Gewerbesteuergesetz Kommentar 9783504387730

Der handliche GewStG-Kommentar stellt u.a. Steuerpflicht, Kürzungen, Hinzurechnungen, Verlustabzug, Freibetrag, Zerlegun

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Hidien Gewerbesteuergesetz Kommentar

Hidien

GewSt -Gesetz Kommentar von

Prof. Dr. habil. Jürgen W. Hidien Rechtsanwalt und Steuerberater Münster

Auszug aus dem Loseblattwerk Lippross/Seibel Basiskommentar Steuerrecht

2022

Zitierempfehlung: Hidien, GewSt-Gesetz, 2022, § 1 Rz. 3

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ­http:// dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-20155-5 ©2022 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche­ rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs­ beständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: Reemers Publishing Services GmbH, Krefeld Druck und Verarbeitung: VUA Schaus, Büttelborn Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis Vorwort .............................................................................................................................................. V Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................................... IX Literaturverzeichnis ................................................................................................................. XXXIII Einleitung ................................................................................................................................... XXXV Abschnitt I §1 §2 § 2a §3 §4 §5 §6 Abschnitt II §7 § 7a § 7b §8 § 8a §9 § 10 § 10a § 11 Abschnitt III § 12 und § 13 Abschnitt IV § 14 § 14a § 14b § 15 Abschnitt V § 16 § 17 § 18 § 19 § 20 § 21 § 22 und § 27 Abschnitt VI § 28 § 29 § 30 § 31 § 32 § 33 § 34 § 35 Abschnitt VII § 35a Abschnitt VIII § 35b

Allgemeines Steuerberechtigte ............................................................................................... Steuergegenstand ............................................................................................... Arbeitsgemeinschaften ..................................................................................... Befreiungen ......................................................................................................... Hebeberechtigte Gemeinde ............................................................................. Steuerschuldner ................................................................................................. Besteuerungsgrundlage ..................................................................................... Bemessung der Grundschuld Gewerbeertrag .................................................................................................... Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags einer Organgesellschaft ............................................................................................... Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags bei unternehmensbezogener Sanierung .............................................................. Hinzurechnungen .............................................................................................. (weggefallen) ....................................................................................................... Kürzungen .......................................................................................................... Maßgebender Gewerbeertrag .......................................................................... Gewerbeverlust ................................................................................................... Steuermesszahl und Steuermessbetrag ......................................................... (weggefallen) ....................................................................................................... Steuermessbetrag Festsetzung des Steuermessbetrags ................................................................ Steuererklärungspflicht .................................................................................... Verspätungszuschlag ........................................................................................ Pauschfestsetzung .............................................................................................. Entstehung, Festsetzung und Erhebung der Steuer Hebesatz .............................................................................................................. (weggefallen) ....................................................................................................... Entstehung der Steuer ...................................................................................... Vorauszahlungen ............................................................................................... Abrechnung über die Vorauszahlungen ...................................................... Entstehung der Vorauszahlungen ................................................................. (weggefallen) ....................................................................................................... Zerlegung Allgemeines ........................................................................................................ Zerlegungsmaßstab ........................................................................................... Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten .................................... Begriff der Arbeitslöhne für die Zerlegung ................................................. (weggefallen) ....................................................................................................... Zerlegung in besonderen Fällen ..................................................................... Kleinbeträge ........................................................................................................ (weggefallen) ....................................................................................................... Gewerbesteuer der Reisegewerbebetriebe Gewerbesteuer der Reisegewerbebetriebe .................................................... Änderung des Gewerbesteuermessbescheids von Amts wegen Änderung des Steuermessbescheids von Amts wegen ..............................

1 47 167 169 187 195 203 205 245 251 263 311 313 347 351 401 407 409 417 421 423 425 437 439 443 451 453 455 457 473 483 501 507 509 523 525 527 531 VII

Inhaltsverzeichnis

Abschnitt IX § 35c Abschnitt X § 36 § 37

Durchführung Ermächtigung ..................................................................................................... 539 Schlussvorschriften Zeitlicher Anwendungsbereich ....................................................................... 547 (weggefallen) ....................................................................................................... 557

Stichwortverzeichnis ........................................................................................................................ 559

VIII

Vorwort Gegenstand des Kommentars ist das Gewerbesteuergesetz. Als „Basiskommentar“ will das kompakte Werk der Leserschaft vor diesem komplexen (nicht notwendig komplizierten) Hintergrund grundlegende Informationen zu den einzelnen Vorschriften des GewStG, ihrer Auslegung durch Rechtsprechung und Finanzverwaltung und ihrer Anwendung auf den praktischen Fall bieten. Ein praxisnahes Konzept schließt die Anwendung anerkannter Grundsätze einer praxisorientierten Steuerrechtswissenschaft nicht aus. Die gilt auch für diesen Kommentar aus einer Hand, die einen ersten Themen- und Problemzugriff ermöglichen soll. Er richtet sich besonders an alle interessierten Personen in Staat, Wirtschaft und Verwaltung, die mit dem Gewerbesteuergesetz in Berührung kommen. Dieses Format und der besondere Gegenstand des GewStG legen allerdings gewisse Konzessionen an die klassischen Vorgaben einer Kommentierung nahe. Zum einen hat die Kommentierung regelmäßige Beispiele sowie Übersichten aufgenommen. Zum anderen legt sie zunächst einen Schwerpunkt auf die Darlegung und den Nachweis der Grundzüge der umfangreichen Rechtsprechung, die wegen der Fülle der Judikate der Finanzgerichte nur in ihrem wesentlichen Inhalt dargestellt werden konnte. Sodann werden die relevanten Verwaltungsgrundsätze samt Verwaltungsübung zu den praxisrelevanten Regelungen des Gesetzes im Kontext der Vorschrift erläutert, wie sie etwa in den Gewerbesteuerrechtlinien und sog. Hinweisen zusammengefasst sind. Beide Staatsfunktionen stehen bekanntlich besonders im Steuerrecht in ständiger Wechselwirkung und Deutungskonkurrenz, sind aber vom Gesetzgeber abhängig. Ihre Kenntnis ist für jeden im Steuerrecht Tätigen („Praktiker“ oder „Theoretiker“) ein unentbehrliches Rüstzeug für die tägliche Arbeit. Auf das vielfältige und wachsende Schrifttum, das die bekannten Großkommentare aufarbeiten, kann nur selektiv und zur weiterführenden Vertiefung in den Fußnoten hingewiesen werden. Eine (eingehende) Diskussion von Streitfragen musste unterbleiben. Das grundlegende Fachschrifttum ist eingangs angeführt. Zugleich orientiert sich die Kommentierung grundsätzlich an der Absatz- und Satzfolge der jeweiligen Vorschrift; in einzelnen Fällen (z.B. §§ 1, 2, 7, 10a GewStG) wird diese Form aus rechtssystematischen Gründen durchbrochen. Diese Regelungen und eine Reihe weiterer (z.B. §§ 8, 9, §§ 28 ff. GewStG) bilden auch den inhaltlichen Schwerpunkt. Nicht ganz vernachlässigt werden sollen auch weitere praxisrelevante Aspekte des Verfahrensrechts und Rechtsschutzes, nicht zuletzt auch die verfassungsund unionsrechtlichen Seiten der Steuer. Dies alles soll der besseren inhaltlichen Verständlichkeit des komplizierten Gesetzes dienen. Zugleich muss der Kommentar auf eine Erläuterung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen außerhalb des GewStG schon aus Platzgründen verzichten. Hier hat sich mittlerweile aufgrund der vielfältigen dynamischen Rechtsgrundverweisungen des GewStG (bzw. der Rückverweisungen) ein ausgelagertes gewerbesteuerrechtliches Sonderrecht im Außen-, Umwandlungs- und Insolvenzsteuerrecht entwickelt. Auch insoweit werden in den Fußnoten Querverbindungen hergestellt. Die Kommentierung ist eine ausgewählte Ausgliederung und grundlegende Neubearbeitung des Gesetzes aus dem bewährten „Basiskommentar Steuerrecht“, die Verlag und Herausgeber veranlasst haben. Hierfür dankt der Autor zunächst den beiden Herausgebern Herrn Prof. Dr. Otto-Gerd Lippross, Rechtsanwalt und Steuerberater sowie Herrn Wolfgang Seibel, Vorsitzender Richter am Finanzgericht a.D. Die Erstkommentierung hatte Herr Dipl.-Finw. Manfred Pieper zu verantworten. Mein Dank gilt auch dem Verlag Dr. Otto Schmidt und besonders Frau Dr. Susanne Heiden für ihre stetige Unterstützung. Sie hat den Text geduldig und tatkräftig lektoriert. Nicht zuletzt bedanke ich mich auch bei Herrn Rechtsreferendar Lukas Schmidt, der sich spontan bereit erklärt hatte, das Stichwortverzeichnis zu erstellen. Rechtsstand der Kommentierung ist der 1.3.2022. Das Manuskript wurde im Wesentlichen im Januar 2022 abgeschlossen. Münster, im Februar 2022

Jürgen W. Hidien

V

Abkürzungsverzeichnis A a.A. a.a.O. a.E. a.F. a.M. ABB AbG abgedr. AbgG AbgrR abl. ABl. EG ABl. EU Abs. AbschErhG Abschn. Abt. abw. AbzG abzgl. AcP ADS AdV AEAO AEBewAntBV AEGrV

AELuf

AEUV AfA AfaA AfA-BMG AFG AfK AFRG AfS AG AGB agB AGBG AGFGO

andere(r) Ansicht am angegebenen Ort am Ende alte Fassung anderer Meinung Allgemeine Bedingungen für Bausparverträge der öffentlichen Bausparkassen Abschöpfungserhebungsgesetz abgedruckt Abgabengesetz; Abgeordnetengesetz Ländererlass der FinVerw. betr. die Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvermögen ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (bis Januar 2003) Amtsblatt der Europäischen Union (ab Februar 2003) Absatz Abschöpfungserhebungsgesetz Abschnitt Abteilung abweichend Abzahlungsgesetz abzüglich Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) Adler/Düring/Schmalz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen Aussetzung der Vollziehung Anwendungserlass zur Abgabenordnung Anwendungserlass zur Bewertung des Anteils- und Betriebsvermögens Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts v. 5.5.2009, Bewertung des Grundvermögens nach dem Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des BewG, BStBl. I 2009, 590 Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts v. 1.4.2009, Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nach dem Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des BewG, BStBl. I 2009, 552 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Abschreibung für Abnutzung Abschreibung für außergewöhnliche Abnutzung Bemessungsgrundlage der Abschreibung für Abnutzung Arbeitsförderungsgesetz Archiv für Kommunalwissenschaften (Zeitschrift) Arbeitsförderungs-Reformgesetz Absetzung für Substanzverringerung Amtsgericht; Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Allgemeine Geschäftsbedingungen außergewöhnliche Belastung Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung IX

Abkürzungsverzeichnis

AGVwGO AIG AK AktG ALG allg. Alt. amtl. AmtshilfeRLUmsG ÄndG ÄndVO AnfG Anh. Anl. Anm. AntBewVO AnwBl. AnwZpvV Anz. AO AOA AOÄG AOEGAOÄndG AOK AöR AO-StB aRAP ArbG ArbGG ArbN ArbNErfG ArbNErfVO arg. Art. ASiG AStB AStG ATAD-UmsG ATZG AufenthG Aufl. AuftVO AÜG ausf. AusfG AusfVO AuslInvestmG AuslInvG AuslInvG X

Gesetze zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung Gesetz über steuerliche Maßnahmen bei Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft (Auslandsinvestitionsgesetz) Anschaffungskosten Aktiengesetz Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte allgemein Alternative amtlich Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz Änderungsgesetz Änderungsverordnung Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens (Anfechtungsgesetz) Anhang Anlage Anmerkung Anteilsbewertungsverordnung Anwaltsblatt Anwendungszeitpunktverschiebungsverordnung Anzeiger Abgabenordnung Authorised OECD Approach Gesetz zur Änderung der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung Allgemeine Ortskrankenkasse Archiv des öffentlichen Rechts AO-Steuer-Berater (Zeitschrift) aktiver Rechnungsabgrenzungsposten Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitnehmer Gesetz über Arbeitnehmererfindungen Verordnung über die steuerliche Behandlung der Vergütungen für Arbeitnehmererfindungen argumentum e contrario (Argument, Umkehrschluss) Artikel Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit Allgemeine Bedingungen für die Sturmversicherung Außensteuergesetz Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtline (ATAD-Umsetzungsgesetz) Altersteilzeitgesetz Aufenthaltsgesetz Auflage Aufteilungsverordnung Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ausführlich Ausführungsgesetz Ausführungsverordnung Auslandsinvestmentgesetz Auslandsinvestitionsgesetz Auslandsinvestmentgesetz

Abkürzungsverzeichnis

ausschl. AVB AVG AWD AWDBB AWG Az. AZO B BA BaFin BAFöG BAG BAnz. BAO BAT BauGB BAV Bay., bay. BayFMBl. BayGVBL BayLfSt BayObLG BayRegBl. BayVBL BayVfGH BayVGH BayVGHE BB BBauG BBerG BBEV BBG BBVAnpG Bd. Bdb. BDI BDSG BeamtVG BeckOK BefStG BEG Begr. Beil. BeitrG-EG BerlinFG BerlinHG BErzGG Beschl. beschr. Bespr. BeSt

ausschließlich Allgemeine Versicherungsbedingungen (Vertragsbedingungen) der verschiedenen Versicherungszweige Angestelltenversicherungsgesetz Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters (Zeitschrift) Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Außenwirtschaftsgesetz Aktenzeichen Allgemeine Zollordnung Betriebsaufwendung Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesausbildungsförderungsgesetz Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger Bundesabgabenordnung (Österreich) Bundes-Angestelltentarifvertrag Baugesetzbuch Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen Bayern, bayerisch Bayerisches Finanzministerialblatt Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Bayerisches Landesamt für Steuern Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerisches Regierungsblatt Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Entscheidungen des Bay. Verwaltungsgerichtshofes Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesbaugesetz (veraltet, s.a. BauGB) Bundesberggesetz Beraterbrief Erben und Vermögen (Zeitschrift) Bundesbeamtengesetz Bundesbesoldungs- und -Versorgungsanpassungsgesetz Band Brandenburg Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., Köln Bundesdatenschutzgesetz Gesetz über die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Ländern (Beamtenversorgungsgesetz) Beck'scher Online-Kommentar Beförderungsteuergesetz Bundesentschädigungsgesetz Begründung Beilage EG-Beitreibungsgesetz Berlinförderungsgesetz Gesetz zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) (Berlinhilfegesetz), ab 1970 s.a. BerlinFG Bundeserziehungsgeldgesetz Beschluss beschränkt Besprechung Beratersicht zur Steuerrechtsprechung (Zeitschrift) XI

Abkürzungsverzeichnis

best. bestr. betr. BetrAV BetrAVG BetrV BetrVG BewÄndG BewDV BewG BewRGr BewRL BfA BfBAG BfF BFH BFH/NV BFHE BFH-EntlG BFHG BFM BgA BGB BGBl. BGH BGHLM BGHSt. BGHZ BHG BHO BierStG BIFD BilKomm. BilMoG BImSchG BinnSchG BiRiLiG BIStSozArbR Bj. BKKG BKSt BLIT BMA BMF BMI BMin. XII

bestätigt bestritten betrifft, betreffend Betriebliche Altersversorgung Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz) Betriebsvermögen Betriebsverfassungsgesetz Bewertungsänderungsgesetz Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz Bewertungsgesetz Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens Richtlinien für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens Bundesanstalt für Arbeit Brannweinmonopolverwaltung-Auflösungsgesetz Bundesamt für Finanzen Bundesfinanzhof Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Gesetz zur Entlastung des BFH Gesetz über den Bundesfinanzhof Bundesminister(ium) der Finanzen Betrieb gewerblicher Art Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I oder II Bundesgerichtshof Das Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, begründet von Lindenmaier und Möhring Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Gesetz zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (Berlinhilfegesetz) Bundeshaushaltsordnung Biersteuergesetz Bulletin for International Fiscal Documentation Bilanzkommentar Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) Binnenschiffahrtsgesetz Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zurKoordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz) Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht Baujahr Bundeskindergeldgesetz Basiskommentar Steuerrecht Branch Level Interest Tax Bundesminister(ium) für Arbeit und Sozialordnung Bundesministerium der Finanzen Bundesminister(ium) des Inneren Bundesministerien

Abkürzungsverzeichnis

BMJ BML BMW BMWF BMWi. BNotO BodSchätzG BörsUSt. BP BPflV BpO BpOSt BPT BR BRAGO BRAK BranntwMonG BRAO BRD BR-Drucks. BReg. Brexit Brexit-StBG BRH BRKG BRRG BRZG BSG BsGaV BSGE BSHG BSpKG BStBl. BT BT-Drucks. BTHG BuchO Buchst. BUKG BUrlG BuW BV BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE

Bundesminister(ium) der Justiz Bundesminister(ium) für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bayerische Motorenwerke Bundesminister(ium) für Wirtschaft und Finanzen Bundesminister(ium) für Wirtschaft Bundesnotarordnung Gesetz über die Schätzung des Kulturbodens (Bodenschätzungsgesetz) Börsenumsatzsteuer Betriebsprühing Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Bundespflegesatzverordnung) Betriebsprüfungsordnung Betriebsprüfungsordnung (Steuer) Branch Profits Tax Bundesrat Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte Bundesrechtsanwaltskammer-Mitteilungen Gesetz über das Branntweinmonopol Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrepublik Deutschland Drucksachen des Bundesrates Bundesregierung Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien aus der Europäischen Union Brexit-Steuerbegleitgesetz Bundesrechnungshof Gesetz über die Reisekostenvergütung für die Bundesbeamten, Richter im Bundesdienst und Soldaten (Bundesreisekostengesetz) Beamtenrechtsrahmengesetz Bundeszentralregistergesetz Bundessozialgericht Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bundessozialhilfegesetz Gesetz über Bausparkassen Bundessteuerblatt Teil I, II oder III Bundestag Drucksachen des Bundestages Bundesteilhabegesetz Buchungsordnung Buchstabe Gesetz über die Umzugskostenvergütung und das Trennungsgeld für die Bundesbeamten, Richter im Bundesdienst und Soldaten (Bundesumzugskostengesetz) Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) Betrieb und Wirtschaft, Zeitschrift für Rechnungswesen, Steuern, Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht im Betrieb Betriebsvermögen Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts XIII

Abkürzungsverzeichnis

BVFG BVG

bzgl. BZSt bzw.

Bundesvertriebenengesetz Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz) II. Berechnungsverordnung Baden-Württemberg Bundeswahlgesetz Gesetz zur Neuordnung des Schuldbuchrechts des Bundes und der Rechtsgrundlagen der Bundesschuldenverwaltung (Bundeswertpapierverwaltungsgesetz) bezüglich Bundeszentralamt für Steuern beziehungsweise

C Cpd-Konto

conto pro diverse

BVII BW BWahlG BWpVerwG

D d.h. D/J/P/W D/P/P/M D/W DA-FamEStG DA-FamRb

Darst. DATEV DB DBA DBW DDR De-Mail-G DepotG ders. DG DGStZ dies. DIHT Diss. DJT DJZ DK DM DMBilG DNeuG DNotZ Dok. DÖV DöW DR DRE DRiG XIV

das heißt Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungsteuerrecht Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung Dienstanweisung zur Durchführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des EStG Dienstanweisung zur Durchführung von Rechtsbehelfsverfahren im Zusammenhang mit dem steuerlichen Familienleistungsausgleich nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes und zur Rechtsbehelfsliste/-statistik Darstellung Datenverarbeitungsorganisation des steuerberatenden Berufes in der Bundesrepublik Deutschland eG Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen Die Betriebswirtschaft Deutsche Demokratische Republik De-Mail-Gesetz Depotgesetz derselbe Dachgeschoss Deutsche Gemeindesteuerzeitung dieselbe(n) Deutscher Industrie- und Handelstag Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung Der Konzern (Zeitschrift) Deutsche Mark Gesetz über die Eröffnungsbilanz in Deutscher Mark und die Kapitalneufestsetzung Dienstrechtsneuordnungsgesetz Deutsche Notar-Zeitschrift Dokument Die öffentliche Verwaltung Die öffentliche Wirtschaft Deutsches Recht Disregarded Entity (US) Deutsches Richtergesetz

Abkürzungsverzeichnis

DRiZ Drucks. DSGVO, DS-GVO DStBl. DStG DStJG DStP DStR DStRE DStZ DStZ/A DStZ/B DStZ-E DSV DSWR DüMSichG DurchfBest. DV DVB1. DVO DVR DVStBerG

Deutsche Richter-Zeitung Drucksache EU-Datenschutz-Grundverordnung Deutsches Steuerblatt Deutsche Steuergewerkschaft Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. (Tagungsbände) Deutsche Steuer-Praxis Deutsche Steuerrundschau; ab 1962: Deutsches Steuerrecht Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Ausgabe A) bis 1979 Deutsche Steuerzeitung (Ausgabe B) bis 1979 Deutsche Steuerzeitung (Eildienst) Die Sozialversicherung (Zeitschrift) Datenverarbeitung in Steuer, Wirtschaft und Recht (Zeitschrift) Gesetz zur Sicherung der Düngemittel und Saatgutversorgung Durchführungsbestimmungen Durchführungsverordnung Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungsverordnung Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes

E € -E e.A. e.G. e.V. EAS EC Tax Review EDV EFG EFH EFTA EG EGAktG EGAO EG-BeitrG EGBGB EG-EStRG EGHGB EGInsO EGInsOÄndG EGKS EGKStRG EG-RL EGV EGVP EhrenamtsStärkG EigZulG Einf. Einf.Schr. EinfGRealStG EinigungsV

Euro (Gesetzes-) Entwurf einstweilige Anordnung eingetragene Genossenschaft eingetragener Verein Express-Antwort-Service des BMF (Österreich) European Communities Tax Review (Zeitschrift) Elektronische Datenverarbeitung Entscheidungssammlung der Finanzgerichte (Zeitschrift) Einfamilienhaus Europäische Freihandelszone (European Free Trade Area) Europäische Gemeinschaften; Einführungsgesetz; Erdgeschoss Einführungsgesetz zum Aktiengesetz Einführungsgesetz zur Abgabenordnung 1977 EG-Beitreibungsgesetz Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Einkommensteuerreformgesetz Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Änderungsgesetz des Einführungsgesetzes zur Insolvenzverordnung Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Einführungsgesetz zum Körperschaftsteuerreformgesetz Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach Ehrenamtsstärkungsgesetz Eigenheimzulagengesetz Einführung Einführungsschreiben Einführungsgesetz zu den Realsteuern Einigungsvertrag XV

Abkürzungsverzeichnis

Einl. einschl. einstw. EK EL elDAS-VO

ELSTER EMoG EMZ EnergieSt. EnergieStG EntlG Entsch. Entw. EntwLStG ErbbauRG ErbbRVO ErbStDV ErbStG ErbStH ErbStR ErbStVA ErfVO ErgAbG Erg-Abk. Erl. ERVFördG ERVFördG ErWW ESF ESt. EStÄndG EStÄR EStB EStDV EStG EStH ESt-Kartei ESt-Pflicht EStR EStRG ET et al. XVI

Einleitung einschließlich einstweilig(e) Eigenkapital einer Kapitalgesellschaft Ergänzungslieferung elDAS-Verordnung (electronic IDentification, Authentication and trust Services); Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG Elektronische Steuererklärung Elektromobilitätsgesetz Ertragsmesszahl Energiesteuer Energiesteuergesetz (ersetzt MinöSt.) Entlastungsgesetz Entscheidung Entwurf Gesetz über steuerliche Maßnahmen zur Förderung von privaten Kapitalanlagen in Entwicklungsländern (EntwicklungsländerSteuergesetz) Gesetz über das Erbbaurecht Erbbaurechtsverordnung Erbschaftsteuer-Durchfuhrungsverordnung Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Erbschaftsteuerhinweise Erbschaftsteuer-Richtlinien Allg. Verwaltungsvorschrift für die Erbschaftsteuer Verordnung über die einkommensteuerliche Behandlung der freien Erfinder Gesetz über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (Ergänzungsabgabegesetz) Ergänzungsabkommen Erlass; Erläuterung Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten Ersatzwirtschaftswert Europäischer Sozialfonds Einkommensteuer Einkommensteuer-Änderungsgesetz Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien Ertrag-Steuer-Berater (Zeitschrift) Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Amtliches Einkommensteuer-Handbuch (enthält ab 1993 neben den EStR als allgemeiner Verwaltungsvorschrift die Hinweise des BMF zu den einzelnen Richtlinientexten) Einkommensteuer-Kartei Einkommensteuerpflicht Einkommensteuerrichtlinien Gesetz zur Reform der Einkommensteuer, des Familienlastenausgleichs und der Sparförderung (Einkommensteuerreformgesetz) European Taxation (Zeitschrift) et alii

Abkürzungsverzeichnis

etc. ETWohnung EU EUAHiG EUBeitrG EuGH EuGHE EuGH-URep EuRHÜbk EUSt. EUStÄndV EUStBV EuZW ev. E-VSF evtl. EW EWG EWG-Vertrag EWIV EWIV-VO EWR EWS EZ F F. f.; ff. F/W/B/S F/W/K FA FAG FamRZ FCP FCPR FCR FELEG FeuerschStG ff. FG FGB FGO FHF Fifo FinArch. FinAusglG FinAussch. FinBeh. FinMin. FinSen. FinVerw. FIS-Status

et cetera Eigentumswohnung Europäische Union Gesetz über die Durchführung der gegenseitigen Amtshilfe in Steuersachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union EU-Beitreibungsgesetz Europäischer Gerichtshof Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften EuGH-Umsatzsteuerreport Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen Einfuhrumsatzsteuer Verordnung zur Änderung der EinfuhrumsatzsteuerBefreiungsverordnung Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) evangelisch Elektronische Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung eventuell Einheitswert Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung Verordnung zur EWIV Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) Erhebungszeitraum Fach folgende; fortfolgende Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA Deutschland-Schweiz Finanzamt Finanzausgleichsgesetz Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fonds commun de placement Fonds Commun de Placement à Risque Fondo capital riesgo Gesetz zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit Feuerschutzsteuergesetz fortfolgende (mehrere Seiten) Finanzgericht Familiengesetzbuch der DDR Finanzgerichtsordnung Fachhochschule für Finanzen First in first out Finanzarchiv Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern Finanzausschuss des Deutschen Bundestages Finanzbehörde Finanzministerium Finanzsenator Finanzverwaltung Fonds d'Investissement Spécialisé XVII

Abkürzungsverzeichnis

FK FKPG FlaggRG fm FMB1. fmo.R. Fn. Fondo Chiuso FördG FoStoG

FR FRL FS FSJ-G FusRL Fußn. FuSt. FVerlV FVG FzgLiefMeldV FZV G G/K/G GA GAL GATT GAufzV GBl. GBO GbR GdB GDL GebO gem. GEMA GenG GerVollz. Ges. GesO Gewinnerm. GewO GewStDV GewStDVO GewStG

XVIII

Fremdkapital einer Kapitalgesellschaft Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe (Flaggenrechtsgesetz) Festmeter Finanzministerialblatt Festmeter ohne Rinde Fußnote Fondi Comuni de Investimento Gesetz über Sonderabschreibungen und Abzugsbeträge im Fördergebiet (Fördergebietsgesetz) Gesetz zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1160 zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG und 2011/61/EU im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Vertrieb von Organismen für gemeinsame Anlagen (Fondsstandortgesetz) Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Fusions-Richtlinie Festschrift Gesetz zur Förderung eines Freiwilligen Sozialen Jahres Fusionsrichtlinie Fußnote Finanzen und Steuern Funktionsverlagerungsverordnung Gesetz über die Finanzverwaltung (Finanzverwaltungsgesetz) Fahrzeuglieferungs-Meldepflichtverordnung Fahrzeug-Zulassungsverordnung Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA Generalanwalt Gesetz über die Altershilfe für Landwirte Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade) Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung Gesetzblatt Grundbuchordnung Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes Grad der Behinderung Gesetz über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen Gebührenordnung gemäß Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Gerichtsvollzieher Gesetz Gesamtvollstreckungsordnung Gewinnermittlung Gewerbeordnung Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung Gewerbesteuergesetz

Abkürzungsverzeichnis

GewStHebeBV MV GewStR GFG GFRG GG gg. ggf. GKG GKKB gl.A. gLE GLEIF GmbH GmbH & Co. KG GmbH i.A. GmbH i.L. GmbHG GmbHR GmbH-StB GmS GmSOBG GmSOGB GNOFÄ GO GOA GoB GoS GP Gr. grds. GrESt GrEStDV GrEStEigWoG GrEStG GrEStWoBauG GRG GrS GrStErlVO GrStG GrStRefG GrStRefUG GrSZ GRUR GS GStB GuV-Rechnung GVBL GVG

Landesverordnung zur Bestimmung der gewerbesteuerlichen Hebeberechtigung in gemeindefreien Hoheitsgebieten des Landes Mecklenburg-Vorpommern Gewerbesteuer-Richtlinien Gemeindefinanzierungsgesetz Gesetz zur Neuordnung der Gemeindefinanzen (Gemeindefinanzreformgesetz) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegen gegebenenfalls Gerichtskostengesetz Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage gleicher Ansicht gleich lautende Erlasse Global Legal Entity Identifier Foundation Gesellschaft mit beschränkter Haftung Kommanditgesellschaft, deren Komplementärin eine GmbH ist GmbH in Auflösung GmbH in Liquidation GmbH-Gesetz GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GmbH-Steuerberater (Zeitschrift) Gemeinsamer Senat Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Grundsätze zur Neuorganisation der Finanzämter und zur Neuordnung des Besteuerungsverfahrens Gemeindeordnung Gebührenordnung für Architekten Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung Grundsätze ordnungsmäßiger Speicherbuchführung General Partnership Gruppe grundsätzlich Grunderwerbsteuer Durchführungsverordnung zum Grunderwerbsteuergesetz Gesetz zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen Grunderwerbsteuergesetz Gesetz über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau (Nordrhein-Westfalen) Gesundheits-Reformgesetz Großer Senat Grundsteuererlassverordnung Grundsteuergesetz Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (Grundsteuer-Reformgesetz) Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz Großer Senat in Zivilsachen Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gedächtnisschrift, Gesetzessammlung Gestaltende Steuerberatung (Zeitschrift) Gewinn- und Verlustrechnung Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz XIX

Abkürzungsverzeichnis

GVKostG GWB GWG H H

Gesetz über Kosten der Gerichtsvollzieher Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Geldwäschegesetz

Hifo HK HOAI HöfeO HRefG HRR Hrsg. HStruktG

Hinweis des BMF im Amtlichen Einkommensteuer- bzw. Lohnsteuer-Handbuch (ggf. mit Stichwort); Zitierweise (z.B.): „H 44 (Entnahme eines Gebäudes) EStH“ herrschende Lehre herrschende Meinung Hektar Habilitation Heimarbeitsgesetz Halbsatz Handwerkordnung Handelsbilanz Handelsbilanz 2 Hypothekenbankgesetz Hamburg Handbuch Handbuch des Jahresabschlusses Handbuch der Unternehmensbesteuerung Handwörterbuch Hessen, hessisch Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung Handelsgesetzbuch Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Kommentar Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar Highest in first out Herstellungskosten Honorarordnung für Architekten und Ingenieure Höfeordnung Handelsrechtsreformgesetz Höchstrichterliche Rechtsprechung Herausgeber Haushaltsstrukturgesetz

I i.d.F. i.d.F.d. i.d.R. i.d.S. i.E. i.e.S. i.H.d. i.H.v. i.S. i.S.d. i.S.v. i.V. i.V.m. i.w.S. IAS IBFD IDNrG

in der Fassung in der Fassung der/des in der Regel in diesem Sinne im Einzelnen im engeren Sinne in Höhe des/der in Höhe von im Sinne im Sinne des/der im Sinne von in Verbindung in Verbindung mit im weiteren Sinne International Accounting Standard International Bureau of Fiscal Documentation Identifikationsnummerngesetz

h.L. h.M. ha Habil. HAG Halbs. HandwO HB HB II HBG Hbg. Hdb. HdJ HdU Hdwb. Hess., hess. HFR HGB HHR HHSp

XX

Abkürzungsverzeichnis

IdW, IDW IFA IFRS IHKG Inc. IndSt. INF Inh. inkl. insb. insges. InsO InsolvSt Intertax InvestStG InvFR InvG InvHG InvStG InvZulG IPO IPrax IRG IRS IStR ITPJ IWB J JA JAktAV

Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V., Düsseldorf International Fiscal Association International Financial Reporting Standard Gesetz über die Industrie- und Handelskammern Incorporated Industrie und Steuer Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) Inhalt inklusive insbesondere insgesamt Insolvenzordnung Insolvenzen und Steuern International Tax Review (Zeitschrift) Investmentsteuergesetz Investitionsfondsrichtlinie (Österreich) Investmentgesetz Investitionshilfegesetz Investmentsteuergesetz Investitionszulagengesetz Initial Public Offering Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Gesetz über die internationale Hilfe in Strafsachen Internal Revenue Service Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) International Transfer Pricing Journal (Zeitschrift) Internationale Wirtschaftsbriefe für Handel, Steuer- und Wirtschaftsrecht

JAVO JbFStR; JbFASt. Jg(e). JGG JKomG JMB1. JR JStErgG JStErgG JStG Jura JurBüro jurisPR JuS JV JVEG JZ

Juristische Arbeitsblätter Verordnung über die Aufbewahrung und Speicherung von Justizakten (Justizaktenaufbewahrungsverordnung) Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Jahrgang (Jahrgänge) Jugendgerichtsgesetz Justizkommunikationsgesetz Justizministerialblatt Juristische Rundschau Jahressteuerergänzungsgesetz Jahressteuer-Ergänzungsgesetz Jahressteuergesetz Juristische Ausbildung Das Juristische Büro (Zeitschrift) juris Praxisreport Juristische Schulung Joint Venture Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz Juristenzeitung

K K/S/M KaffeeStG KAG

Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kaffeesteuergesetz Kommunalabgabengesetz(e) XXI

Abkürzungsverzeichnis

KAGG Kap. KapErhG

KVStG KWG

Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kapitel Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Verschmelzung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln Verordnung zur Durchführung des Steuerabzugs vom Kapitalertrag Kapitalertragsteuer Kapitalgesellschaft Verordnung zur Durchführung des Steuerabzugs vom Kapitalertrag katholisch Kindergeldauszahlungsverordnung Kraftfahrt-Bundesamt Kleinbetragsverordnung Körperschaft des öffentlichen Rechts Kommentierte Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) Kraftfahrzeug Kammergericht; Kommanditgesellschaft Kreditgewinnabgabe Kommanditgeselschaft auf Aktien Jahrbuch der Entscheidungen des Kammergerichts Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze Kirchensteuer-Durchführungsverordnung Kirchensteuergesetz Kirchensteuerrahmengesetz kleine und mittlere Unternehmen Konkursordnung Kommentar Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts koordiniert Kölner Steuerdialog (Zeitschrift) Kostenordnung Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung Kraftfahrzeugsteuergesetz kritisch Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften Körperschaftsteuer Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuerpflicht Körperschaftsteuer-Richtlinien Kommunale Steuer-Zeitschrift Gesetz über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten Kapitalverkehrsteuergesetz Gesetz über das Kreditwesen

L L/B/P LA LAG LArbG LBH

Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht Lastenausgleich Landesarbeitsgericht; Lastenausgleichsgesetz Landesarbeitsgericht Littmann/Bitz/Hellwig, EStG, Kommentar

KapErhStG KapErtrStDV KapESt KapGes. KapStDV kath. KAV KBA KBV KdöR KFR Kfz KG KGA KGaA KGJ KHG KiStDV KiStG KiStRG KMU KO Komm. KöMoG koord. KÖSDI KostO KraftStDV KraftStG krit. KroatienAnpG KSt. KStDV KStG KStPflicht KStR KStZ KSVG

XXII

Abkürzungsverzeichnis

LBO LdF LeuchtmStG LFA lfd. Lfg. LfSt LG li.Sp. Lifo lit. LLC LLLP LLP LP LPartG Ls. LSG LStÄR LStDV LStH LStJA LStPflicht LStR lt. Ltd. LuF LuftRG LVO LwAnpG LwRentBkG M m. Anm. m.a.W. m.E. m.R. m.w.N. MA max. MdE MDR MFH Mill. MinBIFin. MinBIWF MinBL mind. MinöStDV MinöStG Mio.

Leveraged Buy-Out Landesminister der Finanzen Leuchtmittelsteuergesetz Landesfinanzamt laufend Lieferung Landesamt für Steuern Landgericht linke Spalte Last in first out Buchstabe (litera) Limited Liability Company Limited Liability Limited Partnership Limited Liability Partnership Limited Partnership Lebenspartnerschaftsgesetz Leitsatz Landessozialgericht Lohnsteuer-Änderungsrichtlinien Lohnsteuer-Durchführungsverordnung Amtliches Lohnsteuer-Handbuch (enthält ab 1999 neben den LStR als allgemeiner Verwaltungsvorschrift die Hinweise des BMF zu den einzelnen Richtlinientexten) Lohnsteuer-Jahresausgleich Lohnsteuerpflicht Lohnsteuerrichtlinien laut Private Company Limited by Shares, Limited Land- und Forstwirtschaft Gesetz über Recht an Luftfahrzeugen Landesverordnung Gesetz über die strukturelle Anpassung der Landwirtschaft an die soziale und ökologische Marktwirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik Gesetz über die Landwirtschaftliche Rentenbank mit Anmerkung(en) mit anderen Worten meines Erachtens mit Recht mit weiteren Nachweisen Musterabkommen maximal Minderung der Erwerbsfähigkeit Monatsschrift für Deutsches Recht Mehrfamilienhaus Milliarden Ministerialblatt des Bundesministers der Finanzen Ministerialblatt des Bundesministers der Finanzen und des Bundesministers für Wirtschaft Ministerialblatt mindestens Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes Mineralölsteuergesetz Millionen XXIII

Abkürzungsverzeichnis

MiStra MitArbKapBetG

mtl. MTR MüKo MuSchG MV MwSt. MwStSystRL

Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen Gesetz zur steuerlichen Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung (Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz) Gesetz zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz) Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten monatlich Mutter-Tochter-Richtlinie Münchner Kommentar Mutterschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern Mehrwertsteuer Mehrwertsteuersystemrichtlinie

N n.F. n.v. NATO NBw. ND Nds., nds. NJW NL Nr. nrkr. NSt. NStZ NStZ-RR NV NVwZ-RR NW NWB NZB NZG

neue Fassung nicht veröffentlicht Nordatlantische Verteidigungsorganisation Neue Betriebswirtschaft Nutzungsdauer Niedersachsen, niedersächsisch Neue Juristische Wochenschrift Niederlande Nummer nicht rechtskräftig Neues Steuerrecht von AZ Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht – Rechtsprechungsreport Nicht-Veranlagung Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungsreport Nordrhein-Westfalen Neue Wirtschafts-Briefe Nichtzulassungsbeschwerde Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

MOG MoMiG MoPeG MoRaKG MRK

O o.a. o.ä. o.g. o.V. OECD OECD-MA OECD-MK OFD öff. öffentl.-rechtl. OFH OFPräs. XXIV

oben angeführt oder ähnlich oben genannt ohne Verfasser Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organization for Economic Cooperation and Development) OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen OECD-Musterkommentar Oberfinanzdirektion öffentlich öffentlich-rechtlich Oberster Finanzgerichtshof Oberfinanzpräsident

Abkürzungsverzeichnis

OG OGH oHG OLG OT OVG OwiG OZG P p.a. PartGG PatG PAuswG Pers. PersGes. PfändfreiGrBek PflegeVG phG PIStB PKH PKoFoG Pkw plc Pos. PostG PostVerfG pRAP PRICAF-Status Privak ProgrVorb PrOVG PrOVGE PSG PTLP PTNeuOG PublG PV R R R. R/H/vL RA RabelZ RAG RAO RAP RBewDV Rdsch. RdSchr. RdV

Organgesellschaft; Obergeschoss Oberster Gerichtshof des Bundes offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Organträger Oberverwaltungsgericht Ordnungswidrigkeitengesetz Onlinezugangsgesetz per annum Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Patentgesetz Personalausweisgesetz Person(en) Personengesellschaft Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung Pflege-Versicherungsgesetz persönlich haftender Gesellschafter Praxis Internationale Steuerberatung (Zeitschrift) Prozesskostenhilfe Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz Personenkraftwagen Public Limited Company Position Gesetz über das Postwesen Gesetz über die Unternehmensverfassung der Deutschen Bundespost passive Rechnungsabgrenzungsposten Private equity à capital fixe Private Equity bevak Progressionsvorbehalt Preußisches Oberverwaltungsgericht Entscheidungssammlung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts Pflegestärkungsgesetz Publicly Traded Limited Partnership Gesetz zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz) Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (Publizitätsgesetz) Privatvermögen Richtlinientext aus den EStR ab 1993; Zitierweise (z.B.): „R 44 Abs. 7 EStR“ Rechtsspruch Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz Rechtsanwalt Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Zeitschrift) Reichsarbeitsgericht Reichsabgabenordnung Rechnungsabgrenzungsposten Reichsbewertungs-Durchführungsverordnung Rundschau Rundschreiben Rückstellung für drohende Verluste XXV

Abkürzungsverzeichnis

RdVfg. RE re.Sp. RealStZustGDV NW

RStBl. RT RT-Drucks. RVO RWP Rz.

Rundverfügung Rechnungseinheiten rechte Spalte Gesetz über die Zuständigkeit für die Festsetzung und Erhebung der Realsteuern Nordrhein-Westfalen Referentenentwurf Regierungsblatt Regierungsentwurf Real Estate Investment Trust Gesetz über deutsche Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen Ausführungsbestimmungen zum Rennwett- und Lotteriegesetz Rennwett- und Lotteriegesetz Revision Reichsfinanzausgleichsgesetz Reichsfinanzhof Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs Amtsblatt der Reichsfinanzverwaltung Reichsfinanzministerium Reichsgericht Reichsgesetzblatt (Teile I und II) Rheinland-Pfalz Regelherstellungskosten Richtlinie(n) Richtlinien für die Strafverfahren und die Bußgeldverfahren Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten Recht der internationalen Wirtschaft (bis 1974: Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters) rechtskräftig Richtlinie römisch-katholisch Rechtspflegergesetz Rechtssache Rechtsprechung Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes Reichssteuerblatt (1920–1945) Reichstag Reichstags-Drucksache Rechts Verordnung; Reichsversicherungsordnung Rechts- und Wirtschaftspraxis Randzahl

S s. S. s.a. S.A. s.E. s.o. s.u. S/K/K SA Sàrl Sa.-Anh.

siehe Seite siehe auch Société anonyme; Sociéta a accomandita seines Erachtens siehe oben siehe unten Strunk/Kaminski/Köhler, AStG und OECD-MA societe anonyme Société à responsabilité limitée Sachsen-Anhalt

RefE RegBl. RegE REIT REITG RennwLottAB RennwLottG Rev. RFAG RFH RFHE RFinBl. RFM RG RGBL Rh.-Pf. RHK Richtl. RiSTBV RiVAST RiW/AWD rkr. RL röm.-kath. RPflG Rs. Rspr. RsprEinhG

XXVI

Abkürzungsverzeichnis

Saarl. SachenRBerG Sachs., sächs. Sb. SC sc. SCA Schl.-Holst. Schr. Schr. SchRegO SchwbG SCR SCS SE SEEG SEStEG SEStEG SG SGB SGb. SGG SICAF SICAR-Status SICAV SIF SIF-Status Slg. SNC sog. SolZG Soparfi SortSchG Sp. SpA SparPDV SparPG SpTrUG SrC st. st.Rspr. StabG StÄndG StandOG StAnpG StB StBereinigungsG StBerG Stbg StBGebV

Saarland Sachenrechtsbereinigungsgesetz Sachsen, sächsisch Sonderband; Sammelband Sociedad en comandita scilicet (nämlich, versteht sich) Société en Commandite par Actions Schleswig-Holstein Schreiben Schreiben Schiffsregisterordnung Schwerbehindertengesetz Sociedad capital riesgo Société en Commandite Simple Societas Europea Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften Sozialgericht Sozialgesetzbuch Die Sozialgerichtsbarkeit Sozialgerichtsgesetz Société d'nvestissement à capital fixe Société d'investissement en capital à risque Société d'investissement à capital variable Fonds d'investissement spécialisé Spezialisierter Investmentfonds Amtliche Sammlung der EuGH Entscheidungen Société en nom collectif so genannt Solidaritätszuschlaggesetz Société de Participations Financieres Sortenschutzgesetz Spalte Societa per Azioni Verordnung zur Durchführung des Spar-Prämiengesetzes Spar-Prämiengesetz Gesetz über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen Sociedad regular colecitva ständig(e) ständige Rechtsprechung Gesetz zur Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft Steueränderungsgesetz Standortsicherungsgesetz Steueranpassungsgesetz Der Steuerberater (Zeitschrift) Steuerbereinigungsgesetz Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (Steuerberatungsgesetz) Die Steuerberatung (Zeitschrift) Steuerberatergebührenverordnung XXVII

Abkürzungsverzeichnis

StBil. StbJb StbKongrRep. StBp StBW StEd StEK StEL StEntlG SteuerHBekV steuerl. SteuerVO-ÄndVO SteuK StF StFG StG StGB StJ StKongrRep. stl. StLex StMBG StNOG StPflicht StPO StQ StR str. StRefG StRefKomm. StrVfAusgG StSäumG StSenkG StStud. StuB StuF StUmgBG StundO StuW StVereinfG StVergAbG StVj. StVollzG StWa StWK SubvG SVG SWI

XXVIII

Steuerbilanz Steuerberater-Jahrbuch Steuerberaterkongress-Report Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) Steuerberater Woche (Zeitschrift) Steuer-Eildienst (Zeitschrift) Felix, Carlé, Steuererlasse in Karteiform, Loseblatt und CD-ROM Steuerrechtliche Entscheidungen zur Land- und Forstwirtschaft Steuerentlastungsgesetz Steuerhinterzeihungsbekämpfungsverordnung steuerlich Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen Steuerrecht kurzgefasst (Zeitschrift) Steuern und Finanzen Gesetz zur Errichtung eines Finanzmarkt- und eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds – Stabilisierungsfondsgesetz Steuergesetz Strafgesetzbuch Steuerjournal (Zeitschrift) Steuerkongreß-Report (ab 1977: Steuerberaterkongress-Report) steuerlich Steuerlexikon Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts Steuerneuordnungsgesetz Steuerpflicht Strafprozessordnung Die Quintessenz des steuerlichen Schrifttums Steuerrecht streitig Steuerreformgesetz Steuerreformkommission Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens Steuersäumnisgesetz Steuersenkungsgesetz Steuer und Studium Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) Steuer und Finanzen Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz Stundungsordnung Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Steuervereinfachungsgesetz Steuervergünstigungsabbaugesetz Steuerliche Vierteljahresschrift Strafvollzugsgesetz Steuerwarte Steuer- und Wirtschaftskurzpost Gesetz gegen missbräuchliche Inanspruchnahme von Subventionen (Subventionsgesetz) Soldatenversorgungsgesetz Steuer & Wirtschaft International (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis

T t T/K TabStG TabStV TDM TeeStG Thür., thür. TKG TMTP TNI TPIR Tz. U u.a. u.ä. u.E. u.U. u.W. Ubg UBGG UID-Nr. U-Kartei UmwG UmwStG unbeschr. UnvStRefG UR UrhG Urt. USt. UStAE UStÄndG UStÄR UStB UStBG UStDB UStDV UStErstVO UStG USt-IdNr. UStR USt-RL usw. UVR uvZTA UWG

Tonne Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung (Loseblattwerk) Tabaksteuerzeichengesetz Verordnung zur Durchführung des Tabaksteuergesetzes Tausend Deutsche Mark Teesteuergesetz Thüringen, thüringisch Telekommunikationsgesetz Tax Management Transfer Pricing (Zeitschrift) Tax Notes International (Zeitschrift) Tax Planning International Review (Zeitschrift) Textziffer unter anderem, und andere und ähnliche(s) unseres Erachtens unter Umständen unseres Wissens Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) Gesetz über Unternehmensbeteiligungen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer Umsatzsteuerkartei Umwandlungsgesetz Umwandlungssteuergesetz unbeschränkt Investmentsteuerreformgesetz Umsatzsteuer-Rundschau Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) Urteil Umsatzsteuer Umsatzsteuer-Anwendungserlass Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Änderung der Umsatzsteuer-Richtlinien 1988 Umsatz-Steuer-Berater (Zeitschrift) Umsatzsteuerbinnenmarktgesetz Umsatzsteuerdurchführungsbestimmung(en) Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung Verordnung über die Erstattung von Umsatzsteuer an ausländische ständige diplomatische Missionen und ihre ausländischen Mitglieder Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuer-Identifikationsnummer Umsatzsteuer-Richtlinien Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer und so weiter Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht unverbindliche Zolltarifauskunft für Umsatzsteuerzwecke Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

XXIX

Abkürzungsverzeichnis

V v. v.d.H. v.H. v.T. V/L VA VAG VAK VAO Var. VAT VBL VE Verf. VerfGH VerfModG VerglO VermBG VerschG VersR VersStDV VersStG VerwArch Verz. Vfg. VG vGA VGH vgl. vgl.a. VO VOL VollStrA VollstrVergVO VollzA VollzBeamter Vorb., Vorbem. Vorbesch. vorl. VOStSäumnG VRG VRG VRspr. VS VSF VStG VStR VuG-Rechnung VuV VVaG VVDStRL XXX

vom von der Höhe vom Hundert vom Tausend Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen Verwaltungsakt Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz) Vollarbeitskraft Verwaltungsanordnung Variante Value Added Taxe Verwaltungsblätter Vieheinheiten Verfassung; Verfasser Verfassungsgerichtshof Gesetz zur Modernisierung des Besteuerumgsverfahrens Vergleichsordnung Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer (Vermögensbildungsgesetz) Verschollenheitsgesetz Versicherungsrecht Versicherungsteuer-Durchführungsverordnung Versicherungsteuergesetz Verwaltungsarchiv Verzeichnis Verfügung Verwaltungsgericht verdeckte Gewinnausschüttung Verwaltungsgerichtshof vergleiche vergleiche auch Verordnung Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft Vollstreckungsanweisung VO über die Vergütung der Vollstreckungsbeamten Vollziehungsanweisung Vollziehungsbeamter Vorbemerkung Vorbescheid vorläufig Durchführungsverordnung zum Steuersäumnisgesetz 1. Vorruhestandsgesetz Gesetz zur Förderung von Vorruhestandsleistungen Verwaltungsrechtsprechung Vollstreckungsschuldner Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung Vermögensteuergesetz Vermögensteuer-Richtlinien Verlust- und Gewinnrechnung Vermietung und Verpachtung Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer (Tagungsbände)

Abkürzungsverzeichnis

vwt VwVfG VwVG VwZG VZ W W W/A/D W/M WaG WEG WEMoG WG WiKG wistra WK WKBG WKV WoBauFG WoBauG WoBindG

Der Wirtschaftstreuhänder (Zeitschrift) Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz Verwaltungszustellungsgesetz Veranlagungszeitraum

WoP WoPG Wpg WP-Hdb. WpHG WÜRV WZG

Vorratsvermögen Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstättenhandbuch Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Wohnungseigentumsgesetz Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz Wirtschaftsgut Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht Werbungskosten Gesetz zur Förderung von Wagniskapitalbeteiligungen Wiener Vertragsrechtskonvention Wohnungsbauförderungsgesetz Wohnungsbaugesetz Gesetz zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (Wohnungsbindungsgesetz) Gesetz zur Neuregelung der steuerlichen Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums (Wohneigentumsförderungsgesetz) Wohnungsbauprämie Wohnungsbauprämiengesetz Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Wirtschaftsprüfer-Handbuch Wertpapierhandelsgesetz Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Warenzeichengesetz

Z z.B. z.T. z.v.E. z.Zt. ZA, ZÄ ZAbK. ZDG ZEV ZfA ZfB ZfbF ZFH ZfK ZfZ ZG ZGR ZHR Ziff. ZIP zit. ZK ZK-AnpG

zum Beispiel zum Teil zu versteuerndes Einkommen zur Zeit Zollamt, Zollämter Zusatzabkommen Zivildienstgesetz Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zulagenstelle für Altersvermögen Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zweifamilienhaus Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern Zollgesetz Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zollkodex Zollkodex-Anpassungsgesetz (siehe auch ZollkodexAnpG)

WohneigFG

XXXI

Abkürzungsverzeichnis

ZK-DVO ZKF ZLR ZM ZollÄndG ZollDA ZollkodexAnpG ZollT ZollVG ZonenRFG ZPO ZRP ZSEG ZStAmnG ZuckStG zust. ZVG ZVglRWiss ZwVollstr. ZwVwV zzgl.

XXXII

Zollkodex-Durchführungsverordnung Zeitschrift für Kommunalfinanzen Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie Zusammenfassende Meldung Zolländerungsgesetz Zolldienstanweisung Zollkodex-Anpassungsgesetz (siehe auch: ZK-AnpG) Zolltarif Zollverwaltungsgesetz Gesetz zur Förderung des Zonenrandgebietes (Zonenrandförderungsgesetz) Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen Zinssteueramnestiegesetz (Gesetz über die strafbefreiende Erklärung von Einkünften aus Kapitalvermögen und von Kapitalvermögen) Zuckersteuergesetz zustimmend Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft einschließlich des Rechts der Entwicklungsländer und der ethnologischen Rechtsforschung Zwangsvollstreckung Zwangsverwalterverordnung zuzüglich

Literaturverzeichnis Die herangezogene Auflage ist in den Fußnoten durch die hochgestellte Auflagenzahl gekennzeichnet. Begemann/Wingler

Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 2012

Bös/Schmieszek

GewStG eKommentar, 2021

Brandis/Heuermann (vormals Blümich)

EStG, KStG, GewStG, Kommentar, Loseblatt

Deloitte

Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 2009

Frotscher/Drüen

Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, Kommentar, Loseblatt

Glanegger/Güroff

Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2021

Gosch

Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl. 2020

Hallerbach/Nacke/Rehfeld

Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 2020

Hidien/Jürgens

Die Besteuerung der öffentlichen Hand, 2017

Hidien/Pohl/Schnitter

Gewerbesteuer, 16. Aufl. 2020

IDW

Veranlagungshandbuch Gewerbesteuer 2020, 2021

Jachmann

Besteuerung von Unternehmen als Gleichheitsproblem – Unterschiedliche Behandlung von Rechtsformen, Einkunftsarten, Werten und Steuersubjekten im Ertrag- und Erbschaftsteuerrecht, DStjG Bd. 23 (2000), 9

Jachmann

Gewerbesteuerreform, 2003

Jachmann

Die Gewerbesteuer im System der Besteuerung von Einkommen, DStjG Bd. 25 (2002), 195

Köllen/Reichert/Vogl/Wagner

Lehrbuch Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, 6. Aufl. 2009

Kronawitter

Gewerbesteuer (GewStG), Kommentar, 2012

Lenski/Steinberg

Gewerbesteuergesetz, Kommentar, Loseblatt

Lippross/Seibel

Basiskommentar Steuerrecht, Loseblatt

Obermüller/Preithner

Gewerbesteuergesetz, Kommentar, Loseblatt

Schrameyer

Umwandlungssteuergesetz, Kommentar, 2020

Schumacher

Die Gewerbesetzer im internationalen Steuerrecht, 2020

Tipke/Lang

Steuerrecht, 24. Aufl. 2021

Wendt/Suchanek/Möllmann/ Heinemann

Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2022

Zitzelsberger

Die Grundlagen der Gewerbesteuer. Eine steuergeschichtliche, rechtsvergleichende, steuersystematische und verfassungsrechtliche Untersuchung, 1990

XXXIII

Einleitung Die Gewerbesteuer, die Gegenstand der Kommentierung dieses Buches ist, ist eine alte und besondere Steuer. Sie geht im Wesentlichen auf das Gewerbesteuergesetz 1936 und seine Vorläufer in den deutschen Bundesstaaten zurück. Das damalige Gesetz ging von der Gewerbesteuer als Realsteuer oder Objektsteuer aus. Der Gesetzgeber rechtfertigte das Gesetz als Ausgleich fur̈ die unmittelbaren und mittelbaren Lasten, welche die Gewerbebetriebe den Gemeinden verursachten (sog. Äquivalenzprinzip). Besteuerungsgrundlagen fur̈ die Gewerbesteuer waren zunächst (und bis heute) der Gewerbeertrag und vormals das Gewerbekapital, also die Ertrags- und Finanzkraft des Gewerbebetriebes. Fakultativ sah das Gesetz die Lohnsumme vor, also die Arbeitskraft des Unternehmens. Es gehört auch, damals wie heute, zu den Gemeinplätzen, wenn nicht Ritualen jedweder Beschäftigung mit dem Thema, dass die Gewerbesteuer eine eigenartige Steuer der Gemeinden ist, nicht zuletzt, weil ihr beachtliches Aufkommen eine tragende Säule der kommunalen Steuer- und Finanzausstattung bildet, zugleich aber ihre finanzielle Abhängigkeit erhöht. Diese fiskalische „Rechtfertigung“ der Steuer kann sich auf ihre scheinbar unerschütterbare, verfassungsrechtliche Verfestigung in Art. 106 Abs. 6 Satz 1 und 2 sowie Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG berufen. Das Maß und Ausmaß dieser Finanzgarantien der Gemeinden übertrifft mittlerweile die tatsächliche Finanzautonomie ihrer Länder, die ihre Besteuerungsgewalt nahezu vollständig an den Bund abgetreten haben. In dieser rechtsrealistischen Einschätzung ist die Steuer für die Steuergläubiger (Gemeinden, nebenbei auch Bund und Länder) in der Tat von zentraler Bedeutung. Diese beliebte Sichtweise ist zu verengt. Sie blendet insbesondere den Rechtsgrund der Steuer und ihren inneren Zustand und damit die Sicht der Steuerpflichtigen aus. Die fiskalische Seite, die im Übrigen den Finanzbedarf vieler Gemeinden in wirtschaftlich schwierigen Zeiten keineswegs befriedigten kann, ist Element jeder Steuer und per se ohne weiteren Rechtswert. Deutsches Steuerrecht ist zwar in hohem Maße gewachsenes Recht. Eine traditionelle Steuer ist aber nicht unbedingt eine gerechte und „gute“ Steuern, auch wenn die Verfassung sie als solche zu adeln scheint. Eher gehört die Gewerbesteuer zu den Steuern, deren einzige verfassungsrechtliche Legitimation darin zu bestehen scheint, dass sie traditionell erhoben wird. Nach Auffassung des Autors handelt es sich bei der Gewerbesteuer, wie sie der verfassungsändernde Gesetzgeber 1949 vorgefunden hat und die Steuergesetzgeber seither unzählige Male reformiert haben, um eine vormoderne Steuer. Sie ist vormodern und veraltet, weil sie steuerwissenschaftlichen Erkenntnissen, nicht mehr entspricht und auch verfassungsrechtlich im Hinblick auf rechtsstaatliche Grundsätze der Besteuerung fragwürdig ist. Fragwürdig sind sowohl der Steuerzugriff als auch die Steuerbemessung. Mit einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit – ein nicht einfaches Rechtsprinzip – wäre die Gewerbeertragsteuer nur vereinbar, wenn es eine eigenständige Leistungsfähigkeit des Gewerbebetriebes – neben der progressiven Einkommensteuer – gäbe. Zudem diskriminiert die Gewerbesteuer Gewinne aus Gewerbebetrieben und privilegiert andere selbständige Einkünfte. Und die Bemessung der Steuer namentlich nach § 8 Nr. 1 GewStG wäre nur dann tragbar, wenn es einen spezifisch gewerbesteuerrechtlichen Ertragsbegriff gäbe. Beide Hypothesen sind wirklichkeitsfremde Fiktionen – oder im besten Fall gutgemeinte gesetzliche Steuerlügen. Diese Erkenntnisse sind weder neu noch überraschend. Bereits die Altvorderen der modernen deutschen Steuerwissenschaft haben für ihre Disziplin die grundlegenden Defizite der Sondersteuer erkannt und angemahnt. Klaus Tipke stellte 1973 (Steuerrecht, 1. Aufl. S. 284) nüchtern fest, dass die „Gewerbesteuer als Gemeindesteuer wenig geeignet ist, eine zweite Ergebnissteuer (Einkommensteuer, Gewerbesteuer) überdies nicht zu vertreten“ sei. Später fragt er erneut mit Blick auf § 8 GewStG: „Was ist das aber für eine Objektivierung, die an der Wirklichkeit des individuellen Betriebs vorbeisieht?“ und: „Worin liegt die Sachgerechtigkeit dieser Objektsteuer-Regel“? (Tipke, Steuergerechtigkeit in Theorie und Praxis, 1981, S. 111 f.) Auch Fritz Neumark (Grundzüge gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik, 1970, S. 340) monierte die „Systemwidrigkeiten“ und „Doppelbelastungen“ des XXXV

Einleitung

historisch gewachsenen Steuersystems mit Blick auf die Gewerbesteuer als „Ertragsteuer“, und zwar „letztlich nur deshalb, weil man sich zu keiner rationalen Lösung des Finanzausgleichsproblems entschließen kann.“ Dieter Schneider attestierte dem Gesetzgeber ebenfalls mit Blick auf die sog. Objektivierung der Bemessungsgrundlage „ein „wirtschaftstheoretisches Denken, das im Mittelalter vertreten wurde“ (Grundzüge der Unternehmensbesteuerung, 2. Aufl. 1978, S. 123). Die Hoffnung der Kritiker, aber auch der übrigen Beteiligten, die Steuer sei grundlegend reformierbar oder gar ersetzbar, wurde bislang enttäuscht. Vielmehr haben die unzähligen Reformen (z.T. erzwungene Notreformen, kleinteilige Reparaturen oder gar Verschlimmbesserungen) der letzten Jahrzehnte, samt Verfassungsreformen, den Rückhalt der Steuer eher verstärkt. So erklären sich markante Einschätzungen aus berufenem Mund: „Totgesagte leben länger“ (Klaus-Dieter Drüen) oder „Die Gewerbesteuer scheint ewig“ (Gregor Nöcker). Die Erwartungen an ein aktives Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts haben sich bisher ebenfalls nicht erfüllt. Dies darf auch nicht ernsthaft erwartet werden. Denn das Gericht ist weder Reparatur- noch Ersatzgesetzgeber. Zwar entfaltet die Finanzverfassung in Art. 106 GG mit ihrem unabgestimmten Konglomerat an überlieferten Steuern auch eine freiheitsschonende Wirkung zugunsten der Steuerbürger und könnte so die Schutzwirkungen der steuerrechtlichen Gleichheits- und Freiheitsrechte verstärken. Angesichts dieser Unsystematik, der Bedeutung des ewigen deutschen „Finanzausgleichsproblems“ und seiner Implikationen kann das Gericht an sich nur auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers verweisen und sich zurückhalten. Erstadressat einer grundlegenden Remedur sind in der Tat der Gesetzgeber und die demokratische Öffentlichkeit. Ob sich der verfassungsändernde Gesetzgeber jemals zu einer Großen Steuer- und Finanzreform durchringen kann? Realistisch ist, dass sich Gesetzgebung und Verwaltung weiter in ihrem eigenen Steuer- und Finanznetz verfangen werden – nicht unbedingt zugunsten der Steuerpflichtigen. Noch und auf absehbare Zeit ist die Steuer daher verfassungsgemäß. Sie ist mittlerweile immun oder resilient gegen Ingerenzen des staatlich-politischen Systems – dessen Teil sie selbst ist. Dies deutet auf ein grundlegendes Versagen des bundestaatlichen Finanz- und Steuerstaates hin. Die Zukunft der Steuer ist mithin gesichert. Auf weitere rechtsstaatliche Mängel und Schwächen der Ausgestaltung des Gesetzes, die seine Auslegung und Anwendung erschweren, kann diese Kommentierung nur en passant und an dieser Stelle nur kurz aufmerksam machen. Der Steuerstaat verpflichtet den Steuerbürger, besonders die Unternehmen, neuerdings allenthalben auf Steuertransparenz. Die Kehrseite dieses gar nicht neuen rechtstaatlichen Grundsatzes (Fritz Neumark, Grundzüge gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik, 1970, S. 342) verpflichtet den Steuergesetzgeber auf die Bestimmtheit, Eindeutigkeit und Verständlichkeit der Steuerrechtsnorm. Klarheit, Verständlichkeit und Bindungskraft der z.T. eigenartigen gewerbesteuerrechtlichen Begriffe und (vermeintlichen) Konzepte lassen zu wünschen übrig. Im notfalls strafbewehrten staatlichen Eingriffsrecht ist die Verständlichkeit des Rechts eine zentrale rechtsstaatliche und demokratische Voraussetzung für die Rechtsbefolgung. Sie ist in Gefahr, wenn der Normalfall nicht mehr erkennbar ist und der pathologische Fall nicht mehr lösbar ist, etwa wenn die Regelungszusammenhänge des Gesetzes zu kompliziert und unübersichtlich sind. An zentralen Stellen nutzt das GewStG echte oder unechte Verweisungen, unterschiedliche Fiktionen, Typus- statt Klassenbegriffe oder setzt überkommene ungeschriebene Regeln voraus, ist einerseits abhängiges Folgerecht zum Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht und andererseits eigenständiges sachliches und persönliches Ausnahme- und Sonderrecht, ohne dass hier tragfähige Gründe sichtbar werden. Wenn die Gesetzessprache den institutionellen und fachlichen Kern der Rechtssprache bildet, so genügt das GewStG insoweit weder ihrem Präzisionsanspruch noch dem demokratischen Anspruch der Allgemeinheit. Hier bleibt offen, ob der verfassungsrechtliche Typusbegriff der Gewerbesteuer in Art. 106 GG dem Steuergesetzgeber überhaupt die nötige Formgebung und Formbindung vermitteln kann, auch wenn Verfassung und Gesetzgeber eine Andersartigkeit und Eigenart der Steuer unterstellen. Eine naheliegende Abhilfe könnte eine grundlegende Besteuerungskonzeption leisten – die bisher fehlt. Kaum eine gewerbesteuerrechtliche Intervention der Diskursbeteiligten (GeXXXVI

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setzgeber, Rechtsprechung, Fachschrifttum – ausgenommen die hier zurückhaltende Finanzverwaltung) beschwört nicht geradezu sog. Prinzipien und Leitideen der Besteuerung samt dem „Wesen“ der Steuer. Dies betrifft Eigenschaften und Eigenarten der Steuer, die mit folgenden Ausdrücken verbunden sind: die erwähnte lastentheoretische Äquivalenz, Objektsteuer, Realsteuer und Territorialität. Diese als Prinzipien überhöhten bloß steuersystematischen Termini, die per se bereits begrifflich unklar oder umstritten sind, sollen die Steuer z.T. rechtfertigen; sie sollen aber vornehmlich als „Argumente“ die „richtige“ Auslegung des Gesetzes dirigieren und das Gesetz erklären, besonders dann, wenn sich der Gesetzgeber nicht verständlich ausgedrückt hat. Allerdings sind ihr Rechtscharakter unklar und ihr Inhalt besonders mit Blick auf das positive Recht allzu vage. Die legislative Basis für eine einzig denkbare induktive Herleitung des Prinzips als optimierungsfreundliches und anspruchsvolles Rechtsprinzip (Rechtsgrundsatz) ist hier allzu schmal. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber zumeist Ausnahmen und Einschränkungen eingebaut hat, die zumeist bloß fiskalisch motiviert sind. In der Folge sind Regeln und Ausnahmen nicht mehr sicher erkennbar und „hybrid“. Mit dem das sog. Äquivalenzprinzip „scheint letztlich jedes (willkürliche) Ergebnis gerechtfertigt“ (Johanna Hey). Dass eine objektivierte Ertragsteuer den Gemeinden einen pauschalen Lastenausgleich für einen Gewerbebetrieb vermitteln soll, ist eine auch auf den zweiten Blick kaum verständliche Hypothese. Dem Gesetzgeber macht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann einen Vorwurf, wenn im Einzelfall das Gebot der Kohärenz oder Folgerichtigkeit verletzt wird. Nicht zuletzt droht besonders im Gewerbesteuerrecht ein Verlust der steuerjuristischen Methodik. Die leichthändige Rede und allseits beliebte Jonglage und mit diesen gewerbesteuerspezifischen „Prinzipien“ wäre im besten Fall unschädlich und entbehrlich, wenn sie nicht (un-)erwartete Rechtsfolgen zeitigen würde, die an sich nur den positiven Gesetzesbegriffen vorbehalten sind. Zwei Dysfunktionen sind festzustellen. Zunächst legen diese vermeintlichen Argumente – mehr noch als Rechtsbegriffe selbst – logische Zirkelschlüsse nahe. Es wird ein Auslegungsergebnis durch ein „Argument“ bestätigt, welches die zu beweisende Behauptung schon als wahr voraussetzt. Vor einer solchen Petitio Principii sind im Übrigen Befürworter und Kritiker („Systembruch“) der Steuer gleichermaßen nicht gefeit, auch die neuere Doktrin und Rechtsprechung ist hiergegen nicht immun. Vermutlich ist das Gewerbesteuerrecht sogar ein abschreckendes Muster, denn in anderen Steuerarten ist dies Praxis nicht in diesem Maße gang und gäbe. Peter Fischer hat diese „Inversionsmethode“ zutreffend als rechtsstaatswidrig moniert (jurisPR-SteuerR 7/2013 Anm. 1). Eine Steigerung und ein beliebter Anwendungsfall dieser Art der Rechtsfindung liegen vor, wenn aus dem (unbekannten) „Wesen der Gewerbesteuer“ rechtliche Schlussfolgerungen gezogen werden, die das positive Recht samt seiner anerkannten Auslegungsmethoden so nicht oder kaum hergibt. Auch als zusätzliches „Argument“ für ein richtiges Auslegungsergebnis sind vermeintliche Prinzipien oder eine Wesensschau überflüssig. Eine objektsteuerspezifische oder nur objektsteuerfreundliche oder äquivalenztheoretische Auslegung des Gesetzes existiert nicht. Solche „Prinzipien und Begriffe“ nehmen den Charakter einer bloßen Steuerideologie oder eines Erzählmodells („Narrativ“) an, wenn sie den Kontakt zur Steuerrealität verlieren. Zwar ist das Rechtssystem autonom. Das Steuerrechtssystem setzt indes wie kaum ein anderes Rechtsgebiet und als klassisches Eingriffsrecht einen Normbereich voraus, der die tatsächlichen Verhältnisse und die Belastungswirklichkeit „realitätsgerecht“ in den Blick nimmt und regulierend aufnimmt. Nichts anderes behauptet die triviale Erkenntnis von der fiskalischen und finanziellen Funktion der Gewerbesteuer. Aus Sicht der Steuerpflichtigen und im Moment der Corona-Pandemie ist selbst die mediale Verwunderung groß, dass betroffene Gewerbebetriebe staatliche Zuschüsse und Kredite erhalten, Mieten und Zinsen gleichwohl den restlichen Gewinn erhöhen und die Gewerbeertragsteuer anschließend zwischen Gemeinen, Land und Bund umverteilt wird. Zur Rechtsrealität gehört auch, dass die Steuerlast wegen der Anrechnung gem. § 35 EStG – eine selektive Steuerbetragsermäßigung, die einen grauen Finanzausgleich installiert – praktisch und zum Großteil nur von Kapitalgesellschaften getragen wird und substanzgefährdend sein kann. Der Steuerstaat wäre steuerehrlich, wenn er die Körperschaftsteuer auf 30 % erhöhen und diese Sonderbelastung ausweisen würde. Der Finanzstaat, hier namentlich Bund und Länder, wäre finanzXXXVII

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aufrichtig, wenn er seinen Gemeinden eine tatsächlich auskömmliche, aufgabenangemessene Finanzausstattung garantieren und doch zumindest die Gewerbesteuerumlage abschaffen würde. Das mit dem gewissen Steuerwettbewerb verbundene Hebesatzrecht als Ausdruck einer Fiskalautonomie hat allerdings im Deutschland – anders als etwa in der Schweiz – einen schweren Stand (obwohl es die Verfassung auch in Art. 106 Abs. 5 GG vorhält). Nicht zuletzt müssen auch steuerrechtliche Maßstäbe und (vermeintliche) Grundsätze realitätsgerecht sein (bevor sie sodann im Gesetz auch folgerichtig umgesetzt werden müssen). Der Objektsteuer- und Äquivalenzgedanke entfernt sich von der Gemeinde- und Unternehmensrealität. Die grundrechtsgeprägte Steuerrechtswissenschaft kann sich sowohl in ihrer hermeneutischen als auch in ihrer normativ-gestaltenden Funktion etwa mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip auch Aspekten der Rechtswirklichkeit widmen und sollte dies auch vermehrt tun.

XXXVIII

Abschnitt I. Allgemeines § 1 Steuerberechtigte Die Gemeinden erheben eine Gewerbesteuer als Gemeindesteuer. A. Allgemeines I. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsentwicklung, Rechtsquellen und Rechtsstand der Steuer 1. Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsquellen a) Primäre Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . b) Sekundäre Rechtsquellen aa) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verweisungen auf andere Steuergesetze . cc) Gewerbesteuerrecht außerhalb des GewStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verfassungsrechtliche Grundlagen einer Gewerbesteuer 1. Rechtspositionen der Gemeinden . . . . . 2. Gesetzgebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hebesatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ertragsberechtigung a) Ertragshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewerbesteuerumlage . . . . . . . . . . . . . . 5. Verwaltungszuständigkeiten. . . . . . . . . . 6. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtmäßigkeit der Gewerbesteuer 1. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 106 GG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeiner Gleichheitssatz . . . . . . . . . . c) Freiheitsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unionsrecht a) Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Generell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einzelbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . V. Corona-Pandemie. . . . . . . . . . . . . . . . .

1 5 20 23 31 41 50 60 70 80 86 90 100 110 115 120 130 137 155 158 161 170

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Rechtscharakter der Gewerbesteuer 1. Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuersystematik der bestehenden Gewerbesteuer a) Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Realsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Objektsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . d) Territorialität . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kostensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gemeindesteuer . . . . . . . . . . . . . . 4. Legitimation der Steuer . . . . . . . . 5. Finanzwirtschaftliche Bedeutung . II. Erhebung der Gewerbesteuer 1. Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . 2. Steuererhebungspflicht. . . . . . . . . 3. Gesetzesbindung . . . . . . . . . . . . . 4. Formelles Gewerbesteuerrecht (Besteuerungsverfahren) a) Zweigeteiltes Verfahren und Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . b) Finanzbehörden . . . . . . . . . . . . . . c) Gemeindebehörden . . . . . . . . . . . 5. Rechtsschutz a) Steuerpflichtige . . . . . . . . . . . . . . b) Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zur Reform 1. Schwächen der Steuer und Reformbedarf. . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reformansätze und Reformgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

180 185 188 196 216 230 236 241 255 260 263 267

271 285 290 300 303 310 326

A. Allgemeines I. Grundsatz Nach § 1 GewStG1 erheben die Gemeinden eine Gewerbesteuer als Gemeindesteuer. Die eher programmatische Regelung wird als „Grundnorm“2 des Gewerbesteuergesetzes verstanden, die die Gemeinden berechtigt und verpflichtet, „eine“ Gewerbesteuer als Gemeindesteuer zu erheben. Die Regelung ist aber voraussetzungsreich. Sie meint zunächst, dass die einzelne Gemeinde als öffentlich-rechtliches Gemeinwesen i.S.d. § 3 AO die Steuer zumindest einziehen, wenn nicht festsetzen darf und muss. Darüber hinaus qualifiziert sie diese Gebietskörperschaften auch als (alleinige) Steuerertragsberechtigte.

1 Das Gesetz und diese Kommentierung verwenden nachfolgend eine sexusindifferente Rechtsprache: Daher heißt es – generisch – etwa „der Unternehmer“ (§ 5 GewStG), „der Steuerschuldner“ (§ 14a GewStG) oder „der Steuerpflichtige“ jeweils ohne Bezug zum biologischen Geschlecht. 2 Drüen in Brandis/Heuermann, § 1 GewStG Rz. 1.

1

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GewStG § 1 Rz. 2 | Steuerberechtigte 2

Sowohl die Steuerverwaltungszuständigkeit als auch die Steuerertragsberechtigung bedürfen der gesetzlichen Grundlegung und Ausgestaltung. Diese liegt bundesstaatlich in der Hand des Bundesgesetzgebers. Der Bundesgesetzgeber ist hierbei nicht nur an die Grundrechte, sondern auch das Kommunalverfassungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG) und die Finanzverfassung (Art. 105, 106, 108 GG) gebunden. Namentlich Art. 106 Abs. 6 GG billigt die Steuer in ihrer „üblichen“ Ausgestaltung.3 Die Steuer gewährleistet einen, wenn nicht den Kern der kommunalen Finanzautonomie und ist die wichtigste steuerliche Einnahmequelle der Gemeinden. Traditionell geht der Gesetzgeber davon aus, dass der Gewerbesteuerbedarf der Gemeinden „in erster Linie aus den Erträgen der gewerblichen Unternehmen aufgebracht werden“ muss.4 Nicht zuletzt fordern auch die Grundrechte eine gesetzliche Regelung der Steuer. Der Wert und die Wirksamkeit der Steuer bemessen sich nach dem jeweiligen Gewerbesteuergesetz.

3–4

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II. Rechtsentwicklung, Rechtsquellen und Rechtsstand der Steuer 1. Entwicklung 5

Eine Besteuerung des Gewerbes und der Gewerbetreibenden hat in Deutschland erstmals das Land Preußen im Preußischen Gewerbesteuergesetz v. 30.5.1820 entwickelt.5 Preußen hatte die Steuer im Zusammenhang mit den Stein-Hardenbergschen Reformen u.a. zur Gewerbefreiheit 1810 eingeführt.

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Steuerpflichtig waren die in Preußen betriebenen stehenden Gewerbe. Andere Staaten bzw. Länder folgten. Der Steuerertrag stand zunächst in vielen Ländern grds. den Ländern zu. Steuergegenstand (Gewerbebetrieb), und Steuergrundlagen (Gewerbeertrag) waren im Wesentlichen schon gleichartig, die Ausgestaltung war unterschiedlich und vielgestaltig. Der Versuch einer Vereinheitlichung der Steuer im Gewerbesteuerrahmengesetz v. 1.12.19306 scheiterte.

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Seit der Realsteuerreform 1936 mit dem v. 1.12.19367 existierte eine reichseinheitliche Rechtsgrundlage für die Gewerbesteuer. Bis dahin wurde die Gewerbesteuer aufgrund von sechszehn landesrechtlichen Gesetzen erhoben. Der § 1 des Gewerbesteuergesetz 1936 vom 1.12.1936 wies die Gewerbesteuer den Gemeinden als reine Gemeindesteuer zu. Zuvor war eine Beteiligung der Länder und Gemeindeverbände vorgesehen. Die Steuer knüpfte an den Gewerbeertrag, das Gewerbekapital und die Lohnsumme an.

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Die weitere Rechtsentwicklung bis zum heutigem Tag verdeutlicht, dass die Steuer dem fiskalischen Ertragsinteresse der Gemeinden dient und einen eigenen Entwicklungspfad eingeschlagen hat, der maßgeblich durch die Vorgaben der primären Steuerverteilung (Art. 106 GG) bestimmt war.

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Mit dem Gesetz v. 27.12.19518 wurde das GewStG 1936 geändert und als Bundesgesetz fortgeführt. Seither wurde das Gesetz mehr als 100mal geändert.9 Eine verfassungsrechtlich begründetes Ertragsrecht der Gemeinden (nicht der Gemeindeverbände) hat erst das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des GG v. 24.12.1956 in Art. 106 Abs. 6 GG eingeführt.

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Den Besteuerungszugriff und die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer hat der Gesetzgeber zunächst 1978 wesentlich beschränkt: Entfallen ist mit dem Steueränderungsgesetz 3 BVerfG v. 25.10.1977 – 1 BvR 15/17, BStBl. II 1978, 125. 4 Amtl. Begründung Nr. 9 zu § 11 GewStG 1936. 5 Gesetzessammlung, S. 147. Zur Entstehung und Entwicklung der Steuer und des Gesetzes Güroff in Glanegger/Güroff10, § 1 Rz. ff.; Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, 1990, S. 5 ff.; Hidien/ Pohl/Schnitter, Gewerbesteuer, S. 39 ff. m.w.N. 6 RGB. I 1930, 517. 7 RGBl. I 1936, 979 ff., mit dem Einführungsgesetz zu den Realsteuergesetzen, dem Gewerbesteuergesetz und dem Grundsteuegesetz. 8 BGBl. I. 1951, 996. 9 Änderungsregister bei Sarrazin in Lenski/Steinberg, GewStG, Einleitung.

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Steuerberechtigte | Rz. 17 § 1 GewStG

1979 vom 30.11.197810 die Möglichkeit der Gemeinden, neben der Gewerbebesteuerung nach dem Gewerbeertrag und Gewerbekapital zusätzlich eine Besteuerung nach der Lohnsumme vorzunehmen (§ 6 Abs. 2 a.F. GewStG). Den Besteuerungszugriff und die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer hat der Gesetzgeber sodann erneut begrenzt: das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensreform v. 29.10.199711 hat mit Wirkung ab EZ 1998 auch das Gewerbekapital als Besteuerungsgrundlage aufgehoben. Die Gewerbekapitalsteuer wurde im sog. Beitrittsgebiet nie erhoben (§ 37 a.F. GewStG). Hier beginnt die erste wesentliche Mutation der Steuer hin zu einer Ertragsprägung.

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Seit dem EZ 200412 ist jede deutsche Gemeinde nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, unter Beachtung des Mindesthebesatzes von 200 % (§ 1, § 16 Abs. 4 GewStG) eine Gewerbesteuer zu erheben. Die Möglichkeit einer Gemeinde, auf die Erhebung von Gewerbesteuer mit einem Nullsatz zu verzichten, besteht seit diesem Zeitpunkt nicht mehr.

12

Das Steuersenkungsgesetz13 hat mit § 35 EStG ab VZ 2001 eine besondere Tarifvorschrift und Steuerermäßigung eingeführt (zuvor ähnlich § 32c EStG a.F.). Ihr Ziel ist, (nur) Einzelunternehmen und Personengesellschaften von der Gewerbesteuer zu entlasten und die gewerblichen Einkünfte ähnlich wie die Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu besteuern.14

13

Das Unternehmensteuerreformgesetz 200815 hat zunächst § 4 Abs. 5b EStG (ab VZ 2008) eingeführt. Danach ist die Gewerbesteuer zwar weiterhin eine Betriebsausgabe, aber als Betriebsausgabe nicht mehr abziehbar. Dies soll die „Steuerbelastungstransparenz“ verbessern.16 Als Ausgleich für die effektiv steigende Gewerbesteuerbelastung wurde ab dem EZ 2008 eine für alle Unternehmen einheitliche Gewerbesteuermesszahl von 3,5% des maßgeblichen Gewerbeertrags eingeführt, so dass der bisher für Einzel- und Personenunternehmen geltende Staffeltarif entfallen ist (§ 11 Abs. 2 GewStG).

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Zugleich wurde die Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG ab EZ 2008 ausgeweitet, mit der Folge anderweitiger neuer intransparenter Steuerverteilungswirkungen. Die Regelung senkt die steuerliche Belastung von gewerblichen Einzelunternehmern und Mitunternehmern von Personengesellschaften. Die Einkommensteuer des genannten Personenkreises ermäßigt sich um das 3,8fache des Gewerbesteuermessbetrages. Allerdings darf hierbei die Ermäßigung nicht höher sein als die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer (§ 35 Abs. 1 Satz 2 EStG).

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Nicht zuletzt hat dieses Reformgesetz die Hinzurechnungstatbestände des § 8 GewStG deutlich ausgeweitet. Dadurch soll die Gewerbesteuerbelastung noch weniger als bisher von der aktuellen Gewinnsituation des Unternehmens bestimmt werden. Der Gesetzgeber17 stellt klar, dass die Steuer an den „objektivierten Gewerbeertrag“ anknüpft. Dies sei die Größe, die ausgehend von den Grundsätzen des Gewinns in den Ertragsteuern den Ertrag des Betriebs darstellt, der insb. unabhängig von der Art und Weise des für die Kapitalausstattung des Betriebs zu entrichtenden Entgelts erwirtschaftet wird. Ein Ziel18 war es auch, die den fiskalischen Vorteil von Gewinnverlagerungen ins Ausland zu verringern; zudem sollte die steuerliche Benachteiligung von Eigenkapital gegenüber kurzfristigem Fremdkapital zurückgeführt werden und Finanzierungsneutralität hergestellt werden.

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Eine grundlegende Weiterentwicklung der politisch und rechtlich seit jeher umstrittenen Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer, u.a. mit Einbeziehung der freien Berufe

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BGBl. I 1978, 1849. BGBl. I 1997, 2590. Gesetz v. 23.12.2003, BGBl. I 2003, 2922. Gesetz v. 23.10.2000, BGBl. I 2000, 1433 BT-Drucks. 14/2683, 97. Gesetz v. 14.8.2007, BGBl. I 2008, 1912. BT-Drucks. 16/4841, 47. BT-Drucks. 16/4841, 78. BT-Drucks. 16/4841, 29, 31.

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GewStG § 1 Rz. 18 | Steuerberechtigte in den Kreis der Steuerpflichtigen, wie sie zeitweise möglich erschien, ist 2003 am Widerstand des Bundesrates gescheitert.19 18–19

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2. Rechtsquellen a) Primäre Rechtsquellen 20

Erste Rechtsquelle der Gewerbesteuer ist das Gewerbesteuergesetz auf der Grundlage der letzten textlichen Neufassung im Gesetz v. 15.2.2002.20 Die aktuelle Fassung des Gesetzes beruht auf Art. 3 Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATADUmsG) v. 25.6.202121 sowie auf Art. 2 Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.2021.22

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Die maßgebliche Rechtsverordnung, die Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung, beruht auf § 35c GewStG. Die aktuelle Fassung ergibt sich aus Art. 7 Abs. 8 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2034 über die Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten v. 12.5.2021.23

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frei b) Sekundäre Rechtsquellen aa) Allgemein

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Das Gewerbesteuergesetz ist in vielfältiger Weise mit dem allgemeinen und besonderen Steuerrecht, sogar mit dem Verwaltungsrecht vernetzt. Diese „Verschränkungen“ unterschiedlicher Art und Weise in durchziehen das gesamte GewStG. Sie können die Form von ausdrücklichen oder impliziten Verweisungen auf das materielle oder formelle Recht annehmen und hier als Ausgangsnorm auf eine bestimmte Bezugsnorm und deren Tatbestand oder Rechtsfolge verweisen.24 Hinzu kommen gewerbesteuerrechtliche Spezialregelungen (auch: „Kollisionsregelungen“) außerhalb des Gewerbesteuergesetzes, aber auch Bezugnahmen auf einzelne Tatbestandsmerkmale, die außerhalb des Gewerbesteuergesetzes verwendet und definiert werden. Beides mag der Gesetzesökonomie dienen, erschwert aber die Auslegung und Anwendung des Gewerbesteuergesetzes, zumal innerhalb des Gesetzes auch viele Binnenverweise bestehen.

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In der Sache verdeutlicht diese Regelungstechnik die Sonder-und Ausnahmestellung des Gewerbesteuergesetzes und der aktuellen Gewerbesteuer: einerseits greift das Gewerbesteuerrecht die Regelugen und Wertungen besonders des Ertragssteuerrecht auf, andererseits korrigiert es diese Regelungen und Wertungen für eigene Zwecke.

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Grds. gelten die Regelungen der deutschen DBA auch für die Gewerbesteuer.25 Diese ist in den deutschen DBA ausdrücklich aufgeführt. Allgemeine Voraussetzung ist, dass ein Steuerinländer oder Steuerausländer im Inland eine gewerbliche Betriebsstätte betreibt und gewerbesteuerpflichtig ist und grenzüberschreitende gewerbliche Einkünfte vorliegen. Abkommensrechtliche Freistellungen wirken sich über § 7 Satz 1 GewStG auch auf die Gewerbesteuer aus. Eine besondere Kürzungsvorschrift enthält § 9 Nr. 6 GewStG.

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Keine Rechtsquellen i.S.d. Art. 20 GG sind die Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR 2009) und die Gewerbesteuer-Hinweise (GewStH 2016). Hinzu kommen weitere Verwaltungserlasse des Bundes und der Länder. In allen Fällen handelt es sich um – praktisch bedeutZur Reformdiskussion zusammenfassend Drüen in Brandis/Heuermann, § 1 GewStG Rz. 29 ff. BGBl. I 2002, 4167. BGBl. I 2021, 2035. BGBl. I 2021, 2050. BGBl. I 2021, 990. Zur Problematik von Verweisungen speziell im Steuerrecht eingehend Dürrschmidt, Verweisungen formell-gesetzlicher Rechtsnormen auf andere formell-gesetzliche Rechtsnormen, 2019. 25 Näher Mössner in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen5, Rz. 2.511 ff. 19 20 21 22 23 24

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Steuerberechtigte | Rz. 37 § 1 GewStG

same – Verwaltungsvorschriften, die eine Selbstbindung der Finanzverwaltungen begründen können. Die Gesetzestechnik ist bei weitem nicht „nutzerfreundlich“. Die Rechtsanwendung wird wesentlich dadurch erschwert, dass der Gesetzgeber des GewStG mit vielfältigen ausdrücklichen und impliziten Verweisungen auf andere Gesetze und innerhalb des Gesetzes arbeitet. Was eine entsprechende Anwendung andere Vorschriften bedeutet, erschließt sich nicht sofort.

27

Hinzu kommt eine häufige Nutzung von Fiktionen oder Modifikationen allgemeiner Begriffe (z.B. § 2 Abs. 3, § 2 Abs. 7, § 7 Satz 7, 8 GewStG). Dies sind nicht selten fragwürdige gesetzlichen Lügen, die nach Art, Umfang und Rechtsfolgen nicht immer eindeutig sind. Zudem werfen sie oftmals rechtssystematische Folgeprobleme auf oder verursachen inhaltliche Friktionen. Hier besteht auch die Gefahr, dass sich der Gesetzgeber und Finanzverwaltung im eigenen Netz verfangen. Geradezu kunstvolle Konstruktionen des Gesetzgebers und der Rechtsprechung26 sind das fiktive Anlagevermögen und das fiktive Umlaufvermögen in § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG. Dies alles erschwert die Verständlichkeit des GewStG.

28

frei

29–30

bb) Verweisungen auf andere Steuergesetze Verweisungen auf das EStG enthalten etwa: § 2 Abs. 1 Satz 1, § 7 Sätze 1, 3, 4 und 6, § 7b, § 8 Nr. 5 und 12, § 9 Nr. 3 GewStG – § 9 Nr. 5, – § 15 und – § 31 GewStG

31

Verweisungen auf das KStG enthalten etwa § 2 Abs. 2 Satz 2, Abs. 8, § 3 Nr. 9, 10, 15, 21, 20 und 29, § 7 Sätze 1 und 5, § 8 Nr. 5, § 8 Nr. 9, § 9 Nr. 5, § 10a und § 15 GewStG

32

Verweisungen auf das AStG: § 7 Sätze 7 bis 9, § 9 Nr. 2 GewStG, § 9 Nr. 3 GewStG

33

Verweisungen auf die AO: § 2 Abs. 1 Satz 3, § 3 Nr. 6, § 9 Nr. 5, § 14b, § 35b GewStG

34

Das Gewerbesteuergesetz verweist an einigen Stellen auf andere ertragsteuerrechtliche Regelungen, deren Prüfung und Subsumtion der jeweiligen gewerbesteuerrechtlichen Rechtsnorm vorgelagert ist. Ausdrückliche Verweisungsnormen bestehen etwa im Rahmen der Steuerbefreiungsregelung gem. § 3 GewStG; diese Vorschrift verweist auf entsprechende Steuerbefreiungen im Körperschaftsteuergesetz, im Einkommensteuergesetz27 oder in der Abgabenordnung sowie auf Spezialgesetze für die jeweiligen Gewerbebetriebe. Umgekehrt verweisen Steuergesetze auf das Gewerbesteuergesetz (z.B. § 15 Abs. 1 InvStG).

35

An zentraler Stelle bei der Ermittlung des Gewerbeertrags verweist § 7 Satz 1 GewStG lediglich auf die aktuellen „Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes“, soweit sie die Ermittlung des Gewinns und des Eikommens betreffen. Hinzutreten weitere Verweise auf bestimmte Regelungen des EStG (vgl. §§ 7, 7b GewStG) und eine Vielzahl von weiteren Verweisen auf die Abgabenordnung und das Körperschaftsteuergesetz (z.B. in §10a, § 35b GewStG).

36

Das Zerlegungsrecht der §§ 28 ff. GewStG ist wesentlich Finanzrecht, das sich (auch) nach ökonometrischen und finanzwirtschaftlichen Kriterien richtet. Es stützt sich nicht nur auf §§ 185 ff. AO, sondern auch neuerdings auf das Erneuerbare-Energie-Gesetz (vgl. § 29 GewStG). Zudem bestehen weitere Bezüge zum Umweltrecht etwa in § 3 Nr. 32 GewStG und § 8 Nr. 1 Buchst. d und § 9 Nr. 1 Satz 3 Buchst. b GewStG. § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f

37

26 BFH v. 25.7.2019 – III R 22/16, BStBl. II 2020, 51; krit. Nöcker, FR 2018, 506; Nöcker, FR 2020, 915. 27 Zum Verhältnis von § 35 EStG, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer BFH v. 14.11.2018 – II R 64/15, BStBl. II 2019, 289; Nöcker, FR 2021, 864.

5

GewStG § 1 Rz. 38 | Steuerberechtigte GewStG begünstigt bestimmte, gesetzlich regulierte Finanzunternehmen i.S.d. Kreditwesengesetzes. Verweisungen auf das übrige Verwaltungsrecht enthalten: § 3 Nr. 26, 28, 31, § 11 Abs. 3 GewStG (dort mit Verweis auf § 10 UStG), § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f GewStG. 38

In wenigen Fällen verweist das GewStG auch auf die Verfassung (§ 3 Nr. 13 GewStG), auf das Unionsrecht (z.B. § 5, § 9 Nr. 5 GewStG) oder das Abkommensrecht (§ 2 Abs. 6, 7, § 4 Abs. 3, § 9 Nr. 8 GewStG)

39

Nicht zuletzt verwendet das GewStG auch Gesetzesbegriffe aus dem sonstigen allgemeinen und besonderen Steuerrecht wie Betriebsstätte (§§ 2, 28 GewStG, § 12 AO), Grundbesitz (§ 9 Nr. 1 GewStG, § 68 BewG), Gewerbebetrieb (§ 2 GewStG, § 15 EStG) oder Mitunternehmer (§ 7 Satz 2 GewStG, § 15 EStG). Hier ist mitunter unklar, ob das GewStG das allgemeine Begriffsverständnis aufgreifen und bestätigen will oder den Begriff für gewerbesteuerrechtlichen Zwecke anpassen oder modifizieren will. Umgekehrt verweisen die Steuergesetze an einigen Stellen auf das GewStG (§ 1 Abs. 2 AO, § 4 Abs. 5b EStG, § 35 EStG).

40

frei cc) Gewerbesteuerrecht außerhalb des GewStG

41

Außerhalb des Gewerbesteuergesetzes und der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung bestehen eine Reihe weiterer gewerbesteuerrechtliche Regelungen. Hierzu gehören zunächst Steuerbefreiungen außerhalb des Katalogs des § 3 GewStG.

42

Im Rahmen der Verlustverrechnung gem. § 10a GewStG enthält das UmwStG vorrangige Spezialregelungen28 zur Frage der Unternehmerwechsels und des Verlustabzugs, namentlich §§ 18, 19 UmwStG. Auf diese Weise hat sich ein eigenes gewerbesteuerrechtliches Umwandlungssteuerrecht entwickelt, das auch den gewerbesteuerrechtlichen Verlustabzug bei der Gewerbesteuer, ungeachtet der sog. Fußstapfentheorie des § 4 Abs. 2 Satz 1 UmwStG, wesentlich einschränkt.29

43

Hierzu gehört auch § 35 EStG, der auf der Grundlage des festgesetzten GewerbesteuerMessbetrags eine Steuerermäßigung zu Lasten des Aufkommens der Einkommensteuer gewährt. Dieser „stille Finanzausgleich“30 ist auch Teil des Finanzrechts und begünstigt nur gewerbesteuerpflichtige Einzel- und Personenunternehmen, nicht dagegen Körperschaften. Daher handelt es sich in der Wirkung um eine selektive Ermäßigung der Gewerbesteuer.

44

In wenigen Fällen bestehen zusätzliche landesrechtliche Regelungen (z.B. nach § 4 GewStG oder im Zuständigkeitsrecht).

45

§ 11 Abs. 5 AStG enthält nunmehr ab EZ/VZ 2022 eine eigene Korrekturvorschrift für außensteuerrechtliche Hinzurechnungsbeträge für Zwecke der Gewerbesteuer. Zuvor galt § 8 Nr. 5 Satz 2 GewStG a.F.

46

Das Gewerbesteuerinsolvenzrecht hat das GewStG nur rudimentär und untergesetzlich geregelt (§§ 4, 16 GewStDV). Auch hier hat sich auf der Grundlage der Insolvenzordnung ein eigenes Steuerschuldrecht entwickelt.31

47

Die Gewerbesteuerumlage beruht auf § 6 GFRG. Diese Regelung ist Teil des bundesgesetzlichen Finanzrechts. Sie beschränkt die Finanzwirtschaft der Gemeinden.

48–49

28 29 30 31

6

frei

Vgl. Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, § 10a GewStG Rz. 86, 113. Vgl. etwa Pitzal in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, GewStG, Anhang 1. Krit. Hidien, BB 2000, 485. Näher Schulze in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, GewStG Anhang 2.

Steuerberechtigte | Rz. 59 § 1 GewStG

III. Verfassungsrechtliche Grundlagen einer Gewerbesteuer 1. Rechtspositionen der Gemeinden Den Verfassungsbegriff der Gewerbesteuer der Gemeinden erwähnt das Grundgesetz nur an einer Stelle (Art. 106 Abs. 6 GG). Ihre rechtliche, faktische und finanzielle Bedeutung mag der Umstand ermessen, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber kürzlich ihretwegen und „zugunsten der Gemeinden“ die Verfassung kurzfristig und kurzzeitig geändert hat (Art. 143h GG, s. unten Rz. 171).

50

Im deutschen Bundesstaat sind die Gemeinden als Ertragsberechtigte der Gewerbesteuer (Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG) Teil des Staates und insoweit Teil der Länder. Eine dritte staatliche Ebene besteht auch finanzverfassungsrechtlich (Art. 104a ff. GG) nicht. Allerdings besitzen die Gemeinden als Form der mittelbaren Staatsverwaltung ein Selbstverwaltungsrecht in Gestalt einer Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG), die auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung umfasst (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 GG). Zu diesen Grundlagen gehört auch seit der Verfassungsänderung 1997 „eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle“ (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 GG).32

51

Das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 20.10.199733 hat in Art. 106 Abs. 6 Satz 1 und 2 GG das Wort „Realsteuern“ jeweils durch die Worte „Grundsteuer und Gewerbesteuer“ ersetzt. Diese Umformulierung sollte der Klarstellung und Absicherung dienen, weil die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer den Charakter der Gewerbesteuer als Realsteuer ansonsten hätte infrage stellen können.34 Gleichzeitig wurde Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG um einen zweiten Halbsatz ergänzt. Die einzige Steuer, die diese Voraussetzungen im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Grundgesetzänderung erfüllte und auch gegenwärtig erfüllt, ist die Gewerbesteuer.35

52

Diese Änderungen des Grundgesetzes erfolgten im Zusammenhang mit dem Erlass des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform v. 29.10.199736, durch das die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft wurde. Mit der Ergänzung des Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 GG sollte die kommunale Finanzautonomie durch den Bestand der Gewerbeertragsteuer oder einer anderen an der Wirtschaftskraft orientierten Steuer gewährleistet werden.37

53

Damit hat das Grundgesetz nicht nur die Finanzhoheit der Gemeinde ausdrücklich anerkennt, die durch eine gewisse Finanzausstattung ins Werk gesetzt werden muss, sondern garantiert den Gemeinden an anderer Stelle auch einen eigenen Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer (Art. 106 Abs. 5 GG) und an der Umsatzsteuer (Art. 106 Abs. 5a GG). Diese gestärkte finanzwirtschaftliche Unabhängigkeit und Verselbständigung der Kommunen „modifiziert“ nach Auffassung der BVerfG die bisherige Zweistufigkeit der Finanzverfassung.38 Über die realwirtschaftliche Finanzausstattung der Gemeinden ist damit noch keine Aussage getroffen. Bei formaler Betrachtung übersteigen diese Autonomierechte der Gemeinden die rudimentären Steuerzuständigkeiten ihrer Länder.

54

frei

55–59

32 BVerfG v. 11.11.1999 – 2 BvF 2/98 u.a., BVerfGE 101, 158 (230); v. 17.1.2010 – 2 BvR 2185/04, 2 BvR 2189/04, BVerfGE 125, 141 (161). 33 BGBl. I 1997, 2470. 34 BT-Drucks. 13/8488, 6. 35 BFH v. 18.9.2004 – X R 2/00, BStBl. II 2004, 17. 36 BGBl. I 1997, 2590. 37 BT-Drucks. 13/8340, 2. 38 BVerfG v. 11.11.1999 – 2 BvF 2/98 u.a. BVerfGE 101, 158 (230); ausf. Hidien, Die Berücksichtigung der Finanzkraft und des Finanzbedarfs der Gemeinden (Gemeindeverbände) im Finanzausgleich nach Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz, 2000.

7

GewStG § 1 Rz. 60 | Steuerberechtigte 2. Gesetzgebung 60

Die Steuergesetzgebungszuständigkeit für die Gewerbesteuer liegt als konkurrierende Gesetzgebung beim Bund (Art. 105 Abs. 2, Art. 106 Abs. 6, Art. 72 Abs. 2 GG).39 Hiervon hat der Bund im GewStG Gebrauch gemacht. Das GewStG als Bundesgesetz hat an verschiedenen Stellen Verordnungsermächtigungen geregelt, etwa zugunsten der Bundesregierung (§ 35c GewStG) oder zugunsten der Landesregierung (§ 4 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Rechtsgrundlage ist Art. 80 GG. In bestimmten Fällen kann auch der Landesgesetzgeber tätig werden (§ 16 Abs. 5 GewStG).

61

Nach Art. 108 Abs. 5 Satz 2 GG kann der Bundesgesetzgeber mit Zustimmung des Bundesrats auch das von den Landesfinanzbehörden und den Gemeinden im Fall des Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG anzuwendende Verwaltungsverfahren regeln. Dem entsprechend gilt die Abgabenordnung grds. auch für die Landesfinanzbehörden sowie die Gemeinden nach § 1 Abs. 2 AO. Der dort noch genannte Begriff der Realsteuern umfasst neben der Grundsteuer auch die Gewerbesteuer. Verfassungsrechtlich ist der Begriff überholt (vgl. Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG).

62

Sollte der Bund – wider Erwarten – das Gewerbesteuergesetz aufheben, können die Länder ihrerseits gesetzgeberisch tätig werden und ihrerseits den Steuertypus der Gewerbesteuer ausformen. Eine allgemeine Aufhebung der Steuer ist grds. möglich und zulässig. Insb. enthalten Art. 106, 28 GG keine institutionelle Garantie der Gewerbesteuer.40

63

Auch könnte das BVerfG die (aktuelle) Steuer als mit der Verfassung unvereinbar erklären. Zwar ist Art. 106 GG nicht nur eine reine „Verteilungsnorm“, sondern hat auch materiellrechtliche Funktionen.41 Sie immunisiert aber jedenfalls nicht vor einer Kontrolle des konkreten Gesetzes am Maßstabe des Gleichheitssatzes.42 Die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz hängt vielmehr von ihrer konkreten Ausgestaltung und von ihrer Einbindung in das System der anderen einkünftebezogenen Steuern ab.

64

Einer ersatzlosen Aufhebung der Steuer und des Gewerbesteuergesetzes durch den einfachen Gesetzgeber stehen derzeit aber Art. 28 Abs. 2 Satz 1, 3 i.V.m. Art. 106 Abs. 6 GG entgegen.43 Denn die Steuer ist derzeit die einzige wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle, die den Gemeinden ein Hebesatzrecht einräumt. Als solche kommen nur die Gewerbesteuer und die Einkommensteuer in Betracht. Für letztere besteht zwar die Ermächtigung zur Einführung von Hebesätzen (Art. 106 Abs. 5 Satz 3 GG), bislang bestehen aber keine gesetzlichen Hebesätze für die Einkommensteuer. Die (alte und neue) Grundsteuer ist bislang keine wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle. Für die Körperschaftsteuer fehlt eine Hebesatzermächtigung.

65

Ein Bezug zur Wirtschaftskraft besteht, wenn die Steuer auf die volkswirtschaftliche Produktivität reagiert. Gegen die ersatzlose Aufhebung spricht auch, dass die Steuer einen zentralen Pfeiler der kommunalen Finanzautonomie und Finanzwirtschaft bildet, und insoweit innerhalb des Art. 106 GG „systemrelevant“ ist. Nicht zuletzt gewährleistet Art. 28 Abs. 2 GG zumindest eine finanzielle Mindestausstattung, die dann unterschritten sein könnte. Eine bestimmte Ausgestaltung des kommunalen Einnahmensystems ist damit darüber hinaus nicht verbunden.44

66

Das BVerfG45 geht zwar davon aus, dass die in Art. 106 Abs. 6 GG erwähnte Gewerbesteuer in ihrer Grundstruktur verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Gleichwohl hat der Bundes39 BVerfG v. 25.1.2005 – 2 BvR 2185/04, 2 BvR 2189/04, BVerfGE 112, 216. 40 BVerfG v. 27.1.2010 – 2 BvR 2185/04, 2 BvR 2189/04, BVerfGE 125, 141 (161). 41 BVerfG v.15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1; v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, BVerfGE 145, 171 zur Typuslehre. 42 BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (24 ff.). 43 BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1; v. 27.1.2010 – 2 BvR 2185/04, 2 BvR 2189/04, BVerfGE 125, 141; BFH v. 18.9.2003 – X R 2/00, BStBl. II 2004, 17; BT-Drucks. 13/8488, 5. 44 BVerfG v. 27.1.2010 – 2 BvR 2185/04, 2 BvR 2189/04, BVerfGE 125, 141. 45 BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (24).

8

Steuerberechtigte | Rz. 72 § 1 GewStG

gesetzgeber im Rahmen der Verfassung (besonders Art. 106 Abs. 6, Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG und der Grundrechte) einen relativ weiten Gestaltungspielraum. Insb. darf er die Steuer modifizieren oder gänzlich erneuern. Ein Steuererfindungsrecht von Bund, Ländern und Gemeinden besteht per se nicht. Nur innerhalb der durch Art. 105 und Art. 106 GG vorgegebenen, eher „großzügig“, d.h. weit zu interpretierenden Typusbegriffe steht es dem zuständigen Gesetzgeber offen, neue Steuern zu „erfinden“.46 Auch der Steuertypus der Gewerbesteuer im Rahmen der Einbindung in das Steuerkonglomerat des Art. 106 GG ist relativ offen. Die sog. Steuertypuslehre hat das BVerfG47 zuletzt am Beispiel der Kernbrennstoffsteuer für den Begriff der Verbrauchsteuer konkretisiert. Die Abmessungen des verfassungsrechtlichen Steuertypus der Gewerbesteuer48 in Art. 106 GG sind jedoch noch nicht abschließend verfassungsgerichtlich geklärt. Die derzeitige hybride Ausgestaltung der Steuer als modifizierte, objektivierte Ertrags- und Sondersteuer ist zwar gleichheitsrechtlich fragwürdig, wird sich aber innerhalb der Grenzen des überkommenen Steuertypus der Gewerbesteuer bzw. Realsteuer halten. Der verfassungsgebende Gesetzgeber hat diese Steuer 1949 so vorgefunden und jedenfalls steuerbegrifflich rezipiert. Dazu gehörten auch objektivierende Elemente, die nicht zuletzt die Differenz zu den weiteren Steuerarten und Steuern begründen.49 Ob sodann auch eine „reine“ zweite bzw. dritte Ertragsteuer zulässig wäre, ist ungeklärt und berührt die Grenzen eines verfassungsrechtlichen Begriffs der Gewerbesteuer. Hier besteht jedenfalls für die Begriffsbildung, sei es klassifikatorisch oder typologisch, die Gefahr einer Gesetzmäßigkeit der Rahmenvorgaben der (Finanz-)Verfassung – statt einer Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. frei

67

68–69

3. Hebesatzrecht Das Hebesatzrecht der Gemeinden (Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG) sichert den Gemeinden eine eigene Rechtssetzungszuständigkeit neben dem Bund, stärkt ihre Finanzautonomie und ist Element der demokratischen Funktion der kommunalen Selbstverwaltung. Es ist ein zwingender Teil der kommunalen Finanzhoheit (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG). Es muss den Gemeinden nach Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG gesetzlich eingeräumt werden, sofern eine Gewerbesteuer und Grundsteuer besteht. Es kann auch für die Einkommensteuer begründet werden (Art. 106 Abs. 5 Satz 3 GG).

70

Hebesätze sind Größen (Vomhundertsätze), die an die entsprechend gesetzliche Steuerbemessungsgrundlage angelegt werden und durch Multiplikation erst die Steuerschuld ergeben. Der Gesetzgeber hat das Hebesatzrecht in § 16 GewStG realisiert. Die Hebesätze erfüllen mithin Steuersatzfunktion. Das Hebesatzrecht ist ein wichtiges finanzwirtschaftliches Instrument der kommunalen Standortpolitik und erlaubt einen begrenzten kommunalen Steuerwettbewerb. Zugleich können die Unternehmen ein Hebesatzgefälle auch einzelwirtschaftlich für eigene Gestaltungen nutzen.50 In den Jahren 2019/2020 lag der gewogene Durchschnittshebesatz bei ca. 435.

71

Das Hebesatzrecht der Gemeinden steht allerdings unter einem organisationsrechtlichen Gesetzesvorbehalt („im Rahmen der Gesetze“). Dieser umfasst auch die Höhe des Hebesatzes. Der Bundesgesetzgeber durfte einen Mindeststeuersatz (vgl. § 16 Abs. 4 GewStG) und die Modalitäten vorschreiben.51 Der Gesetzgeber hat insoweit einen Gestaltungsspielraum, darf aber das Hebesatzrecht nicht übermäßig beschränken. Eine vollständige Aushöhlung und Beseitigung des Rechts wäre verfassungswidrig.

72

46 BVerfG v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, BVerfGE 145, 171 Leitsatz 2. 47 BVerfG v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, BVerfGE 145, 171. 48 Näher Hidien in Bonner Kommentar, Art. 106 GG Rz. 1456; Drüen in Brandis/Heuermann, § 1 GewStG Rz. 18. 49 Drüen in Brandis/Heuermann, § 1 GewStG Rz. 18. 50 Näher Blumers, Ubg 2021, 711; Kösters, DStZ 2021, 889; Marx, DStR 2021, 2720. 51 BVerfG v. 27.1.2010 – 2 BvR 2185/04, 2 BvR 2189/04, BVerfGE 125, 141 auch zum Folgenden.

9

GewStG § 1 Rz. 73 | Steuerberechtigte 73

Mit der Einführung des Mindeststeuersatzes ab EZ 2004 wollte der Gesetzgeber „Steueroasen“ behindern und sicherstellen, dass die Steuer überhaupt erhoben wird. Insb. sollten durch die Neuregelung übermäßige Standortvorteile vermieden werden, die rein steuermotivierte Wanderungsbewegungen auslösen und dadurch andere Gemeinden sowie Bund und Länder schädigen könnten. Zudem diente sie der Missbrauchsbekämpfung, etwa wenn insoweit auf kommunale Steuern verzichtet wird, an deren Aufkommen auch andere Körperschaften beteiligt sind. Hierfür war auch eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich.

74

Auch ist die Höhe des Mindesthebesatzes zumutbar. Da er weit unter dem Durchschnitt von (damals: 2010) 390 % liegt, bleibt den Gemeinden der Ausgleich von Standortnachteilen möglich. An der Bewertung ändert auch der Umstand nichts, dass nur wenige Gemeinden einen Hebesatz von weniger als 200 % festgesetzt hatten.

75

Zum Zweck der Erhebung der Gewerbesteuer muss die Gemeinde einen kommunalrechtlichen Rechtssetzungsakt beschließen. Dies geschieht im Wege einer kommunalen Satzung, die den Hebesatz festlegt (§ 16 GewStG). In den Stadtstaaten wird der Hebesatz im (Haushalts-)Gesetz festgesetzt. Die kommunale Hebesatzpolitik unterliegt zudem auch den Vorgaben der Kommunalaufsicht.52

76–79

frei

4. Ertragsberechtigung a) Ertragshoheit 80

Die alleinige Ertragshoheit über die Gewerbesteuer gewährt den Gemeinden ein vollständiges Steuerertragsrecht und steht den individuellen Gemeinden zu (Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG). Gleiches gilt für die Grundsteuer (vormalige „Realsteuern“). Bestehen in einem Land, so in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg, keine Gemeinden, besitzt das Land die Ertragshoheit (Art. 106 Abs. 6 Satz 3 GG). Die Steuerberechtigung (samt Ertragshoheit) der einzelnen Gemeinde ergibt sich konkret aus §§ 4, 35a GewStG. Die Ertragshoheit ist keine „normale“ Zuständigkeit oder Kompetenz wie die drei vorausliegenden Funktionszuständigkeiten. Als Ertragsberechtigung bestimmt sie, dass das Aufkommen an der Steuer den Gemeinden „zusteht“. Hieraus ergeben sich Ansprüche auf das Aufkommen gegenüber Bund und Land, aber auch Zerlegungsansprüche53 gegen andere Gemeinden. Im Außenverhältnis zum Stpfl. berechtigt die Hebeberechtigung der Gemeinden den Gewerbesteueranspruch unmittelbar gegenüber dem Steuerpflichtigen geltend zu machen (§ 4 GewStG).

81

Hinsichtlich der Lokalisierung der Steuer und ihrer horizontalen Verteilung enthält Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG keine ausdrücklichen Vorgaben oder Maßstäbe. Nach dem Rechtsgedanken des Art. 107 Abs. 1 Satz 1 GG ist hier das örtliche Aufkommen54 maßgeblich, das der Bundesgesetzgeber durch das Territorialitäts- und Betriebsstättenprinzip (§§ 2, 4 GewStG) konkretisiert hat. Entsprechend Art. 107 Abs. 1 Satz 2, 3 GG orientiert sich auch die Zerlegung der Steuer (§ 28 GewStG) an diesen Grundsätzen. Dies sichert die richtige und gerechte Verteilung der Steuer und unterbindet an dieser Stelle eine horizontale Umverteilung, die Aufgabe des Landesgesetzgebers ist. Insb. soll der Örtlichkeitsgrundsatz die wirkliche lokale Steuerkraft zum Ausdruck bringen.55

82

Die Ertragshoheit setzt ein Gewerbesteuergesetz voraus, das Grund und Höhe der Steuer bestimmt. Mit ihr ist weder der Fortbestand der Steuer noch eine bestimme Höhe der Steuer verbunden. Auch über den Steuertypus und den Steuerkern enthält Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG keine ausdrückliche Aussage. Seit dem EZ 2004 sind die Gemeinden nicht mehr nur berechtigt, sondern zugleich verpflichtet „eine“ Gewerbesteuer zu erheben (§ 1 GewStG).56 52 53 54 55 56

10

Näher Drüen in Brandis/Heuermann, § 1 GewStG Rz. 6. BFH v. 24.3.1992 – VIII R 33/90, BStBl. II 1992, 869. Hidien in Bonner Kommentar, Art. 106 GG Rz. 1077. BVerfG v. 24.6.1986 – 2 BvF 1/83 u.a., BVerfGE 72, 330 (391 f.). Näher Hidien, ZKF 2004, 29. § 1 GewStG a.F. lautete: Die Gemeinden sind berechtigt eine Gewerbesteuer als Gemeindesteuer zu erheben.

Steuerberechtigte | Rz. 90 § 1 GewStG

Das konkrete Ertragsrecht der jeweiligen Gemeinde ergibt sich für den Regelfall des stehenden Gewerbes aus §§ 2, 4 GewStG, beim Reisegewerbebetrieb gilt § 35a GewStG. Überschreitet der stehende Gewerbebetrieb das Gemeindegebiet, ergibt sich das Ertragsrecht erst nach einer Zerlegung des Messbetrags gem. §§ 28 ff. GewStG.

83

Auch § 4 Abs. 2 GewStG und die Praxis der Länder ermöglicht Abweichungen. Für gemeindefreie Gebiete an Land oder im inländischen Offshore-Bereich (§ 2 Abs. 7 GewStG) bestimmt das Landesrecht teilweise, dass das Aufkommen der Gewerbesteuer dem Küstenstaat (Land) zusteht.57

84

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85

b) Gewerbesteuerumlage Bund und Länder können nach Art. 106 Abs. 6 Satz 4, 5 GG durch eine Umlage am Aufkommen der Steuer beteiligt werden. Diese Regelung hat das Finanzreformgesetz 1969 eingeführt. Im Gegenzug erhielten die Gemeinden einen Anteil am Aufkommen der Einkommensteuer.58 Hiervon hat der zuständige Bund in Form einer Gewerbesteuerumlage im Gemeindefinanzreformgesetz Gebrauch gemacht (§ 6 GFRG). Die Abführung der Umlage verändert den „Charakter als Gemeindesteuer“ nicht.59

86

Seit 1970 – in den neuen Bundesländern seit 1993 – sind Bund und Länder durch eine Umlage am Gewerbesteueraufkommen beteiligt. Die Umlage wurde 1998 erhöht, da die Gemeinden auch an der Umsatzsteuer beteiligt wurden (Art. 106 Abs. 5a GG). Seit 1991 bis 2000 finanzierte die Umlage zusätzlich die Beteiligung der alten Länder (samt Gemeinden) an den Lasten der deutschen Einigung. Für die Stadtstaaten Berlin und Hamburg entfällt der länderseitige Anteil. Die Städte Bremen und Bremerhaven führen die Umlage an die Freie Hansestadt Bremen und den Bund ab.

