Bei- 26 standspflichtigen, um dem Geschenkgeber den Aufenthalt in einem Krankenhaus, Pflege- oder Altersheim zu ersparen, soweit sie weit über diese Rechtspflicht hinausgeht.55 Diese Grundsätze sind auch für entsprechende Schenkungen an den Lebensgefährten angewendet worden.56 Streng ist die Rsp vor allem dann, wenn der Verdacht der Gläubigerschädigung im Raume steht, wenn es also nicht nur um die Schenkungsanrechnung nach § 785 Abs 3 geht, 49 

OGH 3 Ob 217/09x, JBl 2010, 502. ZB OGH 1 Ob 785/82, SZ 56/30; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 4; Bollenberger KBB3 § 938 Rz 3. 51  Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 30 und auch schon GlU 8.758 und 9.847. 52  Stanzl in Klang2 IV/1, 588; Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 28. 53  Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 4; Petschek/Reimer/Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht 350; OGH 2 Ob 678/87, SZ 61/110; 3 Ob 2178/96g, ÖBA 1998, 979; 1 Ob 322/99f, ecolex 2000, 578. 54  OGH 2 Ob 678/87, SZ 61/110; 3 Ob 2178/96g, ÖBA 1998, 979; König, Anfechtung4 Rz 9/27; Binder in Schwimann3 I § 938 Rz 20. 55  OGH 3 Ob 583/82, RZ 1983/65; 4 Ob 46/91y, JBl 2001, 649. 56  OGH 8 Ob 630/92, ecolex 1993, 86 (Wilhelm). 50 

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so im Fall der E JBl 1989, 51: Hier hatte die Ehegattin den an Parkinson leidenden Ehemann gepflegt, doch war eine aufwendige Pflege im wesentlichen erst nach der Konkurseröffnung über dessen Vermögen notwendig.57 Die verschiedene Behandlung der Pflichtteilsberechtigten und der Gläubiger des Geschenkgebers ist der Sache nach nicht verfehlt, sollte aber im Interesse der Rechtssicherheit offen gelegt werden. Schenkungen, die der Ehemann entsprechend seinen wirtschaftlichen Verhältnissen seiner Frau macht, werden nach der Rsp „nicht besonders behandelt“.58 Weitere Pflichtschenkungen: Unterhaltszahlungen an das voreheliche Kind des Ehegatten59 oder an den Bruder60, an die Lebensgefährtin, die dem Geschenkgeber vier Kinder geboren hat;61 Übertragung einer von der Schwiegermutter geschenkten Liegenschaft zugunsten der aus dem Ehe hervorgegangenen Kinder, wenn die Ehefrau die Familie verlässt und sich scheiden lässt.62 Die Zusicherung eines Ausgedinges bei der bäuerlichen Gutsübergabe kann eine gemischte Schenkung darstellen und (nur) insofern auch die Voraussetzungen der Anstandsschenkung erfüllen.63 Eine Anstandsschenkung liegt auch vor, wenn ein formungültig geäußerter Wunsch des Erblassers erfüllt wird,64 nicht aber wenn sie nur „zur Erhaltung des Familienvermögens“ dienen soll.65 Eine eigene Fallgruppe bilden Pflichtschenkungen im Arbeitsrecht, wo – dem unbefriedigenden Zustand der Zweiten Säule der Altersversorgung entsprechend – vor allem früher häufig Betriebspensionen im Vordergrund gestanden sind.66 §§ 785 Abs 3 und 940 ABGB sowie § 3 AnfO und § 29 Z 1 IO unterstellen 27 die Pflichtschenkung dem Schenkungsbegriff, sehen aber privilegierende Sonderbestimmungen vor: Es gibt keine Pflichtteilserhöhung und keine Gläubigeranfechtung. Stanzl67 will hingegen Leistungen aus sittlicher Pflicht aus dem Schenkungsbegriff überhaupt herausnehmen. Diese Sondervorschrif57  Vgl dazu auch OGH 5 Ob 29, 100/75, JBl 1976, 262 und 2 Ob 549/81, RZ  1982, 221 (Ehebruchspartner). Anders und zugespitzt formuliert: Wer kein Geld hat, muss sich mit dem allgemeinen Pflegestandard der Sozialversicherung und den vom Staat gewährten Sozialleistungen begnügen und darf das für einen gehobenen Standard notwendige zusätzliche Einkommen nicht auf dem Umweg über Pflichtschenkungen seinen Gläubigern entziehen. Dieser Grundsatz ruft allerdings Unbehagen hervor, wenn dem Geschenkgeber wie dem Beschenkten ein anderes, gläubigerschonenderes Verhalten kaum zumutbar gewesen sein sollte. 58  OGH 5 Ob 29, 100/75, JBl 1976, 262: Schmuck. Geschenke zu Weihnachten, zum Geburtstag oder zum Hochzeitstag müssten allerdings dann doch wieder als Pflichtschenkungen gewertet werden. Der OGH hat in dieser E auch noch eigens hervorgehoben, dass der Gedanke einer „Abgeltung ehelicher Pflichten der Frau“ keine vermögenswerte Gegenleistung darstelle. 59  OGH 6 Ob 292/63, EvBl 1964/161 (Sache des Einzelfalls). 60  OGH 5 Ob 36/71; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 4. 61  FamRz 1954, 78, vgl dazu auch GlUNF 2918; SZ 7/308 und GlUNF 6415 und Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 4. 62  OGH 5 Ob 50/66, JBl 1966, 620. 63  Dazu OGH 5 Ob 48/61, EvBl 1961/225; 6 Ob 786/77, JBl 1978, 645; 4 Ob 46/01y, JBl 2001, 649; wie hier auch Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 4. 64  OGH 6 Ob 345/65, JBl 1967, 257; auch 7 Ob 322/99f; König, Anfechtung4 Rz 9/27 65  König, Anfechtung4 Rz  9/28 unter Berufung auf die E OLG Innsbruck 30.6.2000, 4 R 131/00x. 66  JBl 1886, 625; JBl 1935, 168; OGH 4 Ob 89/58, JBl 1959, 218. 67  In Klang2 IV/1, 588.

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ten sagen seiner Auffassung nach nichts darüber aus, unter welchen Voraussetzungen solche Verfügungen Schenkungen seien. Es sei daher möglich, dass es sich einmal um Schenkungen, ein anderes Mal um die Erfüllung von sittlichen oder Anstandspflichten handle. Wenn überhaupt Schenkungen vorliegen, nehme ihnen das Gesetz wesentliche Stücke des Schenkungscharakters. Lasse nun sogar das Gesetz solche Verfügungen – soweit sie Schenkungen seien – nur als Schenkungen minderen Rechts gelten, so sei es unbedenklich, dann, wenn die Absicht der Parteien auf Pflichterfüllung und nicht auf Schenkung gehe, die Annahme einer Schenkung überhaupt abzulehnen. Diese Auffassung wird von der Lehre heute wohl einhellig abgelehnt.68 Schon der klare Wortlaut der oben zitierten Bestimmungen spricht dagegen. Nicht jedes unentgeltliche Rechtsgeschäft ist auch schon eine Schenkung, siehe oben Rz 1 f. Wenn aber der Gesetzgeber festlegt, dass es (auch) Schenkungen in Erfüllung einer sittlichen oder Anstandspflicht geben soll und diese privilegiert zu behandeln sind, so kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass letztere eben doch keine Schenkungen sein sollen. Ein teleologischer Grund ist für diese Auslegung auch nicht erkennbar, vielmehr stellt sich in diesem Fall sogar die Frage, inwieweit Schenkungsrecht – und vor allem dessen Formvorschriften – auf solche Geschäfte anwendbar sein sollen; eine naheliegende Folgefrage, zu der Stanzl aaO nicht Stellung nimmt. Vielmehr sind – abgesehen von den die Pflichtteilsverkürzung und die Gläubigeranfechtung betreffenden Sondervorschriften der § 785 Abs 3 ABGB sowie § 3 AnfO und § 29 Z 1 IO – grundsätzlich alle Vorschriften des Schenkungsrechtes auch auf Pflichtschenkungen anzuwenden, also zB die Unanfechtbarkeit wegen Motiv­ irrtums und den Ausschluss des Gutglaubenserwerbs. Ein Ausschluss des Widerrufsrechtes kann nur für belohnende Schenkungen in Erwägung gezogen werden.69 Besonders heikel ist die Frage der Formpflicht solcher Pflichtschenkungen. Einerseits bedarf es bei der Erfüllung sittlicher Pflichten grundsätzlich keines Übereilungs- und Übervorteilungsschutzes, was für die Formfreiheit spräche,70 andererseits geht es hier immer wieder auch um Fragen der Rechtssicherheit.71 Diese ist nicht nur für die Gläubigerschädigung im technischen Sinne von Bedeutung. Die gerichtliche Erfahrung zeigt auch sonst immer wieder ein auffallendes Anschwellen von angeblichen Pflichtschenkungen unmittelbar vor dem Tode des schenkenden Erblassers72 bei nachträglich nicht mehr zweifelsfrei rekonstruierbaren Sachverhalten.73 Warum die (rechtzeitige) Er68  F. Bydlinski, JBl 1978, 648 und in FS Schwind (1975) 56; Koziol/Welser13 II 191; Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 21; Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 4; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 4; vgl auch Migsch, AcP 173, 46; nur aus Gründen der Rechtssicherheit zurückhaltend Wilhelm, ecolex 1993, 86. 69  ähnlich Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 4. 70  F. Bydlinski, JBl 1978, 648; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 4; Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 4. 71  Wilhelm, ecolex 1993, 86. 72  Vgl auch den Fall der von Wilhelm kommentierten E OGH 8 Ob 630/92. 73  Die Rekonstruktion von angeblich abgeschlossenen entgeltlichen Rechtsgeschäften ist in aller Regel deshalb wesentlich einfacher als die von unentgeltlichen, weil das Vorhandensein zweier Leistungen ein wesentliches Indiz für den wahren Vertragsinhalt darstellen kann.

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kennbarkeit solcher Schenkungen für Dritte gegeben sei, weil das Vorhandensein einer Sitten- oder Anstandspflicht geradezu als Vertrauenstatbestand zu werten wäre, weshalb kein zusätzliches Publizitätserfordernis bestehe,74 ist schwer zu begründen und bei Anerkennung formloser Schenkungsversprechen kann der Gläubiger zwar auf die Anfechtung nach der IO verwiesen werden, doch ist diese ungleich mühseliger als die Berufung auf ein Formgebot. Auch angebliche oder echte Pflichtschenkungsversprechen können zum Schaden der Gläubiger vordatiert werden. Inkonsequent ist der Versuch, zwar die gebräuchlichen Gelegenheitsgeschenke als „echte“ Geschenke gelten zu lassen, nicht aber die Pflichtschenkungen, weil diese Zuwendungen in Erfüllung von sittlichen Pflichten erbracht worden seien.75 Gerade diese gebräuchlichen Gelegenheitsgeschenke stellen den häufigsten Fall der durch Anstand und Sitte erzwungenen Geschenke dar. Die Wurzel dieser Schwierigkeiten liegt vor allem in den rechtspolitisch wenig geglückten und insgesamt inkonsequenten und zu strengen Formvorschriften; siehe dazu Rz€1 ff zu §Â€943. Die Rsp versucht, dieser Schwierigkeiten dadurch Herr zu werden, dass 28 sie im Anschluss an Stanzl76 Pflicht- und Anstandsschenkungen aus dem Schenkungsbegriff ausklammert und der Sache nach teilweise wie entgeltliche Rechtsgeschäfte behandelt.77 Im Ergebnis werden dann nämlich zwar die Formvorschriften für die Schenkung nicht angewendet, aber (abgesehen von den ausdrücklichen Sondervorschriften §§Â€ 940, 943 ABGB sowie §Â€3 AnfO und §Â€29 Z 1 IO) im Übrigen bleibt es dann doch wieder bei den Regeln für die unentgeltlichen Rechtsgeschäfte. Es wird also nicht etwa mit der Ausklammerung aus dem Schenkungsbegriff so weit ernst gemacht, dass etwa die Regeln für die Irrtumsanfechtung der entgeltlichen Verträge angewendet werden würden. Gelegentlich wird formuliert, dass es bei Pflicht- und Anstandsschenkungen an der Freigiebigkeit fehle und daher auch an einer Schenkungsabsicht „im eigentlichen Sinne“. Aber wenn der Schenkende unter dem Druck der Sitte handelt, so führt das nur zu einer Sonderbehandlung in bestimmten Punkten, nicht aber zur Nichtanwendbarkeit des Schenkungsrechtes schlechthin.78 Bei der Qualifikation als Pflicht- oder Anstandsschenkung sind die Um29 stände des Einzelfalls maßgeblich, nämlich deren Anlass, die persönlichen Beziehungen zwischen Schenker und Beschenktem, deren Vermögen und deren Lebensstellung („Herkommen“ und „Verkehrsanschauung im gesellschaftlichen Kreis der Verfügenden“).79 Das kann zur Folge haben, dass unter Umständen nur ein Teil der Zuwendung als sittlich geboten erscheint und daher auch nur insofern den privilegierenden Bestimmungen hinsichtlich der PflichtSo aber Migsch, AcP 173, 69. So Migsch, AcP 193, 68 ff. 76╇ In Klang2 IV/1, 588 f. 77╇ OGH 1 Ob 785/82, SZ 56/30; 7 Ob 671/85, SZ 58/209; 6 Ob 227/70, JBl 1971, 197 (krit FN von F. Bydlinski); 6 Ob 786/77, JBl 1978, 645 (krit F. Bydlinski); 7 Ob 652/85, JBl 1986, 323; 8 Ob 630/92, ecolex 1993, 86 (Wilhelm) uza; vgl andererseits aber 3 Ob 573/80, NZ 1982, 65 und 2 Ob 573/80, RZ€1982, 221. 78╇ Ähnlich Ehrenzweig, System II/12, 366. 79╇ NZ 1981, 29; JBl 1997, 663 = NZ 1997, 394; OGH 7 Ob 304/97z, SZ 70/231;1 Ob 46/01y, JBl 2001, 649; Welser in Rummel3 I §Â€785 Rz€15. 74╇ 75╇

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teilsverkürzung und Gläubigeranfechtung unterliegt.80 Je unzufriedener der Erblasser mit der gesetzlichen Pflichtteilsregelung ist und je lästiger den Schuldner die Verbindlichkeit zur Befriedigung seiner Gläubiger drückt, desto eher wird er erfahrungsgemäß Schenkungen machen, deren Umfang weit über den von der Sitte geforderten hinausgeht. Im Extremfall kann die sittliche Pflicht überhaupt nur vorgeschoben sein, um die privilegierte Behandlung des Rechtsgeschäfts als Pflichtschenkung zu erschleichen, in welchem Fall die Regeln über das Scheingeschäft anwendbar sind, was zur Folge hat, dass die gesetzliche Privilegierung entfällt. b) Schenkungsabsicht Aus dem Vertragscharakter der Schenkung wurde bereits abgeleitet, dass 30 Schenker und Beschenkter einig sein müssen, die Sache unentgeltlich zu überlassen bzw anzunehmen; siehe dazu oben unter Rz 23 ff. Der übereinstimmende Parteiwille entscheidet daher grundsätzlich auch über die Frage der Unentgeltlichkeit, dh darüber, ob etwas als Gegenleistung gemeint ist.81 Nur dann, wenn sich die Parteien darüber einig sind, dass die Sache in dem oben unter Rz 24 ff geschilderten Sinn ohne Gegenleistung und nicht in Erfüllung einer Verbindlichkeit überlassen werden solle, liegt Schenkungsabsicht (animus donandi) und damit Schenkung vor. Fehlt der Schenkungswille, so kommt eine Schenkung nicht in Betracht.82 c) Scheingeschäft Die Tarnung von entgeltlichen Geschäften als unentgeltliche und um- 31 gekehrt ist nicht selten. Gründe dafür können nicht nur steuerlicher Natur sein, in Betracht kommen zB auch Fälle antizipierter Erbfolge, die vor anderen Prätendenten verdeckt werden sollen. Sind der Wert der Gegenleistung, das Interesse an ihr oder die angeblich erfüllte rechtliche, sittliche oder Anstandspflicht zweifelhaft, so entsteht der Verdacht, dass in Wahrheit ein entweder kein nach § 785 Abs 3 ABGB bzw § 29 Z 1 IO privilegiertes, unentgeltliches oder überhaupt ein entgeltliches Rechtsgeschäft vorliegt. Das Vorliegen der Schenkungsabsicht ist in solchen Fällen schwierig zu ermitteln und zu qualifizieren. Je krasser der Wertunterschied ist, je ferner die angeblich erfüllte Pflicht liegt oder je großzügiger eine bestehende Pflicht erfüllt wird, umso größer wird der Verdacht, dass ein privilegiertes unentgeltliches oder ein entgeltliches Geschäft bloß vorgeschoben werden soll; dies gilt insb, wenn noch andere Umstände, wie etwa die Verwandtschaft der Parteien, Verschuldung des Versprechenden (Leistenden) hinzukommen. In solchen Fällen kann zur Gänze oder teilweise eine verdeckte (nicht privilegierte) Schenkung vorliegen (§ 916).83 Sind eine Gegenleistung oder eine Pflicht zur Leistung nicht nachzuvollziehen, OGH 7 Ob 304/97z, SZ 70/231; Welser in Rummel3 I § 785 Rz 15. OGH 7 Ob 671/85, SZ 58/209 = EvBl 1986/106; Kerschner, Irrtumsanfechtung 99; 3 § 938 Rz 3. Schubert in Rummel3 § 938 Rz 4; Bollenberger 82  OGH 3 Ob 25/51, SZ 24/26 uza. 83  Stanzl in Klang2 IV/1, 589; Ehrenzweig, System II/12, 364; OGH 2 Ob 286/52, SZ 25/178 ua. 80  81 

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so ist an der unentgeltlichen Überlassung nicht mehr zu zweifeln und es muss Schenkungswillen und damit Schenkung angenommen werden.84 Der hier angesprochene Fall des Scheingeschäftes, in dem ein entgeltliches Rechtsgeschäft zur Tarnung eines unentgeltlichen dient, ist von dem oben unter Rz 27 ff erwähnten zu unterscheiden: Dort wird die Schenkung richtigerweise als solche deklariert, unzutreffend ist nur die Berufung auf eine sittliche oder Anstandspflicht, die zu einer Privilegierung gegenüber Pflichtteilsberechtigten und Gläubigern, allenfalls auch in Hinblick auf Formvorschriften, führen würde. d) Behauptungs- und Beweislast 32

Den Bestand oder das Fehlen der Schenkungsabsicht und damit einer Schenkung oder doch eines entgeltlichen Rechtsgeschäfts muss derjenige behaupten und beweisen, der seinen Anspruch oder seine Einwendungen darauf gründet.85 Die bloße Bezeichnung eines Rechtsgeschäftes durch die Vertragsparteien als Schenkung mag ein Indiz sein, entscheidend ist allein dessen Inhalt.86 Wer aus einem formlosen Versprechen eine Leistung verlangt, muss daher behaupten und beweisen, dass es sich um ein entgeltliches Geschäft und nicht um eine Schenkung handelt. Nach ganz hM enthält § 915 ersten Halbsatz keine Vermutung dafür, dass ein unentgeltlicher Vertrag abgeschlossen wurde.87 Daran ist richtig, dass diese Vorschrift nur von „einseitig verbindlichen Verträgen“ spricht, worunter nach völlig einheitlicher Auffassung88 unentgeltliche Verträge zu verstehen sind. Der gemeinsame Zweck der beiden Unklarheitenregeln ist es, eine im Grunde beiden Seiten unerwünschte Ungültigkeit des Vertrages wegen Dissens zu vermeiden, wenn nach Erschöpfung der Auslegungsversuche nach § 914 mehrere in Wahrheit gleichwertige Auslegungsmöglichkeiten übrig bleiben. Gleichzeitig soll der Richter nicht in Versuchung geraten, irgendeinen für die Parteien im Vorhinein kaum vorhersehbaren Gesichtspunkt als „Aufhänger“ zu verwenden, was der Rechtssicherheit wenig dienlich ist. Diese Wertungen können auch dann fruchtbar gemacht werden, wenn nach Ausschöpfung der Auslegungsversuche zwei gleichwertige Auslegungsmöglichkeiten übrig bleiben, von denen die eine entgeltlich oder unentgeltlich ist. In Betracht käme etwa ein Darlehen, das entweder entgeltlich oder unentgeltlich gewesen sein kann, bei dem nach dem Ableben beider Parteien eine auch nur annähernde Rekonstruktion aber unmöglich ist. Hier ist im Zweifel Entgeltlichkeit anzunehmen. Entsprechendes gilt im Verhältnis zwischen Leihe und Bestandvertrag, aber auch bei entgeltlicher oder unentgeltlicher Verwahrung. SZ 12/215; Stanzl in Klang2 IV/1, 589. Stanzl in Klang2 IV/1, 589, der allerdings die Pflicht- und Anstandsschenkung aus dem Schenkungsbegriff ausklammert; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 13. 86  OGH 6 Ob 13/61, JBl 1962, 441. 87  Schubert in Rummel3 § 938 Rz 13; Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 7; OGH 7 Ob 556/78, SZ 51/92, dazu Zemen, JBl 1986, 205 und Mandl, JBl 1998, 368 (Glosse zur E 2 Ob 2395/96i). 88  Bereits Zeiller, Comm III/1 109; Binder in Schwimann3 IV § 915 Rz 5; Rummel in Rummel3 I § 915 Rz 2. 84  85 

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Konsequenterweise ist § 915 auch dann anzuwenden, wenn offen bleiben muss, ob ein unentgeltliches Rechtsgeschäft oder eine bloße Gefälligkeit vorliegt.89 Steht fest, dass ein unentgeltlicher Vertrag abgeschlossen wurde, nicht 33 aber der Vertragstypus, so ist auch hier zunächst § 914 heranzuziehen. Führt ein solcher Auslegungsversuch aber nur zu einer begrenzten Anzahl gleichwertiger Möglichkeiten, so greift auch hier die Unklarheitenregel des § 915 ein,90 und zwar in ihrem unmittelbaren Wortsinn. Dass Schenkung einerseits und Darlehen oder Leihe andererseits „so grundverschiedene Geschäftszwecke verfolgen“, dass sich aus teleologischer Sicht der Wechsel der Rechtsinstitute zufolge einer solcherart verstandenen Auslegung verbiete,91 lässt sich schwer begründen. Teleologische Unterschiede, die es rechtfertigen, dass in solchen Fällen eine beiderseits unerwünschte Dissensfolge eintritt oder der Richter gezwungen werden soll, zu einem mehr oder minder gewaltsamen „Aufhänger“ zugunsten einer dieser Alternativen zu greifen, lassen sich schwerlich finden, und dies umso weniger, als die gesetzliche Vertypung von Verträgen oft genug Sache historischer Zufälligkeiten ist. Wenn es auch auf der Hand liegt, dass Schenkungsabsicht nicht geradezu 34 vermutet werden kann, so dürfen an ihre Annahme auch umgekehrt keine unrealistischen Ansprüche gestellt werden. Für Schenkung und daher gegen eine Rückzahlungspflicht können ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Parteien sprechen, deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse, daher auch der Wert der Sache, allfällige frühere gleichartige Geschenke und auch eine sittliche oder Anstandspflicht.92 Bei Beurteilung der einschlägigen Lehre und Rsp muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Eingliederung solcher Schenkungen strittig ist, und eine sittliche oder Anstandspflicht auch zur Gewährung eines (jedenfalls unentgeltlichen) Darlehens führen kann, also einer Rückzahlungspflicht nicht unbedingt entgegenstehen muss. Es ist daher wenig überraschend, dass sich die Beurteilung der konkreten Einzelfälle durch die Rsp oft kaum harmonisieren lässt. Erst wenn die Berücksichtigung aller dieser Gesichtspunkte nach § 914 zu keinem Ergebnis führt, kommt die Anwendung der Unklarheitenregel in Betracht. Diese ist allerdings auch schon bei der ergänzenden Vertragsauslegung insofern von Bedeutung, als diese besondere Vorsicht walten lassen muss, soweit sie zu Ungunsten des Freigebigen erfolgen soll.93 Das Einverständnis über die Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit muss 35 sich im Grundbuchsverfahren aus den vorgelegten Urkunden ergeben, so dass es vom Gericht beurteilt werden kann. Die neuere Rsp nimmt Entgeltlichkeit (entgeltlicher Übergabevertrag statt Schenkung auf den Todesfall) an, wenn sich aus diesen Urkunden kein ausreichender Anlass für das Vorliegen Reischauer, ZAS 1988, 79; Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 7. GlU 15.375; OGH 7 Ob 556/78, SZ 51/92; 7 Ob 2373/96p, SZ 70/107, vgl aber 2 Ob 2394/96i, JBl 1998, 367 (dazu berechtigte Kritik von Mandl): Rummel in Rummel3 I § 915 Rz 3; Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 7; Koziol/Welser13 I 109. AM Zemen, JBl 1986, 205. 91  So allerdings Zemen, JBl 1986, 205 ff, dagegen Mandl, JBl 1998, 367. 92  Vgl OGH 7 Ob 556/78, SZ 51/92; dazu Zemen, JBl 1986, 205 und 93  Rummel in Rummel3 I § 915 Rz 3; 3 IV § 915 Rz 7. 89  90 

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eines Schenkungswillen ergibt, und versteht auch die frühere Judikatur in diesem Sinne.94 e) Bereicherung und Vermögensaufopferung 36

Vor allem die ältere Lehre und Rsp hat besonders hervorgehoben, dass das Erfordernis der Unentgeltlichkeit nur erfüllt sein könne, wenn die Sache einen Wert habe, der Beschenkte also bereichert werde. Dieser Bereicherung entspreche eine Vemögensaufopferung des Schenkers.95 Die Zuwendung einer wertlosen Sache sei nicht Schenkung.96 Das Gesetz stellt ein solches Erfordernis, das aus dem römischen Recht abgeleitet ist, nicht auf.97 Es ist auch nicht einzusehen, was damit gewonnen werden soll, vor allem wenn berücksichtigt wird, dass über den Wert letztlich doch wieder die Parteienabsicht entscheiden soll.98 Stanzl nennt als Beispiele die „Freigebigkeiten“ des täglichen Lebens, nämlich den unentgeltlichen Rat, die unentgeltliche Auskunft, das Bewirten eingeladener Gäste, die unentgeltliche Mitnahme im Kraftfahrzeug; dabei handle es sich überhaupt nicht um Rechtsverhältnisse, sondern um von der Rechtsordnung nicht erfasste Lebensverhältnisse.99 Es geht also hier um bloße Gefälligkeiten ohne Rechtsfolgewillen und damit auch nicht um Verträge. Das zusätzliche Kriterium der Vermögensaufopferung, die der Bereicherung der anderen Seite entgegenstehen soll, ist somit entbehrlich. f) Motiv

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Das Motiv des Leistenden, das hinter dem animus donandi steht, der Grund, warum er gibt, ist für die Beurteilung, ob eine Schenkung vorliegt, gleichgültig. Es muss ethisch nicht besonders hochstehend sein. Auch die Zuwendung in egoistischer Absicht, die um späterer Vorteile willen geschieht, die ungern bewirkte Zuwendung, zu der der Anstoß vom Empfänger oder einem Dritten ausgegangen ist, sind Schenkungen. Dies gilt auch für Zuwendungen zur Befriedigung der Eitelkeit, zur Besänftigung des schlechten Gewissens, das Werfen mit der Wurst nach der Speckseite oder für die Öffentlichkeitsarbeit zur Pflege eines angekratzten Images100, aus Boshaftigkeit101, ja sogar die Zuwendung in feindseliger Stimmung (Danaergeschenk). Alle diese Motive schließen das Vorliegen einer Schenkung nicht aus. Solche Verträge können 94╇ So OGH 5 Ob 2249/96p, EvBl 1997/47; früher 5 Ob 141/97, NZ 1996, 205 und NZ 1995, 305; 5 Ob 145/86, SZ 59/174 = NZ 1987,160 (krit Hofmeister); Schubert in Rummel3 I §Â€ 987 Rz€13; Bollenberger in KBB3 §Â€938 Rz€5. 95╇ Vgl allerdings auch Kulka, ÖJZ 1969, 477; Migsch, AcP 173, 46, 58. 96╇ So auch Stanzl in Klang2 IV/1, 590 mit Nachweisungen aus der älteren Literatur und Rsp, zuletzt SZ 19/128 = RZ€1937, 225. 97╇ Ehrenzweig, System II/12, 365. 98╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 590. 99╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 590. 100╇ Auch Kulka, ÖJZ 1969, 478. 101╇ W. Busch, Kritik des Herzens: „Ich weiß, sie ärgert sich nicht schlecht und muss sich auch noch bedanken“.

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allerdings den Geschenkgeber dem Vertragspartner gegenüber schadenersatzpflichtig machen.102

III. Gemischte Schenkung 1. Begriff Die gemischte Schenkung (negotium mixtum cum donatione) bildet 38 „einen, aus einem entgeltlichen und unentgeltlichen vermischten, Vertrag“ (§ 935). Der entgeltliche Vertrag kann Tausch-, Kaufvertrag usw sein; besonders häufig werden Übergabe- und Arbeitsverträge, aber auch Leibrentenverträge unter nahen Angehörigen mit Schenkungen vermischt. Nicht jeder zweiseitige Vertrag, der dem einen Teil einen größeren Vorteil bringt als dem anderen, darf aber als Schenkung des Mehrwerts angesehen werden. Sonst wäre jeder Kauf zu einem höheren oder niedrigeren Preis, als dem Wert der Sache entspricht, eine gemischte Schenkung. Es müssen vielmehr auch hier alle wesentlichen Begriffsmerkmale der Schenkung erfüllt sein, insbesondere muss das Übermaß unentgeltlich in Schenkungsabsicht gegeben und ebenso in Schenkungsbewusstsein empfangen werden.103 Der unentgeltlich zugewendete Teil muss auch nicht überwiegen,104 und es ist grundsätzlich auch Sache der Parteien, privatautonom zu bestimmen, was sie als gleichwertig ansehen und was nicht, solange nicht Interessen Dritter beeinträchtigt werden, also insbesondere solche von Gläubigern und Pflichtteilsberechtigten.105 Das Missverhältnis zwischen den Gegenleistungen stellt also nur ein Indiz für die Schenkungsabsicht dar, und zwar vor allem bei Angehörigen oder sonstwie besonders nahestehenden Personen und zwar ein umso gewichtigeres, je krasser es ist;106 doch ist selbst in solchen Fällen den Parteien ein angemessener Beurteilungspielraum einzuräumen.107 Umgekehrt kann auch ein nur kleiner Teil der Gegenleistung Gegenstand einer Schenkung sein,108 und es geht nicht an, in solchen Fällen den Schenkenden auf § 934 zu verweisen. Bei Preisunterschieden von etwa nur 10% des Schätzwertes ist allerdings deren Indizwirkung für eine Schenkungsabsicht sehr bescheiden.109 102  So das gängige Lehrbuchbeispiel der Schenkung einer an Maul- und Klauenseuche leidenden Kuh in Schädigungsabsicht. 103  Stanzl in Klang2 IV/1, 590 f; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 9; Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 50; Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 8; OGH 5 Ob 255/75, SZ 49/43 = JBl 1976, 425; 7 Ob 590/77, SZ 50/101; 3 Ob 574/83, RdW 1984, 43; 8 Ob 608/88, JBl 1989, 377; 5 Ob 2249/96, EvBl 1997/47. 104  OGH 9 Ob 134/00x, EF 96.960; Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 8. 105  OGH 3 Ob 66/97w, MietSlg 50.101; 6 Ob 240/01z, EF 96.961; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 9; Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 30; Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 8. 106  OGH 5 Ob 255/75, SZ 49/43 = JBl 1976, 425; 7 Ob 590/77, SZ 50/101; 7 Ob 529/80, SZ 53/167; 1 Ob 726/85, SZ 59/6;7 Ob 2373/96p, SZ 70/107; 6 Ob 175/01f, ÖBA 2002/1063 (Bollenberger); Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 9; Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 8; Binder in Schwimann3 IV 938 Rz 50; Koziol/Welser13 II 194. 107  Schubert in Rummel3 § 938 Rz 9; vgl auch SZ 56/30 = EvBl 1983/133. 108  Vgl dazu allerdings Stanzl in Klang2 IV/1, 591; OGH 1 Ob 97/56. 109  Stanzl in Klang2 IV/1, 591; OGH 1 Ob 775/54.

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Wie das Gesetz selbst in § 935 hervorhebt, wird zwischen Angehörigen die Schenkungsabsicht hinsichtlich des Mehrwertes nicht selten verschleiert; dann greifen die Regeln über das Scheingeschäft ein. Besteht auch keine verschleierte Schenkungsabsicht, so können bei einem Missverhältnis der Werte Ansprüche wegen Gewährleistung, Irrtums, Verletzung über die Hälfte oder Wucher in Betracht kommen. 2. Rechtliche Behandlung

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Bei der rechtlichen Behandlung von gemischten Verträgen wird prinzipiell für jede einzelne Leistungspflicht die sachlich am besten geeignete Vorschrift herangezogen, also die Vorschrift jenes Vertragstyps, dem die Pflicht entstammt (Kombinationstheorie und im Ergebnis ähnlich, aber methodisch sauberer, die flexiblere Theorie der analogen Rechtsanwendung).110 Die gegenteilige Absorptionstheorie wird vom Gesetz für das Verhältnis zwischen Kauf und Tausch (§  1055) sowie für dasjenige zwischen Miete und Pacht (§ 1091 Satz 2) festgeschrieben. Danach soll der Vertrag nur einem einzigen Typus unterworfen werden, und zwar je nachdem, welcher „überwiegt“. Im Falle des § 1055 lässt sich dies an Hand des gemeinen Wertes noch einigermaßen ausrechnen, und die Regeln für Kauf und Tausch unterscheiden sich nur gering­fügig voneinander. Bei der Kombination von Pacht- und Mietvertrag muss aber bereits auf die „Hauptsache in wirtschaftlicher Hinsicht (Verkehrsauffassung)“ verwiesen werden.111 Zwingende Schutzvorschriften, die für einen bestimmten Vertragstyp gelten, können oftmals zu ähnlichen Ergebnissen führen,112 weil sie nicht einfach durch Vereinbarung eines anderen, ähnlichen Vertragstyps umgangen werden dürfen. Der Sache nach handelt es sich hier allerdings nicht um eine ausnahmsweise Anwendung der Absorptionstheorie, sondern um die Auslegung des Zwecks und damit des Umfanges der betreffenden Schutzbestimmung. Kombinationen von Schenkungen und entgeltlichen Verträgen werden von 41 Lehre und Rsp besonders häufig erörtert, einerseits weil sie in der Praxis auch entsprechend häufig vorkommen, andererseits aber auch, weil die Rechtsfolgen von entgeltlichen und unentgeltlichen Rechtsgeschäften besondere Verschiedenheiten aufweisen. Die traditionelle Streitfrage ist, ob die gemischte Schenkung einheitlich nach den Normen, wie sie dem – kaum einheitlich feststellbaren – Vertragszweck entsprechen (Einheitstheorie) oder getrennt nach den für den entgeltlichen und unentgeltlichen Teil geltenden Regeln (Trennungstheorie) beurteilt werden muss. Die Divergenzen in der österr Lehre und Rsp sind im Grundsätzlichen 42 weitaus geringer als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Im Ergebnis laufen sie, auch wenn dies kaum je ausdrücklich formuliert wird, auf die An110  Gschnitzer in Klang2 IV/1, 14 f; Rummel in Rummel3 I § 859 Rz 22; Koziol/Welser13 II 14; vgl auch Mayrhofer, SchRAT 169 ff; OGH 7 Ob 562/85, JBl 1986, 648; vgl aber 4 Ob 89/82, RdA 1986, 135 (krit Jabornegg, wo es jedoch der Sache nach um den Umfang der arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften ging). Dazu siehe sogleich unten. 111  Würth in Rummel3 I § 1091 Rz 4. 112  Rummel in Rummel3 I § 859 Rz 22; OGH 4 Ob 89/82, RdA 1986, 135 (

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wendung der Theorie der analogen Anwendung unter besonderer Berücksichtigung der Schutzzwecke allfälliger zwingender Normen hinaus. Diese betreffen vor allem aber nicht ausschließlich113 – den Geschenkgeber. In solchen Fällen neigt vor allem die Rsp zu einem formellen Bekenntnis zur Absorptionstheorie, meist unter Berufung auf § 1055. Ehrenzweig114 berichtet, die „älteren Schriftsteller“ hätten gesagt, das Ge- 43 schäft falle unter die Regeln des Kaufs, soweit es Kauf, unter die Regeln der Schenkung, soweit es Schenkung sei. Das sei eine bequeme Formel gewesen, habe sich aber nicht durchführen lassen. Heute sei die Einheitstheorie durchgedrungen, die gemischte Schenkung sei ein „einheitliches Geschäft besonderer Art“, sie dürfe nicht zerrissen werden. Andererseits hebt er jedoch hervor, dass der Richter „freie Hand“ habe, weil sie der gesetzlichen Regelung fast ganz entbehre. An eine Schablone dürfe er sich nicht binden, jede Frage wolle für sich entschieden sein. Einerseits will Ehrenzweig für die Anwendung der Formvorschrift § 1055 analog anwenden, im Falle der Wandlung habe aber der Empfänger die Ware ganz zurückzustellen und dürfe nicht einen Bruchteil als Geschenk zurückbehalten. Stanzl115 meint, die Frage, ob die Einheitstheorie oder die Trennungstheorie zutreffend sei, könne und brauche nicht allgemein beantwortet werden, der Vertragszweck sei kaum einheitlich feststellbar, es genüge die wichtigsten Einzelfälle zu untersuchen, nämlich Widerruf und Formmangel. Koziol/Welser116 wenden sich ausdrücklich gegen die Trennungstheorie, da das Geschäft meist eine untrennbare Einheit sei, so dass es nicht in Kauf und Schenkung zerlegt werden könne, Schubert117 lehnt ebenso wie Stanzl die rechtliche Behandlung der gemischten Schenkung nach einheitlichen Grundsätzen ab, es sei „im Einzelfall die angemessene Lösung“ zu suchen. Um schärfere dogmatische Konturen bemüht sich Binder118: Wo eine Aufspaltung ohne Zerreißung des inneren Zusammenhanges möglich sei (§ 878 Satz 2), solle nur der unentgeltliche Teil dem Schenkungsrecht unterworfen werden. Im Grundsätzlichen sind also die Divergenzen in Lehre und Rsp auf weite Strecken nur scheinbar, wenn davon abgesehen wird, dass die letztere gelegentlich dazu neigt, sich in ihren Entscheidungsgründen dort, wo es in Wahrheit nur um die ausdehnende Auslegung oder analoge Anwendung von zwin113  Anders nämlich §  1 Abs 1 lit b NotAktsG. Bei einer gemischten Schenkung zwischen Ehegatten verlangt der OGH in 5 Ob 124/92, SZ 65/137 = EvBl 1993/86 = JBl 1993, 312 = NZ 1993, 240 (Hofmeister) nämlich zusätzlich zur wirklichen Übergabe die Errichtung eines Notariatsaktes, weil dieser nicht nur dem Übereilungs- sondern auch dem Gläubigerschutz dient. 114  SchRAT2 367. 115  In Klang2 IV/1, 591. 116  Koziol/Welser13 II 195. 117  In Rummel3 I § 938 Rz 9a unter Berufung auf OGH 5 Ob 588/75, SZ 49/75 = JBl 1977, 258; im Grundsatz für Einheitstheorie 3 Ob 25/51, SZ 24/26, anders 1 Ob 505, 506/79, SZ 52/36. Ähnlich Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 8: Wenn sich eine gemischte Schenkung, wie regelmäßig nicht in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Geschäftsteil trennen lasse, könnten für die Rechtsfolgen nicht Kauf- und Schenkungsrecht kombiniert werden, sondern es sei die „jeweils angemessene Lösung“ zu ermitteln (unter Berufung auf 5 Ob 124/92, SZ 65/137). 118  In Schwimann3 IV § 938 Rz 54.

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genden Schutznormen besteht, formell zur Absorptionstheorie zu bekennen.119 Maßgeblich ist, ob eine Aufspaltung ohne Zerreißung des inneren Zusammenhanges möglich ist, wozu noch kommt, dass ein scharf umrissener Vertragszweck oftmals kaum eindeutig feststellbar ist. Besondere Schwierigkeiten entstehen hier erfahrungsgemäß immer wieder dann, wenn eine der Vertragsparteien verstorben ist, in welchem Fall oft genug nicht einmal geklärt werden kann, ob nicht eine anderweitige Gegenleistung besteht, die dem Gericht verborgen bleiben musste. In solchen Fällen, wenn also schlicht nichts festgestellt werden kann, ist es nicht verfehlt, wenn sich die Rsp mit einer Analogie zu § 1055 zu behelfen sucht. Das grundsätzliche Bekenntnis zur Theorie der analogen Anwendung schließt nämlich nicht aus, dass bei einer konkreten Einzelfrage mangels jeden anderen Anhaltspunktes ausnahmsweise auf das Überwiegen abgestellt wird, so bei der Frage der Entgeltlichkeit beim gutgläubigen Erwerb nach § 367. Eine Analogie zu § 1055 ist in solchen Extremfällen die methodisch sauberere und der Rechtssicherheit dienlichere Lösung als die Alternative, die auf die Aufforderung an den unter Entscheidungszwang stehenden Richter hinausläuft, irgendeines der in Pattstellung befindlichen Argumente als bloßen „Aufhänger“ entweder für die schenkungsrechtliche oder die kaufrechtliche Alternative zu verwenden. Die Ungültigkeit wegen Formmangels erfasst zunächst nur den unentgelt44 lichen Teil, doch werden Parteienabsicht oder Verkehrsübung in der Regel die Unteilbarkeit des Geschäftes ergeben, so dass dieses zur Gänze formungültig sein wird.120 Zum Teil wird eine analoge Anwendung des § 1055 empfohlen, was zur Folge hat, dass die gemischte Schenkung nur bei Überwiegen des unentgeltlichen Teils formpflichtig ist121, doch offensichtlich auch wiederum nur dann, wenn eine Aufspaltung ohne Zerreißung des inneren Zusammenhanges oder unter Missachtung zwingender gesetzlicher Schutzvorschriften möglich ist. Dies gilt auch für Schenkungen mit wirklicher Übergabe unter Ehegatten (§ 1 Abs1 lit b NotAktsG).122 Auch gemischte Schenkungen unterliegen der Gewährleistung in Bezug 45 auf den entgeltlichen Teil. Die Preisminderung besteht allerdings nur insoweit, 119  So zB in der oben bereits erwähnten E OGH 5 Ob 124/92, SZ 65/137, wo es um die Schenkung einer Liegenschaft mit wirklicher Übergabe, aber ohne Notariatsakt ging, die ins Grundbuch eingetragen werden sollte: “Zumindest dann, wenn keinerlei Anhaltspunkte für ein Überwiegen des entgeltlichen Teils einer gemischten Schenkung vorliegen, kann es … mit der Einhaltung der für Schenkungen vorgesehenen Form sein Bewenden haben. Die durch den Gesetzeswortlaut keineswegs zwingend vorgegebene Anwendung des § 1 Abs 1 lit b NZwG auf gemischte Schenkungen zwischen Ehegatten würde sonst mit dem vorrangigen Prinzip der Formfreiheit im österr Vertragsrecht in Konflikt geraten.“ 120  Stanzl in Klang2 IV/1, 592; Koziol/Welser13 II 195; W. Berger, Gesetzliche Formvorschriften für Rechtsgeschäfte nach österreichischem Recht, in: GA für die Fachveranstaltungen des 3.Österreichischen Notariatskongresses 1986 „175 Jahre ABGB“ (1986) 64. 121  OGH 7 Ob 590/77, SZ 50/101; 5 Ob 124/92, SZ 65/137 = NZ 1993, 240 (insofern abl Hofmeister); Ehrenzweig, System II/12, 367; Schubert in Rummel3 I § 943 Rz 6; vgl Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 54, wonach der bei Fälligkeit jeweils übersteigende Leistungsteil zur Durchsetzbarkeit der besonderen Form bedarf, wovon jedoch für den Fall wechselseitiger Schenkungen (vgl § 942) eine Ausnahme gemacht werden soll. 122  Vgl dazu die oben mehrfach erwähnte E OGH 5 Ob 124/92, SZ 65/137.

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als der Minderungsbetrag den geschenkten Teil übersteigt,123 die Wandlung führt allerdings zur Zurückstellung der gesamten Leistung.124 Gem § 935 ist das Anfechtungsrecht wegen Verkürzung über die Hälfte bei gemischten Schenkungen ausgeschlossen. Kommt allerdings (ausnahmsweise) eine Zergliederung des Rechtsgeschäftes in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil in Betracht, ist die Anwendung der laesio enormis (allein) auf den entgeltlichen Teil vertretbar.125 Die Auffassung, dass die Irrtumsanfechtung per se das gesamte Geschäft beträfe und sich danach richte, ob dessen entgeltlicher oder unentgeltlicher Teil überwiegt,126 ist nicht überzeugend. Die Konsequenz dieser Auffassung ist nämlich, dass bei einem „Unentgeltlichkeitsanteil“ von 49% der Geschenkgeber sich mit den ungünstigeren Anfechtungsmöglichkeiten für entgeltliche Geschäfte abfinden müsste. Vorzuziehen ist daher eine andere Lösung: Betrifft der Irrtum den unentgeltlichen Teil, so führt er auch zur Aufhebung des unentgeltlichen Teiles, wenn er für den Abschluss des Vertrages auch insoweit kausal war. War er dies nicht, so ist für diesen getrennt davon zu prüfen, ob nicht für diesen (aus anderen Gründen) eine Irrtumsanfechtung nach den Regeln für entgeltliche Rechtsgeschäfte in Betracht kommt. Gleiches gilt, wenn der Irrtum zunächst nur den entgeltlichen Teil betrifft, aber auch für den Abschluss des unentgeltlichen wesentlich ist. Die Rsp musste sich immer wieder mit dem Widerruf von gemischten 46 Schenkungen befassen und schon Spr 6 hat diesen hinsichtlich des unentgeltlichen Teiles zugelassen. Der Widerruf umfasst zwar das ganze Geschäft, aber der Beschenkte kann dessen Aufhebung durch Aufzahlung analog § 934 abwenden.127 Umgekehrt kann aber auch der Geschenkgeber die Differenz, also das angemessene Entgelt für den Schenkungsteil verlangen, in welchem Fall der Beschenkte einwenden müsste, dass er auf Vertragsaufhebung bestehe.128 Bei der Berechnung des Pflichtteils sind auch gemischte Schenkungen zu 47 berücksichtigen. Das Begehren ist auf Zahlung bei Exekution in die ganze Sache zu richten, obwohl sie durch ein teilweise unentgeltliches Geschäft erworben wurde. Der den Wert übersteigende Erlös gebührt dem Beschenkten;129 Näheres s zu § 951. Eine gemischte Schenkung löst das Vorkaufsrecht nicht aus. Ob gutgläubiger Eigentumserwerb nach § 367 möglich ist, hängt davon ab, ob die Entgeltlichkeit überwiegt.130 123  Ehrenzweig, System II/12, 367; Koziol/Welser13 II 195; Schubert in Rummel3 I §  938 Rz 9a; Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 8. 124  Ehrenzweig, System II/12, 367; Schubert in Rummel3 I §  938 Rz  9a; Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 8. 125  Dafür Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 54. 126  So Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 9a. 127  Ehrenzweig, System II/12, 367; Schubert in Rummel3 I §  948 Rz  5; Koziol/Welser13 II 195; Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 938; SZ 5/42; OGH 1 Ob 81/55, SZ 28/60; 5 Ob 588/75, SZ 49/75; 1 Ob 505/79, SZ 52/36 = JBl 1980, 368 = EvBl 1979/218; 2 Ob 113/02k, EF 100.685; 3 Ob 217/09x, JBl 2010, 502. 128  Schubert in Rummel3 I § 948 Rz 5; Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 8; Spr 6; OGH 2 Ob 81/56, SZ 28/60; 1 Ob 505/79, EvBl 1979/218 = JBl 1980, 368. 129  Stanzl in Klang2 lV/1, 591 f. 130  Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 9a.

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IV. Einzel- und Grenzfälle 1. Unterhalt 48

Die Grenze zur Schenkung kann fließen. Entscheidend ist, ob der Unterhalt in Erfüllung einer Rechtspflicht oder in Schenkungsabsicht gegeben wurde. Bei Bestehen einer sittlichen oder Anstandspflicht liegt eine dem Schenkungsrecht unterliegende Pflichtschenkung vor.131 Fehlt jede Unterhaltspflicht und jede Gegenleistung des Empfängers, so bleibt – selbst entgegen den Parteierklärungen (§ 916) – nur übrig, Schenkungsabsicht und damit Schenkung anzunehmen. Die Führung einer Lebensgemeinschaft ist allerdings ebenso wenig Schenkung wie die Führung des Haushalts durch den Ehegatten.132 Bei dieser Abgrenzung ist als Unterhaltspflicht nicht nur diejenige Leistung zu werten, die mit Sicherheit einklagbar ist, auch ein reichlich bemes­ sener Unterhalt ist noch Unterhalt. Erst wenn dieser in keinem Verhältnis mehr zum gesetzlichen oder vertraglichen Unterhalt steht und überdies Schenkungsabsicht vorliegt, ist Schenkungsrecht anwendbar. Diese Abgrenzung ist auch für die Bemessung des Ersatzes für den entgehenden Unterhalt nach §  1327 maßgeblich,133 nämlich für den Fall, dass der Getötete dem Unterhaltsberechtigten mehr als den gesetzlich zustehenden Unterhalt geleistet hat.134 Entsprechendes gilt auch für den Forderungsübergang nach § 67 und § 158f VersVG bzw § 24 Abs 4 KHVG: Ein Rechtsübergang von Schadenersatzrenten nach § 1327 erfolgt nach diesen Vorschriften nur dann, wenn die tatsächlichen Unterhaltsleistungen „nur einigermaßen mit der gesetzlichen Unterhaltspflicht ins Verhältnis gesetzt und gerechtfertigt werden können“. Hier wie auch sonst bei Schenkungen aus sittlicher Pflicht darf nie außer Acht gelassen werden, dass diese erfahrungsgemäß umso stärker empfunden wird als die Alternative die Übereignung der Vermögensbestandteile an mehr oder weniger andrängende Gläubiger wäre. Bei Anwendung dieser Maßstäbe wird die Zusage einer Entschädigung – 49 auch in Form einer Unterhaltsrente135 – für die Schwängerung (arg § 1328) Unterhalt und gerade nicht Schenkung sein, ebenso die Zusage des Unterhalts für die Zeit der Schwangerschaft (arg § 168) und in sehr eingeschränkten Umfang auch eine Unterhaltszusage nach gebrochenem Eheversprechen.136 UnStanzl in Klang2 IV/1, 592, siehe dazu oben unter Rz 27. OGH 7 Ob 260/63, EvBl 1964/102; Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 44. 133  Koziol, Haftpflichtrecht II2 156; Reischauer in Rummel3 II/2b § 1327 Rz 22; Harrer in Schwimann3 VI § 1327 Rz 16; OGH 2 Ob 26, 27/72, SZ 45/143; 2 Ob 32/88, ZVR 1989/109; 2 Ob 57/92, ZVR 1994/129; 2 Ob 157/00b, ZVR 2001/23 uza. 134  Anders nach § 12 Abs 2 EKHG, der auf die Verpflichtung des Unterhaltsschuldners abstellt: OGH 2 Ob 281/02s, ZVR 2004/85; Reischauer in Rummel3 II/2b § 1327 Rz 22b; Danzl in KBB3 § 1327 Rz 7; Schauer in Schwimann3 VII §§ 12 bis 14 EKHG Rz 13. 135  ZB Verdienstentgang wegen Erziehung des Kindes, vgl OGH 1 Ob 537/57, EvBl 1957/3. 136  Überbrückungshilfe bei Einbuße durch Verzicht auf Verdienstmöglichkeiten (SZ 10/105; OGH 3 Ob 671/82, EF 42.501; 6 Ob 664/88, EF 55.887 uza), aber nicht Verdienstentgang als Folge von Schwängerung und Geburt (3 Ob 671/82, EF 42.501). 131  AM 132 

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terhaltszusagen nach Auflösung einer Lebensgemeinschaft werden in aller Regel schenkungshalber erfolgen.137 Entgegen Stanzl in Klang2 IV/1, 592138 kann bei einem Unterhaltsverspre- 50 chen, das ein natürlicher Vater für ein im Ehebruch gezeugtes, wenn auch nicht für unehelich erklärtes Kind abgibt, eine Pflichtschenkung vorliegen. Meist wird es sich allerdings um ein Anerkenntnis oder einen Vergleich handeln, wenn nämlich die Möglichkeit der Ehelichkeitsbestreitung und damit des Offenbarwerdens der Unterhaltspflicht im Raume steht. Erst recht handelt es sich bei Unterhaltsvereinbarungen sowie Vereinbarungen über die vermögensrechtliche Auseinandersetzung anlässlich der Ehescheidung oder zwischen geschiedenen Gatten idR um Vergleiche über die gegenseitigen Ansprüche und daher mangels Unentgeltlichkeit und Schenkungsabsicht nicht um Schenkungen.139 Die Zuwendung von Taschengeld wurde von Stanzl in Klang2 IV/1, 593140 als Schenkung angesehen, weil jede rechtliche und auch sittliche Verpflichtung hiefür fehle. Diese Auffassung erscheint umso fragwürdiger, je älter das Kind geworden ist. Einerseits ist Taschengeld Teil des Unterhaltsanspruchs141, schon deshalb, weil es rein physisch unmöglich ist, dass die Eltern stets rechtzeitig präsent sind, um die Erfüllung von kleineren, altersgemäßen und nicht unvernünftigen Bedürfnissen des Kindes durch Vertragsschluss zu gewährleisten und andernfalls dieses überdies aus der Gruppe der Gleichaltrigen ausgegrenzt würde. Andererseits ist es ohne die Gewährung eines Taschengeldes nicht gut möglich, das Kind an den verantwortungsvollen Umgang mit Geld heranzuführen. Die Rechtsfrage, ob die bloße Zusage von Taschengeld notariatspflichtig ist, stellt sich daher gar nicht erst. Schenkung ist allerdings die vertragliche Verpflichtung des Bräutigams zur Leistung von Unterhalt an die Mutter der Braut;142 bei der für die anlässlich der Scheidung gemachten Zusage des Mannes an die Frau, ihr für den Fall seiner Wiederverehelichung einen bestimmten Betrag zu bezahlen, wird es sich allerdings eher um Teil eines Scheidungsvergleichs handeln,143 bei einem Unterhaltsversprechen gegenüber einem Fremden mangels Gegenleistung um eine Schenkung.144 Anerkannt ist, dass Unterhalt durch Kapitalabfindung eine Schenkung darstellt, soweit der vereinbarte Betrag nach den Einkommensverhältnissen der beteiligten Personen billigerweise nicht als angemessen bezeichnet werden 137  Entgegen Stanzl in Klang2 IV/l 592 kommt es hiebei jedoch nicht darauf an, ob eine sittliche Pflicht zur Versorgung besteht. Ist dies der Fall, so ist (mit einigen Sonderregeln) ebenfalls Schenkungsrecht anzuwenden. 138  Gestützt auf NZ 1931, 214 = ZBl 1931/300. 139  Stanzl in Klang2 IV/1, 593; Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 46; OGH 2 Ob 104/97a, EF 90.069 = RdW 2000/49. 140  Ebenso GlUNF 1620. 141  Dazu insb Stabentheiner in Rummel3 I § 140 Rz 15a und Gitschthaler, NZ 1992, 145. 142  GlU13.627. 143  AM Stanzl in Klang2 IV/1, 593 im Anschluss an GlU 15.709. 144  Stanzl in Klang2 IV/1, 593 unter Berufung auf OGH 7 Ob 251/55 EvBl 1955/325 (die Armenversorgung leistende Gemeinde verlangte vom Beklagten Ersatz, weil er bei der Einbürgerung der Befürsorgten eidesstättig erklärt hatte, für ihren Lebensunterhalt aufzukommen.

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kann145 (Schenkungsabsicht vorausgesetzt). Nichts anderes gilt für Vereinbarung des Unterhalts in Rentenform, doch kann eine Unterhaltsvereinbarung, die sich noch im Rahmen der gesetzlichen Höhe hält, durch die überproportionale Kapitalisierung zu einer (gemischten) Schenkung werden. 2. Übergabevertrag, Abfindung und Erbschaftsvorhilfe, Erbverzicht 51

Der Übergabevertrag ist ein eigenes Rechtsgeschäft, dessen Gegenstand die Hofübergabe ist. Zweck ist eine antizipierte Erbfolge, eine Vermögensabhandlung noch zu Lebzeiten, wodurch das Anwesen innerhalb der Familie gehalten und der Lebensabend des Altbauern gesichert werden soll.146 Aus diesem Grund wird nicht der Verkehrs- oder Vertragswert der Liegenschaft als Maßstab eingesetzt, sondern ein Preis, bei dem der Hofübernehmer „wohl bestehen“ kann, was unter Bedachtnahme auf die Größe des Hofes, seiner Lage, seinen Ertrag und die Zahl der Kinder einerseits und die Bedürfnisse der weichenden Erben andererseits zu bemessen ist. Es ist Zweck solcher Verträge, die auf bäuerlichem Gewohnheitsrecht beruhen, das vom (hier analog anzuwendenden) Höferecht und vom AnerbenG anerkannt worden ist, die Lebensfähigkeit des bäuerlichen Betriebes zu erhalten.147 Auf dieses „Wohlbestehenkönnen“ kommt es daher nicht an, wenn die Grundstücke zum Verkauf als Bauland bestimmt sind,148 wenn deren Erträgnisse gegenüber anderen Einkommen von untergeordneter Bedeutung sind149 oder wenn das Gut Fremden zugewendet werden soll150. Außerhalb der bäuerlichen Lebensordnung wird die analoge Anwendung dieser Grundsätze nach derzeitigem Verständnis kaum jemals in Betracht kommen. Eine entsprechend niedrige Bewertung eines Unternehmens würde somit grundsätzlich den objektiven Voraussetzungen einer gemischten Schenkung entsprechen.151 Eine solche kann auch sonst bei vorweggenommener Erbabfindung vorliegen.152 Jedenfalls gibt es kein Gewohnheitsrecht oder gar ein kodifiziertes, das ein „Abhausen“ anlässlich des Erbganges bei Unternehmen ganz allgemein verhindern soll. Trotz des Grundsatzes des „Wohlbestehenkönnens“ kann bei bäuerlichen Übergabeverträgen auch eine gemischte Schenkung vorliegen,153 der Zweck der vorweggenommenen Erbauseinandersetzung schließt Unentgeltlichkeit Stanzl in Klang2 IV/1, 593; OGH 2 Ob 286/52, SZ 25/178. Gschnitzer in Klang2 IV/1, 237 ff; Stanzl in Klang2 IV/1, 593 f; Karner in KBB3 §§ 1284–1286 Rz 11; auch Piegler, Rechtsfragen um Gutsübergabe und Ausgedinge, ÖJZ 1956, 561. 147  Schubert in Rummel3 I § 938; Rz 9 Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 49; SZ 19/128; SZ 23/232; JBl 1958, 206; JBl 1960, 188; RZ  1969, 14; SZ 44/30 = EvBl 1972/1; SZ 49/118; SZ 50/166. 148  SZ 59/6; SZ 71/112. 149  SZ 53/7. 150  EF 100.677; Binder in Schwimann3 I § 938 Rz 49. 151  Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 9. 152  F. Bydlinski in Klang2 IV/2, 192; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 9. 153  Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 9; vgl auch F. Bydlinski in Klang2 IV/2, 192 und Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 48. 145  146 

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nicht aus,154 doch ist der Orientierungspunkt für den Wert der Sache nicht der allgemeine Ertrags- oder Verkehrswert sondern derjenige, der diesem Grundsatz entspricht, abgestellt auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses155 und unter Kapitalisierung der Ausgedingeleistung. Vor allem bei einem Ausgedinge zugunsten des überlebenden Ehegatten kommt eine (gemischte) Schenkung erst bei deutlicher Überschreitung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs in Betracht.156 Auch unabhängig vom bäuerlichen Lebensbereich können Leibrenten, die 52 gegen Hingabe einer Sache, vor allem einer Liegenschaft, gewährt werden, Schenkungen darstellen, auch gemischte. Hier kommt es allerdings nicht auf das „Wohlbestehenkönnen“ an, Bemessungsgrundlage ist der Wert der Sache, der in Beziehung zur versicherungsmathematisch zu berechnenden Lebensdauer gesetzt werden muss. Dazu kommt auch hier die subjektive Seite, für welche der Wertunterschied nur ein Indiz sein kann157: Der Erblasser muss sich des Wertunterschiedes bewusst gewesen sein,158 die Absicht zu schenken und beschenkt zu werden, muss erkennbar vorhanden sein. Die versicherungsmathematische Berechnung an Hand von Sterbetafeln ändert nichts am aleatorischen Charakter des Vertrages159, weil diese nur den wahrscheinlichsten Todeszeitpunkt angibt, der sich vom tatsächlichen deutlich unterscheiden kann. Das gilt insb dann, wenn ein bestimmter Gesundheitszustand des Erblassers im Mittelpunkt steht. In Übergabeverträgen werden häufig für die weichenden Erben Abfindun- 53 gen (Erbschaftsvorhilfen) vereinbart. Der Sache nach geht es um Abschlagszahlungen auf den Erb- oder Pflichtteil.160 Stanzl vertritt die Auffassung, dass es sich hier um keine Schenkung handle, sondern um eine Regelung der Wirtschaftsübergabe iS der herrschenden bäuerlichen Auffassungen.161 Der Schenkungscharakter sei also dadurch ausgeschlossen, dass die Parteien eine sittliche Pflicht erfüllen wollten. Im Verhältnis zwischen Übernehmer und weichenden Erben komme eine Schenkung schon deswegen nicht in Betracht, weil der Übernehmer gegenüber dem Erblasser zur Abfertigung verpflichtet sei und von ihm in Form der Gutsübergabe einen Gegenwert erhalten habe. Auch bei einer Erbschaftsvorhilfe außerhalb eines Übergabevertrages werde die Schenkungsabsicht zu verneinen sein, wenn der Erblasser dadurch Abschlagszahlungen auf die allerdings noch zweifelhafte und noch nicht fällige Pflichtteilsforderungen leisten wolle.162 Ob bei dem Pflicht- bzw Erbteilsverzicht ein entgeltliches Rechtsgeschäft vorliegt oder nicht163, hängt davon ab, ob der Abgefundene eine Gegenleistung F. Bydlinski in Klang2 IV/2, 193. OGH 6 Ob 24/01z, EF 96.951. 156  Vgl OGH 5 Ob 48/61, EvBl 1961/225 und Binder in Schwimann3 IV § 1284 Rz 25. 157  OGH 7 Ob 590/77, SZ 50/101; 3 Ob 123/79, NZ 1980, 128; 7 Ob 605/81, NZ 1983, 184. 158  OGH 5 Ob 228/60, RZ 1961, 66; 8 Ob 51/70, NZ 1971, 45; 1 Ob 11/70, SZ 44/30. 159  Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 47. 160  So auch ausdrücklich Binder in Schwimann3 IV 938 Rz 57. 161  In Klang2 IV/1, 594 unter Berufung auf OGH 3 Ob 330/56, JBl 1957, 188. 162  GlU 14.234. 163  Etwas zu pauschal für Schenkung GlUNF 3.007, dagegen OGH 6 Ob 632/88, MietSlg 40.496; ganz allgemein skeptisch zu einer Einordnung von Abfindungsvereinbarungen in die kon154  155 

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erbringt. Beim Pflichtteilsverzicht verschafft er dem Übergeber erbrechtlich freie Hand bei der Regelung der Erbfolge. Eine darüber hinausgehende „Bereicherung“ des Übergebers ist kein gesetzliches Merkmal des Schenkungsvertrages, denn auch die Befriedigung nicht vermögenswerter Interessen kann Gegenstand der Schenkung sein.164 Soweit der Abfindungswert den voraussichtlichen Pflichtteilswert nicht deutlich übersteigt, liegt somit keine gemischte Schenkung vor,165 sondern ein entgeltlicher Verzicht. Ob Erbschaftsvorhilfen als Schenkung anzusehen sind, richtet sich daher – soweit der Abfindungsvertrag nicht schon von vornherein als (gemischte) Schenkung anzusehen ist – danach, ob der Erbe rückzahlungspflichtig ist, wenn ihm die Erbschaft nicht anfällt. Ist dies nicht der Fall, wird idR ein unentgeltliches Darlehen vorliegen.166 3. Erbschaftsschenkung Eine – auch schenkungsweise – Veräußerung der erhofften Erbschaft zu Lebzeiten des Erblassers ist nichtig (§ 879 Abs 2 Z 3). Darunter ist jede Verfügung und Belastung erfasst, also zB auch ein vorwegnehmende Erbschaftsteilung, um von den Launen eines immer wieder neu testierenden Erblassers unabhängig zu sein. Zulässig ist nur der entgeltliche oder unentgeltliche Erbverzicht durch Vertrag mit dem Erblasser, durch welchen diesem freie Hand bei der Regelung der Erbfolge eingeräumt werden soll (§ 551). Nach dem Tod des Erblassers kann der Erbe auf die angefallene Erbschaft, 55 ohne sie vorher verkauft oder verschenkt zu haben, durch einseitige Erklärung an das Gericht verzichten (§§726, 805; Ausschlagung einer Erbschaft). Der Erbe kann aber auch die angefallene oder auch schon angenommene, jedoch noch nicht eingeantwortete Erbschaft verkaufen (§§ 1278 ff) oder verschenken. Die Erbschaftsschenkung ist im Gesetz nicht eigens geregelt, es gelten daher die allgemeinen Regeln des Schenkungsrechts sowie §§  1278 ff analog.167 Sie ist also ein Vertrag zwischen dem Erben und dem Beschenkten auf 54

tradiktorischen Kategorien der entgeltlichen und unentgeltlichen Rechtsgeschäfte Pühringer, Die vorweggenommene Erbfolge im Spannungsfeld zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Abfindungsvereinbarungen, GesRz 1988, 24, 76. Zum Sonderfall des Erbteilsverzichts unter gleichzeitiger Vereinbarung einer Schenkung auf den Todesfall (nicht Entgeltlichkeit sondern Fall der Geschäftsgrundlage) Welser, Erbverzicht und Schenkung auf den Todesfall, NZ 1991, 84; nunmehr ausführlich Kogler, Erbverzicht 109 ff. 164  OGH 6 Ob 227/70, JBl 1971, 197: Ausscheiden der Schwiegertochter aus dem Bereich der am Unternehmensbetrag Beteiligten, ähnlich 3 Ob 123/79, EF 33.708; Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 38; dazu auch Kralik, ErbR 45. 165  Ausführlich Eccher, Antizipierte Erbfolge (1980) 174, auch Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 55 f. AM Stanzl in Klang2 IV/1, 594, wonach der Verzicht auf das Erbrecht durch Vertrag mit dem Erblasser keine Schenkung sei, weil der Erblasser nicht „bereichert“ werde, die Abfindung deswegen nicht, weil der Erblasser damit eine sittliche Pflicht gegen den Verzichtenden erfüllen wolle. 166  Zutreffend Binder in Schwimann3 IV §  938 Rz  57 f; dazu auch JBl 1916, 637 und SZ 12/232. 167  Ehrenzweig, System II/22, 603; Wolff in Klang2 V 1008f; Fenzl, Der „unechte“ Erbverzicht, ÖJZ 1949, 32; Schüssler. Kein Eingriff des Grundverkehrsrechtes in das Verlassenschaftsverfahren?, NZ 1968, 193; Binder in Schwimann3 V § 1278 Rz 8; Karner in KBB3 § 1282 Rz 8; Koziol/Welser13 II 582.

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unentgeltliche Überlassung der Erbschaft, so wie sie dem Erben angefallen ist, mag ein Erbrecht auch bestritten sein.168 Gegenstand der Schenkung ist das Erbrecht zwischen Erbanfall und Einantwortung (§ 1278 f) als solches, auch ein Bruchteil davon, nicht aber eine bestimmte Nachlasssache. Sie hat zur Folge, dass der Beschenkte im Verlassenschaftsverfahren in seinem jeweiligen Stand an die Stelle des Erben tritt und das Eigentum mit Einantwortung erwirbt.169 Da es sich um eine Schenkung handelt, kann sie nach §§ 947 ff widerrufen werden.170 Die Notariatsaktspflicht der Erbschaftsschenkung ergibt sich sowohl aus 56 § 1278 analog171 als auch – soweit ein Schenkungsversprechen vorliegt – aus § 943. Da hier das Erbrecht als solches verschenkt wird und nicht eine Nachlasssache, kommt eine „wirkliche Übergabe“ nicht in Betracht.172 Einer Einantwortung an den Beschenkten stünde die Formungültigkeit der Schenkung entgegen,173 formgültig wäre nur eine „gänzliche Übertragung der Vermögenswerte“ durch jeweilige Schenkung der Nachlassbestandteile174, doch ist das keine Erbschaftsschenkung mehr. Zweck dieser Formvorschrift ist einerseits wie bei jeder anderen Schenkung der Schutz vor Übereilung, doch müssen die Parteien hier auch über die zwingende Vorschrift des § 1282 aufgeklärt werden, wonach Schenker und Geschenknehmer nach außen solidarisch für die Erbschaftsschulden haften.175 Beurkundung durch Gerichtsprotokoll reicht aus (§ 1278 Abs 2)176, was die gleichzeitige Anwesenheit der Erklärenden und der Urkundsperson und die Unterschriftenleistung vor dieser voraussetzt (§  22 AußStrG iVm §§ 207 ff ZPO). Es ist in solchen Fällen Sache des Richters bzw des Rechtspflegers, die Parteien gegebenenfalls auf diese gefährliche Konsequenz aufmerksam zu machen. Nichts anderes gilt für das Protokoll des Notars als Gerichtskommissar, weil diesem Akte der Verlassenschaftsabhandlung übertragen sind (§ 1 Abs 1 GKG), bei deren Vornahme er die für die Gerichte geltenden Vorschriften sinngemäß anzuwenden hat (§ 9 Abs 5 GKG); es besteht auch kein sachlicher Grund für eine verschiedene Behandlung.177 168 

OGH 3 Ob 415/57, SZ 30/64 = EvBl 1958/3. Hiezu im einzelnen Welser in Rummel3 I §§ 1278–1281 Rz 1 ff. 170  Fenzl, ÖJZ 1949, 33; Binder in Schwimann3 V § 1278 Rz 7; Karner in KBB3 §§ 1278–1281 Rz 8; Welser in Rummel3 I §§ 1278–1281 Rz 10. 171  Siehe oben unter Rz 55. 172  SZ 14/2: B. Jud, Der Erbschaftskauf Verfügungen des Erben über sein Recht (1998) 39 f; Binder in Schwimann3 I § 1278 Rz 8 173  Gegen die Heilung durch Einantwortung SZ 14/2; B. Jud, Erbschaftskauf 39 f; Welser in Rummel3 I §§ 1278­­–1281 Rz 3; aM Demelius, Erbverzicht zugunsten Dritter, NZ 1930, 104. 174  Dazu W. Dehn, Formungültige Rechtsgeschäfte und ihre Erfüllung (1998) 236 ff und Binder in Schwimann3 V § 1278 Rz 8 (in FN 23). 175  B. Jud in NZ 1999, 124 ff zur E OGH 6 Ob 193/98w . 176  Stanzl in Klang2 IV/1, 595; Demelius, NZ 1930, 103; Scheffknecht, Die Erbrechtsveräußerung, NZ 1953, 100; B. Jud, Erbschaftskauf 37 ff; Welser in Rummel3 I §§ 1278–1281 Rz 8; Binder in Schwimann3 V § 1278 Rz 6; OGH 1 Ob 110/50, SZ 23/46 = JBl 1950, 580; 3 Ob 415/57, SZ 30/64 = EvBl 1958/3; aM nur Krehan, Die Ausschlagung der Erbschaft zugunsten Dritter, NZ 1950, 107 f. 177  Stanzl in Klang2 IV/1, 595; Fenzl, ÖJZ 1949, 33; Scheffknecht, NZ 1953, 101; Welser in Rummel3 I §§ 1278–1281 Rz 9; B. Jud, Erbschaftskauf 38; OGH 1 Ob 110/50, SZ 23/46 = JBl 1950, 580; 6 Ob 193/98w, SZ 71/152 = JBl 1999, 108 = NZ 1999, 124 (B. Jud). 169 

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Diese Formpflicht gilt nicht nur für die Verfügung über das angefallene Erbrecht, sondern auch für Verträge, in denen sich der Erbe zu einer solchen Verfügung verpflichtet.178 In diesem Fall wird die Erbschaftsschenkung durch die Erklärung des Erben erfüllt, auf die Erbschaft zu verzichten. Aus haftungs- und steuerrechtlichen Gründen (§ 1282) wird vielfach der einfache Weg einer (unentgeltlichen) Entschlagung zugunsten eines Dritten gewählt, dem die Erbschaft sonst nicht zugekommen wäre. Auch hier liegt eine entgeltliche oder unentgeltliche Erbschaftsveräußerung vor, die daher in sinngemäßer Anwendung des § 1278 Abs 2 formpflichtig ist.179 Voraussetzung einer Erbschaftsschenkung ist nach allgemeinem Vertragsrecht zunächst, dass der Erbe eine darauf gerichtete Willenserklärung abgibt, der Begünstigte sie als solche annimmt und diese Annahmeerklärung dem Erben zukommt. Die bloße Kombination von Erbsentschlagung zugunsten einer Person und deren Erbsantrittserklärung genügt also nicht. Darüber hinaus müssen diese Erklärungen in Form eines Notariatsaktes abgegeben oder durch das Gericht oder den Notar als Gerichtskommissär protokolliert werden.180 Warnbedarf besteht hier nicht nur beim unentgeltlich Zuwendenden. Bei der bloßen Ausschlagung gilt das Erbrecht als nicht angefallen. Wird eine solche Erklärung aber als Erbschaftsverkauf verstanden, so droht dem Erben die Haftung nach § 1282, worüber er aufgeklärt werden muss.181 Eine Bedingung, wonach die Erbsentschlagung nur dann gültig sein solle, wenn eine bestimmte Person die Erbschaft annimmt oder eine Abfindung zahlt, wird zurecht als unzulässig angesehen,182 da es sich hier um eine Bedingung handelt, die sich außerhalb des Verfahrens ereignet und der durch die Prozesserklärungen bestimmte Prozessablauf nicht durch die Bindung an unvorhersehbare Ereignisse beeinträchtigt oder verzögert werden darf. Hier ist allerdings vieles eine Frage der Auslegung. Hinter der Formulierung als Bedingung kann sich eine bloße Festlegung der Gegenleistung verbergen, sodass in Wahrheit eine entgeltliche Erbschaftsveräußerung vorliegt; oder es soll durch den Beisatz „zugunsten“ nur Selbstverständliches oder das Motiv ausgedrückt werden, in welchem Fall eine schlichte Erbsentschlagung anzunehmen ist.183 Wird die Erbsentschlagung zugunsten des Nächstberufenen abgegeben, so 58 bedarf es keiner besonderen Form. Es genügt also nach allgemeinem Verfah178 

Rz 3.

Ehrenzweig, System II/22, 403; Wolff in Klang2 V 1010; Welser in Rummel3 I §§ 1278–1281

179  Koziol/Welser13 II 570, 581; Welser in Rummel3 I §§ 1278–1281 Rz 91; Binder in Schwimann3 V § 1278 Rz 9; Karner in KBB3 § 1281 Rz 8; NZ 1930, 113; OGH 3 Ob 271, 272/53, JBl 1954, 174;7 Ob 82, 83/67, EvBl 1968/3; 8 Ob 175/68, NZ 1969, 41; 1 Ob S 37/94, SZ 67/175 = JBl 1995, 396; 6 Ob 193/98w, SZ 71/152 = JBl 1999, 108 (B. Jud). 180  B. Jud, Erbschaftskauf 38 f. 181  Zutr B. Jud, NZ 1999, 124 Anm zu E OGH 6 Ob 193/98w und zu großzügig daher W. Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte 81, 234 ff, die einen Warnbedarf nur bei unentgeltlicher Zuwendung annimmt. 182  OGH 6 Ob 193/98w, SZ 71/152 = JBl 1999, 190 = NZ 1999, 124 (Jud); Hofmann-Wellenhof, Erbverzicht und Ausschlagung der Erbschaft aus zivilrechtlicher Sicht, NZ 1984, 24; B. Jud, Erbschaftskauf 100 ff; Binder in Schwimann3 V § 1278 Rz 9. 183  OGH 10 Ob S 37/64, SZ 67/175; B. Jud, Erbschaftskauf 101; Welser in Rummel3 I §§ 1278–1281 Rz 9.

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rensrecht die Kenntnisnahme durch das Gericht oder den Notar als Gerichtskommissär.184 Hat der Erstberufene allerdings bereits eine Erbantrittserklärung abgegeben, so trifft ihn die Haftung nach § 1281.185 Erbvergleiche, die nach Erbanfall geschlossen werden und zu einer Änderung des Erb- und Einantwortungsverhältnisses gegenüber dem Erbrechtstitel führen sollen, können der Sache nach entgeltliche oder unentgeltliche Erbschaftsveräußerungen darstellen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Zuwendung bei weitem das Maß dessen übersteigt, was zum Zwecke der Rechtsbereinigung geboten erscheint und überdies in Schenkungsabsicht gegeben und genommen wird. Eine Erbschaftsschenkung kann auch dann vorliegen, wenn der Anspruch eines Miterben „anerkannt“ wird. Auch solche Fälle unterliegen dem Formgebot des §  1278 Abs 2.186 Nach Einantwortung gibt es keine Erbschaftsschenkung iSd §§ 1278 ff mehr, nur noch die Veräußerung einer Gesamtsache nach allgemeinen Regeln. 4. Kulanz und Entgelterhöhung Die Bezeichnung einer Leistung als „unentgeltlich“ findet sich im Wirt- 59 schaftsleben auffallend häufig, ist aber nur selten zutreffend. Unter „kostenlos“, „gratis“, „unentgeltlich“ soll meist nur zum Ausdruck gebracht werden, dass eine selbstverständliche Nebenleistung (oder gar die Hauptleistung) nicht auch noch eigens verrechnet wird, so etwa bei „Aktionen“, mit denen dem Kunden das „Aktivierungsgeld“ erlassen wird, das sie zahlen müssen, um die erworbene Sache überhaupt gebrauchen zu können. Die fälschliche Deklaration von vertraglichen Teilleistungen als unentgeltlich ist überhaupt ein weit verbreiteter Unfug. Bei der sogenannten „Kulanzzahlung“ handelt es sich vielfach um eine Leistung, auf die ein vertraglicher oder gesetzlicher Anspruch besteht, was aber der Leistungspflichtige aus rechtstaktischen Gründen bemänteln möchte.187 Echte Kulanz liegt erst dann vor, wenn der Schuldner sich zu einer Leistung verpflichtet, die zwar höher ist als das voraussichtlich vor Gericht erzwingbare Minimum, aber mit diesem noch in irgendeinem Verhältnis steht, und die nicht in Schenkungsabsicht erbracht wird. Eine „Kulanzleistung“ eines Versicherers kann also erst dann als Schenkung verstanden werden, wenn diese Grenze überschritten wird und Schenkungsabsicht auf beiden Seiten vorliegt. Dass der Geber sich die Fortdauer der Vertragsbeziehung, sorgfältige Pflichterfüllung oder gar Neuabschlüsse erhofft, spricht für sich allein weder für „Kulanzleistung“ im Rahmen eines bestehenden Rechtsverhältnisses noch für Schenkung.188 Praktische Bedeutung hat diese Abgrenzung gerade im Versicherungsrecht, wo es gewöhnlich darum geht, ob eine Leistung von den OGH 1 Ob 209/60, JBl 1961, 278; Binder in Schwimann3 V § 1278 Rz 9. Scheffknecht, NZ 1953, Die Erbrechtsveräußerung, NZ 1953, 99; Welser in Rummel3 I §§ 1278–1281 Rz 9. 186  B. Jud, Erbschaftskauf 108 ff; Binder in Schwimann3 V § 1278 Rz 3; OGH 6 Ob 198/64, SZ 37/104. 187  Zur Verwaschenheit und bewussten Vieldeutigkeit des Ausdrucks „Kulanzzahlung“ siehe auch Ertl, ecolex 2010, 13, Anm zu 7 Ob 83/08v. 188  AM offenbar Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 40. Vgl dazu auch OGH 1 Ob 598/56, SZ 30/2. 184  185 

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Legalzessionsnormen der §§ 67 und 158 f VersVG bzw §  24 Abs 4 KHVG erfasst wird. Ist das nicht der Fall, schließt das nicht aus, dass der schenkende Versicherer Regress nehmen kann, aber eben nicht im Rahmen der besonderen Ausgestaltung gerade dieser Regressnormen. Eine vertragsmäßige Erhöhung des Entgelts, etwa des Kaufpreises189, 60 ist idR nicht Schenkung.190 Es fehlt gewöhnlich an der Schenkungsabsicht. Die Parteien ändern vielmehr das bestehende Vertragsverhältnis dahin um, dass der zusätzliche Betrag als weiteres Entgelt vereinbart wird (Vertragsänderung, allenfalls Novation). Es tritt hier keine Änderung des Rechtsgrundes ein. Entsprechendes gilt für nachträglich gewährtes oder vereinbartes Entgelt bei zunächst unentgeltlicher Leistung191, sofern es sich nicht um eine remunera­ torische Schenkung handelt. Besonders häufig kommen solche Entgelterhöhungen in Form von Zu61 satzleistungen im Arbeitsrecht vor. Das gilt nicht nur für Naturalleistungen192 und deren Ablösen sondern auch für Sonderzahlungen und Prämien der verschiedensten Art193, Abfertigungen194, Pensionen, selbst wenn sie den Hinterblie­benen des Arbeitnehmers ausbezahlt werden sollen.195 Solche freiwilligen „Sozialleistungen“196 sollen den Arbeitnehmer zur Aufnahme des Dienstver­hältnisses motivieren, seine Leistung steigern und nach Ende des Dienstverhältnisses ein gewisses Treueverhalten dem Arbeitgeber gegenüber gewährleisten.197 Meist will auch der Arbeitgeber Beispielsfolgen und womöglich rechtliche Verpflichtungen pro futuro vermeiden. Der übereinstimmende Parteiwillen kann allerdings auch dahin gehen, un62 entgeltlich und nicht im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses zu leisten.198 Das trifft vor allem auf remuneratorische Schenkungen in Würdigung eines bereits durchgeführten Arbeitskräfteeinsatzes zu (§ 940). Die Abgrenzung ist schwierig. Schubert199 schlägt vor, Letzteres dann anzunehmen, wenn die Erhöhung nicht als Vergütung gedacht ist, sondern nur als Motiv für die Zuwendung.200 Diese Grenzziehung ist dogmatisch exakt, aber kaum justiziabel, weil ihr bei der Parallelwertung in der Laiensphäre nur ausnahmsweise 189 

GlUNF 345. Ehrenzweig, System II/12, 364; Stanzl in Klang2 IV/1, 596; Schubert in Rummel3 I Rz 5. 191  Ehrenzweig, System II/12, 366; Stanzl in Klang2 IV/l, 596. 192  ZB OGH 4 Ob 52/73, ZAS 1974, 96 (Kramer): Finanzierung der Anschaffung eines Kfz, das im Rahmen des Dienstverhältnisses verwendet werden soll. 193  Auch „Ehrengeschenke“ an Jubilare: OGH 4 Ob 89/58, JBl 1976, 657 (F. Bydlinski) = ZAS 1977, 140 (Klein); Binder in Schwimann3 I § 938 Rz 42; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 4. 194  OGH 4 Ob 132/53, Arb 5.836; 4 Ob 118/60, Arb 7.285; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 4. 195  OGH 4 Ob 89/58, JBl 1959, 218; Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 42; zweifelnd Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 5. Im konkreten Fall kann allerdings eine remuneratorische Schenkung aus sozialen Erwägungen vorliegen, s unten unter Rz 61. 196  Koziol/Welser13 II 191; dazu auch Welser, Widerrufsvorbehalt und Teilkündigungsvereinbarung bei entgeltwerten Leistungen des Arbeitgebers, RdA 1991, 1. 197  Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 42. 198  Stanzl in Klang2 IV/1, 596. 199  In Rummel3 I § 938 Rz 5. 200  Unter Berufung auf Koziol/Welser13 I 351. 190 

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ein greifbares Kriterium entsprechen wird. Es wird daher genauer darauf abzustellen sein, ob der Arbeitgeber im Sinne höherer Lohngerechtigkeit nach Gebühr und Verdienst entlohnen oder sich lediglich erkennbar zeigen will. Letzteres trifft vor allem dann zu, wenn soziale Kriterien bei der Leistungserbringung im Vordergrund stehen.201 Hier kommen auch Pflichtschenkungen in Betracht, die durchaus remuneratorischen Charakter haben können. Ein weit überhöhtes Arbeitsentgelt kann auch aus anderen Gründen gewährt werden, so als verdeckte Gewinnausschüttung oder zum Zweck der Gläubigerschädigung. Das trifft vor allem dann zu, wenn es von nahen Angehörigen bezogen wird. Hier wird auch das Vorliegen eines Scheingeschäftes zu prüfen sein. Gelegentlich haben Remunerationen der verschiedensten Art auch die Funktion eines Schweigegeldes in insolvenzrechtlichen oder gar wirtschaftsstrafrechtlichen Verfahren. 5. Vorkaufsrecht Keine Schenkung liegt nach weit verbreiterter Meinung grundsätzlich in 63 der Einräumung des Vorkaufsrechtes. Stanzl202 begründet dies damit, dass dieses keinen Vermögenswert habe, sodass Bereicherung und Vermögensaufopferung fehlten. Dagegen spricht schon der Umstand, dass sich der Vorkaufsberechtigte in der Rechtswirklichkeit die Nichtgeltendmachung häufig finan­ ziell abgelten lässt. Es ist also zwar nicht „wertlos“, aber idR nur ein unselbständiger Teil einer auf entgeltlichen Austausch angelegten Vertragslage.203 Die Parteien können aber jedes beliebige Verhalten in eine Entgeltsbeziehung aufnehmen und sogar zum Ausdruck bringen, dass die unentgeltliche Begründung eines Vorkaufsrechts vom späteren Leistungsaustausch unabhängig sein soll, doch ginge es auch dann um die Begründung eines vorübergehenden Rechtes, dessen Unterstellung unter den Schenkungsbegriff fraglich wäre.204 Wenn dies bejaht würde, so entstünde das Recht des Beschenkten unmittelbar aus dem Schenkungsversprechen, das daher formfrei wäre.205 6. Gesellschaftsvertrag Gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen fehlt es idR schon an der 64 Schenkungsabsicht.206 Das gilt nicht nur für den Gesellschaftsvertrag selbst 201  Eypeltauer, Betriebsratsmitwirkung an betrieblichen Wohlfahrtseinrichtungen, DRdA 1986, 202 f; Binder in Schwimann3 I § 938 Rz 43. 202  In Klang2 IV/1, 596.Ebenso Ehrenzweig, System II/12, 363 mit der wenig einleuchtenden Begründung, dass die wirtschaftliche Natur des Geschäftes ins Auge gefasst werden müsse, da der Entgeltbegriff ein wirtschaftlicher Begriff sei. Da die Abstandnahme von der Geltendmachung eines Vorkaufsrechtes in der Praxis vielfach entgeltlich erfolgt, müsste aus dieser Prämisse nämlich gerade der gegenteilige Schluss gezogen werden. 203  AM F. Bydlinski in Klang2 IV/2 760 ff und ihm folgend Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 13; auch GlUNF 2.574 und OGH 1 Ob 108/03v RdW 2004/595; AM Faistenberger, Das Vorkaufsrecht (1972) 21. 204  F. Bydlinski in Klang2 IV/2 761 f. 205  F. Bydlinski in Klang2 IV/2 762. 206  Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 7; OGH 1 Ob 19/50, SZ 23/8; 2 Ob 547/49, SZ 23/182; 6 Ob 345/65, JBl 1967, 257; vgl auch Stanzl in Klang2 IV/1, 597.

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sondern auch für die Vereinbarungen, die nur als unselbständiger Teil seiner Durchführung dienen und oft auch nur vorübergehende Rechte begründen. Der Gesellschaftsvertrag kann auch dann nicht ohneweiters als unentgeltlicher Vertrag und damit als Schenkung angesehen werden, wenn bestimmte Vertragsklauseln einem Gesellschafter oder dessen Erben zugute kommen, wie zB die Vereinbarung, dass das Unternehmen dem Überlebenden zufallen solle207, dass Erben bloß mit einem zum Unternehmenswert geringeren fixen Betrag208 oder zum Buchwert209 abgefunden werden sollen.210 Hier geht es der Sache nach zunächst um Fälle der vorweggenommenen Erbfolge, um das gemeinsame Inte­ r­esse am Erhalt des Unternehmens, und die ihm dienenden Klauseln werden meist in das Äquivalenzverhältnis zwischen den Parteien des Gesellschaftsvertrages Eingang gefunden haben. Es können aber auch noch zahlreiche andere Momente mitspielen, welche die Annahme der Unentgeltlichkeit ausschließen. Gemischte Schenkungen können zB vorliegen, wenn die rechtliche Stellung der Gesellschafter hinsichtlich der Gewinnbeteiligung oder der Übernahme von Verpflichten sehr verschieden ist. Ebenso gut möglich sind in solchen Fällen Scheinverträge zwecks Steuervermeidung oder zwecks Gläubigerschädigung. Andererseits ist aber das Unternehmen eine Sache, die einen Vermögens65 wert darstellt und daher – auch in Bruchteilen – verschenkt werden kann. Übertragen werden können als Gesellschaftsanteile daher Aktien (§  61 AktienG) und Geschäftsanteile einer GmbH (§ 76 GmbHG) und zwar auch schenkungsweise. Solche Schenkungen können auch in der Weise vor sich gehen, dass ohne (oder mit unzureichender) Einlage der zu Beschenkende von einem Unternehmer oder in einer Gesellschaft als – insb stiller – Gesellschafter aufgenommen wird.211 Nichts anderes gilt für die Verschaffung eines Kommanditanteiles.212 Besonderer Vorsicht bedarf die Einordnung als Schenkung bei der Einräumung der Stellung eines persönlich haftenden Gesellschafters.213 Die Aufnahme von Familienmitgliedern, vor allem von Kindern, als stille Gesellschafter unter schenkungsweiser Übertragung von Geschäftsanteilen ist in der Praxis keineswegs selten. Es muss hier wie auch sonst immer im einzelnen Fall sorgfältig geprüft werden, ob tatsächlich eine unentgeltliche Zuwendung vorliegt und ob nicht für die Aufnahme als Gesellschafter ein anderer zureichender Rechtsgrund vorhanden ist, wie etwa eine Geschäftsübergabe ähnlich der Gutsübergabe (dazu oben unter Rz 51), ein familien- oder ehegüterrechtlicher oder ein arbeitsrechtlicher. Auch die Übertragung in Befolgung einer schon früher abgeschlossenen gesellschaftsrechtlichen Verpflichtung kommt in Betracht. 207 

OGH 1 Ob 19/50, SZ 23/8. OGH 2 Ob 547/49, SZ 23/182. 209  Haas, Abschichtung zum Buchwert als Schenkung?, JBl 1955, 8; Kastner, Abschichtung zum Buchwert als Schenkung?, JBl 1955, 138f; Arnold, Die „Buchwertklausel“ im Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer, RdW 1983, 85. 210  Stanzl in Klang2 IV/1, 597. 211  Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 7. 212  Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 7; aM VwGH 90/15/0084, NZ 1992, 127 bei Abtretung unter Vorbehalt des Fruchtgenusses, dagegen zu Recht Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 14. 213  Vgl Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 7 208 

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Dissolutionsverträge sind in den Gesamtzusammenhang des Gesell- 66 schaftsverhältnisses eingebettet, daher kann bei einer Abschichtung zum Buchwert allein nicht schon auf das Vorliegen einer gemischten Schenkung geschlossen werden; umgekehrt kann die besondere Höhe des Abfindungsbetrages darauf zurückzuführen sein, dass der verbleibende Gesellschafter freie Hand haben oder doch wenigstens den weichenden Gesellschafter los werden will.214 Umgekehrt muss wegen dieses Gesamtzusammenhanges auch die entschädigungslose Abtretung des Geschäftsanteiles keine Schenkung sein.215 7. Ehepakte Zuwendungen im Rahmen von Ehepakten sind wegen des familien- 67 rechtlichen Charakters der Vereinbarungen, die der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft dienen, nicht ohneweiters Schenkungen.216 Soweit nämlich eine Rechtspflicht zur Leistungserbringung besteht, fehlt es schon deshalb an den objektiven und den subjektiven Voraussetzungen (Schenkungsabsicht) der Schenkung. § 1246 anerkennt, dass es Schenkungen auch unter Ehegatten und Verlobten gibt und unterwirft diese den allgemeinen Regeln (§§ 901, 938 ff ABGB und § 1 Abs 1 lit d NotAktsG). Doch handelt es sich in solchen Fällen nur um punktuelle Regelungen und nicht um eine generelle Änderung des gesetzlichen Güterstandes.217 Schon JB 239218 stellt darauf ab, ob die Zuwendung in Erfüllung einer Rechtspflicht erfolgt ist, in welchem Fall keine Schenkung vorliegt, ob mit einem Bestellungspflichtigen eine Fälligkeit vereinbart wird, „die weder auf eine beabsichtigte, bestimmte Ehe noch auf einen Zeitpunkt bei oder nach Abschließung einer zukünftigen Ehe Bezug nimmt“ oder wenn der Bestellungspflichtige die Absicht gehabt hat, (unverhältnismäßig weit) über das gesetzliche Maß hinaus zu dotieren. Ein solches Übermaß wird nur dann anzunehmen sein, „wenn es sich aus den Umständen klar ergibt, insbesondere wenn die Unverhältnismäßigkeit eine offenbare ist oder wenn der Aszendent, sei es ausdrücklich, sei es stillschweigend, die Absicht kundgegeben hat, das Übermaß zu schenken“ (und die Zuwendung auch als Schenkung angenommen wurde). Der sachliche Unterschied liegt darin, dass sich Schenkungen nach § 785 anrechnungspflichtig sind, Ehepakte hingegen nur, soweit sie unentgeltliche Zuwendungen enthalten219; Entsprechendes gilt für die Schenkungsanfechtung (§ 3 AnfO, § 29 IO). Vgl OGH 3 Ob 123/79, EF 33.708 und Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 38 f. Vgl VwGH 1869/62, NZ 1964, 25. 216  Gelegentlich wird etwas missverständlich – denn auch Schenkungen können Versorgungszweck haben – formuliert, was Gegenstand eines Ehepaktes sei, sei grundsätzlich nicht Schenkung oder gar, dass die im Rahmen von Ehepakten vorgenommenen Zuwendungen nie Schenkungen sein könnten: OGH 5 Ob 228/60, RZ 1961, 66; 5 Ob 48/61, EvBl 1961/225; 7 Ob 192/72, JBl 1973, 32 (F. Bydlinski); 1 Ob 61/97w, RdW 1998, 137; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 6; wie im Text jedoch 5 Ob 124/92, NZ 1993, 240 und Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 24; vgl auch F. Bydlinski aaO. 217  OGH 7 Ob 561/95 Z 68/198; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 6. 218  GlUNF 7645; GlU 10.838; Stanzl in Klang2 IV/1, 597 f; Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 24. 219  Welser in Rummel3 I § 785 Rz 10. 214  215 

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Nach diesen Grundsätzen sind die Bestellung von Heiratsgut – also zB Schenkung bei Bestellung durch einen nicht dazu verpflichteten Dritten220 – als eine Ausstattung (§§Â€1220 ff, vor dem FamRÄG 2009 §Â€1231)221 zu werten. Morgengabe (§Â€1232 aF), Widerlage (§Â€1232 aF) und Witwengehalt (§1230 f aF) wurden zwar durch am 1.â•›1.â•›2010 in Kraft getretene FamRÄG 2009 abgeschafft, doch sind die vorher abgeschlossen Ehepakte gültig geblieben. Auf die Morgengabe (§Â€1232) bestand nach früherer Rechtslage kein Rechtsanspruch, daher war sie ein Geschenk.222 Stanzl223 vertrat die Auffassung, dass Widerlage (§Â€1230 f) und Witwengehalt (§§Â€1241 ff) mangels Schenkungsabsicht keine Schenkungen seien, doch traf dies nur zu, soweit keine gesetzliche Leistungspflicht bestand.224 Morgengabe, Wiedergabe und Witwengehalt waren schon vor Erlassung des FamRÄG 2009 praktisch bedeutungslos. Außer in Lehrbüchern dürften sie sich nur noch in tradierten Schimmeln aus den hintersten Winkeln der Rechtspraxis gehalten haben. Wird bei der allgemeinen oder beschränkten Gütergemeinschaft eine vom 69 Einbringungsverhältnis abweichende Miteigentumsrelation vereinbart, so kann darin auch eine Schenkung liegen.225 Eine Vereinbarung nach §Â€55a EheG ist nur dann eine Schenkung, wenn sie „in einem krassem Widerspruch zur Sachlage“ steht.226 68

8. Lebensversicherung zugunsten eines Dritten 70

Bei Tod des Versicherungsnehmer fällt bei der Eigenversicherung die Versicherungssumme in den Nachlass, wenn er über seine Inhaberpolizze nicht anderweitig verfügt hat,227 doch kann der Vertrag oder das Gesetz (§Â€166 VersVG) ihm das Recht auf Benennung eines Bezugsberechtigten einräumen. Im Zweifel ist diese Bezugsberechtigung widerrufbar und gewährt nur ein unvererbliches Anwartschaftsrecht, das jederzeit vom Versicherungsnehmer widerrufen werden (§Â€166 Abs 2 VersVG), das aber vom Bezugsberechtigten zurückgewiesen werden kann. Anders bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht: Im Verhältnis zum Versicherer liegt ein besonders ausgestalteter Vertrag zugunsten Dritter vor.228 Im Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Begünstigten kann ein Schenkungsvertrag vorliegen, in Betracht kommt auch die schenkungsweise Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung mit Übergabe der Inhaberpolizze (oder Verständigung des Versicherers) als GlUNF 3664; GlU 10.838; Stanzl in Klang2 IV/1, 597. Jud 240 = GlUNF 7646; OGH 7 Ob 303/56; Stanzl in Klang2 IV/1, 598. 222╇ GlUNF 4.143; Stanzl in Klang2 IV/1, 598; Binder in Schwimann3 IV §Â€938 Rz€25. 223╇ In Klang2 IV/1, 598. 224╇ Zutreffende Differenzierung bei Binder in Schwimann3 IV §Â€938 Rz€25. 225╇ Dazu Binder in Schwimann3 IV§Â€938 Rz€26: Voraussetzung ist, dass die Übertragung der Vermögenswerte nicht in Erfüllung gesetzlicher Beistands- und Unterhaltspflichten oder zur Abgeltung der Mitwirkung im Ehegattenerwerb geschieht. Vgl allerdings GlU 9.370 und OGH 5 Ob 228/60, RZ€1961, 66. 226╇ OGH 7 Ob 685, SZ 58/209 = EvBl 1986/106; Schubert in Rummel3 I §Â€938 Rz€6. 227╇ Statt aller Stanzl in Klang2 IV/1, 598 f; Schauer, Österreichisches Versicherungsvertragsrecht3 (1995) 469. 228╇ Gschnitzer in Klang2 IV/1, 228 f; Rummel in Rummel3 I §Â€881 Rz€3 mwN. 220╇ 221╇

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„wirkliche Übergabe“ iSd § 1 Abs 1 lit d NotAktsG.229 Erfolgt die Zuwendung in Erfüllung einer Rechtspflicht, so hindert dies die Annahme einer Schenkung.230 Diese Grundsätze gelten auch für Bezugsberechtigungen aus einer Unfallversicherung und ganz allgemein für die Fremdversicherung (§§ 74 ff).231 9. Schadenersatz Nach einer alten Rechtstradition soll keine Schenkung vorliegen, wenn der 71 Schädiger Ersatz leistet, ohne dazu verpflichtet zu sein.232 Begründet wird dies damit, dass nach der Absicht der Parteien der Beschädigte nicht beschenkt, sondern ihm der Schaden ersetzt wird. Es fehle also die Schenkungsabsicht. Eine „freiwillig erfüllbare Pflicht zum Schadenersatz“ werde bei mangelndem Verschulden schon deswegen, weil es Fälle einer Haftung ohne Verschulden gebe, und bei Schadenzufügung durch Dritte dann angenommen werden können, wenn der Leistende zB als Vater oder Dienstgeber in einer Beziehung stehe, die Ersatzleistung nahelege.233 Vielmehr sind hier mehrere Fallgruppen zu unterscheiden: Meint der Leis- 72 tende zu Unrecht, eine eigene Rechtspflicht zu erfüllen, so liegt keine Schenkungsabsicht vor, und er kann seine Leistung ohneweiters nach § 1431 zurückfordern. Hat es darüber Streit oder doch Zweifel gegeben, so wird ein Vergleich oder ein (konstitutives) Anerkenntnis vorliegen, das erst unter den erschwerten Anforderungen des §  1385 angefochten werden muss, wenn die Leistung kondiziert werden soll.234 War sich der Leistende im Klaren darüber, dass er für den von ihm verursachten Schaden nicht haftet, so ist zu prüfen, warum er dennoch geleistet hat. Hat er dies in Schenkungsabsicht getan, so hat er geschenkt, allenfalls liegt eine Pflichtschenkung vor. Andernfalls wird letztlich doch eine Entgeltverknüpfung vorliegen. Der Umstand allein, dass ein Schaden ersetzt wird, schließt jedenfalls das Vorliegen einer Schenkung nicht aus.235 Daran ändert auch ein vertraglicher oder gesetzlicher Übergang des 229  Ausführlich zum ganzen, auch zur Frage der Formpflicht VersE 1960: Eccher. Antizi­ pierte Erbfolge 129 ff; Zankl, Lebensversicherung und Nachlass, NZ 1985, 83; Zankl, Die Lebensversicherung im Pflichtteilsrecht, NZ 1989, 1; Schuhmacher, Inventarisierung der Lebensver­ sicherung?, NZ 1997, 381 und Schauer, Österreichisches Versicherungsvertragsrecht 469 ff. 230  Die Erfüllung einer sittlichen Pflicht schließt entgegen Stanzl in Klang2 IV/1, 599 die Anwendung von Schenkungsrecht nicht aus, es sind nur die für Pflichtschenkungen vorgesehenen Sonderregeln anzuwenden. 231  Dazu im einzelnen Schauer, Österreichisches Versicherungsvertragsrecht3 164 ff. 232  Siehe Stanzl in Klang2 IV/1, 599; Ehrenzweig, System II/12, 363 f; JBl 1908, 141 = GlUNF 4079; GlUNF 6306; und zuletzt noch OGH 8 Ob 97/78 und Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 4. 233  So Stanzl in Klang2 IV/1, 599, ähnlich Ehrenzweig, System II/12, 363 f: Was der Urheber eines Schadens als Entschädigung leiste, sei keine Schenkung, auch wenn er nicht verpflichtet gewesen sei, den Schaden zu ersetzen; denn wenn der Schaden auch nur durch eine objektiv rechtswidrige Handlung herbeigeführt worden sei, liege hierin eine genügende Rechtfertigung der Parteiabsicht, die auf eine billige Entschädigung gerichtet sei. 234  Ertl in Rummel3 II/3 § 1380 Rz 3 und 7 sowie §  235  So auch Stanzl in Klang2 IV/1, 599 mit dem Beispiel, dass ein Vorübergehender dem durch den Diebstahl seiner Börse Beschädigten den gestohlenen Betrag „ersetzt (richtig schenkt)“.

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Schadenersatzanspruchs auf den Schenker nichts, der eintritt, wenn nicht gerade der in Wahrheit ersatzpflichtige Schädiger entlastet werden soll. Den Geschenkgeber trifft auch in solchen Fällen die Gefahr, dass der in Wahrheit ersatzpflichtige Schädiger nicht aufgefunden werden kann, dass er zahlungsunfähig ist und das allgemeine Prozessrisiko samt den damit verbundenen Kosten. Ein Geschenk bleibt auch dann ein Geschenk, wenn ein Dritter dem Geschenkgeber die Auslagen freiwillig oder unfreiwillig ersetzt. 10. Bürgschaft, Pfandrecht und andere Sicherungsrechte 73

Im Verhältnis zwischen Hauptschuldner und Gläubiger liegt darin, dass der Schuldner dem Gläubiger einen Bürgen verschafft, keine Schenkung vor.236 Die Bestellung eines Bürgen ist in aller Regel die Voraussetzung für die Gewährung des Kredites oder doch dessen Nichtkündigung. Aus der Sicht des Gläubigers erbringt der Bürge die Leistung für den Hauptschuldner, die ihm zusteht. Im Verhältnis zwischen Hauptschuldner und Bürgen bedeutet die Über74 nahme der Bürgschaft ebenso wenig Schenkung.237 Zunächst gehen die Parteien regelmäßig davon aus, dass der Bürge nicht in Anspruch genommen werden soll. Geschieht dies aber dennoch, so kann er vom Hauptschuldner den Ersatz der bezahlten Schuld fordern (§Â€1358). Nach der Absicht der Parteien bei Vertragsabschluss soll daher der Bürge – selbst wenn er nicht in Anspruch genommen wird – nicht endgültig Vermögen aufopfern und der Schuldner nicht bereichert werden. Schenkung kann allerdings vorliegen, wenn der Bürge auf den Rückgriff verzichtet und dem Schuldner gegenüber die Erfüllung der Schuld übernimmt (§Â€1404).238 Kommt ein Rückgriff gegen den Hauptschuldner rechtlich oder wirtschaftlich sehr wohl in Betracht, tritt also der Interzedent nur in Vorlage für diesen, so spricht dies gegen eine Schenkung. Sicherungswerte wie die Bürgschaft sind schenkungsfähige Vermögenswerte, welche die Position aller Parteien verändern, auch wenn sie erst bei Nichterfüllung durch den Hauptschuldner „sichtbar werden“.239 Im Verhältnis zwischen Gläubiger und Bürgen liegt eine Schenkung man75 gels einer darauf gerichteten Absicht regelmäßig nicht vor. Keine Schenkung wird abgeschlossen, wenn der Bürge dem Gläubiger seine Haftungserklärung gegen ein eigenes Entgelt einräumt, auch wenn das Sicherungsrecht einen eigenen Vermögenswert darstellt, der an sich schenkungsfähig ist.240 Aber auch sonst fehlt es in aller Regel im Verhältnis zwischen Gläubiger und Bürgen am Willen zur Freigebigkeit, soweit sie nämlich Stanzl in Klang2 IV/1, 599. Stanzl in Klang2 IV/1, 599. 238╇ Auch Binder in Schwimann3 IV §Â€938 Rz€15. Auch Ehrenzweig, System II/12, 363 vertritt die Auffassung, die Bürgschaft sei keine Schenkung, denn der Bürge verpflichte sich, dem Gläubiger zu zahlen, nicht ihm ein Geschenk zu machen. Die Begriffe liegen jedoch auf verschiedenen Ebenen, es können auch Sicherungsrechte geschenkt werden. 239╇ So zutreffend Binder in Schwimann3 IV §Â€938 €15 gegen GlU 6.686 (Vorrangeinräumung); GlU 5.969; SZ 5/6. 240╇ Binder in Schwimann3 IV §Â€938. Rz€15 236╇ 237╇

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Teil der Gegenleistung für die Kreditgewährung sind.241 Anders daher, wenn die Uneinbringlichkeit der Forderung beim Hauptschuldner evident ist.242 Die Beurteilung der Bürgschaft hat hier besondere Bedeutung bei der 76 Gläubigeranfechtung243 und der Anwendung der ersten Unklarheitenregel des § 915. Die Bürgschaftserklärung wird idR vom Gläubiger vorformuliert, sodass die Anwendung der zweiten Unklarheitenregel insoweit unproblematisch ist. Wird die Bürgschaft aber als unentgeltlich im Verhältnis zwischen Gläubiger und Bürgen gewertet, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Bürge die geringere Last auf sich genommen hat. Zahlreiche E erwecken den Eindruck, dass die Rsp gelegentlich die offenbare Unentgeltlichkeit im Verhältnis zwischen Bürgen und Hauptschuldner auch auf das Verhältnis zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger durchschlagen lässt.244 Die Entlassung des Bürgen durch den Gläubiger ist dementsprechend 77 dann Schenkung, wenn die Forderung gegen den Hauptschuldner uneinbringlich ist.245 Nach den oben unter Rz 73 bis 76 dargestellten Grundsätzen sind auch Garantien und Pfandbestellungen durch einen Dritten zu beurteilen.246 Entsprechendes gilt für Schuld- und Erfüllungsübernahme247 sowie für den Schuldbeitritt. Auch hier ist zunächst maßgeblich, ob dem Beitretenden ein Regressrecht gegen den Altschuldner zusteht; wenn nein, so wird auch hier Schenkung im Verhältnis zwischen diesen beiden Personen vorliegen. Im Verhältnis zwischen Gläubiger und Beitretenden kommt es darauf an, ob die Forderung beim Altschuldner uneinbringlich wäre.248 In allen diesen Fällen erfordert die Schenkung auch hier Schenkungsabsicht.249. Praktisch bedeutsam sind diese Fragen vor allem im Zusammenhang mit der Gläubigeranfechtung, bei der hinsichtlich Bestand und Einbringlichkeit eines Rückgriffsanspruchs zwischen dem Verhältnis zwischen Interzedenten und Schuldner einerseits und Gläubiger andererseits zu unterscheiden ist.250 11. Schulderlass Siehe Rz 1 ff zu § 939 und Rz 17 f zu § 943.

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241  F. Bydlinski, ÖBA 1999, 826 f; P. Bydlinski, Kreditbürgschaft 22f; Bollenberger in KBB3 § 916 Rz 2; P. Bydlinski in KBB3 § 1346. Rz 4 242  Binder in Schwimann3 § 938 Rz 15; auch Koziol, Der Garantievertrag (1981) 41. 243  Siehe Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 6. 244  OGH 10 Ob 509/96, ÖBA 1996, 631 (Rummel); 1 Ob 2385/96h, ÖBA 1997, 826; 4 Ob 45/98s, ÖBA 1998, 809; 1 Ob 326/98t, ÖBA 1999, 822 (F. Bydlinski) = ecolex 1999, 619 (Th. Rabl); anders 7 Ob 260/99p, ÖBA 2000, 701. 245  Stanzl in Klang2 IV/1, 600. 246  Stanzl in Klang2 IV/1, 600; Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 15. 247  Dazu OGH 4 Ob 219/98y, JBl 2010, 440 (Kogler). 248  Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 15. Stanzl behandelt in Klang2 IV/1, 601 nur den Fall, dass der Übernehmer durch die Leistung keinen Rückgriffsanspruch gegen den Schuldner erwirbt, doch kann ein solcher vertraglich vereinbart werden. Das ist umso bedeutsamer als eine saubere Trennung der kumulativen Schuldübernahme (Schuldbeitritt) zu Gutstehungszwecken von der Bürgschaft kaum möglich ist. Dazu Ertl in Rummel3 II/3 § 1405 Rz 3. 249  SZ 5/6; GlU 7208; GlU 2769. 250  Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 6.

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12. Zahlung für einen Dritten 79

Zahlt jemand die Schuld eines anderen, für die er nicht haftet (§ 1422), mit dessen Einverständnis unentgeltlich in Schenkungsabsicht, so liegt im Verhältnis zwischen Schuldner und Zahler eine Schenkung vor. Ein Schuldner, der mit der Zahlung nicht einverstanden ist, muss das Zugewendete als ungerechtfertigte Bereicherung herausgeben.251 Im Verhältnis zwischen Gläubiger und Zahler ist die Lage nach dem Bestand einer Schenkung in gleicher Weise wie bei der Bürgschaft zu beurteilen;252 siehe oben unter Rz 73 bis 77. 13. Erfüllung einer Naturalobligation

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Bei den unvollkommenen Verbindlichkeiten (Naturalobligationen) kann die Leistung zwar nicht erzwungen, das Geleistete aber nicht zurückgefordert werden. Der Staat anerkennt zwar den Bestand der Forderung, gewährt aber keine Hilfe bei ihrer Durchsetzung. Aus diesem Grund kann die Erfüllung einer Naturalobligation nicht als Schenkung – und zwar nicht einmal als Pflicht­ schenkung – angesehen werden. Das gilt für Zahlungen verjährter Schulden (§ 1432), die Erfüllung formungültiger Schulden (§ 1432), Wett- und Spielschulden (§  1271 f), aber auch (nach alter Rechtslage) für das Versprechen voller Zahlung nach dem Zwangsausgleich oder Ausgleich (§§ 151 und 161 KO, §§ 48 und 58 AO).253 Nichts spricht hingegen gegen die Wirksamkeit der Schenkung einer verjährten Forderung oder einer sonstigen Naturalobligation. Die Vereinbarung der Aufwertung einer Forderung, die durch Inflation 81 entwertet wurde, wird traditionell nach Schenkungsrecht geprüft. Stanzl254 vertritt die Auffassung, dass die Zuwendung des Übermaßes Schenkung sei, „wenn das Maß der Geldentwertung überschritten wird“, sofern nur die sonstigen Erfordernisse erfüllt werden. Er geht hier jedoch von der Prämisse aus, dass eine scharfe Abgrenzung des Kreises der natürlichen Verbindlichkeiten nicht notwendig sei, weil auch die Erfüllung von sittlichen oder Anstandspflichten keine Schenkung darstelle. Dem muss jedoch entgegen gehalten werden, dass das Gesetz für Schenkungen in Erfüllung solcher Pflichten zwar einige Sonderregeln vorsieht, sie aber nicht aus dem Schenkungsbegriff entlässt. Sehen Gesetz, Vertrag oder letztwillige Verfügung eine Valorisierung (Wertsicherungsklausel udgl)255 vor, so fehlt es schon an den objektiven Voraussetzungen der Schenkung. Sollen Zweifel und Unklarheiten über die Schuld ausgeräumt werden, so wird vielfach ein konstitutives Anerkenntnis vorliegen und keine Schenkung; siehe dazu unten unter § 939 Rz 5. Sollte aber ein Geldgläubiger die Aufwertung freiwillig vornehmen, wird in aller Regel der Fall einer Schenkung vorliegen, in besonderen Fällen einer Pflichtschenkung. Stanzl in Klang2 IV/1, 601. Stanzl in Klang2 IV/1, 601. 253  Stanzl in Klang2 IV/l, 601, der in seiner Aufzählung darüber hinaus auch noch Fälle von Pflichtschenkungen anführt; Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 28. 254  In Klang2 IV/1, 601 f; dagegen auch Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 29. 255  Ausführlich dazu Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung (1980). 251  252 

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Allgemeines

§ 939

Inwiefern eine Verzichtleistung eine Schenkung sei § 939. Wer auf ein gehofftes, oder wirklich angefallenes, oder zweifelhaftes Recht Verzicht tut, ohne es einem andern ordentlich abzutreten, oder dasselbe dem Verpflichteten mit dessen Einwilligung zu erlassen, ist für keinen Geschenkgeber anzusehen. Stammfassung JGS 1811/946. Lit: Reinl, Bedarf der Verzicht der Annahme?, ÖJZ 1970, 263; Ertl, Aneignung preisgegebener Sachen, JBl 1974, 281.

§ 939 steht mit den §§ 1381 und 1444 in engem Zusammenhang, um den 1 sich die Gesetzgebungskommission besonders bemüht hat.1 Nach § 1444 kann der Gläubiger seinem Recht zum Vorteil seines Schuldners entsagen, § 939 stellt fest, dass einseitiger Erlass nicht Schenkung ist. § 1381 spricht wiederum aus, dass der unentgeltliche Erlass mit Einwilligung des Verpflichteten eine Schenkung darstellt. Jedenfalls ist ein Verzicht mit Schenkungscharakter nur mit Zustimmung des Verpflichteten möglich.2 Der Verzicht kann sowohl entgeltlich als auch unentgeltlich erfolgen. Im 2 ersten Fall liegt zwar ein Vertrag, aber keine Schenkung vor. Wegen der nicht ganz klaren Formulierung des Gesetzes ist strittig, ob ein unentgeltlicher Verzicht durch einseitige Erklärung des Berechtigten, also ohne Zustimmung des Verpflichteten, rechtswirksam ist. Der überwiegende Teil der Lehre und Rsp verlangt eine solche Zustimmung3, also einen Verzichtsvertrag. Die Vertreter der Gegenmeinung sehen eine einseitige Erklärung als ausreichend aus.4 Für die Vertragskonstruktion spricht nachdrücklich, dass niemandem eine Zuwendung aufgezwungen werden soll (vgl auch § 882 Abs 1). Hiebei geht es nicht nur um die antiquiert-formalistische Lösung einer rein konstruktiven Problems5: Es soll vielmehr dem Empfänger überlassen bleiben, ob er die Zuwendung wirklich als für ihn vorteilhaft ansieht. Selbst wenn er keine rechtlichen Nachteile erleidet, was für Außenstehende oft nur bei genauer Kenntnis seiner Gesamtsituation erkennbar ist, so kann sich diese Zuwendung, auch wenn sie in Form eines Verzichtes erfolgt ist, zumindest als sittliche Verpflichtung auswirken, die der Empfänger möglicherweise aus gutem Grund vermeiden möchte. Die Zuwendung durch eine bestimmte Person kann nach außen hin zu einer fatalen Optik führen, die der Empfänger unbedingt vermeiden möchte, Vgl Ofner II 30, 232 f, 255, 561, 581, 585. F. Bydlinski in Klang2 IV/2, 636. 3  Ehrenzweig, System II/12, 354; Koziol/Welser13 II 108; F. Bydlinski in Klang2 IV/2, 636; Binder in Schwimann3 IV § 939 Rz 2 und Heidinger in Schwimann3 VI § 1444 Rz 3; SZ 18/48; OGH 4 Ob 452/59, EvBl 1960/6; 1 Ob 16/71; 1 Ob 16/71, EvBl 1971/229; 7 Ob 67/80, SZ 54/7; 2 Ob 583/91, NZ 1992, 130; 5 Ob 77/93, NZ 1994, 241. 4  Ehrenzweig, System I2, 290; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 582; Reinl, ÖJZ 1970, 263; vgl auch GlU 10.908; OGH 2 Ob 62/53, MietSlg 2741; 2 Ob 41/53, MietSlg 2742; 3 Ob 425/53, MietSlg 2780; 6 Ob 47/63, EvBl 1965/243; für eine „differenzierte Lösung“ Dullinger in Rum­ mel3 II/3 § 1444 Rz 3 ff. 5  So offenbar Gschnitzer in Klang2 IV/1, 582. 1  2 

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§ 939

Ertl

obwohl sie rein rechtlich gesehen für ihn nur vorteilhaft ist. Man denke etwa an den Fall, dass einem Minister eine private Schuld bei einem ihm politisch nahestehenden Kreditinstitut nachgelassen wird und er deshalb von den Medien der Opposition attackiert wird, denen er nun repliziert, er habe von diesem Schuldnachlass nichts gewusst und selbst wenn er davon gewusst hätte, so hätte dies nichts daran geändert, dass dieser Nachlass ohne sein Zutun rechtswirksam geworden wäre. Es geht aber umgekehrt auch nicht an, dass die Wirksamkeit des Verzichtes so lange in der Schwebe bleibt, bis sich der Empfänger über allfällige nachteilige Nebenwirkungen des Schulderlasses im klaren ist und er dieser reiflich überlegt hat. In der Praxis ist der Unterschied zwischen den beiden Rechtsauffassungen 3 nicht so groß wie es zunächst den Anschein hat. Denn Lehre und Rsp6 sind sich zu Recht darin einig, dass die Voraussetzungen der konkludenten Zustimmung (durch den Empfänger) hier großzügig auszulegen sind. Das „Schwergewicht der Erklärung“ liegt beim Berechtigten, der Verpflichtete wird sich gerade dann, wenn er einverstanden ist, zu einer Annahmeerklärung nicht veranlasst sehen. Eine stille Annahme nach § 864 wird nicht in Betracht kommen, weil vom bisher Verpflichteten keine besondere Tätigkeit zu erwarten ist. Der Berechtigte ist daher an seine Verzichtserklärung (abweichend von der Frist des § 862) so lange gebunden, bis der bisher Verpflichtete annimmt oder ablehnt oder eine von ihm selbst nachträglich gesetzte angemessene Frist analog § 865 abgelaufen ist.7 Ein formelles Vertragsanbot wird man jedenfalls dann fordern müssen, 4 wenn der Verzicht eine Zuwendung zugunsten einer anderen Person enthält.8 Das trifft nicht auf die Dereliktion zu, wenn nämlich die aufgegebene Sache von einem anderen okkupiert wird. Hier wird zunächst der Aufgabeakt gesetzt und sodann, ohne jegliche Verknüpfung, der Aneignungsakt;9 zum Erbverzicht s Rz 53 zu § 938, zur Form des unentgeltlichen Schulderlasses s Rz 17 f zu § 943. Allgemeines zum Verzicht s Erl zu § 1444. Vergleiche setzen beiderseitiges Nachgeben voraus, sind also schon rein 5 begrifflich entgeltlich und können daher keine Schenkungen sein. Beim (konstitutiven) Anerkenntnis gibt nur eine Seite nach, sodass die Qualifikation als Schenkung nahe liegt. Andererseits werden die vor allem bei Schadenersatzforderungen gängigen Anerkenntnisse (vor allem zwischen Geschädigten und Haftpflichtversicherung des Schädigers) regelmäßig wie entgeltliche Verträge behandelt. Sie sind also nur unter den erschwerten Voraussetzungen des § 1385 anfechtbar10 und unterliegen keinen besonderen Formvorschriften. Der Grund liegt darin, dass solche Anerkenntnisse der Herstellung der Rechtssicherheit dienen, somit eine eigene Causa haben, die auch im Interesse des Anerkennenden liegt. Der Anerkennende muss, gehörige Erfüllung vorausgesetzt, nicht mehr gerichtliche Inanspruchnahme fürchten, die mit Zeit und Kosten verbun6  F. Bydlinski in Klang2 IV/2, 636; Dullinger in Rummel3 II/3 § 1444 Rz 3; SZ 18/184; OGH 1 Ob 16/71, EvBl 1971/229 ua. 7  F. Bydlinski in Klang2 IV/2, 636. 8  Bollenberger in KBB3 § 939 Rz 2. 9  Ofner II 255, 585; zum Ganzen Ertl, JBl 1974, 281. 10  Ertl in Rummel3 II/3 § 1385 Rz 3.

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Allgemeines

§ 939

den ist. Gerade bei deliktischen Schadenersatzprozessen, in denen die Parteien meist nicht rechtzeitig für leichte Beweisbarkeit sorgen können, fällt dieser Vorteil auch zugunsten des Anerkennenden ins Gewicht. Das bedeutet allerdings nicht, dass jeder Erlass eines zweifelhaften Rechtes auch schon der Causa der Streitbereinigung im beiderseitigen Interesse dienen muss. Wird eine solche Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht bezweckt und fehlt auch eine sonstige Gegenleistung11, so liegt eine Schenkung vor (§ 939, auch § 1381). Auch Rechte, deren Einbringlichkeit zweifelhaft sind, können geschenkt werden.12 Das Anerkenntnis einer Naturalobligation ist keine Schenkung (siehe Rz 80 f zu § 938); zur Schenkung eines erhofften Rechtes s Rz 19 zu § 938, zum Erbschaftsverzicht s Rz 50 ff zu § 938. Unentgeltlicher Verzicht (mit Einwilligung des Schuldners) ist jedenfalls 6 Schenkung.13 Unentgeltlicher Verzicht durch den Gläubiger mit Einwilligung des Schuldners und Schenkungsabsicht sind unauflöslich miteinander verbunden (s Rz 30 zu § 938). Das bedeutet allerdings nicht, dass jeder Schulderlass, der vereinbarungsgemäß dazu führt, dass der Schuldner nicht leistet, unentgeltlich und damit eine Schenkung sein müsste. Der Verzicht kann auch einen anderen Rechtsgrund als den der Schenkung haben, so zB wenn der Gläubiger auf seine Forderung „verzichtet“, damit der Schuldner daraus seinen ihm vom Gläubiger geschuldeten Unterhalt bestreite. In solchen Fällen wird zwar die Schuld mit Einverständnis des Schuldners erlassen; der Rechtsgrund ist aber nicht Schenkung, sondern (novierte) Leistung als Unterhalt oder eine solche auf Grund des Dienstverhältnisses. Damit zeigt sich, dass in den Beispielfällen nur scheinbar unentgeltlich verzichtet wurde und dass in Wahrheit nicht nur die Schenkungsabsicht, sondern auch die Unentgeltlichkeit fehlt. Stanzl nennt als weiteres Beispiel den Fall, dass der Dienstgeber auf seine Schadenersatzforderung gegen den Dienstnehmer „verzichtet“, weil er findet, dass der Dienstnehmer dies „verdient“ habe14. Hier wird allerdings in aller Regel eine remuneratorische Schenkung vorliegen, jedenfalls sofern sie nicht in irgendeiner Form in das Entgeltverhältnis des Dienstvertrages eingebunden ist, vgl § 938 Rz 59 ff. Es kommt aber auch vor, dass bei einem beabsichtigten zweiseitigen Schulderlass die Parteien über den Rechtsgrund nicht einig sind, so etwa wenn der Gläubiger die Schuld zwecks Unterhaltsleistung erlässt, die Schuldner sie aber als geschenkt nehmen wollen. Ein Erlassvertrag ist dann mangels Willenseinigung nicht zustande gekommen.

11  ZB Anerkenntnis bzw Verzicht der einen Seite auf einer Forderung gegen Anerkenntnis bzw Verzicht der anderen Seite auf eine andere Forderung. 12  OGH 1 Ob 134/67, EvBl 1968/210; Schubert in Rummel3 I § 939 Rz 2. 13  Stanzl in Klang2 IV/1, 606. 14  Stanzl in Klang2 IV/1, 606 f.

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§§ 940, 941

Ertl

§ 940. Es verändert die Wesenheit der Schenkung nicht, wenn sie aus Erkenntlichkeit; oder in Rücksicht auf die Verdienste des Beschenkten; oder als eine besondere Belohnung desselben gemacht worden ist; nur darf er vorher kein Klagerecht darauf gehabt haben. § 941. Hat der Beschenkte ein Klagerecht auf die Belohnung gehabt, entweder, weil sie unter den Parteien schon bedungen, oder durch das Gesetz vorgeschrieben war; so hört das Geschäft auf, eine Schenkung zu sein, und ist als ein entgeltlicher Vertrag anzusehen. Stammfassung JGS 1811/946. Lit: Hohenfels, Schenkungsverträge mit Rückfallvereinbarung, NZ 1949, 39; Ober­ mayr, Die Schenkung unter Auflage, NZ 1969, 178; Migsch, Die sogenannte Pflicht­ schenkung, AcP 173, 46.

Übersicht I. Anwendungsfälle des § 938 II. Belohnende Schenkung III. Klagerecht auf die Belohnung IV. Schenkung unter Auflage

1 2–4 5 6–11

I. Anwendungsfälle des § 938 1

Auch die §§ 940 und 941 versuchen, den Schenkungsbegriff abzugrenzen,1 ohne aber über den Inhalt des § 938 hinauszugehen. § 939 hebt das Erfordernis des Vertrags hervor, die §§ 940 und 941 betonen dasjenige der Unentgeltlichkeit. Keine Schenkung liegt vor, wenn der Empfänger das Klagerecht – genauer: einen Anspruch auf die Leistung2 – gehabt hat. Der Geber hat in diesem Fall eine Verbindlichkeit erfüllt. Es fehlen daher Unentgeltlichkeit und Schenkungsabsicht (s Rz 23 ff zu § 938).

II. Belohnende Schenkung 2

§ 940 stellt darüber hinaus auch noch klar, dass es – was ebenso schon aus § 938 folgt – auf das Motiv des Schenkers nicht ankommt. Dieses muss keineswegs altruistisch und ethisch besonders hochstehend sein,3 und auch die Absicht des Schenkers hinsichtlich der Verwendung der Sache durch den Geschenknehmer ist insofern bedeutungslos,4 sofern sie nicht geradezu zur Be1  Dazu Zeiller in der Beratung: „Da bloße Schenkungen in mehreren Fällen widerruflich sind, vorzüglich wenn sie zum Nachtheile der Gläubiger oder des Pflichttheils geschehen, so muß das Gesetz vorbeugen, daß nicht einerseits entgeltliche Verträge unter die Schenkungen gezogen, aber anderseits auch nicht durch bloßen Schein wahre Schenkungen als entgeltliche Leistungen bemäntelt werden“ (Ofner II 25). 2  Erfüllung einer Naturalobligation ist keine Schenkung: s § 938 Rz 80 f. 3  Dazu § 938 Rz 37. 4  Bollenberger in KBB3 §§ 940, 941 Rz 1.

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Belohnende Schenkung

§§ 940, 941

dingung gemacht wurde.5 Die „Sachverwandtschaft“6 der belohnenden Schenkung mit dem entgeltlichen Rechtsgeschäft ändert daran nichts: Auch wenn eine Sache aus Erkenntlichkeit oder in Rücksicht auf die Verdienste des Beschenkten oder als eine besondere Belohnung unentgeltlich überlas­sen wird, liegt eine Schenkung vor (belohnende, remuneratorische Schenkung). Entscheidend ist allein, ob Schenkungsabsicht besteht, dh ob der Schenker die Sache unentgeltlich überlassen und der Beschenkte sie so annehmen will.7 Das Motiv zum Vertragsabschluss und die Absicht der Parteien beim Ver- 3 tragsabschluss können allerdings insb bei der Erfüllung von sittlichen und Anstandspflichten ineinander übergehen. Remuneratorische Schenkungen sind zwar nicht notwendigerweise, aber doch in vielen Fällen zugleich auch Pflichtschenkungen. Damit entstehen für die Vertreter der Meinung, welche die Pflichtschenkungen aus dem Schenkungsbegriff ausklammern möchten, beachtliche Schwierigkeiten, dazu Rz 25 ff zu § 938. Stanzl8 nennt als einen kritischen Fall die Schenkung eines nicht zum Schadenersatz verpflichteten Schädigers an den Geschädigten9, wo leicht zweifelhaft sein könne, ob er schenke, weil er ihm einen Schaden zugefügt habe (Motiv) oder aber in der Absicht geleistet habe, aus Anstand den Schaden zu ersetzen (Parteienwille beim Vertragsabschluss). Stanzl meint, hier komme alles auf den einzelnen Fall an, Schenkung werde umso eher anzunehmen sein, je „unausgeprägter“ die in Betracht kommende sittliche oder Anstandspflicht sei. Wenn aber keine Rechtspflicht zur Entschädigung besteht, wird sich nur ausnahmsweise ein anderer als ein sittlicher Grund für die Schenkung gerade des Schädigers an den Geschädigten finden lassen. Die von Stanzl vorgeschlagene Abwägung ist also in der Rechtswirklichkeit kaum nachvollziehbar. Schubert10 wendet sich schon deshalb zu Recht gegen die Herausnahme der remuneratorischen Schenkungen, die zugleich einer sittlichen bzw Anstandspflicht entsprechen, aus dem Schenkungsbegriff als in Widerspruch zu § 940 stehend. Belohnende Schenkungen sind nach § 940 als Schenkungen zu behandeln. 4 Doch gibt es Sonderregeln, die gerade auf solche zugeschnitten sind und teilweise für Pflichtschenkungen schlechthin gelten. So bleiben gem §  778 bei irrtümlicher Präterition des einzigen pflichtteilsberechtigten Kindes oder aller Kinder zur Belohnung geleisteter Dienste ausgesetzte Vermächtnisse aufrecht. Darüber hinaus privilegieren ganz allgemein § 785 Abs 3 (keine Schenkungsanrechnung bei Pflichtschenkungen) und §§ 3 AnfO bzw § 29 IO (keine Gläubigeranfechtung bei Pflichtschenkung). Wegen der „Sachverwandtschaft“ zwischen belohnender Schenkung und entgeltlichem Rechtsgeschäft entfällt ein Widerruf wegen in der Person des Geschenkgebers gelegenen Gründen (Dürftigkeit und Undank) sowie wegen Gläubigerverkürzung, soweit sich die Be5 

„Zweckschenkung“, s dazu unten unter Rz 19. So die Formulierung Binders in Schwimann3 IV §§ 940, 941 Rz 10. 7  OGH 3 Ob 573/80, RZ 1982, 61 8  In Klang2 IV/1, 608. 9  Dazu § 938 Rz 71 f. 10  In Rummel3 I §§ 940, 941 Rz  6 

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§§ 940, 941

Ertl

lohnung im üblichen und angemessenen Rahmen hält. Für die Irrtumsanfechtung (§ 901) gibt es dagegen keine Sonderregeln.11

III. Klagerecht auf die Belohnung 5

Besteht ein „Klagerecht auf die Belohnung“, so liegt keine Schenkung vor, auch keine remuneratorische. Hat der Beschenkte Anspruch auf die Leistung, so fehlt die Unentgeltlichkeit. Dieser Anspruch kann vertraglich wie auch gesetzlich sein. Dass bei Dienstverhältnissen freiwillige Zuwendungen in der Regel nicht belohnende Schenkungen sind, sondern ihren Rechtsgrund im Dienstvertrag finden, wurde bereits dargelegt (Rz 14 f zu § 938). Da Naturalobligationen Forderungen sind, zu deren Durchsetzung lediglich der Staat seine Hilfe versagt, liegt in ihrer Erfüllung keine Schenkung, auch keine remuneratorische12 (Rz 80 f zu § 938).

IV. Schenkung unter Auflage 6

Die Gesetzgebungskommission befasste sich zwar mit der Schenkung unter Auflage13, nahm sie aber dann doch nicht in das Gesetz auf. Es müssen daher die Vorschriften über die Schenkung überhaupt und jene über die Auflage bei letztwilligen Verfügungen (§§ 709 bis 712) angewendet werden. Die Auflage ist eine vom Schenker dem Beschenkten mit dessen Zustim7 mung aufgetragene Pflicht zu einem bestimmten Verhalten. Der Beschenkte soll das Geschenk nicht nach Belieben verwenden; es werden ihm vielmehr vom Schenker Richtlinien „auferlegt“. Die Auflage kann im Interesse des Beschenkten (zB mit dem geschenkten Geld eine Urlaubsreise zu machen; dafür Lehrbücher zu kaufen) oder Dritter – auch im öffentlichen Interesse – liegen (zB in der geschenkten Villa jemanden wohnen zu lassen; die geschenkte Sammlung dem Publikum zu öffnen). Sie kann auch in der Pflicht bestehen, die geschenkte Sache einem anderen zu hinterlassen14 (verbücherungsfähiges Besitznachfolgerecht, zu behandeln gleich einer fideikommissarischen Substitution15) oder sie dem Schenker zurückzugeben (so etwa wenn das beschenkte Kind ohne Nachkommen vorverstirbt oder wenn der Schenker wieder gesund wird16). Die Erfüllung der Auflage muss keinen Geldwert haben, sie ist Binder in Schwimann3 IV §§ 940, 941 Rz 10 und 11. So zB Bollenberger in KBB3 §§ 940, 941 Rz 2. 13  Zeiller drang mit dem Antrag auf folgende Fassung von III § 53 des Urentwurfs (später § 941 des Gesetzes) nicht durch: „Ist aber die Belohnung vor unternommener Handlung verabredet, oder durch das Gesetz vorgeschrieben, oder muß sich der Empfänger der Erfüllung einer Bedingung oder eines Auftrages unterziehen, so ist das Geschäft, wofern das Gegebene nicht offenbar das billige Ebenmaß überschreitet, als ein entgeltlicher Vertrag anzusehen“ (Ofner II 25). 14  GlU 6.561; OGH 6 Ob 92/01z, EF 96.952; 6 Ob 143/71, SZ 44/112. Grabzuordnung bei der Grabsteinschenkung als immanente Auflage: 2 Ob 70/54, SZ 27/51. 15 Bollenberger in KBB3 §  938 Rz  7; OGH 5 Ob 84/95, JBl 1997, 165 (Spielbüchler) = NZ 1997, 63 (Hoyer); 4 Ob 194/98b, NZ 1999, 91; 7 Ob 111/99w, NZ 2001, 190. 16  Hohenfels, NZ 1949, 39 f. 11 

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Schenkung unter Auflage

§§ 940, 941

auch nicht Gegenleistung.17 Allerdings ist ihr Wert, insb bei Auflage im Interesse Dritter, durch die Auflage beschränkt. Bereichert ist in solchen Fällen der Beschenkte mit dem um die Auflage verminderten Wert des Geschenks.18 Daher kommt es etwa beim Widerruf der Schenkung nur auf diesen Wertunterschied an.19 Erreicht oder übersteigt der Wert der Auflage jenen der überlassenen Sache, so liegt mangels Vorteilszuwendung keine Schenkung mehr vor,20 sofern sich nicht der Beschenkte durch die Erfüllung der Auflage eine Leistung aus eigenem Vermögen erspart, zu der er verpflichtet wäre, oder dass die Erfüllung der Auflage in seinem eigenen Interesse liegt. Meistens werden Pflichten auferlegt, die mit den Erträgnissen des Geschenks oder doch mit diesem selbst finanziert werden können.21 Die Schenkung unter Auflage ist zwar unentgeltlich, aber doch zweiseitig verpflichtend. Erfüllung verlangen kann nicht nur der Geschenkgeber, sondern auch der Begünstigte.22 Über Auflage und Bedingung s die Erl zu § 709. Bei Schenkungen an Vereine, Gebietskörperschaften udgl zur Durchführung bestimmter Projekte ist der Beschenkte vielfach verpflichtet, den gesamten Betrag (allenfalls nach Abzug der eigenen Unkosten) ohne Nutzungsrecht weiterzuleiten. In solchen Fällen ist der Empfänger nur Durchgangsstation, er erhält keinen Vorteil. Es liegt daher keine Schenkung unter Auflage vor, sondern ein unentgeltliches, uneigennütziges Treuhandverhältnis.23 Der Empfänger der Beträge ist nicht beschenkt, er hat diese als uneigennütziger Treuhänder widmungsgemäß zu verwenden. Bei der sogenannten Zweckschenkung wird der Endzweck der Zuwendung ausdrücklich zur Bedingung gemacht (§ 901). Anders als bei der Schenkung unter Auflage kann zwar der Schenker nicht Erfüllung begehren, hier wie dort bleibt aber bei Unmöglichkeit der Erfüllung der Bedingung die Schenkung bestehen (s unter Rz 5; §§ 901, 698, 710). Der Schenker oder seine Erben können vom Beschenkten, der das Geschenk erhalten hat, die Erfüllung der Auflage verlangen; der Begünstigte kann dies nach den sinngemäß anzuwendenden Vorschriften über den Vertrag zugunsten eines Dritten (§ 881) tun.24 Durch die schuldhafte Nichterfüllung der Auflage wird die Schenkung verwirkt, ohne dass es eines Widerrufs bedürfte (arg § 709). Statt der Rückgabe des Geschenks kann allerdings die Erfüllung der Auflage verlangt werden. 17  Stanzl in Klang2 IV/1, 609; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 8; Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 34. 18  Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 7; 7 Ob 264/00z NZ 2001, 308. 19  Stanzl in Klang2 IV/1, 609; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 8; OGH 3 Ob 574/83, RdW 1984, 43. 20  NZ 1932, 172. 21  Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 7; vgl OGH 6 Ob 70/00p. 22  Stanzl in Klang2 IV/1, 609; Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 7; OGH 1 Ob 503/78, SZ 51/25; 6 Ob 92/01z, EF 96.952; entsprechend einem Vertrag zugunsten Dritter: Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 8. 23  Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 8; OGH 2 Ob 81/53, SZ 26/79; 5 Ob 36/75, SZ 48/55; Binder in Schwimann3 IV § 938 Rz 35: „unentgeltliche Zuwendungen unter Auflage“. 24 Stanzl in Klang2 IV/1, 609; Schubert in Rummel3 I § 938; Rz 8 Bollenberger in KBB3 § 938 Rz 7; SZ 51/25; OGH 6 Ob 92/01z, EF 96952.

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§§ 942, 943

Ertl

Kann sie nicht genau erfüllt werden, so genügt es, ihr nach Möglichkeit zu entsprechen. Ist sie überhaupt unerfüllbar, so behält der Beschenkte mangels gegenteiliger Vereinbarung das Geschenk, bei selbstverschuldeter Unmöglichkeit geht das Geschenk verloren (arg §Â€710). Eine unmögliche oder unerlaubte Auflage ist unwirksam (arg §Â€712).

§Â€942. Sind Schenkungen vorher dergestalt bedungen, daß der Schenkende wieder beschenkt werden muß; so entsteht keine wahre Schenkung im Ganzen; sondern nur in Ansehung des übersteigenden Wertes. Stammfassung JGS 1811/946.

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Auch §Â€942 enthält nichts, was sich nicht schon aus §Â€938 ergeben würde. Es geht wie in den §§Â€940, 941 um die Unentgeltlichkeit. Beschenkt der Beschenkte – etwa aus Erkenntlichkeit – seinerseits freiwillig den Schenker, so kommt eine zweite, von der ersten rechtlich unabhängigen Schenkung zustande. Dagegen hören beide Geschäfte auf, Schenkungen zu sein, wenn das Gegengeschenk bedungen worden ist, da es dann an der Unentgeltlichkeit fehlt. Das Entgelt für jeden Vertragspartner bildet das ihm gebührende Gegengeschenk. Es liegt somit eine Art Tauschgeschäft vor.1 Sind die Geschenke nicht gleichwertig, so entsteht – entsprechender Parteiwillen vorausgesetzt – hinsichtlich des übersteigenden Werts eine „wahre Schenkung“. Damit sieht das Gesetz für diesen Sonderfall vor, dass zugleich entgeltlicher und unentgeltlicher, also ein gemischter Vertrag entstehen könne, was bereits aus §Â€935 folgt. Beim Wertvergleich kommt es auch hier in erster Linie auf den Parteiwillen an: Was die Parteien für gleichwertig erachten, hat grundsätzlich als gleichwertig zu gelten. Über gemischte Schenkungen überhaupt s oben unter Rz€38 ff zu §Â€938. Wechselseitige Schenkungen dienen nicht selten der Verschleierung ge2 setz- und sittenwidriger Beziehungen. In solchen Fällen liegen Schein- oder Umgehungsgeschäfte vor, die als solche zu behandeln sind. Hier ist also nicht Schenkungsrecht anzuwenden.2

§Â€943. Aus einem bloß mündlichen, ohne wirkliche Übergabe geschlossenen Schenkungsvertrage erwächst dem Geschenknehmer kein Klagerecht. Dieses Recht muß durch eine schriftliche Urkunde begründet werden. Gesetz vom 25. Juli 1871, betreffend das Erfordernis der notariellen Errichtung einiger Rechtsgeschäfte (Notariatsaktsgesetz) RGBl. Nr. 76, §Â€1. (1) Die Gültigkeit der nachbezeichneten Verträge und Rechtshandlungen ist durch die Aufnahme eines Notariatsaktes über dieselben bedingt: 1╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 610; OGH 6 Ob 167/99y, ÖBA 2000, 817: Liegenschaftsschenkung gegen Darlehen, mit dessen Rückzahlung nicht zu rechnen war (Anfechtungsprozess). 2╇ Binder in Schwimann3 IV §Â€942 Rz€2.

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Zweck der Formvorschriften

§ 943

… d) Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe; … Stammfassung JGS 1811/946. Lit: Kastner, Formerfordernis des Notariatsaktes für Schenkungsversprechen im Handelsbetrieb, NZ 1950, 106; Brunner, Notariatsaktpflicht bei der Begründung von Wohnungseigentum zwischen Ehegatten, NZ 1976, 166; Schauer, Zur Formpflicht der Vollmacht bei der Schenkung, NZ 1984, 185; W. Berger, Gesetzliche Formvorschriften für Rechtsgeschäfte nach österreichischem Recht, in Gutachten für die Fachverstaltungen des 3. Österreichischen Notariatskongresses 1986 „175 Jahre ABGB (1986) 64; W. Doralt, Stille Gesellschaft durch Schenkung der Einlage, RdW 1988, 465; P. Bydlinski, Die Formpflicht bei der Schenkung ohne wirkliche Übergabe (§Â€ 1 Abs 1 lit d NZwG), NZ 1991, 166; P. Bydlinski, Heilung formungültig geschlossener Ehegattenverträge durch Erfüllung?, In Harrer/Zitta, Familie und Recht (1992) 419; Puck, Die wirkliche Übergabe bei der Schenkung einer Forderung, ecolex 1992, 230; Bittner, Der Mythos von der wirklichen Übergabe von Liegenschaften, FS Hofmeister (1996) 73; W. Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte und ihre Erfüllung (1998); Nowotny, Zivilrechtliches zum Schenken von Sparbüchern und Sparguthaben, RdW 2000, 704; B. Jud, Testierabsicht, Form und Konversion, NZ 2001, 10; P. Bydlinski, Neues im Recht der Rechtsgeschäftsform, RdW 2001/734; P. Bydlinski/F. Bydlinski, Gesetzliche Formgebote für Rechtsgeschäfte auf dem Prüfstand (2001); Welser, Zivilrechtliche Formgebote und Notariatsakt, in Rechberger, Formpflicht und Gestaltungsfreiheit (2002) 1; Welser, Notariatsakt: Abschaffung, Ersatz durch Schriftform, „geteilte Form“ und „halbe Form“, in FS Weissmann (2003) 989.

Übersicht I. Zweck der Formvorschriften II. Wirkliche Übergabe 1. Allgemeines 2. Einzelfälle a) Bewegliche körperliche Sachen b) Liegenschaften c) Forderungen und Rechte d) Schulderlass und Rechtsverzicht e) Vertrag zugunsten Dritter f) Pflichtschenkung. g) Gemischte Schenkung h) Schenkung auf den Todesfall III. Notariatsakt

1–5 6–22 6 7–22 7–9 10–11 12–16 17–18 19 20 21 22 23–27

I. Zweck der Formvorschriften Die Formvorschriften für die Schenkung und darüber ganz allgemein für 1 unentgeltliche Geschäfte sind unklar und widersprüchlich geregelt, was bereits zu zahlreichen Meinungsverschiedenheiten de lege lata und de lege ferenda 63

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geführt hat. Diese Vorschriften provozieren immer wieder wirkliche oder auch nur vermeintliche Härtefälle, welche in weiterer Folge die Rsp zu Billigkeitsentscheidungen herausfordern, durch welche wiederum die Prozessgegner des angeblich Beschenkten leicht in Beweisnotstand geraten können. Schon im Urentwurf (III §Â€59) war die Schriftform für Schenkungen ohne Übergabe vorgesehen, „um den Verdacht der Übereilung oder rechtswidrigen Verleitung auszuschließen“.1 Die naheliegende Frage, inwieweit diese Formvorschrift nicht auch für andere, nicht unmittelbar dem Schenkungsrecht der §§Â€938 ff unterliegende unentgeltliche Rechtsgeschäfte gelten sollte,2 wurde vom Gesetzgeber nicht angesprochen. Die Notariatsaktspflicht bei Schenkungsverträgen ohne wirkliche Überga2 be führte das Gesetz 25.7.1871, RGBl 76 (NotAktsG, früher NZwG) ein. Die Motive zur 1. RV enthalten dazu folgendes: Schenkungsverträge werden häufig erdichtet oder nur zum Schein vorgegeben, um die Gläubiger zu benachteiligen; die Intervention eines Notars bei der Geschäftserrichtung setze dem Betrug kräftige Hindernisse entgegen. Die Kontrahenten werden durch die notarielle Vertragserrichtung vor Schäden infolge ihrer Rechtsunkenntnis bewahrt; dem verderblichen Treiben der Winkelschreiber werden heilsame Schranken gesetzt. Das Original der Urkunde bleibe in sicherer Verwahrung, sodass die Partei durch den Verlust des in ihren Händen befindlichen Exemplars einen wesentlichen Nachteil nicht ausgesetzt werde. Die Beschränkung bedeute ein wirksames Hindernis gegen die Ausbeutung der geistigen oder körperlichen Schwäche des Schenkers.3 Daraus ergeben sich zwei wesentliche Zwecke des Gesetzes: einerseits Schutz des Schenkers vor Übereilung und Ausbeutung und andererseits Schutz der Gläubiger vor erdichteten Schenkungsverträgen. Diese beiden Zwecke müssen bei der Auslegung der Formvorschrift und ihrer Anwendung im einzelnen Fall im Auge behalten werden. Gleichzeitig sollen allgemein übliche und prinzipiell nicht bedenkliche Geschäfte nicht ungebührlich erschwert werden. Daher finden sich die unter Ehegatten besonders häufigen Schenkungen nicht unter der Aufzählung des §Â€1 lit b NotAktG4 und auch der Rechtsverzicht wurde von der Notariatsaktspflicht bewusst ausgenommen, denn dies 1╇ Ofner I XCV. Bei der ersten Lesung wollte der Vizepräsident (OLR v Haan) „nach dem altdeutschen Wahlspruche ‚Ein Wort, ein Mann‘, jede wohlüberlegte Schenkung, … für gültig erklären, und davon unter keiner Ausflucht einer mangelnden Formalität abzugehen gestatten“. Die Mehrheit schloss sich aber dem Präsidenten (Staatsminister v Rottenhann) an. Dieser „fand umso nützlicher, den Paragraph beizubehalten, als dadurch der unerfahrene, leicht gelenkte, überredete, überlistete Landmann von leichtsinnigen Versplitterungen seines Vermögens zum Nutzen der allgemeinen Landeskultur abgehalten würde“ (Ofner II 29). Hofrat v Pratobevera, der es für etwas hart (hielt), wenn man die mündlichen Anordnungen zu sehr beschränken wolle, warf (noch bei der Superrevision) die Frage auf, ob nicht eine Beschränkung im Werthe beizusetzen wäre; wonach also Schenkungen z.B. bis auf 100 fl. gelten sollen“. Die Überzahl der Stimmführer blieb aber beim Text, „weil Summen zu relativ sind; 100 fl. kann viel, kann wenig sein“ (Ofner II 562). Der Gedanke einer Wertgrenze stammt aus dem römischen Recht (lex Cincia). 2╇ Dazu nur P. Bydlinski/F. Bydlinski, Gesetzliche Formgebote 65 ff. 3╇ Kaserer, Das Gesetz vom 25.VII.71 über das Erfordernis notarieller Errichtung einiger Rechtsgeschäfte mit Materialien (1885) 13 f, 119 ff. 4╇ Welser, Zivilrechtliche Formgebote 16 f

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hieße, „den so häufig vorkommenden Erlass geringfügiger oder hinsichtlich der Einbringlichkeit zweifelhafter Forderungen unmöglich machen“.5 Vielfach wird in der neueren Lehre und Rsp allerdings der Schutz des Schenkers mehr oder weniger ausschließlich in den Vordergrund gestellt, da der Gläubiger ohnedies durch die Anfechtungsgesetzgebung ausreichend geschützt sei.6 Es spricht allerdings nichts dagegen, den Gläubiger doppelt zu schützen, also sowohl durch das Formgebot des NotAktsG als auch durch die in der Zeit des Ersten Weltkriegs eingeführte Insolvenzgesetzgebung. Diese bedeutet keineswegs eine so starke Zäsur in der österr Rechtsordnung, wie es nach einem Teil des Schrifttums den Anschein hat. Sie hat vor allem die Rechtsstellung des Gläubigers bei Anfechtungstatbeständen außerhalb des Konkurses verbessert. Immerhin war das Rechtsinstitut der actio Pauliana schon dem Römischen Recht geläufig, hat also eine lange Tradition.7 Vor allem macht es hier aber einen ganz wesentlichen Unterschied aus, ob ein Rechtsgeschäft von vornherein rechtsunwirksam ist oder erst auf Basis komplizierter Tatbestandsvoraussetzungen mit vollem Kostenrisiko angefochten werden muss8 – bei einem Masseverwalter als Kläger meist auch noch unter besonderem Zeitdruck, der oft zu ungünstigen Vergleichen zwingt. Diesen gravierenden Nachteilen für den Gläubiger lässt sich meist nicht einmal durch eine Umkehr der Beweislast abhelfen. Die entscheidende Schwierigkeit für ihn besteht nämlich darin, dass er in aller Regel ein Außenstehender ist und die Beweismittel sich in der Hand des Anfechtungsgegners befinden. Wenn die gläubigerschädigende Rechtshandlung gut geplant ist und die Aussagen auf seiner Seite im Wesentlichen in sich schlüssig und fehlerfrei abgelegt werden. So hat der Richter praktisch keine andere Wahl, als diese Beweismittel – ganz gleich, welche Partei die Beweislast trifft – seiner Entscheidung zugrunde zu legen, auch wenn er persönlich seine durchaus berechtigten Zweifel haben mag, weil er diese im Rahmen seiner Beweiswürdigung nicht hinreichend konkretisieren kann. Praktisch liegt der Unterschied, ob der Formvorschrift des § 943 nur ein einziger oder ein doppelter Formzweck zugewiesen wird, in der Möglichkeit einer nachträglichen Heilung des formnichtigen Rechtsgeschäftes durch Erfüllung. Die Anordnung der Schriftform in § 943 Satz 2 ABGB wurde durch das NZwG nicht ausdrücklich aufgehoben, doch besteht Einigkeit darüber, dass es sich hier um eine materielle Derogation handelt.9 Die Notariatsaktspflicht ist unter den Vertragsparteien denkbar unbeliebt. Selbst Geschenkgeber, die allen Anlass hätten, für notarielle Beratung dankbar zu sein, pflegen nicht einzusehen, warum sie Zeit und Geld für ihre eigene Gängelung und Bevormundung aufwenden sollen, und die Berücksichtigung der Interessen außenstehender Gläubiger liegt den Parteien des SchenkungsEhrenzweig, System II/12, 370 f. Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 1, W. Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte 203, dagegen Welser, Zivilrechtliche Formgebote und Notariatsakt 14 ff. 7  Dazu Steinbach/Ehrenzweig, Kommentar zur AnfO und zu den Anfechtungsnormen der KO (1916) 154 ff und 470 ff unter Anführung der „Denkschrift“. 8  Welser, Zivilrechtliche Formgebote und Notariatsakt 15 f. 9  P. Bydlinski/F. Bydlinski, Gesetzliche Formgebote 63 („seit Ewigkeiten“ widersprüchlich). 5  6 

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vertrages erst recht ferne. Es ist daher wenig überraschend, dass es immer wieder Versuche gibt, die Formpflicht der Schenkung aufzuweichen oder gar zu umgehen, und dabei oft auch Beifall in Lehre und Rsp finden. Als Belastung für die Auslegung erweist sich auch der Interessensgegensatz zwischen den Berufsständen der Notare und der Rechtsanwälte, der im Prinzip völlig unvermeidbar ist, immer wieder aber dazu führt, dass überzeugende, widerspruchsfreie und lückenlose Wertungsgrundsätze nicht zu finden sind, weil für die Entscheidungen des Gesetzgebers für oder gegen die Notariatspflicht das jeweilige politische Gewicht dieser Gruppen ausschlaggebend war, was aber nicht zugegeben werden konnte, sondern in den Motivenberichten kaschiert werden musste. Nach nunmehr hM bedarf nur das Schenkungsversprechen des Ge3 schenkgebers eines Notariatsaktes, nicht auch die Annahmeerklärung des Beschenkten.10 Vor Übereilung geschützt werden soll nur der Geschenkgeber. Diese Meinung hat sich durchgesetzt, weil ein womöglich mehrfaches persönliches Erscheinen der Parteien vor dem Notar zunehmend als lästig empfunden wird. Welser befürchtet bei der Anerkennung einer solchen „halben Form“, dass das Erscheinen nur einer Partei vor dem Notar einer umfassenden Diskussion der Rechtslage und des Geschäftes entgegen stehe. Erweckt werde überdies der Eindruck der Einseitigkeit und Parteilichkeit der Rechtsberatung. Es ist zwar richtig, dass der Notar sehr oft nicht alle Hintergründe des geplanten Rechtsgeschäftes erfahren wird, schon gar nicht, wenn sie dubioser Natur sind, allerdings ist fraglich, ob er diese Informationen gerade vom gleichzeitig anwesenden Beschenkten erhalten würde. Ein gewisser Eindruck der „Einseitigkeit und Parteilichkeit der Rechtsberatung“ ist unvermeidbar, wenn das Gesetz diese nur im Interesse einer Partei, des Geschenkgebers, fordert. Auch die nachträgliche Erhöhung einer Schenkung ist notariatsaktspflichtig, nicht hingegen eine nachträgliche Herabsetzung.11 In bestimmten Fällen wird das gerichtliche Protokoll dem Notariatsakt 4 gleichgestellt, so insb beim Erbverzicht (§ 551 Satz 2) und beim Erbschaftskauf (§ 1278 Abs 2 ABGB). Die letztere Vorschrift ist auch auf die Erbschaftsschenkung anzuwenden, da der Notar in solchen Fällen in aller Regel ohnedies als Gerichtskommissär tätig wird und eine Unterscheidung danach, ob er einen Notariatsakt aufgenommen oder nur eine Protokollierung vorgenommen hat,12 von den Formzwecken her wenig sinnvoll erscheint. Eine andere Frage ist aber, ob über die Fälle gesetzlich angeordneter Gleichstellung hinaus den Par10  So schon Gschnitzer Klang2 IV/2, 274; P. Bydlinski, NZ 1991, 168; P. Bydlinski/F. Bydlinski, Gesetzliche Formgebote 49 ff (vor allem im Zusammenhang mit der Gründung einer Gesellschaft, wo die Nachteile des Gleichzeitigkeitsgebots besonders intensiv empfunden werden); Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 3; Bollenberger in KBB3 § 943 Rz 1, ebenso auch die neue Rsp: OGH 5 Ob 266/99z, NZ 2001, 141 (zust Hoyer 145) = ecolex 2000, 354 (krit Wilhelm); 5 Ob 82/05b, NZ 2006, NZ 2006, 46. Anders noch Stanzl in Klang2 IV/1, 615; Schauer, NZ 1984, 188; Schubert in Rummel3 I § 943 Rz 6; GlUNF 993 = NZ 1900/29 = ZBl 1900, 748. 11  OGH 2 Ob 123/01d, ecolex 2001, 745; Bollenberger in KBB3 § 943 Rz 1. 12  So zutreffend B. Jud, Der Erbschaftskauf (1998) 38 f; auch Welser, Zivilrechtliche Formgebote und Notariatsakt 20 FN 89, der ganz allgemein für strikte Einhaltung der gesetzlichen Formgebote eintritt, ist diese Auffassung. Im übrigen s § 938 Rz 53 und 54 ff.

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teien ganz allgemein das Wahlrecht zwischen Notariatsakt und Beurkundung durch Gerichtsprotokoll zuerkannt werden soll. Es geht hier vor allem um den prätorischen Vergleich, bei dem der betreffende Anspruch nicht vorher Streitgegenstand war. Dafür sprechen sich mehrere E aus,13 ebenso ein großer Teil der Lehre.14 Die Gegner dieser Auffassung wenden vor allem ein, dass ein Schutz vor Übereilung nur dann gewährleistet wäre, wenn die Belehrungspflichten des §§ 52 ff NO wenigstens zum Großteil sinngemäß auf die gerichtliche Protokollierung ausgedehnt werden würden. Damit besteht beachtliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Belehrungspflichten der Gerichtspersonen15, was sich auch auf eine allfällige Ersatzpflicht nach dem AHG auswirken würde. Ob das Bedürfnis nach solchen Gerichtsprotokollen in der Praxis besonders groß ist, ist schwer zu beurteilen, weil es große lokale Unterschiede geben dürfte. Jedenfalls ist das gemeinsame Erscheinen der Parteien vor Gericht, wo der Gerichtsperson ein fertiger Entwurf präsentiert wird, aber nur eine Partei vorher rechtliche Erkundigungen eingezogen hat, keine Selten­heit. Die Formpflicht wird hingegen durch Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs erfüllt,16 schon deshalb, weil der Richter im Laufe des Verfahrens den Sachverhalt wesentlich genauer kennen lernt als bei bloßer Protokollierung. Das kann auch für die Ladung zum Vergleichsversuch nach § 433 ZPO zutreffen. Abgesehen davon beendet der gerichtliche Vergleich das Verfahren und bietet darüber hinaus daher auch noch einen Exekutionstitel (§ 1 Z 5 EO). Ein Erfordernis der Abfassung eines Notariatsaktes nach Abschluss eines Vergleichs kann daher nicht aufgestellt werden. Die Vollmacht zum Abschluss eines Schenkungsvertrages bedarf kraft 5 ausdrücklicher Anordnung des Gesetzes (§§ 69 und 69 a NotO) nicht des Notariatsaktes. Es genügen entweder öffentliche Urkunden oder solche Privaturkunden, auf denen die Unterschrift des Vollmachtgebers gerichtlich, notariell oder von einer österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland beglaubigt ist. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um eine Spezial- oder Gattungsvollmacht handelt.17

13  OGH 1 Ob 253/59, JBl 1960, 188; 6 Ob 61/67, EvBl 1967/437 = JBl 1968, 32; 7 Ob 190/67, JBl 1971, 263; ähnlich 5 Ob 118, 119/72, SZ 45/74 = EvBl 1973/19; 8 Ob 521/94, SZ 67/83 = JBl 1995, 260. 14  Rummel in Rummel 3 I § 883 Rz 5; Schubert in Rummel3 I § 943 Rz 6; dagegen Stanzl in Klang2 IV/1, 615; Welser, Zivilrechtliche Formgebote und Notariatsakt 19 f; krit auch P. Byd­ linski/F. Bydlinski, Gesetzliche Formgebote 19 f. 15  Welser weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass im Gerichtsalltag solche Protokolle vielfach von Rechtspraktikanten aufgenommen würden, denen es nicht an Rechtskenntnissen, Scharfsinn, Eifer und Genauigkeit fehlen muss, wohl aber an der in solchen Fällen besonders wichtigen Erfahrung im Rechtsleben. 16  Stanzl in Klang2 IV/2, 615. 17  Apathy in Schwimann3 IV § 1005 Rz 5; Bollenberger in KBB3 § 943 Rz 1; OGH 4 Ob 19/01z, SZ 74/17 = NZ 2001, 377: Ermächtigung, „Schenkungen zu machen“.

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II. Wirkliche Übergabe 1. Allgemeines 6

Bei der Hand-(Real-)Schenkung fallen Vertragsabschluss und Erfüllung zusammen; die geschenkte Sache wird bei Vertragsabschluss „wirklich übergeben“. Beim Schenkungsvertrag ohne eine solche wirkliche Übergabe folgt die Erfüllung dem Vertragsabschluss nach. Während die Handschenkung formfrei ist, also in jeder beliebigen Form auch durch schlüssiges Verhalten zustande kommen kann, bedarf der Schenkungsvertrag ohne wirkliche Übergabe des Notariatsaktes (§ 1 Abs 1 lit d NotAktsG; §§ 52 ff NO). Eine Begriffsbestimmung der „wirklichen Übergabe“ enthält das Gesetz nicht. Der Ausdruck muss daher nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers (§ 6) verstanden werden. Nach der allgemein üblich gewordenen Definition sind „von dem Zwang der Formvorschriften nur solche Fälle auszunehmen, in welchen zu dem Schenkungsvertrag noch ein anderer von denselben verschiedener, als Übergabe erkennbarer Akt hinzukommt. Dieser Akt muss ein sinnfälliger, nach außen hin bemerkbarer, aber auch derart beschaffen sein, dass aus demselben der ernstliche Wille des Schenkers hervorgeht, das Objekt der Schenkung sofort aus seinem Gewahrsam in den Besitz des Beschenkten zu übertragen“.18 Die Kenntlichkeit nach außen ist erforderlich, weil das Formerfordernis der wirklichen Übergabe nicht nur dem Schutz vor Übereilung dienen soll, sondern auch dem Schutz der Gläubiger vor erdichteten Verträgen, dem die Anfechtungsgesetzgebung nur unzureichend Rechnung tragen kann. Konkrete Kenntnis durch einen Dritten ist allerdings nicht notwendig,19 überhaupt betrifft die Formpflicht das Verpflichtungs- und nicht das Verfügungsgeschäft. Es können daher nicht alle Arten der Übergabe, wie sie in §§ 426 ff enthalten sind, das gesetzliche Formgebot erfüllen; siehe dazu unten unter Rz 6 ff. Im einzelnen ist manches zweifelhaft. 2. Einzelfälle a) Bewegliche körperliche Sachen

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Als einfachster Fall der „wirklichen Übergabe“ kommt bei beweglichen, körperlichen Sachen die körperliche Übergabe „von Hand zu Hand“ (§ 426) in 18  Jud 142; OGH 2 Ob 264/59, SZ 32/81; 5 Ob 16/72, SZ 45/35; 7 Ob 590/77, SZ 50/101; 5 Ob 390/97g, SZ 70/194; 1 Ob 47/99i, SZ 72/182 uza; Stanzl in Klang2 IV/1, 612; Schubert in Rummel3 I § 943 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 10; Bollenberger in KBB3 § 943 Rz 5. Zu stark verkürzt und daher etwas missverständlich ist die Formulierung, dass der Ausdruck „wirkliche Übergabe“ nichts anderes bedeute als das Gegenteil der bloßen Zusicherung oder des bloßen Schenkungsversprechens (so Schubert in Rummel I3 § 943 Rz 1 im Anschluss an 3 Ob 665/50, SZ 23/383; 1 Ob 538/85, JBl 1985, 672 und 4 Ob 516/95, NZ 1997, 51: In Wahrheit geht es nämlich stets nur darum, wie „wirklich“ die Übergabe sein muss, um den Notariatsakt unnötig zu machen. 19  OGH 1 Ob 115/02x, ÖBA 2003, 226; Bollenberger in KBB3 § 943 Rz 5.

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Wirkliche Übergabe

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Betracht, was aber nicht wortwörtlich zu nehmen ist.20 Wirkliche Übergabe ist aber nicht nur die körperliche Übergabe, es sind auch die Übergabe durch Zeichen, die Besitzauflassung und auch die Besitzanweisung.21 Die Wirksamkeit der Übergabe durch Erklärung (§  428) darf aber nicht als Abgehen vom grundsätzlichen Formerfordernis bei der Schenkung verstanden werden. Bei der Besitzauflassung (traditio brevi manu) befindet sich die Sache ohnedies bereits beim Geschenknehmer, die darüber hinausgehende Erklärung des Schenkers hat daher stärkere Warnfunktion als sonst, und der Schutz Dritter ist von geringerer Bedeutung als sonst, weil die äußere Lage auf den wahren Besitzer verweist und das Band zwischen Rechtsgut und Schenker bereits gelockert ist. Die Besitzanweisung setzt ohnedies voraus, dass sich die zu übertragende Sache bei einem Dritten befindet.22 In diesen Fällen ist die Übergabe „in gewisser Weise vorweggenommen“.23 Auch die Ausstellung einer schriftlichen Vollmacht kann hier als „wirkliche Übergabe“ gewertet werden.24 Beim Besitzkonstitut fehlt es an jeder Form der Gewahrsamsübertragung, 8 jeder äußeren Veränderung, daher liegt keine wirkliche Übergabe vor.25 Mehrere neuere E26 machen von diesem Grundsatz jedoch dann eine Ausnahme, wenn ein qualifizierter, nämlich ernsthafter, unzweifelhafter und unbestrittener Schenkungswillen vorliegt, der auch durch nachträgliche Bekräftigung durch den Geschenkgeber dargetan werden kann. Die E OGH 3 Ob 109/02d, JBl 2003, 512 (zust E. Wagner) spricht hier von vereinzelt gebliebenen E, zitiert ablehnende Stimmen aus dem Schrifttum und betont, dass ein „besonders gelagerter Fall“, in dem das Besitzkonstitut als wirkliche Übergabe nach dieser Judikatur ausreiche, im konkreten Fall nicht vorliege. Gleichzeitig wird aber auch betont, dass gesetzliche Formgebote aus Gründen der Rechtssicherheit bestehen. Schließlich beruft sich die E 7 Ob 188f Zak 2005, 34 wieder auf die neue Rsp, betont aber wiederum, dass das OGH hier „jeweils fallbezogen argumentiert“ habe und Voraussetzung dafür ein „qualifiziert geäußerter Schenkungswille“ sei, der Übereilung ausschließe. 20  Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 12 im Anschluss an GlU 6.329: Umlegen einer Perlenkette um den Hals des Beschenkten. 21  Stanzl in Klang2 IV/1, 612; Schubert in Rummel3 I § 943 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV Rz 11 ff; Bollenberger in KBB3 § 943 Rz 5; aus der Rsp zB OGH 1 Ob 105/75, EvBl 1976/62; 4 Ob 516/95, EvBl 1995/148; 4 Ob 516/95, NZ 1997, 51; 5 Ob 390/97g, JBl 1998, 247 = ecolex 1998, 317. 22  Vgl Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 13. 23  Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 18. 24  SZ 40/86; OGH 4 Ob 516/95, EvBl 1995/148; Bollenberger in KBB2 § 943 Rz 5. 25  Ehrenzweig, System II/22, 369; Stanzl in Klang2 IV/1, 612; Schubert in Rummel3 I § 943 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 15; Bollenberger in KBB3 § 943 Rz 5; Koziol/Welser13 II 192; SZ 38/227; OGH 5 Ob 109/75, SZ 48/81 = EvBl 1976/24; 1 Ob 538/85, JBl 1985, 672; 9 Ob 149/04h, SZ 2005/12 uza. 26  OGH 3 Ob 575/91, JBl 1992, 792 (zust Schwimann) = NZ 1992, 230 (abl Hofmeister) = ecolex 1992, 161 (krit Puck) = IPRAX 1993, 333 (Schwimann) und – den selben Sachverhaltskomplex betreffend – 2 Ob 587/91, JBl 1992, 792, sowie 2 Ob 274/01k, JBl 1992, 451 (abl E. Wagner) = ecolex 2002, 347; offenbar zustimmend Schubert in Rummel3 I § 943 Rz 1, vorsichtig referierend Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 15; abl Koziol/Welser13 I 192 und Welser/Rabl, Der Fall Klimt (2005) 75 ff.

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Diese Linie der Rsp ist abzulehnen. Schon diese Darstellung zeigt, wie wenig Rücksicht auf die bei Formgeboten so wichtige Rechtssicherheit genommen wurde. Es wird schwer sein, brauchbare Kriterien dafür aufzustellen, wann der angeblich Beschenkte gleichsam mehr als den vollen Beweis für den Schenkungswillen erbracht hat. Die Unterschrift unter eine vom Rechtsanwalt des Geschenknehmers abgefasste und auf dessen Drängen abgegebene spätere Erklärung wird schwerlich ausreichen, erst recht nicht wenn sie auch noch auf der unrichtigen Annahme beruht, dass der Eigentumsübergang ohnedies schon stattgefunden habe.27 Bedenklich ist weiter, dass die Formgültigkeit des Schenkungsvertrages offenbar so lange in der Schwebe bleiben kann, bis eine bekräftigende Erklärung des Schenkungswillens nachgeschoben werden kann. Der Sache nach handelt es sich in Wahrheit um die Erfüllung eines formungültigen Rechtsgeschäftes, die aber wiederum nicht durch bloße Erklärungen im Nachhinein erfolgen kann. Es ist wenig überraschend, dass vergleichbare Fälle besonders häufig auftreten, wenn der angebliche Geschenkgeber verstorben ist oder etwa wegen einer psychischen Erkrankung „besachwaltet“ werden muss und sich alle wesentlichen Beweismittel in der Hand des angeblich Beschenkten befinden, eine Schwierigkeit, die sich bei gemeinsamen Gewahrsam noch wesentlich verschärft. In solchen Fällen befindet sich der außenstehende Gläubiger des Verstorbenen typischerweise in Beweismittelnotstand befindet. Wird der Schenkungsvertrag von einem Rechtsanwalt aufgesetzt, so pflegt man das Erfordernis des Notariatsaktes in der Praxis traditionell dadurch zu umgehen, dass geradezu schimmelmäßig mit den verba legalia festgehalten wird, dass die wirkliche Übergabe entweder schon stattgefunden hat oder mit Unterzeichnung erfolgt. Dies muss jedoch erst bewiesen werden.28 Auf jeden Fall unzureichend ist nach der Rsp des OGH jedenfalls die Floskel „Die Übergabe und Übernahme des Schenkungsgegenstands in den tatsächlichen Besitz und Genuss erfolgt29 am Tag der Unterfertigung dieser Vertragsurkunde und gleichzeitiger Übergabe der Verwaltungsunterlagen und Begehen der Lie­ genschaft“.30 Sinnvoll wäre lediglich – nur zu Beweiszwecken – die Bestätigung der erfolgten Übergabe unter ausdrücklicher Angabe der konkreten Traditionsakte.31 Die „wirkliche Übergabe“ als Stellung des Eintragungsantrages durch den Schenkenden32 läuft auf eine Heilung durch nachträgliche Erfüllung hinaus. Wenn der Rechtsanwalt nicht sicher ist, ob die in dem von ihm errichteten Vertrag beurkundete „wirkliche Übergabe“ der geschenkten Liegenschaft tatsächlich stattgefunden hat, so hat er die Vertragsparteien darauf hinzuweisen, dass für die Formgültigkeit bei fehlender „wirklicher Übergabe“ ein Notariatsakt erforderlich ist, widrigenfalls er dem Geschenknehmer gegenüber ersatzpflichtig werden kann.33 Im übrigen s Rz 10 ff. So Hofmeister in NZ 1992, 230 zu OGH 3 Ob 575/91. Dazu zB OGH 6 Ob 264/65, SZ 38/228; 7 Ob 173, 174/66, JBl 1967, 623. 29  Und nicht: „erfolgte“. 30  OGH 5 Ob 164/08s, NZ 2009, 115. 31  LG Graz 1b R 138/81, NZ 1982, 94; Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 16. 32  Bollenberger in KBB3 § 943 Rz 6. 33  OGH 4 Ob 197/08m, RdW 2009/420. 27  28 

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Besondere Schwierigkeiten bereiten die häufigen Fälle der Schenkung von 9 Sachen an den Mitinhaber, so insb von Einrichtungsgegenständen in gemeinsamer Wohnung. Nach der Rsp genügt es, wenn der Beschenkte „die tatsäch­ liche Herrschaft über die Sache ausüben kann“34, wenn also zB der Geschenkgeber sein Mitgewahrsam für den Beschenkten ausübt und damit zum Be­ sitzdiener des Beschenkten wird.35 Die E 5 Ob 390/97g JBl 1998, 247 lässt den unbedingten Abschluss eines schriftlichen Schenkungsvertrages genü­gen. Was hier der Sache nach akzeptiert wird, ist die Fortdauer des bisherigen Gewahrsamsstandes ohne Abschluss eines Notariatsaktes. Wenn zur Begründung der Rsp immer wieder angeführt wird, dass nicht Anforderungen an die Form der Übergabe gestellt werden dürfen, die dem Leben vollkommen zu­ widerlaufen, so ist dies nur scheinbar plausibel, weil gerade dann, wenn eine wirkliche Übergabe nicht möglich ist, ein Notariatsakt errichtet werden muss. Dass es sich um Schenkungen aus Erkenntlichkeit handeln kann und eine exakte Güterzuordnung von vornherein auf Schwierigkeiten stößt,36 macht die Schaffung klarer Verhältnisse erst recht notwendig. Andernfalls kann der überlebende Mitbewohner zB im Insolvenz- oder Verlassenschaftsverfahren behaupten, was er will und kann nicht widerlegt werden. Wenn kein nach außen hin wahrnehmbarer Akt vorliegt und scheinbar alles beim Alten bleibt, so wird auf jede Warnfunktion verzichtet.37 Damit wird auch „erdichteten Schenkungsverträgen“ Tür und Tor geöffnet.38 Besonders kritisch ist die Lage bei Ehegattenschenkungen, wenn die Objekte vor und nach der Schenkung gemeinsam genutzt werden. Die wahren Verhältnisse können vor den Gläubigern (oft auch den Pflichtteilsberechtigten) leicht verschleiert werden.39 Das Anfechtungsrecht bietet auch in solchen Fällen keine wirkliche Hilfe, weil sich die Beweismittel in aller Regel ausschließlich in der Hand des angeblich Beschenkten befinden. Es ist aber in jedem Fall zu prüfen, ob wirklich Mitgewahrsam vorliegt. Entscheidend kann also sein, wenn die Mitgewahrsam zeitlich oder örtlich beschränkt ist, wenn also der Gegenstand zB in ein Zimmer verbracht wurde, das nur vom Beschenkten benützt wird oder (allenfalls vom Vertragsschluss an) nur dessen Bedürfnisse stillt.40 b) Liegenschaften Die körperliche Übergabe reicht bei der Schenkung von Liegenschaf- 10 ten aus, die Einverleibung des Eigentums des Beschenkten ist zur Gültigkeit 34  OGH 5 Ob 465/58, EvBl 1965/126; 1 Ob 538/85, SZ 48/75 uza; Schubert in Rummel3 I § 943 Rz 3. 35  OGH 1 Ob 538/85, JBl 1985, 672. 36  Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 14. 37  W. Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte 63. 38  Stanzl in Klang2 IV/1, 612. 39  W. Dehn, Formungültige Rechtsgeschäfte 63. 40  Stanzl in Klang2 IV/1, 612f; Binder in Schwimann3 IV/1, Rz 14; GlUNF 4.493; SZ 5/305; OGH 4 Ob 558/64, EvBl 1965/126; 1 Ob 538/85, JBl 1985, 672.

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des Schenkungsvertrages nicht notwendig,41 und zwar auch bei Schenkung von realen Trennstücken42 und nach der Rsp auch von ideellen Anteilen43, wobei hier aber auf die Qualität der „wirklichen Übergabe“ besonders streng geachtet werden muss. „Wirkliche Übergabe“ ist die Verschaffung der tatsächlichen Verfügungsmacht. Nach § 312 ist dies die Einräumung des physischen Besitzes und die Gestattung der Verwaltung, also Begehung, Absteckung und Abpflockung mit der Absicht der Inbesitznahme,44 Übergabe aller Verwaltungsunterlagen, welche die Bewirtschaftung der Liegenschaft ermöglichen,45 auch die Übergabe des Schlüssels, verbunden mit den entsprechenden Erklärungen.46 Nach bis vor kurzem herrschender Gerichtsübung konnte der Notariatsakt 11 bei mangelnder wirklicher Übergabe auch durch einen vom Rechtsanwalt aufgesetzten Schenkungsvertrag ersetzt werden, sofern dort nur ausdrücklich (formelhaft mit den verba legalia) festgehalten wurde, dass die Liegenschaft „wirklich übergeben“ worden sei. Der Grundbuchsrichter kann diese Urkunde nicht sachlich überprüfen, dennoch ersetzte die bücherliche Einverleibung die wirkliche Übergabe. Es genügte, wenn im Schenkungsvertrag die körperliche Übergabe der geschenkten Liegenschaft an den Beschenkten als bereits geschenkt bekundet und in die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes eingewilligt wurde. Der Darstellung konkreter Übergabsakte bedurfte es nicht.47 Erforderlich war lediglich, dass diese urkundliche Bestätigung vom Geschenkgeber herrührt, also nicht vom Vertragspartner oder einem Dritten.48 Einen Warneffekt, der über den mit dem Abschluss eines Vertrages, idR eines schriftlichen Vertrages in der Anwaltskanzlei, hinausgeht, gab es nicht, dennoch konnte auf Einhaltung des Vertrags geklagt werden.49 Für das Verfahren über die Löschungsklage wurde die Auffassung vertreten, dass eine Intabulation eine formungültige Schenkung heile.50 Diese Rsp ist in der Lehre auf berechtigte Kritik gestoßen.51 Allerdings hat sie der OGH dadurch abgemildert, dass er zuletzt neben der Vertragsunterzeichnung einen zusätzlichen Willensakt des Schenkers fordert.52 Wie genau dieser beschaffen sein muss, 41  Stanzl in Klang2 IV/1, 613; Koziol/Welser13 II 192; Schubert in Rummel3 I § 943 Rz 2; Binder in Schwimann3 IV §  943 Rz  19; OGH 1 Ob 253/59, JBl 1977, 257; 7 Ob 590/77, SZ 50/101; 5 Ob 124/92, SZ 65/137; 5 Ob 390/97g, SZ 70/194; 5 Ob 247/02g, NZ 2004, 245; 5 Ob 82/05b, NZ 2006, 46 uza. 42  OGH 3 Ob 665/50, SZ 23/383; 1 Ob 253/59, JBl 1960, 188. Stanzl in Klang2 IV/1, 613. 43  OGH 3 Ob 558/78, RZ 1979, 62; 5 Ob 390/97g, SZ 70/194 = JBl 1998, 247 = ecolex 1998, 317; 5 Ob 82/05b, NZ 2006, 46; Stanzl in Klang2 IV/1, 613; Schubert in Rummel3 I § 943 Rz 2. 44  OGH 6 Ob 501/88, NZ 1989, 66. 45  OGH 4 Ob 560-572/89, NZ 1991, 11; 1 Ob 2/99x, EF 90.072; vgl auch SZ 2005/12. Die bloße Übergabe der Verwaltung als solche genügt allerdings nicht, Stanzl in Klang2 IV/1, 613. 46  OGH 7 Ob 590/77, SZ 50/101. 47  OGH 5 Ob 21/94; 5 Ob 390/97g. 48  OGH 5 Ob 82/05b, NZ 2006, 46. 49  So besonders krass zuletzt OGH 6 Ob 179/97k, JBl 1999, 45 (abl Hoyer); 4 Ob 560/89, NZ 1990, 11; 5 Ob 21/94, NZ 1994, 294 = ecolex 1994, 617 = RdW 1994, 245. 50  OGH 4 Ob 560/89, NZ 1990, 11; auch 6 Ob 179/97k, JBl 1999, 45 (abl Hoyer). 51  Hofmeister, NZ 1984, 117; Schauer, NZ 1984, 190; Bittner, GdS Hofmeister 74 ff; W. Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte 61 ff; Hoyer, JBl 1999, 45; Schubert in Rummel3 I § 943 Rz 2; Koziol/Welser13 II 192; Binder in Schwimann3 § 943 Rz 16. 52  OGH 9 Ob 149/04h, SZ 2005/12 = EvBl 2005/133 = NZ 2006, 340.

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Wirkliche Übergabe

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kann erst die zukünftige Entwicklung zeigen,53 die Rechtslage ist noch im Fluss. Mit Sicherheit genügt aber die Abgabe einer Aufsandungserklärung nicht, weil diese Erklärung über den Vertragsabschluss nicht hinausgeht, sondern vielmehr einen typischen Bestandteil des Liegenschaftsvertrages – und damit kein zusätzliches Warnsignal – darstellt.54 Auch eine Heilung der Formnichtigkeit durch bücherliche Einverleibung des Beschenkten („Erfüllung“) lehnt die zitierte neue Jud jedenfalls in den Fällen ab, in denen sich der Schenker gegenüber dem Beschenkten noch vor der Einverleibung auf die Formgültigkeit beruft und keine eigenen Schritte zur Einverleibung gesetzt hat. Sollte hingegen eine „wirkliche Übergabe“ tatsächlich stattgefunden haben, kann in einem formellen Schenkungsvertrag dies konkret festgehalten werden,55 was aus Beweisgründen durchaus sinnvoll ist. Notariatspflicht besteht hier aber nicht. Auch Dienstbarkeiten an Liegenschaften können außerbücherlich übergeben werden.56 c) Forderungen und Rechte Die Zession ist grundsätzlich formfrei. Verpflichtungs- und Verfügungs- 12 geschäft fallen meist untrennbar zusammen, und so liegt der Schluss nahe, die Formpflicht zu verneinen, weil dann eben „wirkliche Übergabe“ durch mündliche Willenserklärung des Geschenkgebers vorliege. Dagegen wird die Intention des Gesetzgebers ins Treffen geführt, wonach zur Wirksamkeit der Schenkung nicht nur die Willenserklärung ausreichen soll, sondern darüber hinaus auch ein Übertragungsakt vorliegen müsse, der sich als der Außenwelt erkennbare Vermögensänderung manifestiere.57 Dies entspricht dem Formzweck des Übereilungsschutzes, und erst recht demjenigen des Schutzes der Gläubiger vor unlauterem Zusammenspiel zwischen Geschenkgeber und Beschenktem. Nach einheitlicher Auffassung muss daher zur Schenkungserklärung noch ein anderer, von dieser verschiedener, als Übergabe nach außen erkennbarer Akt hinzutreten. Wie weit diese Erkennbarkeit reichen muss, ist auch hier immer wieder strittig. Als Stammentscheidung formuliert Jud 142: „Für gewöhnliche Schuldforderungen wird in erster Reihe die Einhändigung der zum Beweis der abgetretenen Schuldforderung dienenden Urkunden an den Beschenkten sowie Verständigung des Cessus durch den Cedenten in Betracht kom­men“.58 Unproblematisch ist der Fall der Drittschuldnerverständigung. Zwar will das Ge53  Bollenberger in KBB3 § 943 Rz 6 lässt hier genügen, dass der Schenker den Eintragungsantrag stellt. Dies wäre allerdings viel eher als Heilung der Formnichtigkeit durch „Erfüllung“ zu werten sein und entspräche insofern der Tendenz der neuesten Rsp. Dazu im Text. 54  So ausdrücklich die E OGH 9 Ob 149/04h, SZ 2005/12 = EvBl 2005/133 = NZ 2006, 340. 55  Dazu OGH 1 Ob 551/94, SZ 67/136. 56  Stanzl in Klang2 IV/1, 613; OGH 1 Ob 140/55 (Fruchtgenuss). 57  W. Dehn, Formungültige Rechtsgeschäfte 64. 58  Ebenso OGH 5 Ob 117/69, JBl 1970, 424; 5 Ob 109/75, SZ 48/81 = EvBl 1976/24; 3 Ob 2078/96a, SZ 50/264; 1 Ob 14/00z, ecolex 2001, 273 = RdW 2001, 405 uza; Stanzl in Klang2 IV/1, 614; Schubert in Rummel3 I § 943 Rz 4; Ertl in Rummel3 II/3 § 1392 Rz 2; Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 24.

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setz eine bindende Wirkung auf Grund eines bloßen Schenkungsversprechens vermeiden, doch ist diese Verständigung eine zusätzliche Erklärung gegenüber einer anderen Person als dem Beschenkten, die somit auch einen zusätzlichen Warneffekt hat.59 Die bloße Übergabe einer Abtretungsurkunde – nämlich ohne die Unterlagen, die zur Geltendmachung gegen den Zessus erforderlich sind –, hat einen deutlich60 geringeren Warneffekt und ist auch vom Standpunkt des Gläubigerschutzes bedenklich, weil als Beweismittel (auch über den Schenkungszeitpunkt) meist letztlich nur die Aussagen der Vertragsparteien verbleiben. Nicht konsequent ist es auch, wenn der Abfassung und Übergabe einer solchen Urkunde der Schutzwert eines Notariatsaktes zugesprochen wird, wobei das Wahlrecht den Vertragsparteien zukommen soll. Anders, wenn es sich nicht um eine von den Vertragsparteien aufgesetzte 13 Abtretungsurkunde handelt, sondern wenn das Recht in einer von der Rechtsordnung vorgesehenen Form verbrieft ist. „Wirkliche Übergabe“ ist hier die Setzung der für den Rechtsübergang vorgesehenen Urkunde samt der Rechtshandlung, die zum Übergang der materiellen Berechtigung führt. Bei Orderpapieren ist daher ein Indossament erforderlich. Die Übergabe eines vom Schenker – etwa als Annehmer – unterschriebenen Wechsels an den formell legitimierten Beschenkten ist wirkliche Übergabe; dem Beschenkten stehen als Wechseleigentümer Wechselrechte gegen den Schenker zu, ohne dass dieser die Einrede der nicht vollzogenen Schenkung erheben könnte.61 Nicht anders sind Blankowechsel und Blankoschecks zu behandeln.62 Ein bloßer Deckungswechsel zur Sicherung eines Schenkungsversprechens begründet allerdings keine wechselrechtlichen Ansprüche inter partes.63 Bei Sparbüchern ist die Übergabe unter Bekanntgabe des Losungswortes 14 erforderlich,64 bei Postsparbüchern darüber hinaus die Übergabe der Be­ rechtigungskarte,65 allenfalls die Erteilung einer sonstigen Behebungsvollmacht.66 Bei hinterlegten Sparbüchern ist die Bekanntgabe des Losungswortes und die Aushändigung des Schlüssels erforderlich.67 Befinden sich Berechtigungskarte oder Schlüssel in dem Gewahrsam eines Dritten, so kommt ÜberW. Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte 64. Puck, ecolex 1992, 230; Ertl in Rummel3 II/3 § 1392 Rz 2; aM insb Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 25 mit dem Argument, dass die Hemmschwelle für den Zedenten eine Beweisurkunde aus der Hand zu geben, nicht kleiner sei als eine Verständigung des Schuldners vom Forderungsübergang. Letztere führt allerdings zur Einbeziehung einer dritten Person, was erfahrungsgemäß gerade wegen der damit verbundenen Publizitätswirkung gerne vermieden wird. Siehe Rz 15. 61  Stanzl in Klang2 IV/1, 613; Schubert in Rummel3 I § 943 Rz 5; EvBl 1976/109. 62  Stanzl in Klang2 IV/1, 613; GlUNF 2379; ZBl 1923/48; zweifelnd Schubert in Rummel3 I § 943 Rz 5. Anlass zu Bedenken besteht aber nur dann, wenn sich der Beschenkte nicht an die Ausfüllungsvereinbarung hält, so auch Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 28 FN 103. 63  OGH 7 Ob 190/75, SZ 48/115 = EvBl 1976/109; Schubert in Rummel3 I § 943 Rz 5. 64  OGH 7 Ob 190/75, SZ 39/140 = EvBl 1967/83; 7 Ob 579/92, ecolex 1993, 18 (Puck) = wbl 1993, 95; 4 Ob 516/98, NZ 1997, 51; 1Ob 39/97k, NZ 1998, 246; 2 Ob 47/03f, ÖBA 2004, 60; dazu auch Nowotny, RdW 2000, 714. 65  OGH 1 Ob 567/81, SZ 54/51 = RZ 1983, 41; auch 5 Ob 109/75, SZ 48/81 = EvBl 1976/24; 4 Ob 516/95, EvBl 1995/148 = NZ 1997, 51. 66  ZBl 1923/48; Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 28. 67  OGH 7 Ob 506/92, ÖBA 1992, 746; NZ 1998, 246. 59  60 

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Wirkliche Übergabe

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gabe durch Besitzanweisung in Betracht.68 Die Schenkungserklärung hinsichtlich eines bereits zur Verwahrung übergebenen Sparbuchs läuft auf eine (für wirkliche Übergabe ausreichende) traditio brevi manu hinaus, gerade auch dann, wenn dem Verwahrer das Losungswort schon vorher bekannt war. Hingegen fehlt es an der Übergabe, wenn der Einleger ein Sparbuch auf den Namen des Bedachten zwar eröffnen lässt, es aber behält.69 Wohl aber ist wirkliche Übergabe anzunehmen, wenn der gesetzliche Vertreter auf ein von ihm angelegtes Sparbuch des Pflegebefohlenen einlegt.70 Bausparbriefe haben nur Beweisfunktion, ihre Übergabe ist daher nach 15 der Rsp nicht „wirkliche Übergabe“.71 Dies wird von Binder72 mit dem Argument bekämpft, dass die Hemmschwelle für den Geschenkgeber nicht geringer sei als bei der Verständigung eines Drittschuldners. Dagegen spricht allerdings, dass damit die Übergabe einer Beweisurkunde der Verfassung eines Notariatsakt gleichgeachtet wird. Wie groß die Hemmschwelle der Verständigung eines Dritten, des Gläubigers, ist, zeigt das bekannte Widerstreben der Zedenten, vor allem – aber keineswegs nur – bei Sicherungszessionen. Versicherungsscheine (Polizzen) sind zwar meist nur Beweisurkunden, vor allem in der Lebensversicherung kommen aber auch Versicherungsscheine auf den Inhaber vor, die als qualifizierte Legitimationspapiere anzusehen sind (§ 4 Abs 1 VersVG), in der internationalen Transportversicherung, wo das Interesse am Abschneiden von Einwendungen besonders groß und legitim ist, sogar Orderpolizzen.73 Wird daher eine Lebensversicherungspolizze mit der Erklärung übergeben, sie gehöre jetzt dem Beschenkten, liegt „wirkliche Übergabe“ vor,74 anders bei der Übergabe von solchen Versicherungspolizzen, denen nur Beweissicherungsfunktion zukommt.75 Wirkliche Übergabe ist die Einzahlung (Überweisung) auf ein Girokonto des Beschenkten. Besonders heikel und umstritten ist die Frage der Einräumung der Mit- 16 zeichnungsbefugnis auf Bankkonten und Depots. Einerseits kann der Beschenkte von seinem Recht sofort Gebrauch nehmen und das Konto abräumen, andererseits kann es sich der Geschenkgeber bis dahin jederzeit anders überlegen und seinerseits dasselbe tun. Maßgeblich ist also das Zuvorkommen. Die Rsp hat zunächst die Einräumung einer Mitzeichnungsberechtigung oder Ausfolgungsermächtigung (mit Schenkungs- und Traditionswillen) nicht als wirkliche Übergabe angesehen,76 in der E OGH 9 Ob 151/04b77 jedoch nunmehr anerkannt. Für die Erfüllung des Warnzwecks spricht der Umstand, 68 

OGH 1 Ob 567/51, SZ 54/51 = RZ 1983, 41. GlUNF 6609; GlU 15.296, 70  GlUNF 1620; Stanzl in Klang2 IV/1, § 943 613. 71  OGH 1 Ob 169/98d, EvBl 1999/47 = NZ 2000, 76. 72  In Schwimann3 IV § 943 Rz 25. 73  Näheres bei Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3 (1995) 91 ff. 74  OGH 7 Ob 217/62, EvBl 1962/467; 6 Ob 181/02i, EvBl 2003/135. 75  OGH 7 Ob 6/87, RdW 1988, 10. 76  OGH 4 Ob 517/82, EvBl 1982/137; 4 Ob 34/99z, ÖBA 1999, 226; ebenso Schubert in Rummel3 I § 943 Rz 5. 77  OGH 9 Ob 151/04b, JBl 2005, 648 (im Ergebnis zust E. Wagner) = ÖBA 2006, 136 (auch im Ergebnis abl P. Bydlinski); ähnlich Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 27. 69 

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dass der Geschenkgeber die Behebung durch den Geschenknehmer nicht verhindern kann, wenn dieser der schnellere ist. Ob dem Schenker allein schon dadurch der Vermögensverlust in ausreichendem Maße zu Bewusstsein kommt, kann in diesem heiklen Grenzfall freilich bezweifelt werden. Da die Einräumung durch Erklärung gegenüber dem Kreditinstitut erfolgt, bestehen jedenfalls vom Standpunkt des Gläubigerschutzes keine Bedenken. Es ist also unter solchen Umständen keineswegs ein Leichtes, nachträglich Schenkungsverträge zu erdichten bzw zum Schein vorzugeben, um Gläubiger zu benachteiligen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Behebung im Rahmen der Schenkung erfolgt, weil es sonst schon am Titel fehlt. Es bedarf daher auch nicht der Konstruktion der nachträglichen Heilung eines formungültigen Schenkungsversprechens. d) Schulderlass und Rechtsverzicht „Der unentgeltliche Schulderlass (§ 1444 ABGB) bedarf, um mit Erfolg gerichtlich geltend gemacht zu werden, nicht der urkundlichen Begründung“ (Spr 15). Die Rsp vertritt seither die Auffassung, dass dieser an keine bestimmte Form gebunden ist, weil „der Verzicht den Vollzug in sich trägt“ und eine wirkliche Übergabe iSd § 943 (anders als die Zession) daher nicht in Betracht kommt.78 Dies gilt auch bei hypothekarisch gesicherten Forderungen79, wogegen sich Stanzl80 mit der Begründung ausspricht, dass bei Hypothekarforderungen eine Löschungsquittung ausgestellt werden muss. Allerdings muss zwischen Schulderlass und Schaffung der Voraussetzungen für die Löschung des forderungslosen Pfandrechts unterschieden werden.81 Stanzl verkennt dies keineswegs, er versucht lediglich, der gesetzlichen Grundwertung, wonach auf Grund einer möglicherweise übereilt abgegebenen mündlichen Erklärung kein Vermögensverlust eintreten soll, zum Durchbruch zu verhelfen. Konsequenterweise vertritt die Rsp auch die Formfreiheit eines Verzichts auf Reallasten82, soweit es hiebei nicht nur um den Verzicht von Ansprüchen eines ganz konkreten Reallastberechtigten und nicht auch seiner Rechtsnachfolger geht.83 Auch die Entlassung eines Bürgen aus der Haftung bedarf nach der Rsp keiner besonderen Form.84 Die dargestellte Praxis ist grundsätzlich von der Lehre nicht kritisiert wor18 den, wohl aber die rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers. Gerügt wurde, dass hier der Rechtsverlust allein aufgrund einer uU übereilt abgegebenen mündlichen Erklärung eintreten würde, was den sonstigen Wertungen des Gesetzgebers widersprechen würde.85 17

78  JBl 1935, 16; OGH 6 Ob 94/67, RZ 1968, 108; 5 Ob 181/73, JBl 1975, 210 = EvBl 1974/79; 1 Ob 533/78, SZ 51/15 = EvBl 1978/171; 7 Ob 677/80, JBl 1981, 650; Schubert in Rummel3 I § 939 Rz 3. 79  OGH 5 Ob 181/73, JBl 1975, 210 = EvBl 1974/79. 80  In Klang2 IV/1, 615. 81  OGH 1 Ob 533/78, SZ 51/15 = EvBl 1978/171; Schubert in Rummel3 I § 939 Rz 3. 82  OGH 1 Ob 533/78, SZ 51/15 = EvBl 1978/171. 83  Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 29. 84  GlUNF 5.969. 85  So insb P. Bydlinski/F. Bydlinski, Gesetzliche Formgebote 66 und W. Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte 138 f.

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Dieser hat sich für Formfreiheit deshalb entschieden, weil er fürchtete, sonst „den so häufig vorkommenden Erlass geringfügiger oder hinsichtlich der Einbringlichkeit zweifelhafter Forderungen unmöglich zu machen“.86 Zwar wird ein Schulderlass noch wesentlich eher in einem vernünftigen Verhältnis zum Vermögen des Geschenkgebers stehen als ein Schenkungsversprechen, er muss es aber nicht. Eine Einschränkung der Formfreiheit auf „geringfügige“ Schulderlässe stünde schwerlich im Einklang mit dem bei der Auslegung von Formvorschriften besonders wichtigen Postulat der Rechtssicherheit. Wenn jedenfalls der Gläubiger nach Abgabe der Vertragserklärung noch zu weiteren Leistungen verpflichtet bleibt, nämlich zur Rückgabe der Vertragsurkunde bzw des Schuldscheines oder zur Ausstellung einer Löschungsquittung, so ist es aber nur konsequent, darin die „wirkliche Über­ gabe“ zu erblicken.87 Die Form des Erbverzichts ist in § 551 ausdrücklich gesetzlich geregelt. Gefordert wird die Aufnahme eines Notariatsakts oder die Beurkundung durch gerichtliches Protokoll. e) Vertrag zugunsten Dritter Verträge zugunsten Dritter können die wirtschaftliche Funktion einer 19 Schenkung haben, sodass sich die Frage des Formgebotes auch hier stellt. Es kann nämlich keinen entscheidenden Unterschied machen, ob der Schenker verspricht, dem Beschenkten eine von ihm offenbar erst noch zu erwerbende Sache zu übergeben, oder ob er ihm zusagt, einen Vertrag zu seinen Gunsten mit einem Verkäufer zu schließen. Die Anwendung der Formgebote der Schenkung auf Verträge zugunsten Dritter ist schon deshalb äußerst umstritten, weil diese „bloßer Formalbehelf zur Erreichung verschiedener Zwecke“ und daher äußerst vielgestaltig sind.88 Die neuere Lehre und Rsp tendiert zu einer Unterscheidung danach, ob die Rechtsbeziehung zwischen Verspre­ chenleistenden und Versprechensempfänger entgeltlich ist oder nicht. Im ersten Fall liegt die „wirkliche Übergabe“ in der Inpflichtnahme des Ver­ sprechenleistenden durch den Versprechensempfänger im Einverständnis mit dem begünstigten Dritten. Im zweiten Fall liegt doppelte Unentgeltlichkeit vor (also sowohl im Verhältnis zwischen Versprechensleister und -empfänger als auch zwischen diesem und dem begünstigten Dritter, sodass mangels Übergabe des Objektes an diesen ein Notariatsakt erforderlich ist.89 Näheres unter § 881. Die hier entwickelten Grundsätze gelten auch für Anweisungen (§§ 1400 ff).90 Zuwendungen Unterhaltspflichtiger an Unterhaltsberechtigte sind keine Schenkungen, soweit sie sich im Rahmen der Unterhaltspflicht bewegen, Ehrenzweig, System II/12, 370 f. Stanzl in Klang2 IV/1, 615; Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 29. 88  So die zutreffende Formulierung Rummels in Rummel3 I § 881 Rz 8 89  Dazu Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 32 f und auch Apathy/Riedler in Schwimann3 IV §§ 881 f Rz 9 sowie Rummel in Rummel3 I § 881 Rz 8 mwN 90  Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 35. 86  87 

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daher bedarf es auch nicht der Erfüllung der für diesen Vertragstyp vorgesehenen Formpflicht.91 f) Pflichtschenkung 20

Auf Pflichtschenkungen, insb belohnende Schenkungen92, treffen die Überlegungen, die zur Einführung der Formpflicht für Schenkungen geführt haben, wenn überhaupt so doch in ungleich geringerem Maß zu. Das gilt nicht nur für die Gefahr der Übereilung sondern auch für diejenige der Gläubigerschädigung. Denn hier müsste nicht nur die Schenkung als solche dargetan werden sondern auch die sittliche Pflicht, was in aller Regel wesentlich schwieriger ist, weil es hier um einen begrenzten Personenkreis geht. Selbstverständliche Voraussetzung ist allerdings stets, dass sich das Ausmaß der Schenkung noch einigermaßen im Rahmen dessen bewegt, was unter solchen Umständen gesellschaftlich geboten erscheint. Denn es ist eine bekannte Tatsache, dass die Sensibilität des Schuldners gegenüber sittlichen Anforderungen entsprechend dem Druck der andrängenden Gläubiger zu steigen pflegt. Das neuere Schrifttum nimmt daher Pflichtschenkungen, jedenfalls remuneratorische Schenkungen, in diesem Rahmen vom Formgebot des § 943 aus.93 Der Sache nach steht auch die Rsp auf diesem Standpunkt. Sie versucht allerdings die Schenkung aus sittlicher Pflicht aus dem Schenkungsbegriff überhaupt auszuklammern, was abzulehnen ist; dazu Erl zu § 938 Rz 25 ff. g) Gemischte Schenkung

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Bei der gemischten Schenkung stellt sich die Frage, ob das gesamte Rechtsgeschäft formpflichtig sein soll oder nur der unentgeltliche Teil. Nach traditioneller Auffassung soll entscheidend sein, ob das Rechtsgeschäft überwiegend entgeltlich oder unentgeltlich ist,94 was jedoch den entscheidenden Nachteil hat, dass die wirtschaftliche Bedeutung des unentgeltlichen Teil eines überwiegend entgeltlichen Geschäftes für den Veräußerer im Extremfall sogar geradezu ruinös sein kann. Das Überwiegen des entgeltlichen Charakters bei 91  92 

Ladurner, ÖJZ 1985, 674; Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 34. Weil hier noch ein gewisser Konnex zu einer vom Beschenkten bereits erbrachten Leistung

besteht. 93  F. Bydlinski, JBl 1978, 648 ua; Schubert in Rummel3 I § 938 Rz 4; Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 36. 94  Ehrenzweig, System II/12, 367, der aber gleichzeitig betont, dass die gemischte Schenkung ein „einheitliches Geschäft besonderer Art“ sei, das nicht zerrissen werden solle. Maßgeblich soll das Überwiegen des entgeltlichen oder unentgeltlichen Elements auch nach Schubert in Rummel3 I § 943 Rz 6 sein, im Anschluss an OGH 5 Ob 124/92, SZ 65/137 = ecolex 1993, 86 = EvBl 1993/89 = JBl 1993, 312 = NZ 1993, 240 (abl Hofmeister) und W. Dehn, Formnichtige Recht­ geschäfte 66, allerdings mit dem entscheidenden Hinweis, dass es auch Fälle gibt, in denen der nichtsynallagmatische Teil des Vertrages im Verhältnis zum synallagmatischen Teil völlig bedeutungslos sein kann. Sind sich die Parteien des (deutlichen) objektiven Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung gar nicht bewusst, so liegt mangels Schenkungsabsicht ohnedies keine Schenkung vor.

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einer gemischten Schenkung vermindert zwar tatsächlich das Schutzbedürfnis des Schenkers95, es kann aber auch unter Berücksichtigung dieser Einschränkung immer noch beträchtlich sein. Nichts anderes gilt für das Schutzbedürfnis der Gläubiger. Jedenfalls besteht auch hier das Bedürfnis nach Übereilungsschutz und Schutz der Gläubiger. Inzwischen besteht trotz mancher Divergenzen in der Formulierung der verschiedenen Rechtsmeinungen in der Sache Einigkeit darüber, dass Formpflicht nur für den unentgeltlichen Teil besteht, wenn dieser – was der Regelfall ist - aber nicht ohne Zerreißung des inneren Zusammenhanges abspaltbar ist, diese Formpflicht das gesamte Rechtsgeschäft betrifft.96 Da Auflagen keine Gegenleistungen sind, gelten die gesetzlichen Formvorschriften für Schenkungen unter Auflage ohne Einschränkung. h) Schenkung auf den Todesfall Die Schenkung auf den Todesfall, „deren Erfüllung erst nach dem Tode 22 des Schenkenden erfolgen soll“ (§ 956 erster Halbsatz) ist ein umstrittenes Rechtsinstitut, das jedenfalls eine Mittelstellung zwischen den Geschäften unter Lebenden und jenen von Todes wegen einnimmt.97 Diese Schenkung muss als Vertrag durch den Beschenkten angenommen werden, da sie aber keine wirkliche Übergabe enthält, ist sie nach § 1 Abs 1 lit d NotAktsG notariatsaktspflichtig. Dieser Notariatsakt muss den Verzicht auf das für Vermächtnisse typische Widerrufsrecht enthalten.98 Näheres zu § 956.

III. Notariatsakt Nach hM bedarf nur das Schenkungsversprechen, nicht auch die An- 23 nahmeerklärung des Notariatsaktes,99 s dazu oben unter Rz 3. Das Gerichtsprotokoll ersetzt nur ausnahmsweise, nicht generell den Notariatsakt. Wurde jedoch ein gerichtlicher Vergleich, auch ein prätorischer, abgeschlossen, so bedarf es nicht noch zusätzlich eines Notariatsaktes, s dazu oben unter Rz 4. Dieser kann auch nicht durch bloße notarielle Beglaubigung der Unterschrift des Schenkers ersetzt werden100, da hier nur deren Echtheit überprüft, diesem aber keine rechtliche Beratung erteilt wird. Nur die Erteilung einer Vollmacht zum Abschluss eines Schenkungsvertrages bedarf der öffentlichen Beglau­bigung der Unterschrift des Vollmachtgebers, sofern nicht eine öffentliche Urkunde vorliegt, da hier der folgende Schenkungsvertrag mangels wirklicher Übergabe ohnedies der Notariatsaktspflicht unterliegt, s dazu oben unter Rz 5. So W. Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte 66. Koziol/Welser13 II 195; Hofmeister, NZ 1993, 240; W. Berger, Gesetzliche Formvorschriften 64; Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 38, ähnlich auch schon Stanzl in Klang2 IV/1, 502. 97 Koziol/Welser13 II 542; Schubert in Rummel3 I § 956 Rz 1. 98 Koziol/Welser13 II 541 f; Oberhumer, Die Schenkung auf den Todesfall – kein Zwitter, NZ 2008, 129. 99  Anders noch Stanzl in Klang2 IV/1, 615. 100  OGH 7 Ob 251/55, EvBl 1955/325; Stanzl in Klang2 IV/1, 615. 95  96 

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Formfreie Nebenabreden und nachträgliche Änderungen eines formgültig geschlossenen Schenkungsvertrages sind möglich, wenn sie dessen wesentliche Punkte unberührt lassen und vor allem die Verpflichtung des Schenkers nicht erhöhen,101 so etwa durch Herabsetzung des geschenkten Betrages oder durch Verlängerung der Fälligkeit. Viel Raum besteht aber für formlose Nebenabreden nicht, da bei ihnen auch noch die Gefahr besteht, da sie zum Fehlen einer klaren Willenseinigung, zur Vertragsaufhebung oder zur Novation in einen entgeltlichen Vertrag führen können. Wurde bei einer Schenkung ohne wirkliche Übergabe kein Notariatsakt 25 aufgenommen, so ist nach der ausdrücklichen Anordnung des § 1 NotAktsG das Rechtsgeschäft ungültig, womit entgegen weit verbreiteten Formulierungen102 nicht Nichtigkeit gemeint ist, sondern nur, dass die staatlichen Gerichte nicht bei der Durchsetzung der daraus entstehenden Pflichten helfen; anders formuliert: Es entsteht nur eine Naturalobligation.103 Diese Formpflicht ist im Prozess von Amts wegen zu beachten104, sie ist unverzichtbar105 und die Berufung darauf kann nur in besonderen Ausnahmefällen sittenwidrig sein;106 erst recht, wenn die Formvorschrift den Schutz Dritter im Auge hat. Die hM ist immer wieder bestrebt, Schenkungen ohne wirklicher Überga26 be nicht am Formerfordernis scheitern zu lassen, und stellt daher vielfach nicht nur bescheidene Ansprüche an die „Wirklichkeit“ der Übergabe,107 sie tut dies auch hinsichtlich ihres Zeitpunktes, der vor, gelegentlich aber auch nach dem Schenkungsversprechen erfolgen kann. Erfolgt er nach dem Zeitpunkt der Fälligkeit, ergibt sich eine Heilung des Formmangels durch Erfüllung nach § 1432.108 Dabei sollte allerdings nicht unter den Tisch gekehrt werden, dass eine solche Heilung nur im Hinblick auf den Übereilungsschutz unproblematisch ist, nicht aber auf dem Formzweck des Gläubigerschutzes.109 Hier bedeutet Heilung, dass sich der Gläubiger nicht einfach auf den Formmangel berufen kann, sondern sich auf den riskanten und dornenreichen Weg der Anfechtungsklage begeben muss, ein Risiko, das er in vielen Fällen nicht auf sich nehmen und es vorziehen wird, den berechtigten Anspruch aus wirtschaftlichen Erwägungen abzuschreiben. Voraussetzung der Heilung ist allerdings stets das einverständliche Geben 27 und Nehmen der Sache, in der Absicht, Eigentum zu übertragen, um den 24

101 Stanzl

in Klang2 IV/1, 615; Koziol/Welser13 II 191 JBl 1960, 492. So Schubert in Rummel3 I § 943 Rz 6 unter Berufung auf die E OGH 1 Ob 211/54, JBl 1954, 492, 7 Ob 567/84, NZ 1984, 234 ua. 103 Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 3. 104  OGH 1 Ob 211/54, JBl 1954, 489 = NZ 1954, 175; Rsp 1930/53; Stanzl in Klang2 IV/1, 616; Schubert in Rummel3 I § 943 Rz 6. 105 Stanzl in Klang2 IV/1, 616; OGH 1 Ob 211/54, JBl 1954, 492 (Gschnitzer) = NZ 1954, 175. 106 Stanzl in Klang2 IV/1, 616; Koziol/Welser13 I 188f 107  S dazu oben unter Rz 11. 108 Binder in Schwimann3 IV § 943 Rz 17; OGH 6 Ob 94/64, SZ 37/43; 5 Ob 16/72, SZ 45/35; 3 Ob 127/72, SZ 45/127 ua; zum ganzen ausführlich W. Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte. Unklar Stanzl in Klang2 IV/1, 616 im Anschluss an Ehrenzweig, System II/12, 371, wonach die wirkliche Übergabe nach Vertragsschluss erst die „wirkliche Schenkung“ sei. 109 Welser, Zivilrechtliche Formgebote 15. 102 

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Schenkungsvertrag zu erfüllen. Erlangt der Beschenkte zufällig das Gewahrsam an der Sache oder wird es ihm in anderer Absicht übergeben, so ist damit der formungültige Schenkungsvertrag nicht erfüllt und geheilt.110 Ein formloses Schenkungsversprechen wird auch nicht dadurch wirksam, dass es anerkannt wird.111

und Maß einer Schenkung. § 944. Ein unbeschränkter Eigentümer kann mit Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften auch sein ganzes gegenwärtiges Vermögen verschenken. Ein Vertrag aber, wodurch das künftige Vermögen verschenkt wird, besteht nur insoweit, als er die Hälfte dieses Vermögens nicht übersteigt. Stammfassung JGS 1811/946. Lit: Zankl, Schenkung auf den Todesfall, Vermächtnisvertrag und „reines Viertel“, NZ 1997, 311 (dazu Waldhör, NZ 1998, 189): Kletečka, Die Erb- und Testierfähigkeit von Religiosen nach Inkrafttreten des 1.BRBG, öarr 2000, 34.

Das Vermögen ist Gesamtsache iSd §  302. Als solche wird auch die 1 Summe aller vermögenswerten Rechte und Verbindlichkeiten einer Person angesehen.1 Es kann daher als solches Gegenstand schuldrechtlicher Geschäfte und daher auch der Schenkung sein. Auch ein Unternehmen kann verschenkt werden.2 Zur Formgültigkeit der Schenkung bedarf es der wirklichen Übergabe oder eines Notariatsaktes; erstere erfolgt durch Einzel­akte.3 Zur schuldrechtlichen Bestimmbarkeit genügt die Verweisung auf das gesamte gegenwärtige Vermögen. Sachenrechtlich ist allerdings grundsätzlich auf das einzelne Stück abzustellen,4 erforderlich ist also die Übergabe der einzelnen zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Stücke. Praktisch wirkt sich diese doppelte Formpflicht bei der Erfüllung eines notariell abgegebenen Schenkungsversprechens aus. Der Beschenkte haftet den Gläubigern des Schenkers nach § 1409 ABGB, allenfalls § 38 f UGB. Im Verhältnis zum Schenker wird seitens des Empfängers im Zweifel eine Erfüllungsübernahme (§  1404) anzunehmen sein.5 Über die Erbschaftsschenkung siehe oben § 938 54 ff. Die Beschränkung von Schenkungen künftigen Vermögens auf die Hälf- 2 te dient zunächst dem Schutz des Schenkers6, sie beruht nach der Formulie110 Stanzl

in Klang2 IV/1, 616. RZ 1938, 14: Stanzl in Klang2 IV/1, 616. 1  Koziol/Welser13 I 255 mwN. 2  Stanzl in Klang2 IV/1, 616; Schubert in Rummel3 I § 944 Rz 1. 3  Stanzl in Klang2 IV/1, 616; Binder in Schwimann3 IV § 944 Rz 4. 4  Klang in Klang2 II 38 f; Koziol/Welser13 I 256 f. 5  Stanzl in Klang2 IV/1, 617; Binder in Schwimann3 IV § 944 Rz 3. 6  Zeiller, Comm III/1, 163; Binder in Schwimann3 IV § 944 Rz 1; Bollenberger in KBB3 § 944 Rz 1. 111 

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rung Stanzls7 auf dem Gedanken des Schutzes der Freiheit der Erwerbung, aber auch des Schutzes gegen übereilte Bindungen. Zwar bemerkte Zeiller in der Superrevision, „ein Thor, der sein ganzes gegenwärtiges und künftiges Vermögen verschenkt, sei wohl schwerlich in der wirklichen Welt zu finden“.8 Darüber hinaus heben er und Binder aber auch noch hervor, dass die nahen Angehörigen geschützt werden sollen.9 Der zweite Hinweis Stanzls10 auf den Schutz der Freiheit des Erwerbes lässt sich auf Zeiller zurückverfolgen11: „Ein solcher Thor wäre auch, da ihm aller Sporn zur Industrie mangelte, ein unnützes Glied der Gesellschaft“. Ähnlich die Erwägungen Ehrenzweigs12, wonach ein Vertrag, der den ganzen künftigen Erwerb einem anderen überließe, gegen die öffentliche Ordnung verstieße, die „nicht zulässt, dass jemand sich gewissermaßen seiner Erwerbsfähigkeit begibt und damit zugleich allen Antrieb zum Erwerbe verliert“. Dieses Argument ist letztlich volkswirtschaftlich und lässt ahnen, dass solche Verträge auch zu Lebzeiten Zeillers nicht nur von „Thoren“ abgeschlossen worden sind. In den unruhigen Zeiten vor und nach der Kodifikation des ABGB war der Vermögensverfall in Europa nicht nur Strafe sondern auch politisches Kampfmittel zur Marginalisierung unerwünschter Gruppen und Personen. Der bürgerliche Tod (mort civile), wie er sich als Folge besonders schwerer Strafen zunächst auch in Art 22 f Code Civil fand, führte nicht nur zum Verlust des bereits erworbenen Vermögens sondern auch der Geschäftsfähigkeit, teilweise sogar der Rechtsfähigkeit. Es konnte daher vor allem in politisch turbulenten Zeiten durchaus sinnvoll sein, rechtzeitig möglichst weitgehende Schenkungen an nahestehende und verlässliche Personen abzuschließen.13 Daneben kamen stets auch Schein- und Umgehungsgeschäfte in Betracht, doch hatten diese die Gefahr, dass der Staat auf die (gegebenenfalls erdichtete) Gegenleistung greifen würde. Vergleichbare Anreize zu möglichst weitgehenden Schenkungen gibt es auch heute in Fällen, wo das Vermögen einer pflegebedürftigen Personen dem Zugriff von Sozialleistungsträgern entzogen werden soll.14 Im schlimmsten Fall gibt es hier nur die Wahl zwischen Abhausen der Familie und ÜberwälIn Klang2 IV/1, 617; letzteren Punkt nennt auch Schubert in Rummel3 I § 944 Rz 1. Ofner II 406. Vizepräsident OLR von Haan führte allerdings bei der ersten Lesung aus, es sei „räthlich, jedem Eigentümer, mithin auch den Vätern, Gelegenheit bei der Hand zu lassen, denjenigen, welche sich um sie verdient gemacht haben, oder ihren wohlgerathenen Kindern selbst bei Lebzeiten soviel Vermögen zuzuwenden, um Augenzeugen von dem verdienten Genusse jener Güter zu sein, an deren Besitze die Verschenkten sonst erst nach dem Tode ihres Wohltäters gelangen könnten, eine Bedingung, deren Eintritt sich beide Theile gewiß nur mit SchmeRz  denken können“ (Ofner II 28). 9  Binder in Schwimann3 IV § 944 Rz 1. 10  In Klang2 IV/1, 617. 11  Ofner II 406. 12  Ehrenzweig, System II/12, 368 unter Berufung auf die Motive zum BGB II 186. 13  Es sei daran erinnert, dass aus vergleichbaren Gründen manche schottischen Lairds im Jahr des Prinzen (1745/46) je einen Sohn in der Armee des Königs Georg und des Prätendenten Charles Edward Stuart dienen ließen. Auch in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte der Zwischenkriegszeit lassen sich vergleichbare Vorsichtsmaßnahmen finden. 14  Worauf auch schon Ehrenzweig, System II/12, 368 hinweist, ähnlich Binder in Schwimann3 IV 727, der auch auf § 66 f EheG hinweist; s auch § 951 Rz 8 (Umgehung des Pflichtteilsrechtes des Noterben). 7  8 

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zung der finanziellen Lasten auf den Steuerzahler. Die Gefahr solcher Schenkungen besteht immer, wenn der Schenkende sein Vermögen um jeden Preis dem Zugriff anderer Personen entziehen will und überzeugt ist, dass für seinen Unterhalt anderweitig gesichert ist. Zweck solcher Schenkungen kann auch die Umgehung der Pflichtteilsberechtigung des Noterben sein. Zum Sonderfall der Religiosen nach Inkrafttreten des 1.BRBG s Kletečka, öarr 2000, 34 einerseits und Binder in Schwimann³ IV § 944 Rz 2 andererseits. Nach § 1353 können sich Erbverträge nur auf drei Viertel des Nachlasses 3 erstrecken, ein „reines Viertel“ muss zur weiteren Disposition des jeweiligen Ehegatten stehen. Dass diese Vorschrift eng mit §  944 zusammenhängt, war schon für die Redaktoren klar.15 Strittig ist daher vor allem die Frage, ob bei der Schenkung auf den Todesfall § 1253 analog (oder gar kraft Größenschlusses) anzuwenden ist, weil dadurch nicht nur die Testierfreiheit, sondern zusätzlich auch noch die Verfügungsfreiheit unter Lebenden viel stärker beschränkt ist. Konsequenz dieser Auffassung ist die Anwendung der jeweils strengeren Bestimmung (§  1253 oder §  944) im Einzelfall.16 Dagegen wurde vorgebracht, dass die Schenkung auf den Todesfall nur gegenwärtige Vermögenswerte umfassen könne,17 und dass sich die Schenkung auf den Todesfall bloß ausnahmsweise auf zukünftige Vermögenszuwächse beziehen werde und hiebei iSd Bestimmbarkeitsgrundsatzes nur begrenzte Vermögensteile oder Einzelobjekte erfassen werden, so dass die Hälfteschranke des § 944 Satz 2 kaum relevant sein werde.18 Dass die Schenkung auf den Todesfall zukünftige Vermögenswerte nicht erfassen könne, ist mit Wortlaut und Sinn des §  944 jedoch nicht in Einklang zu bringen. Dass sich eine Schenkung nur auf begrenzte Vermögensteile oder Einzelobjekte bezieht, gilt nur für die sachenrechtliche Seite, schuldrechtlich ist die Bezugnahme auf das gesamte Vermögen ausreichend bestimmt.19 Ob ein Vermögenswert gegenwärtig oder zukünftig ist, richtet sich danach, 4 ob im Zeitpunkt der Verfügung ein Rechtsanspruch besteht. Die zwar angefallene aber noch nicht eingeantwortete Erbschaft ist daher gegenwärtiges Vermögen, über das ohne Hälfteschranke verschenkt werden kann.20 Ein Verstoß gegen §  944 Satz 2 macht das Rechtsgeschäft nicht absolut 5 nichtig. Er kann also nur von Personen geltend gemacht werden, die vom Schutzzweck erfasst sind,21 doch bleibt auch dann die Schenkung zur Hälfte wirksam.22 15  Zeiller bei der Superrevision: „Und wenn man sogar das Vermögen, durch Erbvertrag zu disponieren, einschränkt, so sei es umsomehr bei einer Schenkung nothwendig“ (Ofner II 406). 16  Zankl, NZ 1997, 311. 17  Waldhör, NZ 1998, 189. 18  Binder in Schwimann3 IV § 944 Rz 1; eine Stellungnahme in der E OGH 1 Ob 133/02v, NZ 2003, 147 (Mondel) = ÖBA 2003, 787, was von Mondel moniert wird. 19  Zur Berechnungsweise Binder in Schwimann3 § 944 Rz 8. 20  OGH 1 Ob 718/79, SZ 52/156 = JBl 1980, 479; Schubert in Rummel3 I § 944 Rz 2; Binder in Schwimann3 IV § 944 Rz 6. 21  OGH 1 Ob 133/02v, NZ 2003, 147 (Mondel) = ÖBA 2003, 787: der Beschenkte selbst und seine nahen Angehörigen, nicht aber das die Spareinlage verwahrende Geldinstitut; ebenso Binder in Schwimann3 § 944 Rz 1; ebenso Bollenberger in KBB2 § 944 Rz 2. 22  OGH 1 Ob 718/79, SZ 52/156 = JBl 1980, 479; 1 Ob 133/02v NZ 2003, 147 (Mondel) = 3 IV § 944 Rz 7. ÖBA 2003, 787; Schubert in Rummel3 I § 944 Rz 2;

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Inwiefern der Geber für das Geschenkte hafte. §  945. Wer wissentlich eine fremde Sache verschenkt, und dem Geschenknehmer diesen Umstand verschweigt, haftet für die nachteiligen Folgen. Stammfassung JGS 1811/946. Lit: Kurschel, Folgen des Zuwiderhandelns gegen einen Schenkungsvertrag auf den Todesfall, NZ 1986, 97; P. Bydlinski, Beschränkung und Ausschluss der Gewährleistung, JBl 1993, 559, 631; Koziol, Delikt, Verletzung von Schuldverhältnissen und Zwischenbereich, JBl 1994, 209.

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Die Vorschrift des §  945 ist kurz  und ihr Anwendungsbereich nicht sogleich evident. Wird sie als Gewährleistungsnorm verstanden, so indiziert das Tatbestandserfordernis der Wissentlichkeit mit nachfolgendem Verschweigen ein Schadenersatzelement, das daher ihre Anwendung auf den Mangelfolgeschaden nahelegt. Andererseits scheint die Norm nur eine sehr beschränkte Haftung für Rechtsmängel vorzusehen und diejenige für Sachmängel auszuschließen, offenbar weil man „einem geschenkten Gaul nicht ins Maul schaut“, doch können auch solche Mängel zu Folgeschäden führen. Wird §  945 als Schadenersatznorm gesehen, so stellt sich sogleich die Frage, wie es dann um die Rechtsfolgen grob fahrlässigen Nichtwissens steht. Die Bestimmungen der §§  918 ff über Verzug, schuldhafte Nichterfüllung und Gewährleistung gelten jedenfalls nur für entgeltliche Geschäfte (§ 917) und daher nicht für die Schenkung.1 Die Vorschrift des § 945 soll die Haftung des Schenkers erleichtern.2 Stanzl meint darüber hinaus, dass dieser Grundgedanke auf andere Fälle – soweit überhaupt eine Haftung des Schenkers angenommen werden könne – analog anzuwenden sei.3 Allerdings stellt sich dann die Frage nach dem Ausmaß allfälliger Gesetzeslücken und deren Füllung im jeweiligen konkreten Fall. Wegen des Verhältnisses zwischen Schenker und Beschenktem werden solche Fälle naheliegenderweise selten vor die Gerichte, gar erst vor die Höchstgerichte gebracht, doch bedeutet das noch lange nicht, dass sie in der Praxis nicht vorkommen.4 Zunächst kann beim (formgültig abgeschlossenen) Schenkungsvertrag 2 ohne wirkliche Übergabe der Beschenkte Erfüllung verlangen. Dass der Schenkungsvertrag grundsätzlich eine Holschuld begründet, folgt schon aus § 905 Abs 1, bei unklarer vertraglicher Regelung aus § 915.5 Bei Verzug und verschuldeter Unmöglichkeit steht dem Beschenkten ein Schadenersatzanspruch zu, fraglich sind aber dessen Voraussetzungen und dessen Umfang. So Stanzl in Klang2 IV/1, 617; Koziol/Welser13 II 193. Stanzl in Klang2 IV/1, 617. 3  Stanzl in Klang2 IV/1, 617f. 4  Skeptisch Stanzl in Klang2 IV/1, 618; dazu vgl nur OGH 4 Ob 140/77, SZ 51/137: Leihe eines Kraftfahrzeuges, für das entgegen §§  59 KFG kein aufrechter Haftpflichtversicherungsschutz besteht, worauf der Verleiher nicht hingewiesen hat. Der Fall hätte sich genau so gut bei der Schenkung des Fahrzeugs ereignen können. 5  Vgl Stanzl in Klang2 IV/1, 618. 1  2 

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unbestritten der allgemeine Gedanke ist, dass die Haftung des Schenkers (verglichen mit derjenigen des Schuldners aus entgeltlichen Rechtsgeschäften) erleichtert werden soll, so umstritten ist der Weg, auf dem dies geschehen soll. Die traditionelle Methode, die wohl immer noch als hM anzusehen ist, beruht auf der Differenzierung nach Verschuldensstufen. Stanzl6 will nur den Vertrauensschaden zuerkennen, und auch diesen nur bei Vorsatz und ohne Verzugszinsen. Die hM ist allerdings insofern strenger, als sie den Schenker auch für grob fahrlässiges Verhalten haften lässt.7 Als Begründung dafür wird unter Berufung auf § 915 oder auf Konkludenz vorgebracht, dass nach der gewöhnlichen Parteiabsicht eine Haftung für leichte Fahrlässigkeit nicht anzunehmen sei.8 Allerdings setzt die Anwendung der Unklarheitenregel voraus, dass mit der Auslegung nach §  914 kein brauchbares Ergebnis zu erzielen ist, §  863 wiederum setzt Zweifelsfreiheit voraus, und vor allem ist nicht plausibel, warum die Sorgfaltspflichten des Schenkers offenbar so streng bemessen werden sollen wie bei einem entgeltlichen Vertrag, während man hingegen bei der Vorwerfbarkeit eines dagegen verstoßenden Verhaltens großzügiger sein soll. Denn dass umgekehrt an einen Schenker mildere Maßstäbe angelegt werden sollen als an eine Person, die nur ihre Verpflichtungen erfüllt, die sie gegenüber jedermann erfüllt, ist schon gar nicht einzusehen. Die jüngere Gegenmeinung9 strebt die (gegenüber den entgeltlichen Ver- 3 trägen) mildere Behandlung des Schenkers schon auf der Ebene der Rechtswidrigkeit an. Es werden also die Sorgfaltspflichten des Schenkers reduziert, doch haftet er in diesem Rahmen für jedes Verschulden. Dieser Weg ist nicht nur dogmatisch überzeugender, er hat auch den nicht zu unterschätzenden praktischen Vorteil, dass er bei Konkurrenzen zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung und bei gemischten Schenkungen leichter zu plausibel begründbaren Ergebnissen führt. Die von Stanzl vorgeschlagene Einschränkung auf den Vertrauensschaden bei Verzug oder schuldhafter Unmöglichkeit stützt sich allein auf den hier überbeanspruchten Wortlaut des § 945 und enthält eine wenig einsichtige Sonderstellung des vorsätzlichen Schädigers, der seiner Meinung nach allein ersatzpflichtig sein soll.10 Unbedenklich ist sie nur im Fall der culpa in contrahendo11, wo sie allgemeinen Grundsätzen entspricht. Auch die Befreiung des vorsätzlichen Schädigers von der Bezahlung der Verzugszinsen ist aus denselben Gründen abzulehnen und überdies auch noch deshalb, weil er damit seine 6  In Klang2 IV/1, 618. Für die Haftung nur bei Vorsatz OGH 4 Ob 140/77, SZ 50/77 im Zusammenhang mit einem Fall der Leihe. 7 Ehrenzweig, System II/12, 375; Gschnitzer, SchRBT2 83; Schubert in Rummel3 I §  945 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV § 945 Rz 1; die hM nur referierend Koziol/Welser13 II und 193 und Bollenberger in KBB3 § 945 Rz 1. 8  So ausdrücklich Ehrenzweig, System II/12, 375 und ihm folgend Schubert in Rummel3 I § 945 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV § 945 Rz 1 beruft sich auf Konkludenz. 9  Zurückgehend auf Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht3 I Rz 4/41 und 17/16 und auch schon ders, JBl 1994, 221; ihm folgend Bollenberger in KBB3 § 945 Rz 1. 10  In Klang2 IV/1, 618. Ablehnend auch Binder in Schwimann3 IV § 945 Rz 4 im Zusammenhang mit der Mangelfolgehaftung. 11  Bollenberger in KBB3 § 945 Rz 2.

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Verzugsbereicherung dem Vertragspartner vorenthalten könnte. Es geht hier also nicht nur um Gewährleistung und Schadenersatz.12 Diese Grundsätze sind auf Schutzpflichtverletzungen anzuwenden, also 4 positive Forderungsverletzungen und culpa in contrahendo. Typischer Fall ist die Verletzung von Rechtsgütern des Beschenkten durch die geschenkte Sache. Das traditionelle Beispiel hiefür ist die an Maul- und Klauenseuche erkrankte Kuh, die einen ganzen Stall ansteckt, das heute näherliegende das verschenkte Auto, das nicht haftpflichtversichert ist, was der Beschenkte aber erst nach einem Unfall erkennt. Dem Grundgedanken des § 945 kann konsequenter als durch eine Beschränkung der Haftung auf grobes Verschulden13 durch Herabsetzung der Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Schenkers Rechnung getragen werden, die aber nicht unter das Maß der gegenüber jedermann geschuldeten Sorgfalt gehen darf, weil Uneigennützigkeit des Geschenkgebers keine geringere Sorgfalt bei der Schonung fremder Rechtsgüter rechtfertigt. Die konkrete Vertragsregelung kann anderes vorsehen,14 wobei sich aber nur in Ausnahmefällen die Frage nach den Grenzen vertraglicher Freizeichnung stellen wird. Der in § 945 umschriebene Tatbestand entspricht demjenigen des Rechts5 mangels. Da der Sachmangel an dieser Stelle nicht geregelt wird, muss es bei § 917 verbleiben, wonach Gewährleistung nur bei entgeltlichen Verträgen einzugreifen hat. Hat der Beschenkte also die Sache einmal angenommen, so hat er es hinzunehmen, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem Versprochenen zurückbleibt, wogegen ein Blick in das Maul des geschenkten Gaules keinen Aufschluss darüber gibt, ob er nicht doch einem anderen gehört. Zen­ trale Auslegungsfrage des § 945 ist daher, ob diese Norm die Gewährleistung für Rechtsmängel überhaupt ausschließen soll. Wird das bejaht, so muss sie als reine Schadenersatzbestimmung gelesen werden. Dies führt jedoch zu gravierenden Wertungswidersprüchen, sodass jene in weiterer Folge gewaltsam umgedeutet werden muss, was diese aber auch nur zum Teil beheben kann. Wird „Wissentlichkeit“ als eine Form des Vorsatzes verstanden, so ergibt sich daraus ein bedenkliches Haftungsprivileg des Schenkers, dessen Reichweite überdies unklar ist.15 Wenn hingegen mit der Einordnung der Norm nach dem offenbaren Regelungsgegenstand, dem Rechtsmangel, in das nächstliegende Rechtsgebiet, der Gewährleistung, ernst gemacht werden soll, stellt sich zunächst die Frage, ob Gewährleistungsbehelfe bei unentgeltlichen Rechtsgeschäften ihrer Natur nach hier überhaupt in Betracht kommen können. Eine Preisminderung wird es nicht geben können, die Wandlung ist unproblematisch, denkbar wäre aber immerhin ein Anspruch auf Umtausch bei einer Gattungsschuld, wenn nämlich gerade die übergebene Sache im Gegensatz zu anderen dieser Gattung im Ei12  Es bedarf also nicht des Kunstgriffs, bei Schenkung eines verzinslich angelegten Kapitals die Verzugszinsen als mitgeschenkte Zinsen umzudeuten, vgl Stanzl in Klang2 IV/1, 618 bei und in FN 7. 13  So ausdrücklich Binder in Schwimann3 IV § 945 Rz 1; wie im Text zuletzt Bollenberger in KBB3 § 945 Rz 1. 14  Worauf vor allem Schubert in Rummel3 I § 945 Rz 1 hinweist. 15  Vgl zuletzt Binder in Schwimann3 IV § 945 Rz 4 und 3 § 945 Rz 2.

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gentum eines Dritten steht. Dass Fälle der Gewährleistung bei unentgeltlichen Geschäften von vornherein eine seltene Ausnahme sein werden, kann allerdings nicht bezweifelt werden. Die Geltendmachung solcher Gewährleistungsbehelfe setzt gem § 945 einerseits das Wissen das Schenkers voraus, dass es sich um eine fremde Sache handelt und andererseits das Verschweigen dieses Umstandes. „Wissentlichkeit“ war zur Redaktionszeit des ABGB noch kein terminus technicus iSd § 5 Abs 3 StGB16, es genügt daher jede Art von Vorsatz zur Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals, aber auch bewusste Fahrlässigkeit des Schenkers reicht aus. Es muss dem Schenker nicht einmal ein Schuldvorwurf zu machen sein, wenn ihm nämlich zwar die Rechte des Dritten bekannt sind, er aber aus guten Gründen annehmen kann, dass dieser gegen das Verschenken der Sache nichts einzuwenden haben wird. Dieser Sachverhalt ist unter nahen Angehörigen, die im gemeinsamen Haushalt leben, gar nicht so selten, wenn auch aus naheliegenden Gründen in solchen Fällen nur von hoffnungslos zerstrittenen Familien gerichtliche Hilfe gesucht wird. „Wissentlich“ ist also iSd allgemeinen, nicht eines speziell juristischen Sprachgebrauchs einfach dahin zu verstehen, dass dem Schenker die Rechte Dritter bekannt waren. Die darauf beruhende strengere Behandlung des Schenkers im Gewährleistungsrecht beruht darauf, dass sein Verschweigen, es mag schuldhaft oder schuldlos sein, den Beschenkten mit einem unerwarteten Risiko, der Geltendmachung der Rechte eines Dritten, konfrontiert. Der Schenker hat damit bewusst eine Gefahr in den Rechtsverkehr hineingetragen, was durch ausnahmsweise Gewährung von Gewährleistungsansprüchen an den Beschenkten sanktioniert wird. § 945 betrifft somit nicht Fälle des Schadenersatzes bei schuldhaftem Ver- 6 schweigen. Culpa in contrahendo und Mangelfolgeschäden sind nicht anders zu beurteilen als sonst im Schenkungsrecht: Niedrigere Sorgfaltsanforderungen, die jedoch nicht unter das Maß der jedem anderen gegenüber einzuhaltenden gehen dürfen, in diesem Rahmen jedoch Haftung für jedes Verschulden, und all das vorbehaltlich einer abweichenden vertraglichen Regelung im Einzelfall. § 945 ist analog auch auf unentgeltliche Darlehen anzuwenden.17 7

Unwiderruflichkeit der Schenkungen. § 946. Schenkungsverträge dürfen in der Regel nicht widerrufen werden. Stammfassung JGS 1811/946. Lit: Scheffknecht, Der Widerruf im Schenkungsvertrag, NZ 1958, 129; Rummel, Schenkungen unter Ehegatten und Scheidung, JBl 1976, 626; Bauerreiß, „Geschäftsgrundlage“ oder Vertragsbestimmung?, NZ 1977; P. Bydlinski, Ausübung und Verjährung des Schenkungswiderrufsrechts, ÖJZ 1982, 515; Kerschner, Irrtumsanfechtung 16  Ebensowenig die „Wissentlichkeit“ in § 1315, dazu Ertl, Die Deliktsfähigkeit der juristischen Person, RZ 1972, 111. 17  P. Bydlinski, ecolex 2010, 522.

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insbesondere beim unentgeltlichen Geschäft (1984); Schauer, Familienstiftung und Unwürdigkeit des Begünstigten als Problem des Privatstiftungsrechts, GesRz  2000, 233; Stefula/Thunhart, Der Motivirrtum bei Rechtsgeschäft unter Lebenden. Zugleich ein Beitrag zur Auslegung des § 572 ABGB, NZ 2002/77.

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Verträge können nicht einseitig widerrufen werden, und davon geht auch § 946 aus. „Da aber Schenkungen, wobey der andere Teil gewöhnlich nur zu gewinnen, und nichts zu verlieren hat, ihrer Natur nach eine günstigere Auslegung und Vermuthung für den Geschenkgeber zulassen (§ 915); da ferner dieselben in Vergleichung mit den Tauschverträgen für den allgemeinen Verkehr bey weitem nicht so erheblich sind, und oft mit Pflichten, deren Erfüllung die öffentliche Verwaltung mit Recht für wichtiger hält, in Widerstreit gerathen: so ist es begreiflich, warum Schenkungen aus mehreren Gründen widerrufen werden können, die man in zweyseitig verbindlichen Verträgen nicht zuläßig findet.“1 Die gesetzlichen Ausnahmen von der Regel der Unwiderruflichkeit der Schenkung sind: Der Widerruf 1. wegen Dürftigkeit (§ 947); 2. Undankes (§§ 948 f); 3. Verkürzung des schuldigen Unterhalts (§ 950); 4. des Pflichtteiles (§§ 951 f); 5. der Gläubiger (§ 953); 6. wegen nachgeborener Kinder (§ 954). Je nach Art des Widerrufsgrundes steht das Widerrufsrecht entweder dem Schenker (oder seinen Erben) oder bestimmten Dritten zu. Bei den gesetzlich festgelegten Widerrufsgründen handelt es sich der 2 Sache nach um besonders typische Fälle des Motivirrtums über Zukünftiges bzw des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Daraus lässt sich zunächst ableiten, dass auch bei der Schenkung solche Irrtümer nicht schlechthin beachtlich sind.2 Andererseits sind die im Gesetz aufgezählten Fälle nicht analogieunfähig;3 und darüber hinaus kommt auch die Anfechtung wegen Motivirrtums in Betracht, die jedoch hinsichtlich der Kausalität voraussetzt, dass kein anderes wesentliches Motiv für die Zuwendung übrig bleibt.4 Ähnliches gilt prinzi­pi­ ell für den Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, doch lassen sich andere Fälle von gleichem Gewicht, die nicht ohnedies in anderer Weise besonders geregelt sind, nicht leicht finden.5 So kommt bei Ehepakten und Schenkungen unter Ehegatten, die in Erwartung des Fortbestandes der Ehe gemacht wurden, § 1266 (analog) in Betracht6 und daher gerade nicht das subsidiäre Mittel des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. 1  Zeiller, Comm III/1, 165 f; Grundsätzliches bei Swoboda, Der Widerruf von Schenkungen wegen Undanks, ZBl 1927, 897. 2  Koziol/Welser13 II 193; Bollenberger in KBB3 §  901 Rz  4; dazu Kerschner, Irrtumsanfechtung 154 ff. 3  Nach Bollenberger in KBB3 § 946 Rz 1 sind die Widerrufsgründe in den §§ 947 ff taxativ aufgezählt. Das mag die Absicht des historischen Gesetzgebers gewesen sein, hindert aber nicht, dass sich später Gesetzeslücken auftun oder als solche erkannt werden. 4  OGH 4 Ob 606/88, JBl 1989, 446; Rummel in Rummel3 I § 901 Rz 9 unter Hinweis auf andere Formulierungen in der Judikatur; auch Binder in Schwimann3 IV § 946 Rz 5. Zur umstrittenen Frage des Vertrauensschutzes bei der Irrtumsanfechtung unentgeltlicher Rechtsgeschäfte s § 901. 5  Vgl Binder in Schwimann3 IV § 946 Rz 5. 6  Rummel, JBl 1976, 626; OGH 1 Ob 10/75, SZ 48/9 = JBl 1976, 648 (zust Rummel, JBl 1976, 626) = EvBl 1975/246; 4 Ob 504/84, EvBl 1986/28; 1 Ob 530/94, NZ 1996, 626; ebenso 3 § 901 Rz 4. Binder in Schwimann3 IV § 946 Rz 5;

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Allgemeines

§ 946

Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit kann sich der Geschenkgeber 3 den jederzeitigen Widerruf7 vorbehalten und auch Resolutivbedingungen können vereinbart werden,8 ebenso Wieder- und Vorkaufsrechte9. Umgekehrt kommt ein Verzicht auf das gesetzliche Widerrufsrecht nur dort in Betracht, wo es dem Geschenkgeber eingeräumt ist. Soll damit ein Dritter geschützt werden, so muss dieser zustimmen, soweit dies nach der Sachlage überhaupt möglich ist. Binder10 lehnt darüber hinaus unter Berufung auf § 937 auch den Verzicht zu eigenen Lasten des Geschenkgebers ab, doch handelt es sich hier nur um den Verzicht auf eine ganz konkrete Einwendung und nicht eine Generalverzichtsvereinbarung oder ein abstraktes Schuldverhältnis. Der Widerruf ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, 4 die rechtsgestaltend wirkt.11 Dabei muss nicht formell das Wort „Widerruf“ oder die ausdrückliche Erklärung „Ich widerrufe“ gebraucht werden. Es genügt, dass der Widerrufswille deutlich, allenfalls durch schlüssiges Verhalten (§ 863) ausgedrückt wird. Eine eigenmächtige Zurücknahme der geschenkten Sache kann unter Umständen als außergerichtlicher Widerruf angesehen werden, was aber nichts daran ändert, dass sich der Geschenkgeber bzw sein Rechtsnachfolger damit einer Besitzstörungsklage aussetzen kann.12 Da das Widerrufsrecht auf dem Schenkungsvertrag beruht, kann nur gegenüber dem Beschenkten und dessen Erben, nicht aber gegenüber Dritten widerrufen werden, die dingliche Rechte an der geschenkten Sache erworben haben.13 Wurde die geschenkte Sache einem mehrseitigen Treuhänder übergeben, so kann nach Wegfall des Schenkungsvertrages infolge Widerrufs auch das darauf beruhende Treuhandverhältnis zwischen Schenker und Treuhänder widerrufen werden.14 Unklar und widersprüchlich ist die hM zur Frage, ob der Widerruf ge- 5 richtlich geltend gemacht werden muss oder ob außergerichtliche Geltendmachung genügt. Sie entscheidet sich für Letzteres, vertritt aber andererseits die Auffassung, dass mangels eines Anerkenntnisses des Gegners (§ 1497) zur Vermeidung der Verjährung seines Anspruchs geklagt werden müsse, und zwar vor Erfüllung der Schenkung auf Feststellung, danach auf Leistung.15 Der Schenkungswiderruf sei eine rechtsgestaltende Willenserklärung, nicht der Spruchinhalt eines rechtsgestaltenden Urteils.16 Wird aber der außergerichtli7  Anders

bei der Schenkung auf den Todesfall: § 956. Schubert in Rummel3 I § 946 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV § 946 Rz 6; Bollenberger in KBB3 § 946 Rz 1. 9  OGH 9 Ob 8/07b, ecolex 2008, 731. 10  In Schwimann3 IV § 946 Rz 6. 11  Stanzl in Klang2 IV/1, 619; Bollenberger in KKB3 § 946 Rz 3; OGH 5 Ob 29, 100/75, SZ 48/68. 12  Vgl Binder in Schwimann3 IV § 964 Rz 10; GlUNF 2.189. Näheres dazu s unter Rz 5. 13  Zeiller, Comm III/1, 170; Stanzl in Klang2 IV/1, 619; GlU 16036. 14  OGH 7 Ob 503/94, SZ 68/23; Bollenberger in KBB2 § 946 Rz 3. 15  Stanzl in Klang2 IV/1, 624 im Zusammenhang mit § 949 und unter Berufung auf OGH 3 Ob 623/50, SZ 24/36;1 Ob 503/78, SZ 51/25; 1 Ob 505, 506/79, SZ 52/36; 10 Ob 2152/96k, EF 81.413; M. Bydlinski in Rummel3 II/3 § 1487 Rz 5; vorsichtig deutend Schubert in Rummel3 I § 948 Rz 4: Man müsse annehmen, dass sich § 1487 nicht (nur) auf den Widerruf, sondern auch auf die Widerrufsklage beziehe. Dazu wie oben im Text. 16  So zuletzt ausdrücklich OGH 10 Ob 2152/96k, EF 81.413 und auch Schubert in Rummel3 I § 948 Rz 3. 8 

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§ 946

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che Widerruf als rechtswirksam anerkannt, so ist es Sache des Beschenkten, vor Erfüllung des Vertrags den Geschenkgeber auf Vertragszuhaltung zu klagen, und nicht die des Geschenkgebers auf Feststellung der Rechtswirksamkeit des Widerrufs; erst nach Erfüllung wird er selbst auf Rückgabe der Sache klagen.17 Die Verjährungsvorschrift des § 1487 bezieht sich also konsequenterweise auf die Rückforderungsklage des Geschenkgebers und nur in besonderen Ausnahmefällen auf dessen Feststellungsklage. Entgegen der hM schlägt Binder18 darüber hinaus mit beachtenswerten 6 Gründen vor, im Interesse der Rechtsklarheit nur den gerichtlichen (und nicht auch den außergerichtlichen) Schenkungswiderruf anzuerkennen. Ob ein Widerrufsgrund erfüllt worden sei, bedürfe sorgfältiger Erhebung und Beurteilung, die nur vom Gericht geleistet werden könne. In ähnlichen Fällen komplizierter rechtlicher Störungen (Irrtum, Gewährleistung) stehe man auch auf diesem Standpunkt. Aber auch dann, wenn nur ein gerichtlicher Schenkungswiderruf akzeptiert werden sollte, sei § 933 Abs 2 analog anzuwenden, was zur Folge hätte, dass der Geschenkgeber gegenüber der Klage des Beschenkten auf Erfüllung die Einwendung des Widerrufs behält, wenn er diesen fristgerecht außergerichtlich erhoben hat.19 Der heikelste Fall ist hier derjenige des groben Undanks (§§ 948, 949). 7 Am Konsequentesten wäre es wohl, zwei Fälle zu unterscheiden. Ist der Schenkungsvertrag abgeschlossen und die Sache auch schon übergeben, so hat der Geschenkgeber drei Jahre ab Kenntnis vom groben Undank Zeit, Rückforderungsklage zu erheben. Eine außergerichtliche Erklärung sollte nicht genügen, da andernfalls §  1487 keine Funktion hätte. Ist aber das Zuwendungsobjekt noch nicht übergeben, so ist es Sache des Beschenkten, innerhalb der für ihn selbst laufenden Verjährungsfrist den Geschenkgeber auf Zuhaltung des Vertrages zu klagen, und nicht (von Ausnahmsfällen abgesehen) diejenige des Geschenkgebers, die lästige Feststellungsklage auf sich zu nehmen, obwohl es im Grunde doch sein Vertragspartner ist, der etwas von ihm will und nicht umgekehrt. Der Geschenkgeber kann dem eine unbefristet wirkende (§ 922 Abs 3 analog) außergerichtliche Widerrufserklärung entgegensetzen, für die ihm drei Jahre ab Kenntnis vom groben Undank zur Verfügung stehen. Begründet werden kann dies mit einer Analogie zu § 1487, die schon aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich ist. Im Fall des Widerrufs wegen Dürftigkeit (§ 947) kann der Widerrufsgrund ohnedies (§§  1478 iVm 1487 e contrario) ohnedies dreißig Jahre lang vom Geschenkgeber geltend gemacht werden,20 sodass die Verjährung hier kaum jemals besondere Probleme bereiten wird, ebenso aus den selben Gründen beim Widerruf wegen Verkürzung des schuldigen Unterhalts (§  950).21 Zu den Besonderheiten der Verjährung des Anspruchs auf den Schenkungspflichtteil s § 951 Rz 15. 17  So die berechtigte Kritik P. Bydlinskis, ÖJZ 1982, 515 und im Anschluss daran Binder in Schwimann3 IV § 946 Rz 8. 18  In Schwimann3 IV § 946 Rz 8. 19  So offenbar auch M. Bydlinski in Rummel3 II/3 § 1487 Rz 5. 20  OGH 8 Ob 516, 517/92, JBl 1993, 314; Binder in Schwimann3 IV § 947 Rz 6. 21  Binder in Schwimann3 IV § 950 Rz 10.

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Allgemeines

§ 947

Die Widerrufsklage kann durch Streitanmerkung nach § 61 GBG nicht 8 abgesichert werden. Diese setzt voraus, dass der Kläger behauptet, durch die Einverleibung in einem dinglichen oder einem solchen kraft besonderer Bestimmung gleichzuhaltenden Recht verletzt worden zu sein. Die Klage auf Rückübertragung des Eigentums nach Widerruf der Schenkung stützt sich hingegen auf einen obligatorischen Anspruch.22 Anders wenn das Titelgeschäft schon vor Ansuchen um Einverleibung durch wirksame Ausübung eines (auch obligatorischen) Gestaltungsgeschäft aufgelöst wird. Ist also die Schenkung noch vor diesem Zeitpunkt widerrufen worden, die Einverleibung des Eigentums des Geschenknehmers aber dennoch erfolgt, so ist die Löschungsklage und deren Anmerkung zulässig, weil die Einverleibung von vornherein titellos war.23

Ausnahmen: 1. Wegen Dürftigkeit; §  947. Gerät der Geschenkgeber in der Folge in solche Dürftigkeit, dass es ihm an dem nötigen Unterhalt gebricht; so ist er befugt, jährlich von dem geschenkten Betrage die gesetzlichen Zinsen, insoweit die geschenkte Sache, oder derselben Wert noch vorhanden ist, und ihm der nötige Unterhalt mangelt, von dem Beschenkten zu fordern, wenn sich anders dieser nicht selbst in gleich dürftigen Umständen befindet. Aus mehreren Geschenknehmern ist der frühere nur insoweit verbunden, als die Beträge der späteren zum Unterhalte nicht zureichen. Stammfassung JGS 1811/946. Lit: Rummel, Betriebspension in der Krise – Widerruf wegen Dürftigkeit?, DRdA 1989, 366; Umlauft, Schenkungswiderruf wegen Dürftigkeit gemäß § 947 ABGB im Zusammenhang mit geleisteter Sozialhilfe, FS Weissmann (2003) 963.

Der Widerruf wegen Dürftigkeit des Schenkers ist wegen seiner engen 1 Voraussetzungen und der eingeschränkten Rechtsfolgen in der Rechtspraxis derzeit nur in einer bestimmten Fallgruppe relevant: Der Schenker begibt sich nach der Schenkung in die Betreuung eines Pflegeheims oder einer ähnlichen Institution. Diese Schenkung kann zwar ein rein zufälliges Zusammentreffen sein, oft soll sie aber das „Familiensilber“ vor dem Zugriff des Staates schützen und im schlimmsten Fall ein „Abhausen“ vermeiden, was zur Folge hat, dass die oft recht beträchtlichen Pflegekosten letztlich meist dem Steuerzahler zur Last fallen. Gesetzgebung und Verwaltung versuchen meist allzu krasse Härtefälle zu vermeiden, aber der Schenker will oft durch die Möglichkeit, 22  OGH 1 Ob 160/71, EvBl 1971/43; 7 Ob 253/02k, JBl 2003, 307 (abl Pfersmann, insofern 3 § 946 Rz 3. zust Rummel); Binder in Schwimann3 IV § 946 Rz 10; Bollenberger 23  Pfersmann/Rummel in JBl 2003, 307 zu OGH 5 Ob 203/02k, JBl 2003, 307; Binder in Schwimann3 IV § 946 Rz 10.

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§ 947

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zumindest moralischen Druck auf die beschenkten Familienangehörigen auszuüben, ein Minimum an Selbständigkeit bewahren. Diese wiederum wollen nicht vor der Verwaltung als Bittsteller auftreten, und der Sozialhilfeanspruch, wie auch das Ausmaß der gesetzlichen Regresspflicht, hängt von der jeweiligen politischen Konstellation und der Budgetlage ab, ist also stark variabel, was die Rechtssicherheit zumindest pro futuro wesentlich beeinträchtigt. Die „Bedürftigkeitsrente“ geht allfälligen Unterhaltsansprüchen wie auch Sozialhilfeansprüchen voraus. Die Alternative, nämlich die Anfechtungsklage des Erhalters des Heimes bzw der öffentlichen Hand, erweist sich gegenüber einer wohlvorbereiteten, geschickt „mauernden“ Familie, in deren Hände sich alle wesentlichen Beweismittel befinden, in der Rechtsrealität meist als undurchsetzbar. Nichts anderes gilt für ein bewusstes und damit sittenwidriges Zusammenwirken zwischen Geschenkgeber und Geschenknehmer. Das Rechtsinstitut des Widerrufs wegen Dürftigkeit kann jedenfalls nicht mehr als praktisch völlig bedeutungslos bezeichnet werden.1 Er ist für den Heimerhalter jedenfalls besser als gar nichts. Zunächst muss der Schenker „in der Folge“, dh nach Vertragsabschluss2, in 2 solche Dürftigkeit geraten, dass es ihm am nötigen, also gerade nicht nur am angemessenen Unterhalt fehlt.3 Maßgebend ist damit das Ausmaß der Bedürfnisse, die beim Geschenkgeber im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung einer menschenwürdigen Existenz unter einfachen Verhältnissen entstehen, nicht aber sind es seine gesellschaftlichen Verhältnisse.4 Ist der Geschenk­geber in einem Pflegeheim untergebracht, so sind die Heimkosten maßgeblich, andernfalls dient die Höhe des „Existenzminimums“ (§  291a EO), des Ausgleichszulagen-Richtsatzes (§ 293 ASVG) oder der Sozialhilfe-Richtsätze als Anhaltspunkt.5 Auf das eigene, wenn auch geringe Vermögen des Schenkers ist Bedacht zu nehmen. Er hat es sinnvoll und ertragbringend zu verwalten und sogar dessen Substanz anzugreifen und überdies jede sich ihm bietende zumutbare Erwerbsgelegenheit zu nutzen.6 Fehlt es an einer solchen, ist es bedeutungslos, ob die Dürftigkeit selbst verschuldet oder auch nur vorübergehend ist.7 1  Vgl dazu OGH 4 Ob 192/06y, RZ  2007, 119; VwGH 99/11/01545, ZfVG 2001/59; 2000/11/0175, ZfVB 2002/1843; 2001/11/0029, ARD 5314/1843; 99/11/0154, ARD 5314/29/2002. Ebenso aus rechtsberatend-notarieller Sicht Umlauft, FS Weißmann 963. Daneben wurde auch versucht, die Einstellung oder Reduktion freiwilliger Sozialleistungen in wirtschaftlich schwieriger Lage mit § 947 und nicht mit dem wesentlich näher liegenden Wegfall der Geschäftsgrundlage zu begründen, vgl dazu Rummel, DRdA 1989, 366 und Binder in Schwimann3 IV § 947 Rz 1. 2  Stanzl in Klang2 IV/1, 620; Umlauft, FS Weißmann 965. Andernfalls können Willensmängel geltend gemacht werden. 3  Stanzl in Klang2 IV/1, 620; Schubert in Rummel3 I § 947 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV §  947 Rz  2; Bollenberger in KBB2 §  947 Rz  1; VwGH 99/11/0154, ZfVB 2001/591 = ÖJZ 2001/23A. 4  Stanzl in Klang2 IV/1, 620: anständiger oder standesgemäßer Unterhalt; Umlauft, FS Weiß­ mann 965. 5  VwGH 99/11/0154, ZfVB 2001/591; Binder in Schwimann3 IV § 947 Rz 2. 6  Stanzl in Klang2 IV/1, 620; Binder in Schwimann3 IV § 947 Rz 2; Umlauft, FS Weißmann 964. 7  Binder in Schwimann3 IV § 947 Rz 2.

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Allgemeines

§ 947

Der bedürftige Schenker darf nicht die Erfüllung des Schenkungsverspre- 3 chens verweigern oder die Herausgabe des Geschenks verlangen, sondern nur jährlich vom geschenkten Betrag die gesetzlichen Zinsen von 4% (§ 1000), aber nicht mehr als den nötigen Unterhalt und auch das nur, so weit die geschenkte Sache oder ihr Wert noch vorhanden ist. Ob das Geschenk ertragbringend ist, ist bedeutungslos.8 Sobald das Geschenk aufgezehrt ist, entfällt die Zahlungsverpflichtung des Beschenkten.9 Wurde kein Geldbetrag geschenkt, so ist der aktuelle Wert der Sache maßgebend, wobei Investitionen durch den Geschenknehmer außer Betracht bleiben.10 Wird ein solches Geschenk verkauft, tritt der Veräußerungserlös an seine Stelle. Die Zinsen sind nur im Zweifel in Geld zu bezahlen.11 Bei gemischten Schenkungen ist (entsprechender Umfang der Schenkungsabsicht vorausgesetzt) der Wert des Gegenleistung vom Wert der geschenkten Sache abzuziehen.12 Maßgeblich ist in allen diesen Fällen nicht der Wert im Zeit des Vertragsabschlusses, sondern in dem des Eintritts der Bedürftigkeit13, es sei denn, dem Beschenkten wäre diese nicht erkennbar gewesen.14 Der Anspruch entfällt gegen einen Bedürftigen, der sich in gleich dürfti- 4 gen Umständen befindet;15 wenn es also beiden Vertragspartnern am nötigen Unterhalt fehlt, es aber dem Schenker noch schlechter geht, ist der Beschenkte zahlungspflichtig. Bei mehreren Beschenkten lässt das Gesetz zunächst die späteren haften, die früher Beschenkten sind nur insoweit heranzuziehen, als die Beiträge der späteren für den nötigen Unterhalt des Schenkers nicht ausreichen. Stanzl16 begründet dies mit der Vermutung, dass der Geschenkgeber erst durch die späteren Geschenke bedürftig geworden sei. Der Widerruf wegen Dürftigkeit hat Unterhaltsfunktion. Weil der Ver- 5 zicht auf den nötigen Unterhalt sittenwidrig ist,17 kommt auch kein Vorausverzicht auf das Gesamtrecht des Widerrufs wegen Dürftigkeit in Betracht, sondern nur derjenige auf einzelne Leistungen.18 Dazu kommen die nicht unpro­ blematischen Folgewirkungen gegegenüber Dritten. Ein Vorausverzicht zu Lasten des Sozialhilfeträgers (für den Fall der Heimunterbringung) läuft jedenfalls auf einen Vertrag zu Lasten Dritter hinaus oder ist zumindest sittenwidrig.19 Wird bei einer gemischten Schenkung „als teilweise Gegenleistung“ ein Stanzl in Klang2 IV/1, 620. Stanzl in Klang2 IV/1, 620. 10  OGH 4 Ob 192/06y, RZ  2007, 119; VwGH 2002/11/0175, ZvfB 2002/1843; Binder in Schwimann3 IV § 947 Rz 4. 11  Binder in Schwimann3 IV § 947 Rz 4, Umlauft, FS Weißmann 968. 12  OGH 4 Ob 192/06y, RZ 2007, 119; VwGH 2002/11/0175; Umlauft, FS Weißmann 963, 969 ff. 13  Binder in Schwimann3 IV §  947 Rz  4; OGH 4 Ob 192/06y, RZ  2007, 119; VwGH 92/08/0190. 14  Vgl Umlauft, FS Weißmann 966; OGH 4 Ob 192/06y, RZ 2007, 119; ähnlich Stanzl in Klang2 IV/1, 620; anders Binder in Schwimann3 IV § 947 Rz 4. 15  Stanzl in Klang2 IV/1, 620; Binder in Schwimann3 IV § 947 Rz 4. 16  In Klang2 IV/1, 620. 17  Koziol/Welser13 I 536. 18  VwGH 2000/11/0175. 19  Binder in Schwimann3 IV § 946 Rz 5; 8  9 

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§ 948

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Fruchtgenuss- oder Gebrauchsrecht eingeräumt, so soll nach Umlauft20 eine vertragliche Vereinbarung zulässig sein, wonach durch diese Gegenleistung das allfällige Schenkungswiderrufsrecht gem §  947 in Höhe des jährlichen Wertes dieser Gegenleistung abgegolten ist. Dagegen spricht jedoch, dass es sich in solchen Fällen in aller Regel nicht um Gegenleistungen handeln wird, sondern um eine Belastung der Schenkung, die dazu führt, dass nur die Differenz zwischen Geschenk und Wert des Fruchtgenuss- oder Gebrauchsrechtes unentgeltlich zugewendet wird. Damit ist auch hier ein Vorausverzicht unzulässig, als Bemessungsgrundlage für den Zinsenbetrag dient dann aber nicht der volle Wert der geschenkten Sache sondern nur diese Differenz. Den Erben des Schenkers stehen das Widerrufsrecht und die Rente nicht 6 zu, wohl aber dem Schenker gegenüber den Erben des Beschenkten.21 Zum Fall des nachgeborenen Kindes und des nachträglich adoptieren Wahlkindes s Erl zu § 954.

2. Undankes; § 948. Wenn der Beschenkte sich gegen seinen Wohltäter eines groben Undankes schuldig macht, kann die Schenkung widerrufen werden. Unter grobem Undanke wird eine Verletzung am Leibe, an Ehre, an Freiheit, oder an Vermögen verstanden, welche von der Art ist, dass gegen den Verletzer von Amts wegen, oder auf Verlangen des Verletzten nach dem Strafgesetze verfahren werden kann. Stammfassung JGS 1811/946. Lit: Scheffknecht, Der Widerruf im Schenkungsvertrag, NZ 1958, 129; P. Bydlinski, Ausübung und Verjährung des Schenkungswiderrufsrechts, ÖJZ 1982, 513.

Übersicht I. Voraussetzungen II. Strafbare Handlungen 1. Allgemeines 2. Kreis der strafbaren Handlungen III. Grober Undank

1–4 5–10 5–8 9–10 11–12

I. Voraussetzungen 1

Mit dem Wort Dank bezeichnet die Sprache das Gefühl der Verpflichtung für eine erwiesene Wohltat und die daraus entspringende Geneigtheit gegenüber dem Wohltäter. Undankbar ist, wer nicht die Geneigtheit und Fähigkeit 20  21 

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In FS Weissmann 969 ff. Stanzl in Klang2 IV/1, 620; Binder in Schwimann3 IV § 947 Rz 6.

Voraussetzungen

§ 948

besitzt, empfangene Wohltaten mit tätiger Liebe zu erwidern.1 Dank ist also die Anerkennung empfangenen Wohlwollens, verbunden mit der Bereitschaft, dieses zu erwidern. Grober Undank gegen den Schenker, also ein schwerer Fall von Undank, bildet einen Grund zum Widerruf der Schenkung (§ 948 S 1). Als notwendige Voraussetzung bestimmt das Gesetz (§ 948 S 2) „eine Verletzung des Schenkers am Leib, an Ehre, an Freiheit, oder am Vermögen, welche von der Art sind, dass gegen den Beschenkten von Amts wegen, oder auf Verlangen des Verletzten nach dem Strafgesetze verfahren werden kann“. Damit eine Schenkung wegen groben Undanks widerrufen werden kann, ist daher zweierlei notwendig, nämlich dass sich der Beschenkte einer gegen den Schenker gerichteten Straftat der in § 948 S 2 bezeichneten Art schuldig gemacht hat, und zweitens dass sich in dieser strafbaren Handlung grober Undank äußert. Der Gesetzgeber legt damit die Latte hoch, doch vermeidet er durch die Anknüpfung an strafrechtliche Tatbestände eine sonst unvermeidliche Rechtsunsicherheit, die umso unangenehmer wäre, als sie einen Anreiz für den Geschenkgeber und erst recht für seinen Erben (§ 949) schaffen würde, das Verhalten des Beschenkten lediglich zum Anlass eines aus ganz anderen Gründen angestrebten Widerrufes2 zu nehmen. Dies ist umso problematischer, als Geschenke, deren Widerruf sich lohnen, existenzielle Bedeutung für den Beschenkten haben können. Aus diesem Grund ist bei einer analogen Ausweitung des § 948 auf Fälle von Undank, die nicht mit einer strafbaren Handlung einhergehen, große Zurückhaltung geboten.3 Das trifft etwa auf den Fall zu, dass sich der Beschenkte um den kranken und hilfsbedürftigen Schenker nicht im wünschenswerten Maße kümmert.4 Der vergleichbare Tatbestand des §  540 normiert Erbunwürdigkeit nur bei gröblicher Verletzung familienrechtlicher Pflichten nur zwischen Eltern und Kinder. Dder Enterbungsgrund des § 768 Z 2 setzt geradezu voraus, dass das Kind „den Erblasser im Notstande hilflos gelassen hat“. Die Begehung der Straftat als solche begründet noch keinen groben Un- 2 dank iSd des § 948, wenn diese auch häufig eine entsprechende Gesinnung des Beschenkten nahelegen wird. Vor allem bei Fahrlässigkeitsdelikten kann aber eine solche verwerfliche Außerachtlassung der Dankbarkeit nicht unterstellt werden.5 Nach der Rsp und einem Teil der Lehre kann auch wegen einer Verfehlung 3 vor der Schenkung widerrufen werden, wenn sie dem Schenker zur Zeit der Schenkung nicht bekannt war.6 Richtigerweise ist aber Irrtumsrecht anzuwenden,7 1  Stanzl in Klang2 IV/1, 620 unter Berufung auf Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch. 2  Vgl dazu nur Ehrenzweig, System II/12, 372 unter Hinweis auf Martial, Epigr 12, 13: genus lucri divites habent iram. 3  Vgl Bollenberger in KBB3 § 948 Rz 1; OGH 1 Ob 108/03, SZ 2004/97. 4  So das Beispiel Stanzls in Klang2 IV/1, 621. 5  Stanzl in Klang2 IV/1, 621; Schubert in Rummel3 I §  948 Rz  1; Bollenberger in KBB3 § 948 Rz 1; OGH 5 Ob 539/95, EF 78.460. 6  OGH 1 Ob 81/55, SZ 28/60; Stanzl in Klang2 IV/1, 621 sowie Binder in Schwimann3 IV §§ 948, 949 Rz 9. 7  Bollenberger in KBB3 § 948 Rz 1.

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§ 948

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da Dank für ein Geschenk nur erwartet werden kann, wenn der Beschenkte von der Schenkung weiß. Auch juristische Personen können eine Schenkung widerrufen, weil auch 4 ihnen gegenüber undankbare Handlungen iSd § 948 möglich sind, zwar nicht Verletzungen am Leibe und an der Freiheit, wohl aber an der Ehre (zB am geschäftlichen Ruf) und vor allem am Vermögen, so zB die günstige Überlassung eines Grundstücks an den Vorstandsdirektor einer Bank, der sich in weiterer Folge der Untreue zu deren Schaden schuldig macht. Umgekehrt kann sich auch eine juristische Person durch die Handlungen ihrer Organe eines Undanks schuldig machen.8 Dies wird in der Praxis vor allem dann geschehen, wenn in der juristischen Person eine andere Personengruppe ans Ruder kommt, die dem seinerzeitigen Wohltäter nicht wohl gesonnen ist.

II. Strafbare Handlungen 1. Allgemeines 5

§ 948 zweiter Satz umschreibt den Kreis der strafbaren Handlungen dahin, dass es sich um eine Verletzung am Leibe, an Freiheit oder am Vermögen handeln müsse. Verletzter muss, wie schon der Begriff des Undanks und der ausdrückliche Hinweis „gegen seinen Wohltäter“ im ersten Satz des § 948 ergeben, der Schenker sein. Zwar rechtfertigt eine gegen den Nachlass oder die Erben des Schenkers gerichtete strafbare Handlung nicht einen Widerruf, doch muss die Verwirklichung nicht noch zu dessen Lebzeiten erfolgt sein (arg § 117 Abs 5 StGB).9 Richtet sich die Straftat nicht gegen den Schenker unmittelbar, sondern gegen einen nahen Angehörigen, so kommt ein Widerruf in Betracht, weil und soweit ein Angriff gegen die Gefühlssphäre des Schenkers vorliegt.10 Aus wessen Mitteln das Geschenk angeschafft wurde, ist bedeutungslos, maßgeblich ist die Person des Vertragspartners.11 Wurde das Geschenk einem Treuhänder übergeben, so kann das Geschenk zurückgefordert werden, wenn der Beschenkte einen Widerrufsgrund setzt. Übernimmt aber jemand als Treuhänder im Interesse von Schenker und Beschenktem die Sache, so wirkt ein Widerruf der Schenkung wegen Undanks des Beschenkten auch gegen den Treuhänder.12 Das Verhalten des Verletzers muss zunächst rechtswidrig sein, weil nur in 6 diesem Fall eine strafbare Handlung vorliegen kann. Die Rechtswidrigkeit kann etwa bei Notwehr (§ 3 StGB) fehlen. Stanzl in Klang2 IV/1, 621. Zutr Binder in Schwimann3 IV §§ 948, 949 Rz 4 gegen OGH 1 Ob 351/49, JBl 1950, 113 und im Anschluss daran Schubert in Rummel3 I § 948 Rz 1. 10  OGH 10 Ob 2152/96k, EF 81.414; 8 Ob 230/02k, EF 104.675; Schubert in Rummel3 I § 948 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV §§ 948, 949 Rz 5; Bollenberger in KBB3 § 948 Rz 1; Koziol/ Welser13 I 194 und auch schon Ehrenzweig, System II/12, 372; aM Stanzl in Klang2 IV/1, 622 und Kerschner, Irrtumsanfechtung insbesondere beim unentgeltlichen Geschäft (1984) 154 ff. 11  SZ 10/98; Binder in Schwimann3 IV §§ 948, 949 Rz 6. 12  OGH 7 Ob 503/95, SZ 68/23 = JBl 1995, 176 = RdW 1995, 340; Schubert in Rummel3 I 3 IV §§ 948, 949 Rz 4. § 948 Rz 1; 8  9 

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Strafbare Handlungen

§ 948

Weiters muss das Verhalten des Verletzers schuldhaft sein, was voraussetzt, dass er zurechnungsfähig ist. Als Schuldform kommt Vorsatz, aber auch Fahrlässigkeit in Betracht. Letztere auszuschließen fehlt jeder Anhaltspunkt im Gesetz. Für den Parallelfall der Erbunwürdigkeit wird allerdings eine gerichtlich strafbare Handlung vorausgesetzt, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist. Die Erbunwürdigkeit stellt aber eine noch schwerere und weitergehende Rechtsfolge dar als der Schenkungswiderruf und ist daher zu Recht an schwerere Voraussetzungen geknüpft.13 Zur Einebnung der verschiedenen Voraussetzungen von § 540 und § 948 durch berichtigende Interpretation besteht daher kein Anlass. Wenn auch Fahrlässigkeitsdelikte Anlass für einen Schenkungswiderruf bilden können, so wird bei ihnen doch genau geprüft werden müssen, ob sie tatsächlich einen tadelswerten Mangel an dankbarer Gesinnung zum Ausdruck bringen. Entschuldbarer Irrtum oder Notstand – ganz allgemein: Schuldausschließungsgründe – lassen eine strafbare Handlung und damit einen Widerrufsgrund nicht entstehen. Ein strafbarer Versuch berechtigt als strafbare Handlung zum Widerruf, 7 nicht aber ein absolut untauglicher Versuch.14 Die Verjährung vernichtet als Strafaufhebungsgrund bloß nachträglich den bereits entstandenen Strafanspruch, lässt aber die zivilrechtlichen Folgen der strafbaren Handlung unberührt, daher auch das Recht zum Widerruf einer Schenkung.15 Unabhängig davon ist dessen Verjährung gem § 1487 zu behandeln. Freiwillige Schadensgutmachung hebt nicht nur die Strafbarkeit sondern auch das Widerrufsrecht auf, sofern sie erfolgt, bevor der Schenker vom Verschulden des Beschenkten Kenntnis erlangt hat.16 Dass es nicht darauf ankommt, ob gegen den Verletzer von Amts wegen 8 oder auf Verlangen des Verletzten nach dem Strafgesetz verfahren werden kann, sagt das Gesetz ausdrücklich. Ein Strafverfahren braucht gegen den Beschenkten auch nicht eingeleitet worden sein, noch weniger muss er strafgerichtlich verurteilt worden sein. Der Verletzte muss also den Geschenknehmer nicht anzeigen oder Privatanklage gegen ihn erheben, wenn er sein Widerrufsrecht wahren will. Der Zivilrichter muss sein Verfahren auch nicht nach § 191 ZPO bis zur Erledigung des Strafprozesses unterbrechen. Er hat dann die Frage, ob sich der Beschenkte einer strafbaren Handlung schuldig gemacht hat, als Vorfrage zu entscheiden.17 Nach §  268 ZPO war der Zivilrichter an ein verurteilendes Erkenntnis des Strafgerichtes gebunden, soweit es sich um Beweis und Zurechnung der strafbaren Handlung handelte. Diese Gesetzesstelle 13  So auch Stanzl in Klang2 IV/1, 622 zur alten Rechtslage, wo § 540 ein Verbrechen iSd StG und damit Vorsatz forderte. 14  OGH 5 Ob 508/86, NZ 1988, 13; Schubert in Rummel3 I §  948 Rz  1; Bollenberger in KBB3 § 948 Rz 2. 15  Stanzl in Klang2 IV/1, 622; Schubert in Rummel3 I § 948 Rz 2; EF 4611. 16  Binder in Schwimann3 IV §§ 948, 949 Rz 17. 17  Stanzl in Klang2 IV/1, 622; Schubert in Rummel3 I § 948 Rz 2; Binder in Schwimann3 IV §§ 948, 949 Rz 8; Bollenberger in KKB3 § 948 Rz 2; OGH 3 Ob 590/53, EvBl 1953/510; 1 Ob 81/55, SZ 28/60; 5 Ob 85/72, JBl 1973, 204.

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§ 948

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wurde zwar vom VfGH aufgehoben,18 doch wurde die Wirkung dieses Erkenntnisses durch die E eines verstärkten Senates des OGH relativiert, wonach sich der Verurteilte im nachfolgenden Zivilprozess niemandem gegenüber darauf berufen kann, die Tat nicht begangen zu haben.19 Die Frage, ob sich durch die strafbare Handlung grober Undank iSd § 948 äußert, ist auf jeden Fall vom Zivilrichter zu beurteilen.20 2. Kreis der strafbaren Handlungen Das Gesetz nennt als Delikte, die zum Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks führen können, solche gegen die körperliche Integrität, die Ehre und das Vermögen des Geschenkgebers. Mit Ausnahme der Delikte gegen die Verletzung am Leib und an der Freiheit können sie auch gegen juristische Personen gerichtet sein. Als Schuldform kommt nicht nur Vorsatz sondern auch Fahrlässigkeit in Betracht. Da die Strafbarkeit des Ehebruchs durch das StRÄG 1996 aufgehoben wurde,21 bildet dieser keinen Fall des groben Undanks mehr.22 Die Einordnung der strafrechtlichen Delikte nach dem geschützten Rechts10 gut kann im Laufe der Jahrzehnte Änderungen unterliegen, doch ist der Rechtsgüterkatalog des § 948 offen, und dementsprechend ist die Einteilung der Delikte im StG eine andere als im StGB. Entscheidend ist aber nur, dass die Straftat im Kernbereich an Schwere nicht hinter den in § 948 Genannten zurücksteht.23 Verletzungen der Privatsphäre und bestimmter Berufsgeheimnisse (§§ 118–124 StGB), deren praktische Bedeutung mit der Verbreitung der IT wesentlich zugenommen hat, zu Lasten des Geschenkgebers sind daher prinzipiell geeignet, einen Widerrufsgrund zu bilden. Entsprechendes gilt für die strafbaren Handlungen gegen Ehe und Familie (§§ 192–200 StGB), wo vor allem Kindesentziehung (§ 195 StGB) als Widerrufsgrund in Betracht kommt.24 Bei strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung (§§ 201–221 StGB) wird in den gravierenderen Fällen in aller Regel ohnedies gleichzeitig eine Verletzung an Leib oder Freiheit vorliegen, so bei Vergewaltigung (§ 201 StGB) und Geschlechtlicher Nötigung (§ 202 StGB).25 So lange 9

734.

18 

Erk 12.10.1990 BGBl 1990/706 = VfSlg 12.504/1990 = JBl 1991, 104 = AnwBl 1990,

19  OGH 1 Ob 612/95, SZ 68/195 = EvBl 1996/34 = JBl 1996, 117 = AnwBl 1995, 900 (Strigl) = ecolex 1995, 790 (Oberhammer) = JAP 1995/96, 124 (Oberhammer) = RdW 1996, 15 (K Berger) = wobl 1995/114 (Hanel) = ZVR 1996/2. Diese Rsp ist allerdings im Schrifttum nicht unwidersprochen geblieben, siehe nur Rechberger in Rechberger3 ZPO § 281a Rz 8 und § 411 Rz 12. 20  Stanzl in Klang2 IV/1, 623; AnwZ 1928, 454; ZBl 1924/175; GlUNF 4892. 21  Noch nicht berücksichtigt bei Schubert in Rummel3 I § 948 Rz 2. 22  Binder in Schwimann3 IV §§ 948, 949 Rz 3; Bollenberger in KBB3 § 948 Rz 2. 23  Zutr Binder in Schwimann3 IV §§ 948, 949 Rz 2. 24  Binder in Schwimann3 IV §§ 948, 949 Rz 2. 25  Im Gegensatz zu Binder in Schwimann3 IV §§ 948, 949 Rz 2 ist es keineswegs künstlich, die Notzucht der Beeinträchtigung von Leib/Leben zu subsumieren. Eine solche ist hier vielmehr begriffsnotwendig, der Gesetzgeber hat die beiden Tatbilder nur deshalb nicht unter die strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben (§§ 75–95 StGB) unterstellt, weil sie noch andere, zusätzliche

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Grober Undank

§ 948

sich das Delikt (auch) gegen Leib, Leben, Freiheit und Vermögen des Geschenkgebers richtet, ist seine Einordnung im StGB oder einem seiner Nebengesetze bedeutungslos.

III. Grober Undank Zum Begriff des groben Undanks siehe oben unter Rz 1 f, wo auch hervor- 11 gehoben wurde, dass in jedem Einzelfall geprüft werden muss, ob die festgestellte strafbare Handlung grober Undank in der allgemein gebräuchlichen Bedeutung dieses Wortes gegenüber dem Schenker darstellt. Es muss also eine verwerfliche Außerachtlassung der Dankbarkeit gegeben sein. Voraussetzung des Widerrufes sind somit eine gewisse Schwere der Verfehlung und eine subjektiv tadelnswerte Gesinnung auf Seiten des Beschenkten.26 Schubert27 und Bollenberger28 vertreten im Einklang mit der zitierten Rsp die Auffassung, dass dem Beschenkten bewusst sein müsse, durch sein Verhalten den Schenker zu kränken. Das hätte allerdings die Konsequenz, dass sich der Undankbare gerade auf seine undankbare Gesinnung berufen könnte, die ihn gar nicht erst auf den naheliegenden Gedanken bringt, dass er Dank schuldig wäre.29 Gerade nach der allgemein gebräuchlichen Bedeutung des Wortes Undank genügt unbewusste Fahrlässigkeit30, vor allem, wenn sie aufreizende Gleichgültigkeit gegenüber den Rechtsgütern des Geschenkgebers nahelegt; auf die genaue Abgrenzung zum dolus eventualis kommt es daher nicht an. Der Widerruf setzt allerdings voraus, dass dem Beschenkten zumindest erkennbar ist, dass er ein Geschenk erhalten hat, andernfalls kann sich der Schenker uU auf Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. Die strafbare Handlung muss schwer genug wiegen, um nach den herrschenden Anschauungen in den Kreisen, denen beide Teile angehören, die Entziehung des Geschenks zu rechtfertigen.31 Gehören die Vertragspartner verschiedenen sozialen Gruppen oder verschiedenen Kulturkreisen mit verschiedenen Anschauungen an, so kann dies vor allem in Grenzfällen zur Folge haben, dass ein sonst gerechtfertigter Widerruf deshalb ausgeschlossen ist. Eine Provokation des Beschenkten wird häufig groben Undank aus- 12 schließen, gar erst eine bloße Reflexhandlung.32 Überhaupt muss sich die subjektiv tadelnswerte Gesinnung des Geschenknehmers nicht aus dem konkreten Vorfall, der zum Widerruf geführt hat, allein ergeben, sondern kann auch im vorausgegangenen Verhalten des Beschenkten liegen, das dem konkreten Vorfall erst sein Gepräge gibt. Auch auf die Beschaffenheit, die Bedeutung und Merkmale aufweist, die es rechtfertigen, sie in die strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung (§§ 201–221 StGB) einzuordnen. 26  OGH 3 Ob 590/53, EvBl 1953/510; Stanzl in Klang2 IV/1, 623. 27  In Rummel3 § 948 Rz 1 unter Berufung auf die E OGH 6 Ob 152/73, EvBl 1974/39 und 5 Ob 29, 100/75, SZ 48/68 = EvBl 1976/33 = JBl 1976, 262. 28  In KBB3 § 948 Rz 1; OGH 10 Ob 2152/96k, EF 81.412. 29  Stanzl in Klang2 IV/1, 623; ähnlich Binder in Schwimann3 IV §§ 948, 949 Rz 3. 30  Die Absicht, den Geschenkgeber zu kränken, ist schon gar nicht Voraussetzung des Widerrufs. 31  Stanzl in Klang2 IV/1, 623; Schubert in Rummel3 I § 948 Rz 1. 32  SZ 48/68; Bollenberger in KBB3 § 948 Rz 1.

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§ 949

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das Motiv der Schenkung kann es ankommen. „Die Gerechtigkeit erfordert die Abwägung des ganzen gegenseitigen Verhaltens und aller Begleitumstände der vorgekommenen Verfehlungen, um zu einem Ergebnis zu gelangen, das den Bedürfnissen des Rechtslebens entspricht und das Rechtsbewusstsein befriedigt,“33 Insb bei einem Widerruf wegen Beleidigungen kommt alles auf die Umstände des konkreten Falls an.34

§  949. Der Undank macht den Undankbaren für seine Person zum unredlichen Besitzer, und gibt selbst dem Erben des Verletzten, insofern der letztere den Undank nicht verziehen hat, und noch etwas von dem Geschenke in Natur oder Werte vorhanden ist, ein Recht zur Widerrufungsklage auch gegen den Erben des Verletzten. Stammfassung JGS 1811/946. Lit: P. Bydlinski, Ausübung und Verjährung des Schenkungswiderrufsrechts, ÖJZ 1982, 515.

1

Über den Widerruf im allgemeinen s Erl zu § 946. Nimmt der Schenker die Sache eigenmächtig wieder an sich, so kann er gegenüber der Eigentumsklage des Beschenkten einwenden, dass dieser infolge des Widerrufs zur Rückgabe verpflichtet ist;1 wohl aber wäre die Besitzentziehungsklage des Beschenkten begründet. Der Schenker, der den Widerruf gerichtlich durchsetzen will, muss auf Leistung, dh primär auf Rückgabe des noch vorhandenen Schenkungsobjektes in natura klagen, allenfalls auf Geldleistung.2 Soweit die Leistungsklage möglich ist, steht dem Schenker ein Feststellungsanspruch nicht zu. Eine Rechtsgestaltungsklage ist nach hM ebensowenig gegeben, weil schon der Widerruf die Rechtslage dahin gestaltet, dass der Beschenkte zurückzugeben hat.3 Anders ist es allerdings, wenn nur ein gerichtlicher Schenkungswiderruf anerkannt wird.4 Die Wendung „Recht zur Widerrufungsklage“ am Schluss des Paragraphen bezeichnet nur das Widerrufsrecht und soll nach hM nicht zum Ausdruck bringen, dass die Rechtslage erst durch das Gericht gestaltet werden müsste.5 Im Grundbuch ist die Klage nicht anzumerken, weil mit ihr nicht geltend gemacht wird, dass die Schenkung und die Einverleibung des Beschenkten ungültig seien (§ 61 GBG); vielmehr wird die Rückgabe der 33  Stanzl in Klang2 IV/1, 623 im Anschluss an AnwZ 1928, 454; zum Ganzen auch Schubert in Rummel3 I 948 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV §§ 948, 949 Rz 4; SZ 18/39; OGH 6 Ob 152/73, EvBl 1974/39; 5 Ob 29, 100/75, SZ 48/68. 34  Stanzl in Klang2 IV/1, 623; Bollenberger in KBB2 § 948 Rz 1; OGH 6 Ob 152/73, EvBl 1974/39. 1  Stanzl in Klang2 IV/1, 623; GlUNF 2189. 2  Stanzl in Klang2 IV/1, 623; Schubert in Rummel3 I § 949 Rz 1 f; Binder in Schwimann3 IV §§ 948, 949 Rz 21 ff. 3  Stanzl in Klang2 IV/1, 623; OGH 1 Ob 366/53. 4  Näheres dazu bei § 946 Rz 6 f. 5  Stanzl in Klang2 IV/1, 623 f; zur Gegenmeinung siehe abermals vorige FN.

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Allgemeines

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Liegenschaft infolge eines später eingetretenen Rechtsgrundes, nämlich des Widerrufs, verlangt.6 Das Widerrufsrecht erlischt, wenn der Schuldner den Undank ausdrücklich 2 oder durch schlüssiges Verhalten (§ 863) verzeiht. Ein nachträglicher Verzicht auf den Widerruf ist ohneweiters zulässig. Im Gegensatz zur Verzeihung behält sich damit der Schenker jedoch die Geltendmachung des Fehlverhaltens des Beschenkten in anderen Zusammenhängen vor.7 Ein Vorausverzicht widerspricht nach allgemeiner Auffassung den guten Sitten.8 Binder will allerdings für belohnende Schenkungen eine Ausnahme machen, weil der Zuwendungsempfänger eine Vorausleistung erbracht habe, der Gesichtspunkt der sittlichen Anstößigkeit der Verzichtsabrede daher in den Hintergrund trete, zumal dem verletzten Geschenkgeber noch andere Sanktionen zur Verfügung stehen. Dem ist beizupflichten, soweit es um Fälle des groben Undanks geht, die auf Fahrlässigkeitsdelikten beruhen. Eine Freizeichnung von den Folgen eigenen vorsätzlichen Verhaltens kann aber auch im Falle belohnender Schenkungen nicht gebilligt werden. Der Anspruch des Schenkers stützt sich auf § 1435 und bedeutet Rückgabe 3 insofern „noch etwas von dem Geschenke in Natur oder Werte vorhanden ist“. Danach muss das in Natur Vorhandene, nicht aber was verbraucht oder vernichtet wurde, zurückgegeben werden. Der Beschenkte hat die vorhandene Bereicherung herauszugeben. Eine solche liegt vor, wenn er auf Grund des Geschenks noch im Besitz eines Vermögensvorteils ist.9 Wurde die geschenkte Sache veräußert, so muss das erlöste Geld nur soweit zurückgegeben werden, als es der Beschenkte zu Zwecken ausgegeben hat, zu denen er auch eigenes Geld verwendet hätte oder verwenden hätte müssen. Durch das Geschenk sollte ja der Beschenkte bereichert und dadurch in die Lage versetzt werden, über seine eigenen Verhältnisse zu leben; hat er dies getan, so ist er in diesem Umfang nicht rückgabepflichtig.10 Der Beweis, dass er im entscheidenden Zeitpunkt nicht mehr bereichert ist, trifft den Empfänger.11 Ist die Rückstellung des Geschenkes in natura nicht möglich oder tunlich, 4 ist somit Wertersatz zu leisten. Dies trifft zB dann zu, wenn der Gegenstand der Schenkung so wesentlich und tiefgreifend umgestaltet wurde, dass die Rückübereignung „mehr und etwas anderes bedeuten“ würde als die Wiederherstellung des früheren Zustandes.12 Die Rsp hat daher die Rückstellung eines ideellen Grundstücksanteils, auf dem nach der Schenkung ein Wohnhaus er6  Stanzl in Klang2 IV/1, 624; Schubert in Rummel3 I §  949 Rz  4; OGH 3 Ob 128/53, SZ 26/135 = EvBl 1953/377 = JBl 1954, 44; RZ 1938, 87; GlU 5003. 7  ZB als Ehescheidungsgrund, so auch Binder in Schwimann3 IV §§ 948, 949 Rz 20. 8  Ehrenzweig, System II/12, 373; Stanzl in Klang2 IV/1, 624; Binder in Schwimann3 IV §§ 948, 949 Rz 20 (Ausklammerung der belohnenden Schenkungen wie im Text); Bollenberger in KBB3 § 948 Rz 2; OGH 3 Ob 222/48, SZ 20/158. 9  Stanzl in Klang2 IV/1, 624: Bollenberger in KBB3 § 949 Rz 3; OGH 2 Ob 762/53, JBl 1954, 489 = JBl 1973, 204. 10  Stanzl in Klang2 IV/1, 624. 11  Stanzl in Klang2 IV/1, 624; Schubert in Rummel3 I §  949 Rz  5; OGH 2 Ob 762/53, JBl 1954, 489. 12  Schubert in Rummel3 I § 949 Rz 2; Binder in Schwimann3 IV §§ 948, 949 Rz 24; Bollenberger in KBB3 § 949 Rz 1; OGH 1 Ob 2298/96i, EF 81.415.

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§ 949

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richtet wurde, abgelehnt,13 dagegen diejenige eines „modernisierten“ Schmuck­ stücks zugelassen.14 Früchte müssen nicht erstattet werden.15 Der grobe Undank macht den Beschenkten zum unredlichen Besitzer, 5 sodass sich schon vom Zeitpunkt der Unredlichkeit an16 und nicht erst mit dem Widerruf oder der Klageerhebung seine Haftung wesentlich verschärft (§Â€335 f).17 Er hat also alle tatsächlich bezogenen und vom Geschenkgeber erzielbaren Vorteile herauszugeben und haftet überdies für Schadenersatz.18 Wird das Geschenk verkauft, so haftet der unredliche Geschenknehmer eben­ falls19 (vgl dazu auch §§Â€378, 952). Dies betrifft auch den Fall der Veräußerung der Sache nach Klagszustellung, in welchem Fall Interessenklage nach §Â€368 EO erhoben werden kann, allerdings können daneben nicht auch noch Verwen­ dungs- und darüber hinausgehende Schadenersatzansprüche erhoben werden, also zB der Ersatz der aus dem Geschenk erzielbaren Mietzins.20 Aufwendungen kann der grob undankbare Geschenknehmer nur nach 6 §Â€336 verlangen, die Rsp gewährt ihm den Ersatz des notwendigen und nützli­ chen Aufwandes, wobei bei letzterem der Maßstab kein abstrakter ist, sondern der klare Vorteil für den Herausgabeanspruch nach seinen persönlichen Zwe­ cken.21 Die E 2 Ob 29, 100/75 SZ 48/68 will ihm auch das Zurückbehaltungs­ recht nach §Â€471 nehmen,22 doch ist sie auf Widerspruch in der Lehre gesto­ ßen.23 Immerhin setzt der Zurückbehaltungsausschluss des §Â€1440 nicht nur Unredlichkeit sondern darüber hinaus eigenmächtige oder listige Entziehung, Entlehnung, Verwahrung oder Bestand voraus, also stellt durchaus höhere An­ forderungen. Die E 3 Ob 30/04i JBl 2004, 731 lässt die Rechtsfrage ausdrück­ lich dahingestellt. 13╇

OGH 6 Ob 252/71, SZ 44/192. OGH 2 Ob 29, 100/75, SZ 48/68. Ebenso diejenige einer ausgebauten Eigentumswoh nung: 5 Ob 85/72, JBl 1973, 204. 15╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 624. 16╇ Nach Ehrenzweig, System II/12, 372 soll sogar schon der Zeitpunkt maßgeblich sein, von dem an das innere Vorhaben erweislich ist, weil sich sonst der Beschenkte, bevor er seinen Entschluss ausführt, des Geschenkes entledigen könnte, um den zu erwartenden Widerruf zu vereiteln. Der Be­ schenkte kann sich dann aber noch immer eines anderen besinnen, und bleibt damit redlich und nicht grob undankbar. Der Sache nach geht es immer nur um das Kennen oder Kennenmüssen des Wider­ rufsgrundes, und dieser Zeitpunkt entspricht demjenigen des grob undankbaren Verhaltens. 17╇ OGH 5 Ob 85/72, JBl 1973, 204; 5 Ob 910/76, EvBl 1977/231; 1 Ob 524/77, SZ 50/49: Stanzl in Klang2 IV/1, 624; Schubert in Rummel3 §Â€949 Rz€1; Binder in Schwimann3 IV §Â€948, 949 Rz€22 ff. 18╇ Binder in Schwimann3 IV §§Â€948, 949 Rz€23; Bollenberger in KBB3 §Â€949 Rz€2; OGH 5 Ob 910/76, EvBl 1977/231. 19╇ OGH 5 Ob 910/76, EvBl 1977/231; Schubert in Rummel3 I §Â€949 Rz€1; Binder in Schwi­ mann3 IV §§Â€948, 949 Rz€23. 20╇ OGH 5 Ob 910/76, EvBl 1977/231; Schubert in Rummel3 I §Â€949 Rz€1; Binder in Schwi­ mann3 IV §§Â€948, 949 Rz€23. 21╇ OGH 5 Ob 85/72, JBl 1973, 204; 3 Ob 30/04i, JBl 2004, 731; Schubert in Rummel3 I §Â€949 Rz€4. 22╇ Ebenso Binder in Schwimann3 IV §§Â€948, 949 Rz€22. 23╇ Schubert in Rummel3 I §Â€949 Rz€3 und Bollenberger KKB3 §Â€949 Rz€4. Offen gelassen wird die Frage von der E OGH 3 Ob 30/04i, JBl 2004, 731. 14╇

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Allgemeines

§ 950

Wegen groben Undanks des Beschenkten – nicht seines Erben24 – kann 7 auch der Erbe des Schenkers widerrufen und der Widerruf kann auch gegenüber den Erben des Beschenkten gerichtet werden.25 Der Erbe des Beschenkten haftet aber nicht als unredlicher Besitzer (arg „für seine Person“).26 Mit der Klagszustellung muss jedoch auch der redliche Erbe mit der allfälligen Herausgabepflicht rechnen und wird daher bei Verurteilung gem § 338 von diesem Zeitpunkt an rückwirkend hinsichtlich der Nutzungen, des Aufwandes und der verschuldeten Schäden wie ein unredlicher Besitzer behandelt. Das Widerrufsrecht verjährt in drei Jahren ab Kenntnis des Undanks 8 (§ 1487), und zwar auch dann, wenn die strafrechtliche Verjährung früher eintritt27 oder die den Undank begründende Straftat in einer strafbaren Handlung besteht, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist. Die dreißigjährige Frist des § 1489 kommt keinesfalls in Betracht.28 Näheres zur umstrittenen Frage der Verjährung des Rechtes, eine Schenkung wegen groben Undanks zu widerrufen, bei § 946 Rz 5 ff. Dort wird Folgendes vorgeschlagen: Ist die Schenkung bereits vollzogen, so hat der Geschenkgeber drei Jahre ab Kenntnis des Undanks Zeit für eine auf eine Widerrufserklärung gestützte Rückforderungsklage (§ 1487). Wurde sie noch nicht vollzogen, so ist es Sache des Beschenkten, den Geschenkgeber auf Einhaltung des Vertrags zu klagen, grundsätzlich nicht die des Geschenkgebers, die lästige Feststellungsklage auf sich zu nehmen. Er kann vielmehr innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis eine außergerichtliche Widerrufserklärung abgeben, die dann dem Beschenkten unbefristet entgegengehalten werden kann.

3. Verkürzung des schuldigen Unterhaltes; §  950. Wer jemanden den Unterhalt zu reichen schuldig ist, kann dessen Recht durch Beschenkung eines Dritten nicht verletzen. Der auf solche Art Verkürzte ist befugt, den Beschenkten um die Ergänzung desjenigen zu belangen, was ihm der Schenkende nun nicht mehr zu leisten vermag. Bei mehreren Geschenknehmern ist die obige (§ 947) Vorschrift anzuwenden. Stammfassung JGS 1811/946.

Schenkungen sollen Unterhaltsansprüche nicht schmälern. Dem durch 1 Schenkung verkürzten Unterhaltsberechtigten wird daher das Recht eingeräumt, die Schenkung insoweit zu widerrufen, als es notwendig ist, um die Ehrenzweig, System II/12, 373. Stanzl in Klang2 IV/1, 624. 26  Ehrenzweig, System II/12, 372 f; Stanzl in Klang2 IV/1, 624. 27  Ehrenzweig, System II/12, 373; Stanzl in Klang2 IV/1, 622, 624; GlUNF 3168. 28  OGH 1 Ob 503/78, SZ 51/25; M. Bydlinski in Rummel3 II/3 § 1487 Rz 5; Mader/Janisch in Schwimann3 VI § 1487 Rz 9. 24  25 

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§ 950

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Unterhaltsleistung auf jene Höhe zu bringen, zu der der Schenker ohne die Schenkung verpflichtet wäre. Ob der Unterhaltsanspruch auf Gesetz, Vertrag oder letztwilliger Verfügung beruht, ist bedeutungslos.1 Das Ausmaß des Unterhaltsanspruches muss im Zeitpunkt der Schenkung auch noch nicht durch richterliche Entscheidung festgestellt sein, es genügt wenn die Unterhaltspflicht zur Zeit der Schenkung bereits bestanden hat.2 Auch dem bereits gezeugten, aber noch nicht geborenen Kind steht das Widerrufsrecht zu (§ 22).3 Ein noch nicht empfangenes Kind kann nach §  950 nicht widerrufen, denn durch die Schenkung muss dessen „Recht“ verletzt worden sein, es ist daher auf den wesentlich engeren Anspruch nach § 954 angewiesen.4 Nach einhelliger Meinung genügt Verkürzung des Anspruchs des Unter2 haltsberechtigten durch mangelnde Einbringlichkeit.5 Andernfalls würde dem § 950 weitgehend sein Anwendungsbereich entzogen, da sich die Höhe des Unterhaltes idR nach dem laufenden Einkommen und den laufenden Erträgen bestimmt, während der Stamm des Vermögens nur ausnahmsweise – wenn das laufende Einkommen und die laufenden Erträge nicht ausreichen – zur Befriedigung von Unterhaltsforderungen heranzuziehen ist. Die Schenkungsanfechtung ist gegenüber dem Unterhaltsanspruch sub3 sidiär. Das Gesetz geht von der grundsätzlichen Unwiderrufbarkeit der Schenkung aus und lässt nur bestimmte Ausnahmen in besonders berücksichtigenswürdigen Fällen zu. Der Beschenkte ist also nicht grundsätzlicher Bürge und Zahler für den Unterhaltspflichtigen.6 Nach hM bedarf es allerdings keiner fruchtlosen Exekution gegen den Schenker,7 doch genügt umgekehrt bloße Erschwerung der Hereinbringung der Unterhaltsforderungen beim Unterhaltspflichtigen nicht, um die Inanspruchnahme des Beschenkten zu rechtfertigen. Vielmehr muss der Unterhaltsberechtigte alle zumutbaren Mittel ausschöpfen. Auch bei Exekution gegen den Schenker im Ausland ist zu prüfen, ob sie aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen möglich und zumutbar erscheint, wobei insb auch allfällige Prozess- und Vollstreckungsverträge berücksichtigt werden müssen.8 Stanzl in Klang2 IV/1, 625; Binder in Schwimann3 IV § 950 Rz 2; NZ 1932, 149. Stanzl in Klang2 IV/1, 625; Schubert in Rummel3 I § 950 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV § 950 Rz 1. 3  Ehrenzweig, System II/12, 374 f; Stanzl in Klang2 IV/1, 625; Binder in Schwimann3 IV § 950 Rz1; Bollenberger in KBB3 § 950 Rz 1; GlU 11.138. 4  Stanzl in Klang2 IV/1, 625, 628 f; Binder in Schwimann3 IV § 950 Rz 1. 5  Stanzl in Klang2 IV/1, 625; Schubert in Rummel3 I § 950 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV § 950 Rz 9; Bollenberger in KBB3 § 950 Rz 1; OGH 8 Ob 516, 517/92, SZ 65/98 = JBl 1993, 314. 6  OGH 8 Ob 516, 517/92, JBl 1993, 314 = SZ 65/98. 7  OGH 8 Ob 516, 517/92, JBl 1993, 314 = SZ 65/98; Stanzl in Klang2 IV/1, 625; Schubert in Rummel3 I § 950 Rz 1; Bollenberger in KBB3 § 950 Rz 1. AM Binder in Schwimann3 IV § 950 Rz 9, wonach die dem Geschenkgeber gehörenden Vermögenswerte zunächst bis zur Dürftigkeitsgrenze des § 947 verwertet und die zufließenden Einkünfte entsprechend den §§ 290 ff EO gepfändet worden sein müssen. Nach der hM greife nämlich das Schenkungsanfechtungsrecht nicht bloß bei Unterhaltsverkürzung ein, sondern auch bei völliger Uneinbringlichkeit des bestehenden Unterhaltsanspruchs. 8  OGH 8 Ob 516, 517/92, JBl 1993, 314 = SZ 65/98; Schubert in Rummel3 I § 950 Rz 1; Bollenberger in KBB3 § 950 Rz 1. 1  2 

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Der Unterhaltsberechtigte hat sein Begehren nicht auf Anfechtung des 4 Schenkungsvertrages sondern unmittelbar auf Leistung zu richten,9 besitzt er die Sache oder ihren Wert nicht mehr, so haftet er ihm Rahmen des § 952 bei Unredlichkeit.10 Sein Anspruch umfasst sowohl die Ergänzung des Rückstands als auch diejenige des zukünftigen Unterhalts, doch können nur die in den letzten drei Jahren vor der Klageführung fällig gewordenen Beträge begehrt werden, weil die mehr als drei Jahre zurückliegenden wiederkehrenden Leistungen gem § 1480 als verjährt anzusehen sind.11 Hingegen ist der Anspruch auf Schenkungswiderruf nach § 950 selbst nicht verjährt. Er unterliegt mangels einer Sonderverjährungsvorschrift der allgemeinen Verjährungsfrist von dreißig Jah­ ren.12 Praktisch bedeutsam kann § 950 bei der Schenkung von Dienstleistungen 5 werden, wenn der Unterhaltsanspruch nur aus dem Arbeitslohn befriedigt werden könnte. Hier kann der Unterhaltsberechtigte von dem mit den Dienstleistungen Beschenkten den fehlenden Unterhalt bis zur Höhe des angemessenen Entgelts begehren.13 In den meisten Fällen gibt es allerdings Sondernormen, die den Unterhaltsberechtigten ebenfalls schützen, so § 1 USchG: Hier haftet der Dritte als Bürge und Zahler, wenn er in Kenntnis der Unterhaltspflicht und ohne selbst gesetzlich hiezu verpflichtet zu sein, den erwerbslosen Unterhaltsschuldner aushält. § 292e EO (früher § 2 USchG) unterstellt im Fall der regelmäßigen Erbringung von Arbeitsleistungen, die nach Art und Umfang üblicherweise vergütet werden, die Vereinbarung eines angemessenen Entgelts, wenn ein solches nicht vereinbart wurde, und ermöglicht es dem verkürzten Unterhaltsschuldner, im Wege der Pfändung und Überweisung darauf zu greifen („Verschleiertes Entgelt“). Ähnlich auch § 292d EO („Auszahlung des Entgelts an Dritte“) und ganz allgemein die Tatbestände der Gläubigeranfechtung. Der Anspruch gem § 950 kann auch nach dem Tod des Schenkers gegen 6 den Beschenkten geltend gemacht werden, soweit Unterhaltsansprüche bereits gegen den Schenker vorlagen oder gegen den Nachlass bestehen. So geht nach § 142 ABGB die Schuld eines Elternteils, dem Kind den Unterhalt zu leisten, bis zum Wert der Verlassenschaft auf seine Erben über, eine entsprechende Vorschrift sieht auch § 78 EheG zugunsten des überlebenden Ehegatten vor.

9  Ehrenzweig, System II/12, 374; Schubert in Rummel3 I § 950 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV § 950 Rz 10; Bollenberger in KBB3 § 950 Rz 1. 10  Stanzl in Klang2 IV/1, 625; Bollenberger in KBB3 § 950 Rz 1. 11  OGH 8 Ob 516, 517/92, SZ 65/98 = JBl 1993, 314; Schubert in Rummel3 I § 950 Rz 1; 3 § 950 Rz 1. Binder in Schwimann3 IV § 950 Rz 3; Bollenberger 12  OGH 8 Ob 516, 517/92, SZ 65/98 = JBl 1993, 314; Binder in Schwimann3 IV §  950 Rz 10. 13  Stanzl in Klang2 IV/1, 625; Binder in Schwimann3 IV § 950 5.

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4. des Pflichtteiles; §Â€951. (1) Wenn bei Bestimmung des Pflichtteiles Schenkungen in An schlag gebracht werden (§Â€ 785), der Nachlass aber zu dessen Deckung nicht ausreicht, kann der verkürzte Noterbe vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes zur Deckung des Fehlbetrages verlangen. Der Beschenkte kann die Herausgabe durch Zahlung des Fehlbetrages abwenden. (2) Ist der Beschenkte selbst pflichtteilsberechtigt, so haftet er dem andern nur so weit, als er infolge der Schenkung mehr als den ihm bei Einrechnung der Schenkungen gebührenden Pflichtteil erhalten würde. (3) Unter mehreren Beschenkten haftet der früher Beschenkte nur in dem Maße, als der später Beschenkte zur Herausgabe nicht verpflichtet oder nicht imstande ist. Gleichzeitig Beschenkte haften verhältnismäßig. Stammfassung JGS 1811/946 idF RGBl 1916/69 (III. Teilnovelle) Lit: Weiß, Die Hinzurechnung pflichtwidriger Schenkungen zum Nachlass und das Verhältnis der Miterben, JBl 1952, 367; Welser, Neue Rechenaufgaben vom Gesetzgeber, NZ 1978, 161; Cermak, Zur unbefristeten Anrechnung von Schenkungen an einen Ehegatten nach §Â€785 ABGB, NZ 1984, 4; Hofmann-Wellenhof, Erbverzicht und Ausschlagung der Erbschaft auf zivilrechtlicher Sicht, NZ 1984, 17; Welser, Zur Berücksichtigung von Schenkungen im Pflichtteilsrecht, FS Kralik (1986) 583; Schwind, Grenzen der Universalsukzession, FS Kralik (1986) 515; Umlauft, Unbefristete Schenkungsanrechnungen im Pflichtteilsrecht, NZ 1988, 89; Raber, Die Verjährung des Anspruchs auf den Schenkungspflichtteil: entwickelt aus ihren Grundlagen, JBl 1988, 137 und 217; Zankl, Die Lebensversicherung im Pflichtteilsrecht, NZ 1989,1; Schauer, Privatstiftung und Pflichtteilsrecht, NZ 1993, 251; Nitsche, Akkreszenz und Erbrecht, GesRz€1994, 97; Fischer-Czermak, Die erbrechtliche Anrechnung und ihre Unzulänglichkeiten, NZ 1998, 2; B. Jud, Die Entwicklung der Schenkungsanrechnung im ABGB, NZ 1998, 16; Rabl, Die Auswirkungen eines Fruchtgenußvorbehaltes auf die Schenkungsanrechnung, NZ 1999, 291; B. Jud, Entwicklungen im Recht der Anrechnung beim Pflichtteil, AnwBl 2000, 716; Umlauft, Die Anrechnung von Schenkungen und Vorempfängen im Erb- und Pflichtteilsrecht (2001); G. Peer, Zur Umgehung des Schenkungspflichtteiles – Bemerkungen zu OGH 29.4.1999, JBl 2001, 127; Zankl, Umgehung der Schenkungsanrechnung, NZ 2001, 111; W. Jud, Die Privatstiftung zur Begünstigung der Allgemeinheit, JBl 2003, 771; Mader, Pflichtteilsverzicht und Schenkungsanrechnung – Rechtsmissbrauch oder Gesetzesumgehung?, FS Welser (2004) 669; Samek, Das österreichische Pflichtteilsrecht samt Anrechnungsrecht (2004) 185 ff; Müller, Schenkunganrechnung und verlorene Pflichtteilsberechtigung – Die Haftungsbeschränkung des §Â€951 Abs 2 ABGB NZ 2005, 77; Umlauft, Schenkungsanrechnung, Bewertungsfragen unter Berücksichtigung der gemischten Schenkung, NZ 2008, 33; Parapatits/Schörghofer, Privatstiftung und Schenkungsanrechnung, iFamZ 2008, 42; Umlauft, Die Rolle der Zeit bei der Bewertung anrechnungspflichtiger Zuwendungen im Pflichtteilsrecht, in Feiler/Raschhofer, Innovation und internationale Rechtspraxis, Praxisschrift für Wolfgang Zankl (2009), 909; Welser, Die Reform des österreichischen Erbrechts, NZ 2012, 1; Umlauft, Zwei wichtige Themen für die anstehende Erbrechtsreform, NZ 2012, 7. Weitere Literatur bei §Â€785.

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Die ursprüngliche Fassung des ABGB sah zwar keine Anrechnung von 1 Schenkungen des Erblassers vor, wohl aber einen Widerruf durch „Abstämmlinge“, wenn die Schenkung unter Lebenden zu ihrem Nachteil die Hälfte des Vermögens des Erblassers überstieg (§  951 aF). Diese Regelung wurde vor allem deshalb als verfehlt befunden, weil das Pflichtteilsrecht durch mehrere Schenkungen, die nur jeweils unter der Hälfte des Vermögens lagen, umgangen werden konnte, und weil es zu gravierenden Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Pflichtteils kam. Daher wurden durch den 6. Titel „Berücksichtigung von Schenkungen bei Berechnung des Pflichtteiles“ (§§ 67 bis 72) des 4. Abschnitts (Erbrechtliche Bestimmungen) der III. TN die §§ 784, 785, 789 und 951 neu gefasst. Die Schenkungsanrechnung wurde durch das BG BGBl 1978/280 abermals aus Anlass der Einführung des Pflichtteilsrechts der Ehegatten reformiert, doch betraf die Gesetzesänderung nur § 785 und nicht auch § 951. Die gesetzliche Regelung der Anrechnung, insbesondere der Schenkungsanrechnung wird heute allgemein nicht nur als zu kompliziert angesehen, sondern auch als mit kaum lösbaren Abgrenzungsfragen, untragbaren Konsequenzen und Wertungswidersprüchen belastet. Dazu bietet sie dem Erblasser die Möglichkeit, den Noterben um den Pflichtteil zu bringen.1 Das Pflichtteilsrecht des Noterben soll nicht einfach dadurch vereitelt wer- 2 den, dass der Erblasser (vor allem in der letzten Zeit vor seinem Tode) sein Vermögen durch Schenkungen schmälert.2 Gleichzeitig soll die Gleichbehandlung der Noterben gesichert werden (Ausgleichsgedanke).3 Dieses Ziel soll durch die Schenkungsanrechnung in Verbindung mit der Schenkungsanfechtung erreicht werden. Dieser Zweck kann nur erreicht werden, wenn der Begriff der „Schen- 3 kung“ nicht eng sondern ganz allgemein im Sinne einer unentgeltlichen Zuwendung in Schenkungsabsicht, welche das Vermögen des Geschenkgebers schmälert, verstanden wird.4 Dies gilt umso mehr, als die Schenkungsanrechnung traditionell besonders umgehungsgefährdet ist, zunächst weil sie Verfügungen, die der Erblasser zu Lebzeiten trifft, nach seinem Tod wirtschaftlich relativiert.5 Sein Interesse daran, dies möglichst zu vermeiden, wird durch das Vordringen der Patchwork-Familien gefördert, aber auch durch die Beseitigung der anonymen Sparbücher und Juxtenbons. Die darauf liegenden Vermögenswerte wurden früher von zukünftigen Erblassern erfahrungsgemäß ger­ne verwendet, um durch heimliche Zahlungen an voraussichtliche Noterben Zuletzt Welser, NZ 2012, 1, insb 6. OGH 4 Ob 136/98y SZ 71/93; Stanzl in Klang2 IV/1, 626; Kralik, ErbR 304; Koziol/ Welser13 II 556; Apathy in KBB3 § 785 Rz 1. 3  OGH 1 Ob 46/01y JBl 2001, 649; Welser in FS Kralik 588 ff mit Kritik an Kralik aaO; Koziol/Welser13 II 556; Apathy in KBB3 § 785 Rz 1; B. Jud, NZ 1998, 16; ausführlich zum Ganzen insb auch Zankl, NZ 2001, 111. 4  Koziol/Welser13 II 556; Zankl, NZ 2001, 111. Nichts anderes gemeint ist der Sache nach mit der nicht ganz glücklichen Formulierung Kraliks, ErbR 301, übernommen von Peer, JBl 2001, 129, wonach der Begriff der Schenkung hier „seinem Zwecke nach weniger juristisch als wirtschaftlich aufzufassen“ sei. Vgl allerdings Hofmann-Wellenhof, NZ 1984, 24 im Zusammenhang mit dem Erbverzicht. 5  So zutreffend Zankl, NZ 2001, 111; auch Mader in FS Welser 669 ff. 1  2 

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Widerstände gegen die von ihnen geplanten erbrechtlichen Verfügungen im Guten zu beseitigen. Seitdem dies nicht mehr möglich ist, müssen die Meinungsverschiedenheiten zwischen den zu Lebzeiten bedachten und nicht bedachten Personen notfalls vor Gericht durchgekämpft werden. Soweit ein entgeltliches Geschäft nur vorgetäuscht wird, um die Anwendbarkeit der Anrechnungsvorschriften zu vermeiden, liegt ein Scheingeschäft vor. Maßgeblich ist nach § 916 Abs 1 daher nicht das vorgetäuschte sondern das tatsächlich gewollte Geschäft. Als Schenkung zu berücksichtigen sind daher unentgeltliche Übertragun4 gen von Unternehmensanteilen6 oder Werte eines Bankdepots7, aber auch Lebensversicherungen mit Drittbegünstigung.8 Besondere Bedeutung hat in den letzten Jahren die Privatstiftung erlangt. Deren Errichtung beruht zwar auf einem einseitigen Rechtsgeschäft und nicht auf einem Vertrag, da aber andernfalls das Pflichtteilsrecht des Noterben nicht gesichert werden könnte, sprechen sich Lehre und Rsp einhellig für die analoge Anwendung des § 951 auf diesen Fall aus.9 Voraussetzung ist allerdings, dass die Stiftung nicht gemeinnützige Zwecke verfolgt. Nähere Einzelheiten s Erl zu § 785. In der jüngeren Rsp finden sich mehrere Beispiele von verbreiteten 5 Manipulationspraktiken.10 Eine Methode besteht darin, die Zweijahresfrist für die Anrechnung des §  785 Abs 3, die nur für Noterben gilt, dadurch zu umgehen, dass ein Pflichtteilsberechtigter, der anrechnungspflichtige Vorempfänge erhalten hat, einen Pflichtteilsverzicht abgibt und daraufhin als (nicht mehr anrechnungspflichtiger) testamentarischer Erbe eingesetzt wird. Der OGH hat in einem solchen Fall Rechtsmissbrauch angenommen.11 Da mit dem Rückgriff auf dieses Rechtsinstitut die Gefahr großer Rechtsunsicherheit verbunden ist, empfiehlt sich de lege ferenda eine Neuregelung des § 785 Abs 3, dessen geltende Fassung nach wie vor beachtliche Unklarheiten aufweist.12 Zur Umgehung geeignet ist auch die Vereinbarung eines Belastungs- und 6 Veräußerungsverbots, so im Fall der E 6 Ob 615 – 617/95 SZ 69/13, ein Patchwork-Familienfall, in dem der (im übrigen vermögenslose) Erblasser seiner zweiten Frau eine Wohnung geschenkt hatte, belastet mit einem Belas6  OGH 7 Ob 137/74, EvBl 1975/132; 7 Ob 137/74, JBl 1975, 208; Welser in Rummel3 I § 785 Rz 7. 7  OGH 1 Ob 171/59, SZ 32/73; Welser in Rummel3 I § 785 Rz 7. 8  Eccher, Antizipative Erbfolge (1980) 129 ff; Zankl, NZ 1989, 1; Umlauft, Anrechnung 167 ff; Koziol/Welser13 II 556; Binder in Schwimann3 IV §§ 951, 952 Rz 12; OGH 4 Ob 136/97x, NZ 1997, 394. 9  OGH 6 Ob 290/02v, ecolex 2003, 328 (insofern zust B. Jud) = NZ 2003/49; Schauer, NZ 1993, 251; Welser in Rummel3 I § 785 Rz 7; Binder in Schwimann3 IV §§ 951, 952 Rz 13; Bollenberger in KBB3 § 951 Rz 2; Umlauft, Anrechnung 177 ff; Arnold, Privatstiftungsgesetz, Kommentar (2002) Einl Rz 21. 10  Dazu ausführlich Zankl, NZ 2001, 111 ff; auch Mader in FS Welser 669 ff. 11  OGH 4 Ob 519/95, JBl 1995, 584; im konkreten Fall verneint bei der E 5 Ob 558/87, NZ 1989, 42 (Czermak); dazu ausführlich Zankl, NZ 2001, 111. Vgl umgekehrt den Fall der E OGH 4 Ob 233/02x JBl 2003, 375, wo der pflichtteilsberechtigten Beschenkten im Zeitpunkt des Verzichtes die Existenz des pflichtteilsberechtigten Anspruchswerbers unbekannt war: Der OGH verneinte das Vorliegen von Rechtsmissbrauch, dazu Mader in FS Welser 671 ff. 12  So insb schon Zankl, NZ 2001, 111 ff.

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tungs- und Veräußerungsverbot zugunsten ihrer Tochter. Obwohl das Begehren auf Zahlung des Ausfalls am Pflichtteil bei sonstiger Exekution in die geschenkte Sache geht,13 hat der OGH der Klage stattgegeben und die Auffassung vertreten, dass die Durchsetzung des Titels Sache des Exekutionsverfahrens sei. Da jedoch bei Patchworkfamilien der spätere Ehepartner wesentlich jünger sein kann als der ursprüngliche, und allenfalls in die Ehe mitgebrachte Kinder dementsprechend wesentlich jünger als die aus der früheren Ehe sein können, führt dies in solchen Fällen praktisch zur dauernden Vereitelung des Anspruchs der Pflichtteilsberechtigten. Rechtsmissbrauch ist oft schwer zu beweisen und hängt von vielen Unwägbarkeiten ab. Zankl hat daher zu Recht vorgeschlagen, in solchen Fällen § 952 analog anzuwenden, und dem Pflichtteilsberechtigten bei Unredlichkeit des Belasteten, der ein Veräußerungs- und Belastungsverbot einräumt, den Zugriff auf dessen gesamtes Vermögen zu eröffnen.14 Besondere Aufmerksamkeit hat ein Umgehungsfall einer Erbsentschla- 7 gung (in Schenkungsabsicht und mit Wirkung für die eigenen Nachkommen) mit anschließendem Schenkungsvertrag erregt.15 Der OGH hat das Vorliegen eines Scheingeschäftes verneint und dasjenige eines Umgehungsgeschäftes zur Hintanhaltung allfälliger Ansprüche der Noterben bejaht.16 Besser ist es, mit Zankl17 einfach anzunehmen, dass die Erblasserin (im weiten Sinne des § 951) ihren Bruder „beschenkt“ hat und dieser eine weitere Schenkung an die Tochter vorgenommen hat. Da der Bruder das Geschenk „unredlicher Weise aus dem Besitz gelassen“ hat, ist § 952 anzuwenden, sodass er weiter haftet. Damit haftet zwar der Bruder nicht mehr mit dem Geschenk, wohl aber die Zweitbeschenkte. Der Anspruch des verkürzten Noterben besteht auch dann, wenn der Erb- 8 lasser zu Lebzeiten sein gesamtes Vermögen verschenkt oder aus anderen Gründen kein Vermögen hinterlassen hat und eine Verlassenschaftsabhandlung nach §  153 AußStrG unterbleibt (nach alter Rechtslage: die Verlassenschaft armutshalber abgetan wird, §§ 72 ff AußStrG).18 Die Rsp verwendet in diesem 13 

Dazu unten unter Rz 10 ff. Zankl, NZ 2001, 115 f. 15  OGH 2 Ob 354/98t, JBl 2001, 102 (dazu Peer, JBl 2001, 127) = NZ 2000, 85; dazu auch Zankl, NZ 2001, 115. Der Sachverhalt in diesem besonders instruktiven Fall ist kompliziert, läuft aber im Wesentlichen darauf hinaus, dass A, die spätere Erblasserin nach dem Tod ihres Bruders gemeinsam mit einem weiteren Bruder B als gesetzliche Erben berufen waren. Die Verlassenschaft bestand im Wesentlichen aus einer Liegenschaft, welche B unter Hintanhaltung des Pflichtteilsrechtes ihrer anderen Kinder ausschließlich ihrer Tochter C zukommen lassen wollte. Sie gab daher eine Erbrechtsentschlagung zugunsten ihres Bruders mit Wirkung auch für ihre eigenen Nachkommen ab. Nach dem wenige Wochen später erfolgenden Tod der A schenkte B die Liegenschaft der Tochter C. Die damit verkürzten anderen Kinder der A haben daraufhin Pflichtteilsergänzungsklage gegen B und C erhoben. 16  Damit stellt sich die von Peer, JBl 2001, 127 aufgeworfene Frage, ob es nicht in ganz besonderen Fällen und ausnahmsweise für die Annahme eines Umgehungsgeschäftes einer Umgehungsabsicht bedarf. Da der Sachverhalt nicht immer so eindeutig ist wie (in diesem Punkte) hier, wäre auch der Rechtssicherheit damit wenig gedient, sodass andere Lösungswege jedenfalls anzustreben sind. Dazu wie im Text. 17  Zankl, NZ 2001, 115f. 18  OGH 1 Ob 244/50, SZ 23/144; 1 Ob 400/57, JBl 1958, 1 Ob 57/65, SZ 38/47 = JBl 1966, 37 = EvBl 1965/342; 8 Ob 608/88, JBl 1989, 377; 1 Ob 525/92, SZ 65/39 = JBl 1992, 645; 14 

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Zusammenhang gerne19 die von Ehrenzweig20 geprägte anschauliche Formel: Nachlasspflichtteil + Schenkungspflichtteil = erhöhter Pflichtteil. Der Schenkungspflichtteil ist ein Ergänzungsanspruch, so dass die Überschuldung vom Wert der Schenkung abzuziehen ist. Bei höherer Überschuldung kann das dazu führen, dass ungeachtet anrechenbarer Schenkungen ein im Rahmen des Schenkungspflichtteils geltend zu machender Pflichtteilsanspruch überhaupt nicht besteht.21 Gem § 783 haben die Erben und Legatare den Nachlasspflichtteil um den 9 Schenkungspflichtteil auf den erhöhten Pflichtteil zu ergänzen, sodass für die Anwendung des § 951 insofern kein Raum bleibt. Der Schenkungspflichtteil ist also aus dem Nachlass zu entrichten, wobei der Erbe bei bedingter Erbantrittserklärung nur bis zu dessen Höhe haftet.22 Reicht dieser Nachlass also nicht aus, dann räumt § 951 dem verkürzten Noterben zur Verwirklichung seines Anspruches auf den erhöhten Pflichtteil das Recht ein, die Schenkungen zu widerrufen. Ist der Beschenkte zugleich Erbe, so treffen diese Haftungen additiv zusammen,23 Das Widerrufsrecht setzt nicht voraus, dass eine letztwillige Anordnung des Erblassers vorhanden ist oder dass überhaupt eine Verlassenschaftsabhandlung stattfindet.24 Auch ein letztwillig oder kraft Gesetzes berufener Erbe kann sich auf sein Pflichtteilsrecht stützen und gem §§ 785, 951 vorgehen.25 Der verkürzte Noterbe kann die Herausgabe des Geschenks auch dann begehren, wenn ihm als Erben der Nachlass oder eine Quote davon (außerdem) eingeantwortet worden ist.26 Dadurch soll die Ergänzung des Pflichtteils erreicht werden. Der Anspruch geht als Ausfluss des Pflichtteilsrechtes auf den Erben des Pflichtteilsberechtigten auch dann über, wenn dieser zwar auf ihn nicht verzichtet, aber ihn doch vor seinem Tod nicht geltend gemacht hat.27 Der Anspruch richtet sich gegen den Beschenkten, auch wenn dieser selbst Noterbe ist,28 und gegen seinen Erben,29 selbst wenn diese selbst NoterSchubert in Rummel3 I § 951 Rz 2; Koziol/Welser13 II 559; Binder in Schwimann3 IV §§ 951, 952 Rz 3; Stanzl in Klang2 IV/1, 626. 19  OGH 1 Ob 525/92, SZ 65/39, JBl 1992, 645; 6 Ob 189/00p, EF 93.462f; ebenso aus der Lehre zB Bollenberger in KBB3 § 951 Rz 1. 20  Ehrenzweig, System II/12,593. 21  OGH 1 Ob 525/92, SZ 65/39, JBl 1992, 645 gegen Kralik, Erbrecht 305; Schubert in Rummel3 I Rz 2. 22  Koziol/Welser13 II 559; Kralik, Erbrecht 306; Bollenberger in KBB3 §  951 Rz  2; auch OGH 6 Ob 805/82, SZ 57/7 unter ausdrücklicher Ablehnung der E 6 Ob 368/64 , EvBl 1965/399. 23  OGH 7 Ob 106/07z, JBl 2008, 178. 24  Stanzl in Klang2 IV/1, 626 und oben unter Rz 8. 25  Welser in Rummel3 I § 785 Rz 24; Welser in FS Kralik 586; Bollenberger in KBB3 § 951 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV §§ 951, 952 Rz 4; OGH 7 Ob 105 – 110/72, EvBl 1972/317; 1 Ob 510/96, JBl 1996, 722. 26  Stanzl in Klang2 IV/1, 626 f; Schubert in Rummel3 I §  951 Rz  2; OGH 3 Ob 444/50, SZ 23/232; 7 Ob 105 – 110/72, EvBl 1972/317; 1 Ob 726/85, NZ 1986/210. 27  OGH 7 Ob 105 – 110/72, EvBl 1972/317; 1 Ob 726/85, NZ 1986, 210; Schubert in Rum3 IV §§ 951, 952 Rz 20. mel3 I § 951 Rz 2; Binder 28  Stanzl in Klang2 IV/1, 627; SZ 12/214; SZ 7/163. 29  OGH 6 Ob 263/03z, SZ 2004/15 = ecolex 2004/201 = NZ 2004/92, dazu Müller, NZ 2005/21, so auch schon Welser in FS Kralik 591 ff, gegen Schwind in FS Kralik 517 f vor allem

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ben sind und ihnen die Verhältnisse nicht bekannt waren.30 Er besteht jedoch nicht gegen den Einzelrechtsnachfolger31, auch wenn dieser die Sache unent­ geltlich erworben hat32 und geht auf Herausgabe des Geschenks zur Deckung des Fehlbetrags hinaus. Bei der Schenkung auf den Todesfall richtet sich der Anspruch gegen den Erben.33 Der Noterbe und der Beschenkte können sich noch vor dem Tod des Erblassers über die künftiger Herausgabepflicht verglei­ chen, ein solches Geschäft ist also nicht nach §Â€879 Abs 2 Z 3 nichtig.34 Der Noterbe kann die „Herausgabe des Geschenkes“ verlangen, doch ist 10 diese gesetzliche Formulierung nicht wörtlich zu nehmen. Das Gesetz be­ zweckt, ihm den auf den erhöhten Pflichtteil fehlenden Geldbetrag zu ver­ schaffen. Ist daher Geld geschenkt worden, so kann er die Zahlung des Fehlbe­ trages fordern. Wurde eine andere Sache geschenkt, so soll diese im Exeku­ tionsweg verwertet und aus dem Erlös der Fehlbetrag gedeckt werden. Hier ist nicht auf Herausgabe des Geschenks zu klagen, sondern auf Zahlung des (zif­ fernmäßig anzugebenden) Pflichtteils bei Exekution in die geschenkte Sa­ che.35 Wird Zahlung schlechthin begehrt, so ist als minus zur Zahlung bei Exekution bloß in das Geschenk zu verurteilen.36 Dagegen müsste ein Begeh­ ren auf Herausgabe des (nicht in Geld bestehenden) Geschenkes oder eines Bruchteiles davon als unschlüssig abgewiesen werden, sofern keine Umdeu­ tung in Betracht kommt und der Richter seiner Anleitungspflicht nach §Â€182 ZPO nachgekommen ist.37 Dem Beschenkten ist die Ersetzungsbefugnis ein­ geräumt, die „Herausgabe“ durch Zahlung des Fehlbetrages abwenden zu kön­ nen.38, Verzugszinsen für den Pflichtteilsauffüllungsanspruch kann der Noter­ be erst ab Fälligstellung des Anspruchs gegenüber dem Geschenknehmer ver­ langen, wofür die Bezifferung des Anspruchs erforderlich ist.39 Da der Pflichtteilergänzungsanspruch eine Geldforderung darstellt, kommt 11 eine Einstweilige Verfügung nur nach §Â€379 EO in Betracht, nicht aber nach §Â€381 ff EO.40 Im Gegensatz zur früheren Rechtslage ist aber seit der EO-Nov unter Berufung auf §Â€954; Schubert in Rummel3 I §Â€951 Rz€2; Binder in Schwimann3 IV §§Â€951, 952 Rz€21; Bollenberger in KBB3 §Â€951 Rz€2; Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 426; auch schon Stanzl in Klang2 IV/1, 627. Der Anspruch ist sowohl aktiv als auch passiv vererblich. 30╇ Welser in FS Kralik 591; Schubert in Rummel3 I §Â€951 Rz€2. 31╇ OGH 1 Ob 882/54, JBl 1955, 122; Stanzl in Klang2 IV/1, 627; Schubert in Rummel3 I §Â€951 Rz€2; Bollenberger in KBB3 §Â€951 Rz€2. 32╇ Binder in Schwimann3 IV §§Â€951, 952 Rz€2; OGH 3 Ob 527/91, EF 66.243 und EF 66.293. 33╇ OGH 6 Ob 37/02p, ecolex 2002, 2003. Näheres unter §Â€956. 34╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 627; Krejci in Rummel3 I §Â€879; Schubert in Rummel3 I §Â€951 Rz€2; Bollenberger in KBB3 §Â€951 Rz€3; JBl 1927, 103; OGH 1 Ob 363/99k, EF 93.461. 35╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 627; Schubert in Rummel3 I §Â€951 Rz€3; Bollenberger in KBB3 §Â€951 Rz€3; Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 425; OGH 1 Ob 198/71, SZ 44/137; 8 Ob 608/88, JBl 1989, 377 = EF 56.923; 6 Ob 633/91, NZ 1993, 13; 3 Ob 514/93, EF 72.039; 5 Ob 526/95, JBl 1996, 468 = EF 79.336. 36╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 627; Schubert in Rummel3 I §Â€951 Rz€3; OGH 7 Ob 425/57; 1 Ob 400/57, JBl 1958, 121; 1 Ob 762/53, JBl 1954.256. 37╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 627; OGH 2 Ob 782, 783/52, JBl 1953, 20; ZBl 1932/115. 38╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 627; Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 424; SZ 7/163. 39╇ OGH 9 Ob 57/07h, Zak 2009/211 = ÖRPfl 2009 H 1, 19. 40╇ OGH 5 Ob 526/95, JBl 1996, 468 = EvBl 1996/111; Schubert in Rummel3 I §Â€951 Rz€3.