87

Die Finanzumlage (derzeit ca. 10 bis 20 % des gesamten Steueraufkommens) lässt die Ertragsberechtigung der Gemeinden und den Charakter der Steuer als Gemeindesteuer grds. unberührt.60 Umlagen (auch: Beitrag) sind Finanzierungslasten, die einer Gebietskörperschaft von einer anderen Gebietskörperschaft regelmäßiger höherer Ordnung auferlegt werden; sie lenken Finanzströme von unten nach oben.61 Die Umlage ist seit langem eine bloße fiskalische Stellschraube von Bund und Ländern62 und besitzt kaum mehr horizontale Verteilungswirkungen und die ihr ursprünglich zugedachte Finanzausgleichsfunktion.63

88

frei

89

5. Verwaltungszuständigkeiten Die Verwaltungszuständigkeit für bestimmte Abgaben und bundegesetzlich geregelte Steuern (z.B. Verbrauchsteuern) steht nach Art. 108 Abs. 1 GG dem Bund zu. Die „übrigen Steuern“ werden grds. ausschließlich durch die Landesfinanzbehörden verwaltet (Art. 108 Abs. 2 GG). Die Kommunen (Gemeinden und Gemeindeverbände) sind hier bundesstaatsrechtlich und finanzrechtlich Teil der Länder, und bilden keine eigene Steuerverwaltungsebene. Hieran ändert die Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 GG) nichts. Für bestimmte Steuern besteht nach Art. 108 Abs. 4 Satz 1 GG eine z.T. im FinanzverKrit. Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 4 GewStG Rz. 13 f. BT-Drucks. V/2861, 44. R 1.1 Satz 3 GewStR 2009. BVerfG v. 25.10.1977 – 1 BvR 15/17, BStBl. II 1978, 125. BVerwG v. 25.3.1998 – 8 C 11/97, BVerwGE 106, 280 (283). Für ihre Abschaffung Hidien, ZG 2000, 157; ausf. Hidien in Bonner Kommentar, Art. 106 GG Rz. 1090 ff.; zur Funktionsweise Hidien in Deutsches Bundesrecht, § 6 GFRG; Wohltmann in Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 9; Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 1 GewStG Rz. 43 ff. 63 A.A. Drüen, DStZ 2014, 125. 57 58 59 60 61 62

11

90

GewStG § 1 Rz. 91 | Steuerberechtigte waltungsgesetz geregelte Mischverwaltung, die jedoch nicht die Gewerbesteuer betrifft. Danach sind die Länderfinanzbehörden grds. auch für die Verwaltung der Gewerbesteuer zuständig. 91

Nach Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG können die Länder die ihren Finanzbehörden zustehende Verwaltung für die den Gemeinden (Gemeindeverbänden) allein zufließenden Steuern ganz oder zum Teil den Gemeinden (Gemeindeverbänden) übertragen. Es handelt sich um eine Ermächtigung der Länder, keine Verpflichtung. Diese Steuern müssen den Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden ausschließlich „zufließen“, d.h. sie müssen ihnen ertragsrechtlich zustehen. Dies ist bei der Gewerbesteuer als Steuer (nur) der Gemeinden gem. Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG der Fall. Die mögliche und noch bestehende Gewerbesteuerumlage, die Bund und Ländern „zufließt“, berührt die Ertragsberechtigung der Gemeinden nicht, sondern stellt lediglich eine (umgekehrte) Finanzzuweisung aus dem Aufkommen im sekundären Finanzausgleich dar.

92

Die Länder können die Zuständigkeit sodann durch förmliches Landesgesetz64 den Gemeinden übertragen. Hiervon haben die Flächenländer Gebrauch gemacht, indem sie die Verwaltungszuständigkeit teilweise ihren Gemeinden übertragen haben.65 Danach sind die Finanzämter für das Gewerbesteuermessverfahren und das Zerlegungs- und Zuteilungsverfahren zuständig. Die Gemeinden sind für die Festsetzung und die Erhebung im engeren Sinne einschließlich der Stundung, Niederschlagung und den Erlass der Steuer sowie für die Vorauszahlungen zuständig.

93

Dies führt zu einem recht aufwändigen, geteilten und zweistufigen Verwaltungs- und Veranlagungsverfahren mit anschließendem geteiltem Rechtsschutz. In den Stadtstaaten samt Bremen erübrigt sich eine Übertragung, d.h. dort sind die Landesfinanzbehörden, d. h. die Finanzämter vollständig für das gesamte Besteuerungsverfahren zuständig. Dies folgt auch aus Art. 106 Abs. 6 Satz 3 GG. Der Bund besitzt hier keine Regelungszuständigkeiten.

94

Abweichende, vielleicht effizientere Organisationsmodelle haben die Landesgesetzgeber bisher nicht verfolgt: So könnten die Länder die Verwaltungszuständigkeit für die Gewerbesteuer gänzlich auf die Gemeinen übertragen oder die Verwaltungszuständigkeit für die Gewerbesteuer gänzlich selbst behalten (wie in den Stadtstaaten), je unbeschadet der Ertrags- und Hebeberechtigung der Betriebsstättengemeinden. Das Auseinanderfallen von Verwaltungs- und Ertragszuständigkeit ist in Art. 106, 108 GG nicht ungewöhnlich.

95

Nach Art. 108 Abs. 7 GG darf die Bundesregierung (nicht das BMF) als Bundesorgan zudem allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen, und zwar mit Zustimmung des Bundesrats als Bundesorgan, soweit die Verwaltung den Landesfinanzbehörden oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) obliegt. Allgemeine Verwaltungsvorschriften sind abstrakt-generelle Regelungen innerhalb der (im weiteren Sinne) staatlichen Organisation. Sie stellen im Steuerrecht steuerliche Belastungsgleichheit im Gesetzesvollzug her. Es handelt sich zumeist um normkonkretisierende Regelungen. Dies betrifft hier die Gewerbesteuerrichtlinien (GewStR) samt zusätzlichen Hinweisen (GewStH). Beide werden periodisch aktualisiert und sind auf der Webseite des BMF verfügbar. Einzelanweisungen und Einzelanordnungen darf das BMF danach nicht erlassen.

96

Nach § 21a FVG kann das BMF aber auch Verwaltungsgrundsätze und fachliche Weisungen zum Vollzug des Bundesgesetzes erlassen. Im „Einvernehmen“ mit dem BMF veröffentlichen die obersten Länderfinanzbehörden zudem weitere Erlasse. Diese Regelungen binden die Verwaltungstätigkeit von Ländern und Kommunen im Besteuerungsverfahren der Gewerbesteuer im Sinne eines gleichmäßigen Steuervollzugs und einer Selbstbindung. In der Praxis besitzen sie für die Verwaltung und die Stpfl. eine überragende Bedeutung. Auch wenn sie keine rechtliche Außenwirkung besitzen, und die Gerichte rechtsstaatlich nicht binden, da sie keine Rechtsnormen darstellen, haben sie ähnliche Wirkungen wie Rechtsnormen. Sie erzeugen über Art. 3 Abs. 1 GG auch mittelbaren Rechtswirkungen, da 64 BVerwG v. 29.8.1982 – 8 C 48.82, BStBl. II 1984, 236. 65 Für NRW etwa Gesetz v. 16.12.1981, GV 1981, 732; Auflistung der Landesgesetze bei Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 1 GewStG Rz. 58.

12

Steuerberechtigte | Rz. 110 § 1 GewStG

sie eine Selbstbindung der Verwaltung begründen. Sie sollten daher grds. auch veröffentlicht werden, was leider nicht der Fall ist. Unterschieden werden hier zumeist drei Arten von Verwaltungsvorschriften: norminterpretierende, ermessenslenkende und typisierende bzw. pauschalierende. Die Unterscheidung selbst hat noch keine Rechtsfolgen. frei

97–99

6. Rechtsprechung Art. 108 Abs. 6 GG weist dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit zur (einheitlichen) Regelung der Finanzgerichtsbarkeit zu. Ausführungsgesetz des Gesetzgebungsauftrags ist die Finanzgerichtsordnung (FGO). Dies gilt jedenfalls für Streitigkeiten über bundesgesetzlich geregelte Steuern, soweit sie von Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden.

100

Für die von der Gemeinden nach Maßgabe der teilweise Aufgabenübertragung nach Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG verwaltete bundesgesetzliche Gewerbesteuer besteht dennoch entsprechend dem zweigeteilten Besteuerungsverfahren ein zweigeteilter Rechtsweg für den Steuerpflichtigen.66 Gegen belastende Entscheidungen des Finanzamts im Gewerbesteuermessbescheid ist zunächst der Einspruch zum Finanzamt gegeben (§ 347 Abs. 1 Nr. 1 AO). Nach erfolglosem Einspruch ist die Anfechtungsklage im Finanzrechtsweg vor den Finanzgerichten (zwei Instanzen) statthaft (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO).

101

Gegen den gemeindlichen Gewerbesteuerbescheid ist für den Steuerpflichtigen nach § 40 Abs. 1 VwGO, § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben.67 Anstelle des Einspruchs ist grds. Widerspruch (§§ 68, 69 VwGO), und ggf. Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Satz 1 VwGO) vor den Verwaltungsgerichten (mit drei Instanzen) statthaft.

102

Die Rechtsprechung des BFH hat zwar oftmals „grundsätzliche Bedeutung“ (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) nicht nur für beteiligten Parteien. Formal binden Entscheidungen der Finanzgerichte aber grds. nur die Beteiligten (§ 111 Abs. 1 FGO). Deshalb ist auch die Finanzverwaltung an die Entscheidungen des BFH nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus gebunden. Aus ihrer bloßen Veröffentlichung im Bundessteuerblatt, das in der Verantwortung des BMF steht, kann aber entnommen werden, dass die Finanzverwaltung die maßgeblichen Rechtsgrundsätze der Entscheidung generell akzeptiert. Umgekehrt darf sie grds. „unerwünschte“ Entscheidungen nicht oder erst später im BStBl. veröffentlichen oder ihre Reichweite einschränken (sog. Nichtanwendungserlasse). Sein Ermessen darf das BMF allerdings nicht willkürlich ausüben.

103

frei

104–109

IV. Rechtmäßigkeit der Gewerbesteuer 1. Verfassungsrecht Das GewStG insgesamt und seine es tragenden Regelungen (§§ 2, 7 8, 9 GewStG) sind nach Ansicht des BVerfG68 verfassungsgemäß. Nur wenige Steuergesetze sind bislang so oft und schon seit den 1960er Jahre immer wieder verfassungsgerichtlich überprüft worden, ande66 Zum Rechtsschutz der Gemeinde Güroff in Glanegger/Güroff10, § 1 GewStG Rz. 47 ff. 67 BFH v. 7.7.1971 – I B 18/71, BStBl. II 1971, 738. 68 BVerfG v. 21.12.1966 – 1 BvR 33/64, BVerfGE 21, 54; v. 13.5.1969 – 1 BvR 25/65, BStBl. II 1969, 424; v. 12.10.1976 – 1 BvR 197/73, BVerfGE 42, 374; v. 25.10.1977 – 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, 224; v. 17.11.1998 – 1 BvL 10/98, BStBl. II 1999, 509; v. 14.2.2001 – 2 BvR 1488/93, FR 2001, 368; 25.1.2005 – 2 BvR 2185/04, BVerfGE 112, 216; v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1; v. 6.5.2013 – 1 BvR 821/13, HFR 2013, 639; v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. II 2016, 557; v. 26.2.2016 – 1 BvR 2836/14, HFR 2016, 491; v. 10.4.2018 – 1 BvR 1236/11, BStBl. II 2018, 303. Zustimmend im Ergebnis P. Kirchhof, StuW 1996, 3; Wieland, KStZ 2003, 81; Brinkmann, DStR 2021, 586. Ausf. Hidien/Pohl/Schnitter, Gewerbesteuer16, S. 112 ff.

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110

GewStG § 1 Rz. 111 | Steuerberechtigte rerseits auch unzählige Male reformiert worden. In der Entwicklung der Rechtsprechung spiegeln sich auch Fortschritte und Ausdifferenzierungen in der Verfassungsdogmatik (besonders des allgemeinen Gleichheitssatzes), die maßgeblich durch die Steuerrechtswissenschaft angeregt worden sind. 111

Das BVerfG69 hat bisher lediglich wenige einzelne ältere Vorschriften für verfassungswidrig erklärt. Die Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer bzw. des Gewerbesteuergesetzes per se und seiner es tragenden Einzelregelungen hat das Gericht70 aber bislang stets bejaht bzw. nicht in Frage gestellt. Dem ist die Rechtsprechung des BFH71 bislang gefolgt. Neuere Verfassungsbeschwerden zur Verfassungsmäßigkeit der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnungen gem. § 8 Nr. 1 Buchst. d, e, f GewStG72 sowie des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG73 hat das BVerfG nicht angenommen.

112

Demgegenüber bezweifeln gewichtige Stimmen im Fachschrifttum74 sowie einzelne Finanzgerichte,75 dass die die Auswahl des Steuergegenstandes und seine Ausgestaltung in der Bemessungsgrundlage gleichheitsgerecht sind. Insb. begründe die zusätzliche Besteuerung nur der Gewerbebetriebe eine Sonderlast und zugleich einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz in Gestalt des Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Dies gilt für die Hinzurechnungsregelungen in § 8 GewStG besonders dann, wenn man dem objektiven Nettoprinzip zumindest im Kern einen verfassungskräftigen Gleichheitsgehalt zumisst.76 Die neuere Rechtsprechung des BVerfG geht für die Auslegung und Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG von folgenden Grundsätzen aus.

113–114

frei

a) Art. 106 GG 115

Zunächst erachtet das Gericht77 die in Art. 106 Abs. 6 GG bestimmte Gewerbesteuer in ihrer „wesentlichen Struktur“ für verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Dem stehe eine Kontrolle ihrer konkreten gesetzlichen Ausgestaltung am Maßstab von Art. 3 Abs. 1 GG nicht entgegen; diese Kontrolle wird dadurch auch nicht entbehrlich.

69 BVerfG v. 24.1.1962 – BvL 32/57, BVerfGE 13, 290; v. 24.1.1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331; v. 13.7.1965 – 1 BvR 771/59 u.a., BVerfGE 19, 101. 70 Aus der weiteren Rechtsprechung des BVerfG: BVerfG v. 21.12.1966 – 1 BvR 33/64, BVerfGE 21, 54; v. 13.5.1969 – 1 BvR 25/65, BStBl. II 1969, 424; v. 12.10.1976 – 1 BvR 197/73, BVerfGE 42, 374; v. 25.10.1977 – 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, 224; v. 17.11.1998 – 1 BvL 10/98, BStBl. II 1999, 509; v. 17.12. 1998 – 1 BvL 19/98, juris; v. 14.2.2001 – 2 BvR 1488/93, FR 2001, 368; 25.1.2005 – 2 BvR 2185/04, BVerfGE 112, 216; v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1; 27.1.2010 – 2 BvR 2185/04 u.a. BVerfGE 125, 141; v. 6.5.2013 – 1 BvR 821/13, HFR 2013, 639; v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. II 2016, 557; v. 26.2.2016 – 1 BvR 2836/14, HFR 2016, 491; v. 10.4.2018 – 1 BvR 1236/11, BStBl. II 2018, 303. 71 Etwa BFH v. 18.9.2003 – X R 2/00, BStBl. II 2004, 17; v. 14.6.2018 – III R 35/15, BStBl. II 2018, 662; v. 21.11.2020 – III R 38/17, DStR 2021, 1473. 72 BVerfG v. 5.9.2021 – 1 BvR 2150/18 zu BFH III R 35/15, StEd 2021, 602. 73 BVerfG v. 18.8.2021 – 1 BvR 2331/19 u.a., StEd 2021, 548. 74 Etwa Orth, StuW 1979, 77; R. Wendt, BB 1987, 1677; Seer, FR 1988, 1022; Tipke, BB 1994, 437; Tipke, FR 1999, 532; Gosch, DStZ 1998, 328; Jachmann, BB 2000, 1432; Hey, StuW 2002, 314; dies., DStR-Beihefter 2009, 109; Keß, FR 2008, 830; Hartmann, BB 2008, 2490; Selder, FR 2014, 178; P. Kirchhof, FS Gosch, 2016, 193; aus betriebswirtschaftlicher Sicht Scheffler, Besteuerung von Unternehmen I12, S. 264 f.; zurückhaltend dagegen Drüen in Brandis/Heuermann, § 1 GewStG Rz. 18, der nur eine Übermaßbesteuerung kritisch sieht. 75 Namentlich FG Nds. v. 23.7.1997 – IV 317/91, EFG 1997, 1456; v. 21.4.2004 – 4 K 317/91, EFG 2004, 1065; v. 14.4.2005 – 4 K 317/91, EFG 2005, 1471; FG Hamburg v. 29.2.2012 – 1 K 138/10 EFG 2012, 960. 76 Drüen in Brandis/Heuermann, § 1 GewStG Rz. 18. 77 BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1.

14

Steuerberechtigte | Rz. 123 § 1 GewStG

Das BVerfG78 vertritt zwar die Auffassung, dass die Gewerbesteuer als solche hier mit ihrer Verankerung im Grundgesetz in ihrer Grundstruktur und „herkömmlichen Ausgestaltung“ verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Ob und inwieweit solche materiell-rechtlichen Schlüsse aus einer Kompetenz- oder Organisationsnorm des Grundgesetzes gezogen werden können, müsse allerdings für jeden Fall gesondert ermittelt und bestimmt werden. Der verfassungsändernde Gesetzgeber habe jedenfalls bisher keinen Anlass für grundsätzliche verfassungsrechtliche Zweifel an der Gewerbesteuer gesehen. Hierfür spricht in der Tat die letzte Reform des Art. 106 Abs. 6 GG durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 20.10.1997.79 Die Gewerbesteuer sei folglich in ihrer „Grundstruktur“ eine vornehmlich auf den Ertrag des Gewerbebetriebs gerichtete Objektsteuer. Ob einem verfassungsrechtlichem (Typus-)Begriff auch die Zulässigkeit gesetzlicher Hinzurechnungsvorschriften „immanent“ sein könnte, hat das Gericht bisher offengelassen. frei

116

117–119

b) Allgemeiner Gleichheitssatz Nach Auffassung des BVerfG ist es mit dem Gleichheitssatz vereinbar, dass die Einkünfte der freien Berufe, anderen Selbständigen und der Land- und Forstwirte nicht dem Steuergegenstand Gewerbesteuer unterliegen. Das Gericht80 verweist hier auf die – jedenfalls bei typischer Betrachtung – grundlegende Verschiedenheit der Kombination der Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital bei Landwirtschaft und freien Berufen einerseits und Gewerbebetrieben andererseits. So lässt sich insb. die Produktion von Waren oder Dienstleistungen des freiberuflich Tätigen, weil sie in besonderem Maße von seinen beruflichen Qualifikationen und der persönlich erbrachten Dienstleistung oder seiner individuellen Begabung als Künstler abhängt, nicht in gleicher Weise durch zusätzlichen Einsatz von Kapital und Arbeitnehmern steigern, wie dies bei Gewerbetreibenden grds. möglich ist. Vergleichbares gilt für die Land- und Forstwirtschaft im Hinblick auf die Limitierung ihrer Produktionsbedingungen durch Grund und Boden.

120

Die Unterscheidung spiegele eine über viele Jahrzehnte währende Rechtstradition wider. Die beschriebenen Unterschiede zwischen dem Typus des freien Berufs und dem des Gewerbetreibenden stünden auch in sachlichem Bezug zu der (pauschalen) äquivalenztheoretischen Begründung der Gewerbesteuer. Die Anrechnungs- oder Kompensationsbestimmungen in § 35 EStG reduzieren das Gewicht der beanstandeten Ungleichbehandlung zusätzlich.

121

Hinsichtlich der Hinzurechnungs- und Kürzungsbestimmungen (§§ 8, 9 GewStG) könnte es sich noch um die Bestimmung des Umfangs des Steuergegenstandes handeln. Aufgrund der Komplexität der Vorschriften und der allgemein gehaltenen Definition des Steuergegenstandes in § 2 GewStG liegt es nach Auffassung des BVerfG81 jedoch näher, von Differenzierungen innerhalb des Steuergegenstandes auszugehen, die bereits die Bemessungsgrundlage betreffen. Danach wäre eine engere Bindung des Gesetzgebers an sachliche Erwägungen, insb. solche der Folgerichtigkeit und Belastungsgleichheit „vorstellbar“.

122

Im Hinblick auf die Bemessungsgrundlage (§§ 7,8, 9 GewStG), die auch ertragsunabhängige Elemente erfasst, besteht in der Rechtsprechung des BVerfG82 und des BFH83 Einigkeit darüber, dass die von den Hinzurechnungsvorschriften ausgehenden Belastungen von der verfassungsrechtlichen Legitimität der Gewerbesteuer erfasst und im Grundsatz hinzunehmen seien. Das objektive Nettoprinzip des Einkommensteuerrechts bilde nicht den Maßstab für die Prüfung der Hinzurechnungsvorschriften. Den Verfassungsrang des objektiven

123

78 BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (25 ff.); v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. II 2016, 557. 79 BGBl. I 1997, 2470. 80 BVerfG v. 13.5.1969 – 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1; v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1. 81 BVerfG v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. II 2016, 557. 82 BVerfG v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. II 2016, 557. 83 BFH v. 14.6.2018 – III R 35/15, BStBl. II 2018, 662; v. 4.6.2014 – I R 70/12, BStBl. II 2015, 289.

15

GewStG § 1 Rz. 124 | Steuerberechtigte Nettoprinzips hat das BVerfG selbst im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht ausdrücklich offengelassen.84 124

Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit trete insoweit zurück. Bei der Einkommensteuer zeigt sich die Leistungsfähigkeit in der individuellen Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen selbst und bei der Gewerbesteuer in der objektivierten Ertragskraft des Gewerbebetriebs.85 Der Gesetzgeber ist allerdings nicht zu einer „reinen“ Verwirklichung des so verstandenen Objektsteuerprinzips verpflichtet.86 Auch eine mögliche Substanzbesteuerung liege in der Natur einer ertragsorientierten Objektsteuer.

125

Unverändert geht das BVerfG auch davon aus, dass die äquivalenztheoretische Begründung zur Rechtfertigung der Gewerbesteuer beitrage. Das Gericht fordert von einem vorlegenden Gericht deshalb die genaue Definition und Subsumtion mit einem aktuellen verfassungsrechtlichen Maßstab.87

126

Aber auch dann, wenn der Gesetzgeber bei der gesetzlichen Konkretisierung der Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften nur einen eingeschränkten Gestaltungsspielraum haben sollte, unterliegt seine Entscheidung nicht einer strengen Folgerichtigkeitskontrolle.88 Vielmehr genüge es, wenn sich die Hinzurechnungsvorschriften folgerichtig in das „Konzept einer ertragsorientierten Objektsteuer“ einfügen lassen. Eine Fortentwicklung der Gewerbesteuer zu einer „reinen“ (Zusatz-)Ertragsteuer habe es so bisher nicht gegeben.89 Die den Steuertypus prägenden Hinzurechnungen wurden beibehalten oder – wie zuletzt mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG) geschehen – strukturell vereinheitlicht und ausgebaut.

127–129

frei

c) Freiheitsgrundrechte 130

Auch einen Verstoß des GewStG per se oder einzelner tragender Bestimmungen gegen die (hier ohnehin steuerrechtlich unterbelichteten) Freiheitsgrundrechte (Art. 2 Abs. 1, 12, 14 GG) hat die Rechtsprechung des BVerfG bisher nicht festgestellt. Der BFH90 hat sich dem angeschlossen und verneint jedenfalls einen übermäßigen Eingriff. Nach traditioneller Rechtsprechung des BVerfG91 berührt die Auferlegung von Geldleistungspflichten insb. die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG grds. nicht.

131

Die neuere Rechtsprechung92 räumt ein, dass die Frage, aufgrund welcher Maßstäbe und wie im Einzelnen die – je nach Steuerart und Steuergegenstand möglicherweise unterschiedlichen, verfassungsrechtlichen Grenzen der staatlichen Besteuerungsgewalt zu bestimmen sind, noch nicht abschließend geklärt ist. Steuergesetze seien in ihrer freiheitsbeschränkenden Wirkung jedenfalls an Art. 2 Abs. 1 GG zu messen. Dabei ist indes zu berücksichtigen, dass Steuergesetze in die allgemeine Handlungsfreiheit gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und im beruflichen Bereich (Art. 14, 12 GG) eingreifen. Dies bedeute, dass ein Steuergesetz keine „erdrosselnde Wirkung“ haben dürfe. Das geschützte Freiheitsrecht darf nur so weit beschränkt werden, dass dem Grundrechtsträger (Steuerpflichtigen) ein Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich in Gestalt der grundsätzlichen Privatnützigkeit des 84 BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, BVerfGE 122, 210 (234); v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (248). 85 BVerfG v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164; v. 15.1.2008 –1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1. 86 BVerfG v. 25.10.1977 – 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, 224. 87 BVerfG v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. II 2016, 557. 88 BFH v. 14.6.2018 – III R 35/15, BStBl. II 2018, 662; 89 BFH v. 4.6.2014 – I R 70/12, BStBl. II 2015, 289; zust. BVerfG v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. II 2016, 557. 90 BFH v. 18.9.2003 – X R 2/00, BStBl. II 2004, 17. 91 BVerfG v. 9. 3. 1971 – 2 BvR 326/69 u.a., BVerfGE 30, 250; BFH v. 5.7.1973 – IV R 215/71 BStBl. II 1973, 739 zu § 8 Nr. 1 GewStG. 92 BVerfG v. 25.9.1992 – 2 BvL 5/91 u.a., BVerfGE 87, 153.

16

Steuerberechtigte | Rz. 136 § 1 GewStG

Erworbenen und der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis über die geschaffenen vermögenswerten Rechtspositionen erhalten bleibt. Für die Gesamtbelastung durch Einkommen- und Gewerbesteuer hat das BVerfG93 sodann auch anerkannt, dass diese Steuerbelastung in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG fällt. Denn jedenfalls diese Steuerarten seien als Beeinträchtigung konkreter subjektiver Rechtspositionen zu qualifizieren. Die Eigentumsgarantie schütze das private Innehaben und Nutzen vermögenswerter Rechte. Der innerhalb einer Besteuerungsperiode erfolgte Hinzuerwerb von Eigentum i.S.v. Art. 14 GG sei tatbestandliche Voraussetzung für die belastende Rechtsfolgenanordnung sowohl des Einkommen- als auch des Gewerbesteuergesetzes. Der Steuerpflichtige müsse zahlen, weil und soweit seine Leistungsfähigkeit durch den Erwerb von Eigentum erhöht ist. Allerdings war der Steuerzugriff verhältnismäßig und gerechtfertigt und nicht übermäßig. Eine allgemein verbindliche, absolute Belastungsobergrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung („Halbteilungsgrundsatz“) lehnt das BVerfG allerdings hier ab.

132

Eine an den Steuerwirkungen orientierte additive Betrachtung gleichartiger Steuern könnte die freiheitsrechtliche Perspektive generell und im Einzelfall ändern. Dann stellt sich erneut die Frage der Mehrfachbelastung und der relativen Obergrenze. Ein individueller Steuererlass wegen Übermaß- oder Substanzbesteuerung verfehlt hier den allgemeinen Grundrechtsschutz.94 Nach Auffassung des BVerfG95 kann eine Billigkeitsmaßnahme (§§ 63, 227 AO 1977) geboten sein, wenn ein Gesetz, das in seinen generalisierenden Wirkungen verfassungsgemäß ist, bei der Steuerfestsetzung im Einzelfall zu Grundrechtsverstößen führt. Jedoch darf nicht die Geltung des ganzen Gesetzes unterlaufen werden. Müssten notwendige Billigkeitsmaßnahmen ein derartiges Ausmaß erreichen, wäre das Gesetz als solches verfassungswidrig.

133

Nach der Rechtsprechung des BVerfG96 und des BFH97 fällt die Steuerbelastung in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG; die steuerliche Belastung auch höherer Einkommen darf für den Regelfall nicht so weit gehen, dass der wirtschaftliche Erfolg grundlegend beeinträchtigt wird und damit nicht mehr angemessen zum Ausdruck kommt. Die Anrechnung nach § 35 EStG für bestimmte Gruppen schafft hier nur eine punktuelle Entlastung.

134

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BVerfG98 und des BFH99 ist ein Steuererlass im Einzelfall geboten, wenn die Gewerbesteuer bei einer über mehrere Jahre andauernden Verlustperiode nicht aus dem Ertrag des Unternehmens, sondern aus dessen Substanz geleistet werden muss und dies im Zusammenwirken mit anderen Steuerarten zu existenzgefährdenden oder existenzvernichtenden Härten führt. Im Übrigen liege eine mögliche Substanzbesteuerung in der „Natur einer ertragsorientierten Objektsteuer“. Diese Belastungen seien hinzunehmen und verstoßen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, ebenso wenig gegen Art. 12 und 14 GG.100

135

Nicht zuletzt entfaltet auch Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG im Zusammenspiel mit Art. 106 Abs. 6 GG einen gewissen Schutz der Freiheitsrechte. Ihre Funktion als wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle entfaltet eine Gewerbesteuer nur in dem Maße wie die Steuer die Quelle maßvoll abschöpft.101 Regelrechte Substanzzugriffe etwa im Rahmen des § 10a GewStG verbieten sich.

136

93 BVerfG v. 18.1.2006 – 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97; zuvor auch BFH. v. 12.8.1999 – XI R 77/97, BStBl. II 1999, 771; a.A. Jachmann, DStJG 26 (2002), 195, 212. 94 Ebenso wohl Drüen in Brandis/Heuermann, § 1 GewStG Rz. 18. 95 BVerfG v. 28.2.2017 – 1 BvR 1103/15, juris m.w.N. 96 BVerfG v. 18.1.2006 – 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 (117). 97 BFH v. 23.2.2017 – III R 35/14, BStBl. II 2017, 757. 98 BVerfG v. 1.6.1978 – 1 BvR 364/78, HFR 1978, 340. 99 BFH v. 4.6.2014 – I R 21/13, BStBl. II 2015, 293 zu § 8 Nr. 1 GewStG. 100 BFH v. 4.6.2014 – I R 21/13, BStBl. II 2015, 293; v. 14.6.2018 – III R 35/15, BStBl. II 2018, 662; a.A. Drüen in Brandis/Heuermann, § 1 GewStG Rz. 18. 101 Drüen in Brandis/Heuermann, § 1 GewStG Rz. 18.

17

GewStG § 1 Rz. 137 | Steuerberechtigte d) Stellungnahme 137

Eine umfassende, rechtsgrundsätzliche Beurteilung des gesamten „neuen“ GewStG durch das BverfG fehlt bislang, da wichtige entsprechende Rechtsverfahren bisher teilweise unzulässig und nicht hinreichend begründet waren. Die letzte Entscheidung aus 2008 zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes und zur Gewerbesteuerfreiheit anderer als gewerblicher Unternehmen betraf das Streitjahr 1988.102 Die abweisende, umfangreiche Antwort des Gerichts103 im Jahr 2016 auf die ambitionierte Richtervorlage des FG Hamburg104 hinterlässt einen ambivalenten Eindruck. Insb. moniert das BVerfG zu Recht, dass das FG Hamburg sich nicht hinreichend mit den sog. Prinzipien der Objektsteuer und der Äquivalenz auseinandergesetzt habe; zugleich jongliert das BVerfG seinerseits meisterlich mit diesen verfassungsrechtlich unklaren Konzepten. Richtig ist, dass eine pauschale und vermeintliche „Prinzipienwidrigkeit“105 noch keine verfassungsrechtliche Beurteilung ersetzen kann. Eine andere Entscheidung ist im Ergebnis zukünftig allerdings nicht ausgeschlossen, wenn das Gericht seine bisherigen Gleichheitsmaßstäbe im Steuerrecht verschärfen oder doch ausschärfen würde.

138

Die Auslegung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) im Steuerrecht steht unter dem Gebot der gleichen Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und Lastengleichheit. Nach der st. Rspr. des BVerfG106 hat der Steuergesetzgeber hierbei bei der Auswahl und Ausgestaltung des Steuergegenstandes und der Bestimmung des Steuersatzes einen (sehr) weit reichenden Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum. Für die Auswahl und Ausgestaltung der Steuerbemessungsgrundlage verengt sich dieser Gestaltungsspielraum verhältnismäßig mit Blick auf die beteiligten Freiheitsgrundrechte. Die mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffene Belastungsentscheidung hat der Gesetzgeber unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtigen bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands folgerichtig umzusetzen. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Andernfalls ist eine Regelung willkürlich.

139

Allerdings hat der Gesetzgeber für die Wahl der Bemessungsgrundlage und die gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Regeln ihrer Ermittlung noch einen „großen Spielraum“107, solange sie nur prinzipiell geeignet sind, den Belastungsgrund der Steuer zu erfassen. Zugleich betont das Gericht, dass ein Gesetz „das für den steuerlichen Belastungsgrund als maßgeblich erachtete Bemessungsziel erkennen lassen“ muss.“108 Hierbei darf und muss sich der Gesetzgeber „realitätsgerecht“ am „typischen“ Fall orientieren.

140

Besonders ein Gebot der Realitätsgerechtigkeit, das sich von einem bestimmten traditionellen Vorverständnis der Gewerbesteuer löst, wird (an-)erkennen müssen, dass die Sonderstellung der Gewerbebetriebe (§ 2 Abs. 1 GewStG) im Verhältnis zu anderen Unternehmen nicht mehr gerechtfertigt ist. Aber auch zwischen den Unternehmensformen und Unternehmensgrößen bestehen erhebliche reale Unterschiede. Realitätsgerecht wäre eine Analyse, die die wirklichen Besteuerungs- und Belastungsverhältnisse in den Blick nimmt und rechtliche Folgerungen hierausziehen würden.

141

Mittlerweile haben sich sowohl die Berufsfelder und Berufsumstände109 als auch die kommunale Ausgangslage stark verändert. Im Rahmen der zentralen, systemtragenden Hinzurechnung setzt sich diese Ungleichbehandlung in der Bemessung der Steuer weiter fort, 102 BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1; vorhergehend FG Nds. v. 21.4.2004 – 4 K 317/91, EFG 2004, 1065 zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG (Abfärberegelung). 103 BVerfG v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. II 2016, 557. 104 FG Hamburg v. 29.2.2012 – 1 K 138/10, EFG 2012, 478. 105 BVerfG v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. II 2016, 557. 106 Etwa BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (29); v. 10.4.2018 – 1 BvL 11/14 u.a., BVerfGE 148, 147. 107 BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvL 11/14 u.a., BVerfGE 148, 147 (185). 108 BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvL 11/14 u.a., BVerfGE 148, 147 (185); v. 4.2.2009 – 1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1 (20). 109 Ähnlich Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 10.

18

Steuerberechtigte | Rz. 146 § 1 GewStG

und zwar zwischen hinzurechnungspflichtigen und anderen Gewerbebetrieben und Unternehmen sowie zwischen den Unternehmensformen im Hinblick auf § 35 EStG. Die vorherrsche Interpretation der Gewerbesteuer ist oftmals von einem „Begriffsessentialismus“110 und einer vermeintlichen Prinzipienbindung geprägt und vernachlässigt die realwirtschaftlichen Auswirkungen der Steuer. Mit einem kaum bestimmbaren Konzept einer lokalen Objekt- oder/und Äquivalenzsteuer als pauschalem, aber real behaupteten Lastenzusammenhang und Lastenausgleich für die Gemeinden lässt sich diese selektive Sondersteuer nicht erklären und legitimieren, geschweige denn hat eines solches Konzept bestimmte Auslegungsfolgen, selbst wenn man an den Grundlagen des Lastenkonzepts als Besteuerungskonzept festhalten will. Denn der Ausgaben- und Finanzbedarf einer Gemeinde war möglicherweise in Zeiten der Industrialisierung und Stadt- und Landentwicklung des vorletzten und Anfang des letzten Jahrhunderts auch durch Ansiedlung und Bestand von Gewerbebetrieben geprägt. Eine hinreichende Korrelation zwischen Ist- und Soll-Ausgaben der Gemeinden und dem engen Steuergegenstand besteht mittlerweile auch mit Blick auf den realen wirtschaftlichen Wandel schon länger nicht mehr. Vielmehr ist der Finanzbedarf der deutschen Gemeinden etwa in den Bereichen Nahverkehr, Soziales, Erholung, Sport, Umwelt, Gesundheit, Verwaltung oder (Aus-)Bildung für die Kosten des Baus und der Unterhaltung der Einrichtungen wesentlich durch bundesseitige, finanzwirksame Eingriffsgesetze in der Ausgabenzuständigkeit der Gemeinden, die Einwohnerzahlen und die Raumfunktionen geprägt. Der jeweilige Finanzbedarf einer Gemeinde korreliert hierbei maßgeblich mit dem Tatbestand, dass und wie viele Einwohner in der Gemeinde wohnen.111 Zudem werden öffentliche Infrastrukturmaßnahmen auch durch Gebühren und Beiträge sowie wie Zuschüsse finanziert.

142

Die Realsteuereinnahmen werden tatsächlich zumeist nicht für bestimmte Wirtschaftslasten verwendet, sondern dienen der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs. Dieses Finanzbedarfsproblem ist jedenfalls aber als Folge von lokalen Gewerbebetrieben nicht größer als bei anderen Unternehmen. Der Gewerbeertrag stellt insb. keinen validen und zuverlässigen Indikator für die reale Inanspruchnahme kommunaler Leistungen oder die Verursachung realer Lasten der Gemeinden dar. Eine auch nur pauschale Zuordnung von Lasten zu unterschiedlichen Gewerbebetrieben und Betriebsfunktionen fehlt gänzlich.

143

Hier stellt sich mithin auch die Frage der Folgerichtigkeit des Lastenkonzepts als lokales Besteuerungskonzept, das finanzökonomischer Fundierung bedürfte, um eine besondere Kostenverantwortung gerade der gewerblichen Wirtschaft nachzuhalten. Das traditionelle Lastenkonzept, sofern man es überhaupt akzeptiert, trägt mittlerweile die Differenzierung der Unternehmensarten nicht mehr.112

144

Dagegen bedarf die Frage finanzverfassungsrechtlichen Vorwirkungen (namentlich des Art. 106 GG) auf den Grundrechtsschutz, namentlich auf die Auslegung bzw. Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG weiterer Vertiefung und Klärung. Sicher ist hier inzwischen, dass Art.106 GG keine bloße organisationsrechtliche Kompetenz- und Verteilungsnorm ist.113 Andererseits sollte inzwischen unstrittig sein, dass die Finanzverfassung die Gewerbesteuer nicht gegen gleichheitsrechtliche Einwände immunisiert, dergestalt, dass nicht nur Einzelfälle und Einzelnormen gleichheitsrechtlich in Frage gestellt werden.114

145

Die Rechtsprechung des BVerfG115 hat nach und nach anerkannt, dass die Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG) eine in sich geschlossene Rahmen- und Verfahrensordnung bildet und auf (rechtsbegriffliche) Formenklarheit und Formenbindung angelegt ist. Dies setzt

146

110 Kempny, StuW 2021, 85, dort als Kritik an Teilen der Steuerrechtswissenschaft. 111 RFH v. 7. 5.1940 – I 328/39, RStBl. 1940, 714. 112 Ebenso Güroff in Glanegger/Güroff10, § 1 GewStG Rz. 19a, b: sachfremde Typisierung, nicht mehr auf dem Boden der Rechtstatsachen. 113 So noch Tipke, Steuerrecht, 1973, S. 58. 114 Zutr. Drüen in Brandis/Heuermann, § 1 GewStG Rz. 18 mit Kritik an BFH v. 18.9.2003 – X R2/00, BStBl. II 2004, 17. 115 BVerfG v. 6.11.1984 – 2 BvL 19/83, BVerfGE 67, 256; v.13.4.2017 – 2 BvL 6/13, BVerfGE 145, 171 m.w.N.

19

GewStG § 1 Rz. 147 | Steuerberechtigte bestimmbare Verfassungsbegriffe voraus, die den Gesetzgeber anleiten. Über ihre bundesstaatliche Ordnungs- und Befriedungsfunktion hinaus entfaltet die Finanzverfassung auch eine Schutz- und Begrenzungsfunktion, die auch im Verhältnis zum Bürger wirkt. 147

Für Art. 106 GG bedeutet dies, dass das Grundgesetz nach vorherrschender Auffassung für die dort und in Art. 105 GG aufgeführten Steuern und Steuerarten sog. Typusbegriffe verwendet. Nur innerhalb der vorgegebenen, weit zu interpretierenden Typusbegriffe steht es dem Gesetzgeber offen, neue Steuern zu „erfinden“. Zwingende oder hinreichende Begriffsmerkmale eines unterscheidbaren, verfassungsrechtlichen Begriffs der Gewerbesteuer, die auch gewinnunabhängige Komponenten enthielten, könnten daher auch Abstriche an den anerkannten, gleichheitsrechtlichen Maßstäben der subjektiven und objektiven Leistungsfähigkeit nahelegen. In dieser Logik könnte sich der Rechtfertigungsmaßstab für die Gewerbesteuer hin zum bloßen Willkürverbot abschwächen.116 Die entscheidende Frage der Begriffsbildung lautet dann, ob und inwieweit der Verfassungsgeber und der verfassungsändernde Gesetzgeber vorfindliche, z.T. vorkonstitutionelle Vorgaben und Strukturen des einfachen Steuerrechts verfassungsrechtlich in Art. 106 GG adeln wollte. Diesen Konflikt zwischen Steuer- und Finanzrecht kann abschließend nur eine grundlegende Reform des Art. 106 GG auflösen.

148

Der (methodische) Vergleich des Begriffs der Gewerbesteuer mit dem Begriff der Umsatzsteuer oder anderen indirekten Steuern, die sich seit 1969 rechtsgrundsätzlich verändert haben, sowie das weite typologische Verständnis der Steuerbegriffe des Art. 106 GG deuten darauf hin, dass die Verfassung gewisse steuergesetzliche und steuersystematische Gemengelagen auch bei der Gewerbesteuer duldet und die (vermeintlich bestimmten) Begriffe nicht nur vage, sondern auch zukunfts- und entwicklungsoffen verstanden wissen will. Bei der Gewerbesteuer kommt allerdings ihre systematische und ertragsrechtliche Konkurrenz mit den beiden (anderen) Ertragsteuern hinzu: Hier muss die Gewerbesteuer strukturellen Abstand halten (Abstandsgebot) und darf nicht gleiche Besteuerungsmerkmale erfassen. Ein solches (hier ungeschriebenes) Gleichartigkeitsverbot statuierte bereits ausdrücklich das Landessteuergesetz 1920.

149

Ungeachtet der Summe der beachtlichen rechtlichen und systematischen Schwächen und Defizite des GewStG erscheint es zukünftig eher wahrscheinlich, dass das BVerfG vor eine Entscheidung der Verfassungswidrigkeit des gesamten Gesetz zurückschrecken wird. Dies nicht nur in Anbetracht der verfassungsstarken Position der Steuer. Zwar anerkennt das BVerfG,117 dass die finanzverfassungsrechtliche Rechtfertigung im Rahmen der Regelungen der Art. 106, 28 GG eine Prüfung der gesetzlichen Ausgestaltung der Gewerbesteuer am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG nicht entbehrlich macht. Die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz hänge vielmehr von ihrer konkreten Ausgestaltung und von ihrer Einbindung in das System der anderen einkünftebezogenen Steuern ab. Ein realitätsgerechter Systemvergleich sowohl für die Auswahl des Steuergegenstandes und als auch der Auswahl seiner Bemessung bleiben ein Desiderat. Das Gericht wird aber auch die Vorhand des Gesetzgebers respektieren und wird sich in dieser hochpolitischen und vernetzten Steuer- und Finanzfrage nicht in der Rolle eines Reparatur- oder Reformgesetzgebers einfinden wollen. Nicht zuletzt ist es nicht die Aufgabe des BVerfG das Traditionsgut der überlieferten Steuer in Art. 106 GG zu einem neuen prinzipienorientierten Gesamtsteuersystem zu ordnen. Jeder Eingriff des Gerichts würde nicht nur die kommunale Position schwächen, sondern auch mit dem „systemrelevanten“ Element der Gewerbesteuer den Zusammenhalt des gesamten Steuer- und Finanzverteilung gefährden. Hier wäre sogar der verfassungsändernde Gesetzgeber gefragt. Der „Brocken“ Gewerbesteuer dürfte sich für das Gericht als zu groß erweisen.118

150–154

frei

116 So Drüen in Brandis/Heuermann, § 1 GewStG Rz. 18. 117 BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (25, 28). 118 Selder, FR 2014, 178.

20

Steuerberechtigte | Rz. 160 § 1 GewStG

2. Unionsrecht a) Maßstäbe Die Erhebung der Gewerbesteuer an sich und als direkte Steuer verstößt nach allgemeiner Auffassung nicht gegen primäres oder sekundäres Unionsrecht.119 Eine einschlägige Entscheidung des EuGH zur deutschen Gewerbesteuer fehlt bislang. Bei der Gewerbesteuer handelt es sich auch nach Auffassung des EuGH120 um eine direkte Steuer. Ein ausdrückliches europarechtliches Harmonisierungsgebot besteht derzeit nicht. Für die direkten Steuern hat die EU grds. kein Regelungsmandat. Allerdings kann sie auf der Grundlage des Art. 115 AEUV (Rechtsangleichung im Binnenmarkt) und nach Maßgabe des Einstimmigkeitsprinzips und der Vorgaben des Art. 5 EUV auch im Bereich der direkten Steuern tätig werden.

155

Auch wenn das Unionsrecht keine besonderen ausdrücklichen Regelungen zur Harmonisierung eines Sachbereichs wie bei den direkten Steuern vorhält, haben die Mitgliedstaaten nach st. Rspr. des EuGH121 ihre Kompetenzen und Befugnisse unter Wahrung des Unionsrechts auszuüben. Insb. müssen die Mitgliedstaaten die primärrechtlichen Vorgaben der sog. Grundfreiheiten des Binnenmarkts (Art. 26 AEUV) beachten. Dazu gehören in diesem Zusammenhang besonders die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV), die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV), die Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 AEUV) und die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV), die bestimmte Diskriminierungen und Beschränkungen unterbinden. Die direkte Steuer ist auch wegen ihrer verfassungsrechtlichen Fundierung in Art. 106, 28 GG nicht „europafest“, da sie nicht zum Ewigkeitskern i.S.d. Art. 23 Abs. 1 Satz 3, 79 Abs. 3 GG gehört. Nach derzeitigem Rechtsstand ist die Steuer allenfalls hinsichtlich einzelner (diskriminierender) Bestimmungen unionsrechtswidrig.

156

frei

157

b) Generell Die Erhebung der Steuer an sich steht mit dem vom EuGH122 anerkannten steuerrechtlichen Territorialitätsprinzip grds. in Einklang. Denn nach § 2 Abs. 1, § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG werden nur inländische Gewerbebetriebe und Sachverhalte besteuert („Inlandsprinzip“) und belastet; eine „beschränkte Steuerpflicht“ wie im Rahmen des § 49 EStG, § 2 KStG besteht nicht. Eine Privilegierung von Steuerinländern bzw. eine Diskriminierung von Steuerausländern oder ausländische Sachverhalte findet grds. nicht statt.

158

Auch stellt die lokal unterschiedliche Gewerbesteuer an sich im Hinblick auf die autonomen Hebesatzrechte grds. keine unzulässige, regional bezogene Beihilfe in Form einer sog. selektiven steuerlichen Maßnahme dar. In einem vergleichbaren spanischen Sachverhalt einer territorialen Steuer sah der EuGH123 noch keine unzulässige Beihilfe.

159

frei

160

119 BFH v. 18.9.2003 – X R 2/00, BStBl. II 2004, 17; H 2.8 GewStH 2016; ebenso Hidien/Pohl/ Schnitter, Gewerbesteuer16, S. 123 ff. m.w.N. 120 EuGH v. 26.10.1999 – C-294/87, Eurowings, Slg. 1999, I-7477 Rz. 32. 121 Deutlich EuGH v. 28.1.1986 – 270/83, Avoir fiscal, Slg. 1986, 275 Rz. 23 f.; v. 26.10.1999 – C-294/87, Eurowings, Slg. 1999, I-7477. Näher Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 49 Rz. A 924. 122 Erstmals EuGH v. 1505.1997 – C-250/90, Futura Participations, Slg. 1997, I-2492 Rz. 22. 123 EuGH v. 11.9.2008 – C-428/06, UGT Rioja u.a., Slg. 2008, I-6747; ebenfalls Waldhoff, DStJG 35 (2012), 11 (23).

21

GewStG § 1 Rz. 161 | Steuerberechtigte c) Einzelbestimmungen 161

Dies schließt freilich nicht aus, dass einzelne grenzüberschreitende Inbound- oder Outbound-Sachverhalte abweichend von einem „reinen“ Inlands- und Territorialitätsprinzip in einer Weise besteuert werden, die gegen die europäischen Grundfreiheiten verstößt.124 Betroffen sind namentlich die sog. Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften der §§ 8, 9 GewStG, soweit sie Steuerausländer unmittelbar oder mittelbar schlechterstellen als Steuerinländer und dadurch ihre Grundfreiheiten der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit verletzen.

162

So hat der EuGH125 festgestellt, dass die Ausnahme von der Hinzurechnung von Pachtund Mietzinsen gem. § 8 Nr. 7 Satz 2 Halbs. 1 GewStG 1991 gegen die Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG verstoßen hat. Für reine Inlandssachverhalte war die Regelung dagegen europarechts- und verfassungsgemäß.126 Das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 hat die Vorschrift mit Wirkung vom 1.1.2009 aufgehoben und ersetzt (§ 8 Nr. 1 GewStG).

163

Die Altregelung des § 8 Nr. 1 GewStG 2002 (hälftige Hinzurechnung der Dauerschuldzinsen aus Darlehen) verstößt nach Auffassung des EuGH127 (deutsche Rechtssache Scheuten Solar Technology) und ihm folgend des BFH nicht gegen Europarecht, insb. nicht gegen die europäische Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie (ZLR). Die vergleichbare Neuregelung des § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG hat der EuGH noch nicht überprüft. In der Schlussentscheidung hebt der BFH128 hervor, dass diese Hinzurechnung für das grenzüberschreitend tätige Unternehmen auch nicht gegen die primärrechtliche Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) oder die abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbote entsprechend Art. 24 OECD-MA verstößt.

164

Der EuGH hat mit Entscheidung v. 20.9.2018 festgestellt, dass § 9 Nr. 7 a.F. GewStG mit den vormaligen einschränkenden Tatbestandsmerkmalen der Regelung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) verstößt. Die unionskonforme Neuregelung hat das Gesetz v. 12.12.2019 zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften129 mit Wirkung ab EZ 2020 eingeführt.

165

Die Frage, ob ausländische, sog. finale Betriebsstättenverluste zum Schutz der Niederlassungsfreiheit auch auf die territorialgebundene deutsche Gewerbesteuer gem. §§ §§ 7 Satz 1, 9 Nr. 3 GewStG durchschlagen müssen, haben EuGH und BFH noch nicht abschließend geklärt. Derzeit ist ein neues Vorabentscheidungsverfahren des BFH130 zum EuGH anhängig. Bejahendenfalls kann das deutsche Recht unionsrechtskonform ausgelegt werden.

166–169

frei

124 Beispiele nennt Roser, DStJG 35 (2012), 189 (208 f.); zur Verlustverrechnung nach § 10a GewStG vgl. FG Köln v. 20. 9.1995 – 12 K 2559, EFG 1995, 1110, 1111; Schön, IStR 2004, 294; Cordewener, DStJG 28 (2005), 255 (310 ff.). 125 EuGH v. 26.10.1999 – C-294/97, Eurowings, Slg. 1999, I-7447; BFH v. 30.12.1996 – I B 61/96, BStBl. II 1997, 466. 126 BFH v. 15.7.2005 – I R 21/04, BStBl. II 2005, 716. 127 EuGH v.om 21.7.2011 – C-397/09, Scheuten Solar Technology, DStR 2011, 1419; nachfolgend BFH v. 7.12.2012 – I R 30/08, BStBl. II 2012, 507; a.A. Hidien, DStZ 2008, 131. 128 BFH v. 7.12.2012 – I R 30/08, BStBl. II 2012, 507; vgl. auch BFH v. 17.9.2014 – I R 30/13, BStBl. II 2017, 726. 129 BGBl. I 2019, 2451 (sog. JStG 2019). 130 BFH v. 6.11.2019 – I R 32/18, BStBl. II 2022, 68, Az. EuGH C-538/20.

22

Steuerberechtigte | Rz. 180 § 1 GewStG

V. Corona-Pandemie Als Reaktion auf die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie für die deutschen Gemeinden hat der verfassungsändernde Gesetzgeber in 2020 mit Art. 143h GG131 eine Finanzausgleichregelung eingeführt. Die Regelung ist nach Inhalt und Form einzigartig und galt nur kurzzeitig für drei Monate. Sie dient zusammen mit dem Ausführungsgesetz hauptsächlich dem Ausgleich der Mindereinahmen der Gewerbesteuer als Folgewirkung der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 durch den Bund (6,134 Mrd. Euro) und zu gleichen Teilen der Länder. Die Änderung des GG war notwendig, da der Bund hier Ländern und Gemeinden außerhalb der bestehenden Finanzverfassung frei verfügbare Finanzzuweisungen gewährt hat.

170

Art.143h GG lautete:

171

„Als Folgewirkung der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 gewährt der Bund im Jahr 2020 einmalig einen pauschalen Ausgleich für Mindereinnahmen aus der Gewerbesteuer zugunsten der Gemeinden und zu gleichen Teilen mit dem jeweiligen Land. Der Ausgleich wird von den Ländern an die Gemeinden auf Grundlage der erwarteten Mindereinnahmen weitergeleitet. Bestehen in einem Land keine Gemeinden, so steht der Ausgleich durch den Bund dem Land zu. Der den Ländern vom Bund zum Ausgleich geleistete Betrag berücksichtigt zusätzlich Auswirkungen der Mindereinnahmen gemäß Satz 1 auf Zu- und Abschläge sowie auf Zuweisungen gemäß Artikel 107 Absatz 2. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Der Ausgleich bleibt bei der Bemessung der Finanzkraft nach Artikel 107 Absatz 2 unberücksichtigt. Artikel 106 Absatz 6 Satz 6 gilt entsprechend.“

Weitere gesetzliche Änderungen zugunsten der steuerpflichtigen Gewerbebetriebe fehlen. Die Anhebung des Freibeitrags nach § 8 GewStG132 von 100.000 € auf 200.00 € ab EZ 2020 ist dauerhaft. Zudem wurde der Anrechnungsfaktor in § 35 EStG erhöht.133

172

Auf die Folgen der Corona-Pandemie hat lediglich die Finanzverwaltung reagiert. Betroffene Steuerpflichtige konnten für die EZ 2020, 2021 und 2022 beim zuständigen Finanzamt eine Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrages für Zwecke der Vorauszahlungen beantragen.134

173

§ 2 Abs. 4 GewStG stellt klar, dass eine vorübergehende Unterbrechung im Betrieb eines Gewerbes nicht die Steuerpflicht aufhebt. Dies gilt dann für ein „Ruhen“ in Coronazeiten. Staatlich erstattete Mieten oder Zinsen etwa für einen staatlichen KfW-Kredit erhöhen gleichwohl den Gewerbeertrag nach § 8 Nr. 1 GewStG und ggf. die Gewerbesteuer bei größeren Unternehmen. Solche Finanztransfers sind widersinnig.

174

frei

175–179

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Rechtscharakter der Gewerbesteuer 1. Gemeinden Steuerberechtigte sind (deutsche) Gemeinden i.S.d. Art. 28 GG, der Landesverfassungen und der Kommunalgesetze. Dies sind Gebietskörperschaften (z.B. § 1 Abs. 2 GO NRW) auf der unteren Verwaltungsebene mit einem Selbstverwaltungsrecht. Gebietskörperschaften

131 Art. 143h GG, Gesetz v. 29.9.2020, BGBl. I 2020, 2048; Art. 143h GG tritt am 31.12.2020 außer Kraft. Ausführendes Gesetz v. 6.10.2020 zur finanziellen Entlastung der „Kommunen“ und neuen Länder, hier Art. 1 COVID19 GewStAusglG, BGBl. I 2020, 2072. 132 Gesetz v. 29.6.2020, BGBl I 2020, 1512. 133 Gesetz v. 29.6.2020, BGBl I 2020, 1512. 134 Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 19.3.2020, BStBl. I 2020, 281 und v. 25.1.2021, BStBl. II 2021, 151; Nachfolgeerlasse v. 9.12.2021, BStBl. I 2021, 2228 und v. 31.1.2022.

23

180

GewStG § 1 Rz. 181 | Steuerberechtigte sind solche Körperschaften des öffentlichen Rechts, bei denen sich die Mitgliedschaft aus dem Wohnsitz im Gebiet der Körperschaft ergibt und die mit Gebietshoheit ausgestattet sind.135 181

Gemeindebezirke sind Teil einer Gemeinde.136 Gemeindeverbände sind keine Gemeinden; die folgt aus Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG. Sie sind daher auch nicht am Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt (Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG). Gemeindeverbände sind etwa (Land-) Kreise oder in NRW die beiden Landschaftsverbände.

182

Verfassungsrechtlich muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG). Dieses Selbstverwaltungsrecht steht unter einem organisationsrechtlichen Gesetzesvorbehalt. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung. Diese sog. Finanzhoheit137 umfasst die Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen der gesetzlich geordneten Haushaltswirtschaft sowie das Recht, in diesem Rahmen über die Aufteilung der zur Verfügung stehenden Finanzmittel frei zu disponieren (Haushaltshoheit). Zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle (Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG).

183

In den Stadtstaaten Berlin und Hamburg bestehen keine Gemeinden. Das Steueraufkommen steht dem Land zu (Art. 106 Abs. 6 Satz 3 GG). Das Land Bremen umfasst die Gemeinden (Städte) Bremen und Bremerhaven. Auch in gemeindefreien Gebieten sowie dem inländischen Anteil am Festlandsockel kann die Gewerbesteuer erhoben werden (§ 4 Abs. 2 GewStG).

184

frei 2. Steuersystematik der bestehenden Gewerbesteuer a) Steuer

185

Die Gewerbesteuer ist Steuer i.S.d. § 3 AO138 und Steuer i.S.d Art. 106 GG. Zwischen beiden Begriffen besteht derzeit weitgehende Parallelität.139 Der Gemeinde als einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen fließt das „Aufkommen“ der Geldleistungen und Einnahmen nicht nur zu, es steht gänzlich ihnen zu. Die Steuer ist Gemeinlast und keine Vorzugslast (Beitrag oder Gebühr) als Verwaltungspreis und Gegenleistung für Verwaltungsleistungen.

186

Dies gilt auch dann, wenn das Gesetz etwa im Zerlegungsrecht (§ 30 GewStG) einen individuellen Zusammenhang zu den Lasten einer Gemeinde herstellt, die eine Betriebsstätte dort verursacht. Das hier zugrunde liegende sog. Äquivalenzprinzip begründet und rechtfertigt die „Steuer“ mit dem besonderen Lastenzusammenhang zwischen dem Unternehmen und dem dadurch entstehenden Finanzbedarf der Gemeinde.140 Ein konkreter „Leistungsaustausch“ mit einer bestimmten Gegenleistung folgt aus einem solchen Lastenausgleich hieraus nicht.

187

frei

135 BVerfG v. 24.7.1979 – 2 BvK 1/78, BVerfGE 52, 95 (117). 136 BVerfG v. 31.10.1990 – 2 BvF 3/89, BVerfGE 83, 60. 137 BVerfG v. 15.10.1985 – 2 BvR 1608/82 u.a., BVerfGE 71, 25 (36), v. 7.2.1991 – 2 BvL 24/84, BVerfGE 83, 263 (386). 138 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 1 GewStG Rz. 13. 139 Drüen in Tipke/Kruse, § 3 AO Rz. 2a. 140 Schon BVerfGE 21, 54 (65); distanzierter BVerfGE 120, 1 (39).

24

Steuerberechtigte | Rz. 193 § 1 GewStG

b) Realsteuer Die Gewerbesteuer zählt traditionell141 neben der Grundsteuer zu den Realsteuern (vgl. § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 2, § 22, § 184 AO). Häufig wird die Gewerbesteuer auch – z.T. synonym142 – als Sach- oder Objektsteuer bezeichnet.143 Charakteristisch für eine Realsteuer (Sachsteuer) ist, dass sie Sachen, Rechte oder Gesamtheiten einer Person besteuert und an Merkmale des Besteuerungsgegenstandes (bei der Gewerbesteuer derzeit am Gewerbeertrag des Besteuerungsgegenstandes Gewerbebetrieb) anknüpft, ohne dabei die persönliche Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners zu beachten. Diese Steuermerkmale prägten die Gewerbesteuer jedenfalls bis 1997.

188

Das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 20.10.1997144 hat in Art. 106 Abs. 6 Satz 1 und 2 GG das Wort „Realsteuern“ jeweils durch die Worte „Grundsteuer und Gewerbesteuer“ ersetzt. Es handelt sich mithin nicht mehr um einen Verfassungsbegriff, sondern lediglich in § 3 Abs. 2 AO um einen einfachen Gesetzesbegriff des Verfahrensrechts. Hiermit reagierte der verfassungsändernde Gesetzgeber insb. auf den Wegfall der Lohnsummensteuer und der Gewerbekapitalsteuer als Bemessungsgrundlage und weitere strukturverändernde Reformen der sog. Wesenselemente der Steuer.145

189

Die Neuregelung ändert nichts am verfassungsrechtlichen Status der beiden „Realsteuern“: ihr Ertrag steht den Gemeinden zu, der Gesetzgeber darf sie wie bisher ausformen und ausgestalten, sie sind aber nicht per se institutionell garantiert.146 Auch das Hebesatzrecht begründet keine institutionelle Garantie der Steuer.147 Ein bestimmtes Steueraufkommen ist ebenfalls nicht gesichert.148 Das BVerfG149 geht aber davon aus, dass die in Art. 106 Abs. 6 GG erwähnte Gewerbesteuer in ihrer Grundstruktur verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.

190

Mit der Einkommensteuer als Personensteuer ist die Gewerbesteuer steuertechnisch verknüpft, weil beide Steuern den Gewinn aus Gewerbebetrieb als Besteuerungsgrundlage verwenden. Bei der Bemessung der Einkommensteuer wird jedoch auch berücksichtigt, wie sich der Gewinn auf die steuerliche Leistungsfähigkeit der an ihm rechtlich und wirtschaftlich beteiligten Personen auswirkt. Dieser Aspekt macht die Einkommensteuer u.a. zur Personensteuer.

191

Solche steuersystematischen Kategorien sind nur begrenzt tauglich,150 schon weil der Gesetzgeber Gestaltungsspielräume wahrnehmen darf. Jedenfalls haben sie für die Auslegung und Anwendung des GewStG keinen eigenen rechtlichen Erkenntniswert. Insb. wäre es ein Zirkelschluss, aus der steuertheoretischen Einordnung auf die Ausgestaltung, Rechtsmäßigkeit und Rechtfertigung der Steuer zu schließen, ohne zuvor die verfassungsrechtlichen Vorgaben besonders des Begriffs der Gewerbesteuer zu klären.

192

Der Begriff der Realsteuer hat, abgesehen von bestimmten Regelungen der AO (§ 1 Abs. 2 AO, § 22, § 184 AO) jedenfalls keine rechtsbegrifflichen Folgen für die Auslegung und Anwendung des Gesetzes. Die neuere Rechtsprechung meidet den Begriff der Realsteuer

193

141 Den „Realsteuercharakter“ der Gewerbsteuer hat das Preußisches Landessteuerrecht entwickelt, vgl. RStBl. 1937, 693; später § 1 Einführungsgesetz zu den Realsteuergesetzen v. 1.12.1936, RGBl. I 1936, 961. Zu Problematik des Begriffs Realsteuer bzw. Sachsteuer Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, S. 101 ff. 142 BFH v. 6.11.2019 – I R 32/18, BStBl. II 2021, 68. 143 So noch BVerfG v. 13.5.1969 – 1 BvR 25/65, BStBl. II 1969, 424 unter Geltung des Art. 106 Abs. 6 a.F. GG. 144 BGBl. I 1997, 2470. 145 BT-Drucks. 13/8488, 6. 146 BVerfG v. 27.1.2010 – 2 BvR 2185/04, BVerfGE 125, 141 (161). 147 BVerfG v. 27.1.2010 – 2 BvR 2185/04, 2 BvR 2189/04, BVerfGE 125, 141. 148 BVerfG v. 10.6.1969 – 2 BvR 480/61, 2 BvR 2189/04, BVerfGE 26, 172. 149 BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (24). 150 Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 7.21; a.A. Kilincsoy, Ubg. 2020, 600 aus betriebswirtschaftlicher Sicht.

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GewStG § 1 Rz. 194 | Steuerberechtigte und eines (überhöhten) Realsteuerprinzips mittlerweile, da er über die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage (Sollertragsteuer, Geltung des subjektive und objektiven Nettoprinzip) noch keine immanente Aussage trifft. Solche Zuschreibungen ergeben sich aber nicht aus dem Begriff der Realsteuern per se, sondern sind Ausfluss der Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers im Rahmen der jeweiligen typusprägenden Merkmale. 194

Der (neue und alte) Verfassungsbegriff der Gewerbesteuer lässt dem einfachen Gesetzgeber weite, wirtschaftsgeprägte Gestaltungsspielräume für eine Erneuerung und grundlegende Reform der Steuer.151 Ob die aktuelle Gewerbesteuer verfassungsrechtlich eine Realsteuer ist, ist inzwischen unerheblich. Für die Auslegung der zentralen Regelungen des Steuergegenstandes und der Steuerbemessungsgrundlage spielt der Begriff keine Rolle. Im Gesetz selbst kommt er auch nicht zu Ausdruck. Entsprechende „Argumente“ sind im Zweifel Zirkelschlüsse oder Begriffsspielereien.

195

frei c) Objektsteuer

196

Der Begriff der Objektsteuer ist weder Gesetzes- noch Rechtsbegriff. Er beschreibt die Gewerbesteuer152 ähnlich wie die zumeist synonym verwendeten Begriffe der Sach- und Realsteuer als eine Steuer, die nicht Personen, sondern Gegenstände bestimmter Personen belastet (z.B. der „Gewerbebetrieb“) und die Besteuerungsgrundlagen an sachlichen Merkmalen des Besteuerungsgegenstandes ausrichtet (z.B. der „Gewerbeertrag“). Der hergebrachte Begriff wird im Rahmen der Auslegung des Gewerbesteuerrechts nahezu gebetsmühlenartig verwendet, ohne dass Inhalt, Rechtsgrundlage und Funktion immer deutlich werden.153

197

Nach dieser Umschreibung des methodisch überhöhten sog. Objektsteuerprinzips soll das Steuerobjekt selbst ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse der Beteiligten und ihre persönliche Beziehung zum Steuerobjekt erfasst werden.154 Auch der „objektivierte“ Gewerbeertrag als Bemessungsgrundlage soll ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse und Beziehungen des Inhabers Gegenstand der Besteuerung sein. In anderem Zusammenhang spricht die Rechtsprechung sogar (recht dunkel) vom „Wesen der Gewerbesteuer als Objektsteuer“.155

198

Beides steht somit in gewissem Gegensatz156 zu einer direkten (Einkommens-)Besteuerung von Personen nach der wirtschaftlichen Ist-Leistungsfähigkeit und den Prinzipien des subjektiven und objektiven Nettoprinzips. Nach Auffassung des BVerfG157 konkretisiert sich die Leistungsfähigkeit in beiden Steuergegenständen unterschiedlich: Bei der Einkommensteuer zeige sich die Leistungsfähigkeit in der individuellen Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen selbst und bei der Gewerbesteuer in der „objektivierten Ertragskraft“ des Gewerbebetriebs.

199

Im traditionellen Verständnis bestätigen etwa die folgenden positivrechtlichen bzw. rechtsdogmatischen Vorgaben den Objektsteuercharakter (das „Wesen“) der Gewerbesteuer bzw. dieser kann ggf. induktiv aus dem GewStG abgeleitet werden:

Zu Typuslehre BVerfG v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, BVerfGE 145, 171. Zuletzt BFH v. 6.11.2019 – I R 32/18, BStBl. II 2021, 68. Krit. auch Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 12 Rz. 3. Vgl. etwa BVerfGE 46, 224 (237); 25, 28 (38); 13, 331 (345). BFH v. 15.6.2004 – VIII R 7/01, BStBl. II 2004, 754; krit. Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 124. 156 BVerfG v. 13.5.1969 – 1 BVR 25/65, BVerfGE 26, 1 (9); v. 25.10.1977 – 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, 224; v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. II 2016, 557; BFH v. 24.9.1990 – X R 64/89, BStBl. II 1991, 358. 157 BVerfG v. 21.6.2006 – 2 BvR 2/99, BVerfGE 116, 164; v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. II 2016, 557. 151 152 153 154 155

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Steuerberechtigte | Rz. 201 § 1 GewStG

– die Auswahl des Steuergegenstandes des Gewerbebetriebs (§ 2 Abs. 1 GewStG), – die Einheit und Mehrheit des Gewerbebetriebs bei Einzelunternehmen desselben Unternehmers,158 – die im Verhältnis zur Einkommensteuer (§ 15 EStG) begrenzte Dauer der sachlichen Gewerbesteuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG,159 – die Modifikationen der ertragsteuerrechtlichen Gewinnermittlung nach § 7 GewStG zur Ermittlung des „Ertragskraft“ des (gewerbesteuerbaren) laufenden Gewinns des werbenden Gewerbebetriebs,160 – die (durchaus unterschiedlichen) Korrekturvorschriften der §§ 8, 9 GewStG, besonders die zentrale Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 1 GewStG, die den objektiven, von den Beziehungen und Entscheidungen des Unternehmers zum Betrieb losgelösten Gewerbeertrag ermitteln sollen,161 – das Erfordernis der Unternehmensidentität im Rahmen des § 10a GewStG, das nach Auffassung der Rechtsprechung aus dem „Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer“ folge.162 Demgegenüber bestehen auch personale Modifikationen, wenn nicht Ausnahmen163 vom Objektsteuercharakter („Durchbrechungen“ des Objektsteuerprinzips, „Einbrüche“), den der Gesetzgeber aus unterschiedlichen Gründen nicht in Reinkultur ausgeformt hat. Nach grds. zutreffender Auffassung des BVerfG und des BFH ist der Gesetzgeber aber verfassungsrechtlich auch nicht zu einer „reinen“ Verwirklichung des sog. Objektsteuerprinzips verpflichtet,164 solange er dies einleuchtend begründen kann. Allerdings gelten die Willkürgrenzen des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Unsystematik und hybride Ausgestaltung berühren das Willkürverbot erheblich.

200

Zu den Ausnahmen gehören etwa: – die Steuerpflicht nach Maßgabe der Rechtsform des Inhabers gem. § 2 Abs. 1 bis 3 GewStG,165 – beim Betriebsübergang nach § 2 Abs. 5 GewStG,166 – personenbezogene Steuerbefreiungen nach § 3 GewStG, – die Steuerschuldnerschaft des Unternehmers nach § 5 GewStG,167 – bei Veräußerungs- und Aufgabegewinnen nur im Rahmen des § 7 Satz 2 GewStG,168

201

158 BFH v. 16.2.2002 – VIII R 16/01, BFH/NV 2003, 81. 159 BFH v. 14.4.2011 – IV R 52/09, BStBl. II 2011, 929. 160 BFH v. 28.2.1990 – I R 92/86, BStBl. II 1990, 699; v. 24.10.1990 – X R 64/89 BStBl. II 1991, 358; v. 15.6.2004 – VIII R 7/01, BStBl. II 2004, 754; v. 20.9.2012 – IV R 36/10, BStBl. II 2013, 498. Näher Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 122 ff. 161 BVerfG v. 13.5. 1969 – 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1; v. 18.6. 1975 – 1 BvR 528/72, BVerfGE 40, 109; BFH v. 20.11.2003 – IV R 5/02 – BStBl. II 2004, 464; zu allgemein Güroff in Glanegger/ Güroff10, § 8 GewStG Rz. 1. 162 BFH v. 16.2.2002 – VIII R 16/01, BFH/NV 2003, 81; v. 24.10.1990 – X R 64/89, BStBl. II 1991, 358. 163 BFH v. 24.10.1990 – X R 64/89, BStBl. II 1991, 358. Anders Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 1, es handele sich wegen § 15 Abs. 2 EStG um Bestätigungen des „Prinzips“ für den Unternehmensübergang und den Unternehmerwechsel. 164 BVerfG v. 24.1.1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331 (345); v. 13.5. 1969 – 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1 (8); v. 25.10.1977 – 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, 224; BFH v. 24.10.1990 – X R 64/89, BStBl. II 1991, 358; v. 20.11.2003 – IV R 5/02 – BStBl. II 2004, 464; krit. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 12. 6: willkürlich. 165 Roser, DStJG 35 (2012), 189 (201). 166 Roser, DStJG 35 (2012), 189 (201, 206). 167 Roser, DStJG 35 (2012), 189 (201). 168 Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 124.

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GewStG § 1 Rz. 202 | Steuerberechtigte – das Erfordernis der Unternehmeridentität im Rahmen des § 10a GewStG,169 – die mitunternehmerbezogene Zurechnung des Fehlbetrags nach dem Gewinnverteilungsschlüssel gem. § 10a Satz 4, 5 GewStG,170 – Freibeträge nach § 11 GewStG. 202

Die vormalige Rechtsprechung des RFH und des Preußischen OVG war sogar noch davon ausgegangen, dass ein gewerbesteuerrechtlichen Verlustvor- oder -rücktrag nicht mit dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer vereinbar sei.171

203

Aus diesem gemischten Befund und dem deskriptiven Begriff der Objektsteuer darf jedenfalls nicht gefolgert werden, dass eine Objektsteuer i.S.d. § 2 Abs. 1 GewStG nicht auch in ihrer Bemessung eine Ertragsteuer sein könnte. Die herrschende Auffassung geht aber davon aus, dass auch die (teilweise „objektivierenden“) Korrekturvorschriften der §§ 8, 9 GewStG zusammen mit dem Steuergegenstand den Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer begründen.172

204

Unbestritten ist, dass zahlreiche Änderungen im Recht der Gewerbesteuer ihre Entwicklung hin zu einer objektivierten Ertragsteuer befördert haben.173 Je nach Sichtweise, Vorverständnis und Gewichtung wird die aktuelle Gewerbesteuer daher vom BVerfG als ertragsorientierte Objektsteuer174 bzw. objektivierte Ertragsteuer175 oder in Teilen des Schrifttums als eine (reine) Ertragsteuer176 qualifiziert.

205

Die Rechtsprechung177 spricht hier sogar von einem gesetzlichen „Konzept“ und hat es jedoch bislang abgelehnt, die „neue“ Gewerbesteuer ab 1998 als „reine“ (Zusatz-)Ertragsteuer zu qualifizieren. Ob hier auch eine „reine“ zweite bzw. dritte Ertragsteuer zulässig wäre, ist ungeklärt178 und berührt die Grenzen eines verfassungsrechtlichen (und noch bloß einfachgesetzlichen) Begriffs der Gewerbesteuer. Die Rechtsprechung179 geht bisher davon aus, dass kein „zwingendes verfassungsrechtliches Gebot“ besteht, dem zufolge die mit einer dieser Steuerarten verbundenen Lasten im Rahmen der Bemessungsgrundlage der jeweils anderen Steuerart berücksichtigt werden müssten. Die überlieferte Regelung des Art. 106 GG geht insoweit zwar von einer Unterscheidung und Unterscheidbarkeit der Steuern und Steuerarten aus, und geht in Art. 106 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 GG sogar von einem Überlastungsverbot des Steuerpflichtigen aus, überlässt die konkrete Abstimmung vorbehaltlich der Grundrechte dem Gesetzgeber.

169 BFH v. 19.1.2.1957 – IV 666/55 U, BStBl. III 1958, 210; v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. I 1993, 616; v. 16.2.2002 – VIII R 16/01, BFH/NV 2003, 81; krit. Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 62. 170 Roser, DStJG 35 (2012), 189 (201). 171 Nachweise in BFH v. 20.9.2012 – IV R 36/10, BStBl. II 2013, 498. 172 BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1. 173 BVerfG v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (185); v. 15.2.2016 – BvL 8/12, BStBl. lI 2016, 557. 174 BVerfG v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (185); v. 15.1.2008 –1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (44); v. 15.2.2016 – BvL 8/12, BStBl. lI 2016, 557; BFH v. 4.6.2014 – I R 70/12, BStBl. II 2015, 289; v. 14.6.2018 – III R 35/15, BStBl. II 2018, 662. 175 BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (44); v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. II 2016, 557. 176 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 1 GewStG Rz. 12; Gosch, DStZ 1998, 327; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II2, S. 1139 f.; vgl. auch P. Kirchhof, StuW 2017, 3: „modifizierte Ist-Ertragsteuer“; Jachmann DStJG 25 (2002) 195 (207): „Ertragsteuer“; Hartmann, BB 2008, 2490: „reine Ertragsteuer“. Aus (bloß) betriebswirtschaftlicher Sicht Kilincsoy, Ubg 2020, 600: personenorientierte Ertragsteuer, allenfalls objektivierte Ertragsteuer. 177 BVerfG v. 15.2.2016 – BvL 8/12, BStBl. lI 2016, 557; zuvor BFH v.4.6.2014 – I R 70/12, BStBl. II 2015, 289. 178 Zweifel bei Drüen in Brandis/Heuermann, § 1 GewStG Rz. 18. 179 BFH v. 16.1.2014 – I R 21/12, BStBl. II 2014, 531.

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Steuerberechtigte | Rz. 212 § 1 GewStG

Das BVerfG180 betont auch, dass die Grundsätze der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit aus dem Gebot der Steuergerechtigkeit vornehmlich für das Recht der Einkommensteuer entwickelt worden sind, jedoch in gleicher Weise für die Gewerbesteuer gälten. Im selben Zusammenhang hebt das Gericht allerdings hervor, dass die Gewerbesteuer nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung die objektivierte Ertragskraft der Gewerbebetriebe erfasst, ohne diesen neuen Begriff zu erläutern.

206

Der Ausdruck Ertragskraft zielt hier auf einen normierten (Soll-)Gewinn (§ 7 Satz 1 i.V.m. §§ 8, 9 GewStG). Die Objektivierung schließt an den Steuergegenstand an (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG) und distanziert sowohl das subjektive Leistungsfähigkeitsprinzip als auch wie z.B. bei der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG – paradoxerweise – objektive Leistungsfähigkeitsprinzip in Gestalt des objektiven Nettoprinzips.

207

In der Steuerwirkung kommt die Gewerbesteuer daher mittlerweile als Sonder-Ertragsteuer oder Objekt-Ertragsteuer daher. Die hybride, objektivierte Ausgestaltung der aktuellen Steuer zwischen Objekt- und Ertragsteuer lässt nicht mehr sicher erkennen, was Regel bzw. Prinzip und was Ausnahme ist. Diese Gemengelage verdeutlicht der Ausdruck „objektivierte Ertragsteuer“, der für die rechtsdogmatische Arbeit nicht ausschlaggebend ist.181 Unmittelbare Rechtsfolgen ergeben sich aber aus solchen Einordnungen noch nicht, es sei denn, sie werden fragwürdig verfassungsrechtlich „hoch- und aufgeladen“.

208

Der geringe Rechtsstellenwert eines bzw. des Objektsteuerprinzips entspricht schließlich de lege lata der minimalen Rechtsqualität des vorausliegenden Äquivalenzprinzips, aus dem das Objektsteuerprinzip historisch abgeleitet werden soll. Im Ideal soll Ersteres Steuergegenstand und Bemessungsgrundlage an objektiven, nicht manipulierbaren Kriterien festmachen, um einen verursachungsgerechten kommunalen Lastenausgleich herzustellen.

209

Für die Auslegung und Anwendung des Gesetzes, und mittelbar auch seine Verfassungsmäßigkeit, ergeben sich daraus zunächst methodische Folgerungen: Die Begriffe Objektsteuer und Objektsteuerprinzip sind keine Rechtsbegriffe. Eine objektsteuerspezifische Auslegung ist daher fragwürdig.

210

Das „Objektsteuerprinzip“, der Objektsteuergedanke oder das Wesen der Gewerbesteuer bilden kein durchgehend normiertes und damit subsumtionsfähiges Prinzip, noch weniger ein anspruchsvollen Rechtsprinzip i.S. eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes.182 Allenfalls bildet es eine normleitende Idee des Gesetzgebers, indem es den bzw. einen „Charakter“ der Steuer beschreibt, aber nicht vorgibt.183

211

Es kann rechtliche Wirkungen nur insoweit, vereinzelt und allenfalls entfalten, als und soweit die ausdrücklichen, gesetzlichen Regelungen dafür Raum lassen.184 Andernfalls besteht die Gefahr von Zirkelschlüssen185 oder einer bloß schlagwortartigen Verwendung der Begriffe. Nicht zuletzt besteht die Gefahr, dass Rechtsanwender ihren eigenen steuersystematischen Standpunkt praeter oder contra legem mit Hilfe einer vermeintlich verfas-

212

180 BVerfG v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. II 2016, 557; v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (44). 181 Zutr. Brinkmann, DStR 2021, 581. 182 Zu den rechtstheoretischen Anforderungen an ein Rechtsprinzip Schumacher, Die Gewerbesteuer im internationalen Steuerrecht, 2020, S. 20, der allerdings von einer grds.en Bedeutung des (allzu vagen) „Objektsteuerprinzips“ ausgeht. 183 BFH v. 24.10.1990 – X R 64/89, BStBl. II 1991, 358 mit Verweis auf Tipke/Lang, Steuerrecht12, 1989, S.18 f.: „norminspirierendes Prinzip“. Weiter FG Hamburg v. 29.2.2012 – 1 K 138/10, EFG 2012, 960: „inhaltsleer“, was die Funktionen des Begriffs unterschlägt. 184 BFH v. 25.4.1985 – IV 83/83, BStBl. II 1986, 350; v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616; v. 3.4.2008 – IV R 54/04, BStBl. II 2008, 742; v. 3.2.2010 – IV R 26/07, BStBl. II 2010, 751; ebenso Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 2; Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 30, 40, 268. 185 Beispiel BFH v. 20.9.2012 – IV R 36/10, BStBl. II 2013, 498 mit der These, dass das grds. auch für die Gewerbesteuer geltende objektive Nettoprinzip durch den „Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer“ eingeschränkt werde; zu Recht krit. P. Fischer, jurisPR-SteuerR 7/2013 Anm. 1 oder BFH v. 20.11.2003 – IV R 5/02, BStBl. II 2004, 464.

29

GewStG § 1 Rz. 213 | Steuerberechtigte sungskonformen Auslegung „legalisieren“ und begründen.186 Auch die Argumentationsrichtung (Bestätigung oder Durchbrechung des „Prinzip“) ist dann per se wenig hilfreich. Gewagt ist daher die verfassungsrechtliche These, dass dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer „gerade“ Hinzurechnungen und Kürzungen „immanent“ seien.187 213

Zudem hat der Gesetzgeber das vermeintliche „Prinzip“ nicht „lupenrein“ ins Werk gesetzt, sondern Modifikationen bzw. Ausnahmen zugelassen. Es steht dem Gesetzgeber frei, neben dem objektiv-betriebsbezogenen auch das personelle Element zu berücksichtigen.188 Ein bestimmtes „System“ oder ein Ordnungsprinzip lässt sich insoweit nicht hinreichend deutlich erkennen. Ob diese hybride Ausgestaltung verfassungsgemäß ist, richtet sich alleine nach den differenzierungsfreundlichen Maßstäben des Art. 3 Abs. 1 GG.

214–215

frei

d) Territorialität 216

Dem Gewerbesteuergesetz und der Gewerbesteuer liegt seit jeher das sog. Territorialitätsprinzip189 (auch: Territorialprinzip) zugrunde. Bereits das Preußische Gewerbesteuerrecht begrenzt den räumlichen Steuerzugriff auf den inländischen, d.h. in Preußen betriebenen Gewerbebetrieb. Die Inländereigenschaft des Inhabers ist unerheblich. Territorialitätsprinzip und Objektsteuerprinzip sind zu unterscheiden.

217

Der (dem GewStG immanente) „strukturelle Inlandsbezug“190 begründet und begrenzt den Steuerzugriff (Steuergegenstand) und den Umfang des Steuerzugriffs (Steuerbemessungsgrundlage) auf inlandsradizierte Ergebnisse einer inländischen Betriebsstätte. Es handelt sich um eine selbst gesetzte, räumliche Schranke der Besteuerung als Teil des internationalen Gewerbesteuerrechts.

218

Dies folgt – jedenfalls im Grundsatz – aus § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG mit der präzisen Umformulierung: Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, wenn und soweit er im Inland betrieben wird. Im Gegensatz hierzu liegt der Einkommen- und Körperschaftsteuer grds. das Welteinkommensprinzip zugrunde. Eine beschränkte Gewerbesteuerpflicht besteht nicht. Gemeint ist hier offenbar nicht das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip, das auf einen sog. genuine link oder Nexus im Besteuerungsstaat zielt. Vielmehr geht es der Gewerbesteuer i.S.d. § 2 Abs. 1 GewStG um eine Territorialität im engeren Sinn, die die Besteuerung von vornherein auf inländische Quellen beschränken soll.191

219

Territorialität und (überhöhend) Territorialitätsprinzip bestätigen etwa die folgenden positivrechtlichen Vorgaben bzw. der Grundsatz kann induktiv aus dem GewStG abgeleitet werden: – § 2 Abs. 1 Satz 1, 3, § 35a Abs. 1GewStG, mit dem Tatbestandsmerkmal Inland zur Bestimmung des Steuergegenstandes und den Steuerzugriff dem Grunde nach, – § 7 Satz 7–9 GewStG im Umkehrschluss, der ausländische Erträge „importiert“ und hinzurechnet, – § 8 Nr. 8 GewStG, der ausländische Verluste hinzurechnet, – § 8 Nr. 12 GewStG, der ausländische Steuern hinzurechnet, 186 187 188 189

Krit. aus Sicht der Praxis Breinersdorfer, FS BFH Bd. II, 2008, S. 1393 (1404). So BVerfG v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. II 2016, 557. BFH v.15.6.2004 – VIII R 7/01, BStBl. II 2004, 754. Zuletzt BFH v. 6.11.2019 – I R 32/18, BStBl. II 2021, 68; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 12.18. Ausführlich zur Begründung und Abgrenzung zum völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip Schumacher, Die Gewerbesteuer im internationalen Steuerrecht, 2020, S. 76 ff.; Hidien/ Pohl/Schnitter, Gewerbesteuer16, S. 65 ff. 190 BFH v. 17.9.2014 – I R 30/13, BFH/NV 2015, 270; v. 11.3.2015 – I R 10/14, BStBl. II 2015, 1049; BFH v. 6.11.2019 – I R 32/18, BStBl. II 2021, 68; FG Köln v. 8.11.2018 – 13 K 552/17, DStRE 2019, 1230. 191 Vgl. Schumacher, Die Gewerbesteuer im internationalen Steuerrecht, 2020, S. 78.

30

Steuerberechtigte | Rz. 223 § 1 GewStG

– § 9 Nr. 2 GewStG, der ausländische Gewinne kürzt, – § 9 Nr. 3 Satz 1 Halbs. 1 GewStG, der Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten inländischer Unternehmen kürzt, – § 9 Nr. 7 und 8 GewStG, wonach auch Gewinne von im Ausland ansässigen Kapitalgesellschaften zu kürzen sind. Aus den positivrechtlichen Bestimmungen gem. § 9 Nr. 2, 3, 7, 8 GewStG folgt lediglich, dass in den genannten Fällen Einkünfte aus dem Ausland nicht besteuert werden. Andere ausländische Einkünfte werden dagegen der inländischen Betriebsstätte zugeordnet und besteuert. Dies betrifft etwa ausländische Einkünfte, die nicht Einkünfte einer ausländischen Betriebsstätte sind. Die gilt etwa bei sog. Portfoliodividenden im Gegensatz zu Schachteldividenden, gewerbliche Zins- und Lizenzeinnahmen oder auch gewerbliche Einkünfte aus Immobilieninvestitionen im Ausland.

220

Die (positiven wie negativen) Erträge im Ausland belegener Betriebsstätten, für die auf der Grundlage eines DBA die Freistellung von der Besteuerung des Ansässigkeitsstaats des Stammhauses vereinbart ist, fallen schon aufgrund des Verweises des § 7 Satz 1 GewStG auf die einkommen- bzw. körperschaftsteuerliche Gewinnermittlung nicht in die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer. Für die Erträge ausländischer Betriebsstätten, für die in dem jeweils einschlägigen DBA die Anrechnungsmethode vereinbart ist oder die von keinem von Deutschland abgeschlossenen DBA erfasst werden, greift die Regelung des § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG.192

221

Demgegenüber bestehen auch Einschränkungen, wenn nicht Ausnahmen193 vom Territorialitätsprinzip (Durchbrechungen), das der Gesetzgeber aus unterschiedlichen Gründen nicht in Reinkultur ausgeformt hat. Eine Unterscheidung zwischen beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht besteht hier, anders als bei den Ertragsteuern, nicht. Vielmehr ist das Territorialitätsprinzip nur lückenhaft im Gesetz verwirklicht.194

222

Solche Modifikationen195 sind aus unterschiedlichen Gründen etwa: – Aus dem Normzusammenhang von § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG folgt, dass ein Unternehmen, das ausschließlich im Inland eine Betriebsstätte unterhält, mit seiner gesamten Tätigkeit der Gewerbesteuer unterliegt, auch wenn diese nicht im Inland ausgeübt oder verwertet wird.196 – § 2 Abs. 6 GewStG nimmt das deutsche Besteuerungsrecht zurück.197 – § 2 Abs. 7 GewStG weitet den Inlandsbegriff auf Gebiete aus, die staats- und völkerrechtlich nicht zum Inland gehören. – Der Betriebsstättenvorbehalt schränkt im DBA-Fall das Territorialitätsprinzip ein. – Die Frage, ob finale, ausländische Betriebsstättenverluste auch für die territorialgebundene deutsche Gewerbesteuer durchschlagen, ist noch nicht abschließend geklärt.198 – Ungeklärt ist auch die Anrechnung ausländischer Steuern auf die Gewerbesteuer in Analogie zu § 34c EStG, § 26 KStG.199 – Die Einbeziehung von auslandsbezogenen Korrekturbeträgen bzw. Einkünfte nach § 7 Satz 7-9 GewStG wird als „systemwidrig“ und territorial „übergriffig“ angesehen.200

223

192 193 194 195 196 197 198 199 200

BFH v. 6.11.2019 – I R 32/18, BStBl. II 2021, 68. BFH v. 24.10.1990 – X R 64/89, BStBl. II 1991, 358. Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 35. Krit. und näher dazu Roser, DStJG 35 (2012), 189 (208 f); ders., FS Gosch, 2016, S. 351 ff; Scheffler, IStR 2017, 63; Weiss, Ubg 2019, 487. Zuletzt wieder BFH v. 20.12.2017 – I R 98/15, DStR 2018, 449 m.w.N. Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 222 („Ausnahme vom Territorialitätsprinzip“). BFH v. 6.11.2019 – I R 32/18, BStBl. II 2022, 68, Vorlage an EuGH C-538/20. Dazu Micker, Ubg 2021, 428. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 12.33; Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 35, § 7 GewStG Rz. 91, 91c; anders wohl Herbst in Wendt/Suchaenk/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 87.

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GewStG § 1 Rz. 224 | Steuerberechtigte 224

Ob hiermit ein „Systembruch“ verbunden ist, der möglicherweise verfassungsrechtliche Bedeutung hat, kann offenbleiben. Auch der Hinweis, der Inlandsbezug der Gewerbesteuer sei „systemimmanent“201 besagt nicht, dass der Gesetzgeber das „Prinzip“ nicht regulieren dürfte. Die Unsystematik berührt allenfalls das Willkürverbot. Die Rede vom Territorialitätsprinzip unterstellt und indiziert ähnlich wie die Rede vom Objektsteuerprinzip, dass der Gesetzgeber steuertheoretische Grundsätze in Reinform realisieren muss. Beide „Prinzipien“ sind nicht verfassungsfest noch stellen sie einen allgemeinen Rechtsgrundsatz dar. Zudem hat der Gesetzgeber das vermeintliche „Prinzip“ nicht „lupenrein“ ins Werk gesetzt, sondern Modifikationen bzw. Ausnahmen zugelassen. Ein bestimmtes „System“ lässt sich insoweit nicht erkennen. Auch hier besteht die argumentative Gefahr von Zirkelschlüssen oder einer bloß schlagwortartigen Verwendung der Begriffe.

225

Auch die Rede vom „strukturellen Inlandsbezug“202 der Gewerbesteuer führt dann in die Irre, wenn sie eine bestimmte Struktur als Summe der Elemente eines „Systems“ annimmt und unterstellt, die sich positivrechtlich so nicht nachweisen lässt. Das sog. Systemdenken ist dann Wunschdenken, das der Gesetzgeber aufgrund weiterreichender Regelungsspielräume nicht zwingend beachten muss und beachtet. Auch hier drohen dann Zirkelschlüsse der Rechtsanwendung, Rechtsprechung und Rechtslehre.

226

Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich auch nicht zu einer „reinen“ Verwirklichung eines „Territorialitätsprinzips“ verpflichtet, muss sich aber im Einzelfall an die Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes halten. Ob diese hybride Ausgestaltung, die Prinzip und Ausnahmen nicht sicher erkennen lässt, verfassungsgemäß ist, richtet sich alleine nach den (differenzierungsfreundlichen) Maßstäben des Art. 3 Abs. 1 GG (hier: Kohärenz und Willkürfreiheit der Regelungen). Dass gleichwohl ein systematischer Nachholbedarf für ein internationales Gewerbesteuerrecht besteht, scheint unstrittig.

227–229

frei

e) Kostensteuer 230

Die Gewerbesteuer ist betriebswirtschaftlich ein Kostenbestandteil. Einkommensteuerrechtlich ist sie durch den Betrieb veranlasst. Bis einschließlich 2007 war die Gewerbesteuer auch als Betriebsausgabe nach § 4 Abs. 4 EStG abzugsfähig und führte daher zur Minderung ihrer eigene Bemessungsgrundlage.

231

Nach § § 4 Abs. 5b EStG, den das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (BStBl. I 2007, 630) eingeführt hat, entfällt ab 2008 der Betriebsausgabenabzug der Gewerbesteuer sowie der darauf entfallenden Nebenleistungen wie Säumniszuschläge, Verspätungszuschläge, Zinsen oder Zwangsgelder. Die Regelung gilt erstmals für die Gewerbesteuer, die für ab dem 31.12.2007 endende EZ festgesetzt wird.

232

Handelsrechtlich bleibt die Gewerbesteuer weiterhin betrieblicher Aufwand. Für bilanzierende Gewerbebetriebe ist in der nach Handels- und Steuerrecht zwingend eine Gewerbesteuerrückstellung einzustellen (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 5 EStG; R 5.7 Abs. 1 Satz 2 EStR 2012). Dabei ist der volle Steuerbetrag anzusetzen. Die neutralisierende Korrektur des § 4 Abs. 5b EStG erfolgt bei bilanzierenden Gewerbetreibenden außerhalb der Bilanz (R 5.7 Abs. 1 Satz 2 EStR 2012).203 Die Gewerbesteuer ist auch nicht mehr den Herstellungskosten zuzuordnen (R 6.3 Abs. 6 Satz 2 EStR 2012).

201 Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 91. 202 Vgl. BFH v. 17.9.2014 – I R 30/13, BFH/NV 2015, 270; v. 11.3.2015 – I R 10/14, BStBl. II 2015, 1049. 203 OFD Rheinland v. 29.4.2009 – S 2137 - 2009/0006 – St 141, juris.

32

Steuerberechtigte | Rz. 240 § 1 GewStG

Das an sich „systemwidrige“204 Abzugsverbot des § 4 Abs. 5b EStG ist trotz der damit verbundenen Einschränkung des objektiven Nettoprinzips mit dem GG vereinbar und verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Folgerichtigkeit.205 Dies gilt auch dann, wenn dadurch eine Doppelbelastung des Gewinns mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer eintritt.

233

Zwar sind Nachzahlungszinsen (steuerliche Nebenleistungen) nicht gem. § 4 Abs. 5b EStG abziehbar. Umgekehrt sind aber sind aber Erstattungszinsen zur Gewerbesteuer weiterhin als steuerpflichtige Betriebseinnahme zu erfassen.206 Zurückgezahlte Nachzahlungszinsen zur Gewerbesteuer sind jedoch – anders als originär festgesetzte Erstattungszinsen – erfolgsneutral zu behandeln sind (R 10.1 Abs. 2 Satz 3 KStR 2015).

234

frei

235

3. Gemeindesteuer Der Gesetzesbegriff der Gemeindesteuer zielt im Wesentlichen auf die Ertragsberechtigung der Gemeinden am Aufkommen (Art. 106 Abs. 1 Satz 1 GG). Die derzeitige Gewerbesteuer ist auch deshalb eine Gemeindesteuer i.S.d. § 1 GewStG, da die Gemeinden an Gesetzgebung und Verwaltung der Steuer maßgeblich beteiligt sind.

236

Der Begriff ähnelt dem Begriff der Gemeinschaftsteuern (Art. 106 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 GG). Letzterer ist allerdings ein legal definierter Verfassungsbegriff und bezieht sich nur auf die gemeinschaftliche Ertragsberechtigung von Bund und Ländern am Aufkommen der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer. Diese Steuern sind auch dann Gemeinschaftssteuern, wenn das Aufkommen der Einkommensteuer und Umsatzsteuer nach Art. 106 Abs. 5, 5a GG „den Gemeinden zugewiesen wird“ (Art. 106 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 GG). Hieran kann eine mögliche Gewerbesteuerumlage nach Maßgabe des Art. 106 Abs. 6 Satz 4, 5 GG begrifflich nichts ändern.

237

Wenn das BVerfG207 in einem obiter dictum im Jahr 1977 mit Blick auf die Gewerbesteuerumlage, an der Bund und Länder „beteiligt“ sind, festhält, dass die Umlage „naturgemäß den Charakter der Gewerbesteuer als einer ausschließlichen Gemeindesteuer beeinträchtigen“ muss, so ist dies finanzwirtschaftlich zutreffend und relativiert im Übrigen auch die finanzpolitische Rechtfertigung und Begrenzung der Gewerbesteuer durch das sog. Äquivalenzprinzip. Finanzrechtlich bleibt entscheidend, dass das gesamte Aufkommen der Gewerbesteuer der jeweiligen Gemeinde i.S. eines Ertragsrechts „zusteht“. Auch handelt es sich bei der Gewerbesteuer verwaltungsrechtlich um eine Steuer, die den Gemeinden „allein zufließt“ (Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG).

238

Gegenüber dieser primären Steuerverteilung ist die Umlage ein nachgelagertes (und kein bloß fiskalisches208) Finanzierungsinstrument des sekundären Finanzausgleichs, nämlich eine Finanzzuweisung „von unten nach oben“ mit bestimmten Ausgleichsfunktionen. Abgesehen hiervon, darf eine solche Umlage die Steuerberechtigung nicht finanzwirtschaftlich aushöhlen.

239

frei

240

204 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 1 GewStG Rz. 15; allerdings wird ein stiller Finanzausgleich unterbunden. 205 BFH v. 16.1.2014 – I R 21/12, BStBl. II 2014, 531; Verfassungsbeschwerde nicht angenommen, BVerfG 12.7.2016 – 2 BvR 1559/14, juris; BFH v. 10.9.2015 – IV R 8/13, BStBl. II 2015, 1046. 206 BFH v. 15.2.2012 – I B 97/11, BStBl. II 2012, 697; Verfassungsbeschwerde nicht angenommen, BVerfG v. 12.5.2015 – 2 BvR 1608/12, juris. 207 BVerfG v. 25.10.1977 – 1 BvR 15/75, BStBl. II 1978, 125. 208 Anders wohl BVerfG v. 27.1.2010 – 2 BvR 2185/04 u.a., BVerfGE 125, 141.

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GewStG § 1 Rz. 241 | Steuerberechtigte 4. Legitimation der Steuer 241

Im gewissen Gegensatz zu den (übrigen) Ertragsteuern und den indirekten Steuern, die zumeist nach Grund und Art mit dem Gemeinlastprinzip sowie dem Leistungsfähigkeitsprinzip gerechtfertigt werden, nehmen die Realsteuern, besonders die Gewerbesteuer, hier seit jeher eine bis heute rechtlich und finanz- und steuerpolitisch umstrittene Sonderstellung ein, die im kommunalen Steuer- und Finanzsystem wurzelt.209

242

Die steuerrechtstheoretischer und steuerpolitische Frage nach der „Rechtfertigung“210 der bzw. einer Gewerbesteuer ist der Frage ihrer Verfassungsmäßigkeit grds. vorgelagert, beeinflusst aber über den „Zweck“211 einer Steuer, jenseits des „natürlichen“ Fiskalzwecks und der Anerkennung der Steuer in Art. 106 Abs. 6 GG auch die Auslegung des Gesetzes oder ggf. den Verfassungsstatus einer/der Gewerbesteuer. Sie ist aber primär Gegenstand der steuertheoretischen und steuerpolitischen, normativen Steuerrechtfertigungslehre.212

243

Die überkommene Steuerrechtfertigung, die sich nicht mit dem Fiskalzweck der Steuer begnügt, stützt sich seit jeher auf zwei „Theorien“ einer allgemeinen Steuerrechtfertigung: die sog. Fundustheorie und das sog. Äquivalenzprinzip der Äquivalenztheorie. Die aktuelle Ausgestaltung der Gewerbesteuer vermögen diese mehr oder weniger überholten Besteuerungskonzepte allerdings nicht zu legitimieren.213

244

Nach der Fundustheorie214 sind Gewerbebetriebe höher zu besteuern, weil es sich bei ihrem Ertrag um fundierte – aus Vermögen oder einer Zusammenfassung von Arbeitsund Geldkapital stammende – Einkünfte handelt, denen eine höhere „Steuerkraft“ beizumessen sei. Diese vermeintlich finanztheoretische Differenzierung überzeugt schon deshalb nicht, weil sie die Steuerkraft anderer Gewinneinkünfte und Unternehmen unberücksichtigt läßt. Selbst Grundeigentum ist per se keine sichere Quelle der Finanz- und Steuerkraft einer Person als andere Einkunftsquellen. Den vermögensrechtlichen Bezugspunkt hat die Gewerbesteuer mit dem Wegfall der Gewerbekapitalsteuer ohnehin aufgegeben. Die Fundustheorie kann her nicht erklären, warum nur gewerbliche Einkünfte doppelt erfasst werden sollen.

245

Nach dem Äquivalenzprinzip, das die historischen Gesetzgeber215 im (vor-)letzten Jahrhundert zugrunde gelegt haben, sollte die Gewerbesteuer die besonderen Lasten einer Gemeinde ausgleichen, die ihnen durch die Ansiedlung und den Betrieb von Gewerbebetrieben entstehen.216 Solche infrastrukturellen Lasten verursachten insb. Industrie, Handel und Handwerk. Sie entstehen den Gemeinden z. B. für (Aus-)Bau und Unterhalt des kommunalen Straßennetzes, Erschließung von Bauland, Schaffung von Verkehrsflächen, die Bereitstellung und Unterhaltung kommunaler Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen

209 Schon Popitz, Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden 1932, S. 123. 210 Zum Problem schon Popitz, Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden 1932, S. 116 ff. Zusammenfassend Drüen in Brandis/Heuermann, § 1 GewStG Rz. 13 ff. m.w.N.; Conradi, Die Legitimation der Gewerbesteuer, 2001; zuletzt Brinkmann, DStR 2021, 579. 211 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 1 GewStG Rz. 11. 212 Näher Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 1.4 ff. 213 Das hiervon zu unterscheidende Leistungsfähigkeitsprinzip begründet dagegen Maß und Ausmaß einzelner Steuern und konkretisiert den Gleichheitssatz. 214 BVerfG v. 24.1.1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331 (347). Zur Kritik Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II2, S. 1139 f. 215 Amtliche Begründung zum GewStG 1936, RStBl. 1937, 696, als „Grundgedanken“ und zur Begründung der Lohnsummensteuer. BT-Drucks. VI/3418, 51: Die Gewerbesteuer finde ihre innere Rechtfertigung nicht zuletzt in dem Äquivalenzprinzip. Zum Äquivalenzprinzip als Idee einer gerechten Besteuerung aus finanzwissenschaftlicher Sicht Cansier, Finanzwissenschaftliche Steuerlehre, 2004, S. 25 ff.; Homburg, Allgemeine Steuerlehre7, S. 40 ff. 216 BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1.

34

Steuerberechtigte | Rz. 248 § 1 GewStG

oder Krankenhäuser oder die Gewährleistung des Betriebs öffentlicher Verkehrsmittel. Popitz217 spricht in diesem Zusammenhang zurückhaltender von der (realen) Wechselwirkung zwischen der „Gemeindewirtschaft und Lage von Grundbesitz und Gewerbe“ und einem erhöhten Finanzbedarf der Gemeinden sowie der „Radizierbarkeit“ der Besteuerungsmöglichkeiten der Gemeinden. Der hier behauptete Lastenzusammenhang (Korrelation/Kausalität) zwischen Gewerbe und dem Soll-Finanzbedarf oder den Ist-Ausgaben der Gemeinde ist zunächst eine These, deren empirische Validität für den modernen Sozialund Bundesstaat fragwürdig ist, aber nicht mehr in Frage gestellt wird. Das BVerfG218 und die Rechtsprechung des BFH219 folgen diesem „Axiom“ einer pauschalen Rechtfertigung im Grundsatz bis heute und sprechen sogar von einem „finanzrechtlichen“ Konzept. Hierbei meint das BVerfG einerseits, dass es sich um eine bloß finanzpolitische Rechtfertigung der Gewerbesteuer handele, deren es in Betracht der ausdrücklichen Verankerung der Gewerbesteuer nicht (mehr) bedürfe. Zugleich handele sich aber um eine traditionelle, pauschale Rechtfertigung der Gewerbesteuer, die als allgemeiner Ausgangspunkt für die innere Rechtfertigung der Gewerbesteuer nach wie vor Bestand habe. Die finanzrechtliche Komponente bleibt unklar.

246

An anderer Stelle nutzt das Gericht den finanztheoretischen Äquivalenzgedanken – trotz eher verbaler Distanzierung220 – sogar als einen Rechtfertigungstopos einer verfassungsrechtlichen Gleichheitsprüfung.221 Demgegenüber haben die Instanzgerichte den Rechtswert des Äquivalenzgedanken zu Recht grds. angezweifelt.222 Methodisch bedenklich wird die Argumentation, wenn das vage Äquivalenzprinzip seinerseits die Anwendung des sog. Objektsteuerprinzips etwa bei den Hinzurechnungsregelungen des § 8 GewStG rechtfertigen soll.

247

Die Rechtsgrundlage des sog. Prinzips ist allerdings eher schmal und seine Ausgestaltung ist nicht widerspruchsfrei. Einen unmittelbaren, positivrechtlichen Ausdruck hat das kostenorientierte, lokale Äquivalenzprinzip im Rahmen der Zerlegung der Steuer gem. § 30 GewStG gefunden. Der dortige Lastenverteilungsmaßstab betrifft nicht nur eine eher gewerbesteuerrechtliche Randfrage. Das Lastenkonzept bleibt auch mit den „Gemeindelasten“ zu vage und wirft Abgrenzungsfragen zum sekundären kommunalen Finanzausgleich auf. Weiterhin orientiert sich der reguläre Zerlegungsmaßstab der Summe der Arbeitslöhne (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG) am Bestand der Arbeitnehmer der Betriebsstätte. Hiermit sollen sog. Arbeitnehmerfolgekosten, d.h. Aufwendungen einer Gemeinde für den Bau von Straßen, Schulen, Krankenhäuser, Altersheime u.a.m. für die dort wohnenden Arbeitnehmer ausgeglichen werden.223 Zugrunde liegt die überholte These, dass „diejenigen Gemeinden besonders belastet seien, deren Einwohner überwiegend wenig leistungsfähige Arbeitermassen“224 seien.

248

217 Popitz, Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden 1932, S. 116, 114, 123 der sich trotz damaliger Kritik für den Bestand der Steuer aussprach und den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit hier zurückdrängen will. 218 Vgl. mit Akzentverschiebungen und Distanzierungen BVerfG v. 24.1.1962 – 1 BVR 845/58, BVerfGE 13, 331; v. 13.07.1965 – 1 BvR 771/59 u.a., BVerfGE 19, 101; v. 21.12.1966 – 1 BvR 33/ 64, BVerfGE 21, 54; v. 13.5.1969 – 1 BvR 25/65, BStBl. II 1969, 424; v. 25.10.1977 – 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, 224; v. 14.2.2001 – 2 BvR 1488/93, FR 2001, 368; v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1; v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. II 2016, 557. 219 BFH v. 29.9.1969 – VI 393/65, BStBl. II 1968, 183; v. 20.11.2003 – IV R 5/02, BStBl. II 2004, 464; v. 16.12.2012 – I B 128/12, BStBl. II 2013, 30. Krit. namentlich Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II2, S. 1136 ff. 220 BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (38). 221 BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1. 222 Namentlich FG Nds. v. 23.7.1997 – IV 317/91, EFG 1997, 1456; v. 21.4.2004 – 4 K 317/91, EFG 2004, 1065; v. 14.4.2005 – 4 K 317/91, EFG 2005, 1471; FG Hamburg v. 29.2.2012 – 1 K 138/10 EFG 2012, 960. 223 BFH v. 26.8.1987 – I R 376/83, BStBl. II 1988, 201. 224 Popitz, Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden 1932, S. 116.

35

GewStG § 1 Rz. 249 | Steuerberechtigte 249

Im Übrigen bestehen im GewStG mehr rechtliche und tatsächliche Modifikationen (Durchbrechungen, Ausnahmen), die das Prinzip, sollte es bestehen, eher in Frage stellen:225 – „Kanalisierte“ Gewerbetriebe führen nicht per se zu einer finanziellen Belastung der Gemeinden, sondern erhöhen auch die lokale Wirtschaftskraft. – Möglichen Arbeitnehmerfolgekosten stehen Entlastungen der Sozialkosten gegenüber. – Die „typischen“ Infrastrukturkosten sind heute kein Sonderbedarf der Gemeinde mehr, den (nur) Gewerbebetriebe veranlassen, sondern gehören zum allgemeinen Finanzbedarf, der sich am Indikator „Einwohner“ misst. – Der „kanalisierte“ Einwohner wird im sekundären Finanzausgleich veredelt und honoriert. – Das lokale Aufkommen der Steuer korreliert nicht mit den Gemeindelasten und den durch die Gewerbebetriebe verursachten Kosten. – Der Allgemeinheit des Äquivalenzprinzips widerspricht es, dass nichtgewerbliche Unternehmen, die auch Lasten verursachen und denen die Gemeindeleistungen ebenfalls zugutekommen, nicht wie Gewerbebetriebe zusätzlich besteuert werden. – Der Allgemeinheit des Äquivalenzprinzips widerspricht es auch, dass die Steuer aufgrund der Freibeträge und der Abschaffung der Lohnsummenteuer nicht mehr von allen Gewerbebetrieben erhoben wird. – Das Äquivalenzprinzip spiegelt sich nicht in der Bemessung der Gewerbesteuer. Insb. § 6 ff. GewStG stellen keinerlei Korrelation zu den Lasten des Betriebs her, noch ermitteln sie den Nutzen, den die Leistungen der Gemeinde für den Betrieb haben. – Dies gilt auch für die Hinzurechnungsvorschriften des § 8 GewStG, die von Kosten und Nutzen kommunaler Funktionen abstrahieren. – Auch der gesetzliche Mindesthebesatz relativiert das Äquivalenzargument. – Nicht zuletzt widerspricht das Finanzausgleichsinstrument der Gewerbesteuerumlage einer äquivalenztheoretischen Begründung der Steuer.

250

Für die Auslegung und Anwendung des Gesetzes, und mittelbar auch seine Verfassungsmäßigkeit, ergeben sich daraus zunächst methodische Folgerungen: Das Äquivalenzprinzip ist zunächst nur ein steuerrechtstheoretisches und steuerpolitisches Konzept. Jede rechtliche Argumentation mit dem Äquivalenzprinzip ist schon deshalb fragwürdig, weil diese Rechtsfigur kein durchgehend normiertes und damit subsumtionsfähiges Prinzip und noch weniger ein anspruchsvolles Rechtsprinzip i.S. eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes bildet. Es kann rechtliche Wirkungen allenfalls nur insoweit entfalten, als und soweit die ausdrücklichen, gesetzlichen Regelungen dafür Raum lassen. Eingangstor wäre hier allenfalls §§ 29, 30 GewStG. Die dortige Lastenkonzeption ist allerdings alles andere als klar und bestimmt und abgestimmt. Der „Äquivalenzgedanken“226 sollte daher im aktuellen Gewerbesteuerrecht keine Rechtsfolgen haben, auch wenn ihn der Gesetzgeber als Orientierungshilfe nutzt. Andernfalls besteht die Gefahr von Zirkelschlüssen227 oder einer bloß schlagwortartigen Verwendung der Begriffe. Die Steuerrechtswissenschaft zieht das Leistungsfähigkeitsprinzip als Lastenverteilungsgrundsatz des Steuerrechts generell dem Äquivalenzprinzip vor.228

251

In der Sache überzeugt das traditionelle Äquivalenzprinzip einer kostenorientierten Gruppenäquivalenz als eine normleitende Idee des Gesetzgebers, die den „Charakter“ der Steuer beschreiben soll, per se nicht.229 Es ist allenfalls eine pauschale Steuerrechtfertigung, ohne Maßstabfunktion für die Auswahl und Ausgestaltung einer Steuer, und der aktuellen Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II2, S. 1139 f., 923, 956 f. BFH v. 6.11. 2019 – I R 32/18, BStBl. II 2021, 68. Etwa BFH v. 20.11.2003 – IV R 5/02, BStBl. II 2004, 464. Zuletzt zu den Grundlagen des Leistungsfähigkeitsprinzips Kempny, StuW 2021, 85. Zu einem globaltheoretischen Äquivalenzprinzip der Steuerrechtfertigung zuletzt P. Kirchhof, DStR 2021, 2762. 229 A.A. zuletzt Brinkmann, DStR 2021, 584: das „Prinzip“ rechtfertige den Belastungsgrund der Gewerbesteuer, während das Leistungsfähigkeitsprinzip ihre Bemessung rechtfertige. 225 226 227 228

36

Steuerberechtigte | Rz. 256 § 1 GewStG

Gewerbesteuer. Der unterstellte mittelabstrakte Gegenleistungszusammenhang, der schon dem Preußischen Kommunalsteuersystem zugrunde lag,230 versteht eine Steuer als eine Art Marktpreis und widerspricht dem Charakter einer Steuer i.S.d. § 3 AO. Er erklärt sich für die Gewerbesteuer historisch aus der besonderen Nähe der Steuer zum typischen Finanzbedarf der noch nicht infrastrukturell entwickelten Gemeinden, den traditionell das kommunale Finanzausgleichssystem bedienen soll. Als Lastenausgleichsteuer ist die Gewerbesteuer, wie die Mehrheit der Steuern in Art. 106 GG, aber ungeeignet. Das moderne Steuerrecht steht und fällt im Zeichen des Leistungsfähigkeitsprinzips. Eine denkbare modernere, nutzenorientierte Gruppenäquivalenz231 wäre in den Nutzeneffekten gewerbesteuerrechtlich kaum messbar, unpraktisch und setzte auch eine prinzipiengeleitete Erneuerung von Steuergegenstand und Steuerbemessung voraus. Danach würde die Steuer den Vorteil abschöpfen, den kommunale Funktionen und Leistungen für die Gewerbebetriebe erbringen; sie näherte sich damit einer Vorzugslast. Die Vorgaben des Steuergegenstandes und der Steuerbemessungsgrundlage der aktuellen Gewerbesteuer vermag das Lastenprinzip jedenfalls nicht zu erklären oder zu legimitieren.

252

Im Ergebnis handelt es sich bei der Gewerbesteuer durchgehend um ein traditionelles kommunales Fiskalzweckgesetz, das die (z.T. dauerdefizitären) kommunalen Haushalte finanzieren soll und das Aufkommen möglichst stetig halten soll.232 Steuertheoretische Einschätzungen binden den Gesetzgeber grds. nicht, der sich im Zweifel auf den reinen Fiskalzweck einer Steuer zurückzieht und steuerwissenschaftliche Erkenntnis links liegen lässt.

253

frei

254

5. Finanzwirtschaftliche Bedeutung Die Gewerbesteuer ist nicht nur die wichtigste Gemeindesteuer, sie ist auch die wichtigste originäre (eigene) Steuereinnahmenquelle der Gemeinden, die diese kraft ihres Hebesatzrechts auch autonom mitbestimmen können.

255

Tabelle: Steuereinnahmen der Gemeinden Steuer/Steueranteil

2018

2019

2020

Grundsteuer

14.202

14.406

14.265

Gewerbesteuer (br.)

55.852

55.419

45.295

Gewerbesteuerumlage

./. 9.058

./. 8165

./. 4066

Gewerbesteuer (n.)

46.795

47.254

41.229

Anteil Lohn- und Einkommensteuer, Abgeltungssteuer

41.182

43.220

41.473

Anteil Umsatzsteuer

7.484

8.291

9.025

Übrige Gemeindesteuern

1.710

1.796

1.773

111.374

114.899

107.755

Summe

Quelle: nach destatis, Stand 12/2021, Beträge in Mio. €, gerundet In 2020 zeigen sich deutlich die Auswirkungen der Corona-Krise. Die Hebesätze streuen zwischen 200 und ca. 600 %. Der durchschnittliche Hebesatz betrug ca. 400 %. Keine

230 Popitz, Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden 1932, S. 116. 231 Zu beiden Seiten des Äquivalenzprinzips Keß, FR 2000, 698. 232 Ähnlich Selder, FR 2014, 174; Scheffler, Besteuerung von Unternehmen I12, S. 267.

37

256

GewStG § 1 Rz. 257 | Steuerberechtigte erhebliche Bedeutung haben traditionell die meisten andere öffentlich-rechtlichen und privat-rechtlichen Einnahmen der Gemeinden/Kommunen. Der Anteil der Einnahmen aus Vorzugslasten (Gebühren, Beiträge) an den Gesamteinnahmen betrug 2018 immerhin 17 %. Die Gesamteinnahmen aller Kommunen betrugen 2018 ca. 253 Mrd. €. Die Zuweisungen der Länder im kommunalen Finanzausgleich betrugen 2018 ca. 100 Mrd. €. 257–259

frei

II. Erhebung der Gewerbesteuer 1. Gesetzesvorbehalt 260

Die Grundnorm des § 1 GewStG setzt voraus, dass eine Gewerbesteuer und ein Gewerbesteuergesetz bestehen. Ohne eine Gewerbesteuer und GewStG ist § 1 GewStG wertlos. Sowohl die Grundrechte als auch das Finanzverfassungsrecht (Art. 105, 106, 108 GG) fordern eine gesetzliche Grundlage (Gesetzesvorbehalt).

261

Die Verfassung erzwingt eine Gewerbesteuer nicht ausdrücklich; der Verfassungsgeber hat sie 1945 vorgefunden. Die Art und Weise dieser Steuer schreibt die Verfassung ebenso wenig ausdrücklich vor. Dementsprechend dürfen die Gemeinden nicht irgendeine Gewerbesteuer erheben, sondern nur die eine Gewerbesteuer auf der Grundlage und im Rahmen des jeweiligen Gewerbesteuergesetzes.233 Hierfür ist dann der Bund zuständig. Auch ihre Verwaltungszuständigkeit ist gesetzesabhängig (Art. 108 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 GG) und liegt in der Hand der Länder.

262

frei 2. Steuererhebungspflicht

263

Der Indikativ des Wortes „erheben“ indiziert zunächst, dass die Gemeinden nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sind, die Steuer zu erheben.234 Die Formulierung hat das Gesetz ab EZ 2004235 eingeführt. Zugleich müssen sie hierbei einen Mindesthebesatz von 200 % beachten (§ 16 Abs. 4 GewStG). Dies soll einen unfairen Steuer- und Standortwettbewerb der Gemeinden verhindern. Eine wettbewerbsscharfe Nullsatzpolitik ist mithin nicht mehr zulässig. Die Neuregelung sollte Gewerbesteueroasen unterbinden, die Gewerbesteuerumlage sichern und regionale und lokale Disparitäten verhindern.

264

Das BVerfG hat beide Regelungen als verfassungskonform beurteilt.236 Das Gericht betont zu Recht, dass der Bundesgesetzgeber die kommunale Finanzautonomie, insb. das Hebesatzrecht (Art. 28 Abs. 2 Satz 3, Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG) verhältnismäßig einschränken durfte.

265

„Erheben“ bedeutet in der Sache, die festgesetzten Steuerbeträge einzuziehen.237 Das GewStG unterscheidet zwischen der Festsetzung der Steuer und der Erhebung der Steuer (§§ 16 ff. GewStG). Soweit die Gemeinden auch berechtigt sind, die Steuer festzusetzen, ergibt sich dies nicht aus § 1 GewStG, sondern aus den Ländergesetzen der Flächenländer nach Maßgabe des Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG. Dies ist bei allen Flächenländern der Fall.

266

frei

233 234 235 236 237

38

Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 1 GewStG Rz. 35. R 1.1 Satz 2, 1 GewStR 2009. Gesetz v. 23.12.2003, BGBl. I 2003, 2922. BVerfG v. 27.10.2010 – 2 BvR 2185/04 u.a., BVerfGE 125, 141. Drüen in Brandis/Heuermann, § 1 GewStG Rz. 22.

Steuerberechtigte | Rz. 275 § 1 GewStG

3. Gesetzesbindung Zunächst müssen die Gemeinden die Steuer nach Maßgabe des GewStG und der GewStDV erheben. Sie sind mithin, wie die Landesfinanzbehörden, an das gesamte Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3, 28 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG).238

267

Steuervereinbarungen, die die gesetzlichen Vorgaben ausdehnen, beschränken oder abändern, sind grds. unzulässig und unwirksam.239 Eine begrenzte Ausnahme bildet aber § 33 Abs. 2 GewStG.

268

Zusätzlich sind die Gemeinden bei der Erhebung der Gewerbesteuer auch an die Bestimmungen der AO gebunden, soweit diese anwendbar ist (§ 1 Abs. 2 AO) sowie an das entsprechende Landesrecht. Nicht zuletzt binden auch die GewStR auf der Grundlage des Art. 108 GG die Gemeinden und Finanzämter.240 Für Steuerpflichtige sind diese Verwaltungsvorschriften nicht bindend, im Einzelfall aber aus Gründen der Gleichbehandlung begünstigend. Auch die Gerichte sind grds. nicht an Verwaltungsvorschriften als „Binnenrecht“ gebunden.

269

frei

270

4. Formelles Gewerbesteuerrecht (Besteuerungsverfahren) a) Zweigeteiltes Verfahren und Verfahrensrecht Das materielle Gewerbesteuerrecht, insb. die Steuerpflicht, die Steuerbemessungsgrundlage und der Steuertarif ergeben sich aus §§ 2, 4, 7 bis 10a und §§ 11, 16 GewStG.

271

Das Wort „erheben“ in § 1 GewStG bezeichnet die Verwaltungszuständigkeit der Gemeinden (in Flächenländern) nur unzureichend.241 Die Verwaltung der Gewerbesteuer (= Vollzug des Gesetzes) obliegt nach Art. 108 Abs. 2 Satz 1 GG den Landesfinanzbehörden, ist dabei jedoch durch Landesgesetze ganz oder teilweise auf Gemeinden oder Gemeindeverbände übertragbar (Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG).242

272

Mit Ausnahme der Stadtstaaten – in den Stadtstaaten Hamburg und Berlin sowie Bremen wird die Erhebung und Festsetzung der Gewerbesteuer von den Finanzämtern vollzogen – haben die Flächenländer von dieser Übertragungsmöglichkeit in der Weise Gebrauch gemacht, dass Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer den Gemeinden obliegt. In diesem Fall verteilt sich die Verwaltung der Gewerbesteuer zwischen Finanzämtern (= Landesfinanzbehörden) und Gemeinden und ihren Gemeindesteuerbehörden.243 Die Verwaltungszuständigkeit umfasst mithin mehr als die eigentliche Erhebung i.S.d. Teil V der AO.

273

In Nordrhein-Westfalen etwa ist die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuern durch § 1 des Gesetzes über die Zuständigkeit für die Festsetzung und Erhebung der Realsteuern vom 16. Dezember 1981 (GV. NW. 1981 S. 732) den hebeberechtigten Gemeinden übertragen worden.

274

Nach Art. 108 Abs. 5 Satz 2 GG darf der Bund auch verfahrensrechtliche Regelungen erlassen, die von den Landesfinanzbehörden und den Gemeinden anzuwenden sind.

275

238 R 1.1 Satz 2 GewStR 2009. 239 BFH v. 5.10.1990 – III R 19/88, BStBl. II 1991, 45; BVerwG v. 18.4.1975 – VII C 15.73, BStBl. II 1975, 679. 240 Drüen in Brandis/Heuermann, § 1 GewStG Rz. 8; a.A. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 1 GewStG Rz. 17. 241 Heinemann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 1 GewStG Rz. 19. 242 BVerfG v. 8.11.1983 – 1 BvR 479/83, BStBl. II 1984, 249; BVerwG v. 29.9.1982 – BStBl. II 1984, 236. 243 R 1.1 – R 1.9 GewStR 2009; H 1.1 – 1.8 GewStH 2016.

39

GewStG § 1 Rz. 276 | Steuerberechtigte 276

Soweit die Landesfinanzbehörden die Steuer alleine verwalten, wie in den Stadtstaaten und Bremen, regeln die AO (§ 1 Abs. 1 sowie §§ 184, 185 – 190 AO) und das GewStG (namentlich §§ 14–15 GewStG) die maßgeblichen Verfahrensvorschriften.

277

Soweit die Gemeinden wie in den Flächenstaaten die Steuer teilweise mitverwalten, finden sich die zusätzlichen Verfahrensvorschriften teilweise in der Abgabenordnung (vgl. § 1 Abs. 2 AO), im Übrigen in den Landesgesetzes (besonders VwVfG).

278

Dies führt praktisch zu einer gespaltenen, zweigeteilten und gestuften Verwaltungszuständigkeit mit doppeltem Verfahrensrecht (AO und VwVfG der Länder) sowie einer zweigeteilten Gerichtszuständigkeit (Finanzgericht und Verwaltungsgericht) mit zweigeteiltem Vorverfahren (Einspruch, ggf. Widerspruch).

279

Das Messbetragsverfahren (§ 14 GewStG), das Zuteilungsverfahren (§ 190 AO) sowie das Zerlegungsverfahren (§ 28 GewStG) obliegen grds. dem Finanzamt, das Steuerfestsetzungsund Steuererhebungsverfahren (§ 16 GewStG), das Vollstreckungsverfahren sowie das Vorauszahlungsverfahren (§ 19 GewStG) und ggf. eine Niederschlagung244 obliegen sodann den Gemeinden ggf. nach landesrechtlichen Vorschriften.

280

Schaubild: Verwaltungszuständigkeiten in den Flächenländern

281–284

frei

b) Finanzbehörden 285

Die Landesfinanzbehörden (Finanzämter nach §§ 22, 18 AO245) sind in allen Ländern samt Stadtstaaten zuständig246 für die – generelle Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen (§§ 85, 88 AO) nach der Gewerbeanmeldung247 bei der Gemeinde (§ 138 AO, § 14 GewO), – die Gewerbesteuererklärung (§ 14a GewStG, § 25 GewStDV), – die Gewerbesteuer-Zerlegungserklärung (25 GewStDV, § 28 GewStG), – das Gewerbesteuermessverfahren: – insb. die Entscheidung über die sachliche und persönliche Steuerpflicht (§ 184 Abs. 1 Satz 1, 2 AO), – die Ermittlung des Gewerbeertrags nach §§ 7 ff. GewStG,

244 245 246 247

40

R R R R

1.6 1.3 1.2 1.9

Abs. 1 GewStR 2009. Abs. 13 GewStR 2009. Abs. 1 Satz 1, R. 1.2 Abs. 2 GewStR 2009. GewStR 2009.

Steuerberechtigte | Rz. 293 § 1 GewStG

– den Gewerbesteuermessbescheid248 als Steuerbescheid249 (§ 14 GewStG; § 184 Abs. 1 Satz 3, § 155 Abs. 1 AO) und als Grundlagenbescheid (§ 184 Abs. 1 Satz 4, § 182 AO), – einen Verlustfeststellungsbescheid (§ 10a GewStG), – das Zuteilungs- oder Zerlegungsverfahren samt Zuteilungs- oder – Zerlegungsbescheid (§§ 28 ff. GewStG, §§ 185-190 AO). Das Verfahren der Einkommensteuerveranlagung und das Gewerbesteuermessverfahren sind abgabenrechtlich zu trennen, auch wenn der Begriff des Gewerbebetriebs in § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG auf das EStG verweist.250 Der Einkommensteuerbescheid, der Körperschaftsteuerbescheid und der Feststellungsbescheid bei Personengesellschaften sind keine Grundlagenbescheide (§ 171 Abs. 10 GewStG) für den Gewerbesteuerbescheid. Eine Korrektur des Gewerbesteuerbescheids und des Verlustfeststellungsbescheids ermöglicht aber § 35b GewStG. Dies gilt für die Gewerbesteuer auch im Rahmen einer Organschaft.

286

Die Finanzämter können gem. § 184 Abs. 2 Satz 1 AO unter den dortigen Voraussetzungen Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO schon im Rahmen der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags treffen.251 Ist die Verwaltungszuständigkeit nicht geteilt, sondern wird die Steuer vom Finanzamt festgesetzt und erhoben (Stadtstaaten und Bremen) obliegt dem Finanzamt bzw. den Landesfinanzbehörden auch die Entscheidung über Stundung, Niederschlagung und Erlass der Steuer.252

287

Für Sanierungsfälle gilt jedenfalls ab EZ 2017 § 7b GewStG, d.h. ein Sanierungsertrag ist dann schon kraft Gesetzes von der Gewerbesteuer freigestellt; dies ist für Finanzämter und Gemeinden bindend.

288

frei

289

c) Gemeindebehörden Bei geteilter Zuständigkeit, wie in den Flächenstaaten, sind nicht die Finanzämter, sondern die Gemeinden für das Festsetzungsverfahren (§§ 16 ff. GewStG) samt Vorauszahlungen, das Erhebungsverfahren (§§ 218 ff., § 1 Abs. 2 Nr. 5 AO) sowie für die Vollstreckung (§ 1 Abs. 2 AO im Umkehrschluss i.V.m. landesrechtlichen Vorschriften für die Beitreibung und Niederschlagung) zuständig.253

290

Die Gemeinden setzen die Gewerbesteuern nach § 16 Abs. 1 GewStG unter Berücksichtigung des vom Finanzamt auf der Grundlage des Gewebeertrags und der Steuermesszahl ermittelten Steuermessbetrages (§§ 14, 6, 11 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 2 GewStG) und des von ihnen bestimmten Hebesatzes (§ 4 GewStG) fest. Für das Festsetzungs- und Erhebungsverfahren gelten gem. § 3 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 2 AO die dort in Bezug genommenen Vorschriften der AO.

291

Die Gemeinden sind danach gem. § 1 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 182 Abs. 1, § 184 Abs. 1 AO bei der Festsetzung der Gewerbesteuer an die Gewerbesteuermessbescheide des Finanzamtes gebunden. Diese Bindungswirkung erstreckt sich inhaltlich sowohl auf den festgesetzten Gewerbesteuermessbetrag (§ 184 Abs. 1 Satz 1 AO) als auch auf die persönliche und sachliche Steuerpflicht des Betroffenen (§ 184 Abs. 1 Satz 2 AO).

292

Gebunden ist die hebeberechtigte Gemeinde an den Gewerbesteuermessbescheid auch dann, wenn dieser – etwa infolge eines Einspruchs oder eines finanzgerichtlichen Rechtsbehelfs – noch nicht bestandskräftig sein sollte (vgl. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Bindungs-

293

248 249 250 251

Zur Fertigung, Bekanntgabe und Mitteilung an die Gemeinden R 1.4 GewStR 2009. H 1.4 GewStH 2016. Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 63 f. auch zum Vertrauensschutz des Stpfl. R 1.5 GewStR 2009. Näher zu Billigkeitsmaßnahmen des Finanzamts im Gewerbesteuerverfahren Heinemann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 1 GewStG Rz. 42 ff. 252 Näher R 1.6 Abs. 2 GewStR 2009; gleichlautende Ländererlasse v. 1.10.2020, BStBl. I 2020, 987. 253 R 1.2 Satz 1, 2 GewStR 2009.

41

GewStG § 1 Rz. 294 | Steuerberechtigte wirkung setzt lediglich einen wirksamen Gewerbesteuermessbescheid voraus. Erforderlich ist insoweit nur, dass der Messbescheid gegenüber dem Betroffenen bekannt gegeben wurde und nicht nichtig ist (vgl. § 124 Abs. 1 und 3, § 125 AO). Die Gewerbesteuern entstehen nach § 18 GewStG mit Ablauf des EZ, für den die Festsetzung vorgenommen wird. 294

Die Zinsen (§§ 233 ff. AO) werden von der hebeberechtigten Gemeinde berechnet, festgesetzt und erhoben, wenn sie die Gewerbesteuer festsetzt und erhebt. Das Finanzamt teilt der Gemeinde die für die Berechnung und Festsetzung der Zinsen notwendigen Daten mit.254

295

Nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 AO kann die Gemeinde im Rahmen der Festsetzung auch Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO treffen, etwa zur Vermeidung von unbilligen Härten die Steuer niedriger festsetzen.

296

Zudem sind die Gemeinden für Stundung und Erlass der Steuer zuständig (§§ 222, 227 AO i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 5 AO). Nicht zuletzt können sie Steuern nach Landesrecht (nicht nach § 261 AO wegen § § 1 Abs. 2 AO) niederschlagen.255

297–299

frei

5. Rechtsschutz a) Steuerpflichtige 300

Bei Gerichtsverfahren in Gewerbesteuersachen folgt die Gerichtszuständigkeit der Verwaltungszuständigkeit. Der Steuerpflichtige256 kann den Gewerbesteuermessbescheid, einen Verlustfeststellungsbescheid, einen Zerlegungsbescheid oder einen Zuteilungsbescheid mit dem Rechtsmittel des Einspruchs beim Finanzamt anfechten (§ 347 AO, § 1 Abs. 2 AO). Bleibt der Einspruch erfolglos, kann der Steuerpflichtige Anfechtungsklage vor dem Finanzgericht erheben (§ 33 FGO). Eine Aussetzung der Vollziehung richtet sich nach § 361 AO bzw. § 69 FGO.257

301

Gegen einen Gewerbesteuerbescheid oder einen Vorauszahlungsbescheid kann der Steuerpflichtige grds. Widerspruch nach Landesrecht bei der Gemeinde einlegen, soweit dies geboten ist. Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen oder ist ein Widerspruch nicht notwendig, kann er Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht erheben (§ 40 VwGO). Eine Aussetzung der Vollziehung richtet sich nach § 80 Abs. 4 bzw. § 80 Abs. 5 VwGO. Einwendungen gegen den Gewerbesteuermessbescheid können im Verfahren gegen den Gewerbesteuerbescheid nicht mit Erfolg vorgebracht werden (§ 351 Abs. 2 AO).

302

frei b) Gemeinden

303

Im Verwaltungsverfahren der Länderfinanzverwaltungen (Gewerbesteuermessbescheid des Finanzamts) haben die Gemeinden258 gegenüber den Ländern verschiedene Beteiligungsrechte gem. § 21 Abs. 3 FVG und nach den entsprechenden Verwaltungsvorschriften259 Unterrichtungsrechte, Akteneinsichts- und Auskunftsrechte, Teilnahmerechte an Außenprüfungen.260 Das Recht der gemeindlichen Teilnahme an Außenprüfungen der Finanz-

254 255 256 257

R 1.8 GewStR 2009. R 1.6 Abs. 1 GewStR 2009. Ausf. Heinemann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 1 GewStG Rz. 54 ff. Zur Aussetzung der Vollziehung von Gewerbesteuermessbescheiden R 1.7 GewStR 2009; H 1.7 GewStH 2016. 258 Ausf. Heinemann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 1 GewStG Rz. 65 ff. 259 R 1.2 Abs. 3 GewStR 2009; H 1.2 Abs. 3 GewStH 2016. 260 Beispiele zum Teilnahmerecht: BFH v. 23.1.2020 – III R 9/18, BStBl. II 2020, 436; dazu Hidien, jurisPR-SteuerR 45/2020 Anm. 3; BVerwG v. 27.1.1995 – 8 C 30/92, BStBl. II 1995, 522; zuletzt FG Düsseldorf v. 23.6.2021 –7 K 656/18 AO, juris. Näher Drüen, DÖV 2012, 493.

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Steuerberechtigte | Rz. 314 § 1 GewStG

behörden stellt ausschließlich eine interne Befugnis im Verhältnis der Gemeinde zur Finanzverwaltung dar. Die Gemeinden haben grds. nicht das subjektive Recht, Gewerbesteuermessbescheide des Finanzamts anzufechten, da sie nur wirtschaftlich, aber nicht rechtlich betroffen sind.261 Ein Sonderfall ist § 40 Abs. 3 FGO. Besondere Rechte bestehen zudem im Zerlegungsverfahren (§ 186 Nr. 2, 188, 190, § 360 Abs. 3 AO, § 60 Abs. 3 FGO). frei

304

305–309

III. Zur Reform 1. Schwächen der Steuer und Reformbedarf Ungeachtet der der verfassungsrechtlichen Problematik besteht nahezu Konsens darüber, dass die Steuer angesichts ihrer bekannten Regelungsschwächen262 reformbedürftig ist. Im Rahmen des heutigen kommunalen Steuer- und Finanzsystems ist die derzeitige Ausgestaltung der Gewerbesteuer ein hybrider Fremdkörper und eine Ausnahme- und Sondersteuer. Sie führt sowohl für die Steuerpflichtigen als auch für die Steuerertragsberechtigten zu „Gewerbsteuer-Ungerechtigkeiten“.263

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Die Sonderstellung der Gewerbesteuer neben den Ertragsteuern geht letztlich auf die Anfänge der Weimarer Republik zurück. Sie hat ihren wesentlichen Grund nicht im Steuerrecht, sondern in einem finanzrechtlichen Verbot der Gleichartigkeit von Steuern, das heute noch in Art. 105 Abs. 2a GG ausdrücklich bekannt ist. Das Landessteuergesetz 1920264 und spätere Reichsfinanzausgleichsgesetz bestimmte, dass die Gewerbesteuer Ländersache war. Eine Gewerbesteuer konnte insb. nach Merkmalen des Werts, des Ertrags oder der Ertragsfähigkeit veranschlagt werden. Keinesfalls durfte die Steuer wie die dem Reich zustehende Einkommensteuer ausgestaltet werden; Besteuerungsmerkmale, die auf die Berücksichtigung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen abzielen, durften nicht zugrunde gelegt werden.

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Unter dem Grundgesetz hat sich das Steuerrecht mittlerweile vom Finanzrecht jedenfalls rechtlich emanzipiert. Unverändert schwierig ist es, eine Gemeindesteuer zu etablieren, die steuer- und finanzsystematischen Anforderungen gerecht wird. Die derzeitige Gewerbesteuer ist eine fragwürdige Kompromisslösung. Es ist nicht ersichtlich, wie die Besteuerung der objektivierten Ertragskraft bestimmter Unternehmen den Gemeinden einen pauschalen Lastenausgleich vermitteln soll.

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Steuersystematisch ist die Gewerbesteuer inzwischen eine mehr oder weniger objektivierte Ertragsteuer mit begrenztem Verlustausgleich, neben der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Nach Einführung der Gewerbesteuerumlage, dem Wegfall der Lohnsumme als Besteuerungsgrundlage, der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und der Befreiung der kleineren Betriebe hat sich die Gewerbesteuer von einer Objektsteuer zu einer besonderen Ertragsteuer entwickelt. Im Hinblick auf § 35 EStG sind besonders Kapitalgesellschaften betroffen.

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Bereits die Wahl und schwierige Abgrenzung des besonderen Steuergegenstands werfen vielfältige gleichheitsrechtliche Bedenken auf. Hierzu gehören Ungleichbehandlungen der Gewerbebetriebe im Verhältnis zu Einkünften aus selbständigen und anderen Unternehmenseinkünften. Die vermeintlich tragenden, aber fragwürdigen sog. Prinzipien (Äquivalenzprinzip, Realsteuerprinzip, Objektsteuerprinzip, Territorialitätsprinzip) begründen in

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261 BFH v. 30.1.1976 – III R 60/74, BStBl. II 1976, 426. 262 Zusammenfassend Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 12.7; P. Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch, 2011, S. 18 ff.; Kempny/Reimer, Gutachten D zum 70. Deutschen Juristentag, 2014, D 58 ff. 263 Tipke, Steuergerechtigkeit in Theorie und Praxis, 1981, S. 110; vgl. zuvor Tipke, Steuerrecht1, (1973), S. 283 f. 264 Landesteuergesetz v. 30.3.1920, RGBl. 1920, 402.

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GewStG § 1 Rz. 315 | Steuerberechtigte der Umsetzung die halbherzige „hybride“ Sonderstellung der Steuer und kennen vielfältige Ausnahmen. Regel und Ausnahme sind hier nicht immer erkennbar. Eine Vielzahl von Ausnahmen relativiert die Allgemeinheit des Steuergesetzes. Namentlich die Modifikationen des Gewinns in den Korrekturvorschriften (§ 7 Satz 2 ff., §§ 8, 9 GewStG) sind nicht nur streitanfällig, sondern z.T. auch frei gegriffen. Sie führen zudem zu Ungleichbehandlungen zwischen verschiedenen (Gewerbe-)Betrieben und Betriebsformen. 315

Sowohl die Besonderheiten gegenüber der Einkommen- und Körperschaftsteuer in §§ 7–9 GewStG als auch das zweigeteilte Feststellung- und Festsetzungsverfahren samt zweigeteiltem Rechtsschutz erhöhen die Komplexität (im Sinne einer Vernetzung), Kompliziertheit (im Sinne einer Überregulierung) und Unübersichtlichkeit der gesamten Unternehmensbesteuerung.265

316

In der Praxis ist sie bei großen Unternehmen mitunter sogar die dominierende Ertragsteuer.266 Der Hauptanteil des Gewerbesteueraufkommens wird von wenigen großen Unternehmen gezahlt: Von rund 3,9 Millionen gewerbetreibenden Unternehmen (Gewerbesteuerpflichtige, Stand 2017267), die zur Abgabe einer Gewerbesteuererklärung verpflichtet sind, hatten 2,4 Millionen einen Steuermessbetrag von null, mithin zahlen nur ca. 39 % der Unternehmen tatsächlich Gewerbesteuer. Im Ergebnis tragen 2 % der Gewerbebetriebe über 75 % des Aufkommens.268 Das gesamte Aufkommen betrug 2017 ca. 53 Mrd. Euro. Diese Unternehmen waren auch besonders von den Hinzurechnungen betroffen. Im Jahr 2017 waren ca. 30% aller steuerpflichtigen Betriebe Kapitalgesellschaften, diese trugen mehr als die Hälfte (ca. 57%) zum gesamten Steuermessbetrag bei.

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Die in der Gewerbesteuerstatistik 2017 erfassten Steuerpflichtigen hatten insgesamt Gewinne i.H.v. 433 Milliarden Euro und Verluste von 99 Milliarden Euro. Die angerechneten Verlustvorträge beliefen sich auf rund 37 Milliarden Euro. Von allen Steuerpflichtigen insgesamt wurden Freibeträge i.H.v. 36 Milliarden Euro geltend gemacht.

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Die Steuer ist zudem mit Substanzbesteuerungseffekten269 im Einzelfall verbunden. Eine solche mögliche Substanzbesteuerung liegt nach Auffassung des BFH in der „Natur“ einer ertragsorientierten Objektsteuer.270

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Hinzu kommen steuer- und finanzökonomische Einwände gegen die Steuer.271 Insb. verletzen die §§ 2, 8, 9 GewStG die allgemeinen Ziele der Rechtsformneutralität und der Finzanzierungsneutralität.272

320

Die pauschale Anrechnung der Gewerbesteuer gem. § 35 EStG bei Einzel- und Personenunternehmen führt dazu, dass ein erheblicher Anteil von Steuerpflichtigen de facto von der Gewerbesteuer befreit ist. Auch dies begründet die Sonder- und Ausnahmestellung der Steuer.

321

Auch auf einen internationalen und interkommunalen Steuerwettbewerb ist die Steuer nicht abgestimmt. Moniert wird seit langem, dass das GewStG keine Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf die Gewerbesteuer vorsieht.273 Im Fall der Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG kann es bei einem Niedrigsteuersatz von 25% (§ 8 Abs. 5 AStG n.F.) zu einer effektiven Gesamtsteuerbelastung von mehr als 40% kommen. Dies wird im internationalen Standortwettbewerbt als Wettbewerbsnachteil angesehen. 265 Eine Steuervereinfachung wäre statt einer streitanfälligen Gewerbesteuer die Einführung einer rechtsformneutralen, kommunalen Unternehmensteuer, verbunden mit einer Reform der Gewinneinkünfte im EStG, zuletzt Seer, BB 2021, 1433, Müller-Gatermann, FR 2021, 72. 266 Drüen in Brandis/Heuermann, § 1 GewStG Rz. 10 m.w.N. 267 Vgl. destatis, Mitteilung v. 21.12.2021. 268 Gewerbesteuer-Statistik 2015, vgl. Wünnemann, Ubg 2020, 613. 269 BFH v. 23.2.1017 – III R 35/14, BStBl. II 2017, 757. 270 BFH v. 6.11.2019 – I R 32/18, BStBl. II 2021, 68; v. 14.6.2018 – III R 35/15, BStBl. II 2018, 662. 271 Wünnemann, Ubg 2020, 613; Spengel, DB 2010, M1; Cansier, Finanzwissenschaftliche Steuerlehre, 2004, S. 178 f., 186 ff. 272 Scheffler, Besteuerung von Unternehmen I12, S. 263 ff. 273 Zum rechtsdogmatischen Problem zuletzt Micker, ISR 2021, 428 ff.

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Steuerberechtigte | Rz. 327 § 1 GewStG

Auch der interkommunale Steuerwettbewerb funktioniert nur eingeschränkt.274 Grund hierfür ist zunächst, dass gerade wirtschaftlich schwache Gemeinden i.d.R. nicht in der Lage, ihre Steuersätze so zu senken, dass sie zusätzliche Investitionen anziehen können. Das kommunale Haushaltsrecht und die Kommunalaufsicht drängen solche Gemeinden sie im Gegenteil zu einer Anspannung der Hebesätze. Zudem reagieren Unternehmen vermehrt auf Steuererhöhungen, in dem sie, ähnlich wie im internationalen Kontext, Gewinne in andere Gemeinden verlagern, lohnintensive Unternehmensteile auslagern oder Vorteile der Organschaft nutzen.

322

Dies verdeutlicht zugleich, dass die Steuer auch finanzsystematisch keine „ideale“275 Gemeindesteuer, sondern eine allzu gewinn- und konjunkturabhängige, volatile Steuer, somit keine gleichmäßig ergiebige Einnahmequelle der auf Planungssicherheit angelegten kommunalen Haushalte. Der historische Gesetzgeber ist noch davon ausgegangen, dass eine einzige Besteuerungsgrundlage nicht ausreiche: „Würde die Gewerbesteuer nur auf den Gewerbeertrag abgestellt, so würde die Steuer so konjunktur- und krisenempfindlich werden, dass in den Gemeindefinanzen eine beträchtliche Unsicherheit hineingetragen würde“.276

323

Dies verdeutlichen die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie. Zusätzliche Verteilungsdivergenzen zwischen den Gemeinden entstehen durch wirtschaftliche Agglomerationen von Betrieben277 und immobile, aber auch mobile Standortpolitik der Unternehmen, ein beachtliches Hebesatzgefälle, ein erhebliches Finanzkraftgefälle zwischen den 10.796 deutschen Gemeinden, bundesseitige Ausgabenverpflichtungen und eine insgesamt und örtlich kaum aufgabenakzessorischen Finanzausstattung der Gemeinden, die die Länder verantworten. Bei den Regelungen in § 35 EStG, § 6 GRFG handeln es sich um unsystematische Finanzausgleichsregelungen, die kontraproduktiv sind.

324

frei

325

2. Reformansätze und Reformgrenzen Die derzeitigen Regelungen der Gewerbesteuer charakterisieren die Gewerbesteuer danach als Sonderertragssteuer bestimmter größerer Unternehmen. Sowohl aus steuersystematischen als auch aus finanzsystematischen Gründen wäre eine grundlegende Überholung der Steuer an sich notwendig und wünschenswert. Aufgerufen ist der parlamentarische Gesetzgeber, ggf. der verfassungsändernde Gesetzgeber. Die vielfältigen Reformen bisher haben im Ergebnis dafür gesorgt, dass das Gesetz in seinen Grundzüge angepasst und gestärkt wurde – und dadurch seiner gänzlichen Abschaffung standhalten konnte.

326

Kleinere, punktuelle Korrekturen des Gesetzes sind kaum erfolgversprechend, da sich der Gesetzgeber mittlerweile in seinem eigenen Regelungsnetz verfangen hat. Größere, vorliegende Reformvorschläge278 konnten bislang aus politischen Gründen nicht realisiert wer-

327

274 Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz.12.7. 275 Zu den Anforderungen an ein Gemeindesteuersystem grundlegend schon Popitz, Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden 1932, S. 112 ff. 123 f., dort auch mit einer Kritik an der damaligen, „überspannten“ Gewerbebesteuerung. Für die Ausgestaltung einer von ihm befürworteten Gewerbesteuer fordert Popitz sodann allerdings, „die Besteuerung der Gemeinden unter andere Grundsätze zu stellen, als sie für ein Staatssteuersystem, das auf einen Ausgleich im gesamten Staatsgebiet rechnen kann, maßgebend sind.“ Gegen eine Übermaßbesteuerung zutr. auch Drüen in Brandis/Heuermann, § 1 GewStG Rz. 18. 276 Amtl. Begründung zu § 6 GewStG 1936, RStBl. 1937, 694. 277 Schon Kommission für die Finanzreform (Troeger-Kommission), Gutachten über die Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, S. 27. 278 Näher Jachmann, Gewerbesteuerreform 2003, S. 49 ff.; Otten, Die Grundmodelle der Alternativen zur Gewerbesteuer, 2005; Dann, Alternativen zur Gewerbesteuer, 2008; sowie Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 12.8; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 1 GewStG Rz. 57 ff. m.w.N. Zu den gleichheitsrechtlichen Anforderungen an eine Ersetzung der Gewerbesteuer Jachmann, DStJG 26 (2002), 195 (231 ff.). Instruktiv Stiftung Marktwirtschaft, Gute Gemeindesteuern, 2003, dort noch zu einem Drei-Säulen-Modell. Zum Vier-Säulen-Modell zuletzt Bültmann-Hinz, DStR 2020, 2217; vgl. auch Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 11 „theoretisch zukunftsweisend“.

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GewStG § 1 Rz. 328 | Steuerberechtigte den. Dazu gehören insb. die ersatzlose Abschaffung der Gewerbesteuer und Kompensation z.B. durch eine Erhöhung des Umsatzsteueranteils der Kommunen, eine Gemeindewirtschaftsteuer279 (unter Einbeziehung der freien Berufe), eine kommunale Wertschöpfungsteuer oder ein Umbau in eine kommunale Gewinn- und Einkommensteuer bzw. ein kommunaler Zuschlag280 zur Einkommen- und Körperschaftsteuer. Ohne Verfassungsänderung sind im Rahmen des Art. 106 Abs. 5 bis 6 GG Reformen der Steuerverteilung möglich; zudem sind im Rahmen der Art. 105, 106 GG auch grundlegende Steuerreformen zulässig. 328

In Anbetracht der Interdependenzen von Steuer- und Finanzsystem, die sich in der überholten Regelung des Art. 106 GG und den dortigen überkommenden Steuertypen widerspiegeln, wird nur eine Große Finanzreform, wie sie zuletzt 1969 realisiert wurde, eine grundlegende Erneuerung des bundesstaatlichen Steuer- und Finanzsystems anstreben können. Sie muss die unterschiedlichen steuer- und finanzpolitischen Interessen der drei Ertragsberechtigten und der Steuerpflichtigen in schonenden Ausgleich bringen und ins Werk setzen. Art. 106 GG, der die traditionell vorgefundenen Steuer als Steuerkonglomerat für Zwecke der bundessstaatlichen Verteilung des Aufkommens lediglich auflistet, erweist sich hier als politische Reformbremse des einfachen Steuerrechts und der Steuer- und Finanzpolitik, die Gesetzgeber und BVerfG „ausbremst“. Der „Grundkonflikt“ einer Reform durchzieht mithin nicht nur die schutzwürdigen Interessen der Gemeinden und der Steuerpflichtigen, sondern das gesamte staatliche und gemeindliche Finanz- und Steuersystem. Zweifel bestehen, ob Parlament und Regierung ein solches Reformvorhaben jemals beschließen und durchsetzen werden. Ein prinzipienorientierten Gesamtsteuersystem ist nicht in Sicht.281

279 BT-Drucks. 18/12365. 280 Vgl. P. Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch, 2011, S. 18 ff. 281 Zu dieser rechtsrealistischen Sicht des Art. 106 GG Trzaskalik, Gutachten E für den 63. Juristentag, 2000, S. 45, 57 im Kontext des Umweltabgabenrecht.

46

§ 2 Steuergegenstand (1) 1Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. 2Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. 3Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrieb, soweit für ihn im Inland oder auf einem in einem inländischen Schiffsregister eingetragenen Kauffahrteischiff eine Betriebsstätte unterhalten wird. (2) 1Als Gewerbebetrieb gilt stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften (insbesondere Europäische Gesellschaften, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung), Genossenschaften einschließlich Europäischer Genossenschaften sowie der Versicherungs- und Pensionsfondsvereine auf Gegenseitigkeit. 2Ist eine Kapitalgesellschaft Organgesellschaft im Sinne der § 14 oder § 17 des Körperschaftsteuergesetzes, so gilt sie als Betriebsstätte des Organträgers. (3) Als Gewerbebetrieb gilt auch die Tätigkeit der sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts und der nichtrechtsfähigen Vereine, soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (ausgenommen Land- und Forstwirtschaft) unterhalten. (4) Vorübergehende Unterbrechungen im Betrieb eines Gewerbes, die durch die Art des Betriebs veranlasst sind, heben die Steuerpflicht für die Zeit bis zur Wiederaufnahme des Betriebs nicht auf. (5) 1Geht ein Gewerbebetrieb im Ganzen auf einen anderen Unternehmer über, so gilt der Gewerbebetrieb als durch den bisherigen Unternehmer eingestellt. 2Der Gewerbebetrieb gilt als durch den anderen Unternehmer neu gegründet, wenn er nicht mit einem bereits bestehenden Gewerbebetrieb vereinigt wird. (6) Inländische Betriebsstätten von Unternehmen, deren Geschäftsleitung sich in einem ausländischen Staat befindet, mit dem kein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht, unterliegen nicht der Gewerbesteuer, wenn und soweit 1. die Einkünfte aus diesen Betriebsstätten im Rahmen der beschränkten Einkommensteuerpflicht steuerfrei sind und 2. der ausländische Staat Unternehmen, deren Geschäftsleitung sich im Inland befindet, eine entsprechende Befreiung von den der Gewerbesteuer ähnlichen oder ihr entsprechenden Steuern gewährt, oder in dem ausländischen Staat keine der Gewerbesteuer ähnlichen oder ihr entsprechenden Steuern bestehen. (7) Zum Inland im Sinne dieses Gesetzes gehört auch der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Anteil 1. an der ausschließlichen Wirtschaftszone, soweit dort a) die lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen der Gewässer über dem Meeresboden, des Meeresbodens und seines Untergrunds erforscht, ausgebeutet, erhalten oder bewirtschaftet werden, b) andere Tätigkeiten zur wirtschaftlichen Erforschung oder Ausbeutung der ausschließlichen Wirtschaftszone ausgeübt werden, wie beispielsweise die Energieerzeugung aus Wasser, Strömung und Wind oder c) künstliche Inseln errichtet oder genutzt werden und Anlagen und Bauwerke für die in den Buchstaben a und b genannten Zwecke errichtet oder genutzt werden, und 2. am Festlandsockel, soweit dort a) dessen natürliche Ressourcen erforscht oder ausgebeutet werden; natürliche Ressourcen in diesem Sinne sind die mineralischen und sonstigen nicht lebenden Ressourcen des Meeresbodens und seines Untergrunds sowie die zu den sesshaften Arten gehörenden Lebewesen, die im nutzbaren Stadium entweder unbeweglich auf oder unter dem Meeresboden verbleiben oder sich nur in ständigem

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GewStG § 2 | Steuergegenstand körperlichen Kontakt mit dem Meeresboden oder seinem Untergrund fortbewegen können; oder b) künstliche Inseln errichtet oder genutzt werden und Anlagen und Bauwerke für die in Buchstabe a genannten Zwecke errichtet oder genutzt werden, und 3. der nicht zur Bundesrepublik Deutschland gehörende Teil eines grenzüberschreitenden Gewerbegebiets, das nach den Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung als solches bestimmt ist. (8) Für die Anwendung dieses Gesetzes sind eine optierende Gesellschaft im Sinne des § 1a des Körperschaftsteuergesetzes als Kapitalgesellschaft und ihre Gesellschafter wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zu behandeln. § 1 GewStDV Stehender Gewerbebetrieb Stehender Gewerbebetrieb ist jeder Gewerbebetrieb, der kein Reisegewerbebetrieb im Sinne des § 35a Abs. 2 des Gesetzes ist. § 2 GewStDV Betriebe der öffentlichen Hand (1) Unternehmen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind gewerbesteuerpflichtig, wenn sie als stehende Gewerbebetriebe anzusehen sind; für den Umfang des Unternehmens ist § 4 Abs. 6 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes entsprechend anzuwenden. Das gilt auch für Unternehmen, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen. (2) Unternehmen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe), gehören unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 1 Satz 2 nicht zu den Gewerbebetrieben. Für die Annahme eines Hoheitsbetriebs reichen Zwangs- oder Monopolrechte nicht aus. § 4 GewStDV Aufgabe, Auflösung und Insolvenz (1) Ein Gewerbebetrieb, der aufgegeben oder aufgelöst wird, bleibt Steuergegenstand bis zur Beendigung der Aufgabe oder Abwicklung. (2) Die Gewerbesteuerpflicht wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers nicht berührt. § 5 GewStDV Betriebsstätten auf Schiffen Ein Gewerbebetrieb wird gewerbesteuerlich insoweit nicht im Inland betrieben, als für ihn eine Betriebsstätte auf einem Kauffahrteischiff unterhalten wird, das im sogenannten regelmäßigen Liniendienst ausschließlich zwischen ausländischen Häfen verkehrt, auch wenn es in einem inländischen Schiffsregister eingetragen ist. § 6 GewStDV Binnen- und Küstenschifffahrtsbetriebe Bei Binnen- und Küstenschifffahrtsbetrieben, die feste örtliche Anlagen oder Einrichtungen zur Ausübung des Gewerbes nicht unterhalten, gilt eine Betriebsstätte in dem Ort als vorhanden, der als Heimathafen (Heimatort) im Schiffsregister eingetragen ist. § 8 GewStDV Zusammenfassung mehrerer wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe Werden von einer sonstigen juristischen Person des privaten Rechts oder einem nichtrechtsfähigen Verein (§ 2 Abs. 3 des Gesetzes) mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhalten, so gelten sie als ein einheitlicher Gewerbebetrieb. A. I. 1. 2. 3. II. III. IV. V.

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Allgemeines RegeIungszweck Besteuerungsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . Art der Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . Besteuerungssystematik . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . Regelungszusammenhang . . . . . . . . . Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . . Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift

1 10 15 20 30 45 60

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Grundnorm zum Steuergegenstand (Abs. 1 Satz 1) 1. Gewerbebetrieb a) Begriff des Betriebs aa) Verweisung auf das Einkommensteuergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Begriffsvielfalt . . . . . . . . . . . . . .

70 76

Steuergegenstand | § 2 GewStG b) c) 2. a) b) 3. a) b) c) d) e) f) aa) (1) (2) bb) II. 1. 2. a) b) c) d) e) f) g) h) 3. a) aa) bb) cc) b) c) d) III. 1. a) b) 2. a) b) c) d) e) aa)

Stehender Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . Rechtformen der Gewerbebetriebe . . . . Betrieb im Inland und Inlandsbezug Inlandsbegriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inlandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einheit und Mehrheit von Gewerbebetrieben Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . Personengesellschaften. . . . . . . . . . . . . Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . Andere Körperschaftsteuersubjekte . . . Unternehmen der öffentlichen Hand Betriebe gewerblicher Art (§ 4 KStG, § 2 GewStDV) Selbständigkeit des Gewerbebetriebs . . Zusammenfassung von BgA/Gewerbebetrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . Gewerbebetrieb (Einzel- und Personenunternehmen) i.S.d. EStG (Abs. 1 Satz 2) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerbebetrieb einer natürlichen Person (Einzelunternehmen) i.S.d. EStG (Abs. 1 Satz 2) – Tatbestandsmerkmale Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewinnerzielungsabsicht . . . . . . . . . . . Abgrenzung zur Land- und Forstwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung gegenüber der freien Berufstätigkeit und selbständigen Arbeit . Abgrenzung zur privaten Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerbebetrieb einer Personengesellschaft (Abs. 1 Satz 2) Allgemeines Verweis auf § 15 EStG insgesamt . . . . Mitunternehmerschaften . . . . . . . . . . . Mitunternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerbliche Tätigkeit (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG) . . . . . . . . . . Teilweise gewerbliche Tätigkeit (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) . . . . . . . . . . . Gewerblich geprägte Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) . . . . . . Betriebsaufspaltung Allgemeines Inländische Betriebsaufspaltung. . . . . . Betriebsaufspaltung über die Grenze . . Voraussetzungen Besitz- und Betriebsunternehmen . . . . Sachliche Verflechtung . . . . . . . . . . . . Personelle Verflechtung . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderformen der Betriebsaufspaltung Mitunternehmerische Betriebsaufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83 88 100 110 120 128 145 160 163

166 174 180

190

200 203 206 210 214 220 240 255

266 275 278 285 290 310 320 330 335 340 345 350 356

bb) Kapitalistische Betriebsaufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Inlandsbezug: Betriebsstätte, Schifffahrtsunternehmen (Abs. 1 Satz 3) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriff der Betriebsstätte a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriffsmerkmale (§ 12 Satz 1 AO) aa) Feste Geschäftseinrichtung oder Anlage des Unternehmens . . . . . bb) Einrichtungen, die der Tätigkeit des Unternehmens dienen . . . . . c) Katalogbetriebsstätten (§ 12 Satz 2 AO) . . . . . . . . . . . . e) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Betriebsstätte im Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonderregelung für Schifffahrtsunternehmen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG, §§ 5, 6 GewStDV) . . . . V. Kapitalgesellschaften und vergleichbare Gesellschaften (Abs. 2 Satz 1) 1. Voraussetzungen a) Inländische Gesellschaften . . . . . b) Ausländische Gesellschaften . . . c) Vorgründungs- und Vorgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . VI. Organschaft (Abs. 2 Satz 2) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Organschaft a) Organgesellschaft . . . . . . . . . . . . b) Organträger . . . . . . . . . . . . . . . . c) Finanzielle Eingliederung. . . . . . d) Zuordnung der Beteiligung zu einer inländischen Betriebsstätte des Organträgers . . . . . . . . . . . . e) Bestehen und Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags . 3. Rechtsfolgen der Organschaft a) Bedeutung der Betriebsstättenfiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Getrennte Ermittlung des Gewerbeertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einzelne zurechnungsbedingte Korrekturen . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gewerbesteuerrechtliche Fehlbeträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zerlegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Gewerbesteuerpflicht . . . . . . . . . g) Festsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . h) Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Beginn und Ende der Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Gewerbebetrieb kraft wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (Abs. 3) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen

359

370 385

394 405 415 430 450 455

470 476 481 485 500 511 520 531 535 537 541 545 560 580 586 591 595 598 601

610

49

GewStG § 2 Rz. 1 | Steuergegenstand a) aa) bb) b) aa) bb) c) 3. VIII. 1. a) b) c) d) e) f) 2. a) b) c) IX. 1. 2. 3. X. 1. 2. a) b) c) d) 3. XI. 1. 2. a) b) aa) bb) cc)

Rechtssubjekte Abgrenzung innerhalb des § 2 GewStG Betroffene Rechtsformen . . . . . . . . . . . Rechtsobjekt: Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (fingierter Gewerbebetrieb) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerbebetriebe der öffentlichen Hand (§ 2 GewStDV) Sachliche Steuerpflicht Grundlagen der Selbstbesteuerung . . . . Voraussetzungen der sachlichen Gewerbesteuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . Umfang des staatlichen Gewerbebetriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuersubjekt und Steuerschuldner . . . Steuerbefreiungen . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Ermittlung des Gewinns und des Gewerbeertrags Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Körperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beginn und Ende der Gewerbesteuerpflicht Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beginn der Steuerpflicht . . . . . . . . . . . Ende der Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . Betriebsunterbrechung (Abs. 4) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tatbestandsmerkmale Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorübergehende Unterbrechung . . . . . Unterbrechung nach Art des Betriebs . Sonstige Unterbrechung. . . . . . . . . . . . Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebsübergang (Abs. 5) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebsübergang auf einen anderen Unternehmer Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebsübergang auf einen Einzelunternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebsübergang unter Beteiligung einer Kapitalgesellschaft. . . . . . . . . . . .

620 626

635 640 653 660

670 690 720 730 731 740 744 746 753 771 776 787 810 820 822 830 832 834 840 856 870 874

dd) Betriebsübergang unter Beteiligung einer Personengesellschaft 882 3. Rechtsfolgen a) Betriebseinstellung . . . . . . . . . . . 890 b) Betriebsneugründung. . . . . . . . . 894 XII. Steuerfreie Inbound-Fälle ohne DBA (Abs. 6) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 900 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . 904 XIII. Erweiterter Inlandsbegriff (Abs. 7) 1. Allgemeines a) Inlandsbegriff. . . . . . . . . . . . . . . 920 b) Inlandsbezug und Steuerbarkeit . 930 2. Ausschließliche Wirtschaftszone 935 3. Festlandsockel . . . . . . . . . . . . . . 940 4. Grenzüberschreitende Gewerbegebiete a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 950 b) Deutsch-niederländische Gewerbegebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . 955 XIV. Optierende Gesellschaften (Abs. 8) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 970 2. Voraussetzungen und Rechtsfolgen nach § 1a KStG a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . 980 b) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . 988 3. Rechtsfolgen für die Gewerbesteuer a) Fiktive Kapitalgesellschaft?. . . . . 995 b) Steuerpflicht. . . . . . . . . . . . . . . . 998 c) Bemessungsgrundlage . . . . . . . . 1003 d) Gewerbeverluste. . . . . . . . . . . . . 1011 e) Freibetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 1015 f) Umwandlungen während der Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1018 g) Übergangsrechtliche, gewerbesteuerrechtliche Rechtsfolgen der (Rück-)Option aa) Wechsel von der Personenhandelsgesellschaft zur Kapitalgesellschaft (Option) . . . . . . . . . . . . . 1021 bb) Wechsel von der Kapitalgesellschaft zur Personenhandelsgesellschaft (Rückoption) . . . . . . . . . . 1026 cc) Beendigung der Option kraft Gesetzes ohne Rückoption . . . . . 1030

876

A. Allgemeines I. RegeIungszweck 1. Besteuerungsobjekt 1

Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 23 Abs. 1 Satz 1 GewStG). § 2 GewStG ist neben der programmatischen Regelung des § 1 GewStG die zentrale Eingangsvorschrift des Gewerbesteuergesetzes. Sie bestimmt im 50

Steuergegenstand | Rz. 14 § 2 GewStG

Rahmen des Steuertatbestandes (§ 38 AO) den Steuergegenstand (Steuerobjekt) und legt damit die sachliche Steuerpflicht fest. Das Steuerobjekt des § 2 GewStG bestimmt der Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG – als Kernregelung des § 2 GewStG – mit dem im Inland betriebenen stehenden Gewerbebetrieb als das besteuerungswürdige Steuergut. Damit zielt die Gewerbesteuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Gewerbebetriebs.1 Es wird also grds. nur die Ertragskraft des werbenden Gewerbebetriebs2 d.h. der laufende Gewinn besteuert. Art und Umfang des tatbestandlich zusammengesetzten Steuerobjekts bestimmen sodann § 2 Abs. 1 Sätze 2, 3 bis Abs. 7 GewStG. Dies betrifft insb. die Rechts- und Organisationsformen des Gewerbebetriebs. Ergänzende Regelungen enthalten § 1 bis 8 GewStDV.

2

Einen ergänzenden Steuergegenstand regelt § 35a GewStG für Reisegewerbebetriebe als zweite Form des Gewerbebetriebs neben dem stehenden Gewerbebetrieb. Beide Formen schließen sich gegenseitig aus und unterliegen unterschiedlichen Regelungen.

3

Die persönliche Steuerpflicht, d.h. das Steuersubjekt bzw. den Steuerschuldner des stehenden Gewerbebetriebs regelt das Gesetz erst in § 5 GewStG. Steuerschuldner der Gewerbesteuer sind der (Einzel-)Unternehmer, die gewerbliche Personengesellschaft und die Kapitalgesellschaft. Dem Steuersubjekt als Rechtssubjekt des Steuergesetzes werden das Steuerobjekt und die damit verbundene Steuerschuld zugerechnet.

4

Nicht zuletzt ist die Gewerbesteuer eine Inlandssteuer. Das sog. Territorialitätsprinzip3 liegt besonders § 2 Abs. 1 GewStG sowie bestimmten Regelungen der §§ 7, 8, 9 GewStG zugrunde. Allerdings kennt das GewStG auch Einschränkungen und Ausnahmen.4 § 2 Abs. 6 und 7 GewStG modifizieren die Inlandssteuer. Den eigentlichen Inlandsbezug stellt eine inländische Betriebsstätte her (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG).

5

frei

6–9

2. Art der Steuerpflicht § 2 GewStG kennt anders als die Einkommen- und Körperschaftsteuer (§§ 1, 49 EStG, §§ 1, 2 KStG) nicht die Unterscheidung zwischen einer unbeschränkten und beschränkten (objektsteuerartig ausgestalteten) Steuerpflicht.5 Hieran ändert die Formulierung „soweit“ in § 2 Abs. 1 GewStG nichts, da sie keine zweite Besteuerungsart begründet. Eine Sonderregelung enthält lediglich § 2 Abs. 6 GewStG, der auf § 49 EStG verweist.

10

Allerdings hat der Gesetzgeber hier erneut seine normleitenden „Prinzipien“ nicht lupenrein i.S.d. (engen6) Territorialitätsprinzips, das nur inländische Vorgänge besteuert, ausgestaltet. Da auch bestimmte ausländische Vorgänge besteuert werden7, ist die Ausgestaltung der Inlandssteuer eher „hybrid“.

11

frei

12–14

1 Schon RFH v.10.1.1940 – VI 704/39, RStBl. 1940, 134; Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 2 GewStG Rz. 6. 2 BFH v. 15.6.2004 – VIII R 7/01, BStBl. II 2004, 754; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 3. 3 Zuletzt BFH v. 6.11.2019 – I R 32/18, BStBl. II 2021, 68; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 12.18. Ausf. zur Begründung und Abgrenzung zum völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip Schumacher, Die Gewerbesteuer im internationalen Steuerrecht, 2020, S. 76 ff.; Hidien/Pohl/Schnitter, Gewerbesteuer16, S. 65 ff. 4 Anders Güroff in Glaneger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 13: „striktes“ Territorialitätsprinzip, wie hier Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 35. 5 BFH v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77; Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 34. 6 Schumacher, Die Gewerbesetzer im internationalen Steuerrecht, 2020, S. 78; das weite, völkerrechtliche Territorialitätsprinzip setzt einen sog. genuine link voraus, dies ist hier die inländische Betriebsstätte (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). 7 Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 35 „übergriffig“.

51

GewStG § 2 Rz. 15 | Steuergegenstand 3. Besteuerungssystematik 15

Aus § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG und der weiteren Ausgestaltung des Steuertatbestandes, insb. der Bemessungsgrundlagen leitet die herrschende Auffassung8 ab, dass die Gewerbesteuer steuersystematisch eine Objektsteuer ist. Die Steuer sei – im Gegensatz zur Einkommenund Körperschaftsteuer als Personensteuern – grds. eine Objektsteuer9 bzw. Realsteuer, die den Gewerbebetrieb an sich ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse der Beteiligten und ihr persönliche Beziehung zum Steuergegenstand erfasst. Verfassungsrechtliche Bedeutung erlangt die Unterscheidung etwa im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG bei der Frage, ob und inwieweit die Gewerbesteuer am Maßstab des objektiven und subjektiven Leistungsfähigkeitsprinzips zu messen ist.

16

Den Begriff Realsteuer10 verwendet Art. 106 Abs. 6 GG (anders als § 1 Abs. 2 AO), nicht mehr. Das sog. Objektsteuerprinzip (besser: Objektsteuercharakter der Steuer) hat allerdings eher steuersystematischen Wert. Aus ihm dürfen jenseits der Auslegungslehren und der gesetzlichen Positivierung keine rechtlichen Erkenntnisse abgeleitet werden. Andernfalls drohen Zirkelschlüsse. Zudem bestehen subjektive, d.h. persönliche Durchbrechungen des vermeintlichen Prinzips.

17

Die andere in Deutschland noch bestehende Objektsteuer ist die Grundsteuer. Zur Rechtfertigung der Gewerbesteuer dient das heute noch im Gebühren- und Beitragsrecht bedeutsame Äquivalenzprinzip (Steuer als Ausgleich für die Inanspruchnahme der Infrastruktur der Gemeinde und als Ausgleich auch für die durch den Betrieb ausgelösten kommunalen Belastungen.

18

Weitere steuersystematische Merkmale kennzeichnen die Gewerbesteuer. Für die Auslegung des Gesetzes haben diese Merkmale nur insoweit eine rechtsdogmatische Bedeutung, wie sie im positiven Recht niederlegt sind oder zur Auslegung des Gesetzes beitragen können. Nach ihrem Belastungsgrund und ihrer Bemessung ist die Steuer heute eine objektivierte Ertragsteuer11 und eine Sondersteuer der Gewerbebetriebe. Ertragsrechtlich ist die Gewerbesteuer eine Gemeindesteuer.12 Die Ertragsberechtigung ist verfassungsrechtlich in Art. 106 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG abgesichert. Hiermit ist keine institutionelle Garantie verbunden. Ohne ein entsprechendes Gewerbesteuergesetz laufen die erwähnten Regelungen leer. Betriebswirtschaftlich und ertragsteuerrechtlich ist die Gewerbesteuer eine Kostensteuer.

19

frei

II. Rechtsentwicklung 20

§ 2 GewStG geht auf § 2 GewStG 193613 zurück. Dem GewStG 1936 vorangehende Vorschriften in den deutschen Einzelstaaten (z.B. Bayern, Preußen) waren je nach Land und geschichtlicher Entwicklung als Objektsteuer, als Gewerbeerlaubnissteuer oder als Ertragsteuer konzipiert. Nie unterlag dabei die Land- und Forstwirtschaft der Gewerbesteuer. Gleiches galt für Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit. Immer bestand Steuerpflicht für Gewerbebetriebe, in vielen Ländern zwischen 1919/1920 und 1936 auch zeitweise für sog. freie Berufe.

21

Die Weimarer Reichssteuerreform 1920 hatte die Einkommen- und Vermögensteuern, die bisher Landessteuern waren, zentralisiert und dem Reich zugewiesen. Die Länder waren hieran lediglich durch Finanzzuweisungen beteiligt. Das Landesteuergesetz 1920 (und Statt vieler Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 1 GewStG Rz. 1. Etwa BVerfG v. 13.5.1969 – 1 BvR 25/65, BStBl. II 1969, 424. Begründung zum GewStG 1936, RStBl. 1937, 693. BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (44); v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. II 2016, 557. 12 Schon Begründung zum GewStG 1936, RStBl. 1937, 693. 13 RGBl. I 1936, 979. 8 9 10 11

52

Steuergegenstand | Rz. 26 § 2 GewStG

spätere Finanzausgleichsgesetz des Reiches) hatte im Gegenzug die Ertragsteuern vom Grund und Boden und vom Gewerbe ausdrücklich den Ländern zugewiesen. Den Ländern war es auch überlassen, Gewerbesteuern einzuführen bzw. weiterzuführen und ggf. auch die Kommunen hieran zu beteiligen. Allerdings durften diese Gewerbesteuern nicht mit den reichsrechtlichen Einkommensteuern gleichartig sein. frei

22

Ab dem GewStG 1936 (§ 1) wurde die Gewebesteuer zur (reinen) Gemeindesteuer. Bis 1936 variierte auch die Ertragsberechtigung je nach den landesrechtlichen Gewerbesteuern und Vorgaben. In Preußen war die Gewerbsteuer eine reine Gemeindesteuer. In Baden, Bayern und Württemberg war sie eine Landessteuer, zu der die Gemeinden und Gemeindeverbände Zuschläge erhoben. In den Hansestädten war sie reine Landessteuer.14

23

§ 2 GewStG 1936 lautete: Steuergegenstand „(1) Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinn des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrieb, soweit für ihn im Inland oder auf einem inländischen Schiffsregister eingetragenen Kauffahrteischiff eine Betriebstätte unterhalten wird. (2) Als Gewerbebetrieb gilt stets und in vollem Umfang die Tätigkeit

1. der offenen Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und anderer Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebs anzusehen sind; 2. der Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften aus Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kolonialgesellschaften, bergrechtlichen Gewerkschaften), der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit. Ist ein solches Unternehmen dem Willen des anderen inländischen Unternehmens derart untergeordnet, dass es keinen eigenen Willen hat, so gilt es als Betriebstätte dieses Unternehmens. (3) Als Gewerbebetrieb gilt auch die Tätigkeit der sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts und der nichtrechtsfähigen Vereine, soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (ausgenommen Land- und Forstwirtschaft) unterhalten.“

Steuergegenstand war im GewStG 1936 der stehende Gewerbebetrieb. Damit sollte klargestellt werden, dass Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und die Ausübung eines freien Berufs nicht der Gewerbesteuer unterliegen. Die bisherige in einzelnen Ländern bestehende Besteuerung der freien Berufe unter den landesrechtlichen Gewerbesteuergesetzen bezeichnet die amtliche Begründung15 des Gesetzes als „eine der anfechtbarsten finanzpolitischen Entscheidungen der Systemzeit. Die Grundsätze des Nationalsozialismus erfordern eine Herausnahme der freien Berufe aus der Gewerbesteuer.“ Eine mögliche Berufssteuer für diese Berufe wurde aus praktischen Gründen und wegen der „besonderen Belange“ dieser Berufe verworfen. Diese historische „Begründung“ ist heute irrelevant.16

24

Die damalige Regelung des § 2 GewStG 1936 entsprach im Wesentlichen bereits der heutigen Regelung. Zusätzliche Regelungen, z.B. zur Organschaft (Abs. 2 Satz 2) und zur vorübergehenden Unterbrechung bzw. zum Übergang im Ganzen (Abs. 4 und 5) oder zum Inlandsbezug (Abs. 6, 7) wurden später in § 2 GewStG eingefügt. Zuletzt wurde Abs. 8 (Option nach § 1a KStG) eingefügt.

25

Bis heute wurde § 2 GewStG mehr als zweidutzend Mal geändert und ergänzt, oftmals als Folgeänderung zum Ertragsteuerrecht.17 Die Kernstruktur wurde aber beibehalten. Die aktuelle Fassung des § 2 GewStG beruht auf dem Gesetz18 v. 25.6.2021; § 2 Abs. 8 GewStG gilt mit Wirkung ab EZ 2022. Die korrespondierende Rechtsverordnung in §§ 1–8

26

14 15 16 17 18

Begründung zum GewStG 1936, RStBl. 1937, 693. Begründung zum GewStG 1936, RStBl. 1937, 694. Ebenso FG Nds. v. 21.4.2004 – 4 K 317/91, EFG 2004, 1065. Nachweise bei Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 1 GewStG Rz. 7. BGBl. I 2015, 2050.

53

GewStG § 2 Rz. 27 | Steuergegenstand GewStDV beruht maßgeblich auf den gesetzlichen Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2009.19 Die aktuelle Fassung beruht GewStDV selbst beruht auf dem Gesetz v. 12.5.2021.20 27

Gleichwohl ist § 2 GewStG keine in sich abschließende und vollständige Regelung des Steuergegenstandes und der sachlichen Gewerbesteuerpflicht. Dies liegt zunächst an den vielzähligen expliziten und impliziten Verweisen namentlich auf das jeweilige Einkommensteuergesetz und Körperschaftsteuergesetz und der z.T. abweichenden und einschränkenden Auslegung der Verweisregelungen für Zwecke der Gewerbesteuer. Hinzu kommt erschwerend, dass zentrale Fragen der Gewerbesteuerpflicht hier nicht oder nur rudimentär geregelt sind, z.B. die Dauer der Gewerbesteuerpflicht oder der Umfang der Gewerbesteuerpflicht bzw. die Einheitlichkeit des Gewerbebetriebs, so dass die Rechtsprechung entsprechende Regeln kreieren musste. Die Rechtsprechung selbst stützt sich ihrerseits bei der Auslegung der Vorschrift und des gesamten Gewerbesteuergesetzes oftmals auf die vorkonstitutionelle Judikatur des RFH, der sich seinerseits auf das Preußischen Oberverwaltungsgericht beruft, um Traditionsbefunde zu erheben und die aktuelle Auslegung“, die sich aus dem bestehenden Gesetz nicht ohne weiteres ableiten lässt, historisch zu „begründen“ .

28–29

frei

III. Regelungszusammenhang 30

Innerhalb des § 2 GewStG gilt ein intensiver Verweisungszusammenhang: Bei der Begriffsbestimmung des Gewerbebetriebs knüpft § 2 Abs. 1 GewStG an § 15 EStG an.21 Zur Organschaft verweist § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG auf die §§ 14 und 17 KStG. § 2 Abs. 3 GewStG verweist auf § 14 AO. Maßgebend für die Auslegung des Begriffs der Betriebsstätte ist § 12 AO.22 Grundlage der Auslegung des (weiten) Begriffs des Inlands sind die staatsund völkerrechtlichen Vorgaben und seine Ausgestaltung in § 2 GewStG.

31

Die Fiktion des § 2a GewStG schränkt die sachliche Gewerbesteuerpflicht von sog. Arbeitsgemeinschaften aus praktischen Erwägungen ein. Die Bedeutung der Vorschrift ist eher gering.

32

Abzugrenzen ist § 2 GewStG als Regelung zur sachlichen Steuerpflicht von der Bestimmung des Steuerschuldners nach § 5 GewStG. Diese Regelung bestimmt, welcher Person die Folgen der sachlichen Steuerpflicht (die Zahlungspflicht) zuzurechnen sind.23

33

§ 7 Satz 1 GewStG setzt die sachliche Steuerpflicht nach § 2 GewStG voraus und verweist für die Ermittlung des Gewerbeertrags auf das EStG und das KStG. Je nach der Rechtsform des Gewerbebetriebs nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG (Gewerbebetrieb kraft Betätigung), nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG (Gewerbebetrieb kraft Rechtsform) oder nach § 2 Abs. 3 GewStG (Gewerbebetrieb kraft wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb) ergeben sich hieraus rechtsformabhängige Unterschiede in der Gewinnermittlung,24 etwa bei Einkünften in Zusammenhang mit Beginn25 und Ende26 der Betriebsarten.

34

§ 7 Satz 2 GewStG regelt seinem eindeutigen Wortlaut nach nur die Voraussetzungen, unter denen Veräußerungs- und Aufgabegewinne bei Mitunternehmerschaften in den Gewerbeertrag einzubeziehen sind. Eine darüber hinausgehende Regelung enthält die Vorschrift nicht, weder für vorweggenommene Betriebsausgaben (oder Gewinne) noch für den

19 20 21 22 23 24 25 26

54

JStG v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. Art. 7 Abs. 8 des Gesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 990. R. 2.1 Abs. 1 GewStR 2009. Zuletzt BFH v. 18.9.2019 – III R 3/19. BFH v. 17.2.1989 – III R 36/85, BStBl. II 1989, 664. Vgl. Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 1 GewStG Rz. 11. BFH v. 5.3.1998 – IV R 23/97, BStBl. II 1998, 745. BFH v. 5.9.2001 – I R 27/01, BStBl. II 2012, 155.

Steuergegenstand | Rz. 45 § 2 GewStG

Beginn (oder das Ende) der sachlichen Gewerbesteuerpflicht nach § 2 GewStG. Diese wird vielmehr für die Ermittlung des Gewerbeertrages vorausgesetzt.27 § 7 Sätze 1 bis 9 GewStG setzen in ihrer Anwendung systematisch voraus, dass die Voraussetzungen für ein Besteuerungsobjekt (§ 2 GewStG) und ein Besteuerungssubjekt (§ 5 GewStG) erfüllt sind. Dies gilt auch für § 7 Sätze 7 bis 9 GewStG. Insbesondere muss eine inländische Betriebstätte tatsächlich, und nicht nur fiktiv bestanden haben.28

35

Zu den Besonderheiten der Gewerbesteuer gehören die Hinzurechnungs- und Kürzungsbestimmungen (§§ 8, 9 GewStG). Hierbei handelt es sich nicht mehr um die Bestimmung des Umfangs des Steuergegenstandes i.S.d. § 2 GewStG. Vielmehr betreffen die Regelungen Modifikationen der Bemessungsgrundlage und weitere Differenzierungen innerhalb des Steuergegenstandes.29 Diese Einordnung hat gleichheitsrechtliche Bedeutung, denn sie lässt eine engere Bindung des Gesetzgebers an sachliche Erwägungen, insb. solche der Folgerichtigkeit und Belastungsgleichheit vorstellbar erscheinen. Sie entscheidet also über die Reichweite des gesetzgeberischen Ermessensspielraums.

36

§ 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG bestätigt und konkretisiert den systemimmanenten Inlandsbezug der Gewerbesteuer nach § 2 Abs. 1 GewStG. Die Rechtsprechung30 geht davon aus, dass § 9 Nr. 3 GewStG insoweit deklaratorische Bedeutung hat, als Gewerbeerträge, die auf eine ausländische Betriebsstätte entfallen, bereits nach § 2 Abs. 1 GewStG aus dem Gewerbeertrag auszuscheiden sind.

37

§ 10a GewStG setzt für den Verlustabzug nach herrschender Auffassung Unternehmensund Unternehmeridentität als ungeschriebene Tatbestandmerkmale voraus. Das Merkmal der Unternehmensidentität folgt nach Auffassung der Rechtsprechung31 aus dem „Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer“. Das zusätzliche personale Merkmal der Unternehmeridentität stützt die Rechtsprechung32 auf Wortlaut und Sinn des Gesetzes, namentlich auf § 10a Satz 8 i.V.m. § 2 Abs. 5 GewStG.

38

§ 35a GewStG ist lex specialis zu § 2 GewStG. Eine verfahrensrechtliche Bindung zwischen ESt-Bescheid und GewSt-Bescheid besteht nicht (vgl. § 35b GewStG). § 35 EStG soll die Doppelbelastung von Gewerbesteuer und Einkommensteuer bei natürlichen Personen und Personengesellschaften abmildern. Investmentfonds gelten nach § 15 Abs. 1 InvStG als sonstige juristische Personen des privaten Rechts nach § 2 Abs. 3 GewStG.

39

Ungeachtet des Territorialitätsprinzips sind die deutschen DBA zumeist auch auf die Gewerbesteuer anwendbar. Sowohl für den DBA-Fall einer Anrechnung der ausländischen Quellensteuer als auch für den Nicht-DBA-Fall fehlt bislang im deutschen GewStG eine innerstaatliche Rechtsgrundlage für die die Anrechnung der ausländischen Steuer auf die Gewerbesteuer (anders § 34 c EStG, § 24 KStG).33

40

frei

41–44

IV. Aufbau der Vorschrift § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG enthält das Normprogramm, den gegenständlichen Steuertatbestand und die sachliche Steuerpflicht: Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Abgesehen von zwei Sonderregelungen für Reisegewerbebetriebe (§ 35a GewStG) und für Arbeitsgemeinschaften (§ 2a GewStG) ist diese Grundregelung abschließend. Die weiteren Regelungen des § 2 GewStG konkretisie27 BFH v. 30.8.2012 – IV R 54/10, BStBl. II 2021, 927. 28 Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 1 GewStG Rz. 11; Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 91a. 29 BVerfG v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. II 2016, 557. 30 BFH v. 6.7.2005 – VIII R 72/02, BStBl. II 2010, 828. 31 BFH v. 16.4.2002 – VIII R 16/01, BFH/NV 2003, 81. 32 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616 zu § 10a GewStG a.F. 33 Näher Micker, ISR 2021, 429.

55

45

GewStG § 2 Rz. 46 | Steuergegenstand ren die notwendigen Tatbestandsmerkmale des Steuergegenstandes wie folgt: Das Gesetz bedient sich der Verweisungstechnik, da der Merkmale des Steuergegenstandes teilweise bereits in anderen Steuergesetzen geregelt sind. Jede Auslegung und Anwendung des § 2 GewStG findet daher bei § 2 Abs. 1 Satz 1 GewSt ihren Ausgang und ihr Ende. Ggf. sind ergänzend §§ 1–8 GewStDV zu beachten. 46

§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG definiert den Grundbegriff des Gewerbebetriebs als gewerbliches Unternehmen und verweist auf die Voraussetzungen der (entsprechenden) Regelungen des EStG. Danach besteht bei Einzel- und Personenunternehmen eine (nicht fingierte) sachliche Gewerbesteuerpflicht kraft ihrer „Betätigung“ (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG).

47

§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG präzisiert den „strukturellen Inlandsbezug“34 der (Inlands-) Steuer; die territoriale Begrenzung der Steuerpflicht knüpft an eine inländische Betriebsstätte des Gewerbebetriebs an. Ein ausdrücklicher Verweis auf § 12 AO fehlt.

48

§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG enthält eine (nur) gegenüber Abs. 1 Satz 2 GewStG vorrangige Sonderregelung (lex specialis) für den Grundbegriff des Gewerbebetriebs. Danach besteht bei den dort genannten Körperschaften (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1–Nr. 3 KStG), insb. für Kapitalgesellschaften, eine gesetzlich fingierte sachliche Gewerbesteuerpflicht kraft ihrer Rechtsform. Die Regelung verweist insoweit auf die Voraussetzungen der (entsprechenden) Regelungen des Körperschaftsteuergesetzes.

49

§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG verweist zunächst für den gewerbesteuerrechtlichen Verbund von Unternehmen auf die Voraussetzungen der entsprechenden Regelungen des KStG, die in §§ 14, 17 KStG das Rechtsinstitut der Organschaft definieren. Für Zwecke der Gewerbesteuer wird sodann eine Kapitalgesellschaft, die Organgesellschaft ist, als Betriebsstätte des Organträgers fingiert.

50

§ 2 Abs. 3 GewStG enthält eine weitere (nur) gegenüber Abs. 1 Satz 2 vorrangige Sonderregelung (lex specialis) für den Grundbegriff des Gewerbebetriebs. Danach besteht bei den dort genannten Körperschaften (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 4–5 KStG) eine gesetzlich fingierte sachliche Gewerbesteuerpflicht kraft „Tätigkeit“, soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (vgl. § 14 AO) unterhalten. Die Regelung verweist insoweit auf die Voraussetzungen der (entsprechenden) Regelungen des KStG.

51

§ 2 Abs. 4 GewStG erweitert die sachliche Gewerbesteuerpflicht in zeitlicher Hinsicht. Vorübergehende Betriebsunterbrechungen heben die Steuerpflicht nicht auf.

52

§ 2 Abs. 5 GewStG regelt für den Fall eines Betriebsübergangs und Unternehmerwechsels das Ende bzw. den Beginn der sachlichen Steuerpflicht.

53

§ 2 Abs. 6 GewStG schränkt die sachliche Gewerbesteuerpflicht für einen Sonderfall ausnahmsweise aus praktischen Gründen ein, obwohl eine inländische Betriebsstätte unterhalten wird. Die Regelung verweist implizit auf die Voraussetzungen der (entsprechenden) Regelungen des EStG (§ 49 Abs. 4 EStG).

54

§ 2 Abs. 7 GewStG erweitert den staatsrechtlichen, deutschen Inlandbegriff aus volkswirtschaftlichen Gründen. Betroffen sind Anteile an der ausschließlichen Wirtschaftszone, am Festlandsockel und an grenzüberschreitenden Gewerbegebieten.

55

§ 2 Abs. 8 GewStG hat das Gesetz v. 25.6.202135 mit Wirkung ab EZ 2022 eingefügt. Die Regelung ist eine Folgeänderung aus der Einfügung des § 1a KStG für Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften, die auf Antrag wie Kapitalgesellschaften besteuert werden.

56

Ergänzend bestimmen §§ 1 bis 8 GewStDV einzelne Tatbestandsmerkmale des formellen Gesetzes. Rechtsgrundlage ist § 34c GewStG. Der Rechtsverordnungscharakter der GewStDV wird hierbei nicht durchgängig der formell-gesetzlichen Funktion des Regelungsgegenstandes gerecht. 34 BFH v. 17.9.2014 – I R 30/13, BFH/NV 2015, 270; v. 11.3.2015 – I R 10/14, BStBl. II 2015, 1049. 35 BGBl. I 2021, 2050.

56

Steuergegenstand | Rz. 69 § 2 GewStG

– § 1 GewStDV bestimmt den stehenden Gewerbebetrieb in Abgrenzung zum Reisegewerbebetrieb (§ 35a Abs. 2 GewStG). – § 2 GewStDV definiert die sachliche Gewerbesteuerpflicht von „Unternehmen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. – § 4 GewStDV regelt die sachliche Gewerbesteuerpflicht bei Aufgabe, Abwicklung und Insolvenz von Gewerbebetrieben kraft Rechtsform (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG).36 – § 5 und § 6 GewStDV bestimmen die sachliche Gewerbesteuerpflicht (inländische Betriebsstatte) für bestimmte Schiffe. – § 8 GewStDV konkretisiert die sachliche Gewerbesteuerpflicht für Unternehmen i.S.d. § 2 Abs. 3 GewStG, die mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe i.S.d. § 14 AO unterhalten. frei

57–59

V. Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift § 2 GewStG ist eine systemtragende Regelung des GewStG. Wäre sie mit der Verfassung unvereinbar, würde dies zur Nichtanwendung des gesamten Gesetzes führen. Derzeit ist die Regelung und das gesamte Gesetz verfassungsgemäß.

60

Nach der vorherrschenden, ständigen Rechtsprechung und Auffassung des BVerfG37 und des BFH38 verstößt § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil sich die Gewerbesteuerpflicht auf gewerbliche Einkünfte beschränkt und andere Unternehmenseinkünfte (Land- und Forstwirtschaft, selbständiger Arbeit) steuerfrei stellt. Es handele sich um eine zulässige Typisierung im Rahmen der Auswahl des Steuergegenstandes, für die der Gesetzgeber einen weitreichenden Ermessensspielraum besitzt. Zudem legimitieren Art.106 Abs. 6 GG und das sog. Äquivalenzprinzip die Steuer.

61

Auch § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG („gilt stets“, Fiktion der Gewerbesteuerpflicht kraft Rechtsform) ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG39 und des BFH40 ebenfalls verfassungs- und gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden. Im Unterschied zu Einzelunternehmern und Personengesellschaften sind Kapitalgesellschaften auch dann gewerbesteuerpflichtig, wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG nicht erfüllt sind. Jedoch kennt die Verfassung kein Gebot einer rechtsformneutralen Besteuerung. Zudem rechtfertigen die rechtsformbezogenen Unterschiede zwischen Kapitalgesellschaften einerseits sowie Einzelunternehmern und Personengesellschaften andererseits eine unterschiedliche Behandlung. Diese betreffen z.B. die Ausstattung von Kapitalgesellschaften mit einem bestimmten Mindestkapital, die Unabhängigkeit von Kapitalgesellschaften in ihrem Bestand von Art und Umfang der Mitglieder sowie die beschränkte Haftung der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft. Auf der anderen Seite ist beachtlich, dass viele Kapitalgesellschaften mittlerweile auch vermögensverwaltende, land- und forstwirtschaftliche und freiberufliche Tätigkeiten ausüben, so dass die Typisierung des Gesetzgebers hier punktuell fehlgeht. Rechtsformneutralität wird aber nur der Gesetzgeber herstellen können.

62

frei

63–69

36 Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 255. 37 Zuletzt ausf. BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1; v. 17.12.1998 – 1 BvL 19/98, juris; v. 25.10.1977 – 1 BvR 15/75, BStBl. II 1978, 125; v. 13.5.1969 – 1 BvR 25/65, BStBl. II 1969, 424. 38 BFH 14.7.2008 – VIII B 179/07, BFH/NV 2008, 1874; v. 13.5.1969 – 18.9.2003 – X R 2/00, BStBl. II 2004, 17; v. 20.3.1997 – III B 152/96, BFH/NV 1997, 802. 39 BVerfG v. 21.3.1977 – 1 BvR 1/77, HFR 1977, Nr. 264; v. 23.12.1977 – 1 BvR 715/77, HFR 1978, Nr. 78; v. 24.3.2010 – 1 BvR 2130/09, HFR 2010, 756; ebenso Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 1 GewStG Rz. 10; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 41; dagegen Keß in Lenski/Steinberg, § 2 GewStG Rz. 3010 ff.; krit. auch Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 121. 40 BFH v. 20.10.1976 – I R 148/74, BStBl. II 1977, 10; v. 8.6.1977 – I R 40/75, BStBl. II 1977, 668; v. 3.12.2003 – IV B 192/03, BStBl. II 2004, 303.

57

GewStG § 2 Rz. 70 | Steuergegenstand

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Grundnorm zum Steuergegenstand (Abs. 1 Satz 1) 1. Gewerbebetrieb a) Begriff des Betriebs aa) Verweisung auf das Einkommensteuergesetz 70

Gesetz und Rechtsprechung bezeichnen den maßgeblichen Steuergegenstand des Gewerbebetriebs im Einzelnen unterschiedlich. Zunächst handelt es sich um ein „gewerbliches Unternehmen“ im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Öfters verwendet das Gesetz auch den Begriff des Unternehmens (z.B. § 2 Abs. 6, § 10a Satz 8 GewStG, § 2 Abs. 1 GewStDV). Zudem verwendet das Gesetz auch den Begriff des Betriebs (z.B. § 2 Abs. 4, § 9 Nr. 1, 3 GewStG). Nicht bindend sind ähnliche Begriffe außerhalb des Steuerrechts, etwa im Handelsrecht (HGB) oder im Gewerberecht (GewO).41 Der steuerrechtliche Begriff des Unternehmens geht auf die preußische Rechtsprechung Ende des 19. Jahrhunderts zurück.

71

Mit dem Begriff „gewerbliches Unternehmen“ werden nicht nur die sachlichen Grundlagen des Betriebs und die mit ihnen ausgeübte Tätigkeit angesprochen, sondern auch deren Beziehung zu dem oder den Unternehmern des Betriebs.42 Demgemäß zielt die Verweisung auf das Einkommensteuergesetz in § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG nicht nur auf die Vorschrift des § 15 Abs. 2 EStG, die vornehmlich die „objektiven“ Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs umschreibt, sondern auch auf § 15 Abs. 1 und 3 EStG. In Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 1 EStG ergibt sich hieraus, dass die Tätigkeit einer Personengesellschaft, bei der die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen sind, in vollem Umfang einen Gewerbebetrieb darstellt. Die Rechtsprechung spricht von einem Unternehmen im funktionellen (tätigkeitsbezogenen) Sinn43 bzw. von einer wirtschaftlichen Einheit i.S. eines betriebswirtschaftlichen Organismus.44

72

Die Legaldefinition des Gewerbebetriebs in § 15 Abs. 2 EStG entspricht im Wesentlichen dem in § 2 Abs. 1 GewStG, § 1 GewStDV enthaltenen Begriff des Gewerbebetriebs.45 Der Verweis auf das EStG hat etwa auch Folgen für die Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens im Rahmen der Betriebsaufspaltung sowie für die Gewerblichkeit des Grundstückhandels.

73

Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Begriffe des gewerblichen Unternehmens in § 15 Abs. 1 Satz 1 EStG und des Gewerbebetriebs in § 2 Abs. 1 GewStG in zeitlicher Hinsicht, d.h. im Hinblick auf die Dauer der Gewerbe- bzw. Einkommensteuerpflicht nach vorherrschender Auffassung wichtige Unterschiede aufweisen. Dem liegt eine überkommene objektsteuerartige und einschränkende Auslegung der Verweisung nach dem „Wesen der Gewerbesteuer“46 zugrunde. Das einkommensteuerrechtlich relevante gewerbliche Unternehmen und damit das Erzielen von einkommensteuerpflichtigen Einkünften nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 EStG kann früher beginnen und später enden als der Gewerbebetrieb mit seiner Gewerbesteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 GewStG.47 Dies betrifft auch die Betriebsverpachtung.48 Insoweit ist der Verweis des § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG mit Blick auf das Steuerobjekt nach vorherrschender Meinung einschränkend zu interpretieren.

41 42 43 44 45 46 47 48

58

Ebenso Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 50. BFH v. 3.5.1979 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616. BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751. BFH v. 17.11.1984 – II R 177/81, BStBl. II 1984, 804. BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751. Vgl. etwa BFH v. 7.8.2008 – IV R 86/05, BStBl. II 2012, 145. BFH v. 19.8.1977 – IV R 107/74, BStBl. II 1978, 23. Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 21.

Steuergegenstand | Rz. 84 § 2 GewStG

Allerdings besteht die Gefahr eines Zirkelschlusses, weil das Gesetz das sog. Objektsteuerprinzip gesetzlich relativiert und unsystematisch realisiert hat.49 Ist die einschränkende Interpretation Ausfluss einer hinreichend im Gesetz bestimmten Regel oder folgt aus der einschränkenden Interpretation die Geltung dieser Regel? Wortlaut und Zweck der Verweisung in § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG (Gleichlauf der Begriffe, Strukturen und Konzepte in beiden Gesetzen) fordern jedenfalls keine einschränkende Auslegung. Die preußische Tradition der Auslegung ist kein Rechtsgrund.

74

frei

75

bb) Begriffsvielfalt Oberbegriff50 zum Gewerbebetrieb ist der Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (§ 2 Abs. 3 GewStG), für den § 14 AO eine Legaldefinition enthält. § 2 Abs. 3 GewStG fingiert in diesem Fall die Gewerblichkeit, sofern der der Betrieb nicht ohnehin die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt.

76

Den Begriff des Betriebs gewerblicher Art (§ 4 KStG) verwendet das GewStG nicht, bezieht sich hierauf aber. Unternehmen und Einrichtungen der juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind nur dann gewerbesteuerpflichtig, wenn sie als stehende Gewerbebetriebe i.S.d. § 2 Abs. 1 GewStG anzusehen sind. Hoheitsbetriebe sind ebenso wie in § 4 KStG nicht steuerpflichtig (§ 2 Abs. 2 GewStDV).

77

Eine Betriebsstätte (z.B. § 2 Abs. 1 Satz 3, § 2 Abs. 6, § 4, §§ 28 ff. GewStG) ist nach der Manteldefinition des § 12 Satz 1 AO ein bestimmter Teil des Unternehmens (Anlage, Einrichtung), der der Tätigkeit des Unternehmens dient. Dies kann auch das Unternehmen bzw. der Gewerbebetrieb an sich sein.

78

Schließlich verwendet das GewStG auch den Begriff des Teilbetriebs (§ 7 Satz 2 GewStG) als Form eines verselbständigten Unternehmensteils.

79

Diese unabgestimmte Begriffsvielfalt ist ein historisch überkommenes Konglomerat und unnötig. Im Einzelfall ist für jede Rechtsnorm der maßgebliche Inhalt des Begriffs zu prüfen. Grundsätzlich liegt auch dem Gewerbesteuergesetz, wie dem Einkommensteuergesetz, ein materieller, tätigkeitsbezogener Betriebsbegriff51 zugrunde, der einen wirtschaftlichen Tatbestand der Wirtschaftseinheit52 erfüllen muss. Dies folgt aus den Formulierungen in § 15 Abs. 2 und 3 EStG, § 14 AO, die eine bestimmte Tätigkeit (Tun, Unterlassen, Dulden) voraussetzen. Auch § 2 GewStDV verweist für die öffentliche Hand hierauf; Gleiches gilt für § 4 KStG. In den Fällen des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG (rechtsformabhängige Gewerbebetriebe) verzichtet das Gesetz auf eine Tätigkeitsprüfung i.S.d. § 15 Abs. 2 GewStG und fingiert den Gewerbebetrieb („gilt stets und in vollem Umfang“).

80

frei

81–82

b) Stehender Gewerbebetrieb § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG bezeichnet als Steuergegenstand nicht eine Person, sondern den stehenden Gewerbebetrieb. § 35a GewStG i.V.m. § 1 GewStDV erweitert die sachliche Steuerpflicht auf Reisegewerbebetriebe. Stehender Gewerbebetrieb ist nach § 1 GewStDV jeder Gewerbebetrieb, der kein Reisegewerbebetrieb ist. Das sind nach § 35a Abs. 2 GewStG Gewerbebetriebe, deren Inhaber gewerberechtlich (§ 55 GewO) für die Ausübung der Tätigkeit eine Reisegewerbekarte benötigen.

83

Die Unterscheidung in stehende Gewerbebetriebe und Reisegewerbe ist wegen unterschiedlicher Regelungen zur hebeberechtigten Gemeinde notwendig. In beiden Fällen muss ein Gewerbebetrieb vorliegen. Die praktische Bedeutung des Reisegewerbes ist eher gering.

84

49 50 51 52

Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 30. BFH v. – GrS 2/71, BStBl. II 1972, 63; v. 5.6.1985 – I S 3/85, BFH/NV 1986, 433. Ebenso Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz 2 f. Vgl. R 2.1 Abs. 1 Satz 4 GewStR 2009: „wirtschaftliche Einheit“.

59

GewStG § 2 Rz. 85 | Steuergegenstand 85

Beim Zusammentreffen von Reisegewerbe mit stehendem Gewerbe ist für die gewerbesteuerrechtliche Behandlung wesentlich, ob ein einheitlicher Gewerbebetrieb oder zwei selbständige Betriebe bestehen.53 Hierfür gelten die allgemeinen Grundsätze. Entscheidend ist danach, ob zwischen den beiden Betätigungen ein wirtschaftlicher, finanzieller und organisatorischer Zusammenhang besteht. Ist dementsprechend ein einheitlicher Betrieb gegeben, ist dieser in vollem Umfang als stehendes Gewerbe und nicht als Reisegewerbe zu behandeln (§ 35a Abs. 2 Satz 2 GewStG).

86–87

frei

c) Rechtformen der Gewerbebetriebe 88

§ 2 GewStG verweist für den Steuergegenstand des Gewerbebetriebs einerseits auf die gewerblichen Unternehmen des Einkommensteuergesetzes (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 EStG), andererseits auf die Unternehmen des Körperschaftsteuergesetzes (§ 2 Abs. 2, 3 GewStG i.V.m. § 1 KStG). Zusätzlich unterscheidet § 2 GewStG zwischen gewerblichen Unternehmen kraft ihrer materiellen Tätigkeit (rechtsformunabhängige Gewerbebetriebe) und Unternehmen, die kraft Fiktion („gilt“) nach ihrer zivilrechtlichen Rechtsform typischerweise Gewerbebetriebe sind (rechtsformabhängige Gewerbebetriebe).54

89

Zu den rechtsformunabhängigen Gewerbebetrieben gehören grds. die Gewerbebetriebe i.S.d. Einkommensteuergesetzes, zu den rechtsformabhängige Gewerbebetriebe gehören grds. die Körperschaften des Körperschaftsteuergesetzes.55Die Unterscheidungen sind überliefert und haben zunächst nur eine Ordnungsfunktion. Kein Gewerbebetrieb sind nach § 2a GewStG Arbeitsgemeinschaften.

90

In beiden Kategorien bestehen Ausnahmen, so für gewerblich geprägte Personengesellschaften nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG und für Unternehmen der öffentlichen Hand. Handelt es sich bei Letzteren nicht um Kapitalgesellschaften, die nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG kraft Rechtsform steuerpflichtig sind, sondern um (unselbständige) Betriebe der gewerblichen Art handelt, so sind diese nur dann gewerbesteuerpflichtig, wenn sie einen stehenden Gewerbebetrieb nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG unterhalten. Ausgenommen sind sog. Hoheitsbetriebe (§ 2 Abs. 2 GewStDV). Die Gewerbesteuerpflicht der Unternehmen des § 2 Abs. 3 GewStG knüpft sowohl an die Rechtsform und die Tätigkeit an.

91

Auch arbeitet § 15 Abs. 3 EStG, ähnlich wie § 2 Abs. 2 und 3 GewStG, mit typisierenden Fiktionen. Sehr weitgehend ist die Gewerbesteuerpflicht einer Kapitalgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG: Die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft gilt i.S.d. Gewerbesteuerrechts auch dann stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb, wenn die Tätigkeit nicht unter eine der sieben Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG fällt.56 Mit diesen Fiktionen typisiert der Gesetzgeber den gewerbesteuerrechtlichen Begriff des Gewerbebetriebs noch in zulässiger Weise57 und stellt z.T. auch eine gewisse tatsächliche Wettbewerbs- und Rechtsformneutralität her.

92

Dies führt aber dazu, dass auch Einkünfte und Einnahmen der Gewerbesteuer unterliegen, die nicht gewerblicher Natur sind (z.B. aus selbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 2 GewStG) oder denen sogar wesentliche Begriffsmerkmale fehlen, wie z.B. die Gewinnerzielungsabsicht oder die Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr (§ 2 Abs. 3 GewStG i.V.m. § 14 AO). Zugleich sind andere Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder aus Land- und Forstwirtschaft gewerbesteuerfrei. Einnahmen eines BgA (§ 4 KStG) sind ebenfalls gewer53 R 2.1 Abs. 3 GewStR 2009; H 2.1 Abs. 3 GewStH 2016; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 46. 54 Näher Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 7 ff. 55 Zum Rangverhältnis der Formen des Gewerbebetriebs und zu Strukturveränderungen Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 15 f., 46, 178. 56 BFH v. 22.8.1990 – I R 67/88, BStBl. II 1991, 250. 57 BFH v. 3.12.2003 – IV B 192/03, BStBl. II 2004, 303; v. 22.8.1990 – I R 67/88, BStBl. II 1991, 250; v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77.

60

Steuergegenstand | Rz. 100 § 2 GewStG

besteuerfrei und privilegiert, wenn der BgA kein Gewerbebetrieb ist. Zugleich begründen bloße wirtschaftliche Geschäftsbetriebe gem. § 2 Abs. 3 GewStG einen Gewerbebetrieb. Die Vergleiche zeigen, dass ein gleichmäßiges Wettbewerbskonzept fehlt. Ist eine Kapitalgesellschaft Organgesellschaft (§§ 14, 17 KStG), so gilt sie nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG als Betriebsstätte des Organträgers. Insoweit tritt die Rechtsform gegenüber der Wirtschaftsform zurück.

93

Übersicht: Gewerbebetriebe nach § 2 Abs. 1–3 GewStG i.V.m. EStG/KStG

94

Unternehmen des EStG (Gewerbebetrieb kraft Tätigkeit)

Unternehmen des KStG (Gewerbebetrieb kraft Rechtsform)

Einzelunternehmen § 15 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG): 1. Kapitalgesellschaften (insb. Europäische Gesellschaften, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, samt optierender Personengesellschaften) 2. Genossenschaften einschließlich der Europäischen Genossenschaften 3. Versicherungs- und Pensionsfondsvereine auf Gegenseitigkeit

Personengesellschaften: 1. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 2. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG (Abfärbung) 3. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG (Prägung) 4. § 2a GewStG

§ 1 Abs. 1 Nr. 4 (§ 2 Abs. 3 GewStG): sonstige juristische Personen des privaten Rechts

Betriebsaufspaltung § 15 Abs. 2 EStG

§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG (§ 2 Abs. 3 GewStG): nichtrechtsfähige Vereine, soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) unterhalten (ausgenommen Land- und Forstwirtschaft)

Gewerbebesteuerung der öffentlichen Hand mit Rechtsformwahlfreiheit § 2 GewStDV i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG, § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG: Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie einen Gewerbebetrieb unterhalten (Gewerbebetrieb kraft Tätigkeit) frei

Körperschaften u.a. i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 5 KStG im vollen oder teilweise Anteilsbesitz der öffentlichen Hand (Gewerbebetrieb kraft Rechtsform)

95–99

2. Betrieb im Inland und Inlandsbezug a) Inlandsbegriff Die sachliche Steuerpflicht dieser Gewerbebetriebe setzt grds. einen spezifischen Inlandsbezug voraus, den das GewStG an unterschiedlichen Stellen, teilweise deklaratorisch, bestimmt und abgrenzt (z.B. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7, § 4, § 9 Nr. 3, 7, 8 GewStG). Der Inlandsbezug ist ein systemprägendes Merkmal der Steuer.58 Das zugrunde liegende sog. Territorialitätsprinzip mit seinem sog. strukturellen Inlandsbezug59 hat der Gesetzgeber

58 Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 362, 35. 59 BFH v. 17.4.2014 – I R 30/13, BFH/NV 2015, 270; v. 11.3.2015 – I R 10/14, BStBl. II 2015, 1049.

61

100

GewStG § 2 Rz. 101 | Steuergegenstand allerdings variabel und nicht „strikt“60 ausgestaltet. Schon aus diesem Grund stellen eventuelle „Systembrüche“ nicht schon automatisch einen Verfassungsverstoß dar. 101

Das GewStG unterscheidet, mit Ausnahme von § 2 Abs. 6 GewStG und im Unterschied zu § 49 EStG, § 2 KStG, nicht zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht.61 Anknüpfungspunkt der GewStG ist allein eine inländische Betriebsstätte. Der Steuerrechtsstatus des Inhabers (Steuerinländer oder Steuerausländer) ist (auch) wegen des Objektsteuercharakters der Steuer unerheblich.

102

Die Gewerbesteuer ist eine Inlandssteuer. Das gewerbesteuerrechtliche sog. Territorialitätsprinzip.62 liegt besonders § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 GewStG zugrunde. Satz 1 begründet die Inlandsbindung, Satz 3 konkretisiert den eigentlichen Inlandsbezug.

103

Sachlich gilt die Steuerpflicht nach § 2 GewStG für den Betrieb eines stehenden Gewerbes, soweit er im Inland betrieben wird. Erstreckt sich der Gewerbebetrieb auch auf das Ausland, werden nur die im Inland befindlichen Betriebsstätten der Besteuerung unterworfen. Dem liegt zunächst ein staatsrechtlicher Begriff des Inlands zugrunde, den das GewStG ausformt. Inland umfasst völkerrechtlich das deutsche Staatsgebiet, zudem das Festland samt innerer Gewässer sowie zur See hinaus das Küstenmeer, welches sich auf zwölf Seemeilen (= ca. 22 Km) von der Basislinie erstreckt.63

104

Im Gegensatz zur umsatzsteuerrechtlichen Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 1 UStG gehören für Zwecke der Gewerbesteuer zum Inland auch Büsingen, die Insel Helgoland und die deutschen Freihäfen (Freizonen).

105

Botschaften oder konsularische Vertretungen ausländischer Staaten auf deutschem Hoheitsgebiet gehören ebenfalls mit ihren Grundstücken zum Inland. Im internationalen Bereich sind allerdings die besonderen steuerliche Vorrechte und Befreiungen auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen zu beachten. Diese gewähren Personen, Personenvereinigungen, Körperschaften, internationalen Organisationen oder ausländischen Staaten Befreiungen von deutschen Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.64

106

Schiffe, welche die deutsche Flagge führen, unterliegen auf hoher See dem deutschen Hoheitsrecht und gelten damit als Inland.65 Dies gilt auch, solange sie sich in inländischen Gewässern (Küstenmeer) befinden. Demgegenüber stellen sie nicht mehr Inland dar, wenn sie der Hoheitsgewalt eines ausländischen Staates unterliegen. Hinsichtlich des Inlandsbezugs und der Betriebsstätteneigenschaft enthält § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG eine gewerbesteuerrechtliche Sonderregelung . Der auf das Bundesgebiet entfallende Teil von grenzüberschreitenden Gewerbegebieten bleibt weiterhin Inland. § 2 Abs. 7 Nr. 3 GewStG gilt nur für den ausländischen Teil eines grenzüberschreitenden Gewerbegebiets. Daher ist § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG hier nicht zugunsten eines inländischen Gewerbetriebs anwendbar, da insoweit eine ausländische Betriebsstätte fehlt.66

107–109

frei

60 So Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 13. 61 BFH v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77; Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 34; a.A. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 13. 62 Zuletzt BFH v. 6.11.2019 – I R 32/18, BStBl. II 2021, 68; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 12.18. Ausf. zur Begründung und Abgrenzung zum völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip Schumacher, Die Gewerbesteuer im internationalen Steuerrecht, 2020, S. 76 ff.; Hidien/Pohl/ Schnitter, Gewerbesteuer16, S. 65 ff. 63 Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 362. Zur Abgrenzung des Festlandsockels in der Nordsee zwischen der Bundesrepublik, den Niederlanden, England und Dänemark vgl. das Gesetz v. 23.8.1972, BGBl. II 1972, 881, 1116. 64 Zusammenstellung der Fundstellen BMF v. 18.3.2013, BStBl. I 2013, 404. 65 Vgl. §§ 1, 2 FlaggRG i.V.m. Art. 91 Gesetz zu dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen v. 10.12.1992, BGBl. I 1994, 1798. 66 Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 103.

62

Steuergegenstand | Rz. 116 § 2 GewStG

b) Inlandsbezug Den weiteren Inlandsbezug bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG. Die Formulierung in § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG („... soweit er im Inland betrieben wird.“) und die weiteren Ausführungen in § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG machen deutlich, dass die Gewerbesteuer an eine im Inland unterhaltene (inländische) Betriebsstätte anknüpft. Unter diesem Gesichtspunkt trifft § 2 GewStG Regelungen zu inländischen Betriebsstätten von Unternehmen mit Geschäftsleitung im Ausland bei einem fehlenden DBA (Absatz 6) und zum erweiterten Inlandsbegriff (Abs. 7). Eine Sonderregelung besteht für Schifffahrtsunternehmen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG).

110

Daraus ergeben sich eine Reihe von Folgerungen für die sachliche Gewerbesteuerpflicht. Dies betrifft nach den ertragsteuerrechtlichen Sitz-Kategorien sowohl sog. Inbound-Konstellationen (= der Unternehmer ist im Ausland ansässig, Steuerausländer) als auch sog. Outbound-Konstellationen (= der Unternehmer ist Inland ansässig, Steuerinländer).67

111

Zunächst ist es gewerbesteuerrechtlich unerheblich, ob der Betrieb durch einen Steuerinländer mit Wohnsitz oder Sitz im Inland oder durch einen Steuerausländer mit Sitz im Ausland betrieben wird. Das folgt dann auch aus dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer. Dies bedeutet auch, dass der Begriff des Gewerbebetriebs auch im Ausland erfüllt werden kann. Im Inland muss aber die Schwelle der Betriebsstätte überschritten sein.

112

Erstreckt sich der Gewerbebetrieb auch auf das Ausland, so unterliegen nur die inländischen Betriebsstätten der Gewerbesteuerpflicht. Die ausländischen Betriebsstätten unterliegen im Ergebnis nicht der Besteuerung. Im Hinblick auf das Welteinkommensprinzip der Ertragsteuern (§ 7 Satz 1 GewStG) enthält § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG eine besondere Kürzungsvorschrift für die Ermittlung des „inländischen“ Gewerbeertrags, wenn im Ausland eine weitere Betriebsstätte besteht. Dies setzt eine Aufteilung68 des Gesamtertrags und die Zuordnung der Ertragsanteile an die inländische und die ausländische Betriebsstätte voraus. Die Zuordnung erfolgt nach der wirtschaftlichen Veranlassung der Geschäftsvorfälle. Die Rechtsprechung69 geht davon aus, dass ein Teil des Gesamtertrags regelmäßig der Betriebsstätte der Geschäftsleitung zugeordnet werden muss.

113

Unterhält ein Unternehmen eine Betriebsstätte nur im Inland, unterliegt es mit seiner gesamten Tätigkeit der Gewerbesteuer, auch wenn diese ohne dortige Betriebsstätte im Ausland ausgeübt oder verwertet wird.70 Einer gesonderten Zuordnung bedarf es dann nicht. § 7 Satz 1 GewStG erfasst das „Welteinkommen“. Werden etwa von einem inländischen Reiseuternehmen Dienstleistungen im Ausland erbracht, ohne dass im Ausland die Schwelle der Betriebsstätte überschritten wurde, unterliegen diese ausländischen Einkünfte der Gewerbesteuer.71 Eine isolierende Betrachtung wie im Rahmen des § 49 EStG besteht nicht. Besteht eine weitere, im Ausland belegene Betriebsstätte, gilt § 9 Nr. 3 GewStG.

114

Auf eine inländische Betriebsstätte ist auch bei einer ausländischen Kapitalgesellschaft, die ihrer gesellschaftsrechtlicher Struktur nach einer inländischen Kapitalgesellschaft entspricht, abzustellen.72 Zudem muss auch bei Organschaftsverhältnissen eine inländische Betriebsstätte vorliegen.73 Nach der Sonderregelung des § 2 Abs. 6 GewStG entfällt ggf. für Unternehmen aus Staaten, mit denen kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, trotz einer Betriebsstätte im Inland die Gewerbesteuerpflicht.

115

Die Vorschriften der §§ 8, 9 GewStG beziehen sich grds. auf die der inländischen Besteuerung unterliegenden Gewinne.74 Allerdings bestehen auch hier Ausnahmen (§ 8 Nr. 8, § 9 Nr. 7, 8 GewStG).

116

67 68 69 70 71 72 73 74

Näher Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 86. BFH v. 2.12.1992 – I R 165/90, BStBl. II 1993, 577; v. 21.4.1971 – I R 200/67, BStBl. II 1971, 743. BFH v. 9.7.2003 – I R 4/02, BFH/NV 2004, 83. BFH v. 20.12.2017 – I R 98/15, BFH/NV 2018, 49. BFH v. 28.3.1985 – IV R 80/82, BStBl. II 1985, 405. BFH v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77. Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 34. BFH v. 10.7.1974 – I R 248/71, BStBl. II 1974; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 13.

63

GewStG § 2 Rz. 117 | Steuergegenstand 117

Die nationale Besteuerung wird nicht zuletzt durch die bestehenden DBA überlagert. Diese gelten grds. auch für die Gewerbesteuer als Steuer vom Einkommen. Voraussetzung ist zunächst eine grenzüberschreitende gewerbliche Tätigkeit. Liegt nach den Regelungen entsprechend Art. 5 OECD-MA eine Betriebsstätte vor, so steht das Besteuerungsrecht dem Betriebsstättenstaat zu (Art. 7 OECD-MA). Insoweit kann das deutsche Besteuerungsrecht entfallen, wenn nach innerstaatlichem Recht eine Betriebsstätte vorliegt, aber nach der engeren Regelung des DBA keine Betriebsstätte gegeben ist. Wird die Betriebsstättenschwelle nicht überschritten, bleibt das Besteuerungsrecht ohnehin beim Ansässigkeitsstaat.

118–119

frei

3. Einheit und Mehrheit von Gewerbebetrieben a) Allgemein 120

Gegenstand der Gewerbesteuer ist jeder einzelne Gewerbebetrieb (sachliche Selbständigkeit und Steuergegenstand). Hat etwa eine natürliche Person mehrere Betriebe, können mehrere selbständige Gewerbebetriebe oder ein einheitlicher Gewerbebetrieb vorliegen. Aus § 2 Abs. 1 GewStG und dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer folgert die herrschende Auffassung, dass jeder Gewerbebetrieb, auch in der Hand einer Person, ein eigener Steuergegenstand ist, wenn er sachlich selbständig ist.75 Sachlich selbständig ist ein Unternehmen, wenn es für sich eine wirtschaftliche Einheit bildet, also nicht ein unselbständiger Teil eines anderen Unternehmens oder eines Gesamtunternehmens ist.76

121

So kann ein Einzelunternehmer mehrere Gewerbebetriebe haben; mehrere Betriebsstätten des Einzelunternehmers können auch einen selbständigen Gewerbebetrieb bilden.

122

Diese Frage betrifft die sachliche Steuerpflicht und hat zentrale Bedeutung etwa einerseits für den Freibetrag nach § 11 GewStG, der dann ggf. jedem Gewerbebetrieb zusteht sowie andererseits für den Verlustabzug (§10a GewStG) zwischen einzelnen Bereichen eines einheitlichen Gewerbebetriebs (Unternehmensidentität als Voraussetzung77). Sie stellt sich insb. dann, wenn eine Person mehrere gewerbliche Tätigkeiten gleichzeitig ausübt, aber auch dann, wenn diese Person zeitlich nacheinander mehrere gewerbliche Tätigkeiten gleichzeitig ausübt.

123

§ 2 GewStG enthält hier jedenfalls für Einzelunternehmen keine direkten rechtlichen oder wirtschaftlichen Abgrenzungskriterien für die Frage der sachlichen Selbständigkeit der wirtschaftlichen Betätigung. Dagegen gehen § 2 Abs. 2 und 3 GewStG für Kapitalgesellschaften und wirtschaftliche Geschäftsbetriebe mit ihren Formulierungen davon aus, dass hier ein einheitlicher Gewerbebetrieb vorliegen soll. Diese „Umfangkriterien“ für die Beurteilung der sachlichen Selbständigkeit (Betriebseinheit oder Betriebsvielheit) sind gesetzlich nur lückenhaft geregelt.78 Betroffen sind grds. alle Unternehmensformen; die Frage stellt sich auch bei mehreren gewerblichen Tätigkeiten der öffentlichen Hand.

124

Verfahrensrechtlich muss für jeden Gewerbebetrieb ein eigenständiger Gewerbesteuermessbescheid ergehen, auch wenn sich mehrere Gewerbebetriebe in nur einer Inhaberhand befinden und die Betriebe sich in derselben Gemeinde befinden.79 Insoweit fehlerhafte Bescheide verfehlen den Steuergegenstand und sind aufzuheben.80

125–127

frei

75 BFH v. 25.4.1989 – VIII R 294/84, BFH/NV 1990, 261; v. 9.8.1989 – X R 130/87, BStBl. II 1989, 901; R 2.4 Abs. 1 Satz 1, R 2.4 Abs. 1 Satz 4 GewStR 2009. 76 R 2.1 Abs. 1 Satz 4 GewStR 2009. 77 Zu den vergleichbaren Kriterien der Unternehmensidentität BFH v. 12.1.1983 – IV R 177/80, BStBl. II 1983, 425. 78 Überblick bei Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 36 ff.; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 16 ff.; zur ähnlichen Auffassung der Finanzverwaltung R 2.4 GewStR 2009. 79 BFH v. 20.3.2013 – X R 38/11, BFH/NV 2013, 1125. 80 BFH v. 18.12.1996 – XI R 63/96, BStB.l II 1997, 57; v.19.2.2019 – X R 41/16, BFH/NV 2019, 586; v. 17.6.2020 – X R 15/18, BStBl. II 2021, 157.

64

Steuergegenstand | Rz. 135 § 2 GewStG

b) Einzelunternehmen Für die Unterscheidung zwischen einem einheitlichen Betrieb und mehreren selbständigen Betrieben kommt der Gleichartigkeit bzw. Ungleichartigkeit der Betätigungen wesentliche Bedeutung zu.81 Betriebe sind als gleichartig anzusehen, wenn sie sachlich, insb. wirtschaftlich, finanziell und organisatorisch innerlich zusammenhängen.82 Dies gilt auch im Rahmen des § 10a GewStG.83 Kriterien für die Gleichartigkeit von Betrieben sind die Art der gewerblichen Betätigung, der Kunden- und Lieferantenkreis, die Geschäftsleitung, die Arbeitnehmerschaft, die Betriebsstätte, die Zusammensetzung und Finanzierung des Aktivvermögens sowie die Gleichartigkeit/Ungleichartigkeit der Betätigungen und die Nähe/ Entfernung, in der sie ausgeübt werden.84

128

Ein einheitlicher Gewerbebetrieb ist anzunehmen, wenn ein Gewerbetreibender in derselben Gemeinde verschiedene gewerbliche Tätigkeiten ausübt und die verschiedenen Betriebszweige nach der Verkehrsauffassung und nach den Betriebsverhältnissen als Teil eines Gewerbebetriebs anzusehen sind (beispielsweise Gastwirtschaft und Bäckerei, Fleischerei und Speisewirtschaft).85

129

Dabei ist jedoch nicht von einer strikten Zweiteilung in gleichartige bzw. ungleichartige Betätigungen auszugehen. Vielmehr steigt das notwendige Maß des für eine Zusammenfassung der Betätigungen erforderlichen wirtschaftlichen, finanziellen und organisatorischen Zusammenhangs in Abhängigkeit vom zunehmenden Grad der Verschiedenartigkeit der Betätigungen.

130

Diese eher typologische Betrachtung findet im Gesetz keine Stütze. Unerheblich sind jedenfalls wegen des Objektsteuercharakters der Gewerbesteuer personelle Elemente. Vielmehr entscheidet der betriebswirtschaftliche Kontext.

131

Die Gewichtung der drei Einzelmerkmale nach den Umständen des Einzelfalls, die grds. kumulativ86 vorliegen müssen, und ihre Gesamtwürdigung obliegt zunächst der Finanzbehörde, sodann maßgeblich dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz. Die Abgrenzungskriterien bestimmen sowohl das zeitliche Nebeneinander als auch das zeitliche Nacheinander von Betrieben.87

132

Verschiedenartigkeit der jeweiligen Betriebe des Einzelunternehmers legt die Vermutung nahe, dass es sich um selbständige Gewerbebetriebe handelt. Gleichartigkeit lässt einen einheitlichen Gewerbebetrieb vermuten, wobei diese Vermutung durch den finanziellen, organisatorischen und wirtschaftlichen Zusammenhang,88 der jeweils durchaus in unterschiedlicher Intensität vorliegen kann, zu belegen ist.

133

Ein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht bei mehreren Betätigungen im gleichen Gewerbezweig. Auch eine Ergänzung, z.B. Dienstleistung mit artverwandtem Verkauf, reicht für dieses Kriterium ebenso aus wie der Verkauf von unterschiedlichen Produkten und Dienstleistungen an einen einheitlichen Kundenkreis.

134

Ein finanzieller Zusammenhang fehlt, wenn getrennte Auszeichnungen geführt werden, der Zahlungsverkehr voneinander getrennt ist und getrennte Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Bilanzen erstellt werden.

135

81 BFH v. 17.6.2020 – X R 15/18, BStBl. II 2021, 157. Zu einem „ABC“ der umfangreichen Rechtsprechung Güroff in Glanegger/Güroff, § 2 GewStG Rz. 25. 82 So die Begriffe in R. 2.4 Abs. 2 Satz 4 GewStR 2009. Zu den Kriterien BFH v. 25.4.1989 – VIII R 294/84, BFH/NV 1990, 261; v. 9.8.1989 – X R 130/87, BStBl. II 1989, 901. Zum Begriff der Gleichartigkeit auch § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG für die (nachgeordnete) Zusammenfassung von BgA. 83 Vgl. BFH v. 12.1.1983 – IV R 177/80, BStBl. II 1983, 425. 84 So H 2.4. Abs. 2 GewStH 2016 m.w.N. 85 R 2.4 Abs. 1 GewStR 2009. 86 Anders wohl (alternativ) im Rahmen des § 10a BFH v. 12.1.1983 – IV R 177/80, BStBl. II 1983, 425. 87 Näher Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 22 ff. mit Beispielen. 88 R. 2.4 Abs. 2 GewStR 2009; BFH v. 17.6.2020 – X R 15/18, BStBl. II 2021, 157.

65

GewStG § 2 Rz. 136 | Steuergegenstand 136

Räumliche Nähe spricht für einen organisatorischen Zusammenhang. Dies wird besonders deutlich, wenn die laufende Betriebsführung in denselben Räumen stattfindet, mit demselben Personal abgewickelt wird und gemeinsames Anlagevermögen genutzt wird.

137

Die Entscheidung für oder gegen einen einheitlichen Gewerbebetrieb ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu treffen. Nachdem die Rechtsprechung eine Zeit lang dazu neigte, in Zweifelsfällen eher einen einheitlichen Gewerbebetrieb anzunehmen, hat der BFH89 ausdrücklich eine Entscheidung des FG München bestätigt, nach der bei mehreren ungleichartigen Betätigungen des Gewerbetreibenden – im Streitfall das Betreiben mehrerer Münzwaschsalons, einer Rohrbiegerei und Entwicklung von Flugzeugmotoren – ein einheitlicher Gewerbebetrieb selbst bei einer organisatorischen, finanziellen und wirtschaftlichen Verflechtung nur gegeben ist, wenn sich die jeweiligen Betätigungen einander ergänzen. Im Urteilsfall wurde ein einheitlicher Gewerbebetrieb verneint.

138

Gewerbesteuerrechtlich gibt es nicht nur die Möglichkeit des einheitlichen Betriebs oder der vollkommen getrennten Betriebe, sondern es ist auch ein aus mehreren Teilbetrieben bestehender einheitlicher Steuergegenstand denkbar.90 Der Begriff des Teilbetriebs ist im Gewerbesteuerrecht genauso zu verstehen wie im Einkommensteuerrecht; er meint eine verselbständigte Einheit des Gewerbebetriebs.91 Ob der Teilbetriebsbegriff hier eine größere Bedeutung gewinnt, ist noch offen.92

139

Merkmale eines Teilbetriebs sind (u.a.) eine räumliche Trennung vom Hauptbetrieb, gesonderte Buchführung, eigenes Personal und eigene Verwaltung, selbständige Organisation, eigenes Anlagevermögen, ungleichartige betriebliche Tätigkeit, eigener Kundenstamm.

140

Beispiele aus der Rechtsprechung: – Apotheke und Kosmetikinstitut als ein Betrieb (BFH v. 19.10.1982 – VII R 149/81, BStBl. II 1983, 278), – Betrieb einer Windkraftanlage und Handelsvertretung für Baustoffe als ein Betrieb (FG Sachs. v. 9.12.2004 – 2 K 1329/02, juris), – Ladengeschäft und Versandhandel als zwei Betriebe (BFH v. 16.12.1964 – I 375/62, HFR 1965, 224), – Lebensmittelgeschäfte in einer Gemeinde als ein Betrieb (BFH v. 9.8.1989 – X R 130/87, BStBl. II 1989, 901), – Tabakwareneinzelhandel und Toto-Lotto-Annahmestelle als ein Betrieb (BFH v. 19.11.1985 – VIII R 310/83, BStBl. II 1986, 719; H 2.4. Abs. 1 GewStH 2016), – Tankstellen in einer Gemeinde als getrennte Betriebe (BFH v. 25.4.1989 – VII R 294/84, BFH/NV 1990, 261) oder als einheitlicher Gewerbebetrieb (FG Düsseldorf v. 23.6.2020 – 10 K 197/17 G, EFG 2020, 1262), – Tätigkeit der Elektroinstallation und das Betreiben einer Photovoltaikanlage als ein Betrieb (BFH v. 15.9.2010 – X R 21/08, BFH/NV 2011, 235), – Einzelhandelsbetrieb und das Betreiben einer Photovoltaikanlage als zwei Betriebe (BFH v. 24.10.2012 – X R 36/10, BFH/NV 2013, 252), – zur Abgrenzung bei gleichzeitig ausgeübter land- und forstwirtschaftlicher sowie gewerblicher Tätigkeit (BFH v. 23.1.1992 – IV R 19/90, BStBl. II 1992, 652; H 2.4 Abs. 1 GewStH 2016), – Fleischerei und Großhandel mit Heilpflanzen kein einheitlicher Betrieb (BFH v. 20.3.2013 – X R 38/ 11, BFH/NV 2013, 1125), – Eiscafé und Grillimbiss können einen einheitlichen Betrieb bilden (BFH v. 17.6.2020 – X R 15/18, BStBl. II 2021, 157).

141–144

89 90 91 92

66

frei

BFH v. 31.1.2006 – III B 29/05, BFH/NV 2006, 1152. BFH v. 17.6.2020 – X R 15/18, BStBl. II 2021, 157. Näher Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 17. Nöcker, FR 2020, 861.

Steuergegenstand | Rz. 153 § 2 GewStG

c) Personengesellschaften Ob eine Personengesellschaft gewerbesteuerrechtlich einen Gewerbebetrieb gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG unterhält, bestimmt sich nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen der Mitunternehmerschaft. Danach liegt bei einem auf der Ebene der Personengesellschaft betriebenen Gewerbebetrieb (nur) ein Gewerbebetrieb vor, der von mehreren Mitunternehmern betrieben wird (§ 15 Abs. 1, 2 EStG, Gewerbebetrieb kraft Betätigung). Steuerschuldner ist die Personengesellschaft (§ 5 Satz 3 GewStG).93

145

Die Tätigkeit einer Offenen Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder andere Personengesellschaften, die eine Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausüben und deren Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, sind danach Gewerbebetriebe nach § 2 Abs. 1 GewStG.94

146

Eine Personengesellschaft bildet auch bei verschiedenartigen Tätigkeiten einen einheitlichen Gewerbebetrieb.95 Dies folgt aus der Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, die nach allgemeiner Auffassung sowohl auf § 15 Abs. 3 Nr. 1 als auch auf § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG verweist. Im Eingangssatz des § 15 Abs. 3 EStG lautet die (fiktive) Formulierung „gilt in vollem Umfang“. Die Grundsätze des wirtschaftlichen, sachlichen Zusammenhangs der Tätigkeiten bei Einzelunternehmen gelten hier mithin nicht. In beiden Fällen ist zu prüfen, ob die Personengesellschaft nebeneinander oder nacheinander einen eigenständigen Gewerbebetrieb unterhalten.96

147

Personengesellschaften gelten auch dann gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in vollem Umfang als ein einziger Gewerbebetrieb, wenn sie nur teilweise eine Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausüben (sog. Abfärbe- oder Infektionstheorie bei teilgewerblich tätigen Personengesellschaften). Dieser Gewerbebetrieb umfasst die gesamte Tätigkeit.

148

Übt eine Personengesellschaft neben einer freiberuflichen auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, so ist die Tätigkeit auch dann infolge der „Abfärberegelung“ insgesamt als gewerblich anzusehen, wenn die gewerbliche Tätigkeit von der Gewerbesteuer befreit ist. Die Gewerbesteuerbefreiung erstreckt sich in solchen Fällen jedoch auch auf die Tätigkeit, die ohne die „Abfärbung“ freiberuflich wäre.97

149

Die umfassende Gewerblichkeitsfiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gilt nicht für bestimmte gewerblich tätige Personenzusammenschlüsse. Dazu gehören ggf. die Gesamthandsgemeinschaften wie die Erbengemeinschaft, die Gütergemeinschaft oder die Bruchteilsgemeinschaft.98 Insoweit gelten die entsprechenden Grundsätze für Einzelunternehmen, wenn dort mehrere gewerbliche Tätigkeitsbereiche bestehen.