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§ 951

Ertl

2000 auch zugunsten von Geldforderungen ein Belastungs- und Veräußerungsverbot bei Liegenschaften zulässig (§ 379 Abs 3 Z 5 EO).41 Eine Geltendmachung des Anspruchs im außerstreitigen Verfahren kommt nicht in Betracht; auch der Nachlasswert braucht nicht im Abhandlungsverfahren festgestellt worden zu sein.42 Eine Anmerkung der Klage auf Duldung der Exekution in die geschenkte Liegenschaft ist unzulässig.43 Der Noterbe hat einen Anspruch auf Vermögensangabe gegenüber dem 12 Erben, vor der Einantwortung gegenüber der Verlassenschaft,44 was aus der Gemeinschaftsfiktion des § 786 abgeleitet wird. Danach steht dem Noterben gem §§ 830, 837 ein Anspruch auf Rechnungslegung und daher auch auf Auskunft über Gewinn und Verlust und die Früchte der Erbschaft bis zur wirklichen Zuteilung gegen die Erben und den Nachlassverwalter bis zur wirklichen Zuteilung zu (Art XLII EGZPO erster Fall). Strittig ist allerdings, ob ein Offenlegungsanspruch auch gegen den Beschenkten besteht. Die hM bestreitet dies,45 im Wesentlichen mit der Begründung, dass eine privatrechtliche Auskunftspflicht des Beschenkten gegenüber dem Noterben nicht bestehe (Art XLII EGZPO erster Fall), der zweite Fall dieser Gesetzesstelle jedoch eine bewusste absichtliche Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögen voraussetze und daher eine Tätigkeit des Beschenkten, welche die Verschweigung oder Verheimlichung des Vermögens voraussetze. Ein bloß passives Verhalten oder eine bloße Verweigerung der Auskunft über ein Vermögen genüge nicht.46 Die E 1 Ob 222/75 SZ 48/114 sieht dieses Auslegungsergebnis als unbefriedigend, aber im Hinblick auf den Wortlaut des Gesetzes als zwingend an. Dieses spricht aber nur davon, dass jemand „von der Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens vermutlich Kenntnis hat“. Neuere Lehre und Rsp vertritt daher auch die Meinung, dass XLII EGZPO zweiter Fall einen eigenen privatrechtlichen Anspruch auf Angabe eines Vermögens normiert und dabei voraussetzt, dass der Anspruchsgegner von der Verschweigung des Vermögens „vermutlich“ Kenntnis hat. Dabei ist kein strenger Maßstab anzulegen, schon der bloße Verdacht einer entsprechenden Kenntnis reicht aus. Der Noterbe muss also die Kenntnis des Anspruchsgegners lediglich bescheinigen.47 Für den konkreten Fall bedeutet dies, dass der Noterbe Vermögensangabe auch vom (nur) Beschenkten begehren kann, sofern er Tatsachen dartun kann, die seinen Anspruch wahrscheinlich machen.48 41  Insofern überholt, daher die in der vorigen FN zitierte E und das sich darauf berufende Schrifttum. 42  Stanzl in Klang2 IV/1, 627; Schubert in Rummel3 I § 951 Rz 3; OGH 3 Ob 444/50, SZ 23/232. 43  Schubert in Rummel3 I § 951 Rz 4; Bollenberger in KBB2 § 946 Rz 3; EvBl 1971/43. 44  Weiß in Klang2 III 913; Ehrenzweig, System II/12 598; Kralik, Erbrecht 320; Schubert in Rummel3 I § 951 Rz 3; Welser in Rummel3 I § 785 Rz 21; Bollenberger in KBB3 § 951 Rz 3; OGH 2 Ob 722/59, SZ 27/252; 1 Ob 171/59, SZ 32/73; 1 Ob 222/75, SZ 48/114 = JBl 1976, 372 = EvBl 1977/42; 6 Ob 206, 207/74, EvBl 1975/247. 45  Siehe vorige FN (mit Ausnahme von Kralik). 46  So ausdrücklich die E OGH 1 Ob 222/75, SZ 48/114 = JBl 1976, 372 = EvBl 1977/42. 47  Fucik/Rechberger in Rechberger, ZPO3 Art XLII Rz 3; OGH 6 Ob 206/02s, EF 101.711; SZ 69/260; 5 Ob 30/01z, NZ 2002, 150. 48  Kralik, Erbrecht 320; Raber, JBl 1988, 220; Binder in Schwimann3 IV §§ 951, 952 Rz 24.

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Allgemeines

§ 951

Pflichtteilsberechtigte Beschenkte haften gem Abs 2 nur, soweit sie durch 13 die Schenkung mehr als den ihnen nach Einrechnung der Schenkung gebührenden Pflichtteil erhalten haben.49 Diese Haftungsbeschränkung ist nur auf Antrag, also nicht von Amts wegen wahrzunehmen.50 Sie kann auch nur von Personen geltend gemacht werden, die im Todeszeitpunkt anrechnungsberechtigt sind. Nur wer sich Zuwendungen unbefristet anrechnen lassen muss, kann auch die beschränkte Haftung nach §Â€951 Abs 2 für sich beanspruchen. Für den „eigenen Pflichtteil“ kann man sich danach nur dann einen Teil der Schenkung zurückbehalten, wenn man selbst ein Recht auf diesen Pflichtteil hat. Da der Pflichtteilsanspruch erst dann vererblich ist, wenn er angefallen ist, wenn also der Pflichtteilsberechtigte den Tod des schenkenden Erblassers erlebt hat, geht die Haftungsbeschränkung des Abs 2 nicht mit der Herausgabepflicht durch Universalsukzession auf den Erben über.51 Im übrigen wäre auch eine Neuregelung der vielbehandelten Frage der Haftungsbeschränkung nach §Â€951 Abs 2 in Fällen, in denen eine ursprünglich konkret pflichtteilsberechtigte Person im Todeszeitpunkt zwar nicht mehr pflichtteilsberechtigt, wohl aber anrechnungspflichtig ist,52 durchaus wünschenswert.53 Bei mehreren Beschenkten entscheidet der Zeitpunkt der Schenkung. Zu- 14 nächst ist der später Beschenkte heranzuziehen, weil das Gesetz von der Vermutung ausgeht, dass erst durch die spätere Schenkung dem Noterben gegenüber pflichtwidrig gehandelt wurde.54 Auf den früher Beschenkten ist nur dann zurückzugreifen, wenn die Ergänzung des Pflichtteils vom später Beschenkten allein nicht erlangt werden kann, gleichgültig ob der Anspruch gegen ihn dazu nicht ausreicht oder uneinbringlich ist. Gleichzeitig Beschenkte haften verhältnismäßig55, also nicht solidarisch. Doch ist einer der gleichzeitig Beschenkten nicht zahlungsfähig, so haften dennoch die anderen vor den früher Beschenkten.56 Es gelten also die gleichen Grundsätze wie nach §Â€947.57 Das Widerrufsrecht verjährt gem §Â€1487 in drei Jahren, wobei die Frist ab 15 dem Tod des Erblassers läuft, wenn die Pflichtteilsergänzung bei gesetzlicher Erbfolge in Anspruch genommen wird,58 andernfalls ab Testamentskundmachung, seit Inkrafttreten des AußStrG 2003 mit Zustellung des Übernahmeprotokolls (§Â€152 Abs 2 AußStrG idgF)59, es sei denn, der Beschenkte verhindert Stanzl in Klang2 IV/1, 627; Schubert in Rummel3 I §Â€951 Rz€2a. OGH 6 Ob 189/00p, EF 93.465; Bollenberger in KBB2 §Â€951 Rz€4. 51╇ Ausführlich dazu Müller, NZ 2005, 77. 52╇ Dazu Umlauft, NZ 1988, 91 ff; ders Anfechnung 318 ff; F. Müller, NZ 2005, 77 ff; LikarPeer in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 425 FN 150; auch Zankl, NZ 2001, 113 f. 53╇ Näheres bei Welser, NZ 1998, 44. 54╇ Binder in Schwimann3 IV §§Â€951, 952 Rz€22; Bollenberger in KBB3 §Â€951 Rz€5. 55╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 627; Schubert in Rummel3 I §Â€951 Rz€2; Binder in Schwimann3 IV §§Â€951, 952; Bollenberger in KBB3 §Â€951 Rz€5; Kralik, ErbR 308; OGH 6 Ob 189/00p; 8 Ob 79/04g, NZ 2006, 335. 56╇ Kralik, ErbR 308. 57╇ S dazu §Â€947 Rz€1 ff. 58╇ OGH 5 Ob 8/62, SZ 35/7; 6 Ob 202/67, SZ 40/117 = EvBl 1968/157; M. Bydlinski in Rummel3 II/3 §Â€1487 Rz€4; Binder in Schwimann3 IV §§Â€951, €32; W. Dehn in KBB2 §Â€1487 Rz€2; auch Stanzl in Klang2 IV/1, 627 (ohne die im Text folgende Differenzierung); s hiezu Klang in Klang2 VI 628. 59╇ Mader/Janisch in Schwimann3 IV §Â€1487 Rz€9; W. Dehn in KBB3 §Â€1478 Rz€2. 49╇ 50╇

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§ 952

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die Kenntnisnahme arglistig.60 Auf die Kenntnis des Berechtigten kommt es nicht an.61 Die Manifestationsklage unterbricht die Verjährung.62 Näheres in den Erl zu § 1487.

§ 952. Besitzt der Beschenkte die geschenkte Sache oder ihren Wert nicht mehr; so haftet er nur insofern, als er sie unredlicher Weise aus dem Besitze gelassen hat. Stammfassung JGS 1811/946.

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In den Fällen der §§  947 und 949 hat das Gesetz die Haftung des Beschenkten auf die noch vorhandene Bereicherung beschränkt. Der gleiche Grundsatz gilt nach § 952. Er hängt mit der Unentgeltlichkeit der Schenkung zusammen, die dazu führt, dass der Beschenkte zwar Schutz, aber doch geringeren genießt als der Vertragspartner eines entgeltlichen Vertrages. Unabhängig von einer Bereicherung haftet der Beschenkte, wenn er die geschenkte Sache oder ihren Wert in unredlicher Weise „aus dem Besitz gelassen“ hat, nämlich in Kenntnis oder wenigstens leicht fahrlässiger Unkenntnis der Verkürzung von Noterben1 und erst recht bei Verkürzungsabsicht2. Der unredliche Beschenkte haftet also mit seinem gesamten Vermögen, wenn er das Geschenk weitergegeben hat,3 der (fortdauernd) redliche haftet dann nicht, wenn er die Sache verbraucht oder verschenkt hat4, sofern nicht eine Bereicherung durch Ersparnis eigener Auslagen vorliegt. Dies betrifft insb den Fall, dass der Beschenkte mit der geschenkten Geldsumme eine Sache angeschafft hat, die er noch besitzt oder mit deren Erlös er eine weitere Sache erworben hat.5 Unredlich ist jedenfalls die Veräußerung nach Klagszustellung (§§ 338, 378). Es besteht also kein Pflichtteilsauffüllungsanspruch, wenn die geschenkte Sache oder ihr Wert nicht mehr im Vermögen des Beschenkten vorhanden ist OGH 6 Ob 202/67 SZ 40/117; Binder in Schwimann3 IV §§ 951, 952 Rz 32. EvBl 1993/177 uza; Binder in Schwimann3 IV §§ 951, 952 Rz 32; M. Bydlinski in Rummel3 II § 1487 Rz 4, auch Umlauft, Anrechnung 377 ff, aM Raber, JBl 1988, 137, 217, wonach es auf das Kennen oder Kennenmüssen der Anfechtungsmöglichkeit ankommen soll. Da aber in diesem Fall die Zeitspanne der Rechtsunsicherheit zu lang wäre (30 Jahre) muss dem Noterben der Sache nach eine Nachforschungsobliegenheit aufgelastet werden, wenn er keine über den Nachlasspflichtteil hinausgehenden Zuwendungen erhält. Auch spricht der Wortlaut des §  1487 (im Gegensatz zu demjenigen des § 1489) nicht vom Bekanntwerden des Anspruchs; Binder in Schwimann3 IV §§ 951, 952, Umlauft, Anrechnung 377. 62  SZ 40/117 = EvBl 1968/157; Schubert in Rummel3 I § 951 Rz 6; Binder in Schwimann3 IV §§ 951, 952 Rz 32. 1  Stanzl in Klang2 IV/1, 628; Schubert in Rummel3 I §952 Rz 1; Bollenberger in KBB3 § 952 Rz 2; OGH 7 Ob 595/93, SZ 67/50; 8 Ob 608/88, JBl 1989, 377; 6 Ob 290/02v, EvBl 2003/81; 9 Ob 57/07h, Zak 2009/208. 2  OGH 6 Ob 359/97f, SZ 71/112. 3  OGH 8 Ob 608/88, JBl 1989, 377; Schubert in Rummel3 I § 952 Rz 1. 4  OGH 5 Ob 231/72, EvBl 1973/143. 5  Bollenberger in KBB3 § 952 Rz 1; Schubert in Rummel3 I § 952 Rz 1; OGH 5 Ob 231/72, EvBl 1973/143. 60  61 

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Allgemeines

§§ 953, 954

und dieser nicht unredlich gehandelt hat. Wenn der Geschenknehmer die Sache erst nach Anhängigkeit des Pflichtteilsauffüllungsverfahrens weiter veräußert hat, ist die Unredlichkeit nicht mehr zu bezweifeln.6 Der Geschädigte hat den Beweis zu erbringen, dass er im entscheidenden 2 Zeitpunkt, nämlich als ihm die Pflichtteilsverkürzung infolge der Schenkung bekannt wurde oder infolge Fahrlässigkeit unbekannt blieb, nicht mehr bereichert war.7 Die Grundsätze des § 952 gelten nicht nur dann, wenn die Sache nicht mehr vorhanden ist (zB verschenkt, vernichtet, verarbeitet wurde), sondern auch dann, wenn ihr Zustand über die normale Abnützung hinaus in einer dem Beschenkten zurechenbaren Weise verschlechtert oder durch rechtliche Verfügungen in ihrem Befriedigungswert (etwa Einräumung von Dienstbarkeiten) herabgesetzt wurde.8 Über die Bewertung der geschenkten Sache siehe Erl zu § 785 und §§ 790 bis 794.

5. der Gläubiger; § 953. Unter eben dieser (§ 952) Beschränkung können auch diejenigen Geschenke zurückgefordert werden, wodurch die zur Zeit der Schenkung schon vorhandenen Geschenke zurückgefordert werden, wodurch die zur Zeit der Schenkung schon vorhandenen Gläubiger verkürzt worden sind. Auf Gläubiger, deren Forderungen jünger sind als die Schenkung, erstreckt sich dieses Recht nur dann, wenn der Beschenkte eines hinterlistigen Einverständnisses überwiesen werden kann. Stammfassung JGS 1811/946.

§  953 wurde durch die Anfechtungstatbestände der AnfO und KO, nun- 1 mehr IO, materiell derogiert.1

6. wegen nachgeborener Kinder. § 954. Dadurch, dass einem kinderlosen Geschenkgeber nach geschlossenen Schenkungsvertrage Kinder geboren werden, erwächst weder ihm, noch den nachgeborenen Kindern ein Recht, die Schenkung zu widerrufen. Doch kann er, oder das nachgeborene Kind, im Notfalle sowohl gegen den Beschenkten, als gegen dessen Erben das oben angeführte Recht auf die gesetzlichen Zinsen des geschenkten Betrages geltend machen (§ 947). Stammfassung JGS 1811/946. 6 

OGH 9 Ob 57/07h, Zak 2009/208. Stanzl in Klang2 IV/1, 628; Ehrenzweig, System II/12, 374; Schubert in Rummel3 I § 952 Rz 1; OGH 2 Ob 762/53 JBl 1954, 489. 8  OGH 1 Ob 1592/95 EF 78.463; Kralik, ErbR 308; Bollenberger 3 § 952 Rz 2. 1 Stanzl in Klang2 IV/1, 628; OGH 8 Ob 516, 517/92, SZ 65/98; Näheres bei Bollenberger in KBB3 § 953 Rz 1. 7 

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§ 954

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Das Kind muss dem kinderlosen Schenker nach der Schenkung geboren worden sein,1 andernfalls ist § 950 anzuwenden.2 Die frühere Zeugung schadet nicht, weil § 22 Ungeborene mit den Geborenen nur insoweit gleich behandelt wissen will, als es um „ihre und nicht um die Rechte eines Dritten zu tun ist“, also nur zu ihren Gunsten, nicht zu ihrem Nachteil. Für den nasciturus gilt also sowohl das Widerrufsrecht nach § 950 als auch jenes nach § 954.3 Der Ausdruck „Kinder“ ist im weiteren Sinne gebraucht, er umfasst also nicht nur die unmittelbaren Nachkommen des Schenkers, sondern gem §  40 auch die Enkel und überhaupt die ganze Nachkommenschaft. §  954 beschränkt das Widerrufsrecht nicht auf die ehelichen Nachkommen, vielmehr sind auch uneheliche Kinder einzubeziehen.4 Unbekannte (vor allem uneheliche) Kinder sind den nachgeborenen gleichzustellen.5 Die Annahme als Wahlkind begründet kein Widerrufsrecht,6 was damit begründet wird, dass sich hier wie bei der Schenkung um einen Vertrag handelt, daher „mehr im Bereich willentlicher Entscheidung liegt als die Kindeszeugung“ und überdies wieder beseitigt werden kann.7 Es muss ein Notfall vorliegen. Die Bestimmung ist jener des § 950 nahe 2 verwandt. Auch bei § 954 handelt es sich um Personen, zu deren Unterhalt der Schenker verpflichtet ist und deren Unterhalt ohne den Widerruf nicht bestritten werden kann. Nur in diesem Sinn ist der Notfall des § 954 zu verstehen.8 Widerrufen kann sowohl der Schenker als auch das Kind. § 954 gewährt nur ein teilweises Widerrufsrecht, und zwar das Recht auf 3 die gesetzlichen Zinsen vom geschenkten Betrag. In dieser Beziehung gilt infolge ausdrücklicher Verweisung das zu § 947 Gesagte. Geltend gemacht werden kann der Anspruch gegen den Bereicherten, also sowohl gegen den Beschenkten als auch gegen seine Erben. Nach dem Tod des Schenkers tritt zum Widerrufsrecht nach § 954 noch das weitergehende Recht wegen Verletzung des Pflichtteils nach § 951 hinzu. Inwieweit das Anfechtungsrecht nach § 954 den Rechtsbehelf der Anfechtung wegen Motivirrtums als Spezialnorm verdrängt, ist strittig.9 Dass übergangene nachgeborene Kinder nach §§  777 f besser gestellt werden als nach § 954, hängt einerseits damit zusammen, dass der Tod zur Weitergabe nötigt,10 andererseits damit, dass der Beschenkte in seinem Vertrauen auf die Rechtwirksamkeit des Geschäftes höheren Schutz genießen soll. Näheres zu den erbrechtlichen Regelungen s §§  777 f sowie §§ 985, 951. 1

Stanzl in Klang2 IV/1, 628; Bollenberger in KBB3 § 954 Rz 1. Schubert in Rummel3 I § 854 Rz 1. 3  Stanzl in Klang2 IV/1, 628; Bollenberger in KBB3 § 954 Rz 1. 4  Ehrenzweig, System II/12, 375; Stanzl in Klang2 IV/1, 628; Schubert in Rummel3 I § 954 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV § 954 Rz 3; Bollenberger in KBB3 § 954 Rz 1, 5  Binder in Schwimann3 IV § 954 Rz 3. 6  Stanzl in Klang2 IV/1, 628; Schubert in Rummel3 I § 954 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV § 954 Rz 3. 7  Binder in Schwimann3 IV § 954 Rz 3. 8  Stanzl in Klang2 IV/1, 629. 9  Dazu Kerschner, Irrtumsanfechtung, insbesondere beim unentgeltlichen Geschäft (1984) 3 § 954 Rz 2. 154 ff; Binder in Schwimann3 IV § 954 Rz 4; 10  Binder in Schwimann3 IV § 954 Rz 4. 1  2 

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Allgemeines

§§ 955, 956

Insgesamt ist die praktische Bedeutung des §Â€954 sehr bescheiden, da die Voraussetzungen (Notfall) streng sind und der Anspruch auf die gesetzlichen Zinsen beschränkt ist,11 aber auch wegen des engen Kreises der Anspruchsberechtigten.

Welche Schenkungen auf die Erben nicht übergehen. §Â€955. Hat der Geschenkgeber dem Beschenkten eine Unterstützung in gewissen Fristen zugesichert, so erwächst für die Erben derselben weder ein Recht, noch eine Verbindlichkeit: es müsste denn in dem Schenkungsvertrage ausdrücklich anders bedungen sein. Stammfassung JGS 1811/946.

Grundsätzlich gehen Rechte und Pflichten aus Schenkungen auf die Erben 1 des Schenkers und des Beschenkten über. Anderes gilt für in gewissen Fristen zugesicherte „Unterstützungen“. Bei diesen geht es in der Regel um freiwillige Unterhaltsleistungen, die meist zur Deckung des Lebensbedarfs oder auch als Hilfe in besonderen Lebenslagen.1 Solche Rechte sind im Zweifel höchstpersönlich, weil sie auf die Person zugeschnitten sind, und daher angenommen wird, dass sich der Schenker nur auf seine Lebenszeit und die des Bedachten verpflichten wollte, doch kann sich aus Natur und Zweck der Leistung auch anderes ergeben. Dies müsste jedoch ausdrücklich, dh deutlich vereinbart werden. Ob es sich hiebei um Geld- oder Sachwerte oder auch unentgeltliche Leistungen handelt, ist bedeutungslos.2 Auf Schenkungen, die in Raten auszuzahlen sind, ist §Â€955 nicht anÂ� 2 wendbar,3 ebensowenig auf im Todeszeitpunkt bereits fällige Leistungen. Stirbt allerdings einer der beiden Vertragspartner während einer Leistungsperiode, so ist die darauf entfallende Leistung im Zweifel in voller Höhe, jedoch erst nach Ablauf der Frist zu erbringen (§Â€687 analog).4

Schenkung auf den Todesfall. §Â€956. Eine Schenkung, deren Erfüllung erst nach dem Todes des Schenkers erfolgen soll, ist mit Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten als ein Vermächtnis gültig. Nur dann ist sie als ein Vertrag anzusehen, wenn der Beschenkte sie angenommen, der Schenkende sich des 11╇Schubert

in Rummel3 I §Â€954 Rz€1; Bollenberger in KBB3 §Â€954 Rz€2. Binder in Schwimann3 IV §Â€955 Rz€2 f. 2╇ Binder in Schwimann3 IV §Â€955 Rz€4; Bollenberger in KBB3 §Â€955 Rz€1. 3╇ Ofner, II 29 f; Stanzl in Klang2 IV/1, 629; Schubert in Rummel3 I §Â€955 Rz€1; BollenÂ�berger in KBB3 §Â€955 Rz€1. 4╇ Binder in Schwimann3 IV §Â€955 Rz€5. 1╇

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§ 956

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Befugnisses, sie zu widerrufen, ausdrücklich begeben hat, und eine schriftliche Urkunde darüber dem Beschenkten eingehändigt worden ist. Stammfassung JGS 1811/946. Lit: Ehrenzweig, Die Schenkung auf den Todesfall, FS zur Jahrhundertfeier des ABGB II (1911) 627; Kraßnigg, Die Beurkundung der Schenkung auf den Todesfall, NZ 1949, 40; Kastner, Eigentumsübergang nach zeitlichem Eigentum, NZ 1949, 71; Lanz, Über die Beurkundung der Schenkung auf den Todesfall, NZ 1949, 103; ders, Von der Schenkung auf den Todesfall, der Begründung einer fideikommissarischen Substitution unter Lebenden und des zeitlich befristeten Eigentums, NZ 1951, 114; Duller, Zweiseitige Rechtsgeschäfte auf den Todesfall, NZ 1954, 21; Weißberger, Entgeltliche Rechtsgeschäfte auf den Todesfall, NZ 1954, 52; Preslmayr, Versicherung und Nachlaß, JBl 1961, 402; Staufer, Das Aufgriffsrecht, NZ 1963, 33; Harder, Zuwendungen unter Lebenden auf den Todesfall (1968); Trenker, Die Schenkung auf den Todesfall, NZ 1969, 100; Apathy, Der Auftrag auf den Todesfall, JBl 1976, 393; Welser, Neue Rechenaufgaben vom Gesetzgeber, NZ 1978, 161; Eccher, Antizipierte Erbfolge (1980); Binder, Zur Konversion von Rechtsgeschäften (1982); Zankl, Lebensversicherung und Nachlass, NZ 1985, 83; Schauer, Zur Formpflicht der Vollmacht bei der Schenkung, NZ 1984, 185; Umlauft, Zur Frage der Verbücherungsfähigkeit von Besitznachfolgerechten, NZ 1985, 222; Hofmann-Wellenhof, Zivilrechtliche Probleme bei Erbvereinbarungen und Erbsauseinandersetzungen, in Ruppe² Familienverträge (1985) 877; Binder, Ableben eines betriebspensions- und abfertigungsberechtigten Arbeitnehmers, DRdA 1986, 58; Kurschel, Folgen des Zuwiderhandelns gegen einen Schenkungsvertrag auf den Todesfall, NZ 1986, 97; Hofmeister, Wiederkehr des familiengebundenen Liegenschaftseigentums? Erörterungen zur Verbücherung von „Besitznachfolgerechten“ und zur Theorie des „zeitlichen Eigentums“, in FS Kralik (1986) 377; Apathy, Letztwillige Zuwendung als Arbeitsentgelt, DRdA 1986, 311 (Entscheidungsglosse); Grabenwarter, Schenkung auf den Todesfall und Abhandlungspflege, ÖJZ 1988, 558; Welser, Erbverzicht und Schenkung auf den Todesfall, NZ 1991, 84; Binder, Abfertigung bei Tod des AN, in Runggaldier, Abfertigungsrecht (1991) 221; FischerCzermak, Veräußerungsverbot und Besitznachfolgerecht, GdS Hofmeister (1996) 169; H. Hoyer, Zeitlich begrenztes Eigentum und durch Vertrag?, GdS Hofmeister (1996) 283; Egglmeier, Zur Zulässigkeit auflösend bedingter Übereignung im österreichischen Recht, NZ 1997, 33; Zankl, Schenkung auf den Todesfall, Vermächtnisvertrag und „reines Viertel“, NZ 1997, 311; Schuhmacher, Inventarisierung der Lebensversicherung? NZ 1997, 381; Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte und ihre Erfüllung (1998); Zankl, Vertrag und Treuhand zugunsten Dritter auf den Todesfall, NZ 1998, 225; B. Jud, Schenkung auf den Todesfall und Berechnung des „freien Viertels“ beim Erbvertrag, NZ 1999, 268; Fischer-Czermak, Verträge auf den Todesfall zwischen Ehegatten und Scheidung, NZ 2001, 3; Binder, Zum Erfordernis des Widerrufsverzichts bei der Schenkung auf den Todesfall, FS Welser (2004) 76; Zankl, Entwicklungen im Erbrecht, FS Welser (2004) 1233; Ch. Rabl, Die Schenkung auf den Todesfall im Pflichtteilsrecht, NZ 2005, 129; Welser, Schenkung auf den Todesfall und Pflichtteilsrecht, NZ 2005, 161; Limberg, Privatstiftung und Erbrecht (2006); Oberhumer, Die Scheidung auf den Todesfall – kein Zwitter, NZ 2008, 129; Welser, Die Reform des österreichischen Erbrechts, 17.ÖJT Band II/2 (2009); Keinert, Kassatorische Klausel bei Schenkung auf den Todesfall?, JBl 2009, 217; Längle, Schenkung auf den Todesfall (2009).

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Vertrag und Vermächtnis

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Übersicht I. II. III. IV. V. VI. VII.

Vertrag und Vermächtnis Vererblichkeit und auflösende Bedingung Widerruf und Widerrufsverzicht Form Sicherung Erfüllung und ihre Durchsetzung Verwandte Verträge 1. Allgemeines 2. Einzelfälle a) Besitznachfolgerechte b) Übergabe auf den Todesfall c) Auftrag auf den Todesfall d) Abtretung auf den Todesfall e) Schulderlass auf den Todesfall f) Bezugsberechtigung in der Lebensversicherung

1–3 4–5 6–7 8–11 12–13 14–15 16–34 16–19 20–34 20 21–26 27–30 31 32 33–34

I. Vertrag und Vermächtnis Eine unentgeltliche Zuwendung auf den Todesfall kann auf zweierlei Wei- 1 se geschehen: durch Schenkung auf den Todesfall oder durch Vermächtnis (§§  647 ff). Der gängige Sprachgebrauch von Nichtjuristen nimmt es nicht immer sehr genau, wenn hier einfach vom „Verschenken“ einer Sache die Rede ist.1 Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass nach hM die Schenkung auf den Todesfall eine Mittelstellung zwischen den Geschäften unter Lebenden und von Todes wegen einnimmt,2 was nach einer gängigen, vereinfachenden Formel bedeutet, dass sie zu Lebzeiten des Schenkers wie ein Vertrag, nach seinem Tod aber wie ein Vermächtnis zu behandeln ist. Es geht hier vor allem darum, die Vereitelung des Pflichtteilsrechtes durch Schenkungen auf den Todesfall zu verhindern, wobei wie so oft die rechtspolitisch verunglückte Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 das Problem wesentlich verschärft, näheres s dort. Damit ist die Schenkung auf den Todesfall eine befristete Schenkung, die erst nach dem Tod des Schenkers aus dessen Nachlass erfüllt werden soll; dieser Umstand entscheidet und nicht, ob der Beschenkte den Schenker überlebt, es sei denn, dies ist ausdrücklich vereinbart.3 Auch Bedingungen können vereinbart werden, so lange sie nicht zu einer willkürlichen Entziehung des Zuwendungsobjekts durch den Schenker führen können oder den Beschenkten in seinen Persönlichkeitsrechten zu stark beschneiden.4 Ebenso ist auch die Koziol/Welser13 II 541. Koziol/Welser13 II 541; Jud, NZ 1999, 276; Schubert in Rummel3 I § 956 Rz 1; Jud, NZ 1999, 276; Binder, FS Welser 77; Welser, Erbrechtsreform 64: OGH 1 Ob 133/02v, ÖBA 2003, 787; 3 Ob 9/08g, ecolex 2008, 817 aM Kralik, ErbR 165 ff; Ch. Rabl, NZ 2005, 129; Oberhumer, NZ 2008, 129; vgl auch Bollenberger, KBB2 § 956 Rz 2 und 4. 3  OGH 8 Ob 569, 570/83, JBl 1985, 290; Koziol/Welser13 II 542; aM Kralik, ErbR 168. 4  Welser, NZ 2005, 164 ff; Koziol/Welser13 II 542; Binder in FS Welser 85 f; sa unter Rz 2; auch Schubert in Rummel3 I § 956 Rz 2 und OGH 8 Ob 569, 570/83, SZ 57/91 = EvBl 1984/159 = JBl 1985, 290. 1  2 

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Vereinbarung einer kassatorischen Klausel zulässig, solange dadurch nicht der Zweck des Widerrufsverzichtes umgangen wird.5 Keine Schenkung auf den Todesfall, sondern Schenkung unter Lebenden liegt vor, wenn die Sache ins Eigentum des Beschenkten übertragen wurde, der Schenker sich aber den Fruchtgenuss oder die Verwahrung der geschenkten Sache zu Lebzeiten vorbehalten hat.6 Umgekehrt liegt eine Schenkung auf den Todesfall vor, wenn die Sache zwar noch zu Lebzeiten in Erfüllung des Vertrages übergeben wird, die Wirkung dieser Handlung aber erst im Zeitpunkt des Todes eintreten soll.7 Die Behandlung der Schenkung auf den Todesfall „wie“ ein Vermächtnis vermeidet aber nicht nur die gesamte Problematik der Anrechnung, sondern erspart in durchaus sachgerechter Weise auch dem Gläubiger die mühevolle Geltendmachung des Anfechtungsrechtes.8 Wegen der im Verhältnis zum Erbvertrag höheren Bestandfestigkeit erfreut sich die Schenkung auf den Todesfall trotz der zahlreichen Streitfragen und Unklarheiten großer Beliebtheit in der Praxis.9 Das hat dazu geführt, dass mehrere alte Diskussionen wieder aufgenommen worden sind, obwohl die herrschende Meinung insgesamt zu brauchbaren Ergebnissen gekommen ist.10 Diskutiert wurde vor allem die Rechtsnatur der Schenkung auf den TodesÂ�fall und den Umfang der Zulässigkeit von Bedingungen. Die Angriffe auf die hM waren vor allem vom Bestreben getragen, die Stellung des Bedachten bei der Schenkung auf den Todesfall derjenigen bei der Schenkung unter Lebenden anzunähern,11 was allerdings konsequenterweise vor allem eine Schlechterstellung des Schenkers und der Verlassenschaftsgläubiger mit sich bringt. Die Schenkung auf den Todesfall kann sich sowohl auf gegenwärtiges als auch auf zukünftiges Vermögen beziehen.12 Auch künftiges Vermögen, das erst zwischen Abschluss des Vertrages und dem Tod erworben wird, kann verschenkt werden.13 Insoweit ist darauf die Beschränkung des §Â€944 anzuwenden, wonach bei Verschenkung des künftigen Vermögens nur zur Hälfte zulässig ist. Daneben ist die Schranke des §Â€1253 (analog) zu beachten, wonach das „reine Viertel“ des Nachlasses für testamentarische Verfügungen frei bleiben Keinert, JBl 2009, 217. Stanzl in Klang2 IV/1, 630. 7╇ Weiß in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 311; sa Rz€14. Eine andere Frage ist, ob diese Schenkung auf den Todesfall auch formgültig zustande gekommen ist. Vor allem ist schwer einsehbar, warum die Geschenkgeber die Sache unwiderruflich übergeben, den Eigentumsübergang aber bis zu seinem Tode aufschieben will, s Koziol/Welser13 II 544; Hofmann-Wellenhof in Ruppe, FamiÂ� lienverträge2 885; Weiß in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 327. 8╇ Zuletzt ausdrücklich Welser, Erbrechtsreform 64; auch Weiß in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 316 f. 9╇ Vgl zuletzt nur Binder, FS Welser 77; Welser, Erbrechtsreform 64. 10╇ Welser, Erbrechtsreform 64 ff. 11╇ Dazu Binder, in FS Welser 77; Oberhumer, NZ 2008, 129; Rabl, NZ 2005, 129; Jud, NZ 2004, 321; gegen diese Tendenzen im Einklang mit der Rsp schon Welser, NZ 1991, 84, ders, NZ 2005, 161 und zuletzt in Erbrechtsreform 64 ff. 12╇ Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€24; aM Waldhör, NZ 1998, 1989. 13╇ Koziol/Welser13 II 542; OGH 1 Ob 133/02v, NZ 2003,147 (Mondel). 5╇ 6╇

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Vererblichkeit und auflösende Bedingung

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muss. Maßgeblich ist die jeweils höhere Beschränkung.14 Hier sind zahlreiche Einzelfragen umstritten.15 Bei der Schenkung auf den Todesfall und beim Vermächtnis geht der Wille 2 des Schenkers (Erblassers) dahin, dem Beschenkten (Vermächtnisnehmer) die geschenkte (vermachte) Sache zuzuwenden; ferner soll hier wie dort der Be­ dachte die Sache erst nach dem Tode des Zuwenders bekommen. Daraus folgt, wie auch der erste Satz des §Â€956 deutlich ausdrückt, dass eine wegen Form­ mangels ungültige Schenkung auf den Todesfall in ein Vermächtnis umgedeu­ tet werden kann, sofern die Form der letztwilligen Verfügungen eingehalten worden ist.16 Der wesentliche Unterschied zwischen Vermächtnis und Schenkung auf den Todesfall liegt darin, dass jenes eine einseitige, letztwil­ lige Verfügung ist, diese aber ein Vertrag. Während also beim Vermächtnis der Widerruf im Belieben des Erblassers steht, kann bei der Schenkung auf den Todesfall der Schenker seine Einwilligung, wie überhaupt beim Vertrag, nicht zurücknehmen.17 Wohl aber können Schenkungen auf den Todesfall nach den §§Â€946 ff widerrufen werden.18 Fehlt ein Widerrufsverzicht, so ist der Vertrag zur Gänze ungültig,19 er 3 kann lediglich gegebenenfalls in ein Vermächtnis konvertiert werden. Näheres unter Rz€6 f.

II. Vererblichkeit und auflösende Bedingung Die Schenkung auf den Todesfall entfaltet ihre eigentliche Wirkung erst 4 mit dem Ableben des Geschenkgebers, bis dahin bleibt das auf den Todesfall Geschenkte im Vermögen des Geschenkgebers.20 Der Tod des Beschenkten bleibt daher nicht anders als bei der Schenkung unter Lebenden auf die Ver­ bindlichkeit des Schenkers ohne Einfluss. Die Verpflichtung des Schenkers geht auf seine Erben über. Umgekehrt geht, sofern nicht das Überleben des Beschenkten zur Bedingung gemacht oder überhaupt Unvererblichkeit verein­ bart ist, auch dessen Anspruch auf seine Erben über.21 Ebenso können die Par­ teien bei einer Schenkung unter Lebenden für den Fall des Todes des Be­ schenkten bestimmen, dass die Sache einem anderen zufallen (fideikommissa­ rische Substitution) oder an den Schenker zurückfallen soll.22 Die Schenkung Zankl, 1997, 313 f. Zankl, NZ 1997, 311; B. Jud, NZ 1999, 268; Fischer-Czermak, NZ 2001, 3; Binder in FS Welser 83 ff und ders in Schwimann3 IV §Â€956 €24; auch Weiß in Ferrari/Likar-Peer, Erb­ recht 319 f. 16╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 630; Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€1. 17╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 630; Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€1; Näheres unter Rz€6 f. 18╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 630; Schubert in Rummel3 I §Â€956 €2; Bollenberger in KBB3 §Â€956 Rz€5. 19╇ Kralik, ErbR 168; Welser, NZ 1991, 86; Binder in Schwimann3 IV §Â€ 956 Rz€ 32; OGH 2 Ob 639/90, EF 66.296. 20╇ Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€1; Koziol/Welser13 II 542; NZ 2001, 308; OGH 1 Ob 133/02v, NZ 2003, 147 (Mondel); 4 Ob 246/99a, SZ 72/143; 4 Ob 2029/99a, SZ 69/108. 21╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 630; Bollenberger in KBB3 §Â€ 956 Rz€2; Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€1; OGH 8 Ob 569/83, SZ 57/91 = JBl 1985, 290 = EvBl 1984/159. 22╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 630. 14╇ 15╇

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unter Lebenden kann auch in anderer Weise bedingt sein, so dahin, dass die Sache im Fall der Wiedergenesung des Schenkers zurückgegeben soll. Entscheidend ist in jedem Fall der Parteiwille. Die Schenkung auf den Todesfall ist zwar kein bedingungsfeindliches 5 Rechtsgeschäft,23 Voraussetzung der Zulässigkeit einer auflösenden Bedingung ist allerdings deren Vereinbarkeit mit dem Widerrufsverzicht als gesetzlicher Voraussetzung des Rechtsinstitutes; dazu Näheres unter Rz€6 f. Deren Zweck ist neben einer erheblichen Warnfunktion die Wahrung der Abgrenzbarkeit zum Vermächtnis und der Schutz des Vertrauens des Begünstigten auf eine bestimmte Zuwendung beim Tod des Schenkenden. Es dürfen also keine Bedingungen vereinbart werden, die geeignet sind, diese gesetzliche Schranke zu umgehen. Das trifft jedenfalls auf reine Potestativbedingungen zu, aber auch auf Bedingungen, deren Eintritt oder Nichteintritt vom Schenker leicht kalkuliert werden können, weil sie typische Folgen eines bestimmten von ihm gesetzten Verhalten sind. Beispiele dafür sind Fälle, in denen die Veräußerung der Sache durch ihn als auflösende Bedingung gelten soll, aber auch die Bedingung, dass der Beschenkte bis zu seinem Tod mit dem Beschenkten „eine harmonische Ehe führt“ oder in einem bestimmten Zeitraum keiner der beiden Vertragsteile eine Klage auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe erhebt. Die gleichen Kriterien sind anzuwenden, wenn der Vertrag mit mehreren Personen geschlossen wird oder wenn zu dessen Wirksamwerden die Zustimmung einer anderen Person, zB die Genehmigung einer Behörde, erforderlich ist (Quasi-Potestativbedingungen).24

III. Widerruf und Widerrufsverzicht 6

In engstem Zusammenhang mit der Zulässigkeit des Abschlusses der Schenkung auf den Todesfall unter einer auflösenden Bedingung steht diejenige der Zulässigkeit des Abschlusses unter Widerrufsverzicht. §Â€956 ordnet ausdrücklich als Gültigkeitsvoraussetzung25 für die Schenkung auf den Todesfall an, dass der Schenkende „sich des Befugnisses, sie zu widerrufen, ausdrücklich begeben hat“, was allerdings nur den freien Widerruf betrifft, aber den Widerruf nach §§Â€947 ff nicht hindert.26 Wegen der Mittelstellung der Schenkung auf den Todesfall zwischen Geschäften unter Lebenden 23╇ Jud, NZ 2004, 321ff; Welser, NZ 2005, 161 und ders, Erbrechtsreform 67; Keinert, JBl 2009, 229 ff. 24╇ OGH 8 Ob 569/83, SZ 57/91 = EvBl 1984/159 = JBl 1985, 290; 8 Ob 107/05a, SZ 2007, 151= ecolex 2006, 879 = EF 114.072 = EvBl 2006/179 = RdW 2007, 151; Stanzl in Klang2 IV/1, 630 f; Kralik, Erbrecht 168; Welser, NZ 1991, 84; ders, NZ 2005, 161; ders, Erbrechtsreform 66 f; Jud, NZ 2004, 321; Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€24 ff, ders, FS Welser 77ff; Bollenberger in KBB3 §Â€956 Rz€3, Keinert, JBl 2009. 210 ff; Kralik ist hier allerdings besonders restriktiv (großzügiger und wie im Text SZ 57/91), wogegen Jud und Binder umgekehrt eine möglichst weitgehende Angleichung der Rechtsfolgen der Schenkung unter Lebenden und derjenigen auf den Todesfall anstreben. Näheres unter Rz€6 f. 25╇ Zur Frage des Verzichtes auf den Widerruf als Gültigkeitsvoraussetzung s unter Rz€7. 26╇ OGH 5 Ob 588/76, SZ 49/75; Bollenberger in KBB3 §Â€956 Rz€2; Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€2; Weiß in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 313.

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Form

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und von Todes wegen hat der Widerrufsverzicht eine besondere Warnfunk­ tion und dient der Rechtsklarheit.27 Er dient der Abgrenzung zum Vermächtnis und schützt das Vertrauen des Schenkers wie es sonst nur ein Erbvertrag kann.28 Der Widerrufsverzicht kann daher nicht als bloße Formvorschrift gewertet werden.29 Er kann auch nicht durch Aufstellung von auflösenden, reinen Potestativbedingungen zugunsten des Geschenkgebers umgangen werden, ebensowenig durch auflösende Bedingungen, deren Eintritt oder Nichteintritt zwar auch von anderen Umständen abhängig ist, diese aber schon bei Vertragsabschluss vom Geschenkgeber leicht kalkuliert werden können, vor allem wenn sie typische Folgen seines eigenen Verhaltens sind.30 Ganz allgemein für die Zulässigkeit beschränkt widerrufbarer Schenkungen auf den Todesfall spricht sich Binder aus.31 Nach der Rsp des OGH kann der Widerrufsverzicht auch in Form der Einräumung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes abgegeben werden, weil damit die Warn- und die Beweisfunktion des Widerrufsverzichtes erfüllt sind.32 Wird eine Schenkung auf den Todesfall abgeschlossen, die keinen Wider- 7 rufsverzicht oder eine insofern unzulässige auflösende (Potestativ-)Bedingung enthält, so würde eine bloße Teilungültigkeit dem Geschenkgeber die Möglichkeit des jederzeitigen freien Widerrufs einräumen. Damit würde ein Vermächtnis ohne rechtlich gefestigte Stellung, ohne Vertrauensschutz vorliegen, sodass von einer Gesamtungültigkeit ausgegangen werden muss. Ein Abwarten, ob die Schenkung letztlich doch widerrufen wird oder nicht, kommt unter diesen Umständen schon aus Rechtssicherheitsgründen nicht in Betracht. Der Widerrufsverzicht ist „abstrakt“ und für den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu prüfen.33 Aus diesem Grund ist auch die Vereinbarung einer „Schenkung auf den Überrest“ problematisch.34

IV. Form Wie jeder Schenkungsvertrag ohne wirkliche Übergabe bedarf auch die 8 Schenkung auf den Todesfall des Notariatsaktes. Die Vorschrift im zweiten Satz des § 956, wonach eine Schenkung auf den Todesfall nur gültig ist, wenn 27 

78 ff.

Noch wichtiger zur Zeit der Erlassung des ABGB: Jud, NZ 2004, 322 f; Binder, FS Welser

28 

Siehe auch unter Rz 7 und 8 ff. OGH 8 Ob 107/05a, SZ 2007, 151 = ecolex 2006, 897 = EF 114.072 = EvBl 2006/179 = RdW 2007, 151 unter ausdrücklicher Ablehnung der abweichenden Auffassung Juds, NZ 2004, 323; wie im Text auch Welser, NZ 2005, 161 ff und Keinert, JBl 2009, 217. 30  S oben unter Rz 1; Welser, Erbrechtsreform 67; aM Binder, FS Welser 81. 31  Näheres in Binder, FS Welser 67 ff. 32  OGH 7 Ob 135/99z, JBl 2000, 48 = NZ 2000, 15; Bollenberger in KBB3 §  956 Rz  3; Keinert, JBl 2009, 220. 33 Welser, NZ 2005, 166; aM Binder 34  Zankl, NZ 1997, 311f; Fischer-Czermak, NZ 2001, 8 f; Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte 68 FN 62. Milder, soweit sich ein solcher Überrest nur als sachlich oder betragsmäßig 3 IV § 956 Rz 24 f. beschränkter Widerruf darstellt, Binder, FS Welser 85 und ders 29 

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dem Beschenkten darüber eine schriftliche Urkunde ausgehändigt worden ist, ist durch §Â€1 Abs 1 lit d NotZwG, nunmehr §Â€1 Abs 1 lit d NotAktsG, materiell derogiert worden. Daher ist auch die Übergabe einer Ausfertigung des Nota­ riatsakts an den Beschenkten als Gültigkeitserfordernis nicht vorgeschrieÂ�ben.35 Die Abgabe des Widerrufsverzichts ist als solcher zwar Gültigkeitserfor­ 9 dernis und nicht Formvorschrift,36 doch hat der Notariatsakt die Annahme und den Widerrufsverzicht zu enthalten.37 Anbot der Schenkung und Verzicht auf den Widerruf durch den Schenker sowie Annahme durch den Beschenkten müssen nicht in einem einheitlichen Notariatsakt enthalten sein; es können auch mehrere, in deutlichem inhaltlichen Zusammenhang stehende Urkunden errichtet werden; die einseitige Erklärung des Geschenkgebers zu verzichten, genügt allerdings nicht.38 Seit der Einfügung des Abs 1a in §Â€69 NO durch die Nov BGBl 1993/692 genügt für den Abschluss eines Schenkungsvertrages eine nach §Â€69 Abs 1 NO beglaubigte Vollmacht, sofern darin der rechtsge­ schäftliche Vorgang genannt ist. Ein Notariatsakt ist somit nicht erforderlich.39 Eine nachträgliche Erweiterung der Schenkung ist formpflichtig40, eine nachträgliche Herabsetzung ist formfrei.41 Etwas unklar ist die Rsp zur Frage der Formpflicht von gemischten 10 Schenkungen. Voraussetzung ist hier jedenfalls das Vorliegen eines Einver­ ständnisses der Parteien über die (teilweise) Unentgeltlichkeit. Die Rsp ver­ langt darüber hinaus, dass sich dies schon aus der Urkunde ergibt, widrigen­ falls ein entgeltliches Geschäft angenommen wird.42 Die Rsp bejaht mit Recht die Anwendbarkeit der Formpflicht, tendiert aber nach der Trennungstheorie dahin, auf das Überwiegen des entgeltlichen bzw unentgeltlichen Teils abzu­ stellen.43 Vor allem ein „Gerade-noch Überwiegen“ kann aber zu einer gravie­ renden und ungerechtfertigten Benachteilung einer Partei führen, sodass es iSd sonst hM zweckmäßiger erscheint, die Formpflicht für den unentgeltlichen Teil zu bejahen, wenn er – was der Regelfall ist – ohne Zerreißung des inneren Zusammenhanges abspaltbar ist. Andernfalls ist das gesamte Rechtsgeschäft formungültig; s dazu §Â€943 21. Stanzl in Klang2 IV/1, 631. Dazu oben unter Rz€6. 37╇ OGH 8 Ob 569/83, SZ 57/91 = EvBl 1984/159 = JBl 1985, 290; Bollenberger, KBB2 §Â€956 Rz€2; Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€14; Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€2. 38╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 631; Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€14; Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€2; OGH 1 Ob 581/77, RZ€1978, 12; 8 Ob 569/83, SZ 57/91 = EvBl 1984/159 = JBl 1985, 290. 39╇ OGH 4 Ob 19/01z, NZ 2001, 377; Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€14; insofern über­ holt daher die E 8 Ob 589/83, SZ 57/91. 40╇ OGH 5 Ob 34/84, SZ 57/118; Bollenberger in KBB3 §Â€956 Rz€3. 41╇ OGH 2 Ob 123/01d, ecolex 2001, 745; Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€14; Bollenberger in KBB3 §Â€956 Rz€3. 42╇ OGH 5 Ob 145/86, SZ 59/174 (mit Recht abl Hofmeister, NZ 1987, 164; Pfersmann, ÖJZ 1989, 388 und Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€15); 5 Ob 141/94, NZ 1995/342 (GBSlg); 5 Ob 2249/96p, NZ 1996, 206. 43╇ Dazu die in der vorigen FN zitierte Judikatur und Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€15; vorsichtig vermittelnd Weiß in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 311 f. 35╇ 36╇

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Sicherung

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Nach der Rsp soll der schenkungsweise Schulderlass auf den Todesfall 11 formfrei sein.44 Begründet wird dies im Anschluss an Stanzl45 mit dem Argument, dass es sich hier um keine Schenkung auf den Todesfall handle, überhaupt nur um einen formfreien Verzicht auf die Vererblichkeit und schließlich um eine Schenkung unter Lebenden, weil sofort auf das in der künftig fällig werdenden Forderung bestehende Vermögensrecht verzichtet werde. Gegen diese begrifflichen Argumente, hinter denen in Wahrheit fragwürdige Praktikabilitätserwägungen stehen, spricht zunächst, dass die schenkungsweise Zession sehr wohl formpflichtig ist, obwohl sich auch hier genauso gut damit argumentieren ließe, dass die Abtretung an sich formfrei ist und schon im Konsens „wirkliche Übergabe“ zu erblicken sei. Da wie dort besteht die gleiche Notwendigkeit einer sinnfälligen Warnung für den Geschenkgeber und erst recht für den Gläubiger. Der Umstand, dass die Schenkung auf den Todesfall eine Mittelstellung zwischen Geschäften unter Lebenden und solchen von Todes wegen einnimmt, vermehrt nur die Schwierigkeiten, weil der verstorbene Geschenkgeber vor Gericht nicht mehr befragt werden kann; siehe dazu auch unten unter Rz€14 und 15.

V. Sicherung Zu Lebzeiten des Geschenkgebers steht dem Beschenkten einerseits kein 12 Erfüllungsanspruch zu, andererseits ist der Geschenkgeber nicht an einer Verfügung mit dinglicher Wirkung gehindert. Wird auf diese Weise die Erfüllung der Schenkung auf den Todesfall vereitelt, so kann der Beschenkte nach dessen Tod jedenfalls die Verlassenschaft (nach der Einantwortung den Erben) auf Schadenersatz in Anspruch nehmen.46 Bei Verleitung zum Vertragsbruch – bloße Kenntnis des Dritten vom Vertrag reicht nicht aus – kann der Beschenkte auch vom Dritten Schadenersatz begehren,47 es sei denn, das Forderungsrecht des Beschenkten ist durch Besitz qualifiziert.48 Allenfalls kann der Geschenknehmer auch das stellvertretende Commodum begehren.49 Ein Schadenersatzanspruch des Beschenkten gegen den Geschenkgeber zu dessen Lebzeiten wird im Wesentlichen mit der Begründung verneint, dass sich in diesem Zeitpunkt die Höhe des Schadens noch nicht abschätzen lässt.50 Dieses Argument lässt sich zwar gegen die Zulässigkeit einer Leistungsklage ins Treffen führen, nicht aber gegen die Gewährung einer Feststellungsklage nach §Â€228 ZPO. 44╇ OGH 5 Ob 2248/96, EvBl 1997/47; Stanzl in Klang2 IV/1, 634; Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€2; Bollenberger in KBB3 §Â€956 Rz€3; kritisch Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€16, Dullinger in Rummel3 II/2 §Â€1444 Rz€8 und Fenyves in Ruppe, Familienverträge2 77 f. 45╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 634. 46╇ OGH 7 Ob 589/84, NZ 1985, 69; Ehrenzweig, System II/22, 566, Kralik, Erbrecht 168; Eccher, Antizipierte Erbfolge 127; Kurschel, NZ 1986, 98 f; Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€41; Bollenberger in KBB3 §Â€956 Rz€5. 47╇ OGH 7 Ob 589/84, NZ 1985, 69; Kurschel, NZ 1986, 98 f; Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€8; Bollenberger in KBB3 §Â€956 Rz€5. 48╇ OGH 7 Ob 589/84, NZ 1985, 69 (zust Kurschel, NZ 1986, 97 und Grabenwarter, ÖJZ 1988, 560); Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€8; Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€42; Bollenberger in KBB3 §Â€956 Rz€5 49╇ Bollenberger, Das stellvertretende Commodum (1999) 42; Bollenberger in KBB3 §Â€956 Rz€5. 50╇ Kurschel, NZ 1986, 99; Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€34.

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Die grundbücherliche Anmerkung einer Schenkung auf den Todesfall ist unzulässig, weil dadurch weder persönliche Verhältnisse ersichtlich gemacht noch bestimmte damit gesetzlich verbundene Rechtswirkungen begründet werden (§Â€20 GBG)51, dennoch eingetragene Anmerkungen bleiben aber nicht wirkungslos.52 Gehört der Beschenkte zum Personenkreis des §Â€364c, so kann ein Belastungs- und Veräußerungsverbot mit dinglicher Wirkung eingetragen werden,53 das in Notariatsaktsform vereinbart werden muss.54 Ohne Beschränkung auf diesen Personenkreis kommen auch vorbeugende Unterlassungsklagen in Betracht,55 die nach Anspruchs- und Gefährdungsbescheinigung (drohende Veräußerung) durch einstweilige Verfügungen gesichert werden können.56

VI. Erfüllung und ihre Durchsetzung 14

Mit dem Tode des Geschenkgebers geht das Eigentum nicht sofort in das Eigentum des Beschenkten über. Dass gerade bei der hinsichtlich der Übergabeerfordernisse erschwerten Schenkung (§Â€943), die sonst nur bei Untunlichkeit der körperlichen Übergabe gestattete Übergabe durch Zeichen (§Â€427) in allen Fällen zulässig wäre, kann nicht angenommen werden.57 Vielmehr ist die Schenkung danach erst zu erfüllen, dh die Sache dem Beschenkten ins Eigentum zu übergeben.58 War sie ihm bereits zu Lebzeiten zur Verwahrung, Verwaltung oder Nutzung übergeben, so kommt eine Übergabe kurzer Hand in Betracht. Soweit diese Erklärung durch die Verlassenschaft oder die Erben abgegeben wird, ist dies unproblematisch, die Praxis akzeptiert aber auch eine Vorwegerklärung durch den Geschenkgeber.59 Begründet wird dies damit, dass infolge des durch den Tod des Schenkers entstehenden Anspruchs auf Übertragung der Sache in sein Eigentum zur bereits erfolgten Übergabe der Titel zum Eigentumserwerb hinzutrete, sodass die Sache, ohne erst Nachlassbestandteil zu werden, in das Eigentum des Beschenkten übergehe. Nach dem Tod des angeblichen Geschenkgebers bliebe als Beweismittel aber meist nur die Aussage des Innehabers der Sache, der zu erklären haben wird, warum der Ge51╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 631; Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€34; Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€8. 52╇ OGH 2 Ob 451/54, JBl 1955, 120; Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€8; Binder in Schwimann3 §Â€956 Rz€34; vgl auch Kurschel, NZ 1986, 97 ff; Bartsch, GBG 7. Aufl 353. 53╇ Stanzl in Klang2 IV/2, 631; Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€8; Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€34. 54╇ Gschnitzer in Klang2 IV/1, 254; Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€8; OGH 5 Ob 34/84, SZ 57/118 = NZ 1984, 199. 55╇ OGH 5 Ob 588/76, SZ 49/75 = JBl 1977, 258; Kurschel, NZ 1986, 97 ff; Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€34; Bollenberger in KBB3 §Â€956 Rz€5. 56╇ OGH 5 Ob 588/76, SZ 49/75 = JBl 1977, 258; Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€8; Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€34. 57╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 632; Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€3. 58╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 632; Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€3; Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€37; OGH 3 Ob 1030/90, EF 63.181. 59╇ Dagegen Rabl, NZ 1999, 139 f unter Berufung auf Ehrenzweig FS ABGB II 666 (gegen GlU 12.794) und Demelius, RabelsZ 1956, 334 f (gegen 2 Ob 364/48 SZ 22/2); dafür Stanzl in Klang2 IV/1, 632 und Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€37.

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Erfüllung und ihre Durchsetzung

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schenkgeber die Sache unwiderruflich übergeben, den Eigentumsübergang bis zu seinem Tod aufschieben will.60 Bei Liegenschaften wird die Einverleibung gefordert.61 Hier soll es genügen, dass der Beschenkte auf Grund der Aufsandungserklärung des Geschenkgebers im Notariatsakt und des Totenscheins ohne abhandlungsbehördliche Genehmigung die Einverleibung begehrt.62 Diese beiden Ausnahmen vom Grundsatz des bloß schuldrechtlichen Anspruches des Geschenknehmers, der nur mit Mitwirkung des Nachlasses erfüllt werden kann, hat den Vorteil der Einfachheit, problematisch ist aber, dass dem Geschenknehmer die Möglichkeit geboten wird, aufgrund eines formgültigen Rechtsgeschäfts die Sache am Verlassenschaftsgericht und damit an den dort lauernden Verlassenschaftsgläubigern vorbeizuschleusen. Es ist inkonsequent, wenn die Vorlage der abhandlungsbehördlichen Legitimation beim Grundbuchsgericht für nicht nötig angesehen wird, weil für ein Einschreiten des Abhandlungsgerichtes kein Anlass bestehe,63 und der Beschenkte (grundsätzlich) kein Recht auf Einflussnahme auf den Gang des Verlassenschaftsverfahren habe, andererseits aber die Aufnahme des Schenkungsobjekts in das Nachlassinventar zu fordern,64 auch wenn damit keine konstitutiven, über das Verlassenschaftsverfahren hinausgehenden Rechtsfolgen verbunden sind. Es ist daher ein solches selbst dann durchzuführen, wenn der Erblasser sein gesamtes Vermögen auf den Todesfall verschenkt hat.65 Da die Schenkung mit Tod des Geschenkgebers wirksam wird, fällt nach 15 einhelliger Auffassung das Geschenk jedenfalls zunächst in seinen Nachlass,66 und der Anspruch des Beschenkten richtet sich gegen diesen und nach der Einantwortung gegen den Erben.67 Strittig ist allerdings die Behandlung dieses Rechtsgeschäfts bei der Pflichtteilsermittlung und damit auch im Verlassenschaftsverfahren, nämlich als Zuwendung unter Lebenden oder als solche aus dem Nachlass. Nach einem großen Teil der Lehre und der älteren Rsp wurde die Schenkung auf den Todesfall wie eine solche unter Lebenden behandelt und daher §Â€785 angewendet.68 Die neuere Judikatur und ein Teil der Lehre behandelt sie hingegen mit gutem Grund bei der Pflichtteilsermittlung wie ein Vermächtnis69, 60╇ Koziol/Welser13 II 544; Hofmann-Wellenhof in Ruppe, Familienverträge2 885; Weiß in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 327. 61╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 632; Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€3; Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€37. 62╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 632; Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€3; Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€37; dagegen Rabl, NZ 1999, 139 f wie in FN 56. 63╇ GlU 12.794; OGH 1 Ob 82/62, EvBl 1962/285. 64╇ Rabl, NZ 1999, 137 ff; Binder in Schwimann3 IV §Â€956 €38; unklar Grabenwarter, ÖJZ 1988, 559. 65╇ OGH 1 Ob 133/02v, NZ 2003/41 (Mondel); Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€38. 66╇ Zuletzt OGH 2 Ob 208/09s, iFamZ 2010/166. 67╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 631; Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€3; Bollenberger in KBB2 §Â€956 Rz€4; OGH 1 Ob 586/92, SZ 65/113. 68╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 632; Eccher, Antizipierte Erbfolge 125 ff; Gschnitzer, Erbrecht2 99; Kralik, Erbrecht2 168; Kurschel, NZ 1986, 98 f; 69╇ So schon Ehrenzweig, System II/22, 566; Welser, NZ 1978, 161; Umlauft, Anrechnung 162 ff; Limberg, Privatstiftung und Erbrecht 38 ff; Koziol/Welser13 II 543; Welser in Rummel3 I §Â€787 Rz€1; OGH 7 Ob 615/80, JBl 1981, 593; 1 Ob 726/85, NZ 1986, 210 (zust Czermak); 4 Ob 2029/96b, SZ 69/108;4 Ob 246/99a, EvBl 2000/50 = NZ 2000, 170 (Zankl); 9 Ob 98/01d,

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sodass der Wert der geschenkten Sache bei der Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigen ist.70 Damit soll vor allem den Gläubigern der notorisch mühselige Weg der Rechtsdurchsetzung mit Hilfe des Anfechtungsrechtes erspart werden. Dazu kommt, dass aus systematischen Gründen das Wirksamwerden eines unentgeltlichen Geschäftes mit dem Tod des Erblassers die Zuwendung nach diesem Zeitpunkt als solche von Todes wegen zu behandeln ist, das geschenkte Vermögen daher in diesem Zeitpunkt zum Nachlass gehört. Auf der anderen Seite bleibt der Erblasser bis zum Tod Eigentümer und kann die Sache wirksam veräußern.71 Die Konsequenz aus dieser Auffassung ist, dass für den Zweck der Pflichtteilsberechnung die auf den Todesfall geschenkte Sache nicht in das Nachlassinventar als Aktivum aufzunehmen und als gleichwertiges Passivum die Schuld des Beschenkten aufzunehmen ist.72 Vielmehr sind die Passiva aus dem Schenkungsvertrag für die Pflichtteilsermittlung nicht abzuziehen. Die Anwendbarkeit der Kürzungsvorschrift des § 783 wird überwiegend abgelehnt,73 was aber mit der neueren Judikatur der Behandlung der Schenkung auf den Todesfall als Vermächtnis bei der Pflichtteilsermittlung nicht recht in Einklang zu bringen ist, „weil es sonst durch die Schwächung des Erben zur Schädigung von Pflichtteilsberechtigten kommen könnte“.74 Zur Anfechtung des vom Erblassers zu Lebzeiten geschlossenen Schenkungsvertrages auf den Todesfall ist vor Einantwortung nur seine Verlassenschaft, vertreten durch einen Kurator, allenfalls bei Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses an die Erben diese, keinesfalls aber einer von mehreren Miterben ohne ausdrückliche Zustimmung aller übrigen, legitimiert.75

VII. Verwandte Verträge 1. Allgemeines 16

§ 956 regelt nur die Schenkung auf den Todesfall, es gibt jedoch zahlreiche andere Verträge, die an das Überleben eines Vertragspartners anknüpfen. Zum Teil sind sie im ABGB an anderer Stelle oder überhaupt in einem anderen Gesetz geregelt, zum anderen Teil sind sie Geschöpfe der Rechtspraxis. Hier NZ 2002/37; etwas unklar 1 Ob 133/02v, NZ 2003, 147 (Mondel). Ein Teil der neuesten Lehre kehrt allerdings wieder zur alten Auffassung zurück, dass die Schenkung auf den Todesfall wie eine Zuwendung unter Lebenden zu behandeln sei: Rabl, NZ 2005, 129; Oberhumer, NZ 2008, 129; Apathy in KBB3 §  785 Rz  3 und Bollenberger in KBB3 §  956 Rz  4; dagegen wiederum Welser, Erbrechtsreform 64 ff und 130. Die besonders störende Anwendbarkeit der Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 wird allerdings vielfach auch von den Vertretern einer möglichst weitgehenden Gleichstellung der Schenkung auf den Todesfall mit derjenigen unter Lebenden abgelehnt, Rabl, NZ 2005, 129 und Bollenberger, KBB3 § 956 Rz 4. 70  OGH 2 Ob 148/10v, EvBl 2011/86. 71  So zuletzt ausführlich Welser, Erbrechtsreform 64 ff und 130. 72  Vgl Stanzl in Klang2 IV/1, 632; wie im Text Welser, Erbrechtsreform 65. 73  GlU 13.062; Stanzl in Klang2 IV/1, 632; Schubert in Rummel3 I § 956 Rz 1; anders Welser, Erbrechtsreform 65. 74  Welser, Erbrechtsreform 65. 75  OGH 3 Ob 9/08g, ecolex 2008, 816 = RZ 2008, 282.

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Verwandte Verträge

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stellen sich einerseits Abgrenzungsfragen zur Schenkung auf den Todesfall, andererseits muss geprüft werden, welche Vorschriften sinngemäß übernommen werden müssen. Das gilt vor allem für die Formvorschriften. Sehr gerne werden nämlich mit der Schenkung auf den Todesfall verwandte Rechtsgeschäfte von der Kautelarjurisprudenz dazu verwendet, um die gesetzlichen Formpflichten zu umgehen. Der Kautelarjurist wird in solchen Fällen regel­ mäßig nur die Interessen des Schenkers und des Bedachten im Auge haben und möglichst wirksam zu wahren, manchmal vorsichtshalber auch noch diejenigen der Erben und Pflichtteilsberechtigten, darüber hinaus aber nur ausnahmsweise diejenigen der außenstehenden Verlassenschaftsgläubiger. Am einfachsten sind Fälle, in denen bei der Schenkung auf den Todesfall 17 vereinbart wird, dass sie nicht sofort zu erfüllen ist, sondern erst nach dem Tod des Geschenkgebers und auch dann nur nach Eintritt einer bestimmten Bedingung. Hier liegt einfach Schenkung auf den Todesfall vor und kein anderes, mit dieser nur verwandtes Rechtsgeschäft.76 Auch entgeltliche Rechtsgeschäfte können auf den Todesfall abgeschlos- 18 sen werden. Diese sind formfrei, da dem Übereigner eine Gegenleistung zufließt.77 Häufig finden sich Kaufverträge auf den Todesfall, bei denen diese Gegenleistung entweder noch zu Lebzeiten des Verkäufers erbracht worden oder nach dessen Tod dem Nachlass oder den Erben zu erbringen ist.78 Zu den erstgenannten gehören entgeltliche Erbabfindungen79 und vor allem Zusagen des Dienstgebers aus dem entgeltlichen Dienstvertrag, den Hinterbliebenen des Dienstnehmers nach dessen Tod eine zusätzliche Abfertigung oder eine Betriebspension zu bezahlen.80 Auch entgeltliche Übergabeverträge auf den Todesfall kommen in der 19 Praxis vor.81 Ein solcher ist auch dann anzunehmen, wenn die gegenseitigen Leistungen zwar objektiv inäquivalent sind, der subjektive Schenkungswille aber fehlt.82 Der praktische Unterschied der Differenzierung liegt nicht nur im Formgebot, er hat sich auch schon aus der Ausländergrundverkehrsgesetzgebung ergeben. Die Rsp hat daher gefordert, dass sich die teilweise Unentgeltlichkeit im Grundbuchsverfahren aus den Urkunden selbst ergeben muss.83 Soweit eine entsprechende Verpflichtung besteht, lässt sie eine Klage des Erwerbers auf Einwilligung zur Einverleibung des Eigentumserwerbs noch zu Welser, Erbrechtsreform 65. OGH 1 19/50 Ob, SZ 23/8; 5 Ob 145/86, SZ 59/174 = NZ 1987, 160; 1 Ob 672/87, NZ 1989, 218; 5 Ob 2249/96, EvBl 1997/47; Schubert in Rummel3 I § 956 Rz 4; Binder in Schwimann3 IV § 956 Rz 9. 78  SZ 5/113; OGH 4 Ob 34/80, Arb 9.925; 2 Ob 364/48, SZ 22/2 = EvBl 1962/219; Schubert in Rummel3 I § 956 Rz 4; Binder in Schwimann3 IV § 956 Rz 9. 79  GlU 8.975; Binder in Schwimann3 IV § 956 Rz 9. 80  Binder, DRdA 1984, 58, 61; ders, in Runggaldier, Abfertigungsrecht 246 ff; ders in Schwimann3 IV § 956 Rz 9; Schubert in Rummel3 I § 956 Rz 4; vgl auch SZ 23/182. 81  OGH 3 Ob 244/54, SZ 27/105; 1 Ob 380/60, SZ 34/16; 5 Ob 2249/96, EvBl 1997/47; Binder in Schwimann3 IV § 956 Rz 9; Schubert in Rummel3 I § 956 Rz 4. 82  OGH 5 Ob 2249/96, EvBl 1997/47 = RZ 1997, 172; Binder in Schwimann3 IV § 956 Rz 9; vgl auch 6 Ob 37/02p, ecolex 2002/189. 83  OGH 5 Ob 2249/96, EvBl 1997/47 = RZ 1997, 172 unter Hinweis auf ältere Judikatur; Binder in Schwimann3 IV § 956 Rz 9. 76  77 

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Lebzeiten des Übergebers zu, um einen „neuen“, gegen die Erben anzustrengenden Prozess zu vermeiden.84 Übergabeverträge auf den Todesfall sind keine Erbverträge, sie unterliegen nicht deren Formvorschriften und können auch nicht nur zwischen Ehegatten vereinbart werden.85 Besonders häufig finden sich Übertragungen auf den Todesfall in Gesellschaftsverträgen, wonach ein Gesellschaftsanteil einer bestimmten anderen Person zukommen soll.86 Vielfach handelt es sich dabei um keine unentgeltliche Zuwendung, weil die Übertragungsvereinbarung nicht isoliert betrachtet werden darf, da sie in ein Geflecht von beiderseitigen Leistungen und Gegenleistungen eingebunden ist, die aus der Vertragsurkunde allein oft nicht erkennbar ist. Entgeltlichkeit setzt daher nicht Wechselseitigkeit der Nachfolgeregelung voraus und wird auch nicht durch das Fehlen einer Abfindungszahlung ausgeschlossen.87 2. Einzelfälle a) Besitznachfolgerechte 20

Das Besitznachfolgerecht (auch vertragliche fideikommissarische Substitution oder quasi-fideikommissarische Substitution) ist die unter Lebenden übernommene vertragliche Verpflichtung des Zuwendungsempfängers (meist eines Geschenknehmers88), die Sache nach einer gewissen Zeit oder nach dem Eintritt einer bestimmten Bedingung (meist dem Tod des Geschenkgebers) einem bestimmten Dritten zu überlassen.89 Der Sache nach handelt es sich im Kernbereich um den Versuch einer „Wiederbelebung des Gedankens der Familienbindung des Liegenschaftseigentums“.90 Diese Besitznachfolgerechte werden idR in Form von Notariatsakten begründet, wobei sich die äußerst vielgestaltige konkrete Ausformung vor allem nach dem tradierten Schimmelusus der jeweiligen Kanzleien richtet.91 Beabsichtigt wird vielfach eine Art fideikommissarische Schenkung auf den Todesfall, jedoch ohne das Vorliegen einer ausdrücklichen Annahme durch den Beschenkten und eines Widerrufsverzich84  OGH 1 Ob 380/60, SZ 34/16 unter Verweisung auf Stanzl in Klang2 IV/1, 632; Schubert in Rummel3 I § 956 Rz 4. Andernfalls müsste jedenfalls (unter den Voraussetzungen des § 228 ZPO) eine Feststellungsklage zugelassen werden. 85  OGH 3 Ob 244/54, SZ 27/105; Schubert in Rummel3 I § 956 Rz 5. 86  OGH 1 Ob 19/50, SZ 23/8; 1 Ob 19/50, SZ 23/182; 8 Ob 644/91, AnwBl 1993, 432 (Graff) = EvBl 1993/71 = GesRz 1993, 38; 10 Ob 34/97s, ecolex 1997, 774; Schubert in Rummel3 I § 956 Rz 4; Binder in Schwimann3 IV § 956 Rz 10. 87  Binder in Schwimann3 IV § 956 Rz 10. 88  So zB OGH 2 Ob 81/53, SZ 26/79; 6 Ob 521/78, SZ 51/65; Erbteilungsübereinkommen: 5 Ob 576/83, SZ 57/208. 89  Grundlegend Hofmeister, FS Kralik 377; Welser in Rummel3 I § 608 Rz 5; Schubert in Rummel3 I § 956 Rz 4a; Eccher in Schwimann3 III § 608 Rz 8; Apathy in KBB2 § 608 Rz 7. Rechtsprechung aus jüngerer Zeit zB OGH 5 Ob 11/91, SZ 64/34 = NZ 1991, 252; 4 Ob 194/98b, NZ 1999, 91; 5 Ob 326/00b, NZ 2002, 56. 90  Hofmeister, FS Kralik 377 ff. 91  Ausführliche, aber naturgemäß nicht erschöpfende Darstellung an Hand von Gerichtsentscheidungen auf dem Stand des Jahres 1986 bei Hofmeister, FS Kralik 379 ff.

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Verwandte Verträge

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tes.92 Obwohl die auf diese Weise begründete Art des „zeitlichen Eigentums“ nicht unproblematisch ist,93 wird es von der oberstgerichtlichen Judikatur nachsichtig behandelt, wohl vor allem um die empfindlichen Folgen einer Nichtigerklärung und Rückabwicklung bei einem seit langem von der hM mehr oder weniger akzeptierten Rechtsinstitut zu vermeiden. Das ändert jedoch nichts daran, dass es gerade mangels einer greifbaren gesetzlichen Regelung hier zahlreiche ungeklärte Fragen gibt, teils eigentumsrechtlicher, teils grundbuchsrechtlicher, teils vertragsrechtlicher und teils erbrechtlicher Art – so die pflichtteilsrechtlichen Konsequenzen einer solchen quasi-fideikommissarischen Substitution.94 Welser hat daher in seinem GA 17. ÖJZ Band II/2 dem Gesetzgeber eine Regelung dieser Rechtsfigur empfohlen, „um wenig­stens Lehre und Rechtsprechung für ihre Zulässigkeit und ihre Rechtsfolgen gewisse Anhaltspunkte zu geben“.95 Näheres zu dieser Rechtsfigur s § 608. b) Übergabe auf den Todesfall Bei der gesetzlich nicht geregelten Übergabe auf den Todesfall überlässt 21 der der Erblasser die Sache einem anderen mit der Vereinbarung, dass er sie nach dem Tod des Erblassers behalten könne. Bis zu diesem Zeitpunkt hat sie der Übernehmer meist als Entlehner, Prekarist oder Verwahrer inne.96 Der Erblasser kann sie daher grundsätzlich jederzeit zurückfordern. Die Übergabe auf den Todesfall ist ein Geschöpf der Kautelarjurisprudenz. 22 Die Innehabung bzw der Rechtsbesitz sollen noch zu Lebzeiten des Erblassers dem Übernehmer übertragen werden, der Übergeber soll aber sein Eigentumsrecht behalten. Zweck des Rechtsinstitutes in seiner üblichen rechtsempirischen Ausprägung ist es, durch wirkliche Übergabe iSd § 943 ABGB bzw des § 1 Abs 1 lit d NotAktsG den Notariatsakt mit seiner faktischen Publizität zu vermeiden und gleichzeitig im Todesfall einen juristisch möglichst geräuschlosen Eigentumsübergang, möglichst am Verlassenschaftsgericht und den Verlassenschaftsgläubigern vorbei, zu ermöglichen.97 Die gängige rechtsempirische Ausprägung der Übergabe auf den Todesfall 23 ist – sofern nicht ausnahmsweise doch ein Notariatsakt errichtet wird – nach neuerer Lehre und Rsp ungültig, weil sie weder das Formgebot der Schenkung auf den Todesfall noch dasjenige des Vermächtnisses erfüllt. § 956 sieht jedoch keine Handschenkung auf den Todesfall vor, „wirkliche Übergabe“ iSd § 943 ABGB und § 1 Abs 1 lit d NotAktsG setzt eine ErfüllungsSo der zutreffende Befund Welsers, Erbrechtsreform 68. Kritik schon bei Kastner, NZ 1949, 71 ff. 94  Welser, Erbrechtsreform 68 ff spricht sogar von einem „rechtsfreien Raum“ und zählt anschließend eine Reihe solcher ungeklärter Fragen auf, die durchaus grundlegender Natur sind. 95  Erbrechtsreform 71. 96  Koziol/Welser13 II 543; Binder in Schwimann3 IV § 956 Rz 18. 97  Aus diesem Grund ist die Kritik Stanzls in Klang2 IV/1, 633 nicht gerechtfertigt, dass (wenigstens bei Verneinung einer Heilungsmöglichkeit nach § 1432) den verschiedenen Rechtsfolgen bei einer durch die Genesung des kranken Übergebers auflösend bedingten Schenkung unter Lebenden und einer Übergabe auf den Todesfall kein greifbarer Unterschied im Parteiwillen entspreche, was die Rechtsprechung zu Künsteleien verleite. 92  93 

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handlung, also eine Besitzüberlassung mit Eigentumsübertragungswillen voraus, die vor dem Tod des Erblassers aber nicht gesetzt werden kann, weil bis dahin der Titel noch nicht wirksam ist.98 Der Vertrag lässt sich auch nicht in eine Schenkung unter Lebenden mit vorweg erklärter traditio brevi manu umdeuten, weil das Eigentum erst beim Tod des Erblassers übergehen soll, eine vollständige Erfüllung unter Lebenden daher nicht vorliegt.99 Eine bloße Übergabe eines Sparbuchs auf den Todesfall ist somit nicht rechtswirksam.100 Hat der Erblasser die Sache (ausnahmsweise) nicht nur übergeben, sondern darüber hinaus auch ein formgültiges Vermächtnis errichtet, bereitet die „Übergabe auf den Todesfall“ keine weiteren Schwierigkeiten. Die Rsp verlangt in einem solchen Fall keinen zusätzlichen Übertragungsakt durch den Vertreter des Nachlasses oder durch die Erben.101 Dass die Übergabe auf den Todesfall in ihrer üblicherweise praktizierten 24 Ausprägung mit den Formvorschriften für die Schenkung auf den Todesfall und das Vermächtnis nicht leicht in Einklang zu bringen ist, wird allgemein anerkannt. Vielfach wurde jedoch vor allem früher versucht, die Ungültigerklärung solcher Zuwendungen aus Formgründen zu vermeiden. Als erste Möglichkeit bot sich die Annahme eines vorweg erfüllten Vermächtnisses an, als zweite die Annahme einer Erfüllungshandlung durch den Erblasser unter Behandlung der Übergabe auf den Todesfall wie eine Schenkung unter Lebenden, als dritte die Heilung der Formungültigkeit durch tatsächliche Erfüllung nach § 1432. Die Deutung der Übergabe auf den Todesfall als vorweg erfülltes und da25 her dessen allgemeinen Formvorschriften nicht unterliegendes Vermächtnis wurde vor allem in der älteren Lehre vertreten,102 wird aber von der nunmehr hM zu Recht als deren Umgehung abgelehnt.103 Dass der Gefahr der Umgehung der Testamentsform durch besonders kritische Beweiswürdigung begegnet werden könne, wie Schubert meint,104 ist unzutreffend, denn wie gerade die Fassung der § 585 f (mündliches Privattestament) vor der Aufhebung durch das BGBl I 2004/58 gezeigt hat, besteht die Schwierigkeit nicht in allzu unkritischer Beweiswürdigung oder in verfehlten Beweislastregeln, sondern einfach darin, dass die Beweismittel nach dem Tod einer Partei mangels Einhaltung einer Form allein in der Hand einer Seite liegen. Wenn deren Aussage und die der ihr nahestehenden Personen in sich widerspruchsfrei sind und kei98  Koziol/Welser13 I 544; Binder in Schwimann3 IV § 956 Rz 18; Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte 70. 99  Apathy, JBl 1976, 404; Koziol/Welser13 I 544; Binder in Schwimann3 IV §  956 Rz  18; OGH 5 Ob 521/85, SZ 58/148; Glosse zu 7 Ob 118/02g, ecolex 2002, 809: Erfüllungshandlung kann nur der Nachlass bzw der Erbe setzen. 100  OGH 6 Ob 625/82, SZ 56/79; Binder in Schwimann3 IV § 956 Rz 19. 101  OGH 8 Ob 690/89, SZ 63/148; Binder in Schwimann3 IV § 956 Rz 20. 102  Ehrenzweig, ABGB-FS II 674 f; Stanzl in Klang2 IV/1, 633; Eccher, Antizipierte Erbfolge 86 ff; vgl Schubert in Rummel3 I § 956 Rz 7. 103  OGH 6 Ob 625/82, SZ 56/79; 5 Ob 521/85, JBl 1986, 185 (Pfersmann); Apathy, JBl 1976, 409; Koziol/Welser13 II 544; Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte 190 ff. 104  In Rummel3 I § 956 Rz 7 im Zusammenhang mit dem ganz ähnlichen Fall des Auftrags auf den Todesfall. Durch die zitierte Rechtsänderung ist die Argumentation Schuberts insofern überholt.

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nen wesentlichen und fest stehenden Verfahrensergebnissen widersprechen, wird auch einem misstrauischen Richter nicht viel anderes übrig bleiben, als diese Aussagen der Entscheidung zugrunde zu legen. Aus eben diesen Gründen wurde der Anwendungsbereich des mündlichen Privattestaments durch die erwähnte Novelle so stark eingeschränkt. Auch die Möglichkeit, dass der Begünstige, der sich im Besitz der Sache befindet, dann einfach eine Schenkung unter Lebenden behaupten kann, spricht nicht für die Anerkennung der Vorwegerfüllung als neuer Testierform. Zunächst müssen die Täuschungsmöglichkeiten schon aus prinzipiellen Gründen möglichst erschwert werden.105 Diese sind bei der Erfindung einer vorgetäuschten Übergabe auf den Todesfall deshalb größer als bei einer Schenkung unter Lebenden, weil das Ausmaß des Rechtsverzichtes des Übergebenden geringer ist: Im ersten Fall kann er grundsätzlich die Sache zu Lebzeiten wieder zurückfordern, bei einer Schenkung unter Lebenden ist ihm dies verwehrt. Das Gericht wird daher leichter das Vorliegen einer Übergabe auf den Todesfall annehmen als eine Schenkung unter Lebenden. Zum zweiten Versuch, die Übergabe auf den Todesfall zu „retten“, der Konstruktion einer Erfüllungshandlung durch den Übergebenden, siehe oben unter Rz€22. Auch die Berufung auf den Zweck des Formgebotes, um eine Heilung 26 nach §Â€1432 zu begründen, kommt nicht in Betracht. Da der (von der Gegenseite angenommene) „ausdrückliche Widerrufsverzicht“ des §Â€956 nicht ein Formgebot ist, sondern ein inhaltliches Merkmal106, kann eine solche Heilung überhaupt nur in dem praktisch überaus seltenen Ausnahmefall in Betracht kommen, dass die Parteien einen solchen Verzicht vereinbaren, die Sache übergeben, aber keinen Notariatsakt abschließen. Nun ließe sich tatsächlich argumentieren, dass der Schenker zwar noch nicht endgültig Eigentum übertragen, er aber doch alle seinem Willen unterliegenden Maßnahmen zur Herbeiführung der Erfüllungswirkung vorgenommen hat; dass der Empfänger die Sache „gleich haben“ und diese nur mehr vom Tod abhängen soll, ein Ereignis ohne warnende Wirkung für den Geschenkgeber.107 Allerdings bleibt die Beweissicherungsproblematik bestehen, dass nämlich eine Person, die sich im Besitze einer Sache des Erblassers befindet, nach dessen Tod nur allzu leicht eine Übergabe auf den Todesfall vortäuschen kann. Dem ließe sich nur durch das Erfordernis einer schriftlichen Urkunde ein Riegel vorschieben, die den Voraussetzungen des §Â€578 (schriftliches Privattestament) entspricht. Von diesem seltenen Sonderfall abgesehen muss eine Heilung nach §Â€1432 abgelehnt werden, weil sie der Warn- und Beweisfunktion der nicht eingehaltenen Formvorschriften (§Â€578 ABGB bzw §Â€1 Abs 1 lit d NotAktsG) widerspricht.108 Der Erblasser soll vor Übereilung und Unüberlegtheit geschützt werDehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte 192 insb FN 98. Siehe dazu oben unter Rz€8 f. 107╇ Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte 193; ohne diese Differenzierung die in der nächsten FN zitierte Literatur und Judikatur, die sich gegen eine Heilung ausspricht. 108╇ OGH 6 Ob 625/82, SZ 56/79 unter ausführlicher Auseinandersetzung mit Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€6; 7 Ob 118/02g, ecolex 2002, 809; Apathy, JBl 1976, 409; Koziol/Welser13 II 544; Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte 190 ff; 105╇ 106╇

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den, es soll aber auch die Feststellung seines Willens gesichert werden. Würde die formlose Äußerung in Verbindung mit dem Besitz der strittigen Sache schon genügen, so stünde der Feststellung des wahren Willens der Umstand im Wege, dass in vielen Fällen unrichtige Angaben der allein überlebenden Personen nicht widerlegt werden können, so lange sie nicht in sich widersprüchlich sind oder mit gesicherten Verfahrensergebnissen im Widerspruch stehen. Aus dieser Warn- und Beweisfunktion ergibt sich auch ein erheblicher Schutz zugunsten der gesetzlich oder durch Erbvertrag oder auf Grund einer wirksamen letztlichen Verfügung berufenen Personen, aber auch der sonstigen Erbschaftsgläubiger. Diese formstrengere Rechtsauffassung wird durch die Aufhebung der § 585 f durch das BGBl I 2004/58 gestützt, die durch den weitverbreiteten Missbrauch notwendig gemacht wurde, der mit dem mündlichen Privattestament getrieben worden war. c) Auftrag auf den Todesfall Häufig kommt es auch vor, dass die Sache zunächst einem Dritten als Mittelsmann mit dem Auftrag übergeben wird, diese nach dem Tod des Zuwendenden einer bestimmten anderen Person zuzuwenden. Ähnlich wie bei der Übergabe auf den Todesfall stellt sich die Frage, ob ein formloser Auftrag, sei es zunächst mit, sei es ohne Übergabe der Sache, vom Erfordernis des „ausdrücklichen Widerrufsverzichts“ bzw den Formgeboten der § 578 ABGB bzw des § 1 Abs 1 lit d NotAktsG wenigstens auf dem Umweg über § 1432 ABGB dispensieren kann; zur Problematik siehe oben unter Rz 21 f. Zwar kann sich die Vollmacht nach § 1022 auf den Sterbefall des Gewalt28 gebers erstrecken, doch ändert das nichts daran, dass diese als solche keinen Erwerbstitel für die Eigentumsübertragung bildet. Im Verhältnis zwischen Erblasser und Begünstigten (Valutaverhältnis) muss daher genauso wie bei der Übergabe auf den Todesfall ein formgültiges Rechtsgeschäft, Schenkung oder Vermächtnis, vorliegen. Der Einsatz von Dritten als Mittelspersonen ändert nichts daran.109 Das gilt zunächst für die Konstruktion des Auftrags auf den Todesfall als 29 Vertrag zwischen Auftraggeber und Auftraggeber zugunsten des Empfängers (§ 881). Diese Rechtsfigur stellt als solche nämlich keinen Erwerbstitel dar und bedarf nach hM keiner besonderen Form, dispensiert daher aber auch nicht von der Prüfung des Valutaverhältnisses. Handelt es sich hierbei um eine 27

109  Grundlegend auch hier Apathy, JBl 1976, 393 ff; Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte 194 ff; Bollenberger in KBB3 § 956 Rz 6; Koziol/Welser13 II 544; OGH 6 Ob 594/80, SZ 53/135; 4 Ob 34/99z, ÖBA 1999, 911; 1 Ob 39/97, NZ 1998, 246 (zust Zankl. NZ 1998, 225 – Besprechungsaufsatz); vgl allerdings Eccher, Antizipierte Erbfolge 132 und Schubert in Rummel3 I § 956 Rz  7. Selbst wenn man aber der Ansicht sein sollte, dass die Einschaltung eines Dritten allein schon einen ausreichenden Übereilungschutz gewährleisten sollte, was in dieser Allgemeinheit sehr zu bezweifeln ist, so wird doch die Beweisfunktion durch die Übergabe unter Lebenden nicht ersetzt. Die typische Gefahr bei Rechtsgeschäften, die zumindest erst nach dem Tod des Übergebenden voll wirksam sein sollen, liegt gerade darin, dass mangels entsprechender Form dessen Willen leicht verfälscht oder gar gefälscht werden kann, weil die einzigen Beweismittel, die vor Gericht geltend gemacht werden können, sehr oft ausschließlich aus der Sphäre des Empfängers kommen.

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Schenkung, so müssen deren Formerfordernisse erfüllt sein, darüber hinaus muss ein ausdrücklicher Widerrufsverzicht vorliegen, was in der Praxis nur ganz ausnahmsweise der Fall ist. Dazu kommt, dass eine Kündigung des Auf­ trages nach §Â€1022 grundsätzlich jederzeit möglich ist, sodass es mit der WarnfunkÂ�tion der Übergabe der Sache an den Beauftragten auch nicht weit her ist. Ist der Erblasser aber verstorben, ohne dass es zu einem Widerruf oder ei­ ner Kündigung gekommen wäre, bleibt aber immer noch der zweite Form­ zweck erhalten, nämlich die Beweissicherungsfunktion. Damit ist die Heilung nach §Â€1432 ausgeschlossen.110 Sollte im Valutaverhältnis ein formloses Vermächtnis erblickt werden, ändert die Einschaltung eines Dritten nichts daran, dass die gesetzlichen For­ merfordernisse durch Übergabe der Sache nicht ersetzt werden können, schon gar nicht, wenn diese Übergabe gegen jederzeitigen Widerruf erfolgt.111 Die Bestellung des Mittelsmannes als Treuhänder führt zu keinem ande­ 30 ren Ergebnis, wenn dieser die dem Begünstigten zu verschaffende Sache aus seinem („formal“) eigenen Eigentum nimmt, das er zuvor und gerade im Zu­ sammenhang mit dem Auftrag zur Weitergabe vom Erblasser erhalten hat.112 Zwingende Formvorschriften können durch Treuhandkonstruktionen nicht umgangen werden. Es ist daher konsequent, wenn die Rsp auch in solchen Fällen nicht die „wirkliche Übergabe“ dem Beschenkten „direkt in die Hand“ fordert, wohl aber die Einräumung des unmittelbaren Zugriffs etwa durch die Mitteilung des Losungswortes und die Übergabe des Schlüssels zum Bankschließfach, in dem das Sparbuch verwahrt ist.113 Die bloße Übergabe des Sparbuchs auf den To­ desfall ohne Mitteilung des Losungswortes (und gegebenenfalls Aushändi­ gung des Schlüssels) genügt umgekehrt auch dann nicht, wenn einem Dritten diese mit dem Auftrag übermittelt werden, dies nach dem Tod des Kontoinha­ bers nachzuholen.114 d) Abtretung auf den Todesfall Gegenstand der Schenkung auf den Todesfall können nicht nur körper­ 31 liche, sondern alle Sachen, daher auch Rechte sein. Die unentgeltliche Ab­ tretung einer Forderung auf den Todesfall bedarf daher grundsätzlich des Notariatsaktes mit Widerrufsverzicht.115 Wenn allerdings die Forderung dem Beschenkten wirklich übergeben worden ist,116 ist zwar der Notariatsakt ent­ behrlich, nicht aber der ausdrückliche Widerrufsverzicht. 110╇ Dazu oben unter § 943 Rz 2 und vorige Rz. Siehe auch Gschnitzer in Klang2 IV/1, 233; Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte (1899) 355 f und Weiß in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 328 f. 111╇ Siehe oben unter Rz€6 f. 112╇ Zankl, NZ 1998, 225; Weiß in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 329; OGH 1 Ob 39/97k, NZ 1998, 246. 113╇ OGH 1 Ob 39/97k, NZ 1998, 246. 114╇ Binder in Schwimann3 IV §Â€956 Rz€19. 115╇ Siehe §Â€943 Rz€12 ff; Stanzl in Klang2 IV/1, 633; Schubert in Rummel3 I §Â€956 Rz€6, der auf die Auswirkung der Judikaturänderung im Anschluss an den Aufsatz Apathys, JBl 1976, 393, ausdrücklich hinweist. 116╇ Dazu §Â€943 Rz€12 ff.

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Die formlose Vereinbarung des Gläubigers mit dem Schuldner, dass nach dem Tod des Gläubigers die Forderung einem Dritten zufallen solle, wird als Auftrag auf den Todesfall gewertet, dazu Rz 27 ff.117 e) Schulderlass auf den Todesfall 32

Nach weithin verbreiteter Auffassung ist der Schulderlass auf den Todesfall formfrei,118 mit der neueren Rsp zur Übergabe auf den Todesfall ist dies aber nicht in Einklang zu bringen,119 soll nicht eine schwer einsichtige Verschiedenbehandlung zwischen Abtretung auf den Todesfall und Schulderlass auf den Todesfall eingeführt werden.120 Eine solche ist schon bei unentgeltlichen Rechtsgeschäften unter Lebenden nicht plausibel,121 beim Schulderlass auf den Todesfall kommt auch noch die typische Gefahr dazu, dass nach dem Tod des Erblassers alle Beweismittel in der Hand der Gegenpartei sind.122 Vom Formzweck der Schenkung auf den Todesfall aus gesehen, also Warn- und Beweissicherungsfunktion, kann es keinen Unterschied machen, ob der Zuwendende in seinem Vermögen bzw. seinem Nachlass ein Passivum gegenüber dem Empfänger schafft oder ein Aktivum in gleicher Höhe im selben Vermögen beseitigt. f) Bezugsberechtigung in der Lebensversicherung

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Ein Rechtsinstitut, das große Ähnlichkeit mit der Schenkung auf den Todesfall aufweist, ist die Bezugsberechtigung in der Lebens- und Unfallversicherung. Diese kann nämlich durch Schenkung oder letztwillig eingeräumt werden.123 Diese Gewährung ist nach hM nicht formbedürftig,124 was jedenfalls rechtspolitisch nicht auf den ersten Blick plausibel erscheint. Immerhin sollen hiedurch Ansprüche geschaffen werden, die dem Begünstigten unmittel117  ZBl 1935/7; Stanzl in Klang2 IV/1, 634, der allerdings von der Gültigkeit des Rechtsgeschäftes ausgeht. 118  Stanzl in Klang2 IV/1, 634: Keine Schenkung auf den Todesfall, formfreier Verzicht auf Vererblichkeit, Schenkung unter Lebenden, weil sofort auf das in dem künftig fällig werdenden Vermögensrecht verzichtet wird; Ehrenzweig, System II/22, 566; Schubert in Rummel3 I §  956 Rz 2; EvBl 1977/244; allgemein zum Schulderlass NZ 1974, 190; EvBl 1978, 171; JBl 1981, 650 = NZ 1981, 107 ua. 119  OGH 6 Ob 625/82, SZ 56/79 = NZ 1984, 80; SZ 58/116 = NZ 1986, 183 = JBl 1986, 185 (Pfersmann); SZ 63/148 = NZ 1992, 69. 120  Schubert in Rummel3 I § 956 Rz 6. 121  Dehn Formnichtige Rechtsgeschäfte 138 f; Reischauer in Rummel3 II/1 § 1444 Rz 8, der auch die Argumentation, es handle sich beim Schulderlass auf den Todesfall nur um einen Verzicht auf Vererblichkeit zu Recht als wenig befriedigende begriffliche Konstruktion bezeichnet. 122  Ähnlich Binder in Schwimann3 IV § 956 Rz 16. 123  Schauer, Das österreichische Vertragsversicherungsrecht3 (1995) 470; Koziol/Welser13 II 449 f; dazu auch OGH 7 Ob 18/84, JBl 1985, 559 (Zankl) = VersE 1195; 7 Ob 555/86, JBl 1987, 46 = VersE 1263; 7 Ob 622/95, JBl 1997, 46 (Eccher) = VersE 1679. 124  Eccher, Antizipierte Erbfolge 129 ff; Binder in Schwimann3 IV § 956 Rz 17; Schubert in Rummel3 I § 956 Rz 17; Zankl, NZ 1985, 83; Koziol/Welser13 II 449 f mit rechtspolitischen Bedenken, dazu gleich im Text.

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bar zustehen, also nicht den Erbweg gehen.125 Es kann nicht gut bezweifelt werden, dass der Gesetzgeber (jedenfalls auch) die Absicht des Erblassers fördert, für ihn nahestehende Personen eine Vorsorge zu treffen, die nicht durch die Ansprüche von Verlassenschaftsgläubigern bedroht ist, und dass dies nicht nur wegen der allfälligen Benachteiligung dieser Gläubiger bedenklich sein kann, sondern auch, weil damit formlose Zuwendungen von Todes wegen geschaffen werden können.126 Kralik geht daher auch de lege lata so weit, dass er die §§  166 ff VersVG nur als Regelung des Verhältnisses zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer einerseits und dem Versicherer und dem Dritten andererseits (also das Deckungsverhältnis) verstanden haben will, während für das Valutaverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Dritten die allgemeinen Regeln gelten sollen.127 Dagegen spricht schon § 167 Abs 2 VersVG, der sogar festhält, dass die Ausschlagung der Erbschaft keinen Einfluss auf die Bezugsberechtigung hat. Dazu kommt, dass die Einräumung von Bezugsberechtigungen längst 34 nicht nur die Sicherstellung von Hinterbliebenen sichern soll, womöglich an den Ansprüchen der Verlassenschaftsgläubiger vorbei. Vor allem bei größeren Krediten ist deren Sicherung durch Lebensversicherung gang und gäbe, nicht nur bei der Existenzgründung, wo die einzige Kreditgrundlage die Arbeitsfähigkeit und -willigkeit des Kreditnehmers ist. Auch bei kleineren Gesellschaften kommt es oft genug vor, dass an der Arbeitskraft eines Gesellschafters die wirtschaftliche Existenz der anderen Gesellschafter, der Kapitalgeber, abhängt. Und oft genug sind die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zwischen Versicherungsnehmer und Begünstigten (und weiteren Personen) so kompliziert verflochten, dass nur ein Machtspruch des unter Entscheidungszwang stehenden Richters autoritativ festlegen kann, ob ein entgeltliches, ein unentgeltliches oder ein gemischtes Geschäft vorliegt. Zwar geht es zu weit zu meinen, dass die Gefahren, die zur Statuierung der Notariatsaktspflicht führen, allein schon durch die Einschaltung eines Dritten weitgehend ausgeschaltet seien.128 Hier wird aber der Vertrag im Deckungsverhältnis mit einer der Aufsicht unterliegenden Gesellschaft abgeschlossen, die umfangreiche Aufzeichnungen führen muss, und der regelmäßig auch eine Beratung, und zwar üblicherweise auch über den Geschäftszweck (Valutaverhältnis), vorausgeht. Wenn es auch niemals auszuschließen ist, dass Beratungen mit den Vertretern des Versicherers schlampig geführt, deren Aufzeichnungen darüber mangelhaft und deren Aussagen unverlässlich sind, so erscheint die Gefahr doch weder von der Warn- noch von der Beweissicherungsfunktion her so groß, dass die Notariatsaktsform bzw die Testamentsform als präventiver Schutz unerlässlich erscheint. Das ist umso wichtiger, als die Bezeichnung des Bezugsberechtigten oftmals nicht eine isolierte Maßnahme des Versiche125 Koziol/Welser13 II 449 f; Welser in Rummel3 I § 531 Rz 10; Schauer, Das österreichische Vertragsversicherungsrecht3 472 mwN, auch aus der deutschen Literatur; OGH 7 Ob 647/86, NZ 1988, 331 (Zankl) = VersE 1315; 7 Ob 622/95, JBl 1997, 46 (Eccher) = VersE 1679; zT aM Kralik, Erbrecht 19 f; Eccher, Antizipierte Erbfolge 134 ff. 126  So ausdrücklich Koziol/Welser13 II 450. 127  Erbrecht 19 f; ähnlich auch Eccher, Antizipierte Erbfolge 129 ff. 128  So allerdings Eccher, Antizipierte Erbfolge 132.

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rungsnehmers zum Schutz einer ihm nahestehenden Person sein muss, sondern in ein kompliziertes persönliches, wirtschaftliches und rechtliches Beziehungsgeflecht eingebunden sein kann, das Jahre später oft kaum mehr befriedigend entwirrt werden kann. Ob also hinsichtlich der Formpflicht bei der Bezeichnung des Bezugsberechtigten ein Bedarf nach Gesetzesänderung besteht, muss also bezweifelt werden. Gefahren des Abschlusses nur mündlicher Lebensversicherungsverträge, die erst nachträglich rekonstruiert werden müssen, gibt es im Rechtsleben nicht. Das ändert allerdings nichts daran, dass (unentgeltliche) Zuwendungen von Bezugsberechtigungen als Schenkungen in voller Höhe der Versicherungssumme nach §§Â€785, 951 zu berücksichtigen und unbefristet anzurechnen sind.129 Das Rechtsgeschäft kann auch durch Gläubiger und Pflichtteilsberechtigte angefochten werden (§§Â€1 ff AnfO, §Â€951 ABGB).130 Im Einzelnen ist hier eine Reihe von Fallgruppen zu unterscheiden, bei denen manches umstritten ist.131

Neunzehntes Hauptstück Von dem Verwahrungsvertrage Verwahrungsvertrag §Â€957. Wenn jemand eine fremde Sache in seine Obsorge übernimmt, so entsteht ein Verwahrungsvertrag. Das angenommene Versprechen, eine fremde, noch nicht übergebene Sache in die Obsorge zu übernehmen, macht zwar den versprechenden Teil verbindlich; es ist aber noch kein Verwahrungsvertrag. Stammfassung JGS 1811/946. Lit: Sedlacek, Über den Hinterlegungsvertrag, ZBl 1914, 488, 550 und 655; Bovensiepen, Haftung für Garderobe (1928); Harrer-Hörzinger, Zur Rechtsnatur des Darlehens, ÖJZ 1990, 614.

Übersicht I. Verwahrungsvertrag als Realkontrakt 1. Historische Grundlagen 2. Nachteile der Konstruktion und Versuche ihrer Überwindung 3. Die reale Übergabe II. Ausdrücklicher und konkludenter Vertragsschluss

1–6 1 2–4 5–6 7–11

129╇Zankl, NZ 1989, 1; Umlauft, Anrechnung 167 ff; Koziol/Welser13 II 556; OGH 4 Ob 136/97x, NZ 1997, 394. 130╇Koziol/Welser13 II 544. 131╇ Vgl dazu nur Weiß in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 329 ff mwN.

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1. Allgemeines 2. Kleiderverwahrung 3. Fahrzeugeinstellung III. Inhalt und Abgrenzung des Verwahrungsvertrages

7–8 9–10 11 12–16

I. Verwahrungsvertrag als Realkontrakt 1. Historische Grundlagen Der Verwahrungsvertrag des ABGB beruht auf dem römischen Depositum. 1 Die Rezeption der römisch-rechtlichen Grundsätze stieß schon deshalb auf keine besonderen Schwierigkeiten, weil auch der Verwahrungsvertrag des älteren deutschen Rechtes ganz ähnlich geregelt und insbesondere ebenfalls ein Realvertrag war. Im Urentwurf war dieser Vertrag als Hinterlegungsvertrag bezeichnet und mit dem Bevollmächtigungsvertrag in einem Hauptstück vereinigt worden. Im Hinblick auf den wesentlich verschiedenen Charakter beider Verträge wurde auf Zeillers Antrag der erstere in einem besonderen Hauptstück geregelt und erhielt den Namen Verwahrungsvertrag. Das entsprach der Ausdrucksweise des ALR und steht auch im Einklang mit Kants Einteilung der Verträge, der hier von der „Aufbewahrung des anvertrauten Gutes“ spricht.1 Die Zweckmäßigkeit der etwas altertümlichen Form des Realvertrages wurde von den Redaktoren nicht erörtert. Die Konsensualkontrakte waren dem römischen Recht geläufig, doch hielt man bei Verwahrung, Leihe und Darlehen am Gültigkeitserfordernis der realen Übergabe fest. Für das Darlehen wurde als Grund angenommen, dass dieses als Freundschafts- und Gefälligkeitsgeschäft notwendig unentgeltlich war und der Realakt den Darlehensgeber vor Übereilung schützen und ihm seine Freigebigkeit vor Augen führen sollte.2 Ähnliche Überlegungen dürfen auch für die Rechtsgeschäfte der Verwahrung und der Leihe maßgeblich gewesen sein; zumindest lassen sich andere und plausible Gründe für die Sonderstellung gerade dieser drei Vertragstypen nicht leicht finden. Immerhin spielt bei allen dreien das Vertrauen eine große Rolle, und sie sind vielfach (die Leihe sogar begriffsnotwendig) unentgeltlich. 2. Nachteile der Konstruktion und Versuche ihrer Überwindung Der Verwahrungsvertrag entsteht durch die Übernahme einer Sache in 2 die Obsorge des Verwahrers. Wie alle Realverträgen ist er einseitig verbind­lich. Der Verwahrer ist jederzeit zur Rückgabe verpflichtet (§ 962). Vor dem Realakt der Übergabe bestehen allenfalls vorvertragliche Pflichten oder Obliegenheiten, aber keine vertraglichen; somit sind im Prinzip weder ein Schuldnerverzug des Hinterlegers noch ein Gläubigerverzug der Verwahrers denk­bar.3 1 Zeiller,

Das natürliche Privatrecht § 122 im Anschluss an Kant, Rechtslehre I §  ÖJZ 1990, 625 mwN, auch aus der romanistischen Literatur. 3  Vgl Harrer-Hörzinger, ÖJZ 1990, 617 ff. 2 Harrer-Hörzinger,

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Eine solche Rechtskonstruktion, bei der – vereinfacht gesagt – keine rechtlichen Verpflichtungen vor der Übergabe entstehen können, ist wenig praktikabel. Gschnitzer vertritt in der Vorauflage4 zwar die Auffassung, sie stehe im Einklang mit den Gepflogenheiten des praktischen Lebens, das der Wille zur Verwahrung regelmäßig mit der sofortigen Durchführung dieses Willens verbunden sei. Das trifft aber nur für das kleine Verwahrungsgeschäft des täglichen Lebens zu, das nur ganz selten größeren juristischen Aufwand erfordert, also etwa die Abgabe eines Mantels an der Theatergarderobe. Je wertvoller die zu verwahrende Sache, desto weniger entspricht die gesetzliche Konstruktion aber der Parteienabsicht und dem Geschäftszweck, gar erst beim entgeltlichen Verwahrungsvertrag. Lehre und Rsp haben daher drei verschiedene Möglichkeiten entwickelt, 3 diese Nachteile möglichst klein zu halten: Der erste und einfachste besteht darin, Sonderformen des Verwahrungsvertrages, die besonderen gesetzlichen Vorschriften unterliegen, als Konsensualverträge und nicht als Realverträge zu behandeln. Obwohl zB die Bestimmungen der §§Â€957 bis 967 über den Verwahrungsvertrag für den Lagerhalter gelten,5 ist der Lagervertrag nach dem UGB nach hM ein Konsensualvertrag, dh die Übergabe des Lagergutes ist nicht Voraussetzung für das Zustandekommen des Vertrages.6 Das ist nur scheinbar inkonsequent,7 weil verfehlte oder auch nur systemwidrige Vorschriften im Interesse der Schadensminimierung anerkannterweise eng auszulegen sind. Zwingende Zwecksetzungen der gesetzlichen Konstruktion als Realvertrag werden dadurch nicht unterlaufen. Die traditionelle Konstruktion – und die zweite Möglichkeit – besteht im Versuch, den obligatorischen Vertrag als Vorvertrag aufzufassen.8 Sie weicht von der traditionellen Konzeption des Vorvertrages allerdings in nicht geringem Maße ab. Ein solcher wird sinnvollerweise nur dann geschlossen, wenn sich die Parteien im Hinblick auf verschiedene Unsicherheitsfaktoren noch gar nicht vollständig binden wollen. Geklagt wird aus einem Hauptvertrag nicht unmittelbar auf die Hauptleistungen, sondern nur auf Abschluss des Hauptvertrages innerhalb einer bestimmten Frist. Genau das ist hier beim obligatorischen Vorspiel zum Realvertrag nicht der Fall, was zu Komplikationen im Verzugsrecht führen kann.9 Dazu kommt auch noch, dass die Formbedürftigkeit des Hauptvertrages den Vorvertrag mitumfasst,10 wenn die Formvorschrift einen Schutzzweck ver4╇In

Klang2 IV/1, 635. in Straube UGB4 §Â€416 Rz€2. 6╇Schütz in Straube UGB4 §Â€416 Rt 12. 7╇wie Harrer-Hörzinger, ÖJZ 1990, 624 zu unrecht meint. 8╇So auch Gschnitzer in Klang2 IV/1, 635; zuletzt (vorsichtig) Binder in Schwimann3 IV §Â€936 Rz€6 und §Â€957 Rz€3; Schubert in Rummel3 I §Â€957 Rz€1; Koziol/Welser 13 I 142; aM HarrerHörzinger, ÖJZ 1990, 616 f ; s auch Reischauer in Rummel3 I §Â€936 Rz€1. 9╇ Vgl im einzelnen Harrer-Hörzinger, ÖJZ 1990, 617 ff; allerdings ist Binder in Schwimann3 IV §Â€ 983 Rz€ 1 beizupflichten, wenn er meint, dass sich die allgemeinen Schuldrechtsregeln so adaptieren lassen, dass sie auch der Realvertragsnatur des Darlehens gerecht werden können. Das Darlehen ist zwar seit der Nov BGBl I 2010/28 ein Konsensualvertrag, die Feststellung Binders gilt aber auch für den Verwahrungsvertrag. 10╇ Gschnitzer in Klang2 IV/1, 573; Koziol/Welser13 I 143; Binder in Schwimann3 IV §Â€936 Rz€28 f; OGH 2 Ob 44/75, RZ€1976, 15; 3 Ob 164/50, SZ 23/268; 6 Ob 340/62, SZ 36/5; 6 Ob 587/82, SZ 55/47 uza. 5╇Schütz

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folgt, der sonst vereitelt würde. Der Sache nach läuft die Konstruktion des Realvertrages auf eine Form zum Schutz des Vertrauens des Hinterlegers hinaus. Die Anwendung dieser Formpflicht auch auf einen Vorvertrag zum Realvertrag wird von Lehre und Rsp aber nicht einmal ernsthaft in Betracht gezogen, was verständlich ist, wenn berücksichtigt wird, dass dann überhaupt keinerlei vertragliche Bindung des Verwahrers vor Übergabe der Sache möglich wäre, was bereits als argumentum ad absurdum gelten kann. Immerhin nimmt es der Gesetzgeber selbst hier nicht gar so genau, da er ja in §Â€983 zweiter Satz ABGB einen konsensualen Vorvertrag zum realen Darlehensvertrag anerkennt. Andererseits wird eine Verpflichtung zur Hinterlegung ohne besondere Verabredung auch durch einen mit allen Erfordernissen des §Â€936 ausgestatteten Konsensualvertrag noch nicht begründet, sondern nur eine Verpflichtung des anderen Teiles zur Übernahme in die Verwahrung. Das folgt schon daraus, dass selbst bei einem realen Verwahrungsvertrag, der auf bestimmte Zeit eingegangen wurde, der Hinterleger berechtigt ist, die Sache noch vor Ablauf der Zeit zurückzufordern (§Â€962). Gerade die Übergabe der Sache, die das Kennzeichen des Realvertrages ausmacht, kann somit nicht erzwungen werden. Daher kann schon deshalb die Auffassung Mayrhofers11 nicht gebilligt werden, dass der Vorvertrag einen Anspruch auf unmittelbare Sachübergabe verschaffe.12 Die privatautonome Begründung von (schlichten) Verpflichtungsgeschäften neben dem Vorvertrag scheint zunächst §Â€983 zweiter Halbsatz zu widersprechen.13 Der dritte Versuch, die lästigen Auswirkungen des Realvertrages zu vermeiden und diesen im Ergebnis in einen Konsensualvertrag umzuwandeln, besteht in der Berufung auf den Satz cessante ratione lex cessat ipsa und wird von Harrer-Hörzinger vertreten.14 Von Funktionsverlust zu sprechen, scheint allerdings überzogen, wenn es sich in Wahrheit offenbar nur um eine antiquierte Schutzvorschrift zugunsten des Vertrauens des Verwahrers handelt, der aber ohnedies die Sache jederzeit wieder zurückfordern kann und bei Annahme eines bindenden obligatorischen Vertrages überdies durch die Unsicherheitseinwendung des §Â€1052 (statt durch §Â€936) geschützt wäre. Vom Satz cessante ratione lex cessat ipsa ist aber nur mit äußerster Vorsicht Gebrauch zu machen, und dementsprechend sind die von F. Bydlinski15 zu dessen Veranschaulichung herangezogenen Beispiele um vieles drastischer. Der Gesetzgeber des ABGB hat die Konstruktion als Realvertrag zwar aus historischen Gründen beibehalten, aber es wird sich nicht leicht begründen lassen, dass sich (erst) seit der Zeit 11╇In

SchRAT 200. Die Ausführungen der genannten Autoren haben ihren Schwerpunkt zum Teil auf dem Darlehen und sind insofern seit der Nov BGBl I 2010/28 überholt. 13╇ Reischauer in Rummel3 I §Â€983 Rz€1; dagegen Gschnitzer in Klang2 IV/1, 573; Binder in Schwimann3 IV §Â€936 Rz€6. 14╇ ÖJZ 1990, 626 f. 15╇ Methodenlehre und Rechtsbegriff2 (1991) 588 f . Zwei der von ihm gebrauchten Beispiele stehen einer materiellen Derogation sehr nahe, das dritte, die inzwischen aufgehobene Goldklausel, stellt eine aus Gründen der Staatsklugheit verbrämte Schuldnerschutzmaßnahme für die Zeit der Weltwirtschaftskrise dar. Sie beruhte darauf, dass zur Zeit ihrer Erlassung die Goldklausel die weitaus häufigste Form der Wertsicherungsklausel war. Näheres unter §Â€986. 12╇

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der Erlassung des Gesetzes nennenswerte Änderungen in der Rechtswirklichkeit ergeben hätten, die zur Anwendung des Satzes cessante ratione führen könnten. Die verschiedene Behandlung des Darlehens (seit Nov BGBl I 2010/28 Konsensualvertrag) und des Verwahrungsvertrages (nach wie vor Real­vertrag) ist zwar wenig konsequent, die Divergenz ist aber nicht so gravierend, dass eine Übertragung der Rechtsfolgen des § 983 idgF auf den Verwahrungsvertrag entgegen Wortlaut und Sinn des § 957 geboten erschiene. Insgesamt lässt sich festhalten, dass der traditionelle Weg, mit dem die Unannehmlichkeiten der gesetzlichen Realvertragskonstruktion vermieden werden sollen, also die Annahme eines Vorvertrages, trotz verschiedener Bedenken noch als das geringste Übel angesehen werden kann. Die antiquierte Form des Realvertrages ist zwar unpraktikabel, aber nicht so unbrauchbar, dass deshalb generell vom klaren Wortlaut und Sinn des Gesetzes abgewichen werden müsste. Überlegenswert erscheint es allerdings, auf Grund der Privatautonomie (Formfreiheit) die Vereinbarung von konsensualen, entgeltlichen Verwahrungsverträgen zuzulassen. Entscheidend dagegen könnte nur ein damit umgangener Formzweck sprechen. Aber damit nimmt es der Gesetzgeber, der die Konstruktion als Realvertrag letztlich nur aus historischen Gründen beibehalten hat, selbst nicht sehr genau. Andernfalls dürfte es einen konsensualen Vorvertrag zum Darlehen genau so wenig geben wie einen solchen zum Schenkungsvertrag. Eine bloß vorvertragliche Bindung mag bei einem unentgeltlichen Verwahrungsvertrag, wie er im Vordergrund des gesetzlichen Konzeptes steht (§ 969), ausreichen, schwerlich aber bei dem in der heutigen Rechtswirklichkeit (zumindest bei wertvolleren Objekten) wesentlich häufiger anzutreffenden entgeltlichen. Dies zeigen auch die oben dargestellten Versuche, die darauf hinauslaufen, die gesetzliche Konzeption umzumodeln und nicht, (wie hier) diese unangetastet zu lassen und daneben einen eigenen formfreien entgeltlichen Verwahrungsvertrag zuzulassen.16 Der Sache nach geht es somit um eine teleologische Reduktion der gesetzlichen Konstruktion als Realvertrag, mit welcher der vom Gesetz gerade nicht als typisch gewertete entgeltliche Verwahrungsvertrag für den Fall ausgenommen werden soll, dass die Parteien ausdrücklich einen Konsensualvertrag schließen, aus dem heraus unmittelbar auf Leistung geklagt werden kann. Auf jeden Fall kann aber aus der Vereinbarung der künftigen Verwahrung 4 eine Pflicht zum Ersatz der zwecks Vorbereitung der Verwahrung von dem in Aussicht genommenen Verwahrer gemachten gerechtfertigten Auslagen oder der diesem infolge Nichteinhaltung der Vereinbarung erwachsenen sonstigen Schäden entstehen.17 Je nach konkreter Fallgestaltung wird entweder vertraglicher Schadenersatz oder Verletzung vorvertraglicher Pflichten (culpa in contrahendo) vorliegen, wobei aber auch berücksichtigt werden muss, dass der Verwahrungsvertrag sowohl entgeltlich als auch unentgeltlich sein kann. Ähnlich auch Reischauer in Rummel3 I § 936 Rz 1. Gschnitzer nennt in Klang2 IV/1, 635 unter Berufung auf Schey in Klang2 I/2, 317 als Beispiel die Kosten der Miete eines Raumes zur Aufbewahrung der Sache oder die Anschaffung von Futter für die in Aussicht genommene Zeit der Verwahrung eines Tieres; auch Binder in 3 I § 957 Rz 1. Schwimann3 IV § 957 Rz 44; 16  17 

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Verwahrungsvertrag als Realkontrakt

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3. Die reale Übergabe Was als reale Übergabe zu verstehen ist, muss zunächst aus den §§ 426 ff 5 abgeleitet werden,18 wobei aber zu berücksichtigen ist, dass Verwahrungsverträge auch über Liegenschaften geschlossen werden können (§ 960). Erforderlich ist die in beiderseitigem Einverständnis erfolgte Hingabe und Übernahme der Sache in die Obsorge. Wenn also jemand eine Sache tat­sächlich in Verwahrung übernimmt, ohne dass eine Vereinbarung mit der anderen Seite darüber getroffen wurde, so fehlt die wesentliche Voraussetzung des Vertrages.19 Die Abgabe des Verwahrungsversprechens (§ 936) genügt nicht, wenn der Hinterleger die Sache ohne Verständigung des Verwahrers einbringt, der nur eine grundsätzliche Zustimmungserklärung abgegeben hat,20 Dasselbe gilt für bloße Gefälligkeitsverhältnisse, bei denen für den anderen erkennbar eine rechtsgeschäftliche Bindung nicht beabsichtigt ist.21 Der einfachste Fall ist derjenige der körperlichen Übergabe.22 Gesamtsa- 6 chen wie zB Warenlager sind zwar körperlich schwer zu übergeben, sodass Übergabe durch Zeichen (§ 427) zugelassen werden muss, doch ist der Verwahrer physisch in die Lage zu versetzen, „die ihm anvertraute Sache vor Schaden zu sichern“ (§  958). Ist der Verwahrer schon vor der Vereinbarung Inhaber der Sache, so ist eine Übergabe zum Zustandekommen des Realvertrages nicht mehr erforderlich, weil das reale Verhältnis ohnehin schon besteht (§ 428 zweiter Halbsatz). Besonders häufig ist der Fall des Besitzkonstituts, wenn nämlich der Veräußerer das Kaufobjekt vorderhand noch als Verwahrer behalten soll. In Betracht kommt auch der Fall der Besitzanweisung, wenn sich die zu verwahrende Sache bei einem Dritten befindet. Die „reale Übergabe“ kann auch für den Fall zu bejaht werden, dass zwar keiner der gesetzlichen Fälle des Besitzerwerbes vorliegt, dem Vertragspartner aber dennoch die faktische Verfügungsgewalt eingeräumt wird. Im Fall der E OGH 5 Ob 333/63, ZVR 1964/155 wurde ein PKW auf der Strasse abgestellt und dem Angestellten einer Reparaturwerkstätte die Fahrzeugschlüssel ausgefolgt, damit der Wagen später in die Werkstätte gefahren werden konnte. Die E hat eine „reale Übergabe“ verneint, wie problematisch das ist, zeigt sich aber schon dann, wenn angenommen wird, dass der Hinterleger über kein zweites Paar Schlüssel verfügt und daher keinen weiteren Übertragungsakt mehr setzen kann. Eine ganz andere Frage ist freilich, ob die vertragliche Obsorgepflicht schon mit der Übernahme der Schlüssel einsetzen soll oder erst später.

Binder in Schwimann3 § 957 Rz 44. SZ 5/98. 20  GlUNF 5.615. 21  Schubert in Rummel3 I § 957 Rz 1; OGH 3 Ob 274/98k, RZ 22  ZB SZ 2/129; OGH 3 Ob 252/51, JBl 1952, 16 (Möbel); SZ 43/84 (PKW). 18  19 

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II. Ausdrücklicher und konkludenter Vertragsschluss 1. Allgemeines 7

Die gesetzliche Konstruktion des Verwahrungsvertrages als Realvertrag ändert nichts daran, dass auch ein konkludenter Vertragsschluss möglich ist. Die Übergabe der zu verwahrenden Sache gilt in diesem Fall zugleich als schlüssige Handlung. Allerdings ist niemand verpflichtet, fremde Sachen, die ohne seinen Willen in seinen Verfügungsbereich gelangen oder dort (etwa anlässlich der Räumung einer Wohnung) verbleiben, in Obsorge zu nehmen.23 Da aber der Verwahrungsvertrag auch unentgeltlich sein kann, ist die Abgrenzung von einer bloßen Gefälligkeitshandlung ohne rechtsgeschäftlichen Bindungswillen oft sehr schwierig24 (siehe dazu auch § 969 Rz 1). Eine solche führt bei Verlust und Beschädigung nur zu einer Haftung nach allgemeinen deliktischen Grundsätzen. Entgeltlichkeit der Obsorge spricht für schlüssige Obsorgezusage.25 Das trifft insbesondere bei Verwahrung durch einen Unternehmer26 zu, aber auch auf Fälle, in denen sich die Obsorge als Nebenpflicht aus einem anderen Vertrag ergibt (siehe dazu §  960 Rz  9 bis 14). Für Verwahrungsverträge zwischen Ehegatten besteht keine Notariatsakts8 pflicht. 2. Kleiderverwahrung 9

Die im täglichen Leben häufigsten Formen der Verwahrung sind die Kleiderverwahrung und die Einstellung von Fahrzeugen.27 Nach allgemeinen Grundsätzen entscheidet bei der Beurteilung eines Verhaltens als schlüssiger Abschluss eines Verwahrungsvertrages, ob bei Bedachtnahme auf Verkehrssitte und redliche Gewohnheit ein beiderseitiges Einverständnis betreffend die Übergabe und Übernahme in Obsorge angenommen werden kann. Nach einhelliger Auffassung genügt hiefür weder die Anbringung von Kleiderhaken in einem Gastlokal und ähnlichen Räumlichkeiten 23 

Rz 1.

Rsp 1928/254 (eigenmächtig zurückgestellte Retourwaren) SZ 5/98; Griss in KBB3 § 957

24  OGH 3 Ob 274/98k, SZ 2000/10; 3 Ob 234/02m, RZ 2003, 256; Schubert in Rummel3 I § 957 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV § 957 Rz 40; Griss in KBB3 § 957 Rz 1. 25  OGH 1 Ob 598/55, JBl 1956, 232; 3 Ob 274/98k, RZ 2000, 47; Griss in KBB3 § 957 Rz 3. 26  OGH 1 Ob 472/61, EvBl 1962/131; Schubert in Rummel3 I § 957 Rz 1. Die gesetzliche Entgeltlichkeitsvermutung findet sich nunmehr in § 354 Abs 1 UGB. Aus dieser Bestimmung lässt sich allerdings nicht ableiten, dass Nebenleistungen jedenfalls zusätzlich abgegolten werden müssen. Kein zusätzliches Entgelt kommt in Betracht, wenn die Nebenleistungen bereits mit dem Entgelt für die Hauptleistungen abgegolten werden oder nach der Verkehrs- und Handelssitte nicht vergütet zu werden pflegen. Solche Nebenleistungen sind daher auch nicht als unentgeltlich anzusehen und etwa nach § 915 auszulegen. 27  In den älteren Entscheidungen, die sich noch in der Vorauflage finden, handelt es sich meist um Tiere, die besondere Ansprüche an die Obsorge stellen. Daraus ergibt sich jedoch noch kein mit einem Werkvertrag gemischter Verwahrungsvertrag (so aber OGH 8 Ob 51/94, EvBl 1995/8 = HS 25.509 – Hauskatze; wie im Text hingegen Schubert in Rummel3 I § 957 Rz 

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Ausdrücklicher und konkludenter Vertragsschluss

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noch die bloße Hilfestellung des Personals beim Ablegen von Bekleidungsstücken und ihre Verbringung in eine offene Garderobe.28 Als maßgebliches Kriterium für die Annahme eines konkludenten Verwahrungsvertrages haben Lehre und Rsp die Unvermeidlichkeit der Inanspruchnahme einerseits und die Unzumutbarkeit der laufenden Überwachung des Aufbewahrungsortes entwickelt.29 Andererseits bewirkt das unbemerkte Einhängen eines Kleidungsstückes in eine im Augenblick unbeaufsichtigte Garderobe30 oder gar das Aufhängen eines Pelzmantel gegenüber der unbesetzten Garderobe entgegen dem Rat der Kellnerin31 keinen schlüssigen Verwahrungsvertrag. Der Gast kann nicht darauf vertrauen, dass der Lokalinhaber darauf verzichtet, mit dem Personal das Einvernehmen hinsichtlich der zweckmäßig­ sten Aufbewahrungsart herzustellen.32 Nach der Rsp33 ist das Aufstellen eines Schiständers im Hausflur eines Gasthauses selbst dann, wenn er vom Personal im Auge behalten werden könnte, nicht als Anbot der Übernahme von Verwahrungspflichten durch den Gastwirt anzusehen. Begründet wird dies damit, dass es nicht üblich sei, mit Schiern ein Gastlokal zu betreten und diese dort zu verwahren; üblicherweise werden die Schier vor der Gastwirtschaft abgestellt, wobei es dann dem Einzelnen überlassen bleibt, entsprechende Vorsorgen gegen das Abhandenkommen zu treffen. Aus diesem Grunde könne auch nicht gesagt werden, dass die reibungslose Abwicklung der Bewirtung die Übernahme einer Verwahrungspflicht erfordere. Eine Obsorge setze voraus, dass der Gastwirt kontrolliere, ob nicht unberechtigte Personen die Schier entnehmen. Der Sache nach wird also die verkehrsübliche Erwartung als maßgeblich angesehen, was im Normalfall somit – vereinfacht formuliert – bei Kleidungsstücken für und bei Schiern gegen die Annahme eines schlüssigen Verwahrungsvertrages spricht, wenn das Personal die eingebrachten Sachen im Auge behalten kann. Zur Haftung des Schulerhalters für die von Schülern eingebrachten Sachen insbesondere in Schul- und Turngarderoben vgl den Erl BMU Zl 21.281/154/80, RdS 1980, 83 und Gaisbauer, Zur Haftung des Schulerhalters für Schülergarderobe und andere von den Schülern eingebrachten Sachen, ÖGZ 1984, 412. Werden Kleidungsstücke in einer besonders eingerichteten Garderobe ent- 10 gegengenommen, womöglich auch noch Garderobemarken gegen besonderes Entgelt ausgegeben, kann am Abschluss eines Verwahrungsvertrages nicht gezweifelt werden. Ist (nur) die Garderobe verpachtet, kann der Gastwirt seinen Vertragspartner nicht auf die Haftung des ihm (meist gar nicht bekannten) Pächters verweisen.34 28  GlUNF 3737; GlUNF 4759; SZ 1/69; OGH 6 Ob 329/67, SZ 41/14; 1 Ob 545/76, SZ 49/37 = EvBl 1976/213; 1 Ob 757/79, EvBl 1980/91; Schubert in Rummel3 I §  957 Rz  2; Binder in Schwimann3 IV § 957 Rz 32 ff. 29  OGH 1 Ob 158/64, SZ 37/151 = EvBl 1965/86; 1 Ob 545//76, SZ 49/37; 1 Ob 757/79, EvBl 1980/91; Schubert in Rummel3 I § 957 Rz 3; Binder in Schwimann3 IV § 957 Rz 33. 30  GlUNF 3.737; JBl 1918, 104; OGH 6 Ob 5/71, RIS-Justiz RS 0019334. 31  OGH 1 Ob 757/79, EvBl 1980/91. 32  Vgl Binder in Schwimann3 IV § 957 Rz 33. 33  OGH 1 Ob 569/79, SZ 52/70 = EvBl 1980/1. 34  SZ 4/30; SZ 20/154; Schubert in Rummel3 I § 957 Rz 3; Binder in Schwimann3 IV § 957 Rz 33.

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3. Fahrzeugeinstellung 11

Das bloße Einverständnis über die Abstellung eines Kraftfahrzeugs auf einem offenen Parkplatz verpflichtet nicht zur Obsorge.35 In solchen Fällen liegt entweder eine Gefälligkeitshandlung oder eine Miete vor. Wird das Fahrzeug hingegen gegen Parkgebühr auf einem (zumindest als solchem bezeichneten) „bewachten Parkplatz“ und ein Parkzettel ausgestellt, liegt ein Verwahrungsvertrag vor.36 Wird ein zum Waschen bestimmter PKW auf der Strasse abgestellt und der Autoschlüssel gleichzeitig an einen Bediensteten überlassen, entsteht dadurch noch keine sofortige Obsorgepflicht.37

III. Inhalt und Abgrenzung des Verwahrungsvertrages 12 13

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Die für den Verwahrungsvertrag charakteristische Hauptpflicht ist die Obsorge. Näheres vgl Rz zu § 961 und über die Abgrenzung von der Bevollmächtigungsvertrag (dem Auftrag) Rz zu § 960. Die Verwahrung gibt nach § 958 kein Gebrauchsrecht. Wird es gewährt, entsteht ein anderer Vertrag; darüber sowie über die vor allem im DepG geregelten Übergangsformen der Sammel-, Tausch- und unregelmäßigen Verwahrung vgl Rz 16 ff zu § 959. Die Verwahrung erfolgt im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses und kann unentgeltlich oder entgeltlich sein (§ 969); sie kann nicht nur bewegliche, sondern auch unbewegliche Sachen umfassen (§ 960 Satz 1). § 957 spricht nur von der Verwahrung fremder Sachen. Es kann aber auch vorkommen, dass die hinterlegte Sache dem Verwahrer selbst gehört und ein Verwahrungsvertrag gültig zustande kommt. Wenn nämlich dem Hinterleger ein Recht zur zeitweisen Benützung dieser Sache zusteht und dadurch die Befugnis des Eigentümers, mit der Sache iSd § 354 nach Willkür zu schalten, für die Dauer der Berechtigung des Hinterlegers außer Kraft gesetzt ist, kann für die Dauer dieses Rechtes eine Verwahrung der eigenen Sache und dem Eigentümer selbst eine Obsorgepflicht hinsichtlich einer eigenen Sache rechtswirksam auferlegt werden.38 Die Sache ist wie auch sonst dem Hinterleger zurückzustellen. Die irrtümliche Übernahme der eigenen Sache als einer fremden führt hingegen schon nach den allgemeinen Grundsätzen des §  871 zur Irrtumsanfechtung.39 Ist der Verwahrungsvertrag nichtig, greifen gegebenenfalls die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ein. 35 

OGH 1 Ob 58/69, HS 7.371./7; 6 Ob 256/74, EvBl 1976/21. OLG Wien 14 R 165/81, MietSlg 33.112; OGH 5 Ob 75, 76/70, SZ 43/84; das in diesem Zusammenhang meist noch genannte Indiz, dass auch darauf geachtet werde, dass das Fahrzeug vom Berechtigten abgeholt werde, ist insofern nicht unproblematisch, als der Abstellende dies idR im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht ernstlich überprüfen und sich nur auf die Beteue­ r­ung einer Überwachungsperson verlassen kann. 37  OGH 5 Ob 333/63, ZVR 1964/155 (Parkschaden). 38  Schey in Klang2 I/2, 286. 39  Auch Ehrenzweig, System II/12, 378; Sedlacek, ZBl 1914, 491 f. 36 

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Allgemeines

§ 958

§Â€958. Durch den Verwahrungsvertrag erwirbt der Übernehmer weder Eigentum noch Besitz, noch Gebrauchsrecht; er ist bloßer Inhaber mit der Pflicht, die ihm anvertraute Sache vor Schaden zu sichern. Stammfassung JGS 1811/946.

Abgesehen von einem allfälligen Anspruch auf Entlohnung (§Â€969), einem 1 Ersatzanspruch (§Â€969) oder dem allfälligen Anspruch auf Zurücknahme der Sache erwachsen für den Verwahrer aus dem Verwahrungsvertrag nur Verpflichtungen. Er erlangt daher weder ein dingliches Recht am Gegenstand noch ein obligatorisches Gebrauchsrecht. Wird ein solches nachträglich eingeräumt, so liegt eine Novation in Richtung einer Leihe oder eines Darlehens vor.1 Er ist vielmehr bloßer Inhaber mit der Verpflichtung zur Obsorge und zur jederzeitigen Rückstellung der Sache in unversehrtem Zustand (§§Â€961 ff). Unter Obsorge ist nicht nur die rein passive Verwahrung zu verstehen, vielmehr muss der Verwahrer auch die zur Erhaltung der Sache notwendigen Maßnahmen treffen.2 Bei Liegenschaften ist er zur Obhut verpflichtet.3 Näheres dazu unter §§Â€959–963 Rz 1. §Â€958 schließt einen Besitz des Verwahrers, sei er nun Sach- oder Rechtsbe- 2 sitz, ausdrücklich aus. Der Verwahrer hat daher keinen Rechtsgrund zur Besitznahme und kann das hinterlegte Gut auch nicht ersitzen.4 Zur Obsorge für die Sache gehört aber auch deren Sicherung gegen Eingriffe Dritter und bei einer Besitzentziehung die Sorge für die Wiedererlangung der Sache. Nach nunmehr einhelliger Auffassung kommt jedoch dem Verwahrer kein Besitzesschutz zu,5 zumal kein Anlass besteht, jemandem, der eine Sache gar nicht für sich behalten will, im eigenen Namen besonderen Schutz zu gewähren, weil der Besitzer ohnedies grundsätzlich handeln kann.6 Aus der Obhutspflicht des Verwahrers folgt jedoch, dass er sich im Namen des Hinterlegers zur Wehr setzen kann.7 Schubert in Rummel2 §Â€958 Rz€1. OGH 3 Ob 594/63, SZ 56/143 (Verwahrung auch von Schlüssel und Papieren eines PKW); 3 Ob 537/91, SZ 64/62. 3╇ OGH 6 Ob 329/67, SZ 41/14; 3 Ob 274/98k, RZ€2000, 47. 4╇ OGH 7 Ob 103/74, JBl 1974, 622; 7 Ob 689/90, NZ 1991, 314; Griss in KBB3 §Â€958 Rz€1. 5╇ Klang in Klang2 II 104 f; Kodek in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) §Â€309 Rz€37; Schubert in Rummel3 I §Â€958 Rz€1; Binder in Schwimann3 IV §Â€958 €3; Griss in KBB3 §Â€958 Rz€1; G. Kodek, Die Besitzstörung (2002) 93 f FN 6. AM noch Swoboda in Klang1 I 659 unter Berufung auf eine heute allgemein abgelehnte Lehre vom Eigentum im weiteren Sinn und Ehrenzweig, System II/12 einerseits unter Berufung auf Zeiller, dessen Auffassung sich jedoch, wie Ehrenzweig selbst einräumt, bei den Redaktoren nicht durchgesetzt hat, und andererseits auf das „unabweisbare Bedürfnis“, dem Verwahrer zu helfen. Dazu jedoch wie im Text. Das Konzept des Besitzesschutzes des Verwahrers stammt aus dem Römischen Rechtes, wo es Mängel des unentwickelten Rechtes der Stellvertretung ausgleichen musste. Ähnlich auch Randa, Besitz 4. Aufl 484 ff. Vgl auch Klicka in Schwimann3 II §Â€309 Rz€3 unter Berufung auf SZ 57/99. 6╇ G. Kodek, Besitzstörung 93 f 7╇ Griss in KBB3 §Â€958 Rz€1. Die von G. Kodek, Besitzstörung 93 f FN 6 darüber hinaus in Erwägung gezogene Rechtsfigur der Parteistellung kraft Amtes bzw der gesetzlichen Prozessstandschaft ist zur Begründung des gewünschten Ergebnisses nicht nötig und droht nur zu Komplikationen im Verhältnis zwischen Hinterleger und Verwahrer zu führen. Anders allenfalls beim gerichtlichen Verwahrer, so auch Kodek in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) §Â€309 Rz€37. 1╇ 2╇

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§ 958

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Das Einschreiten als Bevollmächtigter bei Einbringung einer Besitzstörungsklage wird durch die allgemeinen Vorschriften des ZPO über den Nachweis der Vertretungsbefugnis geregelt. Daraus ergibt sich, dass der Bevollmächtigte bei der ersten von ihm vorgenommenen Prozesshandlung seine Bevollmächtigung durch eine Urkunde (Vollmacht) darzutun hat, welche in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift vorzulegen ist (§Â€30 Abs 1 ZPO). Schreitet ein Rechtsanwalt oder Notar ein, so ersetzt die Berufung auf die ihm erteilte Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis (§Â€30 Abs 2 ZPO). §Â€38 ZPO sieht die vorläufige Zulassung auch eines Nichtbevollmächtigten vor, jedoch nur für einzelne dringende Prozesshandlungen und nicht für den ganzen Prozess. Er betrifft sowohl Personen, die zwar bevollmächtigt sind, aber beim Einschreiten die Vollmacht nicht urkundlich nachweisen können, als auch Personen, die ohne Auftrag der Partei zu deren Nutzen als Geschäftsführer ohne Auftrag einschreiten.8 Man muss also verlangen, dass bei Einbringung der Besitzstörungsklage im Namen des Hinterlegers seitens des Verwahrers entweder eine Prozessvollmacht (wenn er nicht Rechtsanwalt oder Notar ist9) oder eine Urkunde über den Verwahrungsvertrag vorgelegt wird, woraus die Befugnis zu solchen Schritten schon gemäß §Â€1029 hervorgeht (Verwaltervollmacht). Darüber hinaus bleibt dem Verwalter der (eigenständige) Besitzesschutz für den Raum, in welchem er den anvertrauten Gegenstand unterbringt und verwahrt, und zwar nicht nur gegen Dritte, sondern (insofern) auch gegen den Hinterleger selbst. Aus der Obhutspflicht lässt sich auch das Selbsthilferecht (§§Â€19 iVm 3 344) ableiten.10 Da der Verwahrer bloßer Inhaber ist, ist der Hinterleger zur Besitzeinräu4 mung durch Erklärung nach §Â€428 befugt, und zwar sowohl zur Besitzauflassung (traditio brevi manu) als auch zur Besitzauflassung (constitutum possessorium, Besitzkonstitut). Ebenso zulässig ist die Besitzanweisung, mittels welcher dem Verwahrer ausdrücklich oder schlüssig aufgetragen wird, das Gut nunmehr für den Rechtserwerber innezuhaben.11 §Â€958 legt fest, dass der Verwahrer kein Gebrauchsrecht hat. In welchen 5 Vertrag die Verwahrung „übergeht“, also welcher Vertragstypus vorliegt, wenn ein solches eingeräumt wird, behandelt §Â€959. Nachträgliche Einräumung führt zu einer entsprechenden Novation.

Fasching, LB2 Rz€434; Zib in Fasching2 II/1 §Â€38 ZPO Rz€1; GlUNF 5709; EvBl 1935/943. §Â€30 Abs 2 ZPO. Nach §Â€33 Abs 1 ZPO kann eine Prozessvollmacht nach §Â€31 ZPO auch Personen erteilt werden, die nicht Rechtsanwälte sind. 10╇ Schey in Klang2 I/2, 311 f, 314 f; Binder in Schwimann3 IV§Â€958 Rz€3. 11╇ SZ 9/155; SZ 20/117; OGH 1 Ob 150/63, SZ 36/129. 8╇ 9╇

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Allgemeines

§ 959

Wann er in einen Darlehens- oder Leihvertrag; §Â€959. Wird dem Verwahrer auf sein Verlangen, oder durch freiwilliges Anerbieten des Hinterlegers der Gebrauch gestattet; so hört im ersten Falle der Vertrag gleich nach der Verwilligung; im zweiten aber von dem Augenblicke, da das Anerbieten angenommen, oder von der hinterlegten Sache wirklich Gebrauch gemacht worden ist, auf, ein Verwahrungsvertrag zu sein; er wird bei verbrauchbaren Sachen in einen Darlehens-, bei unverbrauchbaren in einen Leihvertrag umgeändert, und es treten die damit verbundenen Rechte und Pflichten ein. Stammfassung JGS 1811/946. Lit: zu I.5.: Koritschan, Der Garagierungsvertrag, JBl 1934, 247, 270; Schimetschek, Rechtliche Besonderheiten der Garagenmiete, ImmZ 1971, 195; W. Doralt, Der Garagierungsvertrag in der Umsatzsteuer, RdW 1984, 386; Sprung/König, Rechtsnatur des Garagen-Kurzparkvertrages, RdW 1985, 235; dies, Bestimmbarkeit der Bestandsache und Garagen-Kurzparkvertrag, RdW 1986, 200. Zu II.: Kastner, Zur Rechtsnatur des Einlagebuches (Sparbuches) nach österreichischem Recht, JBl 1966, 56; Kastner/Mayer, Zum neuen Depotgesetz, JBl 1970, 24; Mayer, Die Verwahrung von Wertpapieren nach dem neuen Depotgesetz, in: Das Depotgesetz 1970 (1970) 26; Avancini, Das Sparbuch im österreichischen Recht (1973); Schauer, Die „allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Einlagen auf Sparbücher“, QuHGZ 1985, H 2, 41; P. Berger, Das Recht des Sparbuches (1989); Kerschner, Aufrechnungsprobleme bei Bankgeschäften, BA 1989, 254; Rabl, Zur Aufrechung mit und gegen Sparguthaben, ecolex 1997, 745; Iro, Drittverwahrung von Wertpapieren: Regelungskonflikt zwischen §§Â€29 ff WAG und DepG?, ÖBA 2009, 253.

Übersicht I. Abgrenzung des Verwahrungsvertrages von den Rechtsinstituten des Darlehensvertrages, des Leihvertrages und des Bestandvertrages 1–15 1. Allgemeines 1 2. Abgrenzung vom Darlehensvertrag 2–4 3. Abgrenzung vom Leihvertrag 5 4. Abgrenzung vom Bestandvertrag 6 5. Garagierung und Tierverstellung 7–11 6. Schrankfach-(Safe)Vertrag 12–15 II. Sonderformen des Verwahrungsvertrages insbesondere nach dem Depotgesetz 16–27 1. Verwahrung nach dem Depotgesetz 16–24 2. Unregelmäßiger Verwahrungsvertrag 25 3. Spareinlagen- und Girovertrag 26–27

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I. Abgrenzung des Verwahrungsvertrages von den Rechtsinstituten des Darlehensvertrages, des Leihvertrages und des Bestandvertrages 1. Allgemeines 1

Es ist ein Begriffsmerkmal des Verwahrungsvertrages, dass dem Verwahrer keinerlei Gebrauchsrecht zugestanden wird. Wird ihm daher ein solches eingeräumt, so liegt kein Verwahrungsvertrag mehr vor, ganz gleich, ob dies von vornherein oder erst nachträglich geschieht. Doch hat §Â€959 vor allem die Fälle im Auge, in denen die Verwahrung nachträglich in einen anderen Vertrag übergeht, er also noviert wird. Der Zeitpunkt, in dem die Umwandlung beginnt, ist entscheidend, da in diesem Zeitpunkt das neue Schuldverhältnis beginnt. Der maßgebliche Zeitpunkt ist derjenige der Willenseinigung. Das ABGB unterscheidet zwei Fälle, je nachdem von welchem Vertragspartner die Initiative ausgeht. Verlangt der Verwahrer die Gestattung des Gebrauchs, so liegt darin ein Antrag auf Novation, der durch die Annahme („Verwilligung“) des Hinterlegers zum Vertrag führt. Bietet der Hinterleger den Gebrauch an, so kann der Verwahrer diesen Antrag ausdrücklich oder schlüssig oder auch gem §Â€864 durch Ausübung des tatsächlichen Gebrauches annehmen.1 Lehnt der Hinterleger die Gebrauchsgestattungsofferte, also das Anbot auf Vornahme einer Novation, ab, und nimmt der Verwahrer die Sache dennoch in Gebrauch, so begeht er eine Vertragsverletzung.2 2. Abgrenzung vom Darlehensvertrag

2

In was für einen Vertrag die Verwahrung „übergeht“, hängt nach der Auslegungsnorm des §Â€959 zunächst von der Art der Sache, ob „verbrauchbare“ oder „unverbrauchbare“, ein Begriffspaar, das die Redaktoren (damaligem Sprachgebrauch folgend) nicht immer säuberlich von demjenigen der vertretbaren und unvertretbaren Sachen geschieden haben. Entscheidend ist vielmehr, ob Rückgabe derselben Sache oder Rückgabe von Sachen gleicher Art vereinbart ist, wobei freilich bei Gebrauchsüberlassung verbrauchbarer Sachen vorausgesetzt wird, dass es sich um bestimmungsgemäßen Gebrauch, daher Rückgabe derselben Sache gar nicht möglich ist, bei vertretbaren Sachen aber kein besonderer Wert darauf gelegt wird, dieselbe Sache zurückzuerhalten. Soll nach gestattetem Gebrauch „ebensoviel von derselben Gattung und 3 Güte“ zurückgegeben werden (§Â€983), so wird aus der Verwahrung ein Darlehensvertrag, ist dieselbe Sache zurückzugeben, ein Leihvertrag (auch Bittleihe kommt in Betracht). Das ABGB behandelt in §Â€959 nur die Novierung der unentgeltlichen Verwahrung in unentgeltliche Gebrauchsüberlassung, da nur hier der Zeitpunkt des Überganges vom dem einen Vertragstypus in den anderen zweifelhaft sein kann. Im Fall der Verwandlung der unentgeltlichen Ver1╇ 2╇

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Schubert in Rummel3 I §Â€959 Rz€1. GlU 15.700.

Abgrenzung des Verwahrungsvertrages

§ 959

wahrung in Bestandnahme oder verzinsliches Darlehen markiert die Abrede über das Entgelt den Zeitpunkt der Umwandlung. Wäre die Verwahrung entgeltlich gewesen, so ist zu beachten, dass bisher der Hinterleger das Entgelt zu leisten hatte, während künftig der Bestandnehmer bzw Darlehensschuldner entgeltpflichtig wird. Zum unregelmäßigen Verwahrungsvertrag siehe Rz 14 und 15. Wird der Verwahrungsvertrag in ein Darlehen noviert, so wird das Rechts- 4 geschäft zwischen Ehegatten notariatsaktspflichtig (§ 1 Abs 1 lit b NotAktsG). 3. Abgrenzung zum Leihvertrag Soll nach gestattetem Gebrauch dieselbe Sache zurückgegeben werden, 5 liegt eine Novation des Verwahrungsvertrages in Richtung einer Leihe vor. 4. Abgrenzung zum Bestandvertrag Novation in Richtung eines Bestandvertrages liegt vor, wenn dem bisheri- 6 gen Verwahrer nicht nur der Gebrauch der verwahrten Sache gestattet wird, sondern wenn er darüber hinaus auch noch ein Entgelt zu entrichten hat. Wird allerdings die Übernahme der Obsorge durch die Gestattung des Gebrauchs vergolten, so liegt ein gemischter Vertrag vor, der sich aus einem (entgeltlichen) Verwahrungsvertrag und einem Bestandvertrag zusammensetzt. 5. Garagierung und Tierverstellung Durch Abstellen eines Kfz auf einem bewachten Parkplatz, Einheben einer 7 Parkgebühr und Ausfolgung eines Parkzettels wird ein Verwahrungsvertrag begründet.3 Wird umgekehrt ersichtlich nur ein Abstellplatz gegen Entgelt ohne Obhutspflicht zur Verfügung gestellt, liegt ein Mietvertrag vor.4 Der Garagierungsvertrag ist daher jedenfalls Miete, wenn der Benützer ausschließlich den Raum benützt (allein den Schlüssel hat – Einzelgarage); Verwahrung bei einmaliger Einstellung in einem auch von anderen benützten Raum mit Obsorgepflicht; so auch beim bewachten Parkplatz; bei Dauereinstellung auf jedesmaliges Verlangen mit Obsorgepflicht ein gemischter MietVerwahrungsvertrag, vor allem bei einem fixen Abstellplatz. Bei Wartung treten Werkvertragselemente dazu. Da das eingestellte Kfz vor fremden Einwirkungen in besonderem Maß geschützt werden soll, wird in der neueren Lehre daher beim typischen Garagierungsvertrag von einem „Verwahrungselemente umgreifenden gemischten Vertrag“ gesprochen.5 Besondere Schwierigkeiten bereitet der Garagen-Kurzparkvertrag, der 8 zum Zweck der stundenweisen Einstellung des Fahrzeugs geschlossen wird. Ein Teil der Lehre vertritt die Auffassung, hier stehe nicht der Schutz vor äußeren Einwirkungen im Vordergrund, sondern das Bestreben, eine Parkgele3 

OGH 5 Ob 75, 76/70, SZ 43/84. OGH 6 Ob 256/74, EvBl 1976/21. 5  Binder in Schwimann3 § 957 Rz 18; MietSlg 26.091; SZ 52/54. 4 

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§ 959

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genheit in günstiger Lage ohne zeitraubende Parkplatzsuche zu erhalten. Der Kurzparkvertrag stelle daher einen reinen Mietvertrag dar.6 Der OGH hat sich dieser Auffassung angeschlossen.7 Wenn auch nicht daran zu zweifeln ist, dass die Betreiber von Hoch- und Tiefgaragen idR keine personal- und kostenintensive Bewachung übernehmen und damit die Parkgebühren in die Höhe treiben wollen, so steht umgekehrt auch fest, dass der Benützer mit einem gewissen Maß an Aufsicht und Schutz vor Diebstahl rechnet und auch rechnen darf, und der Bewirtschafter der räumlich geschlossenen Parkfläche dem durch Regulierung der zutrittsberechtigten Personen und anderweitige Kontrollmaßnahmen Rechnung trägt.8 Im Hinblick auf den Umfang der Obsorgepflichten, die nur für einen Verwahrungsvertrag typisch sind, liegt die Annahme eines solchen näher. Es mag sich nur darüber streiten lassen, ob in solchen Fällen typischerweise ein Verwahrungsvertrag vorliegt, allerdings ein solcher mit reduzierten Obhutspflichten oder ein Mietvertrag mit ungewöhnlich starken Obhutspflichten. Einerseits erwartet der Benützer doch, dass er besser geschützt ist als bei einem Abstellen des Fahrzeugs auf der Straße, aber umgekehrt ist ihm auch klar, dass die kurze Verweildauer der jeweiligen Einsteller und deren dementsprechend große Zahl eine genauere Überprüfung bei tragbaren Kosten9 unmöglich macht, und eine solche erwartet er auch nicht. Ein „reiner“ Mietvertrag liegt im Hinblick auf den Umfang der Obhutspflichten, die vom OGH auch noch ausdrücklich hervorgehoben werden, keinesfalls vor. Aber auch wenn ein „gemischter“ Mietvertrag angenommen wird, ist für jede einzelne Leistungspflicht die sachlich geeignetste Vorschrift heranzuziehen, für diese Obhutspflichten also die gesetzlichen Vorschriften über den Verwahrungsvertrag. Zur Vertragshaftung nach §Â€970, die bei Annahme eines „reinen“ Mietvertrages doch höchst ungewöhnlich wäre, siehe dort insb Rz 55 ff. Ähnliche Grundsätze – Verbindung von Verwahrungs- und Mietvertrags9 elementen – gelten für Verträge über die Abstellung von Motorbooten und Flugzeugen.10 Ebenso Mischcharakter hat die Viehverstellung, bei der Vieh auf der Alm 10 eines anderen gesömmert wird.11 Handelt es sich um Galtvieh, dh Vieh, das vor allem wegen seines niedrigen Alters noch keinen Nutzen abwirft, so übernimmt der Almbesitzer gegen Entgelt die Obsorge über das Vieh, wozu die Wartung und Fütterung, hier durch Weidegang, gehört (entgeltlicher Verwahrungsvertrag). Handelt es sich um Nutzvieh, so wird dafür neben Geld auch ein Sprung/König, RdW 1985, 237f; dieselben, RdW 1986, 200. OGH 4 Ob 522/95, SZ 68/79 = EvBl 1995/108 = JBl 1995, 717 = WoBl 1995, 222 (abl Binder)= RdW 1995, 297 = ZVR 1995/144; 2 Ob 256/98f, immolex 2000/99 (Pfiel); 2 Ob 101/99p, ZVR 2000/26; berechtigte Kritik an den Inkonsequenzen dieser Rechtsprechung auch bei Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€11. 8╇ Binder in Schwimann3 IV §Â€957 Rz€18. 9╇ Dass deren gelegentlich geradezu prohibitive Höhe auch mit allgemein bekannten Besonderheiten von Immobiliengeschäften in manchen Städten zusammenhängt, sei nur en passant erwähnt. 10╇ OGH 8 Ob 316/67, MietSlg 19.090; 6 Ob 1976/21, EvBl 1976/21; 3 Ob 503/82, MietSlg 34.197; VwGH 90/15/0081,WoBl 1992, 115. 11╇ Binder in Schwimann3 §Â€957 Rz€21. 6╇ 7╇

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Abgrenzung des Verwahrungsvertrages

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bestimmtes Quantum Milch geschuldet (= entgeltliche Verwahrung gegen entgeltliche Gebrauchsüberlassung). Wird dagegen Milch ohne Abrechnung des Überschusses gegen Fütterung überlassen, so liegt Leihe vor.12 Zur Barkaution siehe Erl zu § 448. 11 6. Schrankfach-(Safe)Vertrag Unter Safe (Schließ- oder Schrankfach) versteht man das in einem Stahl- 12 schrank oder in einer Stahlkammer befindliche, nummerierte, im Mitverschluss der Bank stehende Fach. Hiebei wird dem Kunden von einem Kreditinstitut dieses, meist mit einer Stahlkassette, zur Unterbringung von Wertpapieren, Wertgegenständen oder Urkunden überlassen, wobei das Kreditunternehmen lediglich für die sichere Unterbringung durch entsprechende Überwachung zu sorgen hat. Das Safegeschäft wird in § 1 Abs 2 Z 6 BWG als Bankgeschäft angeführt („Schließfachverwaltungsdienste“), doch sind auch Kreditgeschäfte zu seiner Durchführung berechtigt (§  1 Abs 3 BWG). Das Safegeschäft ist zwar nicht Kreditinstituten vorbehalten, die es aufgrund ihrer AGB (meist Sonderbedingungen iVm den ABB) ausüben, wenn es auch überwiegend von diesen betrieben wird.13 Werden allerdings Gegenstände vom Gast an der Rezeption mit dem Auftrag deponiert, sie im Hotelsafe unterzubringen, so werden sie dem Hotelier in persönliche Verwahrung gegeben; es liegt daher ein Verwahrungs- und kein Safevertrag vor.14 Nach den üblichen Vertragsgestaltungen werden die Sachen dem Kreditin- 13 stitut nicht zur Obsorge übergeben, dieses stellt nur das Fach in den besonders gesicherten Stahlkammern zur Verfügung. Andererseits hat das Kreditinstitut diese Stahlkammern zu überwachen, den Zutritt Unbefugter zu verhindern und daher auch bei der Öffnung des Safes mitzuwirken. Personen, die zum Safe Zutritt suchen, müssen sich daher durch ihre Unterschrift und die Nennung des Losungswortes legitimieren.15 Im Schrifttum wurde daher schon sehr früh das Vorliegen eines gemischten 14 Vertrags angenommen, wobei zunächst zu Unrecht ein Überwiegen der verwahrungsrechtlichen Elemente festgestellt wurde.16 Heute wird daher vielfach vertreten, dass es sich um einen gemischten Vertrag handelt, bei dem die mietrechtlichen Elemente überwiegen. Die Mitsperre durch das Kreditinstitut ändert daran nichts, weil der Mietvertrag die Einräumung ausschließlicher 12 

OGH 2 Ob 309/57, EvBl 1957/398. Koziol in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 II Rz 5/1 ff; Ehrenzweig, System II/12, 377; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 18 und Klang in Klang2 V 19; Schubert in Rummel3 I § 957 Rz 4; Koziol/Welser13 II 197 f; Griss in KBB3 § 957 Rz 5; OGH 1 Ob 530/77, SZ 50/25 = JBl 1977, 646 = EvBl 1977/203; 4 Ob 591/81, SZ 55/64; 3 Ob 33/84, SZ 57/102 = JBl 1985, 562 = EvBl 1985/53. 14  OGH 4 Ob 591/81, SZ 55/64 = HS 13.010 = MietSlg 34.142; Schubert in Rummel3 I § 957 Rz 4. 15  Koziol in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 II Rz 5/3, 5/10 und 5/14. 16  Schey, Die Obligationsverhältnisse I (1890) 394; Ratzenhofer, Die juristische Behandlung des Safe-Depots, GZ 1903, 363 f, und zuletzt noch Heller/Berger/Stix II 1690 und III 2286; ausdrücklich dagegen Koziol in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 II Rz 5/3 und Schubert in Rummel3 I § 957 Rz 4. 13 

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Gewahrsame nicht voraussetzt.17 Nach heute hM liegt entweder ein Mietvertrag oder ein gemischter Vertrag vor, bei dem die mietvertraglichen Elemente überwiegen.18 Koziol19 lässt es offen, ob ein gemischter Vertrag, bei dem die mietrechtlichen Elemente überwiegen, vorliegt, oder aber ein Mietvertrag mit Nebenpflichten, neigt aber der erstgenannten Auffassung zu. Da aber die einzelnen Pflichten ohnehin nach den Vorschriften des ihnen entsprechenden Vertragstypus zu beurteilen sind, ist die Frage der Einordnung ohne erkennbare praktische Bedeutung. Solange sich aber keine praktischen Unterschiede ausmachen lassen, lasst sich auch keine greifbare rechtsdogmatische Anhaltsordnung für eine klare Einordnung finden. Insbesondere steht dem Kreditinstitut auch das gesetzliche Pfandrecht nach § 1101 ABGB zu.20 Die Pfändung des Safeinhaltes erfolgt nach den Regeln über die Pfändung 15 körperlicher Sachen nach § 253 EO, wenn der Verpflichtete mitwirkt und den Safe öffnet. Andernfalls müssen zunächst dessen Rechte aus dem Safevertrag gem §§ 331 ff EO gepfändet werden.21

II. Sonderformen des Verwahrungsvertrages insbesondere nach dem Depotgesetz 1. Verwahrung nach dem Depotgesetz22 16

In § 1 Abs 2 Z 5 BWG wird das Depotgeschäft als „Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere“ umschrieben und im DepG näher geregelt. Da die Verwahrung und Verwaltung eine einheitliche Leistung der Bank bilden, handelt es sich um ein aus Verwahrungs- und Auftragsvertrag kombiniertes Geschäft23. Da die §§  957 ff ABGB auf den Depotvertrag anzuwenden sind und keine besonderen Gründe dagegen sprechen, ist auch dieser ein Realvertrag24. 17  OGH 1 Ob 530/77, SZ 50/25 = JBl 1977, 646 = EvBl 1977/203; Schubert in Rummel3 I § 957 Rz 4. 18  Zuletzt Schubert in Rummel3 I §  957 Rz  4 und Koziol in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 II Rz 5/3; Koziol/Welser13 II 197 bezeichnen den Schrankfachvertrag zunächst als Sonderform des Verwahrungsvertrages, dann aber als gemischten Vertrag, bei dem die Elemente der Miete überwiegen. 19  In Apathy/Iro/Koziol, BVR2 II Rz 5/3. 20  Koziol in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 II Rz 5/3; Iro in KBB3 § 1101 Rz 1. 21  Hiezu ausführlich OGH 3 Ob 33/84, SZ 57/102 = JBl 1985, 562 = EvBl 1985/53 sowie Koziol in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 II Rz 5/21 und Schubert in Rummel3 I § 957 Rz 4. Dem Kreditinstitut kann hiebei durch Einstweilige Verfügung verboten werden, bei der Öffnung des Safes mitzuwirken, ein darüber hinausgehendes Verbot der Mitwirkung bloß bei der Ausfolgung bestimmter Gegenstände ist nicht zulässig (s OGH 1 Ob 530/77, SZ 50/25 = JBl 1977, 646 = EvBl 1977/203). 22  Schrifttum zum DepG siehe oben unter I. 23  Iro in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 II Rz 4/3; Binder in Schwimann3 IV § 958 Rz 29 ff. 24  Ebenso Iro in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 II Rz 4/4, der darüber hinaus auch noch auf die im DepG immer wieder verwendete Formulierung „zur Verwahrung anvertraut“ sowie darauf verweist, dass § 8 Abs 1 DepG offenbar das Zusammenfallen von Vertragsschluss und Übergabe der Wertpapiere voraussetzt. Jedenfalls unterstellt der Gesetzgeber des DepG das Vorliegen eines Realvertrages.