150

Die Tätigkeit einer gewerblich geprägten Personengesellschaft gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gilt als Gewerbebetrieb (Geprägeregelung). Demnach gilt auch die vermögensverwaltende Tätigkeit einer gewerblich geprägten Personengesellschaft als Gewerbebetrieb § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG.

151

Im Fall der Betriebsaufspaltung können das Besitz- und Betriebsunternehmen nicht als einheitliches Unternehmen behandelt werden.99 Beide Unternehmen sind formal eigenständige Gewerbebetriebe.

152

Eine Kapitalgesellschaft und eine GmbH & Co. KG einerseits oder eine aus natürlichen Personen bestehende Personengesellschaft und ein Einzelunternehmen andererseits können gewerbesteuerrechtlich auf Grund von fehlender Unternehmeridentität nicht als ein ein-

153

93 Näher Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 28 ff.; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 26 ff. 94 R 2.1 Abs. 2 GewStR 2009. 95 R 2.4 Abs. 3 GewStR 2009; H 2.1 Abs. 2 GewStH 2016. 96 Näher Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 35, 39. 97 BFH v. 30.8.2001 – IV R 43/00, BStBl. II 2002, 152; H 2.1 Abs. 2 GewStH 2016. 98 Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 46; Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 31. 99 Etwa BFH v. 7.3.1973 – I R 119/71, BStBl. II 1973, 562; H 2.4 Abs. 3 GewStH 2016 m.w.N.

67

GewStG § 2 Rz. 154 | Steuergegenstand heitliches Unternehmen behandelt werden.100 Ober- und Untergesellschaft einer doppelstöckigen Personengesellschaft unterhalten eigenständige Gewerbebetriebe.101 154

Sind eine oder mehrere Personen oder Personengruppen als atypische stille Gesellschafter am Handelsgewerbe einer anderen Person beteiligt, liegt gewerbesteuerrechtlich ein einziger Gewerbebetrieb vor, wenn der Zweck der atypischen stillen Gesellschaften jeweils darauf gerichtet ist, die gesamten unter der Firma des Inhabers des Handelsgeschäftes ausgeübten gewerblichen Tätigkeiten gemeinsam und zusammen mit dem Inhaber des Handelsgeschäfts auszuüben. Dagegen liegen getrennt zu beurteilende gewerbliche Tätigkeiten und Betriebe vor, wenn die den einzelnen atypischen stillen Gesellschaften und dem Inhaber des Handelsgeschäftes steuerrechtlich zuzuordnenden gewerblichen Tätigkeiten nicht identisch sind.102

155–159

frei

d) Kapitalgesellschaften 160

Die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft bildet auch bei verschiedenen Tätigkeiten einen einheitlichen Gewerbebetrieb. Gleiches gilt für auch für andere Unternehmen i.S.d. § 2 Abs. 2 GewStG. Dies folgt aus der Formulierung „gilt stets und in vollem Umfang“ (Gewerblichkeit kraft Rechtsform). Die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG ist verfassungsgemäß. Dies gilt für alle dort genannten Unternehmensformen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG).

161

In der Folge kann etwa die steuerpflichtige Kapitalgesellschaft, anders als ein Einzelunternehmen, Verluste zwischen einzelnen Unternehmensbereichen intern ausgleichen. § 10a GewStG setzt insoweit Unternehmensidentität nach § 2 Abs. 2 GewStG voraus.

162

frei e) Andere Körperschaftsteuersubjekte

163

Gleiches gilt für Unternehmen i.S.d. § 2 Abs. 3 GewStG (sonstige juristische Personen des privaten Rechts und nichtrechtsfähige Vereine, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen des privaten Rechts).103 Die dort steuerpflichtigen Tätigkeiten bilden stets einen einheitlichen Gewerbebetrieb („gilt“). Unterhalten diese Unternehmen mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, so gelten auch diese als ein einheitlicher Gewerbebetrieb. Dies folgt ausdrücklich aus § 8 GewStDV.104

164

Mögliche Betätigungen eines rechtsfähigen Vereins oder einer Stiftung könnten etwa der Betrieb einer Kantine, einer Druckerei oder die Herausgabe einer Zeitschrift sein. Sie gehen grds. über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinaus und gelten dann gem. § 2 Abs. 3 GewStG stets und ingesamt als ein einheitlicher Gewerbebetrieb, sofern nicht bereits ein Gewerbebetrieb oder mehrere gem. § 2 Abs. 1 GewStG vorliegen.

165

frei f) Unternehmen der öffentlichen Hand aa) Betriebe gewerblicher Art (§ 4 KStG, § 2 GewStDV) (1) Selbständigkeit des Gewerbebetriebs

166

Die öffentliche Hand darf die Rechts- und Organisationsformen ihrer erwerbswirtschaftlichen Betätigung grds. frei wählen (Grundsatz der Rechtsregimewahlfreiheit oder Rechts-

100 R 2.4. Abs. 3 GewStR 2009. 101 Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 41. 102 R 2.4 Abs. 5 GewStR 2009; H 2.4 Abs. 5 GewStH 2016 mit Verweis auf BFH v. 6.12.1995 – I R 109/94, BStBl. II 1998, 685. 103 R 2.4. Abs. 4 GewStR 2009. 104 Vgl. H 2.1 Abs. 5 GewStH 2016.

68

Steuergegenstand | Rz. 175 § 2 GewStG

formwahlfreiheit105). Auch die juristischen Personen des öffentlichen Rechts können mehrere sachlich selbständige Gewerbebetriebe unterhalten.106 Der Gewerbesteuer unterliegt grds. jeder einzelne von einer öffentlichen Körperschaft unterhaltene Gewerbebetrieb i.S.d. § 15 Abs. 2 EStG. Dies folgt aus § 2 Abs. 1 Satz 1, 2 i.V.m. § 2 Abs.1 Satz 1 Halbs. 1 GewStDV. D.h. das „Unternehmen“ der öffentlichen Hand muss zunächst die Merkmale des § 15 Abs. 2 EStG kraft Betätigung erfüllen. Es muss sich grds. um einen gewerblich tätigen Betrieb gewerblicher Art (§ 4 KStG) handeln.107 Ausschlaggebend sind aber die engeren Merkmale des § 15 Abs. 2 EStG.

167

Ob sodann mehrere Gewerbebetriebe nebeneinander oder nacheinander unterhalten werden, richtet sich grds. nach den gleichen Grundsätzen wie bei einem privaten Einzelunternehmer. Das Steuersubjekt der juristischen Person des öffentlichen Rechts wird wie ein privater Einzelunternehmer behandelt. Eine Betriebseinheit per Gesetz liegt danach vor, wenn ein hinreichender (dreifacher) betriebswirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Unternehmensteilen besteht; andernfalls unterhält die öffentliche Körperschaft mehrere Gewerbebetriebe.

168

Auf der Grundlage des § 4 KStG, der im Begriff der Einrichtung eine funktionelle Einheit voraussetzt, hat das FG Münster108 kürzlich sechs Photovoltaikanlagen einer Gemeinde als einen einheitlichen körperschaftsteuerrechtlichen BgA und gewerbesteuerrechtlichen Gewerbebetrieb qualifiziert. In der Folge waren die Freibeträge gem. § 24 KStG und § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GewStG jeweils lediglich einmal in Abzug zu bringen. Die Anwendung der obigen Grundsätze der Gleichartigkeit führt zu keinem anderen Ergebnis, da bereits gleiche Tätigkeiten vorliegen.

169

Betätigt sich die öffentliche Hand in der Rechtsform einer Personengesellschaft und beteiligt sich an einer Mitunternehmerschaft, so gelten für sie dieselben Grundsätze der Selbständigkeit (Betriebseinheit oder Betriebsmehrheit) wie sie auch für diese Rechtsformen in privater Hand gelten. Auch eine öffentliche Körperschaft kann sich jedenfalls steuerrechtlich an einer Mitunternehmerschaft beteiligen. Eine Mitunternehmerschaft ist ein (stehender) Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs. 1 GewStG.109 Auf diesen Gewerbebetrieb ist § 2 GewStDV nicht mehr anwendbar.110 Die Beteiligung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts an einer Personengesellschaft allein begründet noch keinen Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 GewStDV. Die Beteiligung kann aber Betriebsvermögen eines daneben bei der öffentlichen Körperschaft bestehenden Gewerbebetriebs sein. In diesem Fall ist bei diesem Betrieb der Gewinn- oder Verlustanteil an der Mitunternehmerschaft nach § 9 Nr. 2 GewStG zu kürzen. Ertragsteuerrechtlich liegt je nach Art der Tätigkeit grds. ein BgA vor.111

170

frei

171–173

(2) Zusammenfassung von BgA/Gewerbebetrieben Liegen mehrere Gewerbebetriebe der öffentlichen Hand vor, kann die jeweilige öffentliche Körperschaft prüfen, ob sie diese Betriebe (BgA/Gewerbebetriebe) zusammenfassen kann und will. Für die Grundsätze der Zusammenfassung mehrerer wirtschaftlicher Tätigkeiten verweisen § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2 GewStDV auf § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG.

174

Abzugrenzen sind diese Gewerbebetriebe zunächst von den sog. Hoheitsbetrieben (§ 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GewStDV). Auch BgA sind keine Hoheitsbetriebe (§ 4 Abs. 5 KStG).

175

105 106 107 108 109

Drüen, VVDStRL 79 (2020), 127 (149). Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 44. R 2.1 Abs. 6 Satz 1 GewStR 2009; zu einem negativen Beispiel R 2.1 Abs. 6 Satz 2 GewStR 2009. FG Münster v. 21.4.2021 – 13 K 3663/18 K,G, EFG 2021,1140. BMF v. 21.6.2017, BStBl. II 2017, 880; Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 29. 110 BMF v. 21.6.2017, BStBl. II 2017, 880. 111 Näher BMF v. 21.6.2017, BStBl. II 2017, 880 zu BFH v. 25.3.2015 – I R 52/13, BStBl. II 2016, 172.

69

GewStG § 2 Rz. 176 | Steuergegenstand Dies sind „Betriebe“, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen. Vermischen sich die Betätigungen, so ist entscheidend, ob „überwiegend“ hoheitliche Befugnisse ausgeübt werden. Für die Annahme eines Hoheitsbetriebs reichen hierbei Zwangsund Monopolrechte nicht aus. Verkehrs- und Versorgungsbetriebe sind immer BgA und zumeist auch Gewerbebetriebe. Zu den (klassischen, geborenen) Hoheitsbetrieben können rechnet die Finanzverwaltung112 immer noch: Wetterwarten, Schlachthöfe in Gemeinden mit Schlachtzwang, Anstalten zur Lebensmitteluntersuchung, zur Desinfektion, zur Straßenreinigung und zur Abführung von Abwässern und Abfällen. 176

Nach § 4 Abs. 6 Satz 2 KStG kann ein BgA nicht mit einem Hoheitsbetrieb mit steuerrechtlicher Wirkung zusammengefasst werden. Zwar verweist § 2 GewStDV nicht auf § 4 Abs. 6 Satz 2 KStG. Die sachliche Selbständigkeit und Trennung beider Betriebe entspricht jedoch auch dem Zweck des § 2 Abs. 2 GewStDV. Eine Selbst- und Gegenseitigkeitsbesteuerung dieser Einrichtungen ist sinnwidrig. Das (moderne) Betriebsvokabular darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass beide Kategorien „grundverschieden“113 sind. Dies sieht der Gesetzgeber bei Kapitalgesellschaften im Rahmen der Gewinnermittlung anders (§ 8 Abs. 7 Satz 2, Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 KStG) und geht offenbar von der Zulässigkeit einer Privatisierung hoheitlicher Funktionen aus (z.B. bei der kommunalen Abfallwirtschaft).

177

Die dreifachen Grundsätze der körperschaftsteuerrechtlich zulässigen Zusammenfassung von BgA regelt nunmehr seit dem Jahressteuergesetz2009 ausdrücklich § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG.114 Danach kann ein BgA mit einem oder mehreren anderen BgA zusammengefasst werden, wenn (alternativ) sie gleichartig sind oder zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht oder BgA i.S.d. § 4 Abs.3 KStG (Verkehrs- und Versorgungsbetriebe) vorliegen. Namentlich zum ersten und zweiten Merkmal hat sich eine umfangreiche Judikatur entwickelt. Diese Grundsätze gelten dann auch mit Wirkung für die Gewerbesteuer.

178

Liegen die Voraussetzungen der Regelung des § 2 Abs. 1 GewStDV i.V.m. § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG vor und werden die BgA/Gewerbebetriebe auch tatsächlich zusammengefasst, so kann die zusammengefasste Tätigkeit zugleich einen neuen selbständigen Gewerbebetrieb und damit einen Besteuerungsgegenstand i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG darstellen. Die Frage, ob die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt sind, ist in diesem Fall in Bezug auf die zusammengefasste Tätigkeit zu beurteilen.115 Diese muss insb. Gewinnerzielungsabsicht haben und am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnehmen (ein Mehr zu § 4 Abs. 1 Satz 2 KStG).

179

frei bb) Kapitalgesellschaften

180

Mutatis mutandis gilt das für private Kapitalgesellschaften Gesagte auch für Kapitalgesellschaften im teilweise oder vollen Anteilsbesitz der öffentlichen Hände (Unternehmen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG kraft Rechtsform stets und im vollen Umfang) sowie für die Unternehmen nach § 2 Abs. 3 GewStG.

181

Grundsätzlich ist auch die Zusammenfassung mehrere gewerblichen BgA in eine Kapitalgesellschaft zulässig.116 § 4 Abs. 6 KStG gestattet die Zusammenfassung mehrerer BgA zu einem einzigen Betrieb (BgA) zu. Schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kann ein

112 R 4.4 Abs. 1 Satz 2 KStR 2015. So auch der Entwurf der neuen KStR 2022. 113 BFH v. 10.7.1962 – I 164/59 S, BStBl. III 1962, 448; wie hier Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 43. 114 Im einzelnen Döring in Schnitger/Fehrenbacher2, § 4 KStG Rz. 172 ff. m.w.N. auch zur Respr.; BMF v. 12.11.2009, BStBl. I 2009, 1303 Rz. 1 ff. 115 R 2.1 Abs. 6 Satz 3 GewStR 2009; BMF v. 12.11.2009, BStBl. I 2009, 1303 Rz. 98. 116 Vgl. R 4.2 KStR 2015 im Umkehrschluss; ebenso Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 45.

70

Steuergegenstand | Rz. 194 § 2 GewStG

BgA nicht mit einem kommunalen Eigenbetrieb in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft zusammengefasst werden.117 frei

182–189

II. Gewerbebetrieb (Einzel- und Personenunternehmen) i.S.d. EStG (Abs. 1 Satz 2) 1. Allgemeines § 2 Abs. 1 GewStG gibt keine Definition Steuergegenstandes Gewerbebetrieb, sondern knüpft mit dem Verweis in § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG an das EStG an. Nach der grundlegenden Regelung des § 15 Abs. 2 EStG, die die gewerblichen Einkünfte bestimmt, müssen nach allgemeiner Auffassung für einen Gewerbebetrieb eine Reihe von geschriebenen und ungeschriebenen, positiven und negativen Tatbestandsmerkmale erfüllt sein. Zurechnungssubjekt des Betriebs ist der Urheber und Inhaber der maßgeblichen Tätigkeit (Handel, Produktion, Dienstleistungen).118

190

Übersicht: Tatbestandsmerkmale des Gewerbebetriebs § 15 Abs. 2 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG

191

Positive Merkmale

Negative (Abgrenzungs-)Merkmale

Selbständige Betätigung

Keine nichtselbständige Arbeit (§ 19 EStG, § 1 LStDV)

Nachhaltige Betätigung

Keine Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG)

Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Keine selbständige Arbeit (§ 18 EStG) Verkehr Gewinnerzielungsabsicht

Keine private Vermögensverwaltung (vgl. § 14 AO, §§ 20, 21, 22 EStG)

Die erheblichen Abgrenzungsprobleme in der Praxis haben zu einer umfangreichen Kasuistik geführt.119 Ursache ist zunächst die Unterscheidung der drei Gewinneinkünfte des EStG. Sodann aber auch der Charakter der Gewerbesteuer als Sondersteuer für gewerbliche Einkünfte.

192

Die vorherrschende Auffassung namentlich der Rechtsprechung versteht den Gesetzesbegriff des Gewerbebetriebs als einen „offenen Typusbegriff“, der nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann.120 Auch diese Konstruktion und ihre Anwendung auf steuerrechtliche Grundbegriffe tragen nicht zur Rechtssicherheit bei.121

193

Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und der nichtsteuerbaren Sphäre sowie den anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 bis 7 EStG) andererseits ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsanschauung abzustellen. In Zweifelsfällen ist die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht.

194

So FG Düsseldorf v. 29.6.2010 – 6 K 2990/07 K, EFG 2010, 251. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 53 m.w.N. zur Einschaltung Dritter. Ausführlich Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 54 ff. Etwa BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617; v. 22.2.2012 – X R 14/10, BStBl. II 2012, 511. Zustimmend etwa Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 52 m.w.N. (str.); vgl. auch P. Fischer, FR 2002, 597. 121 Ähnlich Drüen in FS für den BFH, Bd. II, 2018, S. 1339.

117 118 119 120

71

GewStG § 2 Rz. 195 | Steuergegenstand 195

Das Gesetz bedient sich hier nicht eines tatbestandlich scharf konturierten Begriffs, der auf eine „einfache Subsumtion“ hoffen ließe, sondern der „Rechtsfigur des Typus“.122 Den jeweiligen Typus und Normalfall und dessen Kenntnis setzt das Gesetz stillschweigend voraus; es übernimmt ihn so, wie ihn der Gesetzgeber in der sozialen Wirklichkeit idealtypisch, d.h. im Normal- oder Durchschnittsfall vorfindet. Es ist nicht erforderlich, dass stets sämtliche als idealtypisch erkannten, d.h. den Typus kennzeichnenden Merkmale (Indizien) vorliegen. Diese können vielmehr in unterschiedlichem Maße und verschiedener Intensität gegeben sein; je für sich genommen haben sie nur die Bedeutung von Anzeichen oder Indizien. Entscheidend sind jeweils ihre Verbindung, die Intensität und die Häufigkeit ihres Auftretens im konkreten Einzelfall. Maßgeblich ist das Gesamtbild.

196

Die Rechtsprechung, die bis auf Entscheidungen des Preußischen OVG für Staatssteuersachen123 zurückgeht, orientiert sich hierbei am „Bild des Gewerbebetriebs“ und konturiert dieses Bild nach Maßgabe unmittelbar der Lebenswirklichkeit entlehnten Berufsbildern. Zu diesen gehören die selbständig und nachhaltig ausgeübten Tätigkeiten der Produzenten, der Dienstleister und der Händler.124 Dies ermögliche es, unter Wahrung der aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit zu gewährleistenden Tatbestandsbestimmtheit der Entwicklung der Verhältnisse und den damit einhergehenden Veränderungen der jeweils einschlägigen Berufsbilder Rechnung zu tragen.

197

Die begriffstheoretischen, methodologischen und verfassungsrechtlichen Prämissen sowie Folgen dieser schematischen Einordnung sind grundsätzlicher Natur und können hier nicht vertieft werden. Hinzuweisen ist lediglich auf folgende Bedenken: Die Gegenüberstellung von Begriff und Typus scheint überholt, da die Begriffslehre neben klassifikatorischen auch komparative Begriffe kennt.125 Der notwendige Wirklichkeitsbezug eines jeden Normtextes hängt hiervon nicht ab. Unbestimmte Typusbegriffe sind auch kein geeignetes Mittel, um die semantische Struktur unbestimmter Gesetzesbegriffe zu bestimmen.126 Ihre sog. Vagheit erfordert vielmehr eine Konkretisierung des Normtextes, die den Grundsatz der verfassungsrechtlichen Bestimmtheit genügt. Dass der Begriff des Gewerbebetriebs zusätzlich auch unabgeschlossen, d.h. entwicklungs- und zukunftsoffen ist, versteht sich von selbst.

198–199

frei

2. Gewerbebetrieb einer natürlichen Person (Einzelunternehmen) i.S.d. EStG (Abs. 1 Satz 2) – Tatbestandsmerkmale a) Selbständigkeit 200

Über Selbständigkeit ist entsprechend den Grundsätzen des Umsatzsteuer- und Einkommensteuerrechts127 zu entscheiden. Gegen eine persönliche Selbständigkeit spricht z.B. fehlendes Unternehmerrisiko, persönliche Leistungsverpflichtung, das Schulden der Arbeitskraft, Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers, Weisungsgebundenheit hinsichtlich Zeit, Art und Ort der Tätigkeit, keine eigene Arbeitsgestaltung. Maßgebend ist das Gesamtbild der Verhältnisse. Bereits getroffene Entscheidungen zur

122 BVerfG v. 20.5.1996 – 1 BvR 21/96, NJW 1996, 2644 zum Folgenden; aufgegriffen von BFH v. 9.4.2003 – X R 21/00, BStBl. II 2003, 520. Zum Verständnis der in Art. 105, 106 GG angeführten Steuern und Steuerarten als Typusbegriffe auch BVerfG v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, BVerfGE 145, 171. 123 PrOVG v. 31.5.1902 – VI G.38/01, PrOVGESSt 10, 391; näher Drüen in FS für den BFH, Bd. II, 2018, S. 1339. 124 BFH v. 3.8.2004 – X R 40/30, BStBl. II 2005, 35. 125 Näher Müller/Christensen, Juristische Methodik, Bd. I10, Rz. 230 ff. 126 Ausführlich Hidien, Gemeindliche Betätigungen rein erwerbswirtschaftlicher Art und „öffentlicher Zweck“ kommunaler wirtschaftlicher Unternehmen 1981, insb. S. 84 f. 127 Vgl. u.a. R 15.1 EStR/H 15.1 EStH; Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 2 GewStG Rz. 151 ff. Zu Beispielen aus der Rechtsprechung zur Nichtselbständigkeit Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 59.

72

Steuergegenstand | Rz. 208 § 2 GewStG

Selbständigkeit bei der Einkommensteuer und Umsatzsteuer sind für die Gewerbesteuerveranlagung nicht bindend. Ein Gewerbebetrieb setzt neben der persönlichen Selbständigkeit des Unternehmens auch die sachliche Selbständigkeit voraus. Sachlich selbständig ist ein Unternehmen, wenn es für sich eine wirtschaftliche Einheit bildet, also nicht ein unselbständiger Teil eines anderen Unternehmens oder eines Gesamtunternehmens ist.128

201

frei

202

b) Nachhaltigkeit Nachhaltig handelt, wer die Absicht hat, die Handlung bei sich bietender Gelegenheit zu wiederholen.129 Eine einzige einheitliche Handlung, die ohne Wiederholungsabsicht unternommen wird, ist keine nachhaltige Tätigkeit, auch wenn sie für einen längeren Zeitraum Einnahmen beschert.

203

Beispiel: Eine Hausfrau vermittelt einem befreundeten Unternehmer einmalig per Zufall einen Kunden, der in den folgenden zwei Jahren monatlich Waren im Wert von jeweils ca. 15.000 € bestellt. Provisionseinnahmen i.H.v. 1 % der Nettoauftragssumme, die die Hausfrau ohne weitere Tätigkeit in diesen zwei Jahren von dem Unternehmer erhält, führen bei der Hausfrau zu keinem Gewerbebetrieb. Nachhaltigkeit liegt angesichts einer einmaligen Handlung ohne Wiederholungsabsicht nicht vor.

Die im Wege richterlicher Rechtsfortbildung erfolgte Auslegung des Tatbestandsmerkmals der nachhaltigen Betätigung gem. § 15 Abs. 2 EStG überschreitet nicht die verfassungsrechtlichen Grenzen.130

204

frei

205

c) Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr Dieses Tatbestandsmerkmal erfordert eine Tätigkeit, die, ggf. unter Einschaltung eines Dritten, gegen Entgelt an den Markt gebracht und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird.131 Es reicht aus, sich als Gewerbetreibender aufzuführen (z.B. Ladenlokal unterhalten, Werbung machen). Zweck des Merkmals ist die Abgrenzung des Markteinkommens von sonstigen Vermögensmehrungen.132 Die Marktteilnahme zielt auf einen Austausch von Dienstleistungen und Waren. Unschädlich für eine Marktteilnahme ist u.a. die – Beschränkung auf einen bestimmten Personenkreis (z.B. Musikinstrumente für Linkshänder), – Vereinbarung von Wettbewerbsverboten, – oder dass tatsächlich nur ein Kunde bei typischer kaufmännischer Tätigkeit (z.B. Zulieferer für nur einen Autoproduzenten, Handelsvertreter für nur einen Kunden) besteht.

206

In Abweichung zur früheren Rechtsprechung üben selbständig tätige Prostituierte ihre Tätigkeit im Rahmen eines sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligenden Unternehmens aus und unterliegen daher der Gewerbesteuerpflicht.133

207

Keine Marktteilnahme liegt etwa vor bei Spielgewinnen134 aus einer Lotterie oder dem Casino. Dagegen ist die Marktteilnahme nicht deshalb ausgeschlossen, weil eine Person

208

128 129 130 131

R 2.1 Abs. 1 GewStR 2009. Vgl. u.a. H 15.2 EStH; Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 2 GewStG Rz. 196 ff. BVerfG v. 25.11.2005 – 2 BvR 629/03, HFR 2006, 395. BFH v. 30.9.2010 – IV R 44/08, BStBl. II 2011, 645; H 15.4 EStH; Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 2 GewStG Rz. 243 ff. 132 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 68. 133 BFH v. 20.2.2013 – GrS 1/12, BStBl. II 2013, 441. 134 BFH v. 16.9.1970 – I R 133/68, BStBl. II 1970, 865.

73

GewStG § 2 Rz. 209 | Steuergegenstand öffentlich-rechtliche Aufgaben erfüllt. Rundfunkermittler,135 Kaminkehrer136 oder Künstler- und Bühnenvermittler137 sind im Markt tätig und auch gewerbesteuerpflichtig. 209

frei d) Gewinnerzielungsabsicht

210

Gewinnerzielungsabsicht138 ist als (subjektives) Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs für die Einkommensteuer vor allem dann von praktischer Bedeutung, wenn der Steuerpflichtige Verluste erwirtschaftet hat und diese mit anderen positiven Einkünften ausgleichen will. Für die Gewerbesteuer ist die Gewinnerzielungsabsicht von weit geringerer praktischer Bedeutung. Bei Betrieben mit Gewinnen ist das Merkmal unproblematisch.

211

Bei Betrieben mit andauernden Verlusten kann es häufig dahingestellt bleiben, ob die Gewerbesteuer deshalb nicht entsteht, weil wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht kein Gewerbebetrieb vorliegt oder ob es wegen der Verluste auf Dauer an einem Gewerbeertrag als Besteuerungsgrundlage mangelt. Das Merkmal ist bei strukturell dauerdefizitären Betrieben gewerblicher Art der öffentlichen Hand (§ 2 GewStDV) nicht erfüllt.

212

Bei gewerblichen Personengesellschaften ist die Gewinnerzielungsabsicht zweistufig und kumulativ zu prüfen: einmal auf der Ebene der der Gesellschafter (Mitunternehmer), dann auch auf der Ebene der Gesellschaft.139

213

frei e) Abgrenzung zur Land- und Forstwirtschaft

214

Soweit ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb vorliegt, kommt Gewerbesteuerpflicht bei Einzelunternehmen einer natürlichen Person nicht in Betracht. Unter Land- und Forstwirtschaft ist die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens zur Erzeugung von Pflanzen und Tieren sowie die Verwertung der dadurch selbstgewonnenen Erzeugnisse zu verstehen.140

215

Land- und Forstwirtschaft liegt u.a. nicht vor, wenn – bei Tierzucht oder Tierhaltung die Grenzen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG überschritten werden, – eine gewerbliche Tierzucht oder Tierhaltung gegeben ist, weil ein Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Bodennutzung fehlt (regelmäßig bei Züchtung von Haustieren der Fall),141 – nicht die Urproduktion, sondern Dienstleistungen (z.B. Friedhofsgärtnerei mit überwiegenden Umsätzen aus der Grabpflege) der Tätigkeit das Gepräge geben142 – oder eine gewerbliche Bodenbewirtschaftung durch Abbau von Bodenschätzen vorliegt.

216

Die Frage der Gewerbesteuerpflicht stellt sich hauptsächlich bei den landwirtschaftlichen Nebenbetrieben, so z.B. bei Brennereien, Sägewerken, Obstverwertungsbetrieben, Fuhrbetrieben, Sektkellerei eines Winzers usw. Liegt ein Nebenbetrieb i.S.d. § 13 Abs. 2 Nr. 1 135 BFH v. 14.12.1978 – I R 121/76, BStBl. II 1979, 1888; v. 2.12.1998 – X R 83/96, BStBl. II 1999, 534. 136 BFH v. 13.11.1996 – XI R 53/95, BStBl. II 1997, 295. 137 BFH v. 30.11.1965 – I 157/63 U, BStBl. III 1996, 36; v. 15.4.1970 – I R 107/68, BStBl. II 19760, 517. 138 Näher H 15.2 EStH; Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 2 GewStG Rz. 81 ff. Zu Beispielen aus der Rechtsprechung Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 97. 139 BFH v. 21.11.2000 – IX R 2/96, BStBl. II 2001, 789; v. 4.11.2003 – VIII R 38/01, BFH/NV 2004, 1372; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 98, 402. 140 R 15.5 Abs. 1 Satz 1 EStR; ausf. zu Abgrenzung Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 2 GewStG Rz. 261 ff.; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 211 ff. mit einem ABC Rz. 275 ff. 141 BFH v. 30.9.1980 – VIII R 22/79, BStBl. II 1981, 210. 142 R 15.5 Abs. 7 EStR 2012.

74

Steuergegenstand | Rz. 223 § 2 GewStG

EStG vor, gehören die Einkünfte zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft mit der Folge, dass die Gewerbesteuerpflicht entfällt. Unter dem Gesichtspunkt eines Nebenbetriebs ist bei der Be- und Verarbeitung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen bzw. bei Handelsgeschäften und Verkaufsstellen die Unterscheidung zwischen eigenen und fremden Erzeugnissen und die jeweilige Stufe der Be- oder Verarbeitung von Bedeutung. Die Be- und Verarbeitung fremder Erzeugnisse und die Be- und Verarbeitung eigener Erzeugnisse im Rahmen einer zweiten Stufe der Bearbeitung ist dabei ebenso grds. eine gewerbliche Tätigkeit wie der Verkauf fremder Erzeugnisse. Unter Beachtung einer Umsatzgrenze von insgesamt nicht mehr als 50 % des Gesamtumsatzes können jedoch Einnahmen aus zugekauften Waren und aus im Rahmen einer „zweiten Stufe“ weiterverarbeiteten eigenen Produkten, die dauerhaft jeweils ein Drittel des Gesamtumsatzes und 51.500 € im Wirtschaftsjahr nicht überschreiten, noch der Landwirtschaft zugerechnet werden.143

217

Wegen der Verwendung von Wirtschaftsgütern außerhalb des Betriebs, land- und forstwirtschaftlichen Dienstleistungen, Energieerzeugung, Beherbergung von Fremden enthalten die Einkommensteuer-Richtlinien weitere Detailregelungen.144

218

frei

219

f) Abgrenzung gegenüber der freien Berufstätigkeit und selbständigen Arbeit Die Tätigkeit der sog. freien Berufe nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG unterliegt nicht der Gewerbesteuer.145 Dies gilt auch für andere Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 2–4 EStG). § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG unterscheidet folgende Fallgruppen: Freie Berufe (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Nr. 1 EStG, R 15.6 EStR 2012) Bestimmte Tätigkeiten: – wissenschaftlich – künstlerisch – schriftstellerisch – unterrichtend – erzieherisch

Katalogberufe: – Ärzte – Zahnärzte – Rechtsanwälte – Notare – Patentanwälte – Steuerberater – Heilpraktiker – Journalisten u.a.

220

„Ähnliche Berufe“: vgl. H 5.6 EStH 2020 Stichwort Ähnliche Berufe

Die Einordnung in einen Katalogberuf des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist im Regelfall unproblematisch. Hier bestehen bestimmte gesetzliche Berufsvoraussetzungen und Berufsbilder.

221

Die Unterscheidung zwischen einer selbständig ausgeübten wissenschaftlichen, künstlerischen, schriftstellerischen, unterrichtenden oder erzieherischen Tätigkeit und einer gewerbesteuerpflichtigen gewerblichen Tätigkeit ist in Grenzfällen schwierig. So kann z.B. der Kunsthandwerker146 oder der Modeschöpfer147 künstlerisch tätig sein, während der Betreiber eines Fitness-Studios nicht unterrichtend i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 1 EStG tätig ist, wenn die unterrichtende Tätigkeit nur die Anfangsphase der Kurse prägt und im Übrigen den Kunden Trainingsgeräte zur freien Verfügung stehen.148

222

Gegenstand zahlloser BFH-Entscheidungen ist die Frage, ob die Tätigkeit des Steuerpflichtigen die Voraussetzung des ähnlichen Berufs i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt. Dies

223

143 R 15.5 Abs. 3 ff. EStR 2012. 144 R 15.5 Abs. 9 ff. EStR 2012. 145 Näher H 15.6 EStH 2020; § 18 EStG Rz. 56 ff.; ausf. zur Abgrenzung Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 2 GewStG Rz. 381 ff.; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 235 ff. 146 BFH v. 11.7.1991 – IV R 15/90, BStBl. II 1991, 889. 147 BFH v. 2.10.1968 – I R 1/66, BStBl. II 1969, 138. 148 BFH v. 18.4.1996 – IV R 35/95, BStBl. II 1996, 573.

75

GewStG § 2 Rz. 224 | Steuergegenstand setzt die Ähnlichkeit in Aus- und Vorbildung mit dem konkreten Katalogberuf voraus. Aus- und Vorbildung des vermeintlich ähnlichen Berufes müssen der fachlichen Breite der Aus- und Fortbildung des Katalogberufes entsprechen. Nur Kenntnisse in Teilbereichen des Katalogberufs und entsprechende Tätigkeiten führen daher zu keinem „ähnlichen Beruf“. Ist hingegen die fachliche Breite wie beim Katalogberuf gegeben, darf sich auch der ähnliche Beruf, wie der Katalogberuf selbst, auf Teilbereiche des Katalogberufs spezialisieren. An die Breite der Tätigkeit sind geringere Anforderungen als an Aus- und Vorbildung zu stellen.149 Ein Rentenberater übt eine gewerbliche Tätigkeit aus.150 224

Bei den Angehörigen der freien Berufe steht gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 und 4 EStG die Beschäftigung von fachlich vorgebildeten Mitarbeitern der Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit nicht entgegen, wenn der Berufsträger auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Vertretung im Fall der vorübergehenden Verhinderung (z.B. Krankheit, Urlaub, Mitarbeit in einer Standesorganisation, Zugehörigkeit zu einer gesetzgebenden Körperschaft) ist insoweit unschädlich.

225

Fachkenntnisse und Leitungsfunktionen, die sich auf die Gesamttätigkeit erstrecken, sowie Eigenverantwortlichkeit sind drei selbständige Merkmale, die sämtlich bei der Beschäftigung von fachlich vorgebildeten Mitarbeitern erfüllt sein müssen. Eigenverantwortlichkeit ist mehr als das Wahrnehmen von Leitungsfunktionen. Merkmal der freiberuflichen Tätigkeit ist der unmittelbare persönliche Arbeitseinsatz im Kern der Tätigkeit. Spätestens, wenn nicht mehr die eigene Leistung des Berufsträgers, sondern die Bereitstellung von fremden Arbeitskräften die zu beurteilende Tätigkeit prägt, kann von der Ausübung eines freien Berufs nicht mehr die Rede sein. In welchem Umfang der Berufsträger tatsächlich selbst tätig sein muss, hängt vom jeweiligen Berufsbild ab. Bei einigen Berufsgruppen kann Eigenverantwortlichkeit des Freiberuflers noch bei einer größeren Anzahl von Mitarbeitern gegeben sein (z.B. Bauingenieuren, Steuerberatern, Prüfingenieure151). Bei anderen Berufsgruppen (z.B. Ärzten und anderen Heilberufen, die eine höchstpersönliche, individuelle Arbeitsleistung an Patienten schulden) geht die Freiberuflereigenschaft durch die Beschäftigung fachlich vorgebildeter Mitarbeiter eher verloren.152

226

Aber auch für derartige Berufsgruppen ist die Beschäftigung von fachlich vorgebildeten Mitarbeitern möglich, ohne dass dadurch die Freiberuflereigenschaft verloren gehen muss.153 Betreuen jedoch ein selbständig tätiger und ein angestellter Ingenieur jeweils einzelne Aufträge und Projekte eigenverantwortlich und leitend, so ist trotz der gleichartigen Tätigkeit eine ggf. im Schätzungswege vorzunehmende Aufteilung der Einkünfte nicht ausgeschlossen. Letztlich liegen insoweit verschiedene Tätigkeiten vor (keine Gewerbesteuer für den Gewinn aus den vom Unternehmensinhaber selbst betreuten Aufträge und Projekte, Gewerbesteuer nur für den aus dem vom Angestellten betreuten Aufträge und Projekte resultierenden Gewerbeertrag).154

227

Verschiedene Tätigkeiten eines Steuerpflichtigen155 sind grds. auch steuerrechtlich voneinander zu trennen. So liegen z.B. teilweise gewerbesteuerpflichtige Betätigungen und teilweise freiberufliche Einkünfte selbst dann vor, wenn zwischen den sie begründenden Tätigkeiten ein wirtschaftlicher und sachlicher Zusammenhang besteht. Fehlt eine getrennte Buchführung, sind die Besteuerungsgrundlagen ggf. zu schätzen.

228

Ausnahmsweise ist die gesamte Tätigkeit einheitlich zu beurteilen, wenn die gewerbliche und freiberufliche Tätigkeit miteinander verflochten ist und beide Tätigkeiten sich einander unlösbar bedingen. Dies ist z.B. dann gegeben, wenn gegenüber dem Abnehmer der Leis-

149 150 151 152 153 154 155

76

BFH v. 16.10.1997 – IV R 19/97, BStBl. II 1998, 139. BFH v. 7.5.2019 – VIII R 2/16, BStBl. II 2019, 528. BFH v. 15.5.2019 – VIII R 35/16, BStBl. II 2019, 580. BFH v. 21.3.1995 – XI R 85/93, BStBl. II 1995, 732. BFH v.16.7.2014 – VIII R 41/21, BStBl. II 2015, 216 BFH v. 8.10.2008 – VIII R 53/07, BStBl. II 2009, 143. Näher H 15.6 EStH 2020.

Steuergegenstand | Rz. 234 § 2 GewStG

tung bzw. Ware ein einheitlicher Erfolg geschuldet wird oder das Ergebnis der einen Tätigkeit ohne die andere Tätigkeit unbrauchbar ist. Bei einheitlichen Tätigkeiten ist unter Würdigung aller Umstände zu entscheiden, ob nach dem Gesamtbild die gemischte Tätigkeit156 insgesamt als freiberufliche oder als gewerbliche und damit gewerbesteuerpflichtige Tätigkeit zu behandeln ist. Folgende Fragestellungen sind dabei hilfreich: Tritt der Steuerpflichtige am Markt mit einer gewerblichen oder freiberuflichen Leistung auf? Wird gegenüber dem Abnehmer eine gewerbliche oder freiberufliche Leistung geschuldet? Ist die gewerbliche Komponente nur Hilfsmittel für den freiberuflichen Bereich, da in diesem Teilbereich kein Gewinn angestrebt wird?

229

Beispiel: Ein Schriftsteller gibt sein eigenes Buch im Selbstverlag heraus, d.h. er hat nicht nur das Manuskript verfasst, sondern sorgt auch für den Druck, Vertrieb und Verkauf. Von der insgesamt gewerblichen Tätigkeit lassen sich keine freiberuflichen Anteile abspalten. Es handelt sich insgesamt um gewerbliche Einkünfte, die Gewerbesteuerpflicht nach sich ziehen.157

Wird bei sachlich und wirtschaftlich zusammenhängenden Teilbereichen in einem Teilbereich kein Gewinn angestrebt, zählen die Einnahmen und Ausgaben aus dem gewinnlosen Teilbereich zu dem mit Gewinnerzielungsabsicht betriebenen Teilbereich. Der nicht gewinnorientierte Teilbereich kann nur Hilfstätigkeit für den mit Gewinnerzielungsabsicht betriebenen Teilbereich sein, da es insoweit an einer selbständigen Gewinnerzielungsabsicht mangelt und insoweit separate Einkünfte ausgeschlossen sind.158

230

Beispiel: Ein Architekt (1) führt gegenüber bestimmten Kunden nur reine Architektenleistungen aus, (2) einer Vielzahl anderer Kunden verkauft er schlüsselfertige Gebäude (Grundstücke wurden von ihm gekauft, er hat Baupläne erstellt, andere Unternehmer im eigenen Namen mit Erstellung der Gebäude beauftragt, Bauleitung und -überwachung übernommen), (3) wiederum anderen Kunden verkauft er unbebaute Grundstücke, (4) und schließt mit diesen Kunden dann separate Architektenaufträge ab. Die Tätigkeiten zu 2. (hier besteht keine Möglichkeit der Trennung in eine gewerbliche und freiberufliche Tätigkeit) und 3. begründen einen Gewerbebetrieb. Im Übrigen werden nichtgewerbesteuerpflichtige freiberufliche Einkünfte erzielt.

frei

231

Auch die sonstige selbständige Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG)159 unterliegt nicht der Gewerbesteuer. Die Aufzählung in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG (Testamentsvollstrecker, Vermögensverwalter, Aufsichtsratsmitglied) ist beispielhaft. Dort nicht aufgeführte Tätigkeiten fallen nur unter § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, wenn sie den gesetzlichen Beispielen ähnlich sind. Ähnliche Tätigkeiten sind: – Insolvenzverwalter, – Zwangsverwalter und Nachlasspfleger, – Hausverwaltung für Dritte, – Mitglied eines Gesellschafterbeirats einer GmbH.

232

Einkünfte aus Tätigkeiten als berufsmäßiger Betreuer und Verfahrenspfleger sind i.d.R. unter § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu erfassen und unterliegen damit nicht der Gewerbesteuer.160

233

Eine rein körperliche Betätigung kann nie zu Einkünften i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG führen. Bei einer Beschäftigung von fachlich vorgebildeten Mitarbeitern (Vervielfälti-

234

156 Zu Mischtatbeständen bei natürlichen Personen Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 276 ff. 157 BFH v. 30.11.1978 – IV R 15/73, BStBl. II 1979, 236. 158 Vgl. H 15.6 EStH 2020 „Heilberufe“. 159 Vgl. H 15.6 EStR 2012. 160 BFH v. 15.6.2010 – VIII R 10/09, BStBl. II 2010, 906.

77

GewStG § 2 Rz. 235 | Steuergegenstand gungstheorie) ist § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 und 4 EStG auch im Rahmen der Einkünfte nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG anzuwenden.161 235

Einkünfte aus einer Tätigkeit als Insolvenzverwalter oder aus der Zwangsverwaltung von Liegenschaften gehören, auch wenn sie von Rechtsanwälten erzielt werden, grds. zu den nicht gewerbesteuerpflichtigen Tätigkeiten i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG.162 Dies gilt auch dann, wenn der Insolvenzverwalter oder Zwangsverwalter die Tätigkeit unter Einsatz vorgebildeter Mitarbeiter ausübt, sofern er dabei selbst leitend und eigenverantwortlich tätig bleibt; insoweit ist § 18 Abs.1 Nr. 1 Sätze 3 und 4 EStG entsprechend anzuwenden.

236

Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören auch Einkünfte der staatlichen Lotterieeinnehmer (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 EStG) sowie Einkünfte aus Wagniskapitalgesellschaften (§ 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG, sog. Carried Interest, Gewinnvorzug).

237–239

frei

g) Abgrenzung zur privaten Vermögensverwaltung 240

Das negative und ungeschriebene Tatbestandsmerkmal „keine private Vermögensverwaltung“163 ist gesetzlich hier nicht geregelt, wird jedoch in ständiger Rechtsprechung des BFH aus dem Gesetz abgeleitet.164 Ohne dieses Abgrenzungsmerkmal müsste z.B. die Vermietung eines großen Mietshauses an einen häufiger wechselnden Mieterkreis als gewerbliche Betätigung angesehen werden, weil alle positiven Voraussetzungen des Gewerbebetriebs (Selbständigkeit, Nachhaltigkeit, Gewinnerzielungsabsicht, Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr) vorliegen. Unstreitig ist die Betätigung jedoch als Vermögensverwaltung anzusehen, bei der in diesem Fall Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S.d. § 21 EStG erzielt werden.

241

Die bloße Verwaltung eigenen Vermögens ist regelmäßig keine gewerbliche Tätigkeit. Vermögensverwaltung liegt vor, wenn sich die Betätigung noch als Nutzung von Vermögen im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten darstellt und die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung nicht entscheidend in den Vordergrund tritt. Eine Vermögensverwaltung liegt gem. § 14 Satz 3 AO i.d.R. vor, wenn Vermögen genutzt, zum Beispiel Kapitalvermögen verzinslich angelegt oder unbewegliches Vermögen vermietet oder verpachtet wird.

242

Ein Gewerbebetrieb liegt dagegen vor, wenn eine selbständige nachhaltige Betätigung mit Gewinnabsicht unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Verpachtung eines Gewerbebetriebs ist grds. nicht als Gewerbebetrieb anzusehen.165

243

Die Grenze der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb wird überschritten, wenn die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Vermögen i.S. einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt.166 In Zweifelsfällen ist maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie gewerblich sein, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist.167 Es ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse, die Verkehrsanschauung und typische Erscheinungsformen abzustellen. Die einzelnen Umstände sind zu gewichten und gegeneinander abzuwägen.168 161 162 163 164 165 166 167 168

78

BFH v. 15.12.2010 – VIII R 50/09, BStBl. II 2011, 506. BFH v. 15.12.2010 – VIII R 50/09, BStBl. II 2011, 506. Vgl. R 15.7 EStR 2012 bzw. H 15.7 EStH 2020. Etwa BFH v. 13.12.1995 – XI R 43/89 u.a., BStBl. II 1996, 232. R 15.7 Abs. 1 EStR 2012. BFH v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291. BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617. BFH v. 17.6.2020 – X R 26/18, BFH/NV 2021, 314. Zu einem ABC Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 115 ff.

Steuergegenstand | Rz. 249 § 2 GewStG

Diese Grundsätze genügen verfassungsrechtlichen Anforderungen.169 Eine Orientierung an unmittelbar der Lebenswirklichkeit entlehnten Berufsbildern ermöglicht es, unter Wahrung der aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit zu gewährleistenden Tatbestandsbestimmtheit der Entwicklung der Verhältnisse und den damit einhergehenden Veränderungen der jeweils einschlägigen Berufsbilder einerseits und der Anschauung über die Vermögensverwaltung Rechnung zu tragen.

244

Eine typische gewerbliche Tätigkeit ist der Handel.170 Seit jeher wird der Handel umschrieben als die der Vermittlung des Güterumlaufs zugewendete Erwerbstätigkeit. Zu seinem Wesen gehört der Kauf oder die sonstige Anschaffung von Sachen zum Weiterveräußerungszweck in gleichem Zustand oder nach weiterer Be- oder Verarbeitung. Typischerweise ist der Handel durch die wiederholte Anschaffung und Veräußerung von Wirtschaftsgütern i.S. eines marktmäßigen Umschlags von Sachwerten gekennzeichnet.171 Der Steuerpflichtige verhält sich demnach wie ein Händler, wenn er planmäßig und auf Dauer mit auf Güterumschlag gerichteter Absicht tätig geworden ist. Der planmäßige An- und Verkauf ist dem Bereich des Handels zuzuordnen und deshalb gewerblich.172

245

Wertpapiergeschäfte auf eigene Rechnung, auch von Angehörigen der Bankbranche, gehören im Allgemeinen zur privaten Vermögensverwaltung.173 Die Grenze zum Gewerbebetrieb ist erst überschritten, wenn besondere Umstände vorliegen, wie z.B. das Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung von Geschäften, Ausnutzung eines Marktes unter Einsatz beruflicher Erfahrungen oder andere bei einer privaten Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen.174

246

Vermietung und Verpachtung von Grundvermögen und die Vermietung von beweglichen Gegenständen175 geht i.d.R. über den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht hinaus. Sie kann ggf. auch gewerblich betrieben werden.176 Erwerb, Vermietung und Veräußerung von in die Luftfahrzeugrolle eingetragenen Flugzeugen sind gewerbliche Tätigkeiten, wenn die Vermietung mit dem An- und Verkauf aufgrund eines einheitlichen Geschäftskonzepts verklammert ist.177 Die Vermietung und Verpachtung von Grundvermögen ist aber auch dann noch bloße Vermögensnutzung, wenn der vermietete Grundbesitz sehr umfangreich ist und der Verkehr mit zahlreichen Mietparteien eine erhebliche Verwaltungsarbeit erfordert. Erst gewichtige Zusatzleistungen, die zusätzliche Tätigkeiten erfordern, wie sie bei langfristiger Vermietung nicht notwendig sind, macht die Vermietung und Verpachtung ggf. zu einer gewerblichen Tätigkeit.

247

Auch die Veräußerung kann zum „Bild“ der Vermögensverwaltung gehören.178 Der Verkauf von Grundstücken kann im Rahmen der bloßen Vermögensverwaltung oder im Rahmen eines bestehenden Gewerbebetriebs erfolgen.

248

Es kann aber auch ein gewerblicher Grundstückshandel179 und ein eigener Gewerbebetrieb vorliegen und damit auch eine Gewerbesteuerpflicht entstehen. In Ermangelung einer praktikablen Grenze zwischen Grundstücksveräußerungen als Umschichtung von Vermögen im Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung und einem gewerblichen Grundstückshandel hat der BFH in seiner Rechtsprechung180 die sog. Drei-Objekt-Grenze aufgestellt. Beim Verkauf von Grundstücken jeglicher Art kommt ein gewerblicher Grund-

249

BFH v. 17.6.2020 – XR 26/18, BFH/NV 2021, 314. BFH v. 17.6.2020 – XR 26/18, BFH/NV 2021, 314. BFH v. 25.7.2001 – X R 55/97, BStBl. II 2001, 809. BFH v. 4.7.2002 – IV B 44/02, BFH/NV 2002, 1559. Vgl. H 15.7 Abs. 9 EStH 2020. BFH v. 23.10.1998 – XI R 80/97, BStBl. II 1999, 448. BFH v. 12.11.1997 – XI R 44/95, BStBl. II 1998, 774. Vgl. R 15.7 Abs. 2 EStR 2012, H 15.7 Abs. 2 EStH 2020. BFH v. 26.6.2007 – IV R 49/04, BStBl. II 2009, 289; BMF v. 1.4.2009, BStBl. I 2009, 515. BFH v. 15.3.2000 – X R 130/97, BStBl. II 2001, 530; v. 17.6.2020 – X R 18/19, BStBl. II 2021, 213 für die Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Wirtschaftsgütern über eine Internetplattform. 179 Ausführlich Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 140 ff. 180 BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617. 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178

79

GewStG § 2 Rz. 250 | Steuergegenstand stückshandel grds. nur in Betracht, wenn der Steuerpflichtige mehr als drei solcher Objekte veräußert hat und ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Kauf bzw. Errichtung und dem Verkauf der Objekte besteht. Zu Detailfragen existieren umfangreiche Rechtsprechung und Verwaltungsanweisungen.181 250 Vorbehaltlich einer Betriebsaufspaltung, der mitunternehmerischen Betriebsverpachtung i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, der einheitlichen Behandlung einer nur teilweise gewerblichen Personengesellschaft i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG und der gewerblich geprägten Personengesellschaft i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG ist die Verpachtung eines Gewerbebetriebs (Betriebsverpachtung) keine gewerbliche Tätigkeit. Das einkommensteuerrechtliche182 Verpächterwahlrecht ist gewerbesteuerlich unbeachtlich. Die Gewerbesteuer kennt keinen ruhenden Gewerbebetrieb. Die Betriebsverpachtung führt vielmehr zur Beendigung der Gewerbesteuerpflicht und begründet keine (vorübergehende) Betriebsunterbrechung i.S.d. § 2 Abs. 4 GewStG.183 Der lebende Gewerbebetrieb geht auf en Pächter über. 251

Auch die Verpachtung eines Teilbetriebs erfüllt als solche nicht die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs. Die Pachteinnahmen unterliegen allerdings dann der Gewerbesteuer, wenn die Verpachtung des Teilbetriebs im Rahmen des Gesamtbetriebs vorgenommen wird, z.B. bei Verpachtung brauereieigener Gastwirtschaften durch die Brauerei.184

252–254

255

frei

h) Einzelfälle Architekten, die ausschließlich sog. Rendering-Leistungen anbieten, sind grds. freiberuflich und nicht gewerblich tätig.185

Eine Diplomsozialarbeiterin, die im Rahmen der ambulanten Eingliederungshilfe behinderte und kranke Menschen bei einer selbstbestimmten Lebensführung unterstützt, erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Annahme einer erzieherischen Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.186 257 Verwertung von Markenrechten und Internetdomains, die mit Gewinnerzielungsabsicht und unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ausgeübt wird, ist eine gewerbliche Tätigkeit.187 256

258

Ein gewerblicher Internet-Handel wird betrieben, wenn planmäßig Gegenstände in Wiederveräußerungsabsicht angekauft und wieder verkauft werden.188

259

Ein Online-Pokerspieler kann einen stehenden Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs.1 GewStG unterhalten.189 Voraussetzung ist eine inländische Betriebsstätte.

260

Einzelunternehmer, die Photovoltaikanlagen betreiben und den erzeugten Strom in das Stromnetz einspeisen (netzgekoppelte Anlage), erzielen – unter der Voraussetzung der Gewinnerzielungsabsicht – Einnahmen aus einer gewerblichen Betätigung i.S.d. § 15 Abs. 2 EStG.190 Dies gilt auch für andere Unternehmensformen, u.a. auch für die öffentliche Hand. Sog. kleine Solaranlagenbetreiber sind ab EZ 2019 von der Gewerbesteuer befreit (§ 3 Nr. 32 GewStG, § 3 Nr. 2 EEG).

261–265

frei

181 Vgl. BMF v. 26.3.2004, BStBl. I 2004, 434. 182 BFH v. 23.9.1988 – XI R 72/97, BStBl. II 1999, 281. 183 BFH v. 13.11.1963 – GrS 1/63 S, BStBl. III 1964, 124; v. 18.6.1998 – IV R 56/97, BStBl. II 1998, 735; R 2.2 GewStR 2009. 184 BFH v. 5.10.1976 – VIII R 62/72, BStBl. II 1977, 42. 185 FG Köln v. 10.8.2021 – 9 K 2291/17, juris. 186 BFH v. 29.9.2020 – VIII R 10/17, HFR 2021, 381. 187 FG Münster v. 15.9.2021 – 13 K 3818/18 E, EFG 2022, 106. 188 BFH v. 17.6.2020 – X R 26/18, BFH/NV 2021, 314. 189 BFH v. 25.2.2021 – III R 67/18, BFH/NV 2021, 1070; FG Münster v. 10.3.2021 – 11 K 3030/15 E, G, EFG 2021, 1208, Rev. BFH X R 8/21. 190 FinMin. Thür. v. 23.3.2021 – S 2240-A-36-21.19, Rz. 1, 10.

80

Steuergegenstand | Rz. 277 § 2 GewStG

3. Gewerbebetrieb einer Personengesellschaft (Abs. 1 Satz 2) a) Allgemeines aa) Verweis auf § 15 EStG insgesamt Auch Personengesellschaften (z.B. OHG, KG sowie andere Gesellschaften wie z.B. BGBGesellschaft, atypisch stille Gesellschaft) können gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG einen Gewerbebetrieb unterhalten. Inhalt, Art und Umfang des Gewerbebetriebs richten sich wie beim Einzelunternehmen nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen.

266

Der Verweis auf das EStG in § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG zielt hierbei nicht nur auf die Vorschrift des § 15 Abs. 2 EStG, die vornehmlich die „objektiven“ Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs umschreibt, sondern auch auf § 15 Abs. 1 und 3 EStG. In Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 1 EStG ergibt sich hieraus, dass die Tätigkeit einer Personengesellschaft, bei der die Gesellschafter als Unternehmer (sog. Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen sind, in vollem Umfang einen Gewerbebetrieb darstellt.191

267

Auch diese Personengesellschaft muss, wie das Einzelunternehmen, alle positiven und negativen Merkmale des § 15 Abs. 2 EStG erfüllen. Dies ergibt sich zwar nicht direkt auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Es folgt aber aus dem Umkehrschluss aus § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG („wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit im Sinn des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 ausübt“).

268

Aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG folgt auch systematisch, dass Personengesellschaften und andere Mitunternehmerschaften nicht schon kraft Rechtsform gewerbesteuerpflichtig sind. Vielmehr handelt es sich um rechtsformunabhängige gewerbliche Unternehmen kraft tatsächlicher Tätigkeit.192 Die gesetzlichen Fiktionen des § 15 Abs. 3 EStG bestimmen den Umfang des Gewerbebetriebs.

269

Danach gilt: Offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften (Personenhandelsgesellschaften, § 105 HGB) oder andere Personengesellschaften, die eine Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausüben und deren Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, sind Gewerbebetriebe nach § 2 Abs. 1 GewStG.193

270

Liegen keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor, kann es sich zwar um einen Mitunternehmerschaft handeln. Diese ist aber dann nicht gewerbesteuerpflichtig. So kann die Mitunternehmerschaft Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 Abs. 7 EStG) oder aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 4 Satz 2 EStG) erzielen. Sie kann aber auch bloße Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder aus Kapitalvermögen erzielen (vermögensverwaltende Personengesellschaft, sofern sie nicht nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägt sind).

271

frei

272–274

bb) Mitunternehmerschaften Mitunternehmerschaften194 sind in der Praxis vornehmlich die Personengesellschaften i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG (OHG, KG, BGB-Gesellschaft, Partenreederei). Daneben grds. auch gewerbliche Partnerschaftsgesellschaften, Innengesellschaften, Gütergemeinschaft, Bruchteilsgemeinschaften, Erbengemeinschaften.

275

Keine Mitunternehmerschaften sind hier die Arbeitsgemeinschaften (§ 2a GewStG), die EWIV sowie bloße Büro- und Praxisgemeinschaften.

276

frei

277

191 BFH v. 3.5.1979 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616. 192 Ebenso BFH v. 4.5.2017 – IV R 2/14, BStBl. II 2017, 1138; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 401. 193 R 2.1 Abs. 2 GewStR 2009. Zu Besonderheiten bei doppelstöckigen Personengesellschaften Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 41; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 413. 194 Vgl. die Zusammenstellung bei Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 26 ff., 403 ff. m.w.N.

81

GewStG § 2 Rz. 278 | Steuergegenstand cc) Mitunternehmer 278

Gewerbesteuerrechtlicher Unternehmer i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG ist in Übereinstimmung mit dem Einkommensteuerrecht der einzelne Gesellschafter und Mitunternehmer. Die Begriffe „Unternehmer“ und „Mitunternehmer“ sind gleichrangig.195 Hiervon geht, abgesehen von der Verweisregelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG auch das übrige GewStG aus (vgl. § 8 Nr. 8, § 9 Nr. 2, § 10a Satz 5, § 31 Abs. 5 GewStG).

279

Auch der Mitunternehmer ist ein Unternehmer des Betriebs. Der Mitunternehmer unterscheidet sich vom Einzelunternehmer dadurch, dass er seine unternehmerische Tätigkeit nicht allein, sondern zusammen mit anderen (mindestens zwei) (Mit-)Unternehmern in gesellschaftlicher Verbundenheit ausübt. Daraus folgt, dass bei Personenhandelsgesellschaften nicht anders als bei den sonstigen Personengesellschaften die Gesellschafter, die Mitunternehmerrisiko tragen und Mitunternehmerinitiative ausüben können, die Unternehmer des Betriebs der Personengesellschaft sind. Ihre gesellschaftliche Verbundenheit kommt auch darin zum Ausdruck, dass das Gesetz sie als Mitunternehmer des Betriebs bezeichnet. Weil die Gesellschafter die Mitunternehmer des Betriebs sind, der Betrieb auf ihre Rechnung und auf ihre Gefahr geführt wird, werden ihnen die Ergebnisse, Gewinn und Verlust, der gemeinschaftlichen Tätigkeit anteilig als originäre eigene Einkünfte zugerechnet.

280

Unbeschadet dessen ist Steuerschuldner der Gewerbesteuer die Gesellschaft selbst (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Die gewerbesteuerrechtliche (Mit-)Unternehmerstellung der Gesellschafter wird durch die Regelung über die Steuerschuldnerschaft von Personengesellschaften nicht berührt.196 Einheitliche Gewerbebetrieb mit seinen sachlichen Grundlagen und Beziehungen zu den einzelnen Mitunternehmern ist der Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs. 1 GewStG.197

281

Den Gesetzesbegriff des Mitunternehmers versteht die Rechtsprechung als Typusbegriff. Er ist danach keiner abschließenden Definition durch eine begrenzte Zahl von Kriterien zugänglich, sondern kann nur durch eine unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden.198 Kennzeichnend für den Mitunternehmer i.S.d. § 15 EStG ist, dass er zusammen mit anderen Personen eine Unternehmerinitiative (Mitunternehmerinitiative) entfalten kann und ein Unternehmerrisiko (Mitunternehmerrisiko) trägt. Mitunternehmerinitiative bedeutet Teilhabe an den unternehmerischen Entscheidungen. Mitunternehmerrisiko bedeutet die objektive Möglichkeit der Teilhabe an der Betriebsvermögensvermehrung.

282

Beide Hauptmerkmale der Mitunternehmerstellung (Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko) können zwar im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein. Sie müssen jedoch beide vorliegen. Ob dies zutrifft, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen. Geht es etwa um die Mitunternehmereigenschaft eines Kommanditisten, dann muss der Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag und der tatsächlichen Durchführung zumindest eine Stellung haben, die nicht wesentlich hinter derjenigen zurückbleibt, die handelsrechtlich das Bild des Kommanditisten bestimmt.

283–284

frei

b) Gewerbliche Tätigkeit (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG) 285

Eine Personengesellschaft (z.B. OHG, KG) unterhält einen Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, wenn ihre Betätigung die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt und die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind (Mitunternehmerschaft).

195 Zum Folgenden BFH v. 5.1979 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616. 196 BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617. 197 BFH v. 3.4.2008 – IV R 54/04, BStBl. II 2008, 742; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 401. 198 Zum Folgenden BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1993, 574.

82

Steuergegenstand | Rz. 293 § 2 GewStG

Bei einer atypisch stillen Gesellschaft199 handelt es sich ertragsteuerrechtlich um eine Mitunternehmerschaft und gewerbesteuerrechtlich um einen Gewerbebetrieb. Entscheidend sind auch hier die Kriterien der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos. Für den Umfang des Gewerbebetriebs entscheidet die Art der Beteiligung des am Handelsgewerbe Beteiligten.200

286

Beispiel: Die Y OHG, an der die Personen A und B als Mitunternehmer beteiligt sind, betreibt ein Lebensmittelgeschäft.

frei

287–289

c) Teilweise gewerbliche Tätigkeit (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) Eine Personengesellschaft unterhält auch dann grds. einen Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, wenn die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG (Abfärbetheorie/ Abfärbung/Infektion) oder des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG (Geprägetheorie) erfüllt sind. § 15 Abs. 3 EStG enthält eine umqualifizierende Fiktion des Gewerbebetriebs für Personengesellschaften, die mehrere unterschiedlichen Tätigkeiten ausüben („gilt in vollem Umfang“). Die Regelung dient der Abgrenzung von Einkunftsarten. Sie ist auch im Rahmen des GewStG anzuwenden. Das entspricht dem klaren Wortlaut und Zweck des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, der ohne weitere Differenzierungen und Einschränkungen auf das Vorliegen eines gewerblichen Unternehmens i.S.d. EStG verweist (Rechtsgrundverweis).

290

§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG erweitert den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft, wenn die Gesellschaft – neben anderen Tätigkeiten (z.B. freie Berufstätigkeit oder Vermögensverwaltung) – auch eine Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt oder gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bezieht.

291

§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG betrifft gewerbliche Mischtatbestände201 von freiberuflichen, vermögensverwaltenden und land- und forstwirtschaftlichen Personengesellschaften, die zunächst nicht der Gewerbesteuer unterliegen. Dies betrifft zunächst gewerbliche Tätigkeiten dieser ansonsten nicht gewerblich tätigen Personengesellschaften (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 EStG, sog. Seitwärtsinfektion); sodann aber auch gewerbliche Einnahmen einer im Übrigen nicht gewerblich tätigen Personengesellschaft aus einer Beteiligung an einer gewerblichen Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG, sog. Aufwärtsinfektion/ Aufwärtsabfärbung). Die Regelung soll verhindern, dass infolge unzureichender Abgrenzungsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Tätigkeiten einer Gesellschaft gewerbliche Einkünfte der Gewerbesteuer entzogen werden.

292

Die Regelung ist insgesamt verfassungsgemäß.202 Bei sog. gemischten Tätigkeiten eines Einzelunternehmers sind gleichzeitig verrichtete gewerbliche und freiberufliche Betätigungen selbst bei sachlichen und wirtschaftlichen Berührungspunkten i.d.R. getrennt zu beurteilen. Das BVerfG hat die Verfassungsmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Abfärberegelung im Hinblick auf diese Ungleichbehandlung zwischen Einzelunternehmen und Personengesellschaften allerdings grds. bestätigt. Die mit der Typisierung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG verbundenen Nachteile stünden danach in einem vertretbaren Verhältnis zu den mit der Regelung verfolgten Zielen, die Ermittlung der Einkünfte auch gewerblich tätiger Personengesellschaften durch Fiktion nur einer Einkunftsart zu vereinfachen und das Gewerbesteueraufkommen zu schützen.

293

199 200 201 202

Näher Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 414 ff. Näher Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 33 f. Näher Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 283 ff., 423 ff. BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 EStG; BFH v. 30.8.2001 – IV R 43/00, BStBl. II 2002, 152.

83

GewStG § 2 Rz. 294 | Steuergegenstand 294

Im Rahmen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 EStG (sog. Seitwärtsinfektion) hat die Rechtsprechung des BFH (VIII. Senat)203 auch mit Wirkung für die Gewerbesteuer zwei ungeschriebene Einschränkungen entwickelt. Keine Umqualifizierung findet statt, wenn es sich um eine gewerbliche Tätigkeit von äußerst geringem Ausmaß handelt. Eine Tätigkeit von noch äußerst geringem Ausmaß, die nicht dazu führt, dass die gesamte Tätigkeit der Personengesellschaft einheitlich als gewerblich fingiert wird, liegt dann vor, wenn die originär gewerblichen Nettoumsatzerlöse 3 v.H. der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 € im Veranlagungszeitraum als Obergrenze nicht übersteigen. Wird diese Grenze überschritten, gilt die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft in vollem Umfang als gewerbesteuerpflichtige gewerbliche Tätigkeit, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG Alt. 1 EStG). Die gewerbliche Betätigung in einem Teilbereich färbt somit auf die Gesamttätigkeit ab.204

295

Diese Bagatell- und Höchstgrenze orientiert sich an dem gewerbesteuerrechtlichen Freibetrag für Personengesellschaften gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG und beruht auf dem Gedanken, dass die Belastung originär nicht gewerblicher Einkünfte mit Gewerbesteuer nicht geboten ist, wenn das Gewerbesteueraufkommen nicht gefährdet ist.205 Die dennoch frei gegriffene Restriktion durch die Rechtsprechung erscheint verfassungsrechtlich weder geboten noch zulässig.

296

Die Abfärbewirkung (gewerbliche Infizierung) einer gewerblichen Tätigkeit auf eine im Übrigen freiberuflich tätige Personengesellschaft kann der Steuerpflichtige zweitens gestaltend auch dadurch vermeiden, dass die gewerbliche Tätigkeit auf eine andere Personengesellschaft verlagert und ausgegliedert wird. Das Ausgliederungsmodell haben Rechtsprechung und Finanzverwaltung grds. anerkannt.206

297

Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 EStG (sog. Abwärtsabfärbung bzw. Aufwärtsabfärbung) tritt die Abfärbewirkung auch ein, wenn die Personengesellschaft gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG mittels einer Beteiligung bezieht. Diese Regelung ist nach Auffassung des BFH (IV. Senat)207 in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht auch ohne Berücksichtigung einer Geringfügigkeitsgrenze, bis zu deren Erreichen die gewerblichen Beteiligungseinkünfte nicht auf die übrigen Einkünfte abfärben, verfassungsgemäß. Nach Auffassung des BFH führen gewerbliche Beteiligungseinkünfte einkommensteuerrechtlich unabhängig von ihrem Umfang immer zur Umqualifizierung nicht gewerblicher Einkünfte. Es handele sich insoweit um eine grds. zulässige Typisierung, mit der Einkünfte einer Einkunftsart insgesamt einer anderen Einkunftsart zugeordnet werden. Nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles könne diese Umqualifizierung für den Steuerpflichtigen auch zu steuerrechtlichen Vorteilen wie etwa bei einer Verlustberücksichtigung oder einer Rücklagenbildung führen.

298

Dies entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung, wonach die Einkünfte einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (Obergesellschaft) aufgrund gewerblicher Beteiligungseinkünfte aus einer Untergesellschaft ohne Anwendung einer Bagatellgrenze (H 15.8 Abs. 5 „Bagatellgrenze“ EStH 2020) nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG in gewerbliche Einkünfte für Zwecke der Einkommensteuer (und Gewerbesteuer) umzuqualifizieren sind.

203 BFH v. 27.8.2014 – VIII R 16/11, BStBl. II 2015, 996 mit Verweis auf BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 204 Vgl. H 15.6 EStH „Gesellschaft“ mit zahlreichen BFH-Entscheidungen u.a. zur Beteiligung von nicht freiberuflich Tätigen an einer Freiberufler-Personengesellschaft. 205 BFH v. 6.6.2019 – IV R 30/16, BFH/NV 2019, 1630. 206 BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (53); BFH v. 8.12.1994 – IV R 792, BStBl. II 1996, 264; BMF v. 14.5.1997, BStBl. I 1997, 566. 207 BFH v. 6.6.2019 – IV R 30/16, BStBl. II 2020, 649; ebenso FG Hamburg v. 25.2.2021 – 3 K 139/20, EFG 2021, 1564; FG Hamburg v. 26.6.2020 – 4 K 3437/11, EFG 2021, 857, Rev. BFH IV R 24/20. Vgl. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 284, 423 m.w.N.

84

Steuergegenstand | Rz. 305 § 2 GewStG

Als Gestaltung208 zur Vermeidung der gewerbesteuerrechtlichen Verstrickung bietet sich an, die originär gewerbliche Betätigung auf eine nachgeordnete Untergesellschaft zu verlagern. Dies gilt nicht nur für ansonsten vermögensverwaltende Gesellschaften, sondern auch für Personengesellschaften, die ansonsten Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielen.

299

Allerdings urteilte der BFH209 in derselben Entscheidung zugleich, dass in diesem Fall § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG verfassungskonform und einschränkend dahin auszulegen sei, dass solche gewerblichen Unternehmen nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG als der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gelten (eingeschränkte Abfärbewirkung bei Beteiligungseinkünften einer Personengesellschaft).

300

Zur Begründung führt der BFH an: Im Hinblick auf die Gewerbesteuer sei die Abfärbewirkung aufgrund gewerblicher Beteiligungseinkünfte (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 EStG) – anders als die Abfärbewirkung bei originär gewerblicher Tätigkeit (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 EStG) – aber nur dann verfassungsgemäß, wenn die infolge der Abfärbung gewerblichen Einkünfte nicht gewerbesteuerbar seien. Nur so werde eine verfassungswidrige Schlechterstellung von Personengesellschaften gegenüber Einzelunternehmern vermieden, da letztere gleichzeitig mehrere verschiedene Einkunftsarten verwirklichen könnten. In seiner Begründung bezieht sich der BFH auf den Schutz des Gewerbesteueraufkommens als Gesetzeszweck. Die Abfärbewirkung aufgrund originär gewerblicher Tätigkeit verhindere, dass infolge unzureichender Abgrenzungsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Tätigkeiten einer Gesellschaft gewerbliche Einkünfte der Gewerbesteuer entzogen werden. Diese Gefahr bestehe bei gewerblichen Beteiligungseinkünften nicht, so dass es insoweit keiner Abfärbewirkung bedürfe. Zudem seien die gewerblichen Beteiligungseinkünfte, die bei der Obergesellschaft einkommensteuerrechtlich zur Gewerblichkeit der weiteren Einkünfte führen, bei ihr im Hinblick auf die gewerbesteuerrechtliche Kürzung ohnehin nicht mit Gewerbesteuer belastet.

301

Gewerbesteuerrechtliche Fragen waren in diesem Urteil nach der gegenteiligen Auffassung der Finanzverwaltung nicht entscheidungserheblich gewesen. Die Finanzverwaltung210 wendet die Grundsätze des Urteils daher hier nicht an. Damit vertritt sie weiterhin bis auf Weiteres die Auffassung, dass eine Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG zu gewerbesteuerpflichtigen Einkünften bei der Obergesellschaft führt.

302

Die restriktive (und unterschiedliche) Interpretation des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG bzw. des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG widersprechen dem Wortlaut und Zweck dieser Regelungen und sind auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Eine Rechtsformneutralität muss nach h.M. nicht bestehen. Fiskalische Substanzsicherung rechtfertigt zudem keine Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte.

303

Beispiel 1: Eine OHG betreibt außer ihrem Gartenbaubetrieb eine große Handelsgärtnerei, in der vorwiegend fremde Erzeugnisse verkauft werden. Zusätzlich betreibt sie noch eine Friedhofsgärtnerei. Die OHG ist in vollem Umfang gewerbesteuerpflichtig.

304

Beispiel 2: Eine GbR betreibt bis einschließlich 01 die Hotels A und B. Zum 1.1.2002 verpachtet die GbR das Hotel B mit Inventar und Einrichtung gegen monatliche Zahlungen von 5.000 €. Neben dem Betrieb des Hotels A zählt ab 02 auch die Verpachtung des Teilbetriebs Hotel B, anders als bei einem Einzelunternehmen, nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zur gewerblichen Tätigkeit der GbR.211

Zusammenschlüsse von Angehörigen eines freien Berufs mit einer berufsfremden Person führen zur Gewerbesteuerpflicht, wenn die berufsfremde Person Mitunternehmer ist.212 Berufsfremde Person ist dabei auch eine an einer KG als Mitunternehmerin beteiligte GmbH, wenn ihre sämtlichen Gesellschafter und ihre Geschäftsführer Angehörige eines 208 Näher Nöcker, FR 2019, 871. 209 BFH v. 6.6.2019 – IV R 30/16, BStBl. II 2020, 649; ebenso FG Hamburg v. 25.2.2021 – 3 K 139/20, EFG 2021, 1564; krit. Pohl, Ubg 2019, 533. 210 Gleichlautende Ländererlasse v. 1.10.2020, BStBl. I 2020, 1032. 211 BFH v. 13.10.1977 – IV R 174/74, BStBl. II 1978, 73. 212 BFH v. 9.10.1986 – IV R 235/84, BStBl. II 1987, 124.

85

305

GewStG § 2 Rz. 306 | Steuergegenstand freien Berufes sind, die GmbH als alleinige Komplementärin lediglich eine Haftungsvergütung erhält, am Gewinn der KG nicht beteiligt ist und von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist.213 306

Beispiel 1: Heilpraktiker A schließt sich mit einem Steuerpflichtigen, der keine Erlaubnis zur Ausübung des Berufs des Heilpraktikers besitzt, zu einer Heilpraktikerpraxis in Form einer GbR zusammen. Durch die Bildung der GbR mit einer nicht freiberuflich tätigen Person besteht für die Tätigkeit als Heilpraktiker Gewerbesteuerpflicht. Beispiel 2: Rechtsanwalt R und Steuerberater S vereinbaren eine Sozietät, in der sie jeweils berufstypische Tätigkeiten für die gemeinsamen Mandanten ausüben. Sie erzielen keine gewerblichen Einkünfte und unterhalten keinen Gewerbebetrieb. Vielmehr erzielen sie im Rahmen einer GbR gemeinschaftliche freiberufliche Einkünfte. Sie betreiben dagegen einen Gewerbebetrieb, wenn sie zusätzlich eine Vermögensberaterin als Mitunternehmerin in die Gesellschaft aufnehmen.

307

Ungeschriebene Besonderheiten auch für Zwecke der Gewerbesteuer bestehen bei bestimmten vermögensverwaltenden Personengesellschaften. Anders als im Fall der FreiberuflerPersonengesellschaft mit einem oder mehreren berufsfremden Gesellschaftern entsteht bei einer sog. Zebragesellschaft selbst kein Gewerbebetrieb. Eine Zebragesellschaft liegt vor, wenn Anteile an einer nicht gewerblich tätigen Personengesellschaft, z.B. an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft in Form einer Grundstücksgesellschaft oder in Form von Fondsgesellschaften etwa einem geschlossenen Immobilienfonds, von einigen Gesellschaftern im Betriebsvermögen gehalten werden und damit nur bei diesen Gesellschaftern zu gewerblichen Einkünften führen. Gleiches gilt, wenn nur bei einem oder wenigen Beteiligten ein gewerblicher Grundstückshandel vorliegt und dies wiederum bei einer vermögensverwaltenden Grundstücksgesellschaft oder einem geschlossenen Immobilienfonds bezogen auf diese Gesellschafter zu gewerblichen Einkünften führt. In diesen Fällen sind die Einkünfte nach der Rechtsprechung214 in Überschuss- und Gewinneinkünfte aufzuteilen und ggf. umzuqualifizieren.

308

Die anteilige Umqualifizierung der an sich nicht gewerblichen Einkünfte findet (nur) für den von der Gewerblichkeit betroffenen Gesellschafter (auf Gesellschafterebene) außerhalb der Zebragesellschaft durch das für den Gesellschafter zuständige Finanzamt statt.215 Gewerbliche Einkünfte aus der Zebragesellschaft werden dadurch nicht der Gewerbesteuer entzogen, sondern erhöhen – im Fall des Verlustes kommt es zu einer Minderung – den Gewerbeertrag aus der eigenständigen gewerblichen Tätigkeit des betroffenen Gesellschafters. Die Kürzungs- und Hinzurechnungsvorschriften des § 9 Nr. 2 und § 8 Nr. 8 GewStG greifen insoweit nicht ein, weil sie die Beteiligung an einer Personengesellschaft voraussetzen, die selbst einen Gewerbebetrieb unterhält. Insoweit wird der Grundsatz der Einheit der Personengesellschaft216 (in der Vielfalt der Gesellschafter) zugunsten einer Betrachtung des einzelnen Gesellschafters steuerrechtlich durchbrochen.

309

frei

213 BFH v. 10.10.2012 – VIII R 42/10, BStBl. II 2013, 79. 214 BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 zum gewerblichen Grundstückshandel; v. 11.4.2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679 zur Zebragesellschaft. 215 BFH v. 11.4.2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679. 216 BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617.

86

Steuergegenstand | Rz. 316 § 2 GewStG

d) Gewerblich geprägte Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG verweist nach allgemeiner Auffassung auch auf § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG.217 Diese Regelung ist verfassungsgemäß.218 § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG erweitert den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.

310

Als Gewerbebetrieb gilt danach auch die mit Einkunftserzielungsabsicht vorgenommene Tätigkeit einer gewerblich geprägten Personengesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG (Geprägeregelung). Danach gilt in vollem Umfang als Gewerbebetrieb auch die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft, die keine Tätigkeit i.S d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt und bei der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind (sog. gewerblich geprägte Personengesellschaft). In diesem besonderen Fall der Abfärbung qualifiziert die Tätigkeit des Gesellschafters als gewerblich die gesamte Tätigkeit der Gesellschaft.

311

Der hier bestimmte fiktive Gewerbebetrieb ist dann auch Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs. 1 GewStG219 und unterliegt der Gewerbesteuer. Die Gewerbesteuerpflicht ergibt sich allerdings aus der Rechtsform der prägenden Kapitalgesellschaft als Gesellschafter.220 Typischer Anwendungsfall ist die GmbH & Co. KG. Eine GmbH & Co. KG mit originär gewerblichen Einkünften kann keine gewerblich geprägte Personengesellschaft sein.221 Der Steuerpflichtige kann auch diese Konstellation gestalten.

312

Von dieser Vorschrift werden nur Personengesellschaften erfasst, die keine eigentliche gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 EStG ausüben, bei der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich als Gesellschafter haften und nur diese oder Nichtgesellschafter zur Geschäftsführung befugt sind. Sowohl eine gewerblich tätige als auch eine gewerblich geprägte Personengesellschaft kann nur einen einzigen Gewerbebetrieb haben, der ihre gesamte Tätigkeit („in vollem Umfang“) umfasst.222 Einkünfteerzielungsabsicht ist notwendig.223

313

Auch gewerblich geprägte Personengesellschaften sind sachlich gewerbesteuerpflichtig nur, wenn und solange sie einen Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs. 1 GewStG unterhalten. Die sachliche Gewerbesteuerpflicht endet deshalb schon mit der dauerhaften Einstellung der werbenden Tätigkeit. Maßnahmen zur Vermögensverwertung nach Einstellung des Betriebs werden danach – anders als bei Kapitalgesellschaften, deren Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt – nicht mehr von der Steuerpflicht erfasst.224

314

Beispiel: Eine A-B Grundbesitz-KG verwaltet im Rahmen der Vermögensverwaltung die Vermietungen und Verpachtungen ihres Grundvermögens. Der Komplementär B tritt am 31.12. aus der KG aus. Neue Komplementärin wird die C-GmbH. Die dadurch entstandene GmbH & Co. KG ist eine gewerblich geprägte Personengesellschaft gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG. Sie gilt in vollem Umfang als einheitlicher Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 GewStG.

315

Dies gilt nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG gleichermaßen auch für sog. doppelstöckige gewerblich geprägte Personengesellschaften. In diesem Fall ist eine gewerblich geprägte

316

217 BFH v. 18.5.2017 – IV R 30/15, BFH/NV 2017, 1191; v. 25.9.2008 – IV R 80/05, BStBl. II 2009, 266; v. 17.3.2010 – IV R 41/07, BStBl. II 2010, 977; R 2.1 GewStR 2009; H 2.1 Abs. 2 GewStH 2016. Näher zu § 15 Abs. 3 Nr. 2 GewStG für Gewerbesteuerzwecke Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 430 ff. 218 BFH v. 21.11.2003 – IV R 5/02, BStBl. II 2004, 464. 219 BFH v. 18.5.2017 – IV R 30/15, BFH/NV 2017, 1191; v. 20.11.2003 – IV R 5/02, BStBl. II 2004, 464; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 432. 220 Zu Beginn und Ende der Gewerbesteuerpflicht und zur Gewerbesteuerbelastung der gewerblich geprägten Personengesellschaft näher Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 451 f. 221 BFH v. 9.11.2017 – IV R 37/14, BStBl. II 2018, 227. 222 H 2.1 Abs. 2 GewStH 2009. 223 BFH v. 25.9.2008 – IV R 80/05, BStBl. II 2009, 266. 224 BFH v. 18.5.2017 – IV R 30/15, BFH/NV 2017, 1191 m.w.N.

87

GewStG § 2 Rz. 317 | Steuergegenstand Personengesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter an einer anderen Personengesellschaft beteiligt. Für die Beurteilung der gewerblichen Tätigkeit der anderen Personengesellschaft steht sie hier einer Kapitalgesellschaft gleich. 317–319

frei

III. Betriebsaufspaltung 1. Allgemeines a) Inländische Betriebsaufspaltung 320

Die Vermietung und Verpachtung von Grundbesitz, Gewerbebetrieben oder anderen Anlagegütern durch einen Einzelunternehmer oder eine Personengesellschaft gehören grds. zur privaten Vermögensverwaltung und sind nach § 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 15 Abs. 2 GewStG nicht gewerbesteuerbar. Das gilt nicht für den Ausnahmefall der gewerblichen Vermietung und Verpachtung. Ein weiterer Sonderfall ist einkommensteuerrechtlich und gewerbesteuerrechtlich die praxisrelevante Betriebsaufspaltung,225 die gewerbliche Einkünfte und einen Gewerbebetrieb begründet.

321

Die Vermietung und Verpachtung, aber auch eine unentgeltliche Überlassung, wird jedoch in eine gewerbliche Tätigkeit „umqualifiziert“, wenn das rechtlich selbständige vermietende Unternehmen (Besitzunternehmen) mit einem rechtlich selbständigen anmietenden gewerblichen Unternehmen (Betriebsunternehmen) personell und sachlich verflochten ist. Auch bei einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung ist die Gewinnerzielungsabsicht des Besitzunternehmens durch das Streben nach Beteiligungserträgen gegeben (und notwendig). Die Beteiligungserträge sind Betriebseinnahmen des Besitzunternehmens, da die Anteile des Besitzunternehmens an dem Betriebsunternehmen zum notwendigen Betriebsvermögen des Besitzunternehmens gehören.

322

Diese sog. Betriebsaufspaltung ist gesetzlich nicht allgemein geregelt, sondern durch die Rechtsprechung gewohnheitsrechtlich entwickelt und bestätigt worden.226 Die Rechtsprechung227 geht nunmehr von originär gewerblichen Einkünften des Besitzunternehmens aus. Es handelt sich um eine besondere Form des Unternehmensverbunds mit zwei oder mehr selbständigen Unternehmen. Eine weitere Form des Unternehmensverbunds ist die gesetzlich geregelte Organschaft (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG).

323

Der Gesetzgeber hat die Betriebsaufspaltung zwischenzeitlich an anderen Stellen228 speziell definiert und geregelt und in seinen Willen aufgenommen. Die Finanzverwaltung hat die Grundsätze in Hinweisen zu den Einkommensteuerrichtlinien zusammengefasst (R 15.7 Abs. 8 EStR 2012; H 15.7 Abs. 4 bis 7 EStH 2020). Verfassungsrechtliche Bedenken in Bezug auf das Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung bestehen nicht (mehr).229 Allerdings wäre eine „richtige“ gesetzlichen Regelung des Grundbegriffs wünschenswert.230

324

Von der Betriebsaufspaltung ist die Betriebsverpachtung zu unterscheiden. Bei der Betriebsverpachtung müssen alle wesentlichen Betriebsgrundlagen verpachtet werden, so dass bei Beendigung des Pachtverhältnisses der Betrieb in bisheriger Weise fortgesetzt werden kann.231 In diesem Fall endet die Gewerbesteuerpflicht des Verpächters.

225 Ausführlich Nöcker in Lenski/Steinberg, § 2 GewStG Rz. 1070 ff.; zu den Vor- und Nachteilen der gestaltbaren Betriebsaufspaltung Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 314 ff. 226 BFH v. 23.10.1986 – IV R 214/84, BStBl. II 1987, 120. 227 BFH v. 17.11.2020 – I R 72/16, DStR 2021, 1149. 228 § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG und § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG. 229 BVerfG v. 12.3.1985 – 1 BvR 571/81 u.a., BStBl. II 1985, 475; BFH v. 19.2.2019 – X R 42/16, BFH/ NV 2019, 586; zur Kritik Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 300 f. 230 Ebenso Drüen in FS für den BFH, Bd. II 2018, S. 1340. 231 BFH v. 15.12.1988 – IV R 36/84, BStBl. II 1989, 363; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 312.

88

Steuergegenstand | Rz. 332 § 2 GewStG

Übersicht: Betriebsaufspaltung

frei

325

326–329

b) Betriebsaufspaltung über die Grenze Die Grundsätze der Betriebsaufspaltung gelten grds. auch für eine grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung. Von einer Betriebsaufspaltung über die Grenze kann bei grenzüberschreitenden Miet- und Pachtverhältnissen gesprochen werden, wenn gleichzeitig die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vorliegen.232

330

Sie kommen daher auch dann zur Anwendung, wenn ein inländisches Besitzunternehmen etwa ein im Ausland (oder Inland) belegenes Grundstück an eine ausländische Betriebskapitalgesellschaft verpachtet (grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung, Outbound-Fall).233 Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags des Besitzunternehmens ist keine Kürzung gem. § 9 Nr. 3 GewStG um den auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfallenden Teil vorzunehmen. Der in § 9 Nr. 3 GewStG verwendete Begriff der Betriebsstätte bestimmt sich (allein) nach innerstaatlichem Recht.234 Nach § 12 Satz 1 AO begründet ein Grundstück, das lediglich vermietet und verpachtet wird, nach ständiger Rechtsprechung keine Betriebsstätte des Vermieters oder Verpächters. Dies gilt wegen der ertragsteuerrechtlichen Selbständigkeit von Besitz- und Betriebsunternehmen auch für die Vermietungstätigkeit der Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung.235 Es gilt im Übrigen auch für den abkommensrechtlichen Begriff der Betriebsstätte (entsprechend Art. 5 OECD-MA).236

331

Gleiches gilt für den (umgekehrten) Inbound-Fall. Dort verpachtet ein ausländisches Besitzunternehmen ein inländisches (oder ausländisches Grundstück) an eine inländische Betriebsgesellschaft (die zumeist schon per se gewerbesteuerpflichtig ist).

332

232 233 234 235 236

Näher Söffing/Micker, Die Betriebsaufspaltung8, Rz. 72, 674 ff., 938 ff. m.w.N. BFH v. 17.11.2020 – I R 72/16, DStR 2021, 1149. BFH v. 20.7.2016 – I R 50/15, BStBl. II 2017, 230. BFH v. 17.11.2020 – I R 72/16, DStR 2021, 1149 m.w.N. BFH v. 17.11.2020 – I R 72/16, DStR 2021, 1149.

89

GewStG § 2 Rz. 333 | Steuergegenstand 333

Die gilt für Nicht-DBA-Fälle als auch für DBA-Fälle. Abkommensrechtlich ist der Begriff des Unternehmensgewinns allerdings abkommensrechtsautonom zu bestimmen. Die Qualifizierung von Einkünften als solche aus Gewerbebetrieb nach den Grundsätzen der Betriebsaufspaltung schlägt nicht auf das Abkommensrecht durch.237

334

frei 2. Voraussetzungen a) Besitz- und Betriebsunternehmen

335

Das Besitzunternehmen kann von einer Einzelperson, einer Gemeinschaft, einer Personengesellschaft, aber auch von einer Kapitalgesellschaft betrieben werden.

336

Das Betriebsunternehmen ist in der Praxis zumeist eine Kapitalgesellschaft. Möglich ist auch die Rechtsform einer Personengesellschaft oder Genossenschaft, nicht jedoch ein Einzelunternehmen.

337

Die Grundsätze gelten auch für die Unternehmen der öffentlichen Hand.238 Die Verpachtung wesentlicher Betriebsgrundlagen einer öffentlich-rechtlichen Trägerkörperschaft an ihre Kapitalgesellschaft führt nicht dazu, dass bei der Trägerkörperschaft ein weiterer BgA begründet wird.239

338

Der Grundfall einer Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn ein bisher einheitliches Einzelunternehmen oder eine Personengesellschaft in ein Besitzunternehmen und eine BetriebsKapitalgesellschaft (i.d.R. GmbH) aufgespalten wird und der Betriebskapitalgesellschaft wesentliche Betriebsgrundlagen zur Nutzung überlassen werden („echte“ Betriebsaufspaltung). Eine „unechte“ Betriebsaufspaltung vor, wenn bereits eine Kapitalgesellschaft (GmbH) besteht und der GmbH wesentliche Betriebsgrundlagen von dem oder den Gesellschaftern überlassen werden. In steuerrechtlicher Hinsicht besteht zwischen beiden Erscheinungsformen kein Unterschied.240

339

frei b) Sachliche Verflechtung

340

Es muss eine Nutzungsüberlassung von wesentlichen Betriebsgrundlagen in Gestalt von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter vorliegen.241 Die sachliche Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen ist gegeben, wenn das von dem Besitzunternehmen an die Betriebsgesellschaft vermietete oder verpachtete Vermögen zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen der Betriebsgesellschaft gehört. Dabei ist es nicht erforderlich, dass es sich um die einzige wesentliche Betriebsgrundlage des Betriebsunternehmens handelt. Auch muss das Betriebsunternehmen nicht seine gesamten wesentlichen Betriebsgrundlagen vom Besitzunternehmen pachten.

341

Ein Grundstück ist dann keine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn es für die Betriebsgesellschaft von geringer wirtschaftlicher Bedeutung ist.242 Das Merkmal der wesentlichen Grundlage ist bei einem Fabrikgrundstück bejaht worden – jedenfalls dann, wenn ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Errichtung des Betriebsgebäudes, der Vermietung und der Aufnahme des Betriebs in diesem Gebäude besteht.243 Büro- oder Verwaltungsgebäude können ggf. eine wesentliche Betriebsgrundlage bilden.244 Eine sachli-

237 238 239 240 241 242 243 244

90

BFH v. 17.11.2020 – I R 72/16, DStR 2021, 1149. Näher Gay in Hidien/Jürgens, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, § 13 Rz. 93 ff. BFH v. 14.3.1984 – I R 223/80, BStBl. II 1984, 496. BFH v. 8.11.1971 – GrS 2/71, BStBl. II 1972, 63. BFH v. 20.7.2005 – X R 22/02, BStBl. II 2006, 457. BFH v. 12.11.1985 – VIII R 342/82, BStBl. II 1986, 299. BFH v. 12.9.1991 – IV R 8/90, BStBl. II 1992, 347. BFH v. 2.4.1997 – X R 21/91, BStBl. II 1997, 565.

Steuergegenstand | Rz. 350 § 2 GewStG

che Verflechtung besteht auch dann, wenn verpachtete wesentliche Betriebsgrundlagen nicht im Eigentum des Besitzunternehmens stehen.245 frei

342–344

c) Personelle Verflechtung Eine enge personelle Verflechtung liegt vor, wenn beide Gesellschaften durch einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen verbunden sind. Dazu ist erforderlich, dass die das Besitzunternehmen beherrschenden Personen ggf. auch als Personengruppen, ihren Willen auch in der Betriebsgesellschaft durchsetzen können.246 Ein nur an der Besitzgesellschaft beteiligter Gesellschafter kann dabei der notwendigen Beherrschungsidentität entgegenstehen.247 Ohne Auswirkung ist es, ob die zur Stimmrechtsausübung berechtigenden Anteile von den Gesellschaftern unmittelbar oder mittelbar über eine von ihnen beherrschte Kapitalgesellschaft gehalten werden.248

345

Beispiel: An dem Besitzunternehmen sind A und B jeweils zu 40 % und C zu 20 % beteiligt. An dem Betriebsunternehmen halten A und B jeweils eine Beteiligung von 50 % Einstimmigkeit ist bei dem Besitzunternehmen nur für Geschäfte außerhalb der täglichen Lebens vereinbart. Die Personengruppe A/B ist als Einheit zu behandeln, da keine schwerwiegenden Interessenkollisionen zwischen A und B nachgewiesen werden. Die Voraussetzungen für eine personelle Verflechtung sind gegeben. Anders als bei einer vereinbarten Einstimmigkeit für sämtliche Geschäfte steht die Beteiligung des C bei einer vereinbarten Einstimmigkeit für Geschäfte außerhalb des täglichen Lebens der personellen Verflechtung nicht entgegen.

Fehlt eine Mehrheit der Stimmrechte am Betriebsunternehmen, so kann eine Betriebsaufspaltung ausnahmsweise aufgrund der tatsächlichen Machtstellung der beherrschenden Personen im Besitzunternehmen gegeben sein.249

346

Beispiel: Mehrere Personen verfügen in der Besitzgesellschaft, nicht aber in der Betriebsgesellschaft über die Stimmenmehrheit. Sie können jedoch als Vorstand bzw. Beirat einer Stiftung, die Gesellschafter der Betriebsgesellschaft ist, in dieser ihren Willen durchsetzen.250

Anteile von Ehegatten und volljährigen Kindern können für die Bestimmung der personellen Verflechtung grds. nicht wie einer Person gehörend zusammengerechnet werden. Bei Anteilen von minderjährigen Kindern ist dagegen eine entsprechende Zusammenrechnung mit Anteilen der Eltern möglich.251 frei

347

348–349

d) Rechtsfolgen Besitzunternehmen und Betriebsunternehmen sind bei der Betriebsaufspaltung rechtlich selbständig. Gewerbesteuerrechtlich handelt es sich um zwei selbständige Rechtssubjekte. Die enge Verbundenheit zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen führt dazu, dass die Vermietung des Besitzunternehmens nicht als Vermögensverwaltung, sondern wie das Betriebsunternehmen als eigenständiger Gewerbebetrieb mit eigener Gewerbesteuerpflicht anzusehen ist. Das Besitzunternehmen kann grds. § 35 EStG in Anspruch nehmen.

245 246 247 248 249 250 251

BFH v. 12.10.1988 – X R 5/86, BStBl. II 1989, 152. BFH v. 17.3.1987 – VIII R 36/84, BStBl. II 1987, 858. Vgl. BMF v. 7.10.2002 – IV A 6 - S 2240/134/02, BStBl. I 2002, 1028. BFH v. 28.1.1982 – IV R 100/78, BStBl. II 1982, 479. H 15.7 Abs. 6 EStH 2020 „faktische Beherrschung“. BFH v. 16.6.1982 – I R 118/80, BStBl. II 1982, 662. BFH v. 14.4.2021 – X R 5/19, BStBl. II 2021, 851; vgl. H 15.7 Abs. 7 EStH 2020/R 15.7 Abs. 8 EStR 2012.

91

350

GewStG § 2 Rz. 351 | Steuergegenstand Eine Organschaft besteht im Regelfall nicht, ist aber nicht ausgeschlossen. Die Behandlung beider Unternehmen als eigenständige Gewerbebetriebe kann zu einer Doppelbelastung mit Gewerbesteuer führen.252 351

Eine Verpachtung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ist auch dann gewerblich, wenn das Gesamtunternehmen vor der Betriebsaufspaltung Einkünfte aus selbständiger Arbeit bezog. Nicht die Tätigkeit des Gesamtunternehmens vor der Betriebsaufspaltung, sondern der gewerbliche Charakter der Betriebsgesellschaft (z.B. Kapitalgesellschaft als Gewerbebetrieb kraft Rechtsform) bestimmt die Qualifikation der Vermietungstätigkeit.253

352

Auf der Ebene des Betriebsunternehmens sind die Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG zu beachten. Danach sind 25 % der in den Mieten und Pachten enthaltenen typisierten Finanzierungsanteile für bewegliche Wirtschaftsgüter zu 20 % und für unbewegliche Wirtschaftsgüter zu 50 % dem Gewerbeertrag des Betriebsunternehmens hinzuzurechnen, soweit diese Hinzurechnungen den Freibetrag von 200.000 € übersteigen.

353

Gewinnausschüttungen der Betriebskapitalgesellschaft stellen beim Besitzunternehmen gewerbliche Einkünfte nach § 15 EStG i.V.m § 20 Abs. 8 EStG dar. Bei natürlichen Personen als Besitzunternehmer bzw. als Gesellschafter einer Besitzpersonengesellschaft findet das Teileinkünfteverfahren gem. § 30 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG Anwendung. Bei Kapitalgesellschaften gilt § 8b KStG.

354–355

frei

e) Sonderformen der Betriebsaufspaltung aa) Mitunternehmerische Betriebsaufspaltung 356

Bei der Verpachtung wesentlicher Betriebsgrundlagen zwischen Personengesellschaften, die personell miteinander verbunden sind, liegt eine sog. mitunternehmerische Betriebsaufspaltung vor. Dabei sind die rechtlichen Folgen einer Mitunternehmerschaft und einer Betriebsaufspaltung voneinander abzugrenzen. Nach der neueren Rechtsprechung geht das „Rechtsinstitut“ der Betriebsaufspaltung der Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vor.254 Folge ist, dass hinsichtlich der überlassenen Wirtschaftsgüter kein Sonderbetriebsvermögen bei der nutzenden Betriebspersonengesellschaft vorliegt, sondern Betriebsvermögen der überlassenden Besitzpersonengesellschaft. Einnahmen aus der Verpachtung sind dann nicht mehr als Sonderbetriebseinnahmen im Rahmen der Betriebspersonengesellschaft anzusehen, sondern werden dem verpachtenden Besitzunternehmen zugeordnet. Auch die auf einen nur an der Besitzpersonengesellschaft beteiligten Gesellschafter entfallenden Pachtentgelte werden beim Betriebsunternehmen von der Gewerbesteuer erfasst. Eine Verrechnung von negativen Betriebsergebnissen des Betriebsunternehmens mit den an die Besitzpersonengesellschaft geleisteten Zahlungen, die bei Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG möglich wäre, ist durch den Vorrang der Betriebsaufspaltung ausgeschlossen.

357

Die sog. Abfärbetheorie nach § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG kann dazu führen, dass Einnahmen aus weiteren Vermietungen der Besitzpersonengesellschaft nunmehr der Gewerbesteuer unterliegen. Vorteile gegenüber der Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ergeben sich bei einer Betriebsaufspaltung durch die doppelte Nutzung des Freibetrags. Darüber hinaus entfällt bei unmittelbar beteiligten natürlichen Personen bei einer Veräußerung oder Entnahme der wesentlichen Betriebsgrundlagen eine Besteuerung des Gewinns mit Gewerbesteuer, da es sich insoweit um eine Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe handelt, die bei natürlichen Personen nicht der Gewerbesteuer unterliegt.

358

frei

252 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 373. 253 BFH v. 18.6.1980 – I R 77/77, BStBl. II 1981, 39. 254 BFH v. 23.4.1996 – VIII R 13/95, BStBl. II 1998, 325.

92

Steuergegenstand | Rz. 374 § 2 GewStG

bb) Kapitalistische Betriebsaufspaltung Bei der kapitalistischen Betriebsaufspaltung fungiert eine Kapitalgesellschaft als Besitzunternehmen gegenüber einem Betriebsunternehmen in Form einer Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft. Hat sowohl das Besitz- als auch das Betriebsunternehmen die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, liegt eine Betriebsaufspaltung nur dann vor, wenn die Besitzkapitalgesellschaft an der Betriebskapitalgesellschaft beteiligt ist (personelle Verflechtung), so dass zwar zwischen einer Mutter- und Tochter-Kapitalgesellschaft eine kapitalistische Betriebsaufspaltung möglich ist, nicht aber zwischen Schwester-Kapitalgesellschaften.255

359

Dies hat als solches keine besondere Wirkung auf die Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens, da für die Kapitalgesellschaft stets Gewerbesteuerpflicht nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG besteht. Auswirkungen können sich aber bei der erweiterten Kürzung für die Besitzkapitalgesellschaft nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ergeben.256 Der Annahme einer Betriebsaufspaltung steht nicht entgegen, wenn die Kapitalgesellschaft allein kraft ihrer Rechtsform als Gewerbebetrieb gilt. Ohne Bedeutung ist dann auch, ob die Betriebskapitalgesellschaft von der Gewerbesteuer befreit ist.257

360

frei

361–369

IV. Inlandsbezug: Betriebsstätte, Schifffahrtsunternehmen (Abs. 1 Satz 3) 1. Allgemeines Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrieb, soweit für ihn im Inland oder auf einem in einem inländischen Schiffsregister eingetragenen Kauffahrteischiff eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1, 3 GewStG).

370

Der Begriff des Inlands bezeichnet das steuerrechtliche Erhebungsgebiet, der Begriff der Betriebsstätte bestimmt hier den in der Praxis maßgeblichen Anknüpfungspunkt.

371

Ein Gewerbebetrieb wird gem. § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG im Inland betrieben – und unterliegt daher der Gewerbesteuer –, nur soweit eine inländische Betriebsstätte unterhalten wird. Die Frage, ob überhaupt eine inländische Betriebsstätte vorliegt, hat zentrale Bedeutung für die weitere Gewerbebesteuerung. Wo sie im Inland liegt, begründet sie das Erhebungs-und Ertragsrecht der Gemeinden, da der Betriebsstättengemeinde nach § 4 GewStG i.V.m. Art. 106 Abs. 6 GG die Steuer zusteht und zufließt. Auch für die Bemessung der Steuer ist der Begriff der Betriebsstätte wichtig (§ 7 Satz 7, 8, § 9 Nr. 3 GewStG). Nicht zuletzt ist die Betriebsstätte auch für das Zerlegungsrecht (§§ 28 ff. GewStG) maßgeblich. Den Steuermessbetrag muss das Finanzamt auf alle Gemeinden zerlegen, in denen im EZ Betriebsstätten unterhalten worden sind.258

372

Im Gewerbesteuerrecht ist die (inländische) Betriebsstätte ungeachtet ihrer (vermeintlichen) Lasten für die Gemeinde schon deshalb „beliebt“, weil sie der Gemeinde im besten Fall ein neues Steueraufkommen verspricht. Der relativ niedrigschwellige Begriff der Betriebsstätte in § 12 AO (das „Dixi-Klo“259 oder die Litfaßsäule als Betriebsstätte?) ist hier primär eine gemeindliche Steuerquelle, nicht, wie im Zerlegungsrecht eine Lastenquelle.

373

Andererseits kann ein Unternehmen Gewinne und Verluste auch ins Ausland verlagern, indem es dort Betriebsstätten begründet (vgl. § 9 Nr. 3 GewStG) und sich der deutschen Besteuerung auch abkommensrechtlich entziehen. Oder eine inländische Betriebsstätte in eine Gemeinde mit niedrigem Hebesatz verlagern oder die Organisation der Betriebsstätte

374

255 256 257 258 259

BFH v. 20.5.2010 – III R 28/08, BStBl. II 2010, 566. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 373. BFH v. 19.2.2019 – X R 42/16, BFH/NV 2019, 586. R 28.1 Abs. 1 Satz 1 GewStR 2009. Das Betreiben einer öffentlichen Toilettenanlage ist eine hoheitliche Tätigkeit i.S.d. § 4 Abs. 5 KStG, § 2 Abs. 2 GewStDV.

93

GewStG § 2 Rz. 375 | Steuergegenstand zerlegungspolitisch gestalten. Das gestaltungsanfällige Konzept ist daher hier, aber auch und im übrigen Steuerrecht Gegenstand unzähliger Rechtsstreitigkeiten. 375

Der Rechts- und Gesetzesbegriff der Betriebsstätte ist sowohl für das gesamte formelle und materielle Steuerrecht (national und international) wie auch für das Finanzausgleichsrecht seit langem260 von zentraler Bedeutung. Im Gewerbesteuerrecht ist die Betriebsstätte ein grundlegendes Verteilungsprinzip (vgl. § 2, § 4, § 9 Nr. 3, §§ 28 ff. GewStG). Dem unbestimmten Rechts- und Gesetzesbegriff liegt ein vages, gesetzlich und abkommensrechtlich261 ausformbares Betriebsstättenprinzip zugrunde, das im Steuerrecht unterschiedliche Funktionen erfüllen soll. Insoweit muss der Begriff (zu?) vielen „Herren dienen“.262

376

Für den Begriff der Betriebsstätte in § 28 GewStG gilt nach h.M.263 die Mantelregelung des § 12 AO („Betriebstätte“ geschrieben), die einen weiten, unspezifischen Begriff der Betriebsstätte vorgibt. Es handelt sich dort um eine klassifikatorische Definition und nicht um einen Typusbegriff,264 der Besonderheiten des Steuergebiets bewusst außer Acht lässt. Der abgabenrechtliche Begriff (§ 12 AO) der Betriebsstätte gilt daher auch im Gewerbesteuerrecht sowohl für den Steuerzugriff gem. §§ 2, 4 GewStG, die Bemessung (§§ 7 ff. GewStG) als auch für das Zerlegungsrecht.265

377

Ein gewerbesteuerspezifischer oder zerlegungsspezifischer Begriff besteht danach nicht.266 Allerdings ist bei der Auslegung der Betriebsstättenbegriffe in den Einzelsteuergesetze der jeweilige gesetzliche Zusammenhang zu beachten.267 Hier bestehen eine Reihe von Besonderheiten der Gewerbesteuer.

378

Die betrifft zunächst die Sonderregelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 GewStG (i.V.m. §§ 5, 6 GewStGDV). Sie begründet bei bestimmten Schifffahrtsunternehmen eine sachliche Gewerbesteuerpflicht, indem sie den Inlandsbezug der Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO modifiziert.

379

Im Fall der Organschaft bestimmt § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG zugunsten der Belegenheitsgemeinde, dass die Organgesellschaft als Betriebsstätte des Organträgers gilt.

380

Besonders im Zerlegungsrecht (§§ 28 ff. GewStG) sind de lege lata zusätzliche gewerbesteuerrechtliche Einschränkungen und Eigenarten zu beachten. Insbesondere private und öffentliche Verkehrs- und Versorgungsunternehmen der Infrastruktur unterhalten in den Gemeinden etwa Schienen, Rohrleitungen, Pipelines, unterirdische Pumpstationen, Kabel und andere Anlagen, die zwar den Begriff der Betriebsstätte erfüllen.268 Nach § 28 Abs. 2 GewStG sind die betroffenen Gemeinden ungeachtet der damit verbundenen gemeindlichen Sonderlasten gleichwohl nicht an der Zerlegung des Messbetrags beteiligt.

381

Eine gewerbesteuerrechtliche Besonderheit bildet auch die mehrgemeindliche Betriebsstätte gem. § 30 GewStG im Kontext der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags durch das Finanzamt. Gemeint ist eine einheitliche Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO, die sich über mehrere (regelmäßig zwei) Gemeindegebiete erstreckt, wobei auch ihre Teile nach Auffas260 Vgl. etwa die Begründung zum Steueranpassungsgesetz 1934, RStBl. 1934, 1411. Allerdings wird der Begriff mittlerweile für einzelne Rechtsgebiete auch ausdifferenziert; zur Gewerbesteuer Hidien/Rodenhäuser, DStZ 2007, 689. 261 Vgl. Art. 5, 7 OECD-MA. 262 Drüen in Tipke/Kruse, § 12 AO Rz. 1a. 263 Zuletzt wieder BFH v. 18.2.2021 – III R 8/19, BStBl. II 2021, 627 sowie zusammenfassend mit Beispielen Pieske-Kontny, StBp 2021, 16; R 2.9 Abs. 1 Satz 1 GewStR 2009. 264 Zur Problematik von Typusbegriffen Drüen in Tipke/Kruse, § 4 AO Rz. 395 ff. 265 BFH v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836; v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492; v. 20.12.2017 – I R 98/15, FR 2018, 465; FG Nürnberg v. 28.10.2010 – 4 K 1962/2008, EFG 2011, 559; FG Hamburg v. 18.12.2018 – 2 K 2/17, DStRK 2019, 144; FG Münster v. 12.4.2019 – 13 K 3645/16 G, FR 2019, 723. Allerdings wird der Begriff mittlerweile für einzelne Rechtsgebiete auch ausdifferenziert; zur Gewerbesteuer Hidien/Rodenhäuser, DStZ 2007, 689. 266 Missverständlich Liedtke in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 28 GewStG Rz. 62, 76. 267 BFH v. 13.9.2000 – X R 174/96, BStBl. II 2001, 734. 268 Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 95 m.w.N. dort auch zu Servern.

94

Steuergegenstand | Rz. 393 § 2 GewStG

sung der Rechtsprechung je für sich den Begriff der Betriebsstätte erfülle müssen.269 Betroffen sind praktisch oftmals Infrastrukturunternehmen, die ihre technischen Netze nicht nur lokal, sondern (über-)regional im ganzen Bundesgebiet betreiben. frei

382–384

2. Begriff der Betriebsstätte a) Allgemeines Die Betriebstätte ist Anknüpfungsmerkmal der Gewerbebesteuerung, weil und soweit ein Unternehmen auf dem Gebiet eines Territoriums (hier einer inländischen Gemeinde) tätig wird. Die Betriebsstätte muss dem gewerblichen Unternehmen bzw. Gewerbebetrieb dienen.

385

Dabei ist die Betriebstätte ein unselbständiger Teil des Gesamtunternehmens und als solcher weder ein Rechtssubjekt noch ein selbständiges Steuersubjekt.270 Besteht das Unternehmer nur aus einem Gewerbetrieb ohne weiteren organisatorische Unterteilungen, so ist dieser Betrieb zugleich die (Geschäftsleitungs-) Betriebsstätte.

386

Es handelt sich um einen territorialen Schwellenbegriff. Der Steuerzugriff richtet sich nach der Intensität („Verwurzelung“) der unternehmerischen Beziehung zu einem Territorium271 und setzt eine marktwirtschaftliche Teilnahme des Unternehmens voraus, die die Schwellen des § 12 AO überschreitet. Bloße Direktgeschäfte mit dem jeweiligen Gebiet begründen zwar wirtschaftliche Beziehungen, aber noch keine Betriebsstätte in diesem Gebiet. Dies hat Folgen für internationale und regionale Inbound- und Outbound-Konstellationen.

387

Die Rechtsprechung272 im internationalen Steuerrecht geht davon aus, dass jedes gewerbliche Unternehmen zumindest eine Betriebstätte unterhält; freischwebende, betriebstättenlose gewerbliche Einkünfte („floating income“) gibt es danach nicht. Dies gilt entsprechend im nationalen und internationalen Gewerbesteuerrecht.

388

Wird nur eine Betriebsstätte, und zwar im Inland, unterhalten, unterliegt die gesamte Tätigkeit, bei einem Reiseveranstalter z.B. auch der aus Leistungen im Ausland erzielte Gewinn, der Gewerbesteuer.273 Mehrere oder mehrgemeindliche Betriebsstätten im Inland führen zu einer Zerlegung nach §§ 28 ff. GewStG, Betriebsstätten im Inland und Ausland zur (klarstellenden) Anwendung von § 9 Nr. 3 GewStG.

389

Eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 Satz 1 AO erfordert danach auch für Zwecke der Gewerbesteuer274 eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche, die von einer gewissen275 Dauer ist, über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat und die der Tätigkeit des Unternehmens dient. Zentral sind mithin für ein stehendes Gewerbe eine gewisse Ortsfestigkeit (synonym: zeitliche und lokale Stabilität) sowie eine Verfügungsgewalt des Prinzipals (Unternehmer).276

390

frei

391–393

269 BFH v. 8.3.1988 – VIII R 270/81, BFH/NV 1988, 735; a.A. zunächst noch BFH v. 18.4.1951 – I B 34/50 U, BStBl. III 1951, 124; BFH v. 26.11.1957 – I B 218/56 U, BStBl. III 1958, 261). 270 Drüen in Tipke/Kruse, § 12 AO Rz. 1. 271 BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. 272 BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. 273 BFH v. 28.3.1985 – IV R 80/82, BStBl. II 1985, 405; v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791. 274 Vgl. BFH v. 18.2.2021 – III R 8/19, BStBl. II 2021, 627; v. 18.9.2019 – III R 3/19, DStR 2020, 920 zu Betriebsführungsgesellschaften im Rahmen einer Betriebsaufspaltung; v. 5.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. II 2015, 601; krit. zum Zerlegungsrecht Hidien/Rodenhäuser, DStZ 2007, 689. 275 Zur umstrittenen Dauer des Zeitelements BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396, m. Anm. Hidien, DStZ 2004, 126 für einen kurzzeitigen Marktstand. Näher Keß in Lenski/ Steinberg, § 2GewStG Rz. 2527 ff. 276 Reimer, FR 2021, 1005.

95

GewStG § 2 Rz. 394 | Steuergegenstand b) Begriffsmerkmale (§ 12 Satz 1 AO) aa) Feste Geschäftseinrichtung oder Anlage des Unternehmens 394

Danach ist Betriebsstätte jede feste örtliche Anlage oder Geschäftseinrichtung, die der Ausübung des Betriebs eines stehenden Gewerbes dient.277 Die Anlage ist lediglich ein Unterfall der Geschäftseinrichtung. Die geschäftliche Funktion folgt bereits aus der gewerbesteuerrechtlichen Widmung des Unternehmens.

395

Der Begriff der festen Geschäftseinrichtung oder Anlage erfordert keine besonderen Räume oder gewerblichen Vorrichtungen.278 Es genügt das Innehaben bestimmter Räume oder Flächen für eine gewisse Dauer, die dem Ausüben einer unternehmerischen Tätigkeit dienen. Es gehören dazu auch bewegliche Geschäftseinrichtungen mit vorübergehend festem Standort, z.B. fahrbare Verkaufsstätten mit wechselndem Standplatz.279 Beispiele – Der fest zugewiesene Standplatz eines Straßenhändlers ist eine Betriebsstätte. – Ein Wochenmarkthändler, der mit seinem Verkaufswagen die Wochenmärkte anfährt, unterhält an den von ihm regelmäßig (z.B. wöchentlich je zweimal) besuchten Marktorten Betriebsstätten.280 – Ein Verkaufsstand, den ein Unternehmen einmal im Jahr vier Wochen auf dem Weihnachtsmarkt unterhält, begründet keine Betriebsstätte. Anders als Verkaufsstände auf regelmäßig stattfindenden Wochenmärkten besteht im Vergleich zur Gesamtdauer des Jahres nur ein geringer zeitlicher Bezug zur Erdoberfläche.281

396

Unausgesprochen setzt § 12 Satz 1 AO nach überlieferter, herrschender Auffassung282 voraus, dass der Unternehmer mit seinem Unternehmen eine gewisse (Mit-)Verfügungsmacht über die geschäftliche Einrichtung hat. Dies folgt aus der doppelten Widmung der Einrichtung in § 12 1. und 2. Hs. AO.

397

Das Tatbestandsmerkmal ist in vielen praktischen Fällen ohne weiteres erfüllt, wenn der Unternehmer eigene Geschäftseinrichtungen, die in seinem Eigentum stehen, benutzt. Eine Eigentumsposition des Unternehmers ist allerdings nicht erforderlich und wirtschaftlich angemessen, schon weil § 12 Satz 1 AO nicht auf Einrichtungen oder Anlagen des Unternehmens abstellt. Ausreichend ist auch ein vertraglich eingeräumtes Nutzungsrecht.

398

Abgrenzungsprobleme entstehen in der Praxis, wenn eine weitere „dritte“ Person beteiligt ist, etwa wenn Einrichtungen vermietet bzw. verpachtet werden bzw. gemietet oder gepachtet werden oder lediglich genutzt werden.283 Es darf eine nicht nur vorübergehende Verfügungsgewalt bestehen. Die bloße Berechtigung zur Nutzung eines Raumes bei einem kontinuierlich zu beratenden Kunden sowie die bloße tatsächliche Mitbenutzung eines Raumes begründen keine Betriebsstätte.284 Alleinige Verfügungsgewalt über den Platz oder die Räume ist allerdings nicht erforderlich. Für die nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht ist vielmehr erforderlich, dass der Unternehmer eine Rechtsposition innehat, die ihm nicht ohne Weiteres entzogen werden kann. Es reichen weder eine tatsächliche Mitbenutzung noch die bloße Berechtigung der Nutzung im Interesse eines anderen sowie eine rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit.285

BFH v. 8.3.1988 – VIII R 270/81, BFH/NV 1998, 735. R 2.9 Abs. 1 Satz 5 GewStR 2009. R 2.9 Abs. 1 Satz 4 GewStR 2009. BFH v. 9.10.1974 – I R 128/73, BStBl. II 1975, 203. BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396. Vgl. etwa BFH v. 23.5.2002 – III R 8/00, BStBl. II 2002, 512; Drüen in Tipke/Kruse, § 12 AO Rz. 11 m.w.N. 283 Zu der einzelfallbezogenen Kasuistik ausführlich Drüen in Tipke/Kruse, § 12 AO Rz. 12 ff. m.w.N. 284 BFH v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166. 285 BFH v. 18.2.2021 – III R 8/19, BStBl. II 2021, 627. 277 278 279 280 281 282

96

Steuergegenstand | Rz. 408 § 2 GewStG

Der gepachtete bzw. verpachtete Betrieb oder entsprechende Geschäftseinrichtungen dienen danach dem Pächter und nicht dem Verpächter. Es handelt sich daher um eine Betriebstätte des Pächters und nicht (zugleich) des Verpächters.286

399

Auch bei einer Betriebsaufspaltung begründet das Betriebsunternehmen grds. nicht zugleich eine Betriebstätte des Besitzunternehmens. Auch ist das Betriebsunternehmen nicht ständiger Vertreter des Besitzunternehmens i.S.d. § 13 AO.287

400

Die gemeindliche Zuweisung von Standplätzen auf öffentlichen Straßen bzw. Fußgängerzonen und Plätzen (z.B. für Taxiunternehmern, Schuhputzern, selbständigen Dienstmännern oder Straßenhändlern, Marktstände) begründet bei gewisser Ortsfestigkeit eine Betriebsstätte des Unternehmens.288

401

frei

402–404

bb) Einrichtungen, die der Tätigkeit des Unternehmens dienen Die Geschäftseinrichtungen und Anlagen müssen einem Unternehmen dienen. Es müssen Aktivitäten stattfinden, die den Unternehmenszweck fördern. Bloßer Besitz von Grundoder Kapitalvermögen begründet noch keine Betriebsstätte.289 Wird hingegen über den bloßen Besitz hinaus eine verpachtete Betriebsanlage durch Personal des Überlassenden erhalten, erneuert oder erweitert, so kann dadurch eine Betriebsstätte begründet werden.290

405

Die Einrichtung oder Anlage muss der Tätigkeit eines Unternehmens unmittelbar291 dienen. Anlagen und Einrichtungen, die Wohn-, Erholungs- oder Sportzwecken dienen, sollen daher keine Betriebsstätte darstellen,292 obwohl sie auch dem Unternehmen dienen können. Dieses Tatbestandsmerkmal nennt § 12 AO nicht, es ist auch nicht logisch vorgegeben. Vielmehr genügt auch ein mittelbares Dienen. Im Kontext der Gewerbesteuer ist es hinreichend und notwendig, dass die Geschäftseinrichtung oder Anlage der Ausübung eines stehenden Gewerbes dient und die Betriebsstätten auch unterhalten werden.

406

Für die Annahme eines (unmittelbaren) „Dienens“ der Geschäftsanlage oder Einrichtung genügt jedenfalls nicht das Eigentum oder der Besitz eines Grundstücks. Gebäude, die lediglich einem Dritten überlassen werden, begründen deshalb keine Betriebsstätte des Überlassenden. Erforderlich ist vielmehr, dass dort eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird und sich in der Bindung eine gewisse „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt.

407

Im Allgemeinen ist diese Voraussetzung nur erfüllt, wenn der Unternehmer selbst, seine Arbeitnehmer, fremdes weisungsabhängiges Personal oder Subunternehmer in oder an der Geschäftseinrichtung tätig werden. Eine Betriebsstätte kann aber auch in der Betriebsstätte eines Dritten begründet werden, wenn der Unternehmer rechtlich befugt ist, die Einrichtung oder Anlagen nach den Bedürfnissen seines Unternehmens zu nutzen.

408

286 BFH v. 28.10.1977 – III R 77/75, BStBl. II 1978, 116; v. 13.6.2006 – I R 84/05, BStBl. II 2007, 94; st. Rspr. 287 BFH v. 4.7.2012 – II R 38/10, BStBl. II 2012, 782; v. 28.7.1986 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77; v. 10.6.1966 – VI B 31/63, BStBl. III 1966, 598; Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 327. 288 Zur Abgrenzung BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396, m. Anm. Hidien, DStZ 2004, 126 und H 2.9 Abs. 1 GewStH 2016 zu Marktständen. 289 Zu einer verpachteten Betriebsanlage BFH v. 30.8.1960 – I B 148/59 U, BStBl. III 1960, 468. 290 Siehe hierzu auch OFD Nds. v. 25.1.2010 – G 1450 – 30 – St 252, die sich u.a. auch mit dem Einsatz von Fremdpersonal bei der Unterhaltung einer Immobilie entsprechend BFH v. 13.6.2006 – I R 84/05, BStBl. II 2007, 94 befasst. 291 So etwa BFH v. 10.2.1988 – VIII R 159/84, BStBl. II 1988, 653; nach Auffassung der Finanzverwaltung (R 2.9 Abs. 3 GewStR 2009) fehlt eine Betätigung für das Unternehmen. Dies soll auch für Leerstandszeiten in gewerblichen Räumen und stillgelegte Anlagen gelten. 292 So R.2.9 Abs. 3 GewStR 2009 mit Verweis auf die ältere Rechtsprechung des BFH.

97

GewStG § 2 Rz. 409 | Steuergegenstand 409

Der Einsatz von eigenem oder fremdem Personal ist keine notwendige Voraussetzung. Bei mehr oder weniger vollautomatisch und mechanisch arbeitenden Einrichtungen kann das Tätigwerden des Unternehmens mit der Geschäftseinrichtung ausnahmsweise ausreichen.293 Dies betrifft etwa Verlaufsautomaten294 oder unterirdische Rohrleitungen,295 etwa ein Gasnetz, als Betriebsstätte oder eine Satellitenempfangsanlage.296 Auch ein Server kann für gewerbesteuerrechtliche Zwecke eine Betriebsstätte begründen.297

410

Die Tätigkeit des Unternehmens an der (vermeintlichen) Betriebsstätte kann durch den Unternehmer selbst, in seinem Namen von Arbeitnehmern, aber auch durch einen Vertreter298 ausgeübt werden. Die Annahme eines ständigen Vertreters i.S.d. § 13 AO reicht per se für eine Betriebsstätte nach §§ 2, 28 GewStG nicht aus, sondern kommt nur in Betracht, soweit eine Betriebsstätte des Unternehmers nach § 12 AO vorliegt. Der Unternehmer muss in der festen Geschäftseinrichtung des ständigen Vertreters eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt haben.299

411–414

frei

c) Katalogbetriebsstätten (§ 12 Satz 2 AO) 415

Die Aufzählung der gesetzlichen Einzelfälle in § 12 Satz 2 AO ist nicht abschließend („insbesondere“). Es handelt sich um Beispielsfälle, die immer eine Betriebsstätte begründen, nicht bloße „Regelbeispiele“.300 Aus § 12 Satz 2 Nr. 8 AO folgt, dass im Gegensatz zu § 12 Satz 1 AO nicht alle aufgezählten Beispielsfälle eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage erfordern,301 so dass § 12 Satz 2 AO insoweit konstitutiv wirkt.

416

Die Stätte der Geschäftsleitung ist nach § 10 AO der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung des Unternehmens und begründet eine Betriebstätte (§ 12 Satz 2 Nr. 1 AO). Jedes gewerbliche Unternehmen hat zumindest eine Betriebsstätte, die sich am Ort der Geschäftsleitung befindet.302 Fehlen weitere Betriebstätten werden Gewinne und Verluste ausschließlich der Stätte der Geschäftsleitung zugerechnet.303 Auch mehrere Geschäftsleitungsbetriebsstätten können bestehen.304 Eine Stätte der Geschäftsleitung kann etwa bei „reisenden“ Unternehmern kann auch die Wohnung des Geschäftsleiters sein.305 Liegt bei Reisegewerbebetriebe i.S.d. § 35a Abs. 1, 2 GewStG der Ort im Inland, so ist nach § 35a Abs. 3 GewStG die Gemeinde hebeberechtigt, in der sich der Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit befindet.

417

Zweigniederlassungen sind Niederlassungen i.S.v. § 13 HGB. Sie müssen grds. im Handelsregister eingetragen sein.306 Eine Zweigniederlassung hat einen eigenen Leiter und eine eigene Buchführung. Sie ist zwar von der Hauptniederlassung abhängig, aber doch mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet. Ist die Niederlassung im Handelsregister eingetragen, so spricht eine widerlegbare Vermutung dafür, dass das ausländische Unternehmen 293 294 295 296 297 298 299 300 301 302 303 304 305 306

98

BFH v. 18.2.2021 – III R 8/19, BStBl. II 2021, 627. R 2.9 Abs. 3 Satz 4 GewStR 2009. BFH v. 12.10.1977 – I R 227/75, BStBl. II 1978, 162; v. 30.10.1996 – II R 12/82, BStBl. II 1997, 12. BFH v. 25.5.2000 – III R 20/97, BStBl. II 2001, 365. Näher Drüen in Tipke/Kruse, § 12 AO Rz. 20 m.w.N. Vgl. im Einzelnen R 2.9 Abs. 4 GewStR 2009/H 2.9 GewStH 2016; Herbst in Wendt/Suchanek/ Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 97. BFH v. 18.9.2019 – III R 3/19, DStR 2020, 920. Drüen in Tipke/Kruse, § 12 AO Rz. 23. BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148. BFH v. 28.3.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148. BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398. BFH v. 5.11.2014 – R 30/11 BStBl. II 2015, 601; H 28.1 GewStH 2016. Zum Merkmal der Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Rahmen der Verwaltung einer Photovoltaikanlage FG Hamburg v. 18.12.2018 – 2 K 2/17, DStRK 2019, 144. BFH v. 20.12.2017 – I R 98/15, BFH/NV 20178, 497 zu einem Fußballschiedsrichter. Drüen in Tipke/Kruse, § 12 AO Rz. 25.

Steuergegenstand | Rz. 424 § 2 GewStG

eine Betriebstätte im Inland unterhält.307 Zweigniederlassungen sind nur unselbständige Bestandteile eines (einheitlichen) Unternehmens.308 Geschäftsstellen sind alle Geschäftseinrichtungen, in denen unternehmensbezogene Tätigkeiten ausgeführt werden.309 Eine Geschäftsstelle braucht nicht im Handelsregister eingetragen zu werden. Sie dient der Anbahnung von Geschäften. Überschneidungen mit Einund Verkaufsstellen sind möglich. Beispiele sind etwa unselbständige Zweigstellen der Banken und Sparkassen, Wechselstuben, Büros von Handelsvertretern, Immobilienmaklern, Reisebüros, Annahme- und Ausgabestellen von Reinigungsbetrieben und Lotterieunternehmen, Werbebüros, Anzeigenredaktionen, Redaktionsaußenstellen.310

418

Fabrikations- und Werkstätten sind Einrichtungen oder Anlagen, die der Herstellung oder Bearbeitung und Reparatur von Gegenständen dienen.311 Beispiel für beide Arten von Betriebsstätten: eine Brotfabrik oder eine Bäckerwerkstatt.

419

Warenlager sind solche Einrichtungen und Betriebsstätten, die vom Unternehmer selbst oder von Angestellten verwaltet und von denen aus Waren verkauft und/oder ausgeliefert werden, z.B. ein angemieteter Lagerraum.312 Werden die Lager bei einem selbständigen Unternehmer unterhalten, so muss den Geschäftsherren eine gewisse nicht nur vorübergehende Verfügungsbefugnis über die Lagerräume zustehen. Praktische Bedeutung haben Warenlager etwa in der Internetwirtschaft.

420

Beispiel: Eine Mineralölfirma hat ein Warenlager an der Betriebsstätte eines selbständigen Tankwarts. Die Mineralölfirma hat nur dann dort eine Betriebsstätte, wenn sie die Verfügungsgewalt über die Geschäftseinrichtung besitzt. Das ist nicht der Fall, wenn die Geschäftseinrichtung von der Mineralölfirma an den Tankstellenwart verpachtet ist.313

Ein- oder Verkaufsstellen sind solche Einrichtungen des Unternehmens, die dem Ein- oder Verkauf von Waren dienen. Sie sind mangels Selbständigkeit keine Zweigniederlassungen. Hier wäre z.B. ein Filialgeschäft zu nennen. Eine Verkaufsstelle ist nur dann eine Betriebsstätte, wenn sie eine i.S.d. § 12 Satz 1 AO feste Geschäftseinrichtung oder Anlage ist.314 Sind Tankstellen an selbständige Gewerbetreibende verpachtet, mangelt es i.d.R. an der Verfügungsmacht des Verpächters, so dass keine Betriebstätte des Verpächters, sondern nur eine Betriebstätte des Pächters besteht.

421

Betriebsstätten sind auch Bergwerke, Steinbrüche oder andere stehende, örtlich fortschreitende oder schwimmende Stätten der Gewinnung von Bodenschätzen (§ 13 Satz 2 Nr. 8 AO). Zu den Bodenschätzen rechnen nicht nur wertvolle Materialien wie Erdöl, Kohle, Erdgas, Erze, Kali, Kochsalz, seltene Erden usw., sondern auch weniger wertvolle Materialien wie Torf, Steine, Tonerde, Kies, Sand, Schlamm usw.315 Die Einrichtungen oder Anlagen können über- oder unterirdisch sein.

422

Für Zwecke der Zerlegung enthält § 28 Abs. 2 Nr. 3 GewStG eine Sonderregelung für Bergbauunternehmen. Danach sind Gemeinden grds. nicht bei der Zerlegung zu berücksichtigen, wenn die Bergbauunternehmen keine oberirdischen Anlagen haben, in welchen eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird. In diesem Fall wird vermutet, dass der Gemeinde keine Lasten entstehen würden.

423

Bauausführungen oder Montagen, auch örtlich fortschreitende oder schwimmende Bauausführungen oder Montagen, müssen länger als sechs Monate dauern (§ 12 Satz 2 Nr. 8 AO).316

424

307 308 309 310 311 312 313 314 315 316

BFH v. 30.1.1981 – III R 116/79, BStBl. II 1981, 560. BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140. BFH v. 10.5.1989 – I R 50/85, BStBl. II 1989, 755. Drüen in Tipke/Kruse, § 12 AO Rz. 26. Drüen in Tipke/Kruse, § 12 AO Rz. 27. Drüen in Tipke/Kruse, § 12 AO Rz. 28, auch zu einzelnen Lagertypen. BFH v. 16.8.1962 – I B 223/61, BStBl. III 1962, 477. BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396; H 2.9 Abs. 1 GewStH 2016. Drüen in Tipke/Kruse, § 12 AO Rz. 30. Näher mit Beispielen R 2.9 Abs. 2 GewStR 2009, H 2.9 Abs. 2 GewStH 2016.

99

GewStG § 2 Rz. 425 | Steuergegenstand Dies gilt auch dann, wenn es sich nicht um feste Baustellen handelt, sondern diese fortschreiten (z.B. Straßenbau).317 Hierbei ist jede einzelne Betriebsstätte grds. für sich genommen zu beurteilen.318 425

Bauausführungen sind Arbeiten aller Art, die zur Errichtung von Hoch- oder Tiefbauten (Häuser, Bahn- oder Brückenbauten, Straßen, Kanalisation oder sogar Gerüstarbeiten) ausgeführt werden.319 Sogar durch das Einfügen von Fenstern und Türen in einen Neubau kann eine Betriebsstätte begründet werden.320

426

Bei Montagen werden nicht Hoch- und Tiefbauten errichtet, sondern Maschinen aufgebaut.321 Sie können örtlich fortschreiten oder schwimmen. Instandsetzungs- oder Reparaturarbeiten begründen keine Betriebsstätte, es sei denn, dass eine ganze Werkstatt aufgebaut worden sein sollte. Beispiel: Ein Schwimmkran in einer Kiesbaggerei wird auf dem Wasser montiert.

427

Die einzelne Bauausführung oder Montage muss länger als sechs Monate322 dauern. Bestehen mehrere Bauausführungen oder Montagen zeitlich nebeneinander, muss eine von ihnen die Mindestdauer erreichen, damit insgesamt eine Betriebsstätte angenommen wird. Folgen mehrere Bauausführungen oder Montagen unmittelbar aufeinander, muss die Mindestdauer insgesamt erreicht werden. Die Sechsmonatsfrist braucht nicht innerhalb des EZ erfüllt zu sein.323 Unvorhergesehene Arbeitspausen – z.B. witterungsbedingt wegen eines plötzlichen Frosteinbruchs – werden mitgerechnet. Auch bautechnisch bedingte Unterbrechungen berühren den Fortgang der Sechsmonatsfrist nicht.324

428

Für Zwecke der Zerlegung gelten Bauausführungen oder Montagen nur dann als Betriebsstätte, wenn die Voraussetzungen des § 12 Nr. 8 AO in den Grenzen der einzelnen Gemeinde erfüllt sind. Bauausführungen sollen nach Auffassung des BFH325 und der Finanzverwaltung nur dann als Betriebstätte anzusehen sein, wenn sie im Gebiet der einzelnen Gemeinde länger als sechs Monate dauern (§ 12 Satz 2 Nr. 8 AO). Eine Zusammenrechnung der Zeiten als mehrgemeindliche Betriebsstätte i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 2, § 30 GewStG soll nicht möglich sein, weil bereits keine Betriebsstätte vorliegt.

429

frei e) Einzelfälle

430

Bei Auslieferungslagern, in denen der Unternehmer keine Arbeitnehmer beschäftigt, dürfte es sich zwar um Betriebsstätten des Unternehmers handeln.326 Sie begründen angesichts fehlender Arbeitslöhne keinen Anspruch der Gemeinde auf einen Zerlegungsanteil und führen auch i.d.R. nicht zur Anwendung von § 33 Abs. 1 GewStG.327

431

Ferienwohnungen stellen eine Betriebsstätte dar, wenn ihre Vermietung als gewerbliche Tätigkeit anzusehen ist. Hat in diesen Fällen der Eigentümer seinen Wohnsitz nicht in der

317 318 319 320 321 322 323 324 325

R 2.9 Abs. 2 Satz 2 GewStR 2009. Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 90. BFH v. 22.9.1977 – IV R 51/72, BStBl. II 1978, 140; v. 21.10.1981 – I R 21/78, BStBl. II 1982, 241. BFH v. 21.10.1981 – I R 21/78, BStBl. II 1982, 241. BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983. Vgl. im Einzelnen R 2.9 Abs. 2 GewStR 2009; H 2.9 Abs. 2 GewStH 2009. R 2.9 Abs. 2 Satz 5 GewStR 2009. BFH v. 8.2.1979 – IV R 56/76, BStBl. II 1979, 479; H 28.1 GewStH 2016. BFH v. 8.2.1979 – IV R 56/76, BStBl. II 1979, 479; R 28.1 Abs. 1 Satz 5, 6 GewStR 2009 (übergemeindliche Betrachtung entsprechend § 28 Abs. 2 Satz 2 GewStG, falls keine Betriebsstätte vorliegt). Näher Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 28 GewStG Rz. 15. 326 Missverständlich BFH v. 12.7.1960 – I B 47/59 S, BStBl. III 1960, 386; Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 28 GewStG Rz. 21. 327 BFH v. 12.7.1960 – I B 47/59 S, BStBl. III 1960, 386; H 28.1 GewStH 2016.

100

Steuergegenstand | Rz. 439 § 2 GewStG

Gemeinde der Belegenheit der Ferienwohnung, wird außer in der Wohnsitzgemeinde auch in der Gemeinde der Belegenheit der Ferienwohnung eine Betriebsstätte unterhalten.328 Hausmülltonnen eines Mülltransportunternehmens begründen keine Betriebsstätte des Unternehmens, da das Unternehmen hinsichtlich der Stellplätze keine Rechtsposition innehatte.329

432

Das Homeoffice des Unternehmers und Arbeitsgebers, etwa in Coronazeiten, kann eine Betriebsstätte begründen. Das Homeoffice des Arbeitnehmers in der Privatwohnung des Arbeitnehmers begründet regelmäßig auch dann keine Betriebstätte, wenn der Arbeitgeber die Miete trägt.330 Voraussetzung für die Betriebsstätte wäre, dass der Arbeitgeber eine gewisse Verfügungsgewalt über den Arbeitsort hat.

433

Ausländische Immobiliengesellschaften, die im Inland Immobilien vermieten und im Inland keine weiteren Betriebsstätten, auch keine Geschäftsleitungsbetriebsstätte (§ 12 Satz 1 Nr. 1 AO) unterhalten, begründen durch die bloße Vermietung grds. keine eigene Betriebsstätte im Inland.331 Eine Gewerbesteuerpflicht entfällt grds.. Unbenommen bleibt die Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG i.V.m. § 2 KStG.

434

Kapitalgesellschaften und andere Unternehmen i.S.d. 2 Abs. 2 GewStG, die wegen ihrer Rechtsform steuerpflichtig sind, unterhalten Betriebsstätten auch in solchen Gemeinden, in denen sie nur eine Landwirtschaft betreiben.332 Der bloße Besitz von Grundvermögen begründet auch bei einer Kapitalgesellschaft noch keine Betriebsstätte. Bei Kapitalgesellschaften ist eine mehrgemeindliche Betriebsstätte jedoch auch dann gegeben, wenn sich in einer Gemeinde lediglich Grundstücke der Betriebsstätte befinden, die zurzeit betrieblich nicht werden.333

435

Der Kehrbezirk eines Bezirksschornsteinfegermeisters ist gewerbesteuerrechtlich nicht dessen Betriebsstätte.334

436

Basisstationen von Mobilfunkunternehmen, bestehend aus einer Antennenanlage, der Energieversorgung, Funkschrank und Klimagerät, begründen keine Betriebsstätte i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG i.V.m. § 12 AO, so dass auch eine Zerlegung nach § 30 AO ausscheidet.335

437

Im Falle der Organschaft gilt eine Organgesellschaft bzw. deren Betriebsstätten als Betriebsstätte des Organträgers (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Die Zerlegung erfolgt insoweit nach den allgemeinen Grundsätzen. Soweit die Organgesellschaft mehrere Betriebsstätten unterhält oder Organträgerin innerhalb einer weiteren Organschaft ist, verlieren diese Betriebsstätte ihre Eigenschaft als Betriebsstätte nicht und sind jeweils auf der Ebene des obersten Organträgers zu berücksichtigen.336 Auch bei der Ermittlung des Zerlegungsmaßstabs und der Durchführung des Zerlegungsverfahrens ist jeweils auf den gesamten Organkreis abzustellen.337

438

Unentgeltlich zur Nutzung überlassene Räume können eine Betriebsstätte begründen.338

439

328 329 330 331 332 333 334 335

R 2.9 Abs. 1 Satz 6, 7 GewStR 2009. BFH v. 8.3.1988 – VIII R 270/81, BFH/NV 1988, 735. BFH v. 21.2.1963 – I B 98/61, DStR 1962/1963, 419. Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 93, 98 m.w.N. BFH v. 29.11.1960 – I B 222/59 U, BStBl. III 1961, 52; H 2.9 Abs. 3 GewStH 2016. BFH v. 26.11.1957 – I B 218/56 U, BStBl. III 1958, 261; H 2.9 Abs. 3 GewStH 2016. BFH v. 13.9.2000 – X R 174/96, BStBl. II 2001, 734. So OFD Hannover v. 14.4.1999, DB 1999, 1141; OFD Frankfurt v. 8.8.2000, FR 2000, 1059; R 30.1 Satz 2 GewStR 2009; a.A. Baldauf in Brandis/Heuermann, § 30 GewStG Rz. 5. 336 BFH v. 17.2.1993 – I R 19/92, BStBl. II 1993, 679. Zu weiteren Organisationsformen (Betriebsaufspaltung, Betriebsverpachtung) Liedtke in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 28 GewStG Rz. 76 ff. 337 BFH v. 17.2.1993 – I R 19/92, BStBl. II 1993, 679. 338 BFH v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624; v. 3.2.1993 – I R 80-81/91 u.a., BStBl. II 1993, 462.

101

GewStG § 2 Rz. 440 | Steuergegenstand 440

Für soziale Einrichtungen des Arbeitgebers für die Arbeitnehmer ist nicht abschließend geklärt, ob sie eine Betriebsstätte begründen.339 Der vage Begriff der „Unmittelbarkeit“ hilft hier nicht weiter. Die ältere Rechtsprechung des BFH340 hat solche Anlagen und Einrichtungen nicht in die Gewerbesteuerzerlegung einbezogen. Betroffen sind etwa Genesungsheime, Kinderheime oder hygienische Einrichtungen der Arbeitgeber für die Arbeitnehmer.341

441

Zugewiesene Standplätze von Straßenhändlern sind grds. als Betriebsstätten anzusehen.342

442

Ein Steuerinländer, der in der Schweiz ein Taxiunternehmen betreibt, hat nur im Ausland in den Räumen der Taxizentrale eine Betriebsstätte. Die gewerblichen Einkünfte waren nach DBA-Recht steuerfrei.343

443

Telearbeit in den Räumen des Arbeitnehmers begründet keine Betriebstätte des Arbeitgebers.344

444

Keine örtlich feste Geschäftseinrichtung und damit keine Betriebsstätte besteht bei einem einmal für vier Wochen im Jahr unterhaltenen Verkaufs- und Marktstand auf einem (Weihnachts-)Markt.345

445

Verkehrsunternehmen: vgl. 28 Abs. 2 Nr. 1 GewStG.

446

Ein verpachteter Betrieb begründet keine Betriebsstätte des Verpächters.346 Aus einem Pachtvertrag, mit dem der Pächterin die Netzhoheit über ein (Gas-)Versorgungsnetz übertragen wird, ergibt sich auch dann keine Verfügungsbefugnis der Verpächterin über das Netz, wenn der Verpächterin Mitwirkungsrechte bei der Aufstellung und Durchführung des Wirtschaftsplans vorbehalten werden. Das unterirdisch verlegte Gasnetz ist zwar eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, im Fall des Unbundling (Entflechtung von Netzund Versorgungsbetrieb) und der Verpachtung des Netzes an einen anderen Unternehmer dient es nicht unmittelbar der Tätigkeit des Verpächters. Eine Mitunternehmerstellung eines Energieversorgungsunternehmens beim Netzbetreiber begründet im Hinblick auf das Energieversorgungsgeschäft keine Betriebsstätten des Energieversorgers in den Betriebsstätten des Netzbetreibers.347

447

Versorgungsunternehmen: vgl. § 28 Abs. Nr. 2 GewStG.

448–449

frei

f) Betriebsstätte im Abkommensrecht 450

Unter dem Dach eines Betriebsstättenprinzips ist der Begriff der Betriebsstätte als Verteilungsprinzip einer funktionalen Ausdifferenzierung zugänglich. Der abkommensrechtliche (Muster-)Begriff entsprechend Art. 5 OECD-MA ist aber inhaltlich und funktional streng von der nationalen Begriffsbestimmung in § 12 AO zu unterscheiden.348 Dies gilt schon 339 Bejahend Liedtke in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 28 GewStG Rz. 93; a.A. Güroff in Glanegger/ Güroff10, § 28 GewStG Rz. 3c. 340 BFH v. 16.6.1959 – I B 214/58 U, BStBl. III 1959, 349; v. 29.11.1960 – I B 222/59 U, BStBl. III 1961, 52. 341 H 2. 9 Abs. 3 GewStH 2016. 342 H 2.9 Abs. 1 GewStH 2016. 343 FG BW v. 14.10.2021 – 3 K 589/19, EFG 2022, 33. 344 Pasch-Utescher, BB 2001, 1663. 345 BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396, m. Anm. Hidien, DStZ 2004, 126; H 2.9 Abs. 1 GewStH 2016. 346 BFH v. 13.6.2006 – I R 84/05, BStBl. II 2007, 94; FG Berlin-Bdb. v. 11.12.2018 – 5 K 5039/18, EFG 2020, 1327 ein verpachtetes Gasleitungsnetz im Zuge des sog. Unbundling (nachfolgend BFH v. 18.2.2021 – III R 8/19, BStBl. II 2021, 627). 347 BFH v. 18.2.2021 – III R 8/19, BStBl. II 2021, 627 für den Fall der Trennung von Netz- und Versorgungsbetrieb (Unbundling); dazu Schwetlik, EStB 2021, 408. 348 Näher Drüen in Tipke/Kruse, § 2 AO Rz.40 ff., dort auch zu neuen Entwicklungen des internationalen Begriffs und Konzepts.

102

Steuergegenstand | Rz. 460 § 2 GewStG

deshalb, weil hier nicht unterschiedliche Steuerarten, sondern verschiedene, autonome Rechtskreise angesprochen sind. Eine in einem DBA vorgenommene, von § 12 AO abweichende Definition des Begriffs „Betriebsstätte“ ist nur im Rahmen dieses DBA anwendbar, sofern im innerstaatlichen Recht nichts anderes bestimmt ist.349 Ein abkommensrechtlicher Vorrang etwa über das Relais des § 2 AO besteht nicht.

451

Der Begriff der Betriebsstätte im nationalen Gewerbesteuerrecht bestimmt sich daher ausschließlich nach § 12 AO. Auch im Rahmen des § 9 Nr. 3 GewStG bestimmt sich der Begriff der Betriebstätte nur nach innerstaatlichem Recht.350

452

frei

453–454

3. Sonderregelung für Schifffahrtsunternehmen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG, §§ 5, 6 GewStDV) Besondere Regelungen gelten, ähnlich wie im Einkommensteuerrecht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, Abs. 3 EStG), für Schifffahrtsunternehmen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 2. Alt. GewStG, §§ 5, 6 GewStDV). Die Regelungen sind ist für Schiffsrestaurationsbetriebe und Bordkantinen, die auch von selbständigen Unternehmen auf fremden, inländischen Schiffen betrieben werden, von praktischer Bedeutung.351

455

Kauffahrtei- und sonstige Seeschiffe, die auch auf hoher See verkehren, gehören gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 GewStG dann zum Inland, wenn unter die deutsche Flagge fahren. Rechtsgrundlage ist das Flaggenrechtsgesetz.

456

Den Inlandsbezug stellt sodann ausdrücklich § 2 Abs. 1 Satz 3 2. Alt. GewStG her. Fahrende Schiffe sind an sich keine Betriebsstätten i.S.d. § 12 Satz 1 AO der betreibenden Gesellschaften, da sie nicht dauerhaft mit der Erdoberfläche verbunden sind und somit keine „feste“ Einrichtung bilden. Die auf ihnen ausgeübte Tätigkeit begründet ebenfalls keine Betriebsstätte.352 Anderes folgt auch nicht aus der Betriebsstättenfiktion des § 9 Nr. 3 GewStG.353

457

Bei Schiffen wird daher hier eine feste örtliche Bindung zu einem bestimmten Teil der Erdoberfläche nicht verlangt bzw. fingiert. Hier bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG (vorbehaltlich der Regelung in § 5 GewStDV), dass im Inland ein Gewerbebetrieb betrieben wird, soweit für ihn im Inland oder auf einem in ein inländisches Schiffsregister eingetragenen Kauffahrteischiff eine Betriebsstätte unterhalten wird.

458

Ein Kauffahrteischiff ist ein Seeschiff, das mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird. Keine Kauffahrteischiffe sind damit insb. Schiffe der deutschen Marine, Kriegsschiffe und der Küstenwache. Ein Seeschiff ist – in Abgrenzung zu Binnenschiffen – zum Einsatz auf hoher See (Seefahrt) bestimmt.354

459

Ein Handelsschiff (§ 9 Nr. 3 GewStG) ist ein zur gewerblichen Beförderung von Personen und Gütern dienendes Schiff. Keine Handelsschiffe sind dementsprechend Fischereischiffe,

460

349 So jetzt BMF v. 7.8.2017, BStBl. I 2017, 1257, Nr. 3, Änderung des AEAO zu § 12, Nr. 4 mit Verweis auf BFH v. 20.7.2016 – I R 50/15, BStBl. II 2017, 230. 350 BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BStBl. II 2015, 1049; v. 20.7.2016 – I R 50/15, BStBl. II 2017, 230, unter Aufhebung des gegenteiligen Urteils des FG Köln v. 7.5.2015 – 10 K 73/13, EFG 2015, 1558. 351 BFH v. 3.2.1974 – I R 219/71, BStBl. II 1974, 361; ggf. sind dann zusätzlich abkommensrechtliche Regelungen zu beachten. 352 BFH v. 3.2.1974 – I R 219/71, BStBl. II 1974, 361; v. 13.2.1974 – I R 218/71, FR 1974, 249; v. 26.6.1996 – XI R 18/94, BStBl. II 1998, 278; v. 26.8.1987 – I R 376/83, BStBl. II 1988, 201; v. 22.12.2015 – I R 40/15, BStBl. II 2016, 537; Drüen in Tipke/Kruse, § 2 AO Rz. 7b; H 2.8 GewStH 2016. Für Zwecke der Zerlegung bei zwei Betriebsstätten an Land wird die Tätigkeit regelmäßig dem inländischen Sitz der Geschäftsleitung als Schwerpunktbetriebsstätte zugeordnet, BFH v. 26.8.1987 – I R 376/83, BStBl. II 1988, 201. 353 FG Hamburg v. 27.5.2009 – 6 K 102/08, EFG 2009, 1665. 354 Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 105.

103

GewStG § 2 Rz. 461 | Steuergegenstand Bohr- und Forschungsschiffe sowie Sportboote. Werden diese Schiffe mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben, handelt es sich um Kauffahrteischiff.355 461

Das Kauffahrteischiff muss zusätzlich in einem inländischen Schiffsregister eingetragen sein. Schiffsregister werden von den Amtsgerichten getrennt nach See- und Binnenschiffsregister geführt. Rechtsgrundlage ist die Schiffsregisterordnung i.V.m. dem Flaggenrechtsgesetz.

462

Eine einschränkende Ausnahme zur sachlichen Gewerbesteuerpflicht aus eher praktischen Gründen besteht nach § 5 GewStDV. Besteht auf einem Kauffahrteischiffe eine Betriebsstätte und verkehrt das Schiff im regelmäßigen Liniendienst ausschließlich zwischen ausländischen Häfen, verzichtet das Gesetz auf eine Gewerbesteuerpflicht.356 Dies gilt auch dann, wenn das Kauffahrteischiff in einem inländischen Schiffsregister eingetragen ist. Eine Eintragung in ein inländisches Register wäre ein hinreichender territorialer Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung gewesen (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 6 GewStG).

463

Auch § 6 GewStDV erweitert die Steuerpflicht und fingiert eine Betriebsstätte.357 Danach gilt bei Binnen- und Küstenschifffahrtsbetrieben, die feste örtliche Anlagen oder Einrichtungen nicht unterhalten, eine Betriebsstätte in dem Ort als vorhanden, der als Heimathafen (Heimatort) im Schiffsregister eingetragen ist. Das gilt auch für Hochseefischer.358 Der Heimathafen ergibt sich aus der Eintragung im Schiffsregister (§ 4 SchRegO). Die Wohnung des Schifffahrtsunternehmers an Land ist nur dann vorrangige Betriebstätte (§ 12 Satz 2 Nr. 1 AO), wenn von dort aus ständig betriebliche Handlungen ausgeführt werden.359 Auch ein Schiffsanleger kann eine Betriebsstätte begründen.360

464–469

frei

V. Kapitalgesellschaften und vergleichbare Gesellschaften (Abs. 2 Satz 1) 1. Voraussetzungen a) Inländische Gesellschaften 470

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG gilt als Gewerbebetrieb stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der (inländischen) Kapitalgesellschaften, „insbesondere“ Europäische Gesellschaften (Societas Europaea, SE), Aktiengesellschaften (AG), Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA), Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) sowie Genossenschaften einschließlich Europäischer Genossenschaften sowie der Versicherungs- und Pensionsfondsvereine auf Gegenseitigkeit. Die einzelnen Rechtsformen sind in handelsrechtlichen Einzelgesetzen kodifiziert. Für diese rechtsfähigen Körperschaften knüpft die Gewerbesteuerpflicht lediglich an die äußere Form des Handelsrechts an (Gewerbebetrieb kraft Rechtsform).

471

Die Regelung verweist inhaltlich und dynamisch auf die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG bestimmten Körperschaften. Dazu gehören in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ausdrücklich auch die Personengesellschaften nach § 1a KStG, die zur Körperschaftsteuerpflicht optiert haben (optierende Gesellschaften). § 2 Abs. 8 GewStG stellt dies auch noch einmal ausdrücklich fest. Liegen die Voraussetzungen des § 1a KStG vor, ist optierende Gesellschaft eine Kapitalgesellschaft.

472

Gewinne einer Unternehmergesellschaft (UG haftungsbeschränkt) i.S.d. § 5a GmbHG sind gewerbesteuerpflichtig, weil es sich bei ihr um eine Form der Kapitalgesellschaft handelt.361

355 356 357 358 359 360 361

104

Zur Steuerbefreiung kleiner Betriebe der Hochsee- und Küstenfischerei vgl. § 3 Nr. 7 GewStG. H 2.8 GewStH 2016. H 2.9 Abs. 1 GewStH 2016 mit Bespielen. Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 318. BFH v. 7.6.1966 – I B 124/64, BStBl. III 1966, 548. BFH v. 26.8.1987 – I R 376/83, BStBl. II 1988, 201. FG Bremen v. 7.7.2020 – 1 K 44/19 (3), juris.

Steuergegenstand | Rz. 481 § 2 GewStG

Die Regelung gilt auch für Unternehmen der öffentlichen Hand in der Rechtsform dieser Gesellschaften.362 Dies sind vornehmlich Kapitalgesellschaften. Dazu gehören etwa sog. Eigengesellschaften, die sich im vollen oder mehrheitlichen Besitz der öffentlichen Hände befinden (vgl. § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG). Als gilt auch für gemischt-wirtschaftlichen Gesellschaften unter Beteiligung privater Anteilseigner. Sie gilt selbst dann, wenn die Kapitalgesellschaft eine Tätigkeit ausübt, die bei der juristischen Person des öffentlichen Rechts einen Hoheitsbetrieb i.S.d. § 4 Abs. 5 KStG begründet (vgl. § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 KStG für Zwecke der Spartenrechnung). Dies widerspricht dem (verfassungsrechtlichen) Grundgedanken des § 2 GewStDV und des § 4 Abs. 5 KStG, die den Hoheitsbereich unabhängig von der Rechtsform an sich wettbewerbsfern einstufen. Mit mehrfachen Fiktionen lässt sich dieser Mangel nicht heilen.

473

Volle Rechtsfähigkeit erlangen die genannten Körperschaften durch amtliche Eintragungen in die entsprechenden staatlichen Register (Handelsregister bei Kapitalgesellschaften, z.B. § 11 GmbHG). Für Versicherungs- und Pensionsfondsvereine auf Gegenseitigkeit entscheidet die Erlaubnis der Aufsichtsbehörde (§ 171 VAG)

474

frei

475

b) Ausländische Gesellschaften Die Fiktion des Gewerbebetriebs kraft Rechtsform gilt auch bei ausländischen Unternehmen (besonders die im Gesetz genannten), die im Inland eine Betriebsstätte unterhalten, in ihrer Rechtsform einem inländischen Unternehmen i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG entsprechen (Rechtsform- und Typenvergleich) und im Inland rechtsfähig sind.363 Dies folgt auch aus der Formulierung „insbesondere“.

476

Bei Unternehmen mit Sitz (§ 11 AO) und Geschäftsleitung (§ 10 AO) im Ausland bestimmt sich die Rechtsfähigkeit im Inland ausschließlich nach dem Recht des jeweiligen ausländischen Staates. Befindet sich die Geschäftsleitung im Inland, erlangt das ausländische Unternehmen eines Drittstaates die Rechtsfähigkeit im Inland erst mit Eintragung in das jeweilige deutsche Register.364

477

Abweichend hiervon sind die nach dem Recht eines anderen EU-Staates gegründeten Gesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland (sog. doppelt ansässige Gesellschaften) auch ohne Eintragung in ein deutsches Register im Inland voll rechtsfähig.365

478

Ist das Unternehmen im Inland nicht rechtsfähig, kann ein Gewerbebetrieb unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG oder § 2 Abs. 3 GewStG gegeben sein.

479

frei

480

c) Vorgründungs- und Vorgesellschaften Eine Vorgründungsgesellschaft besteht im ersten Abschnitt der Gründung bis zu Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages (GmbH) bzw. der notariellen Feststellung der Satzung (AG, KGaA). Es handelt sich um einen (getrennten) Gewerbebetrieb, wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, § 15 Abs. 2 EStG erfüllt sind.366 Sie endet mit der formellen Bestätigung als Vorgesellschaft.

362 BFH v. 28.10.1987 – I R 126/83, BStBl. II 1988, 70. 363 Zur Gewerbesteuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 113 f.; R 2. 1 Abs. 4 GewStR 2009 und H 2.1 Abs. 4 GewStH 2016 m.w.N.; BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 zum Rechtstypenvergleich. 364 BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; H 2.1 Abs. 4 GewStH 2016. 365 R 2.1 Abs. 4 Satz 4 GewStR 2009. 366 Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 118.

105

481

GewStG § 2 Rz. 482 | Steuergegenstand 482

Eine Vorgesellschaft besteht im zweiten Abschnitt der Gründung mit dem Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages (GmbH) bzw. der notariellen Feststellung der Satzung (AG, KGaA). Nach der Rechtsprechung des BFH367 ist die Vorgesellschaft ohne weiteres sachlich gewerbesteuerpflichtig, wenn die Eintragung ins Handelsregister nachfolgt und die Gesellschaft nach außen geschäftlich tätig wird. Eine gewerbliche Tätigkeit ist nicht notwendig.368 Sie bildet zusammen mit der später eingetragenen Gesellschaft einen einheitlichen Steuergegenstand.369 Die gesetzliche Grundlage für diese Auslegung ist schmal.

483–484

frei

2. Rechtsfolgen 485

§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG fingiert die Gewerblichkeit dieser Körperschaften, d.h. die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG sind nicht mehr zu prüfen, sondern werden unterstellt. Sie sind Gewerbebetriebe und sachlich gewerbesteuerpflichtig. Daraus folgt, dass diese Unternehmen auch dann Gegenstand der Gewerbebesteuerung sind, wenn sie eine nicht gewerbliche Tätigkeit ausüben (z.B. Land- und Forstwirtschaft, freiberufliche Tätigkeit, vermögensverwaltende Tätigkeit). Die zugrunde liegenden typisierenden Fiktionen ist nach vorherrschender Auffassung verfassungsgemäß.370

486

Die Rechtsfiktionen haben weitreichende Folgen für den Steuergegenstand i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG und seine Steuerpflicht und führen zu rechtsformabhängigen Unterschieden zu den Unternehmen i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG.

487

Aus dem sachlichen Merkmal „Umfang“, das auch § 15 Abs. 3 EStG kennt, folgert die ganz überwiegende Auffassung, dass die gesamte Tätigkeit der Körperschaft einen einheitlichen Gewerbebetrieb bildet.371 Unerheblich ist danach die materielle „Tätigkeit“ dieser Körperschaften. Jegliche Tätigkeit ist gewerbesteuerbar.372 Dies gilt unabhängig von der Einkunftsart i.S.d § 2 EStG. Es besteht mithin nur ein Gewerbebetrieb (Grundsatz der Einheitlichkeit des Gewerbebetriebs). Es können weder nebeneinander noch nacheinander mehrere Gewerbebetriebe unterhalten werden.373 Auch solche Einkünfte, die unter keine Einkunftsart fallen, werden als gewerbliche umqualifiziert.374 Dies ermöglicht der Körperschaft insb. einen internen Verlustausgleich bei unterschiedlichen Tätigkeiten und unterscheidet sie wesentlich von den Gesellschaften i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG.

488

Bei den in § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG genannten rechtsfähigen Körperschaften hat das Erfordernis der Unternehmensgleichheit (Unternehmensidentität) i.S.d. Rechtsprechung des BFH zu § 10a GewStG im Grundsatz keine Bedeutung. Dies folgt nach Auffassung des BFH375 aus der Fiktion der gesamten Tätigkeit der Gesellschaft als einen Gewerbebetrieb. Wechselt eine Kapitalgesellschaft den Unternehmensgegenstand oder veräußert sie einen Teilbetrieb, so bleibt der Verlustvortrag vollumfänglich erhalten. Beispiel 1: Eine Grundstücksgesellschaft mbH verwaltet lediglich Grundbesitz. Sie ist gewerbesteuerpflichtig allein wegen der Rechtsform der GmbH.

367 BFH v. 24.1.2017 – I R 81/15, BStBl. II 2017, 1071; krit. Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/ Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 117. 368 BFH v. 24.1.2017 – I R 81/15, BStBl. II 2017, 1071. 369 BFH v. 24.1.2017 – I R 81/15, BStBl. II 2017, 1071. 370 BFH v. 3.12.2003 – IV B 192/03, BStBl. II 2004, 303; H 2.1 Abs. 4 GewStH 2016 (Grundsatz der Einheitlichkeit des Gewerbebetriebs). 371 Etwa BFH v. 27.4.2009 – I R 76/03, BFH/NV 2010, 1118; H 2.1 Abs. 4 GewStH 2016; Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 121. 372 H 21 Abs. 4 GewStH 2009. 373 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 468. 374 BFH v. 22.8.1990 – I R 67/88, BStBl. II 1991250; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 469, 475 ff. dort auch zu weiteren Einzelfragen. 375 BFH v. 29.10.1986 – I R 318/183 u.a., BStBl. II 1987, 310; krit. Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 60.

106

Steuergegenstand | Rz. 502 § 2 GewStG Beispiel 2: Die Gesellschafter einer Beratungs-GmbH sind ausschließlich Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Die Beratungs-GmbH ist gewerbesteuerpflichtig allein wegen der Rechtsform der GmbH.

Aus dem zeitlichen Merkmal „stets“, das in § 15 Abs. 3 EStG fehlt, folgert die ganz überwiegende Auffassung, dass sich Beginn und Ende der Gewerbesteuerpflicht der Körperschaften von der Dauer der Gewerbesteuerpflicht der Einzelunternehmen und Personengesellschaften in § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, § 15 Abs. 2 EStG unterscheiden. Für die Körperschaften entscheiden Beginn bzw. die Einstellung jeglicher Tätigkeit nach Erlangung der Rechtsfähigkeit.376

489

Zum Gewerbeertrag zählt hier auch der bei Abwicklung der Gesellschaft erzielte Gewinn. Dieser ist gem. § 16 Abs. 1 GewStDV auf die Jahre des Abwicklungszeitraums zu verteilen. Entsprechendes gilt, wenn über das Vermögen des Unternehmens das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (§ 16 Abs. 2 GewStDV). Für die übrigen Unternehmen zählen dagegen Beginn bzw. Einstellung der werbenden Tätigkeit.377 Damit verbunden ist die (Nicht-)Berücksichtigung von vor- und nachlaufenden Aufwendungen und Erträgen.

490

frei

491–499

VI. Organschaft (Abs. 2 Satz 2) 1. Allgemeines Kapitalgesellschaften oder ihnen gleichgestellte Vorgesellschaften unterliegen der sachlichen und selbständigen Steuerpflicht nur, soweit sie nicht Organgesellschaften sind und damit gewerbesteuerrechtlich als Betriebsstätten des Organträgers gelten (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Das Rechtsinstitut der Organschaft, die heute in §§ 14–19 KStG geregelt ist, ist eine Form des Unternehmensverbundes zwischen zwei oder mehr zivil- und steuerrechtlich selbständigen Unternehmen. Sie geht ursprünglich auf die preußische Rechtsprechung um die Wende des 20. Jahrhunderts zurück und diente dem Schutz der Steuergläubiger der Gewerbsteuer (Länder bzw. Gemeinden) vor Steuerverlagerungen im Konzern.378 Der Gesetzgeber hat die ungeschriebenen Grundsätze, die die Rechtsprechung des BFH zur Körperschaftsteuer fortentwickelt hat, ab 1969 nach und nach im KStG379 und im GewStG kodifiziert und angepasst. Von der ertragsteuerrechtlichen Organschaft ist die (ähnliche) umsatzsteuerrechtliche Organschaft zu unterscheiden. Hier bildet das Unternehmen eine „echte“ Einheit.

500

Eine Organschaft liegt nach § 14 KStG vor, wenn eine juristische Person (Organgesellschaft, OG) in einem tatsächlichen und rechtlichen Unterordnungsverhältnis zu einem anderen Unternehmen (Organträger, OT) steht, sodass die juristische Person bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als unselbstständig anzusehen ist. Ist die OG finanziell, und vormals auch wirtschaftlich und organisatorisch, in das Unternehmen des OT eingliedert und muss sie ihren ganzen Gewinn bzw. Verlust tatsächlich an den OT abführen, so wird für Zwecke der steuerrechtlichen Einkommensermittlung das Einkommen der OG wirtschaftlich und steuerrechtlich als Einkommen des OT zugerechnet. Dies gilt entsprechend für die gewerbesteuerrechtliche Organschaft gem. der Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG, die auf die Voraussetzungen des § 14 KStG verweist.380

501

Im praktischen Regelfall handelt es sich bei den Unternehmenseinheiten um inländische (gewerbliche) Unternehmen. Die Grundnorm des § 14 KStG ist mittlerweile auch europa-

502

376 377 378 379 380

Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 121 f. m.w.N. Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 47 ff. m.w.N. Drüen in FS für den BFH, Bd. II, 2018, S. 1337 m.w.N. Zuletzt Gesetz v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. R 2.3 Abs. 1 Satz 1 GewStR 2009.

107

GewStG § 2 Rz. 503 | Steuergegenstand rechtsfreundlich ausgestaltet.381 Für Zwecke der Gewerbesteuer ist nach § 2 Abs. 1 GewStG immer eine inländische Betriebsstätte notwendig. Die Betriebsstättenfiktion des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG ist keine Inlandsfiktion. 503

Es liegen aber ungeachtet der (begrenzt aussagekräftigen) Betriebsstättenfiktion auch zwei oder mehr selbständige Gewerbebetriebe vor. Die Betriebsstättenfiktion des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG führt nach herrschender Auffassung nicht dazu, dass OT und OG als einheitliches Unternehmen anzusehen sind.382 Ein Konzern und eine Konzern- und Einheitsbilanz bestehen gerade nicht.

504

Vielmehr liegen weiterhin selbständige Gewerbebetriebe vor. D.h. auch, dass die Gewerbeerträge der einzelnen Gewerbebetriebe getrennt zu ermitteln sind.383 Das Zurechnungsmodell verkompliziert allerdings die ertragsteuerrechtliche und gewerbesteuerrechtliche Gewinnermittlung. Begründung und Beendigung der Organschaft verändern auch nicht die sachliche Steuerpflicht der Unternehmen.384 Die praktische Anwendung der z.T. ungeschriebenen Regelungen präzisieren vielzählige Judikate und Verwaltungsvorschriften.385

505

Dieses Verständnis des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG beruht im Wesentlichen auf einer überkommenen kommunalfreundlichen Auslegung der (mehrmals angepassten) Vorschrift. Die gewerbesteuerrechtliche Organschaft soll durch eine Zusammenfassung (Addition) der Gewerbeerträge der Gewerbebetriebe die am Gewerbesteueraufkommen beteiligten Gemeinden davor schützen, dass eng verbundene Unternehmen ihren Gewinn „willkürlich“ verlagern.386 Dadurch wird der Gemeinde der Organgesellschaft der entsprechende Anteil an der vom Organträger zu zahlenden Gewerbesteuer gesichert.

506

Reale Veränderungen in der Wirtschafts- und Unternehmenswelt können diesen Zweck allerdings gefährden und stellen die Eignung der Betriebsstättenfiktion in Frage. Unklar bleibt auch, ob die Regelung nicht (auch) zumindest reflexartig den Steuerpflichtigen schützt oder im Sinne eines Einheitsmodells einer Verwaltungsvereinfachung dienen könnte. Jedenfalls ermöglicht die Organschaft einen Verlustausgleich, der andernfalls zwischen anderen Steuerrechtssubjekten, etwa Kapitalgesellschaften, so nicht möglich wäre. Sie erleichtert damit die Konzernbildung.387

507

Nach Angleichung der gewerberechtsteuerlichen Organschaft an die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft (§§ 14, 17 KStG) besteht ab dem EZ 2002 eine Organschaft, wenn die beherrschte Kapitalgesellschaft (Organ, Organgesellschaft, Organtochter, Tochtergesellschaft, beherrschtes Unternehmen) finanziell (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG) in das Unternehmen der Herrschaftsperson (Organträger, Organmutter, Organgesellschaft, beherrschendes Unternehmen) eingegliedert ist und ein Ergebnisabführungsvertrag für mindestens fünf Jahre abgeschlossen worden ist.

508

Beherrschendes und beherrschtes Unternehmen sind im Fall der Organschaft zivilrechtlich selbständig, bilden jedoch eine wirtschaftliche Unternehmenseinheit (Organkreis), für die die jeweiligen Gewerbeerträge zunächst getrennt ermittelt werden und sodann eine einheitliche Gewerbesteuer erhoben wird.

509

Von der Organschaft ist die Betriebsaufspaltung als weitere Form des Unternehmensverbunds zu unterscheiden. Die Organschaft ermöglicht u.a. den Verlustausgleich zwischen den Mitgliedern des Organkreises. Im Fall der Betriebsaufspaltung sind das Betriebsunternehmen und das durch die Betriebsaufspaltung gewerbesteuerpflichtige Besitzunternehmen selbständige Besteuerungsobjekte. Mit dem Wegfall des früheren Merkmals der wirtschaft-

381 382 383 384 385

Näher Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 140. R 2.3 Abs. 1 Satz 3 GewStR 2009. R 2.3 Abs. 1 Satz 4 GewStR 2009; H 2.3 GewStH 2016. R 2.3. Abs. 1 Satz 5 GewStR 2009. R 2.3, R 7.1 Abs. 5, R 10a.4 GewStR 2009; R 14.1 bis 19 KStR; BMF v. 26.8.2003, BStBl. I 2003, 437; v. 10.11.2005, BStBl. I 2005, 1038 (s. Anhang 3 I. und II. GewStR 2009). 386 BFH v. 23.3.1965 – I 338/60, BStBl. II 1965, 449; v. 10.11.1998 – I R 91/97 u.a., BStBl. II 1999, 306. 387 Hidien/Pohl/Schnitter, Gewerbesteuer16, S. 854.

108

Steuergegenstand | Rz. 520 § 2 GewStG

lichen Eingliederung als notwendige gesetzliche Voraussetzung für die gewerbesteuerrechtliche Organschaft schließen sich Organschaft und Betriebsaufspaltung nicht mehr grds. aus.388 frei

510

2. Voraussetzungen der Organschaft a) Organgesellschaft Als Organgesellschaft kommt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG nur eine Europäische Gesellschaft, eine Aktiengesellschaft und Kommanditgesellschaft auf Aktien und über § 17 Satz 1 KStG i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG eine GmbH in Betracht.

511

Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG muss es sich mithin um eine Kapitalgesellschaft handeln oder eine ihr gleichgestellte Vorgesellschaft389 handeln. Dies kann auch eine optierende Personengesellschaft sein. Eine Kapitalgesellschaft, an der eine atypisch stille Beteiligung besteht, kann mangels Abführung des Gesamtgewinns keine OG sein.390

512

Keine Organgesellschaften können sein: Genossenschaften, Stiftungen, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG), Einzelunternehmen, Personengesellschaften, Vereine oder Betriebe gewerblicher Art oder eine GmbH & atypisch stille Gesellschaft391 als andere Personengesellschaft.

513

Die OG braucht nicht originär gewerblich tätig zu sein.392 Sie ist es kraft Rechtsform und Fiktion (§ 8 Abs. 2 KStG, § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG), wenn sie ihre Geschäftsleitung im Inland hat.

514

Ob eine von der Gewerbesteuer (z.B. nach § 3 GewStG) befreite Kapitalgesellschaft taugliche OG sein kann, ist offen.393 Eine gemeinnützige Kapitalgesellschaft kommt als OG jedenfalls nicht in Betracht, da der Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrags mit dem Selbstlosigkeitsgebot nach § 55 AO vereinbar ist.394

515

Sitz (§ 11 AO) und Geschäftsleitung (§ 10 AO) der OG müssen sich nicht mehr im Inland befinden (sog. doppelter Inlandsbezug). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG bzw. § 17 Abs. 1 KStG muss lediglich die Geschäftsleitung der OG im Inland liegen. Damit ist die OG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Zugleich besteht eine Geschäftsleitungs-Betriebsstätte (§ 12 Satz 2 Nr. 1 AO). Der Sitz kann sich in einem (anderen) EU- bzw. EWR-Staat befinden. Dies ermöglicht Gesellschaften, die im Ausland gegründet wurden, durch eine Verlegung ihrer Geschäftsleitung in das Inland, Organgesellschaft zu sein. Gesellschaften, die in einem Drittstaat gegründet wurden, scheiden jedoch weiterhin als Organgesellschaften aus.

516

frei

517–519

b) Organträger Für den OT ist keine bestimmte Rechtsform vorgegeben. Als mögliche OT kommen gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG in Betracht: natürliche Personen, (nicht von der Körperschaftsteuer befreite) Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen. Aber auch Personengesellschaften i.S.d.§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG können eine OG

388 389 390 391 392 393 394

Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 507. Pohl in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 Abs. 2 GewStG Rz. 102. FG Düsseldorf v. 12.4.2021 – 6 K 2616/17 K,G,F, DStRK 2021, 149, Rev. BFH I R 17/21. BMF v. 20.8.2015, BStBl. I 2015, 649. R 2.3 Abs. 1 Satz 6 GewStR 2009. BFH v. 4.6.2003 – I R 100/01, BStBl. II 2004, 244. Pohl in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 Abs. 2 GewStG Rz. 104.

109

520

GewStG § 2 Rz. 521 | Steuergegenstand bilden, wenn sie eine Tätigkeit i.Sd. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausüben.395 Zudem ist ein spezifischer Inlandsbezug erforderlich. 521

Daneben verlangt § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG durchgängig und ausdrücklich ein gewerbliches Unternehmen.396 Ein gewerbliches Unternehmen liegt vor, wenn die Voraussetzungen für einen Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 GewStG erfüllt sind. Die Gesellschaften i.S.d. § 2 Abs. 2 GewStG sind stets und in vollem Umfang gewerblich tätig.

522

Eine Organträger-Personengesellschaft muss eine eigene gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausüben.397 Eine gewerbliche Prägung i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG reicht nicht.398 § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG setzt einen tätigkeitsbezogenen Gewerbebetrieb voraus.

523

frei

524

Dagegen kann eine Besitzpersonengesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung OT sein, da ihr die gewerbliche Tätigkeit der Betriebsgesellschaft zugerechnet wird.399

525

Besonderheiten gelten für die öffentliche Hand.400 Ihre Betriebe gewerblicher Art (BgA, § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG) können nur OT sein, wenn sie gewerblich tätig werden. Nicht jeder BgA ist ein Gewerbebetrieb. Dies folgt auch aus § 2 GewStDV. § 8 Abs. 1 Satz 2 KStG betrifft lediglich die Ermittlung des Einkommens. Dauerdefizitäre Betriebe scheiden daher – mangels Gewinnerzielungsabsicht – als Organträger aus.401

526

Eine Holdinggesellschaft kann daher nur OT sein, wenn sie selbst gewerblich tätig wird. Als gewerbliche Tätigkeiten kommen nach Ansicht der Finanzverwaltung402 auch „interne“ Dienstleistungen (z.B. Erstellen der Buchführung, EDV-Unterstützung o.Ä.) gegenüber einer oder mehreren Konzerngesellschaften in Frage.

527

Eine persönliche Steuerbefreiung (z.B. § 3 Nr. 1 und 2 GewStG) schließt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG die Eignung als OT und damit auch die gewerbesteuerrechtliche Organschaft aus.

528

Körperschaften, die nur im Hinblick auf einen bestimmten Teil (partiell) ihrer Tätigkeit oder ihres Ertrages von der Steuerpflicht ausgenommen sind, kommen allerdings als OT grds. in Betracht, soweit nicht die Beteiligung an der Organgesellschaft den steuerbefreiten Aktivitäten zuzuordnen ist.403

529

Ein OT kann sich mehrere Organgesellschaften eingliedern. Ein Organschaftsverhältnis kann aber nur zu einem beherrschenden OT bestehen. Ab dem EZ 2003 wird eine Organschaft zu mehreren OT (sog. Mehrmütterorganschaft) nicht mehr zugelassen.

530

frei c) Finanzielle Eingliederung

531

Eine organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung ist nicht mehr notwendig.404 Sachlich setzt die Organschaft nur die finanzielle Eingliederung voraus (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

395 396 397 398 399 400 401 402 403 404

110

R 2.3 Abs. 3 Satz 1, 2 GewStR 2009. Auch BMF v. 26.8.2003, BStBl. I 2003, 437 Rz. 1, 2 ff. Zum Umfang der eigenen gewerblichen Tätigkeit BMF v. 10.11.2005, BStBl. I 2005, 1038 Rz. 17. R 2.3 Abs. 3 Satz 3 GewStR 2009; BMF v. 10.11.2005, BStBl. I 2005, 1038 Rz. 17. BFH v. 24.7.2013 – I R 40/12, BStBl. II 2014, 272; R 2.3 Abs. 3 Satz 4 GewStR 2009; BMF v. 10.11.2005, BStBl. I 2005, 1038 Rz. 16. Zu ertragsteuerrechtlichen Organschaften unter Beteiligung der öffentlichen Hand Gay in Hidien/ Jürgens, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, 2017, § 13 Rz. 9 ff. So BMF v. 26.8.2003, BStBl. I 2003, 427 Rz. 5; v. 12.11.2009, BStBl. I 2009, 1303 Rz. 94. BMF v.10.11.2005, BStBl. I 2005, 1038 Rz. 18 f. BFH v. 10.3.2010 – I R 41/09, BStBl. II 2011, 181 zu § 3 Nr. 20 GewStG; H 2.3 Abs. 1 GewStH 2016. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 505 f.

Steuergegenstand | Rz. 540 § 2 GewStG

Satz 1 KStG). Sie ist gegeben, wenn der OT an der OG vom Beginn ihres Wirtschaftsjahres an ununterbrochen mit einer Stimmrechtsmehrheit (mehr als 50 %) beteiligt ist. Mittelbare Beteiligungen sind nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 KStG zu berücksichtigen, wenn die Beteiligung an jeder vermittelnden Gesellschaft die Mehrheit der Stimmrechte gewährt. Dies soll sicherstellen, dass der OT seinen Einfluss in der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung der OG tatsächlich durchsetzen kann. Soweit die Stimmrechte von der Beteiligung aufgrund der Anteile abweichen, sind die Stimmrechte maßgebend.405 Ist der OT eine Personengesellschaft, müssen die Voraussetzungen der finanziellen Eingliederung im Verhältnis zur Personengesellschaft selbst erfüllt sein (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 KStG). Beispiel: Die M-KG ist jeweils zu 70 % an der T1-GmbH und an der T2-GmbH beteiligt. Die T1GmbH ist zu 30 % und die T2-GmbH zu 50 % an der E-GmbH beteiligt. Unterstellt wird, dass die Stimmrechtsverhältnisse den Beteiligungsverhältnissen entsprechen. Die T1-GmbH und die T2-GmbH sind in die M-KG finanziell eingegliedert. Die Stimmrechtsmehrheit an der T1-GmbH und an der T2-GmbH sorgt dafür, dass Stimmrechtsanteile von 30 % und 50 % dieser GmbHs für die M-KG insgesamt eine mittelbare Stimmrechtsmehrheit an der E-GmbH bewirken. Die Finanzverwaltung rechnet dabei die Beteiligung entsprechend den Beispielen in R 14. 2 KStR „durch“ und kommt zu einem maßgeblichen Prozentsatz von 56 % [21 % (70 % von 30 %) + 35 % (70 % von 50 %)] Die E-GmbH ist daher finanziell in die M-KG eingegliedert.

frei

532

533–534

d) Zuordnung der Beteiligung zu einer inländischen Betriebsstätte des Organträgers Nicht mehr entscheidend ist, ob der OT Sitz und Geschäftsleitung im Inland hat. Zur Sicherung des inländischen Steuersubstrats verlangt § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG jedoch einen spezifischen Inlandsbezug beim OT. Die Beteiligung des OT an der OG muss danach ununterbrochen während der gesamten Dauer der Organschaft einer inländischen Betriebsstätte (§ 12 AO) des OT zuzuordnen sein. Dies gilt im Fall einer mittelbaren Beteiligung an der OG sinngemäß für die Beteiligung an der vermittelnden Gesellschaft (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 5 KStG). Gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 6 ist das Einkommen der OG dieser Betriebsstätte des OT zuzurechnen. Voraussetzung ist ein inländisches Besteuerungsrecht nach nationalem und Abkommensrecht (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 7 KStG, Sicherungsklausel).

535

frei

536

e) Bestehen und Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags Seit dem EZ 2002 ist neben der finanziellen Eingliederung der Abschluss eines zivilrechtlich wirksamen, auf fünf Jahre abgeschlossenen und während dieser Zeit tatsächlich durchgeführten Gewinnabführungsvertrags zwischen dem OT und der OG erforderlich (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG).

537

Inhalt eines Gewinnabführungsvertrags i.S.d. § 291 AktG ist die Verpflichtung, den gesamten Gewinn an ein einziges anderes Unternehmen abzuführen. Der Gewinnabführungsvertrag muss trotz § 41 AO für Zwecke der §§ 14 ff. KStG zivilrechtlich wirksam sein.406 Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2, 3 KStG kann der Gewinnabführungsvertrag und damit die Organschaft allerdings vorzeitig beendet werden, wenn hierfür ein wichtiger Grund vorliegt.

538

Schließlich muss der Gewinnabführungsvertrag auch während der gesamten fünf Jahre tatsächlich durchgeführt werden (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1, 4, 5 KStG).

539

frei

540

405 Pohl in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 Abs. 2 GewStG Rz. 110. 406 Näher Pohl in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 Abs. 2 GewStG Rz. 116 ff.

111

GewStG § 2 Rz. 541 | Steuergegenstand 3. Rechtsfolgen der Organschaft a) Bedeutung der Betriebsstättenfiktion 541

Liegen die Voraussetzungen einer gewerbesteuerrechtlichen Organschaft vor, so hat dies nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG gewerbesteuerrechtlich zur Folge, dass die OG als Betriebsstätte des OT „gilt“. Die Voraussetzungen der gewerbesteuerrechtlichen Organschaft regelt § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG an Anlehnung an das KStG (§§ 14, 17 KStG). Die körperschaftsteuerrechtlichen und gewerbesteuerrechtlichen Organschaftsvoraussetzungen stimmen mittlerweile überein. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG, auf den § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG verweist, ist das Einkommen der OG für Zwecke der Körperschaftsteuer grds. dem OT zuzurechnen. Indem § 7 Satz 1 GewStG die Ermittlung des Gewerbeertrags mit der Ermittlung des körperschaftsteuerrechtlichen Gewinns (§§ 14 ff. KStG) verbindet, bestätigt das Gesetz insofern den grundsätzlichen Gleichlauf beider Rechtskreise.407

542

Auf dieser Grundlage nicht vollständig abgestimmter Regelungen hat die Rechtsprechung des BFH408 in Abkehr von der früheren sog. Filial- oder Einheitstheorie, die auch der gewerbesteuerrechtlichen Betriebsstättenfiktion entspräche, eine sog. gebrochene oder eingeschränkte Einheitstheorie entwickelt. Sie wird auch von der Finanzverwaltung409 vertreten. Trotz der Betriebsstättenfiktion bilden OG und OT kein einheitliches Unternehmen bzw. Einheitsunternehmen und auch kein einheitlicher Gewerbebetrieb. Sie bleiben vielmehr zivil- und steuerrechtlich selbständige Gewerbebetriebe,410 die einzeln für sich bilanzieren und deren Gewerbeerträge getrennt zu ermitteln sind. Der Gewerbeertrag der OG ist so zu ermitteln, als wäre diese Gesellschaft selbständiges Steuersubjekt. Verfahrensrechtlich ist allerdings der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag allein gegenüber dem OT festzusetzen.411

543

Die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG mit ihrer Betriebsstättenfiktion sichert danach nur die Zuweisung eines Zerlegungsanteils an die Belegenheitsgemeinde. Für sich besehen deutet sie aber eher darauf hin, dass jedenfalls gewerbesteuerrechtlich ein einheitlicher Gewerbebetrieb vorliegt, für den auch ein einheitlicher Gewerbeertrag zu bestimmen ist. Dagegen liegt § 14 Abs. 1 KStG ein Zurechnungsmodell zugrunde.

544

Frei b) Getrennte Ermittlung des Gewerbeertrags

545

Liegt Organschaft vor, sind der Gewerbeertrag des OT und der OG getrennt nach den für die jeweiligen Unternehmensformen geltenden Regelungen des KStG und EStG zu ermitteln (1. Stufe) und anschließend zusammenzurechnen (2. Stufe).412

546

Insoweit sind über § 7 Satz 1 GewStG grds. auch die einkommen- und körperschaftsteuerrechtlichen Ermittlungsregeln zu beachten. §§14 ff. KStG enthalten insoweit auch Sonderregelungen für die Ermittlung des Einkommens der OG und des OT.

547

Erst auf einer zweiten Stufe erfolgt – vergleichbar der körperschaftsteuerlichen Organschaft – eine „Zurechnung“ des Gewerbeertrags der OG an den OT. Eine gesetzliche Bestätigung hat diese Rechtsansicht durch die Einführung des § 7 GewStG erfahren, wo von einer Ermittlung des „Gewerbeertrags einer Organgesellschaft“ die Rede ist.413 Im Hinblick auf § 7 Satz 1 GewStG sowie die notwendigen Korrekturen eines Zurechnungsmodells sind technisch vier Ermittlungsschritte durchzuführen. 407 BFH v. 17.12.2014 – I R 39/14, BStBl. II 2015, 1052. 408 St. Rspr., erstmals BFH v. 6.10.1953 – I 29/53 U, BStBl. III 1953, 329; v. 17.12.2014 – I R 39/14, BStBl. II 2015, 1052 m.w.N. 409 R 2.3. Abs. 1, R 7.1 Abs. 5 GewStR 2009. 410 BFH v. 22.1.2004 – III R 19/02, BStBl. II 2004, 515. 411 BFH v. 28.1.2004 – I R 84/03, BStBl. II 2004, 539. 412 Ausf. zur Ermittlung des Gewerbeertrags des OT Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 523 ff.; Roser in Lenski/Steinberg, § 7 GewStG Rz. 208 ff. 413 Pohl in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 Abs. 2 GewStG Rz. 131.

112

Steuergegenstand | Rz. 552 § 2 GewStG

Auf einer ersten Stufe ist der Gewerbeertrag als ein um Hinzurechnungen und Kürzungen korrigierter Gewinn für jedes Unternehmen des Organkreises getrennt nach den für das jeweilige Unternehmen maßgebenden Vorschriften zu ermitteln. Insbesondere sind die Voraussetzungen von Kürzungen (z.B. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG) und für Hinzurechnungen (z.B. § 8 Nr. 1 GewStG) für jedes einzelne Unternehmen des Organkreises zu prüfen. Entscheidend sind allein die bei dem jeweiligen Unternehmen gegebenen Verhältnisse.414

548

Dies gilt auch im Fall eines mehrstufigen Organkreises. Bei einer mehrstufigen Organschaft sind die Gewerbeerträge stufenweise zu ermitteln und dem jeweiligen OT zuzurechnen.415 Dies hat Bedeutung für den Verlustvortrag nach § 10a GewStG, der Unternehmensgleichheit voraussetzt. Tritt z.B. eine Kapitalgesellschaft B, die jetzt Organtochtergesellschaft ist und bisher OT mehrerer OG (C 1, C 2 und C 3) war (nunmehr Organenkelgesellschaften) und eigene vortragsfähige Verluste nach § 10 GewStG hatte, in ein Organschaftsverhältnis zum OT A ein, so bewirkt die zunächst vorzunehmende Erhöhung des Ertrags der Gesellschaft B um die Erträge der Gesellschaften C 1, C 2 und C 3 insoweit eine Verrechnungsmöglichkeit auch mit vororganschaftlichen Verlusten der Gesellschaft B. Würden hingegen die Erträge von C 1, C2 und C 3 unmittelbar dem OT A zugeordnet, so könnte die Gesellschaft B nur eigene Erträge mit den vorgetragenen Verlusten verrechnen.

549

Auf der zweiten Stufe sind sodann die Gewerbeerträge der Unternehmen zusammenzufassen, d.h. zu addieren. Der auf der ersten Stufe ermittelte Gewerbeertrag der OG wird dem OT nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG als feste Saldogröße zugerechnet.416 Hierbei sind doppelte gewerbesteuerrechtliche Belastungen oder ungerechtfertigte Entlastungen im Organkreis grds. auszuscheiden und zu neutralisieren.417 Insbesondere müssen Hinzurechnungen unterbleiben, wenn sie zu einer doppelten steuerlichen Belastung führen würden, weil die Beträge in einem anderen Gewerbeertrag desselben Organkreises enthalten sind.

550

Je nachdem, um welchen Rechenposten es sich handelt, sind daher Korrekturen oder Bereinigungen entweder bereits auf der ersten Stufe bei den selbständig ermittelten Gewerbeerträgen der zum Organkreis gehörenden Betriebe oder auf der zweiten Stufe durch Hinzurechnungen zu bzw. Abzügen von der Summe der getrennt ermittelten Gewerbeerträge vorzunehmen.418 Rechtsgrundlage für Korrekturen der sich aus der Zusammenrechnung der Gewerbeerträge von OT und OG ergebenden ungerechtfertigten steuerlichen Beoder Entlastungen ist auch hier § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG.

551

Nachdem die Gewerbeerträge der Unternehmenseinheiten ermittelt wurden, sind die Gewerbeertrage des oder der OG dem OT „zuzurechnen“ (§ 14 Abs. 1 Satz 1 KStG). Den Zeitpunkt der Zurechnung bestimmt die Regelung nicht ausdrücklich. Nach Ansicht des BFH419 ist für körperschaftsteuerrechtliche Zweck auf das Ende des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft abzustellen. Entsprechendes gilt auch gewerbesteuerrechtlich.420 Es sind die Gewerbeerträge derjenigen Wirtschaftsjahre des OT und der OG zusammenzurechnen, die in demselben Erhebungszeitraum enden.421

552

BFH v. 30.7.1969 – I R 21/76, BStBl. II 1969, 629. OFD Hannover v. 7.10.2003, DStR 2003, 1836. BFH v. 17.12.2014 – I R 39/14, BStBl. II 2015, 1052. BFH v. 27.9.2006 – IV R 50/98, BFH/NV 2007, 239; R 7.1 Abs. 5 Satz 3, 5 GewStR 2009. Näher Roser in Lenski/Steinberg, § 7 GewStG Rz. 212 ff. BFH v. 28.2.2013 – IV R 50/09, BStBl. II 2013, 494. Pohl in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 Abs. 2 GewStG Rz. 137 mit einem Beispiel zum abweichenden Wirtschaftsjahr; vgl. R 7.1 Abs. 5 Satz 11 GewStR 2009. 421 R 7. 1 Abs. 5 Satz 11 GewStR 2009. 414 415 416 417 418 419 420

113

GewStG § 2 Rz. 553 | Steuergegenstand 553

554

Übersicht: Stufen der Ermittlung des Gewerbeertrags des OT 1. Stufe

Getrennte Ermittlung des Gewinns von OT und OG nach EStG/KStG

2. Stufe

Getrennte Ermittlung des Gewerbeertrags von OT und OG nach §§ 7 bis 10a GewStG

3. Stufe

Zurechnung (Addition) des Gewerbeertrags der OG zum OT

4. Stufe

Korrekturen auf allen Stufen

Übersicht: Gewerbesteuerrechtliche Organschaft OT (z.B. GmbH A in Gemeinde X)

OG (z.B. GmbH B in Gemeinde Y)

Gewinn nach § 7 Satz 1 GewStG i.V.m. KStG Sonderregelungen § 7 Satz 2 ff. GewStG + Hinzurechnungen § 8 GewStG samt Freibetrag ./. Kürzungen § 9 GewStG ./. Fehlbeträge § 10a GewStG = vorläufiger Gewerbeertrag des OT + ./. Freibetrag §11 GewStG?

Gewinn nach § 7 Satz 1 GewStG i.V.m. KStG Sonderregelungen § 7 Satz 2 ff. GewStG + Hinzurechnungen § 8 GewStG samt Freibetrag ./. Kürzungen § 9 GewStG ./. Fehlbeträge § 10a GewStG = vorläufiger Gewerbeertrag der OG

= Gewerbesteuermessbetrag Zerlegungsanteil X 555

Zerlegungsanteil Y

Übersicht: Einzelne Korrekturen der Ermittlung des Gewinns und Gewerbeertrags Gewinnabführungen der OG Negative Einkünfte § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG § 7a GewStG: Schachteldividenden der OG i.V.m. § 9 Nr. 2a, 7, 8 GewStG § 8 Nr. 1a GewStG: Entgelte für Schulden, Miet- und Pachtzinsen § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG: erweiterte Kürzung Veräußerung einer Organbeteiligung Verlustbedingte Teilwertabschreibung auf eine Organbeteiligung Abführungsbedingte Teilwertabschreibung: § 8 Nr. 10 GewStG Teilwertaufholung

556–559

frei

c) Einzelne zurechnungsbedingte Korrekturen 560

Ergeben sich im Rahmen der Zurechnung unberechtigte doppelte steuerrechtliche Be- oder Entlastungen, so sind diese auszuscheiden.422 Dies ist nur teilweise gesetzlich geregelt. Es betrifft insb. den Fall, dass im jeweiligen Gewerbeertrag Aufwendungen und Erträge aus „internen“ Geschäftsbeziehungen im Organkreis enthalten sind.423 Ein solcher „Leistungsaustausch“ kann zwischen verschiedenen OG und/oder zwischen OG und OT bestehen, die auch mit gewerbesteuerrechtlichen Folgen verbunden sind. Typisch sind Miet- Pacht- und

422 BFH v. 17.12.2014 – I R 39/14, BStBl. II 2015, 1052. 423 So schon BFH v. 6.10.1953 – I 29/53 U, BStBl. III 1953, 329.

114

Steuergegenstand | Rz. 566 § 2 GewStG

Darlehensverhältnisse gem. § 8 Nr. 1 GewStG. Technisch können diese Bereinigungen und Korrekturen je nach Art an unterschiedlichen Stellen der drei betroffenen Stufen erfolgen.424 Zunächst ist der Gewerbeertrag von OG und OT ohne Berücksichtigung einer Gewinnabführung nach dem Gewinnabführungsvertrag oder einer geleisteten Ausgleichszahlung zu ermitteln. Der volle Gewerbeertrag der OG ist vielmehr mit dem vom OT selbst erzielten Gewerbeertrag zusammenzurechnen.425

561

§ 16 KStG findet im Gewerbesteuerrecht keine Anwendung.426 Zum Gewerbetrag der OG gehören auch die geleisteten Ausgleichszahlungen. Dies hat zur Folge, dass die Höhe des dem OT zugerechneten Gewerbeertrags nicht um 20/17 der Ausgleichszahlungen an außenstehende Gesellschafter zu vermindern ist.

562

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG bleiben negative Einkünfte des OT oder der OG bei der inländischen Besteuerung unberücksichtigt, soweit sie in einem ausländischen Staat im Rahmen der Besteuerung des OT, der OG oder einer anderen Person berücksichtigt werden. Ziel der Vorschrift ist es, insoweit sog. double dips, die insb. bei doppelt ansässigen OG bzw. OT vorkommen, zu unterbinden.427 Die Regelung gilt grds. auch im Rahmen des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG, der § 14 KStG ausdrücklich nennt.428 Allerdings ist dieser Verweis auf ein Verlustabzugsverbot nicht mit den inlandsbezogenen Regelungen in § 2 Abs. 1, 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG abgestimmt.

563

Die Regelungen des § 8b KStG sowie der §§ 3 Nr. 40 und 3c EStG sind erst bei der Ermittlung des Einkommens des OT und nicht schon bei der OG anzuwenden (vgl. § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG).429 Dies betrifft Dividendeneinnahmen aus Streubesitz oder Veräußerungserlöse, die die OG erzielt.

564

Bei inländischen Schachteldividenden i.S.d. § 9 Nr. 2a GewStG oder ausländischen Gewinnanteilen i.S.d. § 9 Nr. 7 oder 8 GewStG führte nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung430 bis zum EZ 2016 die sog. Bruttomethode nach § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 und 2 KStG dazu, dass bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der Organschaft eine Erhöhung durch den Ansatz von fiktiven nichtabziehbaren Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG unterblieb, so dass eine „Hinzurechnungslücke“ entstand. Nach der Bruttomethode gilt: Das Einkommen der OG wird ohne Berücksichtigung von § 8b Abs. 1–5 KStG ermittelt. Die Entlastungen durch § 8b KStG bzw. aus dem Teileinkünfteverfahren – vollständige oder 40%ige Befreiung der Erträge unter Beachtung von § 3c EStG – werden erst auf der Ebene des OT und dort abhängig von der Besteuerungssituation des OT – natürliche Person, Körperschaft, Personengesellschaft mit natürlichen Personen und Körperschaften als Beteiligte – gewährt.

565

§ 7a GewStG verhindert seitdem ab EZ 2017 diese Besserstellung.431 Danach ist § 8b KStG bereits auf Ebene der OG anzuwenden. § 9 Nr. 2a, Nr. 7 oder 8 GewStG sind nicht anzuwenden. Die Regelung ist gem. § 36 Abs. 2b GewStG a.F. erstmals auf Gewinne aus Anteilen i.S.d. § 9 Nr. 2a, 7, 8 GewStG anzuwenden, die nach dem 31.12.2016 zufließen, und auf Aufwendungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit diesen Gewinnen aus Anteilen stehen und nach diesem Zeitpunkt gewinnwirksam werden.432

566

424 Vgl. auch das Ermittlungsschema für die Körperschaftsteuer R 7.1 Abs. 1 Satz 1 KStR zu den organschaftlichen Posten. 425 R 7.1 Abs. 5 Satz 10 GewStR 2009. 426 Pohl in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 Abs. 2 GewStG Rz. 139; R 7.1 Abs. 5 Satz 11 GewStR 2009. 427 BT-Drucks. 17/10774, 20. 428 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 523; Pohl in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 Abs. 2 GewStG Rz. 132; str., w.N. bei Brink in Schnitger/Fehrenbacher2, KStG, § 14 KStG Rz. 967g ff. 429 BMF v. 26.8.2001, BStBl. I 2003, 437 Rz. 28 ff.; Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 171. 430 BFH v. 17.12.2014 – I R 39/14, BStBl. II 2015, 1052. 431 Überholt daher H 7.1 Abs. 5 GewStH 2016 („Dividendeneinnahmen einer OG“). 432 Zu einem Beispiel Pohl in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 Abs. 2 GewStG Rz. 133.

115

GewStG § 2 Rz. 567 | Steuergegenstand 567

Folge der getrennten Ermittlung der Gewerbeerträge von OG und OT ist auch, dass jede Gesellschaft für sich einen eigenständigen Freibetrag i.S.d. § 8 Nr. 1 GewStG i.H.v. 200.000 € in Anspruch nehmen darf.

568

Besonders die Anwendung der §§ 8, 9 GewStG kann im Organkreis zu (ungerechtfertigten) doppelten Belastungen oder Entlastungen führen. Der Organkreis soll hier trotz der rechtlichen Selbständigkeit der im Organkreis verbundenen Unternehmen nur einer einmaligen Besteuerung unterliegen.433 Rechtsgrundlage der Korrektur ist ebenfalls die fallbezogene Auslegung des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG.434 Danach muss die unerwünschte Rechtsfolge durch die Organschaft veranlasst sein.435 Die §§ 8, 9 GewStG sind danach im Organkreis nur dann anzuwenden, wenn sich ihre Wirkungen ausgleichen.436 Allerdings besteht kein allgemeiner Rechtsgrundsatz, der unerwünschte Wirkungen und Rechtsfolgen generell unterbindet.437 Insoweit ist § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG auch nicht analog anwendbar.438

569

Hinzurechnungen439 nach § 8 GewStG von innerhalb des Organkreises gezahlten (Schuld)-Zinsen bzw. Miet- und Pachtentgelten nach § 8 Nr. 1 GewStG sind beim Leistenden im Regelfall nicht vorzunehmen, weil sie im Gewinn des ebenfalls zum Organkreis zählenden Leistungsempfängers (OT oder andere OG) enthalten sind.440 Insoweit bleibt der Freibetrag verschont. Unter § 8 Nr.1a GewStG fallende Entgelte für Schulden, die der OT an eine z.B. nach § 3 GewStG von der Gewerbesteuer befreite OG zahlt, sind beim OT jedoch hinzuzurechnen. Eine Doppelerfassung ist hier nicht gegeben.

570

Ungerechtfertigte Mehrfachentlastungen können darüber hinaus im Kontext der Kürzungen nach § 9 GewStG ergeben. Besondere Probleme bestehen bei Zinszahlungen zwischen OT und OG im Zusammenhang mit der Zinsschrankenregelung und bei einer erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ausschließlich für die OG.441 Nach Auffassung des BFH442 ist die erweiterte Kürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG für Grundstücksunternehmen zu versagen, wenn es sich bei dem Grundstücksunternehmen um eine OG handelt, die alle ihre Grundstücke an eine andere OG desselben Organkreises vermietet.

571

Folge der getrennten Behandlung der Unternehmen ist auch, dass Steuervergünstigungen bei einzelnen OG oder beim OT nicht den gesamten Organkreis infizieren. Betreibt eine Organgesellschaft ein Krankenhaus und eine andere OG eine Einrichtung zur ambulanten Versorgung von Patienten, so kommt die Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 20 GewStG nur der zuerst genannten OG zugute.443 Die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach § 3 GewStG müssen in der Person des OT bzw. der OG erfüllt sein.444 Die Steuerbefreiung beschränkt sich in ihrer Wirkung auf das Unternehmen, das die Voraussetzungen des § 3 GewStG erfüllt. Die Befreiung einer OG von der Gewerbesteuer gem. § 3 Nr. 20 GewStG erstreckt sich auch dann nicht auf eine andere OG desselben Organkreises, die die Befreiungsvoraussetzungen ihrerseits nicht erfüllt, wenn die Tätigkeiten der Gesellschaften sich gegenseitig ergänzen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer gesetzlichen Steuerbefreiung müssen von der jeweiligen OG selbst erfüllt werden. Daraus ist jedoch nicht zu schließen, dass die Steuerbefreiungen wirkungslos bleiben, wenn der OT nicht selbst die

433 434 435 436 437 438 439 440 441 442

R 7.1 Abs. 5 Satz 3, 4 GewStR 2009. St. Rspr., BFH v. 5.11.2009 – IV R 57/06, BStBl. II 2010, 646. Vgl. etwa BFH v. 30.10.2014 -IV R 9/11, BFH/NV 2015, 227. BFH v. 18.5.2011 – X R 4/10, BStBl. II 2011, 887. Vgl. etwa BFH v. 7.9.2016 – I R 9718, BFH/NV 2017, 485 m.w.N. BFH v. 17.12.2014 – I R 39/14, BStBl. II 2015, 1052. R 7.1 Abs. 5 Satz 4 GewStR 2009. R 7.1 Abs. 5 Satz 4 GewStR; gleich lautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 4. Näher Klass/Stoecker, Ubg 2012, 535. BFH v. 18.5.2011 – X R 4/10, BStBl. II 2011, 887; v. 30.10.2014 – IV R 9/11, BFH/NV 2015, 227; näher Kontny in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 151 f. 443 Vgl. BFH v. 10.3.2010 – U R 41/09, BStBl. II 2011, 181 v. 5.6.2006 – X R 59/00, BStBl. II 2006, 661; H 2.3 Abs. 1 GewStH 2016. 444 BFH v. 4.6.2003 – I R 41/09, BStBl. II 2004, 244; H 2.3 Abs. 1 GewStH 2016.

116

Steuergegenstand | Rz. 580 § 2 GewStG

Voraussetzungen der betreffenden Norm erfüllt. Vielmehr ist der Gewerbeertrag auch dann steuerfrei, wenn er von dem OT zu versteuern ist.445 Um eine Doppelbelastung zu vermeiden, sind bei der Veräußerung einer Organbeteiligung durch den OT die von der OG während der Dauer des Organschaftsverhältnisses erwirtschafteten, aber nicht ausgeschütteten Gewinne, soweit sie in den Vorjahren im Organkreis der Gewerbesteuer unterlegen haben, bei der Ermittlung des Gewerbeertrags des Wirtschaftsjahres des OT abzuziehen, in dem die Beteiligung veräußert wurde.446 Die Steuerfreiheit entsprechender Veräußerungsgewinne nach § 8b KStG bzw. § 3 Nr. 40a EStG ist zu beachten.

572

Wird eine Teilwertabschreibung nicht vorgenommen, die Organbeteiligung später zu einem entsprechend geringen Verkaufspreis veräußert, ist bei der Ermittlung des Gewerbeertrags ein Betrag in Höhe des bei der Zusammenrechnung der Gewerbeerträge berücksichtigten Verlustes der OG hinzuzurechnen.447

573

Zur Vermeidung doppelter steuerrechtlicher Entlastungen bleiben verlustbedingte Wertminderungen der Organbeteiligung gewerbesteuerrechtlich unberücksichtigt. So mindert eine verlustbedingte Teilwertabschreibung auf die Organbeteiligung auf Grund von Verlusten der OG den Gewerbeertrag nicht.448

574

Für ausschüttungsbedingte (hier: abführungsbedingte) Teilwertabschreibungen innerhalb des Organkreises ist seit dem EZ 1999449 die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 10 GewStG zu beachten. Diese Regelung geht einer (denkbaren anderen) Auslegung des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG vor.

575

Der Gewerbeertrag des OT ist bei einer Teilwertaufholung auf Anteile an der OG nicht nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG zu mindern. Dies soll auch dann gelten, wenn eine vorausgegangene ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung auf die Anteile den Gewerbeertrag nicht gemindert hat. Nach Auffassung des BFH450 fehlt es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage im GewStG (anders § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG). Nach st. Rspr. des BFH451 besteht im Gewerbesteuerrecht zudem weder ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine Kürzung bei der Ermittlung des Gewerbeertrages durchzuführen ist, soweit es ohne diese Kürzung zu einer Doppelerfassung kommt, noch muss umgekehrt eine Kürzung unterbleiben, wenn dies zu einer doppelten Entlastung führt (kein allgemeines Verbot der doppelten Belastung oder der doppelten Entlastung, auch nicht bei periodenübergreifender Betrachtung).

576

frei

577–579

d) Gewerbesteuerrechtliche Fehlbeträge Die (gegenseitige und einseitige) Berücksichtigung gewerbesteuerrechtlicher Fehlbeträge („Verluste“) gem. § 10a GewStG beim OT und einer OG ist nur teilweise gesetzlich ausdrücklich geregelt.452

445 Pohl in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 Abs. 2 GewStG Rz. 138. 446 So bisher R 7.1 Abs. 5 Satz 5 GewStR 2009; jetzt im Ergebnis ebenso R 14.8 Abs. 1, 3 KStR, Kontny in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 156. 447 R 7.1 Abs. 5 Satz 9 GewStR 2009. 448 R 7.1 Abs. 5 Satz 6 bis 8 GewStR 2009; H 7.1 Abs. 5 GewStH 2016; BFH v. 6.11.1985 – I R 56/82, BStBl. II 1986, 73; v. 22.4.1998 – I R 109/97, BStBl. II 1998, 748. Näher Kontny in Wendt/ Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 153. 449 Zuvor BFH v. 19.11.2003 – I R 88/02, BStBl. II 2004, 751; H 7.1 Abs. 5 GewStH 2016. 450 BFH v. 7.9.2016 – I R 9718, BFH/NV 2017, 485; v. 11.7.2017 – I R 88/15, BFH/NV 2018, 231; krit. Weiss/Brühl/Becker, Ubg 2018, 499; Beispiel bei Kontny in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 155. 451 BFH v. 7.9.2016 – I R 9718, BFH/NV 2017, 485 m.w.N. 452 Näher Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 157 ff.

117

580

GewStG § 2 Rz. 581 | Steuergegenstand 581

Sog. vororganschaftliche Fehlbeträge einer OG, d.h. Verluste, die vor dem wirksamen Abschluss des Gewinnabführungsvertrags entstanden sind, kann diese nach dem Abzugsverbot des § 10a Satz 3 GewStG weder mit ihrem eigenen Gewerbeertrag verrechnen noch bei dem für den OT ermittelten Gewerbeertrag abziehen. Dies entspricht § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG für Zwecke der Körperschaftsteuer. Diese und andere Verluste kann die OG aber nach Beendigung der Organschaft verrechnen.453 Im Sanierungsfall ist § 7b Abs. 2 Nr. 2 GewStG zu beachten.

582

Sog. organschaftliche Fehlbeträge einer OG (oder des OT), die während der Organschaft entstanden sind, kann der OT uneingeschränkt nutzen. Nach überwiegender Auffassung namentlich des BFH454 kann (nur) der OT solche Fehlbeträge aber auch nach der Beendigung der Organschaft noch absetzen. Dies folgt aus der Zurechnungsfunktion des § 14 Abs. 1Satz 1 KStG und der Betriebsstättenfiktion des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG.

583

Nichts anderes gilt auch für vororganschaftliche und andere außerorganschaftlichen Fehlbeträge455 des OT, da § 10a GewStG insoweit keine Einschränkungen vorsieht.456 Entsprechende Verluste kann der OT daher nutzen.

584–585

frei

e) Zerlegung 586

Gem. § 28 GewStG ist der Gewerbesteuermessbetrag auf alle Betriebsstätten des gesamten Organkreises zerlegen. Die OG gilt dabei gem.§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG als Betriebsstätte des OT. Die Voraussetzungen des § 12 AO sind nicht mehr zu prüfen. Die Betriebsstätten der OG werden auch für die Zwecke der Zerlegung als Betriebsstätten des OT behandelt.

587

Mindestens zwei Betriebsstätten bestehen (die OG und der OT). Werden diese oder andere in mehreren Gemeinden unterhalten, ist grds. eine Zerlegung notwendig. Dies gilt auch, wenn in den Fällen, in denen eine Betriebsstätte sich über mehrere Gemeinden erstreckt hat oder eine Betriebsstätte innerhalb eines EZ von einer Gemeinde in eine andere Gemeinde verlegt worden ist.

588

Ob ein Gewerbesteuermessbetrag zu zerlegen ist und welcher Zerlegungsmaßstab anzuwenden ist, bestimmt sich auch im Fall der Organschaft nach § 28 Abs. 1 GewStG nach den Verhältnissen im EZ (§ 14 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Dies gilt auch dann, wenn ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr unterhalten wird und die Organschaft nicht im ganzen EZ.457

589

Den Zerlegungsmaßstab bilden grds. die in den einzelnen Betriebsstätten gezahlten Arbeitslöhne (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG). Der Konzern kann diese Frage unternehmenspolitisch gestalten. Die Höhe des separat ermittelten Gewerbeertrags von OG und OT spielt für die Zerlegung nach vorherrschender Auffassung keine Rolle, da die Zerlegung lastenund nicht erfolgsgerecht erfolgt.

590

frei f) Gewerbesteuerpflicht

591

OT und OG sind weiterhin sachlich gewerbesteuerpflichtig. Die sachliche Gewerbesteuerpflicht der OG ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG. Sie endet für die Dauer der Organschaft nicht, sondern wird lediglich dem OT zugerechnet. Steuerschuldner für die Gewerbesteuer des Organkreises ist nach § 5 GewStG für die organschaftlicher Zeit allein der OT.458 Auch gegenüber den Betriebsstättengemeinden schuldet allein er Gewerbesteuer. 453 454 455 456 457 458

118

BFH v. 9.6.1999 – I R 92/98, BStBl. II 11999, 733. BFH v. 27.6.1990 – I R 183/85, BStBl. II 19990, 916; v. 27.6.1990 – I R 158/87, BFH/NV 1991, 116. Zur Unterscheidung der Fehlbeträge BFH v. 29.8.2000 – VIII R 1/00, BStBl. II 2001, 114. Pohl in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 Abs. 2 GewStG Rz. 141. BFH v. 17.2.1993 – I R 19/92, BStBl. II 1993, 679. BFH v. 27.6.1990 – I R 183/74, BStBl. II 1990, 916.

Steuergegenstand | Rz. 602 § 2 GewStG

Bei Beendigung des Organschaftsverhältnisses wird die sachliche Steuerpflicht der bisherigen OG damit auch nicht neu begründet.459 Auch der Wechsel des OT hat keinen Einfluss auf die Steuerpflicht der OG,460 da der Gewerbeertrag sowohl vor als auch nach dem Wechsel der GewSt beim jeweiligen OT unterliegt.

592

An den OT ist folglich auch der Gewerbesteuermessbetragsbescheid zu richten. Eine Steuerschuld der OG entsteht nicht. Steuerschuldnerschaft der Organgesellschaft hat aber Bedeutung z.B. für die vororganschaftlichen Fehlbeträge nach § 10a GewStG, die während der Organschaft nicht genutzt werden können. Auch kann die OG Haftungsschuldner sein.

593

frei

594

g) Festsetzung Das dem OT zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft und damit zusammenhängende andere Besteuerungsgrundlagen werden gegenüber dem OT und der OG gem. § 14 Abs. 5 KStG für Zwecke der Körperschaftsteuer gesondert und einheitlich festgestellt. Die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags gegenüber dem OT obliegt dem Betriebsstättenfinanzamt des OT.

595

Änderungen des Feststellungsbescheids sind verfahrensrechtlich in Folgebescheiden über § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu berücksichtigen. Für Zwecke der Gewerbesteuer ermöglicht § 35b GewStG unter den dortigen Voraussetzungen auch eine Änderung eines bestandskräftigen Gewerbesteuermessbescheids bzw. des Verlustfeststellungsbescheids des OT.

596

frei

597

h) Haftung Nach § 73 Satz 1 AO haftet die OG für solche Steuern des OT, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist und die in der organschaftlichen Zeit entstanden sind. Die Regelung sichert Steuerausfälle bei einer Zahlungsunfähigkeit des OT.461

598

Die Haftung erstreckt sich nach § 73 Satz 2 AO nunmehr (Art. 21 JStG ab EZ 2019) auch auf mittelbare (nachrangige) Organschaftsfälle.462 Dies gilt auch für die gewerbesteuerrechtliche Organschaft gem. § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG.

599

frei

600

i) Beginn und Ende der Organschaft Beginn und Ende der Organschaft hängen davon ab, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Organschaft kumulativ (fort-)bestehen, d.h. mit der Begründung bzw. Beendigung der Organschaft.463

601

Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 KStG kann das Einkommen der OG dem OT erstmals für das Kalenderjahr zugerechnet werden, in dem das Wirtschaftsjahr der OG endet, in dem der Gewinnabführungsvertrag wirksam wird. Danach muss der Gewinnabführungsvertrag bis zum Ende des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft, für das die Folgen der steuerlichen Organschaft erstmals eintreten sollen, in das Handelsregister eingetragen sein.464 In diesem EZ beginnt auch die Steuerschuldnerschaft des OT.465

602

459 460 461 462 463

R 2.3 Abs. 1 Satz 5 GewStR 2009. BFH v. 16.2.1977 – I R 182/74, BStB. II 1977, 560; H 2.3 Abs. 1 GewStH 2016. BFH v. 5.10.2004 – VII R 76/03, BStBl. II 2006, 3. BT-Drucks. 19/13436, 189 als Reaktion auf BFH v. 31.5.2017 – I R 54/15, BStBl. II 2018, 54. Zu den Folgen einer gescheiterten Organschaft Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 133. 464 BMF v. 10.11.2005, BStBl. I 2005, 1038 Rz. 4. 465 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 534.

119

GewStG § 2 Rz. 603 | Steuergegenstand 603

Besteht ein Organverhältnis nicht während des ganzen Wirtschaftsjahres der OG, so treten die steuerrechtlichen Wirkungen des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG für dieses Wirtschaftsjahr nicht ein. Das bedeutet, dass die OG insoweit selbst zur Gewerbesteuer herangezogen wird.466

604

Die Organschaft endet etwa mit ihrer Aufhebung oder Beendigung oder der Nichtdurchführung des Gewinnabführungsvertrags. Mit Insolvenz der OG und/oder des OT oder mit Beschluss der Liquidation der Organgesellschaft endet grds. die Organschaft.467 § 4 GewStDV ist zu beachten.

605–609

frei

VII. Gewerbebetrieb kraft wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (Abs. 3) 1. Allgemeines 610

Nach der Regelung des § 2 Abs. 3 GewStG gilt auch die Tätigkeit der sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts und der nichtrechtsfähigen Vereine, soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (ausgenommen Land- und Forstwirtschaft) unterhalten, als Gewerbebetrieb. Die Regelung ist an § 1 Abs. 1 Nr. 4 und (teilweise) Nr. 5 KStG angelehnt. Sie ergänzt und erweitert468 die sachliche Gewerbesteuerpflicht der Regelungen in § 2 Abs. 1 und 2 GewStG, indem sie für bestimmte Körperschaften (i.w.S.) eine Gewerbesteuerpflicht anordnet und fingiert.

611

Besteuert werden „sonstige“ juristische Personen des privaten Rechts (z.B. rechtsfähige Vereine, §§ 21, 22 BGB; Stiftungen des Privatrechts, §§ 81, 83 BGB) und die nichtrechtsfähigen Vereine (§ 54 BGB). Solche Vereinigungen gehen mitunter originär gewerblichen oder gleichartigen Tätigkeiten nach. Sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 15 Abs. 2 GewStG erfüllt, besteht Gewerbesteuerpflicht bereits kraft Betätigung. Insoweit ist § 2 Abs. 3 GewStG subsidiär.469

612

Liegen gleichartige Tätigkeiten vor, und fehlen zentrale Merkmale des § 15 Abs. 2 GewStG wie die Gewinnerzielungsabsicht und die Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr fingiert § 2 Abs. 3 GewStG i.V.m. § 14 AO die Gewerblichkeit. Die Regelung soll gleiche oder doch ähnliche Tätigkeiten gleichmäßig und wettbewerbsneutral470 besteuern.

613

Betroffen sind oftmals Vereinigungen von Personen (Vereine oder Stiftungen), die nur für ihre Mitglieder oder Bezugsberechtigten besondere (Binnen-)Leistungen erbringen und die Kosten intern umlegen (Kostengemeinschaften). Hinzu kommen entgeltliche Leistungen auch an Nichtmitglieder. Es kann sich hierbei auch um gemeinnützige Personenvereinigungen handeln (vgl. § 3 Nr. 6 GewStG).

614

Die Steuerpflicht ist hier sowohl rechtsformbezogen, andererseits aber auch tätigkeitsbezogen. Im Gegensatz dazu ist die Steuerpflicht der Kapitalgesellschaften nach § 2 Abs. 2 GewStG ausschließlich rechtsformbezogen.

615

Die Fiktion des § 2 Abs. 3 GewStG („gilt“) führt nach Auffassung der Rechtsprechung471 allerdings zu einer weitreichenden Typisierung. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb gem. § 14 AO erfasst neben dem Gewerbebetrieb im engeren Sinne alle übrigen selbständigen Tätigkeiten und begründet im Rahmen seines Anwendungsbereichs eine Gewerbesteuerpflicht kraft Fiktion. Ebenso wie bei der Fiktion des Gewerbebetriebs nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG472 komme es im Rahmen von § 2 Abs. 3 GewStG nicht darauf an, ob die ausgeübte 466 467 468 469 470

R 2.3 Abs. 2 GewStR 2009. Differenzierend Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 187. BFH v. 20.3.2019 – VIII B 81/18, BFH/NV 2019, 712. Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 15. So zuletzt Pohl in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 Abs. 3 GewStG Rz. 1; Güroff in Glanegger/ Güroff10, § 2 GewStG Rz. 546. 471 BFH v. 20.3.2019 – VIII B 81/18, BFH/NV 2019, 712. 472 BFH v. 22.8.1990 – I R 67/88, BStBl. II 1991, 50.

120

Steuergegenstand | Rz. 623 § 2 GewStG

Tätigkeit ihrer Art nach gewerblich ist oder ob sie unter eine der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG fällt. Die Vorschrift kann deshalb dazu führen, dass der Ertrag des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs der Gewerbesteuer unterliegt, obwohl einkommen- und körperschaftsteuerrechtlich gerade keine gewerblichen Einkünfte vorliegen.473 Insoweit sind besonders selbständige Einkünfte nach § 18 EStG,474 Einkünfte nach § 22 EStG oder Einkünften ohne Gewinnerzielungsabsicht betroffen. Kapitaleinkünfte, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gehören grds. zur Vermögensverwaltung gem. § 14 AO, Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sind hier ausdrücklich ausgenommen. Hüttemann475 hat zu Recht moniert, dass die Regelung systematisch (zumindest) „unstimmig“ ist. Die betroffenen Körperschaften erzielen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 ff. KStG, §§ 2 ff. EStG Einkünfte, wenn sie mit Gewinn- und Enkünfterzielungsabsicht tätig werden. Insoweit bestehen Unterschiede zu den Kapitalgesellschaften (§ 8 Abs. 2 KStG, § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG). Hinzu kommt, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts mit einem Betrieb gewerblicher Art nach § 2 Abs. 1 GewStDV nur gewerbesteuerpflichtig sind, wenn dieser Betrieb einen Gewerbebetrieb i.S.d. § 15 Abs. 2 EStG darstellt. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 genügt bereits aus wettbewerbspolitischen Gründen der äußere Schein eines Gewerbebetriebs. Die gewerbesteuerrechtliche und wettbewerbsrechtliche Privilegierung der öffentlichen Hand auch im Verhältnis zu Vereinen und Stiftungen ist daher nicht folgerichtig. Das Gleichheitsverständnis des historischen „Gesetzgebers“, der die Regelung 1936 eingeführt hat, erscheint verfassungsrechtlich überholt und fragwürdig. frei

616

617–619

2. Voraussetzungen a) Rechtssubjekte aa) Abgrenzung innerhalb des § 2 GewStG Sonstige juristische Personen des privaten Rechts und die nichtrechtsfähigen Vereine unterhalten einen Gewerbebetrieb i.S.v. § 2 Abs. 1 GewStG, wenn sie die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG erfüllen. Liegen diese allgemeinen Tatbestandsmerkmale nicht vor, so ergibt sich nach § 2 Abs. 3 GewStG – anders als nach § 2 Abs. 2 GewStG – insoweit eine (partielle) Gewerbesteuerpflicht, als sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (außer Land- und Forstwirtschaft) unterhalten.

620

Sonstige juristische Personen des privaten Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG) sind zunächst keine rechtsfähigen Körperschaften i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG. Insbesondere solche Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG) unterliegen der Gewerbesteuerpflicht nach § 2 Abs. 2 GewStG.

621

Da § 2 Abs. 3 GewStG nur privatrechtlichen Personen erfasst, gilt die Regelung für juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie für die unselbständigen Unternehmen der öffentlichen Hand nicht. Hier sind § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG bzw. § 2 GewStDV lex specialis.

622

Zu den juristischen Personen des öffentlichen Rechts rechnen auch die Körperschaften der staatlichen Selbstverwaltung (Ärztekammer, Handwerkskammer, Rechtsanwaltskammer etc.) Dagegen handelt es etwa bei einem Anwaltsverein oder anderen Verbände des Privatrechts zumeist um juristische Personen des Privatrechts in Form von Vereinen.476

623

473 BFH v. 20.3.2019 – VIII B 81/18, BFH/NV 2019, 712 für einen Verein mit Forschungstätigkeit; Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 202 (str.). 474 BFH v. 20.3.2019 – VIII B 81/18, BFH/NV 2019, 712. 475 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht5, § 7.166. Nach seiner Ansicht setzt daher eine Gewerbesteuerpflicht bei den in § 2 Abs. 3 GewStG genannten Körperschaften stets einen Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Abs.2 EStG voraus. 476 Pohl in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 Abs. 3 GewStG Rz. 19.

121

GewStG § 2 Rz. 624 | Steuergegenstand 624

Schließlich erfasst § 2 Abs. 3 GewStG auch nicht nichtrechtsfähige Personen bzw. Sachvermögen wie Anstalten, Stiftungen oder andere Zweckvermögen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG,477 dagegen die nichtrechtsfähigen Vereine. Diese Subjekte können aber nach § 2 Abs. 1 GewStG steuerpflichtig sein, wenn sie einen Gewerbebetrieb unterhalten.478

625

frei bb) Betroffene Rechtsformen

626

Zu den sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts i.S.d. § 2 Abs. 3 GewStG gehören danach zunächst rechtsfähige Vereine (§§ 21, 22 BGB), rechtsfähige Stiftungen des Privatrechts (§§ 81, 83 BGB) und rechtsfähige Anstalten. Die sog. Anstalten (mit oder ohne Rechtsfähigkeit) haben keine praktische Bedeutung mehr. Beispiel: Ein Untersuchungslabor e.V., der seine Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung gem. § 22 BGB erhalten hat, bietet seinen Mitgliedern (Ärzte) Laborleistungen an. Der Verein ist nach § 2 Abs. 3 GewStG steuerpflichtig.479

627

frei

628

Gewerbesteuerpflichtig können nach § 2 Abs. 3 GewStG auch nichtrechtsfähige Vereine sein. Auf diese findet gem. § 54 BGB zwar das Gesellschaftsrecht Anwendung. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 705 BGB) gehört aber per se nicht zu den Steuersubjekten des § 2 Abs. 3 GewStG.

629

Die Regelung des § 2 Abs. 3 GewStG gilt auch für gemeinnützige Vereine (rechtsfähige und nichtrechtsfähige) und gemeinnützige, rechtsfähige Stiftungen. Diese Körperschaften sind grds. mit ihrem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb auch gewerbesteuerbar und gewerbesteuerpflichtig. Dies folgt aus § 3 Nr. 6 Satz 2 GewStG.

630

Allerdings besteht nach § 64 Abs. 3 AO nur dann eine Gewerbesteuerpflicht, wenn die Einnahmen bei gemeinnützigen Körperschaften bestimmte Besteuerungsgrenzen überschreiten. Steuerfrei sind Einnahmen einschließlich Umsatzsteuer aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb ohne Zweckbetrieb, die 45.000 € im Jahr nicht überschreiten. Auch diese Regelung soll der Wettbewerbsneutralität dienen. Ein Zweckbetrieb i.S.v. §§ 64, 65 AO unterliegt dagegen per se nicht der Gewerbesteuer.

631

Ein gemeinnütziger Verein, der kein Zweckbetrieb ist, unterliegt mit seinem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb auch dann der Gewerbesteuer, wenn die von ihm ausgeübte Tätigkeit nicht die Merkmale eines Gewerbebetriebs erfüllt. Dies kann auch Einkünfte aus selbständiger Arbeit umfassen.480

632–634

frei

b) Rechtsobjekt: Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (fingierter Gewerbebetrieb) aa) Allgemeines 635

Den Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, den auch § 3 Nr. 6 Satz 2 GewStG als Anknüpfungsmerkmal für die Besteuerung (Steuerbarkeit und Steuerbefreiung) vorgibt, definiert das GewStG nicht. Die vormalige Regelung in § 4 GewStDVO 1938 besteht nicht mehr. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist nach der sinngleichen Regelung des § 14 AO auch für Zwecke der Gewerbesteuer (§ 1 AO) eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Gewinnerzielungsabsicht (§ 14 Satz 2 AO) und Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht erforderlich.

477 478 479 480

122

H 2.1 Abs. 5 GewStH 2016. H 2.1 Abs. 5 GewStH 2016. Vgl. BFH v. 18.1.1984 – I R 138/79, BStBl. II 1984, 451. BFH v. 20.3.2019 – VIII B 81/18, BFH/NV 2019, 712.

Steuergegenstand | Rz. 645 § 2 GewStG

Der Begriff ist damit wesentlich weiter gefasst als der materielle Begriff des Gewerbebetriebs in § 15 Abs. 2 EStG. Der Oberbegriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs umfasst auch den Begriff Gewerbebetrieb. Beide verbindet eine selbständige und nachhaltige Tätigkeit jenseits einer bloßen Vermögensverwaltung. Soweit keine ausdrückliche Einschränkung besteht, umfasst der Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ohne Unterscheidung den Gewerbebetrieb, den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb (aber: § 2 Abs. 3 GewStG) und den sonstigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.481

636

Dem Begriff des „wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs“ entspricht der zur Begründung einer partiellen Steuerpflicht der juristischen Personen des öffentlichen Rechts in § 4 Abs. 1 KStG definierte Begriff des „Betriebes gewerblicher Art“. Beide Begriffe sind struktur- u. funktionsgleich.482 Sie dienen insb. dazu, öffentliche Hand und steuerbegünstigte Körperschaften steuerlich insoweit privatwirtschaftlichen Unternehmen gleichzustellen, als sie mit diesen in Wettbewerb treten (könnten). Insoweit ist § 2 GewStDV nicht mit § 2 Abs. 3 GewStG abgestimmt und privilegiert die öffentliche Hand.

637

frei

638–639

bb) Begriffsmerkmale Die selbständige Tätigkeit meint hier nicht die persönliche Selbständigkeit der in § 2 Abs. 3 GewStG genannten Rechtsgebilde, sondern die sachliche Selbständigkeit der Tätigkeit.483 Die Tätigkeit nach § 14 AO muss deshalb von den sonstigen nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten abgrenzbar und eigenständig sein.

640

Nachhaltig ist eine Tätigkeit, wenn sie von der Absicht getragen sein, sie zu wiederholen und daraus eine ständige Erwerbsquelle zu erzielen.

641

Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb setzt nach § 14 AO keine Gewinnerzielungsabsicht voraus; es genügt, dass die Tätigkeit auf das Erzielen von Einnahmen oder anderen wirtschaftlichen Vorteilen gerichtet ist (Einnahmenerzielungsabsicht).484

642

Als Einnahmen kommen Geld- und Sachleistungen in Betracht.485 Voraussetzung ist ein Leistungsaustausch, d.h. die Einnahmen entgelten als Entgelte bestimmte Dienstleistungen oder Lieferungen, etwa an die Mitglieder ihres Vereins.

643

Wirtschaftlichen Vorteile können insb. in der Einsparung notwendiger Ausgaben, z.B. durch günstige Einkaufsmöglichkeiten, in einer Verbesserung der Absatzchancen, z.B. durch gemeinsame Werbung, oder in besseren Arbeitsbedingungen, z.B. durch Unterhalten eines Labors, bestehen.486

644

Danach können auch als Spenden, Beiträge oder Zuschüsse bezeichnete Einnahmen tatbestandlich relevant werden. Sind solche Zahlungen durch eine wettbewerbsrelevante Tätigkeit veranlasst, liegen besondere Einnahmen vor. Dies wird deutlich, wenn sich ein Mitgliedsbeitrag als Gegenleistung für eine Leistungsinanspruchnahme gezahlt wird (bspw. in Sportvereinen, Automobilclubs, Lohnsteuerhilfevereinen etc.).487 Die Staffelung von solchen Beiträgen nach Kriterien, die mit der Tätigkeit nichts, sondern mit der Eigenschaft des Zahlenden (Einkünftehöhe, Bedürftigkeit) zu tun haben, ist hierfür irrelevant. Gegebenenfalls sind Zahlungen aufzuteilen.

645

481 R 2.1 Abs. 5 Satz 3 GewStR 2009. 482 Seer in Tipke/Kruse, § 14 AO Rz. 4, 5 m.w.N., der im Fall des § 14 AO von einem Typusbegriff ausgeht, der keine „intuitive Rechtsanwendung“ erlaube; ebenso Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG 548. 483 BFH v. 18.1.1984 – I R 138/79, BStBl. II 194, 451. 484 Zu einem Beispiel Pohl in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 Abs. 3 GewStG Rz. 38. 485 BFH v. 18.1.1984 – I R 138/19, BStBl. II 1984, 27. 486 Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 214. 487 Seer in Tipke/Kruse, § 14 AO Rz. 44.

123

GewStG § 2 Rz. 646 | Steuergegenstand 646

Entsprechend stellt auch § 8 Abs. 5 KStG klar, dass nur „echte“ Mitgliedsbeiträge bei der Ermittlung des Einkommens nicht erfasst werden. Echte Mitgliederbeiträge488 zählen nicht als Einnahmen bzw. Leistungsentgelte.

647

Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist nur insoweit gewerbesteuerpflichtig, als er über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Nach den Regelbeispielen des § 14 Satz 3 AO liegt eine Vermögensverwaltung i.d.R. vor, wenn Vermögen genutzt, zum Beispiel Kapitalvermögen verzinslich angelegt oder unbewegliches Vermögen vermietet oder verpachtet wird.

648

Bestimmte Steuerbefreiungen (§ 3 Nr. 6,10 GewStG, § 5 Abs. 1 Nr. 5, 6, 7, 9 KStG) sind ausgeschlossen, wenn die Vermögensverwaltung überschritten wird.

649

Zur bloßen, nicht steuerbaren Vermögensverwaltung gehört etwa die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft.489 Oder die eines Gesellschafters an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft.490 Auch die Gewerblichkeitsfiktion nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG bei lediglich vermögensverwaltenden Personengesellschaften begründet keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.491 Ist die Personengesellschaft hingegen originär gewerblich tätig, so soll insoweit keine private Vermögensverwaltung vorliegen.492

650

Der Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs umfasst an sich auch die Land- und Forstwirtschaft.493 Dies gilt ausdrücklich nicht nach § 2 Abs. 3 und nach § 3 Nr. 6 GewStG. Bewirtschaftet z.B. eine rechtsfähige Stiftung landwirtschaftlichen Grundbesitz oder Forstbesitz, ist dieser Betrieb nicht gewerbesteuerpflichtig.494 Für die Bestimmung, ob Land- und Forstwirtschaft vorliegt, dürften die einkommenssteuerrechtlichen Grundsätze des § 13 EStG maßgeblich sein.495

651–652

frei

c) Einzelfälle 653

Nach diesen Grundsätzen liegt ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb z.B. in folgenden Fällen496 vor: – Altmaterialverkauf aus Sammlungen von gebrauchten Kleidern, Altpapier und anderen Sachen.497 – Bandenwerbung. Die Verpachtung des Rechts zur Nutzung von Werbeflächen in vereinseigenen oder gemieteten Sportstätten an Werbeunternehmer ist kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, wenn dem Pächter ein angemessener Gewinn verbleibt.498 – Festveranstaltung gegen Eintrittsgeld.499 – Getränkeverkauf500 bei Sportveranstaltungen sowie kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen nach §§ 67a und 68 Nr. 7 AO ist kein Bestandteil eines Zweckbetriebs. – Herausgabe von Druckschriften.501 488 Zum Begriff 1.4 Abs. 1 UStAE für Zwecke der Umsatzsteuer. Vgl. auch § 8 Abs. 5 KStG i.V.m. R 8.11 KStR für Mitgliedsbeiträge. 489 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 551. 490 Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 216. 491 BFH v. 24.10.2017 – II R 44/15, BStBl. II 2018, 358. 492 BFH v. 27.7.1988 – I R 113/84, BStBl. II 1989, 134 für eine Beteiligung einer Kommanditistin an einer gemeinnützigen GmbH. 493 R 2.1 Abs. 5 Satz 3 GewStR 2009. 494 R 2.1 Abs. 5 Satz 5 GewStR 2009. 495 Pohl in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 Abs. 3 GewStG Rz. 47. 496 Vgl. auch die Zusammenstellung bei Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 220. 497 BFH v. 26.2.1992 – I R 149/90, BStBl. II 1992, 693; beachte § 64 Abs. 5 AO. 498 BFH v. 13.3.1991 – I R 8/88, BStBl. II 1992, 101; Allgemeines Nr. 9 AEAO zu § 67a AO. 499 FG Düsseldorf v. 20.2.1991 – 6 K 57/86 K, G, EFG 1991, 752. 500 BFH v. 21.8.1985 – I R 5/81, BFH/NV 1986, 239. 501 BFH v. 23.11.1988 – I R 11/88, BStBl. II 1989, 391.