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Sonderformen des Verwahrungsvertrages

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Der Schrankfachvertrag (Safevertrag) ist wegen des starken mietvertraglichen Elements nicht als Depotvertrag zu werten.25 Als Verwahrer kommt nach § 1 Abs 2 DepG nur in Betracht, wer aufgrund des KWG (BWG) oder aufgrund besonderer gesetzlicher Regelungen zur Verwahrung von Wertpapieren berechtigt ist. Jeder Verwahrer hat gem § 11 Abs 1 DepG ein Verwahrungsbuch zu führen, in das jedes Wertpapierkonto sowie Art, Nennbetrag oder Stückzahl, Nummern oder sonstige Merkmale der in diesem Konto verwahrten Wertpapiere einzutragen sind. Hinterleger ist derjenige, von dem oder in dessen Namen der Bank die Wertpapiere anvertraut wurden. Wird ein Depot für mehrere Personen eröffnet, so liegt entweder ein „OderDepot“ vor (Gesamtgläubiger) oder ein „Und-Depot“ (Gesamthandgläubiger). Das DepG sieht eine Reihe von besonderen Verwahrungsformen vor (§ 2 ff). Der gesetzliche Normalfall, aber nicht der in der Praxis häufigste Fall ist die Sonder- oder Streifbandverwahrung (§ 2 DepG). Hier hat der Verwahrer die Wertpapiere getrennt von seinen eigenen Beständen und denen Dritter aufzubewahren. Diese sind daher äußerlich erkennbar mit dem Namen des Hinterlegers zu bezeichnen und durch Anbringen eines Streifbandes oder in eigenen Mappen oder Umschlägen zu verwahren. Andererseits bedarf es zur Sonderverwahrung vertretbarer Wertpapiere der ausdrücklichen und schriftlichen Erklärung des Hinterlegers. Rechte und Pflichten des Verwahrers, für den Hinterleger Verfügungs- oder Verwaltungshandlungen vorzunehmen, werden dadurch nicht berührt; mit anderen Worten: der Verwahrer darf (und falls notwendig: muss) zu diesem Zweck Wertpapiere dem Streifbanddepot entnehmen.26 Bei der Sammelverwahrung werden vertretbare Wertpapiere derselben Art gemeinsam mit eigenen Beständen und solchen Dritter gemeinsam verwahrt (§ 4 DepG), wobei jeder Hinterleger Miteigentum entsprechend seinem Nennbetrag bzw seiner Stückzahl erhält. Dementsprechend trifft ein Verlust am Sammelbestand alle Hinterleger in diesem Verhältnis. Es liegt Quantitätseigentum vor,27 das „im Zeitpunkt des Einganges beim Verwahrer“ entsteht, während umgekehrt die Ausfolgung beim bisherigen Miteigentümer Alleineigentum bewirkt.28 Der Hinterleger kann nicht die hinterlegten Stücke zurückverlangen, wohl aber die Ausfolgung einer seinem Anteil am Sammelbestand entsprechenden Zahl von Wertpapieren dieser Art (§ 6 Abs 1 DepG). Ist ein Verlust am Sammelbestand eingetreten, so hat der Verwahrer quotenmäßig zu kürzen und darf nur diese gekürzte Menge ausfolgen (§ 6 Abs 1 Satz 2 DepG). Das Sammeldepot vereinfacht einerseits die Verwaltung und ermöglicht andererseits eine Gefahrenstreuung.29 Einen Sonderfall der Streifbandverwahrung stellt die Summenverwahrung (oder Tauschermächtigung) dar, bei welcher der Verwahrer die eingelie25 

Näheres oben unter Rz 14. Iro in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 II Rz 4/30 ff. 27  Iro in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 II Rz 4/27 und Rz 4/33 ff; grundsätzlich hiezu F. Byd­ linski, Probleme des Quantitätseigentums, JBl 1974, 32. 28  Iro in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 II Rz 4/33 ff; Schubert in Rummel3 I § 957 Rz 5, sowie F. Bydlinski, JBl 1974, 32. 29  Koziol/Welser13 II 198. 26 

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ferten Stücke vom Sammelbestand getrennt und gesondert bezeichnet aufbewahren muss, er aber aufgrund besonderer Ermächtigung berechtigt ist, diese ihm anvertrauten vertretbaren Wertpapiere durch andere Stücke derselben Art zu ersetzen (§ 7 DepG). Dem Hinterleger steht somit jederzeit Alleineigentum zu, sei es an den ursprünglich anvertrauten, sei es an den später als Ersatz gegebenen. Die Summenverwahrung setzt allerdings eine allerdings ausdrück­ liche und schriftliche Ermächtigung des Hinterlegers für das einzelne Verwahrungsgeschäft voraus, die also nicht einfach in die AGB aufgenommen werden darf. Bei der unregelmäßigen Verwahrung in der besonderen Ausprägung des 22 DepG soll der Verwahrer das Eigentum an den Wertpapieren erlangen oder er soll berechtigt werden, das Eigentum daran einen Dritten zu übertragen. Er selbst ist verpflichtet, Wertpapiere derselben Art zurückzugeben (§ 8 DepG). Auch diese Ermächtigung des Hinterlegers muss ausdrücklich und schriftlich für jedes einzelne Verwahrungsgeschäft erfolgen. Sie darf auch nicht nur in AGB oder sonstigen Verweisungen auf andere Urkunden enthalten sein. In ihr muss auch zum Ausdruck kommen, dass dem Hinterleger im Fall des Eigentumsüberganges auf den Verwahrer nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Ausfolgung entsprechender Wertpapiere zusteht.30 Andernfalls ist die Erklärung rechtsunwirksam, ist daher kein tauglicher Titel zum Eigentumserwerb durch den Verwahrer. Sobald der Verwahrer oder der Dritte Eigentum an den Wertpapieren erwirbt, ist das Geschäft als Darlehen anzusehen (§ 8 DepG). Ist der Hinterleger nicht Eigentümer der Wertpapiere und auch nicht „verfügungsbefugt“, so bedarf ein solcher der Voraussetzungen des Gutglaubenserwerbes.31 Im Konkurs des Verwahrers stehen dem Hinterleger die Vorrechte nach § 23 DepG zu. Allgemeines zur unregelmäßigen Verwahrung siehe Rz 25. Der Verwahrer ist berechtigt, die Wertpapiere unter seinem Namen durch 23 einen anderen Verwahrer (Drittverwahrer) aufbewahren zu lassen (Drittverwahrung nach § 3 DepG). Entscheidend ist hiebei der Abschluss des Verwahrungsvertrages im eigenen Namen des ersten Verwahrers (Zwischenverwahrers). Ob der Drittverwahrer den Namen des Hinterlegers erfährt, ist bedeutungslos. Die Drittverwahrung ist sowohl bei der Sonderverwahrung als auch bei der Sammelverwahrung möglich. Zweigniederlassungen eines Verwalters gelten (obwohl ihnen keine Rechtspersönlichkeit zukommt) sowohl untereinander als auch im Verhältnis zur Hauptniederlassung als verschiedene Verwahrer (§ 3 Abs 1 und 2 DepG). Der Verwahrer bedarf zur Drittverwahrung im Inland keiner besonderen Ermächtigung und haftet jedenfalls für Auswahlverschulden, es sei denn, die Wertpapiere wurden auf ausdrückliche Weisung des Hinterlegers bei einem bestimmten Drittverwahrer verwahrt. Dazu kommt – soweit nicht rechtswirksam ausbedungen – auch gem § 1313a ABGB die Haltung für das Verschulden des Drittverwahrers als Erfüllungsgehilfen.32 Bei der Girosammelverwahrung geht es um die Sammelverwahrung von 24 Wertpapieren, die von Banken hinterlegt werden und über die mit Anweisung Iro in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 II Rz 4/52. Iro in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 II Rz 4/53. 32  Hiezu und zu den sonstigen Einzelheiten der Drittverwahrung ausführlich Iro in Apathy/ Iro/Koziol, BVR2 II Rz 4/60 ff. 30  31 

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Sonderformen des Verwahrungsvertrages

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verfügt werden kann (§ 1 Abs 3 DepG)33. Hier tritt die Österreichische Nationalbank als Wertpapiersammelbank auf. Soweit die Anweisung der Bank eine Verfügung über fremdes Recht, ein solches des Kunden, darstellt, ist dessen Verfügungsermächtigung erforderlich. Eine solche kann auch in einem Verkaufsauftrag liegen.34 2. Unregelmäßiger Verwahrungsvertrag Beim unregelmäßigen Verwahrungsvertrag werden Geld oder andere 25 vertretbare Sachen in der Weise hinterlegt, dass das Eigentum auf den Verwahrer übergeht und dieser verpflichtet ist, Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzugeben. Dieser kann also die hinterlegte Sache ohne Weiteres veräußern und muss sie nicht sofort durch eine gleichartige ersetzen. Das Geschäft ist also nicht leicht vom Darlehen zu unterscheiden. Die rechtliche Qualifikation hat aber gewichtige Konsequenzen. Vor allem wird der Verwahrer beim depositum irregulare wie der Darlehensnehmer Eigentümer, während der Hinterleger nur einen schuldrechtlichen Rückforderungsanspruch hat. Sodann ist das Darlehen unter Ehegatten notariatsaktspflichtig (§ 1 Abs 1 lit b NotAktsG), während den Verwahrer das Zurückbehaltungs- und Kompensationsverbot des § 1440 Satz 2 ABGB trifft. Auch bestimmt bei der Verwahrung der Hinterleger, was er in Verwahrung gibt und kann das Verwahrte jederzeit zurückfordern; auch handelt es sich anders als beim Darlehen um eine Holschuld. Nach der Anordnung des Gesetzes ist der unregelmäßige Verwahrungsvertrag als Darlehen zu behandeln (§ 959 ABGB bzw § 8 Abs 2 DepG), worauf sich Gschnitzer und Griss berufen.35 Stanzl wendet demgegenüber ein,36 dass der Zweck des Darlehens Kreditgewährung sei, jener des unregelmäßigen Verwahrungsvertrages aber Aufbewahrung. Dieser könne daher nicht ohne weiteres als Darlehen behandelt werden, sondern müsse als Vertrag eigener Art angesehen werden, auf den aber Normen für den Darlehens- und den Verwahrungsvertrag sinngemäß anzuwenden seien. Koziol/Welser37 meinen, maßgeblich sei, ob für den Vertrag das Geldbedürfnis des Empfängers oder das Verwahrungsinteresse des Gebers den Ausschlag gegeben habe. Demgegenüber muss aber festgehalten werden, dass ein Darlehen abschließt, wer Kredit wünscht und einen Verwahrungsvertrag, wer Aufbewahrung will. Wer aber beides zugleich begehrt, wird einen unregelmäßigen Verwahrungsvertrag schließen.38 Welches Interesse überwiegt, lässt sich im Ernstfall manchmal nicht recht ausmachen und kann vom Gericht letztlich nur dezisionistisch festgelegt werden. Man denke nur an die Geldeinlage bei der Bank: Ist die Hoffnung auf (uU sehr bescheidene) Zinsengutschrift maßgeblich oder der Wunsch der Sicherheit vor Diebstahl? 33 

§ 28 DepG und V 9.4.1965 BGBl 1965/95. Hiezu ausführlich Iro in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 II Rz 4/43 ff. 35  Gschnitzer in Klang2 IV/1, 640 und Griss in KBB3 § 959 Rz 2. 36  In Klang2 IV/1, 706 und ähnlich Ehrenzweig, System II/12, 385 f. 37  Koziol/Welser13 II 198. 38  Ähnlich Binder in Schwimann3 IV § 959 Rz 3, auch Apathy in Apathy/Koziol/Iro, BVR2 II 3/8. 34 

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§ 959

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Daher sollte die gesetzliche Anordnung des § 959 bzw des § 8 Abs 2 DepG tatsächlich ernst genommen39 und die unregelmäßige Verwahrung nach Darlehensgrundsätzen behandelt werden. Nur wenn besondere Gründe vorliegen, sind Verwahrungsgrundsätze maßgeblich. Mit beachtlichen Gründen ist die Anwendung des § 1440 Satz 2 auf die unregelmäßige Verwahrung vorgeschlagen worden.40 Streitigkeiten darüber, ob ein unregelmäßiger Verwahrungsvertrag nach Verwahrungs- oder Darlehensgrundsätzen zu beurteilen ist, kommen bemerkenswert selten vor, weil idR „erschöpfende Vertragsbestimmungen“41 vereinbart sind. 3. Spareinlagen- und Girovertrag Nach einem Teil der Lehre wurde der Spareinlagenvertrag mit einem Kreditinstitut als Darlehensvertrag angesehen,42 die neuere neigt wegen der seit langem bewusst niedrig gehaltenen Zinsen und der Bedeutung der Sicherheit der Verwahrung für die Parteien zu einer Qualifikation als depositum irregulare43 , die Rechsprechung nimmt einen Vertrag sui generis mit Elementen eines Darlehens- bzw eines unregelmäßigen Verwahrungsvertrages an.44 Die Regelung durch §§ 31 ff BWG und AGB ist jedoch ohnedies so dicht, dass auf das ABGB kaum zurückgegriffen werden muss.45 Das Gesetz spricht in § 31 Abs 1 Satz 1 BWG von Geldeinlagen, die der „Anlage“ dienen.46 Charakteristisch für die Spareinlage ist die konstitutiv wirkende Ausfolgung einer Sparurkunde. Der Girovertrag ist nicht als depositum irregulare sondern als Auftrag 27 anzusehen.47 Das Kreditinstitut verpflichtet sich hiebei, die ihr aufgetragenen Leistungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs durch buchmäßige Umschreibungen zu bewirken,48 Ihm liegt ein Kontoeröffnungsvertrag zugrunde. 26

Wie Binder in Schwimann3 IV§ 959 Rz 3 vorschlägt. Von Binder in Schwimann3 IV §  959 Rz  3 im Anschluss an die E 1 OGH Ob 212/73, SZ 47/9 und Kerschner, BA 1989, 261. 41  Stanzl in Klang2 IV/1, 706, also vor allem AGB. 42  Avancini in Avancini/Iro/Koziol, BVR I Rz 9/10. Bei Spareinlagen ohne zeitliche Bindung wurde zunächst ein unregelmäßiger Verwahrungsvertrag in Erwägung gezogen, schließlich jedoch verworfen. 43  Apathy in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 II Rz 3/8. 44  OGH 1 Ob 120/70, SZ 43/121 = EvBl 1971/39 = HS 7.244 = RZ 1971, 29; 6 Ob 69/97h, EvBl 1997/157. 45  Chini/Frölichsthal, Praxiskommentar zum BWG2 (1997) 325 ff; Schubert in Rummel3 I § 959 Rz 3. 46  Dazu mit Recht skeptisch Iro in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 II Rz 3/13. 47  Auch Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR I 329 f; ähnlich Strasser in Rummel3 I § 1002 Rz 33a; OGH 1 Ob 59/51, SZ 59/51; 5 Ob 170/75, EvBl 1976/79; 1 Ob 659/89, ÖBA 1990, 136 = wbl 1990, 56. 48  Strasser in Rummel3 I §  1002 Rz  33a; Ertl in Rummel3 II/1 §  1400 Rz  5; OGH 1 Ob 536/86, SZ 59/51; 5 Ob 170/75, EvBl 1976/79; 1 Ob 659/89, ÖBA 1990, 136 = wbl 1990, 56. 39  40 

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Abgrenzung vom Bevollmächtigungsvertrag, Dienst- und Werkvertrag

§ 960

oder in eine Bevollmächtigung übergehe §  960. Es können bewegliche und unbewegliche Sachen in Obsorge gegeben werden. Wird aber dem Übernehmer zugleich ein anderes, auf die anvertraute Sache sich beziehendes Geschäft aufgetragen; so wird er als ein Gewalthaber angesehen. Stammfassung JGS 1811/946.

Übersicht I. Der Gegenstand der Verwahrung II. Abgrenzung vom Bevollmächtigungsvertrag, Dienst- und Werkvertrag III. Verwahrung als Nebenpflicht

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I. Der Gegenstand der Verwahrung Das ABGB kennt nicht nur die Verwahrung beweglicher sondern auch 1 diejenige unbeweglicher Sachen. Auch vertretbare und verbrauchbare Sachen, zB Geld, sind ein geeigneter Gegenstand eines Verwahrungsvertrages. Nimmt dann der Verwahrer eigenmächtig eine Vermengung mit dem eigenen Geld vor oder verwendet er das zur Verwahrung übernommene Geld für eigene Zwecke, so bleibt der Verwahrungsvertrag dennoch aufrecht. Denn der Verwahrer ist als bloßer Inhaber keineswegs berechtigt, eigenmächtig den Titel seiner Gewahrsame zu ändern (§ 319). Auf jeden Fall muss es sich aber um körperliche Sachen handeln. Unkörperliche Sachen sind kein geeigneter Gegenstand der Verwahrung; doch können die Urkunden über den Bestand dieser Rechte, seien es bloße Beweisurkunden oder Wertpapiere, als Gegenstand der Verwahrung in Betracht kommen.1 Eine Person (Kind, Geisteskranker) kann nicht Gegenstand eines Verwah- 2 rungsvertrages sein.

II. Abgrenzung vom Bevollmächtigungsvertrag, Dienst- und Werkvertrag Häufig wird, und zwar vor allem bei unbeweglichen Sachen, mit der Ver- 3 wahrung ein über den Rahmen des Verwahrungsvertrages hinausreichendes Auftragsverhältnis oder die Befugnis als Verwalter (§ 1029) verbunden sein. Diese Fälle hat der zweite Satz des § 960 im Auge. Es liegt dann ein gemischter Vertrag vor, durch welchen dem Verwahrer zugleich die Stellung eines Gewalthabers eingeräumt wird. In diesem Fall sind auch die Normen über den 1  Schey in Klang2 I/2, 282; Sedlacek, ZBl 1914, 490; Binder in Schwimann3 IV § 960 Rz 1; 3 § 960 Rz 1. Schubert in Rummel3 I § 960 Rz 1;

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Bevollmächtigungsvertrag anwendbar. Aber nicht nur ein Bevollmächtigungsoder Auftragsverhältnis, sondern auch ein Dienstverhältnis oder ein Werkvertrag kann bei entgeltlicher Übernahme weiterer Verpflichtungen begründet werden. Der Begriff der Verwahrung darf nicht zu eng gezogen werden, da andern4 falls ein eigenständiger Verwahrungsvertrag über der eine fortwährende und regelmäßige Mühewaltung erfordernden Sachen nicht geschlossen werden könnte. Das traditionelle Beispiel hiefür aus Lehre und Rechtsprechung ist das anvertraute Pferd, das gefüttert werden muss:2 Die Übernahme der Fütterung des Tieres ist noch kein Merkmal, das über den Begriff des Verwahrungsvertrages hinausgeht. Obsorge muss nicht nur passive Verwahrung sein, auch die Verpflichtung zu positiven Handlungen, die mit dem Begriff der Obsorge im einzelnen Fall untrennbar verbunden sind, müssen als Pflichten aus dem Verwahrungsvertrag angesehen werden. Insbesondere hat der Verwahrer die zur Erhaltung des Objekts notwendigen Vorkehrungen zu treffen.3 Zur Obsorge gehört daher auch die Wartung oder Pflege des anvertrauten 5 Tieres, nicht dagegen seine Dressur. Unter Umständen kann sogar eine Gebrauchspflicht (tägliches Ausreiten des Pferdes) dazugehören, während es sich bei Gebrauchsrecht nicht mehr um reine Verwahrung handeln kann. Bei der Verwahrung von Pflanzen wird zur Obsorge auch das Gießen, bei Teppichen werden Schutzmaßnahmen gegen Mottenbefall notwendig sein. Selbst wenn dies aus eigenen Mitteln des Verwahrers geschieht, bleibt diese Tätigkeit noch immer im Rahmen des Verwahrungsvertrages, was schon daraus hervorgeht, dass § 967 ausdrücklich von den Kosten spricht, die der Verwahrer zur Erhaltung der verwahrten Sache aufwendet.4 Auch eine Versicherungspflicht ist unter Umständen anzunehmen, nämlich dann, wenn der Verwahrer eine solche vertraglich übernommen hat, wenn er dazu vom Auftraggeber angewiesen wurde, ein entsprechender Handelsbrauch besteht oder sich diese aus einer besonderen Gefahrenerhöhung ergibt.5 Die Übernahme der Versicherungspflicht kann sich als im konkreten Fall stillschweigend vereinbart ergeben, aber nicht allgemein als selbstverständlich unterstellt werden.6 Der Werkstätteninhaber ist nur bei besonderer vertraglicher Verpflichtung gehalten, seinen Kunden vollen Sachversicherungsschutz zu gewähren,7 anderes zieht Schubert8 mit Recht hinsichtlich der einem Juwelier zur Bearbeitung übergebenen Wertgegenstände in Erwägung. Die Kosten der Versicherung haben dem Verwahrer ersetzt zu werden. Insgesamt ist also festzuhalten, dass nicht gleich ein gemischter Vertrag anzunehmen ist, wenn man mit den Bestimmungen über den Verwahrungsvertrag das Auslangen finden kann. Eine klare Grenze lässt sich hier kaum ziehen, was vor allem daran liegt, 6 dass nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 958 der Verwahrer die Pflicht 2 

GlUNF 3.952. Binder in Schwimann3 § 958 Rz 6; GlUNF 928; OGH 7 Ob 103/74, JBl 1974, 622; 3 Ob 329/67, SZ 56/143. 4  Schey in Klang2 I/2, 282, 305; Krasnopolski III 334; Ehrenzweig, System II/12, 377. 5  OGH 3 Ob 537/91, EvBl 1991/135. 6  Gschnitzer in Klang2 IV/1, 649. 7  OGH 3 Ob 537/91, SZ 64/62 = EvBl 1991/135 = HS 22.476. 8  In Rummel3 I § 964 Rz 2. 3  Auch

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Abgrenzung vom Bevollmächtigungsvertrag, Dienst- und Werkvertrag

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hat, die „Sache vor Schaden zu sichern“, und das ist vielfach nur durch den Abschluss von Verträgen mit Dritten möglich. Welche Maßnahmen geeignet sind, Verschlechterung oder Untergang der anvertrauten Sache zu verhindern, richtet sich nach der Art des Objektes, nach den zur Verfügung stehenden Mitteln und Möglichkeiten, der beruflichen Stellung des Verwahrers und der spezifischen Gefahrensituation. Entscheidend sind Parteienvereinbarung und äußere Umstände.9 Von besonderer Bedeutung ist hiebei auch die Dauer der Verwahrung: Je länger diese ist, desto eher sind Verwaltungstätigkeiten selbstverständlicher Bestandteil der Verwahrung. Als Beispiel einer Bevollmächtigung bei beweglichen Sachen hat Zeiller bei der Beratung den Fall erwähnt, dass der Verwahrer ermächtigt wird, das in Verwahrung gegebene Pferd bei Gelegenheit zu vermieten.10 Schon dieses Beispiel zeigt, dass nicht nur ein Auftrag mit der Verwahrung verbunden werden kann, sondern auch eine bloße Ermächtigung, den Gegenstand der Verwahrung zu einem gewissen Zweck zu verwenden, ohne dass der Verwahrer dazu verpflichtet würde. Ein anderes Beispiel von Zeiller11 ist das Anvertrauen der Aufsicht über eine Liegenschaft, die mangels Übertragung der Verwaltung noch nicht die Pflicht zur Besorgung der erforderlichen Reparaturen nach sich ziehe. Gerade dieser Fall zeigt aber die Schwierigkeit der Abgrenzung, weil bei entsprechend langer Dauer der Verwahrung solche jedenfalls in geringem Umfang notwendig und darüber hinaus auch vorhersehbar sein können, um die Liegenschaft vor Schaden zu bewahren. Eine solche Pflicht könnte sich dann kraft ergänzender Vertragsauslegung ergeben. Jedenfalls hat der Verwahrer im Fall der Beschädigung die Verpflichtung, den Hinterleger unverzüglich zu verständigen und „Sicherheitsmaßnahmen“ zu ergeben. Diese können durchaus auch im Abschluss eines Behandlungs- oder Reparaturvertrages liegen.12 Bevollmächtigt wird der Verwahrer jedenfalls dann, wenn er in Bezug auf 7 das anvertraute Gut zu rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen beauftragt oder ermächtigt wird.13 Daneben kann der Verwahrer aber unabhängig von einer zusätzlichen ausdrücklichen Bevollmächtigtigung zum Abschluss von Verträgen zum Schutze des verwahrten Gutes verpflichtet sein, s vorige Rz. Binder in Schwimann3 IV § 958 Rz 8 im Anschluss an Zeiller, Commentar III/1, 195. Ofner II 59; vgl auch GlUNF 1075. Die alten, Pferde betreffenden Beispiele sind meist auch heute noch aktuell, es muss nur anstelle des Pferdes mutatis mutandis ein Kraftfahrzeug eingesetzt werden. Im übrigen werden die Gerichte immer noch bemerkenswert häufig mit Streitfällen befasst, denen die Verwahrung von Tieren zugrunde liegt. 11  Commentar III/1, 193; zustimmend Binder in Schwimann3 IV § 960 Rz 4. Die Formulierung Zeillers ist allerdings sehr vorsichtig und er verweist den Verwahrer ohne besondere Verwaltungsbefugnisse auf die Geschäftsführung ohne Auftrag. Damit bedeutet dies gegenüber der Annahme einer Vertragspflicht eine wesentliche Schlechterstellung des Hinterlegers, uU aber auch des Aufwandersatz begehrenden Verwahrers. 12  So im Fall der E OGH 6 Ob 72/08v, Zak 2008, 355 = ZVR 2009/38. Der OGH legte dem Verwahrer eines verletzen Pferdes zur Last, dass er, nachdem er den Hinterleger nicht rechtzeitig erreichen konnte, nicht von sich aus einen Tierarzt beigezogen und das Pferd in eine Tierklinik samt Intensivbehandlung eingewiesen hatte. Die E ging also von einer Verletzung des Verwahrungsvertrages aus, nicht von der Unterlassung einer Geschäftsführung ohne Auftrag. Vgl auch Griss in KBB3 § 961 Rz 2. 13  Binder in Schwimann3 IV § 960 Rz  9 

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Die Judikatur neigt dazu, das Problem – aktive Obsorge im Rahmen des Verwahrungsvertrages oder gemischten Vertrages – zu übergehen und einfach Letzteres anzunehmen, womit sich in den konkret zu beurteilenden Fällen allerdings keine unterschiedlichen Rechtsfolgen ergeben haben. Der Rsp hat sich die Frage überdies weniger im Verhältnis zum Bevollmächtigungsvertrag als in dem zum Werkvertrag gestellt. Wegen der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung einer bestimmten Kühltemperatur hat die OGH 2 Ob 108/74, SZ 48/67 den Vertrag über die Einlagerung verderblicher Güter in einem Kühlhaus als gemischten Vertrag qualifiziert. Diese Verpflichtung ist aber nur Teil der verwahrungsvertraglichen Obsorgeverpflichtung, kein eigenes werkvertragliches Element.14 Im Fall der E OGH 8 Ob 517/94, EvBl 1995/8 ging es um die entgeltliche Pflege und Verwahrung dreier Katzen, die im bedungenen Rückgabezeitpunkt verschwunden, möglicherweise entwischt waren. Auch hier sprach der OGH ganz unbefangen von Elementen eines Werkvertrages, bezeichnet das Rechtsgeschäft andererseits aber auch nicht ausdrücklich als gemischten Vertrag.15

III. Verwahrung als Nebenpflicht Obsorgepflichten finden sich in zahlreichen anderen Vertragstypen als Nebenpflichten; §  960 führt nur einen davon an. Ganz allgemein lässt sich aber sagen, dass eine Nebenpflicht zur Obsorge für anvertrautes Gut immer dann angenommen werden muss, „wenn andernfalls die Vertragsbeziehung nicht reibungslos abgewickelt werden kann“16, und zwar auch dann, wenn dieser Vertrag nicht geradezu der Obsorge wegen geschlossen wurde. Ob die Verwahrung als Haupt- oder Nebenpflicht übernommen wurde, spielt für den Umfang der Obsorgepflicht keine Rolle, für diesen sind vielmehr Parteienvereinbarung und die Art der verwahrten Sache maßgeblich.17 Nach § 459 und § 1369 hat der Faustpfandgläubiger das Pfand genau zu 10 verwahren.18 Nach § 1061 trifft den Verkäufer die Pflicht, die verkaufte Sache bis zur Zeit der Übergabe sorgfältig zu verwahren. Näheres hiezu bei § 1061; zur Aufbewahrungspflicht des Unternehmers siehe § 379 UGB. Gleiches gilt für den Werkvertrag, wofür der Fall des Diebstahls eines PKWs aus einer Service- oder Reparaturwerkstätte besonders typisch ist.19 Bei einem der Au9

14  Ebenso Schubert in Rummel2 I § 960 Rz 2; Binder in Schwimann3 IV § 958 Rz 7 und Griss in KBB3 § 960 Rz 2. 15  Nicht unproblematisch das Ergebnis, wonach das „Gesamtpflegeentgelt“ (gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen) in den Teil aufgegliedert werden sollte, der für die „reine Pflege und Versorgung“ der Katzen aufgewendet werden musste und den Teil, der als Entgelt „für die Verwahrung“ anzusehen war. 16  Binder in Schwimann3 IV §  957 Rz  5; OGH 7 Ob 103, 104/74, JBl 1974, 624; 1 Ob 545/76, SZ 49/37. 17  OGH 3 Ob 329/143, SZ 56/143; 8 Ob 517/94, EvBl 1994/213; 2 Ob 101/99p, ecolex 1999, 760; Griss in KBB3 § 961 Rz 1. 18  GlUNF 13.441: Schutz vor Mottenfraß bei verpfändeter Pelzware. 19  OGH 3 Ob 329/143, SZ 56/143; der PKW darf nur während der Arbeit und in unmittelbarer Nähe des Monteurs unversperrt gelassen werden; ähnlich 3 Ob 199/59, JBl 1959, 633 = VersE 134 = ZVR 1959/242 . Unter Umständen muss allerdings der Besteller Einspruch gegen diese Art

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Verwahrung als Nebenpflicht

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toabstellung dienenden Werkgelände müssen daher „wenigstens die einfachsten und leicht zumutbaren Vorkehrungen gegen Wegnahme getroffen werden“, wozu die Entfernung und sicherer Verwahrung eines solcherart abgestellten Fahrzeugs gehört.20 Ähnliche Nebenpflichten gelten für den Auftrag21, den Bestandvertrag und die Leihe, für den Kommissionär, den Lagerhalter, den Spediteur und den Frachtführer. Der Arbeitnehmer hat hinsichtlich der ihm übergebenen Arbeitsgeräte, Fahrzeuge udgl die Stellung eines Verwahrers. Umgekehrt hat der Arbeitgeber nach Art I §Â€27 Abs 4 ArbeitnehmerInnenschutzG jedem Arbeitnehmer zur Aufbewahrung der Privat- und Dienstkleidung und sonstiger verkehrs- und berufsüblich zur Arbeitsstätte mitgebrachten Gegenständen einen „ versperrbaren Kleiderkasten oder eine sonstige geeignete versperrbare Einrichtung“ zur Verfügung zu stellen.22 Diese Verträge werden deshalb noch nicht zu gemischten Verträgen. Für 11 sie haben die für das betreffende Rechtsinstitut geltenden Vorschriften Anwendung zu finden. Es handelt sich einfach um eine vertragliche Nebenverpflichtung, die aus der Pflicht zur Rückgabe der übernommenen Sachen mit Notwendigkeit folgt. Immerhin ist es möglich, zur Beurteilung der Tragweite der mit ihnen verbundenen Verwahrungspflicht ergänzend auch einzelne Bestimmungen über den Verwahrungsvertrag heranzuziehen, soweit sich nicht aus dem anders gearteten Rechtsverhältnis anderes ergibt. Gschnitzer23 beruft sich in diesem Zusammenhang sogar auf die allgemeinen Auslegungsregeln des §Â€7. Auch den Finder, dem die Sache gem §Â€390 in Händen belassen wird, trifft 12 eine solche Verwahrungspflicht, ohne dass überhaupt ein Vertragsverhältnis vorliegt.24 Gleiches gilt für den Inhaber eines Nachlasses bei Unterbleiben der Abhandlung nach §Â€153 AußStrG (früher: armutshalber abgetaner Nachlass)25. Den Empfänger von Sachen, die ihm ohne seine Veranlassung übersandt 13 worden sind, trifft nach §Â€864 Abs 2 keine Verpflichtung, diese zu verwahren oder zurückzuleiten. Er darf sich sogar ihrer entledigen, es sei denn, dass ihm nach den Umständen auffallen müsste, dass die Sachen irrtümlich an ihn gelangt sind. Diese am 1.1.1997 in kraft getretene Bestimmung sollte dem Unfug der Abstellung erheben: 3 Ob 537/91, SZ 64/62. Ähnliche Fälle: 1 Ob 175/61, JBl 1962, 37; 3 Ob 333/63, ZVR 1964/155. Ausführliche Darstellung der Rechtsprechung zu den Werkverträgen mit der Nebenpflicht zur sorgfältigen Verwahrung der für eine bestimmte Zeit im Verfügungsbereich des Unternehmers abgestellten und damit iSd §Â€ 957 zur Obsorge übernommenen Fahrzeuge in 2 Ob 101/99p, ZVR 2000/26; 5 Ob 124/74, RIS-Justiz RS 0018960: Autowaschbetrieb für fabriksneue PKW, die im Freien auf einem nicht absperrbaren und für jedermann frei zugänglichen Abstellplatz im Betriebsgelände, teilweise mit angesteckten Wagenschlüsseln oder auch unversperrt, abgestellt wurden; 7 Ob 103, 104/74, JBl 1974, 624: Zurücklassung eines Fahrzeugs zur Vornahme eines Eintauschtests; 2 Ob 540/84, REDOK 1105: Abstellung eines PKW nach Reparatur im Innenhof eines Werkgeländes, das von einem Drahtzaun samt mit Vorhängschlössern gesicherten Toren umgeben war, allerdings mit Zündschlüssel im Zündschloss und ohne dass die Fahrzeugtüren abgesperrt worden wären. 20╇ OGH 2 Ob 540/84, REDOK 1105 ; 2 Ob 101/99p, ZVR 2000/26. 21╇ Dazu OGH 1 Ob 447/50, RIS-Justiz RS 0024565; Schubert in Rummel3 I §Â€960 Rz€3. 22╇ Dazu schon SZ 5/18; vgl auch OGH 4 Ob 24/75, JBl 1976, 274. 23╇ In Klang2 IV/1, 643 und ähnlich unter ausdrücklicher Einbeziehung der unentgeltlichen Verträge OGH 7 Ob 103, 104/74, JBl 1974, 624 = EvBl 1974/160. 24╇ Auch Klang in Klang2 II 260; Schubert in Rummel3 I §Â€960 Rz€3. 25╇ Auch Schubert in Rummel3 I §Â€960 Rz€3; dazu SZ 26/137.

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des Aufdrängens von Waren steuern, ist aber nicht ganz geglückt und wirft mehrere Fragen auf.26 Nimmt eine Behörde in Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben eine Sa14 che in Besitz, so entsteht ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis. Die Verletzung der Verwahrerpflichten kann aber im Rechtsweg, nämlich als Amtshaftung, geltend gemacht werden.

Pflichten und Rechte des Verwahrers; § 961. Die Hauptpflicht des Verwahrers ist: die ihm anvertraute Sache durch die bestimmte Zeit sorgfältig zu bewahren, und nach Verlauf derselben dem Hinterleger in eben dem Zustande, in welchem er sie übernommen hat, und mit allem Zuwachse zurückzustellen. § 962. Der Verwahrer muß dem Hinterleger auf Verlangen die Sache auch noch vor Verlauf der Zeit zurückstellen, und kann nur den Ersatz des von ihm etwa verursachten Schadens begehren. Er kann hingegen die ihm anvertraute Sache nicht früher zurückgeben; es wäre denn, daß ein ihm unvorhergesehener Umstand ihn außer Stand setzte, die Sache mit Sicherheit oder ohne eigenen Nachteil zu verwahren. § 963. Der Verwahrer haftet dem Hinterleger für den aus der Unterlassung der pflichtmäßigen Obsorge verursachten Schaden, aber nicht für den Zufall; selbst dann nicht, wenn er die anvertraute, obschon kostbare Sache, mit Aufopferung seiner eigenen hätte retten können. Stammfassung JGS 1811/946. Lit: Bovensiepen, Haftung für Garderobe (1928); Kerschner, Zum Wegfall der Geschäftsgrundlage bei unwiderruflichen Sozialleistungen, WBl 1988, 211.

Übersicht I. Obsorgepflicht II. Nebenpflichten III. Rückstellung 1. Art und Objekt 2. Rückstellungsempfänger 3. Zeit der Rückstellung 4. Ort der Rückstellung 5. Mehrheit von Verwahrern und Hinterlegern

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Dazu Rummel in Rummel3 I § 864 Rz 

1–2 3–6 7–23 7 8–14 15–21 22 23

in Schwimann3 IV § 864 Rz 7 ff.

Nebenpflichten

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I. Obsorgepflicht Die Hauptpflicht des Verwahrers bildet die Obsorge über die ihm anver- 1 traute Sache. Sie beginnt mit der Übergabe. Zur Übergabe genügt auch ein Constitutum possessorium im Sinne des § 428. Dem Verwahrer muss die tatsächliche Verfügungsgewalt eingeräumt werden, auch wenn dies in einer Weise geschieht, die zur Begründung von Besitz und Eigentum nicht ausreichen würde, so insb durch Übergabe von Fahrzeugschlüsseln.1 Näheres hiezu bei § 957 Rz 5 und 6. Obhut oder Obsorge beinhaltet der „Gewahrsam“2, reicht aber weiter. Die 2 Pflicht zur Obsorge muss aus der Vereinbarung ausdrücklich oder stillschweigend zu entnehmen sein: Ohne Obsorgeübernahme keine Verwahrung. Wird nur ein Raum oder werden nur Geräte zur Verfügung gestellt, wird also ohne Übernahme die Benützung nur geduldet, so liegt Leihe, Prekarium oder Miete vor. Dieselbe Abgrenzung gilt, wenn diese Leistungen als Nebenleistungen auftreten. So entsteht durch das Anbringen von Kleiderhaken im Restaurant oder Kaffeehaus noch keine Verwahrung,3 und zwar auch dann nicht, wenn die Bediensteten beim Ablegen der Kleider mithelfen.4 Auch das Ablegen der Kleidungsstücke im Wartezimmer oder Vorraum eines Arztes, Anwaltes udgl begründet regelmäßig noch keine Verwahrungspflicht. Der Besucher darf nur damit rechnen, dass dieser Raum verschlossen gehalten und den dort abgelegten Kleidungsstücken der Schutz einer verschlossenen Wohnung zuteil wird. Eine stillschweigende Obsorge ist allerdings dann anzunehmen, wenn der Eigentümer seine Habe nicht beaufsichtigen kann und zur Benützung dieser Einrichtung gezwungen ist. So wenn auf ärztliche Anordnung die Kleider abgelegt werden müssen,5 wenn der Arbeitgeber Gegenstände des Arbeitnehmers verwahrt oder überhaupt eigene Garderoberäume angewiesen werden. Die Haftung erstreckt sich auf die in den Kleidern enthaltenen Gebrauchsgegenstände, auch kleinere Geldbeträge.6 Näheres hiezu unter § 957 Rz 7 bis 10 und § 960 Rz 9 bis 14.

II. Nebenpflichten Ist eine besondere Art der Aufbewahrung vereinbart, darf sie der Verwah- 3 rer nur im Fall der Gefahr im Verzug eigenmächtig abändern. Vielmehr hat er jede Änderung dem Hinterleger mitzuteilen und dessen Entscheidung einzuholen. Umgekehrt trifft diesen keine Verpflichtung, den Verwahrer zu überwachen, sodass sich dieser im Schadensfall nicht auf ein Mitverschulden des Hinterlegers berufen kann.7 Kennt dieser allerdings die Art der Verwahrung, so kann er sie nicht nachträglich als unzureichend rügen,8 es sei denn, er kann offenbar OGH 5 Ob 333/63, ZVR 1964/155, auch Schubert in Rummel3 I § 961 Rz 1. VersR 1956, 173. 3  So schon GlUNF 4759 und GlUNF 3737. 4  SZ 1/69. 5  Bovensiepen 25 f. 6  SZ 19/233. 7  SZ 5/18. 8  OGH 6 Ob 254/74, EvBl 1976/21; 3 Ob 537/91, SZ 64/62; 1 Ob 2083/96x, ZVR 1997/95. 1  AM 2 

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sich auf eine Verletzung der Aufklärungspflicht des sachverständigen Verwahrers ihm gegenüber stützen. Auch sonst treffen den Verwahrer eine Reihe von Auskunfts- und Benach4 richtigungspflichten. Dem Hinterleger ist der Verwahrungsort mitzuteilen,9 damit er den Verwahrer überwachen und gegebenenfalls eigene Sicherungsmaßnahmen setzen kann. Der Verwahrer hat den Hinterleger auch vom Eintritt der Unmöglichkeit weiterer Obsorge so rechtzeitig zu verständigen, dass er die erforderlichen Dispositionen treffen und sich vor weiterem Schaden schützen kann.10 Dasselbe gilt im Fall der Gefahrenerhöhung.11 Auch von einem eingetretenen Schaden ist der Hinterleger zu verständigen.12 Ist dieser nicht erreichbar und kann der Verwahrer daher keine Weisungen einholen, hat er von sich aus Sicherungsmaßnahmen zu setzen, also zB ein verletztes Pferd behandeln zu lassen.13 Bei Verletzung dieser Pflichten wird der Verwahrer schadenersatzpflichtig, unterlässt der Hinterleger Maßnahmen zum Schutz seines Gutes, so trifft ihn ein Mitverschulden.14 Dem Hinterleger ist der Zutritt zur verwahrten Sache zu gewähren. Zur 5 Erfüllung allfälliger sich auf den Verwahrungsgegenstand beziehenden Pflichten ist ihm dieser auch kurzfristig zu überlassen.15 Zur Vorbereitung der Rückstellung kann auch die Pflicht gehören, das verwahrte Gut anzugeben.16 Zur Pflicht zur einstweiligen Aufwandstragung siehe §Â€967 Rz€3 ff. 6

III. Rückstellung 1. Art und Objekt 7

Zurückzustellen ist die anvertraute Sache in wohlbehaltenem, soweit möglich unverändertem und unversehrtem Zustand17 und mit allen Nutzungen, allem Zuwachs und Zubehör18, auch der Zinsen, bei allfälligem Ersatz der Fruchtziehungskosten (§Â€967). Die Rückgabe gerade der anvertrauten Sache hat auch bei vertretbaren Sachen zu erfolgen, soweit nicht ein Summenoder Sammeldepot vorliegt. Rückstellung ist nur die reale Übergabe, bei Drittverwahrung die „Besitz“anweisung19. Bis zu dieser dauert das Verwahrungsverhältnis und daher auch die Obsorgepflicht fort.20 9╇

GlU 13.928. OGH 3 Ob 30/49. EvBl 1949/217; SZ 14/216. 11╇ OGH 1 Ob 17/51, SZ 24/25; 6 Ob 72/08c, Zak 2008, 355 = ZVR 2009/38 Rummel3 I §Â€961 Rz€1 und §Â€964 Rz€2; Binder in Schwimann3 IV §Â€961 €4; Griss in KBB3 §Â€961 Rz€2. 12╇ OGH 3 Ob 221/75, RS-Justiz RS 0018971; 6 Ob 72/08v, Zak 2008, 355 = ZVR 2009/38; Schubert in Rummel3 I §Â€964 Rz€2; Griss in KBB3 §Â€961 Rz€2. 13╇ OGH 6 Ob 72/08v, Zak 2008, 355 = ZVR 2009, 38. 14╇ OGH 1 Ob 17/51, SZ 24/25; Schubert in Rummel3 I §Â€961 Rz€1. 15╇ Binder in Schwimann3 IV §Â€ 961 € 5; GlU 13.928; GlU 3.130 (Versicherungsschein zwecks Entrichtung fälliger Prämien). 16╇ OGH 1 Ob 255/53, SZ 26/137. 17╇ OGH 5 Ob 75, 76/70, SZ 43/84. 18╇ Schey in Klang2 I/2, 319 f; Krasnopolski III 335. 19╇ Binder in Schwimann3 IV §Â€961 Rz€7. 20╇ SZ 2/129: Die bloße Bereitstellung (Legen eines Mantels auf das Garderobepult in Abwe senheit des Hinterlegers) reicht nicht aus. 10╇

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Rückstellung

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2. Rückstellungsempfänger Die Rückstellung hat grundsätzlich an den Hinterleger zu geschehen, wenn nicht die Herausgabe an einen Dritten vereinbart wurde.21 Das Begehren auf Rückstellung stützt sich auf den Vertrag, nicht auf das Eigentum. Diesen und nicht das Eigentum hat der Hinterleger zu beweisen,22 schon weil der konkrete Vertrag den Verwahrer insofern besser stellen kann als das Gesetz den Beklagten bei der rei vindicatio. Der Verwahrer kann daher gegenüber dem Herausgabeanspruch des Hinterlegers nicht einwenden, dass dieser nicht Eigentümer sei. Anders allerdings, wenn dem Verwahrer bekannt ist, dass der Hinterleger die Sache gestohlen hat oder sie sonst wie diebischer Herkunft ist. Da hier der Verwahrungsvertrag rechtsunwirksam (§ 879) ist,23 ist die Sache nur an den Eigentümer herauszugeben. Besteht lediglich der „erhärtete Verdacht“ einer strafbaren Handlung als Herausgabehindernis, so kann eine Hinterlegung nach § 1425 in Betracht kommen, gegebenenfalls sogar eine Anzeige bei der Strafverfolgungsbehörde, um den Vorwurf der Hehlerei (§ 164 StGB) zu vermeiden.24 Der Umstand allein, dass der Hinterleger nicht Eigentümer ist, gibt für sich allein schon deshalb keinen Anlass für Bedenken oder Nachforschungen des Verwahrers, weil Fälle, in denen der Hinterleger dem Eigentümer gegenüber ein Recht auf Innehabung hat, in der Praxis sehr häufig und meist auch unbedenklich sind (zB Bestandvertrag, Pfandrecht). Schwierigkeiten bereitet allerdings der Fall, dass der Eigentümer mit dem Hinterleger in Konkurrenz tritt, da den Verwahrer hier zwei entgegengesetzte Pflichten treffen: Die dingliche Herausgabepflicht gegenüber dem Eigentümer und die obligatorische Obsorgepflicht gegenüber dem Hinterleger. Nach heute völlig einheitlicher Auffassung kann der Verwahrer nämlich diesem dinglichen Herausgabeanspruch nicht unter Hinweis auf den Verwahrungsvertrag entgegentreten.25 Dennoch ist dieser nicht bedeutungslos. Folgt nämlich der Verwahrer die Sache an den angeblichen Eigentümer aus, ohne den Hinterleger zu benachrichtigen und dessen Einverständnis abzuholen, macht er sich schadenersatzpflichtig,26 es sei denn die Sache wäre auch bei vertraglich pflichtgemäßem Handeln an den Eigentümer herauszugeben gewesen.27 Es kann daher für den Verwahrer sehr schwierig zu beurteilen sein, ob der andere Anspruchswerber tatsächlich der Eigentümer ist und wie es um allfälli21 

GlUNF 84. GlU 14.174; SZ 2/142; RZ 1932, 138; OGH 1 Ob 755/80, MietSlg 32.121; 7 Ob 689/90, NZ 1991, 314 uza; Ehrenzweig, System II/12, 378; Binder in Schwimann3 IV § 961 Rz 16; Schubert in Rummel3 I § 961 Rz 2. 23  OGH 3 Ob 417/58, EvBl 1958/382; Schubert in Rummel3 I § 961 Rz 2. 24  Zutreffend Binder in Schwimann3 IV § 961 Rz 16. 25  OGH 1 Ob 496/57, JBl 1958, 205 (Gschnitzer); 1 Ob 285/61, JBl 1962, 147; 7 Ob 117/67, JBl 1968, 370; 1 Ob 755/80, MietSlg 32.121; 7 Ob 689/90, NZ 1991, 314; Binder in Schwimann3 IV § 961 Rz 17; Spielbüchler in Rummel3 I § 366 Rz 5; Schubert in Rummel3 I § 961 Rz 2; Griss in KBB3 § 961 Rz 3; auch Koziol/Welser13 I 346; anders noch Ehrenzweig, System II/12, 378. 26  SZ 2/142; OGH 7 Ob 117/67, JBl 1968, 370. 27  OGH 7 Ob 117/67, JBl 1968, 370; Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 8/68; Schubert in Rum3 § 961 Rz  mel3 I § 961 Rz 2; 22 

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ge Einwendungen des Hinterlegers steht. In analoger Anwendung des § 348 kann daher der Verwahrer die Sache dem Hinterleger zurückstellen, um den Streit mit dem Eigentümer zu vermeiden, muss diesen allerdings (jedenfalls zur Vermeidung von Kostenfolgen) davon verständigen.28 Daneben wird dem Verwahrer herkömmlicherweise noch die Möglichkeit der gerichtlichen Hinterlegung nach § 1425 eingeräumt.29 Welchen Anwendungsbereich diese Vorschrift bei Konkurrenz zwischen Eigentümer und Hinterlegung neben der Sondernorm des § 348 (in analoger Anwendung) hat, ist strittig.30 Jedenfalls ist ein solches Ausweichen auf § 1425 für den Verwahrer nicht ungefährlich. Unklare Sach- oder Rechtslage berechtigt auch im Prätendentenstreit nur dann zur Hinterlegung, wenn dem Schuldner deren Prüfung nicht zumutbar ist.31 Was zumutbar ist, hängt in hohem Maße von der Person des Verwahrers ab: Wenn ein Rechtsanwalt oder Notar Verwahrer sein soll, so kann nach dem offensichtlichen Zweck des Vertrages eine eingehendere Prüfung verlangt werden. Hinterlegungen, die den Zweck der mit dem Schuldner getroffenen Absprachen vereiteln würden, haben keine schuldbefreiende Wirkung.32 Im Prozess hat der beklagte Verwahrer die Möglichkeit der Streitverkündung samt Auktorbenennung (§§ 21 ff ZPO). Auch eine fremde, dh dem Hinterleger nicht gehörige Sache ist geeigneter 12 Gegenstand des Hinterlegungsvertrages. Wenn eine fremde Sache im Namen des Eigentümers von einem anderen hinterlegt worden ist, so handelt dieser nur in Vertretung des Eigentümers. Die Sache wird dann dem Eigentümer oder dessen berechtigten Vertreter zurückzustellen sein. Hat der Verwahrer die Sache an einen Vertreter ohne Vollmacht oder einen Scheinboten herausgegeben, so haftet er nicht, wenn er mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist. Dies betrifft vor allem Fälle der Rückgabe gegen Aushändigung von Legitimationspapieren unter unverdächtigen Umständen. Auch das Eigentum des Verwahrers bildet an sich keinen Grund zur Ver13 weigerung der Rückstellung (vgl dazu § 957 Rz 15). Hat der Verwahrer erst während der Dauer des Verwahrungsvertrages das Eigentum vom Hinterle­ger erworben, so wird sich damit regelmäßig das Verwahrungsverhältnis ändern. Bei irrtümlicher Übernahme der eigenen Sache in die Verwahrung liegt jedenfalls im Rahmen der §§ 870 ff kein gültiger Verwahrungsvertrag vor, so dass insofern kein Hindernis zur Geltendmachung des Eigentumsrechtes besteht.33 Spielbüchler in Rummel3 I § 348 Rz 1 bis 3; Binder in Schwimann3 IV § 961Rz 17. OGH 1 Ob 496/57, JBl 1958, 205 (Gschnitzer); 7 Ob 117/67, JBl 1968, 370; 1 Ob 755/70, MietSlg 32.121; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 645 Binder in Schwimann3 IV § 961 Rz 17; Schubert in Rummel3 I § 961 Rz 2. 30  Binder in Schwimann3 IV § 961 Rz 17. 31  ÖBA 1997, 469/626 (Grassl-Palten); dies, RdW 1997, 386) = VR 1997, 165 = VersE 1699; RdW 2000, 211; OGH 9 Ob 96/01k, MietSlg 53.214; Reischauer in Rummel3 II/3 § 1425 Rz 5 ff; Griss in KBB3 § 961 Rz 3. 32  Reischauer in Rummel3 II/3 § 1425 Rz 5a; OGH 7 Ob 524/95, HS 26.809; vgl auch 4 Ob 116/82, RIS-Justiz RS 0033445. 33  So Ehrenzweig, System II/12, 378 und Swoboda in Klang II/2, 670; zweifelnd Gschnitzer in Klang2 IV/1, 646 unter Hinweis auf §  28  29 

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Eine beim Verwahrer gepfändete Sache darf dem Hinterleger nicht heraus- 14 gegeben werden.34 3. Zeit der Rückstellung Die Verwahrungszeit kann ausdrücklich bestimmt oder aus den Umstän- 15 den zu erschließen sein (§ 863).35 Der Verwahrer ist aber verpflichtet, die Sache auf Verlangen des Hinterlegers auch noch vor Ablauf der Zeit zurückzugeben (§ 962), und zwar gleichgültig, ob der Vertrag auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geschlossen wurde. Der Hinterleger braucht hiefür auch keine Gründe angeben.36 Der Verwahrer kann lediglich eine Rückstellung zur Unzeit (außerhalb der Geschäftszeit) ablehnen, allenfalls eine angemessene Vorbereitungszeit ablehnen.37 Dem Hinterleger steht bei einer solchen vorzeitigen Beendigung des Verwahrungsvertrages im Zweifel aus § 1435 ein Anspruch auf (aliquote) Rückzahlung des vorausbezahlten Entgeltes zu. Umgekehrt kann der Verwahrer den Ersatz des ihm durch die vorzeitige Rückstellung entstandenen Schadens begehren, soweit dem Hinterleger ein Vorwurf zu machen ist,38 was vor allem dann nicht zutrifft, wenn die als triftig anzusehenden Rücknahmegründe der Verwahrersphäre zuzurechnen sind.39 Hingegen ist der Verwahrer nicht befugt, die Sache gegen den Willen des Hinterlegers früher zurückzugeben, es sei denn, dass ein unvorhergesehener Umstand ihn außer Stande setzt, die Sache mit Sicherheit oder ohne eigenen Nachteil zu verwahren (§ 962), was meist als (analogiefähiger) Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage verstanden wird.40 Ein wichtiger Grund rechtfertigt jedenfalls stets ein Begehren auf vorzeitige Rückstellung. Die Worte „ohne eigenen Nachteil“ sind unter Bedachtnahme auf Vertragszweck und Verkehrssitte zu verstehen.41 In Lehre und Rechtsprechung werden hiefür genannt: Das eingestellte Vieh, das sich als besonders unbändig erweist oder mit einer ansteckenden Krankheit behaftet ist, allgemeiner formuliert: wenn von der Sache eine Gefahr ausgeht; wenn der einzige Aufbewahrungsraum durch Zufall nicht mehr benützt werden kann; wenn besondere Aufwendungen oder Mühewaltungen nötig werden oder der Verwahrer aus unverschuldeten Gründen nicht mehr in der Lage ist, seine Obhutspflicht nachzukommen.42 Voraussetzung ist jedoch stets, wie er34  RZ 1934, 156; Griss in KBB3 § 961 Rz 3; Oberhammer in Angst, EO2 § 325 Rz 15 (Verstrickungsbruch). 35  Beispiele für ersteres: GlU 13.015 und für letzteres: GlU 16.143; GlU 14.084; SZ 5/94. 36  OGH 1 Ob 43/09v, NZ 2009, 339; Binder in Schwimann3 IV § 962 Rz 1; Griss in KBB3 §§ 962, 963 Rz 1. 37  Ebenso Binder in Schwimann3 IV § 962 Rz 3. 38  OGH 7 Ob 103/74, JBl 1974, 622; Binder in Schwimann3 IV§ 962 Rz 5; Schubert in Rummel3 I § 962 Rz 1. 39  Binder in Schwimann3 IV § 962 Rz 3. 40  Dazu Kerschner, WBl 1988, 214 mit näheren Ausführungen zur Analogiefähigkeit der Vorschrift; Gschnitzer beruft sich in Klang2 IV/1, 646 auf die clausula rebus sic stantibus, Binder in Schwimann3 IV §  962 Rz  5 spricht zwar vom Wegfall der Geschäftsgrundlage, setzt diesen Begriff jedoch in Anführungszeichen und verweist im übrigen auf die Ausführungen Kerschners. 41  Ehrenzweig, System II/12, 378. 42  SZ 14/126; OGH 3 Ob 30/49, JBl 1949, 429; Ehrenzweig, System II/12, 378; Binder in 3 §§ 962 963 Rz 2. Schwimann3 IV § 962 Rz 

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wähnt, dass diese Umstände unvorhersehbar und unvorhergesehen sind. Eine Wahrscheinlichkeit, die so weit entfernt ist, dass auch rechtstreue Personen ihr Verhalten danach einrichten, muss allerdings hiebei außer Betracht bleiben. Eine lukrativere Nutzung eines Lagerraumes berechtigt allerdings nicht zur vorzeitigen Rückgabe.43 Der Verwahrer hat den Hinterleger vom Eintritt solcher Umstände aller16 dings unverzüglich zu verständigen,44 soweit dieser hievon nicht schon auf andere Weise Kenntnis erlangt hat.45 Da die Verständigungspflicht dem Hinterleger die Möglichkeit geben soll, rechtzeitig geeignete Maßnahmen vorzunehmen, um das verwahrte Gut vor Schaden zu schützen, darf der Verwahrer aber nicht einfach statt dessen sofortige „Selbsthilferückstellung“ üben. Verweigert allerdings der Verwahrer die Rücknahme oder ist er nicht er17 reichbar, so darf der Verwahrer nach § 1425 hinterlegen.46 Besteht die Gefahr des Unterganges oder eines unverhältnismäßigen Wertverfalls, so kann der Verwahrer zum Notverkauf berechtigt oder sogar verpflichtet sein.47 Nach Ablauf der vereinbarten Verwahrungszeit kann der Verwahrer die 18 Zurücknahme des verwahrten Gegenstandes begehren. Kommt der Hinterleger dieser Aufforderung nicht nach, so gerät er in Annahmeverzug und kann unter Umständen sogar schadenersatzpflichtig werden. Der Verwahrer wird zur gerichtlichen Hinterlegung nach §  1425 oder zur Gewahrsamsübertragung an einen Dritten48 berechtigt. Er haftet nach herkömmlicher Auffassung nur mehr für leichte Fahrlässigkeit (§ 1419).49 Die neuere Lehre stößt sich aber zu Recht daran, dass eine Einschränkung der gegenüber jedermann bestehenden (deliktischen) Haftung auf grobes Verschulden widersinnig wäre. Auszugehen ist daher davon, dass mit dem Gläubigerverzug die Sorgfaltspflichten des Verwahrers eingeschränkt werden, bei deren Verletzung aber für jedes Verschulden einzustehen ist.50 Soweit bei Rücknahmeverzug eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten vorliegt, ist eine Verschuldensteilung angebracht.51 Die gleichen Grundsätze gelten in jenen Fällen, in denen die Verwahrung Nebenverpflichtung ist, so wenn beim Werkvertrag der Besteller die reparierte Sache nicht zurücknimmt. Hier ist die Verwahrung nur für die Zeit der Vornahme der Reparatur vereinbart.52 Binder in Schwimann3 IV § 962 Rz 5. SZ 14/126. 45  OGH 2 Ob 353/50, RIS-Justiz RS 0024351; Schubert in Rummel3 I § 962 Rz 1. 46  Binder in Schwimann3 IV § 962 Rz 7; Schubert in Rummel3 I § 962 Rz 1; Griss in KBB3 §§ 962, 963 Rz 2. 47  OGH 1 Ob 376/98w, SZ 72/30; Binder in Schwimann3 IV § 962 Rz 7 (abzuleiten aus der Obsorgepflicht des Verwahrers); Griss in KBB3 §§ 962, 963 Rz 2. 48  SZ 2/129; OGH 8 Ob 65/05z, ZVR 2007/89 (Hauenschild); Griss in KBB3 § 961 Rz 4. 49  Gschnitzer in Klang2 IV/1, 392; Mayrhofer SchRAT, 462; Schey, Begriff und Wesen der mora creditoris (1884) ua; GlUNF 5929; OGH 8 Ob 316/67, HS 6312; 7 Ob 639/80, SZ 54/90. 50  Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 15/17; vgl auch Schubert in Rummel3 I § 961 Rz 4; Rei­ schauer in Rummel3 II/3 § 1419 Rz 9 und 51  Richtig daher SZ 5/95; dazu auch Schubert in Rummel3 I § 961 Rz 4. 52  Zum Gefahrtragungsproblem in diesem Zusammenhang Reischauer in Rummel3 II/3 § 1419 Rz 21 mwN. 43  44 

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Rückstellung

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Eine Verlängerung der vereinbarten Verwahrungszeit kann wiederum 19 nur einverständlich erfolgen, und zwar auch stillschweigend (§ 863). Bedenklich großzügig ist daher die Auffassung Gschnitzers53, wonach eine bestimmte Verwahrungszeit entsprechend dem für den Verwahrer verpflichtenden Charakter des Verwahrungsvertrages grundsätzlich als zugunsten des Hinterlegers vereinbart gilt, und bei einem widerspruchslosen Weiterbehalten der verwahrten Sache die Haftung des Verwahrers fortdauert. Sie nimmt einseitig auf die Interessen des Hinterlegers Bedacht, der entgegen allgemeinen Grundsätzen aus dem Stillschweigen des Verwahrers ohne besonderen Grund gerade nicht schließen kann, dass dieser bereit sei, sich zusätzliche Lasten (womöglich noch unentgeltlich) aufbürden zu lassen. In Wahrheit geht es hier allerdings darum, dass der Gläubigerverzug des Hinterlegers zwar nicht dazu führt, dass der Verwahrungsvertrag unbegrenzt verlängert wird, wohl aber dazu, dass den Verwahrer im Rahmen des nach wie vor bestehenden Verwahrungsverhältnisses nur mehr eingeschränkte Sorgfaltspflichten treffen (dazu näher Rz 18), so lange er sich der Sache nicht durch gerichtliche Hinterlegung entledigt. Rechtsdogmatisch lässt sich dies durch Annahme nachvertraglicher Pflichten rechtfertigen.54 Wurde eine bestimmte Verwahrungszeit weder ausdrücklich noch schlüs- 20 sig festgelegt, so steht beiden Teilen jederzeit das Recht zu, die Rücknahme der Sache zu begehren, wobei dem Hinterleger für die Zeit der Rücknahme eine angemessene Frist zu gewähren ist.55 Für den Lagerhalter gilt die Sondervorschrift des § 422 UGB (Rücknah- 21 me des Gutes). Die Gesetzesstelle regelt nur den Rücknahmeanspruch des Lagerhalters, der nur aus den dort festgelegten Gründen erfolgen darf, also nicht wie in § 962 Abs 2 ABGB ohne Weiteres. Die entsprechenden Rechte des Einlagerers sind im UGB nicht eigens geregelt und folgen daher aus den §§ 961– 963 ABGB. 4. Ort der Rückstellung Wenn nichts anderes vereinbart ist, hat die Rückstellung am Ort zu erfol- 22 gen, an dem die Sache vereinbarungsgemäß zu verwahren war. Dieser ist gleichzeitig der Erfüllungsort für die Vergütung. Der Hinterleger hat also die Sache abzuholen (Holschuld), und zwar auch dann, wenn Geld verwahrt wurde. Schon deshalb hat der Verwahrer im Bedarfsfalle den Ort der Verwahrung dem Hinterleger bekannt zu geben. Verlangt der Hinterleger die Übersendung an einen anderen Ort, so geschieht dies auf seine Kosten und Gefahr, wobei der Verwahrer diesbezüglich als Beauftragter des Hinterlegers anzusehen ist (§ 960).56 53  In Klang2 IV/1, 647 und ebenso die E JBl 1917, 370; dagegen wie im Text Binder in Schwimann3 IV § 963 Rz 4. 54  Dazu von Bar, Nachwirkende Vertragspflichten, AcP 179 (1979) 452; Rummel in Rummel3 I § 859 Rz 30; OGH 1 Ob 680/164, SZ 53/164; SZ 60/50 = JBl 1987, 782; 4 Ob 122/91, JBl 1992, 451 = RdW 1992, 239 uza. 55  Gschnitzer in Klang2 IV/1, 647; Schubert in Rummel3 I § 963 Rz 1; Binder in Schwimann3 3 §§ 962, 963 Rz 3. IV § 963 Rz 4f; 56  So auch Schubert in Rummel3 I § 961 Rz  3 § 961 Rz 1.

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5. Mehrheit von Verwahrern und Hinterlegern 23

Bei einer Mehrheit von Verwahrern oder Hinterlegern gelten die Vorschriften der §§ 888 bis 896.57

§ 964. Der Verwahrer haftet dem Hinterleger für den aus der Unterlassung der pflichtmäßigen Obsorge verursachten Schaden, aber nicht für den Zufall; selbst dann nicht, wenn er die anvertraute, obschon kostbarere Sache, mit Aufopferung seiner eigenen hätte retten können. Stammfassung JGS 1811/946.

Übersicht I. Allgemeines II. Vertragliche Haftungsbeschränkungen III. Haftung für Zufall IV. Rettung unter Aufopferung

1–8 9–15 16 17–19

I. Allgemeines 1

Der Verwahrer haftet für jedes Verschulden, und zwar gleichgültig, ob der Verwahrungsvertrag entgeltlich oder unentgeltlich abgeschlossen wurde.1 Liegt allerdings eine bloße Gefälligkeit ohne rechtsgeschäftlichen Rechtsfolgewillen vor, kommt ein Verwahrungsvertrag nicht zustande und es wird nach herrschender Auffassung nur nach deliktischen Grundsätzen gehaftet,2 dem „Hinterleger“ kommt also weder die strenge Gehilfenhaftung des §  1313a noch die Beweislastumkehr des § 1298 zugute. Die Abgrenzung zwischen bloßer Gefälligkeit ohne Rechtsfolgewillen einerseits und unentgeltlichem Verwahrungsvertrag „aus Gefälligkeit“ kann allerdings im Einzelnen sehr schwierig sein. Kommt es nämlich zu nachträglichen Streitigkeiten und wird die „Parallelwertung in der Laiensphäre“ ernst genommen, so erweist es sich in aller Regel, dass die Anwendung der §§ 957 ff immer noch eher dem Parteiwillen entspricht als das Hinnehmen eines „rechtsfreien Raumes“. Eine Regel, wonach bei unentgeltlichen Geschäften der Vertragspartner nur für grobes Verschulden oder nur nach dem Maßstab der diligentia quam in rebus suis hafte, ist dem österreichischen Rechte fremd. Unentgeltlichkeit rechtfertigt keine geringere Sorgfalt bei der Schonung fremder Rechtsgüter als dies im Delikts57 

Vgl SZ 20/154. Gschnitzer in Klang2 IV 647 f; Binder in Schwimann3 IV § 964 Rz 2; Schubert in Rummel3 I § 964 Rz 1. Vorsichtiger, aber recht allgemein Ehrenzweig, System II/12: „Indessen wird auch der österreichische Richter bei der Frage, ob ein Verschulden vorliege, Gefälligkeit und bezahlte Pflicht nicht mit gleichem Maße messen“. Dazu noch im Folgenden. 2  Binder in Schwimann3 IV § 957 Rz 40; vgl hiezu auch JBl 1917, 237; SZ 8/14; OLG Wien 5 R 346/53 EvBl 1953/389; Näheres hiezu unter § 969 Rz 1. 1 

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Allgemeines

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bereich vorgesehen ist,3 auch wenn nach §Â€915 bei unentgeltlicher Übernahme einer Pflicht der Schutzbereich unter bestimmten Umständen enger zu ziehen sein kann als bei entgeltlicher Übernahme einer Pflicht; maßgeblich ist hiebei auch, wie weit das Entgelt der Risikotragung entspricht.4 Schon gar nicht lässt sich aus §Â€945 (Gewährleistung beim Schenkungsvertrag) ableiten, dass sich die Haftung für Vertragsverletzungen bei unentgeltlichen Verträgen auf Vorsatz oder allenfalls noch für bewusste Fahrlässigkeit einschränken lässt. Ist der Hinterleger nicht Eigentümer der verwahrten Sache, so stehen ihm 2 nur dann vertragliche Ersatzansprüche zu, wenn ein Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter, nämlich zu seinen Gunsten, abgeschlossen wurde. Andernfalls gibt es vertragliche Schutzpflichten nur zugunsten des Hinterlegers, und der Eigentümer muss sich mit deliktischen Ersatzansprüchen gegenüber dem Verwahrer begnügen.5 Zur Frage der Verpflichtung des Verwahrers, die übernommene Sache zu versichern, siehe Rz€5 zu §Â€960. Das Ausmaß der vom Verwahrer anzuwendenden Sorgfalt bestimmt sich 3 nach den Umständen des Falles.6 Der Hinterleger ist nicht verpflichtet, den Verwahrer zu überwachen, um festzustellen, ob er auch seiner Obsorgepflicht nachkommt. In einer solchen Unterlassung des Hinterlegers ist daher kein Mitverschulden zu erblicken.7 Ist ihm aber die Art der Verwahrung bekannt und billigt er sie, so ist der Verwahrer grundsätzlich nicht ersatzpflichtig. Dieser darf daher aber auch von der ausdrücklich bedungenen Art der Verwahrung nicht ohne Not und eigenmächtig abweichen; siehe dazu auch Rz€3 und 4 zu §§Â€961 bis 963. Ist dem Hinterleger bekannt, dass der Verwahrer wegen anderweitiger Verpflichtungen die Sache nicht gehörig beaufsichtigen kann, so trifft diesen nur eine entsprechend eingeschränkte Obhutspflicht.8 Der Hinterleger handelt somit auf eigene Gefahr. Wird es dem Verwahrer erst später unmöglich, die Obsorgepflicht zu erfüllen, so muss er den Hinterleger verständigen.9 Erfolgt die Verwahrung im Betriebe eines unternehmensbezogenen Geschäfts, so besteht die pflichtgemäße Obsorge in der Beobachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Unternehmers.10 Im übrigen hängt das Ausmaß der Obsorgepflicht von der beruflichen Stellung des Verwahrers ab. Je professioneller die Verwahrung ist, je höher das Entgelt (also nicht nur das Trinkgeld), je geringer die Belastung und daher Ablenkung durch andere Tätigkeiten, desto höher wird der Sorgfaltsmaßstab anzusetzen sein. Besonders häufig sind Entscheidungen, die sich mit gestohlenen PKW und 4 geöffneten Safes befassen. Danach genügt zB ein bloßes Versperren des Werksgeländes ohne gleichzeitige Verwahrung des Zündschlüssels und VerKoziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz€17/15f; Schubert in Rummel3 I §Â€945 Rz€1. Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz€8/49ff. 5╇ OGH 2 Ob 406/61, SZ 34/154 = JBl 1962, 321 = EvBl 1962/61; Schubert in Rummel3 I §Â€964 Rz€1 Griss in KBB3 §Â€964 Rz€1. 6╇ OGH 7 Ob 34/74, ZVR 1997/95; Schubert in Rummel3 I §Â€964 Rz€2. 7╇ SZ 5/18. 8╇ SZ 8/287 (Abgabe von Überkleidern beim Theaterportier statt in der Garderobe); Schubert in Rummel3 I §Â€964 Rz€2; Binder in Schwimann3 IV §Â€958 Rz€12. 9╇ OGH 3 Ob 30/49, EvBl 1949/217; SZ 14/126. 10╇ SZ 9/269; SZ 10/151 (jetzt §Â€347 UGB). 3╇ 4╇

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wahrung des PKW nicht,11 ebenso wenig das Abstellen eines Fahrzeugs (nach der Reparatur) auf einem frei zugänglichen und ungesicherten Platz jenseits der Straße.12 Verwahrung eines Safeschlüssels in einem Raum, der von einem Nachtportier bewacht wird, reicht aus,13 nicht aber dessen Verwahrung in einem offenen Wandschrank14 oder in einer versperrbaren Lade neben dem Safe15. Allen diese und auch vergleichbaren Entscheidungen aus der Kasuis­tik der Rechtsprechung sollte nicht allzu wörtlich genommen und in ihrer Aussage unbedacht verallgemeinert werden, denn das Ausmaß der gebotenen Sorgfaltsmaßnahmen kann zeitlich und örtlich stark variieren. Typisch ist zB dass in den letzten Jahren aus durchaus nachvollziehbaren Gründen an Maßnahmen zum Schutz von Kraftfahrzeugen gegen Diebstahl in der Kaskoversicherung (§ 61 VersVG) ein deutlich strengerer Maßstab angelegt wird.16 Nichts anderes gilt auch sonst, wenn schon mehrere Diebstähle stattgefunden haben oder sich die Sicherheitslage ganz allgemein verschlechtert hat.17 „Unwirtschaftliche“ bzw unzumutbare Maßnahmen muss der Verwahrer allerdings nicht treffen.18 Der Hinterleger braucht den Verwahrer grundsätzlich über den Wert der 5 von ihm übernommen Sache nicht aufzuklären.19 Je höher aber der Wert einer Sache, desto höher ist auch das Maß der vom Verwahrer anzuwendenden Sorgfalt. Werden daher besonders wertvolle Sachen in Verwahrung gegeben, ohne dass dies dem Verwahrer bewusst sein konnte, kann dem Hinterleger ein Mitverschulden anzulasten sein, wenn er dies dem Verwahrer nicht mitteilt, es sei denn, dieser besondere Wert ist diesem erkennbar.20 An der dem Verwahrer als Verpflichteten durch § 1298 auferlegten Beweis6 last ändert § 964 nichts.21 Dieser hat also nachzuweisen, dass ihm eine unver11  OGH 3 Ob 594/83, SZ 56/143 = EvBl 1984/11; ähnlich 2 Ob 101799p, ZVR 1000/26: Verwahrung von Zündschlüssel und Kfz-Papieren bei einem der Autoabstellung dienenden Werksgelände eines Autoreinigungsuntrnehmens. 12  OGH 7 Ob 215/73, JBl 1974, 624; vgl auch 1 Ob 2083/96x, ZVR 1997/95 (Sorgfaltspflicht betreffend ein in einem PolKoat in Verwahrung gegebenen Kfz: Garagierung, Abdecken mit einer Plane, Verständigung des Hinterlegers. Nach der Auffassung des OGH ist maßgeblich, ob der Verwahrer mit witterungsbedingten Schäden bei der von ihm zu fordernden Sorgfalt voraussehen musste, in welchem Ausmaß solche eingetreten sind und ob und welche Maßnahmen dem Verwahrer zur Vermeidung solcher Schäden zumutbar waren). 13  OGH 4 Ob 591/81, SZ 55/64. 14  OGH 2 Ob 176, 177/75, SZ 49/1. 15  OGH 7 Ob 263/75, SZ 50/10 = EvBl 1976/167. 16  Dazu nur Ertl, Rechtsprechungsübersicht Versicherungsrecht 2001, ecolex 2002, 870 f. 17  SZ 2/104; SZ 5/18; OLG Wien 2 R 926/48, EvBl 1949/298; Binder in Schwimann3 IV § 958 Rz 14. 18  Griss in KBB3 § 964 Rz 1; In der E OGH 1 Ob 2083/96x, ZVR 1997/85 ist einmal von „Unwirtschaftlichkeit“ und dann wieder von „Unzumutbarkeit“ die Rede. Zumindest bei einem entgeltlichen Vertrag wird sich aber der Verwahrer nicht gut damit entschuldigen können, dass der Vertrag für ihn ein Verlustgeschäft sei. Immerhin hat er die Möglichkeit den Hinterleger zu warnen und gegebenenfalls die Sache zu hinterlegen. 19  OGH 1 Ob 232/50, SZ 23/129. 20  Vgl OGH 7 Ob 829/76, EvBl 1977/264 und Binder in Schwimann3 IV § 964 Rz 9. 21  SZ 10/87; SZ 11/269; OGH 3 Ob 75, 76/70, SZ 43/84; 4 Ob 591/81, SZ 55/64 uza; Binder in Schwimann3 IV § 964 Rz 9.

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Vertragliche Haftungsbeschränkungen

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sehrte Rückstellung infolge Zufalls unmöglich war. Nach hM gilt dies auch, wenn die Verwahrung unentgeltlich erfolgt.22 Der Verwahrer haftet für das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters 7 und seiner Erfüllungsgehilfen, wozu nicht Angestellte gehören, die mit der Verwahrung nichts zu schaffen haben;23 Näheres hiezu und zur Übertragung der Verwahrung an einen Substituten siehe unter Rz€10 und 14 sowie unter §Â€965 Rz€5. Hat der Verwahrer seine Pflichten schuldhaft verletzt und kann daher die 8 Sache nach Ablauf der Verwahrzeit nicht zurückstellen, so verliert er zwar seinen Entgeltanspruch, nicht aber den Anspruch auf Erstattung der tatsächlich aufgewendeten Verpflegungs- und Versorgungskosten. Der Hinterleger hätte diese nämlich auch bei Eigenbetreuung erbringen müssen.24 Ist infolge schuldhafter Verletzung der Verwahrungspflicht die Rückstellung der Sache nicht möglich, so hat der Verwahrer das Interesse zu entrichten.25 Der Hinterleger kann vertraglichen Schadenersatz auch dann fordern, wenn er nicht Eigentümer der verwahrten Sache ist. Die vertragliche Anspruchsberechtigung des Eigentümers setzt einen Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter voraus.26

II. Vertragliche Haftungsbeschränkungen In der Vorauflage wurde eine Vereinbarung, wonach der Verwahrer auch 9 für bösen Vorsatz und für grobes Verschulden nicht haftet als wirkungslos bezeichnet. Auch die Haftung für das Verschulden des gesetzlichen Vertreters und des Erfüllungsgehilfen des Verwahrers werde durch Vereinbarung eingeschränkt werden können, und zwar wohl auch für Vorsatz des Erfüllungsgehilfen.27 Seither haben sich Gesetzgebung, Lehre und Rsp ausführlich mit der Frage der Haftungsfreizeichnung befasst, wodurch zahlreiche Zweifelsfragen klargestellt, andere aber wiederum neu entstanden sind. Diese können an dieser Stelle daher nur skizziert werden.28 Zunächst ist ein Ausschluss der Haftung für Fälle eigener vorsätzlicher 10 Schädigung jedenfalls sittenwidrig.29 Weit überwiegende Meinung ist auch, 22╇ OGH 2 Ob 309/97z, JBl 2000, 249 mit ausführl Begründung; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht3 I Rz€16/22, dagegen Reischauer, Neuere Rechtsprechung und Lehre zu §Â€1298, JBl 1998, 473 und 560 und auch ders, Die Anwendbarkeit des §Â€1298 ABGB bei Verletzung von Neben(leistungs)-, Schutz- und Sorgfaltspflichten anhand der Flugunfallentscheidung 2 Ob 300/97z , ÖJZ 2000, 542 f. 23╇ Ehrenzweig, System II/12, 379; Schey in Klang2 I/2, 307. 24╇ OGH 8 Ob 517/94, EvBl 1995/8 („Katzenprozess“); Griss in KBB3 §Â€964 Rz€4. 25╇ OGH 1 Ob 43/09v, NZ 2009, 339; Griss in KBB3 §Â€964 Rz€4. 26╇ Griss in KBB3 §Â€964 Rz€4. 27╇ Gschnitzer in Klang2 IV/1, 648. 28╇ Ausführlich Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz€18/1 in Rummel3 I §Â€879 Rz€113 ff, jeweils mwN. 29╇ OGH 6 Ob 72/58, SZ 31/65; 8 Ob 254/68, SZ 41/139 uza: Edlbacher, Die Zulässigkeit der Haftungsausschließung, ZVR 1965, 115; Welser, Zur rechtlichen Zulassung des „gespaltenen“ Haftpflichttarifs, ZVR 1973, 317 ff; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz€18/5; Krejci in Rummel3 I §Â€879 Rz€114.

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dass dies ebenso für die Gehilfenhaftung nach §Â€1313a gilt.30 Bei vorsätzlichen Schädigungen durch Gehilfen wird allerdings stets darauf geachtet werden müssen, dass es sich um solche bei und nicht gelegentlich der Erfüllung handelt.31 Dennoch ginge es zu weit, schlechthin die Zurechnung jeglicher vorsätzlichen Schädigung durch den Gehilfen an den Geschäftsherrn zu verweigern. Gerade bei der Verwahrung von besonders verlockenden und prestigeträchtigen Kraftfahrzeugen ist, wie die Gerichtserfahrung zeigt, die Gefahr der unbefugten Inbetriebnahme durch Gehilfen des Betreibers einer Reparaturoder Servicewerkstätte besonders groß und geradezu typisch.32 Die Maßstäbe für den Haftungsausschluss (wie auch für die Haftungsbe11 schränkung) sind verschieden, je nachdem ob sie erstens zum Nachteil eines Verbrauchers erfolgen sollen (§Â€6 Abs 1 Z 9 und Abs 2 Z 5 KSchG), zweitens wenn die Vertragsbestimmung in AGB oder Vertragsformblättern enthalten ist (§Â€879 Abs 3 ABGB) oder drittens wenn weder das eine noch das andere der Fall ist (§Â€879 Abs 1 ABGB). Aus dem Umstand, dass eine typische Vertragsbestimmung im Klauselkatalog des §Â€6 KSchG enthalten ist, lässt sich nicht der Umkehrschluss ziehen, dass sie unter Unternehmern zulässig sein müsse. Einerseits geht es hier nur um Interessenlagen, die zwar zwischen Unternehmer und Verbrauchern besonders typisch, aber auf diese nicht beschränkt sein müssen, andererseits sollte §Â€6 KSchG weitgehend nur die zum ABGB ergangene Judikatur festschreiben und hiebei die Sittenwidrigkeitsmaßstäbe verschärfen und nicht lockern.33 Dies muss besonders für den Fall des §Â€879 Abs 3 ABGB gelten, wo die mit der Verwendung von AGB typisch verbundene Verdünnung der Vertragsfreiheit zu einer Verschärfung der Sittenwidrigkeitskontrolle führt. Für Personenschäden sieht in Umsetzung der EU-Richtlinie über miss12 bräuchliche Verbrauchervertragsklauseln §Â€6 Abs 1 Z 9 KSchG ein generelles Freizeichnungsverbot vor. Das ist im Hinblick auf den Rang dieses Rechtsgutes überzeugend, nicht einzusehen ist aber, warum das nur für Verbraucherverträge gelten soll. Jedenfalls ist der Ausschluss für leicht fahrlässige Personenverletzungen in AGBs rechtsunwirksam.34 Aber auch bei solchen Ausschlüssen außerhalb von AGBs wird größte Zurückhaltung an den Tag zu legen sein. Zwar können menschliche Personen nicht Gegenstand von Verwahrungsverträgen sein, doch kann unsachgemäße Verwahrung zu Schäden an Leib und Leben von Personen führen. 30╇ Krejci in Rummel3 I §Â€879 Rz€117; SZ 5/112; SZ 21/139 uza; differenzierend Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz€18/17. 31╇ Dazu Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz€18/17 und Österreichisches Haftpflichtrecht II2 343 ff. 32╇ Dass sich der Vorsatz in solchen Fällen auf die unbefugte Inbetriebnahme zum Zweck einer privaten Spritztour und nicht geradezu auf die Schädigung bezieht, soll hiebei nicht verkannt werden. 33╇ Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz€18/23 Ertl in Ertl/Wolf, Die Software im österreichischen Zivilrecht (1991) 246 ff; aM Welser, Schadenersatz statt Gewährleistung (1994) 82. 34╇ OGH 1 Ob 694/85, EvBl 1986/111; F. Bydlinski, Zur Haftung der Dienstleistungsberufe in Österreich und nach dem EG-Richtlinienvorschlag, JBl 1992, 351; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz€18/14; auch Kiendl, Haftungsfreizeichnung für Personenschäden in Verbraucherverträgen, ZfRV 1994, 138.

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Vertragliche Haftungsbeschränkungen

§ 964

Bei Vermögensschäden lautet die bekannte Faustregel, dass Freizeich- 13 nung für leichte Fahrlässigkeit zulässig ist, nicht aber Freizeichnung für grobe oder doch wenigstens „krass grobe“.35 So steht es ausdrücklich im §Â€6 Abs 1 Z 9 KSchG, eingeschränkt allerdings schon durch §Â€6 Abs 2 Z 5 KSchG, wonach eine Pflicht des Unternehmers zum Ersatz an einer Sache, die er zur Bearbeitung übernommen hat, nur dann ausgeschlossen oder beschränkt werden kann, wenn dies einzeln ausgehandelt wurde. Dies trifft auf Fälle zu, in denen einen Werkunternehmer eine Nebenpflicht zur Obhut trifft. Selbst dort, wo kein Verbrauchergeschäft vorliegt oder AGBs nicht verwendet werden, ist die Zulässigkeit der Freizeichnung von den Folgen schlichter grober Fahrlässigkeit stets suspekt,36 da dies einerseits zu einer bedenklichen Ausdünnung zentraler Vertragspflichten und zu beachtlicher Rechtsunsicherheit37 führt, die ein Vertragspartner nicht leichthin freiwillig auf sich nehmen wird. Das muss erst recht für Verbrauchergeschäfte und formularmäßige Freizeichnung gelten. Die Großzügigkeit einiger E des OGH ist umso bemerkenswerter, wenn berücksichtigt wird, wie hoch dieser in seinen allgemeinen Formulierungen die Latte für die Annahme groben Verschuldens setzt: eine ungewöhnliche auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht, wenn der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich voraussehbar ist;38 ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß39, der auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist. Die Hauptschwierigkeit bei der Rechtsanwendung besteht darin, dass ein beträchtlicher Anteil der Fahrlässigkeitshandlungen für die Annahme leichter Fahrlässigkeit zu schwerwiegend, aber für die Qualifikation als grob fahrlässig zu leichtgewichtig ist, sodass in der Rechtsrealität ein ex ante kaum vorhersehbarer „Aufhänger“ gesucht werden muss. Wo eine der Parteien die Macht dazu hat, wird sie meist versuchen, dieses nicht unbeträchtliche Risiko dem Vertragspartner zuzuschieben. Vorsichtiger bei der Zulassung von Freizeichnungsklauseln sind einige E, nach denen sogar der Verzicht auf den Ersatz leicht fahrlässig zugefügter Schäden rechtsunwirksam ist, wenn durch diese Freizeichnung auf den Ersatz gänzlich unvorhersehbarer Schäden verzichtet wird40 oder wenn die Vereinbarung auf die wirtschaftliche Übermacht des Begünstigten zurückzuführen ist.41 Einzelheiten zu der recht komplizierten Abwägung bei der Sittenwidrigkeitskontrolle von Freizeichnungsklauseln finden sich bei Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I³ Rz€18/1 ff, insb Rz€18/9 ff. 35╇ Dazu Gschnitzer in Klang2 IV/1, 213; Ehrenzweig, System II/12, 293; Mayrhofer, SchRAT 249; Krejci in Rummel3 I §Â€879 Rz€115 mwN. 36╇ Ausführlich dazu mit reichhaltigen Angaben aus der Rechtsprechung Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz€18/5, sowie Kathrein in KBB3 §Â€879 Rz€24 (AGB und Vertragsformblätter). 37╇ Krejci in Rummel3 I §Â€879 Rz€115; kritisch insb auch Jabornegg, Formularmäßige Haftungsfreizeichnungen für grob fahrlässige Auskunft, JBl 1986, 144. 38╇ OGH 2 Ob 466/58, JBl 1959, 211 uza. 39╇ OGH 2 Ob 126/82, ZVR 1984/326. 40╇ OGH 5 Ob 707/78 , SZ 51/169 = JBl 1979, 483; 1 Ob 566/79, SZ 52/57; 2 Ob 516/85, SZ 64/29; 2 Ob 526/93, SZ 66/40 = ZVR 1994/29. Diese Rechtsprechung bewegt sich allerdings auf einem gefährlichen Grat zwischen Inhalts- und Geltungskontrolle. 41╇ OGH 5 Ob 707/78, SZ 51/169.

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§ 964

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Die Haftung für grob schuldhaftes Verhalten des Erfüllungsgehilfen wird heute fast einheitlich derjenigen für eigenes Verhalten des Geschäftsherrn gleichgestellt.42 Der Grund hiefür liegt letztlich darin, dass bei den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen ein Freizeichnungsverbot andernfalls ein Schlag ins Wasser wäre. Überdies ist es einhellige Auffassung, dass jedenfalls bei den im Entgeltsverhältnis stehenden vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten der Geschäftsherr auch für bewusstes Fehlverhalten der Erfüllungsgehilfen einzustehen hat.43 Die Rsp verlangt ferner, dass haftungsbeschränkende Anschläge in beson15 ders auffallender Art erfolgen müssen.44 Die allerdings recht knapp gehaltene und in mehrfacher Hinsicht einen Sonderfall darstellende45 SZ 2/104 verlangt, dass eine Haftungsbegrenzung auf einen bestimmten Höchstbetrag zur Verwahrgebühr in Relation zu setzen ist. Diese ganz allgemein beliebte Einschränkung der Haftung ist bei Verwahrungsverträgen besonders fragwürdig, weil gerade bei kurzfristiger Verwahrung wertvoller Gegenstände die Verwahrgebühr in keinem vernünftigen Verhältnis zum Schaden stehen kann. 14

III. Haftung für Zufall 16

Für Zufall haftet der Verwahrer gem § 964 nicht. Die Gefahr bleibt also beim Hinterleger.46 Der Verwahrer hat den Zufall aber nach dem allgemeinen Grundsatz des § 1298 zu beweisen.47 Dazu wird es allerdings genügen, wenn er sein Nichtverschulden beweist, also den Beweis erbringt, dass er seiner Pflicht zur sorgfältigen Verwahrung im vollen Umfange nachgekommen ist.48 Dass ihn kein Verschulden trifft, wird er auch beweisen müssen, wenn er die Sache an jemanden ausgefolgt hat, der mit einer gefälschten Legitimation die Rückstellung im Namen des Hinterlegers begehrt oder sich für diesen ausgegeben hat.49 Für „verschuldeten Zufall“ haftet der Verwahrer gem § 1311 iVm § 965, siehe dort Rz 1 ff. 42  Krejci in Rummel3 I §  879 Rz  117 mwN; SZ 21/139 uza; aM Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz 18/17, ähnlich Gschnitzer in Klang2 IV/1, 648. 43  Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz 18/17. 44  LGZ Wien R 2962/49, EvBl 1950/170; OGH 1 Ob 545/76, SZ 49/37, auch SZ 19/233; Binder in Schwimann3 IV § 964 Rz 14. 45  Es ging um Haftungsbegrenzungen der Eisenbahnen, die von der Aufsichtsbehörde genehmigt waren, und außerdem stand die E im Schatten der Hyperinflation nach dem Ersten Weltkrieg, sodass der OGH ausdrücklich Feststellungen darüber begehrte, „wie sich die Verwaltungsbegehren zur (haftungsbegrenzenden Summe von 100 K) verhalten und in welchem Maße sich die Verwahrungsgebühren gegenüber jenen bei der Erlassung der allgemeinen Ausführungsbestimmungen jetzt verändert hat.“ Der Schaden durch die Entwendung eines Reisekoffers, in dem offenbar keine besonderen Kostbarkeiten verwahrt waren, betrug demgegenüber 6.133 K. 46  Gschnitzer in Klang2 IV/1, 650. 47  SZ 10/87; GlU 12.224; SZ 11/269; OGH 3 Ob 75, 76/70, SZ 43/84; 1 Ob 545/76, SZ 49/37; 4 Ob 591/81, SZ 55/64. 48  SZ 10/151; Rspr 1923, 5; das gilt auch für den Spediteur, der die Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (jetzt: Unternehmers) bei der Aufbewahrung nachzuweisen hat. 49  Vgl SZ 21/94.

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Allgemeines

§ 965

IV. Rettung unter Aufopferung Nach den allgemeinen Notstandsregeln (§ 1306a) wird beurteilt, ob man 17 berechtigt ist, Güter zu opfern um andere Güter zu retten. Danach richtet sich auch, wie sich der Verwahrer zu verhalten hat, wenn den verwahrten Gütern verschiedener Hinterleger Gefahr droht und er nicht alle retten kann. Er ist nicht nur berechtigt, sondern (auch unter Bedachtnahme auf ergänzende Vertragsauslegung) sogar verpflichtet, bei der Auswahl die Größe des drohenden Schadens, die Größe der Gefahr, die Erfolgsaussichten, endlich das Vermögen der vom Schaden Bedrohten „gleich einem Richter“ abzuwägen.50 Von diesem Grundsatz macht § 964 eine Ausnahme. Er entbindet ihn der 18 Abwägungspflicht zugunsten der eigenen Sache – immer vorausgesetzt, dass es sich um einen nicht vom Verwahrer zu vertretenden Zufall handelt. Während man bei der unentgeltlichen Verwahrung daran nichts auszusetzen findet, meint Ehrenzweig51, dass auf den entgeltlichen Verwahrungsvertrag eher die entgegengesetzte Regel passen würde. Gschnitzer wendet sich in der Vorauflage zu Recht gegen diese teleologische Reduktion52: Es habe manches für sich, bei der Kollision von Fremd- und Eigeninteresse die gerechte Abwägung, die vielleicht moralische Pflicht sei, nicht zur Rechtspflicht zu steigern. Sei die preisgegebene fremde Sache unverhältnismäßig wertvoller, möge man sittenwidrige Schädigung bzw Verhalten gegen Treu und Glauben annehmen. Bemerkt sei dazu, dass in aller Regel ein vergleichbares Ergebnis auf dem Wege ergänzender Vertragsauslegung zu erzielen ist. Hat der Verwahrer die eigene Sache geopfert, wozu er grundsätzlich nicht 19 verpflichtet ist, so gewährt ihm § 967 Ersatzansprüche, siehe dort unter Rz 10 ff. Praktische Bedeutung hat dieser Fall bisher kaum gehabt.

§ 965. Hat aber der Verwahrer von der hinterlegten Sache Gebrauch gemacht; hat er sie ohne Not und ohne Erlaubnis des Hinterlegers einem Dritten in Verwahrung gegeben; oder die Zurückstellung verzögert, und die Sache leidet einen Schaden, welchem sie bei dem Hinterleger nicht ausgesetzt gewesen wäre; so kann er keinen Zufall vorschützen und die Beschädigung wird ihm zugerechnet. Stammfassung JGS 1811/946.

Übersicht I. Gemischter Zufall II. Haftungsgründe 1. Benützung der anvertrauten Sache

1–3 4–9 4

50  GlU 6.946; vgl auch LGZ Wien 42 R 2962/49, EvBl 1947/154; Binder in Schwimann3 § 964 Rz 2. 51  In System II/12, 379. 52  In Klang2 IV/1, 651; dagegen wohl auch Binder in Schwimann3 IV § 964 Rz 2.

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§ 965

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2. Weitergabe an einen Dritten a) Erfüllungsgehilfen b) Substitution 3. Verzögerung der Rückstellung

5–8 5 6–8 9

I. Gemischter Zufall Die in § 965 behandelten Fälle des sogenannten gemischten Zufalls begründen keine Haftung für Zufall, sondern gehören unter die Haftung wegen Verschuldens. Bei pflichtwidrigem Verhalten haftet der Verwahrer gem § 1311 „für allen Nachteil, welcher außerdem nicht erfolgt wäre“. § 965 konkretisiert diese Vorschrift: Bei unzulässiger Benützung der anvertrauten Sache haftet der Verwahrer für Schäden, denen sie beim Hinterleger nicht ausgesetzt wäre, ebenso bei unzulässiger Weitergabe an einen Dritten und bei Verzögerung der Rückstellung. Die dogmatische Konstruktion des Gesetzgebers, der „casus mixtus“, entspricht der damaligen Kausalitätstheorie, die zwischen Ursache und Veranlassung unterschied, nämlich der causa proxima, der Ursache, die den Schaden mit Notwendigkeit herbeiführt, und der causa remota, der Veranlassung, die den Schaden für sich allein nicht bewirkt, aber ermöglicht. Ist die causa remota ein Verschulden, die causa proxima ein Zufall, so war der Schaden nach damaliger Auffassung zwar verschuldet, aber doch ein zufälliger. § 1311 sollte anordnen, was heute ohnedies als selbstverständlich gilt, nämlich dass der Schädiger auch in diesem Fall haftet. Wenn dieser rechtswidrig und schuldhaft handelt, so haftet er auch für einen Schaden, der durch Zufall herbeigeführt wurde, solange sein Verhalten nur eine conditio sine qua non war (und Adäquität und Rechtswidrigkeitszusammenhang vorliegt)1. Das Gesetz stellt in allen drei Haftungsfällen des § 965 auf den Zufall ab, 2 den die Sache beim Hinterleger nicht ausgesetzt worden wäre. Das ist wenig glücklich, denn die Sache wird regelmäßig gerade deshalb in Verwahrung gegeben, weil die Verhältnisse beim Hinterleger ungünstig sind. Sehr anschaulich ist hier das von Ehrenzweig2 gegebene Beispiel, wonach A dem Gärtner B seine Palme zur Verwahrung während des Winters übergibt, wo sie erfriert, weil B sie ohne Not dem C übergibt. Hier kann der Verwahrer B tatsächlich nicht einwenden, dass die Palme auch beim Hinterleger A erfroren wäre. Wenn also der Verwahrer die Sache widerrechtlich nutzt, kann sinnvollerweise nur entscheidend sein, ob der Schaden auch dann entstanden wäre, wenn er sie (wo auch immer) nicht genutzt hätte, aber nicht, ob der Schaden auch beim Hinterleger eingetreten wäre. Dieser hat den Vertrag ja möglicherweise deshalb abgeschlossen, weil er sonst mit unbefugter Inbetriebnahme oder gar mit Diebstahl hätte rechnen müssen. Eine andere Auslegung stünde im Widerspruch zur sonst allgemein anerkannten Lehre von der Kausalität und vom Rechtswidrigkeitszusammenhang.3 Nur beim dritten Haftungsgrund, der verspäteten Rück1

1  Ehrenzweig, System II/12, 43 f; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 100 f; Rei­ schauer in Rummel3 II/2a § 1311 Rz 2. 2  In System II/12, 379; ähnlich auch Binder in Schwimann3 IV § 965 Rz 1. 3  Gschnitzer vertritt in Klang2 IV/1, 651 unter ausdrücklicher Ablehnung der Lehre Ehrenzweigs die Auffassung, der im gleichen Haus wohnhafte Verwahrer, der das hinterlegte Buch ge-

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Haftungsgründe

§ 965

stellung kann, dem schlichten Wortlaut des Gesetzes entsprechend, darauf abgestellt werden, ob die Sache den Schaden auch beim Hinterleger erlitten hätte. Der Verwahrer haftet auch, wenn er die sichere in eine unsichere Art der 3 Verwahrung abgeändert hat und das verwahrte Gut durch ein Ereignis, für das er an sich nicht gehaftet hätte, zugrunde geht.4 Bei unbefugtem Gebrauch des in Verwahrung gegebenen Geldes ist es jedenfalls vom Moment der Verwendung ab zu verzinsen, unbeschadet weitergehender Ersatzansprüche. Ist der Gebrauch befugt, so entsteht ein depositum irregulare.

II. Haftungsgründe 1. Benützung der anvertrauten Sache Schon §Â€958 ordnet an, dass der Verwahrer kein Gebrauchsrecht an der 4 anvertrauten Sache hat; wird ein solches dennoch eingeräumt, so wird der Vertrag nach §Â€959 in einen Darlehens-, Leih- oder Mietvertrag umgeändert. §Â€965 regelt daher nur die Folgen einer verbotenen Benützung: Er hat den Schaden zu ersetzen, der nicht entstanden wäre, wenn er sich vertragskonform verhalten hätte; siehe oben Rz€2. 2. Weitergabe an einen Dritten a) Erfüllungsgehilfen Aus §Â€965 wird abgeleitet, dass sich der Verwahrer bei seiner Tätigkeit ei- 5 nes Erfüllungsgehilfen bedienen darf, für den er nach §Â€1313a einzustehen hat.5 Meist liegt aber die Befugnis zur Zuziehung von Gehilfen schon nach dem Inhalt des Vertrages auf der Hand. Für Dienstnehmer, die mit der Verwahrung nichts zu tun haben, haftet der Verwahrer gegebenenfalls nach §Â€1315.6 Eine Leutehaftung ist für Gastwirte und ihnen haftungsmäßig Gleichgestellte in §Â€970 vorgesehen, siehe dort. §Â€431 UGB sieht eine Leutehaftung für Frachtführer vor. Zur Haftung für den Erfüllungsgehilfen und deren Beschränkung siehe auch §Â€964 Rz€7, 10 und 14. brauche, hafte hiefür nicht, wenn das Haus abbrenne und es beim Hinterleger auch verbrannt wäre; er hafte jedoch, wenn die Wohnung des Hinterlegers verschont bleibe. Sinnvollerweise kann jedoch nur gefragt werden, ob der Schaden auch dann eingetreten wäre, wenn das Buch nicht unzulässig benützt worden wäre und gegebenenfalls, wie es mit dem Rechtswidrigkeitszusammenhang aussieht. Stark vereinfacht gesagt: Wenn der Verwahrer das Buch in seiner Wohnung benützt und es dort verbrennt, wird er nicht haften, wenn er es aber an einen anderen Ort verbringt, um es in Ruhe zu studieren, und es verbrennt dort, dann haftet er. Die von Gschnitzer befürwortete Wortinterpretation widerspricht einerseits dem historischen Sinn der gesetzlichen Vorschrift und andererseits den allgemeinen Kausalitäts- und Rechtswidrigkeitsprinzipien. 4╇ OGH 1 Ob 668/47, EvBl 1947/794. 5╇ OGH 3 Ob 594/83, SZ 56/43 = EvBl 1984/11; Ehrenzweig, System II/12, 379; Binder in Schwimann3 IV §Â€965 Rz€5; Schubert in Rummel3 I §Â€965 Rz€1. 6╇ Schubert in Rummel3 I §Â€965 Rz€4; nach Ehrenzweig, System II/12, 379 haftet der Verwahrer überhaupt nicht, doch ist der Widerspruch nur scheinbar: liegen die Voraussetzung der Haftung nach §Â€1315 vor, so wird nach dieser Gesetzesstelle gehaftet, andernfalls überhaupt nicht.

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§ 966

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b) Substitution 6

Eines Substituten darf sich der Verwahrer nur bedienen, wenn dies vom Hinterleger erlaubt7 oder durch einen Notfall unvermeidlich wird (§Â€965). Ein solcher Substitut, dem die Verwahrung übertragen wird, handelt selbständig und eigenverantwortlich.8 Dabei haftet der Verwalter (bei zulässiger Substitution) nur für ein Verschulden bei der Auswahl, der Unterweisung oder der Überwachung des Substituten. Wenn der Verwahrer die Verwahrung einem Dritten überlässt, ohne diesen 7 davon in Kenntnis zu setzen, dass er ihn nur „als Substituten“ bestellt, dann entsteht kein Vertragsverhältnis zwischen dem Hinterleger und dem Substituten, ob die Substitution nun gestattet war oder nicht. Der Substitut hat daher Entgelts- und Schadenersatzansprüche nur gegenüber dem Verwahrer, nicht aber gegenüber dem Geschäftsherrn. Wird der Dritte aber „als Substitut“ bestellt, ihm also das Verhältnis zum 8 Hinterleger bekannt gegeben, so liegt in der Vereinbarung des Verwahrers mit dem Substituten ein Vertrag zugunsten eines Dritten, nämlich des Hinterlegers. Auf dieser Grundlage kann der Hinterleger den Substituten wegen fahrlässiger Verwahrung in Anspruch nehmen;9 Näheres zur Substitution bei §Â€1010. Der Hinterleger kann auch den Verwahrer ermächtigen, in seinem, des Hinterlegers, Namen einen anderen Verwahrer zu bestellen, der an Stelle des bisherigen Verwahrers in ein unmittelbares Vertragsverhältnis zum Hinterleger tritt, während zugleich das Vertragsverhältnis des bisherigen Verwahrers erlöschen soll. Dann haftet der bisherige Verwahrer nur für Auswahl- und Instruktionsverschulden. Die Haftung für Auswahlverschulden kann entfallen, wenn der Hinterleger ihm die Bestellung einer bestimmten Person aufträgt. 3. Verzögerung der Rückstellung 9

§Â€965 betrifft den Fall des subjektiven Verzugs. Kann die Sache bei Fälligkeit des Herausgabeanspruchs nicht mehr zurückgestellt werden, gründet sich der Schadenersatzanspruch des Hinterlegers auf §Â€964.10

§Â€966. Wenn Sachen verschlossen oder versiegelt hinterlegt, und in der Folge das Schloß oder Siegel verletzt worden; so ist der Hinterleger, wenn er einen Abgang behauptet, zur Beschwörung seines Schadens, in so fern derselbe nach seinem Stande, Gewerbe, Vermögen und den übrigen Umständen wahrscheinlich ist, nach Vorschrift der Gerichtsordnung zuzulassen; es wäre denn, daß der Verwahrer beweisen könnte, daß die Verletzung des Schlosses oder Siegels ohne sein Verschulden geschehen sey. Das 7╇

Stillschweigende Erlaubnis kann auch in der Natur der Sache liegen: Rspr 1937/92. Ehrenzweig, System II/12, 295f; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 342; OGH 3 Ob 720/52, SZ 25/314 = EvBl 1953/85; 7 Ob 66/67, SZ 40/68 = EvBl 1967/432. 9╇ Gschnitzer in Klang2 IV/1, 650 und Binder in Schwimann3 IV§Â€965 Rz€5. 10╇ Binder in Schwimann3 IV §Â€965 Rz€8, auch zum Veräußerungsfall. 8╇

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Übersicht

§ 967

Nämliche hat auch dann zu gelten, wenn sämtliche auf solche Art hinterlegte Sachen in Verlust geraten sind. Stammfassung JGS 1811/946.

Die Bestimmung des §Â€966 wurde bei Einführung der ZPO nicht ausdrück- 1 lich abgeändert oder aufgehoben, was in der Folge zu Streit geführt hat,1 Nach heute einhelliger Meinung2 ist sie durch die ZPO und insb den damit eingeführten Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§Â€272) materiell derogiert. Ehrenzweig3 erblickte darin eine Vermutung zugunsten des Hinterlegers bei Verletzung des Schlosses, gibt jedoch keine sachliche Begründung hiefür an, und bloße Wortinterpretation hilft nicht weit, wenn es um die Frage des Vorliegens einer materiellen Derogation geht. In der Rechtsanwendung vieler Jahrzehnte wurde eine solche gesetzliche Vermutung auch nicht vermisst. Für die heutige Meinung, wonach die Bestimmung zur Gänze überholt ist, spricht darüber hinaus die Klarheit und Einfachheit.

und des Hinterlegers § 967. Der Hinterleger ist verpflichtet, dem Verwahrer den schuldbarer Weise zugefügten Schaden, und die zur Erhaltung der verwahrten Sache, oder zur Vermehrung der fortdauernden Nutzungen verwendeten Kosten zu ersetzen. Hat der Verwahrer im Notfalle, um das hinterlegte Gut zu retten, seine eigenen Sachen aufgeopfert; so kann er einen angemessenen Ersatz fordern. Die wechselseitigen Forderungen des Verwahrers und Hinterlegers einer beweglichen Sache können aber nur binnen dreißig Tagen von Zeit der Zurückstellung an gebracht werden. Stammfassung JGS 1811/946. Lit: Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht und Einrede des nicht erfüllten Vertrages (1982).

Übersicht I. Rechte 1. Schadenersatz 2. Aufwandersatz 3. Aufopferung eigener Sachen II. Befristung der Ansprüche III. Zurückbehaltungs- und Aufrechnungsrecht des Verwahrers

1–12 1–2 3–9 10–12 13–16 17–18

Näheres in Gschnitzer in Klang2 IV/1, 652. Gschnitzer in Klang2 IV/1, 652; Binder in Schwimann3 IV §Â€966 Rz€1; Schubert in Rummel3 I §Â€966 Rz€1; Griss in KBB3 §Â€966 Rz€1. 3╇ In System II/12, 380. 1╇ 2╇

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§ 967

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I. Rechte des Verwahrers 1. Schadenersatz 1

§ 967 behandelt die ausnahmsweise, unter besonderen Umständen entstehenden Pflichten des Hinterlegers. Die Frage eines allfälligen Entgeltes wird in § 969 geregelt. Die im ersten Satz des § 967 festgelegte Pflicht des Hinterlegers zum Er2 satz des dem Verwahrer schuldhaft zugefügten Schadens steht im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen der §§ 1293 ff. Hierher gehört die verschuldete Schädigung des Verwahrers durch die Hinterlegung selbst, zB die Hinterlegung eines mit einer verborgenen Krankheit behafteten Tieres oder eines feuergefährlichen Stoffes, ohne den Verwahrer von dieser gefährlichen Eigenschaft in Kenntnis zu setzen.1 Erfährt der Hinterleger erst nachträglich von dieser Eigenschaft, so hat er den Verwahrer unverzüglich davon in Kenntnis zu setzen,2 Diese Pflicht besteht auch dann, wenn die Verwahrung Nebenpflicht eines anderen Vertrages, insb eines Werkvertrages, ist.3 Da diese Warnpflicht vorvertraglicher bzw vertraglicher Natur ist, greift die Beweislastumkehr des § 1298 ein.4 Ist dem Verwahrer ein Mitverschulden anzulasten, ist der Ersatzanspruch iSd § 1304 zu mäßigen. Der Hinterleger haftet in diesen Fällen wegen culpa in contrahendo, wenn ihm die gefährliche Eigenschaft schon bei Vertragsabschluß bekannt war oder doch bekannt hätte sein müssen, daher für das Vertrauens-, nicht für das Erfüllungsinteresse. Anders verhält es sich, wenn ihm die gefährliche Eigenschaft erst nachträglich erkennbar wurde. Der Hinterleger haftet bei subjektivem Rücknahmeverzug für allen hiedurch verursachtem Schaden.5 2. Aufwandersatz Der Anspruch auf Aufwandersatz ist verwandt mit jenem des Geschäftsführers ohne Auftrag. Deshalb trifft § 967 ebenfalls eine Unterscheidung zwischen dem Aufwand, der zur Erhaltung der Sache dient, also nicht etwa nur die Erzielung eines Gewinnes bezweckt (§ 1036), und dem zur Vermehrung fortdauernden Nutzungen gemachten Aufwand (§ 1037). Zur Auslegung der Vorschrift des § 967 müssen daher die Bestimmungen der §§ 1036 ff herangezogen werden.6 Zum Aufwand zählen Kosten für die Pflege von Tieren7, das Treffen be4 sonderer Sicherungsvorkehrungen, Reinigung von Teppichen, Bezahlung von 3

Zeiller, Comm 3, 204; Schey in Klang2 I/2, 326; Krasnopolski, III 336. Binder in Schwimann3 § 967 Rz 3; Schubert in Rummel3 I § 967 Rz 1. 3  Schubert in Rummel3 I § 967 Rz 1. 4  Gschnitzer hält in der Vorauflage Klang2 IV/1, 653 nur fest, dass unserem Rechte eine Beweislastumkehr iSd §  694 BGB fremd sei, befasst sich aber nicht mit der Regel des § 1298 ABGB. 5  Schubert in Rummel3 I § 961 Rz 4 und § 6  JBl 1998, 303 (Meissel); Binder in Schwimann3 § 967 Rz 1; Schubert in Rummel3 I § 967 Rz 2. 7  EvBl 1995/8 („Katzenprozess“). 1  2 

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Rechte des Verwahrers

§ 967

Sicherungsprämien, aber auch Rettungskosten, die Aufopferung eigener Vermögenswerte oder die notwendige Auslagerung wegen Rücknahmeverzögerung, allerdings nicht die Aufwendungen für Raumbeschaffung, welche die Verwahrung erst möglich machen soll, weil diese bereits im Rahmen der Entgeltvereinbarung zu berücksichtigen sind.8 Unter Aufwand ist also nicht der auf die Sache selbst sondern auch der aus Anlass der Verwahrung zu verstehen, was von Bedeutung ist, wenn der Verwahrer im Hinblick auf die künftige Verwahrung bereits Vorkehrung trifft. §Â€967 enthält keine Einschränkung des Ersatzanspruches nach oben, doch ergibt sich diese aus den allgemeinen Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag, wonach nur ein „angemessener“ Aufwand den Gegenstand des Ersatzanspruches bilden kann. Deshalb spricht §Â€1036 von dem „notwendig und zweckmäßig gemachten“ Aufwand und §Â€1037 von dem „klaren und überwiegenden Vorteil“ der durch die Geschäftsführung für den Geschäftsherrn erzielt wird. Auch Aufwendungen zur Erhaltung der Sache müssen also selbst im Notfall in einem angemessenen Verhältnis zum Wert der verwahrten Sache stehen. Dabei ist es aber nicht erforderlich, dass die Aufwendung objektiv notwendig war, es genügt, dass der Verwahrer sie nach den Umständen des Falles für notwendig halten durfte.9 Nichts anderes gilt, wenn Tiere Gegenstand der Verwahrung sind. Durch 5 die Vorschrift des § 285a sollte nur die anstößige Bezeichnung von „Tieren“ als „Sache“ fallen, sie sind aber dennoch nicht als „Personen“ iSd §Â€285 anzusehen. Dass für Tiere Vorschriften gelten, die sie von anderen „Sachen“ unterscheiden, ist auch keine erst durch §Â€285a eingeführte Neuerung. Von Bedeutung ist allerdings in diesem Zusammenhang §Â€1332a, wonach die Kosten der (versuchten) Heilung auch dann gebühren, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen, soweit sie auch ein verständiger Tierhalter in der Lage des Geschädigten aufgewendet hätte. Der Verwahrer ist daher bei Verletzung eines in seiner Obhut befindlichen Tieres nicht gehalten, dieses gleichsam „auf Totalschadensbasis“ abzurechnen;10 Näheres hiezu unter §Â€285a und §Â€1332a. Im Notfall kann der Verwahrer den Anspruch auch dann haben, wenn der 6 Erfolg ausgeblieben ist (§Â€1036). Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um einen (angemessenen) Aufwand zur Erhaltung der Sache handelt, also zur Abwendung eines ihm sonst drohenden Schadens.11 Liegt kein Notfall vor, so kann bei fehlgeschlagenem Erfolg dem Verwah- 7 rer ein Ersatzanspruch nur dann eingeräumt werden, wenn die Berechtigung zur Aufwendung aus der getroffenen Vereinbarung erschlossen werden kann. Dann 8╇ Binder in Schwimann3 §Â€967 Rz€1; Schubert in Rummel3 I §Â€967 Rz€2; auch JBl 1998, 303 (Meissel). 9╇ So auch Binder in Schwimann3 §Â€967 Rz€1. 10╇ P. Bydlinski, Das Tier, (keine) Sache, RdW 1988, 158 f; Gimpel-Hinteregger, Das Tier als Sache und Ersatz der Heilungskosten für ein verletztes Tier, ÖJZ 1989, 66; Lippold, Über Tiere und andere Sachen …, ÖJZ 1989, 335; Harrer/G. Graf, Tierschutz durch Zivilrecht, in Harrer/ G. Graf, Tierschutz durch recht (1994) 77; EvBl 1999/38; Spielbüchler in Rummel3 I §Â€285a Rz€1 f. 11╇ Gschnitzer in Klang2 IV/1, 654 unter Auseinandersetzung mit Schey in Klang2 I/2, 326 f; Schubert in Rummel3 I §Â€967 Rz€2.

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sind aber nicht mehr die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag anwendbar, sondern diejenigen des Auftragsrechtes, hier also nicht § 967 sondern § 1014. Dass aus Anlass einer Verwahrung häufig auch eine Bevollmächtigung des Verwahrers eintritt, wird schon in § 960 hervorgehoben. § 967 will nur eine subsidiäre Vorschrift für den Fall treffen, dass kein (wenigstens stillschweigender) Auftrag und auch keine solche Ermächtigung vorliegt. Dies trifft zB dann zu, wenn die Futterkosten eines in Verwahrung genommen Tieres nicht vom Hinterleger zur Verfügung gestellt werden. Die Parteien können auch eine andere Regelung über die Kostentragung als die in den §§ 1014 und 967 festgesetzte vereinbaren. Bei entgeltlicher Verwahrung werden die Aufwendungen vielfach durch das vereinbarte Entgelt abgegolten sein.12 Handelt es sich um die Vermehrung fortdauernder Nutzungen, so sind 8 die Grundsätze der §§  1037 f auch auf §  967 anzuwenden. Die Kautel des § 1038, wonach die Sache zu dem Zwecke, wozu sie der Hinterleger bisher benützt hat, nicht unbrauchbar werden darf, gilt auch hier.13 Ist der Hinterleger vom Eigentümer verschieden, so hat dieser im Rahmen 9 des § 1041 die Aufwendungen des Verwahrers zu ersetzen.14 3. Aufopferung eigener Sachen Die Aufopferung eigener Sachen zur Rettung der anvertrauten Sachen durch den Verwahrer behandelt das Gesetz in § 967 der Sache nur als einen Unterfall der Geschäftsführung im Notfall. Der Verwahrer kann nur in besonderen seltenen Ausnahmefällen verpflichtet sein, die anvertraute Sache unter Aufopferung der eigenen zu retten, dazu Rz 18 zu § 964. Das Gesetz spricht ihm in § 967 angemessenen Ersatz für die aufgeopferte eigene Sache zu. Ein Entgelt für Mühewaltung („verhältnismäßige Belohnung“) iSd § 403 kann ihm jedenfalls bei entgeltlichen Verwahrungsverträgen, bei welchen nicht mit erheblichen Aufwendungen zu rechnen ist, zugesprochen werden.15 In der Regel, wenn auch nicht mit Notwendigkeit, wird die Aufopferung 11 der eigenen Sache bei gemeinsamer Gefahr vorkommen. Kommt die Rettungsmaßnahme mehreren Hinterlegern zugute, so haben sie den Verwahrer verhältnismäßig zu entschädigen (vgl § 1043).16 § 967 spricht nur von einem „angemessenen“ Ersatz für die Aufopferung 12 der eigenen Sache. Diese kann bei gemeinsamer Gefahr hinter dem vollen Ersatz zurückbleiben.17 Dieser Ersatz wird vom Gesetz nur im Notfall gewährt und entspricht dem “notwendig und zweckmäßig gemachten Aufwand“ des § 1036. 10

Schubert in Rummel3 I § 967 Rz 2. Binder in Schwimann3 § 967 Rz 1. 14  Binder in Schwimann3 § 967 Rz 2. 15  Vorsichtig und allgemein für einen solchen Zuspruch Binder in Schwimann3 § 964 Rz 2, ganz allgemein dagegen Gschnitzer in der Vorauflage S 654 unter überzogener Berufung auf die Vertrauensstellung des Verwahrers. Die hier vertretene Mittelstellung ist bestrebt, den heute wohl zumindest überwiegend anerkannten Gleichklang zur Beurteilung des Zurückbehaltungs- und Aufbewahrungsrechtes des Verwahrers herzustellen, siehe dazu auch unten unter Rz 18. 16  Binder in Schwimann3 § 964 Rz  17  GlUNF 3952, GlUNF 928, anders noch GlUNF 608. 12  13 

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Befristung der Ansprüche

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II. Befristung der Ansprüche § 967 bindet die „wechselseitigen Forderungen“ aus der Verwahrung beweglicher Sachen an eine Frist von 30 Tagen. Hiedurch soll die Rechtsdurchsetzung zu einem Zeitpunkt erzwungen werden, an dem die behaupteten Ansprüche noch verhältnismäßig leicht überprüft werden können18 und damit ein Beweissicherungsverfahren nach den §§ 384 ff ZPO entbehrlich gemacht werden.19 Die Frist ist eine Präklusivfrist20, die durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt wird.21 Sie kann vertraglich verlängert werden.22 eine Verkürzung wird im Hinblick auf ihre Dauer kaum in Betracht kommen und überdies idR von dem Verdikt der Sittenwidrigkeit bedroht sein. Schon aus der Bestimmung des § 967 über den Zeitpunkt, mit welchem diese Frist zu laufen beginnt, ergibt sich, dass der Anspruch auf Rückstellung der Sache selbst nicht zu den befristeten Ansprüchen gehören kann.23 Ist die Sache durch Verschulden des Verwahrers zugrunde- oder verlorengegangen, so verjährt der Schadenersatzanspruch des Hinterlegers daher nach § 1489.24 Bei bloß teilweiser Rückstellung ist nach hM der Anspruch auf Rückstellung der restlichen Sachen nach § 967 befristet,25 doch führt dies zu einer wenig überzeugenden Divergenz zur parallelen Bestimmung des §  982 im Bereich des Leihvertrages.26 Die Fallfrist umfasst auch Schadenersatzansprüche des Hinterlegers wegen bloßer Beschädigung oder Rückstellungsverzögerung; sind sie erst nach 30 Tagen erkennbar, so ist die Frist gewahrt, wenn die Forderung danach unverzüglich geltend gemacht wird.27 Die Entgeltansprüche als solche werden im Gesetz nicht genannt. Hier bedarf es grundsätzlich keiner gesetzlichen Präklusivfrist zur sofortigen Beweissicherung. Sie fallen daher nicht unter die Frist des § 967 sondern unter die allgemeine Verjährungsfrist.28 Nach allgemeiner Auffassung soll die Frist nur für reine Verwahrungsverträge und gemischte Verträgen mit überwiegendem Verwahrungselement gelten, nicht aber für andere Vertragsverhältnisse, bei denen die Obhut nur als Binder in Schwimann3 § 967 Rz 7. Zur Unterstellung, das Gesetz nehme an, dass, wenn binnen dieser Zeit ein Anspruch auf Ersatz nicht erhoben worden sei, darauf verzichtet werde, besteht daher kein Grund; so allerdings Ehrenzweig, System II/12, 381. Eine gewisse Rolle mag allerdings der Umstand spielen, dass Verwahrungsvertrag nach § 969 im Zweifel unentgeltlich ist, sodass gesetzlicher Druck auf rasche Rechtsdurchsetzung besonders naheliegend erscheint. 20  SZ 15/109; MietSlg 31.123; Binder in Schwimann3 § 967 Rz 9; Schubert in Rummel3 I § 967 Rz 3. 21  GlUNF 4596; GlUNF 5092; SZ 24/250; Binder in Schwimann3 § 967 Rz 8; Schubert in Rummel3 I § 967 Rz 3. 22  GlUNF 5233; Binder in Schwimann3 § 967 Rz 9. 23  SZ 10/87; Ehrenzweig, System II/12, 381; Krasnopolski III 338. 24  SZ 10/87; SZ 69/245,= JBl 1997, 387 = EvBl 1997/34 = wobl 1997/118 (Degelsegger) = HS 27.506. 25  SZ 15/109; Schubert in Rummel3 I § 967 Rz 3. 26  Dazu Stanzl in Klang2 IV/1, 982 FN 1. 27  Binder in Schwimann3 § 967 Rz 11. 28  So auch Binder in Schwimann3 § 967 Rz  18  19 

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Nebenpflicht übernommen wurde.29 Traditionell wird dies mit dem überholten Auslegungsgrundsatz begründet, wonach es sich um eine Ausnahmebestimmung handle, die daher nicht analog angewendet werden dürfe.30 Diese Auffassung ist im Ergebnis zutreffend, jedoch ist sie statt dessen mit dem Sachzusammenhang mit der Hauptleistung zu begründen.31 Ersatzansprüche gegen den Faustpfandnehmer32 oder den Werkunternehmer33 wegen mangelhafter Verwahrung unterliegen daher nicht der Frist des § 967, wohl aber solche gegen den Sequester34 (vgl § 968).

III. Zurückbehaltungs- und Aufrechnungsrecht des Verwahrers Nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 1440 begründen die Ansprüche des Verwahrers kein Zurückbehaltungsrecht, ebenso wenig steht ihm nach dieser Gesetzesstelle ein Recht zur Aufrechnung seiner Ansprüche gegenüber dem Anspruch des Hinterlegers auf Zurückstellung der Sache zu. Gschnitzer begründet dies in der Vorauflage mit der strengen Auffassung der Redaktoren des ABGB von der Vertragstreue. Der Verwahrer könne also seine Ansprüche lediglich durch Klage geltend machen und wohl auch im Falle eines Titels die verwahrte Sache, so er sie nicht schon früher herausgeben musste, pfänden.35 Nach nunmehr herrschender Auffassung ist jedoch § 1440 teleologisch zu 18 reduzieren und insbesondere auf unentgeltliche Verwahrungsverträge einzuschränken, bei denen nicht mit Gegenansprüchen, insb (erheblichen) Aufwendungen zu rechnen ist.36 17

Sequester § 968. Wird eine in Anspruch genommene Sache von den streitenden Parteien oder vom Gerichte jemandem in Verwahrung gegeben; so heißt der Verwahrer, Sequester. Die Rechte und Verbindlichkeiten des Sequesters werden nach den hier festgesetzten Grundsätzen beurteilt. Stammfassung JGS 1811/946. 29  JBl 1959, 633; SZ 69/245, JBl 1997, 387 = EvBl 1997/34 = wobl 1997/118 (Degelsegger) = HS 27.506; Binder in Schwimann3 § 967 Rz 13; Schubert in Rummel3 I § 967 Rz 3. 30  So noch Gschnitzer in der Vorauflage S 655. 31  So zutreffend Binder in Schwimann3 § 967 Rz 13. 32  GlU 13.441. 33  JBl 1959, 633; ZVR 1964/155; SZ 69/245, JBl 1997, 378 = EvBl 1997/34 = wobl 1997/118 (Degelsegger) = HS 27.506. 34  LGZ Wien MietSlg 43.041; Schubert in Rummel3 I § 967 Rz 3. 35  In Klang2 IV/1, 655; die Berufung auf die „strenge Auffassung von der Vertragstreue“ des ABGB steht in einem merkwürdigen Spannungsverhältnis zum gesetzlichen Pfandrecht des Lagerhalters (§ 421 HGB) und dem allgemeinen kaufmännischen Retentionsrecht nach § 369 HGB. 36  Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht und Einrede des nicht erfüllten Vertrages (1981) 238 ff; Schubert in Rummel3 I § 967 Rz 3 (siehe allerdings § 969 Rz 1); Dullinger in Rummel3 II/3 § 1440 Rz 14; SZ 64/61, JBl 1997, 96 = RdW 1997, 14 = MietSlg 48.180; JBl 1999, 659 = RdW 1999, 347; ohne diese Einschränkung zuletzt noch Binder in Schwimann3 § 967 Rz 

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Begriff der Sequestration

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Übersicht I. Begriff der Sequestration II. Besitzesschutz des Sequesters III. Gesetzliche Sonderfälle IV. Sequestration im Rahmen der EO

1–3 4 5 6–11

I. Begriff der Sequestration Sequestration ist die Hinterlegung einer Sache durch mehrere, mit der 1 Vereinbarung, dass die Sache einstweilen der Verfügung aller entzogen und später an alle gemeinsam oder je nach den Umständen an den einen oder anderen oder an einen Empfangsbevollmächtigten herauszugeben ist. §  968 erwähnt nur jene Fälle der Sequestration, in welchen eine in Anspruch genommene – dh von verschiedenen Personen beanspruchte – Sache infolge einer Vereinbarung der Streitteile (sequestratio voluntaria) oder durch Verfügung des Gerichtes (sequestratio necessaria) jemandem in Verwahrung gegeben wird, damit sie vorläufig bis zur Erledigung des Streites der Verfügung der Streitenden entzogen bleibe.1 Das streitige Recht kann sehr verschiedener Art sein. Es muss sich nicht gerade um das Eigentum an der Sache handeln, vielmehr kann jedes Recht, das zur Innehabung der Sache berechtigt, zur Sequestration führen. Auch diese vereinbarte Sequestration ist Realvertrag und vom bezüglichen Vorvertrag zu unterscheiden.2 Die Rechtsstellung des Sequesters entspricht, soweit nicht abweichende 2 Vorschriften3 bestehen, der eines Verwahrers.4 Der Sequester ist ebenso wie dieser zur sorgfältigen Verwahrung verpflichtet und darf sie an einen Substituten nur im Notfall oder aufgrund besonderer Erlaubnis (§ 965) weiter geben, widrigenfalls wird er schadenersatzpflichtig.5 Er hat die Sache an den siegenden Teil herauszugeben, sodass (mangels Zustimmung aller Beteiligten) das Gericht keine Personen als Sequester einsetzen darf, die zu einem der Streitteile in so enger Beziehung steht, dass die unbefangene Ausübung des Amtes nicht gewährleistet ist.6 Wurde allerdings ein Kurator bestellt, so ist die Bestellung eines Sequesters weder erforderlich noch zulässig (vgl § 890).7 1  Ähnlich RZ 1996/31; OGH 9 Ob 2169/96b, EvBl 1997/34, auch Schubert in Rummel3 I § 968 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV § 968 Rz 1 und Griss in KBB3 § 968 Rz 1. 2  Schey in Klang2 I/2, 345. 3  Vor allem öffentlich-rechtlicher Natur, so vor allem die EO. 4  Schubert in Rummel3 I § 968 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV § 968 Rz 2; Griss in KBB3 § 968 Rz 1; SZ 9/235; OGH 3 Ob 400/54; 3 Ob 80/81, SZ 27/264; 7 Ob 768/78, SZ 52/63 = JBl 1980, 262; 3 Ob 3 Ob 80/81, SZ 54/101; 1 Ob 519/95, RZ 1996, 118; 1 Ob 186/97b, immolex 1998, 281. 5  OGH 7 Ob 768/78, SZ 52/63 = EvBl 1979/219 = JBl 1980, 262; Schubert in Rummel3 I § 968 Rz 1. 6  Daher darf grundsätzlich nicht einer von mehreren Erbanwärtern nicht zum Sequester bestellt werden: OGH 1 Ob 519/95, RZ 1996/31; Schubert in Rummel3 I § 968 Rz 1. 7  OGH 3 Ob 521/52, SZ 25/223; 1 Ob 519/95, RZ 1996, 118; Schubert in Rummel3 § 968 Rz 1.

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Sehr oft wird die Aufgabe des Sequesters über die eines Verwahrers hinausgehen (§  960).8 Wird ihm zugleich eine Verwaltung übertragen, so wird §  1029 für die Beurteilung des Umfangs dieser Verwaltung von Bedeutung sein. Steht allerdings die Verwaltung und nicht nur die bloße Verwahrung im Vordergrund, so liegt meist die Bestellung eines Kurators in näher.9 Die vorzeitige Rückforderung setzt eine gerichtliche Entscheidung voraus, bei vertragsmäßiger Sequestration ein Begehren sämtlicher Hinterleger.10

II. Besitzesschutz des Sequesters 4

Wenn auch prinzipiell auf den Sequester die Vorschriften über den Verwahrungsvertrag anzuwenden sind, so liegt doch ein wichtiger Unterschied darin, dass ihm der Besitzesschutz zuzuerkennen ist.11 Der Grund hiefür liegt im Zweck der Bestellung sowohl eines vertraglichen wie auch eines gesetzlichen Sequesters, da die Notwendigkeit der Erhebung von Besitzstörungsklagen durch die Hinterleger im Hinblick auf deren Verhältnis untereinander gerade vermieden werden soll. Der Sequester in allerdings nicht Sachbesitzer, wohl aber Rechtsbesitzer, denn er hat nicht nur die Pflicht, sondern auch das Recht zur Verwahrung. Bei vertragsmäßiger Sequestration ist es seine Aufgabe, die Sache dem Zugriff der streitenden Parteien zu entziehen, und zwar selbst demjenigen des Hinterlegers. Er genießt daher auch diesem gegenüber Besitzesschutz. Anders ist es nur, wenn die streitenden Parteien in ihrer Gesamtheit die Herausgabe begehren, weil mit der Herstellung dieses Einverständnisses der Zweck der Sequestration erreicht ist und diese damit ihr naturgemäßes Ende gefunden hat.

III. Gesetzliche Sonderfälle 5

ABGB finden sich derartige Fälle der Sequestration in §§ 347 f, 455, 812, 1101 und 1271. Eine allgemeine Bestimmung über die Berechtigung zur gerichtlichen Hinterlegung enthält § 1425, Näheres dort. Außerhalb des ABGB finden sich Fälle in § 100 Abs 1 VersVG, § 19 Abs 2 RAO, § 133 KO und mehrfach in der EO.

IV. Sequestration im Rahmen der EO 6

Besonders wichtig sind die in der EO vorgesehenen Fälle der amtlichen Bestellung eines Verwahrers oder Verwalters. Solche finden sich sowohl in den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung zur Hereinbringung und Siche8  Vgl Binder in Schwimann3 IV § 968 Rz 2 unter besonderem Hinweis auf den Zwangsverwalter nach §§ 97 ff EO. 9  Siehe oben den Fall der E OGH 1 Ob 519/95, RZ 1996/31. 10  Schey in Klang2 I/2, 346; Schubert in Rummel3 I § 968 Rz 1. 11  Schubert in Rummel3 I § 968 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV § 968 Rz 12 im Zusammenhang mit exekutiven Sequester nach der EO und dem Hinweis, dass Hindernisse, die der Besitzeinführung im Wege stehen, nicht mit Besitzstörungsklage, sondern durch „unmittelbare gerichtliche Hilfe“ (§ 99 Abs 2 EO) zu beseitigen sind.

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Sequestration im Rahmen der EO

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rung von Ansprüchen als auch in jenen über die Erlassung Einstweiliger Verfügungen vor (§§ 97 ff, 259 Abs 3, 328 f, 349 Abs 2, 374 Abs 1, 379 Abs 3 Z 1, 382 Z 1, 385 Abs 2 EO). Um den engen Zusammenhang mit dem ABGB zum Ausdruck zu bringen, wird in §  259 Abs 3 EO ausdrücklich auf §  968 ABGB Bezug genommen, doch wird diese Anordnung nach einhelliger Auffassung auch auf § 349 Abs 2 EO ausgedehnt.12 Auch bei einer amtlichen, öffentlich-rechtlichen, unmittelbar durch das 7 Gericht vorgenommenen Verwahrung sind jedenfalls Regelungslücken durch § 968 zu schließen.13 Schwierig und umstritten ist allerdings die Rechtslage bei der exekutiven Sequestration. Vrba-Zechner14 vertreten die Auffassung, der Verwahrer nach § 349 EO sei bis zum Abschluss des Veräußerungsverfahrens Hilfsorgan des Gerichtes. Nach herrschender Lehre und Praxis ist jedoch der Gedanke, dass der Bund nur deswegen, weil der Verpflichtete nicht bereit ist, seine Pflichten im Rahmen des Exekutionsverfahrens zu erfüllen, nicht nur für die Bestellung und die ordnungsgemäße Übergabe an einen Verwahrer Sorge tragen, sondern auch noch weiterhin nach den Vorschriften des Amtshaftungsrechtes für die ordnungsgemäß dem Verwahrer übergebenen Gegenstände haften soll, mit dem vom Gesetz gewollten Umfang der hoheitlichen Obsorge im Rahmen eines Exekutionsverfahrens unvereinbar.15 Das gilt allerdings nur für die Verwahrung als solche. Die rechtswidrige Anordnung einer solchen, die rechtswidrige Auswahl der Person des Sequesters, rechtswidrige Weisungen oder rechtswidrige Bewertung des Objekts durch das Exekutionsgericht16 sind allerdings Amtshaftungsfälle. Dasselbe gilt, wenn die Verwahrung in einem Verfahren angeordnet wird, das nur öffentlich-rechtlichen Zwecken dient (StPO, ebenso nach dem VStGS im Finanzstrafverfahren).17 Zweifelhaft ist der Ausweg der Judikatur, einen fiktiven Verwahrungs- 8 vertrag des Verwahrers mit dem Verpflichteten anzunehmen, gleichzeitig aber dem Vollsteckungsorgan die Stellung eines gesetzlichen Vertreters des Verpflichteten zu verweigern.18 Wie problematisch dies ist, zeigt schon die widersprüchliche Begründung der E OGH 9 Ob 2169/96b, SZ 69/245, wo der OGH die Geltung der AGBs des Verwahrers bejaht, die erst durch eine Willenserklärung in den Vertrag einbezogen werden müsste, um wirksam zu werden. Der Gerichtsvollzieher habe seine Unterschrift auf die Lagerliste gesetzt und (daBinder in Schwimann3 IV § 968 Rz 1; SZ 9/235; SZ 22/264; OGH 7 Ob 768/78, SZ 52/63. So zutreffend Binder in Schwimann3 IV § 968 Rz 1; VwGH Zl 2898/50, VwSlg 514 F; für die Verwahrung einer Urkunde durch einen Notar OGH 1 Ob 282/70, SZ 43/217, siehe hiezu jedoch wie folgend im Haupttext. 14  Kommentar zum Amtshaftungsrecht (2003) 10 f. 15  So besonders deutlich OGH 1 Ob 9/83, SZ 57/83 = EvBl 1984/139 = RdW 1984, 311 = MietSlg 36.088/18; Schubert in Rummel3 I § 968 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV § 968 Rz 11; auch Schragel, AHG3 (2003) Rz 47 f. 16  Binder in Schwimann3 IV § 968 Rz 11. 17  Siehe auch Schragel, AHG3 (2003) Rz 37 f. 18  OGH 1 Ob 9/84, SZ 57/83 = MietSlg 31,813; 1 Ob 50/87, MietSlg 40.074; 9 Ob 2169/96b, SZ 69/245 = JBl 1997, 387 =EvBl 1997/34 = RdW 1997, 128 = ecolex 1997, 343 = wobl 1997/118 (krit Degelsegger) = HS 27.506; NZ 1999, 218 = immolex 1998, 281; Schubert in Rummel3 I § 968 Rz 1; Heller-Berger-Stix 1728 f und 2496; vgl auch Binder in Schwimann3 § 968 Rz 11; auch Griss in KBB3 § 968 Rz 2. 12  13 

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mit) zumindest konkludent einen Verwahrungsvertrag geschlossen. Gleichzeitig soll er aber weder Bote noch Vertreter des Verpflichteten sein.19 Vergleichbare Schwierigkeiten werden immer dann besonders krass auftreten, wenn das Rechtsverhältnis zwischen Sequester und Verpflichtetem etwas komplizierter ist und näherer Ausgestaltung bedarf.20 Will man – mit gutem Grund – keine Bundeshaftung für die Verwahrung als solche bis zu deren Ende, so bleibt keine andere Möglichkeit, als den Gerichtsvollzieher als gesetzlichen Vertreter des Verpflichteten anzusehen. Dass dieser auf die Auswahl des Verwahrers kaum Einfluss hat,21 ist zwar richtig, aber auch sonst kann sich nicht jeder Vertretene seinen gesetzlichen Vertreter aussuchen, auch nicht die Kinder ihre Eltern. Im vorliegenden Fall kommt noch dazu, dass der Verpflichtete, der nicht erfüllt hat, sodass gegen ihn Exekution geführt werden muss, jedenfalls rechtswidrig gehandelt hat. Durch den Verwahrungsvertrag wird zunächst der Eigentümer geschützt, 9 vielfach also der Verpflichtete22. Soweit dem betreibenden Gläubiger durch Verschulden des Sequesters Befriedigungsmöglichkeiten entgangen sind, wurden Schutzpflichten zu seinen Gunsten verletzt, und der Sequester ist hiefür schadenersatzpflichtig. Ähnliches gilt amtshaftungsrechtlich, da vergleichbare exekutionsrechtliche Normen sowohl den Schutz des Eigentümers als auch den des betreibenden Gläubigers im Auge haben. Allerdings haftet auch der betreibende Gläubiger, denn die Verwahrung 10 gepfändeter Sachen ist nur eine Sicherungsvorkehrung im Interesse des betreibenden Gläubigers, die „auf seine Gefahr“ vorzunehmen ist (§  259 Abs 3 EO).23 Der betreibende Gläubiger haftet auch für die Schädigung der Sache bei der Übergabe an den Verwahrer, insb für die beim Transport zu diesem eingetretenen Schäden. Er haftet dem Verpflichteten also nicht nur für Schäden, die er selbst diesem zufügt, sondern auch für das Verschulden des Vollstreckungsorgans und des Verwahrers, kann sich allerdings gegebenenfalls beim allein oder mitschuldigen Teil regressieren.24 Wird ein Faustpfandgläubiger selbst zum gerichtlichen Verwahrer des 11 Pfandes bestellt, so haftet er ebenfalls nach den Grundsätzen über den Verwahrungsvertrag. Zwar hatte er auch schon ursprünglich als Faustpfandgläubiger eine Verbindlichkeit zur Obsorge als Nebenverpflichtung, doch wird diese damit gegenüber allenfalls vorhandenen anderen betreibenden Gläubigern ausgedehnt.

Dagegen zutreffend die Glosse Degelseggers zu wobl 1997/118. In der oben angeführten E hat der OGH ausdrücklich ausgeführt, dass das Vertragsverhältnis ein gemischtes sei, bei dem nicht nur die Verwahrung als Hauptpflicht vereinbart worden sei, sondern auch das Räumen, Verpacken und Transportieren Hauptpflichten seien. 21  Worauf Vrba-Zechner, Kommentar zum Amtshaftungsrecht 107 f hin weisen. 22  Vgl OGH 7 Ob 68/78, SZ 52/63 = JBl 1980, 262; NZ 1999, 218 = immolex 1998, 281. 23  So auch Binder in Schwimann3 IV § 968 Rz 23. 24  Binder in Schwimann3 IV § 968 Rz 23 19  20 

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Allgemeines

§ 969

Ob dem Verwahrer ein Lohn gebühre § 969. Ein Lohn kann für die Aufbewahrung nur dann gefordert werden, wenn er ausdrücklich, oder nach dem Stande des Aufbewahrers stillschweigend bedungen worden ist. Stammfassung JGS 1811/946.

Der Verwahrungsvertrag kann entgeltlich und unentgeltlich sein. Das Ge- 1 setz nimmt im Zweifel Unentgeltlichkeit an, wobei sich hier beachtliche Abgrenzungsschwierigkeiten zu einer bloßen Gefälligkeit ergeben.1 Diese sind vor allem deshalb so unangenehm, weil den Verwahrer nach hM die volle Haftung nach Vertragsgrundsätzen trifft, also auch nach § 1313a und § 1298, den bloßen „Gefälligkeitsverwahrer“ hingegen nur die deliktische Haftung. Die neuere Lehre sieht allerdings mit gutem Grund Delikte und Vertragsverletzungen nicht mehr als unversöhnliche Gegensätze an, sondern hat begonnen, eine Reihe von Zwischenstufen herauszuarbeiten.2 Als Gründe für den unterschiedlichen Schutz werden vor allem die bei umfassendem deliktischen Schutz unzumutbare Einschränkung der Handlungsfreiheit des einzelnen gesehen, sowie die gesteigerte Einwirkungsmöglichkeit auf die Rechtsgüter des Partners, vielfach in Verfolgung der eigenen Geschäftsinteressen. Diese für die Verschiedenbehandlung maßgeblichen Grundgedanken sind nicht durchwegs in voller Stärke ausgeprägt, vielfach sind sie dies nur abgeschwächt, doch stark genug, um die bloße Haftung nach deliktischen Grundsätzen als (de lege lata) ungenügend und inkonsequent erscheinen zu lassen. Dazu zählen auch „Gefälligkeitsverhältnisse“, die im beiderseitigen Interesse liegen.3 Für den konkreten Fall bedeutet dies, dass die Haftung aus „Gefälligkeitsverwahrungen“ in beiderseitigem Interesse ähnlich derjenigen für positive Forderungsverletzungen und culpa in contrahendo nach Vertragsgrundsätzen zu erfolgen hätte. Wenn auch das Gesetz für den Zweifelsfall ausdrücklich Unentgeltlichkeit 2 anordnet und die Beweislast für die Vereinbarung eines Lagergeldes daher beim Verwahrer liegt,4 so weist es in diesem Zusammenhang doch auch maßgeblich auf den Stand des Aufbewahrers hin. So kann vor allem der Unternehmer nach § 354 Abs 1 UGB auch ohne besondere Vereinbarung ortsübliches Lagergeld verlangen.5 Über die Höhe des Entgeltes enthält das Gesetz, anders als bei Dienst- 3 und Werkverträgen (§ 1152), keine Regelung, doch ist diese Gesetzesbestimmung analog anzuwenden, dh der Richter wird es nach bestehenden Taxen, nach der Ortsüblichkeit, nach der Angemessenheit, allenfalls aufgrund eines 1 

Siehe § 957 Rz 7, § 960 Rz  Dazu vor allem Koziol, Delikt, Verletzung von Schuldverhältnissen und Zwischenbereich, JBl 1994, 209; ders, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz 4/42 ff. 3  Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz 4/46. 4  OGH 1 Ob 288/54, RZ 1954, 14; die Vereinbarung eines, wenn auch geringen Entgeltes spricht allerdings gegen das Vorliegen eines bloßen Gefälligkeitsaktes: EvBl 1976/21; Binder in Schwimann3 IV § 969 Rz 1 und 2. 5  OGH 3 Ob 288/54, EvBl 1955/134;1 Ob 472/61, EvBl 1962/131 ua. 2 

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Sachverständigengutachtens bemessen. Die Entlohnung gebührt im Zweifel nach Beendigung der Verwahrung.6 Bei vorzeitiger Rücknahme kann der Verwahrer gem § 1435 einen angemessenen Teil der Entlohnung7 verlangen, doch handelt es sich auch hier nur um eine Zweifelsregel. Vertragsauslegung nach der Verkehrssitte kann ergeben, dass der Vergütungsanspruch des Verwahrers nicht geschmälert werden sollte;8 aber auch, dass dem Verwahrer gar kein Anspruch zusteht, wenn er die Verkürzung verschuldet hat. Wo die Verwahrung als Nebenleistung auftritt, nimmt sie am Entgeltcharakter des Gesamtgeschäfts teil, auch wenn für sie kein gesonderter Betrag ausgeworfen ist. Die Entgeltlichkeit der Verwahrung ist von Bedeutung für die Anwendbar4 keit der §§ 918 ff und uU für die Frage des Aufwandersatzes, der in der vereinbarten Entlohnung inbegriffen sein kann. Was die Haftung betrifft, so rechtfertigt Unentgeltlichkeit zwar keine geringere Sorgfalt beim Umfang mit fremden Rechtsgütern, doch kann der Schutzbereich uU enger zu ziehen sein.9 Nach vor allem älterer Auffassung10 sind Zurückbehaltung und Aufrechnung generell ausgeschlossen; nach neuerer Lehre und Rsp wird § 1440 auf unentgeltliche Verwahrungsverträge eingeschränkt, bei denen nicht mit Gegenansprüchen, insbesondere wegen (erheblicher) Aufwendungen zu rechnen ist.11 Wird die Verwahrung unentgeltlich übernommen, so muss geprüft werden, 5 ob eine rechtliche Verpflichtung oder nur eine Gefälligkeit übernommen werden sollte (vgl Leihe und Bittleihe). Doch schließt auch eine bloße Gefälligkeit nicht jede Haftung aus.12

§ 970, § 970a, BG vom 16.11.1921 BGBl 1921/638 über die Haftung der Gastwirte und anderer Unternehmer

Gastaufnahme § 970. (1) Gastwirte, die Fremde beherbergen, haften als Verwahrer für die von den aufgenommenen Gästen eingebrachten Sachen, sofern sie nicht beweisen, daß der Schaden weder durch sie oder einen ihrer Leute verschuldet noch durch fremde, in dem Haus aus- und eingehende Personen verursacht ist. Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hat der Richter nach den Umständen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt. Schubert in Rummel3 I § 969 Rz 1. OGH 7 Ob 103/74, JBl 1974, 622; Schubert in Rummel3 I § 969 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV § 969 Rz 5 f. 8  So das Beispiel Schuberts in Rummel3 I § 969 Rz 1: vorzeitige Behebung eines Kleidungsstücks aus der Garderobe: Griss in KBB3 § 969 Rz 2. 9  Siehe § 964 Rz 1. 10  So Gschnitzer in Klang2 IV/1, 657, zuletzt aber auch noch Binder in Schwimann3 IV § 967 Rz 7. 11  Siehe dazu unter § 967 Rz 18 mwN. 12  Dazu näher oben unter Rz 1 und § 964 Rz 6  Auch 7 

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Literatur

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(2) Als eingebracht gelten die Sachen, die dem Wirte oder einem seiner Leute übergeben oder an einen von diesen angewiesenen oder hierzu bestimmten Orte gebracht sind. Ebenso haften Unternehmer, die Stallungen und Aufbewahrungsräume halten, für die bei ihnen eingestellten Tiere und Fahrzeuge und die auf diesen befindlichen Sachen. (3) Den Wirten werden gleichgehalten die Besitzer von Badeanstalten in Rücksicht auf die üblicherweise eingebrachten Sachen der Badegäste. Stammfassung JGS 1811/946 idF RGBl 1916/69 (III. Teilnovelle). Mat: 78 BlgHH, 21. Sess 1912.

§ 970a. Ablehnung der Haftung durch Anschlag ist ohne rechtliche Wirkung. Für Kostbarkeiten, Geld und Wertpapiere haftet der Gastwirt nur bis zum Betrage von 550 Euro, es sei denn, daß er diese Sachen in Kenntnis ihrer Beschaffenheit zur Aufbewahrung übernommen hat oder daß der Schaden von ihm selbst oder seinen Leuten verschuldet ist. Stammfassung JGS 1811/946 idF BGBl I 2001/98 (1. Euro-Umstellungsgesetz). Mat: NR RV 621 BlgNR 21. GP, JAB 704 BlgNR 21. GP, BR AB 6398 BlgBR.

BG vom 16.11.1921 BGBl 1921/638 über die Haftung der Gastwirte und anderer Unternehmer, zuletzt geändert durch Art 45 1.Euro-UmstellungsG – Bund BGBl I 2001/98: §Â€1. (1) Die in §Â€970 Absatz 1 und 2 ABGB den Gastwirten und Badeanstaltenbesitzern auferlegte Haftung wird bis auf weiteres auf den Höchstbetrag von 1100 Euro beschränkt, es sei denn, daß die Sachen dem Unternehmer besonders zur Aufbewahrung übergeben worden sind oder daß der Schaden von ihm selbst oder seinen Leuten verschuldet ist. (2) Auf die Haftung von Unternehmen, die Stallungen und Aufbewahrungsräume halten, für die bei ihnen eingestellten Tiere und Fahrnisse und die auf diesen befindlichen Sachen (§Â€970 Absatz 2 ABGB) findet die Vorschrift des Abs 1 keine Anwendung. §Â€2. (gegenstandslos) §Â€3. Vereinbarungen, wodurch die Haftung unter das in den §§Â€1 und 2 genannte Maß herabgesetzt werden soll, sind unwirksam. §Â€4. (hier nicht abgedruckt). Lit: Koritschan, Der Garagierungsvertrag, JBl 1934, 247, 270; Voggenberger, Die Haftung des Schlafwagenunternehmers, JBl 1955, 209, 239; Fenzl, Haftung des Gastwirts für Diebstahl des Kraftfahrzeuges seines Gastes, ZVR 1957, 61; Edlbacher, Der Gastwirtsbegriff des §Â€970 ABGB im Fremdenverkehr heute, ÖJZ 1967, 1; Sprung/ König, Rechtsnatur des Garagen-Kurzparkvertrages, RdW 1985, 235: Sprung/König, Bestimmbarkeit der Bestandsache und Garagen-Kurzparkvertrag, RdW 1986, 200; W. Doralt, Der Garagierungsvertrag in der Umsatzsteuer, RdW 1984, 386 (auch in RdW 1988, 151 und 299); Wukoschitz, Der Reiseveranstalter als „Gastwirt“? RdW 1997, 708.

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Übersicht I. II.

Gründe und Entwicklung der strengen Haftung Kreis der Haftpflichtigen: der Gastwirt 1. Allgemeines 2. Beherbergungswirte und Badeanstaltsbesitzer 3. Garagenunternehmer und Stallwirte III. Subjekt des Anspruches: der Gast IV. Gegenstand der Haftung: eingebrachte Sachen 1. Allgemeines 2. Beherbergungswirte 3. Garagenunternehmer und Stallwirte 4. Badeanstaltsbesitzer V. Inhalt und Umfang der Haftung nach §Â€970 1. Leute des Wirtes, Begleiter des Gastes und Fremde 2. Ziffernmäßige Begrenzung der Haftung VI. Unbegrenzte Haftung VII. Ausschluss der Haftung VIII. Ende der Haftung IX. §Â€1316

1–4 5–23 5–7 8–18 19–23 24–27 28–40 28–29 30–37 38 39–40 41–54 41–48 49–54 55–60 61–68 69–71 72–75

I. Gründe und Entwicklung der strengen Haftung 1

Zwischen dem Gastwirt und seinen zur Beherbergung aufgenommenen Gästen entsteht ein aus Miet-, Dienst-, Werk- und Kaufelementen gemischtes Verhältnis, eines der Lehrbuchbeispiele für einen gemischten Vertrag. Überdies begründet es eine strenge Haftung für die vom Gast eingebrachten Sachen, die schon dem römischen Recht bekannt war. Die damals dafür geltend gemachten Gründe1 sind allerd nicht mehr durchwegs maßgebend, die Notwendigkeit der strengen Haftung besteht aber auch heute noch. Der meist ortsfremde Gast bedarf eines erhöhten Schutzes, weil er sich in einer Zwangslage befindet, und zwar schon bei Eingehung des Vertragsverhältnisses, da er sich und seine Sachen ohne nähere Kenntnis des Gasthofes fremden Leuten anvertrauen muss. Aus dieser Unkenntnis der Verhältnisse entsteht aber auch noch ein Beweisnotstand des Gastes im Falle des Verlustes oder der Beschädigung seiner Sachen, während es dem Gastwirt ungleich leichter fällt, den Schuldtragenden auszuforschen.2 Dazu tritt die Gefahr des offenen Hauses.3 1╇ Gschnitzer nennt in Klang2 IV/1, 660 dezenterweise keine solchen, Edlbacher (ÖJZ 1967, 1) ist weniger zurückhaltend und spricht im Zusammenhang mit dem receptum nautarum, cauponum et stabularium von einer Schutzmaßnahme gegen diese „Sorte von Menschen“, die im Verdacht gestanden sind, mit Dieben und Räubern unter einer Decke zu stecken; vgl auch schon Zeiller, Comm 3, 207 f, 227; Exner, Der Begriff der höheren Gewalt 46 ff. 2╇ 78 Blg HH 21. Sess 298 ff. 3╇ Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 367 f; Koziol/Welser13 II 199 in diesem Zusammenhang wird sogar von einem Ausgleich für die sich aus dem ständig wechselnden Verkehr im Gasthaus ergebende besondere Betriebsgefahr gesprochen (OGH 2 Ob 406/61, EvBl 1970/58; Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€1).

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Außerdem sollte dem Reisenden, der idR bei Durchsetzung seiner Ansprüche wegen des Verlustes oder der Beschädigung seiner mitgebrachten Sachen unter Zeitnot leidet, durch die Festsetzung einer strengen Haftung des Wirtes die Geltendmachung seiner Ansprüche auf möglichst einfachem und kurzem Weg gesichert werden. Auch fremdenverkehrspolitische Interessen sind schon als Begründung ins Treffen geführt worden.4 Der Gastwirt haftet nach dem Gesetz „als Verwahrer“, die Haftung nach 2 § 970 ist also gleich einer Vertragshaftung gestaltet,5 doch folgt daraus nicht zwingend das tatsächliche Vorliegen eines Verwahrungsvertrages. Die Haftung knüpft nämlich ähnlich einem vorvertraglichen Schuldverhältnis schon an die Einbringung von Sachen an und setzt daher keinen Vertrag voraus.6 Die verschärfte obligatorische Haftung beruht somit unmittelbar auf dem Gesetz (§ 859). Immerhin ist das ABGB dem römischen Recht soweit gefolgt, als es die 3 Gastwirtehaftung nicht nur im Anschluss an den Verwahrungsvertrag sondern außerdem im Schadenersatzrecht, anschließend an die Haftung für Gehilfen, geregelt hat; siehe hiezu unten unter Rz 73 bis 76. Die III. TN hat diese Vorschriften nach dem Vorbild des § 701 ff BGB erneuert und dabei insb auch die ziffernmäßige Beschränkung der Haftung für Kostbarkeiten (§ 970a) eingeführt. Das Gesetz von 1921 setzte dann allgemein Höchstbeträge fest, – nach der Darstellung Gschnitzers7 – weil die infolge der damals herrschenden Inflation ungeheuer gestiegenen Ersatzansprüche die Existenz kleiner Gastwirte bedrohten, was nicht ohne weiteres plausibel erscheint, weil nicht nur deren Ausgaben sondern auch deren Einnahmen hyperinflationiert worden sein mussten.8 Ihre Haftung wurde damit jedenfalls weitgehend entwertet. So ist es bis heute geblieben, nur dass in sehr bescheidenem Maß und mit starker Verspätung von der gesetzlichen Ermächtigung Gebrauch gemacht wurde, die Beträge aufzuwerten. Derzeit beträgt die generelle Haftungshöchstsumme € 1.100, für Kostbarkeiten € 550. Die Bestimmungen der Gastwirtehaftung nach §  970 ff verdrängen also 4 nicht die Regeln über die Haftung aus dem Vertrag und aus Delikt (§§ 1315 So schon GlUNF 4.591, auch Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 1. OGH 2 Ob 406/61, SZ 34/154; Ehrenzweig, System II/12, 385; Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 2. 6  Ehrenzweig, System II/12, 385; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 II 36; Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 2; Koziol/Welser13 II 199. 7  In Klang2 IV/1, 661. 8  Der wirkliche Grund lag offensichtlich in der damaligen desolaten wirtschaftlichen Lage als solches. Aus politischen Gründen wurde auch in vergleichbaren anderen Fällen (Goldklausel!) nicht diese Lage als ratio angegeben, um den Geldschuldner nicht optisch zu einem wirtschaftlich und sozial deklassiertern Bittsteller herabzuwürdigen, vielmehr wurde nur auf die Inflation als solche verwiesen. Dass der Gesetzgeber des Jahres 1921 gerade bei „Kostbarkeiten“ den Hebel angesetzt hatte, ist nur auf den ersten Blick verwunderlich. Nach dem Ersten wie auch nach dem Zweiten Weltkrieg befanden sich zahlreiche Vertriebene, Entwurzelte und sonstige Flüchtlinge jeder Art in Österreich, die bei „Gastwirten“ Unterkunft fanden und gelegentlich einige „Kostbarkeiten“ gerettet hatten, von denen sie verständlicherweise ihren Gastwirten keine Mitteilung machten, um sich ihnen nicht auszuliefern. Umgekehrt werden unredliche Gäste sicherlich immer wieder wider besseres Wissen behauptet haben, es seien ihnen Kostbarkeiten weggekommen. 4  5 

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und 1316), es besteht Anspruchskonkurrenz.9 Die Ersatzpflicht nach §§Â€970 ff beruht teilweise auf Verschulden mit Beweislastumkehr, teilweise auf Gefährdung bei nicht durchwegs klaren Zielsetzungen des Gesetzes. Für die Rechtsanwendung ergeben sich daraus zahlreiche Unklarheiten, die letztlich nur durch den Gesetzgeber anlässlich einer Generalüberholung der „Gastwirtehaftung“ beseitigt werden können.

II. Kreis der Haftpflichtigen: der Gastwirt 1. Allgemeines 5

§Â€970 nennt: Gastwirte, die Fremde beherbergen; Unternehmer, die Stallungen und Aufbewahrungsräume halten; Besitzer von Badeanstalten. §Â€1316 übernimmt diesen Personenkreis und fügt noch Schiffer und Fuhrleute dazu. Obwohl das Gesetz das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit nicht ausdrück6 lich hervorhebt, ist es in Lehre und Rsp unbestritten,10 denn gerade aus der Gewerbsmäßigkeit fließen die Gefahren des offenen Hauses, die den erhöhten Schutz notwendig machen.11 Aber auch der Begriff des Unternehmers nach dem UGB setzt Gewerbsmäßigkeit voraus. Dasselbe gilt konsequenterweise auch für Badeanstalten wie für Schiffer und Fuhrleute. Die Gewerbsmäßigkeit äußert sich nach traditioneller Meinung darin, dass die betreffende Tätigkeit eine ständige Einnahmsquelle bilden soll,12 die neuere, auf der Formulierung des UGB basierende Auffassung verneint lediglich die Notwendigkeit der Gewinnabsicht13, womit aber das Erfordernis der Entgeltlichkeit als Korrelat zur besonderen Risikoübernahme nicht in Zweifel gezogen werden soll.14 Das Entgelt, also die angestrebte Gegenleistung, muss nicht kostendeckend, aber doch zumindest ernst zu nehmen sein.15 Auf die Konzession kommt es dagegen nicht an.16 Die Haftung trifft den Unternehmer, gleichgültig, ob er eine physische 7 oder juristische Person ist. Bei gemeinsamen Betrieb gelten für die Haftung der Teilhaber die allgemeinen Grundsätze. Bei Pacht haftet der Pächter.17 Der Bedienstete haftet nur bei Verschulden deliktisch oder kraft besonderen, mit ihm selbst abgeschlossenen Verwahrungsvertrags.

9╇ Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 367; Koziol/Welser13 II 199; Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€1 und 14; OGH 6 Ob 256/74, EvBl 1976/21; 1 Ob 161/75, JBl 1976, 482 = EvBl 1976/104. 10╇ Schey in Klang2 I/2, 397; Ehrenzweig System II/12, 386; Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€5 (erwerbswirtschaftlicher Zweck); Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€1. 11╇ Materialien 300. 12╇ So auch Gschnitzer in Klang2 IV/1, 661. 13╇ Siehe nur Straube in Straube, UGB4 I §Â€1 Rz€67 ff. 14╇ Siehe Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€5. 15╇ Siehe Straube in Straube, UGB4 I §Â€1 Rz€67. 16╇ GlUNF 4.690; Ehrenzweig, System II/12, 386; Schubert in Rummel3 I §Â€970 €1; OGH 6 Ob 289/60 EvBl 1961/39. 17╇ Auch Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€1; Straube in Straube, UGB4 I §Â€1 Rz€58.

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5. Beherbergungswirte und Badeanstaltsbesitzer Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich (abgesehen von den Garageninhabern) vor allem für die Gruppe der Gastwirte. § 970 verbindet zwei Merkmale: Gastwirt und Fremdenbeherbergung. Daher unterliegt der besonderen Haftung nicht, wer zwar Gastwirt ist, aber nicht Fremde beherbergt; aber auch nicht, wer zwar Fremde beherbergt ohne Gastwirt zu sein. Ob es im konkreten Fall zur Übernachtung durch den Gast kommt, ist allerdings bedeutungslos,18 was schon daraus abgeleitet werden muss, dass die Haftung mit der Einbringung entsteht und nicht einmal des Zustandekommens eines Vertrages bedarf. Inhaber von Hotels19 und Gasthöfen fallen in den Kernbereich des Begriffes „Gastwirt“, alles andere ist bereits mehr oder weniger umstritten. Mit Recht ordnet die hM auch die bewirtschafteten Schutzhütten dort ein,20 bei Pensionen und Privatzimmervermietungen21 entscheidet der Umfang des Betriebes, soweit sich nach diesem die Gefahr des offenen Hauses richtet. Kaffeehäuser, Restaurants22 udgl, die nur Speisen und Getränke verabreichen, nicht aber Unterkunft gewähren, unterliegen nicht der Haftung. Die vom Gast mitgebrachten Kleider bleiben in seinem Gewahrsam, sofern kein eigener Verwahrungsvertrag abgeschlossen wird. So ist es, wenn die Sachen in einer Garderobe übernommen werden, während bloßes Anbringen von Kleiderhaken und -ständern noch nicht das Zustandekommen eines Verwahrungsvertrages bedeutet. Wenn jedoch den Gästen in der Gaststube keine Gelegenheit zum Ablegen der Kleider geboten wird und sie dadurch genötigt werden, diese außerhalb der Gaststube abzulegen, kann darin der Abschluss eines Verwahrungsvertrages erblickt werden; Näheres siehe Rz  9 und 10 zu §  957. Selbst wenn solche Gaststätten ausnahmsweise aus Gefälligkeit einem Gast ein Zimmer zur Beherbergung einräumen, so greift die strengere Haftung nach § 970 nicht ein, wenn und weil dies nicht in den Rahmen ihrer ständigen Erwerbstätigkeit fällt.23 Nichts anderes gilt für Theater, Konzertsäle udgl. Wenn Besucher von Theatern, Konzerten und Veranstaltungen ihre Kleider oder andere Gegenstände in den Logen oder auf den Sitzplätzen unterbringen, gelten diese Gegenstände ebenso als der eigenen Obhut der Gäste anvertraut. Gegebenenfalls wird die Haftung bei Benützung eigener Garderoben eintreten und ist nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwahrungsvertrages zu beurteilen. Gleiches gilt grundsätzlich für Schulen24, Erziehungsheime, Internate und Erziehungsheime25, Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 1; vgl GlUNF 7639. eines Hotel Garni: Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 8. 20  OGH 7 Ob 22/57, EvBl 1957/293; Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 1; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 368; aM Edlbacher, ÖJZ 1967, 3 soweit diese nicht in Gewinnabsicht betrieben werden: aber nicht auf diese kommt es an, sondern auf die Entgeltlichkeit des Vertrages. 21  Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 368; Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 8; Schubert in Rummel3 I Rz  2; Koziol/Welser13 II 199; Griss in KBB3 §  970 Rz  2; OGH 5 Ob 729/78, SZ 51/158 = RZ 1979, 277 (18 Betten: Gastwirt); SZ 2/64; SZ 3/43. 22  Koziol/Welser13 II 199; OGH 5 Ob 306/71, ZVR 1972/174. 23  Materialien 302. 24  Vgl SZ 19/233 und auch schon LGZ Wien, EvBl 1937/220 sowie EvBl 1937/491. 25  Schubert in Rummel3 I § 970 Rz  3 § 970 Rz 3. 18 

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weil hier die Gefahr des offenen Hauses keine nennenswerte Rolle spielt. Legt der Patient im Vor- oder Wartezimmer des Arztes seine Kleider ab, so ist auch dies kein Fall des §Â€970, doch ist für eine gewisse Überwachung des Einganges zu sorgen. Die größten Abgrenzungsschwierigkeiten werfen Fälle auf, in denen der 12 Gast zwar tatsächlich gegen Entgelt beherbergt wird und auch die unter Rz€1 ff angeführten Gründe für die strenge Haftung vorliegen, aber die Beherbergung als solche nicht der Hauptzweck des Vertrages ist. Wenn auch hier kein „Gastwirt“, der Fremde beherbergt, im üblichen Wortsinn vorliegt, so stellt sich doch die Frage der Analogie, die grundsätzlich zu bejahen sein wird. In Rsp und Lehre wird diesem Problem meist ausgewichen und auf den Hauptzweck verwiesen, der gerade nicht derjenige der Beherbergung sei.26 Es ist aber nicht einzusehen, warum dieser die Grundwertungen des §Â€970 verdrängen soll, obwohl sich der Gast auch hier entgeltlich in einem offenen Haus in Beweisnotstand und unter Zeitdruck befindet.27 Für eine gewisse Großzügigkeit bei der Handhabung der gesetzlichen Vorschriften spricht auch die ausdrückliche Vorschrift des Abs 3, wonach der Besitzer einer Badeanstalt den Beherbergungswirten ausdrücklich gleichgestellt wird. Es kann daher keinen Unterschied machen, ob das Hotel „fest gemauert in 13 der Erde“ oder auf Schienen oder Rädern steht, und ob der Transport des Gastes oder seine Beherbergung im Mittelpunkt des Vertrages steht. Das überwiegende Schrifttum erstreckt die Haftung des §Â€970 auf Schlafwagenunternehmungen, allerdings vor allem mit der Begründung, dass der Hauptinhalt des mit diesem abgeschlossenen Vertrages die Beherbergung ist, wogegen die Beförderung getrennt abgegolten wird.28 Der Fahrgast, der nur auf seinem Sitz in Autobus, Eisenbahn oder Flugzeug notdürftig schläft, so gut er kann, wird nach dem üblichen Wortsinn ohnedies nicht „beherbergt“. Ein „rollendes Hotel“ in Form eines Autobusses unterliegt hingegen der Haftung nach §Â€970,29 und das gilt auch für Schiffskajüten. Aus den oben dargestellten Gründen30 kommt es hiebei nicht darauf an, ob eine Kreuzfahrt gebucht wurde oder eine So etwa Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€2; offener Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€16 ff. Ähnlich Gschnitzer in Klang2 IV/1, 663. 28╇ Voggenberger, JBl 1955, 209 und 239; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 368; Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€18; Koziol/Welser13 II 199 f; vorsichtig zustimmend auch Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€2; vermittelnd Ehrenzweig, System II/12, 387; aM SZ 9/251 und Edlbacher, ÖJZ 1967, 4, der sich als argumentum ad absurdum auf den Liegewagen und die Schiffskajüte beruft. Aber der Liegewagen dient tatsächlich nur der bequemeren Beförderung und zur Schiffskajüte wie oben im Text. Koban, Haftung der Schlafwagenunternehmungen (1912) 23 ff hat die Auffassung vertreten, der Schlafwagenunternehmer sei vertraglich verpflichtet, zu haften, soweit der Vertragszweck es erfordere. Gschnitzer hat in Klang2 IV/1, 662 dem entgegengehalten, dass dies unbestimmt und der Abbedingung durch Freizeichnungsklauseln unterworfen sei. 29╇ So schon Gschnitzer in Klang2 IV/1, 663, der Flugzeuge mit Übernachtungsmöglichkeit gleich behandeln will. 30╇ Entgegen Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€18, der eine solche Differenzierung befürwortet, weil bei letzterer der Beförderungszweck in den Vordergrund rücke. Erfahrungsgemäß gibt es aber Linienschiffe (sogar Postschiffe), die (nur) von einem Teil der Reisenden zu Kreuzfahrtszwecken benützt werden, so etwa die bekannte norwegische „Hurtigruten“, die zwischen Bergen und Kirkenes verkehrt. 26╇ 27╇

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Linienschiffahrt. Da Reiseveranstalter keine Fremden beherbergen, sind sie keine „Gastwirte“31. Beim Campingvertrag gestattet der Unternehmer dem Campinggast die 14 Aufstellung eines Zeltes oder Wohnwagens samt Kfz auf dem Campingplatz und die Benützung der sanitären Anlagen sowie der sonstigen Einrichtungen des Campingplatzes gemeinsam mit den anderen Campinggästen gegen ein regelmäßig nach Tagen berechnetes Entgelt. Es liegen daher Elemente eines Bestandvertrages vor, werden doch eine Bodenfläche und bauliche Einrichtungen gegen Entgelt zur Benützung überlassen.32 Wer campiert, sei es auch auf einem zu einem Gasthof gehörigen Grundstück, erhält also keine Herberge und ist damit nicht Herbergsgast. Allerdings kann man beim Camping uU von der Benützung eines Aufbewahrungsraumes iSd § 970 Abs 2 sprechen, wenn es sich um einen bewachten Platz handeln. Ein Aufbewahrungsraum setzt allerdings begrifflich abgeschlossene räumliche Verhältnisse voraus, die darin befindlichen Sachen Schutz gegen äußere Einwirkung bieten, was auf einen Campingplatz idR nicht zutrifft. Auf Grund der Besonderheiten des Campingplatzbetriebes kann die Obsorge des Unternehmers dafür, dass die auf dem Campingplatz aufgestellten Fahrzeuge, Wohnwagen oder Zelte von anderen Campinggästen oder Besuchern nicht beschädigt und darin befindliche Sachen nicht gestohlen werden, nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen Gegenstand eines Campingvertrages sein. Wer einen Campingplatz benützt, strebt vor allem die Schaffung einer preiswerten Aufenthaltsmöglichkeit an. Er will aber keinen wesentlichen Beschränkungen seiner Bewegungsfreiheit und keiner ständigen Überwachung ausgesetzt sein. Der Campingplatzbenützer nimmt vielmehr nach den ihm erkennbaren Umständen das Risiko der Beschädigung seines auf dem Campingplatz aufgestellten Fahrzeuges, Wohnwagens oder Zeltes und des Diebstahls von Sachen daraus durch Dritte auf sich.33 Es soll allerdings nicht übersehen werden, dass die rechtstatsächliche Entwicklung hier noch durchaus im Flusse ist. Umstritten ist auch die Einordnung von Freudenhäusern.34 Die Rsp35 und 15 Koziol36 wenden § 970 ohne weiters an, Gschnitzer denkt „eher an die Analogie zu Badeanstalten“37, was nach Abs 3 Überlegungen erfordert, welche Sa31  OGH 7 Ob 2370/01f, EvBl 2002/50 = RdW 2002/199 = ZfRV 2002/31 (auch nicht kraft Analogie); Wukoschitz, RdW 1997, 708; Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 2; Griss in KBB3 § 970 Rz 2. 32  OGH 1 Ob 587/82, SZ 55/53; auch Griss in KBB3 § 970 Rz 2. 33  OGH 1 Ob 587/82, SZ 55/53; vgl auch 5 Ob 76/70 SZ 43/84; Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 2; Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 20; auch Gschnitzer in Klang2 IV/1, 664 und Griss in KBB3 § 970 Rz 3. 34  Aus rechtstatsächlicher Sicht sei angemerkt, dass einschlägige Zivilprozesse selbst von Honoratioren angestrengt werden, die sich in Freudenhäusern in irgendeiner Weise übervorteilt fühlen. Dies kommt häufiger vor als noch vor einigen Jahrzehnten. Die früher noch sehr wirksame soziale Hemmschwelle ist also deutlich gesunken; es ist also keineswegs von der Hand zu weisen, dass diese Rechtsfrage eher früher als später wiederum an das Höchstgericht herangetragen wird. 35  GlUNF 7.639. 36  Österreichisches Haftpflichtrecht II2 368. 37  In Klang2 IV/1, 663; hinter der Analogie Gschnitzers könnten auch rechtshistorische Reminiszenzen an eine Zeit stecken, in der Badeanstalten tatsächlich meist gleichzeitig Freudenhäuser waren.

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chen von den Gästen üblicherweise eingebracht werden.38 Binder39 verneint die Sachverhaltsähnlichkeit und meint, der Beherbergungs- und Bewirtungszweck sei in den Hintergrund getreten, die Aufenthalte regelmäßig nur kurzfristig und für eine Analogie zu den Badeanstalten fehle es insofern an der Sachverhaltsähnlichkeit. Für die Anwendung der verschärften Haftung ist es aber mE bedeutungslos, ob der Beherbergungszweck im Mittelpunkt des Vertragszweckes steht oder nicht, und die regelmäßig nur kurzfristigen Aufenthalte sind sogar geeignet, die Gefahr des offenen Hauses zu erhöhen. Auch die Analogie Gschnitzers ist nicht so überraschend wie sie auf den ersten Blick scheint: In beiden Fällen müssen Kleider in Verwahrung gegeben werden, da andernfalls die beabsichtigte Tätigkeit nicht oder nur unter ungünstigen Verhältnissen ausgeübt werden kann, und bei dieser selbst eine durchgehende und aufmerksame Bewachung der eingebrachten Sachen nur erschwert möglich ist. Besonders schwierig ist die Qualifikation von Unternehmen, bei denen ne16 ben der Betreuung medizinische Leistungen erbracht werden. Nach hM unterliegen Sanatorien40 und private Kurhäuser41, nicht aber allgemeine Krankenanstalten, Heime für Genesende, Pflegeanstalten für chronisch Kranke, Gebäranstalten und Rehabilitationszentren42, was im Wesentlichen damit begründet wird, dass der Hauptzweck des Aufenthaltes die ärztliche Behandlung und Verbesserung des menschlichen Zustandes ist.43 Wie oben (unter Rz€12) bereits dargelegt, werden die Voraussetzungen der verschärften Haftung des Beherbergenden nicht schon dadurch beseitigt, dass – trotz Vorliegens aller Gründe für diese – die Beherbergung nicht im Mittelpunkt seiner Leistungen steht, oder dass man nach allgemeinem Sprachgebrauch bei den beherbergten Personen üblicherweise nicht von „Gästen“ spricht.44 Dies gilt aber auch für Sanatorien und private Kurhäuser. Das ist umso wichtiger, als die Bezeichnungen der Institutionen vielfach von werbungspolitischen Maßnahmen abhängen. Der Hinweis Binders auf die verschiedene Höhe des Entgelts bei den beiden Gruppen von Unternehmungen45 „beweist zu viel“, weil es dann der „Gastwirt“ auch sonst in der Hand hätte, das Entstehen der verschärften Haftung nach §Â€970 mit dem Hinweis auf sein geringes Entgelt zu bestreiten. Die Haftung nach §Â€970 hängt bei diesen Institutionen (privatrechtlicher 17 Vertrag vorausgesetzt) davon ab, ob die Gefahr des offenen Hauses besteht. 38╇ Wie heikel diese Frage sein kann, lässt sich ermessen, wenn zB ein Gast behaupten sollte, ihm seien dort Malerutensilien gestohlen worden und auf Toulouse-Lautrec (oder andere hervorragende Künstler) verwiese. 39╇ In Schwimann3 IV §Â€970 Rz€19. 40╇ SZ 8/50; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 368; Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€2; Binder in Schwimann3 IV§Â€970 Rz€16 f; Griss in KBB3 §Â€970 Rz€2; ebenso Gschnitzer in Klang2 IV/1, 663; aM Edlbacher, ÖJZ 1967, 4. 41╇ OGH 2 Ob 322/52, JBl 1953, 19: Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 368. 42╇ OGH 1 Ob 7/74, SZ 47/11; Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€16 f; Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€2; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 368; auch Griss in KBB3 §Â€970 Rz€2. 43╇ Wird eine Heilstätte von einer Person zwar zunächst als Patient benützt, danach nur mehr als Gast, ist auch sonst anerkannt, dass nach §Â€970 gehaftet wird: OGH 2 Ob 322/52, JBl 1953, 19; Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€17. 44╇ Vgl aber Koziol, Haftpflichtrecht II2 368. 45╇ In Schwimann3 IV §Â€970 Rz€17.

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Kreis der Haftpflichtigen: der Gastwirt

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Um diese zu verneinen genügt es nicht, auf eine besondere Alibi-Hausordnung mit besonderen Zugangsbeschränkungen zu verweisen, da allgemein bekannt ist, wie selten solche ernst genommen werden und warum das so ist.46 Anders ist es daher dort, wo die Kontrolle vor allem der Besucher ernst genommen wird, so vor allem in Intensivstationen oder in geschlossenen Anstalten. Auch für die Haftung eines Badeanstaltenbesitzers ist es maßgeblich, ob 18 die Gefahr des offenen Hauses besteht. Ist dies der Fall, so besteht die Haftung nach §Â€970 Abs 3 auch für eine (großräumige) Sauna.47 Ob ein Frei- oder Hallenbad vorliegt, ist bedeutungslos. 6. Garagenunternehmer und Stallwirte Unternehmer, die Stallungen und Aufbewahrungsräume halten, sind hin- 19 sichtlich der Haftung für eingestellte Tiere und Fahrzeugen, einschließlich der darauf bzw darin befindlichen Sachen Gastwirten gleichgestellt. Allerdings trifft sie die strenge Haftung nach §Â€970 nur dann, wenn die „Gefahr des offenen Hauses“ besteht.48 Überlassung der ausschließlichen Verfügung über einen Raum, zu dem nur der Benützer Zutritt hat, ist daher nicht Verwahrung sondern Miete49; Haftung nach §Â€970 besteht hingegen bei „Miete“ eines Dauerparkplatzes in einer jedermann zugänglichen Garage. Anders formuliert: Wird innerhalb eines Gebäudes oder eines geschlossenen Areals dem Benützer ein von ihm ausschließlich benützbarer und abschließbarer Raum zur Verfügung gestellt, liegt Miete vor, ist die Einstellfläche allen Benützern gleichmäßig zugänglich, Verwahrung.50 Dass der Garagierungsvertrag kein reiner Verwahrungsvertrag ist, spielt für die Haftung nach §Â€ 970 keine Rolle, weil diese nicht an einen solchen anknüpft.51 Zu den Garagen-Kurzparkverträgen siehe unten unter Rz€31 und oben unter Rz€7 und 8 zu §Â€959. Ein Unternehmer hält „Aufbewahrungsräume“ iSd §Â€970 Abs 2, wenn 20 abgeschlossene räumliche Verhältnisse vorliegen, die Schutz gegen äußere Einwirkungen bieten.52 Die Fahrzeuge müssen zwar nicht gegen Witterungseinflüsse geschützt sein, wohl aber muss der Parkplatz aufgrund seiner Lage und/oder seiner Umrandungsbauten einem Raum gleichstehen. Ein bewachter 46╇ Rein rechtsempirisch erscheint bemerkenswert, wie oft sich in Fernsehkrimis Täter in Spitäler einschleichen, um dort einen Mord(versuch) an einem Patienten oder doch wenigstens einen Diebstahl an seinen Habseligkeiten zu begehen. Letzteres ist wegen der verlockenden Gelegenheit und der meist schwierigen Aufklärungemöglichkeiten auch in der Rechtsrealität keineswegs eine Seltenheit. 47╇ So zutreffend Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€14. 48╇ Koritschan, JBl 1933, 238; Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€11. 49╇ OGH 7 Ob 593/79, SZ 52/54 = EvBl 1979/212; 1 Ob 738/81, SZ 54/181 = JBl 1982, 537; 1 Ob 827/81, SZ 55/52 = EvBl 1982/171; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 639, Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€11. 50╇ So zutreffend Binder in seiner Glosse zur E OGH 4 Ob 22/95, WoBl 1995/105. 51╇ OGH 7 Ob 593/79, SZ 52/54 = EvBl 1979/212; Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€11. 52╇ OGH 1 Ob 827/81, SZ 55/52 = EvBl 1982/171.

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Parkplatz genügt regelmäßig nicht,53 anderes gilt für Parkhäuser, in Bergen eingelassene Parkkavernen oder abgesperrte Garagenhöfe.54 Der Garagen-Kurzparkvertrag in einem Parkhaus wird vom OGH als 21 „reiner Mietvertrag“ gewertet,55 da es dem Autofahrer hiebei nur darum gehe, sein Auto parken zu können und der Unternehmer ihm den dafür notwendigen Abstellplatz zur Verfügung stelle. Nicht ganz konsequenterweise hebt der OGH jedoch gleich anschließend hervor, dass der Garagenunternehmer die nach Lage der Dinge zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen zu treffen habe, wozu eine ständige Kontrolle der ein- und ausfahrenden Fahrzeuge, gelegentliche Rundgänge und ähnliche Maßnahmen gehören, die eine sichere Benützung der Abstellplätze gewährleisten.56 Warum kein Aufbewahrungsraum iSd §  970 Abs 2 vorliegen soll (dazu oben Rz  20), wird nicht näher begründet, obwohl auch die Fahrzeuge von Dauerbenützern räumlich gleichartig aufbewahrt werden, was nahelegen würde, dass die Garageninhaber der Haftung nach § 970 Abs 2 überhaupt nicht unterliegen, was aber weder dem Wortlaut noch dem Sinn der Vorschrift entsprechen kann. Dazu kommt, dass die Gefahr des offenen Hauses gerade in Parkhäusern mit einer nennenswerten Anzahl von Kurzparkern wegen der damit verbundenen Fluktuation des anonymen Benützerkreises besonders hoch ist.57 Garagenbesitzer haften nur dann nach § 970, wenn sie die Garagierung 22 gewerbsmäßig betreiben.58 Doch muss diese nach der höchstgerichtlichen Rsp nicht den Hauptzweck des Unternehmens bilden.59 Binder60 ist hingegen der Auffassung, maßgeblich solle sein, welches Unternehmensziel vorrangig sei und dem Gesamtunternehmen das Gepräge gebe. Wenn ein Beherbergungswirt für seine Gäste – quasi als Nebenleistung – Garagen- und KraftfahrzeugEinstellplätze zur Verfügung stelle, könne ihn nicht dieselbe Verantwortung treffen wie den hauptgewerblichen Garagenunternehmer, der ganz andere Sicherungsmöglichkeiten habe. Bezüglich der im PKW beförderten Sachen und des Reisegepäcks könne es am Merkmal des „Eingebrachtseins“ fehlen, da sie 53  OGH 5 Ob 76/70, SZ 43/84; Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 11; Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 11; Koziol/Welser13 II 200; das ändert allerdings nichts daran, dass durch Abstellen des Fahrzeuges auf einem solchen bewachten Parkplatz unter Entrichtung einer Parkplatzgebühr gegen Übernahme einer Obsorgepflicht ein Verwahrungsvertrag begründet wird, 5 Ob 76/70, SZ 43/84. 54  OGH 1 Ob 738/81, SZ 54/181;1 Ob 827/81, SZ 55/52 = EvBl 1982/171; Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 11; Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 11; Griss in KBB3 § 970 Rz 7. 55  OGH 4 Ob 522/95, SZ 68/79 = EvBl 1995/108 = JBl 1995, 717 = RdW 1995, 297 = WoBl 1995/105 (abl Binder) = ZVR 1995/144 und auch 5 Ob 259/98f, immolex 2000/99 (Pfiel) im Anschluss an Sprung/König, RdW 1985, 238 f (ebenso dies, RdW 1986, 200 f). Ebenso in weiterer Folge 9 Ob 42/07b, ZVR 2008/58 (Kathrein). Bemerkenswerterweise befürworten Sprung/König aber trotz dieser rechtlichen Einordnung die Anwendung der strengen Haftung des § 970. 56  Unter Verweisung vor allem auf SZ 54/181 und SZ 55/52. 57  Ebenso Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 11; ders, Anm zu E OGH 4 Ob 522/95, wobl 1995/105; Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 11. 58  SZ 19/6; OGH 1 Ob 287/49, SZ 23/125; S6 Ob 194/61, Z 34/103: 1 Ob 633/78, MietSlg 30.134; Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 11. 59  OGH 1 Ob 115/68, SZ 41/60; 5 Ob 729/76, SZ 51/158 = RZ 1979, 277; Schubert in Rummel3 I § 970 Rz  60  In Schwimann3 IV § 970 Rz 13.

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Subjekt des Anspruches: der Gast

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bestimmungsgemäß im Gastzimmer und nicht im Fahrzeug aufzubewahren seien. Bei der Bemessung des Sorgfaltsmaßstabes kommt es aber ohnedies auf die konkreten Verhältnisse an; zur Frage des „Eingebrachtseins“ siehe unten unter Rz 28 ff. Ist der Unternehmer, der im Rahmen eines anderen Gewerbes garagiert, 23 nicht Gastwirt iSd § 970 Abs 1, so trifft ihn nur die Haftung nach Abs 2. Wird Kunden eines Warenhausunternehmens, einer Bank oder eines sonstigen Dienstleistungsunternehmens unentgeltliche Abstellmöglichkeit in einer Tiefgarage oder auf einem unbewachten Parkplatz geboten, so liegt nach Schubert61 wohl nur Parkleihe vor. Hier hängt viel von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, aber grundsätzlich wird die Zurverfügungstellung von Garagenräumlichkeiten in das entgeltliche Leistungssynallagma des Hauptvertrages einzubetten sein62 oder auf die Ähnlichkeit der Haftung nach §  970 mit einem vorvertraglichen Schuldverhältnis Bedacht zu nehmen haben. Die Konsequenz wäre für den Regelfall (bei Vorliegen der Gefahr des offenen Hauses) die Haftung nach § 970 Abs 2. Keine Haftung besteht allerdings (ebenso wie bei „Gastwirten“), wenn lediglich auf eine entgeltliche oder unentgeltliche Parkmöglichkeit in der Nachbarschaft hingewiesen wird.

III. Subjekt des Anspruches: der Gast Der Ausdruck Gast in Entsprechung zum Gastwirt ist auch für andere haft- 24 pflichtige Unternehmen verwendbar, da man ebenso gut von Badegästen, Fahrgästen und bei Garagen, Stallungen udgl (allerdings heute sprachlich weniger gebräuchlich) von Einkehrgästen sprechen kann. Immer aber muss es sich um Personen handeln, die im Betrieb des Gewer- 25 bes aufgenommen wurden und Sachen eingebracht haben.63 Dazu gehören nicht Personen, die der Wirt aus persönlichen Gründen, zB unentgeltlich64 als Besuch (wie Verwandte), als Einquartierung65 oder zur Verrichtung von Arbeiten aufgenommen hat, wie den zum Tanz aufspielenden Musiker66. Wenn der Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers den Gastaufnahmevertrag schließt, so ist dieser der Gast und hat iSd § 881 Abs 2 die Ansprüche aus § 970.67 Wer nur in der Gastwirtschaft des Hotels speist, ist noch nicht Herbergs- 26 gast68, doch ist dazu nicht erforderlich, dass der Gast im Haus übernachtet. Es genügt, wenn er sich am Tage durch kurze Zeit zB zum Umkleiden oder zu einer kurzen Rast ein Zimmer geben lässt.69 Die Haftung beruht auf sozialem 61 

In Rummel3 I§ 970 Rz 11. Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 13. 63  Die bloße Einstellung von Sachen ohne Gastaufnahme begründet keine Gastwirtshaftung, GlUNF 6.847; GlUNF 5.615; OGH 1 Ob 569/79, EvBl 1980/1. 64  Vgl OGH 7 Ob 57/77, SZ 50/100; Griss in KBB3 § 970 Rz 3. 65  Anders wenn ein privatrechtlicher Gastaufnahmevertrag geschlossen wurde, zB Bundesheer im Grenzeinsatz, ebenso bei Asylanten. 66  Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 3; auch Ehrenzweig, System II/12, 387; OGH 7 Ob 57/77, SZ 50/100. 67  OGH 7 Ob 22/57, EvBl 1957/293. 68  Auch Schubert in Rummel3 I § 970 Rz  69  Vgl GlUNF 7.639; GlUNF 5.189. 62 

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Kontakt, der Gast ist also nicht erst mit Abschluss des Vertrages „aufgenommen“. Es genügt, wenn der Gast am Bahnhof oder am Flugplatz durch den Wirt oder einem seiner Abgesandten in Empfang genommen wird, der seine Sachen übernimmt, auch wenn es dann nicht zum Abschluss des Vertrages kommt, weil zB kein geeignetes Zimmer mehr frei ist.70 Nicht anders ist es, wenn der Gast Zimmer besichtigt und inzwischen sein Gepäck aus der Halle entwendet wird. Ebenso liegt der Fall bei der Übernahme des vorausgeschickten Gepäcks.71 Es genügt also zur Entstehung der Haftung schon die vorläufige, wenn auch dann scheiternde Aufnahme.72 Dauernde Mietverträge (oder gar dauernde Vermietung von Hotelräu27 men zum Betrieb eines Gewerbes) begründen nach Lehre und Rsp keine Haftung aus der Gastaufnahme nach § 970, es sei denn, die für Gäste sonst geltenden Preise werden verrechnet,73 deren Höhe sich allerdings regelmäßig auch nach der Dauer des Aufenthaltes richtet. Auch der Dauergast nimmt grundsätzlich an der Gefahr des offenen Hauses teil. Motiv für den Abschluss solcher langfristigen Verträge ist heute weniger allgemeine Wohnungsnot, wie noch bei Gschnitzer74, am häufigsten geht es um die Unterbringung von Arbeitnehmern bei längerfristigen Projekten. Wer kampiert, sei es auch auf einem zu einem Gasthof gehörigen Grundstück, ist nicht Herbergsgast; hiezu und zur Benützung von Parkplätzen siehe oben Rz 14 und 19 ff.

IV. Gegenstand der Haftung: eingebrachte Sachen 1. Allgemeines 28

Geschützt sind (ausgenommen bei Badegästen nach Abs 3) alle Arten von Sachen, die in den Beherbergungsbetrieb oder den Aufenthaltsraum eingebrachten Sachen, und zwar unabhängig von ihrem Wert und unabhängig davon, ob sie Reisende oder Kfz-Inhaber üblicherweise mit sich führen. Dass die Sachen Eigentum des Gastes sind, ist nicht erforderlich.75 Auch wenn der Gast zB entlehnte Sachen oder Gegenstände, die seinem Sohn oder seiner Gattin gehören, in den Gasthof einbringt, besteht für diesen die Haftpflicht des Gastwirts.76 Die Haftung erstreckt sich nicht nur auf die ursprünglich, sondern auch auf die späterhin eingebrachten Sachen, es sei denn, diese wurden eigenmächtig durch Dritte eingebracht. Etwas unklar ist hier der Sachverhalt der häufig zitierten E SZ 20/173: Nach deren Inhalt hatte M einen Radioapparat „zum Zwecke der Belustigung“ des damaligen Gastes S in dessen im Erholungsheim 70 

Rz 3.

71 

OGH 1 Ob 569/79, SZ 52/70; Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 2: Griss in KBB3 § 970

GlU 5.931; vgl auch GlU 14.648. Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 4. 73  OGH 1 Ob 232/50, SZ 23/129; Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 3. 74  In Klang2 IV/1, 664. 75  OGH 6 Ob 135/59, SZ 32/71 = EvBl 1959/295; 2 Ob 406/61, SZ 34/154 = EvBl 1962/61 = JBl 1962, 321;1 Ob 610/87, SZ 60/157 = HS 18.736; vgl aber SZ 20/87; Binder in Schwimann3 3 I § 970 Rz  3 § 970 Rz 4. IV § 970 Rz 66; 76  ZBl 1924, 619 f. 72 

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Gegenstand der Haftung: eingebrachte Sachen

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befindliches Zimmer gestellt, und zwar aus Gefälligkeit und gegen jederzeitigen Widerruf, aber unabhängig von irgendeinem Einbringungswillen des Gastes. Hinsichtlich der Gegenstände, die nicht dem Gast gehören, liegt ein Fall 29 der Drittschadensliquidation vor,77 der seine Rechtfertigung darin findet, dass die Rechtsverfolgung durch den Dritteigentümer typischerweise auf noch größere Schwierigkeiten stößt als diejenige durch den Gast. Der Geschädigte muss sich den Ersatzanspruch vom Gast abtreten lassen, es sei denn, er hat selbst Ersatzansprüche aus Delikt oder aus einem Vertrag zugunsten Dritter oder doch mit Schutzwirkung zu seinen Gunsten.78 2. Beherbergungswirte Es ist auch nicht notwendig, dass der Gast selbst die Sachen einbringt. Ein- 30 gebracht sind auch die für ihn im Hotel abgegebenen Gegenstände, soweit dies nicht eigenmächtig, also gegen seinen zumindest hypothetischen Willen erfolgt. Für ihn vom Verkaufs-, Werk- oder Beförderungsunternehmer abgelieferte und vom Hotelpersonal übernommene Sachen gelten daher als „übergeben“79. Als „eingebracht“ sind jene Sachen anzusehen, die dem Gastwirt oder 31 einem seiner Leute übergeben wurden. Wo ist gleichgültig, also auch am Bahnhof, am Hafen oder am Flugplatz und zwar selbst dann, wenn es zur Gastaufnahme überhaupt nicht oder (bei übersendetem Gepäck) erst später kommt; siehe oben Rz  20. Der Gast kann den Wirkungskreis der Angestellten nicht leicht überblicken und braucht diesbezüglich grundsätzlich auch keine Nachforschungen anzustellen.80 Vorübergehend zur Aushilfe verwendete Personen gehören auch zu den Leuten des Wirtes,81 ebenso im Betrieb ständig oder gelegentlich eingesetzte Familienmitglieder.82 Nur bei Großbetrieben könnte nach Gschnitzer83 dem Gast nach Treu und Glauben zugemutet werden, offenbar unzuständige Personen nicht zu betrauen. Aber wenn auch die Handhabung der Zuständigkeiten in Kleinbetrieben wesentlich familiärer und lockerer vor sich geht und der Gast im Prinzip davon ausgehen kann, dass die Leute des Gastwirts selbst schon wissen werden, wofür sie zuständig sind, ist sowohl bei größeren wie bei kleineren Unternehmen letztlich alles Frage des Einzelfalls.84 Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 369. OGH 1 Ob 610/87, SZ 60/157 = HS 18.736;7 Ob 120/69, EvBl 1957/293; Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 66; Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 6; solche Verträge werden häufig von Arbeitgebern für ihre Arbeitnehmer abgeschlossen, vor allem, wenn sie an langfristigen auswärtigen Projekten arbeiten sollen. 79  Binder in Schwimann3 V § 970 Rz 30. 80  So plastisch Ehrenzweig, System II/12, 388: Der Wirt haftet auch dann, wenn statt des eben abwesenden Zimmerkellners die Köchin den Koffer übernommen hat; auch GlUNF 5.179; Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 5. 81  GlU 4.591; Ehrenzweig, System II/12, 388. 82  Ehrenzweig, System II/12, 388; Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 31. 83  In Klang2 IV/1, 665 unter Hinweis auf den damals offenbar „berühmten Küchenjungen“. 84  Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 32: Lohndiener, dem ein Geldbrief überlassen wird, obwohl nach dem Inhalt eines Anschlages „Wertsachen“ dem Gastwirt zur persönlichen Verwahrung zu übergeben sind – keine Haftung nach § 970. Umgekehrter Fall: Übergabe des Schlüssels 77  78 

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Anschläge können nur soweit wirken, als sie die mangelnde Zuständigkeit eines Angestellten klarstellen, doch muss der Gast überhaupt erst die Möglichkeit haben, diesen Anschlag rechtzeitig wahrzunehmen.85 Besonders heikel ist der Fall des Scheinbediensteten, der etwa den Gast 32 im Namen des Gastwirtes am Flugplatz abholt und dann mit dem Gepäck verschwindet. Gschnitzer86 vertritt die Auffassung, dies gehe nicht zu Lasten des Wirtes, sondern zu Lasten des Gastes: Die Sache sei nicht eingebracht. Ehrenzweig87 und im Anschluss an ihn Schubert88 vertreten dies nur für den Fall, dass kein äußerer Tatbestand die Annahme einer Anstellung rechtfertigt. Binder89 verlangt darüber hinaus, dass der Gastwirt die Möglichkeit hatte, dagegen einzuschreiten und diese versäumt hat. Die Auffassung Gschnitzers ist abzulehnen, weil die einseitige Zuschiebung des Risikos an den Gast nicht im Einklang mit dem Zweck der strengen Haftung steht. Der Gast wird sich daher auf den äußeren Tatbestand berufen können. Ob sich dagegen der Gastwirt darauf berufen kann, dass er keine Möglichkeit gehabt habe, dagegen einzuschreiten, ist eine schwierige Abwägungsfrage. Ihre Bejahung steht im Einklang mit allgemeinen Grundsätzen der Vertrauenshaftung im weitesten Sinne, für die Verneinung spricht (wohl entscheidend) die unter Rz 1 dargestellte besonders ungünstige Lage des Gastes. Ohne Übergabe an einen der oben unter Rz  31 genannten Personen ge33 schieht die Einbringung dadurch, dass die Sachen an einen durch den Wirt oder seine Leute angewiesenen oder einen dazu bestimmten Ort gebracht werden. Auch hier ist nicht90 entscheidend, ob der Wirt von der Einbringung weiß. Die Bestimmung als Aufbewahrungsort ergibt sich durch die Anbringung einer entsprechenden Aufschrift oder durch die Verkehrsauffassung. Dazu zählt vor allem das vom Gast bewohnte Zimmer, und zwar auch dann, wenn er es mit einem anderen Gast gemeinsam bewohnt.91 Werden Schuhe oder Kleider (an die Außenseite der Zimmertür) auf den Gang gestellt, so sind auch diese eingebracht.92 „Eingebracht“ wird der PKW im Hof des Hotels (nach allgemeiner Verkehrsauffassung) oder auf dem als solchen bezeichneten Gästeparkplatz.93 zu einem in der Hotelgarage abgestellten PKW an den üblicherweise zu Rangierarbeiten eingesetzten Hausmeister, der sich in diesem Zeitpunkt nicht in Dienst befand: ZVR 1974/15; vgl auch OGH 6 Ob 645/81, SZ 55/7 und 7 Ob 299/97i, RdW 1998, 332. 85  Auch sonst sind salvatorische Anschläge kein Allheilmittel; je umfangreicher sie sind und je mehr es davon in der Rezeption gibt und je mühsamer sie zu lesen sind, desto sicherer werden sie nicht gelesen, ohne dass man dem Gast daraus einen ernsthaften Vorwurf machen könnte. Ganz abgesehen von den Schwierigkeiten, die auftreten, wenn sie nicht in der Verhandlungssprache verfasst sind. 86  In Klang2 IV/1, 665. 87  System II/12, 388. 88  In Rummel3 I § 970 Rz 5. 89  In Schwimann3 IV § 970 Rz 32. 90  SZ 8/50; OGH 1 Ob 120/69, EvBl 1970/58. 91  SZ 2/92. 92  GlUNF 5.576; GlUNF 3.040. 93  OGH 5 Ob 202/86, SZ 37/167 = EvBl 1965/162; 8 Ob 249/70, EvBl 1971/193; 1 Ob 170/72, SZ 45/88; 7 Ob 299/97i, RdW 1998, 332; Fenzl, ZVR 1957, 61; Binder in Schwimann3 IV 3 I § 970 Rz  § 970 Rz 38;

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Die im PKW belassenen Gegenstände sind nur dann geschützt, wenn sie nicht von besonderem Wert sind und besondere Umstände vorliegen, so ein kurzer Hotelaufenthalt, vor allem dann, wenn der Bekundung des Belassens von Gegenständen im PKW vom Wirt nicht widersprochen wird.94 Wird zwar nach dem Inhalt von Hinweisschildern die Haftung für abgestellte Fahrzeuge und deren Inhalt nicht übernommen und der Gast statt dessen zur Deponierung von Wertgegenständen an der Rezeption aufgefordert, teilt jedoch die Rezeptionistin dem Gast, einem Berufsfotografen, der auf seine wertvolle Fotoausrüstung verweist, mit, dass die Garage videoüberwacht sei und nur Gäste hineinkommen, so wird diesem Gast gegenüber die Weisung damit zurückgenommen.95 Dass der Gastwirt lediglich eine Abstellmöglichkeit bietet, reicht nicht aus, ebenso wenig die bloße Erlaubnis, den PKW im Hofbereich zu waschen. „Eingebracht“ ist die Sache weiters an jeder vom Wirt oder seinen Leuten 34 individuell bezeichneten Stelle.96 Einer solchen kommt grundsätzlich Vorrang zu, soweit sie im Einklang mit dem Inhalt des Beherbergungsvertrages steht. Verschließbarkeit ist nicht entscheidend. Eine Anweisung hinsichtlich der Hinterlegung und kein nach §Â€970a un- 35 wirksamer Haftungsausschluss ist darin zu erblicken, wenn der Gast durch (deutlich sichtbaren) Zimmeranschlag aufgefordert wird, Wertgegenstände zu „deponieren“.97 Dies muss allerdings mit dem Kunden bei Vertragsabschluss vereinbart werden, kann sich allerdings aus ergänzender Vertragsauslegung ergeben. Zu einer Vertragsänderung, dass übliche Reiseaccessoires, zu denen seit einiger Zeit nicht nur bei Geschäftsreisenden ein Laptop gehört, können aber auch entsprechende Anschläge oder Informationsblätter im Hotel nicht einseitig verpflichten. Auch wenn ein solcher einen relativ hohen Wert hat, handelt es sich um ein Arbeitsgerät, dass der Reisende nicht in die Verwahrung des Hotels übergeben muss, sondern in seinem Hotelzimmer belassen kann.98 Dem Gast kann zwar zugemutet werden, dass er etwa Schmuck, den er nur gelegentlich am Abend trägt, in die Verwahrung übergibt, nicht aber wertvollere Gegenstände, die er laufend benötigt, so etwa eine Videokamera, und erst recht Arbeitsgerät wie einen Laptop. Selbst wenn ein solcher nur zu privaten Zwecken benötigt wird, kann dem Gast der Wunsch nach laufender Erreichbarkeit nach der Verkehrsübung nicht verwehrt werden. Es wäre ihm unzumutbar, das Hotelpersonal vor jeder Inbetriebnahme um Übergabe zu ersuchen. 94╇ Dazu SZ 20/140; OGH 1 Ob 115/68, SZ 41/60; 5 Ob 729/78, SZ 51/18 und insb Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€38; großzügiger Gschnitzer in Klang2 IV/1, 665. 95╇ OGH 2 Ob 220/10g, Zak 1012/150. 96╇ Gschnitzer verlangt in Klang2 IV/1, 665 darüber hinaus einen „unmittelbaren Zusammenhang“ mit dem Gastgewerbebetrieb, ebenso OGH 1 Ob 115/68, SZ 37/167 und 1 Ob 170/72, SZ 48/88, was Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€39 offenbar in Zweifel zieht. Es handelt sich bei dieser Formulierung jedoch wohl nicht um eine (fragwürdige) besondere Hürde, sondern um eine (unschädliche) bloße Vorsichtsfloskel: Der Gast muss es sich nicht gefallen lassen, mit seinen Sachen in den nächsten Ort oder in die Bahnhofsaufbewahrung geschickt zu werden. Zu einer solchen Vorsichtsfloskel besteht deshalb Anlass, weil einer solchen individuellen Bezeichnung Vorrang zukomme (siehe oben weiter im Text). 97╇ SZ 12/51; OGH 6 Ob 714/76, EvBl 1977/245; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 372; Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€5. 98╇ OGH 7 Ob 237/01f, EvBl 2002/50 = RdW 2002/199 = ZfRV 2002/31.

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Ob Sachen, die der Gast am Leibe trägt (Uhr, Schlüssel, Brieftasche, Geldbörse, Kleidungsstücke udgl), als „eingebracht“ gelten können, ist strittig. Gschnitzer99 spricht sich dafür aus, das neuere Schrifttum dagegen100. Typisch für die Gefahr des offenen Hauses ist zwar vor allem diejenige, die von Einschleichdieben ausgeht, diese können aber gleichzeitig auch Taschendiebe sein. Deren Haupttätigkeitsgebiete sind zwar erfahrungsgemäß eher Einkaufsstrassen, öffentliche Veranstaltungen und Verkehrsmitteln, Kaufhäuser, jedenfalls Orte, an denen möglichst viele Personen in Tuchfühlung geraten. Das kann aber auch auf Hotels und Gasthöfe zutreffen, vor allem wenn sich dort zahlreiche Teilnehmer von Kongressen und sonstigen Reisegruppen aufhalten. Das einzige sowohl dem Gesetzeszweck entsprechende als auch praktikable Unterscheidungskriterium dafür, ob der Wirt für einen fremden Eigentumsdelinquenten haftet, ist dasjenige, ob dieser eingeschlichen ist bzw durch List den Zutritt erlangt hat oder nicht; Näheres dazu siehe unten unter Rz 45. Die am Leibe getragenen Sachen sind somit mit dem Betreten des offenen Hauses „eingebracht“. Ob nun die Haftung des Gastwirtes erst einsetzt, sobald sich der Gast von 37 diesen Gegenständen trennt101 oder schon vorher, nämlich mit Betreten des offenen Hauses, wesentlich ist jedenfalls, wo und wie diese Trennung erfolgt. Der Gast darf nicht im Vertrauen auf die strenge Haftung nach §  970 seine Sachen nach Belieben irgendwo im Hotel ablegen. Der Gastwirt haftet also, wenn der Gast die Uhr auf das Nachtkästchen legt und den Mantel in den Schrank hängt, aber nicht, wenn er die Uhr am Tisch im Gastgarten liegen lässt.102 Ein allgemein zugängliches Schreib- und Lesezimmer ist zwar grundsätzlich nicht zur Aufbewahrung von Sachen des Gastes bestimmt,103 doch hängt hier viel von der Art der Einrichtung des Hauses ab.104 Das gilt besonders für den Fall des im Restaurant des Hotels abgelegten Überrocks. Handelt es sich um Einrichtungen, die ausschließlich oder vorwiegend den Hotelgästen zur Verfügung stehen (besondere Kleiderablage in der Diele, aber auch Sauna), so wird strengere Haftung anzunehmen sein.105 36

3. Garagenunternehmer und Stallwirte 38

Bei Unternehmen, die Stallungen oder Aufbewahrungsräume (Garagen) halten, bilden den Gegenstand der Haftung die bei ihnen eingestellten Tiere 99  In Klang2 IV/1, 666 unter allgemeinem Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des § 701 BGB; ebenso Ehrenzweig, System II/12, 338; SZ 8/50. 100  Koziol/Welser13 II 200; Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 29; vorsichtig dagegen auch Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 5. 101  Und damit die Gefahr des Einschleichdiebes anstelle derjenigen des Taschendiebes tritt. 102  Auch Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 5; Koziol/Welser13 II 200. 103  GlUNF 6.505; ZBl 1920/134. 104  Binder in Schwimann3 § 970 Rz 34. 105  Demgemäss die Differenzierung zwischen den Fällen der OGH 1 Ob 759/79, EvBl 1980/91 (Pelzmantel in einer allgemein zugänglichen Kleiderablage während der Silvesternacht abhanden gekommen) und der E 7 Ob 503/83, SZ 56/24 = EvBl 1983/70 (unmittelbar neben dem Eingang in den Speisesaal eines Hotels der Luxusklasse angebrachte Haken, dessen Gäste ihre Pelzmäntel sonst auf einen nicht benützten Sessel legen müssten); für diese Differenzierung auch Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 

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Gegenstand der Haftung: eingebrachte Sachen

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und Fahrzeuge sowie die darauf (darin) befindlichen Sachen,106 wobei Kenntnis des Unternehmers, dass sich im Kraftfahrzeug des Gastes Gepäck befindet, nicht erforderlich ist. Hier tritt an Stelle der Einbringung die Einstellung. Die Auslegung darf, dem Gesetzeszweck entsprechend, nicht eng sein. Das Geschirr der eingestellten Tiere wird auch dann Gegenstand der Haftung bilden, wenn das eingestellte Tier ausgeschirrt ist, das Geschirr sich also nicht mehr auf ihm befindet; die Camping-Geräte, auch wenn sie dem Fahrzeug entnommen werden. 4. Badeanstaltsbesitzer Eine besondere Einschränkung trifft das Gesetz bei den Besitzern von 39 Badeanstalten, indem hier die Haftung auf Sachen beschränkt ist, die üblicherweise bei der Benützung solcher Anstalten mitgebracht werden. Diese Beschränkung entspricht praktischen Bedürfnissen, da einerseits die Gefahr des offenen Hauses auch im Bad besteht, aber größere Geldbeträge oder besondere Wertobjekte nur in besonderen Ausnahmefällen mitgenommen werden. Es erschien dem Gesetzgeber unter diesen Umständen ungerechtfertigt, dem Unternehmer die scharfe Haftung nach § 970 ganz generell aufzubürden, zumal in solchen Fällen eine nicht geringe Vermutung für Sorglosigkeit des Geschädigten in eigenen Angelegenheiten spricht.107 Zu den üblicherweise mitgebrachten Sachen zählen zB die Taschenuhr, das Handy (ev. Smartphone), die Aktentasche oder das Fahrrad. Für Sachen, die üblicherweise nicht mitgebracht werden, besteht überhaupt keine Haftung.108 Bei vorausgehenden Einkäufen erworbene Gegenstände werden nur dann ersetzt, wenn es sich um Artikel des täglichen Bedarfs handelt, denn nur solche werden üblicherweise ins Bad mitgenommen.109 Zwar wird ein auswärtiger Badegast vielfach den Umweg ins Hotel scheuen und die unterwegs erstandenen Sachen zunächst ins Bad mitnehmen. Aber auch ein solcher wird sich in aller Regel klar darüber sein, dass die Möglichkeiten sicherer Aufbewahrung in einer Badeanstalt geringer zu sein pflegt als in einem Hotel. Bei ungewöhnlich wertvollen Sachen haftet der Besitzer der Anstalt bis zu jenem Teilbetrag, der dem üblichen Maß entspricht.110 Hat der Dieb Teilersatz geleistet, so kann der Unternehmer, solange der Beschädigte nicht vollen Ersatz erlangt hat, die von ihm geschuldete Leistung nicht min­dern.111 Die Einbringung der Gegenstände ist auch bei der Badeanstalt Vorausset- 40 zung. Der Anschlag, dass Wertgegenstände an der Kasse abgegeben sind, bedeutet Anweisung eines bestimmten Ortes,112 nicht unzulässige Haftungsein106  Auch Binder in Schwimann3 IV §  970 Rz  26; OGH 1 Ob 827/81, SZ 55/52 = EvBl 1982/172. 107  Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 371f. 108  So auch Binder in Schwimann3 § 970 Rz 25 und Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 12. 109  So zutreffend Binder in Schwimann3 § 970 Rz 25. 110  SpR 272; Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 12; 3 § 970 Rz 8. 111  SpR 272; Schubert in Rummel3 I § 970 Rz  3 IV § 970 Rz 72. 112  SZ 12/51.

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schränkung, soweit hiefür nicht die verkehrsübliche Benützung der Anstalt beeinträchtigt wird,113 ähnlich oben Rz€35.114

V. Inhalt und Umfang der Haftung nach §Â€970 1. Leute des Wirtes, Begleiter des Gastes und Fremde 41

Der Wirt im weiteren Sinne des §Â€970 (also nicht nur der Gastwirt, sondern auch die übrigen darin genannten Unternehmer) haftet ohne Rücksicht auf ein eigenes Verschulden für den Verlust oder die Beschädigung der eingebrachten Sachen. Verlust oder Schädigung muss aber eintreten während die Sachen als eingebracht gelten. Die Haftung ist strenger als jene des Verwahrers, der für den unverschuldeten Zufall nicht zu haften hat. Aber auch der Wirt haftet nach §Â€970 nicht für jeden Zufall. Ihn soll nur die Haftung für die der Art seines Gewerbebetriebes eigentümlichen Gefahren treffen, also für die Gefahren des offenen Hauses. Deshalb hat er nicht nur für sein eigenes Verschulden und das seiner Leute einzustehen, sondern auch für fremde Personen, die im Haus aus- und eingehen: die Gefahr des offenen Hauses. Der Gastwirt haftet für seine Mitarbeiter vor Abschluss des Beherber42 gungsvertrages aus culpa in contrahendo, danach auf Grund des Vertrages als Erfüllungsgehilfen. Die Leutehaftung des §Â€970 geht darüber hinaus, da nicht zu prüfen ist, ob sich der Gastwirt gerade dieser Personen zur Erfüllung seiner Pflichten bedient hat.115 Da der Wirt für Schäden haftet, den Fremde verursachen, dann müsse dies – nach Gschnitzer116 – umso mehr für den gelten, den er selbst oder seine Leute verursacht haben, nicht bloß – wie das Gesetz sage – verschuldet. Daher auch für den zufälligen Schaden, vor dem oder seine Leute die Sache bewahren könnten. Koziol hält dem jedoch mit Recht entgegen, dass die unterschiedliche Formulierung in §Â€970 ihren guten Grund hat. Es gibt tatsächlich keinen triftigen Grund, die Haftung des Gastwirtes für sein Verschulden und das seiner Leute gänzlich vom Verschulden zu lösen, zumal er selbst und sein Personal für den Gast nicht gefährlicher ist als jeder andere Verwahrer. Eine darüber hinausgehende Gefährlichkeit betrifft ebenso nur die „einund ausgehenden Personen“ und die Gefahr des offenen Hauses, und nur hier wäre die gänzliche Loslösung vom Verschulden sachgerecht.117 Zu weit geht auch die Auffassung Gschnitzers118, wonach der Wirt nach §Â€970 auch für Beschädigung etwa durch Brand oder eindringende Feuchtigkeit hafte. Dass es hier nicht um die Gefahr des offenen Hauses geht, gesteht er selbst ein, vermag 113╇ Binder in Schwimann3 IV §Â€970a Rz€5 (der Besucher eines Bades soll nicht jedes Mal zur Kasse laufen müssen, wenn er ein Erfrischungsgetränk im Bad kaufen will). 114╇ Dazu Ehrenzweig, System II/12, 388 f; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 369 ff; Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€52 ff; Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€7 f. 115╇ OGH 4 Ob 569/72, ZVR 1974/15; 7 Ob 524/90, JBl 1991, 387; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 370; Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€51; Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€7; Griss in KBB3 §Â€970 Rz€5: für den Gastwirt tätige Personen. 116╇ In Klang2 IV/1, 667. 117╇ Österreichisches Haftpflichtrecht II2 370. 118╇ In Klang2 IV/1, 667.

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aber keine andere Rechtsgrundlage für diese Schlechterstellung des Gastwirtes gegenüber anderen Verwahrern zu nennen. Die Rechtsprechung geht daher zu Recht davon aus, dass eine Haftung für zufällige Schäden den Gastwirt nur dann trifft, wenn der Schaden bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte abgewendet werden können.119 Überhaupt keine Haftung besteht für Schäden, die ausschließlich auf der Beschaffenheit der verwahrten Sache beruhen,120 weil es dann schon an der Kausalität der Verwahrung durch den Gastwirt fehlt. Ob eine Person „fremd“ ist, bestimmt sich sowohl nach seinem Verhältnis 43 zum Gast als auch nach dem zum Wirt. Es muss also eine doppelte Prüfung vorgenommen werden. Fremd sind also Personen, die weder zum Personal des Hauses gehören noch zur Begleitung des Gastes oder von diesem aufgenommen worden sind, zB Familienangehörige, Dienst- und Pflegepersonen, aber auch Zechgenossen oder Prostituierte, die der Gast mit aufs Zimmer nimmt. Anderes gilt für einen zweiten Gast, mit dem man auf Verlangen des Wirtes das Zimmer teilt,121 ebenso für Personen, die dem Gast vom Wirt zur Dienstleistung empfohlen oder zugeführt werden, zB Dienstmänner, Fremdenführer, Frisöre, die ins Hotel kommen. Sogar der Kofferträger, den ein Gast am Bahnhof aufgenommen, seine Sachen ins Hotel geschafft und dort entwendet hat, werde nicht zu dessen Begleitung gerechnet und die Haftung des Wirtes auf ihn als eine fremde im Haus aus- und eingehende Person erstreckt;122 dazu siehe auch Rz€62. Zu den ein- und ausgehenden Personen zählen auch die Lieferanten des 44 Wirtes. Die größten Schwierigkeiten bereiten Diebe, und die hM ist hier wenig konsequent. Einhellig anerkannt, und mit Recht, ist die Haftung für Einschleichdiebe und Personen, die sich durch bewusste Irreführung des Personals Zutritt verschaffen.123 Da in einem offenen Haus eine Kontrolle unrichtiger Angaben nur in verhältnismäßig engen Grenzen möglich ist, soll eine unzumutbare Belästigung der Gäste hintan gehalten werden. Nach hM wird aber auch für den Einsteigdieb gehaftet, der mittels einer Leiter in ein im ersten Stock gelegenes Gastzimmer durch die angelehnte Balkontüre eindringt.124 Muss aber der Dieb erst ein Fenster ausheben oder sonst wie beträchtliche Hindernisse überwinden (Einbruchsdiebstahl125), trifft den Wirt die strenge Haftung nicht, ebenso wenig für Personen, die sich den Eintritt mit Gewalt 119╇ OGH 5 Ob 202/64, SZ 37/167; 7 Ob 524/90, JBl 1961, 357; 2 Ob 554/80, MietSlg 32.123; Ehrenzweig, System II/12, 388; Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€7. 120╇ Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€7. 121╇ SZ 2/92. 122╇ SZ 4/49, nach Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€52 weil nur kurzzeitige vorhergehende Kontaktaufnahme. 123╇ SZ 21/94; zum Ganzen auch Gschnitzer in Klang2 IV/1, 667; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 II 371; Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€54 ff; Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€8. 124╇ OGH 8 Ob 137/67, EvBl 1968/56; 1 Ob 161/75, SZ 48/97= EvBl 1976/104 = JBl 1976, 482; Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€55; Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€8; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 667 bejaht sogar die Haftung für den Fassadenkletterer. 125╇ OGH 6 Ob 139/62, EvBl 1963/85 = JBl 1963, 152; auch SZ 20/140; 4 Ob 19/48, SZ 21/94; 7 Ob 263/75, SZ 49/10 = EvBl 1976/167.

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erzwingen (Raubüberfall).126 Ist der Dieb aber ohne Gewaltanwendung ins Haus gelangt und hat er sich dort mittels eines Nachschlüssels Zutritt zu einem Zimmer verschafft, so haftet der Wirt.127 Soweit §Â€970 eine Gefährdungshaftung anordnet, beruht sie auf der Gefahr des offenen Hauses. Das zusätzliche Risiko, dass sich vor allem in Luxushotels zahlreiche Personen aufhalten, die einen Diebstahl besonders lohnend machen, kann hingegen nur im Rahmen der Verschuldenshaftung eine Rolle spielen. Im Schutzbereich liegen daher nur Schäden, die durch Personen verschuldet werden, die sich entweder einschleichen, sei es auch, indem sie sich selbst als Gast ein Zimmer nehmen, um in dieser Eigenschaft eine günstige Gelegenheit auszukundschaften; oder das Personal listig zu täuschen, weil ein Hotel nur in ganz besonderen Ausnahmefällen mit der Strenge einer Kaserne überwacht und kontrolliert werden kann. Entscheidend ist also nicht, ob die Tat selbst mit Gewalt ausgeübt wurde, sondern ob das Eindringen mit Gewalt erfolgt ist. Haben sich also die Täter eingeschlichen, so ist es bedeutungslos, ob sie danach Gewalt angewendet oder etwa einen Taschendiebstahl begangen haben, siehe auch oben Rz€36. Ist hingegen der Täter eingestiegen oder eingebrochen, auch wenn er nicht geradezu Fassaden erklettert hat, so hat dies mit der Gefahr des offenen Hauses nichts mehr zu tun. Der Wirt haftet nur im Rahmen seines Verschuldens. Hat sich der Dieb aber eingeschlichen, so ist es bedeutungslos, ob er in der Folge ein Zimmer aufgebrochen oder durch einen Nachschlüssel geöffnet hat oder aber, ob dessen Türe durch ein Versehen des Gastes oder durch einen unglücklichen Zufall offengestanden ist.128 Die bei der Gewaltanwendung entstandenen Personenschäden sind durch die Gefährdungshaftung nach §Â€970 allerdings nicht gedeckt. Nach dem Gesetzeswortlaut müssen die aus- und eingehenden Personen den Schaden nur „verursacht“ haben. Die Schädigung muss also nicht verschuldet worden sein. Der Gastwirt haftet auch, wenn sie durch Kinder oder Geisteskranke zugefügt worden ist. Kann dem Täter aber kein subjektiver und objektiver Sorgfaltsverstoß vorgeworfen werden, liegt also keine Rechtswidrigkeit vor, erscheint seine Haftung sehr fraglich, weil solche Schäden schwerlich von der Gefahr des offenen Hauses erfasst werden.129 Allerdings haftet der Gastwirt konsequenterweise auch für eigene Haustiere und die Haustiere seiner Gäste, etwa den Hund, der mit dem Schweif eine Vase umstößt. Soweit kein Verschulden des Wirtes oder seiner Gehilfen vorliegt, wird wegen der Schwäche des Haftungsgrundes nur für den positiven Schaden gehaftet, nicht auch für das Interesse.130 Die Gefahr des offenen Hauses als Haftungsgrund nach §Â€970 gilt auch für Garagen und Badeanstalten. Dazu gehört aber gerade nicht die bauliche Sicherheit des Gasthofes, der Garage oder der Badeanstalt vor Dacheinsturz, Dachlawinen, herabfallenden Ziegeln, Bergsteinschlag udgl, für welche der 126╇

OGH 1 Ob 161/75, SZ 48/97;7 Ob 263/75, SZ 49/10; 4 Ob 591/81, SZ 55/64. OGH 7 Ob 263/75, SZ 49/10 = EvBl 1976/167. 128╇ Wie hier und im Gegensatz zur oben zitierten Lehre und Rsp Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 371. 129╇ Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 371. 130╇ Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 371. 127╇

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Unternehmer nur nach allgemeinem Vertrags- und Deliktsrecht haftet, aber nicht nach §Â€970.131 2. Ziffernmäßige Begrenzung der Haftung Ursprünglich war die Haftung nach §Â€970 (wie nach §Â€1316) unbegrenzt. 49 Die III. TN hat, dem §Â€702 BGB folgend, eine Wertgrenze für Geld, WertÂ� papiere und Kostbarkeiten eingeführt. Sie betrug zunächst tausend Kronen. Das Gesetz vom 16. 11. 1921, BGBl 1921/638 bestimmte diese Grenze mit K 20.000 und begrenzte für Gastwirte und Badeanstalten die Haftung allgemein mit K 50.000. Von der in §Â€4 dem JM gegebenen Ermächtigung, die Grenzen mit Zustimmung des Hauptausschusses des NR herabzusetzen, wurde mit V 24. 10. 1924 Gebrauch gemacht: K 2 Mio für Kostbarkeiten, K 4 Mio allgemein. Der Betrag wurde in der Folge in ATS, RM, abermals in ATS und schließlich in € umgewandelt. Er beträgt derzeit (für Schäden, die sich nach dem 31. 12. 2001ereignen) € 1.100 bzw für Kostbarkeiten, Geld und Wertpapiere € 550.132 Als Begründung für diese ziffernmäßige Begrenzung gab Gschnitzer133 an, 50 dass die infolge der damals herrschenden Inflation „ungeheuer gestiegenen Ersatzansprüche die Existenz kleiner Gastwirte bedrohten“. Aber die damals herrschende Hyperinflation blähte nicht nur die Summen der Ausgaben der Gastwirte sondern auch diejenigen ihrer Einnahmen auf, die somit nicht nur Opfer sondern (wenn auch vielfach in geringerem Maße) auch Gewinner der Inflation wurden. Ehrenzweig134 schildert daher auch, dass die Gastwirte zur Zeit „des Umsturzes große Schäden“ erlitten, deren Deckung die Versicherungsgesellschaften abgelehnt hätten, worauf sie von Reisenden den ausdrücklichen Verzicht auf jeden Anspruch verlangt hätten. Die Schwierigkeiten der Gastwirte, und nicht nur der kleinen, die politisch-plakativ angeführt wurden, rührten also von den wirtschaftlichen Turbulenzen nach dem Ersten Weltkrieg her, die zwar im engsten Zusammenhang mit der staatsnachfrage-induzierten Hyperinflation standen, aber mit dieser nicht einfach zu identifizieren sind. Die gesetzliche Festsetzung fixer Beträge sollte in Wahrheit die Gastwirte von der strengen Haftung mit Hilfe der Inflation weitgehend befreien, da diese ihre Preise wesentlich erhöhen können als der Gesetzgeber die Haftungshöchstgrenzen, was sich (wenn überhaupt) nur nach längerem politischen Gezänke und Gezerre durchsetzen lässt. Gschnitzer konnte vor mehr als einem halben Jahrhundert mit Recht schreiben,135 die Haftung sei damit weitgehend entwertet worden, und damit sei es bis heute (1960) geblieben, nur dass in sehr bescheidenem Maß und mit starker Verspätung von der gesetzlichen Ermächtigung Gebrauch gemacht worden sei, die Beträge aufzuwerten. 131╇ Anders SZ 12/225; OGH 8 Ob 249/70, EvBl 1971/193; 2 Ob 554/80, MietSlg 32.123; 5 Ob 202/64, SZ 37/167; auch Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€47; Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€11. 132╇ Vorher ATS 15.000 bzw ATS 7.500 (BGBl I 2001/98 und Art 96, 1. Euro-UmstellungsG). 133╇ In Klang2 IV/1, 661. 134╇ In System II/12, 390. 135╇ In Klang2 IV/1, 661; die Höchstbeträge machten laut BGBl 1951/259 damals ATS 1.500 und ATS 3.000 aus; ähnlich Ehrenzweig, System II/12, 389 im Jahre 1928.

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Heute ist das wahre politische Ziel des Gesetzgebers, die strenge gesetzliche Haftung im weitaus überwiegenden Fall aus der Tageskasse abgelten zu lassen, voll erreicht. Das wahre gesetzliche Leitbild des Gastes ist nach wie vor der Wandervogel der Zwischenkriegszeit. Heute reist der Gast aber – wovor der Gesetzgeber bewusst die Augen verschließt – sehr oft mit dem eigenen PKW an, und selbst sein Fahrrad ist im Verhältnis zur gesetzlichen Höchstgrenze schon sehr teuer. Gerade diese sind aber besonders häufig Gegenstand von Diebstählen. Dazu kommt vielfach ein Notebook, nicht nur bei Geschäftsreisenden, ein Smartphone, eine Digitalkamera, eine Luxusuhr und anderes elektronisches Gerät. Gerade solche Gegenstände sind bei Dieben beliebt, und nur ausnahmsweise Socken, Rasierwasser, Bleistifte, Korkenzieher und an Ort und Stelle angeschaffte Ansichtskarten samt Briefkarten und eine Flasche Mineralwasser. Die Höchstgrenze gilt für jeden Gast, wenn also mehrere Gäste ein Zim52 mer gemeinsam bewohnen, kann jeder Ansprüche bis zur Höchstgrenze erheben.136 Schwierigkeiten bereitet der Begriff der Kostbarkeit. Er findet sich auch 53 in § 229, 398 und § 1247 ABGB, ebenso in § 429 Abs 2 UGB (Erfordernis der Kennzeichnung des von einem Frachtführer zu befördernde Gut als Kostbarkeit), ist aber nirgends definiert. Als Maßstab wird traditionell das Gutachten des OGH vom 13. 9. 1920, SZ 2/147, herangezogen, wonach es sich um Gegenstände handelt, die im Verhältnis zu Umfang und Gewicht als besonders wertvoll erscheinen, wobei Lebensanschauung und Sprachgebrauch zu berücksichtigen sind.137 Edelsteine und Schmuck überhaupt, aber auch Kunstwerke: eine seltene Fayencevase, ein wertvolles Bild oder eine solche Skulptur, ebenso ein Manuskript (etwa von Franz Kafka). Wäsche, Kleider, Pelze138 oder Uhren139 sowie sonstige Bedarfsgegenstände des täglichen Lebens wie auch ganz allgemein Verkehrsgüter mittlerer Art und Güte140 scheiden im allgemeinen aus. Doch kann es auch unter ihnen Kostbarkeiten geben, vor allem, wenn es sich um Werke der angewandten Kunst handelt, etwa die Saliera Cellinis. Was der Gast dem Wirt vernünftigerweise nicht gut in Verwahrung geben kann (seine Uhr), kann nicht als Kostbarkeit iSd § 970a angesehen werden.141. Die Begrenzung der Haftung mit derzeit € 550 steht in einem sonderbaren 54 Verhältnis zum Begriff einer Kostbarkeit. Ehrenzweig142 verweist, im Prinzip richtig, darauf, dass die Haftung des Gastwirtes unter Umständen, zB bei Juwelendiebstählen eine ungeheure Tragweite annehmen und ein einziger Diebstahl den Wirt zugrunde richten könne, was zur Haftungsbeschränkung für 136 

SZ 9/186 = ZBl 1928/67. OGH 1 Ob 235/61, EvBl 1961/336 = JBl 1963, 378; 7 Ob 503/83, SZ 56/24 = EvBl 1983/70. 138  OGH 7 Ob 503/83, SZ 56/24 = EvBl 1983/70: Pelz mit einem Zeitwert von DM 6.500. 139  Schweizer Armband-Markenuhr mit Stahlgehäuse: keine Kostbarkeit OGH 1 Ob 235/61, EvBl 1961/336 = JBl 1963, 378. Anders müsste daher ein Nürnberger Ei oder eine Fabergé-Uhr gewertet werden. 140  Binder in Schwimann3 IV § 970 a Rz 8. 141  VersR 1955, 439; auch Schubert in Rummel3 I § 970 a Rz 1. 142  In System II/12, 389. 137  Auch

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Kostbarkeiten geführt habe. Das völlig einseitige Argumentieren mit Extremfällen, um dann eine Extremregelung in die anderen Richtung hin durchzudrücken, gehört zwar zum selbstverständlichen politischen Handwerk, doch darf diese Erkenntnis nicht die Augen davor verschließen, dass die Höchstgrenzen hier nur eine dürftige Verschleierung der faktischen Aufhebung der Gefährdungshaftung darstellen. Zur teilweisen Entschuldigung des Gesetzgebers soll aber nicht verschwiegen werden, dass sich nach beiden Weltkriegen auf österreichischem Staatsgebiet eine hohe Zahl von aus ethnischen oder sozialen Gründen geflohenen Personen befanden, die aus ihrer Heimat nur einige „Kostbarkeiten“ gerettet hatten, von denen sie dem Wirt und seinem Personal nur aus allzu gut verständlichen Gründen nicht Mitteilung machen wollten.143 Umgekehrt konnte es auch vorkommen, dass der Gast den Diebstahl der Kostbarkeit nur vorgab, um sich vor der Zahlung des Entgeltes zu drücken.

VI. Unbegrenzte Haftung Wegen der auffallenden Niedrigkeit der Haftungshöchstgrenzen wird die 55 Frage wichtig, wann darüber hinaus voller Ersatz beansprucht werden kann. Dies trifft in folgenden Fällen zu: Erstens wenn der Haftpflichtige selbst oder durch eine Person, die nach 56 den Umständen als bevollmächtigt erscheint,144 (also anders als nach Rz 42 ff nicht durch einen beliebigen Angestellten) ausdrücklich zur Verwahrung übernimmt (und nicht bloß dem Gast einen Ort zur Aufbewahrung, etwa ein Schrankfach145, anweist). Bei Geld, Wertpapieren und Kostbarkeiten muss die Übernahme in Kenntnis ihrer Beschaffenheit geschehen. Der Gast muss daher auch angeben, dass sich in einer Tasche Geld befindet.146 Der Wirt muss also die Möglichkeit haben, das wertvolle Objekt je nach Vorhandensein einer besonderen Aufbewahrungsmöglichkeit zu übernehmen oder abzulehnen. Lehnt er aber die Übernahme ohne Grund ab und versetzt er den Gast dadurch in eine Notlage, so haftet er grundsätzlich unbeschränkt wegen Verschuldens.147 Zweitens wenn der Haftpflichtige oder einer seiner Leute den Schaden verschuldet hat, wobei der Beweis dem Gast obliegt. Der Gastwirt muss die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen gegen übliche Hotel- bzw Gasthausdiebstähle treffen.148 Dem Gast kommt hiebei über die Regelung des § 1298 hinaus kein prima facie-Beweis des Inhalts zugute, dass das Abhandenkommen eines Gegenstandes auf ein Verschulden des Gastwirtes oder seiner Leute 143  Im Wien des Dritten Mannes hätte er zB sogar damit rechnen müssen, dass ihn der Wirt bei einer Besatzungsmacht anzeigen könnte, um die Kostbarkeit zu erlangen. 144  So zB die Pensionssekretärin, OGH 7 Ob 263/75, SZ 49/10. 145  Vgl OLG Innsbruck 2 R 252/86, ZVR 1987/11: versperrbares Nachtkästchen mangels Vorhandenseins eines Hotelsafes. 146  RZ 1935, 62; OLG Innsbruck 2 R 252/86, ZVR 1987/111; andernfalls gilt die Haftungshöchstgrenze des § 970a. 147  So auch Binder in Schwimann3 IV §  970a Rz  10; vorsichtig Schubert in Rummel3 I § 970a Rz 2. 148  Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 44; OGH 1 Ob 119/11y, Zak 2011/590 = RdW 2011, 595.

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(und nicht eines Fremden) zurückzuführen wäre.149 Auf die Kenntnis der Beschaffenheit bzw des Wertes kommt es hier (und auch nach § 1316) nicht an,150 es sei denn, diese erfordern eine besondere Art der Verwahrung der Sache. Erforderlich ist die Anbringung von Sperrvorrichtungen an den Zimmertüren, aber keine Sicherheitsschlösser.151 Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Portier den übernommenen Koffer hinter einer unversperrbaren Türe oder einer offenen, dritten Personen leicht zugänglichen Portierlage abstellt.152 Der Gastwirt haftet auch, wenn der Safeschlüssel nicht ordnungsgemäß verwahrt ist,153 hat aber nicht ohne besonderen Anlass auch noch besondere Sicherungsmaßnahmen gegen Raubüberfälle zu treffen.154 Wird also ein in einem aufschliessbaren Schrank nahe dem Safe verwahrter Schlüssel gestohlen (und der Safe in der Folge geöffnet), so haftet der Gastwirt, nicht aber wenn er geraubt wird.155 Der Betreiber eines Viersternhotels haftet fahrlässig, wenn er den Mastercode des Zimmersafes, aus dem in der Folge Wertgegenstände entwendet wurden, 1 1/2 Jahre lang nicht wechselt, obwohl er zahlreichen aktiven und ehemaligen Mitarbeitern bekannt war.156 Der Badeanstaltenbesitzer hat Kästchen und Kabinen so einzurichten und zu überwachen, dass Dritten der Zutritt weitestgehend verwehrt wird,157 doch ist ihm grundsätzlich anheim gestellt, welche Art der Sicherungsvorkehrungen er trifft.158 Mitverschulden des Gastes, also Sorglosigkeit gegenüber den von ihm 57 eingebrachten Sachen, führt schon nach allgemeinen Grundsätzen zur Schadensteilung. Genau wie nach § 1304 ist auch nach § 970 Abs 1 die Schwere der Zurechnungsmomente auf beiden Seiten maßgeblich.159 Ein solches Mitverschulden kann nicht schon darin erblickt werden, dass 58 der Gast den Wirt auf den Wert160 der eingebrachten Sachen nicht aufmerksam macht, doch bewirkt dies die Reduktion des Ersatzanspruchs auf den Haftungshöchstbetrag nach §  970a.161 Kein Mitverschulden liegt vor, wenn der Gast (in den Sommermonaten) bei einem im ersten Stock gelegenen Zimmer die Fenster bzw die Balkontüre nicht verschließt,162 anders bei ebenerdigen Gastzimmer-Fenster163, doch geht es in solchen Fällen um ein Eindringen von außen und deshalb nicht um die Gefahr des offenen Hauses, siehe Rz 45. Mit149  OGH 1 Ob 502/84, SZ 57/20 = EvBl 1984/129 = JBl 1985, 36 = HS 14.749 (Verschwinden eines Schmuckstücks aus einem Hotelzimmer); Binder in Schwimann3 IV§ 970 Rz 69. 150  OGH 1 Ob 232/50, SZ 23/129. 151  GlUNF 4.254; SZ 9/186; Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 44. 152  GlU 5.931; JBl 1917, 369. 153  OGH 4 Ob 591/81, SZ 55/64 = MietSlg 34.142; auch 7 Ob 263/75, SZ 49/10 = EvBl 19761/67. 154  OGH 4 Ob 591/64, SZ 55/64 = MietSlg 34.142. 155  Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 45. 156  OGH 1 Ob 119/11y, Zak 2011/590 = RdW 2011, 595. 157  GlU 3.580. 158  GlUNF 2.600; Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 49. 159  Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 372. 160  OGH 1 Ob 232/50, SZ 23/129. 161  LGZ Wien 45 R 20/80, MietSlg 32.124. 162  OGH 1 Ob 161/75, SZ 48/97 = EvBl 1976/208 = JB 1976, 482. 163  OGH 8 Ob 137/67, EvBl 1968/56.

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Ausschluss der Haftung

§§ 970, 970a

verschulden ist anzunehmen, wenn der Gast das Zimmer unversperrt läßt164, ebenso wenn er sich trotz Belassung von Reisegepäck im PKW den Garagenschlüssel nicht ausfolgen läßt,165 anders wenn das Zimmer nur für eine Nacht benützt werden soll und die Garage absperrbar bzw von Hunden bewacht ist.166 Die Häufung von Autodiebstählen bringt es allerdings mit sich, dass die Anforderungen der Rsp, ausgehend von der Kaskoversicherung, immer strenger werden.167 Nicht außer Acht gelassen werden soll auch, dass Diebstähle gelegentlich im Einverständnis mit dem Eigentümer des Fahrzeugs zu Lasten des Kaskoversicherers erfolgen. In solchen Fällen haftet der Gastwirt trotz gröblichster eigener Fahrlässigkeit nicht (Culpakompensation). Unbeschränkt gehaftet wird für die in Stallungen und Aufbewahrungsräu- 59 men (Garagen) untergebrachten Tiere und Fahrzeuge und die darauf/darin befindlichen Sachen, sofern es sich nicht um Geld, Wertpapiere oder Kostbarkeiten handelt. Im Gegensatz zur Rsp168 gilt dies nach Binder169 nur für den Fall, dass die Garagierung eine selbstständige unternehmerische Zielsetzung bildet, also nicht nur im Rahmen eines anderen Gewerbes, etwa Beherbergungsunternehmen, zwecks Anbots umfassender Serviceleistungen für die Gäste betrieben wird. Es ist zwar richtig, dass ein hauptberuflicher Garagenunternehmer idR ganz andere Sicherungsmöglichkeiten hat als ein Beherbergungswirt, doch wird man darauf ohnedies bei Bemessung seiner Sorgfaltspflichten Bedacht nehmen müssen.170 Auch die Frage des Einbringens von Gegenständen, die im PKW verbleiben, bereitet keine nennenswerten Schwierigkeiten, dazu Rz 33. Darüber hinaus darf nicht außer Acht gelassen werden, dass gerade Kraftfahrzeuge besonders häufig gestohlen werden, deren üblicher Wert aber in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höchstgrenze von € 1.100 steht. Anerkannter Auslegungsgrundsatz ist es, dass systemwidrige und rechtspolitisch verfehlte Bestimmungen nicht extensiv ausgelegt werden dürfen, hier also eine Haftungshöchstgrenze, welche die angeordnete Haftung weitgehend ad absurdum führt. Haftung für bauliche Mängel betreffen nicht die Gefahr des offenen Hau- 60 ses, siehe Rz 48. Der Unternehmer hat daher nicht nach § 970 für sie einzustehen.

VII. Ausschluss der Haftung Der nach § 970 ff haftpflichtige Unternehmer wird von jeder Haftung frei, 61 wenn er beweist, dass der Schaden weder von ihm oder von einem seiner Leute verschuldet noch durch fremde, in dem Haus aus- und eingehende Personen verursacht worden ist; vgl dazu oben Rz 41 ff. GlUNF 3.556; GlUNF 4.357; Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 60. OGH 5 Ob 729/78, SZ 51/158. 166  OGH 1 Ob 115/68, SZ 41/60; 5 Ob 729/78, SZ 51/168. 167  Vgl nur zuletzt etwa Ertl, ecolex 2002, 870. 168  OGH 1 Ob 115/68, SZ 41/60; 5 Ob 729/78, SZ 51/158 = MietSlg 30.133 = RZ 1979, 78; ebenso Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 11. 169  In Schwimann3 IV§ 970 Rz 13. 170  Zu diesen allgemein OGH 1 Ob 738/81, SZ 54/181 = JBl 1982, 537; 1 Ob 827/81, SZ 55/52 = EvBl 1982/171. 164  165 

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Daher ist der Wirt insb in folgenden Fällen haftungsfrei: Erstens wenn er beweist, dass der Gast selbst oder seine Begleitung oder von ihm aufgenommene Personen den Schaden an der eingebrachten Sache verursacht haben. „Fremd“ iSd § 970 ist auch in Bezug auf den Gast gemeint. Der Wirt haftet also für seine Leute und die im Haus aus- und eingehenden Personen, der Gast hat für seine Begleitung und die von ihm aufgenommenen Personen einzustehen, siehe Rz 41 ff. Allerdings gibt es Personen, die beiden Gruppen zugleich angehören. Wenn nämlich der Gast Zechgenossen oder Prostituierte von auswärts auf sein Zimmer mitnimmt, so hat er den Schaden grundsätzlich allein zu tragen, wenn er in der Folge von diesen bestohlen wird;171 anders wenn diese Personen auch Gäste sind oder sich eingeschlichen haben und er sie an der Hausbar kennengelernt hat. In solchen Fällen kommt es (unabhängig von einem allfälligen Verschulden des Gastes) zu einer Schadensteilung, siehe unten Rz 64. Das gilt erst recht dann, wenn die problematischen Eigenschaften dieser Personen dem Gastwirt bekannt sind oder doch sein müssten (Fahrlässigkeit). Ein Verschulden des Gastes oder seiner Begleitung ist nicht Erfordernis. Es kommt nur auf die objektive Verursachung an, zB das Verhalten eines Kindes oder eine unwillkürliche Bewegung des schlafenden Gastes, durch die ein Gegenstand zu Boden geschleudert wird und zerbricht. Auch eine Beschädigung durch ein mitgebrachtes Haustier des Gastes genügt. Der Wirt wird allerdings nur dann vollständig aus seiner Haftung befreit, wenn der Schaden (abgesehen von der bloßen Tatsache der Beherbergung) allein durch das Verhalten dieser Personen verursacht worden ist. Wirkt ein Verschulden einer dieser Person mit, so kommt es zur Schadensteilung, so dann, wenn die Zimmertüre offengelassen wird. Anders ist es allerdings, wenn die Balkontüre im Erdgeschoss offen gelassen wird, weil das damit verbundene Eindringen eines Diebes von außen mit der Gefahr des offenen Hauses nichts zu tun hat, sodass den Wirt die strenge Haftung nach § 970 nicht trifft, siehe Rz 44 f. Zweitens wenn der Wirt beweist, dass die Ursache allein in der Beschaffenheit der Sache selbst liegt. Es kann sich dabei um Sachen handeln, die schon durch die bloße Aufbewahrung dem Verderb unterliegen, oder die Schuld liegt an der mangelhaften Verpackung oder Verwahrung der Sache durch den Gast oder darin, dass eine andere dem Verderben ausgesetzte Sache des betreffenden Gastes (aber nicht eines anderen Gastes) auch diese Sache schädigt. Abgesehen von dem Fall, dass sich eine Sache schon durch ihre gewöhnlichen Eigenschaften nicht zur Aufbewahrung eignet und schon deshalb dem Verderben ohne weitere äußere Ursache ausgesetzt ist, wird regelmäßig eine nicht normale Beschaffenheit erforderlich sein. Diese Beschaffenheit muss aber die alleinige Ursache des Schadens sein. Das ist nicht der Fall, wenn zB eine Porzellanvase vom Tisch heruntergeworfen wird und zerbricht, was bei einer Metallvase nicht der Fall gewesen wäre. Die Haftung kann weder durch Anschlag (§  970a) noch durch Verein­ barung (§ 3 des BG BGBl 1921/638) wirksam ausgeschlossen werden. In § 1 Abs 1 und § 2 dieses Gesetzes werden die Höchstgrenzen festgesetzt (derzeit 171 

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Vgl Gschnitzer in Klang2 IV/1, 669.

Ausschluss der Haftung

§§ 970, 970a

€ 1.100 allgemein und € 550 für Kostbarkeiten udgl). §Â€1 Abs 2 ordnet an, dass die Grenze von € 1.100 für Unternehmer von Stallungen und Aufbewahrungsräumen nicht gelten soll, und §Â€3 erklärt Vereinbarungen für unwirksam, wodurch die Haftung unter das in den §§Â€1 und 2 genannte Maß herabgesetzt werden soll. Dieser insofern klare Sinn – es soll eine Herabsetzung unter die gesetzlichen Mindestbeträge vermieden werden – deutet unmissverständlich dahin, dass die Unternehmer von Aufbewahrungsräumen grundsätzlich unbeschränkt haften, diese Haftung aber auch vertraglich (und erst recht einseitig) nicht unter diese Grenze herabgesetzt werden können. Dennoch ist die Frage umstritten: für die Möglichkeit der Herabsetzung bis zur Höchstsumme spricht die neuere Judikatur172 und der eine Teil der Lehre173, dagegen die (nur wenig) ältere Judikatur174 und der andere Teil der Lehre175. Der wahre Grund für diese Schwierigkeiten liegt in der Unehrlichkeit des Maßnahmegesetzgebers, der zwar das politische Getöse vermeiden wollte, das eine offene Abschaffung der strengen Gastwirtehaftung mit sich gebracht hätte. Durch Einziehung einer fixen betraglichen Grenze in Hyperinflationszeiten176 sollte eine Herabminderung auf das Ausmaß eines bescheidenen Kostenbeitrages erreicht werden. Eine einleuchtende objektiv-teleologische Begründung, warum gerade die stabularii von der Haftungsbegrenzung nach §Â€1 Abs 2 BG BGBl 1921/638 ausgenommen werden sollten, ist nicht leicht zu finden. Ehrenzweig177 gibt lediglich an, dass Gastwirte große Schäden erlitten hatten, deren Deckung die Versicherungsgesellschaften ablehnten und nunmehr begannen, durch Selbsthilfe zur Haftungsfreizeichnung zu schreiten. Von ähnlichen Aktionen der „Unternehmer, die Stallungen und Aufbewahrungsräume halten“, berichtet er nichts, was sehr dafür spricht, dass das wahre Motiv für die Differenzierung in den Zufälligkeiten des Wechselspieles der politischen Kräfte gelegen war. Umso angebrachter erscheint es daher, sich bei der Auslegung dieses Gesetzes an den offensichtlichen Zweck zu halten, nämlich eine (weitere) Herabsetzung unter die gesetzlichen Mindestgrenzen zu vermeiden. Das bedeutet aber nicht, dass Garagierungsunternehmer ihre Haftung auf 67 jeden Fall auf € 1.100 mindern könnten. Eine solche Freizeichnung müsste im konkreten Fall im Einklang mit §Â€879 Abs 3 ABGB stehen. Eine Freizeichnung von der Gefährdungshaftung (Gefahr des offenen Hauses) ist auch nicht unbegrenzt möglich. Dem Unternehmer ist nämlich eher als dem Geschädigten die Schadenstragung zuzumuten, weil er auch den Nutzen aus dem insofern gefährlichen Betrieb zieht; andererseits ist ihm auch ganz generell eher die Ver172╇

OGH 1 Ob 738/81, SZ 54/181 = JBl 1982, 537;1 Ob 827/81, SZ 55/52 = EvBl 1982/171. Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 372, der sich auch auf den Wortlaut beruft; Schubert in Rummel3 I §Â€970a Rz€2 mit historischen Argumenten. 174╇ OGH 7 Ob 593/79, SZ 52/54 = EvBl 1979/212. 175╇ Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€62 f (auch mit historischen Argumenten); noch weitergehend Gschnitzer in Klang2 IV/1 670. 176╇ Bemerkenswerterweise hatte das ungarische Recht 1924 auf den hundertfachen Zimmerpreisabgestellt (Ehrenzweig, System II/12, 390 FN 32c) und damit eine Art automatische Wertsicherungsklausel eingebaut („abgeschwächter Nominalismus“), die nicht jeweiliger politischer Beschlussfassung bedurfte. Gerade das sollte offenbar in Österreich vermieden werden. 177╇ In System II/12, 390. 173╇

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sicherung dieser Gefahr zuzumuten, weil auf seiner Seite laufend Haftungen entstehen können. Die Zulässigkeit der Haftungsfreizeichnung ist also strenger zu beurteilen als bei leichter Fahrlässigkeit (vgl §Â€6 Abs 1 Z 9 KSchG).178 Im Verlangen des Gastwirts oder Badeanstaltenbesitzers, dass Wertsa68 chen hinterlegt werden müssen, widrigenfalls er die Haftung ablehnt, liegt eine zulässige Anweisung eines Hinterlegungsortes, keine unwirksame Haf­ tungsbeschränkung.179 Voraussetzung ist allerdings die Zumutbarkeit der Hin­ terlegung durch den Gast.

VIII. Ende der Haftung 69

So wie die Haftung mit der „Einbringung“ beginnt, endet sie mit der „Ausbringung“; dies auch, wenn die Sache noch vor Beendigung des Beherber­ gungsverhältnisses entfernt wird,180 und zwar auch dann, wenn dies zwar be­ rechtigterweise, aber gegen den Willen des Gastes erfolgt, etwa durch Exeku­ tion.181 Die Haftung endet hingegen nicht, wenn ein Angestellter des Wirtes das eingebrachte Fahrzeug auf einer Schwarzfahrt beschädigt.182 Endet die Beherbergung, so dauert die Haftung noch so lange, bis die Sachen dem Gast (auf dem Bahnhof, dem Flugplatz, dem Hafen oder anderwärts) ausgehändigt sind,183 auch wenn die Hotelrechnung schon bezahlt ist. Dasselbe muss auch für den Fall gelten, dass die Einbringung unter der Voraussetzung der Beher­ bergung geschehen ist, diese aber dann nicht zustande kommt oder der Gast sich eines anderen besinnt und den Abtransport rückgängig macht.184 Eine Un­ terbrechung des Aufenthaltes für kurze Zeit, um, wie der Wirt oder seine Leute wissen, wieder zurückzukehren, beendet die Haftung nicht.185 Lässt der Gast nach seiner endgültigen Abreise Sachen absichtlich zurück, 70 so wird idR an die Stelle der Haftung nach §Â€970 die (allgemeine) aus Verwah­ rung treten. Tut er es versehentlich, wird man die Haftung nach §Â€970 nicht voreilig enden lassen dürfen.186 Irren ist menschlich. Mit dem Tod des Gastes erlischt die Haftung solange nicht, bis die Sachen 71 durch die Berechtigten weggeschafft bzw gerichtlich hinterlegt sind.187 Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz€18/19. SZ 12/51; OGH 6 Ob 714/76, EvBl 1977/245. 180╇ OGH 1 Ob 170/72, SZ 45/88; Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€43; Schubert in Rum­ mel3 I §Â€970 Rz€10. 181╇ So auch Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€43. 182╇ VersR 1954, 192. 183╇ Ehrenzweig, System II/12, 391. Dasselbe muss auch bei einer gescheiterten Beherbergung gelten. 184╇ OGH 2 Ob 184/79, SZ 22/70, Binder in Schwimann3 IV§Â€970 Rz€41 und Rz€43. 185╇ Vgl JBl 1918, 91, dazu Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz€43, der bei monatelanger Ab­ wesenheit einen gesonderten Verwahrungsvertrag fordert und die verschärfte Haftpflicht des Gast­ wirtes verneint. Bloß monatelanges tatsächliches Liegenlassen kann zwar tatsächlich nicht genü­ gen, es muss aber ausreichen, wenn nach dem Verständnis der Parteien ein einheitlicher Vertrag vorliegt. 186╇ Auch Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€45; vorsichtig zustimmend auch Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€10. 187╇ So auch Binder in Schwimann3 IV §Â€970 Rz€43 und (abermals vorsichtig) Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€10. 178╇ 179╇

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§ 1316

§§ 970, 970a

IX. § 1316 § 1316. Gastwirte, die Fremde beherbergen, sowie die anderen in § 970 bezeichneten Personen, ferner Fuhrleute haften für den Schaden, welchen ihre eigenen oder die ihnen zugewiesenen Dienstpersonen an den eingebrachten oder übernommenen Sachen einem Gast oder Reisenden in ihrem Hause, ihrer Anstalt oder ihrem Fahrzeuge verursachen. (idF dRGBl 1939 I 2394) Lit: Honsell, Die Risikohaftung des Geschäftsherrn, FS Lübtow (1981) 497.

Das römische Recht gelangte zur Gastwirtehaftung von zwei Seiten: Von der 72 über­­nommenen Garantie her gestaltete es sie als quasi-kontraktliche aus (receptum nautarum, cauponum et stabulariorum); von der culpa in eligendo her als quasideliktische (actio furti adversus nautas). Das wirkt im ABGB nach: die quasikontraktliche Haftung wurde an die Verwahrung angeschlossen (§ 970 ursprüngliche Fassung), die quasideliktische an die Haftung für culpa in eligendo (§ 1316 ursprüngliche Fassung). Die III. TN hat die quasi-kontraktliche zu einer reinen Haftung aus dem Gesetz umgestaltet, trotzdem aber § 1316 beibehalten und an §  970 angepasst. Seither bereitet die Frage Auslegungsschwierigkeiten, ob für § 1316 überhaupt noch ein Anwendungsgebiet bleibt und bejahendenfalls welches. Die Gesetzesstelle hat zwar von früheren Fassungen her das Wort „verur- 73 sachen“ beibehalten, doch handelt es sich um eine Verschuldenshaftung mit Beweislast des Geschädigten.188 Der Personenkreis der nach §  1316 Haftpflichtigen deckt sich mit demjenigen des § 970,189 wozu noch die Fuhrleute kommen,190 doch geht bei diesen fast durchwegs Unternehmensrecht (§§ 425 ff UGB samt CMR und anderen Vorschriften) und bei Sachschäden das EKHG vor.191 Der einzige Fall aus der Praxis: die Haftung des Fiakerunternehmers für das dem Kutscher übergebene Gepäck.192 Auch die Kreise der Berechtigten decken sich. Der Gastwirt haftet also zB nicht für ein Fahrrad, das seinem Lohndiener von einem Passanten übergeben wurde.193 Gehaftet wird wie nach §  970 für die eingebrachten oder übernommenen Sachen, aber nicht für die aus- und eingehenden Personen, also die Gefahr des offenen Hauses, sondern nur für Schäden, welche „ihre eigenen oder die von ihnen zugewiesenen Dienstpersonen“ verursachen (verschulden). Die Redaktoren meinten, für Kostbarkeiten über der Wertgrenze des 74 § 970a, bei denen die Klage aus § 970 ausgeschlossen sei, sei § 1316 von Be188  Mat 392 ff; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 671; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 373; Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 14; auch Ehrenzweig, System II/12, 392; Harrer in Schwimann3 VI § 1326 Rz 2; Danzl in KBB3 § 1316 Rz 1; Koziol/Welser13 II 199 ff. 189  Danzl in KBB3 § 1316 Rz 1. 190  Zu den Schiffern siehe oben unter Rz 13 und Handelsrecht sowie Sonderbestimmungen, s auch Reischauer in Rummel3 II/2b § 1316 Rz 2. 191  Gschnitzer in Klang2 IV/1, 671 f; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 373; Ehrenzweig, System II/12, 392; Binder in Schwimann3 IV § 970 Rz 64; Schubert in Rummel3 I § 970 Rz 14 und §  Danzl in KBB3 § 1316 Rz 1. 192  GlUNF 4.328. 193  SZ 5/120.

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§ 970b

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deutung.194 Aber schon Ehrenzweig195 hat darauf hingewiesen, dass bei Ver­ schulden, das bei §Â€1316 vorausgesetzt wird, die Haftungshöchstgrenze des §Â€970 ohnedies nicht greift.196 Nach einem Teil des Schrifttums kommt daher §Â€1316 praktisch nur dann Bedeutung zu, wenn der Geschädigte die Anzeigen­ obliegenheit des §Â€970b oder die dreißigtägige Fallfrist des §Â€967 versäumt hat.197 Die Haftung nach §Â€1316 kann durch Vereinbarung ausgeschlossen wer­ 75 den, soweit dies nicht den guten Sitten widerspricht. Praktische Bedeutung hat eine solche Freizeichnung vor allem bei der Einstellung von Kraftfahrzeugen in Parkgaragen. Die Rsp lehnt den Haftungsausschluss des Unternehmers für Schäden durch grobes Verschulden seiner Angestellten ab.198 Bei Verbraucher­ geschäften ist § 6 Abs 1 Z 9 KSchG zu beachten.

§Â€970b. Der Ersatzanspruch aus der Gastaufnahme erlischt, wenn der Beschädigte nach erlangter Kenntnis von dem Schaden nicht ohne Verzug dem Wirte die Anzeige macht. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Sachen vom Wirte zur Aufbewahrung übernommen wurden. Stammfassung JGS 1811/946 idF RGBl 1916/69 (III. Teilnovelle). Mat: 78 BlgHH, 21. Sess 1912.

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Zweck der Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeige ist der Schutz des Wirtes vor der Gefahr, unnötig lange Zeit nach der Entstehung des Schadens noch in Anspruch genommen zu werden. Ist es doch, je rascher, desto eher, dem Haftpflichtigen möglich, die Behauptungen des Gastes auf ihre Richtig­ keit zu überprüfen, die Gründe des Schadens zu ermitteln, die Schuldigen aus­ findig zu machen, und wenn diese zu seinen Leuten gehören, gegebenenfalls mit Entlassung oder Kündigung vorzugehen oder Regress zu nehmen. Dies ist umso wichtiger, als einer der Gründe für die strenge Haftung nach §Â€970 ja ist, 194╇ Mat 392; das würde seit dem BG BGBl 1921/638 auch für die mit diesen eingeführten Wertgrenzen gelten. 195╇ System II/12, 392 FN 47. 196╇ Ebenso Koziol, Haftpflichtrecht II2 373; Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€14, Danzl in KBB3 §Â€1316 Rz€2 und auch schon Gschnittzer in Klang2 IV/1, 671. 197╇ Mit Recht dagegen Koziol, Haftpflichtrecht II2 373; Binder in Schwimann3 § 970 Rz€65; Schubert in Rummel3 I §Â€970 Rz€14 und Danzl in KBB3 §Â€1316 Rz€3; aM mit teleologisch proble­ matischen Argumenten aus der Redaktionsgeschichte des §Â€970b Gschnitzer in Klang2 IV/1, 671. Dieser kommt daher zum Schluss, die III. TN habe sich einreden wollen, dass §Â€1316 neben §Â€970 nicht überflüssig sei, um seine Beibehaltung zu rechtfertigen, die in Wahrheit aus Konservativis­ mus – um nicht zu sagen aus übertriebener Ängstlichkeit – erfolgt sei. Harrer in Schwimann3 VI §Â€1316 Rz€3 hebt hervor, dass ein vernünftiger Grund dafür fehle, dass das Unterlassen der Anzei­ ge nur bei §Â€1316 sanktionslos sein solle, im übrigen Bereich der Gastwirtehaftung hingegen den Verlust des Ersatzanspruchs bewirke. Diese Divergenz ließe sich zur Not noch als Ausgleich für die Belastung des Gastwirts mit der Gefährdungsshaftung begründen, Immerhin Danzl in KBB3 §Â€970b Rz€1 die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige des Schadens ausdrücklich als Ausgleich zur strengen Haftung der Gastwirte und der ihnen gleichgestellten Personen. 198╇ SZ 15/27; auch OGH 4 Ob 522/95, SZ 68/79; Harrer in Schwimann3 VI §Â€1316 Rz€4.

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Allgemeines

§ 970b

dass der Gast keinen Einblick in die Interna der Betriebsorganisation hat und möglicherweise bald abreist, sodass seine weitere Mitarbeit bei der Aufklärung zumindest erschwert wird.1 Nach Regelungszweck- und Zusammenhang kommt die Anzeigeobliegenheit daher nicht nur den Gastwirten ieS zugute, sondern allen mit der Haftung nach § 970 belasteten Unternehmern.2 Soweit Gastwirte als Verwahrer haften, sind Forderungen wegen Beschädigung der Sache gem § 967 binnen dreißig Tagen ab Rückstellung geltend zu machen. Die Anzeige hat unverzüglich zu erfolgen, also ohne schuldhaftes Zögern 2 nach Kenntnis des Schadens, worunter auch der Verlust der eingebrachten Sache zu verstehen ist. Sie ist eine einseitige, empfangsbedürftige Mitteilung und bedarf daher nicht der Geschäftsfähigkeit des Gastes. Ob der Gast die Beschädigung oder den Verlust vor oder nach Verlassen des Gasthofes bemerkt, ist gleichgültig.3 Als Adressaten der Anzeige nennt Gschnitzer4 den Wirt unmittelbar oder 3 den Stellvertreter in der Leitung zB die Direktionskanzlei. Erfolge die Anzeige an andere Bedienstete, so wirke die Anzeige nur, sofern und sobald sie an den Wirt weitergegeben werde.5 Die Gefahr des Verständigungsmittels trage derjenige, welcher sich seiner bediene. Vor allem dann, wenn es um ein mögliches Verschulden von Bediensteten geht, kann die Frage der Nachforschung tatsächlich „Chefsache“ sein. Zwar ist hier viel Sache des Einzelfalls, doch wird man dem Gast nicht stets zumuten können, persönlich in die Direktionskanzlei vorzudringen, in der Hoffnung, dort sogleich wenn schon nicht den Chef selbst so doch einen befugten Stellvertreter vorzufinden. Der Gast steht, was auch zur Begründung der strengen Haftung angeführt wird, vielfach unter Zeitdruck. Nach allgemeiner Verkehrsübung sind die an der Rezeption tätigen Bediensteten Empfangsboten des Unternehmers, und wenn nicht gerade einer der Rezeptionisten (für den Gast zumindest erkennbar) Verdächtiger ist, kann sich dieser darauf verlassen, dass seine Anzeige unverzüglich weitergeleitet oder er ausdrücklich aufgefordert wird, sich damit selbst an die Direktion zu wenden. Noch schwieriger ist die Lage des Gastes, der den Verlust oder die Beschädigung erst nach Verlassen des Hotels entdeckt und sich an dieses telefonisch wendet: Hier kann er sich nur auf die Zusicherung der Telefonistin verlassen, sie werde seine Anzeige weiterleiten. Es geht in allen diesen Fällen nicht um die Gefahr des vom Gast frei gewählten Verständigungsmittels, sondern um die Zurechnung des Verhaltens eines Empfangsboten an den Unternehmer. Nur wenn sich der Gast an einen Bediensteten wendet, der nicht als Empfangsbote oder gar als ein Stell1  Dazu Mat 304 f; auch Binder in Schwimann3 IV § 970b Rz 1 und Schubert in Rummel3 I § 970b Rz 1. 2  OGH 1 Ob 738/81, SZ 54/181 = JBl 1982, 537 = ZVR 1983/10;1 Ob 827/81, SZ 55/52 = EvBl 1982/171 = MietSlg 34.719 (Garagenunternehmer); auch Binder in Schwimann3 IV § 970b Rz 1 und Schubert in Rummel3 I § 970b Rz 1. 3  Ehrenzweig, System II/12, 391. 4  In Klang2 IV/1, 672; ebenso Schubert in Rummel3 I § 970b Rz 1. 5  Nach Schubert in Rummel3 I § 970b Rz 1 genügt nicht einmal die Anzeige in der Rezep­ tion.

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vertreter angesehen werden kann, wirkt die Anzeige erst mit ihrer Weiterleitung an den Wirt. Anderes gilt für Anzeigen an die Sicherheitsbehörde,6 schon deshalb, weil die Exekutivbeamten zum Schluss kommen können, dass es sich zwar möglicherweise um einen zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch aber jedenfall keinen strafbaren Tatbestand handle. Diese sind auch nicht Empfangsboten des Gastwirtes und die Organisation ihrer Dienststelle ist nicht seine Aufgabe. Das Risiko, dass die Sicherheitsbehörde den Gastwirt erst nach längerer Zeit oder gar nicht verständigt, trifft daher den Gast. Gerade wenn der Gast das Hotel verlassen hat, ist es idR zweckmäßiger, wenn er die Anzeige durch Email oder Fax erstattet und nicht (nur) telefonisch, da allfällige Übermittlungsfehler und Missverständnisse leichter aufzuklären sind und auch leichter eruiert werden kann, ob überhaupt eine solche Anzeige abgegeben worden ist. Ist der Schadensfall dem Wirt bereits bekannt, so kann er sich auf die Unterlassung der Anzeige nicht berufen. Es genügt jede von wem immer erlangte, klare und zuverlässige Nachricht.7 Die Unterlassung der Anzeige ist in solchen Fällen in keiner Weise kausal,8 denn sie hindert den Wirt nicht an der Durchführung eigener Ermittlungen, und eine nicht bestehende Unwissenheit bedarf keines Schutzes. Form ist für die Anzeige keine vorgeschrieben, sie kann also auch telefonisch, durch Fax oder e-mail erfolgen, was vor allem nach der Abreise des Gastes von Bedeutung ist. Inhaltlich ist nicht etwa notwendig, dass sie schon ein vollständiges Verzeichnis aller abhanden gekommenen Gegenstände enthält.9 Die Erstellung eines solchen kann zeitraubend sein und Rückfragen erfordern, wenn sich der Gast nicht ganz sicher ist, welche Gegenstände er auf die Reise mitgenommen hat. Erfolgt die Anzeige überhaupt nicht oder doch nicht unverzüglich, so erlischt der Ersatzanspruch aus der Gastaufnahme. Der Gast kann jedoch noch die Ansprüche aus der Verwahrung und die allgemeinen deliktischen Schadenersatzansprüche geltend machen. Die Frist des § 970b ist eine Ausschlussfrist, die von Amts wegen ohne entsprechende Einwendung zu beachten ist, wenn nur die entsprechenden Tatsachenbehauptungen aufgestellt und bewiesen sind.10 Der Rechtsverlust tritt allerdings nur ein, wenn die Anzeige schuldhaft verzögert oder verabsäumt wurde.11 Der Gast hat hiebei die Erstattung der Anzeige zu beweisen. Den Wirt 6  OGH 1 Ob 738/81, SZ 54/181 = JBl 1982, 537 = ZVR 1983/10; auch Binder in Schwimann3 IV § 970b Rz 2; Schubert in Rummel3 I § 970b Rz 1. 7  Ähnlich, aber unter Berufung auf Treu und Glauben Gschnitzer in Klang2 IV/1, 673; auch Binder in Schwimann3 IV § 970b Rz 2; vgl aber SZ 3/116, wonach sich der Gast, der seine Anzeigepflicht verletzt hat, nicht auf die anderweitige Kenntnis des Wirts berufen darf; dazu wie im Text. 8  Ähnlich auch § 6 Abs 3 VersVG; es wäre wenig einsichtig, wenn die mangelnde Kausalität der Schadensanzeige (etwa bei einem verschwundenen oder beschädigten Kfz) beim Garageninhaber anders zu beurteilen wäre als beim Kaskoversicherer. 9  Auch Binder in Schwimann3 § 970b Rz 2; 3 I § 970b Rz 1. 10  OGH 1 Ob 738/81, SZ 54/181 = JBl 1982, 537 = ZVR 1983/10. 11  OGH 1 Ob 738/81, SZ 54/181 = JBl 1982, 537 = ZVR 1983/10: auch Binder in Schwi3 I § 970b Rz  mann3 IV § 970b Rz 2;

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trifft hingegen die Beweislast dafür, dass der Gast vom Schaden Kenntnis erlangt und die Anzeige verzögert hat, während es wiederum dem Gast obliegt, den Gegenbeweis zu führen, dass die Verzögerung nicht schuldhaft war. § 970b zweiter Satz enthält eine Ausnahme von der Anzeigepflicht, „wenn 8 die Sachen vom Wirt zur Aufbewahrung übernommen waren“. Grund für die Ausnahme ist, dass der Wirt, der die Sachen aufbewahrt hat, typischereweise in der Lage ist, auch nach Ablauf geraumer Zeit die Angaben des Gastes auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Unter Übernahme in die Aufbewahrung ist wie in § 970a die Sachübernahme durch den Haftpflichtigen zu verstehen.12 Um das völlig klarzustellen, formuliert die III. TN nicht „zur Aufbewahrung übergeben“ sondern „übernommen“.13 Wegen der Entstehungsgeschichte der III. TN (und daher der parallelen 9 Bestimmungen des BGB) besonders umstritten ist die Frage, ob eine Verpflichtung des Gastes zur Anzeige auch dann zu verneinen ist, wenn der Schaden durch ein Verhalten des Wirtes oder seiner Leute „verursacht“ wurde.14 Gschnitzer15 hält an einer Anzeigepflicht auch für den Fall fest, dass der Schaden „durch ein Verschulden des Wirtes oder seiner Leute veranlasst“ wurde. Zwar kann bloße Verursachung durch den Wirt oder seine Leute, die regelmäßig vorliegen wird, eine Ausnahme von der Anzeigeobliegenheit nicht rechtfertigen; doch kann der Gesetzgeber dies nicht gemeint haben, da ein Schaden, der ohne eine solche Verursachung jedenfalls eingetreten wäre, auch von der strengen Haftung nicht abgedeckt wird. Ist der Schaden aber auf ein schuldhaftes Verhalten des Wirtes selbst – etwa ein Organisationsverschulden – zurückzuführen, so erscheint es ungerechtfertigt, wenn er sich auf eine Verletzung der Anzeigepflicht durch den Gast berufen könnte, weil er selbst in aller Regel ein eigenes Fehlverhalten und dessen mögliche Folgen mindestens ebenso gut kennen sollte wie der Gast, und dessen Recherchen zur Höhe des Schadens viel eher zur Wahrheitsfindung beitragen werden als solche des Wirtes. Anderes gilt aber für das Verschulden seiner Leute. Dieses wird ihm zwar an sich nach §Â€970 zugerechnet, aber hier geht es gerade auch um seinen Regress oder andere Sanktionen gegen diese. Solche können erschwert oder sogar unmöglich gemacht werden, wenn der Gast seiner Anzeigeobliegenheit nicht nachkommt.16 Auf eigenen Vorsatz wird sich der Wirt allerdings nicht berufen können, und schon gar nicht kann er die Verletzung der Anzeigeobliegenheit geltend machen können, wenn ihm der betreffende Sachverhalt ohnedies bekannt ist.

Binder in Schwimann3 §Â€970b Rz€4. Vgl dazu den Fall der SZ 3/116, wo das Reisegepäck auf Veranlassung des Portiers im PKW verbleibt. 14╇ Für eine solche Ausnahme Ehrenzweig, System II/12, 390 (bei Verschulden) und Schubert in Rummel3 I §Â€970b Rz€1 (bei Verursachung); auch OGH 2 Ob 184/70, SZ 22/70. 15╇ In Klang2 IV/1, 673 f. 16╇ Ähnlich Binder in Schwimann3 §Â€970 Rz€4. 12╇ 13╇

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§ 970c. Den im § 970 bezeichneten Personen steht das Recht zu, zur Sicherung ihrer Forderungen aus der Beherbung und Verpflegung sowie ihrer Auslagen für die Gäste die eingebrachten Sachen zurückzubehalten. Stammfassung JGS 1811/946 idF RGBl 1916/69. (III. Teilnovelle). Mat: 78 BlgHH, 21. Sess 1912. Lit: Koritschan, Der Garagierungsvertrag, JBl 1934, 247, 270; Wahle, Kaufrechtsstudien I: Setzt die Verurteilung zu einer Zug-um-Zug-Leistung Anbieten der Gegenleistung voraus?, JBl 1965, 281; Dullinger, Handbuch der Aufrechnung (1995); Rummel, Gutgläubiger Erwerb von Retentionsrechten?, JBl 1977, 521; Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht und Einrede des nicht erfüllten Vertrages (1982).

1

§ 970c gewährt, gleichsam als Ausgleich für die verschärfte Haftung, ein gesetzliches Zurückbehaltungsrecht. Die ausdrückliche Festlegung wurde für notwendig gehalten, weil laut § 1440 dem Verwahrer – und als Verwahrer haften laut § 970 die dort genannten Personen – kein Retentionsrecht zustehen würde.1 Dem Wirt sollte das Retentionsrecht daher auch dann gebühren, wenn er die Sache selbst in Verwahrung genommen hat.2 Seither ist allerdings die hM zu § 1440 in Wandlung begriffen: Nach verbreiteter neuerer Rechtsauffassung gilt das Zurückbehaltungsverbot des § 1440 nämlich nicht in Fällen, in denen auf Grund der Vereinbarung von vornherein mit Gegenansprüchen zu rechnen ist, also vor allem bei Vereinbarung eines Verwahrungsentgelts.3 Andererseits hat das Gesetz, indem es das Zurückbehaltungsrecht eingeräumt hat, dem Gastwirt das Vermieterpfandrecht genommen, auch wenn er als Beherberger (zugleich) auch Vermieter ist. Das Gesetz wollte hiedurch die Rechts­ lage vereinfachen,4 denn sonst „würden alle die bekannten Komplikationen des Vermieterpfandrechtes hier, wo der Reisende mit seinen Sachen in kürzester Zeit von einem Orte zum anderen zieht, sich nur noch in erhöhtem Maße einstellen“.5 Daher steht dem Gastwirt das Vermieterpfandrecht des §  1101 nicht neben dem Zurückbehaltungsrecht des § 970c zu, auch wenn im Beherbergungsvertrag mietvertragliche Elemente enthalten sind. Ein solches Pfandrecht könnte nur in Betracht kommen, wenn ein auf Dauer berechneter Mietvertrag abgeschlossen würde, auf den die Bestimmungen über die Gastaufnahme keine Anwendung zu finden hätten. Ebenso ist es beim Garagenbetreiber, der einen „reinen“ Mietvertrag abschließt.6 Diesem steht allerdings für Repa1  Mat 305 und auch Gschnitzer in Klang2 IV/1, 674; vgl aber auch Binder in Schwimann3 IV § 970c Rz 1 und Schubert in Rummel3 I § 970c Rz 1. 2  SZ 19/6; Griss in KBB3 § 970c Rz 1. 3  Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht und Einrede des nicht erfüllten Vertrages (1981) 239 f; Dullinger, Handbuch der Aufrechnung (1995) 111 f; Schubert in Rummel3 I §  970c Rz  3 und Dullinger in Rummel3 II/3 § 1440 Rz 14: Meissel zu OGH JBl 1998, 306; OGH 1 Ob 205/64, SZ 38/17; 6 Ob 509/96, SZ 67/41 = JBl 1997, 96 = RdW 1997, 14 = MietSlg 48.180; 4 Ob 300/98s, JBl 1999, 659 = RdW, 347; 1 Ob 64/02x, EvBl 2001/177 = JBl 2003, 121. 4  Ehrenzweig, System II/12, 393. 5  Mat 305. 6  Koritschan, JBl 1935, 28 ff; Binder in Schwimann3 § 970c Rz 3; auch LGZ Wien 46 R 140/53 EvBl 1953/285 (Zurverfügungstellung abgeschlossener Abstellplätze unter Übergabe eines Schlüssels).

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raturen das Retentionsrecht nach § 471 zu.7 Lücken im Rechtsschutz werden dadurch geschlossen, dass die Rsp das gesetzliche Pfandrecht des Bestandgebers auf gemischte Verträge ausdehnt, bei denen der Bestandcharakter überwiegt,8 jedenfalls soweit es sich um die sachlich geeigneteste Vorschrift handelt. Das Zurückbehaltungsrecht steht „den in §  970 bezeichneten Personen“ 2 zu, aus dem Wort „Gast“ darf also nicht etwa der Schluss gezogen werden, dass es nur Gastwirten zukomme.9 Es steht also auch Unternehmern zu, die Stallungen und Aufbewahrungsräume gewerbsmäßig betreiben,10 ebenso Badeanstaltenbesitzern. Schiffern und Fuhrleuten, die nur in § 1316 ABGB genannt sind, aber nicht in § 970 ABGB, kommt in aller Regel das gesetzliche Pfandrecht des Frachtführers nach §  440 UGB zu, gegebenenfalls auch das Retentionsrecht nach § 471 ABGB. Da das Zurückbehaltungsrecht des § 970c nur denjenigen zugute kommt, welchen die gesteigerte Haftung des §  970 trifft, können sich zB nicht die Leute des Gastwirtes für ihre Forderungen gegen den Gast darauf berufen. Die Erweiterung oder Einschränkung des Kreises der Haftpflichtigen hat daher auch Folgen für die Gewährung des Retentionsrechtes. Wegen der nahen Verwandtschaft des Zurückbehaltungsrechtes nach § 970 3 mit dem Vermieterpfandrecht nach § 1101 dürfte die Frage des Überganges bei Zession der gesicherten Forderung gleich zu behandeln sein.11 Für Bestandzinsforderungen ist seit langem anerkannt, dass bei Zession das im Zeitpunkt der Übertragung bestehende Pfandrecht auf den Übernehmer übergeht.12 Das Zurückbehaltungsrecht steht den bezeichneten Personen „zur Siche- 4 rung ihrer Forderungen aus der Beherbergung und Verpflegung, sowie ihrer Auslagen für die Gäste“ zu. Es sichert also, weitergehend als das Vermieterpfandrecht, nicht nur die Zinsforderung. Abgedeckt ist somit nicht nur der Zimmerpreis als solcher. Gemeint sind vielmehr alle „Extras“, wie sie üblicherweise auf die Rechnung gesetzt werden, also zB Mahlzeiten im Hotelrestaurant, Knabbergebäck und Getränke aus der Minibar oder der Hausbar, ge7  Koritschan, JBl 1935, 28 ff und Gschnitzer in Klang2 IV/1, 674; vgl allerdings LGZ Wien 46 R 140/53, EvBl 1953/285. 8  Dazu (zustimmend) im einzelnen Würth in Rummel3 I § 1101 Rz 2 mit Belegen aus der Judikatur. 9  SZ 19/6; OGH 1 Ob 287/49, SZ 23/125; 6 Ob 194/61, SZ 34/103; Binder in Schwimann3 IV § 970c Rz 2 f: Schubert in Rummel3 I § 970c; Rz 1 vgl auch Koritschan, JBl 1934, 272. Zwar lässt sich bei Garagen nur mit etwas Gewalt von „Einkehrgästen“ und von „Forderungen aus der Beherbergung und Verpflegung“ (neben den „Auslagen für die Gäste“) sprechen. Aber der Gesetzgeber hatte ohnehin klargestellt, dass es um die in § 970 bezeichneten Personen ging und wollte im berechtigten Vertrauen auf den Sachverstand der Rechtsanwender offensichtlich schwerfällige Umschreibungen vermeiden. Der heutige Gesetzgeber hätte es sich vermutlich nicht nehmen lassen, die verschiedenen Arten der Forderungen möglichst erschöpfend aufzuzählen und gerade dadurch Auslegungsstreitigkeiten zu provozieren. Denn, wie Gschnitzer in Klang2 IV/1, 670 zutreffend hervorhebt: Vergessen ist menschlich. 10  Also nicht einem das Zurückbehaltungsrecht nach §  471 ausübenden Kfz-Mechaniker, OGH 5 Ob 19/67, RZ 1967, 184; Binder in Schwimann3 IV§ 970c Rz 3. 11  So auch schon Gschnitzer in Klang2 IV/1, 674. 12  JB 247 = Nowak NF 1769; LGZ Wien MietSlg 38.740: Würth in Rummel3 I § 970c Rz 

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sondertes Benützungsentgelt für Sauna und Sport- und sonstige Freizeiteinrichtungen, Entgelt für Reinigung der Wäsche, Opern- und Theateraufführungen, Events der verschiedensten Art, gelegentlich auch Ausflüge, die vom Hotelier (mit)organisiert werden.13 Auch Ersatzansprüche wegen Beschädigung von Einrichtungsgegenständen14 sind einzubeziehen, und zwar auch dann, wenn diese Beschädigung durch ein Kind erfolgt ist, für das der Gast aufsichtspflichtig ist (vgl § 1309), oder ein von diesem gehaltenen Haustier (vgl § 1310). Hingegen besteht keine Haftung für die Forderung aus einem vom Wirt dem Gast gewährten Darlehen.15 Kommt es nicht zum Abschluss eines Beherbergungsvertrages, stehen dem Wirt aber Ersatzansprüche aus culpa in contrahendo zu. So haften die eingebrachten Sachen auch für solche Ansprüche.16 Stets muss es sich allerdings um Forderungen gegen den Gast handeln, jedoch einschließlich der Forderungen gegen seine Begleitung, soweit der Gast dafür haftet oder soweit die Begleiter selbst als Gäste anzusehen sind.17 Dem Garageninhaber steht das Retentionsrecht nicht nur zur Sicherung seines Entgeltes für Einstellung und Waschen des Fahrzeugs (Garagierungsgebühr) zu,18 sondern auch zur Sicherung desjenigen für Benzintankauffüllung.19 Aufwendungen werden allerdings nur dann gedeckt, wenn sie in Ausführung des Gewerbebetriebes iSd §  970 gemacht worden sind;20 darüber hinaus kommt nur das Retentionsrecht nach § 471 in Betracht. Dementsprechend sichert § 970c dem Stallwirt das Entgelt für Pflege und Fütterung des Tieres,21 aber auch den Ersatz für Schäden, die das eingestellte Tier angerichtet hat, soweit der Vertragspartner dafür haftet. Das Zurückbehaltungsrecht bezieht sich jedenfalls auf Sachen, die dem 5 Gast gehören. Ob und inwieweit es sich auch auf eingebrachte Sachen anderer Personen erstreckt, ist jedoch umstritten. Nach der Rsp erstreckt es sich – und zwar unabhängig vom guten Glauben des Gastwirts – nicht nur auf Sachen mitreisender Familienangehöriger oder sonstiger mitreisender Personen, sondern ganz allgemein auch auf eingebrachte (oder nachträglich angeschaffte) Sachen, die nicht im Eigentum des Gastes stehen.22 Binder23 rechtfertigt dies Siehe auch die Aufzählung bei Binder in Schwimann3 IV § 970c Rz 4. Ebenso Binder in Schwimann3 IV § 970c Rz 4 und Schubert in Rummel3 I § 970c Rz 1 anders zB die Rückforderung von dem Hotelier unter dem Vorwand besonders ertragreicher Vermögensanlage herausgelockten Geldbeträgen. 15  Anders wohl bei einem Überbrückungsdarlehen zur Deckung augenblicklicher Bedürfnisse wegen der besonderen sachlichen Nähe zum Beherbergungsvertrag, dazu Ehrenzweig, System II/12, 393. 16  Man denke etwa an den Fall, dass der Gast sein Gepäck eingebracht hat, aber kein freies Zimmer findet und nun zu randalieren beginnt. 17  Ebenso Binder in Schwimann3 IV § 970c Rz 4 und Schubert in Rummel3 I § 970c Rz 1. 18  OLG Wien 5 R 60/51, EvBl 1951/307. 19  Koritschan, JBl 1935, 228 und ihm folgend OGH JBl 1937, 185; Binder in Schwimann3 IV § 970c Rz 5. 20  Binder in Schwimann3 IV § 970c Rz 7. 21  Binder in Schwimann3 IV § 970c Rz 7. 22  OGH 1 Ob 2120/96p, MietSlg. 48.132; SZ 19/6; SZ 20/173; OGH 1 Ob 248/62, SZ 35/126; auch schon Ehrenzweig, System II/12, 393 und Koritschan, JBl 1934, 272; auch Griss in KBB3 § 970c Rz 1. 23  In Schwimann3 IV § 970c Rz 7. 13  14 

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mit der weiten Gesetzesfassung und der sich ebenfalls auf alle eingebrachten Sachen beziehenden verschärften Haftung.24 Gschnitzer vertritt in der Vorauflage25 die Auffassung, das Zurückbehaltungsrecht umfasse jedenfalls die eingebrachten Sachen der mitreisenden Familienangehörigen, aber wohl auch die anderer mitreisender Personen, für die der Wirt hafte, mit Ausnahme des Dienstpersonals des Gastes.26 Zweifelhaft bleibe, ob vom Gast entlehnte, verwahrte, gemietete, unter Eigentumsvorbehalt erworbene Sachen vom Wirt zurückbehalten werden können.27 Dies sei jedoch zu verneinen, und ein Gutglaubenerwerb komme beim Retentionsrecht ohnedies nicht in Frage. Binder28 wendet dagegen ein, dadurch entstehe die Gefahr der Aushöhlung des Zurückbehaltungsrechtes. Dessen Effizienz würde zu stark geschmälert, der Gastwirt somit einseitig mit der erhöhten Haftpflicht für die eximierten Sachen belastet. Über die Einschränkungen Gschnitzers hinaus geht die Kritik Rummels29 und Jaborneggs30. Zutreffend ist jedenfalls die Ausdehnung des Zurückbehaltungsrechts auf eingebrachte Sachen mitreisender Familienangehörigen. Diese lässt sich auf eine Analogie zu §  1101 stützen, da Wertungswidersprüche zur rechtsähnlichen Bestimmung über das Bestandgeberpfandrecht möglichst vermieden werden müssen. Fragwürdig ist aber schon die Ausdehnung auf Sachen beliebiger anderer Mitreisender, soweit sie nicht selbst Gäste sind, da das Bestandgeberpfandrecht zB auf Sachen nicht ausgedehnt wird, die von Unterbestandnehmern eingebracht worden sind31 (und schon gar nicht dem Bestandnehmer von Dritten nur anvertraute).32 Besonders bedenklich ist hier die weitere Ausdehnung auf Sachen völlig unbeteiligter Dritter, also gerade auch von Vorbehaltseigentümern. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist zwar nur von eingebrachten Sachen schlechthin die Rede und nicht von Sachen, die der Gast und seine mitreisenden Familienangehörigen eingebracht haben. Aber die Beschneidung der Rechte des Dritten durch dieses Zurückbehaltungsrecht ist so gravierend, dass eine tragfähige zusätzliche teleologische Begründung gesucht werden muss. Nun ist zwar richtig, dass der Wirt für diese Sachen auch haftet, wenn auch grundsätzlich gerade nicht dem Dritten gegenüber. Auf seine Gutgläubigkeit soll es auch nicht ankommen. Dazu kommt aber noch, dass das Zurückbehaltungsrecht ja nicht nur für das Verwahrungsentgelt als solches zusteht, dieses macht idR nur einen sehr bescheidenen Teil der Gesamtrechnung aus. Man denke nur an den Fall eines Diebs: Der Bestohlene hat nicht nur diesen Anteil Ebenso Schubert in Rummel3 I § 970c Rz 2. In Klang2 IV/1, 675. 26  Ohne ausdrückliche Begründung, aber offensichtlich aus durchaus nachvollziehbaren Erwägungen des Dienstnehmerschutzes. 27  Gemeint sind offenbar Sachen, die der Gast selbst von einem Dritten entlehnt, verwahrt usw hat, nicht solche, die der Wirt vom Gast entlehnt hat, da § 970c ja gerade eine Ausnahme von der Regel des § 1440 ist. 28  In Schwimann3 IV § 970c Rz 7. 29  JBl 1977, 526. 30  Zurückbehaltungsrecht 203 f. 31  Würth in Rummel3 I § 1101 Rz 5; LGZ Wien LGZ Wien 46 R 186/82, RpflSlgE 1983/71. 32  Würth in Rummel3 I § 1101 Rz 5; OGH 1 Ob 2120/96p, MietSlg 48.132. 24  25 

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zu bezahlen, sondern die gesamte Rechnung des Diebes mit allen „Extras“ einschließlich der von ihm anlässlich der Festnahme zertrümmerten Hoteleinrichtung, und das unabhängig vom guten Glauben des Hoteliers und seiner Leute. Noch bedenklicher wird dieser Befund, wenn die Haftungshöchstgrenzen in die Wertungsanalyse einbezogen werden, nämlich € 1.100 und bei Kostbarkeiten € 550. Dieser Betrag wird auch bei einem Mittelklassehotel meist schon nach einem verhältnismäßig kurzen Aufenthalt erreicht, erst recht dann, wenn es sich bei den Gästen nicht um Alleinreisende handelt und auch „Ex­ tras“ in Anspruch genommen werden. Das Zurückbehaltungsrecht erstreckt sich also nur auf Sachen des Gastes selbst und seiner mitreisenden Familienangehörigen. Das Retentionsrecht entsteht (ebenso wie das gesetzliche Vermieterpfand6 recht) bereits mit der Einbringung, wie nach § 470, weil es andernfalls seines Wertes beraubt würde. Im übrigen unterliegt es den allgemeinen Regeln des Retentionsrechtes. Insbesondere hat der Gast die Möglichkeit, es durch Stellung einer Ersatzsicherheit abzuwenden.33 Im Konkursfall ist es wie ein Pfandrecht zu behandeln.34 Ein später entstehendes Pfandrecht (ein Gläubiger des Gastes pfändet die dem Retentionsrecht unterliegenden Sachen) behindert es nicht. Das Retentionsrecht erlischt mit der Befriedigung des Anspruches, aber 7 auch mit der Ausbringung der Sachen, die der Wirt jedoch verhindern kann. Strittig ist, ob das Zurückbehaltungsrecht analog zu §  1101 den Pfän8 dungsbeschränkungen unterliegt. Ehrenzweig35 und Schubert36 bejahen dies. Gschnit­zer37 spricht sich dagegen aus, weil das Retentionsrecht des Gastwirtes dadurch weitgehend (viel stärker als das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters) entwertet würde. Bestehe doch das Reisegepäck regelmäßig zur Hauptsache aus unpfändbaren Gegenständen. Dieser empirische Befund war schon zur Zeit der Vorauflage (Jänner 1959) nicht ganz richtig, auch wenn die damals sogenannte „Vollmotorisierung“ noch nicht erreicht war, wurden Hotels doch schon oft mit (meist pfändbaren) PKWs angefahren, und im Gepäck befanden sich oft auch Fotoapparate und an Ort und Stelle angeschaffte Geschenke für die zu Hause gebliebenen Familienangehörigen und Freunde. Seither ist der Wert des mitgeführten Reisegepäcks gestiegen, vor allem wenn die darin enthaltenen elektronischen Geräte berücksichtigt werden. Mit der Nichtberücksichtigung der Pfändbarkeit der eingebrachten Sachen kann freilich nicht wirklich ernst gemacht werden. Wenn etwa einem Badegast vorgeworfen würde, er habe eine Kabine beschädigt, könnte ihn sonst der Unternehmer vor die Wahl stellen, entweder (wenn möglich) sofort den Schadenersatzbetrag zu bezahlen oder barfuß, ohne Geld und Wohnungsschlüssel, nur mit einer Badehose bekleidet, nach Hause zu gehen. So weit will selbstverständlich Gschnitzer auch nicht gehen, er meint aber, nur das Gebot des Handelns nach Treu und Glauben und des Verbot des Handelns gegen die guten Ebenso Binder in Schwimann3 IV § 970c Rz 8; Schubert in Rummel3 I § 970c Rz 2. Ehrenzweig, System II/12, 393. 35  In System II/12, 393. 36  In Rummel3 I § 970c Rz  37  In Klang2 IV/1, 675 und im Anschluss an ihn Binder in Schwimann3 IV § 970c Rz 8. 33  34 

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Literatur

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Sitten würden der Ausübung des Retentionsrechtes Grenzen setzen, aber viel weitere als die Pfändungsverbote. Damit wird aber beachtliche Rechtsunsicherheit geschaffen, und nicht nur der Wirt, auch der Gast befindet sich in einer unguten Lage. Es gibt nicht nur üble Zechpreller sondern auch schwarze Schafe unter den Gastwirten, welche die Zwangslage des Gastes ausnützen, um offenkundig überhöhte Rechnungen durchzusetzen. Selbst in bekannten internationalen Hotelketten soll es schon vorgekommen sein, dass das Personal „Extras“ etwa aus der Minibar, die es aus irgendwelchen Gründen vom Gast, der diese bezogen hat, nicht mehr hereinbekommen konnte, bewusst auf die Rechnung eines anderen Gastes gesetzt hat, um nicht selbst vom Chef zur Verantwortung gezogen zu werden. Ganz zu schweigen von der Tradition, dem alkoholisierten Gast die von anderen geleerten Champagnerflaschen unter den Tisch zu schieben und ihm dann (abermals) zu verrechnen. Der Gastwirt hat die zurückbehaltene Sache Zug um Zug gegen Befriedi- 9 gung der gesicherten Ansprüche herauszugeben. Verlangt der Eigentümer die Herausgabe, so hat eine Verurteilung Zug um Zug gegen Bezahlung der gesicherten Forderung nur dann zu erfolgen, wenn er sich zur Zahlung ausdrücklich bereit erklärt.38 Das Retentionsrecht endet mit Zahlung oder mit der Entfernung der Sache.39

Zwanzigstes Hauptstück Von dem Leihvertrage Leihvertrag §Â€971. Wenn jemand eine unverbrauchbare Sache bloß zum unentgeltlichen Gebrauche auf eine bestimmte Zeit übergeben wird; so entsteht ein Leihvertrag. Der Vertrag, wodurch man jemandem eine Sache zu leihen verspricht, ohne sie zu übergeben, ist zwar verbindlich, aber noch kein Leihvertrag. Stammfassung JGS 1811/946. Lit: Schimetschek, Wohnungsbenützung ohne Mietvertrag, ImmZ 1971, 311; Mayr­ hofer, Zur Rechtsnatur der „Dauerleihe“ an Museen und ähnliche Einrichtungen, NZ 1975, 86; H Böhm, Rechtsprobleme studentischen Wohnens, ÖJZ 1983, 57; Zemen, Im Zweifel Darlehen oder Leihe statt Schenkung?, JBl 1986, 205; Zankl, Zur Rechtsnatur des „Flaschenpfandes“, JBl 1986, 493; Ploil, Kunstleihe und Kunstmiete im österreichischen Recht, Kunst & Recht 2/2011, 24.

38╇ OGH 1 Ob 248/62, SZ 35/126; Wahle, JBl 1965, 281; Binder in Schwimann3 IV §Â€970c Rz€9; Schubert in Rummel3 I §Â€970c Rz€2; Griss in KBB3 §Â€970c Rz€1. 39╇ Griss in KBB3 §Â€970c Rz€1.

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§ 971

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Übersicht I. II. III. IV. V. VI. VII.

Allgemeines Realvertrag und Vorvertrag Unverbrauchbare Sache Unentgeltlicher Gebrauch Bestimmte Zeit Übergabe Abgrenzungsfragen und Sonderfälle

1 2–5 6–8 9–10 11–12 13 14–19

I. Allgemeines 1

Der Leihvertrag ist die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung einer (unvertretbaren) Sache auf bestimmte Zeit. Vom Darlehensvertrag unterscheidet sich der Leihvertrag dadurch, dass kein Wechsel der Person des Eigentümers am Objekt des Vertrages eintritt, vom Verwahrungsvertrag durch das Recht des Entlehners, die Sache zu gebrauchen (§ 959), und vom Bestandvertrag durch die Unentgeltlichkeit des Gebrauchs.

II. Realvertrag und Vorvertrag 2

Der Leihvertrag kommt durch übereinstimmende Willenserklärungen des Verleihers und des Entlehners einerseits und durch die Übergabe der entlehnten Sache andererseits zustande. Er ist, wie der zweite Satz des § 971 eindeutig ergibt, als Realvertrag angelegt; Willenseinigung und Erfüllung durch den Verleiher sind erforderlich. Er bedarf also der Einräumung des Gewahrsams nach §§ 426 ff. Diese gesetzliche Konstruktion als Realvertrag hat historische Gründe und sollte offensichtlich den Verleiher, der ein unentgeltliches Rechtsgeschäft abschließt, vor Übere1ilung schützen. Diese Konstruktion ist antiquiert,2 was sich allerdings beim (stets unent3 geltlichen) Leihvertrag bei weitem nicht so unangenehm auswirkt wie beim (in der Praxis meist entgeltlichen) Verwahrungsvertrag. Allerdings hat sie der Gesetzgeber selbst dadurch in eine nicht ganz konsequenten Weise abgemildert, dass er einen (entgegen der sonstigen Regel der Formidentität zwischen Vorund Hauptvertrag) formfreien Vorvertrag zulässt. Dies war schon im Zusammenhang mit dem Darlehen in § 983 zweiter Satz ausdrücklich so geregelt, und schon deshalb wird § 971 zweiter Satz („zwar verbindlich, aber noch kein Leihvertrag“) nicht gut anders zu verstehen sein. Das DaKRÄG BGBl I 2010/28 hat den Anwendungsbereich des Realvertrages nur weiter zurückgedrängt und damit dieses Formgebot gelockert. Der Verleiher wird dadurch geschützt, dass der Vorvertrag unter dem Vorbehalt der clausula rebus sic stantibus steht. Doch ist 1  Ehrenzweig, System II/12, 393; Schey in Klang2 I/2, 190 f; Krasnopolski III 341; Binder in Schwimann3 IV § 971 Rz 1; Griss in KBB3 § 971 Rz 1: Entscheidend ist, ob sich die Sache tatsächlich oder nach der Verkehrsauffassung in der Verfügungsgewalt des Entlehners befindet (OGH 7 Ob 42/75). 2  Kritik (offenbar vor allem de lege ferenda) speziell zum Leihvertrag als Realvertrag bei H. Böhm, ÖJZ 1983, 63.

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Realvetrag und Vorvertrag

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dieser Schutz recht bescheiden, weil er sich bei Annah­me eines Hauptvertrages auf die Unsicherheitseinrede des § 1052 stützen könnte. Das Versprechen, eine Sache künftig leihen zu wollen, ohne sie bei Ver- 4 tragsabschluss zu übergeben, ist als Vorvertrag (§ 936) verbindlich und steht daher unter Vorbehalt der clausula rebus sic stantibus. Durch diesen Vorbehalt ist zunächst idR nur der künftige Verleiher verpflichtet, weil in dem vom Gesetz geregelten Normalfall die Leihe nur im Interesse des Entlehners liegt. Aber auch der künftige Verleiher mag unter Umständen daran interessiert sein, eine Sache – etwa für die Dauer einer Reise – auszuleihen. In solchen Fällen kann mit dem künftigen Entlehner ausdrücklich oder schlüssig – etwa dann, wenn dieser das Interesse des künftigen Verleihers am Weggeben der Sache erkennt oder erkennen muss3 – eine Übernahmepflicht vereinbart werden. Eine ausdrückliche Vereinbarung empfiehlt sich schon im Hinblick auf die Unentgeltlichkeit der Leihe aus Gründen der Rechtsklarheit. Wird eine solche Vereinbarung nicht getroffen, so ergibt sich nach den Wertungen des § 977 auch für die Begründungsphase, dass dem Entlehner (nur dann) kein vorzeitiges Rückgaberecht zusteht, wenn dessen Ausübung dem Verleiher beschwerlich fällt.4 Unter diesen Umständen müsste also der Entlehner die Sache annehmen. Auch hier greift § 936 ein: Der künftige Entlehner braucht etwa das Reitpferd nicht zu übernehmen, wenn er es wegen seiner eigenen, nach Abschluss des Vertrages eingetretenen Erkrankung nicht benützen kann. Bloße Gefälligkeiten, bei denen die Beteiligten nicht an eine vertragliche 5 Bindung gedacht haben, begründen kein Vertragsverhältnis und daher auch keinen Leihvertrag.5 Voraussetzung ist allerdings, dass sich nach der „Parallelwertung in der Laiensphäre“ nicht doch ein Leihvertrag ergibt, was nicht davon abhängt, ob die Vertragsparteien als juristische Laien diesen so bezeichnen. Für die Annahme des Bindungswillens ist nicht die innere Absicht maßgeblich, entscheidend ist, wie sich das Verhalten der Beteiligten bei Würdigung aller Umstände einem objektiven Betrachter darstellt. Die Verneinung einer Rechtsbindung setzt ein unentgeltliches und uneigennütziges Verhalten des Gefälligen voraus. Der Rechtsbindungswille wird durch unentgeltliches oder fremdnütziges Handeln aber nicht ausgeschlossen. Zu würdigen sind die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der Angelegenheit, vor allem für den Begünstigten, ferner Art, Grund und Zweck der Gefälligkeit sowie die Interessenslage.6 Es ist zu beurteilen, ob die Parteien mit ihrer Regelung rechtliche Wirkungen auslösen wollten, die erforderlichenfalls auch durch behördlichen Zwang durchgesetzt werden kommen.7 Kommt es allerdings nach Übergabe Ebenso Schubert in Rummel3 I § 971 Rz 1. Binder in Schwimann3 IV § 971 Rz 3; unklar Stanzl in Klang2 IV/1, 678, der den Fall, dass die Voraussetzungen des § 977 vorliegen, eine vorvertragliche Vereinbarung einer Übernahmepflicht aber nicht vorliegt, nicht ausdrücklich behandelt. 5  OGH 1 Ob 1956/232, JBl 1956, 232 (der Schwiegervater hatte der Schwiegertochter eine Uhr zum Einregulieren übergeben); ZBl 1926/126 (ein Komponist hatte einem sehr bekannten und vielbeschäftigten Lehrer Noten gegeben, damit er für das Bekanntwerden der Komposition etwas tue). 6  Rummel in Rummel3 I § 861 Rz 7; Koziol/Welser13 I 88; OGH 7 Ob 233/03w, MietSlg 55.074 unter Berufung auf Heinrichs in Palandt62 Einleitung vor § 241 BGB Rz 5 mwN. 7  Koziol/Welser13 II 88; OGH 7 Ob 233/03w, MietSlg 55.074. 3  4 

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der Sache zu Streitigkeiten, so wird sich die intendierte „bloße Gefälligkeit“ nachträglich so gut wie immer als Prekarium erweisen.

III. Unverbrauchbare Sache Gegenstand des Leihvertrages ist eine unverbrauchbare Sache (§ 301), doch können auch verbrauchbare Sachen verliehen werden, soweit sie nicht ihrer gewöhnlichen Bestimmung entsprechend verwendet werden.8 Leihe ist nach hM auch die unentgeltliche Überlassung von Wertpapieren zur Verpfändung,9 zur Kautionsbestellung10 oder zum Erlag als Vadium (§§ 147 ff EO)11. Voraussetzung ist allerdings, dass genau dieselben (etwa in einem Kuvert befindlichen) Geldscheine zurückzustellen sind, andernfalls liegt ein Darlehen vor.12 Auch die Übergabe einer verbrauchbaren Sache zur Besichtigung oder Ausstellung13 kann Leihe sein, sofern nicht (als speziellere Regelung) ein Kauf auf Probe, eine Verkaufskommission oder sonst ein entgeltlicher Vertrag vorliegt.14 Gleichgültig ist, ob die Sache vertretbar oder unvertretbar, beweglich15 oder unbeweglich16 ist. Verliehen werden können also auch Wohn- oder Geschäftsräume, Eigen7 tums-17 und Dienstwohnungen18, ebenso Grundstücke zur landwirtschaftlichen Nutzung19. Erforderlich ist allerdings eine unentgeltliche Überlassung auf bestimmte Zeit,20 andernfalls liegt idR Miete vor; Näheres unter Rz 11. Überhaupt können fruchttragende Sachen – etwa eine Milchkuh,21 aber auch zB landwirtschaftlich nutzbare Grundstücke – verliehen werden, wobei die Früchte dann dem Entlehner zustehen können, Näheres unter Rz  1 zu § 972. Geeignete Gegenstände der Leihe sind auch Rechte, die einen Gebrauch 8 durch gewisse Zeit zulassen22 und nicht höchstpersönlich sind. Geliehen werden meist fremde und verliehen meist eigene Sachen, doch ist dies nicht begriffsnotwendig. Verleihbar sind auch fremde Sachen,23 entlehnbar auch eige6

8  Ehrenzweig, System II/12, 393 f; Schey in Klang2 I/2 192; Krasnopolski III 341; Stubenrauch II 192; Binder in Schwimann3 IV § 971 Rz 7; Schubert in Rummel3 I § 971 Rz 2 und auch schon das commodatum ad pompam vel ostentationem (D 13, 6, 3, 6). 9  GlUNF 5.118; GlU 13.902; Ehrenzweig, System II/12, 393 f; Binder in Schwimann3 IV § 971 Rz 16; Schubert in Rummel3 I § 971 Rz 2; Griss in KBB3 § 971 Rz 2. 10  GlU 6.847; GlU 3.476; Binder in Schwimann3 IV § 971 Rz 9vgl SZ 14/27. 11  GlUNF 1.300. 12  Ebenso Binder in Schwimann3 IV § 971 Rz 6. 13  Ehrenzweig, System II/12, 393 f. 14  So auch Binder in Schwimann3 IV § 971 Rz 7 und 12. 15  ZB Kunstwerke (OGH 1 Ob 831/82, SZ 56/12 = EvBl 1983/71), Reitpferde (2 Ob 68/72, ZVR 1973/157) oder Kraftfahrzeuge (JBl 1931, 264; 4 Ob 140/77, SZ 50/137; 7 Ob 19/80, SZ 53/151). 16  Ehrenzweig, System II/12, 393. 17  OGH 3 Ob 599/85, SZ 58/163 = EvBl 1986/66. 18  LG Salzburg 16 Cga 87/88, Arb 10.712. 19  OGH 2 Ob 309/57, EvBl 1987/134. 20  Schubert in Rummel3 I § 971 Rz 2. 21  EvBl 1957/398. 22  Vgl OGH 6 Ob 359/59, SZ 32/154; 3 Ob 39/68, SZ 44/41. 23  Griss in KBB3 § 971 Rz 2.

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Unentgeltlicher Gebrauch

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ne Sachen, wenn sie der Verleiher aus irgendeinem Grund innehaben darf. Vor allem das Verleihen (selbst) gemieteter und das Leihen (selbst) vermieteter Sachen ist keineswegs ungewöhnlich.24 Traditionell redet man auch vom Verleih eines Rechtes auf Dienstleistungen („Arbeitsleihverhältnissen“ bzw „Leiharbeitsverhältnissen“)25, allerdings handelt es sich hier nur um ein Bild. Auch beim „Verkauf der Arbeitskraft“ oder gar beim „Verkauf des eigenen Körpers“ wird niemand ernstlich an einen Kaufvertrag denken – und nicht um eine Deduktionsgrundlage für eine ernstgemeinte Anwendung der §§Â€971 f. Diese Bestimmungen setzen überdies Unentgeltlichkeit voraus, was bei Arbeitsleihverhältnissen kaum jemals zutrifft. Die zunächst von der Praxis ausgebildete Arbeitskräfteüberlassung ist ein dem Arbeitsrecht unterliegendes Dreipersonenverhältnis und unterliegt dem AÜG 1988.

IV. Unentgeltlicher Gebrauch Die Sache muss zum unentgeltlichen Gebrauch übergeben werden. Nicht 9 anders als bei der Schenkung ist hierunter die Überlassung ohne Gegenleistung und nicht in Erfüllung einer Verbindlichkeit zu verstehen. Die Zahlung der Kosten für die Übersendung der verliehenen Sache ist schon deshalb keine Gegenleistung, weil nach §Â€905 Abs 1 der Wohnsitz bzw der Niederlassungsort des Verleihers Erfüllungsort ist.26 Gleiches gilt für die Zahlung der mit dem Gebrauch in ordentlicher Weise verbundenen Kosten (§Â€981). Dazu zählt der Aufwand, der unmittelbar mit dem Gebrauch der Sache verbunden ist, wie etwa die Fütterungskosten einer Milchkuh,27 (anteilige) Strom- und Wasserkosten einer Wohnung,28 oder der aus der Rückgabeverpflichtung entspringt. Nicht hingegen der Aufwand, der auch ohne das konkrete Benützungsverhältnis entstanden wäre („Sowieso-Kosten“), weil er als Entgelt anzusehen ist, wenn ihn anstelle des Verleihers nunmehr der Entlehner trägt. Das trifft etwa auf die Grundsteuer29 oder Fondsrückzahlungsraten30 zu, sofern deren Höhe im Verhältnis zum Gesamtwert nicht von ganz untergeordneter Bedeutung ist.31 Die E OGH 1 Ob 132/08f, immolex 2009, 82 (Prader) setzt hier eine Grenze von 10% des ortsüblichen Entgelts fest, wozu aber noch eine der Schenkungsabsicht entsprechende „Verleihungsabsicht“ kommen muss. Ob eine Gegenleistung als Entgelt anzusehen ist, richtet sich nämlich grundsaätzlich nach dem Parteiwillen.32 Nur bei Anwendung dieser Kriterien kann die 24╇ Dazu einerseits OGH 5 Ob 159/71, JBl 1972, 474 und 7 Ob 19/80, SZ 53/151 und anÂ� dererseits GlUNF 5.616; ebenso Ehrenzweig, System II/12, 394; Binder in Schwimann3 IV §Â€971 Rz€11. 25╇ Dazu vgl nur Binder in Schwimann3 IV §Â€971 §Â€30 f. 26╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 679; Binder in Schwimann3 IV §Â€971 Rz€19; auch Schubert in Rummel3 I §Â€971 Rz€5. 27╇ OGH 2 Ob 309/57 EvBl 1957/398. 28╇ LGZ Wien 41 R 244/72, MietSlg 24.100. 29╇ OGH 1 Ob 695/86, JBl 1987, 320 = MietSlg 38.119/49. 30╇ OGH 3 Ob 595/85, SZ 58/163 = EvBl1986/66 = JBl 1986, 187 = MietSlg 37.118. 31╇ Binder in Schwimann3 IV §Â€971 Rz€20; Griss in KBB3 §Â€971 Rz€3. 32╇ Griss in KBB3 §Â€971 Rz€3; OGH 5 Ob 31/00w, MietSlg 52.103; 8 Ob 25/06v (Prader).

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Einordnung der Überlassung einer Wohnung gegen Bezahlung der „Betriebs­ kosten“33 als Leihvertrag angesehen werden, andernfalls liegt ein Bestandvertrag vor,34 wobei sich auch noch die Frage des Anwendungsbereichs und einer allfälligen Umgehung des MRG stellt. Gemischte Verträge, bestehend aus Leih- und Bestandvertrag, setzen die Absicht (teilweise) unentgeltlicher Unterlassung voraus.35 Die Vereinbarung eines Anerkennungszinses oder eines so niedrigen Entgeltes, dass es gegenüber dem Wert der Nutzung nicht ins Gewicht fällt, ist der Unentgeltlichkeit gleichzuhalten;36 zu diesen Fragen siehe auch Rz 3 ff zu § 974. Darauf, ob die Parteien den Ausdruck Leihe gebrauchen, kommt es nicht 10 an. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist von Leihe die Rede, obwohl es in Wahrheit um Miete geht, so bei Leihbibliotheken und Kostümleihanstalten. Neben Mietwagen gibt es Leihwagen, in beiden Fällen werden aber Miet- und nicht Leihverträge geschlossen. Der Zusammenhang zwischen Arbeitsleihverhältnissen und Leihverträgen kann nur mehr als locker bezeichnet werden. Überhaupt müssen die Verhältnisse in ihrem wirtschaftlichen Zusammenhang beurteilt werden. Bei der „Leihe“ von Verpackungen (Säcke, Flaschen, Fässer usw) liegen daher nicht selbständige Leih- oder Mietverträge vor, sondern Nebenabreden zu den in Betracht kommenden Hauptverträgen, idR Kaufverträgen (sogenannte Sackleihe37). Derartige Nebenabreden unterliegen der privatautonomen Gestaltungsfreiheit, bisweilen bilden sich branchenmäßig bestimmte Handelsbräuche, letztlich entscheiden die nächstverwandten Dispositivnormen des Gesetzes.38 Beim üblichen „Flaschenpfand“ liegt hingegen keine Rückgabepflicht des Erwerbers vor und es werden auch nicht individuell bestimmte Stücke zurückgegeben, daher liegt ein Kauf mit (teilweisem) Rückverkaufsrecht vor.39

V. Bestimmte Zeit 11

Die geliehene Sache wird auf eine bestimmte Zeit übergeben. Der Verleiher muss irgendwie zeitlich, darf aber nicht für immer, gebunden sein. Zugelassen wird allerdings auch (analog) die Vereinbarung auf unbestimmte Zeit 33 

Vgl § 21 MRG. Wie hier im Text Stanzl in Klang2 IV/1, 679; Würth in Rummel3 I § 1090 Rz 3; OGH 7 Ob 2373/96p, MietSlg 49.098 und ähnlich 8 Ob 510/91, MietSlg 44.134/50; ohne eine solche Differenzierung Binder in Schwimann3 IV § 971 Rz 20; Schubert in Rummel3 I § 971 Rz 5. 35  Vgl H. Böhm, ÖJZ 1983, 62; auch OGH 1 Ob 618/88, MietSlg 40.099; Binder in Schwimann3 IV § 971 Rz 20. 36  OGH 1Ob 695/86, JBl 1987, 320 = MietSlg 38.119/49; 3 Ob 136/95, SZ 69/99 uza; Binder in Schwimann3 IV § 971 Rz 20; Würth in Rummel3 I § 1090 Rz 3 mit Ausführungen zu zinsgeregelten Bestandverhältnissen. Nach der E 7 Ob 733/89, SZ 63/31 ist die Bearbeitung eines Kleingartens, die ein paar Stunden Arbeit pro Woche verursacht keine „einem Bestandzins gleichzuhaltende Gegenleistung“. Zum Anerkennungszins auch § 974 Rz 6. 37  OGH 2 Ob 230/49, SZ 23/29; 6 Ob 549/79, SZ 52/59 =EvBl 1980/11; 6 Ob 625/84, EvBl 1987/65; Ehrenzweig, System II/12, 180 und 394; Binder in Schwimann3 IV § 971 Rz 21. 38  OGH 6 Ob 549/79, SZ 52/59 = EvBl 1980/11; Schubert in Rummel3 I § 971 Rz 1; auch 2 Ob 230/49, SZ 23/29; 3 Ob 71/58, SZ 31/50 ua und Mayer-Maly in Klang2 IV/2, 712 zu § 1067 sowie F. Bydlinski in Klang2 VI/2, 344 zu § 1062. 39  Zankl, JBl 1986, 493. 34 

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Bestimmte Zeit

§ 971

unter Ausschluss willkürlicher Rückforderung, wobei eine Lösungsbefugnis unter Beibehaltung einer angemessenen Kündigungsfrist40 anzunehmen ist; dazu kommt die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung;41 siehe dazu unten unter Rz  15. Kann die Sache nach Willkür jederzeit zurückgefordert werden, so liegt ohnedies Bittleihe iSd § 974 vor. Die Dauer des Leihverhältnisses kann unmittelbar bis zu einem Rückgabetermin oder durch eine Leihfrist festgelegt sein. Sie kann aber auch mittelbar durch irgendwelche Ereignisse begrenzt werden. In vielen Fällen wird sich die Dauer aus der Absicht – dem Zweck des Gebrauches – ergeben, ohne dass dies ausdrücklich von den Parteien festgelegt werden müsste.42 Auch auf Lebenszeit kann geliehen werden,43 wobei es sich in solchen Fällen gewöhnlich um Wohnungsleih­ verträge handelt. Verliehen wird zB bis zum Freiwerden bestimmter Räume,44 bis zur Rückkehr des Eigentümers,45 für die Zeit beruflicher Anwesenheit,46 für die Dauer der Ehe47 oder der Lebensgemeinschaft. War vereinbart, dass ein Lebensgefährte, der nach Beendigung der Gemeinschaft über keine eigene Wohnmöglichkeit verfügt, sich in aller Ruhe eine Wohnung suchen und die bis dahin benützten Räume weiterhin unentgeltlich bewohnen soll, so liegt darin ein Leihvertrag bis zum Finden einer Wohnung oder bis zu dem Zeitpunkt, da er eine Wohnung hätte finden können.48 Dies gilt ganz allgemein für Wohnungsleihe, bis der Entlehner über eine andere Wohnung oder ein Eigenheim verfügt. Dieser kann die Folgen eigener Saumseligkeit grundsätzlich nicht auf den Entlehner abwälzen; anderes kann sich nur ausnahmsweise aus Besonderheiten verwandtschaftlicher oder freundschaftlicher Beziehungen ergeben. Zu weit aber ginge es, über ein Verschulden des Entlehners hinaus, die Leihdauer mit der Zeit zu begrenzen, in der der Bau eines Ein­familien­ hauses gemeiniglich vollendet werden kann.49 Andere Begrenzungen aus der Rechtspraxis: Versorgung des vom Entlehner gehaltenen Viehs mit Grün­ futter,50 „für die Dauer der Haltung eines Kfz“51, Überlassung eines Bildes für die Dauer einer Ausstellung.52 40 

LGZ Wien 41 R, 244/72 MietSlg 24.100; OGH 6 Ob 129/10d, Zak 2011/659. OGH 4 Ob 545/90, JBl 1991, 381; LGZ Wien 48 R 756/89, MietSlg 42.059; Binder in Schwimann3 IV § 971 Rz 14; Schubert in Rummel3 § 971 Rz 2. 42  OGH 6 Ob 147/07x; Griss in KBB3 § 971 Rz 4. 43  OGH 1 Ob 158/62, RZ 1962, 251; 6 Ob 695/80, MietSlg 32.125. 44  OGH 2 Ob 294/59, MietSlg 6.947; LGZ Wien 41 R 425/566/75, MietSlg 27.122. 45  LGZ Wien 42 R 99/49, EvBl 1949/581. 46  LGZ Wien 41 R 566/75, MietSlg 27.124. 47  OGH 1 Ob 158/62, EvBl 1961/358 = MietSlg 8.565 = RZ 1962, 251; LGZ Wien 41 R 590/79; MietSlg 31.126. 48  LGZ Wien 48 R 756/89, MietSlg 42.059; ähnlich OGH 1 Ob 158/62, RZ 1962, 251: Wohnungsleihe bis zur Schaffung einer Existenz; Binder in Schwimann3 IV § 971 Rz 15. 49  So aber offenbar unter Berufung auf die E OGH 1 Ob 307/56 Stanzl in Klang2 IV/1, 680; der konkrete Zeitpunkt der Vollendung des Baus eines Einfamilienhauses hängt von so vielen Unwägbarkeiten ab, auf die der Bauherr kaum Einfluss hat, dass den Parteien nicht einfach unterstellt werden sollte, sie hätten eine Leihe nur bis zu einem (letztlich nur nachträglich von Sachverständigen festlegbaren) Durchschnittstermin vereinbaren wollen. 50  OGH 6 Ob 604/86, EvBl 1987/134. 51  OGH 1 Ob 122, 123/74; MietSlg 26.070. 52  OGH 1 Ob 831/82, SZ 56/12 = EvBl 1983/71. 41 

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§ 971 12

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Von der gewissen Zeit der §§ 983, 1090, 1151 unterscheidet sich die bestimmte Zeit des § 971 dadurch, dass sie Vertragsverhältnisse auf unbestimmte Zeit nicht erfasst. Die Dauer des Leihverhältnisses ergibt sich, wenn keine andere zeitliche Grenze vereinbart ist, nach dem Zweck der Gebrauchsüberlassung. Es kann aber auch ein unentgeltliches Gebrauchsverhältnis auf unbestimmte Zeit gegen Kündigung als Dauerschuldverhältnis vereinbart werden, auf welches die Vorschriften über den Leihvertrag analog anzuwenden sind;53 dazu siehe unten unter Rz 11 und Rz 15.

VI. Übergabe 13

Die Sache muss übergeben werden. Da sie Eigentum des Verleihers (oder einer von diesem verschiedenen Person) bleibt, handelt es sich nicht um eine Übergabe zu Eigentum gem §§ 426 ff. Sie muss vielmehr dem Entlehner tatsächlich überlassen, und dieser in die Lage versetzt werden, sie gebrauchen zu können. Damit ist letztlich doch wieder Gewahrsame nach §§ 426 ff einzuräumen, wobei allerdings ein Besitzkonstitut nicht genügen kann.54

VII. Abgrenzungsfragen und Sonderfälle Nicht Leihe sondern Schenkung ist die zeitlich beschränkte unentgeltliche Übertragung des Eigentums an einer Sache. Diese ist kein Realvertrag wie die Leihe sondern ein formpflichtiger Konsensualvertrag. Die Übergabe der Sache bewirkt also nicht wie beim Leihvertrag das Zustandekommen des Vertrages als solches, sondern die Erfüllung eines Formgebotes. Auch die Bestellung eines zeitlich beschränkten dinglichen Gebrauchsrechtes kann als Schenkung aufgefasst werden.55 Die Leihe kann zeitlich unbestimmt vereinbart werden, was vor allem bei 15 Wohnungsleihverträgen von praktischer Bedeutung ist, siehe oben Rz 11 und 12. Im Gegensatz zu Bestandverträgen sind solche Verträge unentgeltlich, doch ergeben sich hier leicht Abgrenzungsfragen, zB bei der Leihe gegen Entrichtung der „Betriebskosten“, und es besteht in solchen Fällen stets die Gefahr der Umgehung von Bestandnehmerschutzbestimmungen. Auflösbar sind solche Leihverträge wie andere Dauerschuldverträge jedenfalls aus wichtigen Gründen, selbst wenn sie „auf Lebenszeit“ geschlossen sind.56 Solche Leihverträge gehen, wenn sie nicht höchstpersönlich sind, auf den Universalsukzessor über, Kauf bricht allerdings (mangels besonderer Vereinbarung) nicht Leihe,57 14

53 

Rz 4.