124

Steuergegenstand | Rz. 663 § 2 GewStG

– Sportkleidungswerbung einschließlich der entgeltlichen Übertragung des Rechts zur Nutzung von Werbeflächen auf der Sportkleidung.502 – Forschungsvorhaben eines gemeinnützigen Vereins, der kein Zweckbetrieb ist.503 – Ein Verein, dessen Zweck die Berufsvertretung von Landwirten ist und der zur steuerlichen Betreuung seiner Mitglieder eine landwirtschaftliche Buchstelle als rechtlich nichtselbständige Einrichtung unterhält.504 Betätigungen, wie z.B. der Betrieb einer Kantine, eines Kasinos, einer Druckerei, eines Kreditinstituts, eines Versicherungsunternehmens, die Herausgabe einer Zeitschrift oder die Erhebung von Eintrittsgeld bei Veranstaltung einer Festlichkeit, gehen über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinaus und gelten demgemäß stets als Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs. 3 GewStG, wenn sie nicht bereits einen Gewerbebetrieb nach § 2 Abs. 1 GewStG bilden. Dagegen geht die Betätigung von Unterstützungskassen, die den Leistungsempfängern keinen Rechtsanspruch gewähren, im Regelfall nicht über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinaus.505 frei

654

655–659

3. Rechtsfolgen Nach § 2 Abs. 3 GewStG sind die betroffenen Vereine und Stiftungen nur insoweit gewerbesteuerpflichtig als die Tätigkeit nicht über den Rahmen des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs hinausgeht (partielle Gewerbesteuerpflicht). Die Vorschrift kann deshalb dazu führen, dass der Ertrag des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs der Gewerbesteuer unterliegt, obwohl insoweit selbständige Einkünfte nach § 18 EStG, Einkünfte nach § 22 EStG oder Einkünften ohne Gewinnerzielungsabsicht betroffen sind.506

660

Andere Tätigkeiten und Einnahmen, die nicht mit dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zusammenhängen, unterliegen nicht der Gewerbesteuerpflicht. Ggf. sind die Betriebseinnahmen aufzuteilen.507 Unterhält z.B. ein Verein einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und verwaltet er daneben noch Vermögen, das mit dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nicht im Zusammenhang steht, kann die Gewerbesteuerpflicht auch dann nicht auf die Vermögensverwaltung erstreckt werden, wenn sie gleich dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Erfüllung des Satzungszwecks des Vereins dient.508

661

Mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, die von sonstigen juristischen Personen des Privatrechts oder nicht rechtsfähigen Vereinen unterhalten werden, gelten als einheitlicher Gewerbebetrieb (§ 8 GewStDV).509

662

Die Grundsätze der Betriebsverpachtung gelten auf Grund der Fiktion des Gewerbebetriebs nach § 2 Abs. 3 GewStG nur eingeschränkt. So bedarf es zur Annahme eines Gewerbebetriebs durch Unterhaltung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs insb. keiner Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr i.S. einer werbenden Tätigkeit. Verpachtet eine gemeinnützige Körperschaft einen zuvor von ihr selbst betriebenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, unterliegt sie mit den Pachteinnahmen solange der Körperschaft- und Gewerbesteuer, bis sie die Betriebsaufgabe erklärt. Überschreiten die Pacht-

663

502 AEAO Nr. 9 zu § 67a AO. 503 FG Rh.-Pf. v. 18.4.2013 – 1 K 1341/16 juris und NZB BFH v. 20.3.2019 -VIII B 81/18, BFH/NV 2019, 712. 504 BFH v. 19.8.1988 – I R 21/98, BStBl. II 1999, 99 zu § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG bzw. § 3 Nr. 10 GewStG. 505 R 2.1 Abs. 5 Satz 7 GewStR 2009. 506 BFH v. 20.3.2019 – VIII B 81/18, BFH/NV 2019, 712 für einen Verein mit Forschungstätigkeit; Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 202 (str.). 507 Pohl in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 Abs. 3 GewStG Rz. 49. 508 H 2.1 Abs. 5 GewStH 2016. 509 H 2.1 Abs. 5 GewStH 2016.

125

GewStG § 2 Rz. 664 | Steuergegenstand einnahmen die Besteuerungsgrenze des § 64 Abs. 3 AO nicht, sind bei ihr die Pachtentgelte allerdings nicht zur Gewerbesteuer heranzuziehen.510 664

Die Ermittlung des Gewinns und des Gewerbeertrags erfasst nur die Einnahmen des fiktiven Gewerbebetriebs. Dazu gehören dann ggfs. auch Einkünfte, die einkommen- und körperschaftsteuerrechtlich gerade keine gewerblichen Einkünfte sind. Insoweit verdrängt die Regelung § 7 Satz 1 GewStG.511

665

Die Gewerbesteuerpflicht beginnt – ähnlich wie bei natürlichen Personen – bei Vorliegen aller Voraussetzungen mit der tatsächlichen Aufnahme des eigentlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs und endet mit dessen Einstellung.512

666–669

frei

VIII. Gewerbebetriebe der öffentlichen Hand (§ 2 GewStDV) 1. Sachliche Steuerpflicht a) Grundlagen der Selbstbesteuerung 670

Nach § 2 Abs. 1 Satz GewStDV können auch „Unternehmen“ von juristischen Personen des öffentlichen Rechts gewerbesteuerpflichtig sein, soweit sie einen stehenden Gewerbebetrieb unterhalten.513 Unternehmen von juristischen Personen des öffentlichen unterliegen (jedenfalls dann) der Gewerbesteuer, wenn sie die Voraussetzungen eines natürlichen, originären Gewerbebetriebs i.S.d. § 15 Abs. 2 EStG erfüllen, d.h. sie sind steuerbar, ggf. aber steuerfrei nach § 3 GewStG. Es handelt sich mithin um einen Fall der Gewerbebetriebe kraft Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG (rechtsformunabhängiger Begriff des Gewerbebetriebs).

671

§ 2 GewStDV erfasst nur bestimmte öffentliche Unternehmen (gewerbliche BgA). Die öffentliche Hand kann hier ein Einzelunternehmen oder auch eine Personengesellschaft514 i.S.d. § 15 EStG gründen oder sich hieran beteiligen. Im Fall der Mitunternehmerschaft ist § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 3 EStG direkt anwendbar. § 2 GewStDV tritt in den genannten Fällen zurück. Ungeachtet dessen können „Unternehmen“ der öffentlichen Hand auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 oder 3 GewStG erfüllen. Hierzu gehören besonders Kapitalgesellschaften, sei es als bloße anteilige Beteiligung oder im Mehrheits- oder Vollbesitz der öffentlichen Hand (gewerbliche Eigengesellschaften). Hier gilt dann der rechtsformabhängige Begriff des Gewerbebetriebs gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG.

672

In allen Konstellationen besteuert der Staat sich selbst bzw. gegenseitig nach Maßgabe der bundestaatlichen Ertragsverteilung (Art. 106 GG).515 § 2 GewStDV ergänzt § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG. Eine formell-gesetzliche Grundlage der Selbst- und Gegenseitigkeitsbesteuerung der öffentlichen Hand, samt der Gemeinden, fehlt für die Gewerbesteuer bisher. Anders ist dies in der Körperschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG) für sog. Betriebe gewerblicher Art (BgA).

673

§ 2 GewStDV beruht letztlich auf § 1 GewStDVO 1937/1938, den der Gesetzgeber bzw. die Bundesregierung (§ 35c Abs. 1 Nr. 1 GewStG) übernommen haben. Eine parlamentarische Gesetzesgrundlage wäre verfassungs- und unionsrechtlich angebracht. Zugleich muss der BFH v. 4.4.2007 – I R 55/06, BStBl. II 2007, 725; H 2.1 Abs. 5 GewStH 2016. Näher zur Gewinnermittlung Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 552 ff. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 556; R 2.5 Abs. 1 GewStR 2009. R 2.1 Abs. 6 GewStR 2009; H 2.1 Abs. 6 GewStH 2016. Zu den Anwendungsfragen BMF v. 12.11.2009, BStBl. I 2009, 1303. Grundsätzlich Nöcker in Hidien/Jürgens, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, 2017, § 7. 514 Näher Gay/Lock in Hidien/Jürgens, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, 2017, § 13 Rz. 132 ff. 515 Zur öffentlichen Hand als Wirtschafts- und Steuersubjekt ausf. Hidien in Hidien/Jürgens, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, 2017, §§ 1, 2.

510 511 512 513

126

Steuergegenstand | Rz. 681 § 2 GewStG

Sachbereich modernisiert und angepasst werden. Die genannten Regelungen besteuern einen Teilausschnitt der wirtschaftlichen Betätigungen der öffentlichen Hand. Nach der Begründung zum KStG 1934 sollen Betriebe öffentlich-rechtlicher Körperschaften besteuert werden, wenn sie schon das „äußere Bild“ eines Gewerbebetriebs bilden.516 Auch wenn die ertragsteuerrechtlichen Regelungen dies nicht ausdrücklich betonen, zielt die Eigenbesteuerung der öffentlichen Hände auf die (verfassungsrechtlich zulässige, aber nicht gebotene) Sicherung der steuerrechtlichen Wettbewerbsneutralität aller Unternehmen (vgl. auch § 65 Nr. 3 AO) und den Ausschluss von tatsächlichen und potentiellen Wettbewerbsbeeinträchtigungen.517 Anders als § 4 KStG fordert die Gewerbesteuer (§ 2 GewStDV) allerdings für den Steuerzugriff einen originären Gewerbebetrieb.

674

Zu den juristischen Personen des öffentlichen Rechts gehören namentlich die Gebietskörperschaften, dies sind insb. Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände. Daneben bestehen weitere Formen der mittelbaren Staatsverwaltung oder staatsferne Institutionen, die in Form von Anstalten des öffentlichen Rechts, Körperschaften, Zweckverbänden oder Stiftungen des öffentlichen Rechts organisiert sind. Hierzu gehören etwa staatliche Hochschulen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk, das Kammersystem und auch öffentlichrechtliche Religionsgemeinschaften und Kirchen.

675

Alle genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts können grds. auch gewerblich tätig werden. Die Verfassung verbietet eine solche erwerbswirtschaftliche Betätigung nicht ausdrücklich, verpflichtet die öffentlichen Hände aber auf ein gemeinwohlgeprägtes Handeln, das grds. ein Gewinnstreben untersagt. Vielmehr ist erwerbswirtschaftliches Handeln primär den Privaten vorbehalten ist. Der Staat partizipiert hieran in Form von Steuern als Steuergläubiger und ist kein Steuerschuldner.

676

Grds. begründet eine erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand nur eine begrenzte, partielle Steuerpflicht, da die öffentliche Hand per se auch hoheitliche Aufgaben wahrnehmen muss. Die Steuergesetze enthalten daher zumeist einen Hoheitsvorbehalt (z.B. § 2 Abs. 2 GewStDV, § 4 Abs. 5 KStG, § 2 Abs. 3 a.F. UStG, § 2b Abs. 1 Satz 1 UStG). In wenigen Fällen sind juristischen Personen des öffentlichen Rechts vollständig steuerpflichtig (z.B. Sparkassen518).

678

Die begrenzte Steuerpflicht der öffentlich-rechtlichen Körperschaft hängt somit wie bei natürlichen Personen von einer bestimmten wirtschaftlichen Betätigung ab. Zu der damit verbundenen unterschiedlichen Behandlung der Kapitalgesellschaften in § 2 Abs. 2 GewStG und der Unternehmen von Körperschaften des öffentlichen Rechts hat der BFH519 in einer älteren Entscheidung festgestellt, dass dies nicht gegen Art. 3 GG verstoße. Wettbewerbsrechtliche Grundsätze hat die Entscheidung vernachlässigt.

679

Die Besteuerung führt im Fall kommunaler, gemeindlicher Unternehmen im Wesentlichen zu einer verfassungsrechtlich fragwürdigen Selbstbesteuerung der Gemeinden, bei anderen öffentlichen Unternehmen zusätzlich zu einer Gegenseitigkeitsbesteuerung der öffentlichen Hand. Die Besteuerung soll Wettbewerbsgleichheit zwischen privaten und öffentlichen Unternehmen herstellen oder sichern.520 Die Vorteile öffentlicher Unternehmen liegen oftmals aber auf anderem Gebiet als dem Steuerrecht.

680

Die Unternehmensformen kann die öffentliche Hand wie Private grds. frei wählen (Grundsatz der Wahlfreiheit). Sie kann rechtliche selbständige Unternehmen des Privatrechts

681

516 Begründung zum KStG 1934, RStBl. 1935, 82; ebenso etwa BFH v. 22.9.1976 – I R 102/74, BStBl. II 1976, 793. 517 Überdeutlich BFH v. 29.10.2008 – I R 51/07, BStBl. II 2009, 1022: in den Bundesländern und in den EU-Mitgliedstaaten. 518 Nach dem GewStG 1936/1938 waren się noch teilweise steuerbefreit. 519 BFH v. 13.11.1962 – I 262/60 U, BStBl. III 1963, 69. 520 Zur Wettbewerbsgleichheit (Wettbewerbsneutralität) BFH v. 29.10.2008 – I R 51/07, BStBl. II 2009, 1022 für NRW; für Bayern BFH v. 17.3.2005 – I B 245/04, BFH/NV 2005, 1135, jeweils für ein kommunales Krematorium.

127

GewStG § 2 Rz. 682 | Steuergegenstand gründen, z.B. Kapitalgesellschaften oder sich an solchen Unternehmen beteiligen, sie kann grds. auch Personengesellschaften gründen und sie kann auch unselbständige wirtschaftliche Einrichtungen gründen. Letztere bezeichnet § 4 KStG als Betriebe gewerblicher Art. Hier kann es sich um sog. Eigenbetriebe oder Regiebetriebe handeln, die unterschiedlich organisiert sind. 682

Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz GewStDV ist nur anwendbar, wenn die öffentliche Hand die in Betracht kommenden Leistungen in nicht schon in der Rechtsform privatrechtlicher Gesellschaften erbringt, z.B. durch eine Stadtwerke AG bzw. GmbH als kommunalen Eigengesellschaften oder gemischt-öffentliche Unternehmen. In diesen Fällen liegt bereits nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG ein Gewerbebetrieb vor.

683

Kommunalrechtlich handelt es sich bei den staatlichen Gewerbebetrieben nach § 2 GewStDV zumeist um sog. Eigen- oder Regiebetriebe gem.§ 4 KStG. Auch öffentliche, haftungsbegrenzte Personengesellschaften sind (kommunalrechtlich) begrenzt zulässig. Der Betrieb gewerblicher Art kann auch selbst eine juristische Person des öffentlichen Rechts sein (§ 4 Abs. 2 KStG). So sind Sparkassen öffentlich-rechtliche Anstalten und als solche vollständig gewerbesteuerpflichtig, weil sie einen Gewerbebetrieb unterhalten.

684

Hiervon ist die neue Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand zu unterscheiden. Eine Sonderregelung enthält der bereits 2015 eingeführte § 2b UStG nunmehr zwingend mit Wirkung ab 1.1.2023 für Zwecke der Mehrwertsteuer. Diese Regelung soll Art. 13 MwStSystRL umsetzen. Nach der vormaligen Regelung des § 2 Abs. 3 UStG, die bis zu diesem Zeitpunkt noch optional anwendbar ist, war Voraussetzung der Unternehmereigenschaft und Umsatzsteuerbarkeit, dass ein BgA i.S.d. § 4 KStG vorlag. Diese Verbindung ist aus unionsrechtlichen Gründen nunmehr gelöst. § 2b UStG stellt im Übrigen das maßgebliche Ziel der Besteuerung, die Verhinderung von (größeren) Wettbewerbsverzerrungen, ausdrücklich in den Vordergrund.

685

Zwischen der umsatzsteuerrechtlichen und ertragsteuerrechtlichen Besteuerung der öffentlichen Hand bestehen gleichwohl gewichtige Unterschiede: den zentralen Begriff der Ausübung der öffentlichen Gewalt (sog. Hoheitsvorbehalt für steuerfreie Tätigkeiten) bestimmt die herrschende Auffassung namentlich in der Rechtsprechung des EuGH521 nicht nach dem Gegenstand oder Ziel der Tätigkeit, sondern nach Maßgabe der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Handlungsform, während die ertragsteuerrechtliche Auslegung materielle Kriterien zugrunde legen will.522 Noch wesentlicher ist, dass die zuständigen Gesetzgeber die Steuerwürdigkeit staatswirtschaftlicher Betätigungen prinzipiell unterschiedlich einschätzen und abwägen: im Mehrwertsteuerrecht steht jede wirtschaftliche und hoheitliche Tätigkeit unter einem ausdrücklichen Wettbewerbsvorbehalt. Im Ertragsteuerrecht steht dagegen jede wirtschaftliche, wettbewerbsrelevante Tätigkeit unter einem ausdrücklichen Hoheitsvorbehalt; das ungeschriebene Wettbewerbstelos ist dort lediglich ein Auslegungselement.

686

Eine einheitliche und konsistente Regelung der Besteuerung der öffentlichen Hand in allen Steuerrechtsgebieten besteht bisher nicht. In allen Konstellationen geht es letztlich darum, das Hoheitsprinzip mit dem Wettbewerbsprinzip zu versöhnen, wenn der Staat das Feld der Marktwirtschaft eigenwirtschaftlich (und nicht nur regulierend) betritt. Zudem sollte der Gesetzgeber, wenn er sich schon mit dem Wettbewerbsprinzip steuerrechtlich anfreundet, ein stimmiges Konzept sowohl innerhalb der Steuerart als auch zwischen den Steuerarten wie auch im Verhältnis zu den übrigen privaten Akteuren zugrunde legen.523

687–689

frei

521 Vgl. u.a. EuGH v. 17.10.1989 – 231/87 und 129/88, Comune di Carpaneto Piacentino u.a., Rz. 16; v. 6.2.1997 – C-247/95, Marktgemeinde Welden, Rz. 17; v. 16.9.2008 – C-288/07, Isle of Wight Council u.a., Rz. 21. 522 Aus dem Schrifttum ausf. Nöcker in Lenski/Steinberg, § 2 GewStG Rz. 1566 ff. 523 Zu Beispiel des § 2 Abs. 3 GewStG i.V.m. § 14 AO krit. Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht5, Rz. 7.166.

128

Steuergegenstand | Rz. 694 § 2 GewStG

b) Voraussetzungen der sachlichen Gewerbesteuerpflicht Die Voraussetzungen des § 4 KStG und des ähnlichen § 2 GewStDV sind grds. getrennt zu prüfen. Aufgrund der unterschiedlichen Tatbestandsmerkmale können Körperschaft- und Gewerbesteuerpflicht auseinanderfallen. Nach dem Gesetzeswortlaut ist jeder Gewerbebetrieb der öffentlichen Hand i.S.d. § 15 Abs. 2 EStG auch ein BgA. Nach Auffassung der Finanzverwaltung524 ist ein Betrieb der öffentlichen Hand nur dann gewerbesteuerpflichtig, wenn er die Voraussetzungen eines BgA gem. § 4 KStG i.V.m. R 4 Abs. 5 KStR 2015 (mit Bagatell- und Jahresumsatzgrenzen von 35.000 € bzw. 130.000 €) und eines Gewerbebetriebs gem. § 15 Abs. 2 EStG erfüllt. Die Umsatzgrenzen ergeben sich nicht ausdrücklich aus § 2 GewStDV.

690

Übersicht: Begriff des BgA und des (stehenden) Gewerbebetriebs

691

BgA § 4 KStG

Gewerbebetrieb § 15 Abs. 2 EStG i.V. § 2 Abs. 1 GewStG, § 2 GewStDV

Jur. Person des öffentlichen Rechts

Person/Jur. Person des öffentlichen Rechts

Einrichtung

Unternehmen

Heraushebende Einrichtung Tätigkeit

Betätigung

Nachhaltige Tätigkeit

Nachhaltige Betätigung

Selbständige Betätigung Wirtschaftliche Tätigkeit Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht erforderlich Verkehr Einnahmenerzielungsabsicht, Gewinnerzie- Gewinnerzielungsabsicht lungsabsicht nicht erforderlich Keine Land- und Forstwirtschaft

Keine Land- und Forstwirtschaft

Keine selbständige Arbeit

Keine selbständige Arbeit

Keine private Vermögensverwaltung, Ausnahme: Verpachtung eines BgA, § 4 Abs. 4 KStG

Keine private Vermögensverwaltung

Kein Hoheitsbetrieb (§ 4 Abs. 5 KStG)

Kein Hoheitsbetrieb (§ 2 Abs. 2 GewStDV)

Den steuerrechtlichen Begriff des BgA, den der entmachtete Reichsgesetzgeber 1934 aus wirtschafts- und wettbewerbspolitischen Gründen eingeführt hat, kennt § 2 GewStDV so nicht. Er ähnelt zwar dem Begriff des Gewerbebetriebs auch äußerlich, ist aber nicht mit ihm identisch.525 Nicht jeder BgA unterliegt der Gewerbesteuer.

692

Unterschiede ergeben sich hinsichtlich der Vermögensverwaltung und der Gewinnerzielungsabsicht. Gemeinsam ist beiden begrifflich ein Hoheitsvorbehalt (§ 2 Abs. 2 GewStDV, § 4 Abs. 5 KStG) zugunsten der nichtsteuerbaren Tätigkeit. Hinsichtlich des sachlichen Umfangs knüpft § 2 Abs. 1 GewStDV zudem an die Regelungen des körperschaftsrechtlichen Querverbunds an (§ 4 Abs. 6 KStG).

693

Ein BgA erfordert, dass sich seine Einrichtung und Tätigkeit aus der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich heraushebt. Zu den Voraussetzungen, die an den Begriff Gewerbebetrieb geknüpft sind, gehört auch die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Ein von der öffentlichen Hand unterhaltener wirtschaftlicher Geschäfts-

694

524 R 2.1 Abs. 6 Satz 1 GewStR 2009. Krit. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 388. 525 Ausf. Hidien in Hidien/Jürgens, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, 2017, § 4 Rz. 2 ff., 23 ff.

129

GewStG § 2 Rz. 695 | Steuergegenstand betrieb i.S. des § 14 AO (z.B. Betrieb von internen Kantinen526 des Finanzamts als Selbstversorgungsbetrieb) ist daher mangels Beteiligung am allgemeinen Wirtschaftsverkehr, die grds. einen Leistungsaustausch nach außen voraussetzt, nicht gewerbesteuerpflichtig. 695

Kein Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 GewStDV liegt vor, wenn die öffentliche Hand mit ihren Regie- oder Eigenbetrieben lediglich vermögensverwaltend tätig wird.

696

Auch eine Verpachtung durch die öffentliche Hand genügt grds. nicht für den Begriff des Gewerbebetriebs. Die folgt aus dem Begriff des Gewerbebetriebs i.S.d. § 2 GewStDV i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG.

697

Die Verpachtung eines Betriebs, die zur Einstellung der werbenden Tätigkeit führt, ist entgegen § 4 Abs. 4 KStG mangels gesetzlicher Regelung ebenfalls nicht gewerbesteuerpflichtig.527

698

Eine Ausnahme bildet die Betriebsaufspaltung. Auch im Fall der Betriebsaufspaltung durch die öffentliche Hand ist aber gewerbesteuerrechtlich notwendig, dass der BesitzBgA, der Pachteinnahmen erzielt, Gewinnerzielungsabsicht hat.

699

In einem praktisch bedeutsamen Sonderfall der „Verpachtung“ fehlt allerdings nach Auffassung der Rechtsprechung528 und der Verwaltung529 bereits ein Entgelt und eine Einnahmenerzielungsabsicht, so dass weder ein BgA und erst recht kein Gewerbebetrieb vorliegt: Es liegt keine entgeltliche Verpachtung und damit kein Verpachtungs-BgA vor, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht der Pächter, sondern der Verpächter die wirtschaftliche Last des vereinbarten Pachtzinses zu tragen hat. Das ist z.B. der Fall, wenn der Pächter einen Zuschuss mindestens in Höhe der Pacht erhält.

700

Gleiches gilt, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts land- und forstwirtschaftlich tätig wird. Dies folgt aus der traditionellen Abgrenzung des Betriebs gewerblicher Art gem. § 4 KStG und aus dem Begriff des Gewerbebetriebs und der gewerblichen Einkünfte i.S.d. § 15 EStG.

701

Kein Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 GewStDV liegt auch vor, wenn das Unternehmen der öffentlichen Hand überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dient (Hoheitsbetrieb nach § 2 Abs. 2 GewStDV bzw. § 4 Abs. 5 KStG). Solche „Betriebe“ beteiligen sich auch nicht am allgemeinen Wirtschaftsverkehr.530 Die Abgrenzung zwischen Hoheitsbetrieben und (gewerblichen) BgA beschäftigt Rechtsprechung, Verwaltung und Schrifttum seit langem.531 Zumeist wird auf eine umfangreiche Kasuistik verwiesen. Eine einverständliche materielle Definition des steuerrechtlichen Begriffs fehlt hier bislang.

702

Die Abgrenzung richtet sich maßgeblich nach dem Zweck der Besteuerung der öffentlichen Hand, d.h. nach dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität,532 und kaum nach überkommenen verwaltungsrechtlichen Kriterien der Staatstätigkeit (z.B. schlicht hoheitliche Handeln, Aufgabenvorbehalte u.a.) Dies folgt besonders aus § 4 Abs. 3 und 5 KStG bzw. § 2 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GewStDV. Mit dieser Abgrenzung, die der demokratische Gesetzgeber übernommen hat, wird die Daseinsvorsorgeverwaltung unabhängig von ihren Rechts- und Organisationsformen dem Hoheitsvorbehalt entzogen und dem Wettbewerbsvorbehalt zugeordnet. Für die leistende Hoheitsverwaltung („Betrieb“, „Unternehmen“) bleiben damit nur noch wenige Anwendungsfälle für die Ausübung von Sonderrechten. Dies entspricht auch der Veränderung der Staatsaufgaben und der wettbewerbspolitischen Öffnung der EU. Die klassische Eingriffsverwaltung konkurriert nicht mit Privaten. 526 527 528 529

R 2.1 Abs. 6 Satz 2 GewStR 2009. Anders noch die KStR 1995. R 2.2 GewStR 2009; Nöcker in Lenski/Steinberg, § 2 GewStG Rz. 1561; R 2.2 GewStR 2009. BFH v. 10.12.2019 – I R 58/17, DStR 2021, 2909. BMF-Schreiben v. 12.11.2009, BStBl. I 2009, 1303, ergänzt durch BMF-Schreiben v. 15.12.2021, DStR 2021, 2909 Rz. 15a, 17. 530 H 2.1 Abs. 6 GewStH 2016. Zu den Abgrenzungskriterien der Finanzverwaltung für § 4 KStG BMF v. 11.12.2009, BStBl. I 2009, 1597. 531 Näher Hidien in Hidien/Jürgens, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, 2017, § 4 Rz. 616 ff. 532 Seer/Wendt, DStR 2001, 825; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 380.

130

Steuergegenstand | Rz. 709 § 2 GewStG

Durch Hoheitsbetriebe werden nach Auffassung der Finanzverwaltung traditionell z.B. gesetzlich zugewiesene und staatlich vorbehaltene Aufgaben erfüllt oder sie sind u.a. dadurch gekennzeichnet, dass Leistungsempfänger auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung zur Annahme der Leistung verpflichtet sind.533 Allerdings reichen nach dem Gesetzeswortlaut für die Annahme eines Hoheitsbetriebs öffentlich-rechtliche Zwangsund Monopolrechte wie ein Annahmezwang etwa im Bereich der Abwasser- und Abfallentsorgung gerade nicht aus.534 Andernfalls könnte der Gesetzgeber den Wettbewerb bereits durch bloße Organisationsregelungen ausschließen.535

703

Die Rechtsprechung536 behilft sich mit der überlieferten Vorbehaltsformel: Die Ausübung öffentlicher Gewalt durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts umfasse Tätigkeiten, die dieser eigentümlich und vorbehalten sind. Kennzeichnend dafür sei die Erfüllung spezifisch öffentlich-rechtlicher Aufgaben, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind; die Mitwirkung mit hoheitlichen Aufgaben betrauter (beliehener) Unternehmer stehe dem nicht entgegen. Die Besteuerung knüpft allerdings nicht an staatliche Aufgaben, sondern an bestimmte Tätigkeiten an.

704

Übernimmt eine juristische Person des öffentlichen Rechts Aufgaben, wie sie auch von Personen des Privatrechts ausgeübt werden, und tritt sie dadurch – und sei es auch ungewollt – in tatsächlichen oder potentiellen Wettbewerb zu privatwirtschaftlichen Unternehmen, ist ihre Tätigkeit nicht mehr hoheitlich, sondern wettbewerbsrelevant.537 Es ist dann unerheblich, ob die juristische Person des öffentlichen Rechts mit der zu beurteilenden Tätigkeit einer öffentlich-rechtlichen Leistungsverpflichtung nachkommt und ob die Einnahmen, die sie durch die Tätigkeit erzielt, in Form öffentlich-rechtlicher Gebühren oder eines Beitrags erhoben werden.

705

Allein die Zuweisung einer Aufgabe an eine Körperschaft des öffentlichen Rechts genügt nicht, einen Hoheitsbetrieb anzunehmen. Maßgeblich ist allein, ob die Tätigkeit, bliebe sie unbesteuert, zu Wettbewerbsbeeinträchtigungen der privaten Wirtschaft führen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Wettbewerb tatsächlich im konkreten Fall beeinträchtigt wird. Ausreichend ist vielmehr, dass der Betrieb gewerblicher Art in einem potentiellen Wettbewerb zur Privatwirtschaft steht.538

706

frei

707

Die Hausmüllentsorgung (Entsorgungsbetrieb) wird als gewerbesteuerfreier Hoheitsbetrieb angesehen.539 Gleiches gilt für die Abwasserbeseitigung.540 Zu den sog. geborenen Hoheitsbetriebe rechnet die (z.T. überholte) Liste in 4.4 KStR 2015 Wetterwarten, Schlachthöfe in Gemeinden mit Schlachtzwang, Anstalten zur Lebensmitteluntersuchung, zur Desinfektion, zur Straßenreinigung und zur Abführung von Abwässern und Abfällen.

708

Staatliche Verkehrs- und Versorgungsbetriebe (Wasser, Gas, Elektrizität, Wärme, öffentlicher Verkehr, Hafenbetriebe, aber auch z.B. Badebetriebe, Tiefgaragen) zählen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStDV ausdrücklich zu den gewerbesteuerpflichtigen Betrieben gewerblicher Art (so auch § 4 Abs. 3 KStG für den BgA) und sind Gewerbebetriebe, wenn sie die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 GewStG erfüllen.541 Die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG will klarstellen, dass diese zumeist kommunalen Betriebe, die noch dazu mit

709

533 So BMF v. 11.12.2009, BStBl. I 2009, 1597. 534 Zu einem ABC der Hoheitsbetriebe/Gewerbebetriebe Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 389; auch R 4.4 und 4.5. KStR 2015. 535 BFH v. 30.6.1988 – V R 79/84, BStBl. II 1998, 910. 536 Etwa BFH v. 25.1.2005 – I R 63/03, BStBl. II 2005, 501; v.12.7.2012 – I R 106/10, BStBl. II 2012, 837; für die Umsatzsteuer BFH v. 14.4.1983 – V R 3/79, BStBl. II 1983, 491. Aus dem Schrifttum ausf. Nöcker in Lenski/Steinberg, § 2 GewStG Rz. 1566 ff. 537 BFH v. 23.10.1996 – I R 1/94 u.a., BStBl. II 1997, 139; v. 29.10.2008 – I R 51/07, BStBl. II 2009, 1022. 538 BFH v. 3.2.2010 – I R 8/09, BStBl. II 20010, 502. 539 BFH v. 23.10.1996 – I R 1-2/94, BStBl. II 1997, 139. 540 BFH v. 8.1.1989 – V R 32/97, BStBl. II 1989, 410 (zur Umsatzsteuer). 541 BFH v. 12.3.1975 – I R 255/72, BStBl. II 1975, 549.

131

GewStG § 2 Rz. 710 | Steuergegenstand gewissen öffentlich-rechtlichen Befugnisse ausgestattet sind, nicht zu den Hoheitsbetriebe gehören.542 Es handelt sich um den Bereich der sozialstaatlichen Daseinsvorsorge, der auch seit langem wettbewerbsrelevant geworden ist. Zumeist liegen hier Gewerbebetriebe i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG vor. 710

Ein kommunales Krematorium in NRW bzw. in Bayern ist als Betrieb gewerblicher Art körperschaft- und gewerbesteuerpflichtig, und kein Hoheitsbetrieb.543 Gewerbesteuerpflichtig sind auch die Rundfunkbetriebe.544

711

Durch Verweis auf den stehenden Gewerbebetrieb nach § 2 GewStG und dessen Anbindung an § 15 EStG müssen für die Gewerbesteuerpflicht eines Betriebs der öffentlichen Hand neben den Merkmalen des § 4 KStG auch alle Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt sein. Vermietung und Verpachtung, soweit nicht gewerblich i.S.d. § 15 EStG, und die Verpachtung eines Gewerbebetriebs begründen nach den allgemeinen Grundsätzen keine Gewerbesteuerpflicht.

712

Im Gegensatz zu § 4 Abs. 1 Satz 2, § 8 Abs.1 Satz 2 KStG fordert das GewStG (mit § 2 Abs. 1 GewStDV mit § 2 Abs. 1 GewStG, § 15 Abs. 2 EStG) auch hier eine Gewinnerzielungsabsicht und schützt damit die Gemeinden vor strukturellen Dauerverlustbetrieben (i.S.d. § 8 Abs. 7 KStG) ihrer eigenen Unternehmen. Zu den typischen Dauerverlustbetrieben, die körperschaftsteuerpflichtig, aber grds. per se nicht gewerbesteuerpflichtig sind, gehören zumeist kulturpolitische Betriebe (Museen, Theater, Oper, Zoos), verkehrspolitische Betriebe (ÖPNV), umweltpolitische Betriebe (Abwasser, Abfall) und gesundheitspolitische Betriebe (Bäder, Krankenhäuser, Kurbetriebe). Zugleich privilegiert das GewStG solche BgA, die keine Gewinnerzielungsabsicht haben, obwohl sie nach dem Verständnis des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG wettbewerbsrelevant sind.

713

Das Finanzamt muss die Gewinnerzielungsabsicht im Einzelfall prüfen, wenn Verluste bzw. Verlustbetriebe im Spiel sind.545 Strukturell dauerdefizitären Betrieben der öffentlichen Hand, namentlich der Kommunen (z.B. Bäderbetriebe) fehlt grds. die Gewinnerzielungsabsicht. Allerdings sollen dauerdefizitäre Betriebe der öffentlichen Hand, die aus ihrer Haupttätigkeit (z.B. Freibad, Hallenbad) Verluste, aber aus Beteiligungserträgen Gewinne erzielen, gewerbesteuerpflichtig sein.546 Zudem ist hier auch eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr notwendig.

714

Eine Gewinnerzielungs- und Einnahmenerzielungsabsicht wird auch in den Fällen fehlen, in denen eine Kommune ihre defizitären Einrichtungen an Dritte „verpachtet“ und zugleich bezuschusst, bei wirtschaftlicher Betrachtung aber nicht der Pächter, sondern der Verpächter die wirtschaftliche Last des vereinbarten Pachtzinses zu tragen hat.547 Dauerdefizitäre Kapitalgesellschaften (§ 8 Abs. 7 Nr. 2 KStG) sind nach § 2 Abs. 2 GewStG gewerbesteuerpflichtig.

715

Juristische Personen des öffentlichen Rechts, namentlich Kommunen, halten auch Beteiligungen an privatrechtlichen Personen- und Kapitalgesellschaften. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG gilt auch für Beteiligungen der öffentlichen Hand an einer Kapitalgesellschaft,548 z.B. die Eigengesellschaften einer Stadt im Bereich der Daseinsvorsorge.

716

Eine Mitunternehmerschaft, die gewerblichen Einkünfte erzielt, ist unabhängig davon, dass an ihr auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts beteiligt ist, ein stehender Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG (z.B. eine GmbH & Co. KG der Stadtwerke). Die Beteiligung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts an einer Personengesell542 543 544 545

Hidien in Hidien/Jürgens, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, 2017, § 4 Rz. 349. BFH v. 29.10.2008 – I R 51/07, BStBl. II 2009, 1022. Weitere Einzelfälle Nöcker in Lenski/Steinberg, § 2 GewStG Rz. 1660. H 2.1 Abs. 6 GewStH 2016 mit Verweis auf BFH v. 28.10.1970 – I R 72/69, BStBl. II 1971, 247; v. 15.12.1976 – I R 58/75, BStBl. II 1977, 250; v. 22.8.1984 – I R 102/81, BStBl. II 1985, 61. 546 FG Köln v. 19.12.2013 – 10 K 2933/11, EFG 2014, 662, rkr.; a.A. FG Düsseldorf v. 10.7.2003 – 10 K 2561/99 EFG 2003, 1408, rkr. 547 BFH v. 10.12.2019 – I R 9/17, BFH/NV 2021, 353; v. 10.12.2019 – I R 58/17, DB 2021, 90. 548 BFH v. 28.10.1987 – IV R 56/80, BStBl. II 1988, 70 (Schlachthof-GmbH).

132

Steuergegenstand | Rz. 725 § 2 GewStG

schaft begründet bei ihr keinen Betrieb der öffentlichen Hand i.S.d. § 2 GewStDV.549 § 2 GewStDV ist daher nicht anzuwenden. Die Beteiligung kann aber Betriebsvermögen eines daneben bei den juristischen Personen des öffentlichen Rechts bestehenden Betriebs der öffentlichen Hand sein. In diesen Fällen ist bei dem Betrieb der öffentlichen Hand der Gewinn- oder Verlustanteil an der Mitunternehmerschaft nach § 9 Nr. 2 GewStG zu kürzen.

718

frei

719

c) Umfang des staatlichen Gewerbebetriebs Aus § 2 Abs. 1 GewStG folgt, dass jeder Gewerbebetrieb – objektbezogen – sachlich selbständig ist und selbst in einer Hand je einen eigenen Steuergegenstand bildet. Betriebseinheit oder Betriebsvielheit richten sich bei Gewerbebetrieben kraft Tätigkeit gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 GewStDV nach denselben Grundsätzen des wirtschaftlichen Zusammenhangs der Tätigkeitsbereiche wie bei privaten Einzelunternehmen. Liegt danach ein selbständiger Gewerbebetrieb (gewerblicher BgA) vor, stellt sich die weitere Frage, ob die öffentliche Hand mehrere Betriebe mit steuerrechtlicher Wirkung zusammenfassen kann. Für die Zulässigkeit einer Zusammenfassung bestehen Sonderregelungen für die Körperschaftsteuer (§ 4 Abs. 6 KStG).

720

Hoheitliche und wirtschaftliche Betätigungen sind an sich zu trennen. Nach den Grundsätzen des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStDV werden nicht trennbare Tätigkeiten bei überwiegender Ausübung öffentlicher Gewalt als Hoheitsbetriebe behandelt.

721

Körperschafsteuer- sowie gewerbesteuerrechtlich ist bei mehreren Tätigkeiten der öffentlichen Hand von Bedeutung, ob eine „Einrichtung“ (§ 4 Abs. 1 KStG) bzw. ein „Unternehmen“ (§ 2 Abs. 1 GewStDV) vorliegt. Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine Einrichtung jede funktionelle Einheit, die sich von dem sie organisatorisch tragenden Hoheitsbetrieb als gesonderte selbständige Betätigung abgrenzen lässt, im Rahmen einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit der Erzielung von Einnahmen dient und geeignet ist, den Wettbewerb zu beeinträchtigen, also wettbewerbsrelevant ist.550 Eine funktionelle Einheit kann sich nach allgemeiner Auffassung z.B. aus einer besonderen Leitung, einem geschlossenen Geschäftskreis, der Buchhaltung oder aus einem ähnlichen auf eine Einheit hindeutenden Merkmal ergeben551 Verschiedene wirtschaftliche Tätigkeiten einer juristischen Person sind nach Auffassung der Finanzverwaltung552 dann als Einheit zu behandeln, wenn dies der Verkehrsanschauung entspricht.

722

Um eine rein steuertechnische „Atomisierung“ einheitlicher Betätigungen zu verhindern, sind Neben- und Hilfstätigkeiten, die funktional einer Haupttätigkeit untergeordnet und dieser zu dienen bestimmt sind, mangels sachlicher Selbständigkeit keine isoliert der Besteuerung zu unterwerfenden Tätigkeiten.

723

Nach diesen Grundsätzen hat das FG Münster553 sechs Photovoltaikanlagen einer Gemeinde als einen einheitlichen, selbständigen BgA und Gewerbebetrieb qualifiziert. In der Folge waren die Freibeträge gem. § 24 KStG und § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GewStG jeweils lediglich einmal in Abzug zu bringen.

724

§ 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GewStDV i.d.F. des JStG 2009 hat klargestellt, dass für den Umfang des Unternehmens § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG entsprechend anzuwenden ist. Eine Zusammenfassung von Gewinn- und Verlustbetrieben ist danach gewerbesteuerrechtlich auch dann zulässig, wenn ein BgA zuvor Dauerverlusttätigkeiten ausgeübt hatte. Maßgebend ist, ob das nach diesen Grundsätzen zusammengefasste Unternehmen mit Gewinn-

725

549 550 551 552 553

So BMF v. 21.6.2017, BStBl. I 2017, 888 Rz. 12. BFH v. 27.6.1990 – I R 166/85, BFH/NV 1991, 628. BFH v. 26.5.1977 – V R 15/74, BStBl. II 1977, 813. R 4.1 Abs. 3 Satz 3 KStR 2015. FG Münster v. 21.4.2021 – 13 K 3663/18 K,G, juris.

133

GewStG § 2 Rz. 726 | Steuergegenstand erzielungsabsicht betrieben wird.554 Nur dann liegt ein (neuer) Gewerbebetrieb vor. Die Regelung des § 2 Abs. 1 GewStDV gilt nach § 36 Abs. 2 GewStDV i.d.F. JStG 2009 auch für VZ/EZ vor 2009. 726

Juristische Personen des öffentlichen Rechts können wie natürliche Personen mehrere Gewerbebetriebe unterhalten. Diese können auch nach den strengen Zusammenfassungsgrundsätzen des § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG zusammengefasst werden. Dies betrifft insb. die Zusammenfassung verlustträchtiger mit gewinnträchtigen Betrieben (sog. Querverbund). Die Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art in Kapitalgesellschaften ist grds. zulässig.555 In Bagatellfällen kann von der Besteuerung abgesehen werden.556

727

Kommunaltypisch ist etwa die Zusammenfassung von verlustträchtigen Bäderbetrieben und gewinnträchtigen Versorgungsbetrieben einer Kommune in Form von Eigengesellschaften. Die notwendige wechselseitige Verflechtung (§ 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG) kann durch ein Blockheizkraftwerk557 in den Bädern gesichert werden. Sie kann auch nachträglich entfallen, etwa weil das Bad für den Publikumsverkehr geschlossen wird.558 Dann entfällt auch eine Verlustverrechnung.

728

Eine Zusammenfassung von BgA und Hoheitsbetrieben ist mit steuerrechtlicher Wirkung nicht zulässig (§ 4 Abs. 6 Satz 2 KStG). Dies gilt auch für die Gewerbesteuer.559

729

frei d) Steuersubjekt und Steuerschuldner

730

Die Person des Steuerschuldners regelt § 5 GewStG. Dies ist in den Fällen des § 2 GewStDV nach Auffassung der Rechtsprechung analog zur Auslegung des § 4 KStG die juristische Person des öffentlichen Rechts als Trägerkörperschaft.560 Der Betrieb selbst soll kein Steuerrechtssubjekt sein. Trotzdem soll der der öffentliche Gewerbebetrieb Gegenstand der Gewinnermittlung sein und wird wie ein eigenes Steuersubjekt behandelt. e) Steuerbefreiungen

731

Die Gewerbesteuerpflicht ergibt sich schließlich aus § 3 GewStG. Bestimmte öffentliche Unternehmen sind dort steuerbefreit, z.B. öffentliche Spielbanken (§ 3 Nr. 1 GewStG) oder bestimmte Banken (§ 3 Nr. 2 GewStG). Steuerfrei sind auch als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte Realgemeinden (§ 3 Nr. 5 GewStG) und bestimmte öffentlichrechtliche Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen (§ 3 Nr. 10 GewStG). Insoweit bestehen z.T. auch entsprechende Steuerbefreiungen nach dem KStG (§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 2, 8). Gewerbesteuerfrei sind auch Krankenhäuser, Altenheime, Pflegeheime u.a., wenn diese Einrichtungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden (§ 3 Nr. 20 GewStG).561 Einzelne Steuerprivilegien sind im Hinblick auf steuerpflichtige Konkurrenzbetriebe wettbewerbsrechtlich und wettbewerbspolitisch fragwürdig. Auch eine Gleichstellung mit privaten Unternehmen wird nicht gefordert; lediglich (und allenfalls) ist eine Benachteiligung privater Unternehmen durch Nichtbesteuerung der öffentlichen Hand untersagt. 554 R 2.1 Abs. 6 Satz 3 GewStR 2009; BMF-Schreiben v. 12.11.2009, BStBl. I 2009, 1303 Rz. 98 ergänzt durch BMF-Schreiben v. 15.12.2021, DStR 2021, 2909. 555 R 4.2 KStR 2015. 556 7.1 Abs. 7 GewStR 2009. 557 Zur Besteuerung FinMin. Thür. v. 23.3.2021 – S 2240-A-36-21.19, juris; OFD Frankfurt a.M. v. 21.5.2021 – S 2240 A-36-St 516, juris. 558 BFH v. 16.12.2020 – I R 41/17, juris. 559 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 43. 560 BFH v. 31.10.1984 – I R 21/81, BStBl. II 1985, 162; v. 27.11.2012 – IV B 64/12, BFH/NV 2013, 514. 561 H 2.1 Abs. 6 GewStH 2016.

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Steuergegenstand | Rz. 741 § 2 GewStG

Die Finanzverwaltung kann in bestimmten Bagatellfällen bei kleinen Körperschaften von einer Besteuerung absehen (R 7. 1 Abs. 7 GewStR 2009). Rechtsgrundlage ist § 156 Abs. 2 AO. frei

732

733–739

f) Einzelfälle Die umfassende, einschlägige Rechtsprechung des RFH und BFH verdeutlicht, dass die öffentliche Hand sich umfangreich am allgemeinen Wirtschaftsverkehr betätigt. Teilweise sind die Betätigungen zeitbedingt. Zu öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vgl. § 7 Satz 3 GewStG.

740

Gewerbebetriebe: – Abfallberatung,562 – Bäderbetriebe,563 – Beliehene,564 – Berufsverbände,565 – Blutalkoholuntersuchung,566 – Campingplatz,567 – Domschatzbesichtigung gegen Eintrittsgeld,568 – Elektrizitätswerk,569 – Flughafenbetrieb,570 – Gaststätten,571 – Gaswerk,572 – Gesangbuchverlag einer öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft,573 – Grabpflege,574 – Gutachterausschuss bei Tätigkeit für Privatpersonen (z.B. Wertermittlungstätigkeit),575 Hafenbetrieb,576 – Kirchliche Schulen,577 – Kommunaler Kindergarten,578 – Krankenanstalten,579 – Krankenversicherungen,580

741

562 563 564 565 566 567 568 569 570 571 572 573 574 575 576 577 578 579 580

BFH v. 3.4.2012 – I R 22/11, BFH/NV 2012, 1334. BFH v. 4.12.1991 – I R 74/89, BStBl. II 1992, 432. BFH v. 30.11.1965 – I 157/63 U, BStBl. III 1966, 36; v. 15.4.1970 – I R 107/68, BStBl. II 1970, 517. BFH v. 4.2.1976 – I R 200/73, BStBl. II 1976, 355; v. 30.6.1988 – V R 79/84, BStBl. II 1988, 910. BFH v. 14.3.1990 – I R 156/87, BStBl. II 1990, 866. BFH v. 20.5.1960 – III 440/58 S, BStBl. III 1960, 368 RFH v. 27.6.1939 – I 131/38, RStBl. 1939, 810. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStDV. BFH v. 15.10.1975 – II R 127/69, BStBl. II 1976, 25. BFH v. 24.6.1959 – I 213/58 U, BStBl. III 1959, 339. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStDV. RFH v. 16.12.1939 – VIa 25/37, RStBl. 1941, 158. BFH v. 26.5.1977 – V R 15/74, BStBl. II 1977, 813. R 4.5 Abs. 9 KStR 2015. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStDV. BVerfG v. 14.11.1969 – 1 BvL 24/64, BVerfGE 27, 195. BFH v. 12.7.2012 – I R 106/10, BStBl. II 2012, 837. BFH v. 30.10.1984 – I R 21/81, BStBl. II 1985, 162; vgl. aber § 3 Nr. 20 GewStG. BFH v. 3.2.2010 – I R 8/09, BStBl. II 2010, 502.

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GewStG § 2 Rz. 742 | Steuergegenstand – – – – – – – – – – – – – 742

Krematorium,581 Kurverwaltung,582 Landesbanken,583 Marktbetriebe,584 Museum,585 Parkhaus,586 Parkplatz mit Gebührenpflicht aufgrund öffentlicher Satzung,587 Standplatzüberlassung,588 Steuerberater-Kanzlei,589 Tiefgarage,590 Viehmarkt der Gemeinde,591 Wasserwerk und Wasserversorgung,592 Wertstoffverwertung.593

Keine Gewerbebetriebe: – Abfallentsorgung,594 – Abwasserbeseitigung,595 – Arbeitsbetriebe von Strafanstalten,596 – Bestattung von Menschen,597 (s.a. Krematorium) – Forschung,598 – Lebensmittelüberwachung,599 – Musikschule,600 – Rundfunk (öffentlich-rechtlich, ohne Werbung),601 – Schlachthof der Gemeinde bei Schlachtzwang,602 – Schulen,603 581 BFH v. 17.3.2005 – I B 245/04, BFH/NV 2005, 1135; v. 29.10.2008 – I R 51/07, BStBl. II 2009, 1022. 582 BFH v. 15.10.1962 – I 53/61 U, BStBl. III 1962, 542. 583 BFH v. 8.3.1967 – I 104/64, BStBl. III 1967,426. 584 BFH v. 29.11.1960 – I 145/60 U, BStBl. III 1961, 67. 585 RFH v. 2.7.1938 – GrS D 5/38, RStBl. 1938, 743. 586 BFH v. 10.12.1992 – V R 3/88, BStBl. II 1993, 380. 587 BFH v. 22.9.1976 – I R 102/74, BStBl. II 1978, 793. 588 BFH v. 17.5.2000 – I R 50/98, BStBl. II 2001, 558. 589 BFH v. 30.11.1989 – I R 19/87, BStBl. II 1990, 246. 590 BFH v. 8.11.1989 – I R 187/85, BStBl. II 1992, 242. 591 R 4.5 Abs. 3 KStR 2015. 592 BFH v. 30.11.1989 – I R 79–80/86, BStBl. II 1990, 45; v. 3.2.1988 – I R 264/83, BFH/NV 1989, 388; v. 22.8.1984 – I R 102/81, BStBl. II 1985, 61; v. 22.9.1976 – I R 34/75, BStBl. II 1977, 251. 593 BFH v. 4.9.2002 – I R 42/01, BFH/NV 2003, 511. 594 BFH v. 23.10.1996 – I R 1–2/94, BStBl. II 1997, 139; vgl. dagegen BFH v. 12.1.2011 – I R 112/09 BFH/NV 2011, 1194 für einen BgA „Abfallwirtschaft”. 595 BFH v. 8.1.1989 – V R 32/97, BStBl. II 1989, 410; vgl. auch BFH v. 12.12.1968 – V 213/65, BStBl. II 1969, 280; v. 10.7.1962 – I 164/59 S, BStBl. III 1962, 448. 596 BFH v. 14.10.1964 – I 80/62 U, BStBl. II 1965, 95. 597 BFH v. 14.4.1983 – V R 3/79, BStBl. II 1983, 491; vgl. aber BFH v. 26.5.1977 – V R 15/74, BStBl. II 1977, 813. 598 BFH v. 13.4.1961 – V 120/59 U, BStBl. III 1961, 298. 599 R 4.4 Abs. 1 Satz 2 KStR 2015. 600 BFH v. 6.5.1971 – V R 141/68 u.a., BStBl. II 1971, 645. 601 BFH v. 6.7.1967 – V 76/64, BStBl. III 1967, 582; v. 13.3.1974 – I R 26/71, BStBl. II 1974, 391; BVerfG v. 27.7.1971 – 2 BvF 1/68 u.a., BStBl. II 1971, 567. 602 R 4.4 Abs. 1 Satz 2 KStR 2015. 603 BFH v. 11.1.1979 – V R 26/74, BStBl. II 1979, 746.

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Steuergegenstand | Rz. 748 § 2 GewStG

– – – – – – –

Verkauf von Dienstkraftfahrzeugen,604 Vermessungs- und Katasteramt,605 Verpachtung eines Ackers,606 Versicherungsanstalt (nach Lage des Einzelfalles),607 Versorgungswerk,608 Wasserbeschaffung,609 Wetterwarte.610

frei

743

2. Zur Ermittlung des Gewinns und des Gewerbeertrags a) Allgemeines Für die Ermittlung des Gewinns und Gewerbeertrags bei Betrieben der öffentlichen Hand (BgA und Eigengesellschaften) bestehen einige Besonderheiten. Nach Auffassung der Rechtsprechung611 und der Finanzverwaltung612 sind folgende Grundsätze zu beachten, die teilweise im KStG, teilweise im GewStG regelt sind. Je zu unterscheiden sind BgA und Kapitalgesellschaften (Eigengesellschaften) der öffentlichen Hand von der Trägerkörperschaft selbst.

744

frei

745

b) Körperschaftsteuer Für Zwecke der Ermittlung des körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens nach § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4, § 8 KStG sind der gewerbliche BgA und die juristische Person des öffentlichen Rechts verselbständigt.613 Mithin ist für Zwecke der Körperschaft zunächst zwischen dem BgA und der öffentlich-rechtlichen Trägerkörperschaft zu unterscheiden.

746

Nach dieser sog. Trennungsthese ist so zu verfahren, als ob der BgA hier ein selbständiges Steuerrechtssubjekt in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft und die Trägerkörperschaft deren Alleingesellschafter wäre. Somit sind auch die Grundsätze über die verdeckte Gewinnausschüttung grds. anwendbar. Dies hat auch Folgen für die Bestimmung des Betriebsvermögens des BgA sowie für die Rechtsbeziehungen zwischen BgA und Körperschaft, insb. für die Annahme von verdeckten Gewinnausschüttungen.614

747

§ 8 Abs. 1 Satz 2 KStG ist für die Ermittlung des Gewerbeertrags eines Betriebs der öffentlichen Hand ohne Bedeutung. Insofern ist § 2 GewStDV lex specialis und fordert eine Gewinnerzielungsabsicht. Ein dauerdefizitärer gewerblicher BgA ist mangels Gewinnerzielungsabsicht kein tauglicher Organträger.615 In Fällen einer Organschaft etwa zwischen kommunalen Unternehmen616 sind die Grundsätze in R 7.1 Abs. 5 GewStR 2009 anzuwenden.

748

604 605 606 607 608 609 610 611 612 613 614 615 616

R 4.4 Abs. 2 Satz 2 KStR 2015. BFH v. 25.1.2005 – I R 63/03, BStBl. II 2005, 501. RFH v. 14.10.1941 – I 21/41, RStBl. 1942, 609. BFH v. 18.2.1970 – I R 157/67, BStBl. II 1970, 519. BFH v. 9.2.2011 – I R 47/09, BStBl. II 2012, 601. BFH v. 15.3.1972 – I R 232/71, BStBl. II 1972, 500; aber BFH v. 30.11.1989 – I R 79–80/86, BStBl. II 1990, 452 zur Wasserversorgung. RFH v. 11.12.1931 – V A 796/31, RStBl. 1932, 801. Etwa BFH v. 11.2.1997 – I R 161/94, BFH/NV 1997, 625; v. 4.9.2002 – I R 42/01, BFH/NV 2003, 511. R 8.2 KStR 2015; BMF-Schreiben v. 12.11.2009, BStBl. I 2009, 1303 Rz. 95–97, ergänzt durch BMF-Schreiben v. 15.12.2021, DStR 2021, 2909. R 8.2 Abs. 1 Satz 1 KStR 2005. Näher R 8.2 GewStR 2005; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 391 f. FG Düsseldorf v. 29.6.2010 – 6 K 2990/07 K, EFG 2010, 1732; BMF v. 26.8.2003, BStBl. I 2003, 437 Rz. 5 (str.). Beispiel: BFH v. 16.12.2020 – I R 41/17, BStBl. II 2021, 872 für einen Querverbund.

137

GewStG § 2 Rz. 749 | Steuergegenstand 749

Die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) sind bei gewerblichen BgA nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben (§ 8 Abs. 7 KStG).

750

Eine Zusammenfassung von gewerblichen Betrieben lässt § 4 Abs. 6 KStG nur in bestimmten Konstellationen zu. Den Verlustabzug regelt abschließend § 8 Abs. 8 KStG, auf den § 10a Satz 9 GewStG verweist.

751

Für Gewinnausschüttungen des BgA an die Trägerkörperschaft gilt: Die Verteilung der Steuerbelastung und die Besteuerung des Anteilseigners (die Trägerkörperschaft) gewährleistet § 20 Abs. 1 Nr. 10a für „selbständige“ BgA und und Nr. 10b EStG „unselbständige“ BgA (z.B. sog. Regiebetriebe).617 Dies soll die Gleichbehandlung mit privaten Körperschaften dienen. Die Einnahmen unterliegen bei der Trägerkörperschaft dem Kapitalertragsteuerabzug (§ 43 Abs. 1 Nr. 7b, 7c, § 43a Abs. 1 Nr. 2, § 44 EStG). Diese Selbst- und Gegenseitigkeitsbesteuerung erfasst mithin auch den Bereich der Vermögensverwaltung des Staates. Die Gewinnermittlung für Kapitalgesellschaften unter Beteiligung der öffentlichen Hand richtet sich grds. nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. §§ 4 ff. EStG. Dies gilt auch für die Gewerbesteuer (§ 7 Satz 1 GewStG).

752

frei c) Gewerbesteuer

753

Der körperschaftsteuerrechtliche Gewinn des BgA und der Kapitalgesellschaften liegt auch dem Gewerbeertrag zugrunde (§ 7 Satz 1 GewStG). Den Verlustabzug für BgA regelt § 10a Satz 9 GewStG i.V.m. § 8 Abs. 8 KStG.

754

Modifikationen des Gewinns betreffen insb. Kapitalgesellschaften (Eigengesellschaften) im vollen oder mehrheitlichen Anteilsbesitz der öffentlichen Hand. Insoweit gelten die Regelungen des § 8 Abs. 7 und 9 KStG grds. auch für Zwecke der Gewerbesteuer (§ 7 Satz 5 GewStG).

755

Gem. § 7 Satz 5 GewStG sind die Regelungen zur Spartenrechnung gem. § 8 Abs. 9 Sätze 1 bis 3 KStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags entsprechend anzuwenden. Betroffen sind hier Verluste bei Kapitalgesellschaften als Eigengesellschaften, die ein Dauerverlustgeschäft ausüben (§ 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 KStG). Danach dürfen auch gewerbesteuerrechtlich nur positive und negative Ergebnisse derselben Sparte miteinander verrechnet werden. Dies ergibt sich aus § 7 Satz 5 Halbs. 2 GewStG, der § 8 Abs. 9 Satz 4 KStG entspricht.

756

Die Zuordnung der Wirtschaftsgüter bzw. der Geschäftsvorfälle der Kapitalgesellschaft auf die einzelnen Sparten ist für die Hinzurechnung bzw. Kürzung nach §§ 8 und 9 GewStG maßgebend. Der Freibetrag des § 8 Nr. 1 GewStG ist nur für die Eigengesellschaft zu gewähren. Er ist auf die einzelnen Sparten entsprechend dem Verhältnis aufzuteilen, wie die Hinzurechnungsbeträge (vor Freibetrag) auf die Sparten entfallen.

757

Gem. § 10a Satz 9 GewStG gelten § 8 Abs. 8 und § 8 Abs. 9 Satz 5 bis 8 KStG entsprechend. Diese Verweise betreffen die besondere Verlustverrechnung bei zusammengefassten BgA einerseits und bei Eigengesellschaften, die ein Dauerverlustgeschäft ausüben, andererseits. Der Betrag von 1 Mio. € nach §10a Satz 2 GewStG ist pro Sparte zu ermitteln. Ein Verlustvortrag ist nur innerhalb derselben Sparte zulässig. Für die Verlustverrechnung bei BgA verweist § 10a Satz 9 GewStG auf § 8 Abs. 8 KStG.

758

Gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GewStG ist der auf volle 100 Euro nach unten abgerundete Gewerbeertrag um einen Freibetrag i.H.v. 5.000 Euro, höchstens jedoch i.H.d. abgerundeten Gewerbeertrags, zu kürzen.

759–770

frei

617 Zu Anwendungsfragen BMF v. 28.1.2019, BStBl. I 2019, 97.

138

Steuergegenstand | Rz. 776 § 2 GewStG

IX. Beginn und Ende der Gewerbesteuerpflicht 1. Grundsätze Das GewStG regelt die an sich zentrale Frage der Dauer (Beginn und Ende) der sachlichen Gewerbesteuerpflicht ausdrücklich und eher rudimentär nur in zwei Fällen: im Rahmen des § 2 Abs. 4 GewStG für den Fall der vorübergehenden Betriebsunterbrechung und im Fall des Betriebsübergangs im Ganzen nach § 2 Abs. 5 GewStG. In ersten Fall endet die sachliche Gewerbesteuerpflicht der Gewerbebetriebe kraft Betätigung nicht, im zweiten Fall endet die sachliche und persönliche Gewerbesteuerpflicht übergebenden Unternehmers.

771

Weitergehende ausdrückliche Regelungen fehlen im GewStG. Entsprechende ungeschriebene Regeln hat die Rechtsprechung am Maßstab des Steuergegenstandes des Gewerbebetriebs und seiner unterschiedlichen Rechtsformen als Ausprägung des sog. Objektsteuerprinzips entwickelt.618 Hierbei werden die zeitlichen Grenzen des Bestehens eines Gewerbebetriebs und damit auch der sachlichen und persönlichen Gewerbesteuerpflicht (aus fiskalfreundlichen Motiven) enger gezogen als bei der Einkommensteuerpflicht der gewerblichen Einkünfte i.S.d. § 15 EStG.

772

Unterschieden wird hier grds. im Rahmen des § 2 Abs. 1 bis 3 GewStG zwischen rechtsformunabhängigen Gewerbebetrieben (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG) und rechtsformabhängigen Gewerbebetrieben (§ 2 Abs. 2 GewStG). Im ersten Fall richtet sich die Dauer nach einem (vagen) materiellen Kriterium der „werbenden Tätigkeit“, im zweiten Fall entscheiden auch formale Kriterien, wie etwa Registereintragungen.

773

Überkommene Prämisse ist, dass die Gewerbesteuerpflicht an das „Bestehen eines lebenden und ausgeübten Betriebes“ anknüpft und damit eine werbende Tätigkeit voraussetzt.619 Aus § 2 GewStG bzw. aus § 15 EStG lässt sich diese vorherrschende, aber umstrittene These und Praxis620 nicht ohne weiteres ableiten. Sie hat insb. zur Folge, dass – anders als im Einkommensteuerrecht – die durch den Betrieb veranlassten Vor- und Nachlaufkosten nicht mehr als Betriebsausgaben berücksichtigt werden dürfen, da nicht sämtliche tatbestandlichen Merkmale eines Gewerbebetriebes erfüllt seien und der Gewerbebetrieb erst in Gang gesetzt wird.621 Entsprechende Kosten beruhen allerdings auf einer Marktteilnahme. Gleiches gilt für entsprechende Betriebseinnahmen. Die Abgrenzungsprobleme (wann und wie beginnt und endet die werbende Tätigkeit?) beschäftigen die Rechtsprechung.

774

frei

775

2. Beginn der Steuerpflicht Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften gem. § 2 Abs. 1 GewStG sowie grds. auch wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben622 i.S.d. § 2 Abs. 3 GewStG beginnt die Gewerbesteuerpflicht mit der Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit.623 Das bedeutet, dass alle Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt sein müssen. Das Tatbestandsmerkmal Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr wird dabei in der Weise bestimmt, dass für Zwecke der Gewerbesteuer zusätzlich eine sog. werbende Tätigkeit vorliegen muss. 618 Näher Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 565 ff. Zu den Verwaltungsregelung R 2.5 und R 2.6 GewStR 2009 samt Hinweisen. 619 BFH v. 24.4.1980 – IV R 68/77, BStBl. II 1980, 658 m.w.N. zur Rspr. des RFH, der sich seinerseits auf die Rechtsprechung des Preußischen OVG beruft, das für die Auslegung des Preußischen Gewerbesteuergesetzes vom 24.6.1891 (Gesetzes-Sammlung 1891, 205) zuständig war. 620 R 2.5 Abs. 1 Satz 1, 2.6 Abs. 1 Satz 2 GewStR 2009. 621 Etwa BFH v. 22.11.1984 – VIII R 44/92, BStBl. II 1995, 900; krit. zur Begründung etwa Roser, Ubg 2015, 582, Hidien, StBp 2008, 125. 622 R 2.5 Abs. 3 GewStR 2009. 623 BFH v. 24.4.1980 – IV R 68/77, BStBl. II 1980, 658; v. 22.11.1994 – VIII R 44/92, BStBl. II 1995, 900; v. 15.1.1998 – IV R 8/97, BStBl. II 1998, 478; v. 5.3.1998 – IV R 23/97, BStBl. II 1998, 745; v. 20.11.2003 – IV R 5/02, BStBl. II 2004, 464; R 2.5 Abs. 1 GewStR 2009.

139

776

GewStG § 2 Rz. 777 | Steuergegenstand Der Betrieb muss in Gang gesetzt worden sein. Es müssen die Voraussetzungen geschaffen worden sein, dass sich der Betrieb mit eigenen gewerblichen Leistungen tatsächlich am Markt beteiligen kann. 777

Die Rechtsprechung624 begründet dies mit den objektsteuerartigen Besonderheiten der Gewerbesteuer. Die sachliche Gewerbesteuerpflicht beginne erst, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs erfüllt sind (§ 2 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG) und der Gewerbebetrieb in Gang gesetzt worden sei. Während die Einkommensteuer als Personensteuer sämtliche betrieblichen Vorgänge von der ersten Vorbereitungshandlung zur Eröffnung eines Betriebs an erfasst, ist Gegenstand der Gewerbesteuer nur der auf den laufenden Betrieb entfallende, durch eigene gewerbliche Leistungen entstandene Gewinn. Entscheidend sei, wann die Voraussetzungen für die erforderliche Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr tatsächlich erfüllt sind, so dass das Unternehmen sich mit eigenen gewerblichen Leistungen beteiligen kann. Dies ergebe sich aus dem „Wesen der Gewerbesteuer“ als einer auf den tätigen Gewerbebetrieb bezogenen Sachsteuer.

778

Diese subtile Unterscheidung (und Wesensschau) und damit der Zeitpunkt des Beginns der werbenden Tätigkeit, können kaum begründet625 und noch weniger generell definiert werden. Er ist vielmehr unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu ermitteln und kann für die verschiedenen Betriebsarten, Unternehmensgegenstände und Geschäftsmodelle ebenfalls unterschiedlich zu bestimmen sein.626 Diese Rechtsgrundsätze gelten gleichermaßen für Einzelgewerbetreibende wie für Personengesellschaften, und zwar unabhängig von der Rechtsform ihrer Gesellschafter.627

779

Bloße Vorbereitungshandlungen (z.B. Anmieten des Geschäftslokals, Bau eines Fabrikgebäudes, Erwerb von Anlagevermögen) führen nicht zur Gewerbesteuerpflicht.628 Nach Verwaltungsauffassung beginnt z.B. bei der Herstellung von zunächst noch zu entwickelnden Sonnenkollektoren als Unternehmensgegenstand die Gewerbesteuerpflicht erst mit der Lieferfähigkeit des Gegenstandes.629 Zunächst abgeschlossene Lieferverträge und die erst danach beginnende Entwicklung werden dabei für unbeachtlich erachtet. Dies ist zweifelhaft, wenn der Auftrag gerade auch die Entwicklung umfasst.

780

Bei einem Leasingunternehmen in Form einer Personengesellschaft, das eine Produktionsanlage als ersten Leasinggegenstand zunächst über einen längeren Zeitraum herstellen lässt, beginnt die gewerbesteuerpflichtige Tätigkeit erst mit der Fertigstellung des Leasinggegenstandes.630 Maßnahmen einer Einschiffsgesellschaft vor der Indienststellung des Schiffes und seiner Veräußerung können vorbereitender Natur sein.631 Beispiel: Der zuvor angestellte Kfz-Meister A eröffnet zum 1.4.2001 eine eigene Kfz-Werkstatt. Bereits zum 1.2.2001 hatte er Werkstatträume angemietet. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 01 erklärt er einen Gewinn nach § 15 EStG i.H.v. 15.000 €. Darin sind Mietaufwendungen für die Monate Februar und März 01 zusammen mit 5.000 € berücksichtigt. Die sachliche Gewerbesteuerpflicht beginnt mit dem 1.4.2001. Besteuerungsgrundlagen sind erst ab diesem Zeitpunkt zu berücksichtigen. Der Gewinn i.S.d. GewStG für 01 beträgt somit 20.000 € (nach h.M. gib es keine vorweggenommenen Betriebsausgaben bei der Gewerbesteuer632). 624 Vgl. zur Wesensschau des § 2 GewStG BFH v. 7.8.2008 – IV R 86/05, BStBl. II 2012, 145; v. 17.3.2010 – IV R 41/07; BStBl. II 2010, 977; v. 14.4.2011 – IV R 52/09, BStBl. II 2011, 929; v. 30.8.2012 – IV R 54/10, BStBl. II 2012, 927. 625 Krit. auch Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 30, 231. 626 BFH v. 22.11.1994 – VIII R 44/92, BStBl. II 1995, 900; v. 30.8.2012 – IV R 54/10, BStBl. II 2012, 927; v. 13.4.2017 – IV R 49/15, BFH/NV 2017, 1129. 627 BFH v. 14.4.2011 – IV R 52/09, BStBl. II 2011, 929 für den Betrieb eines Windparks; v. 30.8.2012 – IV R 54/10, BStBl. II 2012, 927; H 2.5 Abs. 1 GewStH 2016. 628 R 2.5 Abs. 1 Satz 2 GewStR 2009. 629 H 2.5 Abs. 1 GewStH 2016 einem Beispiel. 630 BFH v. 3.4.2014 – IV R 12/10, BStBl. II 2014, 1000; H 2.5 Abs. 1 GewStH 2016. 631 BFH v. 5.3.1998 – IV R 23/97, BStBl. II 1998, 745; H 2.5 Abs. 1 GewStH 2016 632 Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 83; krit. Hidien, StBp 2008, 125.

140

Steuergegenstand | Rz. 790 § 2 GewStG

Die sachliche Gewerbesteuerpflicht einer gewerblich geprägte Personengesellschaften (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) beginnt wie bei anderen Personengesellschaften auch mit Aufnahme ihrer vermögensverwaltenden Tätigkeit, wenn der Gewerbebetrieb in Gang gesetzt ist.633

781

Bei Kapitalgesellschaften und anderen Gesellschaften i.S.v. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG gilt jede Tätigkeit stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb. Die Gewerbesteuerpflicht beginnt daher spätestens mit der Eintragung ins Handelsregister, ins Genossenschaftsregister oder mit der aufsichtsbehördlichen Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb.634 Nach außen i.S. einer werbenden Tätigkeit in Erscheinung tretende Vorgesellschaften bilden mit dem später eingetragenen oder erlaubten Unternehmen einen einheitlichen Gewerbebetrieb.635

782

Das Nichtbestehen oder Bestehen einer Organschaft hat auf die sachliche Steuerpflicht der Organgesellschaft keine Auswirkung.636 Beginn oder Wegfall der Organschaft verändern lediglich die Steuerschuldnerschaft des OT.637

783

Die sachliche Gewerbesteuerpflicht für ein Besitzunternehmen beginnt bei der Betriebsaufspaltung mit der Überlassung der wesentlichen Betriebsgrundlagen.638 Bloße Vorbereitungshandlungen sind für ein Besitzunternehmen insoweit nicht ausreichend. Ein noch nicht existierendes Betriebsunternehmen schließt die Gewerbesteuerpflicht für ein Besitzunternehmen ebenso aus.639

784

Die Gewerbesteuerpflicht beginnt bei Unternehmen, für die der Grund für die Befreiung von der Gewerbesteuer wegfällt, im Zeitpunkt des Wegfalls des Befreiungsgrundes.640

785

frei

786

3. Ende der Steuerpflicht Bei Einzelgewerbetreibenden und Personengesellschaften endet („erlischt“) die sachliche Gewerbesteuerpflicht mit der tatsächlichen Einstellung des Betriebes. Rechtsprechung und Verwaltung haben hierzu die folgenden Grundsätze entwickelt.

787

Eine bloß vorübergehende Einstellung (z.B. bei Saisonbetrieben) ist nach § 2 Abs. 4 GewStG (s. Rz. 812) unbeachtlich. Bei sog. Saisonbetrieben, insb. beim Bauhandwerk, den Bauindustrien, den Kurortbetrieben aller Art oder den Zuckerfabriken, bedeutet die Einstellung des Betriebs während der toten Zeit nicht eine Einstellung in dem eben behandelten Sinn, sondern nur eine vorübergehende Unterbrechung (Ruhen) des Gewerbebetriebs, durch die die Gewerbesteuerpflicht nicht berührt wird.641

788

Die tatsächliche Einstellung ist anzunehmen, wenn der Betrieb nicht mehr i.S. einer werbenden Tätigkeit in Erscheinung tritt. Diese (dauerhafte) Betriebseinstellung muss nicht mit der einkommensteuerrechtlichen Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) zusammenfallen.642

789

Auch eine nach dem Einkommensteuerrecht nicht begünstigte „allmähliche Abwicklung“ eines Gewerbebetriebs führt nicht zu gewerbesteuerbaren Gewinnen, wenn sie auf Maß-

790

633 BFH v. 30.8.2022 – IV R 54/10, BStBl. II 2012, 927; R 2.5 Abs. 1 Satz 4 GewStR 2009; H 2.5 Abs. 1 GewStH 2016. 634 R 2.5 Abs. 2 GewStR 2009. 635 BFH v. 8.4.1960 – III 129/57 U, BStBl. III 1960, 319; H 2.5 Abs. 2 GewStH 2016. 636 H 2.5 Abs. 2 GewStH 2016. 637 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 584a. 638 BFH v. 15.1.1998 – IV R 8/97, BStBl. II 1998, 478; H 2.5 Abs. 1 GewStH 2016. 639 Anders wohl FG Nds. v. 18.12.2001 – 14 K 275/98, EFG 2002, 976; aufgehoben durch BFH v. 6.3.2002 – XI R 3/02, BFH/NV 2003, 1545. 640 R 2.5 Abs. 4 GewStR 2009. 641 R 2.6 Abs. 1 Satz 4 GewStR 2009. 642 BFH v. 22.10.1992 – III R 7/91, BFH/NV 1993, 358. Zum Sonderfall der Überführung wesentlicher Betriebsgrundlagen in einen anderen Tätigkeitsbereich BFH v. 13.10.2016 – IV R 21/13, BStBl. II 2017, 475.

141

GewStG § 2 Rz. 791 | Steuergegenstand nahmen zur Vermögensverwertung nach Einstellung der werbenden Tätigkeit des Betriebs beruht.643 Die Einstellung liegt nicht erst dann vor, wenn der Betrieb für alle Zeiten, sondern schon dann, wenn er für eine gewisse Dauer aufgegeben wird. Die Einstellung darf aber nicht von vornherein nur als vorübergehend gedacht sein.644 791

Ein in Form eines Ladengeschäfts ausgeübter Gewerbebetrieb wird erst mit Beendigung des Verkaufs im Ladengeschäft eingestellt.645 Eine anschließende „Versilberung“ der vorhandenen Betriebsgegenstände fällt nicht mehr unter die Gewerbesteuerpflicht. Die tatsächliche Einstellung des Betriebs ist anzunehmen mit der völligen Aufgabe jeder werbenden Tätigkeit. Die Aufgabe eines Handelsbetriebs liegt erst in der tatsächlichen Einstellung jedes Verkaufs.

792

Die Frage der Beendigung der Gewerbesteuerpflicht darf jedoch nicht allein nach äußeren Merkmalen beurteilt werden. Die Einstellung der werbenden Tätigkeit oder andere nach außen in Erscheinung tretende Umstände (z.B. Entlassung der Betriebszugehörigen, Einstellung des Einkaufs) bedeuten nicht immer die tatsächliche Einstellung des Betriebs. Nach herrschender Auffassung müssen auch die „inneren Vorgänge“ berücksichtigt werden.646

793

Beispiel: A betreibt ein Spielwarengeschäft. Das Wirtschaftsjahr entspricht dem Kalenderjahr. Ab dem 1.10.2001 kauft er keine Spielwaren mehr ein. Vom 1.11.2001 bis 30.11.2001 führt er in seinem Ladenlokal einen Räumungsverkauf für den bisherigen Kundenkreis durch. Am 30.11.2001 stellt er den Verkauf im Ladenlokal ein. Die noch verbliebenen Spielwaren verkauft er am 15.12.2001 insgesamt an einen befreundeten Spielwarenhändler. Die Einrichtungsgegenstände und das Geschäftsgrundstück werden ebenfalls am 15.12.2001 verkauft. Der Gewinn für den Zeitraum 1.1.2001–31.10.2001 beträgt 125.000 €. Für November 01 beträgt der Gewinn 20.000 €. Für Dezember 01 ergibt sich ein Gewinn von 300.000 €. Für die Einkommensbesteuerung ergeben sich für 01 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 445.000 €. Ende der Gewerbesteuerpflicht ist am 30.11.2001. Der Gewinn i.S.d. GewStG beträgt 145.000 € (125.000 € + 20.000 €).

794

Die Beendigung einer gewerblichen Tätigkeit an einem Ort und die Neuaufnahme einer gleichen bzw. gleichartigen Tätigkeit an einem anderen, in räumlicher Nähe zum bisherigen Betriebssitz gelegenen Ort, dürfte für einen Fortbestand der bisherigen gewerblichen Tätigkeiten sprechen.647 Auch die Beendigung einer Handelsvertretung und die anschließende Übernahme einer anderen Handelsvertretung wird von der Rechtsprechung im Regelfall nicht als Beendigung und Neubeginn der Gewerbesteuerpflicht eingestuft.648 Bei dem Übergang von einer gewerblichen Tätigkeit zu einer anderen, nicht gleichen Tätigkeit dürfte die neue Tätigkeit nur in seltenen Fällen als Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit einzustufen sein.649

795

Strukturveränderungen (Änderungen der Betriebsstruktur) stellen grds. keine Betriebseinstellung dar.650 Betriebsverlegungen führen nicht nur Betriebsbeendigung, wenn die wirtschaftliche Identität des Betriebs erhalten bleibt.651

796

Die Betriebsverpachtung folgt gewerbesteuerrechtlich eigenen Regeln als bei der Einkommensteuer. Mit der Verpachtung eines Gewerbebetriebs im Ganzen erlischt regelmäßig die Gewerbesteuerpflicht des Verpächters.652

BFH v. 22.1.2015 – IV R 10/12, BFH/NV 2015, 678. R 2.6 Abs. 1 Satz 2, 3 GewStR 2009. H 2.6 Abs. 1 GewStH 2016. R 2.6 Abs.1 Satz 5 bis 9 GewStR 2009. BFH v. 3.10.1984 – I R 116/81, BStBl. II 1985, 131. BFH v. 9.10.1996 – XI R 71/95, BStBl. II 1997, 236. Zur Abgrenzung bei Aufnahme einer neuen Tätigkeit BFH v. 30.10.2019 – IV R 59/16, BFH/NV 2020, 282. 650 BFH – III R 1/03, BFH/NV 2004, 1231. 651 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 578. 652 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 579; H 2.6 Abs. 1 und H 2.2 GewStH 2016. 643 644 645 646 647 648 649

142

Steuergegenstand | Rz. 804 § 2 GewStG

Dagegen besteht grds. Gewerbesteuerpflicht des Verpächters im Fall einer Betriebsaufspaltung, einer mitunternehmerischen Betriebsverpachtung, einer einheitlichen Behandlung einer nur teilweise gewerblich tätigen Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) und einer gewerblich geprägten Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG).653 Entfallen bei einer Betriebsaufspaltung die Voraussetzungen für eine personelle oder sachliche Verflechtung, endet die sachliche Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens. Dies ist stets mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Betriebsunternehmens der Fall.654

797

Für eine GmbH & C. KG, die eine originäre gewerbliche Tätigkeit ausübt (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, § 15 Abs. 2 EStG) gelten die gleichen Grundsätze wie für Einzelunternehmen.655

798

Besondere Regelungen zu den gewerblich geprägten Personengesellschaften (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) bestehen ebenfalls nicht. Die sachliche Gewerbesteuerpflicht erlischt, wenn die rechtlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG entfallen und die Gesellschaft nur noch vermögensverwaltende Einkünfte erzielt.656

799

Wirtschaftliche Geschäftsbetriebe i.S.d. § 2 Abs. 3 GewStG werden wie Einzelunternehmen behandelt.657 Bei den sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts und den nichtrechtsfähigen Vereinen erlischt danach die Steuerpflicht mit der tatsächlichen Einstellung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs. Besteht der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in jährlich wiederkehrenden Tätigkeiten (Veranstaltungen) von jeweils kurzer Dauer, z.B. Bier-, Wein-, Schützenfeste usw., dann ist bei erkennbarer Wiederholungsabsicht von einem fortbestehenden Gewerbebetrieb auszugehen, bei dem nicht jeweils die Steuerpflicht nach Abwicklung der Veranstaltung erlischt und im Folgejahr neu eintritt.

800

Bei Kapitalgesellschaften und anderen Gesellschaften i.S.v. § 2 Abs. 2 GewStG („stets“) endet die Gewerbesteuerpflicht nicht schon mit dem Einstellen der werbenden Tätigkeit. Bei ihnen erlischt die Gewerbesteuerpflicht – anders als bei Einzelkaufleuten und Personengesellschaften – nicht schon mit dem Aufhören der gewerblichen Betätigung, sondern mit dem Aufhören jeglicher Tätigkeit überhaupt.658 Das ist grds. der Zeitpunkt, in dem das Vermögen an die Gesellschafter verteilt worden ist und damit das Ende der Liquidation.659

801

Auch mit Eintritt eines Befreiungsgrundes gem. § 3 GewStG erlischt die Gewerbesteuerpflicht. Allerdings führt der Wechsel in der Steuerpflicht eines Gewerbesteuersubjekts infolge eines persönlichen Befreiungsgrundes nicht zum Wegfall des Gewerbesteuersubjekts. Bleibt dieses bei Beendigung und nachfolgendem erneuten Beginn der Steuerpflicht weiterhin bestehen, ist sowohl die Unternehmens- als auch die Unternehmeridentität i.S.d. § 10a GewStG gewahrt. Gewerbeverluste aus vorangegangenen, nicht steuerbefreiten Erhebungszeiträumen sind deshalb nach Wiedereintritt in die Steuerpflicht abzugsfähig.660

802

Die sachliche und persönliche Gewerbesteuerpflicht des bisherigen Unternehmens und Unternehmers endet auch im Fall des Betriebsübergang nach § 2 Abs. 5 GewStG.

803

Die Aufgabe des Betriebs bei Einzelgewerbetreibenden, die Auflösung und die Abwicklung bei Personengesellschaften und Unternehmen i.S.d. § 2 Abs. 2 GewStG und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Unternehmen aller Art ändern an der Gewerbesteuerpflicht nichts. §§ 4, 16 Abs. 2 GewStDV stellen lediglich klar, dass Aufgabe, Auflösung und Insolvenz nicht ohne weiteres zum Erlöschen der sachlichen Steuerpflicht führen. Vielmehr gelten die allgemeinen Grundsätze.661 Soweit das Ende der Steuerpflicht an die Beendigung

804

653 654 655 656 657 658 659 660 661

H 2.2 GewStH 2016. BFH v. 6.3.1997 – XI R 2/95, BStBl. II 1997, 460. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 583. Näher Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 582; in § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG fehlt anders als in § 2 Abs. 2 GewStG das Wort „stets“. R 2.6 Abs. 3 GewStR 2009. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 584. R 2.6 Abs. 2 GewStR 2009. BFH v. 9.6.1999 – I R 92/98, BStBl. II 1999, 733; H 2.6 Abs. 1 GewStH 2016. R 2.6 Abs. 4 Satz 2 GewStR 2009.

143

GewStG § 2 Rz. 805 | Steuergegenstand der werbenden Tätigkeit anknüpft, bleibt dieses Kriterium maßgebend. Die Liquidation, d.h. die Einziehung rückständiger Forderungen nach Einstellung der werbenden Tätigkeit, ist nicht gewerbesteuerbar.662 805

Die Beendigung der Abwicklung und damit das Aufhören der Gewerbesteuerpflicht eines aufgelösten Unternehmens i.S.d § 2 Abs. 2 GewStG fallen regelmäßig mit dem Zeitpunkt zusammen, in dem das Vermögen an die Gesellschafter verteilt wird. Werden jedoch bei dieser Verteilung Vermögensbeträge zur Begleichung von Schulden zurückbehalten, bleibt das Unternehmen gewerbesteuerpflichtig, bis die Schulden beglichen sind.663 Mit dem vom Insolvenzverwalter weiterbetriebenen Gewerbebetrieb wird die bisherige Gewerbesteuerpflicht fortgesetzt.

806–809

frei

X. Betriebsunterbrechung (Abs. 4) 1. Allgemeines 810

Vorübergehende Betriebsunterbrechungen, die durch die Art des Betriebs veranlasst sind, heben die Gewerbesteuerpflicht gem. § 2 Abs. 4 GewStG für die Zeit bis zur Wiederaufnahme des Betriebs nicht auf. Die Regelung bestimmt die sachliche Steuerpflicht in zeitlicher Hinsicht. Danach besteht der Betrieb solange fort, wie er nicht tatsächlich eingestellt664 ist.

811

Sachlich gehört die Regelung zu Fragen des Beginns und Ende der Gewerbesteuerpflicht, die das GewStG nur am Rande und nicht ausdrücklich behandelt. Im Wesentlichen ergeben sich Beginn und Ende der Gewerbesteuerpflicht aus dem Objektsteuercharakter der Gewerbebetriebe des § 2 Abs. 1 bis 3 GewStG selbst. Sobald die Voraussetzungen an das Bestehen eines Gewerbebetriebes erfüllt sind, beginnt auch dessen Steuerpflicht und sobald die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, endet diese.

812

§ 2 Abs. 4 GewStG betrifft besonders Saisonbetriebe665, die (ihrer „Art“ nach) üblicherweise nicht ganzjährig tätig sind, wie z.B. Bauhandwerk, Bauindustrie, Eisdielen, Kurortbetriebe, Hotel- und Ferienwohnungsbetriebe in Wintergebieten. Sie gilt aber grds. für alle anderen originären Gewerbebetriebe und andere gezielte oder ungewollte Unterbrechungen. Die Rechtsprechung legt die Regelung über den engen Wortlaut relativ weit aus.666 Entscheidend ist die Nachhaltigkeit667 (§ 15 Abs. 2 EStG) der Betätigung, die nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist sowie die wirtschaftliche Identität der Betätigung über die Zeit der Betriebsunterbrechung hinaus.

813

Die Regelung verhindert ein Ende der sachlichen Steuerpflicht, da diese Betriebe an sich nicht mehr am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr (i.S. einer werbenden Tätigkeit) teilnehmen (§ 15 Abs. 2 GewStG i.V.m. § 2 Abs. 1 GewStG). Damit sichert sie auch die Versteuerung während der Unterbrechungszeit. Ob sie deklaratorischer Natur ist,668 kann offenbleiben. Die Regelung geht auf das Gewerbesteuergesetz 1951669 zurück und ist seither unverändert.

814

Für die Zeit der vorübergehenden Betriebsunterbrechung bleibt der Betriebsinhaber Steuerschuldner (§ 5 GewStG). Solche Betriebsunterbrechungen lassen damit auch die UnterBFH v. 24.4.1980 – IV R 68/77, BStBl. II 1980, 658. R 2.6 Abs. 4 Satz 3, 4 GewStR 2009 mit H 2.6 Abs. 4 GewStH 2016. R 2.6. Abs. 1 Satz 1 GewStR 2009. R 2.6 Satz 4 GewStR 2009. Heinemann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 191. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 577; Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 264. 668 So Badetz in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 Abs. 4 GewStG Rz. 13. 669 Gesetz zur Änderung des Gewerbesteuerrechts v. 27.12.1951, BGBl. I 1951, 996.

662 663 664 665 666 667

144

Steuergegenstand | Rz. 824 § 2 GewStG

nehmensidentität und die Unternehmeridentität, die zentrale Voraussetzungen des Verlustabzugs nach § 10a GewStG sind, unberührt. frei

815–819

2. Tatbestandsmerkmale a) Gewerbebetrieb Die Regelung gilt zwar für alle Arten und Formen von Gewerbebetrieben. Sie betrifft aber sachlich nur die Gewerbebetriebe kraft gewerblicher Betätigung (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG), mithin Einzelunternehmen und Personengesellschaften. Auch für die gewerblich infizierte Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) gelten dieselben Grundsätze, so dass ihre Gewerbesteuerpflicht in der Zeit einer vorübergehenden Unterbrechung ihres gewerblichen Tätigkeitsbereichs (z.B. bei einem Saisonbetrieb) nicht endet.670

820

Bei einer gewerblich geprägten Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) besteht die Besonderheit, dass sie kraft ihrer Rechtsform und Organisationswahl stets gewerbesteuerpflichtige Einkünfte erzielt, so dass eine Betriebsunterbrechung auf sie keinen Einfluss haben kann. Und auch bei Kapitalgesellschaften (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG) wird der Gewerbebetrieb kraft bestehender Rechtsform immer fingiert. In diesen Fällen hat § 2 Abs. 4 GewStG keine Bedeutung.671 Im „Mischfall“ des § 2 Abs. 3 GewStG kann auch der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb gem. § 14 AO betroffen sein.

821

b) Vorübergehende Unterbrechung Gegenstück zur vorübergehenden Betriebsunterbrechung sind dauerhafte Betriebsunterbrechungen. Sie führen zur Betriebseinstellung. Eine tatsächliche Einstellung des Betriebs liegt vor, wenn jede werbende Tätigkeit völlig aufgegeben wird.672 Die Aufgabe eines Handelsbetriebs liegt erst in der tatsächlichen Einstellung jedes Verkaufs.673 Dann entfällt die Unternehmensidentität. Der Eintritt in eine Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 GewStG kann zu einer Betriebseinstellung führen.674

822

Das Gewerbesteuerrecht kennt im Gegensatz zur Einkommensteuer keinen „ruhenden Gewerbebetrieb“ i.S.d. EStG.675 Die bloße Verpachtung eines Betriebes oder eines Teilbetriebes (Betriebsverpachtung) ist keine „Betriebsunterbrechung“ i.S.d. § 2 Abs. 4 GewStG. Zwar wird die Verpachtung eines Gewerbebetriebs, sofern nicht die Betriebsaufgabe erklärt wird, einkommensteuerrechtlich als Betriebsunterbrechung im weiteren Sinn bezeichnet.676 Sie hat aber zur Folge, dass die Gewerbesteuerpflicht erlischt.677

823

Insofern steht die Betriebsverpachtung gewerbesteuerrechtlich der Betriebsbeendigung gleich. Den einkommensteuerrechtlich relevanten Umstand, dass der verpachtete (Teil-) Betrieb eines Tages möglicherweise wieder selbst bewirtschaftet wird, lässt das Gewerbesteuerrecht außer Betracht.678 Dies gilt nicht im Fall der Betriebsverpachtung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung.679

824

670 671 672 673 674 675 676 677 678 679

BFH v. 18.6.1998 – IV R 56/97, BStBl. II 1998, 735. BFH v. 8.10.1986 – I R 155/84, BFH/NV 1987, 564. R 2.6 Abs. 1 Satz 5 GewStR 2009; H 2.6 Abs. 1 GewStH 2016. R 2.6. Abs. 1 Satz 6 GewStH 2016. H 2.6 Abs. 1 GewStH 2016. BFH v. 30.10.2019 – IV R 59/16, BStBl. II 2020, 147; Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/ Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 21. BFH v. 28.9.1995 – IV R 39/94, BStBl. II 1996, 276. BFH v. 18.6.1998 – IV R 56/97, BStBl. II 1998, 735; H 2.6 Abs. 1 GewStH 2016. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 579 m.w.N. H 2.6 Abs. 1 GewStH 2016; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 580 m.w.N

145

GewStG § 2 Rz. 825 | Steuergegenstand 825

Im Fall der gewerbesteuerrechtlichen Betriebsunterbrechung („Betriebsunterbrechung im engeren Sinn“680) bleibt dagegen die Gewerbesteuerpflicht unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 GewStG bestehen. Die einkommensteuerrechtliche Fortführungsfiktion des § 16 Abs. 3b EStG gilt hier nicht.681

826

Es gibt keine feste, absolute zeitliche Vorgabe dafür, wie lange die Betriebsunterbrechung maximal anhalten darf. Es kommt vielmehr Verhältnisse im Einzelfall an.682 Gleichwohl muss schon im Zeitpunkt der Einstellung der werbenden Tätigkeit anhand objektiver Umstände erkennbar sein, dass die Unterbrechung nur vorübergehender Natur ist und der Betrieb in absehbarer Zeit wieder aufgenommen wird. Folglich führt eine vorläufige Einstellung „bis auf Weiteres“ zu einer Betriebsbeendigung. Die reine Absicht, den Betrieb „irgendwann“ wieder aufzunehmen, reicht ebenfalls nicht aus. In der „toten Zeit“ wird nicht tatsächlich eingestellt.

827

Der Betriebsinhaber muss bei der vorübergehenden Einstellung der werbenden Tätigkeit über das „ob“ und „wie“ der Wiederaufnahme im Klaren ist.683 Er muss seine Absicht anhand objektiver Umstände darlegen können.684 Dabei darf sich die Art der Geschäftstätigkeit während der Betriebseinstellung nicht verändern.685

828–829

frei

c) Unterbrechung nach Art des Betriebs 830

Die vorübergehende Unterbrechung muss durch die Art des Betriebes veranlasst sein. Die Vorschrift richtet sich im Wesentlichen an Saisonbetriebe (z.B. Bauhandwerk, Bauindustrie, Rohstoffbetriebe, Kurortbetriebe, Sportbetriebe, Tourismusbetriebe, Ferienwohnungen686 oder Eisdielen) während ihr „toten Zeit“.687

831

Aber auch Fälle der höheren Gewalt (z.B. Brand, Überschwemmung, Unwetter, Naturkatastrophen oder behördliche Eingriffe) oder sonstige Ereignisse, denen sich ein Betriebsinhaber nicht entziehen kann, können eine vorübergehende Betriebsunterbrechung zur Folge haben.688 d) Sonstige Unterbrechung

832

Darüber hinaus gilt § 2 Abs. 4 GewStG nach seinem Zweck auch für von vornherein als vorübergehend gedachte Unterbrechungen.689 Dazu gehören etwa Renovierungen der Betriebsräume oder die Einlegung von Betriebsferien690 oder auch Unterbrechungen anlässlich einer Betriebsverlegung oder eines Umzugs.

833

Dem Betriebsinhaber muss es tatsächlich möglich sein, den Betrieb auch fortzuführen. Indizien für die Fortführung des bisherigen Gewerbes sind die fortlaufende und artgleich ausgeübte gewerbliche Tätigkeit, eine geringe Entfernung zwischen den beiden Standorten und eine fortsetzende Umsatzentwicklung.691

680 681 682 683 684 685 686 687 688 689 690 691

146

BFH v. 18.6.1998 – IV R 56/97, BStBl. II 1998, 735. BFH v. 7.9.2016 – IV R 31/13, BStBl. II 2017, 482. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 577. FG Berlin-Bdb. v. 14.5.2014 – 7 K 7195/10, EFG 2014, 1690. R 2.6 Abs. 1 Satz 7 bis 9 GewStR 2009. Badetz in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 Abs. 4 GewStG Rz. 20. BFH v. 3.10.1984 – I R 116/81, BStBl. II 1985, 131. H 2.6 Abs. 1 Satz 4 GewStR 2009. BFH v. 17.10.1991 – IV R 97/89, BStBl. II 1992, 392. Badetz in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 Abs. 4 GewStG Rz. 20 m.w.N. BFH v. 27.7.1961 – IV 234/60 U, BStBl. III 1961, 470. BFH V. 3.10.1984 – I R 11/81, BStBl. II 1985, 131.

Steuergegenstand | Rz. 846 § 2 GewStG

3. Rechtsfolge Liegt eine Betriebsunterbrechung i.S.d. § 2 Abs. 4 GewStG vor, besteht die sachliche (und persönliche) Steuerpflicht bis zur Wiederaufnahme der betrieblichen Tätigkeit fort. Alle Erträge und Aufwendungen während der Unterbrechungszeit unterliegen der Versteuerung.692

834

Umgekehrt endet die Gewerbesteuerpflicht der betroffenen Gewerbebetriebe, wenn eine gewerbliche Tätigkeit unterbrochen wird und diese Unterbrechung entweder nicht nur von vorübergehender Dauer ist oder nicht auf der Art des Betriebes beruht.

835

frei

836–839

XI. Betriebsübergang (Abs. 5) 1. Allgemeines § 2 Abs. 5 GewStG (Unternehmerwechsel bei Betriebsübergang) fingiert bei Übergang eines Gewerbebetriebs im Ganzen auf einen anderen Unternehmer eine Einstellung der bisherigen gewerblichen Tätigkeit (Satz 1), d.h. auch der sachlichen Steuerpflicht, und grds. eine Neugründung beim Übernehmenden, wenn der Gewerbebetrieb nicht mit einem bereits bestehenden Gewerbebetrieb vereinigt wird (Satz 2).

840

Praktische Bedeutung hat die Regelung etwa bei der Veräußerung des Gewerbebetriebs, bei unentgeltlichen Betriebsübergängen oder in Fällen der Umwandlung der Rechtsform des Unternehmens.

841

Sachlich gehört die Regelung zu zeitlichen Fragen des Fortbestands, der Beendigung und des Beginns der Gewerbesteuerpflicht, die das GewStG lediglich in § 2 Abs. 4 und 5 GewStG ausdrücklich regelt.

842

Die Regelung ist auf alle Formen des Gewerbebetriebs anwendbar. Voraussetzung ist auf Seiten des bisherigen Unternehmers, dass ein Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 GewStG vorliegt; auf Seiten des übernehmenden, anderen Unternehmers besteht bereits ein Gewerbebetrieb oder der Gewerbebetrieb gilt als neu gegründet.

843

Das Gesetz arbeitet auch hier mit einer Fiktion, indem es für den Fall des Unternehmerwechsels einen Unternehmenswechsel annimmt. Nach einem strengen sog. Objektsteuerprinzip, wovon das GewStG 1936 ausging, dürfte die sachliche Gewerbesteuerpflicht nicht von einem bestimmten Unternehmer abhängen: Gehe man von diesen tatsächlichen Verhältnissen aus, so hat der bloße Wechsel in der Person des Unternehmers keinen Einfluss auf das Besteuerungsobjekt und bewirke keine Änderung seiner sachlichen Steuerpflicht.693

844

Die Fiktion des § 2 Abs. 5 GewStG soll die schwierige Feststellung entbehrlich machen, ob bei Unternehmerwechsel ein Betrieb im Wesentlichen unverändert fortgeführt wird.694 In der Folge wird hier von einer personenbezogenen Objektsteuer695 gesprochen, da die sachliche Gewerbesteuerpflicht nicht nur Unternehmensidentität, sondern auch Unternehmeridentität voraussetze. Dies entspricht dann auch der vorherrschenden Auslegung des § 10a GewStG.696

845

Auswirkungen ergeben sich in den Fällen des § 2 Abs. 5 GewStG auf die Steuerschuldnerschaft697 (§ 5 Abs. 2 GewStG) und auf die Abzugsfähigkeit von Verlusten (§ 10a Satz 8

846

Heinemann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 193. BFH v. 18.5.1972 – I R 153/70, BStBl. II 1972, 775. BFH v. 18.5.1972 – I R 153/70, BStBl. II 1972, 775. Heinemann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 196. Zur Kritik am Erfordernis der Unternehmeridentität Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 62. 697 Näher auch zu den verfahrensrechtlichen Folgen des Unternehmerwechsels auf die Steuerschuldnerschaft Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 599 ff. 692 693 694 695 696

147

GewStG § 2 Rz. 847 | Steuergegenstand GewStG), die Unternehmens- und Unternehmeridentität voraussetzt. Die Regelung des § 14 Satz 3 GewStG zur Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags knüpft dagegen nur an die sachliche Gewerbesteuerpflicht (= Unternehmensidentität) an.698 847

Liegen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 GewStG vor, so kann der andere Unternehmer den maßgebenden Gewerbeertrag nicht um die Fehlbeträge kürzen, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags des übergegangenen Unternehmens ergeben haben. Daraus folgt: geht ein Gewerbebetrieb im Ganzen von einem Einzelunternehmer oder einer Personengesellschaft auf einen anderen Unternehmer über, fehlt es an der Unternehmeridentität (Unternehmergleichheit) i.S.d. §10a GewStG, so dass nach § 10a Satz 8 i.V.m. § 2 Abs. 5 GewStG der Verlustvortrag des übertragenden Unternehmens untergeht.699

848

Durch die Fiktion des § 2 Abs. 5 GewStG verliert der übernehmende Gewerbetreibende die Möglichkeit, Verluste seines Vorgängers zu berücksichtigen. Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 GewStG erfüllt sind, kann der Verlustabzug ungeachtet des § 10a Satz 8 GewStG gleichwohl aus anderen Gründen der speziellen Regelungen des UmwStG (vgl. z.B. §§ 18, 19, 23) eingeschränkt sein.

849

Der Verlustabzug nach § 10a GewStG setzt nach herrschender Auffassung700 sowohl Unternehmens- als auch Unternehmeridentität voraus. Unternehmeridentität meint, dass der Gewerbetreibende den Verlust in eigener Person erlitten hat. Bei einem Unternehmerwechsel entfällt der Verlustabzug (§ 10a Satz 8 i.V.m. § 2 Abs. 5 GewStG). Bei Personengesellschaften hängt die Unternehmeridentität von der Identität der Gesellschafter ab, so beim Gesellschafterwechsel701 (vgl. § 10a Satz 4, 5 GewStG). Bei einer Kapitalgesellschaft ist die Unternehmeridentität gewahrt, wenn sie trotz eines Umwandlungsvorgangs ihre rechtliche Identität bewahrt hat.702

850

Mit dem Wechsel der sachlichen Gewerbesteuerpflicht erfolgt nach § 5 Abs. 2 GewStG auch der Wechsel in der persönlichen Steuerpflicht der beiden Unternehmer.

851–855

frei

2. Voraussetzungen a) Betriebsübergang 856

Ein Unternehmerwechsel liegt vor, wenn ein Gewerbebetrieb im Ganzen auf einen anderen Unternehmer übertragen wird. Dies setzt überhaupt einen Betriebsübergang und sodann voraus, dass Übertragender und Übernehmer nicht identisch sind.703

857

Weitere gesetzliche Bestimmungen zu beiden Tatbestandsmerkmale fehlen. Sind beide Tatbestandsmerkmale erfüllt, so gilt der Gewerbebetrieb als durch den bisherigen Unternehmer eingestellt (§ 2 Abs. 5 Satz 1 GewStG (zur Rechtsfolge Rz...). Eine weitere Rechtsfolge enthält Satz 2 für den „anderen“ übernehmenden Unternehmer.

858

Die zivilrechtliche Art und Form des Betriebsübergangs bestimmt die Regelung nicht. Daher ist unerheblich, ob die Übertragung entgeltlich (Betriebsveräußerung) oder unentgeltlich (Betriebsübertragung) bzw. zu Buchwerten oder zum gemeinen Wert erfolgt. Folglich werden sowohl Veräußerungsvorgänge, unentgeltliche Übertragungen im Wege der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge, Umwandlungs- und Einbringungsvorgänge grds. erfasst.

698 BFH v. 19.12.2019 – IV R 8/17, BStBl. II 2020, 401. 699 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616. 700 Vgl. etwa zum Übergang eines Gewerbeverlustes von einer Kapital- auf eine Personengesellschaft im Sonderfall einer Ausgliederung BFH v. 17.1.2019 – III R 35/17, BStBl. II 2019, 407. 701 BFH v. 24.4.2014 – IV R 34/10, BStBl. II 2017, 233. 702 BFH v. 17.1.2019 – III R 35/17, BStBl. II 2019, 407. 703 Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 282.

148

Steuergegenstand | Rz. 869 § 2 GewStG

Ein Unternehmerwechsel mit der Folge des Untergangs der bestehenden Fehlbeträge findet mithin nach Auffassung der Rechtsprechung704 auch statt, wenn der Gewerbebetrieb im Wege der Schenkung oder Erbschaft übergeht; dies gilt partiell auch beim Tod eines Gesellschafters einer Personengesellschaft und bei Bestehen einer qualifizierten Nachfolgeklausel. Dies kann zu fragwürdigen Härtefällen führen,705 da etwa den Erben der Verlustabzug versagt ist.

859

Die Verpachtung eines Gewerbebetriebs im Ganzen oder eines Teilbetriebs ist grds. nicht als Gewerbebetrieb anzusehen und unterliegt daher regelmäßig (vorbehaltlich einer Betriebsaufspaltung oder gewerblich geprägten oder infizierten Personengesellschaft) nicht der Gewerbesteuer.706 Die Betriebsverpachtung führt daher grds. zum Erlöschen des Steuergegenstandes beim Verpächter.707 Ein Betriebsübergang nach § 2 Abs. 5 Satz 1 GewStG auf den Pächter liegt begrifflich nicht vor.708 Jedenfalls scheidet ein Verlustübergang nach § 10a GewStG aus.

860

Ein Gewerbetrieb geht „im Ganzen“ über, wenn der Steuergegenstand des § 2 GewStG übertragen wird. Auch insoweit lässt das Gesetz die Modalitäten offen. Natürliche Personen können mehrere Gewerbebetriebe unterhalten und diese einzeln übertragen. Kapitalgesellschaften unterhalten als Unternehmer einen Gewerbebetrieb. Besonderheiten gelten für den Gewerbebetrieb von Personengesellschaften, bei denen die Gesellschafter zugleich Mitunternehmer sind.

861

Voraussetzung ist jedenfalls, dass mindestens alle funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen übergehen.709 Sollten funktional wesentliche Betriebsgrundlagen zurückbehalten, entnommen oder verkauft werden und deswegen nicht mit auf den neuen Unternehmer übergehen, scheitert ein Betriebsübergang im Ganzen. Nicht erforderlich ist, dass der neue Unternehmer den Betrieb unverändert fortführt.

862

Die Übertragung eines sog. Teilbetriebes führt nicht zu einer Betriebseinstellung und ist auch begrifflich kein Betriebsübergang im Ganzen.710 Vielmehr besteht der „alte“ Gewerbebetrieb fort. § 2 Abs. 5 i.V.m. § 10a Satz 8 GewStG sind daher nicht anzuwenden.

863

Gleichwohl bestehen im Rahmen des Verlustausgleichs nach § 10a GewStG nach Auffassung der Rechtsprechung Besonderheiten für Teilbetriebe. So wird mit der Aufgabe bzw. der Veräußerung eines Teilbetriebs der wirtschaftliche Zusammenhang der fortgeführten mit der bisherigen (umfassenderen) gewerblichen Tätigkeit teilweise aufgegeben. Insoweit verliert etwa eine Personengesellschaft mit der Übertragung eines Teilbetriebes ihre „Teilunternehmensidentität“, so dass ein auf den Teilbetrieb entfallender Fehlbetrag untergeht.711

864

frei

865–869

704 BFH v. 9.5.1961 – I 120/60, BStBl. III 1961, 357; v. 14.1.1965 – IV 173/64 S, BStBl. II 1965, 115; v. 4.2.1966 – VI 272/63, BStBl. II 1966, 374; v. 12.1.1978 – IV R 5/75, BStBl. II 1978, 333; v. 7.12.1993 – VIII R 160/86, BStBl. II 1994, 331; v. 15.3.2000 – VIII R 51/98, BStBl. II 2000, 316. 705 Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 62 m.w.N. 706 R 2.2 Satz 1 GewStR 2009. 707 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 579; Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 252. 708 Ebenso Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 278; a.A. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 591; Heinemann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 199. 709 Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 277 m.w.N.; strenger Güroff in Glanegger/ Güroff10, § 2 GewStG Rz. 591. 710 R 2.7 Abs. 3 Satz 1 GewStG; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 10a GewStG Rz. 591. 711 BFH v. 7.8.2008 – IV R 86/05, BStBl. II 2012, 145; str., näher Güroff in Glanegger/Güroff10, § 10a GewStG Rz. 14.

149

GewStG § 2 Rz. 870 | Steuergegenstand b) Betriebsübergang auf einen anderen Unternehmer aa) Allgemeines 870

Ob ein Betriebsübergang im Ganzen auf einen anderen Unternehmer und damit ein Unternehmerwechsel vorliegt, hängt maßgeblich von der Rechtsform des übergebenden und des übernehmenden Gewerbebetriebs. Übertragender und Übernehmer dürfen nicht identisch sind.712

871

Handelt es sich, wie in der Praxis häufig, um einen Fall der rechtlichen Umwandlung ist zu differenzieren. Das zivil- und handelsrechtliche Umwandlungsrecht unterscheidet zwischen bloß formwechselnden Umwandlungen (§§ 190 ff. UmwG) und anderen, übertragenden Umwandlungen. Da handelsrechtlich nur bei übertragenden Umwandlungen ein Vermögensübergang auf einen anderen Rechtsträger vorliegt, führen nur diese Übertragungen nach § 2 Abs. 5 GewStG zu einem Unternehmerwechsel.713 Bei formwechselnden Umwandlungen ändert der Rechtsträger seine Rechtsform, ohne dass handelsrechtlich sein Vermögen auf einen anderen Rechtsträger übergeht. In diesen Fällen ist der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 5 GewStG grds. nicht eröffnet.714

872

Für die entscheidende Frage nach dem Verlustübergang auch im Fall des Formwechsels enthält das UmwStG allerdings vielzählige Sonderregelungen zu § 2 Abs. 5, § 10a GewStG.715 Der Formwechsel einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft wird hier steuerrechtlich gem. § 18 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Satz 1 UmwStG wie eine übertragende Umwandlung und damit wie eine Veräußerung behandelt (mit Anwendung der §§ 3 ff. UmwStG). Fehlbeträge des übertragenden Rechtsträgers gehen ohnehin unter (§ 18 Abs. 1 Satz 2 UmwStG). Beim Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft (oder eine Genossenschaft) finden gem. § 25 UmwStG die §§ 20 ff. UmwStG Anwendung, so dass der Formwechsel steuerrechtlich wie einer Einbringung behandelt wird und Fehlbeträge ebenfalls nicht übergehen (§ 23 Abs. 5 UmwStG).

873

frei bb) Betriebsübergang auf einen Einzelunternehmer

874

Die Übertragung eines bestehenden Gewerbebetriebs eines Einzelunternehmers auf einen (anderen) Einzelunternehmer ist ohne weiteres ein Betriebsübergang i.S.d. § 2 Abs. 5 GewStG.716

875

frei cc) Betriebsübergang unter Beteiligung einer Kapitalgesellschaft

876

Da die Kapitalgesellschaft einen Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG) unterhält und selbst Unternehmer ist, kann sie die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 GewStG erfüllen.717

877

Dies gilt etwa für den Fall der Verschmelzung nach §§ 11 ff. UmwStG. Ein Verlustübergang ist unabhängig davon nach den gewerbesteuerrechtlichen Sonderregelungen des UmwStG (§ 11, § 19 Abs. 2, § 12 Abs. 3, § 4 Abs. 2 Satz 2) nicht möglich.

878

Auch die Einbringung eines Gewerbebetriebs in eine Kapitalgesellschaft erfüllt die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 GewStG.718 Auch hier gelten gewerbesteuerrechtliche Sonderregelungen des UmwStG (§§ 20 bis 23). Danach scheidet ein Verlustübergang aus (§ 23 Abs. 5 UmwStG). 712 Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 282. 713 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 10a GewStG Rz. 593. 714 Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 282; Badetz in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 GewStG Rz. 23; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 593. 715 Badetz in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 GewStG Rz. 23. 716 Heinemann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 204. 717 Heinemann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 205 ff. auch zum Folgenden. 718 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 10a GewStG Rz. 594.

150

Steuergegenstand | Rz. 885 § 2 GewStG

Der Formwechsel einer Körperschaft in eine Körperschaft, etwa einer GmbH in eine AG und umgekehrt, führt nicht zur Anwendung des § 2 Abs. 5 GewStG. Es fehlt der Unternehmerwechsel.719 Der Verlustabzug nach § 10a GewStG bleibt erhalten.720

879

Auch der Wechsel der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft721 begründet keinen Unternehmerwechsel, da die Gesellschaft selbst Unternehmer ist. § 2 Abs. 5 GewStG ist nicht anwendbar.

880

Beim Rechts- und Organisationsformwechsel eines Betriebs gewerblicher Art (BgA) in eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 GewStG erfüllt.722 Es handelt sich nicht um eine lediglich formwechselnde Umwandlung. Im Ausgangsfall war eine Stadt zunächst Rechtsträger und Rechtssubjekt eines BgA „Abfallwirtschaft“. Durch Umwandlung ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts entstanden. Es bestanden daher zwei nicht identische Rechtsträger. Für einen Verlustübergang fehlt eine gesetzliche Regelung.

881

dd) Betriebsübergang unter Beteiligung einer Personengesellschaft Für den Betriebsübergang unter Beteiligung von Personengesellschaften ergeben sich Besonderheiten. Bei einer Personengesellschaft sind alle Gesellschafter als Mitunternehmer und damit als Unternehmer des Gewerbebetriebs der Personengesellschaft anzusehen.723 Folglich liegt ein Unternehmerwechsel i.S.d. § 2 Abs. 5 GewStG hier nur vor, wenn alle Gesellschafter im Rahmen des Betriebsübergangs wechseln.

882

Ändert sich der Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft, liegt dagegen nach vorherrschender Auffassung kein Unternehmerwechsel vor, wenn mindestens ein Gesellschafter weiterhin Mitunternehmer bleibt (partieller Unternehmerwechsel).724 Scheiden aus einer Personengesellschaft i.S.d. des § 15 Abs. 3 EStG einzelne Gesellschafter oder alle bis auf einen aus oder treten neue hinzu oder wird ein Einzelunternehmen durch Aufnahme eines oder mehrerer Gesellschafter in eine Personengesellschaft umgewandelt, geht der Gewerbebetrieb nicht im Ganzen auf einen anderen Unternehmer über, solange ihn mindestens einer der bisherigen Unternehmer unverändert fortführt. § 2 Abs. 5 GewStG findet demnach in diesen Fällen keine Anwendung und die sachliche Steuerpflicht des Unternehmens besteht fort.

883

frei

884

Ein Unternehmerwechsel liegt danach in folgenden Fällen725 vor: – Veräußern alle bisherigen Mitunternehmer zeitgleich und vollständig ihre Mitunternehmeranteile oder geben sie diese zeitgleich auf, findet ein vollständiger Unternehmerwechsel statt.726 – Bei der Verschmelzung von Personengesellschaften kommt § 2 Abs. 5 GewStG zur Anwendung, wenn ein vollständiger Unternehmerwechsel eintritt. – Bei Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft durch Verschmelzung kommt es zu einem vollständigen Unternehmerwechsel, wenn sämtliche Mitunternehmer ihre Position als Unternehmer des Betriebs der Personengesellschaft verlieren.

885

719 Heinemann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 208; R 10a.3 Abs. 4 Satz 1 GewStR 2009; vgl. § 1 UmwStG. 720 Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 114. 721 BFH v. 21.2.1996 – I 135/94, juris, auch für eine Komplementär-GmbH. 722 BFH v. 12.1.2011 – I R 112/09, BFH/NV 2011, 1194. 723 Heinemann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 210. 724 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616; R 2.7 Abs. 2 Satz 1, 2 GewStR 2009; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 595. 725 Vgl. Heinemann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 211; Badetz in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 2 GewStG Rz. 22 ff. 726 BFH v. 25.4.2018 – IV R 8/16, BStBl. II 2018, 484; dazu Hidien, jurisPR-SteuerR 30/2018 Anm. 3.