OGH 1 Ob 129/10d, Zak 2011/659; Stanzl in Klang2 IV/1, 680; Griss in KBB3 §  971

Binder in Schwimann3 IV § 971 Rz 1. Schubert in Rummel3 I § 971 Rz 2 unter Hinweis auf Swoboda in Klang 699; Stanzl in Klang2 IV/1, 680. 56  OGH 6 Ob 695/80, MietSlg 32.125; Binder in Schwimann3 IV § 971 Rz 14 f; Schubert in Rummel3 I § 971 Rz 2. 57  Schubert in Rummel3 I § 971 Rz 2; Würth in Rummel3 I § 1090 Rz 9; OGH 2 Ob 3/54, SZ 27/216; 6 Ob 292/66, MietSlg 18.137; 7 Ob 14/74, MietSlg 26.071; 6 Ob 22/75, MietSlg 27.123; 4 Ob 547/80, MietSlg 42.025; 2 Ob 547/91, MietSlg 43.042. 54  55 

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Abgrenzungsfragen und Sonderfälle

§ 971

§Â€1120 ist also unanwendbar. Sonst sind Leihverträge in den Rechtswirkungen den Bestandverträgen durchaus ähnlich.58 Die unentgeltliche Überlassung eines PKW durch einen Kfz-Händler an seinen Kunden während der Reparaturdauer wird von der Rsp als Leih- und nicht als Bestandvertrag qualifiziert;59 der Sache nach wird es sich freilich idR um eine bloße Nebenabrede zu einem Werkvertrag handeln. Ein Leihverhältnis ohne Abschluss eines besonderen Leihvertrages kann sich auch aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis ergeben, so etwa bei Überlassung eines Vorführwagens zur Probefahrt.60 In solchen Fällen sind die für das vorvertragliche Schuldverhältnis maßgebenden Schutz- und Sorgfaltspflichten Vorschriften entscheidend. Soll nicht die gesamte Sache zum Gebrauch übergeben werden, sondern wird nur die Benützung eines Durchgangs vereinbart, so liegt eine „obligatorische Dienstbarkeit“ vor,61 was aber nicht ausschließt, dass eine solche „zum unentgeltlichen Gebrauche auf eine bestimmte Zeit“ übergeben wird. In diesem Fall sind neben den allgemeinen Vorschriften über die „obligatorische Dienstbarkeit“ diejenigen über die Leihe anwendbar. Die Duldung eines Durchgangs auf jederzeitigen Widerruf ist ein Scheinservitut nach §Â€479, kann aber gleichzeitig den Vorschriften über das Prekarium nach §Â€974 unterliegen. Werden Kunstgegenstände dem Veranstalter einer Ausstellung unentgeltlich für die Zeit der Ausstellung zur Verfügung gestellt, so kommt jedenfalls ein Leihvertrag zustande.62 Die Dauerleihe von Kunstgegenständen in Museen wird hingegen von Mayrhofer63 als persönliche Dienstbarkeit und nicht als Leihe gewertet. Es fehlt zwar an der zeitlichen Begrenzung, doch ist dies nicht unabdingbares Merkmal des Leihvertrages, siehe oben Rz€11 und 12. Ob die sichere Aufbewahrung des Gegenstandes und dessen Ausstellung in den Schauräumen eine ins Gewicht fallende Gegenleistung ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, vor allem vom Wert des Exponates. Dem „Dauerverleiher“ wird zumindest die Möglichkeit der außerordentlichen Aufkündigung des Vertrages zuerkannt werden müssen. In Betracht kommt auch die analoge Heranziehung der Widerrufsgründe des Schenkungsrechtes nach §§Â€947 ff, etwa bei schwerwiegenden Vertragsverletzungen vor allem seitens des Museums. Als Innominatkontrakt (besser: als gemischten Vertrag) und nicht als Leihvertrag bezeichnet die Rechtsprechung den Musikautomaten-Aufstellungsvertrag, und zwar auch dann, wenn der Gastwirt am Einspielergebnis nicht beteiligt wird.64 So zutreffend Würth in Rummel3 I § 1090 Rz 9. OGH 7 Ob 270/01h, ZVR 2002/102. 60╇ OGH 1 Ob 35/03h, SZ 2003/30 = EvBl 2003/136 = ZVR 2004/67. 61╇ Schubert in Rummel3 I §Â€971 Rz€3; OGH 5 Ob 77/71, SZ 44/41; vgl aber auch Binder in Schwimann3 IV §Â€971 Rz€6. 62╇ OGH 1 Ob 831/82, SZ 56/12 = EvBl 1983/71. 63╇ Dazu ausführlich in NZ 1975, 86; zu diesem Thema auch Ploil, Kunst & Recht 2/2011, 24. 64╇ OGH 7 Ob 596/57, SZ 31/7; 6 Ob 831/82, SZ 31/116; Binder in Schwimann3 IV § 971 Rz€32; Schubert in Rummel3 I §Â€971 Rz€5; entsprechendes gilt für die heute deutlich häufigeren 58╇ 59╇

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§ 972

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Rechte und Pflichten des Entlehners: 1. in Rücksicht des Gebrauches; § 972. Der Entlehner erwirbt das Recht, den ordentlichen oder näher bestimmten Gebrauch von der Sache zu machen. Nach Verlauf der Zeit ist er verpflichtet, eben dieselbe Sache zurückzustellen. Stammfassung JGS 1811/946.

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Der Entlehner erwirbt – wie der Mieter – das Recht, die Sache zu gebrauchen. Es steht ihm der ausdrücklich oder schlüssig bedungene Gebrauch zu; er darf zB – (wegen der damit verbundenen besonderen Gefahr des Verlustes des Leihstücks nur) wenn dies vereinbart ist – die geliehenen Wertpapiere verpfänden.1 Mangels Vereinbarung gebührt ihm der ordentliche Gebrauch, das ist der persönliche (§ 978) Gebrauch, „den man von der Sache gewöhnlich und insgemein zu machen pflegt“2, der Gebrauch, für welchen Sachen dieser Art nach der Verkehrsauffassung regelmäßig dienen. Mit dem Gebrauch kann, wenn dies der Vereinbarung oder Verkehrsauffassung entspricht, das Recht der Fruchtziehung verbunden sein.3 Dies trifft auf die Leihe einer Kuh zu,4 die Überlassung einer Liegenschaft,5 aber auch Zinsen und Dividenden von Wertpapieren.6 Es bedarf zur Erlangung des Eigentums in solchen Fällen daher weder einer zusätzlichen Vereinbarung noch eines eigenen Übertragungsaktes. Der Gebrauch hat sich grundsätzlich auch im Rahmen des Gesetzes zu bewegen, widrigenfalls kann das Leihstück sofort zurückgefordert werden.7 Den Verleiher trifft – anders als den Bestandgeber nach §  1096 – keine 2 Gewährleistungspflicht8, da ein unentgeltliches Rechtsgeschäft vorliegt. Gebrauchen muss der Entlehner die Sache nicht, es sei denn, dass der Ge3 brauch zur unversehrten Rückgabe nötig ist (zB Bewegen eines entliehenen Reitpferdes).9 Spielautomaten. Vorsicht ist mit dem gängigen Argument geboten, dass das Entgelt schon in den (erwarteten) höheren Umsätzen des Gastwirtes liege. Dieses würde nämlich auch für „SponsoringVerträge“ und ähnliche Rechtsgeschäfte gelten, die unbestreitbar Schenkungen sind, deren Zweck aber die Verbesserung des Images des Geschenkgebers, etwa eines Kreditinstitutes, ist und damit eine Steigerung des Gewinns; dazu siehe auch die E des OLG Innsbruck 3 R 308/92 ZVR 1994/28, wonach ein Leihvertrag vorliegt, wenn ein Vertriebsunternehmen einen PKW aus seiner Erzeugung einem Schi-Nationalteam während dessen Trainingsaufenthalts in Österreich aus Werbegründen kostenlos zur Verfügung stellt. Unentgeltliche Zuwendungen sind keineswegs notwendig völlig uneigennützig. 1  Ehrenzweig, System II/12, 394; GlU 13.027; GlU 13.902; GlU 13.902; GlUNF 5.118. 2  Ofner II 35; Binder in Schwimann3 IV § 972 Rz 1; Griss in KBB3 § 972 Rz 2. 3  Schey in Klang 2 I/2, 211 f; Krasnopolski III 342. 4  OGH 2 Ob 309/57, EvBl 1957/398. 5  Binder in Schwimann3 IV § 972 Rz 3. 6  Binder in Schwimann3 IV § 972 Rz 3. 7  OGH 7 Ob 49/88, SZ 61/259: Benützung des geliehenen Fahrzeugs in alkoholisiertem Zu3 § 972 Rz 1. stand, auch Binder in Schwimann3 IV § 972 Rz 2; Griss 8  Ebenso Binder in Schwimann3 IV § 971 Rz 6. 9  Ebenso Binder in Schwimann3 IV § 971 Rz 1; 3 I § 971 Rz 

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Allgemeines

§ 972

Als Rechtsbesitzer genießt der Entlehner im Unterschied zum Verwahrer 4 Besitzesschutz bei Störung wie bei Entzug des Gebrauches, und zwar gegenüber dem Verleiher wie gegenüber Dritten.10 Petitorischen Schutz genießt der Entlehner jedenfalls gegenüber dem Verleiher auf Grund des Vertrages.11 Strittig ist der petitorische Schutz gegenüber Dritten. Stanzl12 beruft sich hiebei billigend auf die Rechtsprechung für den Mieter, wonach petitorische Ansprüche gegen Dritte nur aus der Not der Zeit bei der Entziehung von Wohnungen und Geschäftsräumen entwickelt wurde, und dass er daher nicht über das notwendige Maß hinaus ausgedehnt werden dürfe; gleiches müsse für den Entlehner gelten. Unter „Not der Zeit“ war die würgende Wohnungsnot in den größeren Städten (vor allem Wien) nach dem Zweiten Weltkrieg gemeint, hervorgerufen durch Verringerung der Wohnfläche infolge der Flächenbombardierungen, verbunden mit dem Zustrom ethnisch Gesäuberter aus Nachbarländern und verschärft durch die vorrangig zu befriedigenden Raumbedürfnisse der Besatzungsmächte. Dazu kamen die für Nachkriegsverhältnisse in besetzten Ländern typische Verwilderung der Sitten und negative Auswirkungen der (in dieser Situation an sich unentbehrlichen) Mieterschutzgesetzgebung. Unter diesen Verhältnissen konnte der Mieter von den Gerichten nicht gut auf den Ausweg verwiesen werden, den Vermieter aufzufordern, in Einhaltung des Mietvertrages den störenden Dritten zu klagen. Solche Klagen wären für diesen unter Berücksichtigung der gesetzlichen Mietzinshöhe völlig unwirtschaftlich gewesen und konnten dem Vermieter auch noch andere, gravierende Unannehmlichkeiten zuziehen, so zB Repressionen einer Besatzungsmacht. Dieser hatte darüber hinaus gelegentlich ein ausgeprägtes wirtschaftliches Interesse, den von einem Dritten hinausgeworfenen Mieter loszuwerden, da bei Neuvermietung meist eine (wenn auch illegale) Ablöse an den Vermieter zu zahlen war. Eine Klage des Mieters gegen den unwilligen Vermieter hätte darüber hinaus die Einleitung offener Feindseligkeiten bedeutet. Diese Anomalie wurde von der weiteren Rechtsentwicklung durch die ana- 5 loge Anwendung der actio Publiciana auf Rechtsbesitzer, die eine körperliche Sache innehaben, beseitigt.13 Die Begründung trifft auf bewegliche wie auf unbewegliche Sachen gleichermaßen zu, und es kommt auch nicht mehr darauf an, ob im konkreten Fall Mieterschutz vorliegt, dessen negative Auswirkungen dogmengeschichtlich den Anstoß zu dieser Rechtsentwicklung gegeben haben. Der Entlehner genießt somit petitorischen Schutz auch gegen Drit10  Binder in Schwimann3 IV § 971 Rz 6; Schubert in Rummel3 I § 971 Rz 2; Koziol/Welser13 II 203; Apathy/Riedler, BR III4 SchR BT Rz 7/6. 11  Binder in Schwimann3 IV § 971 7; Schubert in Rummel3 I § 971 Rz 2. 12  In Klang2 IV/1, 681 unter Berufung vor allem auf die E OGH 1 Ob 340/52, SZ 25/124; vgl auch Klang, Nachbarrecht und Miete, ÖJZ 1951, 1, ders, Der Rechtsschutz des Mieters gegen Dritte, JBl 1947, 429; ders, Nochmals: Der Schutz des Mieters gegen Dritte, ÖJZ 1952, 169. 13  Apathy, Die publizianische Klage (1981) 35 ff, 62 ff; Schubert in Rummel3 I § 972 Rz 2; Würth in Rummel3 I §§ 1092 bis 1094 Rz 1, auch Binder in Schwimann3 III§ 1096 Rz 114 ff; Koziol/Welser13 I 250; Apathy/Riedler, BR III4 SchR BT 8/21 (zumindest bei unbeweglichen Sachen); OGH 7 Ob 654/89, SZ 62/204 (verstärkter Senat) = ecolex 1990, 82 = MietSlg 41.011/40 = wobl 1990/21 (Apathy); einschränkend F. Bydlinski, wobl 1993, 1; dagegen Spielbüchler in Rummel3 I § 372 Rz 

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te und auch hinsichtlich beweglicher Sachen.14 Dass der Entlehner in seiner Rechtsposition mit dem Mieter nicht vergleichbar sei, wie Binder15 meint, ist unzutreffend: Der einzig wesentliche Unterschied zwischen den beiden Vertragstypen liegt in der Entgeltlichkeit, und dieser betrifft nur das Verhältnis zwischen den beiden Parteien, nicht dasjenige gegenüber Dritten. Der Entlehner kann auch Widerspruch nach § 37 EO erheben, wenn das 6 Leihstück beim Verpflichteten gepfändet wird.16 Zur Rückstellungspflicht siehe § 973. 7

2. der Zurückstellung; § 973. Wenn keine Zeit zur Zurückgabe festgesetzt, wohl aber die Absicht des Gebrauches bestimmt worden ist; so ist der Entlehner verbunden, mit dem Gebrauche nicht zu zögern, und die Sache so bald als möglich zurückzugeben. Stammfassung JGS 1811/946.

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Der Entlehner muss die entlehnte Sache dem Verleiher nach Ablauf der Leihzeit zurückstellen. Zurückzugeben ist dieselbe Sache, die seinerzeit übergeben wurde, in unversehrtem Zustand, mit allem Zubehör1 und allen Früchten, sofern sie nicht dem Entlehner zustehen, siehe dazu Rz  1 zu § 972. Für die Abnützung der Sache durch den vertragsgemäßen Gebrauch hat der Entlehner ebenso wenig wie der Mieter aufzukommen,2 selbst wenn sie durch langjährigen Gebrauch bis zur Unbrauchbarkeit abgenutzt worden ist.3 Er muss die Sache auch nicht verbessern. Für den Ort der Rückgabe gibt es keine besonderen Regeln, so dass § 905 2 eingreift. Es ist daher in erster Linie die Verabredung maßgebend. Unbewegliche Sachen sind schon nach der Natur und dem Zweck des Geschäftes an dem Ort, wo sie liegen, zurückzugeben. Bei beweglichen Sachen folgt aus der Natur und dem Zweck des Geschäfts regelmäßig, dass sie dem Verleiher an seiner Wohnoder Geschäftsadresse, allenfalls an dem Ort zurückzustellen sind, wo sie übergeben wurden. Eine Bringschuld ergibt sich letzten Endes auch aus der Verkehrssitte und daraus, dass sich der Verleiher eher die geringere als die schwerere Last auflegen wollte (§§ 914 f). Die Transportgefahr trifft daher den Entlehner.4 Der 14 Apathy, Die publizianische Klage (1981) 76; Schubert in Rummel3 I § 972 Rz 2; Apathy/ Riedler, BR III4 SchR BT 7/6. 15  In Schwimann3 IV § 972 Rz 7 16  Heller-Berger-Stix, EO4 465; Apathy, Die publizianische Klage (1981) 61; Schubert in Rummel3 I § 972 Rz 2. 1  OGH 2 Ob 11/67, EvBl 1967/364. 2  OGH 6 Ob 359/59,.JBl 1960, 255. 3  GlU 9.960; auch Binder in Schwimann3 IV § 972 Rz 11. 4  OGH 1 Ob 610/87, SZ 60/157; Binder in Schwimann3 IV § 972 Rz 8; Schubert in Rummel3 I § 973 Rz 

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Allgemeines

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Wohnort des Entlehners bei Vertragsabschluss wird daher nur ausnahmsweise als Ort der Rückgabe in Betracht kommen. Dem Verleiher ist die Sache zurückzugeben, die bloße Einstellung der Be- 3 nützung reicht nicht aus, wenn darin nicht die volle Wiederherstellung des vorigen Zustandes erblickt werden kann.5 Mit der Besitzklage kann der Verleiher allerdings die Rückgabe nicht fordern, weil die Frage, ob das Leihverhältnis beendet ist, im Besitzstörungsverfahren nicht erörtert werden kann (§ 457 ZPO)6. Der Mangel des Eigentums kann dem Verleiher einer fremden Sache selbst dann nicht eingewendet werden, wenn der Entlehner behauptet, vom Eigentümer zur Zurückbehaltung der Sache ermächtigt zu sein.7 Verlangt hingegen der Eigentümer die Herausgabe der Sache, so kann sich der Entlehner nicht auf die ihn gegenüber dem Verleiher treffende obligatorische Rückgabepflicht berufen.8 Der mit dem Verleiher nicht idente Eigentümer kann sich also sowohl an den Entlehner als auch an den Verleiher halten. Der Entlehner einer nicht dem Verleiher gehörigen Sache kann sich daher widerstreitenden Ansprüchen gegenübersehen.9 Hilfe bietet ihm bis zu einem gewissen Grad die Streitverkündung und die Benennung des Auktors (§§ 22f ZPO).10 Er ist ebenso zur gerichtlichen Hinterlegung nach § 1425 wegen Vorliegens mehrerer Prätendenten berechtigt.11 Voraussetzung der schuldbefreienden Wirkung ist hiebei jedoch, dass der Hinterleger alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternimmt, die Sach- und Rechtslage zu klären. Er darf also nicht einfach das Leihstück dem Eigentümer und dem Verleiher gleichsam vor die Füße werfen. Ist der Entlehner schon bei Vertragsabschluss Eigentümer der Sache gewe- 4 sen, so kann er dies dem Verleiher (außer im Fall der Irreführung) nicht einwenden; § 1109 muss analog angewendet werden, weil der unentgeltlich benützende Eigentümer nicht besser als der Entgelt zahlende Mieter behandelt werden darf. Hat dagegen der Entlehner das Eigentum erst während des Leihverhältnisses erworben, so ist dadurch der Rückgabeanspruch des Verleihers erloschen. Zur Zeit der Rückgabe siehe Rz 11 und 12 zu § 971. Ergibt sich die Zeit 5 aus dem Zweck des Gebrauchs, so darf der Entlehner mit dem Gebrauch nicht zögern und muss die Sache so bald wie möglich zurückzugeben. Darauf, ob er sie wirklich gebraucht hat und ob er sie wegen dem Vertragsabschluss nachfol5 

OGH 6 Ob 359/59, JBl 1960, 255. GlU 12.043; Binder in Schwimann3 IV § 973 Rz 10 f; Fucik in Rechberger, ZPO3 § 457 Rz 1; G. Kodek in Fasching/Konecny III § 457 Rz 7. 7  OGH 1 Ob 610/87, SZ 60/157; Stanzl in Klang2 IV/1, 682; Binder in Schwimann3 IV § 973 Rz 11; Griss in KBB3 § 973 Rz 2. 8  Stanzl in Klang2 IV/1, 682; Griss in KBB3 § 973 Rz 2. 9  Binder in Schwimann3 IV § 973 Rz 11; auch Schubert in Rummel3 I § 973 Rz 2; OGH 7 Ob 80/55, EvBl 1955/375. Siehe auch die Ausführungen zum gleichartigen Problem beim Verwahrungsvertrag Rz 10 f zu §§ 961 bis 963. 10  Ebenso Binder in Schwimann3 IV § 973 Rz 11; Schubert in Rummel3 I § 973 Rz 7; Griss in KBB3 § 973 Rz 2. 11  Binder in Schwimann3 IV § 973 Rz 11; Schubert in Rummel3 I § 973 Rz 2; Griss in KBB3 § 973 Rz 2. Unklar Stanzl in Klang2 IV/1, 682, der offenbar den Sonderfall im Auge hat, dass nur der Verleiher oder nur der Eigentümer andrängt und der andere sich aus irgendwelchen Gründen ruhig verhält. 6 

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gender Umstände noch brauchen könnte, kommt es nicht an. Entscheidend ist nur, in welcher Zeit der vertraglich vorgesehene Gebrauch unter möglichster Rücksicht auf den Verleiher gemeiniglich beendet werden konnte. Einen neuen Eigentümer muss der Entlehner weichen; ein dem §  1120 entsprechender Rechtssatz besteht für die Leihe nicht. Anders ist es nur bei Universalsukzession oder Dreiparteieneinigung.12 Der Entleiher darf das Leihstück nicht willkürlich rückfordern, umgekehrt 6 führt zweckwidrige Verwendung oder Weitergabe an Dritte zu vorzeitiger Rückforderung (§ 978). Vorzeitige Rückgabe setzt voraus, dass dies dem Verleiher nicht beschwerlich ist (§  977). Leihverträge auf unbestimmte Zeit können grundsätzlich ordentlich und jedenfalls außerordentlich aufgekündigt werden.13 Wenn der Entlehner das Leihstück nach Ablauf der Leihzeit nunmehr ohne 7 Rechtstitel weiterbenützt, hat er ein Benützungsentgelt nach § 1041 zu bezahlen.14

§  974. Hat man weder die Dauer, noch die Absicht des Gebrauches bestimmt; so entsteht kein wahrer Vertrag, sondern ein unverbindliches Bittleihen (Prekarium), und der Verleiher kann die entlehnte Sache nach Willkür zurückfordern. Stammfassung JGS 1811/946. Lit: H Böhm, Rechtsprobleme studentischen Wohnens, ÖJZ 1983, 57; JakschRatajczak, Miteigentumsgemeinschaft und Wohnrecht nach §  758 ABGB, NZ 2001, 421; Beck, Das Prekarium – Schutz für die Ehewohnung in der Aufteilung?, EF-Z 2007, 204.

Übersicht I. Bittleihe als Vertrag II. Unentgeltlichkeit III. Jederzeitige Widerruflichkeit IV. Rechtsschutz V. Abgeleitete Rechte VI. Beendigung

1–2 3–7 8–10 11 12 13–15

12  OGH 2 Ob 8/54, SZ 27/126; 1 Ob 137/65, MietSlg 17.087; Binder in Schwimann3 IV § 973 Rz 8; Schubert in Rummel3 I § 971Rz 2. 13  Dazu Binder in Schwimann3 IV § 973 Rz 5 ff; OGH 6 Ob 695/80, MietSlg 32.125; 8 Ob 14/65, EvBl 1965/300 (unleidliches Verhalten). Besonders bekannt geworden ist der Fall der E 6 Ob 204/58, SZ 31/116, der einen Musikautomaten-Aufstellungsvertrag betrifft. Hier hatte die Aufstellung zu einem Ansturm unerwünschter Gäste und dadurch in weiterer Folge zu Sachbeschädigungen geführt. 14  Stanzl in Klang2 IV/1, 683; Binder in Schwimann3 IV § 973 Rz 12.

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Bittleihe als Vertrag

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I. Bittleihe als Vertrag Die Bittleihe (das Prekarium) ist ein Leihvertrag, bei dem der Gebrauch 1 der Sache gegen jederzeitigen Widerruf eingeräumt ist, sodass der Verleiher die Sache nach Willkür zurückfordern kann. Nur soll dies, dass nämlich der Verleiher nicht verpflichtet ist, dem Entlehner die Sache länger, als es ihm beliebt, zu überlassen, soll durch die unglückliche Formulierung „so entsteht kein wahrer Vertrag“ ausgedrückt werden. Die Meinung, die Bittleihe des § 974 sei darüber hinaus „eine Gebrauchsüberlassung ohne Vertragswirkung“, ist heute allgemein aufgegeben.1 Sie ist in sich widersprüchlich, weil dann, wenn der Gebrauch gestattet ist, also die Parteien sich über die wenn auch jederzeit widerrufliche Gebrauchsüberlassung einig sind, eine Willenseinigung und damit ein Vertrag vorliegt. Sicherlich kann auch ohne Vertrag der Gebrauch einer Sache durch einen anderen geduldet werden; dauert dieser Zustand aber einige Zeit, so wird in aller Regel unter Berücksichtigung aller Umstände kein vernünftiger Grund mehr vorliegen, daran zu zweifeln, dass der Gebrauch gegen jederzeitigen Widerruf gestattet sein soll (§ 863 Abs 1). Darüber hinaus können aus der Vertragsverletzung Ersatzansprüche entstehen. Demgemäß haftet der Prekarist für Verschulden seiner Gehilfen nach § 1313a; anders der Prekariumsgeber, weil er seine Leistung2 unentgeltlich erbringt. Die Frage, ob ein Vertrag vorliegt oder ob die Sache ohne Vertrag (Gefäl- 2 ligkeitszusage) gebraucht wird, kann oftmals auf sich beruhen. Das praktisch wichtigste Problem des Besitzesschutzes ist nämlich für beide Fälle gleich, und zwar dahin zu lösen, dass dem Prekaristen Besitzesschutz gegen dem Verleiher (Besitzer) nicht zukommt, näheres siehe unter Rz 11. Im Übrigen sind die Vorschriften über den Leihvertrag auch bei Fehlen eines Vertragsverhältnisses weitgehend analog anzuwenden.3 Viel wichtiger als die eben erörterte 1 Ehrenzweig, System II/12, 396; Koziol/Welser13 II 203; Binder in Schwimann3 IV § 974 Rz 2; auch Schubert in Rummel3 I § 974 Rz 1; Griss in KBB3 § 971 Rz 1; OGH 6 Ob 806/80, SZ 54/43; 7 Ob 38/87, SZ 60/183; 3 Ob 560/87, wobl 1988, 17; 2 Ob 153/98h, JBl 1999, 47; 2 Ob 19/97a, JBl 1999, 244; im Grunde wohl auch nicht anders H. Böhm, ÖJZ 1983, 58 ff, der aber im Interesse einer klaren Abgrenzbarkeit zum Bestandrecht und einer Sicherung der Anwendung von zwingenden mietrechtlichen Vorschriften versucht, der älteren Lehre entgegenzukommen: Das Prekarium sei im Gesetz als Vereinbarung mit eingeschränktem Rechtsfolgewillen angelegt. Die Vereinbarung solle keine vertraglichen Pflichten begründen, aber immerhin die causa für die Leistung sein und auch die Grundlage für die Rückabwicklung und die Bewältigung von Störungen abgeben. Danach dürfe Bittleihe nur dann angenommen werden, wenn „die einzelnen Merkmale der Parteienvereinbarung nach ihrem Stärkegrad und ihrer gegenseitigen Verbindung den Schluss zulassen, dass der Bindungswille der Parteien geringer war, als dies die Schließung eines Leihoder Mietvertrages erfordert“ (59). Die Praktikabilität dieses Verbindlichkeitsvergleichs erfordere allerdings ein Verstehen der Rechtsfigur des Prekariums nicht als begrifflich abgesteckter Tatbestand, sondern als Typus (59). Damit wird allerdings eine einigermaßen vorhersehbare gerichtliche Entscheidung in den heiklen Abgrenzungsfragen erst recht schwierig, weil die Grenze zwischen bloßer Gefälligkeit, „normalem“ Leihvertrag und Prekarium gänzlich ins Schwimmen gerät. 2  OGH 2 Ob 19/97a, JBl 1999, 244 unter Hinweis auf seine Rechtsprechung zur Haftung bei bloßen Gefälligkeitszusagen; Koziol/Welser13 II 203. 3  OGH 1 Ob 682/55, JBl 1956, 340; vgl allerdings 2 Ob 233/03w, ecolex 2005, 425 (abl Ertl), wo es um die Anwendung der Ausschlussklausel des Art 7.10.1. AHVB auf Fälle der Besitzüberlassung im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses ging. Ein plausibler sachlicher Grund für die

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ist bei der Überlassung von Wohnungen und Geschäftsräumen infolge des Mieterschutzes eine ganz andere Frage geworden, nämlich wie frei widerrufliche entgeltliche Gebrauchsverhältnisse zu beurteilen seien. Dazu unten Rz 3 ff.

II. Unentgeltlichkeit Als Unterform der Leihe ist auch die Bittleihe unentgeltlich. Wenn der Oberste Gerichtshof in der Vergangenheit einige Male ausgesprochen hat, dass das Prekarium nicht unentgeltlich sein müsse,4 so kann dies nur dahin verstanden werden, dass auch entgeltliche, frei widerrufliche Gebrauchsverhältnisse zulässig sind. Der Gebrauch des Ausdrucks Prekarium oder gar Bittleihe, kann zu Verwirrung führen, wenn es auch richtig ist, dass bloß prekaristischer Besitz eingeräumt wird. Es handelt sich in diesen Fällen um Innominatverträge5, bei denen der die Sache Gebrauchende Entgelt verspricht und der Übergeber die Sache unter Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs überlässt. Wegen des mit solchen Verträgen verbundenen Bestandvertragselements muss darauf geachtet werden, dass auf diese Weise miet- und pachtrechtliche Kündigungsbeschränkungen nicht umgangen werden.6 Unentgeltlichkeit und damit eine Bittleihe liegen nicht vor, wenn zwar ein 4 besonderes Entgelt nicht gezahlt, die Sache aber aus einem anderen Rechtsgrund als dem der Leihe benützt wird, etwa auf Grund eines Arbeits- oder eines Gesellschaftsverhältnisses. Dessen Kriterien sind dann für Inhalt und Beendigung des Benützungsverhältnisses maßgeblich.7 Besonders wichtig und häufig sind in diesem Zusammenhang familienrechtliche Benützungsverhältnisse, vor allem in Bezug auf Wohnungen. Sie beruhen nicht notwendig auf einer familiären Unterhalts- und Beistandspflicht, wie sie zwischen Ehegatten sowie Eltern und Kindern bzw Großeltern und Enkeln bestehen können, nicht aber zwischen Verschwägerten8 oder Geschwistern. Sind die Kinder selbsterhaltungsfähig, so steht ihnen ein familienrechtlicher Titel zum Verbleiben in der elterlichen Wohnung nicht mehr zu;9 die gegen sie erhobene Räumungsklage verstößt (mangels Vorliegens besonderer Gründe) auch nicht gegen § 1295 Abs 2.10 Andererseits schließt das Bestehen einer Unterhalts- bzw Beistandspflicht zwischen den Parteien nicht schon von vornherein und unter 3

Verschiedenbehandlung von vertraglicher Leihe und bloßer Gefälligkeit ohne Rechtsfolgewillen ist der E nicht zu entnehmen. Da im Übrigen die Rechtsfolgen ident sind, lassen sich greifbare Kriterien für die Abgrenzung kaum finden. 4  OGH 2 Ob 234/55, MietSlg 4362; 4 Ob 145/54, ArbSlg 6136 = MietSlg 4251; 3 Ob 107/49, JBl 1949, 430; 6 Ob 143/02, MietSlg 54.110 ua; Griss in KBB3 § 974 Rz 1 siehe dazu auch Binder in Schwimann3 IV § 974 Rz 32 f mit weiteren Beispielen aus der Judikatur. 5  So auch Binder in Schwimann3 IV § 974 Rz 33; vgl auch SZ 19/238. 6  Ebenso Binder in Schwimann3 IV § 974 Rz 33; OGH 1 Ob 618/88, MietSlg 40.099. 7  Auch Binder in Schwimann3 IV § 974 Rz 20 ff, 29 ff. 8  OGH 1 Ob 626/78, MietSlg 31.008; 7 Ob 732/87, MietSlg 40.078; LGZ Wien 46 R 473/94, MietSlg 46.022 uza; Binder in Schwimann3 IV § 974 Rz 29; Schubert in Rummel3 I § 974 Rz 1. 9  OGH 3 Ob 510/51, SZ 24/278; LGZ Wien 46 R 473/94, MietSlg 46.022 uza; Binder in Schwimann3 IV § 974 Rz 29. 10  OGH 5 Ob 272/67, EvBl 1968/276 = JBl 1969, 89 = MietSlg 20.005/4; Würth in Rummel3 I § 1090 Rz 7.

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Unentgeltlichkeit

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allen Umständen das Vorliegen eines Prekariums aus, nicht einmal bei Wohnungen. Es müssen also die konkreten Umstände des Einzelfalls genau geprüft werden. Entgeltlich wird regelmäßig dann benützt, wenn im Rahmen eines Miet- 5 vertrags auch ohne höheren Zins ein erweiterter Gebrauch gestattet oder vom Vermieter durch längere Zeit widerspruchslos hingenommen wird. In diesem Fall sind die Rechte des Mieters ausgedehnt und ist keine Bittleihe begründet worden.11 Eine Bittleihe liegt aber vor, wenn dem Mieter einer Wohnung weitere Räume ausdrücklich gegen Widerruf und unentgeltlich überlassen werden,12 was vor allem dann der Fall sein wird, wenn der Grund der Benützungsausdehnung im freundschaftlichen Verhältnis zwischen den Vertragsteilen liegt.13 Vielfach wird die Beweislast dafür, dass gegen jederzeitigem Widerruf überlassen wurde, dem Vermieter aufgebürdet.14 Das steht aber im Widerspruch zu § 863 Abs 1, wonach im Zweifel gerade kein Rechtsverlust des Vermieters angenommen werden dürfte. Allerdings steckt in diesem Rechtssatz ein richtiger Kern: Geht es um Wohnungen oder Geschäftsräume, die dem MRG unterliegen, so ist wegen der besonders naheliegenden Gefahr der Gesetzesumgehung die Behauptung der Bittleihe besonders streng zu prüfen.15 Der Anerkennungszins wird allgemein nicht als Entgelt aufgefasst.16 6 Dies lässt sich damit begründen, dass der Parteienwille darüber entscheidet, ob eine Leistung Entgelt sein soll, und dass dieser Wille gerade beim Prekarium dahin gehen kann, einen kleinen Betrag nicht als Entgelt zu geben, sondern als Anerkennung für die Gefälligkeit oder (und) als Anerkennung des prekaristischen Verhältnisses, um die Ersitzung zu verhindern (§ 1497). Dieser Anerkennungszins muss aber, damit noch eine Bittleihe angenommen werden kann, im Verhältnis zum Wert des Gebrauchs gering sein und darf wirtschaftlich nicht ins Gewicht fallen.17 Die Grenzen zu entgeltlichen Gebrauchsverhältnissen, insbesondere zur Miete sind unscharf, vor allem wegen der „Verzerrungen durch die miet- und kleingartenpachtrechtliche Zwangsgesetzgebung“18. Die Rsp lässt sich dabei nicht in Erwägungen ein, ob die Differenz zwischen dem 11  OGH 8 Ob 284/70, MietSlg 23.102; 1 Ob 695/86, JBl 1987, 320; 8 Ob 661/90, wobl 1991, 54; 9 Ob 1511/95, MietSlg 47.065; 5 Ob 61/08v, za vgl auch Schubert in Rummel3 I § 974 Rz 1; Griss in KBB3 § 974 Rz 1. 12  LGZ Wien 41 R 352/76, MietSlg 28.093; 9 Ob 1511/95, MietSlg 47.065; Schubert in Rummel3 I § 974 Rz 1. 13  OGH 1 Ob 654/52, EvBl 1953/5. 14 Stanzl in Klang2 IV/1, 684 unter Hinweis auf OGH 7 Ob 36/56, MietSlg 4950; Schubert in Rummel3 I § 974 Rz 1 nimmt einerseits im Zweifel eine Ausdehnung des Mietrechts an, spricht sich aber andererseits für vorsichtige Rechtsanwendung aus: Aus Gefälligkeit eingeräumter Gebrauch sollte nicht in eine Ausdehnung des Bestandvertrages umgedeutet werden. 15  OGH 7 Ob 114/62, EvBl 1962/508; Schubert in Rummel3 I § 974 Rz 4. 16 Binder in Schwimann3 IV § 974 Rz 15 ff; Würth in Rummel3 I § 1090 Rz 3; OGH 1 Ob 618/88, MietSlg 40.099 uza. 17  So die traditionelle Formulierung, die von Lehre und Rsp verwendet wird, Stanzl in Klang2 IV/1, 685 unter Berufung auf OGH 2 Ob 114/48, SZ 21/119 und 1 Ob 925/47, EvBl 1948/164; Binder in Schwimann3 IV § 974 Rz 16 ff; Würth in Rummel3 I § 1090 Rz 3; Griss in KBB3 § 974 Rz 2. 18 Würth in Rummel3 I § 1090 Rz 

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gesetzlichen Zins und dem bei freier Mietzinsbildung zu erwartenden nicht ohnedies durch ungesetzliche Ablösen und Provisionen ausgeglichen wird, sodass auf jeden Fall auf den freien Mietzins abzustellen wäre; vielmehr stellt sie bei zinsgeregelten Mietverhältnissen auf einen Vergleich mit dem gesetzlich zulässigen ab, andernfalls auf den ortsüblichen Zins19. Bei einem Verhältnis von 1:1020 oder gar 1:1421 fällt der Anerkennungszins wirtschaftlich „nicht ins Gewicht“, wohl aber bei Zahlung eines dem Benützungsverhältnis entsprechenden Anteils des Hauptmietzinses samt Aufwendungen.22 Allerdings darf hiebei nicht außer acht gelassen werden, dass der Entlehner die „mit dem Gebrauche ordentlicher Weise verbundenen Kosten“ auf jeden Fall selbst zu bestreiten hat (§ 981); wenn deren Tragung im Vertrag dem Entlehner auch noch ausdrücklich angelastet wird, kann daher immer noch ein Prekarium vorliegen;23 oder anders formuliert: Der auf diese Kosten entfallende Betrag ist bei Beurteilung, ob ein Betrag als Anerkennungszins zu werten ist, nicht einzuberechnen. Die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel spricht gegen die Annahme eines Anerkenntniszinses,24 schließt einen solchen mE aber nicht geradezu aus. Es kann ja vorkommen, dass der Verleiher zwar bereit ist, sich mit einem „wirtschaftlich nicht ins Gewicht fallenden“ Betrag zu begnügen, nicht aber (bei einer zu erwartenden längeren Dauer des Rechtsverhältnisses) mit einem zéro monétaire; oder dass die Klausel einfach Teil des Formulars bildet, das beide Teile verwendet haben, ohne sich über dessen genauen Inhalt allzu viele Gedanken zu machen. Bei Wohnungen und Geschäftsräumen ist die Entscheidung, ob eine Bitt7 leihe vorliegt, von besonderer praktischer Bedeutung, weil die bittleihweise Überlassung von Räumen nicht den Beschränkungen des MRG unterliegt; um Umgehungen dieses Schutzgesetzes zu vermeiden, muss die Behauptung, dass eine Bittleihe vorliege, stets streng geprüft werden.25

III. Jederzeitige Widerruflichkeit 8

Das Unterscheidungsmerkmal für ein „unverbindliches Bittleihen (Prekarium)“ gegenüber der Leihe besteht darin, dass der Verleiher „die entlehnte Sache nach Willkür zurückfordern“ kann; dem Benützer stehen gegenüber dem Verleiher grundsätzlich keinerlei Rechte zu. Die freie Widerruflichkeit kann ausdrücklich vereinbart sein oder sich aus den Umständen des Falles (§ 863) ergeben. Der Widerruf muss gegenüber dem Entlehner erfolgen, also 19 Binder in Schwimann3 IV Rz 16 f ; Würth in Rummel3 I § 1090 Rz 3; LG Graz 3 R 363/83, MietSlg 35.142 und LGZ Wien 41 R 989/93, MietSlg 45.084; OGH 1 Ob 618/88, MietSlg 40.099. 20  OGH 7 Ob 764/78, MietSlg 31.128; 8 Ob 510/91, MietSlg 44.134/50. 21  LGZ Wien 41 R 659/80, MietSlg 32.127. 22  LGZ Wien 41 R 51/74, MietSlg 26.073, ähnlich LGZ Wien 41 R 389/68, MietSlg 20.086. 23  In diesem Sinn die Fälle der E OGH 7 Ob 179/65, MietSlg 17.129; 5 Ob 552/77, MietSlg 29.147 uza; auch Schubert in Rummel3 I § 974 Rz 2. 24  EvBl 1964/360 = MietSlg 16.078; Binder in Schwimann3 IV § 974 Rz 18; Schubert in 3 I § 1090 Rz 3. Rummel3 I § 974 Rz 2; Würth 25  OGH 7 Ob 114/62, EvBl 1962/508; Schubert in Rummel3 I § 974 Rz 4; Griss in KBB3 § 974 Rz 2.

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Rechtsschutz

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nicht gegenüber einer Person, die ihr Gebrauchsrecht von diesem ableitet. Eine besondere Form ist für den Widerruf nicht vorgeschrieben, es muss lediglich der Wille, das Vertragsverhältnis beenden zu wollen, unzweifelhaft hervorgehen.26 In der Praxis gängige Formulierungen, mit denen diese jederzeitige Wider- 9 rufbarkeit zum Ausdruck gebracht werden soll, sind zB „zur vorübergehenden Benützung“, „nach Gutdünken“, „ohne jegliche Kündigungsfrist“ oder „ohne Räumungsaufschub“. Keine jederzeitige Widerruflichkeit liegt nämlich vor, wenn der Verleiher das Rechtsverhältnis jederzeit auflösen kann, dem Benützer aber eine bestimmte Räumungsfrist gewähren muss.27 Schon gar nicht kann ein Prekarium vorliegen, wenn dem Entlehner eine bestimmte Mindestbenützungszeit eingeräumt wird28 oder diese von einem bestimmten künftigen Ereignis abhängt.29 Ergibt sich das Vorliegen einer Bittleihe nur aus den Umständen des Falles (§ 863), so ist zwar der Geschäftszweck maßgeblich, doch muss berücksichtigt werden, dass die Bittleihe unentgeltlich ist, das Rechtsgeschäft also nach § 915 erster Fall ausgelegt werden muss. Jederzeitige Widerrufbarkeit und damit Prekarium kann sich auch erst auf Grund einer Novation ergeben. So kann ein zunächst als Miete bestehendes Rechtsverhältnis durch ein Prekarium ersetzt werden, wenn sich die beiden Ehegatten, welche die Wohnung benützen, im Zuge eines Scheidungsvergleichs darauf einigen, dass die Wohnung künftig einem von ihnen verbleiben und dieser sie prekaristisch nützen soll (und der Vermieter damit einverstanden ist)30. Wird die Bittleihe von mehreren Personen – in der Praxis regelmäßig Mit- 10 eigentümern – gemeinsam eingeräumt, so kann das Prekarium nicht von einer davon allein widerrufen werden. Vielmehr ist zur Beendigung (zumindest) eine Mehrheitsentscheidung erforderlich.31 Ist die Einräumung des Prekariums allerdings nicht gemeinsam erfolgt, so hat grundsätzlich auch der Minderheitseigentümer einen Räumungsanspruch gegen den Prekaristen.32

IV. Rechtsschutz Wie jeder Entlehner genießt der Bittleiher Besitzesschutz gegenüber 11 Dritten,33 wegen des jederzeit möglichen Widerrufs nach allgemeiner Auffas26  OLG Wien 7 Ra 68/04b, ARD 5551/6/2004: Vorbringen des Arbeitgebers im gerichtlichen Verfahren, dass das verliehene Fahrzeug dem Arbeitnehmer nur zur Verfügung gestellt worden sei und im Eigentum des Arbeitgebers stehe. 27  OGH 6 Ob 200/63, EvBl 1964/360; 4 Ob 627/75, MietSlg 27.128; Schubert in Rummel3 I § 974 Rz 1. 28  LG Eisenstadt R 100/75, MietSlg 27.129; Schubert in Rummel3 I § 974 Rz 1. 29  OGH 5 Ob 599/79, SZ 49/82; LGZ Wien 45 R 258/68, MietSlg 28.087; LGZ Wien 41 R 809/94, MietSlg 47.064; Schubert in Rummel3 I § 974 Rz 1. 30  OGH 8 Ob 261/01t, wobl 2002/123. 31  OGH 6 Ob 806/43, SZ 54/43; 3 Ob 521/86, MietSlg 38.088; 3 Ob 560/87, SZ 60/183 = wobl 1988/1; 5 Ob 160/93, wobl 1994/2 (Call); Binder in Schwimann3 IV § 974 Rz 41; Schubert 3 § 974 Rz 3. in Rummel3 I § 974 Rz 4; 32  OGH 3 Ob 560/87, SZ 60/183 = wobl 1988/1; Schubert in Rummel3 I § 974 Rz 4. 33  Ebenso Stanzl in Klang2 IV/1, 685 und Binder in Schwimann3 § 974, Rz 36; Griss in KBB3 § 974 Rz 3.

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sung aber nicht gegenüber dem Verleiher. Ein Sonderfall liegt allerdings vor, wenn der Verleiher zwar den Widerruf des Prekariums scheut, dessen Inhalt aber in unzumutbarer Weise einschränkt.34 Das kommt etwa dann vor, wenn der Verleiher den Prekaristen loswerden und ihm dabei die Rolle dessen zuschieben will, der das Rechtsverhältnis aus eigenem auflöst, was zB familiäre Gründe haben kann. Ganz allgemein kann der Verleiher zwar das Prekarium jederzeit widerrufen, fraglich ist aber, ob ein solches jederzeit auch nur teilweise erfolgen kann. Ein solchermaßen abgeänderter Vertrag kann dem Prekaristen, der den ordentlichen Benützungs- und Erhaltungsaufwand zu tragen hat (§ 981), sogar mehr lästig als nützlich sein. Sofortige Rückstellung führt gerade nicht notwendig zur Auflösung des Vertrages,35 zumal eine solche jedenfalls dann nicht zulässig ist, wenn sie dem Verleiher beschwerlich fällt (§  977). Denkbar ist vor allem, dass beide Teile am Prekarium festhalten und ortsübliche Nutzung vereinbart ist, Verleiher und Bittleiher aber darüber streiten, was als eine solche zu verstehen sei. Jedenfalls wird aber der Besitzesschutz des Prekaristen gegenüber dem Verleiher die große Ausnahme für besonders ungewöhnlich gelagerte Fälle sein. Ein petitorischer Schutz steht dem Prekaristen hingegen gegenüber Dritten ohneweiters zu,36 nicht aber ein Exzindierungsrecht im Exekutionsverfahren.37

V. Abgeleitete Rechte 12

Der Verleiher kann denjenigen, der sein Recht auf Benützung der Sache bei aufrechtem Bestand der Bittleihe vom Prekaristen ableitet, nicht unmittelbar in Anspruch nehmen,38 also auf Räumung klagen. Das gilt auch für einen Dritten, der aufgrund eines familienrechtlichen Verhältnisses, also als Unterhaltsberechtigter, die den Gegenstand des Prekariums bildende Wohnung mitbenützt.39 Hat aber der Eigentümer das Prekarium widerrufen, so ist es seine Sache, den Bestandnehmer des Prekaristen zur Räumung zu verhalten, und nicht diejenige des Prekaristen, weil es diesem an der Anspruchsberechtigung fehlt.40

VI. Beendigung 13

Das Prekarium wird durch Widerruf beendet. Dieser kann auch in Form der Klagsführung erfolgen.41 Wird aber der Schuldner erst durch den Widerruf 34  Vgl aus der Praxis: Verschlossenhalten der Haustür, um den Wohnungsprekaristen am Empfang von allgemeinen gesellschaftlichen Regeln entsprechenden Besuchen zu hindern, Miet­ Slg 20.087, dazu auch Binder in Schwimann3 IV § 974 Rz 37. 35  LGZ Wien 41 R 108/65, MietSlg 17.090; Binder in Schwimann3 IV § 974 Rz 44. 36  Nach Stanzl in Klang2 IV/1, 685 nur bei Besitzentziehung an unbeweglichen Sachen; siehe dazu aber § 972 Rz 4 f. 37  OGH 3 Ob 469/53, SZ 26/191. 38 Griss in KBB3 § 974 Rz 4; OGH 7 Ob 94/56, EvBl 1956/348; 3 Ob 107/49, JBl 1949, 430. 39  OGH 8 Ob 540/93, ecolex 1994, 14. 40  OGH 7 Ob 138, 158/74, MietSlg 26.034; Schubert in Rummel3 I § 974 Rz  41  OGH 6 Ob 359/255, JBl 1960, 255; 8 Ob 469/53, ecolex 1994, 14.

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Allgemeines

§ 975

leistungspflichtig, so hat er vorher zur Klagsführung keinen Anlass gegeben, was zur Folge hat, dass gem § 45 ZPO nicht der unterlegene Beklagte (Prekarist) sondern der obsiegende Kläger (Verleiher) kostenersatzpflichtig wird.42 Der Tod des Verleihers wirkt sich als solcher nicht auf das Prekarium aus, 14 es ist Sache der Erben, dieses zu widerrufen.43 Da es sich um ein personenbezogenes Rechtsverhältnis handelt, erlischt bei Tod des Prekaristen das Benützungsrecht im Zweifel. Begründen lässt sich das durch Größenschluss aus § 52944 oder einfach aus § 97845 weil der Entlehner die Sache grundsätzlich persönlich zu gebrauchen hat. Der Einzelrechtsnachfolger des Verleiher muss das Prekarium nur bei entsprechender Vereinbarung gegen sich gelten lassen.46 Die Rückstellung des Objektes durch den Prekaristen wirkt nicht als Auf- 15 lösung.47 Sie kann dem Leihgeber im konkreten Zeitpunkt nämlich höchst ungelegen kommen, etwa weil er Vorkehrungen zur Verwahrung treffen muss.

§ 975. Bei einem Streite über die Dauer des Gebrauches muß der Entlehner das Recht auf den längeren Gebrauch beweisen. Stammfassung JGS 1811/946.

Die Vorschrift stellt einen Sonderfall der Unklarheitenregel des § 915 1 erster Halbsatz dar, wonach bei unentgeltlichen Verträgen im Zweifel angenommen wird, dass sich der Verpflichtete eher die geringere als die schwerere Last auferlegen wollte. Die Beweislast für die von ihm behauptete längere Dauer des Gebrauchs trifft also den Entlehner. Bei der Rückforderung der Sache braucht daher der Verleiher nur zu behaupten und zu beweisen, dass er sie dem Entlehner unentgeltlich zum Gebrauch übergeben hat, während dieser sein weiteres Gebrauchsrecht dartun muss. Die Rückgabeklage wirkt daher wie eine willkürliche Rückforderung der Sache, so dass sich in diesem Sinn sagen lässt, im Zweifel sei eine Bittleihe anzunehmen.1 Zu dem nur scheinbar im Widerspruch dazu stehenden gängigen Rechtssatz, im Zweifel werde Bittleihe nicht vermutet, siehe unten unter Rz 3. Dieser Fall der Unklarheitenregel greift nicht nur dort ein, wo die Dauer 2 der Überlassung fraglich erscheint sondern auch in anderen Fällen, etwa bei der Auswahl des Leihobjektes oder der Art des Gebrauchs.2 Voraussetzung ist allerdings, dass der Abschluss eines unentgeltlichen 3 Rechtsgeschäftes feststeht. Ist dies der Fall, dann ist sie auch anzuwenden, Dazu M. Bydlinski, Kostenersatz im Zivilprozessrecht (1992) 270 ff, insb 279 f. OGH 4 Ob 523/87, JBl 1988, 237; Binder in Schwimann3 IV § 974 Rz 44; Griss in KBB3 § 974 Rz 6. 44 Binder in Schwimann3 IV § 974 Rz 45. 45 Schubert in Rummel3 I § 976 Rz 1. 46  OGH 8 Ob 2024/96x, SZ 69/71; Griss in KBB3 § 974 Rz 5. 47  LGZ Wien 41 R 108/65, MietSlg 17.090; Binder in Schwimann3 § 974 Rz 35. 1  So schon Zeiller, Comm III/1 216; Binder in Schwimann3 IV § 974 Rz 25; Griss in KBB3 § 975 Rz 1; OGH 6 Ob 359/59, SZ 32/154. 2  Zutreffend Binder in Schwimann3 IV § 975 Rz 1. 42  43 

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wenn fraglich ist, ob Schenkung oder Leihvertrag anzunehmen ist. Ist dies nicht der Fall, geht es also um die Frage, ob ein Bestand- oder ein Leihvertrag anzunehmen ist. Da greift die Regel nicht ein.3 Diesen Fall hat die ständige Rsp offenbar im Auge, wenn sie immer wieder betont, Bittleihe werde nicht vermutet.4 Daher ist vom Überlasser des Objektes auch zu beweisen, dass die von ihm empfangene Gegenleistung kein ordentliches Entgelt darstellt, sondern nur einen Anerkennungszins5. Dazu kommt noch die besondere Gefahr der Umgehung der Schutzbestimmungen des MRG durch Annahme eines Leihvertrages mit Anerkennungszins, der durch besondere Vorsicht bei der Annahme eines solchen Rechnung zu tragen ist.6

§ 976. Wenngleich die verlehnte Sache vor Verlauf der Zeit und vor geendigtem Gebrauche dem Verleiher selbst unentbehrlich wird; so hat er ohne ausdrückliche Verabredung doch kein Recht, die Sache früher zurückzunehmen. Stammfassung JGS 1811/946.

1

Dass die Sache – auch wenn sie dem Verleiher unentbehrlich wird – erst nach der bestimmten Zeit zurückgefordert werden darf, folgt bereits aus §  1413. Allerdings kann ein solcher vertraglicher Rückforderungsanspruch vertraglich vereinbart werden. Anders als der Hinterleger (§ 972)1 hat aber Verleiher kein grundsätzliches Recht auf jederzeitige vorzeitige Rückforderung. §  976 regelt einen Ausnahmefall, in dem doch vorzeitig zurückgegeben werden muss, wenn nämlich – unabhängig von der vereinbarten Dauer – der Gebrauch beendet ist.2 Das ist jedoch nicht der einzige Ausnahmefall. Nichts anderes gilt bei Missbrauch durch den Entlehner (§ 978). Auch andere Fälle vorzeitiger Rückforderung kommen in Betracht, so etwa derjenige, dass der Verleiher das Objekt zurückfordert, um es vor drohenden Gefahren in Sicherheit zu bringen.3 Schließlich beendet der Tod des Verleihers das Leihverhältnis nicht, wohl aber der Tod des Entlehners, weil im Zweifel nur zum höchstpersönlichen Gebrauch geliehen ist (§ 978);4 Siehe dazu auch § 974 Rz 13. Die Bittleihe bleibt von §  976 unberührt, weil für diese die jederzeitige 3 Widerruflichkeit begriffsnotwendig ist.

3 Griss

in KBB3 § 975 Rz 2. OGH 6 Ob 147/66, MietSlg 18.096; 8 Ob 180/70, MietSlg 22.083; 9 Ob 1511/95, MietSlg 47.065 uza. 5 Binder in Schwimann3 IV § 974 Rz 25; LGZ Wien 41 R 444/82, MietSlg 34.146. 6  Ähnlich Binder in Schwimann3 IV § 974 Rz 24. 1 Zu den Gründen dieses Unterschiedes Binder in Schwimann3 IV § 976 Rz 1. 2  In Klang2 IV/1, 686; Griss in KBB3 § 971 Rz 1. 3  So Binder in Schwimann3 IV § 976 Rz 2. 4  Schey in Klang2 I/2, 344. 4 

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Allgemeines

§§ 977–980

§  977. Der Entlehner ist zwar in der Regel berechtigt, die entlehnte Sache auch vor der bestimmten Zeit zurückzugeben; fällt aber die frühere Zurückgabe dem Verleiher beschwerlich; so kann sie wider seinen Willen nicht stattfinden. Stammfassung JGS 1811/946.

Die Leihe dient regelmäßig nur den Zwecken des Entlehners, sodass dieser 1 die Sache auch vorzeitig, nämlich vor Ablauf der bedungenen Leihzeit, zurückgeben darf. Aus demselben Grund ist aber auf den Verleiher billige Rücksicht zu nehmen. Es darf ihm also die frühere Rückgabe nicht aufgedrängt werden kann, wenn sie ihm beschwerlich fällt. Das kann bei Abwesenheit des Verleihers zutreffen, wenn besondere Vorkehrungen für die Rücknahme zu treffen sind oder wenn Verwahrungskosten auflaufen.1 Der Entlehner kann in einem solchen Fall das Objekt zwar hinterlegen, aber nicht einem Dritten zum Gebrauch weitergeben (§ 978). Die Beschwerlichkeit der vorzeitigen Rücknahme ist vom Verleiher zu 2 beweisen, maßgeblich sind die Umstände zur Zeit der beabsichtigten Rückgabe. Für das einzelne Geschäft kann Auslegung des Parteiwillens ergeben, dass vor der bestimmten Zeit auf keinen Fall oder vielleicht auch auf jeden Fall zurückgegeben werden darf.

3. der Beschädigung; § 978. Wenn der Entlehner die geliehene Sache anders gebraucht, als es bedungen war, oder den Gebrauch derselben eigenmächtig einem Dritten gestattet; so ist er dem Verleiher verantwortlich, und dieser auch berechtigt, die Sache sogleich zurückzufordern. § 979. Wird die geliehene Sache beschädigt, oder zu Grunde gerichtet, so muß der Entlehner nicht nur den zunächst durch sein Verschulden verursachten, sondern auch den zufälligen Schaden, den er durch seine widerrechtliche Handlung veranlaßt hat, so wie der Verwahrer einer Sache ersetzen (§ 965). § 980. Dadurch, daß der Entlehner für ein verlorenes Lehnstück den Wert erlegt, hat er noch kein Recht, dasselbe, wenn es wieder gefunden wird, gegen den Willen des Eigentümers für sich zu behalten, wenn dieser bereit ist, den empfangenen Wert zurückzugeben. Stammfassung JGS 1811/946.

1  Schubert in Rummel3 I § 977 Rz 1; Griss in KBB3 § 977 Rz 1; Koziol/Welser13 II 205; auch Binder in Schwimann3 IV § 977 Rz 

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§§ 978–980

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Übersicht I. Haftung des Entlehners 1. Verschuldenshaftung 2. Vertragswidriger Gebrauch und Überlassung an Dritte 3. Haftung für Dritte 4. Art und Höhe des Schadens 5. Wiederauffinden der verlorenen Sache II. Vorzeitige Vertragsauflösung

1–9 1–3 4 5 6–8 9 10

I. Haftung des Entlehners 1. Verschuldenshaftung 1

Der Entlehner hat Anspruch auf den bedungenen Gebrauch. Er ist zwar verpflichtet, das Leihstück nach Vertragsende in unversehrtem Zustand wieder zurückzustellen, doch fällt ihm nicht die durch den vereinbarten oder üblichen Gebrauch der Sache bedingte naturgemäße Abnützung zur Last; auch braucht er nicht Vorsichtsmaßnahmen gegen außergewöhnliche Zufälle zu treffen,1 wohl aber hat er die Betriebsfähigkeit eines entlehnten Fahrzeugs vor Inbetriebnahme zu prüfen.2 Er hat auf die Interessen des Verleihers Rücksicht zu nehmen und haftet für verschuldete Beschädigung, insbesondere für übertriebene Abnützung (§ 982) und auch für verschuldeten Verlust. Ist die Sache beschädigt worden oder verloren gegangen, so muss der Entlehner seine Schuldlosigkeit beweisen (§ 1298).3 Wie der Verwahrer, so haftet auch der Entlehner für sogenannten gemisch2 ten Zufall. Auch hier liegt eine Verschuldenshaftung vor, wie sie bereits § 1311 vorsieht. Der Entlehner haftet nicht nur für den Schaden, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht außerhalb der menschlichen Erfahrung liegt, sondern auch für Schaden, der durch ein zufälliges Ereignis herbeigeführt wird, der aber durch die rechtswidrige Ausgangshandlung nicht eingetreten wäre. Dies ist nach dem heutigen Stande der Kausalitätstheorie ohnedies unproblematisch, doch unterschied diese zur Zeit der Redaktoren zwischen Verursachung und Veranlassung, so dass durchaus Anlass bestand, diese in § 979 ausdrücklich4 gleich zu stellen. Voraussetzung der Haftung ist allerdings das Vorliegen der Adäquität und des Rechtswidrigkeitszusammenhanges.5 Eigenes Verschulden hat der Verleiher zu vertreten (§ 1304), etwa wenn er 3 den Entlehner auf nicht erkennbare Transportrisken nicht aufmerksam macht.6 1 

OGH 1 Ob 831/82, SZ 56/12 = EvBl 1983/71. OGH 5 Ob 159/71, JBl 1972, 474; ähnlich 2 Ob 11/67, EvBl 1967/364; 2 Ob 333/60, ZVR 1961/111; Binder in Schwimann3 IV § 979 Rz 2. 3  OGH 1 Ob 831/82, SZ 56/12 = EvBl 1983/71. 4  Ehrenzweig, System II/12, 43 f; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 100 f. 5  Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 101. 6  OGH 1 Ob 831/82, SZ 56/12 = EvBl 1983/71 (aus künstlerischen Gründen gewählte Herstellungsart einer Stahlplastik, die zu einer Ausstellung transportiert werden sollte); 2 Ob 154/06w (Kathrein) (kein Hinweis, dass ein leihweise überlassener Vorführwagen nicht vollkaskoversichert war); Griss in KBB3 § 979 Rz 2. 2 

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Haftung des Entlehners

§ 978–980

2. Vertragswidriger Gebrauch und Überlassung an Dritte Als pflichtwidrige Handlungen, die Anlass für die casus mixtus-Haftung 4 geben können, nennt das Gesetz in §Â€978 in unmittelbarem Zusammenhang mit §Â€979 den vertragswidrigen Gebrauch und die eigenmächtige Gestattung des Gebrauches durch einen Dritten. Solche Haftungsfälle ergeben sich etwa, wenn der Entlehner eines Kraftfahrzeugs dieses zu einer weiteren als der ver­ einbarten Fahrt benützt und dabei zufällig ein Schaden entsteht7 oder wenn der Schmuck weiterverliehen oder nicht rechtzeitig zurückgegeben und dann beim Dritten oder beim Entlehner gestohlen wird. Eine Grenze findet diese Haftung, wenn die Sache auch beim Verleiher – etwa weil gleichzeitig seine Schmuck­ kassette gestohlen wurde – verloren gegangen ist oder beschädigt worden wäre. Gehaftet wird auch für Sachen, die der Entlehner mit dem geliehenen Gegenstand übernommen hat, ohne dass deren Leihe beabsichtigt wäre; ge­ gebenenfalls kommt hier ein Mitverschulden des Verleihers in Betracht.8 Ist der Verleiher nicht selbst Eigentümer, so hat er dessen Interessen zu wahren und bei vertragswidrigem Gebrauch bzw Überlassung der Sache an Dritte die­ se gegebenenfalls unverzüglich zurückzufordern.9 3. Haftung für Dritte Der Entlehner haftet nicht nur für sein eigenes Verschulden, sondern auch 5 für dasjenige seiner Erfüllungsgehilfen gem §Â€1313a, also derjenigen Perso­ nen, deren er sich bei der Verwahrung und der Beaufsichtigung der Sache bedient,10 beim Transport11 (auch bei der Rückstellung), sowie beim Gebrauch, da es sich hier durchwegs um vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten des Entlehners handelt.12 Entsprechendes gilt für Hilfspersonen, die ein Arbeitneh­ mer des Entlehners (auch unzulässigerweise) beizieht. 4. Art und Höhe des Schadens Da der Leihvertrag die Grundlage des Schadenersatzanspruches des Ver­ 6 leihers bildet, steht er diesem auch dann zu, wenn er nicht zugleich Eigentümer ist.13 In einem solchen Fall liquidiert er im Drittinteresse14 („Obhutsfälle“). Auch die Rechtsprechung hebt hervor, dass hier der Schaden im Vermögen einer Person eintreten kann, der gegenüber sich der Verwahrer bzw Entlehner JBl 1931, 264; auch Schubert in Rummel3 I §Â€978 Rz€1. OGH 2 Ob 11/67, EvBl 1967/364 (Möbelstücke auf einem zu Transportzwecken entlehn ten Pritschenwagen, was dem Entlehner nicht mitgeteilt wurde); dazu Binder in Schwimann3 IV §Â€979 Rz€10; auch Schubert in Rummel3 I §Â€979 Rz€1. 9╇ OGH 7 Ob 48/88, RZ€1990, 39; Griss in KBB3 §Â€978 Rz€1. 10╇ SZ 3/18. 11╇ OGH 1 Ob 831/82, SZ 56/12 = EvBl 1983/71; 1 Ob 610/87, SZ 60/157 = HS 18.737. 12╇ Binder in Schwimann3 IV §Â€979 Rz€4; auch Schubert in Rummel3 I §Â€979 Rz€1; OGH 7 Ob 577/77, SZ 50/100. 13╇ OGH 1 Ob 610/87, SZ 60/157 = HS 18.737; Schubert in Rummel3 I §Â€979 Rz€1; Apathy/ Riedler, BR III4 SchR BT Rz€7/4; Griss in KBB3 §Â€979 Rz€2. 14╇ Binder in Schwimann3 IV §Â€979 Rz€7; Apathy/Riedler, BR III4 SchR BT 7/4. 7╇ 8╇

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nicht zur Sorgfalt verpflichtet hat. Der Mangel einer Vertragsbeziehung zum Eigentümer soll aber nicht dazu führen, dass der verantwortliche Schädiger von seiner Schadenersatzpflicht aus dem Vertrag mit dem Verleiher befreit wird. Die dingliche Rechtslage bewirkt, dass der normalerweise vom Hinterleger bzw Verleiher eintretende Schaden von einem Dritten, dem Eigentümer zu tragen ist. In diesen Fällen der Schadensüberwälzung ist dem Vertragspartner die Schadensliquidation im Drittinteresse zu gestatten, zumal anzunehmen ist, dass der Verleiher ohnehin dem Eigentümer gegenüber verantwortlich ist und damit selbst einen Schaden erleidet.15 Der Entlehner haftet auch für Sachen, die zwar im Rahmen des Leihvertra7 ges übernommen worden sind, deren Leihe aber nicht beabsichtigt war.16 Die Haftung kann insgesamt vertraglich eingeschränkt werden.17 Im Übrigen bestehen keine besonderen Bestimmungen. Schadenersatz ist auch hier in erster Linie durch Wiederherstellung des vorigen Standes zu leisten,18 und erst wenn dies unmöglich oder untunlich ist, durch Geldersatz. Da Kunstwerke häufig Gegenstand von Leihverträgen sind, stellen sich in 8 der Rechtspraxis öfters schwierige Bewertungsfragen. Reparatur kann aus künstlerischen Erwägungen unmöglich (oder aus urheberrechtlichen unzulässig) sein, auch die Anschaffung eines Ersatzstückes kommt umso weniger in Betracht je wertvoller und seltener das Kunstwerk ist. In einem solchen Fall hat der OGH den vom Künstler, dem Verleiher, und nicht der von einer Kommerzgalerie erzielbaren Verkaufserlös als maßgeblich angesehen.19 Fragwürdig ist insofern allerdings die E OGH 1 Ob 610/87, SZ 60/157 = HS 18.737, die zwar die Restaurierungskosten einer Figurengruppe (Buddha bzw Boddhisatvas) um 1700 zusprach, nicht aber die merkantile Wertminderung zugesprochen hat, weil der Käufermarkt bei antiken Figuren dieser Art stets mit Restaurierungen rechne. Der bei Kraftfahrzeugen maßgebliche Verdacht unentdeckter Mängel spielt bei dieser Art von Leihstücken zwar kaum eine Rolle, aber das Maß der vorhandenen Restaurierungen ist erfahrungsgemäß eine wichtige wertbestimmende Eigenschaft. 5. Wiederauffinden der verlorenen Sache 9

Wird die Sache wieder aufgefunden, nachdem der Entlehner wegen des Verlustes Schadenersatz geleistet hat, so darf er sie grundsätzlich nicht behalten, er braucht sie aber nur gegen Rückgabe des vom Verleiher empfangenen Werts herauszugeben. Die Schadenersatzleistung führt also nicht zum Eigentumsübergang, der Verleiher kann die Sache als Eigentümer weiterhin zurückfordern. Der Entlehner hat ihm vom Wiederauffinden unverzüglich Mitteilung zu machen und dieser, der Verleiher, hat das Wahlrecht, ob er vom Entlehner die Sache gegen Rückgabe des Wertersatzes Zug um Zug zurückfordert 15  OGH 1 Ob 610/87, SZ 60/157 = HS 18.737; dazu auch Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz 13/5, Rz 3/15 f, Rz 13/27, Rz 13/31. 16  OGH 2 Ob 11/67, EvBl 1967/364; Griss in KBB3 § 979 Rz 1. 17  OGH 5 Ob 2015/96a; Griss in KBB3 § 979 Rz 2. 18  ZB durch Erneuerung der verlorenen Urkunde: GlUNF 1955. 19  OGH 1 Ob 831/82, SZ 56/12 = EvBl 1983/71.

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Übersicht

§ 981

oder aber diesen behält, etwa weil er bereits Ersatz für die verlorene Sache beschafft hat und diese daher nicht mehr brauchen kann. Lehnt der Verleiher das Rückgabeanbot ausdrücklich oder schlüssig ab oder äußert er sich nicht innerhalb der Frist des §Â€982 von dreißig Tagen, so geht das Eigentum auf den Entlehner über.20 Das Wahlrecht hat also der Verleiher, nicht der Entlehner.

II. Vorzeitige Vertragsauflösung Das Leihverhältnis ist wie das Miet- und Dienstverhältnis ein Dauer- 10 schuldverhältnis. Der Entlehner kann regelmäßig den Vertrag auch ohne Grund vorzeitig auflösen, dh die Sache zurückgeben (§Â€977). Dem Verleiher wird die vorzeitige Rückforderung für den Fall, dass ihm die Sache unentbehrlich geworden ist, ausdrücklich versagt (§Â€976), es sei denn, dies ist vertraglich vereinbart.21 Dagegen ist der Verleiher zur vorzeitigen Rückforderung bei vertragswidrigem Gebrauch durch den Entlehner und auch dann berechtigt, wenn dieser den Gebrauch eigenmächtig einem Dritten gestattet (§Â€978). Über den Tod des Verleihers oder Entlehners siehe §Â€976 Rz€2.

4. der Erhaltungskosten. §Â€981. Die mit dem Gebrauche ordentlicher Weise verbundenen Kosten muß der Entlehner selbst bestreiten. Die außerordentlichen Erhaltungskosten hat er zwar, dafern er die Sache dem Verleiher nicht zur eigenen Besorgung überlassen kann oder will, inzwischen vorzuschießen; doch werden sie ihm gleich einem redlichen Besitzer vergütet. Stammfassung JGS 1811/946. Lit: Swoboda, Die Bestreitung des Aufwandes beim Leihvertrag, GZ 1927, 178.

Übersicht I. Benützungsaufwand II. Erhaltungsaufwand 1. Gewöhnliche Erhaltungskosten 2. Außerordentliche Erhaltungskosten 3. Ersatzanspruch des Entlehners III. Nützlicher Aufwand IV. Schadenersatz

20╇ Ehrenzweig, System II/12, 395; Binder in Schwimann3 IV §Â€980 Rummel3 I §Â€980 Rz€1; auch Griss in KBB3 §Â€980 Rz€1. 21╇ Schey in Klang2 I/2, 244.

1–2 3–8 3 4–7 8 9–10 11–12

€1 ff; Schubert in

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I. Benützungsaufwand Für den ordentlichen Benützungs- und Erhaltungsaufwand hat der Entlehner selbst aufzukommen, nicht aber für außerordentliche Kosten.1 Er hat also den leicht voraussehbaren, die Form, Gestalt und Substanz der Leihsache wahrenden und den Gebrauch erst ermöglichenden Aufwand zu tragen,2 also zB die Betriebskosten einer Eigentumswohnung3 oder eines Kraftfahrzeuges (Benzin und Service). Weiter geht Stanzl in der Vorauflage4, wonach für den Aufwand, den der vertragsmäßige Gebrauch mit sich bringt, der Entlehner auch dann aufkommen muss, wenn diese Kosten außergewöhnlich hoch sein sollten und daher vom Entlehner nicht vorhergesehen werden konnten, etwa wenn eine entliehene Maschine eine ganz außergewöhnlich starke Heizung benötige. Komme der Gebrauch dem Entlehner zu kostspielig, so könne er von ihm absehen; überdies habe er nach § 977 idR ohnehin das Recht, die Sache dem Verleiher vorzeitig zurückzustellen. Für diese Auffassung spricht der Umstand, dass es grundsätzlich erst recht fragwürdig wäre, diesen Aufwand, der durch den Gebrauch des Entlehners entsteht, dem Verleiher anzulasten, der aus der Benutzung der Sache keinerlei Vorteil gezogen hat. Die Verschiedenbehandlung von außerordentlichen Gebrauchskosten, die vom Entlehner zu tragen sind und außerordentlichen Erhaltungskosten, die der Verleiher zu ersetzen hat, ist trotz der damit verbundenen Abgrenzungsschwierigkeiten deshalb gerechtfertigt, weil der außerordentliche Erhaltungsaufwand – anders als der außerordentliche Gebrauchsaufwand – meist über die Benutzungsdauer hinauswirkt und damit dem Verleiher zugute kommt. Diesem Zweck der Differenzierung würde eine Faustregel entsprechen, wonach Erhaltungs- und nicht Gebrauchsaufwand vorliegt, wenn die Aufwendung in nennenswertem Umfang auch über die Zeitdauer der Gebrauchsüberlassung hinauswirken soll. Nicht zum Benützungsaufwand, der vom Entlehner zu ersetzen ist, gehö2 ren Kosten, die schon aus der Bereitstellung der Sache unabhängig vom konkreten Benützungsverhältnis entstehen. Der Verleiher würde sich andernfalls durch die Überwälzung solcher Kosten eigene Aufwendungen ersparen, die ihn unabhängig davon träfen und im Ergebnis dann ein Entgelt erhalten. Zu diesen grundsätzlich nicht zu ersetzenden Aufwendungen gehört die Grundsteuer, soweit sie nicht so gering ist, dass sie in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zum Wert der Gebrauchsüberlassung steht.5 Ganz allgemein steht es dem Verleiher nämlich privatautonom frei, Aufwendungen über die Regelung des § 981 hinaus auf den Entlehner zu überwälzen, doch führt die Vereinbarung eines Entgeltes, das über das Ausmaß eines Anerkennungszinses hinausgeht, dazu, dass der Vertrag dann nicht mehr als unentgeltliche Leihe sondern 1

1  Swoboda, GZ 1927, 178; Stanzl in Klang2 IV/1, 689; Binder in Schwimann3 IV §  981 Rz 1 und 2; Schubert in Rummel3 I § 981 Rz 1. 2  So die Umschreibung bei Binder in Schwimann3 IV § 981 Rz 1. 3  OGH 3 Ob 599/85, SZ 58/163 = JBl 1986, 187 = EvBl 1986/66. 4  In Klang2 IV/1, 689 im Anschluss an Swoboda in der ersten Auflage. 5  OGH 1 Ob 695/86, JBl 1987, 320 = RdW 1987, 258 = MietSlg 38.084/49; Schubert in Rummel3 I § 981 Rz 1; Apathy/Riedler, BR III4 SchR BT Rz 7/3; ebenso Darlehensrückzahlungen, die an sich den Verleiher treffen (OGH 1 Ob 542/91, MietSlg 43.043).

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Erhaltungsaufwand

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als ein entgeltliches Rechtsgeschäft, in der Regel als Bestandvertrag angesehen werden muss und damit den für diesen vorgesehenen Beschränkungen der Privatautonomie unterliegt.6

II. Erhaltungsaufwand 1. Gewöhnliche Erhaltungskosten Die ordentlichen Erhaltungskosten belasten ebenfalls den Entlehner, 3 auch wenn sie nicht schon unter den Begriff des Gebrauchs fallen,7 wobei die Abgrenzung der beiden Begriffe auf weite Strecken schwierig sein kann. Die Belastung des Entlehners mit den gewöhnlichen Erhaltungskosten erfolgt schon aus dessen Pflicht, die Sache unversehrt zurückzustellen. Aus dieser Pflicht ergibt sich auch die Belastung des Entlehners mit den Rückstellungskosten. Den Verleiher trifft anders als den Vermieter keine Gewährleistungspflicht iSd § 1096. Er hat den Gebrauch nur zu gestatten. Ihm obliegt daher auch im Gegensatz zum Bestandgeber keine Instandhaltungspflicht während der Dauer des Gebrauchs. Unter Erhaltungskosten ist jener Aufwand zu verstehen, der zur Erhaltung der Sache erforderlich ist und nicht bloß durch den Gebrauch der Sache herbeigeführt wird. 2. Außerordentliche Erhaltungskosten Nur die außerordentlichen Erhaltungskosten hat der Verleiher zu tra- 4 gen, ds jene Erhaltungskosten, die (im Verhältnis zum Gebrauchswert) außergewöhnlich hoch sind und/oder durch unvorhergesehene Umstände eintreten, mit denen der Entlehner also von vornherein nicht rechnen konnte, und die in aller Regel über die Gebrauchsdauer hinauswirken; zur Abgrenzung von den außerordentlichen Gebrauchskosten siehe oben unter Rz  1; bei Wohnungsüberlassung vgl § 3 MRG.8 Sind außerordentliche Erhaltungsaufwendungen erforderlich, so hat der 5 Entlehner dies dem Verleiher zunächst anzuzeigen und ihm die Sache zu deren Vornahme anzubieten.9 Ist ihm jedoch diese unentbehrlich, hat er den Verleiher bei Gefahr in Verzug nicht angetroffen oder hat dieser die vorzeitige Rücknahme der Sache verweigert, weil sie ihm beschwerlich gefallen wäre (§ 977), so hat der Entlehner die Aufwendung selbst vorzunehmen.10 Diese Vorschuss6  OGH 1 Ob 695/86, JBl 1987, 320 = RdW 1987, 258 = MietSlg 38.084/49; Schubert in Rummel3 I § 981 Rz 1; Apathy/Riedler, BR III4 SchR BT Rz 7/3; auch Binder in Schwimann3 IV § 981 Rz 4; Griss in KBB3 § 981 Rz 2. 7  ZB die Kosten der Fütterung bei geliehenen Tieren, das traditionelle, schon von Zeiller verwendete Beispiel. Heute wären die Benzinkosten für das geliehene Kraftfahrzeug das gängigere Gegenstück, doch legen gerade diese eher eine Qualifikation als gewöhnlichen Gebrauchs- und nicht als Erhaltungsaufwand nahe. 8  Binder in Schwimann3 IV § 981 Rz 2. 9  Binder in Schwimann3 IV § 981 Rz 3. 10  Stanzl in Klang2 IV/1, 690; Schubert in Rummel3 I § 981 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV 3 § 981 Rz 1. § 981 Rz 1;

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pflicht unterscheidet die Rechtsstellung des Entlehners wesentlich von derjenigen des Verwahrers. Sie erklärt sich daraus, dass der Leihvertrag im Gegensatz zum Verwahrungsvertrag zugunsten des Entlehners geschlossen wird; s auch unten unter Rz 8. Genau so wie der Entlehner außerordentliche Erhaltungskosten einstwei6 len bestreiten muss, hat er auch aus diesen Erwägungen auch im Fall der Gefahr die eigene Sache aufzuopfern, wenn das als außerordentliche Erhaltungsmaßnahme zur Rettung der fremden Sache notwendig und diese entsprechend wertvoller ist als die zur Rettung erforderliche eigene Sache des Entlehners, denn nur dann ist ihre Aufopferung ein angemessener Aufwand. Auch eine solche zählt somit zu den außergewöhnlichen Erhaltungskosten. Der Entlehner kann sich jedoch von der Aufopferungspflicht wie auch 7 von der Vorschusspflicht dadurch befreien, dass er (bei Zutreffen der Voraussetzungen des § 877) die Sache dem Verleiher – wenn auch vorzeitig – zurückgibt. Verweigert der Verleiher die Zurücknahme, ohne dass ihm diese beschwerlich fiele, tut der das auf eigene Gefahr.11 Den Entlehner trifft dann keine weitere Vorschusspflicht für außerordentliche Erhaltungskosten und deshalb auch nicht die Pflicht, die Sache aufzuopfern. 3. Ersatzanspruch des Entlehners 8

§ 981 ordnet an, dass die vorgestreckten außerordentlichen Erhaltungskosten dem Entlehner „gleich einem redlichen Besitzer vergütet“ werden. Nach § 331 hat der redliche Besitzer nur den Anspruch auf Ersatz nach dem gegenwärtigen Wert. Da aber §  981 dem Entlehner eine Gesetzespflicht zur vorschussweisen Kostentragung auferlegt, ist er nicht als Geschäftsführer ohne Auftrag sondern als beauftragter Geschäftsführer (§ 1035) anzusehen und kann somit Ansprüche nach § 1014 auf Ersatz des notwendig und nützlich gemachten Aufwandes geltend machen, und zwar selbst bei fehlgeschlagenem Erfolg. Dem Entlehner ist der Aufwand also auch dann zu ersetzen, wenn keine Werterhöhung eingetreten ist.12

III. Nützlicher Aufwand 9

Der nützliche Aufwand, welcher nicht zur Erhaltung der Sache notwendig ist, sondern nur einen Gewinn, zB die Vermehrung fortdauernder Nutzungen zugunsten des Verleihers bezweckt, wird in § 981 nicht erwähnt, ebenso wenig der Luxusaufwand. Der Entlehner ist insoweit nicht vorschusspflichtig, es gelten daher die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 1037 ff). Der Verleiher hat dem Entlehner daher die Kosten zu ersetzen, die sich bei Ebenso Schubert in Rummel3 I § 981 Rz 1. Einhellige Lehre unter Berufung auf Nippel (1833) und Schey in Klang2 I/2, 242 seit Swoboda, GZ 1927, 179; Ehrenzweig, System II/12, 395; Stanzl in Klang2 IV/1, 690 unter Berufung auf die Ausführungen Swobodas in Klang II/1, 707; Binder in Schwimann3 IV § 981 Rz 3; Schubert in Rummel3 I § 981 Rz 1; Apathy/Riedler, BR III4 SchR BT Rz 7/3; Griss in KBB3 § 981 Rz 1. 11 

12 

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Schadenersatz

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objektiver Betrachtung zu seinem klaren, überwiegenden Vorteil ausgewirkt haben, wobei allerdings im Zweifel dessen Bewertung entscheidet.13 Der Entlehner hat daher die Gebrauchs- und die ordentlichen Erhal- 10 tungskosten und den Rückstellungsaufwand endgültig, die außerordentlichen Erhaltungskosten (grundsätzlich) vorschussweise zu tragen. Den Parteien bleibt es unbenommen, über jede Art von Aufwand andere Regelungen zu treffen. Übernimmt der Entlehner über die gesetzliche Regelung hinaus aber Leistungen, die gegenüber dem Wert der Gebrauchsüberlassung wirtschaftlich ins Gewicht fallen, so liegt kein unentgeltlicher Vertrag mehr vor. In der Regel wird ein Bestandvertrag vorliegen, der den für diesen vorgesehenen gesetzlichen Beschränkungen der Privatautonomie unterliegt, siehe Rz 2.

IV. Schadenersatz Die Vorschriften über den Leihvertrag enthalten keine Regelungen der Er- 11 satzansprüche des Entlehners wegen Schädigung durch die Leihsache, sodass die Bestimmung des § 945 wegen der für Leihe und Schenkung gemeinsamen Unentgeltlichkeit analog angewendet werden muss. Die Gleichbehandlung von Verleiher und Hinterleger kommt auch hier wegen der verschiedenen Interessenslage – die Verwahrung dient idR dem Hinterleger, die Leihe aber dem Entlehner (nicht dem Verleiher) – nicht in Betracht. Der Schenker haftet danach nach der Auffassung Stanzls14 nur für Vorsatz, nach sonst vielfach vertretener Auffassung nur für grobes Verschulden, also auch für grobe Fahrlässigkeit.15 Allerdings gilt dies nach überwiegender Auffassung nicht für deliktische Schädigungen, und konsequenterweise weder für positive Forderungsverletzungen und culpa in contrahendo16, da die Unentgeltlichkeit einer Zuwendung nicht zu einer Herabsetzung der sonst gegenüber jedermann bestehenden Haftung führen kann. Bei der culpa in contrahendo, dem hier praktisch bedeutsamsten Fall, geht es ebenso um die Verletzung von Verhaltenspflichten, die mit Aufnahme geschäftlichen Kontaktes entstehen und vom Zustandekommen des Vertrages unabhängig sind, sodass es auch hier nicht auf die Entgeltlichkeit des angestrebten Geschäftes ankommen kann.17 Allgemein anerkannt ist, dass die Vertragsauslegung im Einzelfall Abweichendes ergeben kann, doch darf daraus nicht geschlossen werden, dass die Meinungsverschiedenheiten der angeführten Autoren in Wahrheit doch nur akademisch seien: Diese OGH 3 Ob 542/95, MietSlg 48.089; Griss in KBB3 § 981 Rz 3. In Klang2 IV/1, 618 und 961; das entgegengesetzte Extrem findet sich in der 1. Auflage bei Swoboda 707, wonach der Verleiher verpflichtet ist, dem Entlehner allen schuldhafterweise verursachten Schaden zu ersetzen. 15  Binder in Schwimann3 IV § 945 Rz 1; vgl auch Koziol/Welser13 II 204, allerdings mit den im Text folgenden Einschränkungen. 16  Koziol, JBl 1994, 222 f; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz  17/16; Koziol/ Welser13 II 204; Schubert in Rummel3 I § 945 Rz 1; OGH 1 Ob 831/82, SZ 50/137; Apathy/Riedler, BR III4 SchR BT Rz 7/8; aM (auch insofern Beschränkung der Haftung auf grobes Verschulden) Binder in Schwimann3 I § 945 Rz 1 unter Hinweis auf die in § 945 zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers. 17  Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz 17/16. 13  14 

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§ 982

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weisen nämlich die „interpretatorische Beweislast“ jeweils verschiedenen Personen, dem Schenker oder dem Beschenkten – hier: dem Verleiher oder dem Entlehner – zu. Führt unzureichende Aufklärung durch den Verleiher zur Beschädigung 12 des Leihobjektes, so ist je nach der konkreten Sachlage dessen alleiniges Verschulden oder doch sein Mitverschulden daran anzunehmen.18 Stellt ein KfzReparaturunternehmer einem Kunden für die Dauer der Reparatur seines Fahrzeuges einen neuwertigen Vorführwagen zur Verfügung, so kann der Kunde nach der Verkehrauffassung erwarten, dass dieser vollkaskoversichert ist; trifft dies nicht zu, so trifft den Verleiher nach der Rsp eine Aufklärungspflicht. Wird diese Aufklärung unterlassen, so wird eine konkludente Vereinbarung dahingehend angenommen, dass der Entlehner für leicht fahrlässige Beschädigungen des Fahrzeuges (ausgenommen im Rahmen eines üblichen Selbstbehalts) nicht haften soll.19

Beschränkung der wechselseitigen Klagen. §  982. Wenn der Verleiher nach der Zurücknahme des Lehnstückes dessen Mißbrauch, oder übertriebene Abnutzung innerhalb dreißig Tagen nicht gerügt; oder, wenn der Entlehner nach der Zurückgabe von den auf die Sache verwendeten außerordentlichen Kosten binnen eben diesem Zeitraum keine Meldung gemacht hat; so ist die Klage erloschen. Stammfassung JGS 1811/946.

1

Die zeitliche Befristung der Ansprüche durch § 982 entspricht jener durch §  967, letzter Satz; es kann daher zunächst auf die Ausführungen zu §  967 Rz 13 bis 16 verwiesen werden. Auch hier soll die Rechtsdurchsetzung zu einem Zeitpunkt erzwungen werden, an dem die betreffenden Ansprüche noch verhältnismäßig leicht überprüfbar sind und damit ein Beweissicherungsverfahren nach §§ 384 ff ZPO entbehrlich gemacht werden kann. Daher sind gegenseitige Ansprüche an die Präklusivfrist von dreißig Tagen, gerechnet vom Tag der Zurückgabe, gebunden. Es handelt sich aber nur um die Ansprüche des Verleihers wegen Missbrauchs oder übertriebener Abnützung des Leihobjekts und um die Ansprüche des Entlehners auf Ersatz der außerordentlichen Erhaltungskosten (§ 981 Rz 4 bis 7). Andere Ansprüche, insbesondere der Anspruch auf Rückgabe der Sache oder auf Rückgabe der restlichen von mehreren gleichzeitig entlehnten Sachen, sind nicht damit gemeint. Die Frist ist ebenso wie jene des § 967 eine Ausschlussfrist1, zu deren Wahrung die außergerichtliche Geltendmachung genügt. Solche Ansprüche können innerhalb dieser kur18  Vgl OGH 1 Ob 831/82, SZ 56/12: nicht ohneweiters erkennbare Transportrisiken eines Kunstgegenstandes. 19  OGH 2 Ob 289/82, ecolex 2004, 942. 1  OGH 7 Ob 93/01d, ZVR 2002/51; Ehrenzweig, System II/12, 395; Binder in Schwimann3 3 I § 982 Rz  3 § 982 Rz 2. IV § 982 Rz 2;

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Literatur

§ 983

zen Zeit vielfach auch noch gar nicht ziffernmäßig präzisiert werden. Die Rsp verlangt dies daher auch nicht, sondern benügt sich mit der Anzeige des Mangels.2 Haben die Parteien eines Leihvertrages den an der Sache während der Leihe entstandenen Schaden gemeinsam besichtigt, so bedarf es auch keiner gesonderten Rüge.3 §Â€982 gilt auch für die Bittleihe.4 2 Entlehnte Sachen sind kein Gegenstand der Zurückbehaltung oder Aufrechnung. Dies gilt auch für den Anspruch des Entlehners auf Ersatz seiner außerordentlichen Aufwendungen.5 Es macht auch keinen Unterschied, ob die Sache nur zur Bittleihe übergeben worden ist. Der Anspruch auf Rückgabe der Sache verjährt in dreißig Jahren; bei ver- 3 schuldetem Untergang oder Verlust der Sache verjährt der daraus entstehende Ersatzanspruch in drei Jahren (§Â€1489).6

Einundzwanzigstes Hauptstück Von dem Darlehensvertrage Darlehensvertrag § 983. Im Darlehensvertrag verpflichtet sich der Darlehensgeber, dem Darlehensnehmer vertretbare Sachen mit der Bestimmung zu übergeben, dass der Darlehensnehmer über die Sachen nach seinem Belieben verfügen kann. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, dem Darlehensgeber spätestens nach Vertragsende ebenso viele Sachen derselben Gattung und Güte zurückzugeben. Stammfassung JGS 1811/946 idF BGBl I 2010/28 (DaKRÄG). Mat: NR RV 650 BlgNR 24. GP, JAB 652 BlgNR 24.GP; BR AB 8305 BlgBR. Lit: Schinnerer, Kreditvertrag und Kreditsicherung, ÖBA 1961, 2; Gschnitzer, Zur Vertragsübernahme, insbesondere beim Kreditverhältnis, FS Wilburg (1965) 99; Strasser, Rechtsprobleme des Spargeschäfts der Kreditinstitute mit Minderjährigen (1974); Iro, Einseitige Kreditanpassung durch die Bank?, RdW 1985, 266; Zemen, Im Zweifel Darlehen oder Leihe statt Schenkung?, JBl 1986, 205; Ch. Huber, Probleme der Verjährung und des Einlösungsrechts bei Faustpfandbestellung durch einen Dritten, ÖJZ 1986, 193; Iro, Verfügungen über Girokonten nicht voll Geschäftsfähiger, ÖBA 1986, 516; Dullinger, Die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger, ÖJZ 1987, 33; Koziol, Die Übertragung der Rechte aus Kreditverträgen, FS Ostheim (1990) 137; G. Graf, Kredit2╇

OGH 1 Ob 610/57, SZ 60/157 = HS 18.737; 7 Ob 93/01d, ZVR 2002/51. OGH 7 Ob 93/01d, ZVR 2002/51. 4╇ GlUNF 5.463. 5╇ Griss in KBB3 982 Rz€4. 6╇ Ebenso Binder in Schwimann3 IV §Â€982 Rz€4 und Schubert in Rummel3 I §Â€982 Rz€3; Griss in KBB3 §Â€982 Rz€4. 3╇

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§ 983

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kündigung und Verjährung, ecolex 1990, 597; Harrer-Hörzinger, Zur Rechtsnatur des Darlehens, ÖJZ 1990, 614; Graf, Kreditfinanzierter Liegenschaftserwerb – Wer trägt das Risiko der Veruntreuung durch den Treuhänder?, RdW 1991, 283; Eypeltauer, Zum Geltungsbereich des § 1480 ABGB, 1991, 222; P. Bydlinski, Heilung formungültig geschlossener Ehegattenverträge durch Erfüllung?, in Harrer/Zitta, Familie und Recht (1992) 419; W. Doralt, Vorauszahlung oder Darlehen, Geänderte Rechtsprechung und Widersprüche in der Verwaltungspraxis, RdW 1992, 26; Koziol, Kreditgewährung in der Krise, ÖBA 1992, 673; Mühlbert, Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Darlehen vor dem Hintergrund des neuen Verbraucherkreditgesetzes, ÖBA 1993, 105, 186, 282; Iro, Universalsukzession auf Kreditnehmerseite und Höchstbetragshypothek, ÖBA 1997, 345; Apathy, Kreditnehmer- und Kreditgeberwechsel bei Höchstbetrags­ hypotheken, ÖBA 2000, 1031; Welser, Zivilrechtliche Formgebote und Notariatsakt, in Rechberger, Formpflicht und Gestaltungsfreiheit (2002) 1; Kathrein, Kodifikationsprobleme und -bedarf am Beispiel des Kreditvertrages, in Fischer-Czermak/Hopf/Schauer (Hrsg), Das ABGB auf dem Weg in das 3.Jahrtausend – Reformbedarf und Reform (2003) 173; Riedler, Modernisierungsbedarf des ABGB in den besonderen Bestimmungen über vertragliche Schuldverhältnisse! – Studien zum Reformbedarf der §§ 938 bis 1292 ABGB de lege lata et ferenda aus Anlass des 200-jährigen Jubiläums des ABGB im Jahr 2011, in Fischer-Czermak/Hopf/Schauer(Hrsg), Das ABGB auf dem Weg ins 3. Jahrtausend – Reformbedarf und Reform (2003) 73; Graf/M. Gruber (Hrsg), Aktuelle Probleme des Kreditvertragsrechts (2004); Dullinger, Bankgeschäfte Minderjähriger, ÖBA 2005, 670, 791; Leitner, Ein neues Argument im Zinsenstreit, ecolex 2005, 362; Riedler, Reformbedarf bei Schenkungs- Verwahrungs-, Leih- und Darlehensvertrag?, Studien zum Reformbedarf der §§ 983 bis 1001 ABGB aus Anlass des 200-jährigen Jubiläums des ABGB im Jahr 2011, ÖJZ 2008/65, 624; Dehn, Die neue Verbraucherkredit-Richtlinie: Geltungsbereich – Umsetzungsoptionen – Sanktionen, ÖBA 2009, 185; Jud, Die neue Verbraucherkreditrichtlinie, ÖJZ 2009/96, 887, Stabentheiner/Dimmel, Die Umsetzung der neuen Verbraucherkreditlinie in Österreich, ÖBA 2009, 696; Bollenberger/P. Bydlinski, Das neue Darlehensrecht des ABGB: Verbesserungsvorschläge zum Ministerialentwurf, ÖBA 2010, 96; Zöchling-Jud, Die neue Verbraucherkreditrichtlinie und die geplante Umsetzung in Österreich in Dullinger/Kaindl (Hrsg), Jahrbuch Bank und Kapitalmarktrecht 2009/2010, 1; Dehn, Das neue Darlehens- und Verbraucherkreditrecht, ecolex 2010, 516; P. Bydlinski, Das neue ABGBDarlehensrecht, ecolex 2010, 520; Stabentheiner, Das neue Darlehensrecht des ABGB, ÖJZ 2010, 935; Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht, VerbraucherkreditG und ABGB-Darlehensbestimmungen (2010); Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht² IV: Kreditgeschäft (2012) Rz 1/1 ff.

Übersicht I. Allgemeines II. Die Novelle 2010 III. Begriff 1. Darlehensvertrag, Vorvertrag, Krediteröffnungsvertrag und Kreditvertrag 2. Verpfändung, Pfändung und Abtretung von Kreditzusagen 3. Vertretbare und verbrauchbare Sachen 4. Übergabe ins Eigentum a) Unmittelbare Übergabe 266

1–3 4–5 6–30 6–12 13–16 17–19 20–30 20–22

Allgemeines

b) Mittelbare Übergabe c) Übergabe anderer Sachen d) Übergabe von Geld e) Neuerungsvertrag IV. Verpflichtung zur Rückgabe V. Form. Ungültige Darlehensverträge 1. Formfreiheit 2. Darlehensverträge zwischen Ehegatten und eingetragenen Partnern a) Notariatsakt b) Formmangel 3. Mangel der Geschäftsfähigkeit oder der Vertretungsbefugnis 4. Unerlaubte Darlehensverträge VI. Einzel- und Grenzfälle 1. Partiarisches Darlehen und Gesellschaft 2. Vorschuss 3. Unregelmäßiger Verwahrungsvertrag 4. Spareinlagen- und Girovertrag 5. Bausparvertrag 6. Wechseldiskontvertrag 7. Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen

§ 983 23–25 26 27 28–30 31–35 36–48 36 37–40 37–38 39–40 41–45 46–48 49–60 49 50–55 56 57 58 59 60

I. Allgemeines Sowohl beim Darlehen als auch bei der Leihe werden dem Schuldner Ver- 1 mögensstücke des Gläubigers zur Benutzung überlassen. Während aber bei der Leihe der Schuldner die selben Sachen zurückgeben muss, wird er beim Darlehen Eigentümer der übergebenen Sachen, so dass er bloß ebenso viele Sachen derselben Gattung und Güte zurückzustellen braucht. Die endgültige Fassung der Bestimmungen des ABGB über das Darlehen 2 erwies sich als schwierig, und der Kaiser zögerte mit der Sanktion der §§ 986 bis 989. Einerseits waren die Bestimmungen über das Darlehen traditionell sedes materiae für das Geldschuldrecht und sogar das Geldrecht schlechthin, also von zentraler Bedeutung für die Kodifikation. Andererseits stand der Staat im Existenzkampf, die napoleonischen Kriege wurden inflationär durch Papiergeld mit Zwangskurs finanziert, in weiterer Folge kam es zu einem Geldschnitt. Vor der Sanktion sollte daher auch noch die Finanz-Hofstelle Stellung nehmen, die Redaktoren wollten wiederum nicht „Werke der Staatsklugheit“ zum Maß aller geldrechtlichen Dinge machen, da das ABGB nicht nur für die napoleonische Ära gelten, sondern möglichst von Dauer sein sollte. Sie hatten mehr oder weniger vollwertiges Münzgeld im Auge, kannten im Gegensatz zu später weitverbreiteten Auffassungen die Papiergeldinflation mit allen ihren Folgen nur allzu gut, hielten sie aber (wie wohl im Grunde auch das Papiergeld selbst) für eine vorübergehende Kriegserscheinung.1 1  Ausführlich Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung (1980) 7 ff. Bemerkenswert ist, dass auch Goethe als Zeitgenosse dem Papiergeld, das die staatliche Inflationierung wesentlich

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§ 983 3

Ertl

Der wirtschaftliche Zweck des Darlehens ist Kreditgewährung. Dem Schuldner wird regelmäßig gegen Entgelt für eine gewisse Zeit die Nutzung eines Kapitals überlassen.2 Zwar ist das Darlehen das typischste Kreditgeschäft schlechthin, doch gibt es keinen gesetzlichen oder durch die Bankpraxis herangebildeten Typus „des“ Kreditgeschäftes. Es kann auch keinen geben, weil die Rechtsgeschäfte viel zu verschieden sind und selbst die Hauptleistungen voneinander abweichen.3 Allerdings hat sich die Technik der Kreditgewährung ungemein verfeinert und neben die „mageren Sätze“4 über den Darlehensvertrag sind Sondergesetze, AGB und Einzelverträge getreten. So stand schließlich einem Regelungsdefizit beim allgemeinen Kreditvertragsrecht eine enorme Regelungsdichte und -vielfalt beim Verbraucherkreditvertragsrecht gegenüber.5 Die Darstellung des weitverzweigten Bankrechtes gehört in das Unternehmensrecht. Auf einige Randerscheinungen im Grenzgebiet soll allerdings, wenn auch nicht eingegangen, so doch hingewiesen werden. Der gewerbsmäßige Abschluss von Kreditgeschäften ist nach §1 BWG Kreditinstituten vorbehalten. Das Gesetz nennt in § 1 Abs 1 Z 3 BWG Geldkreditverträge und die Gewährung von Gelddarlehen (Kreditgeschäft), worin aber nach allgemeiner Auffassung kein sachlicher Unterschied zu erblicken ist.6

II. Die Novelle 2010 4

Unmittelbarer Anlass der Neufassung der Bestimmungen über das Darlehen durch die Nov BGBl I 2010/28 war die Verbraucherkredit-RL 2008/48/EG. Aus diesem Anlass wurde nicht nur das Bundesgesetz über Verbrau­ cherkreditverträge und andere Formen der Kreditierung von Verbrauchern (Verbraucherkreditgesetz – VKrG) BGBl I 2010/28 neu geschaffen, vielmehr wurde im Einklang mit vielfach geäußerten Wünschen7 das allgemeine Darlehensrecht modernisiert. Darüber hinaus sollte ein erster Schritt für die Neugestaltung des ABGB gesetzt werden. Insb sollte ein Ansatz für die generelle Regelung des Rechtes der Dauerschuldverhältnisse geboten werden.8 Das neue Darlehensrecht gilt seit 11. 6. 2010, und es ist nach Art 11 DaKRÄG auf Kreditverträge anzuwenden, die nach dem 10. 6. 2010 geschlossen worden sind. Im Rahmen des Kommentars soll nicht nur die neue sondern erleichterte und zunächst zur „Ankurbelung der Wirtschaft“ führte, mit so viel Misstrauen betrachtete, dass er in Faust Zweiter Teil Mephisto zu dessen Erfinder gemacht hat; und nachdem der Narr des Kaisers seinen Anteil an den bunten Scheinen sofort in Grundbesitz anlege, dies mit der Bemerkung quittiert: „Wer zweifelt noch an unsres Narren Witz!“ (Vers 6172). 2  Schey in Klang2 I/1, 15 ff; Ehrenzweig, System II/12, 397. 3  Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 II Rz 1/1 f. 4  Von Hippel, Zum Aufbau und Sinnwandel unseres Privatrechts (1957) 25. 5  Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht, Vorbem Rz 3 ff. 6  Griss in KBB3 § 983 Rz 4 mwN; ausführlich Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz 1/13 ff. 7  Statt aller: Kathrein in Fischer-Czermak/Hopf/Schauer, Das ABGB auf dem Weg in das 3. Jahrtausend 171; Riedler in Fischer-Czermak/Hopf/Kathrein/Schauer, ABGB 2011; Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht Vorbem Rz 15. 8  Stabentheiner, ÖJZ 2010, 935 f, 940; P. Bydlinski, ecolex 2010, 520; Wendehorst/ZöchlingJud, Verbraucherkreditrecht Vorbem Rz 

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Begriff

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auch die alte Rechtslage behandelt werden, nicht nur weil dies zum Verständnis der neuen beiträgt, sondern weil Kreditverträge oft von langer Dauer sein können. Die wesentlichsten Änderungen sind die folgenden: 5 Der Darlehensvertrag ist nach § 983 ABGB nunmehr als Konsensualvertrag, also nicht mehr als Realvertrag, konstruiert. Das engeltliche Gelddarlehen wird nunmehr in § 988 als Kreditvertrag bezeichnet. Der unentgeltliche Darlehensvertrag ohne Übergabe der Sachen ist nach § 984 Abs 2 nur wirksam, wenn der Darlehensgeber seine Vertragserklärung schriftlich abgibt. Unbefristete Darlehensverträge können von beiden Teilen unter Einhaltung einer einmonatigen Frist gekündigt werden (§ 986 Abs 2 als Dispositivnorm). Ein ordentliches Kündigungsrecht ist für befristete Darlehensverträge nicht vorgesehen. Vertragsbestimmungen, wonach dem Kreditgeber nach Ausbezahlung des Kredits ein nicht an sachliche Gründe geknüpftes Kündigungsrecht zusteht, sind unwirksam (§ 990). Beiden Vertragsteilen wird das Recht eingeräumt, den Darlehensvertrag jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist (außerordentlich) zu kündigen, wenn ihm die Aufrechterhaltung des Vertrags aus wichtigen Gründen unzumutbar ist (§ 987). Der Kreditgeber kann die Auszahlung verweigern, wenn die Rückzahlung des Kredits oder die Entrichtung der Zinsen wegen einer nach Vertragsabschluss eingetretenen Vermögensverschlechterung beim Kreditnehmer gefährdet ist.

III. Begriff 1. Darlehensvertrag, Vorvertrag, Krediteröffnungsvertrag und Kreditvertrag Wie schon vor der Nov 2010 enthält § 983 eine definierende Umschrei- 6 bung des Darlehensvertrages, wobei die typusbildenden Merkmale ausdrücklich angegeben werden, nämlich die Übergabe verbrauchbarer bzw vertretbarer Sachen9 und die Verpflichtung zu ihrer kongruenten Übergabe. Vor der Nov 2010 kam der Darlehensvertrag allerdings erst durch übereinstimmende Willenserklärungen des Darlehensgebers und des Darlehensnehmers und durch die Übergabe der Darlehenssache zustande. Nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 983 war der Darlehensvertrag also ein Realvertrag.10 Schon nach der alten Rechtslage konnte allerdings ohne Willenseinigung zwischen Gläubiger und Schuldner ein Darlehensvertrag nicht entstehen. Daher lag und liegt ein solcher nicht vor, wenn eine fremde Schuld ohne Vereinbarung mit dem Schuldner gezahlt wird. Der Zahler kann lediglich im Rahmen der §§ 1358, 1422 f Rückgriff nehmen. 9 

Näheres dazu unter Rz 19. Schey in Klang2 I/1, 36 ff; Ehrenzweig, System II/12, 396; Stanzl in Klang2 IV/1, 694; Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 1; Schubert in Rummel3 I §§ 983, 984 Rz 1. OGH 5 Ob 692/79, SZ 52/147. 10 

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Schon bei der Verwahrung, weniger bei der begriffsnotwendig unentgeltlichen Leihe wurde die antiquierte gesetzliche Konstruktion als Realvertrag als lästig empfunden, erst recht beim Darlehen. Der ursprüngliche historische Zweck der Konstruktion war offensichtlich der Schutz vor Übereilung desjenigen gewesen, der unentgeltlich eine Last auf sich nimmt. Aber schon zur Zeit der Redaktion war ein solcher Schutz recht zweifelhaft geworden, und die Konstruktion wurde zunächst aus historischen Gründen beibehalten, obwohl sie aus heutiger Sicht jedenfalls beim entgeltlichen Darlehen unzweckmäßig und lästig war. Die Einführung der bloßen Schriftform für unentgeltliche Darlehen ohne Übergabe – so nunmehr § 984 Abs 2 – wäre bei einem so gängigen Vertragstypus bei der damaligen Zahl der zumindest funktionalen Analphabeten wohl erst recht umständlich gewesen. Das Gesetz ordnete darüber auch noch ausdrücklich an, dass der Vertrag, ein Darlehen künftig zu geben, als Vorvertrag (§ 936) gültig sei. Damit kam die rechtliche Bindung bereits durch Erklärung zustande, soweit die Übergabe des Geldes nicht ohnedies schon durch Erklärung (Besitzkonstitut) erfolgen konnte. Die Bindungswirkung ist beim Vorvertrag zwar abgeschwächt, doch stünde dem bei der Konstruktion des Darlehens als Vorvertrag die Unsicherheitseinrede nach § 1052 gegenüber.11 Da schon vor der Nov 2010 die Realvertragskonstruktion jedenfalls beim 8 entgeltlichen Darlehen als lästig und nicht interessengerecht angesehen wurde, wurde sogar erwogen, diese nach der cessante ratione-Regel fallen zu lassen,12 doch ist von dieser nur mit äußerster Vorsicht Gebrauch zu machen. Die allgemeinen Schuldrechtsregeln ließen sich auch damals durchaus so adaptieren, dass sie der Realvertragsnatur des Darlehens gerecht werden konnten.13 Darüber hinaus hatten Rechtspraxis – insb die AGB der Banken – und Lehre zwei anerkannte und billigenswerte Versuche unternommen, die lästige Fessel der Realvertragskonstruktion beim entgeltlichen Darlehen entscheidend zu lockern, und zwar durch Schaffung zweier Vertragstypen, die auch nach der neuen Rechtslage von Bedeutung sind. Der erste war (und ist) der Krediteröffnungsvertrag, früher kurz  aber missverständlich auch als Kreditvertrag bezeichnet.14 Hier wurde nicht ein zukünftiger Vertragsabschluss angestrebt, viel­ mehr sollte der Kunde durch Inanspruchnahme des Kredits den Vertragspartner, idR eine Bank, sofort verpflichten können. Diese Inanspruchnahme konnte sogleich mit Abschluss des Vertrags erfolgen, musste dies aber nicht, es handelte sich also um einen Konsensual- und nicht um einen Realvertrag, und zwar eine Art Optionsvertrag, der dem Kunden ein Gestaltungsrecht verschaffte.15 Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz 1/4: auch Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 1. Harrer/Hörzinger, ÖJZ 1990, 626 f. 13  Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 1; vorsichtig abwägend Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz 1/4. 14  So schon Schey in Klang2 I/1, 177; Ehrenzweig, System II/12, 402; Stanzl in Klang2 IV/1, 707; Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz 1/73; Schubert in Rummel3 I Rz 1 vor § 983; Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 38: OGH 4 Ob 504/80, JBl 1981, 90; 3 Ob 75/93, SZ 66/75 = ÖBA 1993, 829 uza; nach der Nov Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz 1/4, im übrigen siehe § 988. 15  So ausdrücklich Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz 1/74 im Einklang mit der allgemeinen Auffassung, zB Schubert in Rummel3 § I vor § 983 Rz 1 und Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 38. 11 

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In der Regel war und ist der Krediteröffnungsvertrag auf wiederholte16 9 Kreditgewährung gerichtet und daher schon deshalb als Dauerschuldverhältnis zu behandeln. Nach der sogenannten Trennungstheorie wird zwischen dem Krediteröffnungsvertrag als solchem und den jeweiligen auf seiner Grundlage abgeschlossenen Kreditgeschäften unterschieden.17 Der zweite Versuch, unnötige Schwierigkeiten infolge der antiquierten Re- 10 alvertragskonstruktion zu vermeiden, bestand in der Anerkennung des sogen Geldkreditvertrages.18 Hiebei ging es um die Frage, ob neben dem Darlehen als Realvertrag nach § 983 aF auch eines als Konsensualvertrag rechtswirksam sein sollte. Gestützt wurde diese Konstruktion auf die Vertragsfreiheit. Da es (jedenfalls beim entgeltlichen Darlehen) keinen sachlichen gab, den Darlehensgeber durch den Zwang zur Hingabe des Darlehens als Gültigkeitsvoraussetzung zu schützen, bestand auch insofern kein Hindernis. An die Stelle der abgeschwächten Bindung durch den jedenfalls zulässigen Vorvertrag trat dann die Unsicherheitseinrede des § 105219. Ein solcher Geldkreditvertrag war somit weder Realvertrag noch Vorvertrag.20 Er war ein obligatorischer Verpflichtungsvertrag, dem die Übertragung des Eigentums an der Darlehenssache als Verfügungsvertrag folgen sollte und konnte auch als Sachkreditvertrag abgeschlossen werden. Die Nov 2010 bezeichnet in § 988 den entgeltlichen Darlehensvertrag 11 über Geld als Kreditvertrag und zählt dazu auch den Vertrag, aus dem ein Geldbetrag zum Abruf zur Verfügung gestellt wird; Näheres zu § 988. Die Nov hindert weiters die Parteien nicht daran, im Rahmen der Vertragsfreiheit, einen Realvertrag im hergebrachten Sinn abzuschließen, denn §§  983 und 988 nF enthalten kein zwingendes Recht, sondern scheiden diesen nur aus dem Gesetzesrecht aus,21 daher können auch Vorverträge im alten Sinn vereinbart werden.22 Solche Fälle werden in der Praxis vor allem dann vorkommen, wenn Schimmel und Formularienbücher verwendet werden, die noch auf der alten Rechtslage beruhen. Auch Vorverträge zu einem Konsensual-Darlehensvertrag werden voraussichtlich in der Rechtspraxis geschlossen, nicht seltener und nicht häufiger als bei anderen Vertragstypen, wenn nämlich die Parteien keine sofort durchsetzbaren Hauptleistungspflichten begründen wollen, wofür es nicht nur rein taktische Gründe geben muss. Man denke etwa an den Fall, dass die Wirksamkeit des Hauptvertrages von der Zustimmung eines Dritten abhängt, der nicht will, dass sein Name nach außen hin aufscheint. Schubert in Rummel3 § I vor § 983 Rz 1 ua. Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz 1/74 ff, Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 39 und jetzt Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz 1/145 ff, insb Rz 1/147. 18  Zum Ausdruck Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz  1/16 unter Berufung auf die Nomenklatur des § 1 Abs 2 Z 3 KWG (später § 1 Abs 1 Z 3 KWG). 19  Ausführlich zu diesen Fragen Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz  1/14 ff; auch Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 1. 20  Wegen der Zulässigkeit eines solchen Geldkreditvertrages war die etwas gewaltsame Lösung Harrer-Hörzingers,ÖJZ 1990, 626 f (Berufung auf den Satz cessante ratione zur Vermeidung der mit der Konstruktion des Darlehens als Realvertrag verbundenen Unannehmlichkeiten) entbehrlich. 21  So ausdrücklich EBRV BlgNR 24. GP 7. 22  Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz 1/9. 16  17 

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Ob der künftige Gläubiger des Hauptvertrages nur zur Zuzählung des Darlehens oder auch der Schuldner zu dessen Übernahme verpflichtet sein soll, ist nach dem Parteiwillen bei Abschluss des Vorvertrags zu entscheiden; so kann eine Übernahmepflicht bestehen, wenn dem Gläubiger bei Vertragsabschluss erkennbar an der Kapitalanlage gelegen war.23 Wer schuldhaft ein Darlehen nicht übernimmt oder nicht zuzählt, ist schadenersatzpflichtig.24 Der Vorvertrag wird hinfällig, wenn sich die Umstände inzwischen dergestalt verändert haben, dass dadurch der ausdrücklich bestimmte oder aus den Umständen hervorleuchtende Zweck vereitelt oder das Zutrauen des einen oder anderen Teils verloren geht (§Â€936). 2. Verpfändung, Pfändung und Abtretung von Kreditzusagen

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Auch nach der alten Rechtslage mit ihrer Konstruktion des Darlehens als Realvertrag war die Verpfändung, Pfändung und Abtretung des Anspruchs des Darlehensgebers auf Rückzahlung unproblematisch. Dies galt auch und gilt nach hM auch für die Abtretung eines Anspruchs auf Auszahlung der Kreditsumme25 wie auch auf diejenige eines zukünftigen Auszahlungsanspruchs26, soweit es hier zu keinem Wechsel des ursprünglichen Kreditnehmers kommt. Auch einer Abtretung des Anspruchs des Kreditgebers auf Rückzahlung des Kreditvaluta noch vor Beendigung des Kreditverhältnisses stand nichts im Wege.27 Anders stand es um Ansprüche des Darlehensnehmers aus einer Darlehenszusage, die aus Vorverträgen, Krediteröffnungsverträgen und Geldkreditverträgen in Betracht kam. Stanzl vertrat in der Vorauflage28 die Auffassung, dass es bei der Darlehenszusage ganz besonders auf das Vertrauen des künftigen Gläubigers, auf die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit gerade dieses Schuldners ankomme, weshalb der Anspruch auf Darlehenszuzählung nicht abgetreten werden könne. Gleiches solle für einen vom künftigen Schuldner dem Gläubiger erteilten Auftrag gelten, die Darlehenssumme – ohne Änderung der Vertragsparteien – einem Dritten auszuzahlen. Die Forderung sei da23╇ Schey, I/1 172 ff; Stanzl in Klang2 IV/1 694; ähnlich auch Harrer-Hörzinger, ÖJZ 1990, 1990, 618; kritisch Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz€1/5. 24╇ Schey in Klang2 I/1, 176. 25╇ Koziol in FS Ostheim 143 f; Ehrenzweig, System II/12, 141 und 397; Schubert in Rummel3 I vor §Â€983 Rz€1; Ertl in Rummel3 II/3 §Â€1393 Rz€1; Neumayr in KBB3 §Â€1393 Rz€6; Heidinger in Schwimann3 IV §Â€ 1393 Rz€ 6; OGH 3 Ob 14/99a, SZ 73/41 = ÖBA 2009/899, 806 (Koziol) = ecolex 2000/226; Thöni in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) §Â€1393 Rz€36 entgegen Stanzl in Klang2 IV/1, 694 f, sowie Gschnitzer, FS Wilburg 114 f und letztlich auch Binder in Schwimann3 IV §Â€983 Rz€5. 26╇ Koziol in FS Ostheim 142 f; Thöni in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) §Â€1393 Rz€36; anders nur Harrer-Hörzinger, ÖJZ 1990, 621 unter Berufung auf Besonderheiten der Konstruktion als Realvertrag, nämlich darauf, dass der Abschluss des Darlehensvertrages, der aus dem Vorvertrag geschuldet werde, nicht auf die bloße Zahlung reduziert werden könne. Dieser Einwand ist jedenfalls seit der Nov 2010 obsolet. 27╇ Koziol FS Ostheim 142 f; Schubert in Rummel3 I vor §Â€983 €1; Thöni in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) §Â€ 1393 Rz€ 37, der zu Recht darauf hinweist, dass bei einer solchen Abtretung das Bankgeheimnis (§Â€38 BWG) nicht verletzt werden darf; dazu auch Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol BVR2 IV Rz€1/138; OGH 5 Ob 516/86, RdW 1986, 336. 28╇ In Klang2 IV/1, 694 f.

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her auch unpfändbar und könne auch nicht durch eine Einstweilige Verfügung (Drittverbot) erfasst werden. Wegen des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Gläubiger und Schuldner könne der Anspruch auf Darlehenszuzählung nicht als im Verkehr stehende Sache angesehen werden und daher auch nicht als Pfandsache dienen (§Â€448). Neuere Lehre und Rechtsprechung stehen einer Übertragung und Pfän- 14 dung bzw Verpfändung von Darlehenszusagen positiver gegenüber, unterscheiden aber zwischen mehreren, verschieden zu behandelnden Fällen, wobei sich das Ergebnis allerdings nicht so stark unterscheidet wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Die Änderung durch die Nov 2010 betrifft im Wesentlichen nur den Wegfall der Realvertragskonstruktion und damit der (ohnedies nur begrenzt) obligatorischen Vorvertragskonstruktion. Nichts geändert hat sich am Grundsatz, dass der Darlehensnehmer, der nur einen Vorvertrag abgeschlossen hat, seine Rechte daran derart übertragen kann, dass dem Darlehensgeber ein neuer Vertragspartner aufgezwungen werden kann.29 Unproblematisch ist derjenige der Übertragung der gesamten Rechtsposition als Kreditnehmer oder Kreditgeber. Hier handelt es sich um eine Vertragsübernahme, die nach allgemeinen Grundsätzen ohnedies einer Dreiparteieneinigung bedarf.30 Im übrigen lehnte die überkommene Lehre einer Abtretung von Rechten 15 aus einem Kreditvertrag zunächst generell ab,31 einerseits wegen der Höchstpersönlichkeit des Kreditverhältnisses, andererseits – was auf das gleiche hinausläuft – wegen der Vertrauensbeziehung zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber, was letztlich auf einen Verstoß gegen das Prinzip der Vertragsautonomie hinausläuft. Nach neuerer Auffassung, die durch die Nov 2010 nicht überholt ist, kommt – zusammenfassend – eine Abtretung von Rechten aus dem Vorvertrag auf Abschluss des Hauptvertrages mit einem neuen Vertragspartner, dem Zessionar, nicht in Frage. Bleibt aber der Zedent selbst Vertragspartei, so kann er einem Dritten das Recht auf Auszahlung der Darlehensvaluta übertragen, es sei denn, es steht dem eine als Abtretungsverbot wirkende Zweckbindung entgegen.32 Die Übertragung eines Gestaltungsrechts auf Abrufung eines Kredites gemeinsam mit dem Recht auf Auszahlung des Kreditbetrages sind grundsätzlich unbedenklich. Da hier der Zessionar nur die Forderung auf Auszahlung erwirbt, führt die Inanspruchnahme zum Entstehen des Kreditvertrages zwischen dem Kreditgeber und dem Zedenten, auf dessen Bonität er bei Abschluss der Vereinbarung vertraut hatte.33 Kontokorrentgebundene Ansprüche sind insofern unabtretbar, als sie nur der Verrechnung dienen. Abtretbar ist jedoch das Recht auf Auszahlung 29╇ Koziol, FS Ostheim 142; Harrer-Hörzinger, ÖJZ 1990, 621; Bollenberger in Apathy/Iro/ Koziol, BVR2 Rz€1/139. 30╇ Koziol, FS Ostheim 137; Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 Rz€1/139. 31╇Neben Stanzl in Klang2 IV/1, 694 f, 708; Gschnitzer, FS Wilburg 114 f; auch noch Binder in Schwimann3 IV §Â€983 Rz€5. 32╇ Koziol, FS Ostheim 137 ff; Schubert in Rummel3 I vor §Â€983 Rz€1; Ertl in Rummel3 II/3 §Â€1393 Rz€1; Thöni in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) §Â€1393 Rz€35 ff; Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz€1/138 ff. 33╇ Koziol, FS Ostheim 416 f; Thöni in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) §Â€1393 Rz€36: OGH 3 Ob 14/99a, SZ 73/41 = ÖBA 2000/2008, 806 (Koziol).

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des vom Zessionar abgerufenen Kreditbetrages, da der Kredit ihm Bargeld ver­ schaffen soll, was aus einer als Abtretungsverbot wirkenden Zweckbindung entgegensteht.34 Der Krediteröffnungsvertrag ist nach §Â€988 zweiter HS ABGB idF der Nov 2010 ein Vertrag „mit dem ein Geldbetrag zum Abruf zur Verfügung ge­ stellt wird“, womit die bisherige Rsp des OGH festgeschrieben wurde.35 Hier ist die Übertragung des Rechts auf Abruf der Kreditsumme, wodurch der Gläu­ biger nunmehr selbst Kreditschuldner würde, mangels Dreiparteieneinigung unwirksam (vgl §Â€1405), wohl aber kommt eine Übertragung des Gestaltungs­ rechts in der Form in Betracht, dass dem Zessionar nur das Recht auf Auszah­ lung des vom Zedenten abgerufenen Kreditbetrages zustehen soll.36 Soweit die Abtretung zulässig ist, ist es auch die Verpfändung und grund­ 16 sätzlich auch die Pfändung.37 Auch der OGH sieht die Ansprüche auf Auszah­ lung aus dem Kreditvertrag als pfändbar an, erkennt aber dem betreibenden Gläubiger nicht das Recht zu, die Kreditsumme abzurufen.38 Die Einwendung der Zweckgebundenheit der bereits abgerufenen Kreditsumme ist zwar rele­ vant, aber nicht im Exekutionsverfahren, sondern gegebenenfalls im Dritt­ schuldnerprozess geltend zu machen. Das Recht auf Abrufung der Kreditsum­ me gehöre aber nicht zu den dem betreibenden Gläubigern gem §Â€308 EO auf Grund der Überweisung zustehenden Rechten; die Zuerkennung dieses Rech­ tes würde gegen die Privatautonomie verstoßen, was umso gravierender sei, als dem Schuldner neben der Pflicht zur Zahlung der Kreditsumme noch wei­ tere Verpflichtungen entstehen könnten, welche die mit der betriebenen Forde­ rung verbundenen übersteigen könnten. Dass diese Rechtsauffassung die Er­ folgsaussichten der Exekutionsführung stark vermindern kann, gibt der OGH offen zu, muss aber als unvermeidlich angesehen werden, sollen nicht wesent­ lich schlimmere Übel in Kauf genommen werden. 3. Vertretbare und verbrauchbare Sachen 17

Der §Â€983 aF sprach, dem damaligen Sprachgebrauch entsprechend, von „verbrauchbaren Sachen“, doch sollten „ebensoviel von derselben Gattung und Güte“ zurückgegeben werden,39 so dass nach einhelliger Meinung darunter ver­ tretbare Sachen verstanden wurden.40 Der Gesetzgeber hat aber verbrauchbar und vertretbar nicht unterschieden, der Begriff der vertretbaren Sache wurde erst nachträglich aus der pandektistischen Dogmatik und §Â€91 BGB über­ 34╇ Koziol, FS Ostheim 417; Ertl in Rummel3 II/3 §Â€1393 Rz€1; Bollenberger in Apathy/Iro/ Koziol, BVR2 IV Rz€1/39; Thöni in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) §Â€1393 Rz€39. 35╇ OGH 3 Ob 75/95, SZ 66/75 = ÖBA 1993, 829. 36╇ Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz€1/160. 37╇ Koziol, FS Ostheim 147 f; Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz€1/141; Schubert in Rummel3 I Vor §Â€983 Rz€2. 38╇ OGH 3 Ob 75/93, SZ 66/75 = ÖBA 1993, 302. 39╇ Zeiller wollte auf Sachen abstellen, „die im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht gegeben zu werden pflegen (Ofner II 63). Das entspreche dem §Â€91 BGB und der Neufassung des §Â€983 ABGB. 40╇ Ehrenzweig, System II/12, 397; Schey in Klang2 I/1, 71; Schubert in Rummel3 I §§Â€983, 984 Rz€2; Binder in Schwimann3 IV §Â€983 Rz€2.

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nommen.41 Dem längst auch in der österreichischen Lehre und Rsp üblichen Sprachgebrauch wurde nunmehr vom Gesetzgeber der Nov 2010 Rechnung getragen, eine Rechtsänderung wurde damit nicht beabsichtigt.42 Bei einem „Darlehen“ von verbrauchbaren Sachen, die entgegen ihrer üblichen Bestimmung nicht verbraucht werden dürfen, sondern unverbraucht zurückgestellt werden müssen, liegt in Wahrheit bei Unentgeltlichkeit ein Leihvertrag vor,43 bei Entgeltlichkeit ein Mietvertrag. Ob eine Sache vertretbar ist, richtet sich nach der Verkehrsauffassung, 18 sie werden im Rechtsverkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt, weil es nicht auf die individuellen Merkmale des Einzelstücks ankommt. Daher sind Liegenschaften, aber auch prinzipiell gebrauchte Sachen unvertretbar. Die Parteien können im konkreten Fall anderes vereinbaren, also nach der Verkehrsanschauung unvertretbare Sachen als vertretbare behandeln.44 Weitaus am häufigsten kommen Gelddarlehen vor. Im Hinblick auf den 19 weiten Sachbegriff des § 285 müssen diese nicht Geldscheine oder Münzen zum Gegenstand haben, sie können auch über Buchgeld abgeschlossen werden. Entsprechendes gilt für andere vertretbare Rechte.45 4. Übergabe ins Eigentum a) Unmittelbare Übergabe Die Sachen sind „mit der Bestimmung zu übergeben, dass der Darlehens- 20 nehmer über die Sachen nach seinem Belieben verfügen kann“. Der Gesetzgeber wollte hiebei möglichst nahe an der bisherigen Formulierung bleiben, wonach die Sachen „mit der Bedingung übergeben werden“, dass der Empfänger „zwar willkürlich darüber verfügen könne, aber nach einer gewissen Zeit ebenso viel von derselben Gattung und Güte zurückgeben solle“. Eine Änderung der Rechtslage war nicht beabsichtigt46: Primär sollte Eigentum verschafft werden, subsidiär sollte die Sache zur Verfügung gestellt werden.47 Die Formulierung wurde in der Lehre mehrfach als unglücklich und irreführend angegriffen,48 vor allem, weil nicht wirklich deutlich gemacht wird, dass der Darlehensgeber die Übertragung des dinglichen Vollrechts, an körperlichen Sachen insbesondere des Eigentums schuldet. Der Zweck der Umformulierung liegt offenbar vor allem darin, dass die Verschaffung von Buchgeld dem Darlehensrecht unterliegen sollte, was aber auch nach bisheriger Rechtslage nicht bezweifelt wurde. Trotz der unglücklichen Formulierung ist aber nicht anzunehmen, dass es in der Rechtspraxis zu Missverständnissen kommen wird. Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 983 Rz 8 und Rz 20 ff. So ausdrücklich Stabentheiner, ÖJZ 2010, 937. 43  Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 51. 44  ZB „Einen Picasso für das Sitzungszimmer des Vorstands, einen Schiele für das Schlaf­ zimmer und etwa drei Meter Bücher mit Goldrücken für die Bibliothek“. 45  Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 983 Rz 22. 46  Vgl RV 650 BlgNR 24. GP 8. 47  Stabentheiner, ÖJZ 2010, 937. 48  Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 983 Rz 24 f; Bollen­ berger/P. Bydlinski, ÖBA 2010, 97; P. Bydlinski, ecolex 2010, 521. 41  42 

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Das Darlehen ist also ein Eigentumserwerbstitel49, aber schon nach der früheren Rechtslage ließ man die Einräumung der ausschließlichen Verfügungsmacht genügen,50 womit ein Darlehen in Form von Buchgeld erfasst werden konnte,51 was infolge der Umformulierung des § 983 durch die Nov 2010 nunmehr erst recht unproblematisch ist. Vielfach wird der Gläubiger seine Sachen dem Schuldner unmittelbar übergeben (§§ 426 ff). Ob der Eigentumserwerb derivativ oder originär kraft guten Glaubens oder durch Vermengung erfolgt (§§ 367, 368, 371, 824 ABGB; Art 16 Abs 2 WG; Art 21 ScheckG) ist bedeutungslos.52 Es genügt auch, wenn der Darlehensgeber nur für eine bestimmte Zeit das freie Verfügungsrecht über fremdes Geld hat.53 Wird der Darlehensnehmer nicht vertragsgemäß Eigentümer der Sachen, so liegt ein Fall von Schuldnerverzug des Darlehensgebers vor. Nach früherer Rechtslage war so das Darlehen als Realvertrag nicht zustande gekommen.54 Im Insolvenz­ verfahren über das Vermögen des Darlehensnehmers hat der Darlehensgeber kein Aussonderungsrecht.55 Nach der Definition soll zwar der Darlehensgeber „über die Sachen nach 21 seinem Belieben verfügen“ können, doch schließt dies eine vertragliche Zweckwidmung der Darlehensvaluta, die also über ein Motiv hinausgehen, nicht aus.56 So kann vereinbart werden, dass der Darlehensnehmer diese zum Hausbau, für den Gewerbebetrieb oder zur Durchführung eines bestimmten Investitionsprogramms verwendet.57 Nach hM kann diese Vereinbarung nicht mit Leistungsklage durchgesetzt werden.58 Diese Auffassung stützt sich auf die E OGH 1 Ob 19/74, SZ 74/114 = HS IX/3, die sich wegen der Besonderheiten des ihr zugrunde liegenden Sachverhaltes einer solchen Verallgemeinerung entzieht. Der Darlehensgeber begehrte, dass der Darlehensnehmer die aus dem Verkauf eines ihm zur Verfügung gestellten Schmuckstücks „als Darlehen der Klägerin in seinem Unternehmen zu verwenden“. Der OGH hielt dem entgegen, dass nach Vermengung des Geldbetrages mit dem übrigen Geld des Schuldners nur die obligatorische Verpflichtung bestehe, den Betrag am Fälligkeitstag zurückzuzahlen, und es keinen Unterschied mache, ob er eigenes oder über ein Darlehen erhaltenes Geld verwende. Es sei daher ein Begehren, ATS 170.000 „als Darlehen zu verwenden“, nicht möglich. Es sei 49  So ausdrücklich § 1461; ferner Schey in Klang2 I/1, 71; Ehrenzweig, System II/12, 397; Stanzl in Klang2 IV/1, 695; Schubert in Rummel3 I/1 §§ 983, 984 Rz 2; Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 3; Griss in 50  Stanzl in Klang2 IV/1, 695. 51  Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz 1/8; SZ 8/87. 52  Stanzl in Klang2 IV/1, 695; Griss in KBB3 § 983 Rz 3; OGH 6 Ob 610/92, EvBl 1993/90. 53  OGH 1 Ob 120/70, SZ 43/121; Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 24. 54  Ehrenzweig, System II/12, 397; Schey in Klang2 I/1, 71 f; Schubert in Rummel3 I §§ 983, 984 Rz 2. 55  Stabentheiner, ÖJZ 2010, 937; Griss in KBB3 § 983 Rz 3; OGH 8 Ob 283/65, SZ 38/223. 56  RV 650 RV BlgNR 24. GP 8; Windehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkredit­ recht § 983 Rz 25, die mit Recht hervorhebt, dass die mindestens konkludente Vereinbarung eines Verwendungszwecks in der Praxis eher den Regelfall darstellt; Griss in KBB3 § 983 Rz 6. 57  Stanzl in Klang2 IV/1, 695. 58  Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 28; Griss in KBB3 § 983 Rz 6; vgl auch Schubert in Rummel3 I §§ 983, 984 Rz 2.

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§ 983

aber auch ein gegen einen Kaufmann gestelltes Leistungsbegehren, einen Darlehensbetrag „in seinem Unternehmen“, also nicht privat, zu verwenden, schon deswegen ausgeschlossen, weil ein solches Urteil nicht exequierbar wäre. Dieser Begründung ist zwar beizupflichten, doch darf dabei das besondere prozessuale Ungeschick der Klägerin nicht übersehen werden. Ein besonderes Interesse, dass der Darlehensnehmer gerade das dargeliehene Geld und nicht ihr sonstiges Geld – sofern vorhanden – verwendet, ist nicht ersichtlich, gemeint ist anscheinend die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Darlehen über ATS 170.000 abgeschlossen worden sei, was vom Beklagten bestritten worden war. Nach Eintritt der Fälligkeit wäre jedenfalls eine Leistungsklage über diesen Betrag möglich gewesen. Der Sache nach handelt es sich bei der Einklagbarkeit von Zweckbestimmungen in Wahrheit nur um eine Frage der ausreichenden Bestimmtheit des Klagebegehrens. An dieser fehlt es auch bei einer Klage auf Verwendung eines Darlehensbetrages, der Kaufmann (Unternehmer) solle einen Darlehensbetrag „in seinem Unternehmen“ verwenden. Die Stammentscheidung behauptet also nicht, dass es einen klagbaren Anspruch auf eine vereinbarte Verwendung aus materiell-rechtlichen Gründen nicht gebe, sondern nur, dass die gewählte Form der Rechtsdurchsetzung im konkreten Fall verfehlt sei, weil das Klagebegehren nicht die gem § 226 Abs 1 ZPO geforderte Bestimmtheit aufweise. Die Entscheidung verneint in diesem Zusammenhang auch nicht die Vereinbarkeit eines klagbaren Anspruchs auf eine bestimmte Eintragung in die Handelsbücher.59 Vor Fälligkeit kommt auch die Klage auf Unterlassung widmungswidriger Verwendung in Betracht,60 der auch durch Einstweilige Verfügung gesichert werden kann. Am einfachsten kann die Klagbarkeit durch Vereinbarung einer Konventionalstrafe gesichert werden. Darüber hinaus kann widmungswidrige Verwendung der Darlehenssumme einen Grund zur außerordentlichen Kündigung der Darlehenssumme nach §  987 bilden und gegebenenfalls zur Entstehung von Schadenersatzansprüchen führen. Stanzl vertritt in der Vorauflage61 die Auffassung, es liege kein Darlehen 22 vor, wenn eine Schuld des Darlehensnehmers an den Gläubiger unmittelbar bezahlt werde und der Schuldner von jeder Verfügungsmöglichkeit über den zu zahlenden Betrag ausgeschlossen sei. Das wird heute durchwegs als zu eng angesehen.62 Für die nunmehrige großzügigere Auslegung spricht die ausdrückliche Zulassung des Vereinbarungsdarlehens in § 959 und der Umstand, dass bei der Auslegung der vertraglichen Vereinbarung letztlich doch wieder durchwegs auf die gesetzlichen Vorschriften über das Darlehen zurückgegriffen werden müsste.

3 § 983 Rz 6. Vgl aber Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 28 und Griss in Zutreffend Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 28. 61  In Klang2 IV/1, 695. 62  ÖBA 1989, 741; Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 21; Schubert in Rummel3 I §§ 983, 984 Rz 2. 59  60 

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§ 983

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b) Mittelbare Übergabe Die Sachen müssen nicht unmittelbar aus dem eigenen Vermögen des Darlehensgebers dem Darlehensnehmer übergeben werden.63 Der Darlehensgeber kann auch durch einen Dritten – insb eine Bank – die Darlehensvaluta dem Darlehensnehmer auszahlen lassen. Ebenso muss die Valuta diesem nicht unmittelbar, sondern kann vereinbarungsgemäß einem Dritten64 – etwa einem (anderen) Gläubiger65 oder dem Gericht als Sicherheitsleistung66 – übergeben werden. Die Beweislast für die fehlende Rückzahlungspflicht trifft den Dritten.67 Die Kreditvaluta muss ebenso wenig wie die Darlehensvaluta bar zuge24 zählt werden, es genügt zB die Übergabe eines Sparbuches unter Bekanntgabe des Losungswortes, die Überweisung auf ein Konto des Darlehensnehmers oder eines von ihm akzeptierten Dritten68, die Bezahlung einer Schuld des Darlehensnehmers in Kreditierungsabsicht.69 Wie § 959 ausdrücklich festhält, kommt auch die Novierung einer bestehenden Schuld in ein Darlehen in Betracht. Nach der früheren Rechtslage war bei der Kreditgewährung einer Bank an einen eigenen Kunden zu berücksichtigen, dass ein Realkontrakt nur in der tatsächlichen Auszahlung oder einer sonstigen Verfügung des Kunden erblickt werden konnte, nicht aber schon in der Gutschrift des kreditierten Betrages auf ein Konto des Kreditnehmers bei der Bank, die im zweipersonalen Verhältnis zwischen diesen Personen nur als deklaratives Anerkenntnis angesehen werden kann.70 Wurde allerdings die Gutschrift auf ein anderes Konto des Kunden übertragen, das sich im Soll befand und leistete die Bank somit vereinbarungsgemäß durch Aufrechnung, lag darin jedoch sehr wohl eine Zuzählung der Darlehensvaluta.71 Die Änderung der Rechtslage durch die Nov 2010 liegt nur darin, dass die Verfügung der Bank nicht mehr zum Entstehen des Darlehensvertrages notwendig ist.72 23

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OGH 1 Ob 120/70, SZ 43/121. Schubert in Rummel3 I §§ 983, 984 Rz 2; Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 24; Griss in KBB3 § 983 Rz 8; Wendehorst in Wendehorst/Jud-Zöchling, Verbraucherkreditrecht § 983 Rz 26; P. Bydlinski, ecolex 2010, 521. 65  GlU 5011. 66  OGH 7 Ob 443/55. Kein Darlehen liegt vor, wenn der Darlehensnehmer im eigenen Namen einen Geldbetrag zur Leistung einer Sicherheit erlegt hat, den ihm der Darlehensgeber zu diesem Zweck, aber mit „Eigentumsvorbehalt“ zur Verfügung gestellt hat; der Darlehensgeber bleibt in diesem Fall grundsätzlich Eigentümer des Geldbetrages (SZ 14/27).Weil es vereinba­ rungsgemäß gerade nicht zu dem für das Darlehen erforderlichen Übergang des Eigentums kommen soll, wurde von den Parteien ein Leihvertrag abgeschlossen. 67  GlUNF 14.461; GlUNF 14.298; Stanzl in Klang2 IV/1, 696; auch Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 24. 68  Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 21 mwN. 69  Siehe dazu oben unter Rz 19. 70  Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR I Rz 6/59 und ders in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz 1/9; OGH 7 Ob 335/09m, ÖBA 2000, 1006. 71  Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz 1/9; OGH 5 Ob 692/79, SZ 52/147 = JBl 1980, 595 = HS 10.732; 7 Ob 335/09m, ÖBA 2000, 1006. 72  Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz 1/11. 64 

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Begriff

§ 983

Häufig wird die Darlehensvaluta auf ein (Ander-)Konto eines gemeinsa- 25 men Treuhänders überwiesen. Hier kann sich die Frage stellen, zu wessen Lasten es geht, wenn dieser Geldbetrag vor der grundbücherlichen Sicherstellung veruntreut wird. In solchen Fällen hat einerseits der Darlehensnehmer noch keinen Anspruch auf Ausfolgung des Betrages, andererseits hat aber der Darlehensgeber seine Leistung bereits voll erbracht. In den E OGH 1 Ob 26/71, EvBl 1972/19, 4 Ob 504/80, JBl 1982, 90 = HS 10.747 sowie 753, Stanzl in Klang² IV/1, 790 und Kastner, Die Treuhand im österreichischen Recht, JBl 1958, 109 hat der OGH ausgesprochen, dass das Risiko der Veruntreuung des Geldes durch einen gemeinsamen Treuhänder denjenigen Treugeber treffe, dem aufgrund des erteilten Auftrages nach dem Stand der Dinge der Anspruch auf Ausfolgung des Geldes zustehe. Da der Treuhänder bis zur Einverleibung des Pfandrechtes primär als Treuhänder der Bank agiere, müsse sich diese den Verlust des Geldes zurechnen lassen. Das ist im Schrifttum mehrfach zu Recht kritisiert worden, vor allem unter Hinweis auf den hypothetischen Parteiwillen und die diesem widersprechenden Verbesserung der Stellung des Käufers gegenüber dem Fall, dass dieser sein eigenes Kapital beim Treuhänder hinterlegt habe.73 In der E OGH 2 Ob 1995, 470 (zust G. Graf ) hatte der OGH diese Rechtsfrage neuerlich, aber unter einem anderen Gesichtspunkt zu lösen. Während es sonst stets darum gegangen war, ob der Kreditnehmer den Darlehensbetrag trotz Veruntreuung durch den Treuhänder an die Bank zurückzuzahlen hatte, war in diesem Fall zu prüfen, ob dem Kreditnehmer ein Anspruch auf neuerliche Kreditauszahlung zustehe. Der OGH verneinte dies mit der Begründung, dass die Bank nicht verhalten gewesen sei, dem Kreditnehmer das Eigentum an der Kreditvaluta zu verschaffen oder deren freie Verfügbarkeit zu gewährleisten, sondern mit schuldbefreiender Wirkung nur auf das Anderkonto des Treuhänders zu zahlen. Den Kreditnehmer treffe nach der Gefahrtragungsregel des § 905 Abs 2 nach Erfüllung in der vereinbarten Weise die Gefahr des zufälligen Verlustes. Der OGH hat in dieser E ausdrücklich hervorgehoben, dass ein allfälliger Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens nicht zu prüfen sei, weshalb auf die im Schrifttum gegen die E OGH 1 Ob 26/71, EvBl 1972/19 und 4 Ob 504/80, JBl 1981, 90 erhobene Kritik nicht einzugehen sei. Diese beiden Judikaturlinien sind aber der Sache nach miteinander nicht vereinbar. Nach eingehender Überprüfung der Rechtsfrage kam der OGH in der E 1 Ob 150/01t ÖBA 2002, 1018 (zust Bollenberger) = RdW 2002/6 daher nunmehr zum Schluss, dass es zur Begründung der Rückzahlungspflicht des Kreditnehmers ausreicht, wenn die Kreditvaluta vereinbarungsgemäß an den Treuhänder ausbezahlt wurde.74 Die abweichende ältere Judikatur kann damit als überholt angesehen werden. Nunmehr ist der Schaden zwischen dem Kreditgeber, der Bank, und dem Kre73  Zunächst G. Graf, RdW 1991, 283, sodann Binder in Schwimann3 V § 983 Rz 18, und Schubert in Rummel3 I § 983 Rz 2. 74  Zur Aufteilung des Veruntreuungsrisikos zwischen dem Kreditnehmer und dem Kreditnehmer schon vorher in OGH 8 Ob 13/99s, SZ 73/137 = JBl 2001, 175 = ÖBA 2001, 409 (Bollenberger).

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ditnehmer zu teilen.75 Aber auch der Verkäufer ist in die Risikoverteilung einzubeziehen und auch Verschuldensgesichtspunkte sind zu berücksichtigen.76 Eine solche Aufteilung77 entspricht nicht nur dem hypothetischen Parteiwillen sondern auch Grundsätzen des dispositiven Rechtes (zB §§ 429, 905 Abs 2, 1051).78 c) Übergabe anderer Sachen 26

Am häufigsten wird ein Darlehen in Geld gegeben, doch kommt auch die Übergabe anderer Sachen in Betracht, wenn auch in der Rechtspraxis in solchen Fällen gerne von „leihen“, „borgen“ oder „ausborgen“ die Rede ist. So „leiht“ etwa eine Hausfrau von ihrer Nachbarin ein paar Eier (Eierdarlehen) oder ein Student im Studentenheim von einem anderen ein paar Flaschen Bier zur Bewirtung plötzlich aufgetauchter Kollegen (Bierdarlehen).79 Vereinbarungsgemäß können dem Schuldner statt Geldes andere Sachen übergeben werden, damit er ihren Erlös als Darlehen verwende. Dieser Geldbetrag ist dann zurück zu bezahlen. d) Übergabe von Geld

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Zahlreiche Entscheidungen und Autoren haben sich mit der Übergabe von Geld in den verschiedensten Formen befasst, da diese nach der Rechtslage vor der Nov 2010 Voraussetzung für die Rechtsgültigkeit des Realvertrages war. Nunmehr kommt der Vertrag schon durch Willenseinigung zustande, die Übergabe hat nur mehr die Funktion der Erfüllung, ausgenommen in dem nicht unwichtigen Sonderfall des nur mündlichen Abschlusses eines unentgeltlichen Darlehens, s § 984. Nach der Auffassung Stanzls in der Vorauflage80 wird Geld unmittelbar dargeliehen und nicht etwa bloß eine Forderung verschafft, wenn der Gläubiger vereinbarungsgemäß den Betrag auf ein Konto des Schuldners bei einem Kreditinstitut einzahlt oder überweist. Hinter dieser Rechtsmeinung steht offenbar der Wunsch, unerwünschte Konsequenzen der Konstruktion des Darlehens als Realvertrag zu vermeiden, doch hatte sich schon vor der Nov 2010 die Rechtsansicht durchgesetzt, dass ein Darlehen auch durch Verschaffung von Buchgeld eingeräumt werden kann, da hiedurch die ausschließliche Verfügungsmacht übertragen wird, siehe oben unter Rz 17. Nach der Nov 2010 werden die vertretbaren Sachen mit der Bestimmung übergeben, „dass der Darlehensnehmer über die Sachen nach seinem Belieben übergeben werden kann“. Damit kann die Verschaffung einer Forderung gegenüber einem Kreditinstitut schon nach dem einfachen Wortsinn als Darlehen gewertet werden. Im Gegensatz zur Übergabe von Bargeld ist der Gläubiger bei Leistung von Buch75 

SZ 73/137. 3 § 983 Rz 7; dies, Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 22; Griss in 77  G. Graf, RdW 1991, 284 und ders, ÖBA 1997 27 ff. 78  Bollenberger, ÖBA 2000, 847 ff; Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 22. 79  Im berühmten Filmklassiker „Die Reise nach Tokio“ von Yasujiro Ozu findet sich zB ein unentgeltliches Sakedarlehen, kombiniert mit einem Leihvertrag über Sakebecher. 80  In Klang2 IV/1, 696. 76 

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geld jedoch der Gefahr der Insolvenz des Kreditunternehmens81 und seinen Einwendungen, insb der Aufrechnung von Gegenforderungen ausgesetzt, und überdies ist Buchgeld generell leichter zu pfänden.82 Die hM verlangte (und verlangt) daher das Einverständnis des Gläubigers mit der Leistung von Buchgeld, was vor allem durch Mitteilung einer Kontonummer83 und Zusendung von Zahlscheinen84 oder auch durch wiederholter Annahme von Buchgeld als Erfüllung geschah.85 Die bloße Eröffnung eines Kontos, dessen Nummer dem Schuldner nicht mitgeteilt wurde, genügt hingegen nicht, Entsprechendes gilt für die Überweisung auf ein anderes als das angegebene Konto.86. Stanzl ver­ tritt in der Vorauflage87 die seinerzeit durchaus gängige88 Auffassung, dass dies für Girokonten bei der Postsparkasse nicht gelten solle, ein Privileg gegenüber anderen Kreditinstituten, das heute zu recht abgelehnt wird, da auch bei sol­ chen Konten die Gefahr von Einwendungen und der erleichterten Pfändung besteht. Zugezählt ist in diesen Fällen das Darlehen jedenfalls mit der Gutschrift auf dem Konto des Empfängers.89 e) Neuerungsvertrag Nach §Â€959 kann ein Verwahrungsvertrag in einen Darlehensvertrag um­ 28 gewandelt werden („Vereinbarungsdarlehen“). Das war vor der Nov 2010 nicht selbstverständlich, weil bei Umänderung eines Konsensualvertrages in einen Realvertrag im Prinzip auch dessen Formvorschriften, also die Erbrin­ gung der tatsächlichen Leistung einer Partei, erforderlich wäre, widrigenfalls 81╇In den Siebziger- und Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts gab es Bestrebungen, dem Geldschuldner zu erlauben, dem Gläubiger Buchgeld aufzudrängen, dies mit der Begründung, dass Bargeld bei der Begleichung nicht ganz bescheidener Summen ohnehin im Aussterben und die Vorstellung, Kreditinstitute könnten insolvent werden, antiquiert und weltfremd sei. Wer unter diesen Umständen Bargeld verlange, handle geradezu schikanös. 82╇ Auch wirkt Barzahlung „steuerschonender“, weil solche Transaktionen staatlich weniger leicht staatlich überwacht und kontrolliert werden können. Wenn auch dieses Motiv nicht unbedingt besonders schützenswert erscheint, so führt es doch dazu, dass der Bargeldverkehr in der modernen Wirtschaft keineswegs auf kleine Geschäfte des täglichen Lebens zurückgedrängt wird. Die Finanznot des Staates führt nicht nur zu financial repression im engeren Sinn, sie führt auch zu einem immer deutlicheren Abgehen vom Konzept einer finanziellen Privatsphäre. 83╇ F. Bydlinski in Klang2 IV/2, 330 ff; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 368 f; Stanzl in Klang2 IV/1, 696; SZ 7/307; OGH 1 Ob 516/88, ÖBA 1988, 839 (Koziol); 8 Ob A 281/95, JBl 1997, 124; 9 Ob 90/08p, EF 119.995. 84╇ Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR I Rz€6/6; GlUNF 6.819; auch OGH 7 Ob 701/77, SZ 50/151. 85╇ OGH 5 Ob 77, 156/63, HS 4.255. 86╇ F. Bydlinski in Klang2 IV/2, 331; Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR I Rz€6/6; SZ 7/307; zu großzügig daher Gschnitzer in Klang2 VI 406. Zum ganzen auch P. Bydlinski, Zivilrechtsfragen bei Zahlung auf ein nicht autorisiertes Gläubigerkonto, ÖBA 1995, 600; ähnlich OGH 6 Ob 190/00k, ÖBA 2001, 331 (P. Bydlinski); Koziol in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 III Rz€1/12. 87╇ In Klang2 IV/1, 696. 88╇ OGH 1 Ob 123/50, SZ 23/59 = JBl 1950, 481. 89╇ Allgemeine Auffassung, so zB OGH 7 Ob 701/77, SZ 50/151; 3 Ob 88/84, SZ 57/160; Reischauer in Rummel3 I §Â€905 Rz€19, zuletzt etwa Bollenberger in KBB3 §Â€905 Rz€6.

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nur ein Vorvertrag vorliegen hätte können.90 In der Regel war aber diese Leis­ tung im Zeitpunkt der Umänderung schon erfolgt, zB dann, wenn der Kauf­ preis nach Lieferung der Ware in ein Darlehen umgewandelt worden ist; an­ dernfalls wäre auch eine Umwandlung in einen Geldkreditvertrag iSd Rz€10 in Betracht gekommen. Die bloße Stundung des Kaufpreises kann jedoch keines­ falls als Neuerungsvertrag gewertet werden, der einen eigenen Rechtsgrund schafft und den alten grundsätzlich zum Erlöschen bringt.91 Hinterlegte Sachen, aber auch Sachen des Gläubigers, die sich aus einem 29 anderen Grund, etwa als Kommissionsgut, beim Schuldner befinden, können diesem vereinbarungsgemäß brevi manu92 als Darlehen überlassen werden. Aber auch eine sonstige Forderung des Gläubigers kann einverständlich in eine Darlehensforderung umgewandelt werden. So lässt sich etwa eine Kauf­ preisschuld93 oder eine Entgeltschuld aus einer Bauführung94 in eine Darle­ hensschuld verwandeln.95 Die Novation von Schulden, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, 30 ist nur möglich, wenn hiebei nicht gegen dessen Zweck verstoßen wird.96 Ent­ sprechendes gilt für sittenwidrige Schulden. Eine wegen Formmangels ungül­ tige Schuld wird nicht durch formlose Novation gültig,97 soweit damit der Formzweck vereitelt würde.98 Praktische Bedeutung hat dieser Fall seit der Aufgabe der Realvertragskonstruktion durch die Nov 2010 bei unentgeltlichen Darlehensverträgen ohne wirkliche Übergabe (§Â€984 Abs 2 ABGB) und bei Darlehensverträgen unter Ehegatten (§Â€1 Ab 1 lit b NotAktsG) und eingetrage­ 90╇Vgl Ertl in Rummel3 II/3 §Â€1376 Rz€4; Thöni in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) §Â€1376 Rz€5; Heidinger in Schwimann3 VI §Â€1376 Rz€8; 7 Ob 62/04z. 91╇ Ertl in Rummel3 II/3 §Â€1380 Rz€4; Binder in Schwimann3 §Â€983 IV §Â€983 Rz€21. 92╇ Schey in Klang2 I/1, 85. 93╇ OGH 7 Ob 50/89, ÖBA 1989, 741; Ertl in Rummel3 II/3 §Â€1376 Rz€4. 94╇ OGH 2 Ob 425/52, SZ 25/279. 95╇ Stanzl führt in Klang2 IV/1, 697 aus, dass aus einer solchen Schuldumwandlung folge, dass die Parteien über den Bestand des umzuwandelnden Schuldverhältnisses einig gewesen seien, sodass ein rechtsgeschäftliches Anerkenntnis vorliege. Da eine echte (rechtsbegründende, kons­ titutive) Anerkennung anzunehmen sei, die hilfsweise rechtserzeugend wirke, sei der Beweis der Nichtschuld, die Berufung auf einen Irrtum über das anerkannte Recht – abgesehen vom Fall des Betrugs nicht möglich. Die ursprüngliche Schuld erlischt allerdings grundsätzlich durch die Novation und bedarf daher keines besonderen streitabschneidenden Anerkenntnisses. Das neue Schuldverhältnis wiederum ist grundsätzlich in keiner Weise zweifelhaft oder strittig, sodass die Unterstellung eines konstitutiven Anerkenntnisses zu einem verpönten abstrakten Schuldverhält­ nisses inter partes führen müsste. Nur dann, wenn es solche Zweifel tatsächlich gibt, – und ein gewisses, bescheidenes Maß davon ist selbst für die Annahme eines bloß deklarativen Aner­ kenntnisses notwendig, weil es für dessen Abgabe sonst keinen vernünftigen Grund gäbe – kommt ein Anerkenntnis in Betracht, erst recht ein konstitutives. Es genügt also nicht, dass sich die Parteien über das Bestehen eines Rechtsverhältnis (für die jeweils andere erkennbar) überhaupt keine Gedanken machen und einfach davon ausgehen. Zu Recht nur vorsichtig („uU“) zustim­ mend daher Schubert in Rummel3 I §§Â€983, 984 Rz€2; zur Anfechtung konstitutiver Anerkenntnis­ se allgemein Ertl in Rummel3 II/3 §Â€1385 Rz€4. 96╇ Ertl in Rummel3 II/3 §Â€1376 Rz€2; allgemeine Ablehnung der Novierbarkeit solcher Schul­ den bei Stanzl in Klang2 IV/1, 697. 97╇ GlUNF 6875; OGH 3 Ob 560/52. 98╇ Ertl in Rummel3 II/3 §Â€1376 Rz€4; auch Harrer in Schwimann3 VI §Â€1376 Rz€8; ganz all­ gemein ablehnend zur Gültigkeit der Novation solcher Schulden Stanzl in Klang2 IV/1, 697.

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Verpflichtung zur Rückgabe

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nen Partnern (§ 43 Abs 1 Z 11 EPG). Auch verjährte und ganz allgemein unklagbare Verbindlichkeiten können wirksam noviert werden, so lange hiebei nicht gegen den Zweck der „Unklagbarkeitsnorm“ verstoßen wird.99 Durch die Novation allein werden solche Verbindlichkeiten nicht klagbar, doch wird sich das Gegenteil regelmäßig aus dem Zweck des Vertrages ergeben.100

IV. Verpflichtung zur Rückgabe Nach § 983 müssen die Sachen mit der Verpflichtung übergeben werden, 31 dem Darlehensgeber „spätestens nach Vertragsende ebenso viele Sachen derselben Gattung und Güte zurückzugeben“. Diese Rückgabeverpflichtung ist wesentlich. Fehlt sie, so liegt kein Darlehensvertrag vor, sondern allenfalls ein anderes Geschäft, wie zB ein Pränumerationskauf, Ausstattung oder Gesellschaft bürgerlichen Rechtes.101 Bloße Sachhaftung, etwa mit der für die Forderung bestellten Hypothek, kann allerdings vereinbart werden.102 Vor allem bei Familienangehörigen wird mangels ausdrücklicher Rückzahlungsvereinbarung vielfach überhaupt ein (wenigstens schlüssig begründete) Rückzahlungsvereinbarung zu verneinen sein.103 Die seinerzeit gesetzlich angeordnete Pflicht, „ebensoviel“ zurückzuge- 32 ben, war schon durch § 5 des Gesetzes RGBl 1968/62 ausdrücklich dahin abgeschwächt worden, wonach das Zurückzuerstattende nur mehr von derselben Gattung sein musste wie das Gegebene, es dürfe aber bedungen werden, dass eine größere Summe oder Menge oder Sachen von besserer Beschaffenheit als gegeben wurden, zurückerstattet werden sollten. Stanzl hat zu Recht darauf hingewiesen, dass darin ein einer Verzinsung gleichzusetzendes Entgelt für die Kapitalnutzung liege.104 Umgekehrt könne vereinbart werden, dass weniger oder Schlechteres zurückgegeben werden könne; in diesem Fall werde regelmäßig ein mit einer Schenkung vermischter Darlehensvertrag, allenfalls teilweiser Schulderlass vorliegen. Das Gesetz RGBl 1868/62 wurde zwar durch das ZinsRÄG aufgehoben, doch ist den Materialien nicht die Absicht des Gesetzgebers entnehmbar, hier eine Änderung der gelebten Rechtslage vorzunehmen, wozu auch kein Anlass bestanden hätte. Allerdings sind die häufigsten Fälle einer Änderung des zurückzubezahlenden Kapitalbetrages grundsätzlich völlig unabhängig von Entgeltlichkeit und einer allfälligen Schenkungsabsicht des Darlehensgebers, beruhen vielmehr auf einem besonders vereinbarten Berechnungsmodus des zurückzubezahlenden Betrages: die Wertsicherungsklausel und die unechte Fremdwährungsschuld; zur Entgeltlichkeit bzw Unentgeltlichkeit des Darlehens bei Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel s § 984. 99  Unklagbare Spielschulden werden durch Novierung in ein Darlehen nicht klagbar: ÖBA 2000, 164. 100  Ehrenzweig, System II/12, 360; Ertl in Rummel3 II/3 § 1377 Rz 2: allgemein die Wirksam­ keit der Novation unvollkommener Verbindlichkeiten befürwortend Stanzl in Klang2 IV/1, 697. 101  Stanzl in Klang2 IV/1, 699; Griss in KBB3 §  983 Rz  4. Scheingeschäft: OGH 7 Ob 263/03g, ÖBA 2005, 278 (Bollenberger). 102  GlU 15.764. 103  OGH 7 Ob 556/78, SZ 51/92. 104  In Klang2 IV/1, 699.

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Die Zuzählung eines Darlehens in barem Geld ändert nichts daran, dass der Darlehensnehmer vielfach Buchgeld zurückzahlen darf oder sogar muss, und § 905a erlaubt bei im Inland zahlbaren echten Fremdwährungsschulden, bei denen nicht Zahlung in Auslandswährung ausdrücklich (effektiv) bedungen wurde, grundsätzlich die Zahlung in Euro. Da es sich hier lediglich um eine Ersetzungsbefugnis handelt, gibt der Darlehensnehmer jedenfalls „Sachen derselben Art und Güte“ zurück.105 Der Darlehensnehmer wird Eigentümer und kann über die dargeliehene 34 Sache frei verfügen. Ihn trifft daher die Gefahr des Untergangs der Sache und insb grundsätzlich auch der Verwendung der Kreditsumme.106 Umgekehrt ist der Darlehensnehmer gesetzlich auch nicht zur Vermögensangabe und Rechnungslegung verpflichtet.107 Das Darlehen kann ohne oder gegen Zinsen gegeben werden (§ 988). Nach der Neufassung des §  983 durch die Nov 2010 soll die Rückgabe 35 „spätestens nach Vertragsende“ erfolgen. Diese auf den ersten Blick etwas unklare Formulierung soll Fälle umfassen, in denen der vereinbarte Rückgabetermin vor dem Vertragsende liegt und vor allem solche, in denen eine ratenweise Tilgung der Darlehensschuld vereinbart ist.108

V. Form. Ungültige Darlehensverträge 1. Formfreiheit 36

Auch für den Darlehensvertrag gilt der Grundsatz der Formfreiheit (§ 883). Die Parteien können aber eine bestimmte Form vereinbaren (§§ 883, 886) und von dieser auch ausdrücklich oder schlüssig wieder abgehen. Seit der Nov 2010 ist zum Zustandekommen des Darlehensvertrages die Übergabe der dargeliehenen Sache nicht mehr notwendig (Konsensual- statt Realvertrag), nur für unentgeltliche Darlehen ohne wirkliche Übergabe sieht § 984 Abs 2 die Schriftform vor. Dazu kommen § 1 Abs 1 lit b NotAktsG und § 43 Abs 1 Z 11 EPG, die für unentgeltliche Darlehen unter Ehegatten und eingetragenen Partnern die Schriftform vorsehen. 2. Darlehensverträge zwischen Ehegatten und eingetragenen Partnern a) Notariatsakt

37

Der Grundsatz der Formfreiheit ist durch § 1 Abs 1 lit b NotaktG für Darlehensverträge ohne wirkliche Übergabe zwischen Ehegatten und durch § 43 Abs 1 Z 11 EPG für solche Verträge unter eingetragenen Partnern durchbrochen. Die Gültigkeit solcher Verträge ist – wie bei Schenkungsverträgen ohne Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz 1/118. Schey in Klang2 I/1, 95 ff; auch Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz 1/61. 107  Schubert in Rummel3 I §§ 983, 984 Rz 4. 108  RV 650 BlgNR 24. GP 8; Stabentheiner, ÖJZ 2010, 937; P. Bydlinski, ecolex 2010, 521; Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 983 Rz  105  106 

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Form. Ungültige Darlehensverträge

§ 983

wirkliche Übergabe – durch die Aufnahme eines Notariatsaktes bedingt. In diesem muss die Willenseinigung beurkundet sein, vor der Nov 2010 wegen der Realvertragsnatur des Darlehens auch die erfolgte Übergabe. Die Valuta kann auch schon früher übergeben worden sein.109 Strittig ist der Formzweck, ob nämlich nur Übereilungs- oder auch Gläu- 38 bigerschutz vorliegt. Einigkeit besteht darüber, dass die besondere Art der Beziehung zwischen Ehegatten und eingetragenen Partnern unüberlegte Darlehensverträge fördert und bei der leichten Aufhebbarkeit und Abänderbarkeit von Konsensualverträgen auch die Klarstellung von besonderer Bedeutung ist.110 Unstrittig ist auch, dass zur Zeit der Erlassung des NotZwG (1871), des Vorläufers des NotAktsG, der Gläubigerschutz im Vordergrund stand. Rsp und überwiegende Lehre sind darüber hinaus jedoch der Auffassung, dass dieser Formzweck seit der Erlassung der AnfO und der KO (1915), der Vorläufer der IO, obsolet sei.111 Der Gesetzgeber hat jedoch aus guten Gründen bei dieser Gelegenheit das NotZwG nicht novelliert oder gar aufgehoben. Der Gläubiger ist in einer ungleich schwierigeren Lage, wenn er ein Rechtsgeschäft anficht, bei dem sich ein Großteil der Beweismittel auch noch in der Hand seines Gegners befindet, als wenn er sich einfach auf dessen Formungültigkeit berufen kann. Vor allem aber soll die Notariatsaktspflicht vor dem Vorspiegeln von Rechtsgeschäften schützen,112 einer Gefahr, der mit dem Mittel der Gläubigeranfechtung meist nicht begegnet werden kann. Der Unterschied, ob als Formzweck nur Übereilungs- oder auch Gläubigerschutz anzusehen ist, wirkt sich bei der Heilung durch Erfüllung aus, dazu nächste Rz. b) Formmangel Fehlt der Notariatsakt, so ist ein gültiger Vertrag nicht zustande gekom- 39 men. Der Ehegatte, der die Valuta zugezählt hat, kann aber das grundlos Geleistete – auch bereits verbrauchtes Geld113 – als Bereicherung zurückfordern (§Â€877 bzw §§Â€1431 ff)114, und zwar unabhängig von den vertraglich vereinbarten Rückzahlungsterminen.115 Da (auch) der Gläubigerschutz nach wie vor Aufgabe der Notariatsaktspflicht ist (§Â€1 Abs 1 lit b NotAktsG), kommt eine Heilung durch Hingabe der Darlehensvaluta allerdings nicht in Betracht, wohl aber allenfalls nach vollständiger Rückzahlung.116 Voraussetzung ist alGlU 13.472; Schubert in Rummel3 I §§Â€983, 984 Rz€6. So besonders deutlich Welser, Zivilrechtliche Formgebote und Notariatsakt 18 f; ebenso SZ 45/127 = EvBl 1973/178. 111╇So Weiss in Klang2 V 710; Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte 101 ff; OGH 3 Ob 127/72, SZ 45/127 = EvBl 1973/178; aM Welser, Zivilrechtliche Formgebote und Notariatsakt 14 ff. 112╇ Welser, Zivilrechtliche Formgebote und Notariatsakt 14 ff. 113╇ SZ 14/171. 114╇ SZ 14/171; SZ 18/195; OGH 7 Ob 677/80, JBl 1981, 650; 1 Ob 632/230, NZ 1986, 230; Binder in Schwimann3 IV §Â€983 Rz€16; Schubert in Rummel3 I §§Â€983, 983 Rz€6. 115╇ OGH 8 Ob 518/94, JBl 1994, 832 = ecolex 1994, 754. 116╇ Im Einzelnen ist hier vieles äußerst strittig, einerseits OGH 8 Ob 518/94, JBl 1994, 832 = ecolex 1994, 754 (Wilhelm); 8 Ob A 250/95, RdW 1997, 33; P. Bydlinski, Heilung formungültiger 109╇

110╇

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lerdings, dass – wäre die Form eingehalten – ein Darlehensvertrag vorliegen würde, dass sich also der Ehegatte zur Rückgabe verpflichtet hat und ihm nicht etwa das Gegebene etwa in Erfüllung der ehelichen Beistandspflicht (§ 44) – zugewendet wurde. Entsprechendes gilt für die eingetragene Partnerschaft. Dass die zur Deckung des Darlehens bestellten Sicherheiten auch zur Sicherung des Bereicherungsanspruchs dienen können, wird wegen des Formzwecks verneint.117 Die spätere Auflösung der Ehe macht den formungültigen Darlehensver40 trag nicht gültig,118 weil diese an der bei Vertragsabschluss bestandenen Übereilungsgefahr und der Notwendigkeit der sofortigen Klarstellung der Rechtsbeziehungen nichts ändert und ebenso wenig an der Gefahr für die Gläubiger. Der Mangel des Notariatsaktes ist von Amts wegen zu beachten119 und kann insb auch von Dritten geltend gemacht werden.120 3. Mangel der Geschäftsfähigkeit oder der Vertretungsbefugnis 41

Kreditgeschäfte Minderjähriger (§ 152 Abs 1), Geisteskranker und behinderter Personen innerhalb des Wirkungsbereiches ihrer Sachwalter (§ 280) bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. Hingegen können mündige Minderjährige über Sachen, die ihnen zur freien Verfügung überlassen worden sind, und über ihr Einkommen aus eigenem Erwerb so weit verfügen, als dadurch nicht die Befriedigung ihrer Lebensbedürfnisse gefährdet wird (§ 152 Abs 2). Wurde das Kreditgeschäft von absolut Geschäftsunfähigen, also einem Kind bis 7 Jahren oder einem Geisteskranken, selbst abgeschlossen, so ist es absolut unwirksam (§  865 Satz 1), kann also auch vom gesetzlichen Vertreter nicht genehmigt werden.121 Wurde das Kreditgeschäft von einem beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen geschlossen, so ist es schwebend unwirksam und bedarf der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters (§  865 Satz 2).122 Mündige Minderjährige können darüber hinaus über Sachen, die ihnen zur freien Verfügung überlassen worden sind, und über ihr Einkommen aus eigenem Erwerb so weit verfügen, als dadurch nicht die Befriedigung ihrer Lebensbedürfnisse gefährdet wird (§ 152 Abs 2). Maßgeblich ist hier der Lebensunterhalt ohne Berücksichtigung allfälliger Leistungen „einspringender“, unterhaltspflichtiger Eltern123, da in diesem Fall Ehegattenverträge durch Erfüllung? In Harrer/Zitta, Familien und Recht (1992) 419; Welser, Zivilrechtliche Formgebote und Notariatsakt 18; Schubert in Rummel3 I §§ 983, 984 Rz 6; Binder in Schwimann3 IV §  983 Fz 17; OGH 5 Ob 598/82, SZ 56/119; Wilburg in Klang2 VI 461; Rummel in Rummel3 II/3 §  1432 Rz  Rz  5; Mader in Schwimann3 VI §  1432 Rz  6 ff; dazu auch Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte 196 ff. 117  SZ 18/195; Wilburg in Klang2 VI 462; Schubert in Rummel3 I §§ 983, 984 Rz 6; Rummel in Rummel3 II/3 § 1431 Rz 15. 118  SZ 15/15; auch Schubert in Rummel3 I §§ 983, 984 Rz 6. 119  Schubert in Rummel3 I §§ 983, 984 Rz Rz 6. 120  GlUNF 2429. 121  Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz 1/21; Bollenberger in KBB3 § 865 Rz 2 f. 122  Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz 1/21; Bollenberger in KBB3 § 865 Rz 6. 123  OGH 5 Ob 600/78, EvBl 1978/202 (Rückzahlungsraten in der Höhe von etwa 30% des Einkommens auf zwei Jahre sind zu hoch); Koziol/Welser13 I 57.