151

GewStG § 2 Rz. 886 | Steuergegenstand – Der Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft727 erfüllt an sich die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 GewStG. Das UmwStG behandelt diesen Fall wie eine Einbringung; Fehlbeträge gehen nicht gem. § 10a GewStG über (§ 25 i.V.m. 23 Abs. 5 UmwStG). – Bei Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personenhandelsgesellschaft durch Verschmelzung (§§ 3 ff. UmwStG) oder Formwechsel (§ 9 UmwStG). Das UmwStG behandelt auch diesen Fall des Formwechsels wie eine übertragende Umwandlung (§ 18 Abs. 1 Satz 1, § 9 UmwStG); § 18 Abs. 1 Satz 2 UmwStG enthält eine Sonderregelung für den fehlenden Verlustabzug nach § 10a GewStG. – Die Einbringung des Gewerbebetriebs einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft führt zu einem Unternehmerwechsel gem. § 2 Abs. 5 GewStG. § 23 Abs. 5 UmwStG enthält eine Sonderregelung für den fehlenden Verlustabzug nach § 10a GewStG. 886

Kein Unternehmerwechsel und kein Fall des § 2 Abs. 5 GewStG liegt danach in folgenden Fällen728 vor: – Bei einem partiellen (Mit-)Unternehmerwechsel. Hierbei kommt es grds. nicht darauf an, auf welche Weise, z.B. Anwachsung auf ihren letzten verbliebenen Gesellschafter, Übertragung, Gesamtrechtsnachfolge, die Eigentumsanteile ausscheidender Unternehmer an dem fortgeführten Gewerbebetrieb auf den verbleibenden oder auf neu hinzutretende Unternehmer übergehen.729 – Gleiches gilt, wenn ein Einzelunternehmen durch Aufnahme eines oder mehrerer Gesellschafter in eine Personengesellschaft umgewandelt wird.730 – Einbringung eines Einzelunternehmens gem. § 24 UmwStG in eine Personengesellschaft.731 Es besteht die sachliche Steuerpflicht des Einzelunternehmens fort, auch wenn die persönliche Steuerpflicht endet.732 Dies gilt auch für den umgekehrten Vorgang.733 Entsprechendes gilt auch für die Einbringung des Betriebs einer Kapitalgesellschaft nach § 24 UmwStG in eine Personengesellschaft. – Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Personengesellschaft anderer Rechtsform (z.B. eine OHG in eine KG).734

887–889

frei

3. Rechtsfolgen a) Betriebseinstellung 890

Ein Gewerbebetrieb, der im Ganzen auf einen anderen Unternehmer übergeht, gilt als durch den bisherigen Unternehmer eingestellt. Eine Betriebseinstellung und ein Erlöschen der Steuerpflicht können auch auf anderen Gründen beruhen.735 Der Zeitpunkt des zivilrechtlichen Übergangs (Unternehmerwechsel) wird als Zeitpunkt der Einstellung (und als Zeitpunkt der Neugründung) angesehen.736 In Umwandlungsfällen ist § 2 UmwStG zu beachten. 727 BFH v. 19.10.2005 – I R 38/04, BStBl. II 2006, 568. 728 Vgl. Heinemann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 212 f., dort auch zu doppelstöckigen Personengesellschaften. 729 BFH v. 18.5.1972 – I R 153/70, BStBl. II 1972, 775; H 2.7 GewStH 2016. 730 R 2.7 Abs. 2 GewStR. 731 Soweit das Urteil BFH v. 24.10.1972 – VIII R 32/67, BStBl. II 1973, 233 entgegenstehen sollte, wenn die Finanzverwaltung diese Entscheidung nicht an, H 2.7 GewStH 2016. 732 BFH v. 26.8.1993 – IV R 133/90, BStBl. II 1995, 791; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 596. 733 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 596 m.w.N. 734 Heinemann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 212. 735 R 2.6 Abs. 1 GewStR 2009 für die tatsächliche Einstellung der werbenden Tätigkeit. 736 R 2.7 Abs. 1 Satz 3 GewStR 2009.

152

Steuergegenstand | Rz. 897 § 2 GewStG

In diesem Zeitpunkt erlischt die sachliche Gewerbesteuerpflicht des übergegangenen Betriebs.737 Weitere Folge außerhalb des § 2 Abs. 5 GewStG ist, dass der bisherige Unternehmer gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 GewStG nur bis zum Zeitpunkt des Übergangs Steuerschuldner ist. Die Betriebseinstellung hat auch einen abgekürzten Erhebungszeitraum zur Folge (§ 14 Satz 3 GewStG).

891

Geht ein Teilbetrieb eines Unternehmens auf einen anderen Unternehmer über, liegt beim bisherigen Unternehmer die Einstellung eines Gewerbebetriebs nicht vor. In diesem Fall738 kommt für den Unternehmer, der den Betrieb abgibt, zunächst nur eine Anpassung der Vorauszahlungen in Betracht. Die Abgabe eines Teilbetriebs wird bei der Veranlagung dadurch berücksichtigt, dass der Festsetzung des Steuermessbetrags der Gewerbeertrag des verkleinerten Unternehmens zugrunde gelegt wird. Für den neuen Unternehmer kommt, wenn der übernommene Betrieb nicht mit einem bestehenden Betrieb vereinigt wird, die erstmalige Festsetzung der Vorauszahlungen, sonst die Anpassung der bisherigen Vorauszahlungen in Betracht.

892

frei

893

b) Betriebsneugründung Ein übergehender Gewerbebetrieb gilt als durch den anderen Unternehmer neu gegründet, wenn er nicht mit einem bereits bestehenden Gewerbebetrieb vereinigt wird. Der Zeitpunkt des Übergangs (Unternehmerwechsel) wird auch als Zeitpunkt der Neugründung angesehen. Der übernommene Betrieb tritt grds. in die sachliche Steuerpflicht neu ein. Weitere Folge außerhalb des § 2 Abs. 5 GewStG ist, dass der neue Unternehmer gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 GewStG von diesem Zeitpunkt an Steuerschuldner ist.

894

Die Rechtsfolge und Fiktion einer Betriebsneugründung tritt nicht im Fall der „Vereinigung“ ein. Eine Betriebsvereinigung setzt eine zulässige Zusammenfassung von mehreren Gewerbebetrieben voraus. Hierzu gelten die allgemeinen, ungeschriebenen Regeln zur Einheit und Mehrheit von Gewerbebetrieben. Natürliche Personen können grds. über mehrere Gewerbebetriebe verfügen, Personengesellschaften und Körperschaften verfügen hingegen nur über einen Gewerbebetrieb, so dass stets eine Vereinigung vorliegt.739 Gewerbebetriebe von Einzelunternehmen können als wirtschaftliche Einheit zusammengefasst werden, wenn gleichartige Tätigkeiten vorliegen, die sich durch wirtschaftliche, finanzielle oder organisatorische Zusammenhänge äußern.740

895

Eine Betriebsneugründung liegt danach nicht vor, wenn der übergegangene Betrieb mit einem bereits bestehenden Gewerbebetrieb vereinigt wird. Liegt ein Unternehmerwechsel nach § 2 Abs. 5 Satz 1 GewStG vor und wird der übertragene Betrieb mit einem beim Übernehmer bestehenden Betrieb vereinigt, so treten beim Übernehmer zunächst die Rechtsfolgen des Unternehmerwechsels (§ 5 GewStG) ein. Für den Übernehmer gilt: In diesem Fall bleibt es bei der sachlichen Gewerbesteuerpflicht des bereits bestehenden Gewerbebetriebs des übernehmenden Unternehmers, unabhängig vom Zeitpunkt der Vereinigung. Der Gewerbeertrag des übernommenen Betriebs, der auf den Zeitpunkt nach der Betriebsvereinigung entfällt, ist dem Gewerbeertrag des bereits bestehenden Gewerbebetriebs zuzuschlagen.741

896

Geht ein Teilbetrieb eines Unternehmens auf einen anderen Unternehmer über, so kann kommt für den neuen Unternehmer, wenn der übernommene Betrieb nicht mit einem bestehenden Betrieb vereinigt wird, die erstmalige Festsetzung der Vorauszahlungen, sonst die Anpassung der bisherigen Vorauszahlungen in Betracht.742 Unabhängig davon, ob die

897

737 738 739 740 741 742

R 2.7 Abs. 1 Satz 4 GewStR 2009. R 2.7 Abs. 3 Satz 2, 3 GewStR 2009. Ausf. R 2.4 GewStR 2009 mit H 2.4 GewStH 2016. R 2.4 Abs. 2 Satz 1, 4 GewStR 2009. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 10a GewStG Rz. 607. R 2.7 Abs. 3 Satz 4 GewStR 2009.

153

GewStG § 2 Rz. 898 | Steuergegenstand Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 GewStG vorliegen, kann der neuer Unternehmer Fehlbeträge des übergegangenen Betriebs nicht mehr nutzen, da die sog. Unternehmeridentität743 gem. § 10a GewStG (bei Personengesellschaften anteilig) weggefallen ist; Fehlbeträge entfallen insoweit endgültig. 898–899

frei

XII. Steuerfreie Inbound-Fälle ohne DBA (Abs. 6) 1. Allgemeines 900

§ 2 Abs. 6 betrifft nur inländische Betriebsstätten von Unternehmen (Gewerbebetrieben), deren Geschäftsleitung sich in einem ausländischen Staat, mit dem kein deutsches Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) besteht. Den je aktuellen Stand der Doppelbesteuerungsabkommen und anderer Abkommen im Steuerbereich sowie der Abkommensverhandlungen listet regelmäßig das BMF auf.744

901

Sind die Einkünfte aus der inländischen Betriebsstätte steuerfrei nach § 49 EStG und gewährt der ausländische Staat Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland eine Befreiung von den der Gewerbesteuer entsprechenden bzw. ähnlichen Steuern oder besteht in dem ausländischen Staat keine entsprechende bzw. ähnliche Steuer, so unterliegen die Betriebsstätten nicht der Gewerbesteuer. Es handelt sich um eine materielle, unilaterale Gewerbesteuerbefreiung aus praktischen Gründen. Ihre praktische Bedeutung ist allerdings begrenzt.

902

Die Regelung schränkt die sachliche Gewerbesteuerpflicht und das Territorialitätsprinzip für einen Sonderfall ausnahmsweise aus praktischen Gründen ein, obwohl eine inländische Betriebsstätte (Inbound-Fall) unterhalten wird.

903

frei 2. Voraussetzungen

904

Die Regelung gilt an sich für alle ausländischen Gewerbebetriebe (Unternehmen jeder Rechtsform, § 2 GewStG). Implizit verweist Absatz 6 allerdings derzeit nur auf Schifffahrtsund Luftfahrtunternehmen i.S.d. § 49 Abs. 4 EStG. Diese Regelung gilt über §§ 2, 8 Abs. 1 KStG auch für Körperschaften. Weitere Steuerbefreiungen dieser Art bestehen nicht. Die Steuerbefreiungen nach § 3 EStG, § 5 KStG, § 3 GewStG werden nicht erfasst.

905

Die Unternehmen müssen ihre Geschäftsleitung i.S.d. § 10 AO (zum Sitz § 11 AO) im Ausland haben. Weitere Voraussetzung ist, dass im Inland eine Betriebsstätte (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG, § 12 AO) unterhalten wird.

906

Zudem darf kein DBA mit Deutschland bestehen. Besteht ein DBA, steht das Besteuerungsrecht entsprechend Art. 8 OECD-MA grds. dem Ansässigkeitsstaat zu.

907

Die Regelung des § 2 Abs. 6 Nr. 1 EStG verweist auf die Voraussetzungen der (entsprechenden) Regelungen des EStG für die beschränkte Einkommenspflicht (§ 49 EStG). Dort sind derzeit lediglich die Einkünfte nach § 49 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 EStG steuerfrei. Besteuert werden dort auch Einkünfte eines inländischen ständigen Vertreters (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Erfasst ist der Betrieb (im In- oder Ausland) von eigenen oder gecharterten Seeschiffen745 und Luftfahrzeugen. Die Voraussetzungen des § 49 Abs. 4 EStG für die Einkommensteuerbefreiung, insb. die Gegenseitigkeit, müssen erfüllt sein.

743 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616. 744 BMF v. 18.2.2021, BStBl. I 2021, 265, Stand 1.1.2021. 745 Keß in Lenski/Steinberg, § 2 GewStG Rz. 6008; zum Begriff Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 105.

154

Steuergegenstand | Rz. 924 § 2 GewStG

Ein Gewerbebetrieb wird dagegen im Inland betrieben, soweit für ihn auf einem in einem inländischen Schiffsregister eingetragenen Kauffahrteischiff eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG, §§ 5, 6 GewStDV).

908

In ihrer ersten Alternative des § 2 Abs. 6 Nr. 2 GewStG setzt die Gewerbesteuerfreiheit eine zwischenstaatliche Gegenseitigkeit in Bezug auf die Gewährung einer korrespondierenden Steuerbefreiung voraus (Gegenseitigkeitsabkommen). Die Gegenseitigkeit wird durch einen Notenwechsel der beteiligten Staaten festgestellt und vom BMF mitgeteilt.746

909

In ihrer zweiten Alternative des § 2 Abs. 6 Nr. 2 GewStG setzt die Steuerfreiheit voraus, dass in dem ausländischen Staat keine der Gewerbesteuer ähnlichen oder ihr entsprechenden Steuern bestehen. Soweit in den Mitgliedstaaten der EU und den Industriestaaten als Drittstaaten überhaupt noch vergleichbare (ertragsunabhängige?) Steuern erhoben werden,747 bestehen mit diesen Staaten deutsche DBA.748

910

frei

911–919

XIII. Erweiterter Inlandsbegriff (Abs. 7) 1. Allgemeines a) Inlandsbegriff Der Gewerbebetrieb bzw. seine Betriebsstätte müssen im Inland betrieben werden (§2 Abs. 1 Satz 1, 3 GewStG). Die Gewerbesteuer ist eine Inlandssteuer. Inland umfasst staatsrechtlich und völkerrechtlich das deutsche Staatsgebiet, zudem das Festland samt innerer Gewässer sowie zur See hinaus das Küstenmeer, welches sich zwölf Seemeilen von der Basislinie erstreckt. Das GewStG (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG, §§ 5, 6 GewStVO) qualifiziert aber auch (fahrende) Kauffahrteischiffe (Seeschiffe) – auch auf hoher See – als Inland, wenn sie einem inländischen Schiffsregister eingetragen sind, d.h. unter deutscher Flagge fahren.

920

§ 2 Abs. 7 GewStG749 erweitert diesen staatsrechtlichen Inlandsbegriff für Zwecke der Gewerbebesteuerung um drei gesonderte Gebiete. Dies sind grds. die ausschließliche Wirtschaftszone (Nr. 1) und der anteilige Festlandsockel (Nr. 2) – sog. Offshore-Bereiche – und grenzüberschreitende Gewerbegebiete (Nr. 3). Diese Gebiete gehören staatsrechtlich nicht zum Inland, steuerrechtlich dagegen schon.

921

In den Fällen der Nr. 1 und 2 ist zusätzlich Voraussetzung für die Steuerbarkeit, dass dort bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten ausgeübt werden (funktionale Verknüpfung750), die einen Gewerbebetrieb begründen. Erfasst wird die Nutzung der Meeresgewässer sowie des Meeresbodens und Meeresuntergrunds.

922

Andere wirtschaftliche Tätigkeiten im Offshore-Bereich, die nicht den in § 2 Abs. 7 GewStG abschließend genannten Tätigkeiten entsprechen (z.B. Einrichtungen der Tourismusindustrie) unterliegen nicht dem erweiterten Inlandsbegriff und sind damit nicht steuerbar. In allen Fällen muss zudem auch ein spezifischer Inlandsbezug bestehen.

923

Parallel zu den Änderungen im EStG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG) bzw. KStG (§ § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 KStG) sind ab dem EZ/VZ 2016 alle wirtschaftlichen Tätigkeiten im Offshore-Bereich des Festlandsockels und der ausschließlichen Wirtschaftszone dem gewerbesteuerrechtlichen Inlandsbegriff zuzuordnen.

924

746 Beispiel BMF v. 18.10.2018, BStBl. I 2018, 1036. 747 Vgl. Möhrle in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 20.7; in Österreich besteht keine Gewerbesteuer mehr. 748 Zur deutschen Liste der Nicht-DBA-Staaten Keß in Lenski/Steinberg, § 2 GewStG Rz. 6004 (Schwellen- und Entwicklungsländer) und Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 228. 749 Redaktionell verunglückt, vgl. Nr. 3, Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 640. 750 Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 233.

155

GewStG § 2 Rz. 925 | Steuergegenstand 925

Diese Gebiete gehören völkerrechtlich nicht zum deutschen Staatsgebiet. Entsprechende völkerrechtliche Hoheitsbefugnisse stehen der Bundesrepublik Deutschland nach dem Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (SRÜ)751 zu: Art. 55 ff. für die ausschließliche Wirtschaftszone und Art. 76 ff. im Bereich des Festlandsockels. Hiervon hat die Bundesrepublik Deutschland steuerrechtlich Gebrauch gemacht. Zu den Hoheitsbefugnissen des jeweiligen Küstenstaates gehören auch diejenigen in Bezug auf die Zoll-und Steuergesetze (vgl. Art. 60 Abs.2 SRÜ).

926

Staatsgebiet und Inland i.S.d. GewStG müssen steuerrechtlich nicht identisch sein. Der staatsrechtliche Inlandsbegriff wird auf diese Weise aus wirtschaftlichen, fiskalischen und gleichheitsrechtlichen Gründen erweitert. Damit sind nach § 2 Abs. 7 Nr. 1 bis 3 GewStG auch Gewerbebetriebe bzw. Betriebsstätten von Steuerinländern oder Steuerausländern, die in diesem erweiterten Inlandsgebiet tätig sind, gewerbesteuerbar und zu erfassen.

927

Hinsichtlich der Verwaltungs- und Ertragshoheit für die Gewerbesteuer in diesen gemeindefreien bzw. grenzüberschreitenden Gebieten ist zusätzlich allerdings § 4 Abs. 2 Satz 1, 2, Abs. 3 GewStG i.V.m. dem jeweiligen Landesrecht zu beachten. Die Landesgesetzgeber nehmen hier die Befugnis in Anspruch, dem Küstenstaat (Land) das Aufkommen zuzuweisen. Damit werden zugleich das Territorialitätsprinzip und der Charakter der Gewerbesteuer als Gemeindesteuer in Art. 106 Abs. 6 GG modifiziert.752

928

Der deutsche Gesetzgeber hat die Hoheitsbefugnisse in Bezug auf die Gewerbesteuer mehrfach erweitert und § 2 Abs. 7 Nr. 1 und 2 GewStG entsprechend angepasst,753 um der wirtschaftlichen Entwicklung im Offshore-Bereich gerecht zu werden. Hierzu gehören etwa die Errichtung von Energieerzeugungsanlagen unter Ausnutzung erneuerbarer Energien, aber auch die gewerbliche Fischzucht und Aquakulturbetriebe. Die (nicht ganz deckungsgleichen) Formulierungen in Nr. 1 und Nr. 2 deuten darauf hin, dass die Regelung alle derzeit technologisch möglichen wirtschaftlichen Aktivitäten (in Meeresgewässern, auf und unter dem Meeresboden) dem erfassen soll.754

929

frei b) Inlandsbezug und Steuerbarkeit

930

Liegen für die genannten Gebiete des § 2 Abs. 7 Nr. 1 bis 3 GewStG die Voraussetzungen vor, handelt es sich um gewerbesteuerrechtliches Inland i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG. Die dort ausgeübte Tätigkeit muss auch gewerblich i.S.d. § 2 GewStG sein. Schließlich muss nach § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG dort eine (ortsfeste) Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO oder auf einem in einem inländischen Schiffsregister eingetragenen (nicht ortsfesten) Kauffahrteischiff eine Betriebsstätte (§ 12 AO) unterhalten werden.

931

Als solche Betriebsstätten, die auf den inländischen Offshore-Bereichen (§ 2 Abs. 7 Nr. 1 und 2 GewStG) unterhalten werden, kommen nach § 12 Satz 1 oder Satz 2 Nr. 8 AO bestimmte seewirtschaftliche Anlagen, ggfs. auf deutschen Schiffen, in Betracht.755 Hierzu gehören etwa Bohrplattformen, Fördertürme, Bohrschiffe, Saugbagger und ggf. Prospektions- und Explorationsanlagen. Hinzu kommen Windkraftanlagen und Gezeitenkraftwerke sowie künstliche Inseln und Bauwerke sowie unterirdische Rohrleitungen und Pumpstationen. Das DBA-Recht kann Sonderregelungen zu Betriebsstätten vorhalten (z.B. Art. 5 Abs. 4 DBA-NL).

751 Gesetz zum SRÜ v. 10.12.1982, BGBl. II 1994, 1798. 752 Zu Fragen des erweiterten Inlandsbegriffs vgl. Waldhoff/Engler, FR 2012, 254 sowie die Nachweise bei Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 640. 753 Vgl. JStG 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150; Gesetz v. 25.7.2014, BGBl. I 2014, 1266; Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834. 754 Ebenso Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 643. 755 Näher Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 240, 241, 246.

156

Steuergegenstand | Rz. 942 § 2 GewStG

Bloße Transitleitungen oder Leitungen für unterirdische Strom- und Datenkabel, dienen nicht der Erforschung, Ausbeutung oder Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen des Meeres und begründen daher kein Inland i.S.d. § 2 Abs. 7 Nr. 1 oder Nr. 2 GewStG. frei

932

933–934

2. Ausschließliche Wirtschaftszone „Ausschließliche Wirtschaftszone“ gem. § 2 Abs. 7 Nr. 1 GewStG ist nach Art. 55 des Seerechtsübereinkommens der UN vom 10.12.1982 das Meeresgebiet jenseits des Küstenmeeres bis zu einer Entfernung von zusammen 200 sm (= ca. 370 km; vgl. Art. 57 SRÜ) ab der sog. Basislinie. Das Abkommen gibt dem angrenzenden Küstenstaat auf diesem Gebiet begrenzte Hoheitsrechte. Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Wirkung vom 1.1.1995 die Errichtung einer deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in der Ost- und Nordsee erklärt und von diesen Befugnissen Gebrauch gemacht.756

935

Der Deutschland zustehende Anteil an der ausschließlichen Wirtschaftszone gehört nicht generell zum gewerbesteuerrechtlichen Inland, sondern nur insoweit (und solange) dort bestimmte wirtschaftsrelevante Tätigkeiten ausgeübt werden, die auch gewerbesteuerrechtlich bedeutsam sein müssen. Voraussetzung ist, dass dort die lebenden und nicht lebenden Ressourcen des Meeresgrunds und des Meeresuntergrunds erforscht und ausgebeutet werden (z.B. Bohrinseln nach Buchst. a) oder andere Tätigkeiten zur wirtschaftlichen Erforschung oder Ausbeutung der ausschließlichen Wirtschaftszone ausgeübt werden (z.B. Errichtung und Betrieb von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien nach Buchst. b). Vergleichbares gilt für den Anteil am Festlandsockel nach Nr. 2.

936

Soweit eine der genannten Tätigkeiten ausgeübt wird, stellen die dort betriebenen Anlagen und Bauwerke (z.B. Bohrplattformen, Fördertürme, Windparks), die diesen Tätigkeiten und Zwecken dienen, Betriebsstätten i.S.d. § 12 Satz 1 oder Satz 2 AO dar, die im Inland unterhalten werden und damit steuerbar sind.

937

frei

938–939

3. Festlandsockel Der Inlandsbegriff wird durch § 2 Abs. 7 Nr. 2 GewStG auch erweitert um den der Bundesrepublik Deutschland zustehenden Anteil am Festlandssockel, soweit dort Naturschätze des Meeresgrunds und des Meeresuntergrunds (Meeresbergbau) erforscht oder bewirtschaftet werden. Soweit eine der genannten Tätigkeiten gewerblich ausgeübt wird, stellen die dort betriebenen Anlagen (künstliche Inseln, Bauwerke, Rohrleitungen) Betriebsstätten i.S.d. § 12 AO im Inland dar.

940

Als Festlandsockel wird der unter dem Meeresspiegel liegende Meeresboden und -untergrund eines Küstenstaates bis zu einer Tiefe von 200m bezeichnet.757 Er umfasst den jenseits seines Küstenmeers gelegenen Meeresboden und -untergrund der Unterwassergebiete, die sich über die gesamte natürliche Verlängerung seines Landgebiets bis zur äußeren Kante des Festlandrands (maximal 350 sm = 648 km) erstrecken oder bis zu einer Entfernung von 200 Seemeilen von den Basislinien (Art. 76 Abs. 1 SRÜ).

941

Die Begriffe „ausschließliche Wirtschaftszone“ und „Festlandsockel“ sind rechtlich nicht identisch, auch wenn sich die entsprechenden Gebiete überschneiden. Der Begriff Festlandsockel bezieht sich ausschließlich auf den Meeresboden und -untergrund, nicht auf die darüber liegende Wasser- oder Luftsäule der Gewässer. Zudem kann der Festlandsockel (in Deutschland 200 sm) tatsächlich geomorphologisch über die Ausdehnung der ausschließlichen Wirtschaftszone (200 sm) hinausragen (Art. 76 Abs. 4 SRÜ, max. 350 sm). Der Tiefseeboden außerhalb des Festlandsockels ist Gemeingut (Art. 136 SRÜ).

942

756 Proklamation v. 25.11.1994, BGBl. II 1994, 3769. 757 BFH v. 5.10.1977 – I R 250/75, BStBl. II 1978, 50.

157

GewStG § 2 Rz. 943 | Steuergegenstand 943

Gem. Art. 77 Abs. 1 SRÜ übt der Küstenstaat aber über den Festlandsockel souveräne Rechte zum Zweck seiner Erforschung und der Ausbeutung seiner natürlichen Ressourcen aus.

944

Zu genaue Abgrenzung des Festlandsockels (Art. 83 SRÜ) etwa in der Nordsee (sog. Entenschnabel) zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Nachbarstaaten ist in bilateralen Abkommen geregelt.758 Der Festlandsockel gehört nicht zum Staatsgebiet des Küstenstaates.

945

Natürliche Ressourcen i.S.d. § 2 Abs. 7 Nr. 2 GewStG sind Mineralien (Erze), organische Bodenschätze (z.B. Erdgas, Erdöl und Kohle), aber auch bodengebundene Lebewesen (z.B. Korallen und Muscheln, nicht aber Algen oder Krustentiere).759

946–949

frei

4. Grenzüberschreitende Gewerbegebiete a) Allgemeines 950

Zum (erweiterten, gewerbesteuerrechtlichen) Inland im Sinne dieses Gesetzes gehört nach § 2 Abs. 7 Nr. 3 GewStG760 auch der zur Bundesrepublik Deutschland gehörende Teil eines grenzüberschreitenden Gewerbegebiets, das nach den Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung als solches bestimmt ist. Staatsrechtlich gehört dieser Teil nicht zum Inland, sondern zum Ausland. Entsprechende Gewerbebetriebe, die dort unterhalten würden, wären damit (teilweise) nicht gewerbesteuerbar.

951

Anders als die Ertragsteuern, die dem Welteinkommensprinzip folgen, setzt die Gewerbesteuer mit dem Territorialitätsprinzip eine bestimmte Inlandsradizierung voraus. Die gesetzliche Fiktion der Nr. 3 gewährleistet, dass Steuerinländer und Steuerausländer, die dort gewerblich mit einer Betriebsstätte tätig werden, vorbehaltlich des DBA-Rechts, der deutschen Gewerbesteuer unterliegen. § 4 Abs. 3 Satz 1, 2 GewStG regelt sodann die Hebeberechtigung der Gemeinde(n) auch für diesen „ausländischen“ Teil des grenzüberschreitenden Gewerbegebiets.

952–954

frei

b) Deutsch-niederländische Gewerbegebiete 955

Praktischer Anwendungsfall sind derzeit nur deutsch-niederländische Gewerbegebiete in Nordrhein-Westfalen.761 Ursprüngliche Rechtsgrundlage für die Anwendung dieser Vorschrift ist Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes zum Dritten Zusatzprotokoll zum DBA DeutschlandNiederlande (NL) vom 15.12.2004 (BGBl. II 2004, 1653). Zur Beilegung von Streitigkeiten hinsichtlich der Bestimmung eines grenzüberschreitenden Gebiets nach § 2 Abs. 7 Nr. 3 GewStG kann nach abkommensrechtlichen Regeln entsprechend Art. 25 OECD-MA i.V.m. § 2 Abs. 2 AO ein Verständigungsverfahren eingeleitet werden.

956

Nach der abkommensrechtlichen Definition des Art. 3 Abs. 1 Buchstb. j DBA NL ist ein grenzüberschreitendes Gewerbegebiet ein räumlich abgeschlossenes Gebiet, das sich sowohl auf deutsches als auch auf niederländisches Hoheitsgebiet erstreckt und durch das die gemeinsame Grenze der beiden Vertragsstaaten verläuft, sofern die Vertragsstaaten das Gebiet einvernehmlich als grenzüberschreitendes Gewerbegebiet bestimmt haben.

957

Die abkommensrechtliche Steuerverteilung ist auch für Zwecke der Gewerbesteuer ist vorrangig zu beachten. Grundsätzlich ist im Abkommensrecht der Betriebsstättenstaat 758 Nähere Angaben bei Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 246; vgl. H 2.8 „Festlandssockel“ GewStH 2016 759 Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 245; vgl. auch Art. 77 Abs. 4 SRÜ. 760 Redaktionell verunglückt, Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 640. 761 Liste bei Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 247 Fn. 3.

158

Steuergegenstand | Rz. 971 § 2 GewStG

zuständig. Nach der Sonderregelung des Art. 7 Abs. 4 DBA NL gilt: Hat ein Unternehmen eines der Vertragsstaaten eine feste Geschäftseinrichtung in dem zum Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaats gehörenden Teil eines grenzüberschreitenden Gewerbegebiets, so gilt die Geschäftseinrichtung für die Besteuerung der Gewinne des Unternehmens nicht als Betriebsstätte. Dementsprechend ist entsprechend der Grundregel des Art. 7 Abs. 1 OECD-MA (Art. 7 Abs. 1 DBA-NL) der jeweilige Ansässigkeitsstaat des Unternehmens zuständig. Die Regelung gewährleistet eine vollständige Besteuerung der sich auch auf den ausländischen Teil des Gewerbegebiets erstreckenden inländischen Gewerbebetriebs im jeweiligen Ansässigkeitsstaat. Diese abkommensrechtliche Freistellung gilt auch für Zwecke der Gewerbesteuer. Konkret heißt dies, dass bei einem in den Niederlanden ansässigen Unternehmen mit einer Betriebsstätte im (staatsrechtlich) niederländischen Teil des grenzüberschreitenden Gewerbegebiets das abkommensrechtliche Besteuerungsrecht letztlich den Niederlanden zusteht. § 2 Abs. 7 Nr. 3 GewStG läuft hier leer.762 Unterhält ein im Inland ansässiges Unternehmen eine Betriebsstätte, die im (staatsrechtlich) niederländischen Teil des grenzüberschreitenden Gewerbegebiets belegen ist, so bestätigt Art. 8 Abs. 1 DBD-NL das deutsche Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates nach § 2 Abs. 7 Nr. 3 GewStG.

958

Dagegen bleibt der auf das Bundesgebiet entfallende Teil von grenzüberschreitenden Gewerbegebieten weiterhin (staatsrechtliches und gewerbesteuerrechtliches) Inland und ist auch nicht als Ausland zu behandeln. Dementsprechend ist auf diese inländischen Betriebsstätten § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG auch nicht analog anzuwenden.763

959

Steuerinländer und Steuerausländer, die im übrigen Inland gewerblich mit einer Betriebsstätte tätig werden, sind ohne weiteres gewerbesteuerbar. Der Betriebsstättenvorbehalt des Abkommensrechts bestätigt hier das deutsche Besteuerungsrecht.

960

frei

961–969

XIV. Optierende Gesellschaften (Abs. 8) 1. Allgemeines Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.2021764 (KöMoG) und dem neuen § 1a KStG hat der Gesetzgeber Personenhandelsgesellschaften, Partnerschaftsgesellschaften und ihren Gesellschaftern die antragsgebundene Wahlmöglichkeit eingeräumt, ertragsteuer- und verfahrensrechtlich wie eine Kapitalgesellschaft behandelt zu werden („optierende Gesellschaft“, so die Legaldefinition in § 1a Abs. 1 Satz 1 KStG). Dies gilt auch für Zwecke der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 8 GewStG).

970

Diese Neuregelung hat das sog. Optionsmodell für Personenhandelsgesellschaften begründet.765 Die Regelung und das Wahlrecht begünstigen namentlich Personenhandelsgesellschaften, nicht aber (vorerst) Einzel- oder andere Personenunternehmen. Sie ist im Kern eine kompromisshafte Sozialzwecknorm, mit der der Gesetzgeber alternativ und optional eine rechtsformneutrale Besteuerung und eine Thesaurierungsbegünstigung für bestimmte

971

762 Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 112. 763 Keine fingierte Outbound-Konstellation, Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 103. 764 Gesetz v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050; zur Begründung BR-Drucks. 244/21. 765 Vgl. näher aus dem Schrifttum, z.T. auch zur Gewerbesteuer Brühl/Weiss, DStR 2021, 888; dies., DStR 2021, 264; Cordes/Kraft, FR 2021, 401; Dorn/Dibbert, DB 2021, 706; Demuth, kösdi 2021, 2241; Dörfer/Spitz, ErbStb 2022, 14; Dreßler/Kompolsek, Ubg 2021, 301; Frotscher in Frotscher/ Drüen, KStG, Erstkommentierung zum Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, 2021; Görgen, DStZ 2021, 759; Haase, Ubg 2021, 193; Haug, FR 2021, 410; Kaminski, AktStR 2021, 675; Kanzler, FR 2021, 1049; Mayer/Käshammer, NWB 2021, 1300; Prinz, DB 2021, Heft 27-28, M 4; Schiffers, DStRz 2021, 530; Schiffers/Jacobsen, DStZ 2021, 348; Schulze zur Wiesche, StBp 2021, 215.

159

GewStG § 2 Rz. 972 | Steuergegenstand Personenunternehmen schaffen wollte, ohne die transparente Besteuerung dieser Personengesellschaften für diese Berechtigten endgültig aufzugeben.766 972

Wird eine solche Gesellschaft ertragsteuerrechtlich wie eine Kapitalgesellschaft behandelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 1a Abs. 1 Satz 1 KStG, § 2 Abs. 8 GewStG) so finden „grundsätzlich“767 alle Regelungen insb. des KStG, EStG, GewStG, SolZG, AStG und des UmwStG, die für alle Kapitalgesellschaften unabhängig von ihrer spezifischen Rechtsform gelten, auch auf die optierende Gesellschaft Anwendung.

973

Nach § 34 Abs. 1a KStG kann die Option erstmals im Jahr 2021 ausgeübt werden. Die Wirkung der Option – Besteuerung der Personenhandelsgesellschaft als Kapitalgesellschaft – tritt aber erstmals für ein nach dem 31.12.2021 beginnendes Wirtschaftsjahr (vgl. § 7 Abs. 4 KStG) ein, d.h. frühestens ab VZ 2022. Dies gilt entsprechend für die Gewerbesteuer, d.h. die Option wirkt erstmal ab dem EZ 2022. § 2 Abs. 8 ist somit eine Folgeänderung aus der Einfügung des § 1a KStG.

974

Das Optionsmodell ist ein Schritt in Richtung einer mehr rechtsformneutralen Besteuerung der Unternehmen.768 Die Besteuerung von Körperschaften ist heute sowohl für Zwecke der Körperschaftsteuer als auch der Gewerbesteuer strikt von der Besteuerung ihrer Anteilseigner und Mitglieder getrennt. Personengesellschaften unterliegen demgegenüber dem Prinzip der transparenten Besteuerung. Gewerbesteuerrechtlich ist die Personengesellschaft ein eigenständiges Steuersubjekt, für Zwecke der Einkommensbesteuerung sind dies dagegen ausschließlich die an ihr unmittelbar oder mittelbar beteiligten natürlichen Personen oder Körperschaftsteuersubjekte. Zwar haben sich mittlerweile die steuerliche Gesamtbelastung von Körperschaften und ihren Anteilseignern einerseits und Personengesellschaftern andererseits weitgehend aneinander angeglichen (vgl. etwa § 35 EStG). Gleichwohl bestehen sowohl systematisch als auch hinsichtlich des Besteuerungsverfahrens Unterschiede, die im Einzelfall zu teils erheblichen Abweichungen bei Steuerbelastung und Bürokratieaufwand führen können. Zudem sind die Besonderheiten der deutschen Personengesellschaftsbesteuerung (insb. Sonderbetriebsvermögen und Sondervergütungen sowie Sonder- und Ergänzungsbilanzen) international weitgehend unbekannt. Das Optionsmodell soll diese Unterschiede für die optierenden Gesellschaften beseitigen oder doch vermindern.

975

Allerdings beseitigt das Optionsmodell nicht die rechtsformabhängige Besteuerung per se, da die unterschiedlichen Besteuerungsregime der transparenten Personengesellschaft und der intransparenten Körperschaft weiter bestehen bleiben.769 Immerhin haben Personengesellschaften auch mit Wirkung für die Gewerbesteuer nunmehr drei Gestaltungsoptionen im Sinne eines begrenzten Rosinenpickens: (1) Sie können die Rechtsform der Personengesellschaft handels- und steuerrechtlich beibehalten. (2) Sie können handelsrechtlich eine Personengesellschaft bleiben, sich aber steuerrechtlich wie eine Kapitalgesellschaft besteuern lassen (Optionsmodell mit fiktivem Formwechsel) und (3) sie können sich schließlich durch eine Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft (realer Formwechsel) sowohl handelsrechtlich als auch steuerrechtlich dem Regime für Kapitalgesellschaften unterwerfen.

976

Das Optionsmodell ist hybrid und in gewisser Weise ein Kompromiss: Da die optierende Gesellschaft ihr Rechtsstatut zivilrechtlich und somit gesellschaftsrechtlich nicht ändert, gelten für sie die gesellschafts- und handelsrechtlichen Vorgaben auch nach Ausübung der Option fort. Ertragsteuerrechtlich wird die optierende Gesellschaft jedoch wie eine Kapitalgesellschaft behandelt (§ 1a Abs. 1 Satz 1 KStG, § 2 Abs. 8 GewStG). 766 Kanzler, FR 2021, 1053. 767 So die Finanzverwaltung BMF v. 10.11.2021, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 50. 768 Zum Folgenden BR-Drucks. 244/21, 1. Zum verfassungsrechtlichen Problem Drüen in Frotscher/ Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, Vor § 1 KStG Rz. 138 f. 769 Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG, Erstkommentierung zum Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, 2021, S. 6.

160

Steuergegenstand | Rz. 983 § 2 GewStG

Durchgreifende Bedenken an der verfassungs- und europarechtlichen Zulässigkeit der Einführung einer Option zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft gem. § 1a KStG bestehen bislang nicht.770 Dies gilt auch für die folgerichtige Übertagung der Regelung auf die Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 8 GewStG). Insbesondere begünstigt das Wahlrecht ohne Unterscheidung inländische als auch ausländische Personenhandelsgesellschaften. Insgesamt har sich die Regelung dem legitimen Ziel einer rechtsformneutralen Besteuerung von (grundsätzlich gewerblich tätigen) Unternehmen angenähert. Ein allgemeines Verfassungsgebot der Rechtsformneutralität enthält Art. 3 Abs. 1 GG nicht.771

977

Fragwürdig ist allerdings, dass der Gesetzgeber diese Steuervergünstigung wenig folgerichtig nicht auch Einzelunternehmen und anderen als die benannten Personenunternehmen, z.B. BGB-Gesellschaften, gewähren wollte.772 Dass steuerrechtliche Rechtsfolgenwahlrechte gleichheitsrechtlich nicht ganz unproblematisch sind und hier auch mit der Verschiebung des Steueraufkommens zwischen Einkommen- und Körperschaftsteuer zu einem grauen Finanzausgleich führen, nimmt der Gesetzgeber offenbar in Kauf.

978

frei

979

2. Voraussetzungen und Rechtsfolgen nach § 1a KStG a) Voraussetzungen § 2 Abs. 8 GewStG verweist hinsichtlich der Voraussetzungen und Rechtsfolgen auf § 1a GewStG. Rechtsfolge der Regelung des § 2 Abs. 8 GewStG ist sodann, dass für die „Anwendung“ des GewStG die Regelungen des § 1a KStG entsprechen gelten. Die optierende Gesellschaft ist dann mit dem Wirksamwerden der Option für das maßgebliche Wirtschaftsjahr ertragsteuerrechtlich eine Kapitalgesellschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG.

980

Der Optionsantrag (§ 1a Abs. 1 Satz 1 bis 5 KStG) ist form- und fristgerecht773 bei der zuständigen Finanzbehörde zu stellen und ist unwiderruflich. Ein gesonderter Optionsantrag für die Gewerbesteuer ist nicht erforderlich. Da § 2 Abs. 8 GewStG ohne Einschränkung auf § 1a KStG verweist, ist eine unterschiedliche Optionsausübung für die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer nicht zulässig. Für den Umwandlungsbeschluss der Gesellschafterversammlung gilt § 217 UmwG. Liegen diese Voraussetzungen vor, wird die Option wirksam. Das Wahlrecht belässt der Finanzbehörden keinen Entscheidungs- und Ermessenspielraum.

981

Optionsfähig und antragsberechtigt sind nur Personenhandelsgesellschaften (offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften im Sinne der §§ 105 und 161 HGB einschließlich der Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung, vgl. § 1 EWIVAG) sowie Partnerschaftsgesellschaften im Sinne des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes (PartGG).774 Das soll auch gelten, wenn die antragsberechtigte Personengesellschaft nur eine vermögensverwaltende Tätigkeit (z.B. eine Immobilien-KG) ausübt.775 Eine GmbH & Co. KG ist auch dann antragsberechtigt, wenn deren Komplementärgesellschaft vermögensmäßig nicht beteiligt ist.

982

Einzelunternehmen, Gesellschaften des bürgerlichen Rechts, Erbengemeinschaften und reine Innengesellschaften (wie die atypisch stille Gesellschaft) fallen dagegen nicht in den Anwendungsbereich des § 1a KStG. Keine Option ist auch möglich für Investmentfonds und für Personengesellschaften, die in einem ausländischen Staat ansässig sind und die dort nicht körperschaftsteuerpflichtig sind (§ 1a Abs. 1 Satz 6 KStG).

983

770 Ebenso Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG, Erstkommentierung zum Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, 2021, S. 5 ff. 771 BVerfG v. 21.6.2006 – BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (197). 772 Ebenso Kanzler, FR 2021, 1055. 773 Näher BMF v. 10.11.2021 BStBl. I. 2021, 2212 Rz. 9 ff. 774 Näher BMF v. 10.11.2021 BStBl. I. 2021, 2212 Rz. 2, 30. 775 Kanzler, FR 2021, 1053; BMF v. 10.11.2021 BStBl. I. 2021, 2212 Rz. 2.

161

GewStG § 2 Rz. 984 | Steuergegenstand 984

Die optierende Gesellschaft und ihre Gesellschafter können im In- oder im Ausland ansässig sein.776 Die Option ist auch Gesellschaften ausländischer Rechtsform eröffnet, die den in § 1a Abs. 1 Satz 1 KStG genannten Gesellschaftsformen vergleichbar sind. Die Vergleichbarkeit mit einer Personenhandelsgesellschaft ist i.d.R. gegeben, wenn die ausländische Gesellschaft, die nach dem Rechtstypenvergleich als Personengesellschaft einzustufen bei Zugrundelegung deutscher Maßstäbe ein Handelsgewerbe i.S.d. § 1 HGB betreibt.

985

Zur Körperschaftsteuer optieren können auch Gesellschaften ohne Sitz und Geschäftsleitung im Inland. Diese unterliegen nach Ausübung der Option der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht nach § 2 Nr. 1 KStG, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG (i.V.m. § 8 Absatz 1 KStG) erzielen. Die Option ist auch möglich, wenn die Gesellschaft keine inländischen Einkünfte erzielt.777

986

Für Zwecke der Gewerbesteuer müssen in allen Fällen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 GewStG erfüllt sein, d.h. es muss ein stehender Gewerbebetrieb im Inland betrieben werden. Beispiel: An der französischen Société en nom collectif (SNC – Personenhandelsgesellschaft nach französischem Recht) sind der in Deutschland ansässige A sowie die in Frankreich ansässigen B und C beteiligt. Sitz und Geschäftsleitung befinden sich in Frankreich. Die SNC hat eine Betriebsstätte in Deutschland.778 Lösung: Die SNC kann zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG optieren, wenn sie einen entsprechenden Antrag nach französischem Recht auch in Frankreich stellt oder bereits der französischen Körperschaftsteuerpflicht unterliegt (vgl. BMF v. 26.9.2014, BStBl. I 2014, 1258, Anlage zu Frankreich). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so ist auch die Ausübung der Option nicht möglich (§ 1a Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 KStG). Die sachliche Gewerbesteuerpflicht ergibt sich in beiden Fällen aus § 2 Abs. 1 GewStG für die Betriebsstätte (i.V.m. DBA-Recht)

987

frei b) Rechtsfolgen

988

Die Gesellschafter der optierenden Gesellschaft werden als Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft behandelt (§ 1a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 KStG). Sie beziehen keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit mehr, sondern Gewinnausschüttungen einer Kapitalgesellschaft. Sondervergütungen werden nicht mehr als Vorweggewinn einer Mitunternehmerschaft behandelt, sondern als Betriebsausgaben der Kapitalgesellschaft.

989

Eine Gesellschaft, die zur Körperschaftsbesteuerung optiert hat, kann beantragen, dass sie nicht mehr wie eine Kapitalgesellschaft und ihre Gesellschafter nicht mehr wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft behandelt werden (Rückoption, § 1a Abs. 4 KStG). Eine Rückoption kraft Gesetzes tritt ein, wenn die Optionsvoraussetzungen entfallen oder im Fall des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters der Personengesellschaft (§ 1a Abs. 4 Satz 4, 5 KStG). Dies gilt auch für Zwecke der Gewerbesteuer.

990–994

frei

3. Rechtsfolgen für die Gewerbesteuer a) Fiktive Kapitalgesellschaft? 995

Die Sprachregelung des Gesetzgebers ist nicht eindeutig. Einerseits scheint § 1 Abs. 1 Nr. 1 a.E. KStG davon auszugehen, dass die optierende Gesellschaft i.S.d. § 1a KStG in der Rechtsfolge der Option steuerrechtlich eine Kapitalgesellschaft ist. Andererseits verwendet der Gesetzgeber in § 1a Abs. 1 Satz 1 KStG sowie in § 2 Abs. 8 GewStG zwar nicht die 776 Näher BMF v. 10.11.2021 BStBl. I. 2021, 2212 Rz. 3 ff.; Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG, Erstkommentierung zum Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, 2021, S. 16. 777 BMF v. 10.11.2021 BStBl. I. 2021, 2212 Rz. 5. 778 Nach BMF v. 10.11.2021 BStBl. I. 2021, 2212 Rz. 5.

162

Steuergegenstand | Rz. 1004 § 2 GewStG

fiktionstypische Formulierung „gilt“ oder „gelten“. Die optierende Gesellschaft soll aber wie eine Kapitalgesellschaft zu behandeln sein. Im ersten Fall ist die neue Gesellschaft eine „reale“ Kapitalgesellschaft, im zweiten Fall ist sie eine „fiktive“779 Kapitalgesellschaft. Sicher ist, dass die Qualifikation nur für „Zwecke der Besteuerung“ Anwendung findet. Zivilrechtlich und handelsrechtlich sollen die Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaften fortbestehen. Auch sollen diese Gesellschaften anders als eine Kapitalgesellschaft nicht über Nennkapital (vgl. § 27 Abs. 1 KStG) verfügen.780 Nach § 1a Abs. 2 Satz 4 KStG wird das gesamte Eigenkapital der optierenden Gesellschaft in das steuerliche Einlagekonto eingestellt und damit nicht, auch nicht teilweise, als Nennkapital behandelt.

996

frei

997

b) Steuerpflicht Der Gewerbebetrieb der Personenhandelsgesellschaft i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 EStG ist mit der Option Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG. Insoweit ändert sich die sachliche Steuerpflicht nicht. Die Körperschaft hat ab dem Wirksamwerden der Option zwingend Einkünfte aus Gewerbebetrieb („stets und in vollem Umfang“).

998

Unternehmer der Personenhandelsgesellschaft sind nach § 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG die jeweiligen Mitunternehmen (persönliche Steuerpflicht). Durch die Option verlieren sie diesen Status. Unternehmer ist vielmehr, wie bei jeder Kapitalgesellschaft, die Kapitalgesellschaft selbst gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG. Diese Rechtsstellung ist rechtliche Folge einer Fiktion des § 2 Abs. 8 GewStG, und nicht nur fiktiv. Ein Wechsel der Gesellschafter bei einer Kapitalgesellschaft hat für die sog. Unternehmeridentität i.S.d. § 10a GewStG keine nachteiligen Folgen. Dagegen hat die Option für die Personenhandelsgesellschaft keine Auswirkungen auf die Stellung als Steuerschuldner. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG ist eine gewerblich tätige Personengesellschaft Steuerschuldner. Auch die „fiktive“ Kapitalgesellschaft ist Steuerschuldner der Gewerbesteuer, hier gem. § 5 Abs. 1 Satz 2, 1 GewStG.

999

Grundsätzlich bestehen auch im Rahmen der Organschaft keine Unterschiede. Die optierende Gesellschaft und vormalige Personenhandelsgesellschaft kann auch als Kapitalgesellschaft gewerbesteuerrechtlich weiterhin OT sein (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG). Eine Partnerschaftsgesellschaft, die keine gewerblichen Einkünfte erzielt, kann ebenfalls erstmalig ab dem Wirtschaftsjahr des Wirksamwerdens der Option OT sein. Die optierende Gesellschaft kann als Kapitalgesellschaft gewerbesteuerrechtlich OG sein, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KStG sinngemäß erfüllt sind.

1000

Die Beteiligung an einer optierenden Gesellschaft gilt für Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen – und nach § 2 Abs. 8 GewStG auch für Zwecke der Gewerbesteuer – als Beteiligung eines nicht persönlich haftenden Gesellschafters an einer Kapitalgesellschaft (§ 1a Abs. 3 Satz 1 KStG).781

1001

frei

1002

c) Bemessungsgrundlage Die Ermittlung des Gewerbeertrags richtet sich ab der wirksamen Option weiterhin nach den §§ 7 ff. GewStG, allerdings unter der weitreichenden Prämisse, dass die Personengesellschaft nunmehr steuerrechtlich als Kapitalgesellschaft behandelt wird. Insbesondere entfällt damit das Institut der Mitunternehmerschaft.

1003

Der Gewerbeertrag wird nach der Option gem. § 7 Satz 1 GewStG primär nach den Vorschriften des KStG, hier nach § 8 KStG i.V.m. den Vorschriften des EStG ermittelt.

1004

779 So Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG, Erstkommentierung zum Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, 2021, S. 2. Hiervon scheint auch die Finanzverwaltung auszugehen, BMF v. 10.11.2021, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 50. 780 Vgl. BMF v. 10.11.2021 BStBl. I. 2021, 2212 Rz. 42, 51 f. 781 BMF v. 10.11.2021 BStBl. I. 2021, 2212 Rz. 61.

163

GewStG § 2 Rz. 1005 | Steuergegenstand

1005

Die Einkommensermittlung der optierenden Gesellschaft ergibt sich aus R 7.1 Abs. 1 Satz 2 KStR 2015.782 Eine Überleitungsrechnung der Handelsbilanz nach § 60 Abs. 2 EStDV ist nicht möglich. Die optierende Gesellschaft hat keine außerbetriebliche Sphäre. § 4 Abs. 4a EStG findet bei der optierenden Gesellschaft keine Anwendung.

1006

Die Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs oder Teilbetriebs durch die Mitunternehmerschaft oder des Anteils eines Gesellschafters der Mitunternehmerschaft unterliegt nach § 7 Satz 2 GewStG nicht der Gewerbesteuer, sofern der Mitunternehmer eine direkt beteiligte natürliche Person ist. Soweit Gesellschafter der Mitunternehmerschaft eine andere Personengesellschaft ist oder eine Körperschaft, ist die Betriebsveräußerung oder -aufgabe vor der Option gewerbesteuerpflichtig. Nach der wirksamen Option sind diese Vorgänge bei der Kapitalgesellschaft grundsätzlich ebenfalls gewerbesteuerpflichtig.

1007

Auswirkungen ergeben sich aber, wenn ein Gesellschafter die Beteiligung veräußert. Ist der Gesellschafter eine unmittelbar beteiligte natürliche Person, so ist die Veräußerung der Mitunternehmeranteils vor der Option nicht gewerbesteuerbar. Nach der Option unterliegt die Veräußerung der fiktiven Kapitalanteile regelmäßig ebenfalls nicht der Gewerbesteuer. Gehört die veräußerte Beteiligung allerdings zu einem Gewerbebetrieb des Gesellschafters, wird ist der Veräußerungsgewinn gewerbesteuerbar. Die Option führt dann zu einer Erhöhung der Gewerbesteuerbelastung.783 Ist der Gesellschafter eine Körperschaft, kann umgekehrt eine Entlastung eintreten. Die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils wäre gewerbesteuerpflichtig gewesen. Die Veräußerung der fiktiven Kapitalbeteiligung unterliegt dagegen körperschaftsteuerrechtlich der Steuerbefreiung des § 8b Abs. 2 KStG, die auch gem. § 7 Satz 1 GewStG wirksam ist.

1008

Nach der Option gehören die den Gesellschaftern gezahlten Sondervergütungen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) in Form von Tätigkeitsvergütungen nicht mehr zum Gewinn der optierenden Gesellschaft, sondern sind abzugsfähige Betriebsausgaben. Vergütungen des Gewerbebetriebs der Kapitalgesellschaft an die Gesellschafter für Darlehenszinsen sowie Miet- und Pachtzinsen sind anteilig dem Gewinn hinzurechnen (§ 8 Nr. 1 GewStG).784

1009

§ 8 Nr. 8 und § 9 Nr. 2 GewStG verhindern die Doppelbelastung der Einkünfte (Verlustbzw. Gewinnanteile) mit Gewerbesteuer, wenn eine Beteiligung an der Personenhandelsgesellschaft im Betriebsvermögen des Gesellschafters gehalten wird. Gewinne aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften an ihre Gesellschafter (Gewinnausschüttungen) sind nur unter engen Bedingungen des § 9 Nr. 2a und Nr. 7 GewStG gewerbesteuerfrei.

1010

frei d) Gewerbeverluste

1011

Gewerbeverluste der Mitunternehmerschaft, die vor der Option bestanden, können unter den Voraussetzungen des § 10a GewStG vorgetragen werden. Im Fall eines vollständigen Gesellschafterwechsel bzw. eines partiellen (Mit-)Unternehmerwechsels gehen Gewerbeverluste entweder vollständig bzw. anteilig unter, da die Mitunternehmeridentität fehlt.

1012

Gewerbeverluste, die ab Wirksamwerden der Option entstehen, sind bei der optierenden Gesellschaft abzugs- und vortragsfähig. Sie ist als Kapitalgesellschaft Unternehmer und Träger der Verluste. Auf einen Gesellschafterwechsel nach Ausübung der Option finden die §§ 8c, 8d KStG unmittelbar und mittelbar über § 10a Satz 10 bis 12 GewStG auch für die Gewerbesteuer Anwendung.785 Danach führt ein Gesellschafterwechsel nur unter den engen Bedingungen des § 8c KStG zu einem Untergang der Verlustvorträge.

782 BMF v. 10.11.2021 BStBl. I. 2021, 2212 Rz. 53. 783 Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG, Erstkommentierung zum Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, 2021, S. 97. 784 Näher Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG, Erstkommentierung zum Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, 2021, S. 97 f. 785 BMF v. 10.11.2021 BStBl. I. 2021, 2212 Rz. 53.

164

Steuergegenstand | Rz. 1023 § 2 GewStG

Scheidet der vorletzte Gesellschafter aus der optierenden Gesellschaft aus, sind die Regeln über Anwachsung nach R 10a Abs. 3 Satz 9 Nr. 4 GewStR 2009 nicht anzuwenden. Diese Regelung gilt nicht für (fiktive) Kapitalgesellschaften. Es handelt sich nicht um eine Anwachsung innerhalb einer Personengesellschaft, vielmehr um eine Verschmelzung auf eine natürliche Person oder eine Körperschaft, wenn der verbleibende Gesellschafter diese Rechtsform hat.786 Die Rechtsfolgen richten sich daher nach §§ 3 ff. UmwStG, wenn der verbleibende Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder nach §§ 11 ff. UmwStG, wenn er die Rechtsform einer Körperschaft hat. In beiden Fällen gehen die Verlustvorträge der optierenden Gesellschaft (Kapitalgesellschaft) nicht, auch nicht anteilig, auf den Gesellschafter über (vgl. § 4 Abs. 2, § 12 Abs. 3 UmwStG als lex specialis zu § 10a GewStG).

1013

frei

1014

e) Freibetrag § 11 GewStG ist auch auf die optierende Gesellschaft als Kapitalgesellschaft anwendbar. Eine Übergangsregelung besteht nicht.

1015

Der Freibetrag nach § 11 Satz 2 Nr. 1 GewStG steht nur natürlichen Personen und Personengesellschaften für den Erhebungszeitraum zu. Daher entfällt hier der Freibetrag ab dem Wirtschaftsjahr, ab dem die Option gelten soll und lebt auch im Fall der Beendigung der Option nicht wieder auf.

1016

frei

1017

f) Umwandlungen während der Option Nach § 1a Abs. 4 Satz 7 KStG gilt die („reale“) Umwandlung der optierenden Gesellschaft während des Optionszeitraums in eine Körperschaft i.S.d. UmwStG als Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Körperschaft.

1018

Darüber hinaus hat die Finanzverwaltung787 klargestellt, dass auch für Zwecke des UmwStG die optierende Gesellschaft wie eine Kapitalgesellschaft zu behandeln ist. Für die Anwendung des UmwStG folgt daraus, dass die Regelungen für einzelne Umwandlungsvorgänge entsprechend auch für die optierende Gesellschaft gelten.

1019

frei

1020

g) Übergangsrechtliche, gewerbesteuerrechtliche Rechtsfolgen der (Rück-)Option aa) Wechsel von der Personenhandelsgesellschaft zur Kapitalgesellschaft (Option) Mit der Option verliert die Personengesellschaft die Steuerermäßigung nach § 35 EStG. Der Übergang zur Körperschaftsbesteuerung gilt nach § 1a Abs. 2 KStG als Formwechsel i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 3 UmwStG. Die §§ 1 und 25 UmwStG sind entsprechend anzuwenden.

1021

Für die Folgen des Formwechsels von der Personengesellschaft in die fiktive Kapitalgesellschaft enthält das GewStG keine besonderen Regeln. Beim Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft finden daher gem. § 25 UmwStG die §§ 20 bis 23 UmwStG entsprechende Anwendung. Das bedeutet zunächst, dass der bloße Formwechsel steuerrechtlich wie eine Einbringung nach § 20 UmwStG behandelt wird.

1022

Ein Übertragungsgewinn, der bei Ansatz der gemeinen Werte oder eines Zwischenwertes bei der Personengesellschaft entsteht, gilt als Gewinn aus der Veräußerung des Betriebs oder Teilbetriebs (§ 7 Satz 1 GewStG). Nach § 7 Satz 2 GewStG ist der Gewinn gewerbesteuerfrei, soweit unmittelbar beteiligter Gesellschafter der Personengesellschaft eine natürliche Person ist. Er unterliegt dagegen der Gewerbesteuer, soweit Gesellschafter eine

1023

786 Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG, Erstkommentierung zum Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, 2021, S. 98. 787 BMF v. 10.11.2021 BStBl. I. 2021, 2212 Rz.100.

165

GewStG § 2 Rz. 1024 | Steuergegenstand andere Personengesellschaft ist (mehrstöckige Personengesellschaft) oder der Gesellschafter die Rechtsform einer Körperschaft hat.

1024

Ein vortragsfähiger Gewerbeverlust (Fehlbetrag nach § 10a GewStG) der optierenden Personengesellschaft geht infolge der Option unter. Dies folgt ausdrücklich aus § 23 Abs. 5 UmwStG. Es fehlt auch die Unternehmeridentität i.S.d. § 10a GewStG. Der Verlust lebt auch im Fall der Beendigung der Option nicht wieder auf. Dies gilt auch für den Zinsvortrag und einen EBITDA-Vortrag (§ 20 Abs. 9 UmwStG) sowie für Verluste nach § 15a und § 15b EStG.788

1025

frei bb) Wechsel von der Kapitalgesellschaft zur Personenhandelsgesellschaft (Rückoption)

1026

Auf Antrag ist eine Rückkehr zur transparenten Besteuerung möglich (§ 1a Abs. 4 Satz 1 bis 3 KStG). Die Rückoption ist ein (bloßer) Formwechsel nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwStG. Für die Folgen des Formwechsels von der (fiktive) Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft enthält das GewStG keine besonderen Regeln.

1027

Beim Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft finden daher gem. § 9 UmwStG die §§ 3 bis 8, 10 UmwStG entsprechende Anwendung. Dies bedeutet, dass der Formwechsel einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft steuerrechtlich gem. § 9 Satz 1 UmwStG wie eine übertragende Umwandlung und damit wie eine Veräußerung behandelt wird. Ein rückwirkender Übertragungsstichtag nach § 9 Satz 3 UmwStG ist nach § 1a Abs. 4 Satz 2 KStG ausdrücklich ausgeschlossen. Verlustvorträge der Kapitalgesellschaft gehen nach § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG nicht auf die Personengesellschaft über.

1028

Für Zwecke der Gewerbesteuer sind die Sonderregelungen des § 18 UmwStG zu beachten. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UmwStG sind die Regelungen der §§ 3 ff. UmwStG entsprechend anzuwenden. Dies hat zur Folge, dass auch gewerbesteuerrechtliche Fehlbeträge des übertragenden Rechtsträgers (der Kapitalgesellschaft) untergehen (§ 18 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Nach § 18 Abs. 2 UmwStG wird ein Übernahmegewinn oder Übernahmeverlust der Personengesellschaft von der Gewerbesteuer nicht erfasst.789 Wird die Sperrfrist (fünf Jahre) des § 18 Abs. 3 UmwStG verletzt, so unterliegt ein Veräußerungs- oder Aufgabegewinn der Gewerbesteuer.

1029

frei

1030

cc) Beendigung der Option kraft Gesetzes ohne Rückoption Darüber hinaus ist es möglich, dass die Option kraft Gesetzes i.S.d. § 1a Abs. 4 Satz 4 bis 7 KStG beendet wird, wenn die optierende Gesellschaft die persönlichen Voraussetzungen für die Option nicht mehr erfüllt oder diese infolge des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters als aufgelöst gilt.790 Im Übrigen gelten hier nach § 1a Abs. 4 Satz 4 KStG grundsätzlich die Regelungen für eine Rückoption.

788 BMF v. 10.11.2021, BStBl. I. 2021, 2212 Rz. 47. 789 Näher Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG, Erstkommentierung zum Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, 2021, S. 99. 790 BMF v. 10.11.2021 BStBl. I. 2021, 2212 Rz. 91 ff.

166

§ 2a Arbeitsgemeinschaften 1 Als Gewerbebetrieb gilt nicht die Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaften, deren alleiniger Zweck in der Erfüllung eines einzigen Werkvertrags oder Werklieferungsvertrags besteht. 2Die Betriebsstätten der Arbeitsgemeinschaften gelten insoweit anteilig als Betriebsstätten der Beteiligten.

A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

6

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen

A. Allgemeines Gewerblich tätige Personengesellschaften unterliegen an sich gem. § 2 GewStG der Gewerbesteuer. § 2a GewStG ist eine vereinfachende Sonderregelung zu §§ 2, 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG, die den Steuergegenstand einschränkt.1 Gewerblich tätige Arbeitsgemeinschaften (ARGE, Personengesellschaften, i.d.R. BGB-Gesellschaften) namentlich im Baugewerbe unterliegen danach als solche nicht der Gewerbesteuer. Vielmehr werden ihre Tätigkeit sowie ihre Betriebsstätten anteilig den beteiligten Mitgliedern der ARGE zugerechnet. Steuerrechtlich setzt § 2a GewStG eine Mitunternehmerschaft von selbstständigen Gewerbebetrieben (auch unterschiedlicher Rechtsformen) voraus. Für eine nicht gewerblich tätige ARGE hat die Regelung keine Bedeutung. Für die Umsatzsteuer gelten Sonderregeln, dort kann die ARGE Unternehmer sein.2

1

Nach ursprünglichen Regelungen in Verwaltungsanweisungen und zum Teil anders lautender Rechtsprechung ist § 2a GewStG durch das Steueränderungsgesetz 1965 v. 14.5.19653 eingefügt worden. Ab dem EZ 1995 wird bei einer Arbeitsgemeinschaft, deren alleiniger Zweck in der Erfüllung eines einzigen Werk- oder Werklieferungsvertrag besteht, ein Gewerbebetrieb ausgeschlossen. Bis einschließlich EZ 1994 war bei Arbeitsgemeinschaften ein Gewerbebetrieb dann gegeben, wenn bei Abschluss des Werkvertrags oder Werklieferungsvertrags anzunehmen war, dass dieser Vertrag nicht innerhalb von drei Jahren erfüllt wird.

2

frei

3–5

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Eine gesetzliche Definition der ARGE fehlt. Eine Arbeitsgemeinschaft ist der Zusammenschluss von Unternehmen zu dem Zweck der gemeinsamen Ausführung eines Auftrags.4 Alleiniger Zweck der Arbeitsgemeinschaft muss die Erfüllung eines einzigen Werk- oder Werklieferungsvertrags sein. Hilfsgeschäfte, wie Materialeinkäufe und der Abschluss von Anstellungsverträgen, sind dann unschädlich. Andere Tätigkeiten (Erfüllung eines zweiten Werkvertrags oder der gemeinsame Ein- und Verkauf über die Erfüllung eines Werk- oder Werklieferungsvertrags hinaus) begründen für die Arbeitsgemeinschaft insgesamt eine Gewerbesteuerpflicht.5 Der Zweck einer Arbeitsgemeinschaft ergibt sich grundsätzlich aus dem Gesellschaftsvertrag.6

6

Liegt eine solche Arbeitsgemeinschaft vor, wird der Gewerbeertrag den beteiligten Unternehmen anteilig zugerechnet. Entgeltliche Leistungen der Beteiligten gegenüber der Ar-

7

1 2 3 4

Drüen in Brandis/Heuermann, § 2a GewStG Rz. 1. Abschn. 2.1 Abs. 4 UStAE. BGBl. I 1965, 377. Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 2a GewStG Rz. 20; zu den Arten der ARGE Güroff in Glanegger/ Güroff10, § 2a GewStG Rz. 2. 5 R 2a GewStR 2009. 6 BFH v. 2.12.1992 – I R 165/09, BStBl. II 1993, 577; H 2a GewStH 2016.

167

GewStG § 2a Rz. 7 | Arbeitsgemeinschaften beitsgemeinschaft (z.B. Vermietung von Betriebsausstattung) behandelt die Verwaltung wie Fremdleistungen des jeweiligen Beteiligten an die Arbeitsgemeinschaft.7 Die Betriebsstätten der Arbeitsgemeinschaft gelten gem. § 2a Satz 2 GewStG anteilig als Betriebsstätten der Beteiligten. Diese Fiktion sichert das gemeindliche Zugriffsrecht. Ggf. ist bei mehreren Betriebsstätten eine Zerlegung (§ 28 GewStG) notwendig. Verfahrensrechtlich ist § 180 Abs. 4 AO zu beachten.

7 BMF v. 27.1.1998 – IV B 2 - S 2241 - 5/98, BStBl. I 1998, 251.

168

§ 3 Befreiungen 1

Von der Gewerbesteuer sind befreit 1. das Bundeseisenbahnvermögen, die staatlichen Lotterieunternehmen, die zugelassenen öffentlichen Spielbanken mit ihren der Spielbankenabgabe unterliegenden Tätigkeiten und der Erdölbevorratungsverband nach § 2 Absatz 1 des Erdölbevorratungsgesetzes vom 16. Januar 2013 (BGBl. I S. 74) in der jeweils geltenden Fassung; 2. die Deutsche Bundesbank, die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die Landwirtschaftliche Rentenbank, die Bayerische Landesanstalt für Aufbaufinanzierung, die Niedersächsische Gesellschaft für öffentliche Finanzierungen mit beschränkter Haftung, die Bremer Aufbau-Bank GmbH, die Landeskreditbank Baden-Württemberg – Förderbank, die Bayerische Landesbodenkreditanstalt, die Investitionsbank Berlin, die Hamburgische Investitions- und Förderbank, die NRW.Bank, die Investitions- und Förderbank Niedersachsen, die Saarländische Investitionskreditbank Aktiengesellschaft, die Investitionsbank Schleswig-Holstein –, die Investitionsbank des Landes Brandenburg, die Sächsische Aufbaubank – Förderbank –, die Thüringer Aufbaubank, die Investitionsbank Sachsen-Anhalt – Anstalt der Norddeutschen Landesbank – Girozentrale, die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz, das Landesförderinstitut Mecklenburg-Vorpommern – Geschäftsbereich der Norddeutschen Landesbank Girozentrale –, die Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen – rechtlich unselbständige Anstalt in der Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale und die Liquiditäts-Konsortialbank Gesellschaft mit beschränkter Haftung; 3. die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben; 4. (weggefallen) 5. 1Hauberg-, Wald-, Forst- und Laubgenossenschaften und ähnliche Realgemeinden. 2 Unterhalten sie einen Gewerbebetrieb, der über den Rahmen eines Nebenbetriebs hinausgeht, so sind sie insoweit steuerpflichtig; 6. 1Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 der Abgabenordnung). 2Wird ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb – ausgenommen Land- und Forstwirtschaft – unterhalten, ist die Steuerfreiheit insoweit ausgeschlossen; 7. Hochsee- und Küstenfischerei, wenn sie mit weniger als sieben im Jahresdurchschnitt beschäftigten Arbeitnehmern oder mit Schiffen betrieben wird, die eine eigene Triebkraft von weniger als 100 Pferdekräften haben; 8. Genossenschaften sowie Vereine im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 14 des Körperschaftsteuergesetzes, soweit sie von der Körperschaftsteuer befreit sind; 9. rechtsfähige Pensions-, Sterbe-, Kranken- und Unterstützungskassen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 des Körperschaftsteuergesetzes, soweit sie die für eine Befreiung von der Körperschaftsteuer erforderlichen Voraussetzungen erfüllen; 10. Körperschaften oder Personenvereinigungen, deren Hauptzweck die Verwaltung des Vermögens für einen nichtrechtsfähigen Berufsverband im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 5 des Körperschaftsteuergesetzes ist, wenn ihre Erträge im Wesentlichen aus dieser Vermögensverwaltung herrühren und ausschließlich dem Berufsverband zufließen; 11. 1öffentlich-rechtliche Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen von Berufsgruppen, deren Angehörige auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder dieser Einrichtungen sind, wenn die Satzung der Einrichtung die Zahlung keiner höheren jährlichen Beiträge zulässt als das Zwölffache der Beiträge, die sich bei einer Beitragsbemessungsgrundlage in 169

GewStG § 3 | Befreiungen

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Höhe der doppelten monatlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung ergeben würden. 2Sind nach der Satzung der Einrichtung nur Pflichtmitgliedschaften sowie freiwillige Mitgliedschaften, die unmittelbar an eine Pflichtmitgliedschaft anschließen, möglich, so steht dies der Steuerbefreiung nicht entgegen, wenn die Satzung die Zahlung keiner höheren jährlichen Beiträge zulässt als das Fünfzehnfache der Beiträge, die sich bei einer Beitragsbemessungsgrundlage in Höhe der doppelten monatlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung ergeben würden; Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen sind, sowie Genossenschaften, soweit die Gesellschaften und die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften eine gemeinschaftliche Tierhaltung im Sinne des § 51a des Bewertungsgesetzes betreiben; private Schulen und andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen, soweit unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen erbracht werden, wenn sie a) als Ersatzschulen gemäß Artikel 7 Absatz 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind oder b) auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten; Genossenschaften sowie Vereine, deren Tätigkeit sich auf den Betrieb der Landund Forstwirtschaft beschränkt, wenn die Mitglieder der Genossenschaft oder dem Verein Flächen zur Nutzung oder für die Bewirtschaftung der Flächen erforderliche Gebäude überlassen und a) bei Genossenschaften das Verhältnis der Summe der Werte der Geschäftsanteile des einzelnen Mitglieds zu der Summe der Werte aller Geschäftsanteile, b) bei Vereinen das Verhältnis des Werts des Anteils an dem Vereinsvermögen, der im Fall der Auflösung des Vereins an das einzelne Mitglied fallen würde, zu dem Wert des Vereinsvermögens nicht wesentlich von dem Verhältnis abweicht, in dem der Wert der von dem einzelnen Mitglied zur Nutzung überlassenen Flächen und Gebäude zu dem Wert der insgesamt zur Nutzung überlassenen Flächen und Gebäude steht; Genossenschaften sowie Vereine im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 10 des Körperschaftsteuergesetzes, soweit sie von der Körperschaftsteuer befreit sind; (weggefallen) 1 die von den zuständigen Landesbehörden begründeten oder anerkannten gemeinnützigen Siedlungsunternehmen im Sinne des Reichssiedlungsgesetzes in der jeweils aktuellen Fassung oder entsprechender Landesgesetze, soweit diese Landesgesetze nicht wesentlich von den Bestimmungen des Reichssiedlungsgesetzes abweichen, und im Sinne der Bodenreformgesetze der Länder, soweit die Unternehmen im ländlichen Raum Siedlungs-, Agrarstrukturverbesserungs- und Landentwicklungsmaßnahmen mit Ausnahme des Wohnungsbaus durchführen. 2Die Steuerbefreiung ist ausgeschlossen, wenn die Einnahmen des Unternehmens aus den in Satz 1 nicht bezeichneten Tätigkeiten die Einnahmen aus den in Satz 1 bezeichneten Tätigkeiten übersteigen; (weggefallen) der Pensions-Sicherungs-Verein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, wenn er die für eine Befreiung von der Körperschaftsteuer erforderlichen Voraussetzungen erfüllt; Krankenhäuser, Altenheime, Altenwohnheime, Pflegeheime, Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen sowie Einrichtungen zur ambulanten oder stationären Rehabilitation, wenn

Befreiungen | § 3 GewStG

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24.

a) diese Einrichtungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden oder b) bei Krankenhäusern im Erhebungszeitraum die in § 67 Abs. 1 oder 2 der Abgabenordnung bezeichneten Voraussetzungen erfüllt worden sind oder c) bei Altenheimen, Altenwohnheimen und Pflegeheimen im Erhebungszeitraum mindestens 40 Prozent der Leistungen den in § 61a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder den in § 53 Nr. 2 der Abgabenordnung genannten Personen zugute gekommen sind oder d) bei Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und bei Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen im Erhebungszeitraum die Pflegekosten in mindestens 40 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind oder e) bei Einrichtungen zur ambulanten oder stationären Rehabilitation die Behandlungskosten in mindestens 40 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind. Satz 1 ist nur anzuwenden, soweit die Einrichtung Leistungen im Rahmen der verordneten ambulanten oder stationären Rehabilitation im Sinne des Sozialrechts einschließlich der Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder erbringt; Entschädigungs- und Sicherungseinrichtungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 16 des Körperschaftsteuergesetzes, soweit sie von der Körperschaftsteuer befreit sind; Bürgschaftsbanken (Kreditgarantiegemeinschaften), wenn sie von der Körperschaftsteuer befreit sind; 1 Unternehmensbeteiligungsgesellschaften, die nach dem Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften anerkannt sind. 2Für Unternehmensbeteiligungsgesellschaften im Sinne des § 25 Abs. 1 des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften haben der Widerruf der Anerkennung und der Verzicht auf die Anerkennung Wirkung für die Vergangenheit, wenn nicht Aktien der Unternehmensbeteiligungsgesellschaft öffentlich angeboten worden sind; entsprechendes gilt, wenn eine solche Gesellschaft nach § 25 Abs. 3 des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften die Anerkennung als Unternehmensbeteiligungsgesellschaft verliert. 3Für offene Unternehmensbeteiligungsgesellschaften im Sinne des § 1a Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften haben der Widerruf der Anerkennung und der Verzicht auf die Anerkennung innerhalb der in § 7 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften genannten Frist Wirkung für die Vergangenheit. 4Bescheide über die Anerkennung, die Rücknahme oder den Widerruf der Anerkennung und über die Feststellung, ob Aktien der Unternehmensbeteiligungsgesellschaft im Sinne des § 25 Abs. 1 des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften öffentlich angeboten worden sind, sind Grundlagenbescheide im Sinne der Abgabenordnung; die Bekanntmachung der Aberkennung der Eigenschaft als Unternehmensbeteiligungsgesellschaft nach § 25 Abs. 3 des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften steht einem Grundlagenbescheid gleich; die folgenden Kapitalbeteiligungsgesellschaften für die mittelständische Wirtschaft, soweit sich deren Geschäftsbetrieb darauf beschränkt, im öffentlichen Interesse mit Eigenmitteln oder mit staatlicher Hilfe Beteiligungen zu erwerben, wenn der von ihnen erzielte Gewinn ausschließlich und unmittelbar für die satzungsmäßigen Zwecke der Beteiligungsfinanzierung verwendet wird: Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg GmbH, Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Bremen mbH, BTG Beteiligungsgesellschaft Hamburg mbH, MBG Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Hessen GmbH, Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Niedersachsen (MBG) mbH, Kapitalbeteiligungsgesellschaft für die mittelständische Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen mbH, MBG Mittelstän171

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27. 28.

29. 30. 31. 32.

dische Beteiligungsgesellschaft Rheinland-Pfalz mbH, Wagnisfinanzierungsgesellschaft für Technologieförderung in Rheinland-Pfalz mbH (WFT), Saarländische Kapitalbeteiligungsgesellschaft mbH, Gesellschaft für Wagniskapital Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Schleswig-Holstein Gesellschaft mit beschränkter Haftung – MBG, Technologie-Beteiligungs-Gesellschaft mbH der Deutschen Ausgleichsbank, bgb Beteiligungsgesellschaft Berlin mbH für kleine und mittlere Betriebe, Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Berlin-Brandenburg mbH, Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern mbH, Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Sachsen mbH, Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH, Wagnisbeteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH, IBG Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH, Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Thüringen (MBG) mbH; Wirtschaftsförderungsgesellschaften, wenn sie von der Körperschaftsteuer befreit sind; Gesamthafenbetriebe im Sinne des § 1 des Gesetzes über die Schaffung eines besonderen Arbeitgebers für Hafenarbeiter vom 3. August 1950 (BGBl. I S. 352), soweit sie von der Körperschaftsteuer befreit sind; Zusammenschlüsse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 20 des Körperschaftsteuergesetzes, soweit sie von der Körperschaftsteuer befreit sind; die Arbeitsgemeinschaften Medizinischer Dienst der Krankenversicherung im Sinne des § 278 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und der Medizinische Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen im Sinne des § 282 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie von der Körperschaftsteuer befreit sind; gemeinsame Einrichtungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 22 des Körperschaftsteuergesetzes, soweit sie von der Körperschaftsteuer befreit sind; die Auftragsforschung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 23 Körperschaftsteuergesetzes, soweit sie von der Körperschaftsteuer befreit ist; die Global Legal Entity Identifier Stiftung, soweit sie von der Körperschaftsteuer befreit ist; stehende Gewerbebetriebe von Anlagenbetreibern im Sinne des § 3 Nummer 2 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, wenn sich deren Tätigkeit ausschließlich auf die Erzeugung und Vermarktung von Strom aus einer auf, an oder in einem Gebäude angebrachten Solaranlage bis zu einer installierten Leistung von 10 Kilowatt beschränkt.

§ 12a GewStDV Kleinere Versicherungsvereine Kleinere Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit im Sinne des § 210 des Versicherungsaufsichtsgesetzes sind von der Gewerbesteuerbefreit, wenn sie nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 des Körperschaftsteuergesetzes von der Körperschaftsteuer befreit sind. § 13 GewStDV Einnehmer einer staatlichen Lotterie Die Tätigkeit der Einnehmer einer staatlichen Lotterie unterliegt auch dann nicht der Gewerbesteuer, wenn sie im Rahmen eines Gewerbebetriebs ausgeübt wird. A. I. II. III. B. I.

Allgemeines Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reichweite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtmäßigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Monopolartige staatliche Unternehmen (Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Finanzpolitische Befreiungen 1. Staatliche Kreditinstitute (Nr. 2) . . . . . 2. Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (Nr. 3) . . . . . . . . . . . .

172

1 5 10 20 25 26

3. 4. III. 1. 2.

Geldsicherung (Nr. 21) . . . . . . . Bürgschaftsbanken (Nr. 22) . . . . Agrarpolitische Befreiungen Realgemeinden (Nr. 5) . . . . . . . . Betriebe der Hochsee- und Küstenfischerei (Nr. 7) . . . . . . . . 3. Genossenschaften (Nr. 8, 14) . . . 4. Tierhaltung (Nr. 12). . . . . . . . . . 5. Siedlungsunternehmen (Nr. 17) .

27 28 31 32 35 37 38

Befreiungen | Rz. 3 § 3 GewStG IV. Körperschaften mit gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken (Nr. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Sozialpolitische Befreiungen 1. Versorgungseinrichtungen (Nr. 9) . . . . 2. Berufsständische Pflichteinrichtungen (Nr. 11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermietungsgenossenschaften und -vereine (Nr. 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Pensionssicherung (Nr. 19) . . . . . . . . . 5. Krankenversorgung usw. (Nr. 20) . . . . 6. Versorgungszusammenschlüsse (Nr. 27) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Medizinische Dienste (Nr. 28) . . . . . . . 8. Einrichtungen für tarifvertragliche Leistungen (Nr. 29) . . . . . . . . . . . . . . . VI. Wirtschaftspolitische Befreiungen 1. Vermögensverwaltung für Berufsverbände (Nr. 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40 50 51 53 55 56 65 66 67 70

2. Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsunternehmen (Nr. 15, 17) . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (Nr. 23) . . . . . . . . . . . . 4. Kapitalbeteiligungsgesellschaften (Nr. 24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wirtschaftsförderungsgesellschaften (Nr. 25) . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gesamthafenbetriebe (Nr. 26) . . 7. Global Legal Entity Identifier Stiftung (Nr. 31). . . . . . . . . . . . . 8. Solaranlagen (Nr. 32) . . . . . . . . . VII. Bildungspolitische Befreiungen 1. Private Schulen usw. (Nr. 13). . . 2. Auftragsforschung öffentlichrechtlicher Einrichtungen (Nr. 30) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Befreiungen außerhalb des Gewerbesteuergesetzes . . . . . . .

71 72 73 74 75 76 77 80 81 86

A. Allgemeines I. Überblick § 3 GewStG enthält einen umfangreichen und insoweit abschließenden Katalog von sachlichen und persönlichen Steuerbefreiungen,1 die inhaltlich häufig den Regelungen in § 5 Abs. 1 KStG entsprechen. Zum Teil sind Unternehmen als solche befreit, zum Teil besteht Steuerfreiheit für alle oder nur für bestimmte Tätigkeiten (z.B. bestimmte Leistungen von Privatschulen und ähnlichen Einrichtungen). Die Unterscheidungen sind dogmatischer Natur, d.h. im Einzelfall bestimmen sich Art und Ausmaß der Steuerbefreiung nach Wortlaut und Zweck der jeweiligen Regelung. Die gesetzlichen Formulierungen der Bedingungen („wenn“ oder soweit“) sind beim Wort zu nehmen. Vorausgesetzt wird zumeist, dass der Gewerbebetrieb „gewerbesteuerbar“ ist, d.h. die Befreiung ist nicht deklaratorisch. Seine Bemessungsgrundlage wird dann erst nach §§ 7 ff. GewStG ermittelt, wenn er steuerpflichtig ist. Praktische Bedeutung haben insbesondere die Steuerfreiheit gemeinnütziger Betriebe sowie die Steuerfreiheit des Betriebs von Krankenhäusern, Altenheimen, Rehabilitationseinrichtungen etc. Die einzelnen Vorschriften verfolgen zumeist öffentliche Gemeinwohlinteressen und haben u.a. agrarpolitische, sozialpolitische oder wirtschaftspolitische Gründe.

1

Die Vorschrift geht im Kern bereits auf § 3 GewStG 1936 zurück. Ihre aktuelle Fassung beruht auf dem Gesetz v. 12.12.2019.2 Ein bestimmtes Ordnungskonzept liegt ihr nicht zugrunde. Der Katalog ist auch Ausdruck einer zeitgeschichtlichen Entwicklung des Steuerrechts.3

2

Weitere Befreiungen enthalten die GewStDV und Regelungen außerhalb des Gewerbesteuergesetzes in Spezialgesetzen. Begünstigt ist das konkrete benannte Unternehmen in der dort bestimmten Rechtsform. Die Befreiungen im GewStG und KStG (oder UStG) sind verfahrensrechtlich unabhängig voneinander.4 Es handelt sich bei § 3 GewStG insoweit um Rechtsgrundverweisungen auf § 5 KStG, wobei das KStG zusätzliche einschränkende Bedingungen aufstellt.

3

1 Zur systematischen Einordnung Rüsch in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 3 GewStG Rz. 1 ff. 2 BGBl. I 2019, 2451. 3 Trinks in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 3 GewStG Rz. 6. 4 Rüsch in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 3 GewStG Rz. 29 (str.).

173

GewStG § 3 Rz. 4 | Befreiungen 4

Für die Anwendung des Körperschaftsteuergesetzes sind die jeweiligen Körperschaftsteuerrichtlinien zu beachten. Eine Befreiung nach § 5 KStG (praktisch nicht nach § 3 EStG) wirkt sich über § 7 Satz 1 GewStG auf den Gewerbeertrag aus, wenn eine vergleichbare Befreiung für die GewSt fehlt.

II. Reichweite 5

Die Befreiung erstreckt sich grundsätzlich nicht auf andere Unternehmen, die mit ihm verbunden sind, da unterschiedliche und je selbständige Gewerbebetriebe vorliegen.5 So müssen im Fall der Organschaft die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach § 3 GewStG in der Person des Organträgers bzw. der Organgesellschaft erfüllt sein. Die Steuerbefreiung beschränkt sich in ihrer Wirkung auf das Unternehmen, das die Voraussetzungen des § 3 GewStG erfüllt.6

6

Übt eine Personengesellschaft neben einer freiberuflichen auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, so ist die Tätigkeit auch dann infolge der „Abfärberegelung“ des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG insgesamt als gewerblich anzusehen, wenn die gewerbliche Tätigkeit von der Gewerbesteuer befreit ist. Die Gewerbesteuerbefreiung erstreckt sich in solchen Fällen aber auch auf die Tätigkeit, die ohne die „Abfärbung“ freiberuflich wäre.7

7

Im Fall der Betriebsaufspaltung erstreckt sich die Steuerbefreiung der Betriebskapitalgesellschaft im Wege der Merkmalsübertragung auch auf die Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit des Besitzpersonenunternehmens.8 Es muss jedoch eine Betriebsaufspaltung dem Grunde nach vorliegen.9

8

Eine Reihe von Bestimmungen befreien, auch aus traditionellen Gründen, juristische Personen des öffentlichen Rechts selbst mit ihren steuerbaren Unternehmen und Einrichtungen.10 Die Regelung zur Steuerfreiheit setzt die Steuerbarkeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStDV i.V.m. § 4 KStG voraus. Hoheitliche Einrichtungen oder wirtschaftliche Einrichtungen ohne Gewinnerzielungsabsicht, wie z.B. strukturell defizitäre Betriebe gewerblicher Art, sind nicht gewerbesteuerbar; Gleiches gilt für vermögensverwaltende und land- und forstwirtschaftliche Betätigungen der öffentlichen Hand. Privatrechtlich organisierte Unternehmen der öffentlichen Hand sind grundsätzlich steuerpflichtig.

9

Liegen die von Amts wegen zu prüfenden Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung vor, so endet lediglich die Gewerbesteuerpflicht; das Gewerbesteuersubjekt bleibt erhalten. Fällt die Steuerbefreiung später weg, ist sowohl die Unternehmens- als auch die Unternehmeridentität gewahrt, sofern ein Gewerbebetrieb unterhalten wird.11 Eine Schlussbilanz entsprechend § 13 KStG ist nicht erforderlich.

III. Rechtmäßigkeit 10

Steuerbefreiungen bedürfen nach Art. 3 Abs. 1 GG einer Rechtfertigung auch im Hinblick auf die privatunternehmerische Wettbewerbsgleichheit und können auch die privatunternehmerische Wettbewerbsfreiheit (Art. 2 Abs. 1, 12 GG) von nicht steuerbefreiten Konkurrenten beeinträchtigen. Dies gilt auch und besonders, wenn die öffentliche Hand begünstigt ist. Allerdings hat der Gesetzgeber beachtliche Regelungsfreiheiten hinsichtlich des Ob und Wie. Die genannten Grundrechte schützen Unternehmen von Privaten vor staatlichem 5 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 3 Nr. 6 GewStG Rz. 2. 6 BFH v. 4.6.2003 – I R 100/01, BStBl. II 2004, 244; v. 10.3.2010 – I R 41/09, BStBl. II 2011, 181; H 3.20 Organschaft GewStH 2016. 7 BFH v. 30.8.2001 – IV R 43/00, BStBl. II 2002, 152. 8 BFH v. 29.3.2006 – X R 59/00, BStBl. II 2006, 661. 9 BFH v. 19.2.2019 – X R 42/16, BFH/NV 2019, 586. 10 Näher Rüsch in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 3 GewStG Rz. 11 f. 11 BFH v. 9.6.1999 – I R 92/98, BStBl. II 1999, 733; H 3.14 GewStH 2016.

174

Befreiungen | Rz. 20 § 3 GewStG

Handeln, nicht aber Unternehmen der öffentlichen Hand, auch wenn sie in privatrechtlichen Formen betrieben werden. Vielmehr sind Eigengesellschaften (im vollständigen Eigentum) und auch gemischt-wirtschaftliche Unternehmen der öffentlichen Hand an die Grundrechte gebunden.12 Nach der Rechtsprechung des BVerfG13 hat der Gesetzgeber bei der Erschließung von Steuerquellen und bei der Ausgestaltung von Steuergesetzen allerdings eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Diese Gestaltungsfreiheit endet erst dort, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist und kein einleuchtender Grund mehr für die vorgenommene Differenzierung besteht. Der Gleichheitssatz ist dagegen nicht verletzt, solange z.B. finanzpolitische, volkswirtschaftliche, sozialpolitische oder steuertechnische Erwägungen die verschiedene Behandlung motivieren, wobei es ausreicht, wenn einer der genannten Gründe die verschiedene Behandlung trägt. Bewirkt die Ungleichbehandlung von Sachverhalten zugleich die Ungleichbehandlung von Personengruppen, kommt es insb. darauf an, ob eine Gruppe von Steuerschuldnern ohne hinreichenden sachlichen Grund stärker belastet wird als eine andere und dadurch in eine empfindlich ungünstigere Wettbewerbslage gerät, so dass die gesetzlichen Auswirkungen weiter greifen, als es der die Verschiedenbehandlung legitimierende Zweck rechtfertigt, und schutzwürdige Belange der Nichtbegünstigten ohne hinreichenden sachlichen Grund vernachlässigt werden.14 Bei den mehr oder weniger verlautbarten Motiven der Steuerbefreiungen des § 3 GewStG handelt es ich sich durchgängig um Gemeinwohlinteressen. Andererseits sind die Befreiungen nicht verfassungsrechtlich geboten.

11

Der Normzweck besteht jedenfalls nicht darin, dass die Steuerbefreiungen die Steuerschuld und Steuerschuldnerschaft, damit zumeist auch die Deklarationspflicht entfallen lassen und die Beteiligten entlasten.15 Dies ist bloße Folge der Befreiungen.

12

Finanzrechtlich handelt es sich bei vielen Steuerbefreiungen i.S.d. § 3 GewStG um Steuervergünstigungen in Form von Subventionen gem. § 12 StabG.16 Dies sind steuerrechtliche Sonderregelungen, die sich um mittel- oder unmittelbar einzelne Sektoren oder Teilbereiche der Wirtschaft begünstigen. Steuervergünstigungen sind auch unmittelbar wirkende Sonderregelungen, die die Wirtschaft insgesamt gegenüber der Allgemeinheit begünstigen. Sie wirken sich wie Ausgabenprogramme aus und bedürfen stets einer besonderen Rechtfertigung und einer regelmäßigen Erfolgskontrolle.17

13

Europarechtlich dürfen die Steuerbefreiungen des § 3 GewStG keine unzulässige Beihilfe darstellen (Art. 107 AEUV).18 Auch hier muss eine Wettbewerbsbeeinträchtigung vorliegen. Bisher haben EU-Kommission und EuGH hierzu noch keine Feststellungen getroffen.

14

frei

15–19

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Monopolartige staatliche Unternehmen (Nr. 1) § 3 Nr. 1 GewStG regelt abschließend subjektive Steuerbefreiungen für bestimmte (monopolartige) öffentliche bzw. öffentlich-rechtliche Unternehmen vornehmlich des Bundes und

12 BVerfG v. 22.2.2011 –1 BvR 699/06, BVerfGE 128, 226. 13 BVerfG v. 6.12.1983 – 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325 (354); BFH v. 27.8.1996 – VII R 14/95, BFHE 181, 243. 14 BVerfGE v. 11.2.1992 – BvL 29/87, BVerfGE 85, 238 (245). 15 So aber Trinks in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 3 GewStG Rz. 2. 16 Zu einer Liste BMF, 27. Subventionsbericht des Bundes, 2019, S. 326 ff. 17 BMF, 27. Subventionsbericht des Bundes, 2019, S. 9. 18 Näher Rüsch in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 3 GewStG Rz. 20.

175

20

GewStG § 3 Rz. 21 | Befreiungen der Länder (einschl. der Kommunen): das Bundeseisenvermögen,19 staatliche Lotterieunternehmen, öffentlich zugelassene Spielbanken hinsichtlich ihrer Spielbankabgabe und der Erdölbevorratungsverband.20 Abgesehen von den zugelassenen Spielbanken mit ihren der Spielbankabgabe unterliegenden Tätigkeiten stimmt die Vorschrift mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 KStG überein. 21

Begünstigt sind nach Auffassung der Rechtsprechung nur „staatliche“ Lotterieunternehmen in öffentlich-rechtlicher Form, z.B. Betriebe gewerblicher Art sowie eine Anstalt des öffentlichen Rechts.21 Einnehmer einer staatlichen Lotterie (z.B. Betreiber von Lotto-Annahmestellen) sind gem. § 13 GewStDV grds. gewerbesteuerfrei, auch wenn es sich i.S.d. Einkommensteuerrechts um einen Gewerbebetrieb handelt.22

22

Die Errichtung und der Betrieb von öffentlichen Spielbanken bedürfen der staatlichen Konzessionierung. Rechtsform und Rechtsträger sind nicht vorgeschrieben. Die „Casinos“ befinden sich teilweise in öffentlicher Hand in Form vom privatrechtlichen Gesellschaften, teilweise sind sie materiell privatisiert. In NRW hält die ihrerseits steuerfreie NRW. Bank bislang die Anteile. Gewerbesteuerfrei sind nur (Spiel-)Tätigkeiten, die auch der Spielbankabgabe unterliegen. Diese gesetzliche Steuerbefreiung hat das JStErgG 199623 eingeführt. Dem liegt die vorkonstitutionelle Vorstellung zugrunde, dass mit der Zahlung der Spielbankabgabe andere Steuern des Unternehmens abgegolten sind. Entsprechende Befreiungen bei anderen Steuern (z.B. Körperschaftsteuer) sollen entbehrlich sein, da § 6 Abs. 2 der Verordnung über öffentliche Spielbanken gem. Art. 125 GG als Bundesrecht fortgilt.24 Das Aufkommen der Steuer steht den Ländern zu (Art. 106 Abs. 2 Nr. 5 GG), die einen Anteil an die Standortgemeinden weiterreichen, während die Gewerbesteuer den Gemeinden zusteht (Art. 106 Abs. 6 GG). Nicht begünstigt ist eine Bar in einer Spielbank.25

23–24

frei

II. Finanzpolitische Befreiungen 1. Staatliche Kreditinstitute (Nr. 2) 25

Befreit sind in Übereinstimmung mit der Körperschaftsteuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 KStG neben der deutschen Bundesbank die dort aufgeführten öffentlich-rechtlichen Kreditanstalten des Bundes sowie zentrale Kreditinstitute der Länder. Alle Banken haben eine gesetzliche Grundlage. Es handelt sich Kreditinstitute i.S.d. des KWG und oftmals um rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts mit einem bestimmten Anstaltszweck und einer Satzung. Anteileigner sind oft Bund und/oder Länder. Im Schwerpunkt übernehmen sie Finanzierungen von Privaten, Unternehmen und Kommunen für alle Teilbereiche der Wirtschaft. Die Aufzählung ist abschließend. Konkurrenzlagen zu privaten Banken sind möglich. 2. Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (Nr. 3)

26

Die Vorschrift entspricht § 5 Abs. 1 Nr. 2a KStG. Die bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts ist Rechtsträger der früheren Treuhandanstalt. 19 Es handelt sich um einen Wirtschaftsbetrieb des Bundes, Art. 87e Abs. 3 GG; Art. 1 ENeuOG v. 27.12.1993, BGBl. I 1993, 2378. 20 Der Erdölbevorratungsverband ist eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts, § 1 Gesetz v. 16.1.2012, BGBl. I 2012, 74, zuletzt geändert durch Gesetz v. 9.12.2019, BGBl. I 2019, 2101. 21 BFH v. 19.11.1985 – VIII R 310/83, BStBl. II 1986, 719; ebenso H 3.1 GewStH 2016. 22 BFH v. 24.10.1984 – I R 158/81, BStBl. II 1985, 223; näher H 3.1 GewStH 2016. 23 Gesetz v. 18.12.1995, BGBl. I 1995, 1959. 24 BR-Drucks. 171/2/95, 138; Rechtsgrundlagen der Spielbankabgabe sind: das Gesetz v. 27.7.1938, RGBl. I 1938, 955 mit der VO v. 27.7.1938, RGBl. I 1938, 955 und die Spielbankgesetze der Länder; zudem bestehen vertragliche Vereinbarungen 25 BFH v. 30.10.2014 – IV R 2/11, BStBl. II 2015, 565.

176

Befreiungen | Rz. 35 § 3 GewStG

3. Geldsicherung (Nr. 21) Befreit sind auch Entschädigungs- und Sicherungseinrichtungen der Kreditwirtschaft zum Schutz von Einlagen umd Anlagen (§ 3 Nr. 21 GewStG). Die Vorschrift entspricht § 5 Abs. 1 Nr. 16 KStG.

27

4. Bürgschaftsbanken (Nr. 22) Befreit sind auch bestimmte Bürgschaftsbanken. Die Vorschrift entspricht § 5 Abs. 1 Nr. 17 KStG. Dies sind Selbsthilfeeinrichtungen der Wirtschaft zur Sicherung der Kapitalversorgung. frei

28

29–30

III. Agrarpolitische Befreiungen 1. Realgemeinden (Nr. 5) Realgemeinden sind Personenzusammenschlüsse nach altem, heute noch fortbestehendem Genossenschaftsrecht, bei denen mit der Mitgliedschaft das Recht auf gemeinsame landund forstwirtschaftliche Nutzung von Grund- und Boden im Wege der Selbstbewirtschaftung verbunden ist. Die zugrundeliegende Idee der Allmende stellt eine Form des gemeinschaftlichen Eigentums dar. Die Mitgliedschaft in der Realgemeinde knüpft regelmäßig an den Besitz von Grund- und Boden bzw. an den Wohnsitz von erwachsenen Personen in einer bestimmten Gemeinde an. Die Steuerbefreiung ist entsprechend § 3 Nr. 2 KStG auf die land- und forstwirtschaftliche Nutzung des Grund und Bodens beschränkt. Gewerbebetriebe einer Realgemeinde, die über den Rahmen eines Nebenbetriebs hinausgehen, sind nicht von der Gewerbesteuer befreit.

31

2. Betriebe der Hochsee- und Küstenfischerei (Nr. 7) Binnenfischerei (Fischerei auf Flüssen und Seen einschließlich der Teichwirtschaft) gehört zur Land- und Forstwirtschaft und unterliegt daher nur der Gewerbesteuer, wenn sie in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben wird. Die Hoch- und Küstenfischerei unterliegt hingegen grds. der Gewerbesteuer.

32

Mit der Steuervergünstigung nach § 3 Nr. 7 GewStG werden kleinere und mittlere Unternehmen der Hochsee- und Küstenfischerei von der Gewerbesteuer befreit. Dadurch soll die Existenz der häufig in Konkurrenz zu größeren Unternehmen stehenden Betriebe gesichert werden. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass die für den Fischfang eingesetzten Schiffe eine eigene Triebkraft von weniger als 100 Pferdestärken haben oder von dem Unternehmen weniger als sieben Arbeitnehmer i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 LStDV beschäftigt werden. Wird die Arbeitnehmerzahl von sieben zeitweise erreicht bzw. überschritten, so kann dies durch eine entsprechend geringere Anzahl von Arbeitnehmern in anderen Zeiten des Jahres ausgeglichen werden.

33

Nebentätigkeiten, z.B. Angelfahrten, stehen der sachlichen Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 7 GewStG nicht entgegen, solange der Betrieb als solcher seinen Charakter als Hochsee- und Küstenfischereibetrieb nicht einbüßt.26 Die Erträge aus den Nebentätigkeiten sind nicht von der Gewerbesteuer befreit.

34

3. Genossenschaften (Nr. 8, 14) Nach § 3 Nr. 8 GewStG sind Nutzungs-, Dienst- und Werkleistungs-, Verwertungs- und Beratungsgenossenschaften sowie entsprechende Vereine i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 14 KStG 26 BFH v. 19.7.1978 – I R 118/76, BStBl. II 1979, 49.

177

35

GewStG § 3 Rz. 36 | Befreiungen befreit, die auf dem Gebiet der Land- und Forstwirtschaft tätig sind. Hierzu zählen z.B. Genossenschaften, die ihren Mitgliedern land- und forstwirtschaftliche Betriebseinrichtungen oder Betriebsgegenstände zur gemeinschaftlichen Nutzung zur Verfügung stellen. Die Steuerbefreiung in § 5 Abs. 1 Nr. 14 KStG stellt im Wesentlichen auf die Art der Erzeugnisse ab, auf die sich die dort genannten Tätigkeiten beziehen sowie auf die Zuordnung zum Bereich der Land- und Forstwirtschaft. Die Gewerbesteuerfreiheit tritt ein, soweit die Körperschaftsteuerfreiheit reicht. 36

Wenn an landwirtschaftliche Genossenschaften (vormals: Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften27) bzw. Vereinen von ihren Mitgliedern Flächen oder Gebäude überlassen werden, kommt eine Befreiung nach § 3 Nr. 14 GewStG in Betracht.

37

Nach § 3 Nr. 12 GewStG ist die gemeinschaftliche Tierhaltung i.S.d. § 51a BewG durch Mitunternehmergemeinschaften und durch Genossenschaften (Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften) befreit. Ab EZ 2025 werden die Wörter „§ 51a des Bewertungsgesetzes“ durch die Wörter „§ 13b des Einkommensteuergesetzes“ ersetzt werden.28

4. Tierhaltung (Nr. 12)

5. Siedlungsunternehmen (Nr. 17) 38

Die Regelung befreit gemeinnützige Siedlungsunternehmen i.S.d Reichssiedlungsgesetzes von der Gewerbesteuer, soweit sie Siedlungsmaßnahmen, Maßnahmen der Agrarstrukturverbesserung oder der Landesentwicklung im ländlichen Raum durchführen. Sie entspricht § 5 Abs. 1 Nr. 12 KStG.

39

frei

IV. Körperschaften mit gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken (Nr. 6) 40

Gewerbesteuerbefreit sind (körperschaftsteuerpflichtige) Körperschaften u.a. i.S.d. § 1 KStG, die steuerbegünstigte Zwecke verfolgen. Die Vorschrift entspricht § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG. Es handelt sich um eine persönliche Befreiung.29 Die Voraussetzungen ergeben sich aus §§ 52 bis 63 AO. Aus Wettbewerbsgründen sind wirtschaftliche Geschäftsbetriebe (§ 64 AO) des Unternehmens steuerpflichtig, soweit sie keinen sog. Zweckbetrieb (§ 65 bis 68 AO) unterhalten. Nicht begünstigt sind natürliche Personen und Personengesellschaften.

41

Die Regelungen der §§ 64 bis 68 AO sind, im Gegensatz zu §§ 51–63 AO, auch drittschützende Normen,30 die ein Mitbewerber im Weg der Konkurrentenklage geltend machen kann. Wird daher ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu Unrecht nicht besteuert, kann dies die Rechte von Mitbewerbern verletzen. § 65 Nr. 3 AO enthält eine ausdrückliche Konkurrenzklausel. Konkurrent kann ein anderes privates Unternehmen sein, begünstigt kann ein privates oder öffentliches Unternehmen sein. Bedeutung hat die Konkurrentenklage auch im teilharmonisierten Umsatzsteuerrecht,31 wenn die öffentliche Hand wirtschaftlich und gemeinnützig tätig wird. Der Anspruch des Konkurrenten richtet sich (trotz Steuergeheimnis) 27 Siehe Art. 8 Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 12.12.2019, BGBl. I 2020, 2451 m.W.v. 18.12.2019. 28 Art. 9 i.V.m. Art. 36 Abs. 6 Gesetz v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451, in Kraft getreten am 13.12.2019. 29 BFH v. 7.8.2002 – I R 84/01, BFH/NV 2003, 277. 30 BFH v. 18.9.2007 – I R 30/06, BStBl. II 2009, 126; v. 15.10.1997 – I R 10/92, BStBl. II 1998, 63; v. 26.1.2012 – VII R 4/11; BStBl. II 2012, 541. Zur Frage, ob ein schädlicher wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten wird FG Düsseldorf v. 3.9.2019 – 6 K 3315/17 K, G, EFG 2002, 65, Rev. BFH V R 49/19. 31 EuGH v. 8.6.2006 – C 430/04, Feuerbestattungsverein Halle, DStR 2006, 1082.

178

Befreiungen | Rz. 50 § 3 GewStG

auf staatliche Auskunft über die Besteuerung und eine wettbewerbsneutrale Besteuerung, eine Gleichbehandlung im Unrecht besteht nicht. Regelmäßig wird, bei einem bestehenden Wettbewerbsverhältnis, die rechtswidrige Nicht- oder Niedrigbesteuerung des begünstigten Unternehmen, bereits einen Wettbewerbsnachteil des Konkurrenten begründen.32 Das Marktverhaltensrecht (das WIE) regelt das UWG, zuständig sind hier die Zivilgerichte.33 Im Recht der steuerbegünstigen Zwecke (§§ 51–68 AO) stehen gemeinnützige Zwecke (§ 52 AO) im Vordergrund. Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Daneben kann eine Körperschaft auch mildtätige und kirchliche Zweck verfolgen. Eine Körperschaft verfolgt mildtätige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, Personen selbstlos zu unterstützen, auf die Hilfe anderer angewiesen sind (vgl. § 53 AO). Eine Körperschaft verfolgt kirchliche Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, eine Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, selbstlos zu fördern (§ 54 AO).

42

Begünstigt sind juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht als solche,34 wiewohl sie gemeinwohlgebunden handeln. Sie sind aber grds. begünstigt, wenn und soweit sie eigenwirtschaftlich in Form von Betrieben gewerblicher Art (BgA) oder als Eigengesellschaften bzw. gemischt-öffentliche Unternehmen tätig werden.35 Dies folgt auch aus § 51 Abs. 1 Satz 2 AO, der auf § 1 KStG verweist. Eine Eigengesellschaft (hier: GmbH) einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (hier: Landkreis) kann nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GewStG steuerbegünstigt sein. Das gilt auch, soweit sie in die Erfüllung hoheitlicher Pflichtaufgaben der Trägerkörperschaft (hier: Durchführung des bodengebundenen Rettungsdiensts) eingebunden ist.36

43

Bei mehreren Betrieben ist jeder Betrieb begünstigt.37 Da ein BgA nach Auffassung des BFH38 keine Rechts- und Handlungsfähigkeit besitzt, ist hier die juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Ergebnis doch Subjekt der Gemeinnützigkeit.

44

Durch ihre Tätigkeit, Lebensmittel (u.U. auch in geringerem Umfang Artikel des täglichen Bedarfs) unentgeltlich an Bedürftige (§ 53 AO) abzugeben, erfüllen die Tafeln gemeinnützige Zwecke i.S.d. § 52 Abs. 2 Nr. 9 AO (Förderung des Wohlfahrtswesens) sowie mildtätige Zwecke i.S.d. § 53 AO. Sie sind bei Vorliegen der übrigen gemeinnützigkeitsrechtlichen Voraussetzungen der §§ 52 ff. AO gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer und von der Gewerbesteuer befreit. Geben die Tafeln Lebensmittel gegen einen Kostenbeitrag ab, begründen sie damit einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Dieser ist als Zweckbetrieb unter den Voraussetzungen des § 66 AO (Einrichtung der Wohlfahrtspflege) ebenfalls von der Körperschaftsteuer befreit.39

45

frei

46–49

V. Sozialpolitische Befreiungen 1. Versorgungseinrichtungen (Nr. 9) Befreit sind bestimmte Versorgungskassen, soweit sie von der Körperschaftsteuer befreit sind. Die Befreiung entspricht der körperschaftsteuerlichen Befreiungsregelung in § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 6 KStG, auf die das Gesetz verweist. Die persönlichen und sachlichen Vorausset32 Ähnlich Güroff in Glanegger/Güroff10, § 3 Nr. 6 GewStG Rz. 319 m.w.N.; strenger BFH v. 15.10.1997 – I R 10/92, BStBl. II 1998, 63 bereits für die Klagebefugnis. 33 BGH v. 2.12.2009 – I ZR 152/97, DB 2010, 1285. 34 AEAO zu § 51 Nr. 1 Abs. 1. 35 Näher Güroff in Glanegger/Güroff10, § 3 Nr. 6 GewStG Rz. 22 f. (str.) . 36 BFH v. 27.11.2013 – I R 17/12, BStBl. II 2016, 68. 37 AEAO zu § 59 Nr. 2. 38 BFH v. 13.3.1974 – I R 7/71, BStBl. II 1974, 391; v. 15.3.1995 – I R 61/94, BFH/NV 1997, 625 (str.). 39 Näher Landesamt für Steuern Nds. v. 19.5.2021 – S 2223-324-St 235, S 7100-674-St 171, S 0185-7St 245, G 1412-27-St 251.

179

50

GewStG § 3 Rz. 51 | Befreiungen zungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG müssen für Zwecke der Gewerbesteuer erfüllt sein. Befreit sind Pensions-, Sterbe- und Krankenkassen sowie Unterstützungskassen, nicht aber Pensionsfonds.40 Erwirtschaften die Kassen ein zu „hohes“ Vermögen, sind sie nach § 5 Abs. Nr. 3, § 6 Abs. 1 KStG partiell steuerpflichtig. 2. Berufsständische Pflichteinrichtungen (Nr. 11) 51

Die Regelung befreit öffentlich-rechtlich organisierte und pflichtige Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen bestimmter Berufsgruppen („Freiberufler“, Kammerberufe) von der Gewerbesteuer. Die Voraussetzungen für die Gewerbesteuerbefreiung stimmen mit den Voraussetzungen für die Körperschaftsteuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG sachlich überein. Die Steuerbefreiung stellt die berufsständischen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen mit der als Hoheitsbetrieb nicht gewerbesteuerpflichtigen Sozialversicherung gleich.41 Sofern erstere „hoheitlich“ tätig werden, ist die Steuerbefreiung ohnehin deklaratorisch. Über den Rahmen der Sozialversicherung hinaus besteht Steuerfreiheit, wenn sich die Beiträge höchstens nach der doppelten Beitragsbemessungsgrundlage in der allgemeinen Rentenversicherung richten. Öffentlich-rechtliche Versorgungseinrichtungen sind auch mit denjenigen gewerblichen Einkünften von der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer befreit, die sie aus den gesetzlich erlaubten Anlagen ihres Vermögens erzielen.42

52

Die umfassende Steuerfreistellung auch für Erträge, die für sich besehen steuerpflichtig wären, führt zwar zu Wettbewerbsbeeinträchtigungen; ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG soll aber nicht vorliegen. Die Steuerbefreiung ist auch keine mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe i.S. des Art. 107 AEUV.43 3. Vermietungsgenossenschaften und -vereine (Nr. 15)

53

Gewerbesteuerfrei sind Vermietungsgenossenschaften und -vereine, soweit sie von der Körperschaftsteuer nach § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG befreit sind. Ziel ist es, preisgünstigen Wohnraum zu schaffen.44 Begünstigt ist die Vermietung von Wohnraum nur an ihre Mitglieder sowie der Erwerb und die Herstellung von Wohnungen. § 5 Abs. 1 Nr. 10 Sätze 2 ff. KStG enthalten verschiedene Einschränkungen und Erweiterungen. Die Regelung dient der Schaffung von Wohnraum.

54

Genossenschaften sind Erwerbs-, Wirtschafts- und Europäische Genossenschaften. Kapitalgesellschaften sind nicht begünstigt. Ggf. ist die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG anwendbar.45 4. Pensionssicherung (Nr. 19)

55

Gewerbesteuerfrei ist der Pensions-Sicherungsverein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (§ 14 BetrAVG) als Träger der sozialrechtlichen Insolvenzversicherung (§ 3 Nr. 19 GewStG). Voraussetzung ist, dass seinerseits die strengen Voraussetzungen des korrespondierenden § 5 Nr. 15 KStG erfüllt sind. Die Regelung dient neben sozialpolitischen Zwecken auch der Gleichbehandlung mit den Pensionskassen (§ 3 Nr. 9 GewStG).

40 41 42 43 44 45

180

Zu Letzteren Güroff in Glanegger/Güroff10, § 3 Nr. 9 GewStG Rz. 344. BFH v. 9.2.2011 – I R 47/09, BStBl. II 2012, 601. BFH v. 9.2.2011 – I R 47/09, BStBl. II 2012, 601. BFH v. 9.2.2011 – I R 47/09, BStBl. II 2012, 601. BT-Drucks. 11/2157, 209. Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 3 Nr. 15 GewStG Rz. 17 f.

Befreiungen | Rz. 61 § 3 GewStG

5. Krankenversorgung usw. (Nr. 20) Die Befreiung der genannten Einrichtungen dient der Verbesserung der Versorgungsstrukturen im Gesundheitssystem und der Entlastung der Träger der Sozialversicherungen.46 Im KStG fehlt allerdings eine entsprechende Steuerbefreiung. Die Tatbestandsbegriffe bestimmen sich im Wesentlichen nach dem Sozialrecht.47 Sofern die Einrichtungen zusätzlich gemeinnützig sind, sind sie bereits nach § 3 Nr. 6 GewStG steuerbefreit. Eine rechtliche Bindung an eine Befreiung von der Umsatzsteuer (§ 4 Nr. 14 UStG) besteht nicht.48 Befreit sind nur die (und alle) aus dem Betrieb der genannten Einrichtungen erzielten Erträge. Eine Soweit-Klausel fehlt hier. Die Einrichtungen sind nicht gleichzusetzen mit ihren privaten und staatlichen Trägern.49

56

Bis einschließlich 2014 begünstigte § 3 Nr. 20 GewStG nur stationäre Einrichtungen (Krankenhäuser, Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeeinrichtungen). Ab dem EZ 2015 werden Einrichtungen zur ambulanten Rehabilitation in die Gewerbesteuerbefreiung einbezogen und damit den stationären Einrichtungen gleichgestellt. Befreit ist der Gewerbeertrag, der aus der eigentlichen Tätigkeit resultiert. Ein nicht begünstigter Teil, z.B. aus Getränkeund Speiseverkauf an Besucher, unterliegt der Gewerbesteuer.

57

Die in § 3 Nr. 20 GewStG aufgeführten Einrichtungen der juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind von der Gewerbesteuer nach § 3 Nr. 20 Buchst. a GewStG ohne weiteres befreit. Befreit sein soll nur der unmittelbare Betrieb, nicht dagegen eine (privatrechtliche) Eigengesellschaft in vollständiger Anteilsherrschaft der juristischen Person des öffentlichen Rechts.50 Dazu gehören namentlich Einrichtungen der Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände), aber auch öffentlich-rechtliche Kirchen oder Krankenkassen. Der verwaltungs- und organisationsrechtliche Begriff der Einrichtung trifft aber keine Aussage über den Träger und die Rechtsform der Einrichtung. Entscheidend ist letztlich die Entlastung der Sozialversicherungsträger.

58

Soweit Einrichtungen von anderen Trägern betrieben werden, sind die Einrichtungen nur unter denen in § 3 Nr. 20 Buchst. b bis e GewStG genannten Bedingungen steuerfrei. Sie können aber auch nach § 3 Nr. 6 GewStG steuerbegünstigt sein. Auf die Rechtsform der Einrichtung kommt es nicht an.51 Der Begriff des Krankenhauses ergibt sich aus § 107 Abs. 1 SGB V sowie § 2 Nr. 1 KHG. Krankenhäuser sind Einrichtungen, in denen durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten, Leiden oder Körperschäden festgestellt, geheilt oder gelindert werden sollen oder Geburtshilfe geleistet wird und in denen die zu versorgenden Personen untergebracht und verpflegt werden können. Für Entbindungsheime oder Geburtshäuser gilt die Steuerbefreiung daher nur, wenn sie unter ärztlicher Leistung stehen.52 Zusätzlich müssen die Voraussetzungen des § 67 AO erfüllt sein.

59

Die Gewerbesteuerbefreiung des § 3 Nr. 20 Buchst. c und d GewStG umfasst nur Tätigkeiten, die für den Betrieb einer der dort aufgeführten Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeeinrichtungen notwendig sind. Nicht erfasst von der Steuerbefreiung werden daher Überschüsse aus Tätigkeiten, die bei einer von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft als steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe zu behandeln sind.53

60

Nicht begünstigte Tätigkeiten lassen die Steuerbefreiung unberührt. Ein Krankenhaus etwa, das nach § 3 Nr. 20 GewStG von der Gewerbesteuer befreit ist, wird nicht dadurch gewerbesteuerpflichtig, dass es, ohne sein Wesen als Krankenhaus zu ändern, noch an einem

61

BFH v. 22.10.2003 – I R 65/02, BStBl. II 2004, 300. BFH v. 9.9.2015 – X R 2/13, BStBl. II 2016, 286. BFH v. 29.9.2020 – VII R 10/17, BFHE 270, 435. FG Münster v. – 9 K 5258/07, EFG 2011, 70. So Güroff in Glanegger/Güroff10, § 3 Nr. 20 GewStG Rz. 430. R 3.20 Abs. 2 Satz 2 GewStR 2009. FinMin. Thür. v. 28.1.2021 – G 1412-A-04-24.11, 11404/2021. Zu Beteiligungen eines Krankenhauses und zur Merkmalserstreckung bei Betriebsaufspaltung H 3.20 GewStH 2016. 53 BFH v. 22.6.2011 – I R 43/10, BStBl. II 2011, 892. 46 47 48 49 50 51 52

181

GewStG § 3 Rz. 62 | Befreiungen anderen gewerblichen Betrieb beteiligt ist.54 Diese und auch andere Tätigkeiten im Rahmen der Buchst. c bis e partiell steuerpflichtig.55 62

Ein Dialysezentrum zählt nicht zu in den Buchst. b bis d genannten Einrichtungen. Auch § 3 Nr. 20 Buchst. e GewStG dürfte auf ein Dialysezentrum nicht anwendbar sein. Steuerfreiheit kann daher nur erreicht werden, wenn die behandelnden Ärzte ein ambulantes Dialysezentrum in eigener Praxis betreiben.

63

Teilstationäre Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen (Buchst. e) fielen bereits vor 2015 unter den Voraussetzungen der §§ 107, 111 SGB V (u.a. Versorgungsverträge mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkasse) unter die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 GewStG. Ambulante Versorgungseinrichtungen kamen bis 2014 nie in den Genuss der Steuerbefreiung.56 Mit § 3 Nr. 20 Buchst. e GewStG wurde ab dem EZ 2015 eine Steuerbefreiungsvorschrift geschaffen, die ambulante und stationäre Rehabilitationseinrichtungen gleichermaßen betrifft. Die Steuerbefreiung ist dabei auf den in § 3 Nr. 20 Buchst. e Satz 2 GewStG festgelegten Umfang beschränkt. Erbringt die Rehabilitationseinrichtung auch ärztlich vermittelte Heilmittelleistungen nach § 32 SGB V (ärztlich verordnete Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen, z.B. Massagen, Physiotherapieleistungen) oder auch Leistungen zur primären Prävention nach § 20 SGB V, so kommt insoweit eine Gewerbesteuerbefreiung nicht in Betracht.