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Form. Ungültige Darlehensverträge

§ 983

der Minderjährige über sein Einkommen unbeschränkt verfügen dürfte. Unter den „Lebensbedürfnissen“ ist nicht nur der unpfändbare Einkommensteil zu verstehen, Maßstab ist vielmehr der „angemessene Unterhalt“124, und nicht nur die Höhe der Verpflichtung ist von Bedeutung, sondern auch deren Dauer. Denn je länger diese ist, desto eher kann das Einkommen durch Krankheit, Unfall oder Verlust des Arbeitsplatzes vermindert werden. Es ist also im Rahmen des sinnvollerweise Möglichen auch auf die mögliche zukünftige Entwicklung der Einkommensverhältnisse Bedacht zu nehmen und auch zu berücksichtigen, dass bei Jugendlichen eine größere Ungewissheit der künftigen Erwerbssituation anzunehmen ist.125 Hiebei ist, dem Zweck der Schutzvorschrift entsprechend, ein strenger Maßstab zugunsten des Minderjährigen anzulegen.126 Besondere Schwierigkeiten bereiten die vertraglichen Verzugsfolgen bei 42 Krediten, die in Raten zu bezahlen sind. Es kommt nämlich vor, dass zwar diese Zahlungen die Lebensbedürfnisse des Minderjährigen nicht gefährden, wohl aber die vorzeitige Fälligstellung, und dieser die Gesamtsumme aus seinen monatlichen Einkünften nicht bestreiten kann. Vielfach wird hier die Meinung vertreten, dass dieses Risiko bei Bemessung der Reichweite der Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen berücksichtigt werden muss.127 Andere meinen, dass bei Prüfung der Wirksamkeit eines Vertrages von dessen ordnungsgemäßer Erfüllung ausgegangen werden müsse und die Folgen nicht gehöriger Erfüllung nicht erheblich seien oder bestenfalls nur den betragsmäßigen Rahmen der Verpflichtungsfähigkeit etwas vermindern könnten.128 Dieser Meinung hat sich jüngst Bollenberger vorsichtig mit dem Argument angeschlossen, dass bei vorzeitiger Fälligstellung, etwa wegen Zahlungsverzugs, der Minderjährige ohnehin noch durch die Exekutionsbeschränkungen geschützt werde.129 Dieser zweiten Meinung muss allerdings der oben erwähnte Grundsatz entgegengehalten werden, dass bei längerer Dauer der Verpflichtung nicht nur das Einkommen durch Krankheit, Unfall oder Arbeitsplatzverlust gemindert werden kann, sondern dass bei Jugendlichen überhaupt eine größere Ungewissheit der künftigen Erwerbssituation anzunehmen ist. Die Folgen der nicht gehörigen Erfüllung können auch nicht als mehr oder weniger unerheblich abgetan werden, weil Zinsen, Kosten der Einklagung und mehrfacher Exekutionsschritte erfahrungsgemäß oft genug die Hauptforderung übersteigen. Exekutionsbeschränkungen gewähren vielfach nur vorübergehenden Schutz, während alle diese Nebenkosten anschwellen. 124  OGH 5 Ob 600/78, EvBl 1978/202; Dullinger, ÖBA 2005, 671 und 678 mwN; Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz 1/22. 125  OGH 2 Ob 546/81, RZ 1982/57; Dullinger, ÖBA 2005, 678; Bollenberger in Apathy/Iro/ Koziol, BVR2 IV Rz 1/22. 126  Der Sache nach ebenso OGH 5 Ob 600/78, EvBl 1978/202 und 2 Ob 546/81, RZ 1982, 219 sowie Hopf in KBB3 § 151 Rz 4 mwN und Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV 1/22, die beiden letzteren allerdings mit der unglücklichen Zusatzbegründung, dass es sich hier auch um eine Ausnahme von der allgemein geltenden beschränkten Geschäftsfähigkeit Minderjähriger handle, die daher eine einschränkende Auslegung erfordere. 127  OGH 5 Ob 600/78, EvBl 1978/202; Iro, ÖBA 1986, 510; Dullinger, 128  LGZ Wien 45 R 616/79 EFSlg 33.546; Zemen, ÖBA 1991, 512 f. 129  In Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz 1/23.

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Besonders gefährlich sind nicht nur Terminverlustabreden130, bei Überziehungskrediten muss berücksichtigt werden, dass diese sofort fällig sind.131 Hat der mündige Minderjährige einen Kreditvertrag abgeschlossen, der 43 seine Verpflichtungsfähigkeit überschreitet, ohne dass der gesetzliche Vertreter diesen genehmigt, so ist die Zweifelsregel des § 878 analog anzuwenden, wonach typischerweise von Teilungültigkeit auszugehen ist.132 Diese führt dazu, dass der Minderjährige wenigstens im Rahmen seiner Geschäftsfähigkeit Kredit erhält und der Darlehensgeber wenigstens einen Teil der Gegenleistung enthält. Im Einzelfall kann allerdings Gesamtungültigkeit den Interessen der Parteien besser entsprechen. Am ehesten kommt bei Annahme der Teilungültigkeit nämlich eine Minderung der Annuitäten entsprechend der Leistungsfähigkeit des Darlehensnehmers in Betracht. Die damit unter Umständen verbundene Rückzahlung eines Teilbetrages kann für den Minderjährigen eine überraschende finanzielle Belastung bedeuten und sein konkretes Kreditbedürfnis unbefriedigt lassen, wenn etwa um die Summe ein bestimmter Gegenstand angeschafft werden sollte. Umgekehrt hat die Teilungültigkeit für den Darlehensgeber den Nachteil, dass er für den unwirksamen Teil nicht die vereinbarten Zinsen erhält.133 In Betracht käme am ehesten eine Minderung der Annuitäten gegen Verlängerung der Laufzeit. Dies setzt aber wiederum voraus, dass nicht schon die Höhe des Kredites zu einer Gefährdung der Lebensbedürfnisse des Minderjährigen führt und auch die Bank einen solchen Vertrag abgeschlossen hätte.134 Muss der rechtsunwirksame Darlehensvertrag wegen Geschäftsunfähig44 keit rückabgewickelt werden, so wird prinzipiell § 1424 zweiter Satz analog angewendet.135 Das bedeutet zunächst, dass das Vorhandene und zum Nutzen des Schuldners Verbrauchte, nicht aber das Verlorene zurückgefordert werden kann, also nicht das, was der Schuldner an einen zahlungsunfähigen Schuldner verliehen hat. Auf die Redlichkeit des Empfängers kommt es dabei nicht an, was allerdings nicht immer offen eingeräumt wird.136 Hiebei hat nicht der Bereicherungsgegner zu beweisen, dass die Darlehenssumme zum Vorteil des Geschäftsunfähigen verwendet worden ist, sondern dieser (nur) die Umstände widerlegen muss, die für eine Erzielung eines Nutzens sprechen.137 Gegebe130  131 

Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 8. Binder in Schwimann3 IV §  983 Rz  8; Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV

Rz 1/24. 132  Binder in Schwimann3 IV 983 Rz 8; Bollenberger in KBB3 § 878 Rz 5; Zemen, ÖBA 1991, 511 ff; Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz 1/25; OGH 8 Ob 248/66, SZ 39/142; anders 5 Ob 100/78, EvBl 1978/78; SZ 60/119. 133  Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz 1/26. 134  Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz 1/26. 135  OGH 6 Ob 792/82, SZ 55/166; 1 Ob 598/87, SZ 60/119; 8 Ob A 68/04i, SZ 2004/108; Stanzl in Klang2 IV/1, 700; Strasser, Spargeschäft mit Minderjährigen 22; Koziol in KBB3 § 1437 Rz 5; Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz 1/27. Dullinger, ÖJZ 1987, 40. 136  OGH 6 Ob 792/82, SZ 55/166; SZ 60/119; 1 Ob 598/87; 5 Ob 22/02z, SZ 2002/12 = ÖBA 2002, 1023; 1 Ob 125/09d, ÖBA 2010, 471; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 158; Dullinger, ÖJZ 1987, 40; Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz 1/27. 137  OGH 8 Ob A 68/04i, JBl 2005, 55; 7 Ob 50//10v, ÖBA 2011, 57.

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Einzel- und Grenzfälle

§ 983

nenfalls kommt auch eine Festsetzung nach richterlichem Ermessen in Betracht.138 Andernfalls würde einer der beiden Parteien eine probatio diabolica zugemutet. Dieses Modell passt jedoch nur bei völliger Geschäftsunfähigkeit des Be- 45 reicherten und gerade nicht im Fall des mündigen Minderjährigen, der immerhin schon verschuldensfähig ist, wenn auch nur beschränkt. Er muss daher keineswegs schutzwürdiger sein als sein redlicher Vertragspartner. Schon Wilburg139 hat daher zu Recht vorgeschlagen, § 1310 analog anzuwenden. Danach ist auf die Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen im konkreten Fall, auf die Veranlassung und auf die Vermögensverhältnisse abzustellen. Ein Widerspruch zwischen den Wertungen des § 1310 und denjenigen der § 1424 und 866140 ist nicht zu befürchten, weil die analoge Anwendung des §  1310 nur allfällige Nachteile des Vertragspartners berücksichtigen soll und § 866 seither mit Wirkung vom 1.7.2001 durch Art I KindRÄG 2001 BGBl I 2000/135 aufgehoben worden ist. Judikatur und Literatur, die für die Gegenmeinung zitiert werden,141 berufen sich zwar allgemein auf § 1424, gehen aber auf das Sonderproblem des § 1310 analog nicht ein, wobei vor Gericht auch noch ein entsprechendes Sachvorbringen erforderlich wäre. 4. Unerlaubte Darlehensverträge Über Wucher und Ausbeutung Kreditsuchender siehe Erl zu § 879. 46 Das Darlehen muss auch dann zurückgezahlt werden, wenn der Gläubiger 47 wusste, dass die Valuta zu einem unerlaubten Zweck verwendet wird. § 1174 Abs 1 schließt die Rückforderung nur für den Fall aus, dass das Gegebene als Entgelt für die unerlaubte Handlung dienen soll. Solche Darlehensgeschäfte sind auch nicht ohne weiteres wegen Sittenwidrigkeit ungültig; Näheres in den Erl zu § 1174. Ein zu einem verbotenen Spiel gegebenes Darlehen kann grundsätzlich 48 nicht zurückgefordert werden (§ 1174 Abs 2), doch gilt dies nur für das (endgültig) Verlorene, weil der Spieler sonst sowohl den Spielverlust zurückfordern als auch das Darlehen behalten könnte; Näheres in den Erl zu § 1174.

VI. Einzel- und Grenzfälle 1. Partiarisches Darlehen und Gesellschaft Siehe hiezu die Erl zu § 1175.

49

138 

OGH 7 Ob 50/10v, ÖBA 2011, 57. In Klang2 VI 486; ebenso Koziol/Welser13 II 297; Zemen, ÖBA 1991, 513; Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz 1/17 und Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz 1/28; krit Rummel in Rummel3 I § 877 Rz 5. 140  Wie von Rummel3 I § 877 Rz 5 angenommen. 141  So zB Dullinger, ÖBA 2005, 679 und OGH 7 Ob 50/10v, ÖBA 2011, 57 bei Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz 1/28. 139 

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§ 983

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2. Vorschuss 50

Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist der Vorschuss ein Geldbetrag, der jemandem vorausbezahlt wird, obwohl er erst später einen Rechtsanspruch darauf hat.142 Damit verringert sich der zukünftige Entgeltanspruch,143 zB ein Gehalt oder eine Provision um diesen vorausbezahlten Betrag, der also bei Erbringung der Gegenleistung nicht gegen den Entgeltanspruch aufgerechnet wird: Der Vorschuss wird also abgerechnet, nicht aufgerechnet.144 Wenn der Vorschuss also nächst auch als Vorauszahlung eines noch nicht fälligen Entgelts zu verstehen ist, so kann er von den Parteien doch auch als Darlehen ausgestaltet werden. Maßgeblich ist die Parteienabsicht, typische Kriterien sind hier Verzinslichkeit, Dauer und Verwendungszweck.145 Der Gesetzgeber verwendet das Wort Vorschuss (oder vorschießen) wie51 derholt, ohne dass er damit immer einen deutlichen, geschweige denn einen klaren Begriff verwendet. Eine Gruppe von Bestimmungen versteht darunter Vorausleistungen im Rahmen von Vertragsverhältnissen, so etwa bei der Leihe (981), beim Auftrag § 1014), beim Dienstvertrag (§§ 1154a, 1486 Z 5), beim Handelsvertretervertrag (§ 14 Abs 2 HVertrG). Alle diese Vorschüsse sind jedenfalls keine Darlehen, können aber dispositiv als solche ausgestaltet werden. Ins öffentliche Recht und nicht ins Privatrecht gehören Bezugsvorschüsse an Bundesbeamte (§ 23 GehG 1956); hingegen fallen Vorschüsse an Vertragsbedienstete (§ 25 VBG 1948) in den Rahmen des privatrechtlichen Dienstverhältnisses. Weder um Vorschüsse im sonst üblichen Sinn noch um Darlehen handelt es 52 sich beim Vorschuss iSd § 789. Bei diesem geht es um Zuwendungen des Erblassers unter Lebenden, die ohne Rechtspflicht gegeben werden und bei deren Hingabe die Verrechnung auf den Pflichtteil bedungen wurde.146 Eine solche Vereinbarung kann der Erblasser für die Anrechnung nicht nachträglich vereinbaren.147 §  354 Abs 2 UGB sieht einen Zinsenanspruch vom Leistungstag an für 53 Darlehen, Vorschüsse, Auslagen und andere Verwendungen vor. Der OGH versteht unter Vorschüssen grundsätzlich alle Vorauszahlungen bei Verträgen. Die wohl überwiegende unternehmensrechtliche Lehre hat diesen Begriff auf Vorschüsse darlehensähnlichen Charakters eingeschränkt.148 142  OGH 3 Ob 518/77, SZ 51/77; 1 Ob 563/91, JBl 1991, 793; Binder in Rummel3 IV § 983 Rz 47; Griss in KBB3 § 983 Rz 9. 143  OGH 3 Ob 518/77, SZ 51/38; 1 Ob 509/81; Ehrenzweig, System II/12, 401 f; Schubert in Rummel3 I §§ 983, 984 Rz 7. 144  Schubert in Rummel3 I vor §§ 983, 984 Rz 7; Griss in 3 § 983 Rz 9. 145  Ehrenzweig, System II/12, 401 f; Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 48. 146  Welser in Rummel3 I §§ 788, 789 Rz 2; Apathy in KBB3 §§ 788–789 Rz 3. 147  OGH 1 Ob 103/65, SZ 38/98 = EvBl 1966/25 = JBl 1966, 84; 6 Ob 627/91, JBl 1992, 709; Welser in Rummel3 I §§ 788, 789 Rz 2; Apathy in KBB3 §§ 788–789 Rz 3. 148  Schuhmacher in Straube, UGB4 §  354 Rz  13; Stanzl hat darunter in Klang2 IV/1, 702 unter Berufung auf die E OGH 1 Ob 352/55, SZ 28/166 auch Kaufpreisanzahlungen als Vorschüsse verstanden.

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Einzel- und Grenzfälle

§ 983

Kein privatrechtliches Verhältnis und daher auch kein Darlehensvertrag 54 besteht bei Vorschüssen an Zeugen und Sachverständigen (§§ 328, 332, 365 ZPO; § 26 GebAG); bei Vorschüssen an den Zwangsverwalter (§ 113 EO) sowie bei Vorschüssen für Verwaltungskosten. Im Exekutionsverfahren werden nach § 290c EO Vorschüsse und Nachzahlungen gleich behandelt. Sie sind zunächst aus der Differenz zwischen den § 292 Abs 4 EO genannten Beträgen und dem unpfändbaren Freibetrag abzudecken. Soweit der Vorschuss daraus nicht gedeckt wird, steht dem Drittschuldner auch ein Abzug vom pfändbaren Betrag zu, wobei der unpfändbare Freibetrag so zu berechnen ist, als ob kein Vorschuss geleistet worden wäre. Wird einem Arbeitnehmer noch nicht verdientes Geld vorausbezahlt, so 55 liegt im Zweifel Vorschuss und nicht Darlehen vor. Entscheidend ist aber die Parteiabsicht. Vor allem eine Verzinsungsvereinbarung spricht für Darlehen.149 Wurde der Vorschuss zu einem bestimmten Zweck gegeben, in der Folge jedoch (auch unverschuldet) anderweitig verwendet, kann er gem §  1435 zurückgefordert werden.150 3. Unregelmäßiger Verwahrungsvertrag 56

Näheres hiezu unter § 959 Rz 23. 4. Spareinlagen- und Girovertrag

57

Näheres hiezu unter § 959 Rz 24 f. 5. Bausparvertrag

Der Bausparvertrag ist ein kombinierter Spar- und Kreditvertrag, bei 58 welchem der Sparverpflichtung des Bausparers die Verpflichtung der Bausparkasse zur Gewährung eines Kredits gegenübersteht.151 Er kommt dadurch zustande, dass der Interessent an eine Bausparkasse den Antrag auf Abschluss eines Bausparvertrages stellt und die Bausparkasse die Annahme dieses Antrags bestätigt. Die Bausparkassen schließen nach ihren AGB ab, die nicht branchenweit ident sind. 6. Wechseldiskontvertrag Beim Wechseldiskontvertrag kauft der Erwerber – idR eine Bank – den 59 indossierten Wechsel um die Wechselsumme abzüglich Zwischenzinsen, Pro149  Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 48; Schubert in Rummel3 I §§ 983, 984 Rz 7; auch GlUNF 5.464 und GlUNF 6.713. 150  Schubert in Rummel3 I §§ 983, 984 Rz 7; Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 50; Griss in KBB3 § 983 Rz 9; OGH 1 Ob 557/91, EvBl 1991/169; 1 Ob 563/91, JBl 1991, 793 (Baubetreuer behauptet, früher erhaltene Vorschüsse ordnungsgemäß verwendet zu haben, ist aber nicht in der Lage oder nicht willens, die ihm obliegende Schlussrechnung ordnungsgemäß zu legen). 151  OGH 4 Ob 562/91, SZ 64/145; 3 Ob 14/99a, SZ 73/41 = ÖBA 2000, 806 (Koziol); Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 43.

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§ 984

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visionen und Spesen.152 Dies kann im Rahmen eines Diskontkredits (Rahmengeschäft) geschehen, es kann aber auch ein Einzelgeschäft vorliegen. Der Wechsel kann auch begeben werden, um eine bereits bestehende Forderung (etwa eine Darlehensforderung) zu sichern und leichter einbringlich zu machen. Entsprechendes gilt für den Scheckdiskont. 7. Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen 60

Seit mehr als zwei Jahrzehnten befassen sich Lehre und Rsp immer wieder mit den verschiedenen Facetten des „eigenkapitalersetzenden Gesellschafter­ darlehens“153. Es geht hiebei um Darlehen, die der Gesellschafter seiner Gesellschaft „in der Krise“ gewährt, wobei er deren Liquidität zunächst erhöht. Hier wurde es als unbefriedigend angesehen, wenn er dieses Darlehen im Insolvenzverfahren zurückverlangen kann. Der Gegenstand wurde daraufhin vom Gesetzgesetzgeber durch das EKEG (Eigenkapitalersatz-Gesetz) BGBl I 92/2003 geregelt, das mit 1.1.2004 in Kraft getreten ist.154

Arten des Darlehensvertrags § 984. (1) Gegenstand eines Darlehensvertrags können Geld oder andere vertretbare Sachen sein. Ein Darlehen kann entweder unentgeltlich oder gegen Entgelt gewährt werden. Wenn die Parteien nichts über ein Entgelt vereinbaren, gilt der Darlehensvertrag im Zweifel als unentgeltlich. (2) Ein unentgeltlicher Darlehensvertrag ohne Übergabe der Sachen ist nur wirksam, wenn der Darlehensgeber seine Vertragserklärung schriftlich abgibt. Stammfassung JGS 1811/946 idF BGBl I 2010/28 (DaKRÄG). Mat: NR RV 650 BlgNR 24. GP; JAB 652 BlgNR 24. GP; BR AB 8305 BlgNR. Lit: Wie Übersicht zu § 983.

Übersicht I. Arten des Darlehens 1. Geld- und Sachdarlehen

1–7 1

Stanzl in Klang2 IV/1, 708; Binder in Schwimann3 IV § 983 Rz 44 f. So zB OGH 8 Ob 9/91, SZ 64/53 = Wbl 1991, 398 (Ostheim); 1 Ob 617/91, SZ 64/160 = JBl 1992, 444 (Ostheim); Ostheim, Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen in der Unternehmenskrise, GesRz 1989, 122, ders, Probleme eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen, FS Kastner (1992) 347; K. Schmidt, Eigenkapitalersatz und seine Behandlung in Österreich, GesRz 1993, 8, 86; Karollus, Drittkredit, Gesellschaftersicherheit und Kapitalersatzrecht, RdW 1994, 4; Ostheim, Zu Rechtsgrund und Reichweite der Regeln über eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen, WBl 1995, 217; Koppensteiner, Kritik des „Eigenkapitalersatzrechts“, Wbl 1997, 489; Karollus, Eigenkapitalersetzende Leistungen. Jüngste Entwicklungen und Zukunfts­ perspektiven, ÖBA 1997, 105. 154  Dellinger/Mohr, EKEG (2004). 152  153 

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Arten des Darlehens

2. Entgeltliches und unentgeltliches Darlehen II. Entgeltlichkeitsvermutung III. Form des unentgeltlichen Darlehens

§ 984 2–7 8–10 11–12

I. Arten des Darlehens 1. Geld- und Sachdarlehen § 984 Abs 1 nimmt eine grundlegende Einteilung der verschiedenen Spiel- 1 arten des Darlehens vor und ordnet an, dass Gegenstand des Darlehensvertrages Geld oder andere vertretbare Sachen sein kann. Das ergibt sich schon aus § 983 und bietet daher nur eine Veranschaulichung;1 s auch § 983 Rz 17 ff. Geld ist nach § 984 Abs 1 nur ein Unterfall der vertretbaren Sache, was auch dem Sachbegriff des § 285 entspricht, weshalb die Normierung eines Gegensatzpaares Geld- und Sachdarlehen an sich unglücklich ist, doch ist dieses längst in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen.2 Die Vorschriften über die Verzinsung haben im Wesentlichen nur die Gelddarlehen im Auge, die in der Rechtspraxis wesentlich häufiger sind als Sachdarlehen. Das ändert aber nichts daran, dass auch Sachdarlehen entgeltlich sein können.3 2. Entgeltliches und unentgeltliches Darlehen Dass ein Darlehen entweder unentgeltlich oder gegen Entgelt gewährt 2 werden kann, entsprach auch schon der Rechtslage vor der Nov 2010.4 Während aber bisher die Entgeltlichkeit für die Auslegung (Unklarheitenregeln des § 915) und die Anwendbarkeit der Zinsenvorschriften (§ 354 Abs 2 HGB, danach § 354 Abs 2 UGB) von Bedeutung war, hängt nunmehr auch die Formgültigkeit eines unentgeltlichen Darlehens ohne Übergabe der Sache davon ab (§ 984 Abs 2). Entgeltlich ist ganz allgemein jede Leistung, für die eine Gegenleistung 3 erfolgt, doch hat der Darlehensnehmer auf jeden Fall, also auch bei unentgeltlichen Darlehen, „ebenso viele Sachen derselben Gattung und Güte zurückzugeben“. Diese auf jeden Fall zu erfüllende Verpflichtung darf daher bei Prüfung der Entgeltlichkeit nicht berücksichtigt werden, diese setzt vielmehr eine über die kongruente Rückgabe hinausgehende Leistung voraus.5 Die typischste Form des Entgelts beim Darlehen sind Zinsen, also für die 4 Überlassung der Nutzung vertretbarer Sachen zu leistende Vergütung in gleichen vertretbaren Sachen, die in Bruchteilen (Prozenten) des Kapitals berech1 Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 984 Rz 1; auch Stabentheiner, ÖJZ 2010, 938. 2  Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 984 Rz 4; auch RV 650 BlgNR 24. GP 9. 3  Stabentheiner, ÖJZ 2010, 938. 4  § 984 erster Satz aF: „Ein Darlehen wird entweder in Geld oder in anderen verbrauchbaren Sachen, und zwar ohne, oder gegen Zinsen gegeben“. Dazu statt aller Binder in Schwimann3 IV §§ 984, 985 Rz 1. 5 Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 984 Rz

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net und idR periodisch abgerechnet werden.6 Es kann aber auch vereinbart werden, dass eine höhere Summe oder Menge oder Sachen von besserer Beschaffenheit als die hingegebenen zurückerstattet werden soll.7 Vor allem bei Sachdarlehen kann das Entgelt in Sach- oder Dienstleistungen bestehen.8 Bei partiarischen Darlehen wird ein Anteil am Gewinn einer Gesellschaft oder eines Unternehmens überlassen, allerdings ohne dass dem Darlehensgeber Mitwirkungsrechte eingeräumt würden.9 Allein oder gemeinsam mit Zinsen oder anderen Positionen werden Dis­ 5 agios, Cap- und Forward-Prämien oder auch einmalig bei Auszahlung zu entrichtende Gebühren verrechnet.10 Besonders beliebt sind auch „Manipulations-“ oder „Bearbeitungsgebühren“. Als solche deklarierte Zahlungen sind nicht nur dann ein Entgelt, wenn damit ein Aufwand abgegolten werden soll, den der Darlehensgeber hat machen müssen, um seine Leistung, also die Verschaffung einer Nutzungsmöglichkeit an Kapital, zu erbringen.11 Ein solcher wäre jedenfalls in der Arbeitsleistung der Dienstnehmer des Darlehensgeber und dem von ihm erbrachten Sachaufwand zu erblicken. Wie in vielen anderen Fällen ist der Darlehensgeber bemüht, die Höhe der Zinsen, auf die der Blick seines Vertragspartner zuerst fällt, möglichst gering zu halten und statt dessen alle möglichen Gebühren, Prämien udgl in den Vertrag aufzunehmen und womöglich massiv zu kombinieren. Auf diese Weise kann ein (scheinbar) äußerst günstig verzinstes Darlehen im schlimmsten Fall sogar wucherische Züge annehmen.12 Im Extremfall wird ein Darlehen sogar als „zins- und gebührenfrei“ bezeichnet, wenn die Gegenleistung durch einen Dritten erbracht wird, wovon der Darlehensgeber meist nichts weiß.13 Von wem die Gegenleistung entrichtet wird, ist gleichgültig, daher auch, ob der Dritte dieses Entgelt auf den Darlehensnehmer überwälzt. Besondere Schwierigkeiten bereitet die Behandlung von Wertsicherungs6 klauseln, vor allem wenn sie als Abreden von verzinslichen Darlehen auftreten, vor allem deshalb, weil der Zins im Prinzip auch die Aufgabe hat, den Wertverlust des Geldes auszugleichen. Bei entsprechender Zinspolitik der Notenbanken – vor allem zur Erleichterung der Tilgung von Staatsschulden – liegen die Einlage- und Anleihezinsen erfahrungsgemäß aber unter diesem Wertverlust, wozu noch kommt, dass dieser Scheingewinn auch noch besteuert wird. Es liegt also ein negativer Realzins vor. Der Darlehensgeber wird daher in vielen Fällen versuchen, diesen Wertverlust durch Wertsicherungsklauseln auszugleichen. Nach Bollenberger/ Schubert in Rummel3 I § 999 Rz 1. So ausdrücklich der inzwischen aufgehobene § 5 des G RGBl 1868/62, nunmehr führt aber der Grundsatz der Privatautnomie zum selben Ergebnis, Griss in KBB3 § 984 Rz 2; OGH 2 Ob 511/88, wbl 1988, 164. 8  Stabentheiner, ÖJZ 2010, 938. 9  OGH 7 Ob 568/88, RdW 1988, 350; 8 Ob 553/89, wbl 1989, 351. 10  Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 984 Rz 6. 11  Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 984 Rz 6. 12  Auf ähnlichen Beweggründen beruht die in vielen Wirtschaftszweigen weit verbreitete Praxis, selbstverständliche Nebenpflichten eines entgeltlichen Vertrages als „unentgeltlich“ zu bezeichnen. 13  Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 984 Rz  6  7 

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Arten des Darlehens

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P. Bydlinski, ÖBA 2010, 101 vermögen Wertsicherungsklauseln die Entgeltlichkeit nicht zu begründen, zumal der Gläubiger „nur so viel an Wert zurück erhalten will, wie er seinerzeit hingegeben hat“. P. Bydlinski lässt in ecolex 2010, 524 die Frage offen und rügt den Gesetzgeber, weil er diesen für die Formpflicht nach § 984 Abs 2 so wichtigen Punkt nicht geregelt hat. Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht §  984 Rz  8 will danach differenzieren, ob die Wertsicherungsklausel – wie infolge der laufenden Inflation idR bei Gelddarlehen – mit höchster Wahrscheinlichkeit einseitig zugunsten des Darlehensgebers ausschlägt, oder ob – wie bei den meisten Sachdarlehen – von vornherein mit Wertschwankungen in beide Richtungen zu rechnen ist und daher gar nicht festgestellt werden könne, wer von der Klausel profitieren werde. Nur im erstgenannten Fall stelle die Wertsicherungsklausel ein verkapptes Entgelt dar. Der Schlüssel zur Beantwortung dieser praktisch sehr bedeutsamen Frage 7 findet sich in § 985, wonach der Darlehensnehmer mangels einer abweichenden Vereinbarung bei Rückgabe der Sachen eine in der Zwischenzeit eingetretenen Wertverlust nicht auszugleichen hat und sich umgekehrt auch nicht auf eine Wertsteigerung zur Minderung seiner Rückgabepflicht berufen kann. Der Gesetzgeber hebt in den RV14 ausdrücklich hervor, dass damit auch die Frage der Geldentwertung geregelt werden sollte, also nicht nur Abnutzung oder Verderb des Objektes beim Sachdarlehen.15 Diese Bestimmung soll danach aber nicht nur für Sach- wie für Gelddarlehen gelten, sondern für entgeltliche wie für unentgeltliche Darlehen, was bedeutet, dass eine Wertsicherungsklausel ein an sich unentgeltliches Darlehen noch nicht zu einem entgeltlichen macht, und zwar auch dann nicht, wenn die Klausel mit höchster Wahrscheinlichkeit einseitig zugunsten des Darlehensgebers ausschlägt, was bei Verbraucherpreisindex-Klauseln erfahrungsgemäß anzunehmen ist. Zweck der Wertsicherungsklauseln ist nicht die ökonometrisch möglichst exakte Darstellung der Veränderung „des“ Geldwertes,16 vielmehr will der Geldgläubiger – stark vereinfacht formuliert – sein Leben als Verbraucher ungestört weiterführen (VPI-Indexklausel), seinen Sozialstandard wahren (Lohnklausel) oder sich vor Schwankungen des Preises eines wichtigen Kostenelementes absichern (Warenklauseln)17. Vor allem mit letzteren lässt es sich aber auch spekulieren, und was für den einen Vertragspartner eine Absicherung kann für den anderen ein Spekulationsgeschäft bedeuten. Gerade in Zeiten künstlich niedrig gehaltener Zinsen (negativer Realzinsen) ist es aber nicht nur ein Faktum, dass der dem Wirtschaftssubjekt nach Abzug der Zwangsausgaben monatlich in der Tasche verbleibende Betrag zumindest real niedriger wird, und er für den nicht dem sofortigen Konsum gewidmeten Teil seines Einkommens vernünftigerweise andere Anlagen suchen muss als das traditionelle 14 

RV 650 BlgNr 24. GP 9. Im Extremfall: Lebensmittel, die von einer Hausfrau ihrer Nachbarin „geliehen“ werden und deren Rückgabe womöglich für einen Zeitpunkt vorgesehen ist, in dem diese längst verdorben sind „Eierdarlehen“). 16  Dazu § 985 Rz 31 ff. 17  ZB Kerosinklauseln bei Fluggesellschaften. 15 

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Sparbuch.18 Damit wird auch der risikoscheue kleine Mann zur Spekulation gezwungen und muss versuchen, sich fachkundigen Rat zu holen. Rechtlich folgt daraus aber, dass sich jedenfalls in solchen Zeitläufen Absicherungsgeschäfte von Spekulationsgeschäften auf weite Strecken nicht in justiziabler Form unterscheiden lassen, und daher die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel ein an sich unentgeltliches Geschäft nicht zu einem entgeltlichen macht. Das schließt allerdings nicht aus, dass in besonders gelagerten Fällen sogar Anfechtung wegen Irrtums, Arglist oder gar Wucher in Betracht kommen kann. Voraussetzung ist allerdings stets eine nachvollziehbare Verbindung zu einem konkreten Grundgeschäft und dessen Zweck, der sich grundsätzlich in der Wahl des Wertsicherungsmaßstabes niederschlägt.

II. Entgeltlichkeitsvermutung § 984 Abs 1 Satz 3 sieht vor, dass Darlehensverträge im Zweifel entgeltlich sind, wodurch Widersprüche mit und Abgrenzungsschwierigkeiten mit § 354 UGB vermieden werden, der auch für einseitige Unternehmergeschäfte gilt.19 Gelddarlehen im Familienkreis oder Lebensmitteldarlehen unter Nachbarn werden vielfach aber unentgeltlich sein,20 ohne dass es aber geradezu zu eine gesetzliche Vermutung der Unentgeltlichkeit gäbe, die widerlegt werden müsste. Eine solche lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen. Die Entgeltlichkeitsvermutung wird nicht schon dadurch entkräftet, dass 9 der Verfasser des Vertrages den Kredit als „gratis“ oder „kostenlos“ bezeichnet. Im Wirtschaftsleben fließt im Zweifel ein Entgelt, von wem immer und in welcher Form auch immer es geleistet wird.21 Ist nur auf Grund der Zweifelsregel des § 984 Abs 1 Satz 3 Entgeltlichkeit 10 des Darlehens anzunehmen, so wird es in aller Regel an einer klaren Verein­ barung über die Höhe des Entgeltes fehlen. Bei Gelddarlehen verweist § 988 Satz 3 auf § 1000 Abs 1, wonach mangels anderer Vereinbarung der gesetzliche Jahreszinsfuss von 4% maßgeblich ist.22 Wurde ein Sachdarlehen abgeschlossen, so ist bei unternehmensbezogenen Darlehen gem § 354 Abs UGB ein „angemessenes Entgelt“ zu entrichten, bei nicht unternehmensbezogenen ist diese Gesetzesstelle analog anzuwenden.23 8

18 

Daher die sogenannte „asset inflation“. RV 650 BlgNR 24. GP 8; P. Bydlinski, ecolex 2010, 521; Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 984 Rz 10. 20  Unglücklich die Formulierungen in RV 650 BlgNR 24. GP 8, die den Eindruck erwecken, auch bei Gelddarlehen „unter nahen Angehörigen oder zumindest im engeren Familienkreis“ werde „mangels einer erkennbaren (ausdrücklichen oder schlüssigen) Vereinbarung über die Entgeltfrage zumeist gerade kein Zweifel daran bestehen, dass das Darlehen entgeltfrei gegeben werden sollte, sofern nicht besondere Umstände des zu beurteilenden Falles in die Gegenrichtung weisen“. Sie erweckt den Eindruck, dass für solche Darlehen geradezu eine gesetzlich Vermutung der Unentgeltlichkeit bestehe. 21  Vgl dazu Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 984 Rz 13. 22  P. Bydlinski/Bollenberger, ÖBA 2010, 98 FN 18; P. Bydlinski, ecolex 2010, 521. 23  Ähnlich Stabentheiner, ÖJZ 2010, 938; AM P. Bydlinski, ecolex 2010, 521 f, wonach der vertraglichen Einigung – wie beim Kauf ohne Klärung des Preises – im Bereich des ABGB ein notwendiger Bestandteil fehlt, was zur gänzlichen Unwirksamkeit der Darlehensabrede führt. 19 

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Allgemeines

§ 985

Die Fälligkeit des Entgelts richtet sich in solchen Fällen nach §  1000 Abs 3, wonach die Zinsen bei entsprechend langer Laufzeit jährlich, sonst bei Fälligkeit des Kapitals zu bezahlen sind. Bei Sachentgelt gilt diese Vorschrift analog.24

III. Form des unentgeltlichen Darlehens Vor der Nov 2010 war das Darlehen ein Realkontrakt, so dass der vorüber- 11 gehende Verlust der Sache dem Darlehensgeber augenfällig war. Nunmehr, nach der Konstruktion des Darlehens als Konsensualkontrakt, ist der unentgeltliche Darlehensvertrag ohne (gleichzeitige oder doch in nahem zeitlichen Zusammenhang erfolgte25) Übergabe der Sache nur wirksam, wenn der Darlehensgeber seine Vertragserklärung schriftlich abgibt. Es besteht nämlich die Gefahr der Übereilung, und daher stellt § 984 Abs 2 durch dieses Formgebot den Gleichklang mit § 943 (Schenkung) und § 1346 Abs 2 (Bürgschaft) her.26 Die strengere Form des Notariatsaktes erschien nicht erforderlich, weil die dargeliehenen Sachen im Gegensatz zur Schenkung in derselben Art und Güte zurückzugeben sind.27 Wertungswidersprüche wären an dieser Stelle besonders unerfreulich, weil „die nun geschaffenen Neuregelungen im ABGB zugleich auch ein Modell für die langfristige Modernisierung dieses Gesetzbuches und daher (zum Beispiel) auch auf andere unentgeltliche Rechtsgeschäfte sein sollten“28. Da das Schriftlichkeitserfordernis dem Übereilungsschutz dient,29 wird der 12 Formmangel durch nachträgliche Erfüllung geheilt.30

Steigerung und Minderung des Werts § 985. Der Darlehensnehmer hat, sofern nichts anderes vereinbart ist, bei der Rückgabe der Sachen einen in der Zwischenzeit eingetretenen Wertverlust nicht auszugleichen. Gleichermaßen kann er sich auch nicht auf eine Wertsteigerung zur Minderung seiner Rückgabepflicht berufen. Stammfassung JGS 1811/946 idF BGBl I 2010/28 (DaKRÄG). Mat: NR RV 650 BlgNR 24. GP, JAB 652 BlgNR 24. GP; BR AB 8305 BlgBR. P. Bydlinski, ecolex 2010, 522. Stabentheiner, ÖJZ 2010, 939. 26  So ausdrücklich RV 650 BlgNR 24. GP 9, wonach es allerdings nur „primär“ um den Übereilungsschutz geht, ohne dass ein anderes Formziel genannt würde; weiters Stabentheiner, ÖJZ 2010, 939; P. Bydlinski, ecolex 2010, 522; Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Ver­ braucherkreditrecht § 984 Rz 14; Griss in KBB3 § 984 Rz 4. 27  RV 650 BlgNR 24. GP 9; zum Zweck der Formvorschrift auch Stabentheiner, ÖJZ 2010, 939. 28  RV 650 BlgNR 24. GP 9; für eine grundsätzliche Reform des gesamten Rechtes der Rechtsgeschäftsform P. Bydlinski, ecolex 2010, 522. 29  Wegen der Rückgabeverpflichtung des Darlehensnehmers ist das unentgeltliche Darlehen unter dem Gesichtspunkt der Gläubigerschädigung ungleich weniger gefährlich als die Schenkung, so dass rechtspolitisch aus diesem Gesichtspunkt eine Schriftform nicht notwendig gewesen wäre. 30  So ausdrücklich RV 650 BlgNR 24. GP 9; Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Ver­ braucherkreditrecht § 984 Rz 15; Griss in KBB3 § 984 Rz 6. 24  25 

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§ 985

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Lit: Demelius, Geldentwertung und Schadenersatz, GZ 1921, 81; Demelius, Geldentwertung und Inhalt der Geldschuld, GZ 1922, 97; Wahle, Das Valorisationsproblem in der Gesetzgebung und Rechtsprechung Mitteleuropas (1924); Klang, Geldentwertung und juristische Methode (1925); Nussbaum, Das Geld in Theorie und Praxis des deutschen und ausländischen Rechts (1926); Gogg, Währungssicherungsklauseln in Kauf- und Pachtverträgen, NZ 1949, 56; Demelius, Vor fünfundzwanzig Jahren, in: FS Klang (1950); Kadecka, Die Zulässigkeit von Wertsicherungsklauseln, ÖJZ 1950, 175; Stöckl, Wertsicherungsklausel und Grundbuchseintragung, NZ 1950, 74; Erdmann, Sind Notariatsakte mit Wertsicherungsklausel vollstreckbar?, NZ 1950, 102; Edtstadler, Wertsicherungsklausel und § 14 GBG, NZ 1951, 135; Lorenz-Liburnau, Lebensversicherung und Wertsicherung, VR 1951, 357; Neudorfer, Das Judikat 15 (neu) und seine Anwendung auf die Verhältnisse nach 1945, ÖJZ 1952, 260; Staufer, Wertsicherungsklausel und OGH, 1952, 170; Schimetschek, Nochmals: Die Verbücherung von Wertsicherungsklauseln, ImmZ 1952, 329; Hannak, Wertsicherungsklauseln, ÖBA 1953, 84; Dechant, Das Recht der Wertsicherungsklauseln unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung, JBl 1954, 508; Reinhardt, Vom Wesen des Geldes und seiner Einfügung in die Güterordnung des Privatrechts, FS Boehmer (1954) 60; Krehan, Die Wertsicherungsklausel im Falle des § 1409 ABGB, NZ 1956, 130; Krehan, Verdinglichung der Wertsicherungsklausel im Rahmen der Nebengebührensicherstellung, NZ 1956, 180; Duller, Die Leibrente als Reallast, NZ 1957, 23; Stöckl, Beweglicher Zinsfuß und Wertsicherungsklausel, NZ 1957, 561; Piegler, Rechtsfragen um Gutsübergabe und Ausgedinge, ÖJZ 1956; 561; Mann, Das Recht des Geldes (1960); Wozak, Die Berechnung der Wertsicherung nach Indexzahlen, ÖJZ 1961, 384 (dazu Bosse, ÖJZ 1962, 236); Liedermann, Wertsicherungsklausel und Liegenschaftskredit, JBl 1966, 403; Meinhart, Lohn als Basis für Wertsicherungsklauseln, ImmZ 1972, 3, 23; Mader, Die Sicherung gegenüber Kaufkraftschwankungen durch Geldwertsicherungsklauseln, ÖBA 1973, 17; Hoyer, Ist der Katalog des § 14 Abs 2 GBG taxativ?, QuHGZ 1973, 171; Schimetschek, Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen, ImmZ 1973, 215; 1975, 343; 1980, 118; Zehetner, Geldwertklauseln im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr (1976); Kötz/Reichert-Facilides, Inflationsbewältigung im Zivil- und Arbeitsrecht (1976); Hager, Die Valorisierung von Privatpensionen, ÖJZ 1978, 92; Dietrich, Zur Verbücherung von Wertsicherungsklauseln im Grundbuchsrecht, AnwBl 1979, 199; Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung (1980); M. Binder, Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche (1980); Zehetner, Geldwertsicherung in „real terms“, ÖBA 1981, 384; Glassl, Die Wertsicherung des Mietzinses nach dem MRG, ImmZ 1982, 39; K. Schmidt, Geldrecht. Geld, Zins und Währung im deutschen Recht (1983); Schauer, Gedanken zur „Verwirkung“ der Wertsicherung nach § 16 Abs 6 Satz 2 MRG, RdW 1985, 69; Zehetner, Automatische oder fakultative Umrechnung veränderlicher Preise in Bauverträgen nach ÖNORM B 2111?, ÖZW 1985, 108; Hoyer, Persönliche Haftung des Liegenschaftseigentümers für Reallasten?, in FS Wagner (1987) 195; Rechberger, Bestimmtheit der Forderung (§ 14 Abs 1 GBG; §§ 7 Abs 1 und 54 Abs 1 Z 2 EO; § 3 Abs 1 lit b NO) und Wertsicherungsklausel, in FS Wagner (1987) 299; M. Bydlinski, Wertsicherung im Baurechtsvertrag und Rückforderung, ÖJZ 1987, 9; Baur, Die Anpassung langfristiger Verträge an geänderte Umstände, JBl 1987, 137; M. Binder, Pensionsvereinbarung und Wertsicherung, RdW 1989, 26; Ertl, Die Wertsicherung des Bauzinses, NZ 1990, 49; Mayer, Goldklausel wieder zulässig! RdW 1991, 113; Eichinger, Zum Gleichbehandlungsgebot gemäß § 18 BPG, ZAS 1991, 119; Wöss, Das Gleichbehandlungsgebot nach § 18 BPG, DRdA 1991, 345; Dürkes, Wertsicherungsklauseln, 10. Aufl (1992); Nowotny, Zivilrechtliche Fragen der Einführung

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Übersicht

§ 985

des Euro, in Rill/Griller, Rechtsfragen der Europ. Wirtschafts- und Währungsunion (1998) 127; Zahradnik, Europ und Vertragsrecht, wbl 1998, 1; Thaler, EuGH zu Grundbuchseintragungen in Fremdwährung, ecolex 1999, 512; Schauer, Die Euro-Umstellung und ihre Auswirkungen auf das Wohnrecht, wobl 2000, 1; Schwarzer/List/Gerharter, Die österreichische Währungsordung in der EU, 5. Aufl (2000); M. Leitner, Preisund Zinsgleitklauseln, ecolex 2003, 660.

Übersicht I. Allgemeines zu §Â€985 1–2 II. Nominalismus und Valorismus. Geldwert-, Geldsummen- und Sachwertschuld 3–29 3–7 1. Grundlagen und Funktion. Äußerer und innerer Wert 8–9 2. Der geldtechnische Nominalismus 3. Der Zusammenhang zwischen geldtechnischem und geldschuldrechtlichem Nominalismus 10–13 14–17 4. Der geldschuldrechtliche Nominalismus a) Der einfache Nominalismus 14 15 b) Der abgeschwächte Nominalismus 16–17 c) Der verstärkte Nominalismus 5. Geldwert-, Geldsummen- und Sachwertschuld 18–29 30–112 III. Die Wertsicherungsklausel 1. Allgemeines 30–37 38–45 2. Bestimmtheit 45–65 3. Wertsicherungsmaßstäbe a) Die Goldklausel 45–49 50–53 b) Die Fremdwährungsklausel c) Die Waren- und Leistungsklausel 54–57 58–61 d) Die Lohnklausel 62–65 e) Die Indexklausel 4. Wertsicherungsverbote 66–78 66–69 a) Allgemeines b) Sittenwidrigkeit 70–72 73–74 c) Maßstabbezogene Wertsicherungsverbote 75–78 d) Rechtsgeschäftsbezogene Wertsicherungsverbote 5. Wegfall und ungewöhnliche Schwankungen des Wertsicherungsmaßstabs 79–86 79–81 a) Die Warenklausel b) Die Lohnklausel 82–84 85–86 c) Die Indexklausel 87–95 6. Der Aufwertungsbetrag a) Allgemeines 87–88 89–90 b) Der Aufwertungszeitpunkt c) Die Schwellenwertklausel 91–92 94–95 d) Der Verzicht auf die Wertsicherungsklausel 96–101 7. Folgen der Ungültigkeit a) Unbestimmtheit 96–98 299

§ 985

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b) Gesetzliche Verbote 8. Die Wertsicherungsklausel im Grundbuch a) Die Hypothek b) Die Geldreallast 9. Verfahrensrechtliches

99–101 102–105 102–104 105 106–112

I. Allgemeines zu § 986 1

§  985 hält ganz allgemein fest, dass der Darlehensgeber mangels einer abweichenden Vereinbarung einen bei der Rückgabe der Sachen in der Zwischenzeit eingetretenen Wertverlust nicht auszugleichen hat, er sich aber umgekehrt auch nicht auf eine Wertsteigerung zur Minderung seiner Rückgabepflicht berufen kann. Wird also die Rückgabe eines Obstdarlehens bei der Nachbarin (etwa infolge einer Urlaubsreise) erst nach einigen Wochen fällig, so kann sich die Darlehensnehmerin nicht darauf berufen, dass diese Sachen seit Vertragsabschluss längst verdorben wären und sie selbst daher nichts schulde. Eine solche Vereinbarung kann ausdrücklich abgeschlossen werden, kann sich aber auch schlüssig unter Berücksichtigung der Natur des Geschäfts ergeben. Der Wertverlust oder -gewinn muss sich auch nicht aus einer Änderung des Nutzwertes ergeben, es genügt auch eine Änderung des Preises allein. Die Bestimmung gilt aber nicht nur für Sachdarlehen, sie ist auch zent2 ral für das Recht des Gelddarlehens und ganz allgemein für das Geldschuldrecht. Vor der derzeitigen Fassung war dies in § 992 aF für Sachdarlehen festgeschrieben und wurde nach allgemeiner Auffassung für Gelddarlehen (auch) aus § 988 aF abgeleitet.1 Sie ist eine der Grundlagen für die Zulässigkeit der Wertsicherungsklausel innerhalb der Grenzen der Privatautonomie. Auch die RV hält fest, dass insofern keine Änderung der bisherigen Rechtslage beabsichtigt wurde und betont überdies, dass die Vorschrift ganz allgemein, nämlich sowohl für Sach- als auch für Gelddarlehen gelten soll und auch sowohl für entgeltliche wie auch für unentgeltliche Darlehen.2 Daraus lässt sich der weitere Schluss ziehen, dass die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel allein ein Darlehen noch nicht zu einem entgeltlichen macht, das damit der Formpflicht des § 984 Abs 2 unterliegt.

II. Nominalismus und Valorismus. Geldwert-, Geldsummenund Sachwertschuld 1. Grundlagen und Funktion. Äußerer und innerer Wert 3

Das ABGB wurde an der Wende zweier Zeiten geschaffen. Einerseits haben die Redaktoren vollgewichtiges Edelmetallgeld als den Normalfall ange1  SZ 6/193; OGH 1 Ob 107/71, SZ 44/59 = JBl 1971, 471 uza; Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 1; Binder in Schwimann3 IV § 988 Rz 1; Griss in KBB2 § 988 Rz 1; Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 985 Rz 2  RV 650 BlgNR 24. GP 9.

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sehen, andererseits mussten sie zur Kenntnis nehmen, dass sie in einer Zeit der Papiergeldinflation lebten,3 von der sie allerdings annahmen, dass sie wie das Papiergeld selbst nicht von Dauer sein würde.4 Die §§Â€988 im Darlehenswert für die Rückzahlung der als Darlehen gegebenen Münzen auf deren „inneren Wert“ ab, also ihren Edelmetallwert – andere Maßstäbe der allgemeinen Kaufkraft (also ins Indices) kamen damals rechtsempirisch noch nicht in Betracht. Die Bestimmungen waren zwar auf die sehr selten gewordenen „Münzdarlehen“ zugeschnitten, dennoch hob sie der Gesetzgeber anlässlich der Erlassung des 1. EuroJuBeG mit der ausdrücklichen Begründung nicht auf, weil sich ua daraus ableiten lasse, dass den (Geld-)Gläubiger die Gefahr der Geldentwertung treffe.5 Mit „äußerem Wert“ oder „Außenwert“ einer Währung wird heute üblicherweise das Verhältnis zu anderen Währungen bezeichnet. Inländisches Geld wird im Ausland als Ware angesehen und somit in ausländischem Wert bewertet und umgekehrt. Entsprechend wird unter Innenwert der (möglicherweise durch Inflation beeinträchtigte) Wert der Währung im Inland bezeichnet.6 Die dem Geld traditionell zugeschriebenen Grundfunktionen sind diejeni- 4 gen des allgemeinen Tauschmittels und des Wertmessers. Die erstgenannte Funktion ist typisch für die auf Arbeitsteilung beruhende Verkehrswirtschaft. Der Anbieter einer Ware oder Dienstleistung muss nicht erst mühsam einen Partner suchen, dessen entsprechendes Angebot einer anderen Ware oder Dienstleistung – womöglich erst über dritte, vierte und fünfte Personen – für ihn selbst interessant ist, durch den Empfang von Geld wird er vielmehr selbst „zirkulatorisch“ befriedigt. Geld bietet „abstrakte Vermögensmacht“. Diese Funktion wird durch Inflation beeinträchtigt, am drastischsten in Zeiten der Hyperinflation, wo im schlimmsten Fall jeder Inhaber von Geldscheinen diese nach Art eines Schwarzen Peters möglichst rasch loswerden will, weil sie sich in der Schublade allzu rasch entwerten. So lange mit diesen Geldscheinen aber gezahlt wird, so lange sind sie immer noch allgemeines Tauschmittel. Die zweite Funktion, die sinnvoll von der ersten nicht zu trennen ist, ist diejenige als Wertmesser. Wenn nämlich das Tauschmittel allgemein ist, so lässt sich zur Vereinfachung des Wirtschaftsverkehrs eine allgemeine Wertskala aufstellen, in die jedes Gut, das gegen Geld feil ist, einbezogen werden kann – die Recheneinheitsfunktion. Gegen diese Wertmesserfunktion wird in Inflationszeiten gerne eine ande- 5 re, gleich benannte Funktion ausgespielt, bei der es sich aber in Wahrheit um einen Ausfluss der Wertaufbewahrungs- oder Werterhaltungsfunktion des Gel3╇ Napoleonische Kriege, ähnlich schon vorher der Siebenjährige Krieg. Vorher half man sich durch Münzverschlechterung, also durch Reduktion des Edelmetallgehaltes, und zwang den Wirtschaftssubjekten dieses Geld „zum vollen Wert“ auf. 4╇ Im einzelnen Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 7 ff. 5╇ RV 1203 BlgNR 20. GP unter Berufung auf Schubert in Rummel3 §§Â€988 €1 mwN. 6╇ Innen- und Außenwert einer Währung hängen allerdings zusammen, was in der wirtÂ� schaftspolitischen Werbung gerne kleingeredet wird. Ein Kursverfall gegenüber wichtigen ausländischen Währung erleichtert zwar zunächst Exporte, führt aber in weiterer Folge zu „importierter Inflation“.

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des handelt: Das Geld entwertet sich in der Schublade, und es fragt sich, ob der Geldgläubiger einzig und allein durch den Umstand, dass er es zum Gegenstand einer Schuld gemacht hat, besser gestellt werden soll, als hätte er es in der Schublade aufgehoben.7 Dieses verleiht „abstrakte Vermögensmacht“ und nach einer berühmt gewordenen Definition geht es um Sachen, die im Verkehr nicht als das gegeben und genommen werden, was sie physisch darstellen, sondern lediglich als Bruchteil, Einfaches oder Vielfaches (X-faches) einer ideellen Einheit.8 Heute ist der Euro (€) dieser Maßstab auf der Skala, die das Geld zum allgemeinen Zahlungsmittel und Wertmesser macht. Die für das Privatrecht zentrale Frage ist diejenige nach dem „Inhalt“ der 6 Geldschuld, nämlich diejenige, ob sich bei Sinken des Geldwertes proportional die Zahl der ideellen Einheiten erhöht, um die Kaufkraftparität zu wahren. Sie wird durch den Valorismus (die Kurswerttheorie) bejaht,9 durch den Nominalismus (die Nennwerttheorie) verneint. Der Währungsverfall nach dem Ersten Weltkrieg10 führte zu stürmischen 7 Erörterungen darüber, ob Geldschulden zum Nennwert getilgt oder aufgewertet werden könnten. Die erste Meinung stützte sich vor allem auf die den Zwangskurs festsetzenden Rechtsvorschriften,11 wonach die Banknoten zum vollen Nennwert anzunehmen sind,12 die Gegenmeinung wollte mit natürlichen Rechtsgrundsätzen (§ 7) sowie insb mit der clausula rebus sic stantibus, mit ungerechtfertigter Bereicherung sowie unter Berufung auf Treu und Glauben einen Aufwertungsanspruch begründen.13 Der Oberste Gerichtshof schloss sich der ersten Richtung an und versagte grundsätzlich die Aufwertung.14 In einigen Fällen griff der Gesetzgeber ein und wertete in gewissen Grenzen auf.15 Trotz der einer Wertvernichtung gleichkommenden Geldentwertung nach dem Ersten Weltkrieg konnten aber Geldschulden zum Nennwert erfüllt Dazu ausführlich Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 10 ff. Nussbaum, Das Geld in Theorie und Praxis des deutschen und ausländischen Rechts (1925). Die Ausdrücke „Geldeinheit“, „Währungseinheit“, „Abstrakte Einheit“, „Rechnungseinheit“ ua sind in der Literatur gleichbedeutend mit „ideeller Einheit“ verwendet worden. Der Begriff „ideelle Einheit“ sollte zunächst die Geldeinheit möglichst nachdrücklich vor einer metallistischen und dann ganz allgemein vor einer valoristischen Begriffsvertauschung behüten. Gerade infolge seiner Unanschaulichkeit bewährt er sich vor allem in Zeiten nachdrücklicher Geldentwertung, wo diese Gefahr besonders groß ist (siehe dazu nur Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 46 ff). 9  Die Redaktoren des ABGB waren zwar keine eingefleischten Valoristen (Metallisten), lehnten es aber ab, die finanzpolitischen Maßnahmegesetze der damaligen extrem schwierigen Zeit zum Maßstab aller Dinge in einer langfristig angelegten Gesetzeskodifikation zu machen. Sie konnten jedoch noch nicht davon ausgehen, dass Papiergeld mit Zwangskurs zum Nennwert ohne Einlösungsverpflichtung in Zukunft zur währungspolitischen Selbstverständlichkeit werden sollte. 10  Eine „Goldkrone“ entsprach zuletzt einem „Kurswert“ von 14.400 „Papierkronen“. 11  Zunächst Art 86 der Statuten der Österreichisch-ungarischen Bank, später §  61 Abs 2 NBG (vgl auch § 8 Abs 1 und 2 ScheidenmünzenG). 12  So vor allem Klang, Geldentwertung und juristische Methode (1925). 13  So vor allem Wahle, Das Valorisationsproblem in der Gesetzgebung und Rechtsprechung Mitteleuropas (1924). 14  Siehe insb Gutachten SZ 5/53; SZ 6/193; SZ 12/62. 15  Siehe die Aufstellung bei Stanzl in Klang2 IV/1, 720. 7  8 

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werden. Eine Aufwertung blieb den Geldgläubigern grundsätzlich versagt. Dabei ist es bis heute geblieben. 2. Der geldtechnische Nominalismus Vielfach wurde Nominalismus mit Rechtsklarheit und Valorismus mit 8 „Rechtswahrheit“ gleichgesetzt. Nominalistisch sind Geldschulden leicht zu errechnen, je höher die Inflation, desto unbefriedigender aber ist (oder zumindest: scheint) das Ergebnis. Der Valorismus bietet (zumindest auf den ersten Blick) befriedigende Ergebnisse, aber die Feststellung der Höhe der Geldschulden ist schwierig. Je höher die Inflationsrate, desto größer der Druck der und auf die Juristen in Richtung Valorismus, also notfalls auch ohne greifbare gesetzliche oder privatautonome Basis aufzuwerten.16 Wie immer die Haltung zur Frage der Aufwertung de lege lata und ferenda, in einem Punkt ist Euro stets gleich Euro, und zwar unabhängig von der Entwicklung der Preise von Waren und Dienstleistungen. Anders könnte der Euro diese nicht messen. Die Skala als solche kann mit den durch sie gemessenen Preisen nicht steigen und fallen, sie wäre sonst als solche ungeeignet. Dieser Sachverhalt wurde traditionell als „geldtheoretischer Nominalismus“ bezeichnet,17 anschaulicher ist die von K. Schmidt geprägte Bezeichnung „geldtechnischer Nominalismus“. Darüber hinaus lässt sich die Frage Nominalismus – Valorismus daher nur 9 dahin stellen, wie viele ideelle Geldeinheiten bei Kaufkraftschwankungen den Inhalt der Geldschuld bilden, zu wessen Lasten das Geldwertrisiko geht und wer sich daher abzusichern hat. Danach steigt oder fällt die Zahl der ideellen Einheiten.18 Ob und in welchem Maße, ist eine Frage des „geldschuldrechtlichen Nominalismus“ einerseits oder des Valorismus andererseits. 3. Der Zusammenhang zwischen geldtechnischem und geldschuldrechtlichem Nominalismus Wenn auch geldtechnischer und geldschuldrechtlicher Nominalismus mit- 10 einander nicht identifiziert werden dürfen, so stehen sie dennoch nicht beziehungslos nebeneinander. Zwar hat es der Gesetzgeber in der Hand, einzelne valoristische Forderungen zu schaffen, so die Aufwertung nach dem „inneren Wert“ wie in §Â€12 AnerbenG. Die Parteien können dies aber nicht privatautonom tun, weil sie damit unbestimmte Schulden schaffen würden (§Â€869). Der Gesetzgeber kann auch bestimmte Wertsicherungsklauseln, in denen nichts Näheres über den Wertsicherungsmaßstab bestimmt wird, als solchen für den Verbraucherpreisindex einsetzen (§Â€ 8 Abs 2 und 3 EO). Eine generelle und automatische Aufwertung gleichsam nach implizierten Wertsicherungsklauseln kommt schon gar nicht in Betracht, weil es einen allgemeingültigen Wert16╇ Zu den einschlägigen, teils juristischen, teils volkswirtschaftlichen Argumenten Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 20 ff. 17╇ Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 24. 18╇ Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 25.

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messer für alle Geldschulden nicht gibt. Nicht einmal der Verbraucherpreisindex ist dies: Der konkreten Warenkorb des einzelnen Verbrauchers kann davon sehr wesentlich abweichen, und es gibt auch andere Wirtschaftsstufen als die zwischen Verbraucher und seinem Vertragspartner. Gerade der „Ölpreisschock“ des Jahres 1973 hat gezeigt, wie sich die Entwicklung eines einzigen Warenpreises zunächst auf die einzelnen Wirtschaftssubjekte sehr verschieden auswirken und in weiterer Folge die ganze Volkswirtschaft in Mitleidenschaft ziehen kann. Verhandlungen über Pensionserhöhungen werden oft durch Streitigkeiten darüber gekennzeichnet, ob der „allgemeine“ Verbraucherpreisindex maßgeblich sein soll oder ein eigener, davon abweichender Pensionistenindex. Gerne werden auch besonders inflationstreibende Preise – vor allem Lebensmittel- und Energiepreise – aus der Inflationsrate herausgerechnet, um die „Kerninflation“ zu ermitteln. Die Politik hat ein Interesse daran, die Inflation als social mollifier zu benützen, weil sie eine Steuer ist, die nicht hinterzogen werden kann,19 diese aber kleinzureden und kleinzurechnen, um den politischen Widerstand der Wirtschaftssubjekte abzumildern. Welche Schwierigkeiten bei einer ernst genommenen valoristischen Berechnung auftreten, zeigt sich schon, wenn versucht würde, die Forderungen und Schulden eines Kreditinstituts jeweils auf diese Weise festzusetzen. Hier fragt man sich auch, ob und warum der „Index“ des Geldschuldners, derjenige des Geldgläubigers oder gar ein wie immer zu ermittelnder Mischwert maßgeblich sein sollte. Diese Berechnungsschwierigkeiten werden durch die „valoristische Sche11 re“ noch weiter verkompliziert. Wer nämlich sein Einkommen (nominalistisch) aus rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnissen bezieht, seine Verbindlichkeiten aber valoristisch aufgewertet werden soll, wird bei höheren Inflationsraten früher oder später mit Sicherheit insolvent. Besonders drastisch zeigt dies das Beispiel der staatsnachfrageinduzierten Hyperinflation der Zwischenkriegszeit: Ein großer Teil des Volksvermögens war nun einmal im wahrsten Sinne des Wortes verpulvert worden, und keine Aufwertung konnte dies rückgängig machen. Eine ernstgemeinte und allgemeine Aufwertung hätte nur zur ebenso allgemeinen Abwicklung der Geldtransaktionen über das Konkursrecht geführt. Die richterliche Aufwertung im Deutschland der Zwischenkriegszeit im Anschluss an die E 28. 11. 1923, RGZ 107, 78 sah daher konsequenterweise die Berücksichtigung eines „Verarmungs-“ oder „Verelendungsfaktors“ vor, wodurch die Geldschulden aber erst recht generell unbestimmbar zu werden drohten und den Gesetzgeber zur Aufwertung nach strengen, nominalistisch fixierten Sätzen zwang (AufwG). Die daneben existierende „freie“ oder „richterliche“ Aufwertung zeichnete sich nämlich durch völlige Unvorhersehbarkeit der Ergebnisse aus.20 Ebenso konnten die Auswirkungen des verstärkten Abflusses von inländischen Wirtschaftsgütern in das Ausland als Folge des „Ölpreisschocks“ durch keinerlei valoristische Berechnung von Geldforderungen unfühlbar gemacht werden. Heute wäre eine entsprechende Ermittlung der 19╇ Und zwar auch nicht durch Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel, weil diese mit ei ner Gegenleistung erkauft werden muss. 20╇ Dazu ausführlich Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 26 ff und 43 ff.

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Höhe von Bankenforderungen und -schulden vor allem in Krisenstaaten der Eurozone ein entsprechendes Schreckensbeispiel, gar erst diejenige der Krisenstaaten selbst und deren Einfluss auf die Höhe von Transferleistungen und Steuern,21 Da ideelle Einheiten nicht fixe Kaufkraftquantitäten repräsentieren, hän- 12 gen über das Bestimmtheitserfordernis des §Â€869, hinter dem wiederum die Erhaltung der Rechenbarkeit des Geldes steht, der geldtechnische mit dem geldschuldrechtlichen Nominalismus zusammen.22 Zusätzlich gestützt wird dieser Zusammenhang durch die Norm des §Â€61 13 Abs 2 NBG, der den Annahmezwang zum „vollen“ Nennwert dekretiert. Er enthält eine Grundsatzregelung, wonach die bloße Verweisung auf Geldwertschwankungen rechtlich irrelevant ist. Wenn der Geldgläubiger in Inflationszeiten, bei langfristigen Geldschulden reichen hier auch schon geringe jährliche Entwertungsraten aus, sich nicht daran hält und statt dessen einfach „Aufwertung nach dem inneren Wert“ verlangt, so treffen ihn die Folgen des Annahmeverzugs. Der Geldschuldner kann nach §Â€1425 bei Gericht hinterlegen und wird dadurch seine Verpflichtung los. Den Geldgläubiger trifft somit eine Obliegenheit, eine Rechtspflicht minderer Zwangsintensität, die gängige Bezeichnung „Zwangskurs“, die sich in dieser Form in §Â€61 Abs 2 NBG nicht findet, ist daher gerechtfertigt.23 4. Der geldschuldrechtliche Nominalismus a) Der einfache Nominalismus Der geldschuldrechtliche Nominalismus gilt somit im Geldschuldrecht nur 14 als Grundsatzregelung und wird als „einfacher Nominalismus“ bezeichnet.24 Er stützt sich (neben der ausdrücklichen Anordnung des Zwangskurses durch den Gesetzgeber) auf die Notwendigkeit der Erhaltung der Rechenbarkeit des Geldes, letztlich also auf rechtstechnische Gründe. Es gibt keinerlei Gerechtigkeitserwägungen, wonach die Gefahr der Geldentwertung den Geldgläubiger und nicht den Geldschuldner zu treffen habe. Weder Wortlaut noch Zweck der Zwangskursnorm verhindern ein Abgehen von der Grundsatzregelung. Während der an das Bestimmtheitsgebot des §Â€869 nicht gebundene Gesetzgeber in Einzelfällen sogar echte valoristische Forderungen schaffen kann,25 darf der Vertragsschließende wie auch der Testamentserrichter zB Wertsicherungsklauseln privatautonom festsetzen. Ein solcher abbedungener (geldschuldrechtlicher) Nominalismus wird als „abgeschwächter“ bezeichnet. Wird ein solches 21╇Einer der Gründe, die eine ernstzunehmende Valorisierung in der Zwischenkriegszeit völlig unrealistisch machte, waren die Auslandsbeziehungen, vor allem die Bedienung der AusÂ� landsanleihen, wozu in Deutschland noch die Belastung durch die Reparationsverpflichtungen kam. 22╇ So ausdrücklich Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 29. 23╇ Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 34 f. 24╇ Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 34. 25╇ So in §Â€12 AnerbenG.

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Abbedingen gesetzlich für unstatthaft erklärt, etwa in Form eines Wertsicherungsverbotes, so liegt „verstärkter“ Nominalismus vor.26 b) Der abgeschwächte Nominalismus 15

Der einfache Nominalismus lässt sich sowohl unmittelbar als auch mittelbar abschwächen und verstärken. Bei der unmittelbaren Verstärkung wird nicht (wie bei echt valoristischen Forderungen) einfach auf den „inneren Geldwert“ Bezug genommen, vielmehr wird ein gesetzlich oder privatautnonom fixierter Maßstab herangezogen, dessen Anwendung zu einem vergleichbaren Ergebnis führen soll. Es geht hier also um durch Gesetz oder Privatautonomie festgesetzte Wertsicherungsklauseln, die keinen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot und ebenso wenig den Zwangskurs zum Nennwert bedeuten. Beim mittelbar abgeschwächten Nominalismus wird das angestrebte Ziel der Aufwertung nicht durch Fixierung eines solchen Maßstabes erreicht, vielmehr wird beim konkreten Rechtsinstitut selbst angesetzt, dessen Tatbestands­ merkmale es dem Geldgläubiger ermöglichen, gleichsam durch die Hintertüre der Inflation zu entkommen, weil ein über eine bestimmte Zeitstrecke hindurch variabler Preis als Tatbestandserfordernis eingebaut ist.27 Solche Fälle sind häufig. Das Paradebeispiel ist die Unterhaltsschuld, soweit sie nicht ohnedies durch eine Wertsicherungsklausel unmittelbar fixiert ist. So sieht die gesetzliche Unterhaltspflicht der Eltern weder eine Aufwertung „nach dem inneren Wert“ noch „entsprechend dem Verbraucherpreisindex“ vor, aber sie stellt einerseits auf die jeweiligen Bedürfnisse des Kindes und andererseits auf die Leistungsfähigkeit der Eltern ab, so dass sich im Ergebnis doch wieder eine Art Aufwertung ergibt. Der praktische Unterschied zeigt sich dann, wenn zwar dieser Index steigt, die Leistungsfähigkeit der Eltern sich aber infolge Krankheit oder Arbeitslosigkeit selbst in ideellen Einhei­ten gemessen verringert. Dies gilt auch ganz allgemein für Geschäftsgrundlagenfälle28, die Verschiebung des Bemessungszeitpunktes beim Interessensersatz auf den spätest möglichen Zeitpunkt29, die Quotelung bei der Auflösung von Ehepakten30 oder Erwerbsgesellschaften, die Berechnung des Pflichtteils erst im Zeitpunkt der „wirklichen Zuteilung“ (§ 786) und zahlreiche andere Fälle. c) Der verstärkte Nominalismus

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Wie sich der geldschuldrechtliche Nominalismus abschwächen lässt, so lässt er sich auch verstärken. Eine unmittelbare Verstärkung liegt in einem 26  Die Nomenklatur, mit deren Hilfe der Meinungsstreit durchdrungen werden soll, folgt Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 34. 27  Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 34. 28  Näheres bei Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 229 ff, vgl auch die bekannte „Ruinrechtsprechung“ des RG. 29  Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz 10/31 mit näheren Ausführungen. 30  OGH 1 Ob 110/52, SZ 25/182 = EvBl 1952/300; 2 Ob 86/56 JBl 1956, 403 ua.

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Wertsicherungsverbot. Ein solches kommt heute meist im Gewand einer Höchstpreisregelung, weil eine solche sonst leicht zu unterlaufen wäre. Mittelbare Verstärkungen des Nominalismus treten überall dort auf, wo 17 Rechtsklarheit und Rechtssicherheit ein ganz besonderes Gewicht zukommt. Wertsicherungsklauseln sind daher nur mittelbar, also in Form einer Höchstbe­ tragshypothek, verbücherbar, und zwar auch dann, wenn sie bestimmt sind,31 siehe Rz€102 bis 104. Hier ist der Schutz Dritter, also deren Vertrauen auf das Grundbuch, entscheidend. Ähnliches gilt für das Wertpapierrecht. Ganz allge­ meinen indizieren Wertgrenzen verstärkten Nominalismus, ein gesteigertes Rechtssicherheitsbedürfnis besteht im Steuerrecht und erst recht im Strafrecht (§Â€1 StGB). 5. Geldwert-, Geldsummen- und Sachwertschuld Seit der Zwischenkriegszeit ist die Einteilung in Geldwert- und Geldsum- 18 menschulden gängig,32 die aber nicht unbedenklich ist. Auf den ersten Blick entspricht es dem Gegensatzpaar des abgeschwächten und einfachen Nomina­ lismus. Bei der Geldsummenschuld, die von Anfang an auf die Leistung einer bestimmten Geldsumme geschuldet ist, soll die Gefahr der Geldentwertung den Gläubiger treffen.33 Hingegen bestehen Geldwertschulden in der rechtlich geschuldeten Herstellung eines bestimmten wirtschaftlichen Effektes, um eine andere Leistung, deren Wert erst in Geld auszudrücken ist34 oder doch in ei­ nem rechtlich fassbaren Beziehung einer Schuld zu bestimmten Sachwertver­ hältnissen35 („Sachwertschuld“) steht. Geld sei hier nur Wertmesser (Sach­ leistungssurrogat), nicht Tauschmittel. Daher werde bei dieser Art von Geld­ schuld der dem jeweiligen Wert entsprechende Betrag geschuldet, während Geldsummenschulden zum Nennwert erfüllt werden.36 Andere wieder sehen als Geldwertschuld nur solche Verbindlichkeiten an, die „primär“ auf eine Sachleistung ausgerichtet sind, jedoch in Geld „ausgedrückt“ werden.37 31╇ Ein besonders abschreckendes Beispiel wurde von Graschopf, NZ 1932, 37 überliefert: „… und verpflichte mich, dem Herrn N.N. soviel zurückzuzahlen, als Herr M. M. wird bestimmen wie er für gut finden wird, damit dem Herrn N. N. kein Schaden erwächst, und er kann wieder kaufen die Sachen, die er heute um das Geld hätte kaufen können nach seiner Wahl“. Die Klausel mag obligatorisch durchaus gültig sein, die Vertragsparteien können nach §Â€1056 die Festsetzung des Preises sogar einem Dritten überlassen, und die sonstigen Unklarheiten waren möglicherweise durch Einvernahme der Vertragsparteien oder durch andere Beweismittel zu beseitigen. Nur fand sich diese Klausel in der Urkundensammlung des BG Hietzing. 32╇ Stanzl in Klang2 IV/1, 721 f; Schubert in Rummel3 I §§Â€988, 989 Rz€1 ff; Koziol/Welser13 II 33; OGH 1 Ob 108/71, SZ 44/58 = JBl 1971, 471 uza. 33╇ So zB ausdrücklich Schubert in Rummel3 I §§Â€989, 999 Rz€1. 34╇ Schubert in Rummel3 I §§Â€988, 989 Rz€2; Mayrhofer, SchRAT 47 ff; vorsichtiger Koziol/ Welser13 II 33; dazu auch Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 39 f; OGH 6 Ob 79/60, JBl 1961, 86. 35╇Schubert in Rummel3 I §§Â€988, 989 Rz€2; Koziol/Welser13 II 33 im Zusammenhang mit §Â€1332. 36╇ So ausdrücklich Mayrhofer, SchRAT 47. 37╇So Gschnitzer, SchRAT2 60; dazu noch vorsichtiger Binder in Schwimman3 IV §Â€988 Rz€21, wonach bei Geldwertschulden „durch die Verknüpfung mit einem bestimmten wirtschaftli­ chen Erfolg die Wertsicherungsklausel faktisch stillschweigend in den Vertrag eingeschrieben

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Der rechtlich durchaus relevante Unterschied zwischen den beiden Gegensatzpaaren lässt sich einfach am Fall der Unterhaltsschuld zeigen. Nach der Lehre vom einfachen bzw abgeschwächten Nominalismus kommt es einfach darauf an, ob ein gesetzlicher oder privatautonom festgesetzter Tatbestand eingreift, der prinzipiell unabhängig davon ist, ob es sich um eine Geldschuld handelt oder nicht, ob also zB Geld- oder Naturalunterhalt ausbedungen ist. Im konkreten Fall: Es kommt allein darauf an, wie sich die Leistungsfähigkeit des Schuldners und die Bedürfnisse des Gläubigers innerhalb einer bestimmten Zeitspanne entwickeln. Die Einordnung als Geldwertschuld führt konsequenterweise zum Argument, dass die Geldzahlung nach Absicht der Parteien nur ein Mittel zur Beschaffung des Lebensunterhaltes sei, die Geldzahlung repräsentiere eine bestimmte Quantität von Lebens- und Bedarfsartikeln; was geleistet werden solle, sei eigentlich der Unterhalt als solcher. Unterhaltsforderung seien somit keine Geldforderungen.38 Die Konstruktion von Geldforderungen, die in Wahrheit keine Geldforderungen sind, erscheint wenig plausibel; dies umso weniger, als der Besitz von Geld auch sonst kein Selbstzweck ist und dem Gläubiger daher auch nur eine „zirkulatorische Befriedigung“ bietet. Insofern stellen Unterhaltsschulden keine Besonderheit dar. Der bloße Hinweis auf den Zweck der Geldschuld reicht somit nicht aus, um den Zwangskurs aus den Angeln zu heben. Einen „bestimmten wirtschaftlichen Effekt“ hat jede Geldschuld. Die angestrebte Aufwertung lässt sich ohne Schwierigkeit und mit exakterer Begründung durch die Verweisung auf die Leistungsfähigkeit des Gläubigers, die gerade in schweren Inflationszeiten steil abfallen kann, und die Bedürfnisse des Schuldners erreichen. Gerade Zeiten der Hyperinflation sind erfahrungsgemäß auch solche der Wirtschaftskrise. Die blanke Verweisung auf den „inneren Wert“ des Geldes führt daher nicht weiter. Traditionell als Geldwertschulden angesehen werden Verpflichtungen aus 20 Unterhaltsverträgen. Bei solchen wird wegen ihres Zwecks – Deckung der laufenden Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen – regelmäßig angenommen, dass die Parteien auf die gegenwärtigen Verhältnisse abgestellt haben und dass es ihrem Willen bei Vertragsabschluss entspricht, die Unterhaltsleistung an wesentlich geänderte Umstände entsprechend anzupassen. Unterhaltsverträge stehen danach regelmäßig unter der clausula rebus sic stantibus39. Dies gilt nicht nur bei der vertraglichen Festlegung gesetzlicher Unterhaltsansprüche, sondern auch bei wird“; auch Griss in KBB3 § 985 Rz 2: Schulden, die zunächst auf eine andere Leistung gehen und deren Wert erst in Geld auszudrücken ist: Wegen des im gesetzlichen Tatbestand enthaltenen Zeitelements handelt es sich hiebei um Fälle des abgeschwächten Nominalismus, s Rz 15. 38  Vgl nur SZ 5/53; berechtigte Kritik daran bei Stanzl in Klang2 IV/1, 721 f und auch schon bei Klang, Geldentwertung und juristische Methode 19 f. 39  Jud 60 neu: OGH 1 Ob 690/90, RZ 1991, 2376 Ob 587/93 ; SZ 66/114; 8 Ob 2213/96s, SZ 70/111; 1 Ob 572/85, EFSlg 48.862 und die weitere ständige Rsp; Stanzl in Klang2 IV/1, 721; Reinl, JBl 1977, 16. Die E 6 Ob 77/81 lässt bei „erheblichem“ Kaufkraftverlust eine Anpassung sogar trotz ausdrücklichen Ausschlusses der Umstandsklausel im Unterhaltsvergleich zu. Der Sache nach geht es hier vor allem um die Frage der Verzichtbarkeit von Unterhaltsansprüchen im Fall der Not.

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rein vertragsmäßigen Unterhaltsansprüchen ohne gesetzliche Basis. Voraussetzung ist allerdings stets, dass der Unterhaltscharakter in der Vereinbarung seinen Ausdruck gefunden hat und auch aus der Sicht des Geldschuldners besteht.40 Der Umstand allein, dass der Geldgläubiger aus der Leistung seinen Unterhalt bezieht, genügt nicht. Die Rsp passt aufgrund der Umstandsklausel nicht fortlaufend (wie bei einer Wertsicherungsklausel), sondern nur dann an, wenn die Geldentwertung ein solches Ausmaß angenommen hat, dass ein „auffallendes Missverhältnis“ zum Wert der Kaufkraft im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses besteht, und zwar selbst dann, wenn die Umstandsklausel vertraglich ausgeschlossen wurde.41 Mit der Vorhersehbarkeit der Geldentwertung als solcher bei Vertragsabschluss42 nimmt es die Judikatur allerdings mit Recht nicht allzu genau; andernfalls hätte in den letzten Jahrzehnten nur ganz ausnahmsweise eine Anpassung durchgeführt werden dürfen. Die Gefahr in allen Fällen, in denen die Vorhersehbarkeit eines Ereignisses zu prüfen ist, besteht erfahrungsgemäß nicht darin, dass der Richter verkennen könnte, dass keine Prüfung ex post vorzunehmen ist, sondern dass er sich zur Beurteilung herausgefordert fühlt, was er selbst in dieser Situation vorhergesehen hätte. Es muss daher regelmäßig die Feststellung dessen genügen, was eine sorgfältige Person in dieser Lage erkennt und wie sie sich darauf einrichtet. Die clausula rebus sic stantibus greift auch bei Leibrenten mit Unterhalts- 21 charakter43 und entsprechenden Geldausgedingeleistungen44. Die E OGH EvBl 1957/80 und JBl 1957, 360 schließen eine Aufwertung gegenüber dem Dritterwerber einer Liegenschaft aus.45 Dagegen wurde zu Recht eingewendet, dass diesen Reallasten die Umstandsklausel inhärent sei.46 Der Unterhaltscharakter muss allerdings in der Vereinbarung seinen Ausdruck gefunden haben und auch aus der Sicht des Geldschuldners bestehen. Zwar verlangt § 12 Abs 1 GBG (im Gegensatz zu § 14 GBG für Hypotheken) für die Eintragung einer Reallast nur „möglichste“ Bestimmtheit, doch gilt dies nicht für Reallasten, für welche zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach § 14 Abs 2 GBG bei Wertsicherungsklauseln gegebenenfalls die Eintrag einer „Höchstbetrags-Geldreallast“ vorzusehen ist.47 Fragwürdig ist allerdings die Annahme einer nicht 40 

Rz 12.

OGH 1 Ob 610/53, JBl 1954, 397; auch 3 Ob 453/51; Binder in Schwimann3 IV § 988

OGH 6 Ob 77/81, SZ 54/159; Griss in KBB3 § 985 Rz 2. Stanzl in Klang2 IV/1, 721. Vor allem ist nicht die Entwicklung des Geldwertes, wie auch immer gemessen, als solches maßgeblich, dies sind vielmehr die Bedürfnisse des Gläubigers und die Leistungsfähigkeit des Schuldners. 43  OGH 1 Ob 821/52, EvBl 1953/440; 1 Ob 610/53, JBl 1954, 397; 1 Ob 610/53, EvBl 1956/126. 44  SZ 5/53; OGH 1 Ob 898/47, JBl 1948, 532. 45  Begründet wurden die E vor allem mit einem Umkehrschluss aus dem Geldausgedinge­ erhöhungsG BGBl 1921/598 und den Besonderheiten der damaligen Notzeiten, in denen der Wert landwirtschaftlicher Naturalprodukte idR nicht im gleichen Verhältnis mit der Geldentwertung gestiegen sei. Dazu wie im Text. 46  Binder in Schwimann3 IV § 988 Rz 12; vgl auch Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 2; weiters Hoyer, FS Wagner 200 f. 47  Näheres bei Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 138; ebenso Hoyer, FS Wagner 198. 41  42 

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eigens vereinbarten persönlichen Haftung des Dritterwerbers für Reallasten, ebenso einer Verpflichtung des Liegenschaftseigentümers über den bei Wahrung der Substanz erzielbaren wirtschaftlichen Ertrag hinaus.48 Bei Dienst-, Pensionsbezügen oder sonstigen Entlohnungsansprüchen aus dem nachwirkenden Dienstverhältnissen ist die höchstgerichtliche Rsp streng und verlangt für die Gewährung einer Aufwertung eine konkrete vertragliche oder gesetzliche Anspruchsgrundlage49, es sei denn der Anspruch ist auf einen „völlig untragbaren und sittenwidrigen Stand“ gesunken.50 Die neuere Lehre und Rsp befasst sich vor allem mit der Aufwertung aufgrund ergänzender Vertragsauslegung.51 Bei Gemeinschaftsverhältnissen kann auch Quotelung dem Geldgläubiger helfen, den widrigen Folgen der Inflation zu entkommen, so etwa bei der Vermögensaufteilung nach Scheidung der Ehe.52 Entsprechendes gilt für das Auseinandersetzungsguthaben von Gesellschaftern.53 Bis zur „wirklichen Zuteilung“ iSd §Â€786, der endgültigen vertraglichen oder gerichtlichen Festsetzung dessen, was dem Pflichtteilsberechtigten tatsächlich aus dem Nachlass gebührt, ist dieser ein gemeinschaftliches Gut des Erben und des Pflichtteilsberechtigten, sodass insoweit keiner durch Geldentwertung benachteiligt werden kann. Umstritten ist allerdings die Bewertung von beweglichen und unbeweglichen Sachen, vor allem aber von Barempfängen, die der Erblasser als Vorempfang oder Schenkung gegeben hat; Näheres bei §Â€794. Im Schadenersatzrecht geht es um die Berücksichtigung der Geldentwertung zwischen der Zeit der Beschädigung und derjenigen der Ersatzleistung. Gem §§Â€ 1332, 305 ist nämlich bei der objektiv-abstrakten Schadensberechnung auf den gemeinen Wert zum Zeitpunkt der Schädigung abzustellen. Da bis daher der Wertersatz in Geld der Inflation anheim fallen kann, versucht das JB 15 neu = SZ 6/226 dem Geldgläubiger dadurch zu helfen, dass es Geldwertänderungen als solche zu dessen Gunsten berücksichtigt. Das JB 15 (neu) war ursprünglich nicht weniger unbestritten, dafür war vor allem Ehrenzweig54, dagegen waren Klang55,

Hoyer, FS Wagner 200 f. OGH 4 Ob 203/54, EvBl 1955/201; 7 Ob 24/55, EvBl 1955/248; 4 Ob 203/54, JBl 1955, 311;4 Ob 55/73, Arb 9127 = ZAS 1974, 98 (Aicher); 1 Ob 734/76, Arb 9540. 50╇ OGH 4 Ob 59, 50/54, Arb 5993; 4 Ob 38/60, JBl 1961, 237: Sehr streng der Maßstab, den die E 4 Ob 151/57, Arb 6789 hier anlegt: Der Bezug muss für den einzelnen Haushalt noch irgendeine wirtschaftliche Bedeutung haben, es genügt nicht, dass er für die Deckung der dringendsten Lebensführung unzureichend sei. Allerdings argumentiert die E ausdrücklich damit, dass die Leistung nicht Unterhaltscharakter habe. Kritik an dieser Rechtsprechung bei Binder, Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche (1980) 366 ff. 51╇ OGH 9 Ob A 111/87, RdW 1988, 50: dazu Binder, RdW 1989, 26 f; Kerschner, ZAS 1989, 61 ff; Binder in Schwimann3 IV §Â€988 Rz€8; Schubert in Rummel3 I §§Â€988, 989 Rz€2. 52╇ OGH 4 Ob 281/00b, JBl 2001, 309 (Pfersmann) und auch schon 1 Ob 110/52, SZ 25/182 = EvBl 1952/300 = JBl 1953, 47; Rummel, JBl 1968,412 ff, sowie Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 209 f, sowie M. Bydlinski in Rummel3 II/1 §Â€1266 Rz€3. 53╇ SZ 8/199 und SZ 4/154. 54╇ In System II/22, 68. 55╇ In Geldentwertung 20 ff. 48╇ 49╇

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Nominalismus und Valorismus

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Wahle56 und Demelius57. Die neuere Lehre ist überwiegend damit einverstanden.58 Die Rsp hat sich vom JB 15 neu niemals ausdrücklich distanziert59, aber doch mehrfach ausgesprochen, dass es nur dann anwendbar sein soll, wenn das Geld seine Funktion als beständiger Wertmesser nicht verloren hat,60 was anscheinend bedeutet, dass es bis auf weiteres unanwendbar sein soll. Vielfach ist auch davon die Rede, dass nach § 1332 zwar der Wert der Sache zur Zeit der Beschädigung zu ersetzen sei, „ausgedrückt“ aber in Geld zur Zeit des Urteils,61 wonach die in Rz 23 dargestellten Schwierigkeiten bei der Wahl des Entwertungsmaßstabes auftreten: Der sachnächste Maßstab wäre der Wert der zerstörten Sache, was aber § 1332 widerspricht; überdies treten Wertungswidersprüche zum Verzugsrecht auf. Praktische Bedeutung hat Jud 15 derzeit im Zusammenhang mit der Aufwertung der Enteignungsentschädigung, die sich aber auch anders begründen lässt, siehe unten unter Rz 29. Begründet wird das JB 15 neu im Wesentlichen damit, dass das Geld die 26 Funktion eines Wertmessers habe, diese aber nur ausüben könne, wenn es wertbeständig sei. Damit wird der Sache nach ausgesprochen, dass der Nominalismus bei mäßiger und der Valorismus bei starker Geldentwertung gelten solle, was mit dem gesetzlichen Zwangskurs zum Nennwert nicht in Einklang zu bringen ist, wobei die kritische Schwelle schwerlich in einer Weise konkretisiert werden kann, welche die Rechenbarkeit des Geldes erhält, schon gar nicht durch eine allmählich von Fall zu Fall fortschreitende Judikatur. Eine säuberliche Trennung der allgemeinen Tauschmittel- und Wertmesserfunktion ist überdies nicht einmal möglich. Das Geld kann nur dann allgemeines Tauschmittel sein, wenn es zugleich Wertmesserfunktion hat, und selbst die Fieberkurve der Hyperinflation zeigt an, dass (stark vereinfacht quantitätstheoretisch formuliert) ein drastisches Missverhältnis zwischen Geld- und Warenmenge besteht, dass auf diese Weise ausgeglichen wird. Als nächstes fragt man sich, wie der innere Wert des Geldes gemessen werden soll. Die Bemessung des Ersatzes eines zuschanden gefahrenen Traktors, eines abgebrannten Fabriksgebäudes oder gar der Goldenen Adele nach dem Verbraucherpreisindex ist wenig überzeugend. Am plausibelsten wäre die Bemessung nach dem Werte der zerstörten Sache im Zeitpunkt des Schadenersatzes, was aber ein offensichtlicher Verstoß gegen § 1332 ist. Da aber beim Ersatz des objektiven Schadens gesetzlicher Zahlungstag der Zeitpunkt des Schadenseintritts ist, lässt sich dieser plausible Effekt mit den Mitteln des Verzugsrechts erreichen, also 56 

6 f.

57 

Valorisationsproblem 193 f. GZ 1921, 81 sowie GZ 1922, 97, sowie später ders, Vor fünfundzwanzig Jahren, FS Klang

58  Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz 10/25; Mayrhofer, SchRAT 48, 320; Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 2: Reichauer in Rummel3 II/2b § 1332 Rz 5; Wolff in Klang2 VI 169 ff; auch Santner, Die Aufwertbarkeit von Ersatzansprüchen bei Beschädigung aus leichter Fahrlässigkeit, ÖJZ 1951, 293 und Neudörfer, Das Judikat 15 (neu) und seine Anwendbarkeit auf die Verhältnisse nach 1945, ÖJZ 1952, 260; dagegen Stanzl in Klang2 IV/1, 723 und Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 170 ff. 59  OGH 1 Ob 342/52, JBl 1953, 210; 1 Ob 99/67, EvBl 1968, 57;1 Ob 621/76, EvBl 1976/255. 60  OGH 8 Ob 67/77, ZVR 1978/47; 3 Ob 591/97, SZ 61/273 = JBl 1989, 578. 61  OGH 1 Ob 99/67, EvBl 1968/57; Koziol/Welser13 II 33; Griss in 3 § 985 Rz 2.

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durch Nachweis eines konkreten Verzugsschadens. Diesen einfachen Ausweg hatte sich aber die Rsp zunächst selbst verschlossen, weil noch vor dem Jud 15 (neu) der Plenarbeschluss SZ 5/53 ergangen war, wonach der Gläubiger einer fälligen, nicht bezahlten Geldschuld nach bürgerlichem Recht nur bei grobem Verschulden mehr als 4% Verzugsschaden begehren konnte. Seit der E des verstärkten Senates OGH 1 Ob 315/97y, SZ 71/56 = ecolex 1998 (Wilhelm) = JBl 1998, 312 ist jedoch dieses Verzugszinsengutachten in diesem Punkt gefallen und ein über die Verzugszinsen hinausgehender weiterer Schaden kann nach den allgemeinen Regel des Schadenersatzrechtes begehrt werden. In weiterer Folge ist dem Verzugszinsengutachten die gesetzliche Basis insofern auch noch durch die Neufassung des §  1333 durch das ZinsRÄG entzogen worden. Zu ersetzen ist der konkrete Schaden des Gläubigers;62 siehe Näheres bei § 1333. Die dem Verletzten als Ersatz des entgangen Verdienstes oder die den Hin27 terbliebenen gebührende Unterhaltsrente (§§ 1325, 1327) ist den jeweiligen Verhältnissen anzupassen, weil sie immer wieder nach Maßgabe des entgangenen Verdienstes oder Unterhalts neu entsteht. Nicht anders als bei gesetzlichen oder vertraglichen Unterhaltsansprüchen liegt also ein Fall des abgeschwächten Nominalismus vor. § 1325 sieht ausdrücklich ein „angemessenes“ Schmerzensgeld vor, wor28 aus sich der Wille des Gesetzgebers zur Berücksichtigung der Wertveränderungen von Waren und Dienstleistungen ableiten lässt,63 die sich der Geschädigte als Ausgleich beschaffen können soll. Von praktischer Bedeutung ist dieser Aufwertungseffekt vor allem bei Teilzahlung, zwischen denen in der Praxis oft lange Zeiträume verstreichen. Verwandte Probleme treten bei der Festsetzung der Enteignungsent­ 29 schädigung auf, wenn zwischen Erlassung der verwaltungsbehördlichen Enteignungsbescheides und der gerichtlichen Entscheidung über die Festsetzung der Entschädigung geraume Zeit64 verstreicht. Die Rsp beruft sich einerseits auf JB 15 neu, weil dieses aber wiederum nur bei „großen und raschen Geldwertveränderungen“ anzuwenden ist, also dann, wenn eine überlange Frist zu einem unzumutbaren Sonderopfer führt.65 Eine Erhöhung des Bauzinses kommt unter den Voraussetzungen des Art III Abs 5 BauRG-Nov 1990 in Betracht.66 62  Dazu auch schon Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 145 ff. Zum Ersatz des Kursverlustes bei Fremdwährungsschulden; s OGH 1 Ob 32/91, SZ 64/129. 63  Dafür Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 176 ff, dagegen Stanzl in Klang2 IV/1, 723. 64  Im Fall der E OGH 1 Ob 621/76, EvBl 1976/255 neun Jahre, in dem der E 1 Ob 148/97i, SZ 71/4 = JBl 1998, 520 elf Jahre. 65  OGH 1 Ob 621/76, ZVR 1961/166; 2 Ob 214/61, SZ 34/119 = EvBl 1961/483; 1 Ob 621/76, EvBl 1976/255; 7 Ob 729/77, JBl 1978, 541; 1 Ob 756/78, SZ 51/175 = EvBl 1979/54; 1 Ob 507/82, JBl 1983, 432; 1 Ob 148/97i, JBl 1998, 520; Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 2: für Berücksichtigung der „Geldentwertung“ (genauer: der Änderung der Grundstückspreise, nicht des Verbraucherpreisindex udgl) unter Verweis auf den Zweck der Enteignungsentschädigung und den Wortlaut des §  365 („angemessene Schadloshaltung“), jedoch unter Ablehnung des JB 15 (neu) Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 191 ff. 66  OGH 5 Ob 86/92, SZ 65/192; 5 Ob 218/96v, SZ 69/138.

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Die Wertsicherungsklausel

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III. Die Wertsicherungsklausel 1. Allgemeines Immer wieder eintretende Geldentwertungen hatten insbesondere bei lang- 30 fristigen Schuldverhältnissen oft dazu geführt, dass die Parteien versuchten, den Geldwert ihrer Forderungen dadurch zu sichern, dass sie ihn mit einem als wertbeständig erachteten Maßstab verknüpften, also Wertsicherungsklauseln vereinbarten. Zunächst stellte man hiebei auf das Währungsmetall ab, zunächst eher Silber, dann eher Gold. Es wurde Zahlung „in klingender Münze“ (§Â€986 aF) vereinbart. Das offenkundige Symptom der Inflation war die „Münzverschlechterung“, also die Verringerung des Gehaltes an Edelmetall. So verpflichtete sich bei der Goldklausel der Schuldner, einen Geldbetrag in Goldmünzen der bedungenen Währung (Goldmünzklausel) oder den Wert dieser Münzen (Goldwertklausel) zu zahlen. Nun verschwanden aber erfahrungsgemäß in Inflationszeiten diese begehrten vollwichtigen Münzen aus dem Verkehr, sodass der Schuldner den Gläubiger mit „zunächst ähnlichen Geldstücken“ zu befriedigen hatte (§Â€ 989 aF); mit Fortschreiten der Inflation verschwanden aber auch Münzen mit vergleichbarem Edelmetallgehalt, es blieb nun mehr Papiergeld übrig, über dessen Rückzahlung „die darüber bestehenden besonderen Vorschriften“ (§Â€986 aF iVm Abs 9 KPzABGB) bestimmten. Zurückzuzahlen war also notgedrungen in entwertetem Metallgeld und schließlich überhaupt nur mehr in Papiergeld. Das Gold oder die Goldmünze hatte nur mehr die Funktion eines Maßstabes zur Berechnung der Summe in „schlechtem“ Geld, worüber sich die Parteien nach einiger Dauer der Inflation auch schon bei Abschluss des Vertrages im Klaren waren. Die Wertsicherungsklausel ist somit zunächst eine Vereinbarung, nach welcher die geschuldete Summe an Hand eines Faktors, der den inneren Wert zur Grundlage hat, aufgewertet werden soll, falls die Kaufkraft des Geldes sinkt.67 Schon bei der Urform der Wertsicherungsklausel, der Goldklausel, konnte 31 es vorkommen, dass der Goldpreis eine Sonderentwicklung aufwies, also nicht im Gleichschritt mit dem allgemeinen Preisniveau stieg oder fiel. Das konnte erwünscht sein, nämlich dann, wenn die Parteien auf den Warenwert des Geldes abstellen wollten, meist war es aber unerwünscht, vor allem dann, wenn im Gegensatz zu den meisten die anderen Preisen fielen.68 Die Möglichkeit, dass der Wertsicherungsmaßstab fiel, war daher im Gegensatz zu Verbraucherpreisindexklauseln, keineswegs theoretisch, und die Parteien taten gut daran, die Wertsicherungsklauseln als einseitige oder als zweiseitige zu formulieren. Im ersten Fall sollte die Summe nur steigen, im zweiten steigen oder fallen, vgl dazu §Â€6 Abs 1 Z 5 KSchG. Gelegentlich wird auch zwischen Wertsicherungsklauseln ieS und solchen iwS unterschieden. Bei den ersteren wird auf den „inneren Wert der Wäh67╇ Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 52; Koziol/Welser13 II 33 f. Ähnlich Jakusch in Angst, EO2 §Â€8 Rz€16 („innerer Wert der Währung“). Diese tradtionelle Formulierung hat nur den wesentlich häufigeren Fall der Inflationsklausel im Auge, aber auch der umgekehrte Fall der Defla­ tionsklausel kommt in der Praxis vor, vor allem bei Kostenelementklauseln; dazu weiter wie im Text. 68╇ Vgl hiezu den oberen und den unteren Goldpunkt.

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rung“ abgestellt, bei den letzteren werden andere Wertsicherungsmaßstäbe eingesetzt. Der Sache nach handelt es sich um eine materiell-rechtlich wenig nützliche Unterscheidung zwischen VPI-Klauseln und Nicht-VPI-Klauseln, siehe unter Rz 39: Bei der Lebensstandardklausel, der typischsten Form der VPI-Klausel, will der Geldschuldner sein gewohntes Leben als Verbraucher weiterführen, die ökonometrische Präzision der Geldwertmessung interessiert ihn darüber hinaus nicht. Zur exekutionsrechtlichen Bedeutung (§ 8 EO) siehe unter Rz 42 ff und 108 ff. Schon von Anfang an lag es nahe, als Wertsicherungsmaßstab ausländische 32 Geldmünzen auszuwählen, die voraussichtlich von der inländischen Geldentwicklung nicht heimgesucht und aus dem Verkehr verschwinden würden. Wenn also nicht gleich eine Fremdwährungsschuld begründet werden und die ausländische Währung somit nur den Maßstab für die Berechnung einer Schuld in inländischer Währung dienen soll, liegt eine Fremdwährungsklausel vor.69 Sehr häufig wollte der Geldgläubiger nur sein gewohntes Leben als Ver33 braucher weiter führen, und so wurden schon in der Zwischenkriegszeit Brot-, Milchpreis- und ähnliche Klauseln gewählt. Hier handelte es sich um Warenklauseln, die aber Lebensstandardsicherungsfunktion hatten. Heute ist diese Art der Wertsicherungsklauseln so gut wie durchwegs vom Verbraucherpreis­ index(VPI-)Klauseln verdrängt. Wo sie dennoch vorkommen, handelt es sich entweder um „schrullige Sonderwünsche verbohrter Vertragsparteien oder in muffigen Schimmeln tradierte Kuriositäten aus den hintersten Winkeln der Rechtspraxis“70; oder aber einen aus irgendwelchen konkreten Gründen des Einzelfalls besonders sachnahen Maßstab, bei dem die mit der Ermittlung verbundenen Schwierigkeiten bewusst in Kauf genommen werden. Besonders typisch ist hier etwa bei bejahrten Liegenschaftsverkäufern die Wahl der Kosten der Unterbringung in einem bestimmten Altersheim als Wertsicherungsmaßstab. Auch sonst soll die Wahl einer bestimmten Ware oder einer bestimmten Dienstleistung als sogenannte Kostenelementklausel die Unsicherheit über Kostenfaktoren beseitigen.71 In solchen Fällen kann und soll sich die Wertsicherungsklausel nicht nur modelltheoretisch sondern auch ganz praktisch als Deflationsklausel auswirken. Besonders eng ist die Verbindung der Höhe der Forderung mit einer ganz bestimmten Sache, wenn deren Preis in Form einer Sachwertklausel als Wertsicherungsmaßstab gewählt wird. Typisch hiefür ist die Wertsicherung einer Kaufpreisrestschuld auf Basis des jeweiligen Preises der betreffenden Liegenschaft. Nach wie vor häufig sind Lohnklauseln. Vor allem bevor sich die VPI34 Klauseln in der Praxis durchgesetzt haben, wurden sie als Lebensstandardklauseln verwendet. Ihr eigentliches Anwendungsgebiet ist aber dasjenige der 69  In der Zwischenkriegszeit, der Blütezeit der Wertsicherungsklausel, gerne als „Valutaklausel“ oder „Edelvalutaklausel“ bezeichnet. Man sprach damals von „stabil gebliebenen Ausländswährungen“, zB Schweizer Franken oder holländischen Gulden. Wird allerdings Kurssiche­ rung angestrebt, liegt an sich keine Wertsicherungsklausel im eigentlichen Sinne vor (dazu Zehetner, Geldwertklauseln, und Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 55), es sei denn, es handelt sich um eine Kostenelementklausel; dazu weiter im Text. 70  So die Formulierung Ertls, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 92. 71  Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 54.

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Die Wertsicherungsklausel

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Sozialstandardklausel. Dem Geldgläubiger wird das Verbleiben in einer bestimmten sozialen Gruppe ermöglicht, deren Lebensstandard steigen oder fallen kann. Daneben kann die Lohnklausel auch Kostenelementfunktion haben. Von praktischer Bedeutung ist diese Differenzierung, wenn der Lohn zwar gleich bleibt, die Arbeitszeit hinauf- oder herabgesetzt wird oder Lohn- oder Arbeitszeit zugleich verändert wird.72 Die Lohnklausel ist also bei der Vertragsgestaltung nicht als überholtes, unvollkommenes Gegenstück der VPIKlausel anzusehen. Vielfach werden die Ausdrücke „Wertsicherungsklausel“ und „Preisgleit- 35 klausel“ oder „Gleitklausel“ unterschiedslos gebraucht. Gelegentlich werden Wertsicherungsklauseln aber von Preisgleitklauseln unterschieden: Während Wertsicherungsklauseln versuchten, den Forderungswert an allgemeine Geldwertveränderungen anzugleichen, wollen Preisgleitklauseln den Verkaufspreis eines Gutes anpassen, wenn sich wichtige, in die Kalkulation eingegangene Kostenelemente verändern.73 Der Sache nach handelt es sich aber bei einer solchen Kostenelementklausel auch nur um eine Unterform der Wertsicherungsklausel, da selbst das Ziel der Lebensstandardklausel nicht die möglichst genaue Messung der allgemeinen Geldwertveränderung an sich ist, sondern grundsätzlich, dem Geldgläubiger das Weiterführen des gewohnten Lebens als Verbraucher ermöglichen soll. Es sei hier nur auf den Fall verwiesen, dass der Geldgläubiger als Wertsicherungsmaßstab die Kosten eines bestimmten, für seine Zukunft existenziell wesentlichen Altersheims fordert. Entsprechendes gilt auch für die Sozialstandardsicherungsklausel, bei welcher der Geldgläubiger seinen Standard innerhalb seiner sozialen Gruppe erhalten möchte. Die rein ökonometrische Genauigkeit der Messung „des“ Geldwertes ist allen Vertragsparteien gleichgültig. Gelegentlich versuchen diese dem VPI als Wertsicherungsmaßstab zu entgehen, weil sie den Verdacht haben, dass die Politik die Inflationsrate hiebei klein- und damit schönrechnet. Zinsgleitklauseln, die auch eine Form der Wertsicherungsklausel bilden können, werden vielfach von Zinsanpassung- oder Zinsänderungsklauseln unterschieden. Bei ersteren wird der Zinssatz unmittelbar an bestimmte veränderliche Bezugsgrößen gebunden, sodass sich dieser bei Schwankungen der Bezugsgrößen ändert; bei letzteren hat die Partei (der Geldgläubiger) das Recht, den Zinssatz nach billigem Ermessen einseitig anzupassen.74 Häufig sind Wertsicherungsklauseln nicht als einfache sondern als alter- 36 native formuliert. Dann hat eine der beiden Parteien – meist der Geldgläubiger – die Wahl, nach welchem von zwei oder mehreren Wertsicherheitsmaßstäben die Geldschuld zu errechnen ist. Es kommen aber auch kombinierte Wertsicherungsmaßstäbe dergestalt vor, dass ein arithmetisches Mittel zwischen zwei oder mehreren Maßstäbe berechnet wird. Besonders beliebt sind wegen der breiteren Berechnungsgrundlage, wodurch zufällige Schwankungen und anderen Sonderentwicklungen leichter ausgefiltert werden können, und wegen der einfacheren Ermittlung der Höhe des Wertsicherungsmaßstabs, verschieErtl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 54. Binder in Schwimann3 IV §Â€986 Rz€2 unter Berufung auf Zehetner, ÖZW 1985, 108 ff. 74╇ Siehe dazu nur Griss, KBB3 §Â€984 Rz€4. 72╇Dazu 73╇

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dene Indexklauseln. Hiebei werden nicht nur Verbraucherpreise indiziert, sondern zB auch Baukosten oder bestimmte Lohnentwicklungen. Wertsicherungsklauseln sind nicht die einzige Möglichkeit, Geldschwan37 kungen zu entkommen. So können die Parteien auch an Stelle eines Kaufvertrages einen Tauschvertrag abschließen, eine effektive Fremdwährungsforderung oder eine Neuverhandlungsklausel vereinbaren oder einfach ausmachen, dass an Stelle des zugezählten Betrages ein von vornherein bestimmter höherer Betrag zurückzuzahlen sei.75 Sollte statt dessen aber zB der Preis der Hypothekarliegenschaft zum Fälligkeitszeitpunkt als Maßstab vereinbart werden, so liegt allerdings eine klassische Wertsicherungsklausel vor.76 Entsprechendes gilt für den wesentlich häufigeren Fall der Sicherung einer Kaufpreisrestschuld. Auch ein bestimmter Zinsfuß kann wertgesichert werden (Zinsgleitklauseln, siehe oben unter Rz€36). Die Aufspaltung des vereinbarten Zinsfußes in einen fixen Basiszinsfuß und einen ebenso fixen „Wertsicherungszinsfuß“ begründet allerdings mangels Vorliegens eines Wertsicherungsmaßstabes keine Wertsicherungsklausel. 2. Bestimmtheit 38

Genauso wie bei anderen Rechtsinstituten wird auch für die Wertsicherungsklausel eine Präzision verlangt, die es möglich macht, die geschuldete Leistung eindeutig zu bestimmen („bestimmt oder bestimmbar“)77. Bemerkenswert daher die Häufigkeit, mit der gerade die Wertsicherheitsklausel in der Vergangenheit Anlass zu Bestimmtheitsstreitigkeiten gegeben hat. Aber ihre Konstruktion ist nicht ganz einfach, und die Entwicklung des Wertsicherheitsmaßstabes oftmals schwer abschätzbar. Bei langfristigen Verbindlichkeiten ist der Einsatz solcher Klauseln selbst bei nicht allzu hoher Inflation unumgänglich, wobei zur Vermeidung der Kosten rechtlicher Beratung die Formulierung gar nicht selten „handgestrickt“ ist und dementsprechend aussieht.78 Die Wertsicherungsklausel besteht aus dem Grundbetrag und dem nach 39 den Regeln der Proportionalrechnung auf Basis des Wertsicherungsmaßstabes hinzuzuaddierenden Aufrechnungsbetrag (bzw dem zu subtrahierenden Abwertungsbetrag), siehe auch unter Rz€87 ff. Von der Unbestimmheit bedroht ist die Wertsicherungsklausel typischerweise bei Unbestimmtheit dieses Maßstabes. Zwar ist ein nach Betrag und Währung festgelegter Geldbetrag immer bestimmt, doch hilft die Bestimmtheit des Grundbetrages allein nichts, da dieser eine bloße Rechnungsgröße ist, auf deren Basis mit Hilfe des Maßstabes der Endbetrag ermittelt werden soll, der zwangsläufig unbestimmt sein muss, 75╇

OGH 3 Ob 508/52. OGH 3 Ob 442/50, EvBl 1951/1 = JBl 1951, 239; 1 Ob 514/54, JBl 1955, 69: vgl auch die E 1 Ob 13/60, SZ 23/31: Einräumung einer Option auf eine Liegenschaftsquote im Verhältnis der Darlehenssumme zum Liegenschaftswert bei Darlehenszuzählung an den Gläubiger (vgl allerdings §Â€1371). 77╇ OGH 4 Ob 91/50, SZ 23/386; 2 Ob 531/59, JBl 1961, 188; 6 Ob 231/63, RZ€1963, 211; Stanzl in Klang2 IV/1, 724. 78╇ Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 65 f. 76╇

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wenn es auch der Maßstab ist.79 Konsequenterweise lässt die Nichteinigung über eine angestrebte Wertsicherungsklausel als eine über das essentiale negotii des Preises den Kaufvertrag nicht zustandekommen,80 und im Zweifel bezieht sich die vereinbarte Wertsicherung nicht nur auf den „offiziellen“ sondern auch auf den „schwarzen“ Teil des Kaufpreises.81 Wegen des Bestimmtheitserfordernisses kann nach ständiger Rsp nicht 40 einfach Geld zum inneren Wert schlechthin wirksam versprochen werden, sondern nur Geld in der jeweiligen Höhe des Preises bestimmter Waren, wie zB Brot, Äpfel, Maurerziegel, des Preises bestimmter Dienstleistungen, des Lohnes eines Arbeiters einer bestimmten Kategorie oder einer bestimmten Indexzahl. Es wird dann nicht Geld schlechthin, sondern das Geldäquivalent des Vergleichsobjektes geschuldet.82 Ebenso wenig vermag die Vertragsklausel, bei Entwertung der Währung sei die Schuld „entsprechend“ aufzuwerten, eine Wertsicherung herbeizuführen.83 Der Sache nach handelt es sich in solchen Fällen meist nur um die bloße Bekundung der Absicht, die Schuld wertzu­ sichern. In aller Regel lassen sich aber solche Klauseln nach den allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung, allenfalls der ergänzenden, zwanglos „retten“. Wenn die Parteien von „Geldwert“, „inneren Wert“ oder „Kaufkraft“ sprechen, meinen sie in sehr vielen Fällen den VPI, und dieser kann nach den allgemeinen Grundsätzen der Vertragsauslegung, die auch bei Wertsicherungsklauseln anzuwenden sind, eingesetzt werden.84 Wenn die Parteien keinen bestimmten Wertsicherungsmaßstab in den Vertrag aufnehmen, so wird sehr oft – aber nicht immer – einfach der VPI gemeint sein. Allerdings geht es nicht an, dass sich die Parteien die Mühen der Vertragsverhandlungen von sich ab- und dem Richter zuschieben. Auch der OGH war in vielen Fällen großzügig, vor allem wenn Unterhaltsbeträge gesichert werden sollten, wo also der Zweck der Klausel ersichtlich war. So wurde etwa ein Wertsicherungsmaßstab als noch ausreichend bestimmt erachtet, demzufolge bei einer Geldentwertung die Renten „entsprechend umzustellen (seien), so dass der heutige Wert dieser Leistungen wieder erreicht wird“, wozu dann noch im Prozess festgestellt wurde, dass die Wertsicherung auf die „täglichen Lebensbedürfnisse“ abgestellt worden wäre. Aufgewertet wurde nach dem damaligen Lebenshaltungskostenindex des Östereichischen Instituts für Wirtschaftsforschung.85 Gleiches geschah bei der Bezugnahme auf die Preise oder die Preislage im Allgemeinen bei der Veräußerung einer Rechtsanwaltskanzlei gegen Rente.86 79╇ Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 64 unter ausdrücklicher Ablehnung von Stanzl in Klang2 IV/1, 724. 80╇ OGH 1 Ob 762/76, SZ 49/142; Binder in Schwimann3 IV §Â€986 Rz€3. 81╇ OGH 6 Ob 200/74, SZ 48/36; Binder in Schwimann3 IV §Â€986 Rz€3. 82╇ OGH 1 Ob 341/52, JBl 1952, 496 (zust Klang); vgl 4 Ob 91/50, SZ 23/386; 1 Ob 789/53, JBl 1954, 285; 6 Ob 230/73; HS 8244. 83╇ OGH 7 Ob 216/57. 84╇ OGH 9 ObA 17/90, JBl 1990, 468; 5 Ob 503/91, wobl 1991, 139 (Würth); Griss in KBB3 §Â€985 Rz€7. 85╇ OGH 3 Ob 150/53; 3 Ob 481/53. 86╇ OGH 1 Ob 42/54, JBl 1954, 569; ähnlich schon SZ 5/273; die E 4 Ob 93/54, EvBl 1955/2 = JBl 1955, 23 = NZ 1955, 31 sah eine in einem Pensionsvertrag enthaltene Wertsicherungsklausel

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Insgesamt war die Rsp auch schon früher viel weniger engherzig als ihr Ruf.87 Die Entscheidungen, die Unbestimmtheit annahmen, wurden nämlich unter dem Eindruck der Zwischenkriegsjahre und des Zweiten Weltkriegs mit ihrer Goldklauselgesetzgebung gefällt. Die Vereinbarung „einer stabil gebliebenen Edelvaluta“ war tatsächlich unbestimmt, wozu noch die Komplikationen infolge der Devisenbewirtschaftung kamen. Indices und damit Indexklauseln waren noch völlig unüblich, und neben der von den Parteien vereinbarten und dann vom Gesetzgeber außer Kraft gesetzten Goldklausel fand sich in diesen Fällen mehr oder weniger zufällig ein bloßer Hinweis auf die Wertsicherungsabsicht der Parteien, die nach dem Eingriff des Gesetzgebers vom Geldgläubiger verwendet wurde, um dessen nachteiligen Folgen zu entgehen. Großzügig war der OGH mit Recht stets dann, wenn Verträge mit Unter­ haltscharakter vorlagen.88 Seither hat § 2 des 1. Euro-JuBeG, BGBl I 1998/125 für den Fall des vereinbarten Wertmessers angeordnet, dass der dem weg­ gefallenen nach dessen Funktion und der Absicht der Parteien am ehesten entsprechende heranzuziehen ist. Dies ist lediglich eine Festschreibung der bisherigen Lehre und Rsp89, wie auch der Motivenbericht hervorhebt. Der in dieser Gesetzesstelle ausgesprochene Rechtsgedanke ist aber konsequenterweise ganz allgemein für unbestimmte Aufwertungsschlüssel anzuwenden.90 Die Rechtsunwirksamkeit einer Wertsicherungsklausel wegen Unbestimmtheit wird daher schon deshalb die ganz seltene Ausnahme für ganz besonders gelagerte Ausnahmefälle bleiben. Die in der Folge in der Praxis aufgetretenen Schwierigkeiten waren auch nicht materiell- sondern prozeßrechtlicher Natur, und zwar vor allem im Exekutionsrecht; siehe dazu in der folgenden Rz. Eine Änderung der Rechtslage ist durch die EO-Nov 1991 BGBl 628 ein42 getreten, auch wenn strittig ist, wie weit diese geht. Nach § 8 Abs 3 EO gilt als Aufwertungsschlüssel der vom Österreichischen Statistischen Zentralamt verlautbarte, für den Monat der Schaffung des Exekutionstitels gültige Verbraucherpreisindex, wenn nach einem solchen Titel ein Anspruch wertgesichert zu zahlen ist, ohne dass hiezu Näheres bestimmt ist. Unklar ist vor allem, ob sie über ihren zunächst exekutionsrechtlichen Anwendungsbereich hinaus auch materiell-rechtliche Bedeutung hat, ob also auch insofern bei unbestimmten für ausreichend bestimmt an, die lautete: „Ändert sich der Geldwert nach oben oder unten, so steigt oder fällt die Pension in gleicher Höhe“, so lange nur fest steht, dass die Parteien die Klausel auf die Änderung der Lebenshaltungskosten abgestellt haben wollten. 87  Die E OGH 4 Ob 522/84, SZ 55/44 (so auch 1 Ob 568/87, ÖBA 1987, 834) hat zB eine Wertsicherungsklausel für ausreichend bestimmt angesehen, bei der sich der Kreditgeber eine Erhöhung des Zinssatzes bei einer „Änderung der Geldmarktverhältnisse“ vorbehalten hat. Diese Vereinbarung sei dahin zu verstehen, dass der Kreditgeber berechtigt sein solle, den zu verrechnenden Zinssatz entsprechend der allgemeinen Geldmarktsituation den jeweils für derartige Kredite in Österreich verlangten üblichen Sätzen anzupassen. Unbestimmt hingegen eine Valuta­ klausel, wonach der Schuldner das Darlehen „in einer stabil gebliebenen Auslandswährung“ zurückzahlen sollte (OGH 2 Ob 521/49, SZ 23/60). 88  Vgl OGH 5 Ob 51/67, MietSlg 19.098 (9); 1 Ob 108/71, SZ 44/58 = JBl 1971, 471 und oben unter Rz 36. 89  Siehe unten unter Rz 78, 83 und 85. 90  So zutreffend Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 7.

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Wertsicherungsmaßstäben die VPI-Klausel zu supplieren ist. Nach einem Teil des Schrifttums ist letzteres anzunehmen.91 Bemerkenswert ist zunächst, dass der Gesetzgeber nicht einfach das materielle und formelle Recht novelliert hat, sondern nur das Exekutionsrecht, und auch noch ausdrücklich Bezug auf Wertsicherungsklauseln in Exekutionstiteln nimmt, auch wenn man im Exekutionsrecht grundsätzlich größere Formstrenge verlangen muss als im materiellen Recht. Darüber hinaus bezeichnet der AB 61 BlgNR 18. GP die Vorschrift auch noch ausdrücklich als Ausnahme von der Bestimmtheit des Exekutionstitels – also nicht vom Bestimmtheitsgebot des §  869 –, die bei Formulierungen eingesetzt werden soll, die zu „Auslegungsschwierigkeiten“ und damit neuen Prozesskosten führen. In der Folge bezieht sich der AB auf den Sonderfall, der aber offensichtlich Anlass zur Novellierung gegeben hat, nämlich die Aufnahme von Wertsicherungsklauseln in gerichtliche Vergleiche. Hier kann es tatsächlich vorkommen, dass zwar sowohl den Parteien als auch dem Gericht klar ist, dass eine Lebensstandardklausel vereinbart werden soll, aber unter dem Druck der Vergleichsgespräche in der Gerichtsverhandlung eine schlampige Formulierung gewählt wird. Während die Auslegung unklarer Klauseln im Erkenntnisverfahren selbstverständliches Tagesgeschäft des Richters und der Parteienvertreter ist, kommen solche in Exekutionstiteln doch wesentlich seltener vor, und eine Fehlerbehebung stößt auf wesentlich größere Schwierigkeiten, daher die Bezugnahme des AB auf „Auslegungsschwierigkeiten“, die sich also nur auf solche in Exekutionstiteln bezieht. Der Sache nach läuft die Übertragung des § 8 Abs 3 EO auf das materi- 43 elle Recht auf eine Analogie ohne Lücke hinaus. Die Fälle, in denen die Gerichtsbarkeit Rechtsunwirksamkeit mangels Bestimmtheit der Wertsicherungsklausel angenommen haben, sind historisch. Der Versuch, bei „Auslegungsschwierigkeiten“ einfach den VPI einzusetzen, ist schon bei Lebensstandardsicherungsklauseln gelegentlich problematisch, wenn etwa nahe liegt, dass als Wertsicherungsmaßstab nach dem Willen der Parteien die Kosten eines bestimmen Alters- oder Pflegeheimes naheliegen. Noch bedenklicher wird die Anwendung, wenn klar ist, dass die Parteien eine Sozialstandardklausel abschließen wollten, vor allem dann, wenn offensichtlich ist, dass bei den in Betracht kommenden Löhnen ein Realverlust an Kaufkraft eingetreten ist; und am allerschlimmsten bei Kostenelementklauseln. Man denke nur an den Fall, dass eine Rohstoffklausel vereinbart worden ist, hinsichtlich derer es „Auslegungsschwierigkeiten“ gibt, wobei aber feststeht, dass die in Betracht kommenden Rohstoffpreise mehr oder weniger gefallen, der VPI aber gestiegen ist. Jakusch schlägt in diesem Fall, wenn die Supplierung des VPI also nicht dem wahren Willen der Vertragsparteien beim Abschluss des gerichtlichen Vergleiches oder des Notariatsaktes entspricht, die Klage nach §  35 bzw §  36 EO vor.92 Bei deflationärer Entwicklung soll § 914 ABGB eingesetzt, gegebenen91  Jakusch in Angst, EO2 §  8 Rz  26, ebenso Griss in KBB3 §  985 Rz  5; zurückhaltender Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 7; dagegen wohl Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz 20 ff und Rz 49 f. 92  In Angst, EO2 § 8 Rz 27.

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falls die Bestimmung des §Â€8 Abs 3 EO sinngemäß angewendet werden.93 Wenn also eine Wertsicherungsklausel abgeschlossen wurde, deren Auslegung Schwierigkeiten bereitet, müsste der Richter also zunächst (durch Urteil) einen Exekutionstitel mit VPI-Klausel schaffen, und es dem Geldschuldner überlassen, durch Exekutions- oder Impugnationsklage zu seinem Recht zu kommen, was im Verhältnis zur bisherigen Rechtslage zu einer beträchtlichen und nicht gerechtfertigten prozessualen Schlechterstellung führen müsste. Insgesamt besteht somit kein Anlass, die exekutionsrechtliche Vorschrift des §Â€8 Abs 3 EO auf das materielle Recht zu übertragen. Steht zwar fest, dass die vereinbarte Wertsicherungsklausel eine Schwel44 lenwertklausel94 enthält, ist deren Höhe aber unbestimmt, oder ist die Wertsicherungsklausel als solche unbestimmt, so ist von Gesetzes wegen nach §Â€8 Abs 3 letzter Satz EO eine solche von 10% einzusetzen. Sieht die vereinbarte Wertsicherungsklausel überhaupt keine Schwellenwertklausel vor, so führt jede auch noch so geringfügige Veränderung des Wertsicherungsmaßstabes zur Neuberechnung.95 Eine weitere, durchaus konsequente Auflockerung des Bestimmtheitsgrundsatzes im Exekutionsverfahren sieht die durch die EONovelle 2003 eingeführte Bestimmung des §Â€8 Abs 3 vor. Danach ist die Exekution bezüglich der Zinsen auch dann zu bewilligen, wenn der Zinssatz in einer bestimmten Zahl von Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ausgedrückt wird, wobei es eines Nachweises des Basiszinssatzes nicht bedarf.96 Der Zweck dieser Novellierungen der EO ist es vor allem, mehrere Prozes45 se bei Exekution von Titeln mit (an sich unbestimmten) Wertsicherungsklauseln zu vermeiden. Das Gesetz nimmt einen in vielen Fällen naheliegenden Durchschnittswert an und überlässt es grundsätzlich dem Geldschuldner – und nicht wie bisher dem Geldgläubiger – seine Rechte im Prozess geltend zu machen.97 Hier handelt es sich jedoch um an sich pathologische Fälle, in denen die unbestimmte Schuld bereits Gegenstand eines Exekutionstitels ist. Hieraus darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass das Bestimmtheitserfordernis auch im materiellen Recht (und im Erkenntnisverfahren) bedeutungslos geworden wäre. 2. Wertsicherungsmaßstäbe a) Die Goldklausel 46

Die Goldklausel ist eine Vereinbarung, durch die das Ausmaß einer Geldverpflichtung nach dem Goldwert festgesetzt wird, sie kommt in Form der Goldwert- und Goldmünzklausel vor. Sie ist die älteste und damals aus währungspsychologischen Gründen nächstliegende Form der WertsicherungsklauJakusch in Angst, EO2 §Â€8 Rz€28. Sperrklausel, Sprungklausel ua; dazu unter Rz€91 ff. 95╇Dazu Jakusch in Angst, EO2 §Â€8 Rz€29; Griss in KBB3 §Â€985 Rz€5; Binder in Schwimann3 IV §Â€986 Rz€49; Schubert in Rummel3 I §§Â€988, 989 Rz€7. 96╇Dazu Klicka in Burgstaller/Deixler EO, §Â€8a EO Rz€1 ff. 97╇ Dazu OGH 4 Ob 543/74, SZ 47/82; 3 Ob 13/77; 8 Ob 48/84, JBl 1985, 551, sowie vor allem Rechberger, FS Wagner 312 ff und auch Binder in Schwimann3 IV §Â€986 Rz€49 f; vgl auch Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 117. 93╇

94╇ Auch

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sel: Das vollwichtige Edelmetallgeld verschwindet aus dem Verkehr und wird durch minderwertiges Metallgeld oder gar Papiergeld ersetzt. Die Goldklausel soll daher den Zustand vor der Inflation wiederherstellen, als es noch gutes, vollwichtiges Geld gab. In Österreich hatten sich Vereinbarungen von Goldklauseln nach dem Ers- 47 ten Weltkrieg gehäuft und waren sogar als Fakturenklauseln gang und gäbe. Neben der (uU auch Kurssicherungsfunktion ausübenden) Fremdwährungsschuld in „Edelvaluta“ war die Goldklausel damals die bei weitem gängigste Wertsicherungsform. Nach Erlass der vier DevV, BGBl 1931/306, BGBl 309/1931, BGBl 350/1931 und BGBl 1932/15 ergingen am 23.3.1933 die GoldKlV BGBl 73 und die GoldschuldenerleichterungsV, BGBl 74. Das folgende GoldKlG 1937/130 untersagte schließlich vor allem die Begründung von Goldklauseln unter Inländern. Der wahre Zweck der bisherigen Goldklauselgesetzgebung war in Wahrheit Schuldnerschutz in der Wirtschaftskrise. Er sollte aus politischer Erwägung das Ansehen und die Selbstachtung des Schuldners möglichst schonen, und andere Wertsicherungsmaßstäbe als Gold und „Edelvaluta“ waren damals noch unüblich. Das GoldKlG hatte keine Rückwirkung angeordnet. Die von ihm nicht betroffenen Goldklauseln wurden durch die GoldschillingV DRGBl I 1037, 1056 (GblÖ 1939/763) außer Kraft gesetzt. Die Goldklauselgesetzgebung hatte beachtliche Unübersichtlichkeit der Rechtslage zur Folge.98 Da der seinerzeitige Zweck – punktueller, aus politischen Gründen ver- 48 schleierter Schuldnerschutz in der Weltwirtschaftskrise und danach Erleichterung der Finanzierung des Zweiten Weltkrieges mittels aufgestauter Inflation mittels wirtschaftlicher Enteignung der Geldgläubiger – eindeutig weggefallen und durch einen zusätzlichen nicht substituierbar war, schlug F. Bydlinski die Anwendung des Rechtsgrundsatzes cessante ratione legis lex cessat ipsa vor.99 Zehn Jahre vorher hatte Ertl die formelle Aufhebung des Goldklauselverbotes empfohlen.100 Mit BGBl 1991/130 wurde das GoldKlG aufgehoben, wobei als Anlass 49 auf die Liberalisierungsmaßnahmen der Nationalbank verwiesen wurde,101 aber auch darauf, dass andere Wertsicherungsmaßstäbe ohne weiteres zulässig sind.102 Eine rückwirkende Inkraftsetzung früherer Vereinbarungen wurde allerdings nicht vorgesehen,103 sodass die Goldklauselgesetzgebung möglicherweise nicht zur Gänze Rechtsgeschichte ist. Eine Reihe ergänzender Vorschriften, darunter die GoldKlV und die GoldschuldenerleichterungsV, wurde mit Art XII des 1.Euro-JuBeG BGBl I 1998/125 ausdrücklich aufgehoben, wobei die Aufhebung aber auch hier nur für die Zukunft wirken sollte. 98  Im einzelnen dazu ausführlich Stanzl in Klang2 IV/1, 725 ff und Ertl, Inflation, Wertsicherung und Privatrecht 71 ff. 99  Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 (1991) 588 f. 100  Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 89. 101  Insb auf deren Kdm DL 2/91, veröffentlicht im Abl zur Wiener Zeitung vom 24.9.1991. 102  Vgl Mayr, RdW 1991, 137. 103  OGH 5 Ob 44/95, SZ 68/80 = JBl 1996, 3254 = HS 26.560; Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 4.

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b) Die Fremdwährungsklausel 50

Während eine Geldschuld, deren Inhalt sich nach dem Goldpreis bestimmte, in der Zwischenkriegszeit nur ganz ausnahmsweise nicht Wertsicherungscharakter hatte, war das bei Fremdwährungschulden nicht notwendig der Fall. Allerdings waren auch solche gängig, vor allem als „Edelvalutaklauseln“, deren Beliebtheit allerdings sank, als sich herausstellte, dass auch zunächst als stabil angesehene Staaten unter Inflationsdruck gerieten und überdies die Devisenbewirtschaftung drohte. Hier wurde entweder eine echte Fremdwährungsschuld vereinbart, bei 51 welcher der Gläubiger Anspruch auf Zahlung in der fremden Währung hat.104 Auf diese Weise kann zwar erhofft werden, ähnlich wie durch Abschluss eines Tausch- anstelle eines Kaufvertrages, der befürchteten Entwertung der inländischen Währung zu entgehen, doch liegt hier an sich kein Fall einer Wertsicherungsklausel vor, denn die Auslandswährung ist prinzipiell nicht Wertsicherungsmaßstab einer Forderung in Inlandswährung. Allerdings kann nach §Â€905a Abs 2 eine in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld in inländischer Währung gezahlt werden,105 es sei denn, die Zahlung in ausländischer Währung ist ausdrücklich bedungen worden (effektive Fremdwährungsschuld). Ob eine solche Zahlung im Inland erfolgt, hängt vom Erfüllungsort ab, bei Geldschulden nach traditioneller Auffassung also vom Wohnort des Schuldners, nach neuerer, überzeugender Auffassung vom Ort, an den die Zahlung zu übersenden ist.106 Umrechnungskurs ist nach §Â€905a Abs 2 Satz 1 mangels abweichender Vereinbarung der zum Zahlungszeitpunkt am Zahlungsort maßgebliche, also der Briefkurs. Gerät der Schuldner in Verzug, so hat der Gläubiger die Wahl zwischen dem bei Fälligkeit und dem zur Zeit der Zahlung maßgeblichen Kurswert. Bei unechten Fremdwährungsschulden lautet die Forderung überhaupt 52 nur auf Euro, die fremde Währung ist von vornherein nur die Rechnungsgrundlage,107 sodass nicht erst am Zahlungstag, sondern schon mit dem Tag der Entstehung des Anspruchs umzurechnen ist, äußerstenfalls mit demjenigen der Fälligkeit.108 Damit hat der Kurs der Auslandswährung die Funktion des Wertsicherungsmaßstabes bei der Wertsicherungsklausel. Die Verwendung eines solchen Maßstabes ist bei Kostenelementklauseln jedenfalls gängig, aber auch bei Lebensstandard- oder Sozialstandardklauseln nicht von vornherein abwegig. Der Geldgläubiger vertraut auf die Tendenz, dass das Land mit höherer Inflationsrate gegenüber einem solchen mit niedriger früher oder später gezwungen sein kann, seine Währung abzuwerten, womit auch insofern ein Wertsicherungseffekt eintritt. §Â€14 DevG 1949 sah in Abs 2 eine Bewilligungspflicht lediglich für effek53 tive Fremdwährungsverpflichtungen vor, also gerade nicht für Wertsicherungs104╇

OGH 1 Ob 77/01g, SZ 74/178. nach UN-Kaufrecht BGBl 1988/96, 1 Ob 77/01g SZ 74/178; Griss in KBB3 §Â€905a Rz€2. 106╇ OGH 1 Ob 77/01g, SZ 74/178; Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz€1/62; Griss in KBB3 §Â€905a Rz€4. 107╇ OGH 2 Ob 74/71, SZ 44/42; RZ€1973/169. 108╇ OGH 9 ObA 252/00z, ARD 5406/4/2003; Griss in KBB3 §Â€905a Rz€1. 105╇Anders

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klauseln. Dies entsprach einheitlicher Lehre und Rsp109, und zwar unabhängig von den Liberalisierungsmaßnahmen der OeNB in den Neuzigerjahren des vorigen Jahrhunderts110 und der grundsätzlichen Frage der Weitergeltung des DevG 1949 nach dem Übergang zur dritten Stufe des WWU am 1.â•›1.â•›1999.111 Auch das nunmehrige DevG 2003 sieht kein Wertsicherungsverbot vor, die ÖeNB kann lediglich gem §Â€4 bestimmte Rechtsgeschäfte für bewilligungspflichtig oder verboten erklären und zwar insb Verfügungen über ausländische Zahlungsmittel (Z 1); Verfügungen über inländische Zahlungsmittel und Gold, soweit diese zugunsten eines Ausländers erfolgen oder ein Ausländer an der Verfügung beteiligt ist (Z 3); und Verfügungen über Forderungen oder Verbindlichkeiten in inländischer Währung, soweit diese zugunsten eines Ausländers erfolgen oder ein Ausländer an der Verfügung beteiligt ist (Z 4). c) Die Waren- und Leistungsklausel Die Goldklausel wurde in der Zwischenkriegszeit verboten, die Fremd- 54 währungsklausel („Edelvalutaklausel“) lief leer, sobald auch bisher stabile Währungen von der Inflation betroffen und von staatlichen Devisenbewirtschaftsmaßnahmen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die heute so wichtige Indexklausel war noch unüblich, weil die Indices selbst noch in den Kinderschuhen steckten und dort, wo sie überhaupt bekannt waren, oft auf Misstrauen stießen, da deren Ermittlung nicht allzu repräsentativ waren und bald zu einem Politikum ersten Ranges wurden. Nichts lag daher näher, als für reine Lebensstandardklauseln einfach die Preise von Grundnahrungsmitteln als Wertsicherungsmaßstäbe zu wählen. So wurden daher Weizen-, Roggen- oder sonstige Getreideklauseln vereinbart,112 ebenso Brotklauseln,113 und auch Mostund Äpfelpreise114 und der Milchpreis115 wurden als Vergleichsmaßstab herangezogen. Aber auch Ziegelpreise116, Viehpreise117, Straßenbahnfahrscheine118 und Telefongebühren119 waren beliebt.120 Im Laufe der Zeit bildeten sich in den verschiedenen städtischen und länd- 55 lichen Anwalts- und Notariatskanzleien die verschiedensten Vertragsschimmel heraus, die oft nach lange weitertradiert wurden, obwohl sie auf den ersten Blick recht sonderbar wirkten. In der Regel waren die Maßstäbe dem Lebens109╇ Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 90 f mwN; Schubert in Rummel3 I §§Â€988, 989 Rz€7; Binder in Schwimann3 IV §Â€986 Rz€11. 110╇ Vgl die Kdm DL 2/91, ABl zur Wiener Zeitung vom 24.9.1991. 111╇ Dazu ausführlich Schwarzer/List/Gerharter, Die österreichische Währungsordnung in der EU5 557 ff. 112╇ OGH 2 Ob 425/50, JBl 1951, 549 = NZ 1951, 77; Weizenmehl: 3 Ob 610/51; Roggen: 7 Ob 35/56; Korn: 3 Ob 489/57. 113╇ OGH 3 Ob 630/51. 114╇ OGH 1 Ob 38/50, SZ 23/17 = JBl 1950, 339. 115╇ OGH 2 Ob 433/52, EvBl 1953/438; 1 Ob 963/54, EvBl 1955/147. 116╇ OGH 2 Ob 411/50. 117╇ OGH 2 Ob 766/62. 118╇ OGH 7 Ob 381/56; 7 Ob 465/57. 119╇ OGH 2 Ob 46/56. 120╇ Weitere Beispiele bei Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 93 FN 407.

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kreis der Beteiligten entnommen, waren diesen bekannt und genossen deren Vertrauen oder aber die Maßstäbe waren der Natur des Geschäftes angepasst. Die Parteien waren und sind an den von ihnen gewählten Wertmesser gebunden, auch wenn dessen Preisentwicklung nicht derjenigen des VPI oder eines anderen Index entspricht. Die Nachteile einer rein zu Lebensstandardsicherungszwecken verwendeten Warenklausel zeigten sich in der Rechtspraxis schon oft rasch nach Vertragsabschluss, nämlich beim Wegfall der staatlichen Stützungen für Grundnahrungsmitteln. Es ist eine allgemein bekannte (wenn auch nicht immer angemessen berücksichtigte) Erfahrungstatsache, dass in wirtschaftlichen Notzeiten solche Preise idR in irgendeiner Form staatlich gestützt werden, dass diese Stützungen aber nach Besserung der Wirtschaftslage reduziert oder überhaupt aufgehoben werden. Die Rsp hat in solchen Fällen die Parteien auf den vereinbarten Wertsicherungsmaßstab festgenagelt, dem Geldgläubiger also nicht die Berufung auf den gerade nicht vereinbarten VPI gestattet; siehe hiezu näheres unter Rz€62 ff. Die Waren- und Leistungsklausel ist zum Zweck der Lebensstandardsiche56 rung nur unter besonderen Umständen sinnvoll einzusetzen, etwa wenn der Verpflegungskostenersatz eines nahegelegenen Krankenhauses oder Pflegeheimes in einem Ausgedingevertrag als Wertsicherungsmaßstab dienen soll.121 Wenn es hingegen um das Entgelt für die Übertragung einer Liegenschaft geht, so kann auch der Wert dieser Liegenschaft (Sachwertklausel) oder einer vergleichbaren, aber auch der Preis eines wichtigen, dort erzeugten Produktes ein sinnvoller Maßstab sein. Entsprechendes gilt auch für eine Belehnung einer solchen Liegenschaft.122 Auch bei Sozialstandardklauseln ist der Preis solcher Produkte in der Praxis schon erfolgreich eingesetzt worden. Dennoch ist und bleibt das typische Einsatzgebiet der Waren- und Leis57 tungsklausel die Kostenelementklausel, und auf diesem Gebiet ist sie unersetzlich. Veraltet ist sie nur als bloßes Surrogat der Indexklausel für allgemeine Lebensstandardsicherungszwecke. d) Die Lohnklausel 58

Das grundsätzliche Verbot der Goldklausel, die weitgehende Unzweckmäßigkeit der Fremdwährungsklausel und das Misstrauen gegenüber der erst in Entwicklung befindlichen Indexklausel förderte auch die Verbreitung der Lohnklausel. Die Rechtsanwendung erkannte bald die Unterschiede in den Auswirkungen der Vereinbarung einer VPI- und einer Lohnklausel. Jahrzehntelang war diese im Verhältnis zu jener fast regelmäßig „überindexiert“, inzwischen zeichnet sich ein Umschwung ab. Noch deutlicher ist dieser bei Pensionsbezügen als Wertsicherungsmaßstäben, vor allem wenn es sich um höhere Bezüge handelt. Auch Dienst- und Versorgungsbezüge jeder Art können als Wertsiche59 rungsmaßstab herangezogen werden. Die Ermittlung der genauen Höhe des 121╇

OGH 1 Ob 619/77, HS 10.668; 5 Ob 509/83, SZ 56/129 = MietSlg 35.109/9 = HS 14.183. 1 Ob 605/53; 3 Ob 442/50, EvBl 1951/1 = JBl 1951, 239; 2 Ob 55/54; 3 Ob 48, 49/60; 3 Ob 923/54. 122╇ OGH

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Aufwertungsbetrages bereitete oftmals Schwierigkeiten, aber selbst in der Nachkriegszeit, als sich die Judikatur nur langsam vorwärtstastend entwickeln musste, kam es fast nie vor, dass eine Klausel von der Rsp als unbestimmt iSd § 869 gewertet wurde. Als ausreichend bestimmt erachtet wurde zB eine 1946 vereinbarte Leibrente im monatlichen Betrag, „welche die Witwe eines Bundesbeamten, die am 1.III.38 Netto-Pensionsbezüge von 200 S damaliger Währung bezogen hat, jeweils bei Fälligkeit der Rente als Nettopension beziehen wird;123 die am 9.8.1949 vereinbarte Wertsicherung eines Pachtschillings von ATS 1.400 gemäß dem „Nettoverdienst eines Richters beim Landesgericht in Wien“124; ein Pachtschilling in mindestens jenem Betrag, „der den Aktivbezügen eines verheirateten, kinderlosen Hauptschullehrers mit zwanzig Dienstjahren in Ortsklasse A für den betreffenden Monat entspricht“125; die Änderung eines Unterhaltsbetrags im gleichen Prozentsatz, „als sich der Gehalt eines Ministerialsekretärs der untersten Gehaltsstufe, ledig, ohne Kinder, ändert“126. Der Stundenlohn eines Maurers bildet den Gegenstand der E EvBl 1967/175. Die Beliebtheit dieser Staatsbeamtenklauseln vor allem in der Nachkriegszeit erklärt sich vor allem daraus, dass Gehälter von Staatsbeamten veröffentlicht werden und deren Höhe daher ungleich leichter zu eruieren sind als diejenigen anderer Berufsgruppen. Ob bei Verweisung auf die Bezüge eines Dienstnehmers, der einem be- 60 stimmten Kollektivvertrag unterliegt, im Zweifel der Mindest- oder der Istlohn anzunehmen ist, bestimmt sich zunächst nach dem Lohn einer angenommenen Vergleichsperson, deren Aufnahme in den Vertrag dringend zu empfehlen ist. Die E OGH 4 Ob 161/77, JBl 1978, 387127 hat bei Wertsicherung eines über dem kollektivvertraglichen Mindestgehalt liegenden Bezuges ausgesprochen, dass idR davon auszugehen sei, dass dieser entsprechend der Erhöhung der Mindestgehälter verändert werden solle, damit der Abstand vom gewährten Bezug verhältnismäßig gewahrt bleibe; vgl dazu auch unten unter Rz 61. Welchen Einfluss eine Arbeitszeitverkürzung (oder -verlängerung) hat,128 hängt davon ab, ob die betreffende Lohnklausel Sozialstandard- oder Kostenelementcharakter hat. Im ersten Fall ist die Veränderung der Arbeitszeit nicht zu berücksichtigen, weil sie sich nicht auf die Kaufkraft der Vergleichsperson auswirkt, im zweiten Fall sehr wohl, weil sie die Arbeitskosten des Arbeitgebers erhöht (oder verringert).129 123 

OGH 1 Ob 52/53; 1 Ob 369/58. OGH 1 Ob 827/53; ähnlich, aber mit deutlicherer Wertsicherungsvereinbarung 7 Ob 54, 55/55: Gehalt eines Richters im Range eines Rates des Oberlandesgerichtes im 25. Dienstjahr, welcher verheiratet ist und ein Kind hat. 125  OGH 7 Ob 179/55. 126  OGH 3 Ob 254/57; ähnlich 3 Ob 248/57 (Gehalt eines österreichischen Staatsbeamten der Dienstpostgruppe V, Gehaltsstufe 6, einschließlich des 13. Monatsgehalts samt Zusagen [ausge­ nommen Familienzulagen, wie Wohnungszulage, Haushalts- und Kinderzulage und Aufwandsent­ schä­digungen]). 127  Ähnlich auch OGH 4 Ob 38/72 Soz III E 457. 128  Dazu OGH 6 Ob 122/71, ImmZ 1972, 10 = MietSlg 23.088/15: 6 Ob 227/73, MietSlg 25.135. 129  Dazu im einzelnen Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 110 ff. 124 

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Die Lohnklausel ist typischerweise Sozialstandardklausel (aus der Sicht des Dienstnehmers) oder Kostenelementklausel (aus der Sicht des Dienstgebers). Ihr Einsatz als Lebensstandardklausel ist grundsätzlich schon deshalb wenig zweckmäßig, weil sich Verbraucherpreise und Lohnniveau auseinander entwickeln können. Sie ist (auch unabhängig von § 8 Abs 3 EO) zwar nicht ernstlich von der Sanktion der Unbestimmtheit bedroht, wenn nicht besonderes Ungeschick des Verfassers und besonderes Pech der Parteien zusammentreffen.130 Wird darüber hinaus der Ausgangsbetrag im Vertrag festgelegt, so ergeben sich daraus regelmäßig deutliche Hinweise auf deren Einstufung, und die Auslegung kann darauf aufbauen. Die wahren Schwierigkeiten liegen vielmehr darin, dass neben den Grundgehalt immer wieder die verschiedensten Zulagen treten, deren Einbeziehung strittig ist.131 Meist geht es darum, ob es um den Ersatz von Aufwendungen, die Entlohnung von Mehrarbeiten oder um eine „echte“ Lohnerhöhung handelt. Hier kommt es gerade nicht darauf an, wie die betreffenden Einkommensbestandteile deklariert werden, wofür es die verschiedensten Gründe geben kann, insb die Vermeidung von Präjudizfolgen, sondern im Zweifel nur, ob es um Einkünfte geht, die von besonderen persönlichen oder sachlichen Momenten abhängig sind oder nicht, oder dem Arbeitnehmer regelmäßig zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes zur Verfügung stehen. Kollektivvertraglich geregelte Zulagen wie Urlaubszuschuss oder Weihnachtsremunerationen, durch die das Arbeitseinkommen ohne besondere Mehrleistung erhöht werden, sind daher in die Berechnungsbasis einzubezie­ hen,132 Diese mit der Berücksichtigung von Zulagen verbundenen typischen Schwierigkeiten lassen sich vom Standpunkt der Vertragsgestaltung durch Wahl eines Lohnindex vermeiden. e) Die Indexklausel

Im Rechtsverkehr haben sich Indexklauseln vor allem zu Lebensstandardsicherungszwecken eingebürgert. Wenn nicht ganz besondere Umstände vorliegen, sind alle anderen zu diesem Zweck eingesetzten Formen der Klausel derzeit ein unzweckmäßiger und antiquierter Ersatz. Vielfach wird daher unter der Bezeichnung „Indexklausel“ die VPI-Klausel verstanden, obwohl es auch andere Indices gibt, die zu Wertsicherungszwecken verwendet werden. Die Erstellung von Indices war eine wirtschaftliche, soziale und politische 63 Notwendigkeit in der Zeit der Hyperinflation nach dem Ersten Weltkrieg. Den Anfang machte im Jänner 1921 die Statistische Zentralkommission bzw das Bundesamt für Statistik mit seinen Erhebungen der „vierwöchentlichen Kosten des notwendigen Ernährungsaufwandes in Wien“, wobei die Preisbewegungen des „physiologischen Existenzminimums“ untersucht wurden; dem folgte im März  1921 ein Index, der die „Verteuerung des notwendigen Ge62

130  So etwa im Fall der E OGH 6 Ob 230/73, HS 8.244: die „Lohnbasis“ der gewerblichen Wirtschaft Tirols. Ein entsprechender Lohnindex hat offenbar nicht bestanden. 131  Das Sachproblem ist auch aus der Unterhaltsjudikatur und den insofern vergleichbaren Schadenersatzrenten (§§ 1325 und 1327) her bekannt. 132  OGH 6 Ob 179/55; Meinhart, ImmZ 1972, 22; Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 108 f.

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samtaufwandes einer Familie in Wien“ messen sollte. 1926 wurde vom Bundesamt für Statistik ein Lebenshaltungskostenindex aufgestellt, im März€1938 ein Index der Kleinhandelspreise, der bis Februar 1959 berechnet und später mit Verkettungsfaktoren weitergeführt wurde, dh mit den Positionen und dem Gewichtungsschema der Nachfolgeindices. Es ist daher ganz allgemein bedeutungslos, ob sich die Vertragsparteien für den Fall der Einstellung des gewählten Index für den alten, verkettet weitergeführten Index oder den Nachfolgeindex entscheiden, weil beide ohnehin der gleichen Tendenz folgen.133 Der (rein mathematische) Unterschied liegt lediglich darin, dass der Nachfolgeindex als verbesserte Neuauflage des alten mit 100 beginnt, der alte, mit Hilfe eines „Verkettungsfaktors“ verbunden weitergeführte auf Basis einer nunmehr anderen und höheren Zahl. Es folgten die VPI 1959, 1966, 1976, 1986, 1996, 2000, 2005 und 2010, wobei jeweils, den geänderten Verbrauchsgewohnheiten folgend, die Bemessungsbasis erweitert und geändert wurde;134 insoweit steckt in jeder Lebensstandardklausel auf längere Sicht auch ein Stück Sozialstandardklausel. Die gängigen Indices sind unter www.statistik.at abrufbar, einige davon auch im Teletext des ORF. Lange Zeit bestand wegen der schmalen Bemessungsbasis ein zunächst 64 nicht ganz unberechtigtes Misstrauen gegen den „Spinat-“ oder „Käferindex“135. Heute liegen die Schwierigkeiten (nicht anders als bei der Warenklausel) viel eher zunächst darin, dass die Preisbewegungen verschiedener Waren- und Dienstleistungsgruppen immer weiter auseinander laufen („Kerninflation“). Preise für Lebensmitteln und Energie steigen wesentlich stärker als solche für technische Geräte, bei denen auch noch die Schwierigkeit besteht, echte oder vorgeschobene Verbesserungen angemessen zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind Preise in vielen Branchen durch Aktionen und Rabatte aufgespalten, was keineswegs nur Sonderfälle betrifft. Auch aus anderen Gründen kann der VPI nicht einfach mit der Summe identifiziert werden, die dem Normalverbraucher am Ende des Monats „im Börsel bleibt“. Geringere Leistungen des Staates oder der Sozialversicherungsträger, für die nunmehr der Verbraucher eigene Mittel einsetzen muss, werden im VPI nicht berücksichtigt, ebensowenig asset inflation, etwa gestiegene Grundstückspreise oder gar künstlich niedrig gehaltene Zinsen. Dafür lässt sich ins Treffen führen, dass die Berücksichtigung solcher Wirtschaftsentwicklungen nicht die Aufgabe eines VPI sein kann. Jedoch beeinflussen sie maßgeblich den Lebensstandard der Geldgläubiger. Schließlich ist der VPI 133╇ Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 95 f, 108; OGH 5 Ob 65/61, SZ 34/31, vgl auch 8 Ob 58/66, HS 5.257/31. Es ist daher nicht schädlich, wenn im konkreten Fall keine ausdrückliche Regelung für den Fall der Einstellung des Index getroffen wird. Davon zu unterscheiden ist die früher gelegentlich auftretende Streitfrage des (gleichzeitigen) Nebeneinanders von mehreren ähnlichen Nachfolgeindices, die im schlimmsten Fall mit Hilfe des §Â€915 zu lösen war (vgl 7 Ob 206/68, JBl 1970, 89; Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 96). 134╇ Näheres zur Geschichte der Indices bis ins Jahr 1980 Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 93 ff mwN. 135╇ Beispiele für Waren, die seinerzeit stellvertretend für ganze Warengruppen in den Index aufgenommen worden waren und deren Bewegung unter Umständen entgegen der Bewegung der gesamten Warengruppe manipuliert werden konnten.

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Leistungsausweis der Wirtschaft und vor allem der Politik, die daher jedes Interesse an Indexlenkungsmaßnahmen haben muss. Gerade in Zeiten drückender Schuldenlasten unterstützen sie die angestrebte finanzielle Repression. Es gibt längst nicht mehr nur Verbraucherpreisindices, mögen diese auch 65 die in der Praxis häufigsten Wertsicherungsmaßstäbe sein. So gibt es zB Baukostenindices und reine Lohnindices, die sich vielfach in Soll- und Istlohnindices gliedern. Die Rsp neigt im Zweifelsfall zur Anknüpfung an den Istlohnindex136, jedenfalls ist aber der einmal gewählte Berechnungsmodus maßgeblich für die Zukunft. Der große Vorteil der indizierten Lohnklausel gegenüber der nicht indizierten liegt darin, dass die typischen Streitigkeiten wie die Einstufung der Vergleichsperson und die Berücksichtigung ihrer Zulagen vermieden werden kann und die Errechenbarkeit wesentlich vereinfacht wird. Der Nachteil liegt in der geringeren Einzelfallangemessenheit, doch gilt dies ganz allgemein, also auch für jede Art von Warenindex gegenüber einer nicht indizierten Warenklausel. 4. Wertsicherungsverbote a) Allgemeines Die grundsätzliche Zulässigkeit der Wertsicherungsklausel beruht auf Privatautnomie und bedarf heute keiner weiteren Rechtfertigung mehr. Die explosionsartige Vermehrung der Wertsicherungsklausel und ihre Außerkraftsetzung durch Maßnahmen des Gesetzgebers erfolgte in stürmischen Zeiten. Diese Maßnahmen wurden nicht offen als larvierter Schuldnerschutz bzw als Folge der Kriegsfinanzierung deklariert, vielmehr wurde versucht, die Klausel selbst madig zu machen. Sie war aus politischen Gründen besonders unbeliebt, weil sich einzelne Rechtssubjekte in schwieriger Lage selbst geholfen hatten, anstatt ihre wirtschaftliche Existenz zur Gänze in die Hände der politischen Machthaber zu legen. Unzutreffend ist es, in der Wertsicherungsklausel einen Verstoß gegen den 67 Grundsatz des Nominalismus im Allgemeinen und den Zwangskurs im Besonderen zu erblicken. Sie stellt lediglich, so weit sie bestimmbar ist, einen Fall des im Gesetz gedeckten abgeschwächten Nominalismus dar. Wenig überzeugend sind auch Argumente wonach die Wertsicherungs68 klausel inflationsfördernd sei und schädliches Misstrauen gegen den Staat und seine Währung zum Ausdruck bringe. Das einzelne Rechtssubjekt kann aber nicht gut verpflichtet werden, gegen seine eigenen Interessen ausschließlich inflationsdämpfende Rechtsgeschäfte abzuschließen. Besonders bedenklich erscheint es, wenn der Staat bewusst Inflationspolitik treibt und diese durch Maßnahmen unterfüttert, die den Einzelnen daran hindern sollen, sich dagegen zu wehren. Argumentiert wurde schließlich auch damit, dass Wertsicherungsklauseln 69 ohnedies nutzlos seien, da sie der Staat außer Kraft setze, wenn sie wirklich vonnöten seien, also ein Pelz für die Hundstage. Dieses Argument widerspricht 66

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Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 7; OGH 5 Ob 96/69i, HS 7.234/14.

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der historischen Erfahrung. Es ist zwar richtig, dass der Staat in schweren Existenznöten – Hyperinflation, Weltwirtschaftskrise und Weltkrieg – Wertsicherungsklauseln außer Kraft setzt, aber grundsätzlich nur in solchen, und diese können nicht als Normalfall angesehen werden. Der Gesetzgeber soll es darüber hinaus seinen Staatsbürgern zur Beurteilung überlassen, ob sie Wertsicherungsklauseln als nützlich ansehen oder nicht.137 b) Sittenwidrigkeit Wertsicherungsklauseln verstoßen nicht generell gegen die guten Sitten. 70 Der Geldgläubiger genießt durch ihre Vereinbarung keinen bedenklichen Sondervorteil gegenüber anderen Geldgläubigern, weil der Geldschuldner bei entgeltlichen Rechtsgeschäften dafür eine Gegenleistung verlangt und auch erhält.138 Bei einer alternativen Wertsicherungsklausel, bei welcher der Geldgläubiger die Möglichkeit hat, zwischen mehreren Maßstäben den für ihn jeweils günstigeren heranzuziehen, ist die Gegenleistung entsprechend höher. Auch hier liegt also keine typische Sittenwidrigkeit vor.139 Im Einzelfall kann Sittenwidrigkeit des Vertrages durchaus vorliegen, nur 71 stellt sich hier idR die Frage, ob es gerade die Wertsicherungsklausel ist, die unter dieses Verdikt fällt oder nicht die Kumulation verschiedener Bestimmungen, von denen jede für sich allein unbedenklich wäre. So ging es im Fall der E OGH 3 Ob 85/72, NZ 1974, 12 um die Frage der Sittenwidrigkeit eines Darlehensvertrages, bei dem 9%ige Verzinsung, 12% Verzugs- und Zinseszinsen, Wertsicherung von Kapital und Zinsen sowie die Verpflichtung des Darlehensnehmers, eine Lebens- und eine Risikoversicherung abzuschließen, zusammengetroffen sind.140 Wo in Wahrheit nur die Kumulation anstößig ist und ein Rechtsgeschäft womöglich sogar wucherisch macht, erscheint es wenig sinnvoll, allein die Wertsicherungsklausel zum Sündenbock zu machen, mag sie auch im Verhältnis zum VPI „überindexiert“ sein. Die meisten Fälle, in denen Wertsicherungsklauseln unter das Fallbeil der 72 Sittenwidrigkeit geraten könnten, sind ohnedies besser mit Hilfe anderer Rechtsinstitute zu lösen. Gängig ist hier etwa die Formulierung, dass Sittenwidrigkeit vorliegen kann, wenn aus einem Grunde, der bei Vertragsschluss unmöglich vorhergesehen werden konnte (völlig unvorhergesehene Entwicklung des Wertmessers) der Vertragspartner unverhältnismäßig bereichert würde.141 137  Zu allen diesen Argumenten, die bis auf weiteres nur historische Bedeutung haben, siehe Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 56 ff. 138  Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 61 f. 139  OGH 3 Ob 145/66, EvBl 1967/175; 8 Ob 179/70, JBl 1971, 260: Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 3. 140  Dazu Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 63 FN 272. 141  OGH 3 Ob 145/66, EvBl 1967/175; 8 Ob 179/70, JBl 1971, 260; 1 Ob 108/71, SZ 44/58 = JBl 1971, 471: 5 Ob 509/83, SZ 56/20 = MietSlg 35.109/9; Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz  18; Schubert in Rummel3 I §§  988, 989 Rz  9; Die Rechtsfolge ist jedenfalls, gleich ob die Rechtsfrage über die Sittenwidrigkeitsprüfung oder die Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgründlage gelöst wird, die Wahl des nächstverwandten Maßstabs, vgl 2 Ob 543/53, SZ 26/194; 6 Ob 250/71, JBl 1973, 468; 6 Ob 772/78, SZ 52/25; 3 Ob 531/77, HS 10.667/6; Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 9.

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Der Sache nach handelt es sich hier allerdings um einen Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, der auch nach deren Grundsätzen zu behandeln ist.142 Da im Abschluss einer Wertsicherungsklausel die bewusste Regelung eines Risikofalles liegt, sind solche Rechtsgeschäfte zwar nicht gänzlich, aber doch weitgehend „geschäftsgrundlagenfest“, so dass die große Zurückhaltung des OGH in diesem Punkt dogmatisch gerechtfertigt ist. c) Maßstabbezogene Wertsicherungsverbote Wertsicherungsverbote können maßstabbezogen sein – ein bestimmter Wertsicherungsmaßstab ist verboten – oder rechtsgeschäftsbezogen – ein bestimmtes Rechtsgeschäft darf nicht wertgesichert werden. Auch Kombinationen kommen vor: Ein bestimmtes Rechtsgeschäft darf wertgesichert werden, aber nicht mit einem ganz bestimmten Maßstab. Das (zumindest fast) generelle Verbot eines bestimmten Wertsicherungs74 maßstabes ist eine seltene und nur ausnahmsweise plausibel zu begründende Besonderheit, weil es ja prinzipiell einfach durch Wahl eines anderen, ähnlichen Maßstabes umgangen werden könnte.143 Als Beispiel dafür lässt sich daher wohl nur die Goldklausel finden, deren Verbot aber ausschließlich historische Gründe hat, die vom Gesetzgeber bewusst verschleiert wurden, und die nunmehr unbeschränkt zulässig ist; Näheres siehe oben unter Rz  46 ff. Die Wahl des Preises unerlaubter Rechtsgeschäfte als Wertsicherungsmaßstab macht für sich allein weder die Wertsicherungsklausel noch das durch sie gesicherte Geschäft verboten. 73

d) Rechtsgeschäftsbezogene Wertsicherungsverbote Jede Preisregelung führt insofern zu einem Wertsicherungsverbot als die gesetzliche Höchstgrenze zum Ende der Errechnung weiterer Aufwertungsbeträge führt. Mag die Wertsicherungsklausel als solche auch erlaubt bleiben, vgl dazu das PreisG BGBl 1992/145144. Entsprechendes gilt umgekehrt für Mindestpreise bei Sinken des Preises des Wertsicherungsmaßstabes. Die Vereinbarung von Gold- und Fremdwährungsklauseln in Lebensversi76 cherungsverträgen war früher unzulässig.145 Durch Art III Z 1 VAG-Nov BGBl 1986/558 wurde dieses Wertsicherungsverbot noch vor Aufhebung des GoldKlG hinfällig. Das MRG schließt zwar nicht die Vereinbarung von Wertsicherungsklau77 seln schlechthin aus, ergibt sich aber durch die Anwendung einer solchen 75

142  Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 56 FN 238. Ein Extremfall liegt allerdings der E OGH 6 Ob 250/71, JBl 1973, 468 zugrunde. Der OGH hat sich hier allgemein auf ergänzende Vertragsauslegung (und nicht auf den vertypten Sonderfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage) berufen, dazu auch Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz 18 f. 143  Vgl aber § 3 BauRG unter Rz 100. 144  Dazu auch Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz 16, sowie Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 112. 145  Ausführlich dazu Stanzl in Klang2 IV/1, 734 ff, sowie Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 113 ff.

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Klausel die Überschreitung des gesetzlichen Höchstrahmens, so ist dieser Teil rechtsunwirksam (§  16 Abs 9 MRG);146 zur Wertbeständigkeit des Hauptmietzinses siehe auch §  45 MRG. Vereinbarungen, die eine Erhöhung des Hauptmietzinses für den Fall einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Höhe des Hauptmietzinses vorsehen, sind gem § 16a MRG rechtsunwirksam. Gleiches gilt für Vereinbarungen, in denen sich der Mieter für den Fall einer solchen Änderung zum Abschluss einer neuen Mietzinsvereinbarung verpflichtet hat.147 Bei der Veräußerung oder Verpachtung eines Unternehmens kann nach §  12a MRG ein wertgesicherter Bestandzins begehrt werden.148 § 16 Abs 6 MRG sieht darüber hinaus eine ausdrückliche gesetzliche Schwellwertklausel vor, und anders als im Regelfall ist es nicht Sache des Geldschuldners, den Aufwertungsbetrag zu errechnen149 sondern kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung diejenige des Vermieters, also des Geldgläubigers (§ 16 Abs 9 Satz 2). Eine Kombination von maßstab- und rechtsgeschäftsbezogenem Wert- 78 sicherungsverbot enthält der durch die BauRG-Nov 1990 BGBl 258 neugefasste §  3 BauRG, wonach der Bauzins wertgesichert werden kann, jedoch nicht durch die Bezugnahme auf den Wert von Grund und Boden. Ob vor dieser Nov Bauzinse überhaupt wertgesichert werden konnten, war unklar und strittig, nunmehr wurde die Wertsicherung grundsätzlich zugelassen, doch sollte das maßstabbezogene Wertsicherungsverbot Spekulationen mit Grund und Boden unterbinden.150 5. Wegfall und ungewöhnliche Schwankungen des Wertsicherungsmaßstabs a) Die Warenklausel Der Wegfall des gewählten Wertsicherungsmaßstabs kommt bei der Wa- 79 renklausel besonders häufig vor. Hier ist der nächstverwandte Maßstab einzusetzen.151 Besonderheiten können sich bei Kostenelementklauseln ergeben. Die Rechtsprechung hat vor allem der Subventionswegfall nach dem 80 Zweiten Weltkrieg beschäftigt, wobei die Klauseln regelmäßig Lebensstandardcharakter hatten, da die Vorgänger des VPI im Zeitpunkt des Vertragsab146  Dazu Würth in Rummel3 II/5 § 16 Rz 24 bis 26, sowie Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht 22.Aufl I (2009) § 16 MRG Rz 35. 147  Ausführlich dazu Würth in Rummel3 I §§ 1092 bis 1094 ABGB Rz 19 f und ders in Rummel3 II/5 § 16a MRG Rz 3 ff. 148  OGH 5 Ob 66/84, SZ 57/153 = EvBl 1985/43 = MietSlg 36.282/34; 8 Ob 570/92, wobl 1993/113 = MietSlg 45.252; Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz 14; Würth in Rummel3 II/5 § 12 a MRG Rz 14. 149  Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 117. 150  Dazu M. Bydlinski, ÖJZ 1987, 9 und Ertl, NZ 1990, 49. 151  OGH 8 Ob 271/65, SZ 38/164 = Evbl 1966/92 = EvBl 1966/92 („Stallboxmietenfall“); 1 Ob 108/71, JBl 1971, 471 uza; Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 105 ff; Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz 26: Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 9; nunmehr ausdrücklich in Art I Abs 2 des 1.Euro-JuBeG BGBl I 1998/125 als Festschreibung der bisherigen Lehre und Rsp. Ähnlich auch schon § 989 aF analog.

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schlusses in der Rechtspraxis noch nicht weit genug verbreitet waren.152 Der Wegfall dieser Preisstützungen führte zu einem im Verhältnis zu anderen Preisen unverhältnismäßigen Ansteigen, doch weigerte sich die Rsp beharrlich, statt des vereinbarten Wertmaßstab, etwa einen der im Laufe der Jahre gängiger gewordenen Indices, einzusetzen. Diese Fälle sind überdies dadurch gekennzeichnet, dass die Geldschuldner Wuchereinwendungen ganz pauschal und ohne jede Konkretisierung vorbrachten; Entsprechendes galt für die Einwendung des Geschäftsirrtums und erst recht für die nächstliegende des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Da es sich bei allen diesen Vereinbarungen aber um die bewusste Regelung eines Risikos handelte, waren sie insofern verhältnismäßig geschäftsgrundlagenfest, auch wenn auf die Erhebung dieser Einwendung nicht ausdrücklich verzichtet worden war. Für diese Hauptfälle des Subventionsabbaus war darüber hinaus auch noch zu berücksichtigen, dass mit einem solchen für die Zeit des Übergangs in die Friedenswirtschaft ohnedies früher oder später zu rechnen war.153 Die Wertsicherungsklausel enthält eine bewusste Risikoregelung nur – 81 verkürzt formuliert – hinsichtlich von Schwankungen des Geldwerts. Die Anwendung der clausula rebus sic stantibus auf Grund anderweitiger Änderungen der Verhältnisse der Parteien wird dadurch in keiner Weise eingeschränkt oder gar ausgeschlossen.154 b) Die Lohnklausel 82

Sinngemäß dasselbe gilt für die Lohnklausel, wobei das unverhältnismäßige Steigen bestimmter Wertmaßstäbe nach dem Zweiten Weltkrieg hier nicht durch den Wegfall von Preisstützungen sondern durch Entnivellierung zustande gekommen war.155 Hier war das Festhalten der Rsp am einmal gewählten Wertsicherungsmaßstab umso mehr gerechtfertigt, als Lohnklauseln typische Sozialstandardklauseln waren, und ihre Überindexierung im Verhältnis zum VPI daher ebenso typischerweise gewollt war. Vor allem in Zeiten der finanziellen Repression muss sogar davon ausgegangen werden, dass das Ansteigen der Löhne hinter demjenigen der Preise zurückbleibt. Bei Lohnklauseln mit Kostenelementcharakter stellt sich dieses Problem gar nicht erst, weil es hier um die finanzielle Belastung des Arbeitgebers geht. Genau diese Fallgestaltung stellt sich allmählich auch bei Pensionsklau83 seln. Hier führt die demografische Struktur in Verbindung mit der Last der Staatsschulden zwangsläufig zu einer allmählichen Renivellierung der Bezüge. Vor allem die Wahl höherer Pensionen, die meist (wenn überhaupt) nur teilweise an den VPI angeglichen werden, führt insofern zwangsläufig zu Kaufkraftverlusten. Die mit der Renivellierung verbundenen Nachteile kann 152  NZ 1951, 77 = JBl 1951, 549; NZ 1951, 15 und die übrigen bei Stanzl in Klang2 IV/1, 732 sowie bei Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 102 ff angeführten Beispiele aus der Judikatur. 153  Dazu Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 104 f. 154  OGH 2 Ob 279/61, RZ 1962, 60; Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz 7; Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 9. 155  OGH 3 Ob 248/57; 7 Ob 56/58; 5 Ob 35/59; 5 Ob 24/60.

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der Geldgläubiger grundsätzlich ebensowenig einwenden wie dies in Nachkriegszeit der Geldschuldner bei der Entnivellierung konnte. Der Grundsatz der Wahl des nächstverwandten Wertsicherungsmaßstabes 84 (und nicht einfach des VPI) bei Wegfall des vereinbarten Maßstabes gilt bei Lohnklauseln ebenso wie bei Warenklauseln,156 dazu Rz 78. Zur Berücksichtigung von Arbeitszeitänderungen siehe Rz 67. c) Die Indexklausel Auslegungsfragen wegen ungewöhnlicher Schwankungen stellen sich bei 85 Indizes wegen der Breite ihrer Bemessungsgrundlagen kaum vielmehr sind es einzelne Waren, Dienstleistungen oder Löhne, deren Preisschwankungen im Verhältnis zum jeweiligen Index gemessen werden. Beim Wegfall eines Index ist, nicht anders als beim Wegfall anderer Wert- 86 messer, der nächstverwandte einzusetzen, siehe dazu oben unter Rz 79. Derzeit stellt sich diese Frage kaum, weil der VPI in jeweiligen Abständen „upgedated“ wird, also den geänderten Verbrauchergewohnheiten angepasst wird. Zwar werden neben dem jeweiligen neuen Index auch die alten Indices weitergeführt, jedoch nicht auf ihrer alten Grundlage, sondern auf Basis des neuen. Der verkettet weitergeführte alte Index gibt somit die Tendenz des neuen wieder, so dass es keinen Unterschied macht, welcher im konkreten Fall als Berechnungsbasis verwendet wird. 6. Der Aufwertungsbetrag a) Allgemeines Der Aufwertungsbetrag, also der zufolge der Wertsicherung dem Grundbe- 87 trag einer Geldschuld zuzuschlagende Betrag, bildet einen Teil der Schuld, beruht auf dem gleichen Rechtsgrund und kann während der gesamten Verjährungszeit der Hauptforderung (also nicht nur nach § 1480) eingeklagt werden. Er ist also in jeder Hinsicht als Teil der wertgesicherten Forderung zu behandeln und nicht als deren Nebenforderung iSd § 54 Abs 2 JN oder als Nebengebühr157. Nebenforderung iSd § 912 ist er nur dann, wenn gerade eine solche wertgesichert sein sollte. Die Zahlung nur des Grundbetrages ist Teilzahlung, der Gerichtserlag des Grundbetrages allein begründet daher keinen Anspruch auf Ausfolgung der Löschungsquittung.158 Teilzahlung allein des Grundbetra-

156  Wird eine „Teuerungszulage im öffentlichen Dienst“ nicht mehr gewährt, so ist auf das Ausmaß der gesetzlichen Bezugserhöhung abzustellen, vgl OGH 6 Ob 772/78, SZ 52/25 und Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz 26. 157  OGH 3 Ob 34/106, EvBl 1962/28 = HS 612; 1 Ob 556/89, RdW 1989, 301 = wbl 1989, 318 = HS 20.577; 1 Ob 520/96, SZ 69/95 = NZ 1997, 23; 4 Ob 2319/96, ecolex 1997, 494 = RdW 1997, 396 = JBl 1997, 245 (Dullinger); Griss in KBB3 § 985 Rz 10. Die Verjährung des Aufwer­ tungsbetrags beginnt daher erst, sobald der maßgebliche Indexwert feststeht. 158  OGH 3 Ob 611/78, SZ 52/40; Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 116; Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz 6.

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ges hindert daher weder den Eintritt des Terminverlustes159 noch die vorzeitige Auflösung eines Mietvertrages160. Der noch offene Aufwertungsbetrag ist zu valorisieren.161 Ein allgemein für die Geldforderung vereinbartes Aufrechnungsverbot gilt auch für den Aufwertungsbetrag.162 Da der Aufwertungsbetrag somit Teil der Schuld ist, muss er durch den 88 Geldschuldner ausgerechnet werden,163 es sei denn, anderes ist vereinbart, es ist allgemein üblich oder es ergibt sich aus der Natur des Geschäftes oder der Praxis zwischen den Vertragspartnern, etwa wenn der Gläubiger dem Schuldner regelmäßig einen Erlagschein zuschickt, auf dem der Betrag aufscheint oder er über einen Einziehungsauftrag verfügt. Eine Errechnung durch den Geldgläubiger sieht ausdrücklich § 19 Abs 6 MRG vor, siehe oben unter Rz 77. b) Der Aufwertungszeitpunkt 89

Die Laufzeit der Wertsicherungsklausel beginnt im Zweifel nicht mit dem Leistungsaustausch sondern mit dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses,164 bei letztwilligen Verfügungen mit dem Zeitpunkt ihrer Errichtung,165 da allein in diesem Zeitpunkt der Grundbetrag feststeht. Konsequenterweise ist bei Indexklauseln daher nicht die für den Fälligkeitstag berechnete, sondern die an diesem Tag zuletzt veröffentlichte Zahl maßgeblich.166 Im Verzugsfall läuft die Inflationsklausel weiter, bei Deflationsklausel 90 bleibt der Betrag mit Eintritt der Fälligkeit nach unten hin erstarrt. Der Schuldner soll durch seinen Verzug nicht besser gestellt werden.167 c) Die Schwellenwertklausel 91

Auch geringfügige Änderungen des Wertsicherungsmaßstabs können zu häufigen Neuberechnungen der Forderungshöhe führen. Das ist vor allem dann lästig, wenn die zu seiner Ermittlung notwendigen Erhebungen zeitraubend und unsicher sind und damit dem Schuldner sogar willkommenen Anlass zur Zahlungsverzögerung bieten können. Bei Wahl des VPI als Maßstab treten 159  OGH 1 Ob 556/89, RdW 1989, 301 und Griss in KBB3 §  985 Rz  10: Es sei denn, es können über die Berechnung des Wertsicherungsbetrages verschiedene Auffassungen bestehen und die Differenz ist verhältnismäßig geringfügig, sodass der Terminverlust eine unangemessene Sanktion wäre. 160  LGZ Wien 41 R 772/78, MietSlg 30.225. 161  OGH 5 Ob 640/83, RdW 1983, 105; 1 Ob 520/96, SZ 69/95 = NZ 1997, 23; Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz 6; Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 162  OGH 1 Ob 75/81, MietSlg 34.148. 163  OGH 5 Ob 640/83, RdW 1983, 105; 3 Ob 70/87; Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 117; Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 3. 164  OGH 5 Ob 65/61, SZ 34/31: 1 Ob 283/66, EvBl 1967/282 = JBl 1967, 375. 165  OLG Wien 14 R 130/130/91, EF 66.298; Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 117 f (insb bei wertgesicherten Unterhaltsrenten); Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz 41. 166  OGH 5 Ob 65/61, SZ 34/31: 2 Ob 793/53, HS 6.269;4 Ob 518/68, NZ 1969, 23; Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 118; Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz 42. 167  Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 118 f.

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diese Schwierigkeiten zwar in den Hintergrund, aber selbst hier können rein saisonale Schwankungen zu unwillkommenen Änderungen führen, und es ist überhaupt unmöglich, einen Index mit beliebiger Genauigkeit zu berechnen. Die Notwendigkeit der Neufestsetzung des Endbetrages selbst bei minimalen Änderungen des Maßstabes kann auch hier unerwünscht sein.168 Um dies zu verhindern, werden Schwell(en)wertklauseln169 vereinbart: Erst ab dem Überschreiten eines Wertes von (meist) 5%170 wird der Aufwertungsbetrag berechnet. Diesem Zweck entsprechend wirkt sich die Schwellenwertklausel im 92 Zweifel nicht nur ein einziges Mal aus, sondern auch bei jeder folgenden möglichen Erhöhung.171 Die neue Anpassung erfolgt jeweils auf der Höhe des letzten Endbetrages, nicht auf derjenigen des ersten.172 Die Parteien können aber auch vereinbaren, dass bei Überschreiten des vertraglich fixierten Prozentsatzes „die gesamte Änderung der Berechnung zugrunde zu legen“ sei.173 Im Übrigen ist hier alles Sache der Auslegung des Vertrages.174 Eine 5%ige Schwellenwertklausel von Gesetzeswegen enthält § 19 Abs 6 93 MRG, im Exekutionsrecht sieht § 8 Abs 3 EO eine 10%ige vor. d) Der Verzicht auf Wertsicherung Die Voraussetzungen für die Annahme eines schlüssigen Verzichtes auf 94 Wertsicherung weichen nicht von den allgemeinen Regeln ab, haben aber vor allem die mietrechtliche Rsp schon oft beschäftigt. Widerspruchslose Entgegennahme von Zahlungen in der Höhe des Grundbetrages kann daher für sich allein nicht als schlüssiger Verzicht verstanden werden.175 Notwendig ist vielmehr, dass besondere Umstände darauf hinweisen, dass der Verzicht ernstlich gewollt ist und der Geldschuldner unter Bedachtnahme auf die im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche und unter Berücksichtigung aller Umstände den zweifelsfreien Schluss ziehen durfte, dass der Geldgläubiger ernstlich auf seinen Anspruch verzichtet (§ 863).176 IdR wird aber – vor allem bei Mietzinszahlungen – ein Zweifel zumindest in der Richtung bestehen, dass der Gläubiger die Geltendmachung der Aufwertung übersehen und sich in der Berechnung geirrt hat. Erst wenn zB ein Vermieter jahrelang hindurch den Grundbetrag entgegennimmt und in seinen Vorschreibungen nicht 168  Dazu Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 120 mwN; Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 7; Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz 38; Griss in KBB3 § 985 Rz 7; OGH 6 Ob 699/59, SZ 49/59 = EvBl 1976/231 = NZ 1979, 62. 169  Gelegentlich auch als Mindestschwankungsklauseln, Sprungklauseln, Sperrklauseln, Wirkungsgrenzen oder Toleranzgrenzen bezeichnet. 170  Auch 2% (wenig sinnvoll), 10% und 15% kommen in der Rechtspraxis vor. 171  OGH 6 Ob 699/76, MietSlg 35.110; Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 121. 172  OGH 6 Ob 553/76, SZ 49/59 = EvBl 1976/231 = NZ 1979, 62; Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 121. 173  OGH 6 Ob 269/70, HS 7.235/53. 174  Griss in KBB3 § 985 Rz 7. 175  OGH 1 Ob 169/291, JBl 1952, 291; 1 Ob 260/55, EvBl 1955/324; 5 Ob 534/77, MietSlg 29.121; 5 Ob 603/80, JBl 1982, 426; 1 Ob 639/83, MietSlg 35.113 uza; Griss in KBB3 § 985 Rz 9. 176  OGH 5 Ob 566/78, MietSlg 38.138/19; 5 Ob 37/90, MietSlg 42.061 uza.

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auf die Wertsicherung hinweist, kommt ein schlüssiger Verzicht hinsichtlich der bereits fälligen Zinsbeträge in Betracht.177 Da die Beseitigung von Wertsicherungsklauseln bei Dauerschuldverhältnissen früher oder später zu schweren Äquivalenzstörungen führt und der Schuldner nicht davon ausgehen kann, dass sich der Geldgläubiger damit abfinden werde,178 sind für die Annahme eines Verzichts auf zukünftige Aufwertung besonders strenge Maßstäbe anzulegen.179 Dies gilt umso mehr, wenn der Geldgläubiger an gesetzliche Kündigungsbeschränkungen gebunden ist. In der älteren , vor allem der bestandrechtlichen Judikatur, nur ausnahms95 weise auch später, finden sich öfters mehr oder weniger unklare Formulierungen in Richtung einer Verwirkung.180 Die Annahme eines Rechtsverlustes nach Treu und Glauben ohne die Voraussetzungen des §  863 muss aber im Einklang mit der hM abgelehnt werden. 7. Folgen der Ungültigkeit a) Unbestimmtheit 96

Unbestimmtheit einer Wertsicherungsklausel ist nur in ganz seltenen Ausnahmefällen anzunehmen und als Auslegungsergebnis möglichst zu vermeiden, siehe oben unter Rz 38 ff. Das gilt auch dann, wenn der Geltungsbereich des § 8 Abs 3 EO auf das Prozessrecht beschränkt wird, dazu oben unter Rz 42 ff. Sollte ein solcher Ausnahmefall jedoch vorliegen, ist zu prüfen, ob die Rechtsfolge Teilnichtigkeit oder Gesamtnichtigkeit ist. Die ältere Meinung hat sich für Teilnichtigkeit ausgesprochen.181 Begrün97 det wurde dies mit dem Hinweis, dass ein nach Betrag und Währung festgelegter Geldbetrag immer bestimmt sei, den Geldgläubiger grundsätzlich die Gefahr der Geldentwertung treffe und der typischen Partei- und Interessenslage (§ 878 Satz 2) entspreche. Aber auch ein bestimmter Grundbetrag ist nur eine Berechnungsgrundlage, und wenn zur Ermittlung des Endbetrages ein unbestimmter Aufwertungsbetrag hinzugerechnet werden soll, so wird dieser Endbetrag auch unbestimmt. Zwar trifft den Geldgläubiger grundsätzlich die Gefahr der Geldentwertung, doch beruht dies nur auf einem rechts- und wirtschaftstechnischen Mechanismus ohne irgendwelchen Gerechtigkeitsgehalt. Diese Gefahrtragungsregel ist daher die Konsequenz der Entscheidung für Teilnichtigkeit, kann aber nicht als deren Begründung dienen. Schließlich wird 177  OGH 3 Ob 688/82, MietSlg 35.112; 7 Ob 693/87, SZ 60/210; 8 Ob 674/87, MietSlg 42.062; 5 Ob 582/90, MietSlg 42.063 uza. 178  Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 119. 179  OGH 5 Ob 140/66, MietSlg 18.156/21; 4 Ob 520/76, ImmZ 1976, 187 = MietSlg 28.076; 7 Ob 557/79, MietSlg 31.130 uza. 180  Siehe Stanzl in Klang2 IV/1, 738 und Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 120; Koziol/Welser13 I 223; später auch OGH 6 Ob 2243/96p, immolex 1997, 330, dazu Schauer, RdW 1985, 69. Dagegen OGH 3 Ob 234/61, SZ 34/106; 7 Ob 667/84, RdW 1985, 75; 5 Ob 582, 583/90, RZ 1993, 74 ; 2 Ob 546/95, wobl 1996, 35, sowie Stanzl in Klang2 IV/1, 738 f. 181  Stanzl in Klang2 IV/1, 724; Schubert in RummeI3 I §§ 988, 989 Rz 7; Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz 25; OGH 3 Ob 611/56, JBl 1957, 533; dagegen Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung und Wertsicherung 122 f; Griss in KBB3 § 985 Rz 4.

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eine Wertsicherungsklausel, wenn sie nicht rein formularhaften Charakter hat, deshalb vereinbart, weil der Geldgläubiger bei entsprechend langer Dauer des Vertragsverhältnisses immer eine gravierendere Verschlechterung des Äquivalenzverhältnisses befürchten muss, so ist auf seiner Seite ein deutliches Unteilbarkeitsinteresse gegeben. Es ist daher unangebracht, ihn auf die Möglichkeit der Kündigung zu verweisen, ein Ausweg, der ihm bei Kündigungsschutz ohnedies verwehrt ist. Besonderheiten gelten für den Fall, dass Unbestimmtheit und Verstoß ge- 98 gen ein Wertsicherungsverbot zusammentreffen. Zwar ist die Bestimmtheit zunächst zu prüfen, weil das Vorliegen eines solchen Verstoßes erst dann erkennbar ist, wenn feststeht, was für ein Rechtsgeschäft überhaupt feststeht. Schon bei der Prüfung des Unteilbarkeitsinteresses (des Geldgläubigers) kann es aber eine Rolle spielen, ob er im Hinblick auf eine gesetzliche Preisregelung überhaupt einen Geschäftspartner finden kann, der ihm einen besseren Preis bieten würde. Wenn überhaupt nur ein bestimmter Wertsicherungsmaßstab gesetzlich zulässig ist, so erledigt sich die Frage nach der Bestimmtheit des Vertrages in aller Regel von selbst, so vor allem bei Mietverträgen, die dem MRG unterliegen (§ 16 Abs 6 und 9 MRG). Vor einem solchen gesetzlichen Hintergrund ist im Zweifel von Teilnichtigkeit auszugehen,182 siehe dazu auch unter Rz 77 f. b) Gesetzliche Verbote Bei gesetzlichen Höchstpreisbestimmungen entspricht dem Gesetzes- 99 zweck im Zweifel allein Teilnichtigkeit.183 Daran ändert sich nichts, wenn die Überschreibung der Höchstgrenze durch einen Aufwertungsbetrag erfolgt. Zum MRG als Wertsicherungsverbot siehe oben unter Rz 83. Bei verbotenen und außer Kraft gesetzten Goldklauseln184 hat die Recht- 100 sprechung Teilnichtigkeit angenommen.185 Das lag zunächst am völlig eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Gesetzesstellen.186 Die Auslegungsschwierigkeiten beruhten vielmehr auf der Unehrlichkeit des Gesetzgebers. Die amtliche Begründung war äußerst kuRz und sprach nur davon, dass nach der Stabilisierung des Schilling Goldklauseln nicht mehr notwendig seien, die „Einheitlichkeit der „Währung“ störten und zu – nicht näher ausgeführten – „Verwirrungen“ führten, die „dem Wirtschaftsleben nachteilig seien“187. In 182 

Vgl OGH 3 Ob 158/58, MietSlg 6.279; 3 Ob 611/57, JBl 1957, 533. OGH 6 Ob 136/66, SZ 39/190 = EvBl 1967/174 = JBl 1967, 432; Mayr-Maly in Klang2 IV/2, 290 ff; Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 125. 184  Vor allem GoldKlG und GoldschillingV. 185  OGH 1 Ob 51/52, JBl 1954, 285; 3 Ob 611/57, JBl 1957, 333; 1 Ob 225/66, JBl 1967, 430; 1 Ob 108/71, JBl 1971, 471; 7 Ob 1966, 326, JBl 1996, 325; ebenso schon 1 Ob 390/48; auch Stanzl in Klang2 IV/1, 728 und Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 126. 186  Art I §  1 GoldKlG: Vereinbarungen sind „als nicht bestehend anzusehen“, Art II §  2 Abs 1 GoldKlG: Der Gläubiger kann sich auf die Klausel „nicht berufen“; nicht anders die GoldschillingV, die bereits vereinbarte Klauseln für ungültig erklärt hat. 187  AmtlKomm, publiziert in der Wiener Zeitung vom 27.4.1937, abgedruckt bei Loeb, Die Regelung der Fremdwährungs- und Goldschuldverhältnisse, II.Teil_ Kommentar zum Goldklausel­ gesetz (1937) 10, wiedergegeben bei Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 79. 183 

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Wahrheit ging es um eine verschleierte Schuldnerschutzmaßnahme in der Weltwirtschaftskrise, die aus politischen Gründen als solche nicht offengelegt werden sollte. Angesetzt werden konnte bei der Goldklausel nur deshalb, weil sie bei weitem die gängigste Wertsichtungsklausel war und am leichtesten politisch madig gemacht werden konnte. Deshalb, und nicht weil sich ein vergleichbarer Ersatzmaßstab nicht hätte finden lassen, haben Lehre und Rsp Teilnichtigkeit angenommen.188 Nur in Extremfällen kam eine teleologische Einschränkung des Verbots in Betracht.189 Enthielt der Vertrag alternativ eine verbotene Goldklausel und eine andere, erlaubte Wertsicherungsklausel, so war der Vertrag mit dieser anderen Klausel gültig.190 Diese Rsp war unbedenklich, weil das Goldklauselverbot – soweit nicht ohnedies nach dem Grundsatz ratione legis cessante lex ipsa weggefallen – als systemwidrig und vor allem rechtspolitisch verfehlt auszulegen war.191 §  3 Abs 2 Satz 2 BauRG erklärt die Wertsicherung des Bauzinses aus101 drücklich für zulässig, nimmt davon aber – zur Unterbindung von Grundspekulationen – die Bezugnahme auf den Wert von Grund und Boden aus. Gerade im Hinblick auf die Bestellung des Baurechts in der Dauer von zehn bis hundert Jahren (§ Abs 1 BauRG) entspricht grundsätzlich weder der Wegfall der Klausel noch eine mühselige Rückabwicklung wegen Gesamtnichtigkeit dem Verbotszweck wie auch der Parteienabsicht. Der Grundsatz, dass bei Wegfall des zunächst gewählten Wertmaßstabs der ihm am nächsten kommende einzusetzen ist (Art I § 2 1.Euro-JuBeG), sollte daher sinngemäß auch hier eingesetzt werden. Dass hiebei der Verbotszweck des § 3 Abs 2 Satz 2 BauRG zu beachten ist, sollte kein entscheidendes Hindernis sein. 8. Die Wertsicherungsklausel im Grundbuch a) Die Hypothek 102

Bei der Verbücherung von Wertsicherungsklauseln, dh auch der jeweiligen Aufwertungsbeträge, sind nicht nur die Interessen der Vertragsparteien zu berücksichtigen, sondern auch diejenigen Dritter, vor allem potenzieller Nachhypothekare und Liegenschaftskäufer, die selbst bei schuldrechtlich bestimmten Wertsicherungsklauseln, größte Schwierigkeiten haben können, die Belastung der Liegenschaft abzuschätzen und daher von einer Belehnung oder einem Kauf Abstand nehmen könnten.192 § 14 Abs 1 GBG ordnet daher an, dass das Pfandrecht nur für eine ziffernmäßig bestimmte Geldsumme eingetragen werden kann und steht daher einer unmittelbaren Eintragung der Wertsicherungsklausel im Wege.193 Unter dem Druck der wirtschaftlichen Lage in Dies zu Binder in Schwimmann3 IV § 986 Rz 28. So im Fall der E OGH 1 Ob 108/71, SZ 44/58 = JBl 1971, 471. 190  OGH 2 Ob 382/59 unter Ablehnung der gegenteiligen E 1 Ob 390/48, SZ 21/165; 3 Ob 190/53, HS I 37. 191  Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 85, 127. 192  Ausführlich zur Interessenlage Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 127 f. 193  OGH 5 Ob 256/99d, EvBl 2000/53 = ecolex 2000, 359 = NZ 2000, 186 = ÖBA 2000, 541 = RdW 2000, 205 = wobl 2000, 369: Klang, JBl 1935, 370 und ders in Klang2 II 414 f; Ertl, Infla188  189 

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der Zwischenkriegszeit ließ die Rsp diese jedoch zu.194 Die V über wertbeständige Rechte vom 16.11.1940, DRGBl I 1521, machte dieser ein Ende, wurde in der Folge jedoch durch Art XII § 1 des 1.Euro-JuBeG aufgehoben: Der Euro und die Währungen der anderen an der Währungsunion teilnehmenden Mitgliedstaaten können ab 1.1.1999 nicht mehr als Fremdwährungen angesehen werden. Allfälligen Unklarheiten und Missverständnissen solle durch die Aufhebung dieser Verordnung, „die auch aus anderen Gründen obsolet ist“, begegnet werden. Auf fremde Währungen lautende Grundbuchseintragungen sollten allerdings nur für Währungen von Staaten gelten, die der EU bzw dem EWR angehören. Sonstige Fremdwährungen sollen hingegen nach wie vor nicht eintragungsfähig sein, „zumal hier die möglichen Kursschwankungen die Verlässlichkeit des Grundbuchs beeinträchtigen könnten“195. Zweck der Aufhebung der Verordnung war es somit nicht, den faktischen Rechtszustand vor deren Erlassung, nämlich die Zulässigkeit auch der unmittelbaren Eintragung von Wertsicherungsklausel herzustellen, diese sollte vielmehr nunmehr – wie nach der ursprünglichen Rechtslage – allein an § 14 Abs 1 GBG scheitern, um die Verlässlichkeit des Grundbuchs zu erhalten.196 Die unmittelbare Eintragung von Wertsicherungsklauseln ist somit nach wie vor unzulässig, der Hinweis auf die bei der Eintragung von Fremdwährungshypotheken möglichen Kursschwankungen, welche die Verlässlichkeit des Grundbuchs beeinträchtigen können, spricht unmissverständlich dafür. Unzulässigerweise unmittelbar eingetragene Wertsicherungsklauseln sind ohne dingliche Wirkung.197 Da der Aufwertungsbetrag Teil der Hauptschuld ist und keine Nebenge- 103 bühr198, kommt eine mittelbare Eintragung der Wertsicherungsklausel in Form einer Nebengebührenhypothek nicht in Betracht.199 Schon seit den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts war in der Lehre 104 die unmittelbare Eintragung in Form einer Höchstbetragshypothek vorgeschlagen worden, da auf diese Weise dem Sicherungsbedürfnis des Geldgläubigers ohne Entwertung des Grundbuchs durch unvorhersehbare Schwankungen der verschiedensten Maßstäbe Rechnung getragen werden konnte.200 Seit tion, Privatrecht und Wertsicherung 130 f; Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz 30; Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 10; dazu auch Griss in KBB3 § 985 Rz 8; krit Rechberger in FS Wagner 299. 194  ZB SZ 1/1; resignierend Klang, JBl 1935, 370. 195  1203 BlgNR 20. GP. 196  OGH 5 Ob 256/99d, EvBl 2000/53 = ecolex 2000, 359 = NZ 2000, 186 = ÖBA 2000, 541 = RdW 2000, 205 = wobl 2000, 369; Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 10; Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz 30. 197  Stanzl in Klang2 IV/1, 738; Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 132. 198  Siehe oben unter Rz 87. 199  OGH 6 Ob 100/73, EvBl 1973/221; 3 Ob 681, 682/82; Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 132 f; Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 10. 200  Hoyer, QuHGZ 1973, 171 und ders, JBl 1976, 200; Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 133 ff; Hinteregger in Schwimann3 II § 451 Rz 14 f; Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz 30; vorsichtig zustimmend Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 10; abl nur (die Gültigkeit de lege lata der in der Folge aufgehobenen V über wertbeständige Rechte 1940 in Zweifel ziehend) Rechberger. Dieser vertritt in FS Wagner 299 ff, 303 die Auffassung, dass davon abgesehen sogar

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der E OGH 5 Ob 101/02t, ecolex 2002, 663 (Thaler) = immolex 2002, 317 = NZ 2003, 186 (Hoyer) = RdW 2002, 595 hat nunmehr auch der OGH die Verbücherung von Wertsicherungsklauseln in Form von Höchstbetragshypotheken zugelassen. Das ist praktisch umso bedeutsamer, als nach neuerer Rsp die Aufzählung des §Â€14 Abs 2 GBG nur demonstrativ ist, Höchstbetragshypotheken also für künftige, hinlänglich bestimmte Forderungen jeder Art zulässig sind.201 Es ist auch möglich, einen bestimmten Höchstbetragszinssatz einzuverleiben.202 b) Die Geldreallast 105

Nach langjähriger Praxis ist die unmittelbare Eintragung von Geldreallasten zulässig.203 Begründet wurde dies (neben der Nichterwähnung der Reallast in der – heute ohnedies aufgehobenen – V über wertbeständige Rechte 1940) damit, dass §Â€14 GBG eine „ziffernmäßig bestimmte Geldsumme“ fordert, während sich §Â€12 GBG damit begnügt, dass Inhalt und Umfang des einzutragenden Rechtes möglichst bestimmt angegeben werden sollen. Da es nicht nur Geldreallasten gibt, ist die Aufnahme einer solchen Bestimmung sinnvoll: nicht einzusehen ist allerdings, warum es verschiedene Bestimmtheitsmaßstäbe für Hypotheken und Geldreallasten geben soll. Eine sinnvolle Anwendung der Bestimmung auf Geldreallasten kommt nur dann in Betracht, wenn man auch für diese nur „Höchstbetrags-Geldreallasten“ zulässt.204 Eine solche Auslegung hat den Vorteil, dass Wertungswidersprüche zur Regeeine unmittelbare Eintragung der Wertsicherungsklausel de lege lata rechtswirksam sei und bezweifelt daher nur, dass eine unmittelbare Eintragung als Höchstbetragshypothek ein tauglicher Kompromiss zwischen den Interessen aller Beteiligter sein könne. Er wendet ein, dass – je nach Höhe der Inflation – zur Abdeckung der Aufwertungsbeträge ein möglicherweise immenser Polster geschaffen werden müsse, von dem freilich niemals mit Sicherheit gesagt werden könne, ob er auch tatsächlich benötigt werde. Das bedeute, dass in diesem Fall von vornherein ein großer Abschreckungseffekt in Kauf genommen werde. Nun hängt aber das durchsetzbare Ausmaß des Polsters von der allgemeinen und der besonderen wirtschaftlichen Lage ab, und für mehr als den tatsächlichen Schuldbetrag haftet das Grundstück keinesfalls. Der potenzielle zweite Kreditgeber oder Käufer kennt bei der Höchstbetragshypothek aber wenigstens von vornherein die Haftungshöchstsumme, bei der unmittelbaren Eintragung kennt er sie erst nachträglich. Es ist daher zwar zutreffend, dass bei der Höchstbetragshypothek die genaue Höhe der pfandrechtlich gesicherten Belastung ex ante nur ungefähr entnommen werden kann, doch kann die Belastung ex ante bei der unmittelbaren Eintrag überhaupt nicht festgestellt werden. Was die Feststellbarkeit ex post betrifft, so bestehen zwischen den beiden Eintragungsformen keine Unterschiede. Die negativen Folgen der unmittelbaren Eintragung von Wertsicherungsklauseln werden von Rechberger deutlich verharmlost. 201╇ OGH 3 Ob 34/94, SZ 69/159 = NZ 1996, 344 (Hoyer) = ÖZW 1997, 18 (Spielbüchler) = JBl 1996, 646; Hoyer, QuHGZ 1973, 171; Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 134 ff; Schubert in Rummel3 I §§Â€988, 989 Rz€10. 202╇ OGH 3 Ob 122/88, ÖBA 1989, 822 = JBl 1989, 390: Hofmann in Rummel3 I §Â€451 Rz€6; Hinteregger in Schwimann3 II §Â€451 Rz€16. 203╇ OGH 5 Ob 465/59, SZ 32/158 = JBl 1960, 338 = NZ 1960, 47; 8 Ob 269/69, SZ 43/13 = JB 1971, 203 = NZ 1971, 171; aus dem Schrifttum zB Binder in Schwimann3 IV §Â€986 €29; Hofmann in Rummel3 I §Â€530 Rz€1; Schubert in Rummel3 I §§Â€988, 989 Rz€10. 204╇ Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 137 f und auch Hoyer, FS Wagner 195 ff.

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lung für Hypotheken vermieden und damit auch Abgrenzungs- und Umgehungsprobleme entschärft werden.205 9. Verfahrensrechtliches Da der Aufwertungsbetrag Teil der Schuld ist, gehört er nicht zu den Ne- 106 benforderungen, die gem § 54 Abs 2 JN bei der Wertberechnung unberücksichtigt bleiben.206 Getrennte Einklagungen der jeweiligen Aufwertungsbeträge sind rechtlich unproblematisch, aber schwerfällig und kostspielig. Falls ein rechtliches Interesse iSd § 228 ZPO besteht, kann aber auch auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Wertsicherungsvereinbarung geklagt werden.207 Große Schwierigkeiten hat stets die Exequierbarkeit bei wertgesicher- 107 ten Forderungen bereitet, wobei der meist nicht offen ausgesprochene Grund darin lag, dass die unmittelbare Eintragung wertgesicherter Forderungen vor allem die Verlässlichkeit des Grundbuches schwer beeinträchtigen kann, alle anderen Formen der Geltendmachung aber mit beachtlichen rechtstechnischen Komplikationen verbunden sein können. Die Rsp war daher lange Zeit übervorsichtig, wobei durch die EO-Nov 1991 BGBl 1991/628 insgesamt ein ausgewogenes Maß erreicht werden konnte. Ursprünglich hatte die Rsp für die Exekution eines neuerlich abgreifenden 108 Aufwertungsbetrages eine eigene Leistungsklage verlangt. Nicht einmal eine Titelergänzungsklage nach §  10 EO wurde als ausreichend angesehen, und auch die Vorlage der letzten Zahl des VPI galt als unzureichend iSd § 7 EO.208 Nunmehr kann die Exekution auf Grund eines wertgesicherten Anspruchs bewilligt werden, wenn die Wertsicherungsklausel an nicht mehr als eine veränderliche Größe anknüpft und der Aufwertungsschlüssel, also der Wertsicherungsmaßstab, durch eine unbedenkliche Urkunde nachgewiesen wird. Der Beweis entfällt, wenn der Aufwertungsschlüssel ein von der Statistik Austria verlautbarter VPI oder die Höhe des Aufwertungsschlüssels gesetzlich bestimmt ist (§ 8 Abs 2 Z 1 und 2 EO idF der EO-Nov 1991). Der betreibende Gläubiger muss in diesen Fällen also nur einen neuen Exekutionsantrag stellen, in dem er die Höhe des Aufwertungsbetrages zu beziffern hat (§ 54 Abs 1 lit d EO). Damit erspart er sich ein weiteres Titelverfahren. Wurde allerdings kein privilegierter Wertsicherungsmaßstab vereinbart und vermag § 8 Abs 3 EO einen solchen nicht zu ersetzen, so ist allerdings eine Titelergänzungs­ 205  OGH 8 Ob 269/69, SZ 43/13 = JBl 1971, 203 = NZ 1971, 71; Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 137; Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz 29. 206  MietSlg 23.089; OGH 7 Ob 565/76, SZ 49/54 = EvBl 1976/245 = MietSlg 28.047/7; MietSlg 28.165; Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung 116; Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 12. 207  OGH 9 ObA 17/90, JBl 1990, 468; auch schon SZ 26/116, Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 12; Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz 47; Griss in KBB3 § 985 Rz 11; unnötig streng ohne plausible Begründung die frühere Judikatur: SZ 25/182, dagegen zu Recht Stanzl in Klang2 IV/1, 740; Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz 47. 208  OGH 4 Ob 543/74, SZ 47/82; 8 Ob 48/84, JBl 1985, 551; 3 Ob 93/87, JBl 1988, 187; 3 Ob 50/30 uza; berechtigte Kritik an der übertriebenen Formenstrenge dieser Rechtsprechung bei 3 V § 986 Rz 47. Rechberger, in FS Wagner 305 ff und Binder

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klage unvermeidlich.209 Die Notwendigkeit, in solchen Fällen jeweils einen neuen Exekutionsantrag zu stellen, verhindert bei Eintragung im Grundbuch (im jeweiligen Rang) die bei unmittelbarer Eintragung von Wertsicherungsklauseln sonst zu befürchtenden Komplikationen. Nur in ganz seltenen, extremen Ausnahmefällen gelingt es nicht, wenig vorbildlich formulierte Wertsicherungsklausel vor dem Fallbeil der Ungültigkeit wegen Unbestimmtheit zu retten. Viel schwieriger ist der Fall, dass der Exekutionstitel selbst eine unbestimmte Wertsicherungsklausel enthält, was vor allem in gerichtlichen Vergleichen, die unter zeitlichem Druck geschlossen werden, vorkommen kann, siehe dazu oben unter Rz 42 f. Ist nach dem Exekutionstitel der Anspruch wertgesichert zu zahlen, „ohne dass hiezu Näheres bestimmt“ ist, gilt als Aufwertungsschlüssel der vom Österreichischen Statistischen Zentralamt (Statistik Austria) verlautbarte, für den Monat der Schaffung des Titels gültige VPI. Noch großzügiger ist der AB (JAB 261 BlgNR 18. GP 2), wonach auch schon „Auslegungsschwierigkeiten“ genügen sollen. Ist nach § 8 Abs 3 EO der VPI als Wertsicherungsmaßstab zu supplieren, sind Änderungen so lange nicht zu berücksichtigen, als sie 10% der bisher maßgebenden Indexzahl nicht übersteigen (10%ige Schwellwertklausel). Entsprechendes gilt jedenfalls analog, wenn eine Schwellenwertklausel im Titel festgelegt ist, über deren Höhe aber nichts Näheres bestimmt ist. Enthält der Titel einen Wertsicherungsmaßstab aber keine Schwellenwertklausel, so hat es dabei zu verbleiben.210 Eine vergleichbare Erleichterung für den betreibenden Gläubiger enthält der durch die EO-Nov 2003 eingeführte § 8 EO, der variable Zinsen betrifft. Danach ist die Exekution bezüglich der Zinsen auch dann zu bewilligen, wenn der Zinssatz in einer bestimmten Zahl von Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ausgedrückt ist. Eines Nachweises des Basiszinssatzes bedarf es nicht (dazu auch § 54 Abs 1 Z 2 lit c sowie § 63 Z 2 EO). Führt die Auswirkung der Wertsicherungsklausel zu einer Reduktion des Grundbetrages, so ist es Sache des Geldschuldners, Oppositionsklage nach § 35 EO bzw Impugnationsklage nach § 36 EO zu erheben.211

Dauer und Auflösung des Darlehensvertrags. § 986. (1) Der Darlehensvertrag kann auf eine im Voraus bestimmte Zeit oder auf unbestimmte Zeit geschlossen werden. (2) Ein auf unbestimmte Zeit geschlossener Darlehensvertrag kann von jedem Vertragsteil unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist gekündigt werden. 209  Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 13; Griss in KBB3 § 985 Rz 11; vgl auch OGH 3 Ob 143/98v, ecolex 1999, 766 (Schumacher). 210  Schubert in Rummel3 I §§ 988, 989 Rz 7; Jakusch in Angst, EO2 § 8 Rz 29; Griss in KBB3 § 985 Rz 5. 211  OGH 3 Ob 93/87, JBl 1988, 187; Binder in Schwimann3 IV § 986 Rz 50.

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(3) Ein auf bestimmte Zeit geschlossener Darlehensvertrag endet durch Zeitablauf. Stammfassung JGS 1811/946 idF BGBl I 2010/28 (DaKRÄG). Mat: NR RV 650 BlgNR 24. GP, JAB 652 BlgNR 24. GP; BR AB 8305 BlgBR. Lit: G. Graf, Probleme der vorzeitigen Kündigung von Konsumentenkreditverträgen durch den Kreditgeber, ÖBA 1989, 959; Koziol, Kreditgewährung in der Krise, ÖBA 1992, 673; Bollenberger/P. Bydlinski, Das neue Darlehensrecht des ABGB: Verbesserungsvorschläge zum Ministerialentwurf, ÖBA 2010, 96; Wendehorst/ZöchlingJud, Verbraucherkreditrecht (2010); Dehn, Das neue Darlehens- und Verbraucherkreditrecht, ecolex 2010, 516; P. Bydlinski, Das neue ABGB-Darlehensrecht, ecolex 2010, 526; Stabentheiner, Das neue Darlehensrecht des ABGB ÖJZ 2010, 935. Siehe überdies die Literaturangaben zu § 983.

Übersicht I. Allgemeines. Die Novelle 2010 II. Darlehen auf bestimmte und unbestimmte Zeit 1. Allgemeines 2. Ausdrückliche Zeitbestimmung 3. Schlüssige Zeitbestimmung 4. Gemischte Vereinbarungen III. Ordentliche Kündigung 1. Unbefristete Darlehensverträge 2. Befristete Darlehensverträge IV. Terminverlust

1–2 3–9 3–4 5–6 7–8 9 10–15 10–13 14–15 16

I. Allgemeines. Die Novelle 2010 Da Inhalt des Darlehens die Überlassung von Kapital für einen bestimmten 1 oder unbestimmten Zeitraum ist, sind diese Verträge selbst bei Befristung Dauerschuldverhältnisse1 und grundsätzlich nach den für diese geltenden Regeln aufzulösen. Bis zur Nov 2010 bestimmte §  983 allerdings, dass der Darlehensnehmer „nach einer gewissen Zeit ebenso viel von derselben Gattung und Güte zurückgeben“ sollte. Zur Zeit der Gesetzwerdung war allerdings das Recht der Dauerschuldverhältnisse noch nicht voll entwickelt, und Lehre und Rsp hatten, gestützt auf den Grundsatz der Privatautonomie, keine Bedenken, auch unbefristete Darlehensverhältnisse anzuerkennen, so vor allem den Kontokorrentvertrag. Eine allgemeine Regelung der Dauerschuldverhältnisse fehlt im ABGB aber nach wie vor, nur für einzelne besonders wichtige Vertragstypen sind Sondervorschriften vorgesehen, die sich teils innerhalb des ABGB, teils in Sondervorschriften finden. Die Neuregelung des Darlehensrechtes durch die Nov 2010 sollte nicht 2 nur das Darlehensrecht neu formen, vielmehr wurde auch der Versuch unter1 

So zB OGH 1 Ob 193/62, SZ 35/125.

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nommen, „modellhaft allgemeines Recht für Dauerschuldverhältnisse zu entwerfen“.2 Hiebei sollten die dabei getroffenen Regelungen bei einem späteren Erneuerungsprojekt zu einem anderen ein Dauerrechtsverhältnis begründenden Vertragstyp im Wesentlichen übernommen werden können.3 Damit wurde aber nicht nur ein Anhaltspunkt für spätere Novellierungen auch an anderen Stellen des ABGB geschaffen, sondern auch eine Analogiebasis für die Rechtsanwendung.

II. Darlehen auf bestimmte und unbestimmte Zeit 1. Allgemeines 3

§§ 986 und 987 behandeln die für Dauerschuldverhältnisse besonders bedeutsamen Fragen ihrer Dauer und im Zusammenhang damit ihrer Beendigung. Hier knüpft das Gesetz an die Unterscheidung zwischen Darlehensverträgen, die auf unbestimmte und solche, die auf bestimmte Zeit abgeschlossen worden sind. Ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Darlehensvertrag kann von jedem Teil unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist gekündigt werden, ein auf bestimmte Zeit abgeschlossener endet durch Zeitablauf (Abs 3). Die Vorschriften der Abs 2 und 3 sind grundsätzlich dispositiv, es können 4 auch bestimmte Kündigungstermine oder die Schriftform für die Kündigung vereinbart werden.4 Grenzen dieser freien Vereinbarkeit finden sich nicht nur in § 879 Abs 1 und 3, sondern auch in § 990 (Unwirksame Vereinbarungen über das Kündigungsrecht des Kreditgebers). An sich gilt § 986 auch für Verbraucherkreditverträge, doch enthalten §  14 f VkrG wesentliche Sonderbestimmungen. 2. Ausdrückliche Zeitbestimmung 5

Der Darlehensvertrag kann durch Festlegung eines bestimmten Datums ausdrücklich befristet werden, aber auch durch Vereinbarung einer festen Laufzeit von einem solchen Datum an.5 Nichts anderes gilt, wenn auf ein Ereignis abgestellt wird, das sicher eintreten wird, wenn auch zu einem nicht von vornherein bekannten Zeitpunkt wie der Tod des Gläubigers oder Schuldners,6 etwa in der Weise, dass der Schuldner nach dem Tod des Gläubigers die Darlehenssumme einem Dritten bezahlen soll. Ist das Ereignis auch als solches unsicher, wird eher von einem unbefristeten Darlehen auszugehen sein.7 Ist der Vertrag befristet, so endet er mit Ablauf des vereinbarten Zeit6 raums. Einer ordentlichen Kündigung bedarf es nicht, gegebenenfalls aber 940.

2 

So ausdrücklich im Zusammenhang mit den §§ 986 und 987 nF Stabentheiner, ÖJZ 2010,

Stabentheiner, ÖJZ 2010, 940, Stabentheiner, ÖJZ 2010, 940; auch Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucher­ kreditrecht § 986 Rz 3. 5  Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 986 Rz 5. 6  SZ 16/158. 7  Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 986 Rz  3  4 

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Darlehen auf bestimmte und unbestimmte Zeit

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einer außerordentlichen aus wichtigem Grund, wenn nämlich der Vertragspartei das Aufrechterhalten des Vertragsverhältnisses bis zum vereinbarten Ende nicht zugemutet werden kann.8 3. Schlüssige Zeitbestimmung Nicht immer wird im Vertrag ausdrücklich festgehalten, ob der Vertrag 7 auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geschlossen ist. Hier entscheidet der Zweck des Darlehens9 und Parteiabsicht. § 989 Abs 1 bestimmt für den Kreditvertrag, dass sich eine bestimmte Vertragsdauer nicht bloß aus der datumsmäßigen Festlegung eines Endtermins ergeben kann, sondern auch aus den Vereinbarungen über den Kreditbetrag sowie über die Art der Rückzahlung des Kredits und die zu leistenden Zinsen. Es besteht kein Grund, diese Vorschrift nicht ganz allgemein auf den Darlehensvertrag anzuwenden.10 Daher muss es genügen, dass sich bei variablem Zinssatz und festen Annuitäten ein exakter Endtermin errechnen lässt.11 Besondere Schwierigkeiten entstehen, wenn sich auch auf diese Weise ein 8 Fälligkeitstag nicht ermitteln lässt. Die letztlich dezisionistische Festlegung eines solchen Tages durch den Richter ist wenig befriedigend. Stanzl meint in der Vorauflage12, dass dann die Rückzahlung „sogleich, nämlich ohne unnötigen Aufschub gefordert werden“ (§ 904 erster Satz) könne, wobei aber dem Schuldner eine zur Aufbringung der Darlehenssumme angemessene Frist einzuräumen sei. Die Gegenmeinung wollte befristete Dauerschuldverhältnisse, bei denen sich die Dauer der Befristung bei Anwendung aller anerkannten Auslegungsregeln auch nicht annähernd feststellen lässt, als unbefristete behandeln. Damit sollte eine angemessene (ordentliche) Kündigungsfrist gewährleistet werden, und der Darlehensnehmer sollte sich auf die Rückleistung einstellen.13 Diese zweite Auffassung wird nunmehr ganz wesentlich durch die Nov 2010 gestützt. Danach ist bei Kündigung eines unbefristeten Darlehens als Auffangtatbestand nach §  983 Abs 1 eine einmonatige Frist vorgesehen, also ebenfalls der Tatbestand geregelt, dass sich nach den anerkannten Regeln der Vertragsauslegung eine andere nicht feststellen lässt. 4. Gemischte Vereinbarungen Verhältnismäßig häufig kommen in der Rechtspraxis Darlehensverträge 9 vor, in denen das Recht zur jederzeitigen ordentlichen Kündigung verankert ist, verbunden mit einer Höchst- oder Mindestdauer des gesamten VerStabentheiner, ÖJZ 2010, 940 f. So kann ein zur Kautionszahlung gegebenes Darlehen nicht zurückgefordert werden, solange das Kautionsband besteht: GlU 9308. 10  Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 986 Rz 6. 11  RV 650 Blg 24. GP 12; Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 986 Rz 9. 12  In Klang2 IV/1, 698; auch Schubert in Rummel3 I §§ 983, 984. 13  Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz  1/49; auch Binder in Schwimann3 IV §  983 Rz 66. 8  9 

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tragsverhältnisses.14 Ob ein solcher Darlehensvertrag als befristet oder unbefristet beurteilt wird, ist entscheidend für die Wirksamkeit von Kündigungsklauseln (§ 990), aber auch im Bereich der §§ 14 f VKrG. Wendehorst will im Wege der Vertragsauslegung entscheiden lassen,15 ob das Element der Befristung oder dasjenige der jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit im Vordergrund steht, ob also zB beim Kreditnehmer Vertrauen dahin geweckt wurde, dass der Kreditvertrag normalerweise bis zum Endtermin andauern werde, oder ob dieser Endtermin in Wahrheit nur der Form halber festgesetzt ist. Eine plausiblere Lösung dürfte sich für den Normalfall schwerlich finden lassen. Die Schwierigkeiten bleiben aber bestehen, wenn die Klausel bei Vertragsabschluss als Teil eines Vertragsformulars unterschrieben wurde, ohne dass sich auch nur eine der Parteien zur Zeit des Vertragsabschlusses viele Gedanken gemacht hätte und im Streitfall nun nachträgliche Schutzbehauptung auf nachträgliche Schutzbehauptung trifft. Da das Gesetz aber doch eine Reihe von Schutzvorschriften zugunsten des Kündigungsgegners enthält, die nicht umgangen werden sollen, wird der Darlehensvertrag in diesem Fall als unbefristeter gewertet werden müssen.

III. Ordentliche Kündigung 1. Unbefristete Darlehensverträge Auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Darlehensverträge können von jeder Partei formlos (und ohne Angabe von Gründen) mit einmonatiger Frist gekündigt werden (ordentliche Kündigung nach Abs 2). Diese Bestimmung ist – im Rahmen der §§ 879 und 990 sowie des VKrG – dispositiv, die Parteien können also andere Kündigungsfristen oder auch Schriftlichkeit der Kündigung vereinbaren.16 Wird eine bestimmte Mindestdauer vereinbart, so geht der Vertrag nach deren Ablauf in einen unbefristeten Vertrag über.17 Das ordentliche Kündigungsrecht ist ein Gestaltungsrecht, dessen Geltendmachung zur Beendigung des Vertrages ex nunc führt und bedarf keiner Gründe,18 und ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das mit Zugang in den Machtbereich des Empfängers wirksam wird.19 Bei mehreren Kreditnehmern hat die Kündigung allen gegenüber zu erfolgen.20 Die wesentliche Neuerung der Nov 2010 liegt in der Einführung eines 11 Auffangtatbestandes, nämlich einer einmonatigen Kündigungsfrist für beide

10

14  Wendehorst hat in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht §  986 Rz  11 f auf diese Fallgruppe aufmerksam gemacht. Als Beispiele nennt sie einerseits: „Dieser Vertrag endet, wenn er von einer der Parteien mit einer einmonatigen Kündigungsfrist gekündigt wird, spätestens aber am 31.12.2019.“ und andererseits: „Die Kündigung ist frühestens möglich zum 31.12.2014“. 15  In Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 986 Rz 12. 16  Stabentheiner, ÖJZ 2010, 940 f; Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucher­ kredit­recht § 986 Rz 3 und Rz 14. 17  P. Bydlinski, ÖJZ 2010, 522 f; 18  Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 986 Rz 13. 19  Bollenberger in KBB3 § 862a Rz 4; Rummel in Rummel3 I § 826a Rz 1; Apathy/Riedler in Schwimann3 IV §  862a Rz  2; Koziol/Welser13 I 111; Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 986 Rz 1. 20  Griss in KBB3 § 986 Rz 2; zu Verbraucherkrediten s auch §

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Ordentliche Kündigung

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Parteien. Sie ist als wesentliche Verbesserung der Rechtslage anzusehen, weil unbefristete Darlehensverträge, die keine näheren Bestimmungen über ihre Auflösung enthalten, in der Rechtspraxis nicht selten sind, und ergänzende Vertragsauslegung durch das Gericht notgedrungen mehr oder weniger willkürlich ist. Diese Verbesserung ist umso wesentlicher, als sich diese Vorschrift auch als Analogiebasis für andere Dauerschuldverhältnisse eignet. Strittig ist, ob die ordentliche Kündigung schon ab Vertragsschluss gestat- 12 tet ist oder erst ab dem vereinbarten Auszahlungstermin bzw der vereinbarungsgemäßen Auszahlung. Die letztere Auffassung stützt sich auf das Argument, dass sich der Darlehensnehmer (beim entgeltlichen Darlehen) darauf verlassen soll, zumindest für einen Monat das vereinbarte Entgelt zu erhalten.21 Die Gegenmeinung wendet ein, dass diese Auffassung im Gesetz keine Grundlage finde und das kurzfristige Hin und Her der Zahlungen den Parteien nur lästig falle.22 Die beiden Auffassungen schließen einander nicht aus, da sie zwei verschiedene Fälle im Auge haben. Die Gegenmeinung ist für den Normalfall zutreffend, die Auffassung P. Bydlinski für den Ausnahmefall, dass der Darlehensnehmer ein erkennbares Interesse daran hat, wenigstens für einen Monat in den Genuss der Darlehensvaluta zu kommen, etwa als kurzfristige Überbrückung. §Â€986 Abs 2 hat an sich nur die Vollkündigung des Darlehensvertrages im 13 Auge. Ob auch eine Teilkündigung zulässig ist, ist Frage der Auslegung des konkreten Vertrages, da dem Vertragspartner nicht ein Vertrag aufgedrängt werden darf, den er so nie geschlossen hätte.23 2. Befristete Darlehensverträge Gem §Â€986 Abs 3 endet ein auf bestimmte Zeit geschlossener Darlehens- 14 vertrag durch Zeitablauf, ohne dass es einer zusätzlichen Erklärung der Parteien bedürfte, das Rechtsverhältnis endet also „automatisch“24. Nach Ablauf der Frist können die Parteien den Vertrag nach Belieben verlängern, nämlich entweder auf bestimmte Zeit oder ohne Befristung25, also eine Schuldänderung iSd §1379 vornehmen. Eine ordentliche Kündigung befristeter Darlehensverträge ist zwar im 15 Gesetz nicht vorgesehen, kann aber von den Parteien vereinbart werden, siehe oben unter Rz€9. Ist es einer Partei aus wichtigen Gründen nicht zumutbar, den Vertrag bis zum Ablauf der vorgesehenen Frist aufrecht zu erhalten, hat sie das Recht zur außerordentlichen Kündigung nach §Â€987.26 Die vorzeitige Rückzahlung gilt nach §Â€16 Abs 1 VKrG als volle oder teilweise Kündigung seitens P. Bydlinski, ecolex 2010, 523 und ähnlich schon Bollenberger/P. Bydlinski, ÖJZ 2010, 96. Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht §Â€986 Rz€16; Stabentheiner, ÖJZ 2010, 941. 23╇ Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht §Â€ 986 Rz€ 17 unter Hinweis auf die Rechtslage beim unwesentlichen Irrtum. 24╇ RV 650 BlgNR 24. GP 10. 25╇ So ausdrücklich RV 650 BlgNR 24. GP 10. 26╇ Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht §Â€986 Rz€19. 21╇ 22╇

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des Darlehensnehmers.27 Erforderlich sind hiefür aber wohl die allgemeinen Voraussetzungen des § 863, da sonst Rechenfehler und sonstige Versehen bei der Zahlung zur Auflösung des Vertrages führen müssten. Sondervorschriften über das Kündigungsrecht des Kreditrechtes enthält § 990, siehe dort Näheres.

IV. Terminverlust 16

Häufig wird vereinbart, dass der Schuldner die gesamte noch offene Schuld zahlen muss, wenn er mit einer Teilleistung in Verzug gerät (Terminverlust).28 Der Terminsverlust begründet ein Recht des Gläubigers, die ausständige Darlehenssumme zurückzufordern, von dem er im Verzugsfall Gebrauch machen kann, aber nicht muss: denn der Schuldner (eines hochverzinslichen Darlehens) soll nicht die Möglichkeit haben, sich von der ihm lästig gewordenen Vertragsbindung einfach durch Nichterfüllung zu befreien.29 Da der Rücktritt nach § 918 nicht subjektiven Verzug voraussetzt, genügt im Zweifel für die Geltendmachung des Terminverlustes objektiver Verzug.30 Der Terminverlust soll grundsätzlich nicht den Verzugsschaden des Darlehensgebers pauschalieren. Er ist keine Vertragsstrafe und unterliegt daher auch nicht dem richterlichen Mäßigungsrecht31; anders allerdings, wenn der Schuldner auch sämtliche Zinsen für die Restlaufzeit zu erstatten hat.32 Da der Aufwertungsbetrag bei der Wertsicherung nur ein auf besondere Weise errechneter Teil des Hauptbetrages ist, führt Verzug mit letzterem zum Terminverlust.33 Vorbehaltlose Annahme der rückständigen Leistung kann nach den Maßstäben des §  863 als schlüssiger Verzicht auf die Geltendmachung des Terminverlustes für den konkreten Fall gewertet werden;34 ein genereller Verzicht auch für allfällige künftige Verzugsfälle wird darin nur in ganz besonderen Ausnahmefällen erblickt werden können. Sehr geringe Ungenauigkeiten der Leistung führen nicht zu Terminverlust, was aber Sache der Vertragsauslegung im Einzelfall ist.35 Son27  Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht §  986 Rz  19; Griss in KBB3 § 986 Rz 19. 28  Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz  1/54 ff; Koziol/Welser12 II 22; Mayrhofer, SchRAT 375 ff; Schubert in Rummel3 I §§ 983, 984 Rz 3; OGH 4 Ob 591/78 uza. 29  Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz 1/54; Schubert in Rummel3 I §§ 983, 984 Rz 3; Mayrhofer, SchRAT 376; Binder in Schwimann3 IV § 904 Rz 54; OGH 1 Ob 658/78, SZ 51/103 = EvBl 1979/112. 30  Stanzl in Klang2 IV/1, 698; Reischauer in Rummel3 I § 904 Rz 14; Koziol in Avancini/Iro/ Koziol, BVR II Rz 1/54; Mayrhofer, SchRAT 376; Binder in Schwimann3 IV § 904 Rz 54; aM seinerzeit ZBl 1933/48 und Ehrenzweig, System II/12, 195. 31  Stanzl in Klang2 IV/1, 698; Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz 1/55; Reischauer in Rummel3 I § 904 Rz 14. 32  Mayrhofer, SchRAT 375; G. Graf, ÖBA 1989, 978; Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz 1/56. 33  Binder in Schwimann3 IV § 904 Rz 1; OGH 1 Ob 556/89, RdW 1989, 301. 34  Ehrenzweig, System II/12, 195; Mayrhofer, SchRAT 376 f; Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz 1/57; allgemeiner formuliert Schubert in Rummel3 I §§ 983, 984 Rz 3; ferner OGH 3 Ob 137/87, JBl 1989, 114; 3 Ob 79/88, JBl 1989, 115; 5 Ob 554/90, ÖBA 1991, 136. 35  Stanzl in Klang2 IV/1, 698; Ehrenzweig, System II/12, 195; Mayrhofer, SchRAT 376 f: Schubert in Rummel3 I §§  983, 984 Rz  3; Koziol in Avancini/Iro/Koziol, BVR II Rz  1/54; SZ 16/163.

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Allgemeines. Die Novelle 2010

§ 987

dervorschriften für den Terminverlust im Verbraucherkreditrecht enthält § 14 Abs 3 VKrG.

Außerordentliche Kündigung des Darlehensvertrags. §  987. Jeder Vertragsteil kann den Darlehensvertrag jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn ihm die Aufrechterhaltung des Vertrags aus wichtigen Gründen unzumutbar ist. Stammfassung JGS 1811/946 idF BGBl I 2010/28 (DaKRÄG). Mat: NR RV 650 BlgNR 24. GP, JAB 652 BlgNR 24. GP; BR AB 8305 BlgBR. Lit: Gschnitzer, JherJB 76, 317 und Jher JB 78, 1; G. Graf, Probleme der vorzeitigen Kündigung von Konsumentenkrediten durch den Kreditgeber, ÖBA 1989, 959; F. Bydlinski, Zulässigkeit und Schranken „ewiger“ und extrem langdauernder Vertragsbindung (1991) 11 f; J. Gruber, Die deutsche Rechtsprechung zur Kündigung des Darlehens aus wichtigem Grund, ÖBA 1992, 1104; P. Bydlinski, Das neue ABGB-Darlehensrecht, ecolex 2010, 526; Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht (2010); Stabentheiner, Das neue Darlehensrecht des ABGB, ÖJZ 2010, 935. Siehe überdies die Literaturangaben zu § 983 und § 986.

Übersicht I. Allgemeines. Die Novelle 2010 II. Abdingbarkeit III. Materielle Voraussetzungen IV. Form

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I. Allgemeines. Die Novelle 2010 Durch § 987 wird jeder Vertragspartei das Recht eingeräumt, unter gewis- 1 sen Voraussetzungen den Darlehensvertrag mit sofortiger Wirkung aufzulösen. Die Bestimmung bewirkt keine Gesetzesänderung, sie verankert lediglich den in Lehre und Rsp anerkannten allgemeinen Grundsatz, dass Dauerschuldverhältnisse aus wichtigen Gründen jederzeit aufgelöst werden können.1 Danach genügt es nicht, dass die Aufrechterhaltung des Darlehensvertrages für eine Vertragspartei schlechthin unzumutbar ist, es muss ihr auch unzumutbar sein, bis zum Fristablauf bzw bis zur Auflösung durch ordentliche Kündigung zuzuwarten. Die Vorschrift gilt also sowohl für befristete als auch für unbefristete Darlehensverträge.2 Grundsätzlich gilt das außerordentliche Kündigungsrecht auch für Verbraucherkreditverträge, Näheres s § 14 VKrG. Auch § 987 1  Koziol/Welser13 II 9; P. Bydlinski, ecolex 2010, 523; Stabentheiner, ÖJZ 2010, 941 f; Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 987 Rz 2  Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht, § 987 Rz 7; auch Griss in KBB3 § 987 Rz 1.

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§ 987

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soll als Ansatzpunkt für eine generelle gesetzliche Regelung des Rechtes der Dauerschuldverhältnisse dienen und bis dahin als Analogiebasis unter Verwendung der bisherigen Judikatur.3 Die „puristische“4 bzw „minimalistische“5 Formulierung war das Ergebnis 2 ausführlicher und kontroversieller Beratungen im Gesetzwerdungsprozess.6 Nach dem ME sollte das außerordentliche Kündigungsrecht jedem Vertragsteil zustehen, dem die Aufrechterhaltung des Darlehensvertrages aus wichtigen Gründen auf Seiten des Vertragspartners unzumutbar sei, wobei als Beispiel die gröbliche Verletzung der Zahlungspflichten genannt wurde. In der Folge wurde vorgeschlagen, dass auch „neutrale“, also nicht dem Verantwortungsbereich des Partners zuzurechnende Umstände, eine Kündigung rechtfertigen sollten. Dagegen wurde eingewendet, dass eine regelhafte Berücksichtigung solcher Umstandsänderungen zu unangemessenen und unerwünschten Ergebnissen führen könnte. So wäre etwa zu befürchten, dass dann allein schon der Hinweis auf die Auswirkungen einer Wirtschaftskrise, „wie man sie gegenwärtig erlebe“, als Grund für die außerordentliche Kündigung eines Darlehensverhältnisses herangezogen werde.7 Der Gesetzgeber wählte schließlich die in Lehre und Rsp gängige Formulierung, verwies auf diese8 und hob hervor, dass es uneingeschränkt bei der bisherigen Judikatur bleiben könne.

II. Abdingbarkeit 3

Die Erl9 heben ausdrücklich hervor, dass das außerordentliche Kündigungsrecht durch vertragliche Vereinbarung näher ausgestaltet werden kann, doch könne ein gänzlicher Ausschluss oder eine sehr weitgehende Einschränkung des außerordentlichen Kündigungsrechts gegen die guten Sitten verstoßen, zumindest werde die Berufung auf einen solchen Ausschluss dann sittenwidrig sein, wenn dadurch der andere Vertragspartner trotz einer gravierenden und ihn schwer benachteiligenden Schieflage an den Vertrag weiterhin gebunden bleiben solle. Bei derartigen Beurteilungen werde auch zu berücksichtigen sein, inwieweit solche Vertragsbestimmungen einseitig zu Lasten eines Vertragsteils festgelegt worden seien und ob die „Vertragsmacht“ auf Seiten eines Vertragspartners konzentriert gewesen sei. Dies entspricht im Grundsatz allgemeiner Lehre und Rsp10. Wendehorst vertritt allerdings die Auffassung, dass mit diesen Ausführungen der formellen Vertragsfreiheit etwas zu großes Gewicht beigemessen werde. Wenn festgestellt sei, dass das weitere Festhalten am Vertrag für eine Partei auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes pacta sunt servanda unzumutbar sei, gebe es nur geringen Raum 3  RV 650 BlgNR 24. GP 10, 11; Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkredit­ recht § 987 Rz 1; P. Bydlinski, ecolex 2010, 523; auch Stabentheiner, ÖJZ 2010, 941 f. 4  So Stabentheiner, ÖJZ 2010, 942. 5  So P. Bydlinski, ecolex 2010, 523. 6  Dazu RV 650 BlgNR 24. GP 10, 11. 7  Die unten unter Rz 8 wiedergegebene Rsp, auf die sich der Gesetzgeber nunmehr bezogen hat, legt hier allerdings den strengen Maßstab des Wegfalls der Geschäftsgrundlage an. 8  Tades/Hopf/Kathrein/Stabentheiner, ABGB27 § 918 E 27 ff. 9  650 BlgNR 24. GP 10 f. 10  Stabentheiner, ÖJZ 2010, 942.

350

Form

§ 987

für Vereinbarungen, die das außerordentliche Kündigungsrecht einschränkten.11 Die Hauptfunktion seiner privatautonomen näheren Ausgestaltung ist im redlichen Rechtsverkehr eine andere, nämlich die der Streitabschneidung. Hier sollen Zweifelsfälle, ob ein Tatbestand als Kündigungsgrund anzusehen ist oder nicht rechtzeitig geregelt und nicht den unvermeidlichen Zufällen einer nachträglichen Rekonstruktion durch das Gericht überlassen werden. Es geht also idR um Klarstellungen des redlichen Geschäftszwecks und damit die Rechtssicherheit für die Vertragsparteien.

III. Materielle Voraussetzungen Die Erl verweisen hinsichtlich der Voraussetzungen einer außerordent- 4 lichen Kündigung auf die bisherige Judikatur, wiedergegeben in Tades/Hopf/ Kathrein/Stabentheiner, ABGB37 § 918 E 27 ff12. Danach kommen als Auflösungsgründe etwa Vertragsverletzungen, der dadurch bedingte Verlust des Vertrauens zum Vertragspartner oder erhebliche Änderungen der Verhältnisse in Betracht, die eine weitere Aufrechterhaltung der vertraglichen Bindung unzumutbar erscheinen lassen.13 Genereller Maßstab für das Vorhandensein eines wichtigen Auflösungsgrunds sind demnach Vertragsverletzungen, die bei Zielschuldverhältnissen zum Rücktritt nach § 918 Abs 1 und § 920 erster Satz berechtigen, Verhaltensweisen, die nach den für bestimmte Dauerschuldverhältnisse normierten Beendigungstatbeständen eine fristlose Auflösung gestatten und Umstände, die eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage gestatten.14 Einen wichtigen Grund kann auch die nachträgliche Erschwerung der geschuldeten Leistung bilden, uzw selbst dann, wenn die Schwierigkeit nicht so weit geht, dass die Leistung unmöglich ist.15 Eine solche Lösung ist aber das äußerste „Notventil“16. Zur Abdingbarkeit der Formfreiheit s unten Rz 5.

IV. Form Wie die ordentliche Kündigung ist auch die außerordentliche formfrei, sie 5 kann daher auch mündlich erklärt werden. Die Parteien können allerdings ein Formerfordernis festlegen, vor allem Schriftform vereinbaren.17 Besonders umstritten ist die Frage, ob die außerordentliche Kündigung 6 maßgebliche Gründe enthalten muss. Die Neufassung des § 987 nimmt dazu ebenso wenig Stellung wie die verwandte Regelung des § 1118. Wendehorst 11 

In Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 987 Rz 2. Siehe oben unter Rz 8. 13  E Nr 27 b = OGH 1 Ob 176/98h, SZ 71/141; 1 Ob 326/98t, immolex 1999, 203 = ecolex 1999, 619 (Th. Rabl) = RdW 1999, 463; 3 Ob 274/02v, wobl 2004, 346. 14  E Nr 27 c = OGH 1 Ob 340/98a, immolex 1999, 328 = RdW 1999, 581. 15  E Nr 28 = OGH 6 Ob 204/58, SZ 31/116 = EvBl 1958/384; 1 Ob 115/75, 1 Ob 113/75, SZ 48/77; 1 Ob 676/82, EvBl 1983/12; 1 Ob 524/85, MietSlg 37.179 uza. 16  E Nr 27m = OGH 3 Ob 274/03b, wobl 2003, 341 (Call) = immolex 2004, 26; 3 Ob 274/02, wobl 2008, 346. 17  RV 650 BlgNR 24. GP 11; Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 987 Rz 9. 12 

351

§ 988

Ertl

vertrat zuletzt die Auffassung, dass die Gründe grundsätzlich anzugeben sind.18 Zwar enthält § 987 nF ebensowenig wie § 1118 ein Formgebot, doch müsste es als eine beachtliche Zumutung für den Vertragspartner angesehen werden, wenn er gezwungen sein sollte, einer solchen Kündigung Folge zu leisten, ohne – im schlimmsten Fall – überhaupt wissen zu können, worum es überhaupt geht. Der Kündigende hat es in dieser Lage ungleich leichter, er muss nur die Gründe nennen, wenn diese für die Gegenseite nicht ohnehin auf der Hand liegen. Ist dies nicht der Fall, so kommt ihr gegebenenfalls der kostenrechtliche Schutz des § 45 ZPO zugute. Sobald es aber zum Prozess kommt, bleibt der kündigenden Vertragspartei 7 als Kläger ohnedies nichts anderes übrig, als die für die außerordentliche Kündigung maßgeblichen Gründe anzugeben. Andernfalls wäre die Klage mangels eines nachvollziehbaren Tatsachenvorbringens nämlich unschlüssig und daher abzuweisen. Kein taugliches Argument gegen eine Begründungspflicht für die außeror8 dentliche Kündigung ist die st Rsp, wonach ein Nachschieben von Auflösungsgründen zulässig ist.19 Hier handelt es sich lediglich – materiell-rechtlich – um das Geltendmachung eines neuen, weiteren Auflösungsgrundes20 und – prozessrechtlich – um eine Klagsänderung (Klagserweiterung). Wenn also der ursprüngliche Auflösungsgrund nicht schlüssig geltend gemacht werden kann, so muss über den zweiten, nachgeschobenen verhandelt werden.

Kreditvertrag. § 988. Der entgeltliche Darlehensvertrag über Geld heißt Kreditvertrag; dazu zählt auch ein Vertrag, mit dem ein Geldbetrag zum Abruf zur Verfügung gestellt wird. Die Parteien dieses Vertrags heißen Kreditgeber und Kreditnehmer. Das Entgelt besteht in der Regel in den vom Kreditnehmer zu zahlenden Zinsen; für diese gilt § 1000 Abs 1. Stammfassung JGS 1811/946 idF BGBl I 2010/28 (DaKRÄG). Mat: NR RV 650 BlgNR 24. GP, JAB 652 BlgNR 24. GP; BR AB 8305 BlgBR. Lit: Schinnerer, Kreditvertrag und Kreditsicherung, ÖBA 1961, 2; Harrer/Hörzinger, Zur Rechtsnatur des Darlehens, ÖJZ 1990, 614; Iro, Universalsukzession auf Kreditnehmerseite und Höchstbetragshypothek, ÖBA 1997, 345; Stabentheiner, Das Verbraucherkreditgesetz, ÖJZ 2010, 531; Wendehorst, Einwendungsdurchgriff, ecolex 2010, 529; Zöchling-Jud, Prüfung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers, ecolex 2010, 525; Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht (2010).

18  In Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 989 Rz 9 mit Hinweisen auf ge­ genteilige Judikatur, ähnlich Würth in Rummel3 I § 118 Rz 3. 19  OGH 9 ObA 25/08d, DrdA 2008, 525; uza, dazu Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht 56 FN 10. 20  Würth in Rummel3 I § 1118 Rz 3.

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Allgemeines. Die Novelle 2010

§ 988

Übersicht I. Allgemeines. Die Novelle 2010 II. Entgelt

1–4 5–6

I. Allgemeines. Die Novelle 2010 Vor der Nov 2010 war der Darlehensvertrag als Realvertrag gestaltet, eine Konstruktion, die vielfach als antiquiert und lästig empfunden wurde. Schon §Â€983 aF wies auf die Möglichkeit des Abschlusses eines Vorvertrages hin, was umso bemerkenswerter war, als dies einer Auffassung der Realvertragskons­ truktion als Schutz wenigstens für den Geber eines unentgeltlichen Darlehens­ nehmers zuwiderlief: Formgebote für den Hauptvertrag gelten an sich auch für den Vorvertrag. Gleichzeitig wurde, gestützt auf den Grundsatz der Privatauto­ nomie, ein „(Geld-)Kreditvertrag“ anerkannt, der als Konsensualvertrag kons­ truiert war, und darüber hinaus ein „Krediteröffnungsvertrag“. Die Frage, ob entgeltliche und unentgeltliche Darlehensverträge verschieden zu behandeln wären, wurde kaum gestellt.1 Die Nov 2010 musste mit ihrer Hinwendung zum Konsensualvertrag auch definitorische Klarheit schaffen. Dem bisherigen Gebrauch entsprechend wird nunmehr auch vom Gesetz der (entgeltliche) obligatorische Darlehensvertrag über Geld als „Kreditvertrag“ bezeichnet. Zweck der Definition in §Â€988 und der folgenden Bestimmungen (§§Â€989 bis 991) ist es, „den Anwen­ dungsbereich von Bestimmungen abzustecken, die speziell nur für entgeltliche Gelddarlehen passen“2. Allerdings enthalten diese Bestimmungen auch eine Reihe von Vorschriften, die auf andere Darlehensformen analog angewendet werden müssen3 und bei denen nicht einsichtig ist, warum sie der Gesetzgeber nicht vor die Klammer gezogen hat. §Â€988 umfasst sowohl Kreditgewährungen durch Kreditinstitute und ande­ re Unternehmen als auch Kreditgewährungen unter Privaten, den Verbraucherwie auch den Unternehmerkredit4. Verbraucherkreditverträge sind im VKrG geregelt, dessen §Â€2 Abs 3 und §Â€4 der Sache nach auf die §§Â€988 ff ABGB verweisen. §Â€988 stellt auch ausdrücklich klar, dass zum Kreditvertrag ein entgeltli­ cher Darlehensvertrag zählt, mit dem ein Geldbetrag zum Abruf zur Verfügung gestellt wird. Es genügt also die Einräumung eines Gestaltungsrechtes zur Ab­ rufung eines Kredites. Damit fällt der Kontokorrentkredit5 wie auch der „Krediteröffnungsvertrag“ unter den Kreditbegriff.6 1╇

Zu all dem s §Â€983 Rz€6 bis Rz€12. Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht §Â€988 Rz€1 3╇ P. Bydlinski, ecolex 2010, 523 f; Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucher­ kreditÂ�recht §Â€983 Rz€12 und §Â€988 Rz€1. 4╇ RV 650 BlgNR 24. GP 12. 5╇ Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht §Â€988 Rz€5; siehe auch Koziol in Avancini/Koziol/Iro, BVR II Rz€1/89 ff. 6╇ Stabentheiner, ÖJZ 2010, 942. 2╇

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§ 989

Ertl

II. Entgelt 5

„In der Regel“ besteht das Entgelt beim entgeltlichen Gelddarlehen in den vom Kreditnehmern zu zahlenden Zinsen. Damit will der Gesetzgeber nicht einen ohnedies allgemein bekannten rechtstatsächlichen Befund ins Gesetz schreiben, sondern – in Ergänzung der Entgeltlichkeitsvermutung des § 984 Abs 2 – eine Zweifelsregel hinsichtlich der Art des Entgelts, nämlich in Form von Zinsen, aufstellen. Den Parteien bleibt es allerdings unbenommen, vertraglich eine andere Art des Entgelts vorzusehen, etwa einen Einmalbetrag, eine Sach- oder eine Dienstleistung.7 Hinsichtlich der Höhe des Entgelts verweist § 988 Satz 3 auf § 1000. Auch 6 hier liegt eine Vertragsergänzungsregel vor, die Parteien können abweichende Vereinbarungen treffen. Begründet wird diese Lücke mit dem „Ausnahmecharakter des Entgelts beim Sachdarlehen“8, wenig überzeugend, weil auch solche Fälle gelöst werden müssen. Hier schlägt P. Bydlinski9 (gegebenenfalls eine analoge) Anwendung des § 354 Abs 1 UGB vor, Wendehorst10 hingegen eine Analogie zu § 988 Abs 3, weil es auch bei Sachdarlehen möglich sei, Zinsen von 4% des Sachwertes zu zahlen. Diese Lösung ist wegen der sachlichen Nähe der analog angewendeten Norm die methodisch elegantere, dagegen spricht aber, dass der Wert der zeitweisen Nutzung einer in derselben Art und Güte zurückzugebenden Sache sehr weit von demjenigen der Nutzung von Geld (Zinsen) abweichen kann. Das zeigt sich vor allem in Zeiten ausgeprägter Inflation.

Befristung und Ende des Kreditvertrags. § 989. (1) Beim Kreditvertrag kann sich eine bestimmte Vertragsdauer nicht bloß aus der datumsmäßigen Festlegung eines Endtermins ergeben, sondern auch aus den Vereinbarungen über den Kreditbetrag sowie über die Art der Rückzahlung des Kredits und die zu zahlenden Zinsen. (2) Nach Ende des Kreditvertrags hat der Kreditnehmer den Kreditbetrag samt den noch zu leistenden Zinsen zurückzuzahlen. Stammfassung JGS 1811/946 idF BGBl I 2010/28 (DaKRÄG). Mat: NR RV 650 BlgNR 24. GP, JAB 652 BlgNR 24. GP; BR AB 8305 BlgBR. Lit: Bollenberger/P. Bydlinski, Das neue Darlehensrecht des ABGB: Verbesserungsvorschläge zum Ministerialentwurf, ÖBA 2010, 96; P. Bydlinski, Das neue ABGB-Darlehensrecht, ecolex 2010, 520; Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht (2010); Stabentheiner, Das neue Darlehensrecht des ABGB, ÖJZ 2010, 935. Siehe überdies die Literaturangaben zu § 983. 7  RV 650 BlgNR 24. GP 12, wo auch noch ausdrücklich hervorgehoben wird, dass ein Darlehen auch dann entgeltlich ist, wenn zwar keine Zinsen verlangt werden, wohl aber „Gebühren“ oder „Kosten“. 8  RV 650 BlgNR 24. GP 8 f. 9  In ÖJZ 2010, 521 f. 10  In Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 988 Rz 3 FN 2.

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Allgemeines

§ 990

Abs 1 soll klarstellen, dass ein Kreditvertrag auf bestimmte Zeit nicht nur 1 dann vorliegt, wenn die Parteien ein bestimmtes Datum vereinbart haben. Es genügt, wenn sich eine bestimmte Vertragsdauer aus den Vereinbarungen über den Kreditbetrag sowie über die Art der Rückzahlung des Kredits und die zu leistenden Zinsen ergibt. Diese Klarstellung gilt nicht nur für Kreditverträge, sondern für alle Darlehensverträge.1 Stabentheiner hält es für nützlich, durch eine Gesetzesbestimmung auf diesen Unterschied zu anderen Dauerschuldverhältnissen hinzuweisen, in denen die Festlegung eines eindeutigen Endtermins oder der Vertragsdauer als solcher erfolgen kann,2 während P. Bydlinski einwendet, dass bei anderen Dauerschuldverhältnissen das Gesetz zu Recht gerade keine Regelungen enthält, und diese Kriterien im Ernstfall häufig nicht weiterhelfen.3 Wenn auch die Höhe des Kreditbetrages, die Art der Rückzahlung und die zu leistenden Zinsen ganz wichtige Indizien für die Vertragsdauer sind, so sind diese in § 989 Abs 1 nicht taxativ aufgezählt. Das Gericht kann sich gegebenenfalls auch auf andere Indizien stützen. Was den Verbraucherkredit betrifft, so verlangt § 9 Abs 1 Z 3 VKrG, dass die Laufzeit des Kreditvertrags „klar und prägnant“ anzugeben ist. Nach § 6 Abs 1 Z 4 VKrG muss der Verbraucher überdies von der Laufzeit des Kreditvertrags informiert werden. Nach Abs 2 hat der Kreditnehmer nach Ende des Kreditvertrages den noch 2 ausstehenden Kreditvertrag samt allen dann noch zu leistenden Zinsen zurückzuerstatten. Diese Bestimmung ist das selbstverständliche Gegenstück zu §  983 Satz 2, wonach der Darlehensnehmer nach Vertragsende gleich viele Sachen derselben Gattung und Güte zurückzugeben hat. Die Bestimmung sagt nichts darüber aus, wann welche Zinsbeträge zu bezahlen sind. Die RV verweist in diesem Zusammenhang auf die konkreten vertraglichen Regelungen und § 1000 Abs 3.4

Unwirksame Vereinbarungen über das Kündigungsrecht des Kreditgebers. § 990. Vereinbarungen, durch die dem Kreditgeber ein nicht an sachlich gerechtfertigte Gründe geknüpftes Recht zur vorzeitigen Kündigung eines auf bestimmte Zeit geschlossenes und seinerseits schon erfüllten Kreditvertrags eingeräumt wird, sind nicht wirksam. Stammfassung JGS 1811/946 idF BGBl I 2010/28 (DaKRÄG). Mat: NR RV 650 BlgNR 24. GP, JAB 652 BlgNR 24. GP; BR AB 8305 BlgBR.

Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 989 Rz 1. ÖJZ 2010, 942 f. 3  In ecolex 2010, 522 und auch schon Bollenberger/P. Bydlinski, ÖBA 2010, 97. 4  RV 650 BlgNR 24. GP 12, ebenso Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucher­ kredit­recht § 989 Rz 2 und Stabentheiner, ÖJZ 2010, 943. 1  2 

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§ 990

Ertl

Lit.: Bollenberger/P. Bydlinski, Das neue Darlehensrecht des ABGB: Verbesserungsvorschläge zum Ministerialentwurf, ÖBA 2010, 96; P. Bydlinski, Das neue ABGBDarlehensrecht, ecolex 2010, 520; Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht (2010); Stabentheiner, Das neue Darlehensrecht des ABGB, ÖJZ 2010, 935. Siehe überdies die Literaturangaben zu § 983.

Übersicht I. Allgemeines. Zweck und Anwendungsbereich II. Tatbestandsvoraussetzungen

1–7 8–12

I. Allgemeines. Zweck und Anwendungsbereich 1

Die zwingende Bestimmung des § 990 erklärt Vorschriften für unwirksam, die dem Kreditgeber ein nicht an sachliche Gründe geknüpftes Kündigungsrecht für einen von ihm bereits erfüllten befristeten Kreditvertrag gewährt. Diese Bestimmung war schon im Gesetzwerdungsprozess auf scharfe Kritik gestoßen1 und wurde auch in der Folge als „hochproblematisch“ bezeichnet.2 Bemängelt wurde an dieser – nur jeweils für Verbraucher und Unternehmer untereinander geschlossenen Kreditverträge bestimmten3 – Vorschrift vor allem, dass sie im Hinblick auf § 879 Abs 1 und 3, sowie § 1295 Abs 2 entbehrlich und ihr Anwendungsbereich unklar sei. Die RV4 begnügt sich hier mit der sehr allgemeinen Aussage, dass § 990 nur einer „allzu gravierenden Schieflage bei der Vertragsgestaltung hinsichtlich der vorzeitigen Auflösung eines befristeten Kredits, durch die der Kreditnehmer diesbezüglich der Willkür des Kreditgebers ausgesetzt wäre“, durch ius cogens entgegenwirken wolle. Der offiziöse Artikel Stabentheiners bekämpft das Gegenargument P. Bydlinskis hinsichtlich der Zulässigkeit eines alternativen Anbots ohne Vereinbarung eines freien Kündigungsrechtes, jedoch mit höheren Zinsen, und überlässt im Übrigen „eine eingehende Würdigung und Kritik des § 990 anderen Befassungen mit dieser Bestimmung“5. Soll davon ausgegangen werden, dass der § 990 neben § 879 und § 1295 2 Abs 2 einen eigenen Zweck haben soll, und zwar nicht nur für Verbrauchergeschäfte, so liegt es nahe, dass der Gesetzgeber Zusammenballungen wirtschaftlicher Macht im Kleinstaat – vor allem in Verbindung mit ökonomischer – im Auge hat, vor denen auch ein Unternehmer wehrlos ist. Der Kreditnehmer kann unter solchen Umständen bewusst in den Konkurs getrieben werden oder zu einem Wohlverhalten gezwungen werden, das mit dem Kreditvertrag selbst nichts zu tun hat.6 Der Kreditgeber handelt in solchen Fällen nicht unver­ nünftig, er verfolgt nur andere Ziele vordringlich. Erinnert sei in diesen Fällen P. Bydlinski, ecolex 2010, 523 f; Stabentheiner, ÖJZ 2010, 944. Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 990 Rz 2. 3  Siehe §§ 3, 14 VKrG. 4  RV 650 BlgNR 24. GP 12. 5  Stabentheiner, ÖJZ 2010, 944. 6  Dies zu Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkredit § 10. 1  2 

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Allgemeines. Zweck und Anwendungsbereich

§ 990

an Medienberichte, wonach ein Kreditinstitut einen Unternehmer in den Konkurs getrieben haben soll, um ein eigenes, auch in dieser Branche tätiges Unternehmen, zu begünstigen. Oder gar der Fall, in dem ein Abgeordneter durch die Drohung, sämtliche Kredite sofort fällig zu stellen, veranlasst worden sei, bei einer besonders wichtigen Abstimmung von der Parteilinie abzuweichen. Wie oft vergleichbare Fälle, vor allem auf dem flachen Land, vorkommen, lässt sich statistisch nicht erheben, da die Drohung meist nicht an die Öffentlichkeit dringen wird. Es ist aber verständlich, wenn der Gesetzgeber solche Erwägungen nicht ausdrücklich in die Erläuterungen zu seiner RV einfließen lässt. In solchen Fällen ist mit § 879 und § 1295 Abs 2 tatsächlich nicht auszukommen, da die Aufdeckung der vorzeitigen Fälligstellung ohne sachlich gerechtfertigten Grund vor Gericht und damit in der Öffentlichkeit für den Kreditnehmer äußerst gefährlich ist und er sich eine solche erst dann leisten kann, wenn seine Existenz ohnehin bereits vernichtet worden ist. § 990 bietet dem Kreditnehmer hingegen die Möglichkeit, sich gegen die Fälligstellung des Kredits aus unlauteren Gründen zu wehren, ohne die Gründe des Verhaltens der Gegenseite in der Öffentlichkeit breitzutreten und die zu erwartenden Sanktionen auf sich nehmen zu müssen. § 990 hat daher neben § 879 Abs 1 und Abs 3 und § 1295 Abs 2 einen legitimen Anwendungsbereich. Dieser wird allerdings durch ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit erkauft.7 Die RV weisen nämlich darauf hin, dass „sachlich gerechtfertigte“ Gründe nicht „wichtig“ iSd § 9878 sein müssen und daher ein Gestaltungsspielraum bleibt, s Näheres unter Rz 1 f und 4 zu § 987. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf unbefristete Darlehen kommt nicht in Betracht, weil dort der Darlehensnehmer mit der einmonatigen Kündigungsfrist des § 986 Abs 2 rechnen muss. Die Erl bieten keinen Hinweis hinsichtlich der Anwendbarkeit der Vorschrift auf Sachdarlehen, doch gibt es keinen Grund, eine Analogie zu verneinen. Schwieriger ist die Frage der analogen Anwendung auf unentgeltliche Darlehen.9 Dafür spricht wohl die Möglichkeit, dass die Ausübung rechtswidrigen Drucks durch die Androhung sofortiger Fälligstellung auch bei solchen Darlehen in Betracht kommt, wenn sich der Kreditnehmer auf eine längere Frist verlassen durfte. §  990 gilt nur für Verträge unter Unternehmern und unter Verbrauchern, nicht aber für Verbraucherverträge. Für diese gilt § 6 Abs 2 Z 1 KSchG10, der vorsieht, dass Vertragsbestimmungen, wonach der Unternehmer, ohne sachliche Rechtfertigung nicht vom Vertrag zurücktreten kann, nur dann verbindlich sind, wenn sie im Einzelnen ausgehandelt worden sind. Diese Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 990 Rz 10. ZB Auftreten von Umständen, die eine Verschlechterung der Vermögenslage des Kre­ ditnehmers oder eine Entwertung bedungener Sicherheiten in einem solchen Ausmaß erweisen, dass die Rückzahlung des Kredits oder die Entrichtung der Zinsen selbst bei Verwertung der Sicherheiten gefährdet ist, vgl § 991. 9  Dafür P. Bydlinski, ecolex 2010, 523; vgl auch Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 990 Rz 5. 10  RV 650 BlgNR 24. GP 12; Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht 3 § 990 Rz 3. § 990 Rz 6; 7  8 

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§ 990

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Schlechterstellung des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher als Kreditnehmer ist im Prinzip wenig plausibel, doch sehen §§ 3 und 14 VKr ohnedies eine abschließende Regelung zugunsten des Verbrauchers vor.11 Da die Gesamtnichtigkeit des Vertrages wegen Verstoßes gegen §  990 7 dazu führen würde, dass der Kreditnehmer erst recht den Betrag vor dem vorgesehenen Fälligkeitstermin zurückzahlen müsste, ist eine geltungserhaltende Reduktion zu befürworten.12

II. Tatbestandsvoraussetzungen Die Bestimmung betrifft nur vertragliche Kündigungsmöglichkeiten, die sich auf die Zeit nach Auszahlung der Kreditvaluta beziehen. Ein Kündigungsrecht des Kreditgebers, das für die Zeit bis zur Erfüllung seiner Kreditgewährungsfrist vereinbart ist, wird davon nicht betroffen.13 § 990 bezieht sich nur auf Kreditverträge, die der Kreditgeber bereits er9 füllt hat. Nach dem Zweck der Bestimmung muss es aber genügen, dass er zwar nicht den gesamten Kreditbetrag ausbezahlt hat, sondern nur einen Teil, der groß genug ist, um den Kreditnehmer unter Druck zu setzen. Der Kreditnehmer kann die Anwendbarkeit des § 990 auch nicht dadurch ausschließen, dass er vertragswidrig einen Teil der Summe nicht entrichtet hat, also Vorteil aus dem eigenen Verzug ziehen.14 Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit einer freien Kündigung befriste10 ter Verträge durch den Kreditgebers ist das Vorliegen eines sachlich gerechtfertigten Grundes. Dieser ist weiter als der wichtige Grund iSd § 987, der den Kreditgeber zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, so dass durchaus ein Gestaltungsspielraum für die Parteien bleibt. Nach den Erl zur RV sollen willkürliche oder an Willkür grenzende Abreden keine Wirksamkeit entfalten.15 Wenn nur solche Klauseln unerlaubt sein sollen, dann wäre § 990 letztlich eine zahnlose Bestimmung. Die Erl zur RV verweisen im Anschluss dann auch an die „Praxis der Unternehmerkredite“, wonach das an keine weiteren Voraussetzungen geknüpfte vorzeitige Auflösungsrecht des Kreditgebers durch die Gewährung eines günstigeren als des „normalen“ Zinsfußes gerechtfertigt sein „wird“. P. Bydlinski lehnt dies vor allem mit der Begründung ab, dass eine sachliche Rechtfertigung nicht durch einen Vergleich mit einem anderen, gerade nicht zustande gekommenen Vertrag abgeleitet werden könne.16 Stabentheiner repliziert, dass bei der Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung auch das wirtschaftliche Umfeld betrachtet werden müsse.17 Jedenfalls entspricht dem 8

11  Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 990 ABGB Rz 6 und Zöchling-Jud in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 14 VKr Rz 18. 12  Ebenso Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht §  990 Rz  14 unter Hinweis auf die „erheblichen Unsicherheiten, die derzeit für die Parteien mit der Reichweite des § 990 verbunden sind. 13  Stabentheiner, ÖJZ 2010, 943. 14  Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 990 Rz 7 f. 15  RV 650 BlgNR 24. GP 12 f. 16  In ecolex 2010, 523. 17  In ÖJZ 2010, 944.

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Allgemeines

§ 991

bekannten Preisargument, wonach an sich sittenwidrige Vertragsbestimmungen akzeptiert werden müssen, wenn sie eingepreist worden sind, und dass es regelmäßig zu langem und heiklen Abwägungen führt, wenn die grundsätzliche Verbotsnorm nicht zahnlos gemacht werden soll. Wendehorst vertritt im Anschluss an dieses vom Gesetzgeber selbst vorge- 11 legte Beispiel und wohl auch im Bestreben, eine als rechtspolitisch verfehlt angesehene Gesetzesbestimmung eng auszulegen, die Auffassung, dass § 990 nur eine widerlegbare gesetzliche Vermutung begründe.18 Ihr ist jedenfalls darin beizupflichten, dass Gründe, die keinen spezifischen Bezug zum konkreten Vertragsverhältnis haben, wie die Sicherung der Eigenkapitalerfordernisse beim Kreditgeber, sowie Gründe, die einen dem konkreten Vertragsverhältnis fremden Zweck verfolgen, wie der Gewinn von Einfluss auf die Unternehmensleitung des Kreditgebers nicht dazu zählen.19 Mangels besonderer, rechtfertigender Gründe kann darin unter Umständen sogar schon eine Knebelung des Kreditnehmers erblickt werden. Vor allem aus diesem Grund, nämlich wegen der beachtlichen Unsicher- 12 heit, welche Gründe als „sachlich gerechtfertigt“ anzusehen sind, ist mit einer Periode beachtlicher Rechtsunsicherheit zu rechnen. Nach bisherigen Erfahrungen ist damit zu rechnen, dass diese Periode länger dauern wird, weil sich der Kreditnehmer bei vorzeitiger Kündigung ohne wichtigen Grund meist nur dann an die Gerichte gewendet hat, wenn er nichts mehr zu verlieren hatte. Ob sich das durch die Vorschrift des § 990 ändern wird, bleibt abzuwarten.

Verweigerung der Kreditauszahlung. § 991. Der Kreditgeber kann die Auszahlung des Kreditbetrags verweigern, wenn sich nach Vertragsabschluss Umstände ergeben, die eine Verschlechterung der Vermögenslage oder eine Entwertung bedungener Sicherheiten in einem solchen Ausmaß erweisen, dass die Rückzahlung des Kredits oder die Entrichtung der Zinsen selbst bei Verwertung der Sicherheiten gefährdet ist. Stammfassung JGS 1811/946 idF BGBl I 2010/28 (DaKRÄG). Mat: NR RV 650 BlgNR 24. GP, JAB 652 BlgNR 24. GP; BR AB 8305 BlgBR. Lit.: Bollenberger/P. Bydlinski, Das neue Darlehensrecht des ABGB: Verbesserungsvorschläge zum Ministerialentwurf, ÖBA 2010, 96; P. Bydlinski, Das neue ABGBDarlehensrecht, ecolex 2010, 520; Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht (2010); Stabentheiner, Das neue Darlehensrecht des ABGB, ÖJZ 2010, 935. Siehe überdies die Literaturangaben zu § 983.

Treten nach Vertragsabschluss Umstände ein, die eine Verschlechterung 1 der Vermögenslage des Kreditnehmers oder eine Entwertung bedungener 18  19 

Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 990 Rz  Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht, § 990 Rz 

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Sicherheiten in einem solchen Ausmaß erweisen, dass die Rückzahlung des Kredits oder die Rückzahlung der Zinsen selbst bei Verwertung der Sicherheiten gefährdet ist, so kann der Kreditgeber jedenfalls ordentlich und in aller Regel auch außerordentlich kündigen. Dies erscheint dem Kreditgeber aber nicht immer zweckmäßig, oft ist es für ihn auch tatsächlich günstiger, zB eine allfällige Besserung der finanziellen Situation seines Vertragspartners abzuwarten und zunächst die Erbringung seiner eigenen Leistung aufzuschieben. Der Gesetzgeber will den Kreditgeber nicht vor die Wahl stellen, entweder „sehenden Auges“ den Kreditbetrag an einen mehr als zweifelhaften Kreditnehmer auszubezahlen1 oder den Vertrag gleich zur Gänze aufzulösen. § 991 erweist sich daher als eine spezifische, auf die vertragliche Verpflichtung des Kreditgebers zur Auszahlung der Kreditvaluta zugeschnittene Ausformung der allgemeinen Unsicherheitseinrede nach § 1052 Satz 22. Die Bestimmung findet sich zwar in den Regeln über den Kreditvertrag, es besteht aber kein Zweifel, dass sie auch auf andere Darlehensverträge anzuwenden ist, bei denen der Kreditbetrag noch nicht (oder noch nicht zur Gänze) ausbezahlt worden ist,3 so zB auf Sachdarlehen.4 Auch hier handelt es sich um eine der Bestimmungen, die der Gesetzgeber voraussichtlich als Ansatzpunkt für eine Neuregelung des Rechtes der Dauerschuldverhältnisse nützen wird, s § 983 Rz 4 f. Für den Verbraucherkreditvertrag ist § 991 ABGB kraft ausdrücklicher Regelung des § 14 Abs 2 VKrG allerdings nicht anwendbar. Er kann sich nur vertraglich das Recht vorbehalten, die Auszahlung von Kreditbeträgen, die der Verbraucher noch nicht in Anspruch genommen hat, aus sachlich gerechtfertigten Gründen zu verweigern, Näheres s unter § 14 VKrG.5 § 991 ist sowohl auf befristete als auch auf unbefristete Verträge anwend2 bar, es kommt auch nicht darauf an, ob der Kreditgeber die Darlehensvaluta zur Gänze oder nur teilweise nicht entrichtet hat.6 Der voraussichtlich häufigste Anwendungsfall dieser Bestimmung ist ohnedies der Krediteröffnungsvertrag (Kontokorrentkredit).7 Unbestritten ist, dass dem Kreditgeber ein Leistungsverweigerungsrecht auch bei unentgeltlichen Darlehen zukommt.8 Das Recht der Auszahlungsverweigerung setzt voraus, dass die bedenkli3 chen Umstände erst nach Abschluss des Kreditvertrags eingetreten sind oder dass sie dem Kreditgeber zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses trotz ordnungsgemäßer Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers nicht bekannt waren oder bekannt sein mussten.9 Es muss feststehen, dass eine solVgl Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 991 Rz 1. So ausdrücklich RV 650 24. GP 13. 3  P. Bydlinski, ecolex 2010, 524; Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkredit­ recht § 991 Rz 4. 4  Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 991 Rz 6. 5  S auch Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 991 Rz  6  P. Bydlinski, ecolex 2010, 524; auch Griss in KBB3 § 991 Rz 2. 7  Griss in KBB3 § 991 Rz 2; Wendehorst in Wendehorst/Wendehorst/Zöchling-Jud Verbrau­ cherkreditrecht § 991 Rz 4. 8  Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 991 Rz 6 mit Ausführun­ gen zur unmittelbaren oder analogen Anwendung. Hier käme sogar ein Größenschluss in Betracht; auch P. Bydlinski, ecolex 2010, 524. 9  RV 650 BlgNR 24. GP 13. 1  2 

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Allgemeines

§§ 992–999

che Situation eingetreten ist, die zu solchen Befürchtungen Anlass gibt, es genügt nicht, dass zu befürchten ist, dass eine solche Situation eintreten könnte10 (jeweils arg „ergeben“). Es genügt also nicht, dass der Kreditgeber nachweist, dass es Anlass zu Befürchtungen gibt, dass Befürchtungen eintreten könnten, einfacher formuliert: Die Befürchtungen dürfen nicht zu weit hergeholt sein. Die Umstände müssen entweder überhaupt erst in der Zeit nach Abschluss des Kreditvertrags eingetreten sein, oder schon vorher, ohne dass dies dem Kreditgeber bei ordnungsgemäßer Bonitätsprüfung erkennbar gewesen wäre.11 Unverschuldete Fehlbeurteilung schließt hingegen die Anwendbarkeit des § 991 nicht aus.12 Beabsichtigt der Kreditgeber, von seinen Leistungsverweigerungsrecht 4 Gebrauch zu machen, so hat er dies nach § 14 Abs 2 VKrG dem Verbraucher unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger unter Angabe der Gründe mitzuteilen. § 991 sieht eine vergleichbare Mitteilungspflicht nicht vor, doch ergibt sich eine solche nach allgemeinen Grundsätzen als vertragliche Schutzund Treuepflicht. Ihre Verletzung kann schadenersatzpflichtig machen, wenn sich der Vertragspartner aus diesem Grund nicht rechtzeitig auf die neue Situation einstellen kann.13 Die Bestimmung des §  991 ist dispositiv, kann also durch vertragliche 5 Vereinbarung ausgeschlossen, näher ausgestaltet oder erweitert werden,14 allerdings nur im Rahmen der Grenzen von § 879 Abs 1 und 3.15 P. Bydlinski nennt als einschlägiges Beispiel hier den Fall, dass zum vorgesehenen Auszahlungszeitpunkt die Nichtrückzahlung bei Fälligkeit sehr wahrscheinlich ist, ohne dass dies dem Kreditgeber bei Vertragsschluss erkennbar wäre. Hier wird allerdings idR die Annahme eines Willensmangels näher liegen. In vielen Fällen überschneidet sich das Leistungsverweigerungsrecht des 6 § 991 mit demjenigen auf Ausspruch der ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung, siehe oben unter §§ 986 f. Der Kreditgeber hat in solchen Fällen die Wahl, welches Recht er ausüben will. Hat er aber die Darlehensvaluta ausbezahlt, obwohl er dieses Leistungsverweigerungsrecht hätte ausüben können, so hat es dabei zu verbleiben.16 § 992. (aufgehoben, BGBl I 2010/28) §§ 993–998. (aufgehoben, RGBl 1868/62) § 999. (aufgehoben, BGBl I 2010/28) Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 991 Rz 7 f. Stabentheiner, ÖJZ 2010, 944; Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkredit­ recht § 991 Rz 9 (ebenso allgem Auffassung zu § 1052, zB Binder in Schwimann3 IV § 1052 Rz 85 und schon SZ 10/324. 12  P. Bydlinski, ecolex 2010, 524; Griss in KBB3 § 991 Rz 1; Wendehorst in Wendehorst/ Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 991 Rz 9. 13  Zutreffend Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 991 Rz 11. 14  RV 650 BlgNR 24. GP 14. 15  P. Bydlinski, ecolex 2010, 524; Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkredit­ recht § 991 Rz 2; Griss in KBB3 § 991 Rz 4. 16  Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht § 991 Rz  10  11 

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§ 1000

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Zinsen und Zinseszinsen. § 1000. (1) An Zinsen, die ohne Bestimmung der Höhe vereinbart worden sind oder aus dem Gesetz gebühren, sind, sofern gesetzlich nicht anders bestimmt ist, vier vom Hundert auf ein Jahr zu entrichten. (2) Der Gläubiger einer Geldforderung kann Zinsen von Zinsen verlangen, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbart haben. Sonst kann er, sofern fällige Zinsen eingeklagt werden, Zinseszinsen vom Tag der Streitanhängigkeit fordern. Wurde über die Höhe der Zinsen keine Vereinbarung getroffen, so sind ebenfalls vier vom Hundert auf ein Jahr zu entrichten. (3) Haben die Parteien über die Frist zur Zahlung der Zinsen keine Vereinbarung getroffen, so sind diese bei der Zurückzahlung des Kapitals oder, sofern der Vertrag auf mehrere Jahre abgeschlossen worden ist, jährlich zu zahlen. Stammfassungs JGS 1811/946 idF BGBl I 2010/28 (DaKRÄG). Mat: NR RV 650 BlgNR 24. GP, JAB 652 BlgNR 24. GP; BR AB 8305 BlgBR. Lit: Ostheim, Nebengebühren bei Höchstbetzragshypotheken, JBl 1960, 625; Hoyer, Zwei Fragen der Höchstbetragshypothek, FS Demelius (1973) 349; ders, Kann eine Höchstbetragshypothek zugleich Forderungen aus gewährtem und künftig zu gewährendem Kredit sichern?, FS Strasser (1983) 931; Graf, Zinsen, Bereicherung und Verjährung, JBl 1990, 350; ders, Welchen Rang genießen grundbücherlich sichergestellte Zinsenrückstände?, ÖBA 1990, 369; Jud, Marginalien zum Ersatz aufgewendeter oder entgangener Zinsen, FS Ostheim (1990) 113; Honsell, Der Zinsschaden bei der Geldschuld, wbl 1999, 97; Dehn, Das Zinsrechts-Änderungsgesetz, RdW 2002, 514; Graf, Die Neuordnung des Zahlungsverzugs – Eine kritische Analyse des ZinsRÄG, wbl 2002, 437; Kühnberger/Reidinger, Vereinsrecht und Zinsrechts-Änderungsgesetz, JAP 2001/2002, 255; Feil, Zinsrechts-Änderungsgesetz, GesRz 2002, XIV; Spunda, Änderungen durch das Zinsrechts-ÄnderungsG (ZinsRÄG), ecolex 2002, 653; Thiele, „Zukunftszinsen“ und das Zinsrechts-ÄnderungsG 2002, RdW 2003, 427; Apathy, Auswirkungen der Judikatur zu Verbraucherverträgen auf Bankgeschäfte mit Unternehmern, ÖBA 2004, 737; Ebner/Pablik, Klagen der Handelsgerichtsbarkeit, ÖJZ 2004, 488; Aspöck, EuGH zur Rechtzeitigkeit von Überweisungen, ecolex 2008, 783.

Übersicht I. Allgemeines II. Vertragliche und gesetzliche Zinsen III. Zinseszinsen IV. Fälligkeit von Zinsen

1–4 5–13 14–17 18–20

I. Allgemeines 1

Der ursprüngliche Gesetzestext wurde durch das ZinsG ersetzt, und nur § 999 blieb zunächst in Kraft, bis die allgemeine Neuordnung durch das ZinsRÄG 2002 erfolgte, die den § 999 aufhob und den § 1000 (mit neuem Geset362

Allgemeines

§ 1000

zestext) wieder einführte. Dieses Gesetz setzte die Richtlinie 2000/35/EG zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ZahlungsverzugsRichtlinie) um, diente aber auch der Rechtsbereinigung. Hiebei wurden das G RGBl 1868/62 und das HfD JGS 1842/592 (über gesetzliche Zinsen für Geldforderungen) aufgehoben, §§ 1333 bis 1335 ABGB wurden neu geregelt, wobei § 1333 Abs 2 aF zunächst in § 352 HGB und in der Folge durch das HaRÄG in §  352 UGB übertragen wurde. Übergangsregelungen wurden bewusst nicht vorgesehen, sodass die neuen Regelungen nach ihrem Inkrafttreten (1. 8. 2002) auch auf Forderungen anwendbar sind, die schon vorher begründet worden sind. Über den Begriff der Zinsen haben sich die Verfasser des ABGB nicht 2 ausgesprochen, ihn vielmehr als bekannt vorausgesetzt. Sie haben darunter die Vergütung für den Gebrauch einer Geldsumme verstanden,1 wobei – damals schon wegen der Beschränkungen durch das Wucherpatent – diese Vergütung regelmäßig in Sachen gleicher Gattung nach dem Verhältnis der Zeitdauer des Gebrauchs zu entrichten war. Auch heute versteht man darunter jede für die Überlassung der Nutzung vertretbarer Sachen zu leistende Vergütung in gleichen vertretbaren Sachen. Sie werden in Bruchteilen (Prozenten) des Kapitals berechnet und idR periodisch abgerechnet.2 Zinsen sind von Zins zu unterscheiden, dem Entgelt für die Gebrauchs- 3 überlassung unvertretbarer Sachen und den Annuitäten, die in gleich bleibender Höhe entrichtet werden und sich aus Kapitaltilgung und Zinsen zusammensetzen, wobei diese Teile vielfach rechtlich verschieden zu behandeln sind. Zinsen als Teil von Annuitäten bleiben also in rechtlicher Hinsicht Zinsen.3 Renten sind periodisch wiederkehrende Leistungen auf Grund eines Bezugsrechts, das etwa für die Hingabe eines Kapitals eingeräumt wird, aber nicht dessen Abstattung dient noch auch neben dem Kapital geleistet wird. Vielfach haben Renten Versorgungszweck.4 Im Gegensatz zu Zinsen stehen Grund und Höhe bei Dividenden grundsätzlich nicht fest, doch können Mindestdividenden eingeräumt werden. Zinsen sind Nebengebühren iSd § 912 und teilen daher idR das rechtliche 4 Schicksal des Kapitals. Das Entstehen der Zinsenschuld setzt eine Kapitalschuld voraus und mit dieser erlischt der Zinsenlauf. Zinsenforderungen können aber getrennt von der Kapitalforderung abgetreten werden und sie verjähren gem § 1480 unabhängig von der Hauptschuld in drei Jahren. Die kurze Verjährungsfrist gilt allerdings nicht für Zinsenrückstände, die selbständig einverleibt oder auf exekutivem Weg für die Vergangenheit zuerkannt worden sind.5 Sicherheiten erstrecken sich meist sowohl auf Kapital als auch auf Zin1  Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz vom Jahre 1803 in: Jährlicher Beytrag zur Gesetzeskunde von Franz Edlen von Zeiller, 2.Bd (Wien 1807) 158 ff und 3.Bd (1808) 1 ff; A. Randa, Zur Lehre von den Zinsen (Wien 1869) 5 ff; Ehrenzweig, System II/12, 30; Schey, Obligationenverhältnisse I 129 ff. 2  Statt aller Schubert in Rummel3 I § 999 Rz 1; Griss in 3 § 1000 Rz 2. 3  Griss in KBB3 § 1000 Rz 2. 4  Schubert in Rummel3 I § 999 Rz 1. 5  OGH 3 Ob 164/93, SZ 66/142; Gitschthaler in Fasching/Konecny2 I § 54 JN Rz 28; Griss in KBB3 § 1000 Rz 9; zu Zinsen im Rahmen eines Kontokorrentverhältnisses nach § 355 UGB s OGH 8 Ob 21/93.

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§ 1000

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sen, doch genießen nur nicht länger als drei Jahre rückständige rechtsgeschäftliche Zinsen den gleichen Rang wie die Hauptschuld (§ 216 Abs 1 Z 2 und Abs 2 EO), sodass gegebenenfalls die Einräumung einer Nebengebührensicherstellung erforderlich ist.6 Gesetzlichen Zinsen (auch Verzugszinsen iSd § 1333 iVm § 1000 Abs 1) kommt auch ohne grundbücherliche Eintragung der Rang des Kapitals zu. Bei der Berechnung des Streitwerts nach § 54 Abs 2 JN bleiben die Zinsen außer Betracht; werden sie allerdings selbständig eingeklagt, so richtet sich der Streitwert nach dem Klagsbetrag7. Eine Quittung über das bezahlte Kapital begründet die Vermutung, dass auch die Zinsen bezahlt worden sind (§ 1427).

II. Vertragliche und gesetzliche Zinsen Schon das ZinsRÄG 2002 hat zwischen vertragsmäßigen (bedungenen) Zinsen und Zinsen, die aus dem Gesetz, nämlich auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift gebührenden (gesetzliche Zinsen) unterschieden, und daran hat auch die Neufassung des § 1000 nichts geändert. Allerdings stehen Zinsen nur zu, wenn der Anspruch auf einen Vertrag, auf ein einseitiges Rechtsgeschäft (zB letztwillige Verfügung oder Zinswechsel nach Art 5 WG) oder auf das Gesetz gegründet werden kann. Der Vertrag über die Verzinsung kann durch ausdrückliche Erklärung oder 6 durch schlüssiges Verhalten zustande kommen. Ist nichts über eine Verzinsung vereinbart, greift keine besondere gesetzliche Vermutung (wie zB § 984 Abs 1 ABGB oder §  354 UGB) oder eine sonstige Bestimmung (wie zB §  1333 ABGB) ein, so werden keine Zinsen geschuldet. Die Verzinsung kann auch in AGB vorgesehen sein. Die gesetzlichen Zinsen gebühren ohne Rechtsgeschäft, unmittelbar auf7 grund des Gesetzes, wobei die Vielzahl der einzelnen Fälle hier nicht zusammenzutragen, sondern an den in Betracht kommenden Stellen zu erörtern ist. Lehre und Rsp unterscheiden zwischen Verzugs-, Verwendungs- und Vergütungszinsen.8 Die Verzugszinsen sollen nach § 1333 Abs 1 den Schaden vergüten, der dem Gläubiger durch den Zahlungsverzug des Schuldners entstanden ist. Verwendungszinsen stehen bei Verwendung eigenen Geldes für fremde Zwecke zu, zB durch den Beauftragten (§  1014) oder Gesellschafter (§ 1190), Vergütungszinsen bei Verwendung fremden Geldes für eigene Zwecke. Prozesszinsen stehen ab Klagszustellung zu, s unter § 1334. Der Zinsfuß (Zinssatz) ist das in Prozenten ausgedrückte Verhältnis der 8 Zinsen zum Kapitalbetrag. Für den vertraglichen Zinsfuß bestehen bis zur Grenze des § 879 Abs 2 Z 4 grundsätzlich keine Beschränkungen.9. Das bedeutet, dass aus der Höhe des Zinssatzes allein die Ungültigkeit einer Zinsen5

6  OGH 5 Ob 140/95, ÖBA 1996, 636; Angst in Angst, EO2 § 216 Rz 20 f; Griss in KBB3 § 1000 Rz 6. 7  OGH 5 Ob 1592/94, EFSlg 75.958. 8  Stanzl in Klang2 IV/1, 759; Ehrenzweig, System II/12, 33 ff; Schey, Obligationsverhältnisse I 581 ff; Mayrhofer, SchRAT 65 f; Schubert in Rummel3 I § 999 Rz 3; Binder in Schwimann3 IV § 1000 Rz 3; 9  OGH 6 Ob 47/68, SZ 41/32 = JBl 1969, 279.

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Vertragliche und gesetzliche Zinsen

§ 1000

vereinbarung nicht abgeleitet werden kann, und zwar schon deshalb, weil sich dieser maßgeblich auch nach der Höhe der Geldentwertung richtet. § 6 Abs 2 Z 13 KSchG sieht allerdings für Verzugszinsen des Verbrauchers eine ausdrückliche Höchstgrenze vor: Diese dürfen den für den Fall bei ordnungsgemäßer Zahlung vereinbarten Zinssatz nicht um mehr als 5% pro Jahr übersteigen. Damit wird ein variabler Zinsfuß (dazu unten unter Rz 10) normiert, der es verhindert, dass Hoch- und Niedrigzinsperioden gänzlich über einen Leisten geschlagen werden. Sind zwar Zinsen vereinbart, fehlt aber eine Abrede über ihre Höhe, so gilt 9 nach §  1000 Abs 1 der für gesetzliche Zinsen festgesetzte Zinsfuß, also im Zweifel vier Prozent im Jahr. Solche Vertragszinsen werden dadurch aber nicht zu gesetzlichen Zinsen. Es kann aber auch ein variabler Zinsfuß (auch als beweglicher Zinsfuß 10 oder als Zinsgleitklausel bezeichnet) vereinbart werden, der durch Bezugnahme auf einen Grundzinsfuß als Berechnungsbasis nach Art einer Wertsicherungsklausel konstruiert ist (zB „2% über der Bankrate“). Üblicherweise wird hier zwischen Zinsgleitklauseln, bei denen sich der Zinssatz automatisch mit der Veränderung der Bezugsgröße ändert, und Zinsanpassungsklauseln unterschieden, bei denen dem Kreditinstitut ein gewisser Spielraum eingeräumt wird.10 Der Sache nach handelt es sich in allen diesen Fällen um Spielarten der Wertsicherungsklausel, die aber nicht auf den Kapitalbetrag abzielt, sondern auf den Zinsfuß. Dass dieser letztlich auf politische Entscheidungen einer mehr oder weniger abhängigen Notenbank zurückzuführen ist, die zB dem Staat die Verringerung einer Schuldenlast erleichtern soll, und Inflation dabei die Funktion eines erwünschten sozialen Weichspülers einnehmen soll, ändert daran nichts, weil als Wertsicherungsmaßstab auch eine preisgeregelte Ware tauglich ist.11 Sondervorschriften gelten für Verbrauchergeschäfte, siehe dazu unter § 6 KSchG sowie unter § 879 ABGB. Schwierigkeiten kann es bei der Verbücherung wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes des § 14 GBG geben,12 doch anerkennen Rsp und Schrifttum die Intabulation eines Höchstzinssatzes,13 dies zu Recht, weil infolge dieser Höchstgrenze allfällige zukünftige Gläubiger das Ausmaß der Belastung abschätzen können. Entsprechend wird auch die mittelbare Verbücherung einer Wertsicherung des Kapitalbetrages akzeptiert, siehe zu § 985 Rz 102 ff. Der allgemeine gesetzliche Zinssatz für Zinsen, die ohne konkrete Bestim- 11 mung der Höhe entweder aus dem Gesetz oder aus vertraglicher Vereinbarung gebühren, wurde durch das ZinsRÄG nicht geändert und beträgt 4% im Jahr, sofern nicht gesetzlich anderes vorgesehen ist.14 Der starre gesetzliche ZinsZB Binder in Schwimann3 IV § 1000 Rz 12 FN 31. Vor allem als Kostenelementklausel, s unter § 985 Rz 33 und 56. 12  Stanzl in Klang2 IV/1, 759; Schubert in Rummel3 I § 999 Rz 5; vgl auch Edtstadler, Der bewegliche Zinsfuß im Grundbuch, NZ 1956, 146. 13  OGH 3 Ob 122/88, ÖBA 1989, 822 = JBl 1989, 390; 5 Ob 42/91, ecolex 1991, 608; Hof3 II § 451 Rz 16. mann in Rummel3 I § 451 Rz 6; Hinteregger 14  Nach der RN 1167 BlgNR 21. GP 7 wurde zunächst erwogen, die gesetzlichen Zinsen „allgemein“ anzuheben und an die Entwicklung des Basiszinssatzes zu knüpfen, doch ist man aus verbraucher- und sozialpolitischen Erwägungen davon abgekommen. Eine solche allgemeine 10  11 

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satz von 4% wurde auch aus Praktikabilitätsgründen beibehalten, weil ein „dynamisierter und damit floatender Zinssatz gerade im nichtunternehmerischen Betrieb zu Berechnungsschwierigkeiten führen würde“15. Die Sonderregel des § 352 Abs 1 HGB, wonach die Höhe der gesetzlichen Handelsgeschäften fünf von Hundert auf das Jahr betrug, wurde durch das ZinsRÄG beseitigt, nach dem neu eingeführten § 1333 Abs 2 betrugen allerdings nunmehr die Verzugszinsen aus unternehmerischen Geschäften acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Der Gesetzesinhalt dieser Bestimmung wurde jedoch durch das16 HaRÄG in § 352 UGB verlegt. Danach beträgt bei der Verzögerung der Zahlung von Geldforderungen zwischen Unternehmern aus unternehmensbezogenen Geschäften der gesetzliche Zinssatz acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Dabei ist der Basiszinssatz, der am letzten Kalendertag eines Halbjahres gilt, für das nächste Halbjahr maßgebend. Die wechsel- und scheckrechtlichen Zinsen (Art 48 Abs 1 Z 2 und Art 49 Z 2 WG, Art 45 Z 2 und Art 46 Z 2 ScheckG) betragen nach wie vor 6%. § 49a Satz 1 ASGG sieht für Forderungen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis einen Verzugszinssatz von 8% über dem Basiszinssatz vor. Dieser Basiszinssatz, der ehemalige Diskontsatz, wird von der Österreichischen Nationalbank regelmäßig veröffentlicht und ist auf deren Homepage aufzufinden. Art 3 Abs 1 lit b der Zahlungsverzugs-RL sieht als Bezugsgröße zwar den Hauptfinanzierungszinssatz der Europäischen Zentralbank (EZB) vor, da sich aber der mit dem 1.Euro-JuBeG eingeführte Basiszinssatz in der Praxis durchgesetzt hat, wollte der Gesetzgeber aus Gründen der Rechtsklarheit nicht noch eine weitere Bezugsgröße einführen.17 Sind höhere als die gesetzlichen Zinsen vertraglich vereinbart, dann stehen 12 dem Gläubiger diese bis zur Schuldtilgung zu.18 Hat der Gläubiger die Zinsen ohne Einklagung der ursprünglichen Schuld steigen lassen, so erlischt das Recht, vom Kapital weitere Zinsen zu fordern. Vom Tag der Streitanhängigkeit an können jedoch neuerdings Zinsen verlangt werden. Dieses Verbot des ultra alterum tantum gilt gem § 353 UGB jedoch nicht für Geldforderungen gegen einen Unternehmer; Näheres bei § 1335. Ausführlich zu den Verzugszinsen s § 1333 f. 13

III. Zinseszinsen 14

Gem § 998 durften Zinsen von Zinsen nie genommen werden, doch konnten zweijährige oder noch ältere Zinsenrückstände mittels Übereinkommen als ein neues Kapital verschrieben werden.19 Seit dem (inzwischen aufgehobenen) Anhebung, etwa ein Aufschlag von vier Prozentpunkten auf den Basiszinssatz, könne zu einer „weiteren Verschärfung der Verschuldung“ führen. 15  Dehn, RdW 2002/486. 16  Auf nach dem 31.12.2006 abgeschlossene Rechtsgeschäfte anwendbare (Art XXXII Abs 1 BGBl I 2005/120. 17  Dehn, RdW 2002/486. 18  Ausführlich OGH 1 Ob 20/94, ÖBA 1996, 549 (Rebhahn) = ecolex 1996, 168 (Graf): Griss in KBB3 § 1000 Rz 6. 19  Zur Geschichte der Zinseszinsen (Antozismus) Randa, Zur Lehre von den Zinsen (1869) 27 Anm 63. Großzügiger war Zeiller, der meinte, die „Forderung des Gläubigers, dass er für die verfallenen Zinsen … Zinsen empfange (Antocism), ist an sich billig“.

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Zinseszinsen

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ZinsG 1868 stehen Zinseszinsen in zwei Fällen zu, und zwar wenn dies – auch schon im voraus – vereinbart ist oder wenn fällige Zinsen eingeklagt werden. Dazu kommt § 355 UGB (Kontokorrent). Danach können Zinseszinsen verlangt werden, wenn Zinsen in laufender Rechnung enthalten sind und sich bei Rechnungsabschluss ein zu verzinsender Überschuss ergibt, doch handelt es sich hiebei nur um einen Sonderfall der vertraglichen Zinseszinsvereinbarung. Das ZinsRÄG regelt die Befugnis des Gläubigers einer Geldforderung, ne- 15 ben Zinsen auch Zinseszinsen zu verlangen, wobei die vom ZinsG 1868 eingeführten beiden Fälle bestehen bleiben. Voraussetzung ist also entweder, dass die Parteien dies „ausdrücklich“ vereinbart haben. Damit war aber nur gemeint, dass die Vereinbarung deutlich20 sein musste, aber nicht, dass Konkludenz nicht genügen sollte. Die Auswirkung der Aufhebung des ZinsG 1868 hält sich hier also durchaus in Grenzen. Grund dieser Regelung war, dass Zinseszinsvereinbarung häufig unklar waren (und sind).21 Falls Zinseszinsen vereinbart sind, werden die nicht bezahlten Zinsen – nach Art eines Kontokorrents (§ 355 UGB) – mit der Fälligkeit zugeschlagen und sodann die Zinsen für die nächste Zinsperiode von diesem höheren Betrag berechnet und wieder dem Kapital zugeschlagen. In dieser Weise ist zB die Vereinbarung ausgelegt worden, dass das Kapital zum Zinsfuss von 12% p.a. zu verzinsen sei und dass im Fall des Verzugs 12% p.a. „Verzugs- rücksichtlich Zinseszinsen“ zu entrichten seien.22 Dagegen soll die Schuldscheinklausel, im Fall des Verzugs in der Berichtigung der Zinsen seien vom Verfall bis zum Erlagstag der fällig gewordenen Zinsenraten 9% jährlicher Verzugszinsen zu vergüten, dahin zu verstehen sein, dass die nicht bezahlten Zinsen bis zur Zahlung verzinst werden müssen, nicht aber dahin, dass sie – auch bei mehrjährigem Verzug – jeweils dem Kapital zugeschlagen und mit diesem weiterverzinst werden.23 Im Fall des Verzugs wird allerdings idR die dem Geldschuldner gegenüber strengere Auslegung am Platze sein, weil sich dieser zwar nicht notwendigerweise schuldhaft aber doch rechtswidrig verhalten hat. Jedenfalls kommt im Einzelnen hier alles auf die Auslegung der nicht immer klar gefassten Vereinbarungen (Schuldscheine) an.24 Wurde über die Höhe der Zinseszinsen keine Vereinbarung getroffen, soll 16 nach dem Willen des Gesetzgebers auch hier der in § 1000 Abs 1 festgelegte gesetzliche Zinssatz von 4% p.a. Anwendung finden, und zwar selbst dann, wenn die „eigentlichen“ Zinsen höher sind.25 Die Zahlungsverzugs-RL erfordere es nicht, in solchen Fällen den erhöhten Zinssatz anzuwenden. Auch in anderen Fällen erscheine es angemessen, die Zinseszinsen – vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung – zu begrenzen.26 Die Haltung des Gesetzge20  Schubert in Rummel3 I § 999 Rz 6. Aus einer Vereinbarung, wonach Ratenzahlungen zu verzinsen und halbjährlich zu bezahlen sind (OGH 1 Ob 51/66, HS 5249/34) lässt sich daher weder nach alter noch nach neuer Rechtslage eine Zinseszinsvereinbarung herauslesen. 21  So ausdrücklich auch Schubert in Rummel3 I § 999 Rz 6. 22  OGH 2 Ob 434, 35/55. 23  So Stanzl in Klang2 IV/1, 761. 24  Stanzl in Klang2 IV/1, 761. 25  RV 1165 BlgNR 21. GP 9 unter Verweisung auf die seinerzeitige Fassung des § 1333 Abs 2, jetzt § 352 UGB; in der Folge auch Griss in KBB3 § 1000 Rz 4. 26  Ebenso RV 1165 BlgNR 21. GP 9.

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bers gegenüber dem Anspruch auf Zinseszinsen ist daher etwas distanziert. Es darf nämlich nicht außer acht gelassen werden, dass Aufgabe des Zinses auch ist, den Geldgläubiger für die inflationsbedingte Entwertung seines Anspruchs bis zur Fälligkeit und gegebenenfalls auch danach zu entschädigen, wobei in Zeiten finanzieller Repression der Zinssatz (noch weiter verringert durch Steuern) unter dem Maß der Entwertung liegt. Dazu kommt, dass Basis für die Berechnung etwa des VPI der jeweils letzte Stand ist und nicht etwa der ursprüngliche, bei Schaffung des Index, was einer Art Zinseszinsrechnung schon sehr nahe kommt. Diese distanzierte Haltung des Gesetzgebers ist wohl nicht nur auf Schuldnerschutzerwägungen allgemeiner Art sondern auch auf fiskalische Gründe zurückzuführen. Ohne Vereinbarung gebühren Zinsen auch von eingeklagten fälligen Zin17 sen. § 3 lit b ZinsG 1868 hatte von „Klagsbehändigung“ gesprochen, was spätestens nach Erlassung der ZPO zu Auslegungsschwierigkeiten geführt hatte. Strittig war, ob der Tag der Streitanhängigkeit oder derjenige der Klagseinbringung maßgeblich sein sollte.27 Im Regelfall handelt es sich zwar hiebei nur um eine Divergenz von wenigen Tagen, die auch bei höheren Schuldbeträgen wirtschaftlich nicht allzu sehr ins Gewicht fallen, doch kann der Unterschied bei besonderen Verkettungen von Umständen, bei bestimmten Auslandszustellungen und bei Virtuosen der Prozessverschleppung auf Beklagtenseite sogar mehrere Jahre ausmachen.

IV. Fälligkeit von Zinsen 18

Wann Zinsen fällig sind, entscheidet der Vertrag. § 1000 Abs 3 sieht eine Zweifelsregel für die Bestimmung der Fälligkeit von Zinsen vor: Haben die Parteien dafür keine Zahlungsfrist vereinbart, so sollen die Zinsen bei der Zurückzahlung des Kapitals oder – bei einem mehrjährigen Vertrag – jährlich (nämlich) jeweils mit Ablauf der Jahre) gezahlt werden. Allerdings können auch andere – vor allem kürzere oder auch zu anderen Terminen ablau­ fende – Zinsperioden vereinbart werden, was insb für die Kapitalisierung der Zinsen bei der Vereinbarung von Zinseszinsen bedeutsam ist. Allerdings müssen solche abweichenden Vereinbarungen ausreichend deutlich sein. Die bloße Vereinbarung, Jahreszinsen in Vierteljahresraten zu entrichten, ge­nügt nicht, um vierteljährliche Zinstermine für die Kapitalisierung anzunehmen. Auch Vorauszahlung von Zinsen kann bedungen werden. Zinsen dürfen 19 auch vereinbarungsgemäß bereits bei der Darlehenszuzählung abgezogen werden, was in der Praxis nicht selten vorkommt. Damit ist allerdings nicht schon der Gegenbeweis abgeschnitten, dass entgegen der Beurkundung im Schuldschein, ohne dass dies durch einen solchen vereinbarten Vorausabzug gerechtfertigt wäre, ein geringerer als der vereinbarte Darlehensbetrag zugezählt worden ist.28 27  Für ersteres OGH 4 Ob 84/97, SZ 70/60 = JBl 1998, 49 und Reischauer in Rummel3 II/2b § 1333 Rz 3, für letzteres Harrer in Schwimann3 VII § 1333 Rz 10. 28  Stanzl in Klang2 IV/1, 701.

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§ 1001 Gesetzliche Zinsen sind jederzeit fällig,29 sie können daher für beliebige 20 Zeiträume nach deren Ablauf berechnet und gefordert werden. Verzugszinsen sind auch bei unternehmensbezogenen Geschäften erst mit dem auf die Fälligkeit folgenden Tag zu zahlen.30 §Â€1001. (aufgehoben, BGBl I 2010/28)

29╇ Ehrenzweig, System II/12, 35; Stanzl in Klang2 IV/1, 762; Mayrhofer, SchRAT 66; Schubert in Rummel3 I §Â€999 Rz€7; Griss in KBB3 §Â€1000 Rz€7; OGH 4 Ob 584/87, SZ 60/213 = JBl 1990, 377 (mit Bespr von G. Graf in JBl 1990, 350) = EvBl 1988/81. 30╇ Griss in KBB3 §Â€1000 Rz€7.

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Stichwortverzeichnis

Stichwortverzeichnis Abfindung § 938 Rz 50 ff Abtretung auf den Todesfall § 956 Rz 31 Abtretung, Kreditzusage § 983 Rz 13 ff Anerkenntnis, Schenkung § 939 Rz 5 Anerkennungszins, Bittleihe § 974 Rz 6 Anstandspflicht, Schenkung §§ 940, 941 Rz 1 ff Auflage, Schenkung §§ 940, 941 Rz 6 ff Aufopferung – Hinterleger § 967 Rz 10 ff – Verwahrer § 964 Rz 17 ff Aufrechnungsrecht, Verwahrer § 967 Rz 17 f Auftrag auf den Todesfall § 956 Rz 27 ff Aufwertungsbetrag – Exekution § 985 Rz 106 ff – Wertsicherungsklausel § 985 Rz 87 ff außerordentliche Kündigung, Darlehensvertrag § 987 Badeanstaltsbesitzer, Gastwirtehaftung §§ 970, 970a Rz 18, 39 f Bausparvertrag § 983 Rz 58 Bedingung, Schenkung auf den Todesfall § 956 Rz 3 f Beherbergungswirt, Gastwirtehaftung §§ 970, 970a Rz 8 ff, 30 ff belohnende Schenkung §§ 940, 941 Rz 1 ff Benützungsaufwand, Leihvertrag § 981 Rz 1 f Bereicherung – Haftung des Beschenkten § 952 Rz 1 f – Schenkung § 938 Rz 36 Besitzkonstitut, Schenkung § 943 Rz 8 Besitznachfolgerechte § 956 Rz 20 Bestandvertrag – Abgrenzung zum Leihvertrag § 971 Rz 15 – Abgrenzung zum Verwahrungsvertrag § 959 Rz 6 – Abgrenzung zur Bittleihe § 974 Rz 4 ff Bestimmtheit, Wertsicherungsklausel § 985 Rz 38 ff, 96 ff Bevollmächtigungsvertrag, Abgrenzung zum Verwahrungsvertrag § 960 Rz 3 ff Beweislast, Schenkung § 938 Rz 32 ff Bezugsberechtigung, Lebensversicherung § 956 Rz 33 f Bittleihe – abgeleitete Rechte § 974 Rz 12 – Abgrenzung zum Bestandvertrag § 974 Rz 4 ff – Anerkennungszins § 974 Rz 6 – Beendigung § 974 Rz 13 – Befristung der Ansprüche § 982 Rz 2 371

Stichwortverzeichnis

– Besitzesschutz § 974 Rz 11 – Gefälligkeitszusage § 974 Rz 1 f – Unentgeltlichkeit § 974 Rz 3 ff – Unklarheitenregel § 975 Rz 1 ff – Vertrag § 974 Rz 1 f – Widerruflichkeit § 974 Rz 8 f Bürgschaft, Schenkung § 938 Rz 73 ff culpa in contrahendo, Schenkung § 945 Rz 5 Darlehen – Begriff § 983 Rz 6 ff – Ehegatten § 983 Rz 37 ff – Eigentumserwerb § 983 Rz 20 ff – eingetragene Partner § 983 Rz 37 ff – entgeltliches § 984 Rz 2 ff – Form § 983 Rz 36 ff – Geschäftsunfähigkeit § 983 Rz 41 ff – Gewährleistung § 945 Rz 7 – Konsensualvertrag § 983 Rz 6 ff – Notariatsakt § 983 Rz 37 f – Novelle 2010 § 983 Rz 4 – Realvertrag § 983 Rz 6 ff – Terminsverlust § 986 Rz 16 – unentgeltliches § 984 Rz 2 ff, 11 f – unregelmäßiger Verwahrungsvertrag § 983 Rz 56 – verbrauchbare Sache § 983 Rz 17 ff – Verpflichtung zur Rückgabe § 983 Rz 31 ff – vertretbare Sache § 983 Rz 17 ff – Vertretungsbefugnis § 983 Rz 41 ff – Vorvertrag § 983 Rz 11 f Darlehensvertrag – Abgrenzung zum Verwahrungsvertrag § 959 Rz 2 ff – außerordentliche Kündigung § 987 – ordentliche Kündigung § 986 Rz 10 ff – unerlaubter § 983 Rz 49 ff – Zeitbestimmung § 986 Rz 3 ff Dauerleihe § 971 Rz 18 depositum irregulare § 959 Rz 23 Dienstvertrag, Abgrenzung zum Verwahrungsvertrag § 960 Rz 3 ff Dürftigkeit, Schenkungswiderruf § 947 Rz 1 ff Ehegatten, Darlehen § 983 Rz 37 ff Ehepakte, Schenkung § 938 Rz 67 ff 372

Stichwortverzeichnis

eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen § 983 Rz 60 eingebrachte Sachen, Gastwirtehaftung §§ 970, 970a Rz 28 ff eingetragene Partner, Darlehen § 983 Rz 37 ff Entgelterhöhung, Schenkung § 938 Rz 60 ff Entlehner – Befristung der Ansprüche § 982 Rz 1 ff – Besitzesschutz § 972 Rz 4 – Gebrauchsrecht § 972 Rz 1 ff – Haftung für Dritte §§ 978–980 Rz 5 – Überlassung an Dritte §§ 978–980 Rz 4 – Verschuldenshaftung §§ 978–980 Rz 1 ff – vertragswidriger Gebrauch §§ 978–980 Rz 4 Erbschaftsschenkung § 938 Rz 54 ff Erbschaftsvorhilfe § 938 Rz 50 ff Erbverzicht § 938 Rz 51 ff Erhaltungsaufwand, Leihvertrag § 981 Rz 3 ff Erhaltungskosten, Leihvertrag § 981 Rz 1 ff Form – Schenkung auf den Todesfall § 956 Rz 7 ff – Schenkungsvertrag § 943 Rz 1 ff – unentgeltliches Darlehen § 984 Rz 11 f Freigebigkeit § 938 Rz 23 Fremdwährungsklausel § 985 Rz 51 ff Garagenunternehmer, Gastwirtehaftung §§ 970, 970a Rz 19 ff Garagierung § 959 Rz 7 ff Gast, Gastwirtehaftung §§ 970, 970a Rz 24 ff Gastwirt, Gastwirtehaftung §§ 970, 970a Rz 1 ff Gastwirtehaftung §§ 970, 970a Rz 1 ff – Anzeigepflicht § 970b Rz 1 ff – Ausschluss §§ 970, 970a Rz 62 ff – Begleiter des Gastes und Fremde §§ 970, 970a Rz 41 ff – eingebrachte Sachen §§ 970, 970a Rz 28 ff – Ende §§ 970, 970a Rz 70 ff – Gast §§ 970, 970a Rz 24 ff – Inhalt und Umfang der Haftung §§ 970, 970a Rz 41 ff – Leute des Wirtes §§ 970, 970a Rz 41 f – nach § 1316 §§ 970, 970a Rz 72 ff – Übernahme zur Aufbewahrung § 970b Rz 8 – unbegrenzte §§ 970, 970a Rz 55 ff – ziffernmäßige Begrenzung der Haftung §§ 970, 970a Rz 49 ff – Zurückbehaltungsrecht § 970c Rz 1 ff Gefälligkeitszusage, Bittleihe § 974 Rz 1 f Gegengeschenk § 942 Rz 1 f 373

Stichwortverzeichnis

Gelddarlehen § 984 Rz 1 Geldkreditvertrag § 983 Rz 10 Geldreallast, Wertsicherungsklausel § 985 Rz 105 Geldsummenschuld § 985 Rz 3 ff, 18 ff Geldwertschuld § 985 Rz 3 ff, 18 ff gemischte Schenkung § 938 Rz 38 ff; § 943 Rz 21 – Form § 943 Rz 22 Geschäftsunfähigkeit, Darlehen § 983 Rz 41 ff Gesellschafterdarlehen, eigenkapitalersetzendes § 983 Rz 60 Gesellschaftsvertrag, Schenkung § 938 Rz 64 ff gesetzliche Zinsen § 1000 Rz 5 ff Gewährleistung – Schenkung § 945 Rz 1 ff – unentgeltliches Darlehen § 945 Rz 7 – Verleiher § 972 Rz 2 Girokonto, Schenkungsform § 943 Rz 15 f Girovertrag § 959 Rz 25 Girovertrag, Darlehen § 983 Rz 57 Goldklausel § 985 Rz 46 ff grober Undank – Schenkungswiderruf § 948 Rz 1 ff; § 949 Rz 1 ff – strafbare Handlungen § 948 Rz 5 ff – unredlicher Besitz § 949 Rz 1 ff – Verzeihung § 949 Rz 2 Grundbuch, Wertsicherungsklausel § 985 Rz 102 ff Hinterleger – Aufopferung eigener Sachen § 967 Rz 10 ff – Aufwandersatz § 967 Rz 3 ff – Befristung der Ansprüche § 967 Rz 13 ff – Befristung der Ansprüche § 967 Rz 13 ff – Schadenersatz § 967 Rz 1 f Indexklausel § 985 Rz 62 ff Kompensationsrecht, Verwahrer § 967 Rz 17 f Konsensualvertrag, Darlehen § 983 Rz 6 ff Kreditvertrag § 983 Rz 8, 11 – Befristung § 989 – Begriff § 988 – Ende § 989 – Leistungsverweigerungsrecht § 991 – Verweigerung der Kreditauszahlung § 991 – vorzeitige Kündigung § 990 374

Stichwortverzeichnis

Kreditzusage – Abtretung § 983 Rz 13 ff – Pfändung § 983 Rz 13 ff – Verpfändung § 983 Rz 13 ff Kulanz, Schenkung § 938 Rz 59 ff Lebensversicherung – Bezugsberechtigung § 956 Rz 33 f – Schenkung § 938 Rz 70 Leihvertrag – Abgrenzung zum Bestandvertrag § 971 Rz 15 – Abgrenzung zum Verwahrungsvertrag § 959 Rz 5 – Abgrenzung zur Schenkung § 971 Rz 14 – Art und Höhe des Schadens §§ 978–980 Rz 8 ff – Begriff § 971 Rz 1 – Benützungsaufwand § 981 Rz 1 f – bestimmte Zeit § 971 Rz 11 f; § 973 Rz 1 ff – bloße Gefälligkeit § 971 Rz 5 – Erhaltungsaufwand § 981 Rz 3 ff – Erhaltungskosten § 981 Rz 1 ff – gemischter Zufall §§ 978–980 Rz 2 – nützlicher Aufwand § 981 Rz 9 f – Realvertrag § 971 Rz 2 f – Schadenersatz § 981 Rz 11 f – Schadenersatz §§ 978–980 Rz 1 ff – Übergabe § 971 Rz 13 – unentgeltlicher Gebrauch § 971 Rz 9 f – unverbrauchbare Sache § 971 Rz 6 ff – Vorvertrag § 971 Rz 4 – vorzeitige Rückforderung § 976 Rz 1 ff – vorzeitige Rückgabe § 977 Rz 1 f – vorzeitige Vertragsauflösung §§ 978–980 Rz 10 – Wiederauffinden der verlorenen Sache §§ 978–980 Rz 9 Leistungsklausel § 985 Rz 54 ff Liegenschaften, wirkliche Übergabe § 943 Rz 10 f Lohnklausel § 985 Rz 58 ff Mangelfolgeschaden, Schenkung § 945 Rz 1 ff nachgeborene Kinder, Schenkungswiderrruf § 954 Rz 1 ff Naturalobligation, Schenkung § 938 Rz 80 f Nebenpflicht, Verwahrung § 960 Rz 9 ff Nebenpflichten, Verwahrer §§ 961–963 Rz 3 ff

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Stichwortverzeichnis

Nominalismus § 985 Rz 3 ff – abgeschwächter § 985 Rz 15 – einfacher § 985 Rz 14 – geldschuldrechtlicher § 985 Rz 14 ff – geldtechnischer § 985 Rz 8 ff – geldtheoretischer s Nominalismus, geldtechnischer – verstärkter § 985 Rz 16 f Notariatsakt – Darlehen § 983 Rz 37 f – Schenkung § 943 Rz 23 ff Notstand, Verwahrer § 964 Rz 17 ff nützlicher Aufwand, Leihvertrag § 981 Rz 9 f Obsorgepflicht, Verwahrer §§ 961–963 Rz 1 f ordentliche Kündigung, Darlehensvertrag § 986 Rz 10 ff partiarisches Darlehen § 983 Rz 49 Pfandrecht, Schenkung § 938 Rz 73 ff Pfändung, Kreditzusage § 983 Rz 13 ff Pflegekosten, Schenkungswiderruf § 947 Rz 1 f Pflichtschenkung §§ 940, 941 Rz 1 ff; § 943 Rz 21 – Form § 943 Rz 21 Pflichtteilsberechtigter, Schenkungswiderruf § 951 Rz 1 ff Prekarium s Bittleihe Realvertrag – Darlehen § 983 Rz 6 ff – Leihvertrag § 971 Rz 2 f – Verwahrungsvertrag § 957 Rz 1 ff remuneratorische Schenkung §§ 940, 941 Rz 1 ff Retentionsrecht – Gastwirtehaftung § 970c Rz 1 ff – Verwahrer § 967 Rz 17 f Rückstellung, Verwahrungsvertrag §§ 961–963 Rz 7 ff Sachdarlehen § 984 Rz 1 Sachwertschuld § 985 Rz 3 ff, 18 ff Safevertrag § 959 Rz 12 ff Schadenersatz – Leihvertrag § 981 Rz 11 f – Schenkung § 938 Rz 71 f Scheingeschäft, Schenkung § 938 Rz 31; § 942 Rz 2

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Stichwortverzeichnis

Schenkung auf den Todesfall – Allgemeines § 955 Rz 1 f – Bedingung § 956 Rz 3 f – Durchsetzung § 956 Rz 14 f – Erfüllung § 956 Rz 14 f – Form § 943 Rz 22; § 956 Rz 7 ff – Sicherung § 956 Rz 12 f – Vererblichkeit § 956 Rz 3 f – Widerruf § 956 Rz 5 f Schenkung – Auflage §§ 940, 941 Rz 6 ff – Begriff § 938 Rz 4 ff – belohnende §§ 940, 941 Rz 1 ff – Bereicherung § 938 Rz 36 – Besitzkonstitut § 943 Rz 8 – Beweislast § 938 Rz 32 ff – Bürgschaft § 938 Rz 73 ff – culpa in contrahendo § 945 Rz 5 – Dienstleistungen § 938 Rz 14 f – Ehepakte § 938 Rz 67 ff – Entgelterhöhung § 938 Rz 59 ff – fremde Sachen § 938 Rz 20 – gegenwärtiges Vermögen § 944 Rz 1 ff – gemischte § 938 Rz 38 ff; § 943 Rz 21 – Gesamtsache § 944 Rz 1 ff – Gesellschaftsvertrag § 938 Rz 64 ff – Gewährleistung § 945 Rz 1 ff – Kulanz § 938 Rz 58 ff – künftige Sachen § 938 Rz 19 – Lebensversicherung § 938 Rz 70 – Mangelfolgeschaden § 945 Rz 1 ff – Naturalobligation § 938 Rz 80 f – Notariatsakt § 943 Rz 23 ff – Pfandrecht § 938 Rz 73 ff – remuneratorische §§ 940, 941 Rz 1 ff – Sache § 938 Rz 10 ff – Schadenersatz § 938 Rz 71 f – Scheingeschäft § 938 Rz 31; § 942 Rz 2 – Schulderlass § 938 Rz 78 – Sicherungsrecht § 938 Rz 73 ff – unkörperliche Sache § 938 Rz 11 ff – Unterlassungspflichten § 938 Rz 16 f – Unternehmen § 938 Rz 18 – Vererblichkeit § 955 Rz 1 f – Vermögen § 938 Rz 18 – Vermögensaufopferung § 938 Rz 36 – Verzicht § 939 Rz 1 ff 377

Stichwortverzeichnis

– Vorkaufsrecht § 938 Rz 63 – Widerruf §§ 946 ff – Wissentlichkeit § 945 Rz 1 ff – Zahlung für einen Dritten § 938 Rz 79 – zukünftiges Vermögen § 944 Rz 2 ff Schenkungsabsicht § 938 Rz 30 Schenkungsform, Girokonto § 943 Rz 15 f Schenkungsvertrag – Form § 943 Rz 1 ff – wirkliche Übergabe § 943 Rz 6 ff Schenkungswiderruf §§ 946 ff – Dürftigkeit § 947 Rz 1 ff – Form § 946 Rz 4 ff – nachgeborene Kinder § 954 Rz 1 ff – Pflegekosten § 947 Rz 1 f – Sozialhilferegress § 947 Rz 1 f – Streitanmerkung § 946 Rz 8 – Undank § 948 Rz 1 ff; § 949 Rz 1 ff – Verjährung § 946 Rz 7; § 949 Rz 8; § 950 Rz 4; § 951 Rz 15 – Verkürzung des Pflichtteiles § 951 Rz 1 ff – Verkürzung des schuldigen Unterhalts § 950 Rz 1 ff Schrankfachvertrag § 959 Rz 12 ff Schulderlass auf den Todesfall § 956 Rz 32 Schulderlass, Schenkung § 938 Rz 78 Schwellenwertklausel, Wertsicherungsklausel § 985 Rz 91 ff Sequestration – Begriff § 968 Rz 1 ff – Besitzesschutz § 968 Rz 4 – Exekutionsverfahren § 968 Rz 6 ff Sicherungsrecht, Schenkung § 938 Rz 73 ff Sittenwidrigkeit, Wertsicherungsklausel § 985 Rz 70 ff sittliche Pflicht, Schenkung §§ 940, 941 Rz 1 ff Sparbuch, Schenkungsform § 943 Rz 14 Spareinlagenvertrag § 959 Rz 24 – Darlehen § 983 Rz 57 Stallwirte, Gastwirtehaftung §§ 970, 970a Rz 19 ff strafbare Handlungen, grober Undank § 948 Rz 5 ff Streitanmerkung, Schenkungswiderruf § 946 Rz 8 Terminsverlust, Darlehen § 986 Rz 16 Tierverstellung § 959 Rz 11 Übergabe auf den Todesfall § 956 Rz 21 ff Übergabevertrag § 938 Rz 51 ff Undank, Schenkungswiderruf § 948 Rz 1 ff; § 949 ‚Rz 1 ff 378

Stichwortverzeichnis

Unentgeltlichkeit § 938 Rz 23; § 942 Rz 1 f Unklarheitenregel, Bittleihe § 975 Rz 1 ff unredlicher Besitz, grober Undank § 949 Rz 1 ff unregelmäßiger Verwahrungsvertrag § 959 Rz 23 – Darlehen § 983 Rz 56 Unterhalt § 938 Rz 48 ff – Schenkungswiderruf wegen Dürftigkeit § 947 Rz 5 – Verkürzung durch Schenkung § 950 Rz 1 ff Unternehmen, Schenkung § 938 Rz 18 Valorismus § 985 Rz 3 ff Vererblichkeit – Schenkung § 955 Rz 1 f – Schenkung auf den Todesfall § 956 Rz 3 f Vergleich, Schenkung § 939 Rz 5 Verjährung, Schenkungswiderruf § 946 Rz 7; § 949 Rz 8; § 950 Rz 4; § 951 Rz 15 Verkürzung des Pflichtteiles, Schenkungswiderruf § 951 Rz 1 ff Verkürzung des schuldigen Unterhalts, Schenkungswiderruf § 950 Rz 1 ff Verleiher – Befristung der Ansprüche § 982 Rz 1 ff – Gewährleistung § 972 Rz 2 Verpfändung, Kreditzusage § 983 Rz 13 ff Vertrag zugunsten Dritter, Schenkungsform § 943 Rz 19 vertragliche Zinsen § 1000 Rz 5 ff Vertretungsbefugnis, Darlehen § 983 Rz 41 ff Verwahrer – Aufrechnungsrecht § 967 Rz 17 f – Befristung der Ansprüche § 967 Rz 13 ff – Benützung der anvertrauten Sache § 965 Rz 4 – Besitzesschutz § 972 Rz 4 – Haftung für Zufall § 964 Rz 16 ff – Nebenpflichten §§ 961–963 Rz 3 ff – Notstand § 964 Rz 17 ff – Obsorgepflicht §§ 961–963 Rz 1 f – Schadenersatz § 964 Rz 1 ff – vertragliche Haftungsbeschränkungen § 964 Rz 9 ff – Verzögerung der Rückstellung § 965 Rz 9 – Weitergabe an einen Dritten § 965 Rz 5 ff – Zurückbehaltungsrecht § 967 Rz 17 f Verwahrung nach dem Depotgesetz § 959 Rz 16 ff Verwahrung – Gegenstand § 960 Rz 1 – Nebenpflicht § 960 Rz 9 ff – Rettung unter Aufopferung § 964 Rz 17 ff

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Stichwortverzeichnis

Verwahrungsvertrag – Abgrenzung § 957 Rz 12 f, § 959 Rz 1 ff; § 960 Rz 3 ff – Abgrenzung zum Bestandvertrag § 959 Rz 6 – Abgrenzung zum Bevollmächtigungsvertrag § 960 Rz 3 ff – Abgrenzung zum Darlehensvertrag § 959 Rz 2 ff – Abgrenzung zum Dienstvertrag § 960 Rz 3 ff – Abgrenzung zum Leihvertrag § 959 Rz 5 – Abgrenzung zum Werkvertrag § 960 Rz 3 ff – entgeltlicher § 968 Rz 1 ff – Fahrzeugeinstellung § 957 Rz 11 – gemischter Zufall § 965 Rz 1 ff – Kleiderverwahrung § 957 Rz 9 f – Lohn § 969 Rz 1 ff – reale Übergabe § 957 Rz 5 f – Realvertrag § 957 Rz 1 ff – Rückstellung §§ 961–963 Rz 7 ff – unentgeltlicher § 968 Rz 1 ff – unregelmäßiger § 959 Rz 23 Verzeihung, grober Undank § 949 Rz 2 Verzicht – Schenkung § 939 Rz 1 ff – Wertsicherungsklausel § 985 Rz 94 f Vorkaufsrecht, Schenkung § 938 Rz 63 Vorschuss § 983 Rz 50 ff Vorvertrag, Leihvertrag § 971 Rz 4 vorzeitige Kündigung, Kreditvertrag § 990 Warenklausel § 985 Rz 54 ff Wechseldiskontvertrag § 983 Rz 59 wechselseitige Schenkung § 942 Rz 1 f Werkvertrag, Abgrenzung zum Verwahrungsvertrag § 960 Rz 3 ff Wertsicherungsklausel § 985 Rz 30 ff – Aufwertungsbetrag § 985 Rz 87 ff – Aufwertungszeitpunkt § 985 Rz 89 f – Bestimmtheit § 985 Rz 38 ff, 96 ff – Geldreallast § 985 Rz 105 – Hypothek § 985 Rz 102 ff – Schwellenwertklausel § 985 Rz 91 ff – Sittenwidrigkeit § 985 Rz 70 ff – Verbücherung § 985 Rz 102 ff – Verzicht § 985 Rz 94 f Wertsicherungsmaßstab – ungewöhnliche Schwankungen § 985 Rz 79 ff – Wegfall § 985 Rz 79 ff Wertsicherungsverbote § 985 Rz 66 ff

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Stichwortverzeichnis

Widerruf – Schenkung §§ 946 ff – Schenkung auf den Todesfall § 956 Rz 5 f wirkliche Übergabe – bewegliche körperliche Sachen § 943 Rz 7 ff – Liegenschaften § 943 Rz 10 f – Rechtsverzicht § 943 Rz 17 f – Schenkungsvertrag § 943 Rz 6 ff – Schulderlass § 943 Rz 17 f – Vertrag zugunsten Dritter § 943 Rz 19 Wissentlichkeit, Schenkung § 945 Rz 1 ff Wohnungsleihvertrag § 971 Rz 15 Zession, Schenkungsform § 943 Rz 12 Zinsen – Begriff § 1000 Rz 2 ff – Fälligkeit § 1000 Rz 18 f – gesetzliche § 1000 Rz 5 ff – vertragliche § 1000 Rz 5 ff Zinseszinsen § 1000 Rz 13 ff Zurückbehaltungsrecht – Gastwirtehaftung § 970c Rz 1 ff – Verwahrer § 967 Rz 17 f Zweckschenkung §§ 940, 941 Rz 9

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Stichwortverzeichnis

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