64

Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 GewStG gilt nicht für Rettungsdienste und Krankentransporte.57 Eine Diplomsozialarbeiterin, die im Rahmen der ambulanten Eingliederungshilfe behinderte und kranke Menschen bei einer selbstbestimmten Lebensführung unterstützt, erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Annahme einer ambulanten Pflegeeinrichtung.58 Die in den Buchstaben a bis e angeführten Steuerbefreiungen in § 3 Nr. 20 GewStG beschränken auf die konkrete, sachlich begünstigte Tätigkeit. Von der Steuerbefreiung nicht erfasst wird ein Veräußerungsgewinn nach § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG.59 Einschränkungen bestehen bei ärztlichen Wahlleistungen. 60 6. Versorgungszusammenschlüsse (Nr. 27)

65

Gewerbesteuerfrei sind die Zusammenschlüsse bestimmter Körperschaften (u.a. juristischer Personen des öffentlichen Rechts) und Personenvereinigungen, die finanzielle Lasten von Versorgungszusagen an Arbeitnehmer ausgleichen sollen. Voraussetzung ist eine Befreiung von der Körperschaftsteuer gem. § 5 Abs. 1 Nr. 20 KStG. Nicht begünstigte Tätigkeiten führen zum vollständigen Ausschluss der Befreiung. 7. Medizinische Dienste (Nr. 28)

66

Gewerbesteuerfrei sind die Zusammenschlüsse der Arbeitsgemeinschaften Medizinischer Dienst der Krankenkassen (§ 278 SGB V) und der Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen (§ 282 SGB V). Beide sind (zumeist) zivilrechtlich61 organisiert. Voraussetzung ist eine Befreiung von der Körperschaftsteuer gem. § 5 Abs. 1 Nr. 21 KStG. Eine Anerkennung als gemeinnützig scheidet aus.62 Die Ausübung nicht begünstigter Tätigkeiten führt zur partiellen Steuerpflicht.

54 55 56 57 58 59 60 61 62

182

RFH v. 25.11.1942 – VI 226/42, RStBl. 1943, 43; H 3.20 GewStH 2016. Ebenso Rüsch in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 3 Nr. 20 GewStG Rz. 8 m.w.N. R 3.20 Abs. 4 GewStR 2009; BFH v. 22.10.2003 – I R 65/02, BStBl. II 2004, 300. BFH v. 18.9.2007 – I R 30/06, BStBl. II 2009, 126. BFH v. 29.9.2020 – VIII R 10/17, BFHE 270, 435. BayLfSt v. 4.2.2021 – G 1412.1.1-8/2 St32. BFH v. 2.10.2003 – IV R 48/01, BStBl. II 2004, 363. Rüsch in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 3 Nr. 28 GewStG Rz. 3 f. Rüsch in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 3 Nr. 28 GewStG Rz. 1.

Befreiungen | Rz. 73 § 3 GewStG

8. Einrichtungen für tarifvertragliche Leistungen (Nr. 29) Gewerbesteuerfrei sind gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien (§ 4 Abs. 2 TVG), die als „Kassen“ Fürsorgeleistungen an ihre Arbeitnehmer und die Hinterbliebenen erbringen. Dies betrifft etwa Wintergeld.63 Voraussetzung ist eine Befreiung von der Körperschaftsteuer gem. § 5 Abs. 1 Nr. 22 KStG, der eine Wettbewerbsklausel enthält. Einkünfte aus nicht begünstigten Tätigkeiten führen zur partiellen Steuerpflicht. frei

67

68–69

VI. Wirtschaftspolitische Befreiungen 1. Vermögensverwaltung für Berufsverbände (Nr. 10) Begünstigt sind (nur) Körperschaften und Personenvereinigungen (§ 1 Abs. 1 KStG), deren Hauptzweck die Verwaltung des Vermögens für einen nichtrechtsfähigen, privatrechtlichen Berufsverband ist. Es muss um Berufsverbände i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG handeln. Die Vorschrift entspricht § 5 Abs. 1 Nr. 6 KStG, der seinerseits auf § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG verweist. Typische Berufsverbände in Form von Vereinen sind hier: Arbeitgeberverbände, Lohnsteuerhilfevereine. Ungeschriebene Voraussetzung ist, dass der Berufsverband im öffentlichen Interesse tätig ist.64 Unwesentliche Erträge aus anderen Tätigkeiten sind unschädlich, sofern sie ausschließlich dem Berufsverband zufliessen.65

70

2. Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsunternehmen (Nr. 15, 17) Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaften, Siedlungsunternehmen und Vereine sind nach § 3 Nr. 15, 17 GewStG unter den dort aufgeführten Voraussetzungen befreit. § 3 Nr. 15 GewStG nimmt Bezug auf die Körperschaftsteuerbefreiung nach § 5 Nr. 10 KStG. Nicht begünstigte Einnahmen der Unternehmen von mehr als 10 % (§ 3 Nr. 15 GewStG) bzw. 50 % (§ 3 Nr. 17 GewStG) der gesamten Einnahmen führen zum Verlust der Steuerbefreiung. Bei geringeren nicht begünstigten Einnahmen besteht insoweit partielle Steuerpflicht.

71

3. Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (Nr. 23) Steuerfrei sind Unternehmensbeteiligungsgesellschaften, die nach dem UBGG anerkannt sind. Diese Regelung dient ebenso wie das UBGG der Förderung der Eigenkapitalausstattung mittelständiger, nicht börsennotierter Unternehmen und ihrer (privaten) Anleger.66 Eine vergleichbare Befreiung im KStG besteht nicht.

72

4. Kapitalbeteiligungsgesellschaften (Nr. 24) Steuerfrei sind bestimmte, abschließend benannte Kapitalbeteiligungsgesellschaften der Länder oder der Wirtschaft. Die Regelung dient der Förderung des Mittelstandes.

63 § 102, §§ 354 ff. SGB III; der Verweis auf § 186a AFG ist überholt, Rüsch in Wendt/Suchanek/ Möllmann/Heinemann2, § 3 Nr. 29 GewStG Rz. 4. 64 BFH v. 28.1.1988 – V R 48/85, DB 1989, 156. 65 Zur Quantifizierung Rüsch in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 3 Nr. 28 GewStG Rz. 4. 66 BT-Drucks. 10/45551, 12 f.

183

73

GewStG § 3 Rz. 74 | Befreiungen 5. Wirtschaftsförderungsgesellschaften (Nr. 25) 74

Wirtschaftsförderungsgesellschaften sind nach § 3 Nr. 25 GewStG von der Gewerbesteuer befreit und nach § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG von der Körperschaftsteuer.67 Der dortige Tätigkeitskatalog hat grundsätzlich abschließenden Charakter.68 Wirtschaftsförderung setzt eine ausschließlich und unmittelbare Förderung von Unternehmen voraus.69 Eine Wirtschaftsförderungsgesellschaft, deren hauptsächliche Tätigkeit sich darauf erstreckt, Grundstücke zu erwerben, hierauf Gebäude nach den Wünschen und Vorstellungen ansiedlungswilliger Unternehmen zu errichten und an diese zu verleasen, ist nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 18 steuerbefreit.70 Die Veräußerung von Grundstücken an die öffentliche Hand kann steuerbegünstigt sein. Nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt es ausschließlich darauf an, dass das Vermögen und etwaige erzielte Überschüsse tatsächlich nur zur Wirtschaftsförderung verwendet werden. 6. Gesamthafenbetriebe (Nr. 26)

75

Befreit sind Gesamthafenbetriebe i.S.d. § 1 GHBetrG. Voraussetzung ist eine Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 19 KStG. Die Regelungen verfolgen wirtschafts- und sozialpolitische Ziele.71 7. Global Legal Entity Identifier Stiftung (Nr. 31)

76

Steuerfrei ist die Global Legal Entity Identifier Foundation, soweit sie von der Körperschaftsteuer befreit ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 24 KStG). Die 2014 begründete GLEIF ist eine supranationale gemeinnützige Organisation mit Hauptsitz in Basel, Schweiz und einer deutschen Niederlassung. Sie hat den Auftrag, eine weltweit nutzbare sowie öffentlich und kostenlos zugängliche Datenbank aufzubauen, zu unterhalten und fortzuentwickeln, die der Identifikation von Rechtspersonen mittels eines weltweit anzuwendenden Referenzcodes dient. Mit dem Referenzcode können an Finanzgeschäften beteiligte Rechtspersonen eindeutig identifiziert werden.72 Die Daten sind auch Grundlage für eine Unternehmensbasisdatenbank.73 8. Solaranlagen (Nr. 32)

77

§ 3 Nr. 32 GewStG enthält eine vereinfachende Steuerbefreiung für kleine Solaranlagenbetreiber, die typischerweise von Eigenheimbesitzern betrieben werden.74 Die Regelung gilt mit Wirkung ab dem EZ 2019. Die Steuerpflicht ergibt sich bei natürlichen Personen aus § 15 Abs. 2 EStG, falls überhaupt Gewinnerzielungsabsicht75 besteht. Auf die Rechtsform des Anlagebetreibers kommt es nicht. Hintergrund der Befreiungsnorm ist, dass u.a. natürliche Personen und Personenunternehmen gem. § 2 Abs. 1 IHKG Zwangsmitglied einer Industrie- und Handelskammer sind, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt werden. Von der Gewerbesteuer befreite Unternehmen unterliegen hingegen nicht der Kammermitgliedschaft.

78–79

frei

67 Zu den Voraussetzungen für die Steuerbefreiung BMF-Schreiben v. 4.1.1996, BStBl. I 1996, 54. 68 Zu Zweifelsfragen Landesamt für Steuern und Finanzen Sachsen v. 2.6.2021 – 211-S 2738/9/12021/25264. 69 BFH v. 26.2.2004 – I R 49/01, BStBl. II 2003, 723. 70 BFH v. 3.8.2005 – I R 37/04, BStBl. II 2006, 141. 71 Rüsch in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 3 Nr. 26 GewStG Rz. 1. 72 BT-Drucks. 18/3017, 51 f. 73 Gesetz v. 9.7.2021, BGBl. I 2021, 2506. 74 Näher BayLfSt v. 25.2.2021 – G 1412.1.1-7/5 St32. 75 Näher BMF v. 29.10.2021 – IV C 6 -S 2240/19/10006:006.

184

Befreiungen | Rz. 85 § 3 GewStG

VII. Bildungspolitische Befreiungen 1. Private Schulen usw. (Nr. 13) § 3 Nr. 13 GewStG befreit private Schulen (als Ersatzschulen i.S.d Art. 7 Abs. 4 GG) und andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen von der GewSt, soweit der steuerbare Gewerbebetrieb unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dient. Der Zweck der Befreiung ist bildungspolitischer Natur. Private Ausbildungseinrichtungen sollen ebenso wie gemeinnützige und freiberufliche Institute von der Gewerbesteuer freigestellt werden.76 Eine vergleichbare Befreiung im KStG besteht nicht. Der bisherige Verweis auf § 4 Nr. 21 (Buchst. a) UStG ist aus Gründen der Rechtssicherheit gestrichen worden. Die Verwaltungsgrundsätze sollen aber weiter anwendbar sein (Abschn. 4.21.1 ff. UStAE).77 Es muss sich um unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen bzw. Einkünfte handeln. Im Vordergrund steht die Allgemeinbildung oder die Berufsbildung.78 Zuständig für die Prüfung der Befreiung sind ausschließlich die Finanzbehörden, nicht die allgemeinen Landesbehörden. Eine partielle Gewerbesteuerpflicht ist möglich. Eine rechtliche Bindung an die Umsatzsteuerfestsetzung besteht schon aus unionsrechtlichen Gründen nicht.79

80

2. Auftragsforschung öffentlich-rechtlicher Einrichtungen (Nr. 30) Gewerbesteuerfrei ist die Auftragsforschung öffentlich-rechtlicher Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen. Voraussetzung ist die Befreiung von der Körperschaftsteuer (§ 5 Abs. 1 Nr. 23 KStG). Die Befreiung bezweckt die Gleichbehandlung mit gemeinnützigen, privatrechtlichen Einrichtungen gem. § 3 Nr. 6 GewStG i.V.m. § 68 Nr. 9 AO.80 Die Tatbestandsmerkmale beider Normen sind allerdings nicht identisch.

81

Begünstigt sind nur öffentlich-rechtliche Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen. Dies sind zunächst staatliche Hochschulen (Universitäten, Fachhochschulen und Akademien), jedenfalls soweit sie in der Trägerschaft von Bund, Ländern und Kommunen oder anderer juristischer Personen des öffentlichen Rechts stehen. Ihrer Rechtsform nach sind sie Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts. Voraussetzung ist an sich ihre Steuerbarkeit, d.h. es muss sich um Betriebe gewerblicher Art (§ 2 GewStDV, § 4 KStG) handeln. Auch kirchliche Einrichtungen (Art. 140 GG) kommen in Betracht. Privatrechtliche Einrichtungen sollen auch dann keine öffentlich-rechtlichen Einrichtungen sein, wenn sie in vollständigem Besitz einer juristischen Person des öffentlichen Rechts stehen.81 Die Formulierungen hier und in § 3 Nr. 20 Buchst. a GewStG sind mehrdeutig.

82

Tätigkeiten ohne Forschungsbezug sind nicht begünstigt. Dies („insoweit“) führt zu einer partiellen Steuerpflicht. Keine Forschungstätigkeit liegt vor, bei der Anfertigung von Prototypen, bei Routinemessungen, dem Routineeinsatz eines Ergebnisses und der Fertigung marktfähiger Produkte, bei der Anfertigung von Gutachten, in denen lediglich gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse verwertet werden, bei Tätigkeiten, die sich auf die Anwendung gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse beschränken, bei der Übernahme von Projektträgerschaften (im Gegensatz zur „Projektförderung“) sowie bei wirtschaftlichen Tätigkeiten ohne Forschungsbezug, z.B. dem Betrieb einer Kantine.82 Die Grundlagenund Eigenforschung ist traditionell hoheitlich und ohnehin nicht steuerbar.83

83

frei 76 77 78 79 80 81 82 83

84–85 BFH v. 14.4.1993 – I R 33/92, BStBl. II 1993, 764. H 3.13 GewStH 2016; zur Abgrenzung LfSt Nds. v. 16.6.2020 – G 1410-10-St 251. Zu Beispielen Rüsch in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 3 Nr. 13 GewStG Rz. 10 f. BFH v. 12.12.1985 – VIII R 149/76, BStBl. II 1985, 746. BT-Drucks. 15/1945, 12. Rüsch in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 3 Nr. 30 GewStG Rz. 3. BMF v. 22.9.1999, BStBl. I 1999, 944. Hidien in Hidien/Jürgens, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, 2017, § 4 Rz. 1130.

185

GewStG § 3 Rz. 86 | Befreiungen

VIII. Befreiungen außerhalb des Gewerbesteuergesetzes 86

Außerhalb des Gewerbesteuergesetzes bestehen eine Reihe weiterer Steuerbefreiungen. Diese Regelungen sind im Rahmen des Gewerbesteuergesetzes anzuwenden (R 3.0.GewStR 2009). Hierzu gehören Befreiungen für Einnehmer staatlicher Lotterien gem. § 13 GewStDV (s. § 3 Nr. 1), Wasserkraftwerke gem. § 6 VO über die steuerliche Begünstigung von Wasserkraftwerken,84 kleinere Körperschaften,85 kleinere Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit,86 Investmentgesellschaften gem. § 11 Investmentsteuergesetz,87 European Transonic Windtunnel GmbH,88 Unterstützungskassen der ehemaligen Deutschen Bundespost,89 Ausgleichskassen der Tarifvertragsparteien,90 der Finanzmarkt- und Wirtschaftsstabilisierungsfonds.91 Das Gesetz zur Schaffung deutscher Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen92 befreit die transparent besteuerte REIT-AG grundsätzlich von der Körperschaft- und Gewerbesteuer.

84 85 86 87 88 89

Vom 26.10.1944, RGBl. 1944, 278 i.d.F. des Gesetzes v. 16.8.1977, BGBl. I 1997, 1586. R 7.1 Abs. 1 GewStR 2009. § 12a GewStDV (vgl. § 5 Nr. 4 KStG). Gesetz v. 15.12.2003, BGBl. I 2003, 2676. VO v. 1.9.1989, BGBl. II 1989, 738. § 15 Gesetz v. 14.9.1994, BGBl. I 1994, 2325 i.d.F. des Art. 9 Gesetz v. 17.12.1997, BGBl. I 1997, 3108. 90 § 12 VRG. 91 § 14 StFG. 92 § 16 REITG v. 28.5.2007, BGBl. I 2007, 914.

186

§ 4 Hebeberechtigte Gemeinde (1) 1Die stehenden Gewerbebetriebe unterliegen der Gewerbesteuer in der Gemeinde, in der eine Betriebsstätte zur Ausübung des stehenden Gewerbes unterhalten wird. 2 Befinden sich Betriebsstätten desselben Gewerbebetriebs in mehreren Gemeinden oder erstreckt sich eine Betriebsstätte über mehrere Gemeinden, so wird die Gewerbesteuer in jeder Gemeinde nach dem Teil des Steuermessbetrags erhoben, der auf sie entfällt. (2) 1Für Betriebsstätten in gemeindefreien Gebieten bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung, wer die nach diesem Gesetz den Gemeinden zustehenden Befugnisse ausübt. 2Der in § 2 Absatz 7 Nummer 1 und 2 bezeichnete Anteil am Festlandsockel und an der ausschließlichen Wirtschaftszone ist gemeindefreies Gebiet. 3In Fällen von Satz 2 bestimmt sich die zuständige Landesregierung im Sinne des Satzes 1 unter entsprechender Anwendung des § 22a der Abgabenordnung. (3) 1Für Betriebsstätten im nicht zur Bundesrepublik Deutschland gehörenden Teil eines grenzüberschreitenden Gewerbegebiets im Sinne des § 2 Abs. 7 Nr. 3 ist die Gemeinde hebeberechtigt, in der der zur Bundesrepublik Deutschland gehörende Teil des grenzüberschreitenden Gewerbegebiets liegt. 2Liegt der zur Bundesrepublik Deutschland gehörende Teil in mehreren Gemeinden, gilt Absatz 2 entsprechend. § 15 GewStDV

Hebeberechtigte Gemeinde bei Gewerbebetrieben auf Schiffen und bei Binnen-

und Küstenschifffahrtsbetrieben Hebeberechtigte Gemeinde für die Betriebsstätten auf Kauffahrteischiffen, die in einem inländischen Schiffsregister eingetragen sind und nicht im sogenannten regelmäßigen Liniendienst ausschließlich zwischen ausländischen Häfen verkehren, und für die in § 6 bezeichneten Binnen- und Küstenschifffahrtsbetriebe ist die Gemeinde, in der der inländische Heimathafen (Heimatort) des Schiffes liegt. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Hebeberechtigung bei stehenden Gewerbebetrieben (Abs. 1) 1. Betriebsstätte in einer Gemeinde (Abs. 1 Satz 1). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebsstätten in mehreren Gemeinden (Abs. 1 Satz 2). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Hebeberechtigung in Sonderfällen

1

10 11

1. Gemeindefreie Gebiete (Abs. 2) . . 2. Grenzüberschreitende Gewerbegebiete (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gewerbebetriebe auf Schiffen . . . . III. Verfahren und Rechtsschutz 1. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsschutz der Gemeinde . . . . . 3. Rechtsschutz des Steuerpflichtigen

16 20 25 30 33 38

A. Allgemeines § 4 GewStG regelt die konkrete Hebeberechtigung einer Gemeinde für stehende Gewerbebetriebe. Reisegewerbebetriebe fallen unter § 35a Abs. 3 GewStG. § 4 Abs. 1 GewStG bestimmt, wer Ertragsgläubiger der Gewerbesteuer ist. § 4 Abs. 2 und 3 GewStG enthalten hierzu ergänzende Regelungen zur Hebeberechtigung in gemeindefreien Gebieten, dem Festlandsockel und grenzüberschreitenden Gebieten.

1

Die aktuelle Fassung der Vorschrift beruht auf dem Gesetz v. 20.12.2016.1 Sie gilt mit Wirkung ab EZ 2017. Die Regelung geht auf § 4 GewStG 1936 zurück.

2

Systematisch verbindet die Regelung die Erhebungspflicht der Gemeinden (§ 1 GewStG) mit dem Steuergegenstand (§ 2 GewStG) und dem eigentlichen Hebesatzrecht (§ 16 GewStG). Die Feststellung der Hebeberechtigung bestimmt in der Folge Grund und Höhe

3

1 Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen v. 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000.

187

GewStG § 4 Rz. 4 | Hebeberechtigte Gemeinde des Gewerbesteueranspruchs und des Hebesatzes der Gemeinde und beeinflusst auch die Standortwahl der Unternehmen.2 4

Den Begriff der Hebeberechtigung umschreibt R 4.1 Abs. 1 Satz 1 GewStR 2009. Sie meint hier das „Recht“ einer Gemeinde, den Gewerbesteueranspruch unmittelbar gegenüber dem Steuerpflichtigen geltend zu machen. Die Gemeinde darf damit den Gewerbesteueranspruch sowie Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) gegenüber dem Gewerbesteuerschuldner (§ 5 GewStG) erheben, festsetzen und beizutreiben.3

5

Diese Formulierung ist zumindest missverständlich. Die Hebeberechtigung beruht auf einer einfachgesetzlichen Zuständigkeits- und Befugnisnorm. In diesem Fall ist die Gemeinde Steuergläubigerin4 gegenüber dem Steuerschuldner und darf den Steuerertrag auch behalten („zustehen“). Als subjektiv-öffentliche Position im staatlichen Binnenbereich wirkt die Hebeberechtigung dann auch gegenüber den übrigen Gebietskörperschaften. Voraussetzung ist, dass der Gemeinde durch Landesgesetz auf der Basis des Art. 108 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 GG die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer vollständig oder teilweise übertragen wurde. Eine teilweise, landesgesetzliche Übertragung haben alle Flächenstaaten durchgeführt. Weitere Voraussetzung für die Ausübung der Hebeberechtigung und die Entstehung des Gewerbesteueranspruchs ist, dass die hebeberechtigte Gemeinde von ihrer Befugnis zur Festsetzung des Hebesatzes gem. § 16 GewStG Gebrauch macht und in der Gemeinde eine Betriebsstätte zur Ausübung des stehenden Gewerbes unterhalten wird.

6

Aus § 4 GewStG ergibt sich, ebenso wie aus § 28 GewStG (Zerlegung), kein unmittelbarer Gewerbesteueranspruch. Die Gemeinde kann den Gewerbesteueranspruch nur geltend machen, wenn ihr das Finanzamt einen Steuermessbescheid oder einen Zerlegungsanteil mitgeteilt hat (vgl. § 184 Abs. 3 AO). Insoweit hat die Hebeberechtigung auch eine (weitere) formelle Seite. „Vorher“ besteht zwar eine passive5 Hebeberechtigung der Gemeinde, die auch als Abwehrrecht gegenüber anderen Gemeinden Wirkung entfaltet. Die Gemeinde darf und muss aber im Einzelfall hiervon Gebrauch machen. Liegt ein Gewerbesteuermessbescheid vor, so ist die Gemeinde grundsätzlich auch gesetzlich gebunden, den Hebesatz anzuwenden (§ 16 Abs. 4 GewStG) und den Gewerbesteuerbescheid zu erlassen.6

7

Die Hebeberechtigung umfasst nicht nur die Befugnis, die Steuer festzusetzen und zu erheben, sondern auch die erforderliche Befugnis zur Beitreibung sowie das Recht zur Entscheidung über Stundung, Niederschlagung oder Erlass und das Recht, Nebenleistungen zu erheben.7 Die Hebeberechtigung entfällt nicht dadurch, dass die in der Gemeinde belegene Betriebsstätte nach Ablauf des EZ in eine andere Gemeinde verlegt wird.8

8

§ 4 GewStG gilt für stehende Gewerbebetriebe. Reisegewerbebetriebe fallen unter § 35a Abs. 3 GewStG. Die Hebesatzberechtigung folgt aus Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG i.V.m. § 16 GewStG, sofern eine gesetzlich bestimmte Gewerbesteuer besteht.

9

Privatrechtlichen Vereinbarungen einer Gemeinde mit ansiedlungswilligen Unternehmen über einen (Teil-)Erlass der Gewerbesteuer sind enge Grenzen gesetzt.9 Die verfassungsrechtliche Planungshoheit der Gemeinde ist kein Dispens für die Ausübung der Steuerhoheit. § 78 Nr. 3 AO ist hier keine Ermächtigungsgrundlage.

2 Zur Steueroptimierung durch interkommunale Gewinnverlagerungen Neugebauer/Omaid-Quraischi/Oster StuW 2020, 121. 3 BFH v. 19.11.2003 – I R 88/02, BStBl. II 2004, 751. 4 BFH v. 19.11.2003 – I R 88/02, BStBl. II 2004, 751. 5 Gosch in Brandis/Heuermann, § 4 GewStG Rz. 7. 6 Gosch in Brandis/Heuermann, § 4 GewStG Rz. 7. 7 R 1.2 Abs. 1 Satz 1 GewStR 2009. 8 BFH v. 29.6.2015 – S III 12/15, BFH/NV 2015, 1421. 9 Näher BVerwG v. 17.10.1997 – 8 C 1/96, HFR 1998, 1020; BGH v. 14.4.1976 – VIII ZR 253/74, BGHZ 66, 199; a.A. Selder in Glanegger/Güroff10, § 4 GewStG Rz. 12.

188

Hebeberechtigte Gemeinde | Rz. 15 § 4 GewStG

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Hebeberechtigung bei stehenden Gewerbebetrieben (Abs. 1) 1. Betriebsstätte in einer Gemeinde (Abs. 1 Satz 1) Stehende Gewerbebetriebe unterliegen der Gewerbesteuer in derjenigen Gemeinde, in der sie eine Betriebsstätte zur Ausübung ihres Gewerbebetriebs unterhalten. Der Begriff der Betriebsstätte ergibt sich für Zwecke der Gewerbesteuer auch aus § 12 AO, weil das GewStG keine eigene Definition der Betriebsstätte vorhält.10 Es handelt sich bei der Gewerbesteuer mithin im Grundsatz um eine gebietsgebundene („territorial radizierte“) Steuer.11 Aus § 2 Abs. 1 GewStG und dem sog. Territorialitätsprinzip folgt, dass die Hebeberechtigung eine inländische Betriebsstätte voraussetzt. Dies entspricht auch dem finanzpolitischen und finanztheoretischen sog. Äquivalenzprinzip.12

10

2. Betriebsstätten in mehreren Gemeinden (Abs. 1 Satz 2) Liegt die einzige Betriebsstätte oder liegen alle Betriebsstätten eines Unternehmens in einer Gemeinde, so ist die Gemeinde den alleinigen Steuergläubigern. Bei Betriebsstätten desselben Betriebs in mehreren Gemeinden oder einer Betriebsstätte, die sich über mehrere Gemeinden erstreckt (mehrgemeindliche Betriebsstätte13 gem. § 30 GewStG), ist jede dieser Gemeinden mit dem auf sie nach §§ 28–34 GewStG im Zerlegungsverfahren entfallenden Anteil des Steuermessbetrags hebeberechtigt.14

11

Die Zerlegung ist eine Form der Aufteilung und Zuteilung der Steuer bzw. des Steuerertrags, hier des Gewerbesteuermessbetrags (§ 14 GewStG). Eine bestimmte Mindestdauer der Betriebsstätte ist hier, im Unterschied etwa zum internationalen Steuerrecht, nicht vorgegeben. Dies folgt auch aus § 28 Abs. 1 Satz 2 GewStG. Ob eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO im Zerlegungsverfahren zu berücksichtigen ist, regeln die §§ 28 ff. GewStG. So sind gem. § 28 Abs. 2 GewStG bestimmte Betriebsstätten, die für die Infrastruktur von allgemeinem Interesse sind, von der Zerlegung ausgeschlossen.15 Danach hat nicht jede Gemeinde, in der sich eine Betriebsstätte befindet, automatisch einen Zerlegungsanspruch. Ihren Zerlegungsanspruch kann eine Gemeinde im Rechtsbehelfsverfahren geltend machen (§ 186 Nr. 2 AO). Je nach Zerlegungsmaßstab kann im Einzelfall kein Zerlegungsanspruch einer (an sich betroffenen) Gemeinde bestehen.16

12

Befindet sich in einer Gemeinde keine Betriebsstätte des Gewerbebetriebs, so ist diese Gemeinde materiell nicht hebesatzberechtigt, d.h. unzuständig. Dies gilt selbst dann, wenn der Gemeinde durch die Betriebsstätte in einer anderen Nachbargemeinde wirtschaftliche Lasten entstehen, etwa bei Wegedurchfahrten. Ein besonderer Finanzausgleich zwischen Wohn- und Betriebsstättengemeinden besteht nicht mehr.17 Vielmehr ergeben sich horizontale Ausgleichswirkungen im Rahmen des jeweiligen kommunalen Finanzausgleichs der Länder. Zudem erhalten die Gemeinden 2020/21 einen Ausgleich für Gewerbesteuermindereinnahmen in Folge der Corona-Pandemie (vgl. Art. 143 h GG).

13

frei

14–15

10 St. Respr., BFH v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492; v. 18.9.2019 – III R 3/19, GmbHR 2020, 618. 11 BFH v. 29.6.2015 – III S 12/15, BFH/NV 2015, 1421. 12 Grundsätzliche Kritik am „Prinzip“ Drüen in Brandis/Heuermann, § 1 GewStG Rz. 13. 13 Zum Begriff und seiner Anwendung BFH v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492; s. § 30 GewStG. 14 R 4.1. Abs. 1 Satz 4 GewStR 2009. 15 Krit. Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 4 GewStG Rz. 14 f.; im Zerlegungsverfahren darf der Gesetzgeber allerdings typisieren und pauschalieren. 16 BFH v. 13.5.1958 – I B 49/58, BStBl. III 1958, 379. 17 Gosch in Brandis/Heuermann, § 4 GewStG Rz. 6.

189

GewStG § 4 Rz. 16 | Hebeberechtigte Gemeinde

II. Hebeberechtigung in Sonderfällen 1. Gemeindefreie Gebiete (Abs. 2) 16

Die Hebeberechtigung für gemeindefreie Gebiete18 (ca. 1 % der Fläche Deutschlands, überwiegend unbewohnte Wald- und Heideflächen, nur drei bewohnte gemeindefreie Gebiete), d.h. Gebiete, die nicht im Bezirk einer Gemeinde belegen sind, wird nach § 4 Abs. 2 Satz 1 GewStG durch die jeweilige, zuständige Landesregierung durch Rechtsverordnung geregelt. Gemeindefreie Gebiete bestehen nur in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Eine Rechtsgrundlage ist notwendig, um auch dort belegene Gewerbebetriebe – auch aus Wettbewerbsgründen – zu besteuern. In Bayern19 etwa üben die Landkreise die den Gemeinden zustehenden Befugnisse aus.

17

§ 4 Abs. 2 Satz 2 GewStG stellt klar, dass der in § 2 Abs. 7 Nr. 1 und Nr. 2 GewStG als Inland definierte Anteil an der ausschließlichen Wirtschaftszone und am Festlandsockel unter den Begriff des gemeindefreien Gebiets zu erfassen ist. Beide Gebiete gehören völkerrechtlich nicht zum deutschen Staatsgebiet. Die Regelungsbefugnis und Zuständigkeit von Landesregierungen für die Zuweisung der Hebeberechtigung an eine bestimmte Gemeinde ergibt sich in diesem Zusammenhang nach § 4 Abs. 2 Satz 3 GewStG i.V.m. § 22a AO aus dem Äquidistanzprinzip (Aufteilung des entsprechenden Gebiets in der Weise, dass vom geographischen Mittelpunkt des jeweiligen Meeres Linien zu den Punkten gezogen werden, an denen die Bundesländergrenzen das Meer erreichen). In Mecklenburg-Vorpommern20 etwa übt das Land in den gemeindefreien Gebieten seines Hoheitsgebietes die den Gemeinden nach dem GewStG zustehenden Befugnisse aus. Der Hebesatz wird jährlich mit dem Haushaltsgesetz festgesetzt.

18

Die Ertragszuweisungen sind fragwürdig.21 Praktische und wirtschaftliche Bedeutung hat die Verordnungsermächtigung in Absatz 2 für die Frage der Ertragsberechtigung etwa im Fall von Offshore-Windkraftanlagen auf dem Festlandsockel. Als gemeindliche Steuer steht der Ertrag grundsätzlich der Gemeinde zu (Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG). Diese Bestimmung ist zwingend und abschließend. Die Ertragszuweisung ist nicht disponibel und steht insoweit auch nicht unter einem Gesetzesvorbehalt. Die Regelungsbefugnis der Landesregierung ist auch von der Ertragsberechtigung zu unterscheiden.

19

frei 2. Grenzüberschreitende Gewerbegebiete (Abs. 3)

20

Entsprechend der Ausdehnung der Erhebung der Gewerbesteuer auf Teile eines grenzüberschreitenden Gewerbegebiets außerhalb des deutschen Staatsgebiets nach § 2 Abs. 7 Nr. 3 GewStG wird nach § 4 Abs. 3 Satz 1 GewStG die Gewerbesteuer der Gemeinde zugewiesen, in welcher der zu Deutschland gehörende Teil des grenzüberschreitenden Gewerbegebiets liegt. Liegt dieses Gebiet in mehreren Gemeinden, wird nach § 4 Abs. 3 Satz 2 GewStG die Hebeberechtigung nur einer, von der Landesregierung bestimmten Belegenheitsgemeinde zugewiesen. Voraussetzung ist, dass das Besteuerungsrecht von den jeweils beteiligten Staaten Deutschland zugewiesen worden ist. Grenzüberschreitende Gewerbegebiete bestehen derzeit nur im deutsch-niederländischen Grenzgebiet nach Maßgabe bilateraler abkommensrechtlicher Regelungen.

21

In der Folge ist ein deutsches Unternehmen mit einem in Deutschland ansässigen Gewerbebetrieb dort auch mit solchen Betriebstätten steuerbar, die in den Niederlanden in einem grenzüberschreitenden Gewerbegebiet belegen sind. Damit ist die deutsche Gemeinde auch

18 Die Gebiete sind z.T. Bundeseigentum, sonst Landeseigentum, näher mit einer Liste Gosch in Brandis/Heuermann, § 4 GewStG Rz. 14. 19 § 5 ZustV v. 16.5.2015, BayGVBl. 2015, 184. 20 § 1 GewStHebeBV MV v. 16.12.2010, GVBl. 2010, 804. 21 Str., wie hier i. Erg. Gosch in Brandis/Heuermann, § 4 GewStG Rz. 15a m.w.N.

190

Hebeberechtigte Gemeinde | Rz. 32 § 4 GewStG

insoweit hebeberechtigt. Der Gesetzgeber ist allerdings nicht gehalten, das sog. Territorialitätsprinzip der Gewerbeteuer „lupenrein“ durchzusetzen.22 Mit dem 3. Zusatzprotokoll zum DBA Niederlande wurde das Besteuerungsrecht auf grenzüberschreitende Gewerbegebiete ausgedehnt.23 Im Grenzgebiet zu den Niederlanden bestehen bislang zwei grenzüberschreitende Gewerbegebiete, vgl. die VO v. 25.5.200724 und VO v. 7.1.200825. Hier ergeben sich für die Steuerpflichtigen gewerbesteuerrechtliche Gestaltungsoptionen.26 frei

22

23–24

3. Gewerbebetriebe auf Schiffen Bei Betriebsstätten auf Kauffahrteischiffen, die die sachliche Steuerpflicht erfüllen und für die in § 6 GewStDV bezeichneten Binnen- und Küstenschifffahrtsbetriebe ist nach § 15 GewStDV die Gemeinde hebeberechtigt, in der der inländische Heimathafen des Schiffes liegt. § 15 GewStDV ist mit seiner Fiktion nicht anwendbar, wenn eine Betriebsstätte an Land besteht.27 Kein inländischer Gewerbebetrieb liegt dagegen vor, wenn für ihn eine Betriebsstätte auf einem Kauffahrteischiff (Handelsschiff) unterhalten wird, das im sog. Liniendienst ausschließlich zwischen ausländischen Häfen verkehrt, auch wenn es in einem inländischen Schiffsregister eingetragen ist (§ 5 GewStDV). frei

25

26–29

III. Verfahren und Rechtsschutz 1. Verfahren Nach §§ 1 Abs. 2, 184 Abs. 1 AO und §§ 14, 16 AO ist das Gewerbesteuerverfahren zwischen Finanzamt und Gemeinde zweigeteilt, wenn die Länder die Verwaltung der Gemeindesteuern gem. Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG (teilweise) auf die Gemeinden übertragen haben. Hiervon haben die Flächenstaaten Gebrauch gemacht. Dies hat auch Folgen für die (in diesem Stadium nur begrenzte) Überprüfbarkeit der Hebeberechtigung durch die Gemeinde oder den Steuerpflichtigen.

30

Nach § 184 Abs. 1 AO, § 14 GewStG bestimmt der Steuermessbescheid des Finanzamts zunächst die Höhe des Messbetrags sowie die sachliche und persönliche Steuerpflicht. Nach §§ 184 Abs. 3, 31 Abs. 1 AO teilen die Finanzbehörden den Inhalt des Gewerbesteuermessbescheids sowie weitere Maßnahmen den Gemeinden mit, denen die Steuerfestsetzung obliegt. Diese Mitteilung bestimmt grundsätzlich nicht verbindlich die hebeberechtigte Gemeinde. Sie hat nur internen Charakter ohne verfahrensrechtliche Bindungswirkung,28 wenn die Gemeinde auf die Mitteilung nach dem Wortlaut und Zweck des § 184 Abs. 3 AO einen Anspruch hat.

31

Den Gewerbesteuerbescheid (§ 16 GewStG) erlässt anschließend die Gemeinde nach Ausübung ihres Hebesatzrechts. Für den Erlass des Gewerbesteuerbescheids durch die Gemeinde ist der zugrunde liegende Gewerbesteuermessbescheid nach §§ 184 Abs. 1 Satz 2, 182 Abs. 1 AO bindend.29 Die Bestimmung des Steuergläubigers als der hebeberechtigten Gemeinde ist als materiell-rechtliche Voraussetzung vielmehr von der Gemeinde in jedem

32

22 23 24 25 26 27 28 29

Krit. Roser in FS Gosch, 2016, 351 (355). Gesetz v. 2.12.2004, BGBl. II 2004, 1653, 1653. BGBl. II 2007, 778 = BStBl. I 2007, 779. BGBl. II 2008, 30 = BStBl. I 2008, 562. Tonner/Duling/Hartmann/Hartmann, IStR 2007, 497. BFH v. 12.11.1959 – IV R 130/58, HFR 1963, 70. BFH v. 19.11.2003 – I R 88/02, BStBl. II 2004, 751. R 4.1 Abs. 2 GewStR 2009.

191

GewStG § 4 Rz. 33 | Hebeberechtigte Gemeinde Einzelfall beim Erlass des Gewerbesteuerbescheids eigenständig zu prüfen,30 und ggf. in einem gegen den Gewerbesteuerbescheid gerichteten Rechtsbehelfsverfahren zu klären.31 2. Rechtsschutz der Gemeinde 33

Für die Frage einer streitigen Hebeberechtigung einer Gemeinde folgt hieraus für den Rechtsschutz der Gemeinden: Bereits beim Erlass des Gewerbesteuermessbescheids trifft das Finanzamt inzident auch eine Entscheidung über die konkret hebeberechtigte Gemeinde. Eine rechtlich bindende Entscheidung über die Hebeberechtigung einer bestimmten Gemeinde ist kein notwendiger Inhalt des Messbescheids.32 Die tatsächliche Mitteilung nach § 184 Abs. 3 AO kann die Gemeinde nicht anfechten.

34

Hiervon ist auch das noch nicht rechtskräftige Urteil des FG München33 v. 14.9.2017 ausgegangen. In der noch anhängigen Revision wird zu klären sein, ob ein Gewerbesteuermessbescheid, in dem eine Gemeinde als hebeberechtigt bestimmt wird, die Hebeberechtigung mit Bindungswirkung gegenüber dem Steuerpflichtigen bestimmt oder ob diese Bestimmung der hebeberechtigten Gemeinde, sofern dies nicht Gegenstand eines Zuteilungsoder Zerlegungsbescheides ist, eigenständig beim Erlass des späteren Gewerbesteuerbescheides zu prüfen ist.

35

Die betroffene Gemeinde kann aber einen Zuteilungsbescheid oder einen Zerlegungsbescheid beantragen und ggf. hiergegen Rechtsbehelfsverfahren anstrengen (vgl. §§ 188, 190 AO; §§ 351 AO, § 40 Abs. 2, § 42 FGO).

36

Ein allgemeines Anfechtungsrecht der Gemeinde gegen den an den Steuerpflichtigen gerichteten Messbescheid besteht dagegen nach vorherrschender Auffassung nicht. Dies soll als allgemeiner Rechtsgedanke auch für das außergerichtliche Verfahren e contrario aus § 40 Abs. 3 FGO folgen, wonach einem potentiell Ertragsberechtigten in diesem Verfahrensstadium grundsätzlich kein Rechtsschutzbedürfnis und Klagerecht zustehe.34 Die Regelung enthalte lediglich für den eher seltenen Fall einer Interessenkollision einer Gegenseitigkeitsbesteuerung eine Ausnahme.

37

Ergebnis und Begründung verkennen den verfassungsrechtlichen Gehalt des Ertragsrechts der Gemeinden (Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG), das auch eine Rechtsposition und ein „Zustehen“ (vgl. auch Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG) des Aufkommens sowohl gegenüber Bund und Land als auch gegenüber anderen Gemeinden begründet. Die zugrunde liegenden finanziellen Interessen sind in der bundesstaatlichen Finanzverfassung auch rechtlich geschützt. Im staatsorganisatorischen Binnenbereich ist diese Einschränkung des Rechtsschutzes aber noch vertretbar, zumal eine betroffene Gemeinde Anträge nach § 188 ff. AO stellen kann. Eine substantielle Entscheidung des BVerfG fehlt hierzu bislang. 3. Rechtsschutz des Steuerpflichtigen

38

Für den Rechtsschutz des Steuerpflichtigen, der die Hebeberechtigung der Gemeinde rügt, gilt: Die bloße Mitteilung nach § 184 Abs. 3 AO ist kein Verwaltungsakt und beschwert den StPfl. nicht.35 Den Messbescheid kann der Stpfl. insoweit nicht anfechten. Dagegen kann er ebenso wie eine Gemeinde einen Zuteilungsbescheid oder Zerlegungsbescheid als Beteiligter beantragen (§§ 188, 190 AO) und Rechtsbehelfe (Einspruch, Klage) einlegen und insoweit auch die Hebeberechtigung überprüfen lassen. Dies gilt auch für den Gewerbesteuerbescheid der Gemeinde. Der Stpfl. ist insoweit nur beschwert, als er einen nied30 BFH v. 19.11.2003 – I R 88/02, BStBl. II 2004, 751. 31 BFH v. 9.1.2013 – IV B 64/11, BFH/NV 2013, 512. 32 BFH v. 19.11.2003 – I R 88/02, BStBl. II 2004, 751 unter Aufgabe der bisherigen Rspr.; Gosch in Brandis/Heuermann, § 4 GewStG Rz. 9, 12. 33 FG München v. 14.9.2017 – 13 K 3144/15, EFG 2017, 1610, Rev. BFH IV R 3/19. 34 Näher Gosch in Brandis/Heuermann, § 4 GewStG Rz. 11 m.w.N. 35 BFH v. 25.11.2015 – I R 85/13, BStBl. II 2016, 479.

192

Hebeberechtigte Gemeinde | Rz. 38 § 4 GewStG

rigeren Hebesatz einer anderen hebeberechtigten Gemeinde begehrt. Er ist nicht beschwert, falls im maßgeblichen EZ der Hebesatz der (vermeintlich) unzuständigen Gemeinde niedriger ist als derjenige der zuständigen Gemeinde. Die Rechte der Gemeinde kann er nicht durchsetzen.36

36 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 4 GewStG Rz. 8.

193

GewStG § 4

194

§ 5 Steuerschuldner (1) 1Steuerschuldner ist der Unternehmer. 2Als Unternehmer gilt der, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird. 3Ist die Tätigkeit einer Personengesellschaft Gewerbebetrieb, so ist Steuerschuldner die Gesellschaft. 4Wird das Gewerbe in der Rechtsform einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung mit Sitz im Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) (ABl. L 199 vom 31.7.1985, S. 1) betrieben, sind abweichend von Satz 3 die Mitglieder Gesamtschuldner. (2) 1Geht ein Gewerbebetrieb im Ganzen auf einen anderen Unternehmer über (§ 2 Abs. 5), so ist der bisherige Unternehmer bis zum Zeitpunkt des Übergangs Steuerschuldner. 2Der andere Unternehmer ist von diesem Zeitpunkt an Steuerschuldner. A. B. I. 1. 2. 3. II.

Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Schuldner der Gewerbesteuer (Abs. 1) Steuerschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personengesellschaften. . . . . . . . . . . . . . Steuerschuldner bei Unternehmerwechsel (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 10 15 25

III. Steuerschuld- und verfahrensrechtliche Durchführung 1. Steuerschuld . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Billigkeitsmaßnahmen . . . . . . . . . 3. Besonderheiten bei Mitunternehmerschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45 55 60 65

35

A. Allgemeines § 5 GewStG regelt in Abgrenzung zur sachlichen Steuerpflicht nach § 2 GewStG die persönliche Steuerpflicht. Steuerschuldner und damit persönlich steuerpflichtig ist derjenige, der die Steuer zu entrichten hat, der für sie mit seinem Vermögen haftet und an den sich die hebeberechtigte Gemeinde im Beitreibungsverfahren wenden kann. Anwendbar ist die Vorschrift auf alle Unternehmer und Reisegewerbetreibende (§ 35 a GewStG), die einen Gewerbebetrieb im Inland betreiben.

1

Die aktuelle Fassung beruht auf dem JStG 2010.1 Die Vorschrift geht § 5 GewStG 1936 zurück. Dort war der Gesetzgeber noch davon ausgegangen, dass bei Personengesellschaften alle Gesellschafter Gesamtschuldner sind.

2

Die Stellung als Steuerschuldner hat materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Bedeutung. § 5 GewSt ist eine materiell-rechtliche Vorschrift. Sie bestimmt im Rahmen des Steuertatbestandes das Steuersubjekt und den Steuerschuldner. Dies bindet das Finanzamt bzw. die Gemeinde im Verfahren der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags bzw. der Gewerbesteuerschuld (§§ 14, 16 GewStG).

3

Bei der Regelung geht es um die Zurechnung von gewerblichen Einkünften zu einem von mehreren in Betracht kommenden Steuersubjekten. Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der sie für eigene Rechnung im Markt erwirtschaftet hat. Die Begriffe Unternehmen und Gewerbe beschreiben eine „realtypische Wirkeinheit“2 des Unternehmers. Nichtsdestotrotz handelt es sich um klassifikatorische Gesetzes- und Rechtsbegriffe.3

4

Absatz 1 legt im Wesentlichen fest, dass der Unternehmer, der den Gewerbebetrieb unterhält, die Steuer schuldet. Sonderregelungen gelten für bestimmte Gesellschaften. Absatz 2 regelt die Steuerpflicht beim Wechsel der Unternehmer und den Zeitpunkt des Wechsels.

5

1 JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1786. 2 P. Fischer, jurisPR-SteuerR 19/2014 Anm. 1 zu BFH III B 16/13, 3 Gosch in Brandis/Heuermann, § 5 GewStG Rz. 22.

195

GewStG § 5 Rz. 6 | Steuerschuldner 6

Die Vorschrift gilt für alle natürlichen und juristischen Personen sowie für Personengesellschaften, sofern diese einen (inländischen) Gewerbebetrieb betreiben. Auch ausländische Personen können gewerbesteuerpflichtig sein, wenn sie im Inland eine Betriebsstätte unterhalten.

7–9

frei

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Schuldner der Gewerbesteuer (Abs. 1) 1. Steuerschuldner 10

§ 5 Abs. 1 Sätze 1 bis 4 GewStG bestimmt, wer Steuerschuldner ist. Den generellen Begriff des Steuerschuldners definieren §§ 33, 43 AO mit Verweis auf die Einzelsteuergesetze. § 5 GewStG definiert den Begriff nicht. Steuerschuldner ist, wer die für den Gewerbebetrieb festgesetzte Gewerbesteuer schuldet, mithin die Gewerbesteuer zu entrichten hat und an die sich der Steuergläubiger (i.d.R. die Gemeinde, § 4 GewStG) im Rahmen der Vollstreckung (§§ 249, 252 AO) halten kann.4 Steuerschuld und Steueranspruch bilden die Kehrseite derselben Medaille.

11

Zu unterscheiden sind persönliche und die sachliche Gewerbesteuerpflicht (vgl. § 184 Abs. 1 Satz 2 AO). § 2 GewStG regelt im Wesentlichen die sachliche Gewerbesteuerpflicht im Begriff des Gewerbebetriebs, § 5 regelt die persönliche Gewerbesteuerpflicht. Letztere bestimmt besonders die Rechtsfolge der Steuerschuld. Demgegenüber bestimmt die Person des Steuersubjekts und Steuerpflichtigen im Rahmen der Personensteuern (ESt, KSt) nicht nur das Steuerschuldverhältnis zum Staat, sondern vorweg auch den Umfang der sachlichen Steuerpflicht. In beiden Fällen geht es aber um die persönliche Zurechnung eines steuerrelevanten Handelns.

12

§ 5 GewStG regelt zwar die persönliche Gewerbesteuerpflicht. Persönliche Merkmale des Steuerpflichtigen bleiben wegen der objektsteuerartigen Ausgestaltung der GewSt aber grundsätzlich unberücksichtigt (Ausnahmen in §§ 3, 11 GewStG).5 Neben dem Steuerschuldner muss ggf. ein Haftungsschuldner für die Gewerbesteuerschuld eintreten.

13

Der Bestimmung des Steuerschuldners liegen nicht zuletzt fiskalische und praktische Motive zugrunde. Dies verdeutlicht besonders § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG mit dem unmittelbaren Zugriff auf das Vermögen der Gesellschaft.6 Damit ist die Inanspruchnahme der Gesellschafter als Haftungsschuldner nicht ausgeschlossen.

14

frei 2. Unternehmer

15

Unternehmer, und damit Steuerschuldner i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GewStG, ist derjenige, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird. Unterhält ein Unternehmer mehrere eigenständige Gewerbebetriebe, ist er für jeden dieser Betriebe Steuerschuldner.

16

Der Unternehmer trägt das Unternehmerrisiko und entfaltet gleichzeitig Unternehmerinitiative. Dies richtet sich nach der Risikoverteilung im Innenverhältnis. Insoweit gelten die Zurechnungsgrundsätze des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG für Mitunternehmer auch für Unternehmer i.S.d. § 5 GewStG entsprechend. Entscheidend ist die wirtschaftliche Zurechnung des Erfolges. Für die subjektive Zurechnung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb kommt es weder auf die von den Beteiligten ausdrücklich gewählte Bezeichnung ihrer

4 Gosch in Brandis/Heuermann, § 5 GewStG Rz. 17. 5 Heinemann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 5 GewStG Rz. 14. 6 BT-Drucks. 75458, 11 zur Einführung der Regelung.

196

Steuerschuldner | Rz. 25 § 5 GewStG

Rechtsbeziehungen noch auf den nach außen durch Handelsregistereintragung oder gewerbepolizeiliche Anmeldung gesetzten Rechtsschein an.7 Problematisch ist die Bestimmung des Unternehmers im Einzelfall bei Nutzungsrechtsverhältnissen, bei Treuhandverhältnissen, bei Stellvertretungen und bei Strohmannverhältnissen sein.8 Bei der Betriebsverpachtung führt der Pächter den Betrieb als Unternehmer, beim Nießbrauch der Nießbrauchsberechtigte.9

17

Das Mehrwertsteuerrecht verwendet in § 2 UStG einen ähnlichen, rechtsformneutralen Begriff des Unternehmers. Art. 9 MwStSystRL bezeichnet das Steuersubjekt als Steuerpflichtigen. Maßgeblich ist ähnlich wie im Ertragssteuerrecht eine wirtschaftliche Tätigkeit der natürlichen oder juristischen Person.

18

Bei natürlichen Personen kommt es nicht auf die Geschäftsfähigkeit, sondern die Steuerrechtsfähigkeit an. Ehegatten können je für sich oder zusammen die Unternehmereigenschaft begründen. Für Personengesellschaften gilt § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG, d.h. der Steuerschuldner und der Unternehmer müssen nicht identisch sein.

19

Auch juristische Personen des Privatrechts und nichtrechtsfähige Vereine (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KStG) können (selbst) Unternehmer (und auch Steuerschuldner gem. § 5 GewStG) sein. Bei einer Betriebsaufspaltung sind beide gewerbliche Unternehmen Steuerschuldner. Bei einer Organschaft gem. § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG ist allein der Organträger Steuerschuldner. Der Gesamtrechtsnachfolger tritt gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 AO in die Stellung seines Rechtsvorgängers ein. Die Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten einer juristischen Person obliegt dem gesetzlichen Vertreter (§ 34 AO).

20

Hinsichtlich der öffentlichen Hand ist zu unterscheiden: Kapitalgesellschaften im teilweisen oder vollen Besitz der öffentlichen Hand (gemischt-wirtschaftliche, gemischt-öffentliche Unternehmen, Eigengesellschaften) sind als solche Unternehmer und Steuerschuldner. Für (seltene) Personengesellschaften der öffentlichen Hand gilt § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG. Für eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, die vollständig gewerblich tätig wird, ist die Anstalt selbst Unternehmer (z.B. eine Sparkasse).

21

Rechtlich unselbständige Betriebe (Betriebe gewerblicher Art gem. § 4 KStG, die gewerblich tätig sind), etwa Eigenbetriebe oder Regiebetriebe einer Gemeinde, bezeichnet der Wortlaut und Zweck des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG zwar als Steuersubjekt. Die Rechtsprechung des BFH10 geht aber davon aus, dass der unselbständige Betrieb kein Steuerrechtssubjekt sei, sondern die ihn rechtlich tragende und selbständige juristischen Person des öffentlichen Rechts als Unternehmensträger, also z.B. eine Gemeinde. Dies soll dann nach vorherrschender Auffassung auch für die Gewerbesteuer gelten.11 Allerdings kommt es (auch) hier für die Steuerrechtssubjektivität nicht auf die Rechtsfähigkeit an. Zudem kann die Rechtsprechung ihre Einheitstheorie nicht durchhalten.12

22

frei

23–24

3. Personengesellschaften Personengesellschaften, deren Tätigkeit ein Gewerbebetrieb ist, schulden gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG die Gewerbesteuer selbst, nicht dagegen (zusätzlich) ihre Gesellschafter, die (Mit-)Unternehmer sind. Insoweit wird § 5 Abs. 1 Satz 1 GewStG für die Mitunternehmer verdrängt.13 Personengesellschaften i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG sind nach Auffassung

7 8 9 10 11 12 13

BFH v. 4.11.2004 – III R 21/02, BStBl. II 2005, 168, dort auch zu Strohmannverhältnissen. Näher Selder in Glanegger/Güroff10, § 5 GewStG Rz. 3 ff. Heinemann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 5 GewStG Rz. 27. BFH v. 13.3.1974 – I R 7/71, BStBl. II 1974, 391; v. 12.1.2011 – I R 112/09, BFH/NV 2011, 1194. Etwa Selder in Glanegger/Güroff10, § 5 GewStG Rz. 14. Krit. daher Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 11.29. BFH v. 28.2.2013 – IV R 33/09, BFH/NV 2013, 1122.

197

25

GewStG § 5 Rz. 26 | Steuerschuldner des BFH14 nur Mitunternehmergemeinschaften mit Gesellschaftsvermögen. Dies sind etwa die OHG und die KG und grundsätzlich auch die GbR. Keine Personengesellschaften mangels Gesamthandvermögen sind Erbengemeinschaften. 26

Ist die Tätigkeit einer solchen Personengesellschaft Gewerbebetrieb, so ist alleinige Steuerschuldnerin die Gesellschaft. Die praktische Bedeutung dieser Bestimmung liegt im Wesentlichen darin, dass wegen rückständiger Gewerbesteuerbeträge unmittelbar in das Vermögen der Gesellschaft vollstreckt werden kann.

27

Bei einer doppelstöckigen Personengesellschaft sind Ober- und Untergesellschaft jeweils selbst Steuerschuldner, wenn sie jeweils einen Gewerbebetrieb unterhalten.15

28

Bei der typischen stillen Gesellschaft ist der stille Gesellschafter kein Mitunternehmer. Die typische stille Gesellschaft fällt daher nicht unter § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG.

29

Bei der atypischen stillen Gesellschaft ist der stille Gesellschafter zwar Mitunternehmer. Der stillen Gesellschaft fehlt aber eigenes vollstreckbares Vermögen. Die atypische stille Gesellschaft ist daher ebenfalls keine Personengesellschaft i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG. Steuerschuldner bei einer atypischen stillen Gesellschaft ist der Inhaber des Handelsgeschäfts gem. § 230 HGB.16 Die Aufnahme oder das Ausscheiden eines atypischen stillen Gesellschafters ist für die Steuerschuldnerschaft des Inhabers des Handelsgeschäftes ohne Bedeutung.

30

Die nach § 7 Satz 2 GewStG aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils entstehende Gewerbesteuer wird von der Personengesellschaft geschuldet.17 Die Personengesellschaft schuldet die Steuer für ihren eigenen Betrieb, nicht für den des Gesellschafters.18 Die Personengesellschaft ist auch Steuerschuldner für die nach § 18 Abs. 3 UmwStG durch eine Anteilsveräußerung entstandene Gewerbesteuer.19

31

Beim sog. Treuhandmodell, bei dem an einer Kommanditgesellschaft (Treuhand-KG) eine persönlich haftende Gesellschafterin (Komplementärin) und nur eine Kommanditistin (Treuhänderin) beteiligt sind, die ihren Gesellschaftsanteil treuhänderisch für die Komplementärin hält, unterliegt die Personengesellschaft selbst nicht der Gewerbesteuer. Gewerbesteuerpflichtig ist in diesen Treuhandfällen ausschließlich die Komplementärin.20

32

Bei einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) sind nach § 5 Abs. 1 Satz 4 GewStG die Mitglieder Gesamtschuldner.21 Die Regelung hat kaum praktische Bedeutung. Eine EWIV, die lediglich als Hilfsgesellschaft für ihre Mitglieder tätig wird, erzielt keine gewerblichen Einkünfte.22

33–34

frei

II. Steuerschuldner bei Unternehmerwechsel (Abs. 2) 35

Geht der Gewerbebetrieb gem. § 2 Abs. 5 GewStG im Ganzen auf einen anderen Unternehmer über (Unternehmerwechsel23 oder Betriebsübergang im Ganzen), so ist der bisherige Unternehmer bis zum Zeitpunkt des Übergangs Steuerschuldner. Der neue Unternehmer ist von diesem Zeitpunkt an Steuerschuldner. Absatz 2 des § 5 GewStG verweist auf die 14 BFH v. 5.2.2014 – X R 1/12, BStBl. II 2016, 567. 15 BFH v. 2.12.2015 – I R 13/14, BStBl. II 2016. 927. 16 BFH v. 12.1.1985 – VIII R 364/83, BStBl. II 1986, 311; näher R 5.1 Abs. 2 GewStR 2009; H 5.1 Abs. 2 GewStH 2016. 17 BFH v. 15.6.2004 – VIII R 7/01, BStBl. II 2004, 744; v. 19.9.2019 – IV R 50/16, BFH/NV 2020, 148. 18 BFH v. 28.2.2013 – IV R 33/09, BFH/NV 2013, 1122. 19 BFH v. 7.3.2019 – IV R 18/17, BStBl. II 2019, 696. 20 BFH v. 3.2.2010 – IV R 26/07, BStBl. II 2010, 751; krit. Heinemann in Wendt/Suchanek/Möllmann/ Heinemann2, § 5 GewStG Rz. 38. 21 Näher R 5.2 GewStR 2009. 22 FG Berlin-Bdb. v. 14.2.2019 – 3 K 13229/16, EFG 2020, 672. 23 Zum Begriff R 2.7 Abs. 1 GewStR 2009, H 5.1 GewStH 2016.

198

Steuerschuldner | Rz. 46 § 5 GewStG

Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 5 GewStG. Diese Rechtsfolge ergibt sich bereits aus § 2 Abs. 5 GewStG i.V.m. § 5 Abs. 1 GewStG, so dass die Regelung insoweit lediglich bestätigende Bedeutung hat. Der Betriebsübergang führt jedenfalls auch zum Übergang und Wechsel der Steuerschuldnerschaft. Unternehmerwechsel ist nicht nur die entgeltliche Betriebsveräußerung, sondern auch die unentgeltliche, z.B. der Erbfall oder die übertragende Umwandlung. Dagegen führt die (bloß) formwechselnde Umwandlung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UmwG) nicht zum Unternehmerwechsel.24

36

Ein Wechsel des Steuerschuldners kann aber auch vorliegen, wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 GewStG nicht erfüllt sind, weil der dort definierte Unternehmerwechsel nicht stattfindet.25 Scheiden alle Gesellschafter einer Personengesellschaft gleichzeitig aus, liegt ein Wechsel des Steuerschuldners vor. Dies gilt nicht, wenn nur einzelne Gesellschafter ausscheiden und die Gesellschaft fortbesteht.

37

Wird ein Einzelunternehmen durch Aufnahme eines oder mehrerer Gesellschafter in eine Personengesellschaft umgewandelt oder scheiden aus einer Personengesellschaft alle Gesellschafter bis auf einen aus, findet ein (vollständiger) Unternehmerwechsel i.S.d. § 2 Abs. 5 GewStG nach herrschender Auffassung nicht statt, solange mindestens ein Unternehmer den Betrieb fortführt.26 § 2 Abs. 5 GewStG ist hier nicht anwendbar und die sachliche Steuerpflicht besteht fort. Es liegt nur ein partieller Unternehmerwechsel vor.27 Für den gesamten EZ liegt auch nur ein Gewerbebetrieb vor.

38

Gleichwohl wechselt der Steuerschuldner. Steuerschuldner ist mit der Aufnahme von Gesellschaftern bzw. bis zum Ausscheiden der Gesellschafter nach der Sonderregelung des § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG die Personengesellschaft, während für den restlichen EZ die Steuer vom Einzelunternehmer geschuldet wird. Der insgesamt für den EZ ermittelte Messbetrag ist daher dem Einzelunternehmer und der Personengesellschaft anteilig zuzurechnen und getrennt festzusetzen (s. § 11 GewStG Rz. 28).28 Insoweit ist § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG lex specialis gegenüber § 5 Abs. 2 GewStG.29

39

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40–44

III. Steuerschuld- und verfahrensrechtliche Durchführung 1. Steuerschuld Wer Steuerschuldner ist, bestimmt das Finanzamt im Rahmen der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags durch Bescheid (§ 14 GewStG). Dort muss der Steuerschuldner zutreffend und eindeutig angegeben werden (§ 157 i.V.m. § 184 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO). Der Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) ist dem Steuerschuldner bekannt zu geben (§ 122 Abs. 1 i.V.m. § 184 Abs. 1 Satz 3 AO). Den Steuerschuldner trifft nach §14a GewStG eine Mitwirkungspflicht.

45

Ebenso muss die Gemeinde (im Regelfall der Flächenländer) den Gewerbesteuerbescheid (§ 16 GewStG) gegenüber dem Steuerpflichtigen erlassen, bestimmen und bekanntgeben (§§ 155, 157, 122, 122a i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 4 AO).

46

24 Selder in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 593. 25 Näher Selder in Glanegger/Güroff10, § 5 GeStG Rz. 21; Heinemann in Wendt/Suchanek/Möllmann/ Heinemann2, § 5 GewStG Rz. 55. 26 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616; R 2.7 Abs. 2 GewStR 2009; Güroff in Glanegger/ Güroff10, § 2 GewStG Rz. 595. 27 Zum partiellen Unternehmerwechsel H 2.7 GewStH 2016; zum Übergang eines Teilbetriebs R 2.7. Abs. 3 GewStR 2009. 28 R. 11.1 Sätze 3 ff. GewStR 2009; zum Steuerschuldner beim unterjährigen Wechsel der Rechtsform BFH v. 25.4.2018 – IV R 8/16, BStBl. II 2018, 484; Sarrazin, FR 2021, 276. 29 Gosch in Brandis/Heuermann, § 5 GewStG Rz. 69a.

199

GewStG § 5 Rz. 47 | Steuerschuldner 47

Die Steuerschuld entsteht mit Ablauf des EZ, für den die Gemeinde (in den Flächenländern) oder das Finanzamt (in den Stadtstaaten samt Bremen) die Gewerbesteuer festsetzen (§ 18 GewStG). EZ ist grds. das Kalenderjahr (§ 14 Satz 2 GewStG). Vorauszahlungen entstehen gem. § 21 GewStG. Die Fälligkeit ergibt sich aus § 220 Abs. 2 Satz 2 AO i.V.m. § 19 GewStG. Stundungen sind nach § 222 AO durch die Gemeinde möglich.

48

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen nach Maßgabe des § 47 AO, d.h. durch Erfüllung (Zahlung, § 224 AO), Aufrechnung (§ 226 AO) oder Beitreibung im Wege der Vollstreckung.30

49

Mit Eintritt der Festsetzungsverjährung (§ 169 ff. AO) oder der Zahlungsverjährung (§§ 228 ff. AO) geht der Steueranspruch ebenfalls unter. Das Finanzamt hat die Festsetzungsverjährung beim Erlass des Gewerbesteuermessbescheids zu prüfen (§§ 184 Abs. 1, 169, 171 Abs. 2 Nr. 4 AO). Für die Gemeinde und ihren Gewerbesteuerbescheid gelten §§ 1 Abs. 2 Nr. 4, 171 Abs. 10 AO.

50–54

frei

2. Billigkeitsmaßnahmen 55

Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 222, 227 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 5 AO) führen zum Erlöschen der Steuerschuld. Sie obliegen grundsätzlich der Gemeinde, sofern den Gemeinden zumindest die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer durch Landesgesetz übertragen wurde (Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG).31 Dies ist in den Flächenländern der Fall. Unter den Voraussetzungen der §§ 163, 184 Abs. 2 AO, Art. 108 Abs. 7 GG kann das Finanzamt auf der Grundlage einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift zuständig sein.32 § 163 Satz 2 AO ist zu beachten.

56

Wird die Gewerbesteuer (in den Stadtstaaten samt Bremen) vom Finanzamt festgesetzt und erhoben, ist das Finanzamt insgesamt zuständig.33 § 7b GewStG ist keine Billigkeitsmaßnahme, sondern eine Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne. Zuständig ist daher auch im zweigeteilten Verwaltungsverfahren das Finanzamt im Rahmen der Festsetzung des Steuermessbetrags (§ 14 GewStG). Die Niederschlagung nach § 261 AO führt nicht zum Erlöschen des Steueranspruchs.

57–59

frei

3. Besonderheiten bei Mitunternehmerschaften 60

Steuerschuldner ist die im Steuerbescheid bezeichnete Personengesellschaft (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG).34 Ein Mitunternehmer ist nicht am finanzgerichtlichen Verfahren beteiligt.35 Mitunternehmer sind auch nicht notwendig nach § 60 Abs. 3 FGO beizuladen.36 Eine erloschene Personengesellschaft kann nicht Beteiligte i.S.d. FGO sein.37

61

Ein gegen eine GbR als Steuerschuldnerin gerichteter Gewerbesteuermessbescheid kann grundsätzlich nur von der Gesellschaft angefochten werden. Ergeht der Bescheid hingegen fehlerhaft gegenüber dem Gesellschafter, so ist dieser auch befugt, im eigenen Namen Einspruch und Klage zu erheben.38 Die Klagebefugnis einer Personengesellschaft gegen

30 31 32 33 34 35 36 37 38

200

Zur Verwirkung Selder in Glanegger/Güroff10, § 5 GewStG Rz. 26. R 1.6. Abs. 1 GewStR 2009. R 1.5. Abs. 1 GewStR 2009. R 1.6. Abs. 2 GewStR 2009. Zum Adressaten eines Gewerbesteuermessbescheids bei einer Ein-Unternehmer-Personengesellschaft BFH v. 6.6.2019 – IV R 43/16, BFH/NV 2019, 1078. BFH v. 7.2.1995 – XI R 81/94, BFH/NV 1995, 815. BFH v. 26.1.2000 – IV B 134/98, BFH/NV 2000, 1104. Selder in Glanegger/Güroff10, § 5 GewStG Rz. 28. BFH v. 19.3.2009 – IV R 78/06, BStBl. II 2009, 803.

Steuerschuldner | Rz. 68 § 5 GewStG

den Gewerbesteuermessbescheid geht im Fall der liquidationslosen Vollbeendigung durch Anwachsung des Gesellschaftsvermögens auf den Gesamtrechtsnachfolger über.39 Bei einer atypischen stillen Gesellschaft ist Steuerschuldner der Gewerbesteuer nach § 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG der Inhaber des Handelsgeschäfts (§ 230 HGB).40 Der Gewerbesteuermessbescheid und der Gewerbesteuerbescheid für die atypische stille Gesellschaft richten sich demzufolge an den Inhaber des Handelsgeschäfts und sind diesem als Steuerschuldner bekannt zu geben.41 Sachliche Steuerpflicht und subjektive Steuerschuldnerschaft fallen hier auseinander. Sind die dem Inhaber des Handelsgeschäftes und den einzelnen atypisch stillen Gesellschaften zuzuordnenden Tätigkeiten als ein einziger Gewerbebetrieb zu beurteilen, sind an den Inhaber des Handelsgeschäftes nur ein Gewerbesteuermessbescheid und ein Gewerbesteuerbescheid zu richten. Handelt es sich bei den Tätigkeiten dagegen um jeweils getrennte Gewerbebetriebe, ist an den Inhaber des Handelsgeschäftes für jeden getrennt zu beurteilenden Gewerbebetrieb ein gesonderter Gewerbesteuermessbescheid und ein Gewerbesteuerbescheid zu richten. frei

62

63–64

4. Haftung Anstelle des Steuerschuldners der Gewerbesteuer kann nach allgemeinen Grundsätzen auch die Person in Anspruch genommen werden, die für die Gewerbesteuer haftet. Für die Haftung gelten die Vorschriften des bürgerlichen Rechts und der AO (vgl. auch § 191 Abs. 4 AO).42 Steuerschuldner und Haftungsschuldner sind gem. § 44 Abs. 1 AO Gesamtschuldner. Die Inanspruchnahme des Haftenden ist eine Ermessensentscheidung (grundsätzlich) der Gemeinde, die gerichtlich auf Ermessensfehler überprüft werden kann (§ 114 VwGO, § 102 FGO).

65

Es ist Sache der Gemeinde, den Anspruch aus der Haftung geltend zu machen, wenn ihr die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer durch ein Landesgesetz übertragen ist. Wird die Gewerbesteuer vom Finanzamt festgesetzt und erhoben, obliegt ihm auch die Geltendmachung eines Haftungsanspruchs.43

66

Wer kraft Gesetzes haftet, kann durch Haftungsbescheid44 in Anspruch genommen werden. Der Bescheid ist schriftlich zu erteilen (§ 191 AO) und zu begründen. Gegen Haftungsbescheide der Gemeinde sind der Widerspruch (sofern vorgegeben) und der Verwaltungsrechtsweg gegeben (§§ 68 ff., § 40 VwGO). Gegen Haftungsbescheide des Finanzamts sind der Einspruch und der Finanzrechtsweg gegeben (§ 347 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 33 FGO).

67

Es kommen insb. die folgenden Haftungstatbestände in Betracht: § 69 AO (Haftung der Vertreter), § 71 AO (Haftung des Steuerhinterziehers und des Steuerhehlers), § 73 AO (Haftung bei Organschaft), § 74 AO (Haftung des Eigentümers von Gegenständen), § 75 AO (Haftung des Betriebsübernehmers), § 192 AO (vertragliche Haftung), § 25 Abs. 1 HGB (Haftung des Erwerbers eines Handelsgeschäfts), § 128 HGB (Haftung des Gesellschafters einer OHG), §§ 161, 171 HGB (Haftung des Komplementärs und der Kommanditisten einer KG), § 427 BGB (Haftung des Gesellschafters einer GbR).

68

39 BFH v. 22.1.2015 – IV R62/11, BFH/NV 20015, 995. 40 BFH v. 8.12.2016 – IV R 8/14, BStBl. II 2017, 538; R 5.1 Abs. 2 Satz 1 GewStR 2009. 41 BFH v. 8.12.2016 – IV R 8/14, BStBl. II 2017, 538; R 5.1 Abs. 2 Satz 2 ff. GewStR 2009, auch zum Folgenden. 42 BFH v. 12.11.1985 – VIII R 364/83, BStBl. II 1986, 311. 43 R 5.3 GewStR 2009. 44 Näher zu den Bedingungen Selder in Glanegger/Güroff10, § 5 GewStG Rz. 37 ff.

201

GewStG § 5

202

§ 6 Besteuerungsgrundlage Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen

10

A. Allgemeines Nach § 6 GewStG ist ab dem EZ 19981 der Gewerbeertrag die einzige Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer; vormals waren es zusätzlich das Gewerbekapital und die Lohnsumme.

1

Die Vorschrift geht auf § 6 GewStG 1936 zurück. Dort war der Gesetzgeber noch davon ausgegangen, dass eine einzige Besteuerungsgrundlage nicht ausreiche: „Würde die Gewerbesteuer nur auf den Gewerbeertrag abgestellt, so würde die Steuer so konjunktur- und krisenempfindlich werden, dass in den Gemeindefinanzen eine beträchtliche Unsicherheit hineingetragen würde“.2

2

Das Gesetz v. 30.11.19783 hat die Lohnsummensteuer ab EZ 1980 abgeschafft.

3

Bis einschließlich 1997 war das Gewerbekapital eine weitere Besteuerungsgrundlage (§ 6 Satz 1 a.F. GewStG). Diese Besteuerung sollte zumindest teilweise ein konjunkturunabhängiges Aufkommen der Gewerbesteuer gewährleisten. In ertragslosen Zeiten führte diese Art der Besteuerung bei den Unternehmen zu Substanzverlusten, so dass am Gewerbekapital als gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage nicht mehr festgehalten wurde.

4

Mit verfassungsänderndem Gesetz v. 20.10.1997 hatte der Gesetzgeber kurz zuvor Art. 28 und 106 GG geändert und ergänzt, den Begriff der Realsteuer gestrichen und die „neue“ Gewerbesteuer verfassungsrechtlich abgesichert.4

5

Die aktuelle Fassung des § 6 GewStG beruht auf dem Gesetz vom 20.12.2001.5

6

frei

7–9

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Die Regelung bildet die allgemeine Grundlage für die Bemessung der Gewerbesteuer. Sie gilt für alle Gewerbebetriebe i.S.d. § 2 GewStG. Besteuerungsgrundlage sind alle Regelungen, die der materiellen Berechnung und Festsetzung der Steuer dienen.

10

Der Begriff der Besteuerungsgrundlage i.S.d. § 6 GewStG ist ein anderer als der des § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG (vgl. § 157 Abs. 2 AO).6 Er meint hier als Teil des Steuertatbestandes, dass der Gewerbeertrag die Bemessungsgrundlage7 für die Berechnung des Steuermessbetrags durch Anwendung einer Steuermesszahl (§ 11 Abs. 1 GewStG) bildet. Der Messbetrag ist dann seinerseits die Grundlage für die Erhebung der Steuer.

11

Den grundlegenden Begriff des Gewerbeertrags verwendet das Gewerbesteuergesetz an verschiedenen Stellen (§§ 7, 7a, 7b, 9 bis 11, 35b GewStG), unterscheidet ihn aber deutlich vom Begriff des Gewinns des Gewerbebetriebs (§ 8 Halbs. 1 GewStG).

12

1 2 3 4 5 6 7

Gesetz v. 29.10.1997, BGBl. I 1997, 2590. Amtl. Begründung zu § 6 GewStG 1936, RStBl. 1937, 694. BGBl. I 1978, 1849. BT-Drucks. 13/8488, 6 (im Sinne einer „Klarstellung“). BGBl. I 2001, 3955. BFH v. 28.2.2001 – I R 77/00, BFH/NV 2001, 1293. BFH v. 3.2.2010 – I R 21/06, BStBl. II 2010, 692.

203

GewStG § 6 Rz. 13 | Besteuerungsgrundlage 13

Der Begriff des Gewerbeertrags ist dem Grunde nach gesetzlich nicht definiert. § 7 GewStG enthält aber eine hinreichende Bestimmung des Gewerbeertrags dem Umfang nach, indem die Vorschrift bestimmt, wie der Gewerbeertrag zu ermitteln ist. Danach ist der Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des EStG oder des KStG zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt oder vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG genannten Beträge. § 7 Sätze 2 bis 9 GewStG enthalten weitere Korrekturen des Gewinns.

14

Unter Berücksichtigung des Objektsteuercharakters der GewSt soll der Gewerbeertrag den von Eigentumsverhältnissen unabhängigen Ertrag des Gewerbes erfassen. Die Hinzurechnungen und Kürzungen sollen den „objektiven“ Ertrag und die objektive bzw. „objektivierte Ertragskraft“8 des jeweiligen Gewerbebetriebs abbilden. Aus diesem Grund werden dem Gewinn über § 8 GewStG bestimmte Ausgaben wieder hinzugerechnet, z.B. Mieten, Zinsen und Lizenzgebühren. § 8 GewStG unterstellt, dass bestimmte Aufwendungen im Gewerbebetrieb erwirtschaftet worden sind. Hiermit soll Finanzierungsneutralität hergestellt werden. § 9 GewStG schließt Ertragsbestandteile aus, die nicht im Gewerbebetrieb erwirtschaftet worden sind, oder vermeidet Doppelbesteuerungen. Weitere Sonderregelungen enthalten §§ 7a, 7b. GewStG.

15

Damit liegt die Bestimmung der Ertragskraft maßgeblich in den Händen des Gesetzgebers und in seinem Gutdünken. Die erwähnten Kriterien (Finanzierungsneutralität, Vermeidung von Doppelbesteuerungen) sind bloße mögliche Zielvorgaben. Daneben spielen kommunalfiskalische Rücksichten eine Rolle. Dies erklärt, warum die §§ 7 ff. GewStG in den letzten Jahrzehnten vielfach geändert und ergänzt wurden.

8 BVerfGE 116, 164 (184); 120, 1 (3).

204

Abschnitt II. Bemessung der Gewerbesteuer § 7 Gewerbeertrag 1

Gewerbeertrag ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum (§ 14) entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 bezeichneten Beträge. 2Zum Gewerbeertrag gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe 1. des Betriebs oder eines Teilbetriebs einer Mitunternehmerschaft, 2. des Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs einer Mitunternehmerschaft anzusehen ist, 3. des Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, soweit er nicht auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer entfällt. 3Der nach § 5a des Einkommensteuergesetzes ermittelte Gewinn einschließlich der Hinzurechnungen nach § 5a Absatz 4 und 4a des Einkommensteuergesetzes und das nach § 8 Absatz 1 Satz 3 des Körperschaftsteuergesetzes ermittelte Einkommen gelten als Gewerbeertrag nach Satz 1. 4§ 3 Nr. 40 und § 3c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes sind bei der Ermittlung des Gewerbeertrags einer Mitunternehmerschaft anzuwenden, soweit an der Mitunternehmerschaft natürliche Personen unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligt sind; im Übrigen ist § 8b des Körperschaftsteuergesetzes anzuwenden. 5Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags einer Kapitalgesellschaft, auf die § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes anzuwenden ist, ist § 8 Abs. 9 Satz 1 bis 3 des Körperschaftsteuergesetzes entsprechend anzuwenden; ein sich danach bei der jeweiligen Sparte im Sinne des § 8 Abs. 9 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes ergebender negativer Gewerbeertrag darf nicht mit einem positiven Gewerbeertrag aus einer anderen Sparte im Sinne des § 8 Abs. 9 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes ausgeglichen werden. 6§ 50d Abs. 10 des Einkommensteuergesetzes ist bei der Ermittlung des Gewerbeertrags entsprechend anzuwenden. 7 Hinzurechnungsbeträge im Sinne des § 10 Absatz 1 des Außensteuergesetzes sind Einkünfte, die in einer inländischen Betriebsstätte anfallen. 8Einkünfte im Sinne des § 20 Absatz 2 Satz 1 des Außensteuergesetzes gelten als in einer inländischen Betriebsstätte erzielt; das gilt auch, wenn sie nicht von einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung erfasst werden oder das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung selbst die Steueranrechnung anordnet. 9Satz 8 ist nicht anzuwenden, soweit auf die Einkünfte, würden sie in einer Zwischengesellschaft im Sinne des § 8 des Außensteuergesetzes erzielt, § 8 Absatz 2 bis 4 des Außensteuergesetzes zur Anwendung käme. § 16 GewStDV Gewerbeertrag bei Abwicklung und Insolvenz (1) Der Gewerbeertrag, der bei einem in der Abwicklung befindlichen Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 Abs. 2 des Gesetzes im Zeitraum der Abwicklung entstanden ist, ist auf die Jahre des Abwicklungszeitraums zu verteilen. (2) Das gilt entsprechend für Gewerbebetriebe, wenn über das Vermögen des Unternehmers ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. A. I. II. 1. a) b) 2. 3. 4.

Allgemeines Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungszusammenhang Eigenständigkeit der Gewerbebesteuerung Materiell-rechtlich . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrensrechtlich . . . . . . . . . . . . . . . . Gewinnermittlungsvorschriften . . . . . . . Übrige Vorschriften des GewStG . . . . . . Ausländische Quellensteuern . . . . . . . . .

1 20 25 31 40 50

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Gleichlauf der Gewinnermittlung nach dem EStG/KStG (Satz 1) . . II. Rechtsformspezifische Konvergenz der Gewinnermittlung 1. Gewerbeertrag bei Einzelunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewerbeertrag bei Mitunternehmerschaften (Satz 2, 4 und 6)

60

75

205

GewStG § 7 Rz. 1 | Gewerbeertrag a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Betriebsveräußerungs- oder Betriebsaufgabegewinne (Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerfreie Einnahmen (Satz 4) . . . . . . . d) Sondervergütungen (Satz 6) . . . . . . . . . . 3. Gewerbeertrag bei Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen a) Private Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . b) Öffentliche Unternehmen (Satz 5) aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Betriebe gewerblicher Art. . . . . . . . . . . . cc) Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . 4. Steuerbefreiungen (insb. Teileinkünfteverfahren, § 8b KStG) . . . . . . . . . . . . . . 5. Auswirkungen auf den Gewerbeertrag bei Umwandlungsvorgängen a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vermögensübergang auf Personenunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vermögensübergang auf eine andere Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einbringungen und Formwechsel . . . . . 6. Gewerbesteuerrechtliche Einbeziehung von außensteuerrechtlichen Einkünften (Sätze 7–9) a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hinzurechnungsbeträge i.S.d. § 10 AStG (Satz 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85 91 106 111

120 130 136 145 160 170 180 190 195

210 225

c) Betriebsstätteneinkünfte i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG (Sätze 8 und 9) 7. Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Handelsschiffe und öffentlichrechtlicher Rundfunk (Satz 3) a) Handelsschiffe . . . . . . . . . . . . . . . b) Werbesendungen des öffentlichrechtlichen Rundfunks . . . . . . . . . III. Objektsteuerspezifische Divergenz der Gewinnermittlung 1. Allgemeines a) Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Überblick über die betroffenen Einkünfte aa) Gewerbesteuerfreie Einkünfte bei Einzelunternehmen und Mitunternehmerschaften . . . . . . . . . . . . . . bb) Gewerbesteuerpflichtige Einkünfte 2. Zur Abgrenzung der werbenden Tätigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Insbesondere Aufgabe- und Veräußerungsgewinne . . . . . . . . . . . . 4. Entschädigungen . . . . . . . . . . . . . 5. Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Wesentliche Beteiligungen . . . . . . 7. Korrekturen bei nachträglichen Minderungen . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Gewerbeertrag bei Abwicklung und Insolvenz (§ 16 GewStDV) . .

235 250 260 265

280

290 295 300 310 330 336 340 345 348

A. Allgemeines I. Regelungszweck 1

§ 7 GewStG ist die Ausgangs- und Grundnorm für die Ermittlung der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag. Die Eingangsvorschrift des § 7 Satz 1 GewStG bestimmt zusammen mit § 6 GewStG den Begriff des Gewerbeertrags als wesentliche Besteuerungsgrundlage. Ausgangswert ist der nach Maßgabe der nach den Vorschriften des Einkommensteueroder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn, der um Hinzurechnungen bzw. Kürzungen nach den §§ 8, 9 GewStG vermehrt bzw. gemindert wird.

2

Der Gewerbeertrag ist sodann Bemessungsgrundlage1 für die Berechnung des Steuermessbetrags durch Anwendung einer Steuermesszahl (§ 11 GewStG). Der Steuermessbetrag ist seinerseits Grundlage für die Erhebung der Gewerbesteuer durch Anwendung eines Hebesatzes (§ 16 GewStG).

3

Die Regelung gilt für alle inländischen Gewerbebetriebe i.S.d. § 2, 35a GewStG. Sie enthält aber auch geschriebene und ungeschriebene Sonderregelungen für bestimmte Rechtsformen und Formen und Arten von Gewerbebetrieben: z.B. § 7 Satz 2, 3, 6 GewStG für bestimmte Mitunternehmerschaften; § 7 Satz 3 GewStG für Handelsschiffe und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk; § 7 Satz 4 GewStG für Eigengesellschaften der öffentlichen Hand.

4

Bei Personengesellschaften fällt auch das Sonderbetriebsvermögen in den Anwendungsbereich des § 7 GewStG.2 Die Einbeziehung des Sonderbetriebsvermögens in die Ermittlung

1 BFH v. 3.2.2010 – I R 21/06, BStBl. II 2010, 692. 2 BFH v. 20.9.2018 – IV R 39/11, BStBl. II 2019, 131.

206

Gewerbeertrag | Rz. 11 § 7 GewStG

des Gewinns und des Gewerbeertrags beruht auf der Wertung der Gesellschafter als (Mit-) Unternehmer des Betriebs. Grundlage des Gewerbeertrags ist der ertragsteuerrechtliche Gewinn i.S.d. EStG bzw. KStG (Satz 1). Insoweit verweist das Gesetz auf die Voraussetzungen der entsprechenden Vorschriften zur Ermittlung des Gewinns namentlich, aber nicht ausschließlich im EStG und KStG. Deshalb erfolgt die Ermittlung des Gewerbebetrags materiell- und verfahrensrechtlich immer zweistufig.

5

Das GewStG selbst und die vorherrschende Auslegung im Sinne eines sog. Objektsteuerprinzips gehen davon aus, dass eine Reihe von gewerbesteuerrechtlichen Besonderheiten und Abweichungen vom Ertragsteuerrecht für die gewerbesteuerrechtliche Ermittlung des Gewerbeertrags zu beachten sind. Diese gewerbesteuerrechtlichen Eigenarten – zumeist auf der zweiten Stufe – regeln (in einem recht unsystematischen Sammelsurium) die Sätze 2 bis 9 des § 7 GewStG ausdrücklich; im Übrigen sollen die Besonderheiten – namentlich nach Auffassung der Rechtsprechung – aus dem (objektsteuerartigen) „Wesen“ der Gewerbesteuer abzuleiten sein.3

6

Die zentrale Regelung des § 7 Satz 1 GewStG geht auf § 7 GewStG 1936 zurück.4 Der damalige (noch klare und einfache) Wortlaut der Vorschrift lautete: „Gewerbetrag ist der Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermitteln ist und vermindert um die in dem §§ 8 und 9 bezeichneten Beträge.“

7

Die aktuelle Fassung des § 7 GewStG beruht auf dem Gesetz v. 25.6.2021. Es handelt sich um eine redaktionelle Anpassung des § 7 Satz 9 GewStG an das Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG) v. 25.6.2021.5 Die Regelung gilt ab EZ 2022 (§ 36 Abs. 3 Satz 4 GewStG).

8

Die Terminologie des Gesetzgebers in den Sätzen 2 bis 9 des § 7 GewStG ist leider ohne Not uneinheitlich: teilweise wird auf die (z.T. entsprechende) Anwendung bestimmter Vorschriften außerhalb des GewStG verwiesen oder ihre Anwendung verneint, teilweise werden typische Fiktionsbegriffe verwendet („gelten“), teilweise werden solche Regelungen sachlich positiv festgestellt oder festgesetzt.

9

frei

10

– Satz 2 unterwirft ab dem EZ 2002 steuerbare Veräußerungs- und Aufgabegewinne nach § 16 EStG bei bestimmten Mitunternehmerschaften der Gewerbesteuer. – Nach Satz 3 gelten die ertragsteuerrechtlichen Sonderregelungen für die Ermittlung des Gewerbeertrags von Handelsschiffen und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auch für die Gewerbesteuer. – Ab dem EZ 2004 sind nach Satz 4 die Regelungen der § 3 Nr. 40 und § 3c Abs. 2 EStG (Teileinkünfteverfahren) sowie § 8b KStG (Freistellungen) bei bestimmten Mitunternehmerschaften anzuwenden. – Satz 5 enthält eine Sonderregelung zur Ermittlung des Gewerbeertrags von Eigengesellschaften. Danach ist § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG unter Beachtung der Spartenregelung i.S.d. 8 Abs. 9 KStG entsprechend anwendbar.6 Die Regelung hat das JStG 2009 mit Wirkung ab dem EZ 2009 eingefügt. – Die im JStG 2009 enthaltene Regelung des Satzes 6 zum Gewerbeertrag bei Sondervergütungen eines Mitunternehmers im DBA-Fall nach der Fiktion des § 50d Abs. 10

11

3 Etwa BFH v. 29.11.2003 – IV R 5/02, BStBl. II 2004, 464; v. 26.11.2009 – III R 110/07, BFH/NV 2010, 1304. 4 Zur Rechtsentwicklung Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 5 ff. 5 Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG) v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035. 6 R 7.1 Abs. 4 Satz 4 bis 6 GewStR 2009.

207

GewStG § 7 Rz. 12 | Gewerbeertrag EStG ist nach § 36 Abs. 5 Satz 2 GewStG a.F. auch für EZ vor 2009 entsprechend anzuwenden, da sie lediglich die bisherige Verwaltungspraxis festschreiben soll. – Sätze 7 bis 9 berücksichtigen die Folgen außensteuerrechtlicher Gewinnkorrekturen nach §§ 10, 20, 8 AStG für gewerbesteuerrechtliche Zwecke. 12–16 17

frei

Prüfungsschema: Ermittlung des Gewerbeertrag und der Zahllast Gewinn aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG und § 8 KStG (§ 7 Satz 1 GewStG) + + ./.

Korrekturen des Gewinns nach § 7 Satz 2–9 GewStG Hinzurechnungen von Beträgen (§ 8 GewStG) Kürzungen (§ 9 GewStG)

= ./.

Gewerbeertrag vor Verlustabzug Gewerbeverlust aus Vorjahren (§ 10a GewStG)

= ./.

Gewerbeertrag nach Abrundung auf volle 100 € (§ 11 Abs. 1 Satz 3 GewStG) Freibetrag (§ 11 Abs. 1 Satz 3 GewStG: 24.500 € bzw. 5.000 €)

= X

steuerpflichtiger Gewerbeertrag (Bemessungsgrundlage, § 6 GewStG) Steuermesszahl (§ 11 Abs. 2 GewStG: 3,5 %)

= X

Steuermessbetrag (§§ 11, 14 GewStG) Hebesatz (§ 16 Abs. 1 GewStG)

= ./.

festzusetzende Gewerbesteuer (§ 16 Abs. 1 GewStG) Gewerbesteuer-Vorauszahlungen (§ 19 GewStG)

=

Gewerbesteuerzahllast

18–19

frei

II. Regelungszusammenhang 1. Eigenständigkeit der Gewerbebesteuerung a) Materiell-rechtlich 20

Die Eigenständigkeit der (Teil-)Bemessungsgrundlage und damit des GewStG ist „hybrid“. Einerseits gehen Gesetzgeber, Rechtsprechung und Verwaltung davon aus, dass die Regelungen des Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerrechts über die Ermittlung des Gewinns nicht nur anzuwenden, sondern auch bindend sind. Dies entspricht einem Gleichlauf7 der Ermittlung des Gewinns bei Einkommensteuer und Körperschaftsteuer. Nach Auffassung der Rechtsprechung des BFH8 ist die Gewerbebesteuerung auch an die einkommensteuerrechtlich zulässigen konkreten Ansätze in der Steuerbilanz gebunden. Mithin dürfen bilanzsteuerrechtliche Bewertungswahlrechte bei der Gewinnermittlung für Zwecke der GewSt nicht anders als für Zwecke der ESt ausgeübt werden.9 Die Verknüpfung gilt auch für die anzuwendende Gewinnermittlungsart, so dass die einkommensteuerrechtlich gewählte Gewinnermittlungsart auch für die Ermittlung des Gewerbeertrags bindend ist.10 Dies spricht gegen eine materiellrechtliche Eigenständigkeit11 der Gewerbeertragsermittlung und kennzeichnet die Gewerbesteuer in ihrer Ausgangsgröße auch als eine gesonderte Ertragsteuer. 7 Vgl. Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 37. 8 BFH v. 27.10.2015 – X R 44/13, BStBl. II 2016, 278; v. 21.1.1992 – VIII R 72/87, BStBl. II 1992, 958; v. 9.8.1989 – X R 110/87, BStBl. II 1990, 195; v. 25.4.1985 – IV R 83/83, BStBl. II 1986, 350. 9 H 7.1 Abs. 1 GewStH 2016 m.w.N.; Schiffers in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7 GewStG Rz. 5. Anders namentlich Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 54: es fehle eine gesetzliche Grundlage für die Verknüpfung. 10 BFH v. 5.11.2015 – III R 12/13, BStBl. II 2016, 420. 11 Anders wohl BFH v. 15.3.2017 – I R 41/16, DStR 2017, 1976.

208

Gewerbeertrag | Rz. 27 § 7 GewStG

Andererseits sollen die Regelungen des EStG/KStG insoweit nicht anzuwenden, als sie ausdrücklich auf die Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) beschränkt sind12 oder ihre Nichtanwendung sich unmittelbar aus dem GewStG oder aus dem Wesen der Gewerbesteuer ergibt.13 Die Rechtsprechung spricht (nur?) insoweit von einer „materiell-rechtliche Eigenständigkeit“14 der Gewerbeertragsermittlung. Hierfür sprechen in der Tat die vielfältigen gewerbesteuerrechtlichen Besonderheiten in § 7 Satz 2 ff., §§ 8, 9 GewStG. So finden etwa die Gewinnermittlungsvorschriften keine Anwendung, die dem Objektsteuercharakter der GewSt entgegenstehen.15

21

Aus dem Gewinn aus Gewerbebetrieb sind zudem alle Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben auszuscheiden, die nicht mit der Unterhaltung eines laufenden, werbenden Gewerbebetriebs zusammenhängen.16 Ausländische Betriebsstättenergebnisse sind grds. nach § 9 Nr. 3 GewStG auszuscheiden.17 Eine nicht abschließend geklärte Ausnahme kann für sog. finale Betriebsstättenverluste gelten.18 Dies spricht alles für eine Kennzeichnung der Gewerbesteuer als eine nach Art und Umfang des Steuergegenstandes objektivierte, besondere Ertragsteuer.

22

frei

23–24

b) Verfahrensrechtlich Für gewerbesteuerrechtliche Zwecke ist der Gewinn verfahrensrechtlich selbständig zu ermitteln.19 Der Gewerbeertrag ist gem. § 7 Satz 1 GewStG zwar „nach den Vorschriften des EStG“, aber ohne verfahrensrechtliche Bindung an einen ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid (und den dort tatsächlich ermittelten Gewinn) zu ermitteln.20 Das gilt auch für die Fälle, in denen der Gewinn aus Gewerbebetrieb auf Grund des § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO gesondert festgestellt wird.21

25

Die Bescheide nach Einkommensteuer und Körperschaftsteuer sind keine Grundlagenbescheide (§ 171 Abs. 10 AO) für die Gewerbesteuer und den Gewerbesteuermessbescheid.22 § 35b GewStG eröffnet nur die Möglichkeit einer Folgekorrektur.23 Der Gewinn muss für Zwecke der Gewerbesteuer abschließend ermittelt werden, um die Besonderheiten der Steuer zu berücksichtigen.

26

Die verfahrensrechtliche Selbständigkeit wirkt sich auch auf die Einlegung von Rechtsbehelfen aus. Einwendungen gegen die Gewinnermittlung bei der Einkommensteuer/Körperschaftsteuer bzw. Gewerbesteuer sind jeweils durch eigenständige Einsprüche geltend zu machen. Nur wenn feststeht, dass ein Einkommensteuerbescheid, ein Körperschaftsteuerbescheid oder ein Gewinnfeststellungsbescheid aufzuheben oder zu ändern ist, die Aufhebung oder Änderung des bezeichneten Bescheids die Höhe des Gewinns aus Gewerbebetrieb berührt und diese Aufhebung oder Änderung die Höhe des Gewerbeertrags beein-

27

12 R 7.1 Abs. 3 Satz 1 GewStR 2009. 13 BFH v. 11.12.1956 – I 194/56 U, BStBl. III 1957, 105; v. 29.11.1960 – I 73/59 U, BStBl. III 1961, 51; H 7.1 GewStH 2016. 14 BFH v. 15.3.2017 – I R 41/16, DStR 2017, 1976. 15 BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, FR 2010, 896. Zu den durch den Objektsteuercharakter bedingten vielfältigen Abweichungen Güroff in Glanegger/Güroff10, § 7 GewStG Rz. 3. 16 R 7.1 Abs. 3 Satz 2 GewStR 2009. 17 H 7.1. Abs. 1 GewStH 2016. 18 Zur Berücksichtigung finaler ausländischer Betriebsstättenverluste Güroff in Glanegger/Güroff10, § 7 GewStG Rz. 6. 19 H 7.1 Abs. 1 GewStH 2009. 20 St. Rspr., BFH v. 22.11.1955 – I 139/54 S, BStBl. III 1956, 4; v. 27.4.1961 – IV 336/59 U, BStBl. III 1961, 281; v. 11.12.1997 – III R 14/96, BStBl. II 1999, 401; v. 18.4.2012 – X R 34/10, BStBl II 2012, 647; H 7.1 Abs. 1 GewStH 2016. 21 BFH v. 17.12.2003 – XI R 83/00, BStBl. II 2004, 699. 22 St. Rspr., etwa BFH v. 15.3.2017 – I R 41/16, DStR 2017, 1976. 23 Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 37.

209

GewStG § 7 Rz. 28 | Gewerbeertrag flusst, kann von einem Rechtsbehelf gegen den Gewerbesteuermessbescheid abgesehen werden.24 In diesem Fall führt eine Aufhebung oder Änderung von Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Gewinnfeststellungsbescheiden zu einer entsprechenden Änderung des Gewerbesteuermessbescheids nach § 35b GewStG von Amts wegen. 28

Das weitere Verfahren ist in den Flächenländern zweigleisig. Den Gewerbesteuermessbescheid setzen die Finanzämter fest (§ 14 GewStG), den Gewerbesteuerbescheid erlassen die Gemeinden (§ 16 GewStG). Rechtsbehelfe gegen den Gewerbesteuermessbescheid sind Einspruch bzw. Klage beim FG, Rechtsbehelfe gegen den Gewerbesteuerbescheid sind Widerspruch bzw. Klage beim VG. Der Steuerpflichtige kann im Gewerbesteuermessbetragsverfahren Einwendungen gegen die Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb unabhängig von dem Gang der Veranlagung bei der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer vorbringen.25

29

Billigkeitsmaßnahmen bei der Gewinnermittlung nach § 163 Abs. 1 Satz 2 AO (zeitliche Verlagerung von Besteuerungsgrundlagen) wirken nach § 184 Abs. 2 Satz 2 AO auch für die Gewerbesteuer, Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO hingegen nur, wenn die für die Erhebung zuständige Gemeinde ausdrücklich zugestimmt hat.26 Die Zustimmung ist nicht erforderlich, wenn die Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO auf Grund allgemeiner Verwaltungsanordnungen getroffen werden.27

30

frei 2. Gewinnermittlungsvorschriften

31

Die Gewinnermittlung für (steuerpflichtige) gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 15 EStG für natürliche Personen und Personengesellschaften regelt das EStG im Teil II §§ 4 bis 7i EStG. Anzuwenden sind auch die vorausliegenden §§ 3, 3c EStG.28 Der Gewinn nach § 5a EStG gilt gem. § 7 Satz 3 GewStG als Gewerbeertrag.29

32

Bei der Ermittlung des Gewinns sind für Zwecke der Gewerbesteuer insb. die folgenden Vorschriften nicht anzuwenden: § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, Nr. 2, Nr. 3, Abs. 3 Satz 1 EStG, §§ 17, 24, 15 Abs. 4, 15a, 15b EStG.30 Die in § 16 EStG erfassten Einkünfte in Zusammenhang mit Veräußerung oder Aufgabe von Gewerbebetrieben bzw. Teilbetrieben sowie des gesamten Anteils von Mitunternehmern (außer31 nach § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG) sind danach gewerbesteuerfrei.

33

Die einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften sind auch bei Körperschaften anzuwenden (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG). Diese Regelung verweist auf die entsprechenden Vorschriften des EStG. Hinzu kommen die besonderen Regelungen des KStG (§ 8 bis 10, 20, 21a, 22 KStG). Der Gewinn nach § 8 Abs. 1 Satz 3 KStG gilt gem. § 7 Satz 3 GewStG als Gewerbeertrag.

34

Bilanzierende Gewerbebetriebe sind über den Grundsatz der Maßgeblichkeit des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG an die handelsrechtlichen GoB (§§ 238 ff. HGB) gebunden.32

35

Spezielle Vorschriften33 zur Gewinnermittlung enthalten §§ 18, 19 UmwStG, §§ 7 bis 14 i.V.m. § 21 AStG (vgl. § 7 Satz 7 GewStG), § 7 EntwLStG und § 6 AIG. Sie schreiben die 24 25 26 27 28 29 30

R 7.1 Abs. 2 GewStR 2009. R 7.1 Abs. 2 GewStR 2009. BFH v. 9.1.1962 – I 101/605, BStBl. III 1962, 238. H 7.1. GewStH 2016. Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 34. Vgl. H 7.1 Abs. 1 GewStH 2016. R 7.1 Abs. 3 Satz 1 GewStR 2009; näher zu den Besonderheiten für Mitunternehmerschaften R 7.1 Abs. 3 Satz 2 bis 6 GewStR 2009. 31 R 7.1 Abs. 1 Satz 6 GewStR 2009. 32 BFH v. 11.11.2014 – I R 53/13, BFH/NV 2015, 686; Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 87, dort auch Einfluss der EuGH-Rechtsprechung. 33 Vgl. H 7.1 Abs. 1 GewStH 2016.

210

Gewerbeertrag | Rz. 51 § 7 GewStG

Anwendung dieser Gesetze für die Ermittlung des Gewerbeertrags vor. Diese spezialgesetzlichen Regelungen gelten grds. auch im Rahmen des § 7 Satz 1 GewStG. So gehört etwa die außensteuerrechtliche Hinzurechnungsbesteuerung nach § 10 AStG zu den betreffenden Vorschriften des § 8 Abs. 1 KStG.34 Solche speziellen Regelungen finden sich außerhalb des GewStG, aber letztlich auch in § 7 Satz 2 bis 9 GewStG. Der Standort ist dem Gesetzgeber überlassen. Im Verhältnis zum AStG hat der Gesetzgeber mittlerweile sowohl im AStG (§ 10 Abs. 2, Satz 4, § 11 Abs. 5 AStG) als auch im GewStG (§ 7 Satz 7–9) Sonderregelungen für die Gewerbesteuer getroffen. Fehlt etwa in einem Sondergesetz, das oftmals gegenüber dem GewStG unterschiedliche Regelungszwecke verfolgt, eine spezielle Regelung für die Gewerbesteuer, gelten insoweit die allgemeinen Regeln des GewStG.35

36

Voraussetzung ist, dass es sich um Gewinnermittlungsvorschriften handelt, die auch die Bemessungsgrundlage der Gewerbebesteuer nach §§ 7–10a GewStG bestimmen. Dies ist etwa bei § 34c EStG und § 26 KStG nicht der Fall.

37

frei

38–39

3. Übrige Vorschriften des GewStG Die vorausliegende sachliche Gewerbesteuerpflicht ergibt sich aus §§ 2, 2a, 35a GewStG. Zur Organschaft vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG.

40

§§ 8, 9 GewStG sind nach § 7 Satz 1 GewStG ausdrückliche und zentrale gewerbesteuertypische Berechnungsgrößen des Gewerbeertrags und ermitteln die objektive Ertragskraft des Gewerbebetriebs.

41

§ 10 GewStG i.V.m. § 14 GewStG bestimmen den Ermittlungszeitraum. Entsprechend der Handhabung im EStG und dem KStG (VZ, § 25 Abs. 1 EStG, § 31 Abs. 1 KStG) ist dabei der Gewinn in zeitlicher Hinsicht dem Erhebungszeitraum (EZ) zuzuordnen, in dem der Gewinnermittlungszeitraum endet.

42

§ 10a GewStG (Vortrag der sog. Fehlbeträge) anerkennt auch einen negativen Gewerbeertrag. Anders als § 10d EStG ist ein Verlustrücktrag allerdings nicht zulässig.

43

§ 35b GewStG war als verfahrensrechtliche Änderungsvorschrift sinnvoll und notwendig, weil Gewinnermittlung und Ermittlung des Gewerbeertrags verfahrensrechtlich selbständig sind.

44

§ 35c GewStG ist die Ermächtigungsgrundlage für § 16 GewStDV.

45

frei

46–49

4. Ausländische Quellensteuern Für eine Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf Kapitalerträge bei der Gewerbesteuer, insb. bei Streubesitzdividenden, die nach § 8b KStG von der Körperschaftsteuer befreit sind, fehlt im GewStG (namentlich in §§ 7, 8, 9 GewStG) eine Rechtsgrundlage.36

50

Eine Analogie zu § 34c EStG und § 26 KStG scheidet aus, weil dort oder im Gewerbesteuergesetz keine planwidrige Regelungslücke besteht.37 Der Verweis in § 7 Satz 1 GewStG hilft hier nicht, weil die genannten Regelungen keine Vorschriften zur Gewinner-

51

34 BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BStBl. II 2015, 1049. 35 BFH v. 11.7.2019 – I R 26/18, DB 2020, 441 zu § 22 UmwStG. 36 FG Nds. v. 16.7.2015 – 6 K 196/13, EFG 2015, 2200; FG Nds. v. 18.3.2020 – 6 K 20/18, EFG 2020, 1009; Rev. BFH I R 16/20. 37 Anders FG Hess. v. 26.8.2020 – 8 K 1860/16, EFG 2021, 779, Rev. BFH I R 8/21. BFH v. 20.12.2017 – I R 98/15, DStR 2018, 449 hat die Frage bisher offengelassen. Eingehend jetzt Micker, ISR 2021, 428; Spek/Schumacher, Ubg 2021, 340.

211

GewStG § 7 Rz. 52 | Gewerbeertrag mittlung sind. Eine Rechtsgrundlage hinsichtlich des Ob und Wie38 ist aber auch dann notwendig und obliegt dem Bundesgesetzgeber, wenn das jeweilige Abkommensrecht mit der Anrechnungsmethode eine Anrechnung bzw. Berücksichtigung der Steuer zulässt (aber nicht ohne nationale Grundlage erzwingt). 52

Die Regelung des § 8 Nr. 12 GewStG, die eine Doppelbegünstigung vermeiden soll, hilft nicht weiter.39 Diese Regelung betrifft den Abzug ausländischer Steuern von der Bemessungsgrundlage. Diese Steuern ermäßigen zunächst die Bemessungsgrundlage der Einkommen- und Körperschaftsteuer, so dass sie über das Relais des § 7 Satz 1 GewStG auch die Gewerbesteuer mindern. § 8 Nr. 12 GewStG ordnet hier die Hinzurechnung der abgezogenen Steuer nur dann an, wenn die Gewinne nicht der Gewerbesteuer unterliegen. Andernfalls käme es zu einer Doppelbegünstigung. Dies betrifft etwa Fälle ausländischer Einkünfte gem. § 9 Nr. 3, oder 7 oder 8 GewStG.

53–59

frei

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Gleichlauf der Gewinnermittlung nach dem EStG/KStG (Satz 1) 60

Nach § 7 Satz 1 GewStG ist Grundlage für die Ermittlung des Gewerbeertrags der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes bzw. Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn. Die eigenständige Gewinnermittlung nach dem GewStG bedient sich insoweit der §§ 4 ff., §§ 15, 16 Abs. 2 EStG, die über § 8 Abs. 1 KStG auch für körperschaftsteuerpflichtige Subjekte gelten. Insb. stimmen auch die Begriffe Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 GewStG) und gewerbliches Unternehmen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) inhaltlich überein.40

61

Eine strikte Bindungswirkung an den z.B. für Zwecke der Einkommensteuer ermittelten Gewinn begründet § 7 Satz 1 GewStG nicht. Angesichts identischer gesetzlicher Bestimmungen für die eigentliche Gewinnermittlung gilt der Grundsatz, dass der Gewinn i.S.d. GewStG dem Gewinn nach dem EStG bzw. KStG entspricht. In der praktischen Regel wird der für die Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) maßgebende Gewinn daher mit dem für die Ermittlung des Gewerbeertrags festzustellenden Gewinn übereinstimmen.41 Unterschiede bei der Gewinnermittlung können sich aus (z.T. ungeschriebenen) gewerbesteuerrechtlichen Spezial- und Sonderregelungen ergeben, die im Wesentlichen aus dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer resultieren.

62

Die Bezugnahme auf die Vorschriften des EStG bzw. KStG bewirkt, dass neben der einheitlichen Definition von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben auch einkommensteuerliche Abzugsverbote, z.B. § 3c EStG, § 4 Abs. 4a, Abs. 5 EStG, § 4 h EStG auf die Gewerbesteuer „durchschlagen“.42 Auch Steuerbefreiungen, z.B. nach § 3 EStG oder § 8b KStG, sind gewerbesteuerrechtlich anzuerkennen.43 § 7 GewStG erfasst nur die steuerpflichtigen Einkünfte.44

63

Das gilt insb. auch für Beteiligungserträge, die nach der Rechtsform des Gewerbebetriebs unterschiedlich besteuert werden. Bei natürlichen Personen und Personengesellschaften gilt das Teileinkünfteverfahren. Bei Kapitalgesellschaften ist § 8b KStG bzw. das Schachtelprivileg nach § 8 Nr. 5 GewStG zu beachten. § 7 Satz 4 GewStG regelt dies seit EZ 2004 ausdrücklich. 38 Nach Ansicht des BVerwG v. 12.8.2014 – 9 B 23/14, HFR 2014, 1117 kann eine mögliche Berücksichtigung im Rahmen der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags durch das Finanzamt erfolgen; a.A. FG Nds. v. 16.7.2015 – 6 K 196/13, EFG 2015, 2200. 39 Vgl. Pitzal in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 8 Nr. 12 GewStG Rz. 1. 40 BFH v. 21.2.1980 – I R 95/76, BStBl. II 1980, 465. 41 H 7.1 Abs. 1GewStH 2016. 42 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 7 GewStG Rz. 5 ff. dort auch zu Investmentfonds. 43 Näher Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz 92 ff. 44 BFH v. 12.1.1978 – IV R 84/74, BStBl. II 1978, 267.

212

Gewerbeertrag | Rz. 76 § 7 GewStG

Nur ausnahmsweise dürften Steuerbefreiungen mit dem besonderen Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer nicht im Einklang stehen und deshalb bei der Gewerbesteuer keine Anwendung finden.

64

Die Gewinnermittlungsart (Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG oder Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG) muss mit der Gewinnermittlungsart für die Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer übereinstimmen.45

65

Der bei der Einkommensteuer geltende Grundsatz, dass sich durch einen Wechsel zwischen Einnahme-Überschussrechnung und Bestandsvergleich und umgekehrt – auch durch einen Wechsel im Fall der Betriebsveräußerung – oder Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG – Korrekturen des laufenden Gewinns im ersten Jahr der neuen Gewinnermittlung ergeben, schlägt auf die Gewerbesteuer durch.46 Entsprechende Korrekturen gleichen Doppel- oder Nichterfassung aus, die aus dem Wechsel resultieren.

66

Bilanzsteuerrechtliche Bewertungswahlrechte dürfen nach ständiger Rechtsprechung des BFH47 nur einheitlich ausgeübt werden. Die Gewinnauswirkung im Rahmen der Bilanzierung muss für die Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer und für die Gewerbesteuer gleich sein. Dies setzt zwingend identische Bilanzansätze als Basis für die Ermittlung der Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer voraus.48 Im Übrigen sollen auch die Grundsätze des Bilanzzusammenhangs und der Bilanzberichtigung für Zwecke der Gewerbesteuer gelten.49

67

Die Überführung eines Wirtschaftsgutes aus dem gewerblichen Betrieb in das Betriebsvermögen eines land- und fortwirtschaftlichen Betriebs, eines der Ausübung eines freien Berufs dienenden Betriebs oder in eine ausländische Betriebsstätte, die nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen keine Entnahme darstellt, weil deren spätere Besteuerung durch den Verbleib in einem Betriebsvermögen sichergestellt ist, löst allein für Zwecke der Gewerbesteuer keine Besteuerung der in dem Wirtschaftsgut ruhenden stillen Reserven aus.50 Unter dem Gesichtspunkt, dass die stillen Reserven insb. durch die Aussonderung von Veräußerungs- und Aufgabegewinnen bei der Gewerbesteuer nur lückenhaft erfasst werden, dürfte dies auch mit den Prinzipien der Gewerbesteuer übereinstimmen.

68

frei

69–74

II. Rechtsformspezifische Konvergenz der Gewinnermittlung 1. Gewerbeertrag bei Einzelunternehmen Die sachliche Steuerpflicht ergibt sich aus § 2 Abs. 1 GewStG. Liegen mehrere selbstständige Gewerbebetriebe (Einzelunternehmen) einer natürlichen Person vor, sind entsprechend auch mehrere Gewerbeerträge zu ermitteln, sofern nicht ein einheitlicher Gewerbebetrieb gegeben ist. Steuerschuldner ist der Unternehmer (§ 5 GewStG). Die Gewinnermittlung richtet sich nach § 15 Abs. 2 i.V.m. §§ 4 ff. EStG.

75

Dividenden oder Ergebnisse aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften unterliegen mit Einführung des Teileinkünfteverfahrens (bis einschließlich 2008 Halbeinkünfteverfahren) nach § 3 Nr. 40 Satz 1 EStG nur noch zu 60 % (bis 2008 zur Hälfte) der Einkommensteuer. Der Betriebsausgabenabzug ist in diesem Zusammenhang nach § 3c Abs. 2 EStG ebenfalls auf 60 % (bis einschließlich 2008 auf die Hälfte) begrenzt. Die ein-

76

45 Zu Gewerbesteuerrückstellungen Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 69. 46 R 7.1 Abs. 3 Satz 7 u. 8 GewStR 2009; H 7.1 GewStH 2016 mit Verweisen zu R 4.6 EStR und Anlage zu R 4.6 EStH; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 7 GewStG Rz. 7. 47 BFH v. 21.1.1992 – VIII R 72/87, BStBl. II 1992, 958; H 7.1 Abs. 1 GewStH 2016. 48 Zum Grundsatz der einheitlichen Ausübung von Bewertungswahlrechten vgl. aber auch BFH v. 6.9.2000 – XI R 18/00, BStBl. II 2001, 106. 49 Näher Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 60 f. 50 BFH v. 14.6.1988 – VIII R 387/83, BStBl. II 1989, 187; H 7.1 Abs. 1 GewStH 2016.

213

GewStG § 7 Rz. 77 | Gewerbeertrag kommensteuerrechtlichen Regelungen schlagen nach § 7 Satz 1 GewStG auf den Gewinn i.S.d. § 7 GewStG einer gewerbesteuerpflichtigen natürlichen Person durch.51 Für Mitunternehmerschaften vgl. § 7 Satz 4 1. Hs GewStG. 77

Die Vorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG bewirkt allerdings grds., dass die insoweit steuerfreien Gewinnanteile dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzugerechnet werden. Insofern wird der Gleichlauf mit der Einkommensteuer unterbrochen. Dies gilt nicht, wenn die Voraussetzungen des sog. Schachtelprivilegs (§ 9 Nr. 2a, Nr. 7 GewStG: mindestens 15% Beteiligung) vorliegen.

78

Bei natürlichen Personen unterliegen, vorbehaltlich der Regelungen in § 16 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 5 EStG bzw. § 24 Abs. 3 UmwStG und § 18 Abs. 3 UmwStG, Gewinne aus der Veräußerung oder der Aufgabe des Gewerbebetriebs nicht der GewSt. Auch der Gewinn aus der Veräußerung eines (organisatorisch selbständigen) Teilbetriebs wird von der Gewerbesteuer nicht erfasst. Die Gewerbesteuer soll bei natürlichen Personen nur den laufenden Gewinn belasten52. Der Gewinn aus der Abwicklung eines Teilbetriebs im Rahmen eines weiter bestehenden Gesamtbetriebs unterliegt hingegen der Gewerbesteuer.53

79

Soweit von einer gewerbesteuerpflichtigen natürlichen Person der zu ihrem Betriebsvermögen gehörende vollständige Anteil an einer Personengesellschaft verkauft wird, ist ein daraus resultierender Gewinn oder Verlust nicht bei der Bemessung der Gewerbesteuer zu berücksichtigen.54 Werden Anteile an Personengesellschaften nur anteilig verkauft, entsteht auf der Ebene der Personengesellschaft, deren Anteile verkauft werden, unabhängig von der Person des Veräußerers ein nach § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG laufender und damit nach § 7 GewStG gewerbesteuerpflichtiger Gewinn oder Verlust.

80–84

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2. Gewerbeertrag bei Mitunternehmerschaften (Satz 2, 4 und 6) a) Allgemeines 85

Die sachliche Steuerpflicht ergibt sich aus § 2 GewStG. Steuerschuldner ist die Personengesellschaft (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Eine Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 EStG (z.B. OHG, KG) ist ein Zusammenschluss mehrerer Personen zum gemeinsamen Betrieb eines gewerblichen Unternehmens. Dies sind i.d.R. Personengesellschaften. Sie unterhalten nur dann einen Gewerbebetrieb, wenn sie (auch) eine gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ausüben oder nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägt sind.

86

Mitunternehmerschaften sind anders als Einzelunternehmen in vollem Umfang gewerbesteuerpflichtig, d.h. auch mit Tätigkeiten, die ihrer Art nach nicht gewerblich i.S.d. § 15 Abs. 2 EStG sind.55 Dies folgt aus dem Verweis in § 2 Abs.1 Satz 2 GewStG auch auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 EStG.

87

Steuerbefreiungen sind auch gewerbesteuerrechtlich zu beachten. Das Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40, 3c EStG) gilt auch für eine Mitunternehmerschaft. Dies folgt auch aus § 7 Satz 4 GewStG. §§ 3 Nr. 40, und 3c EStG sind anzuwenden, wenn an der Mitunternehmerschaft natürliche Personen unmittelbar oder über Personengesellschaften mittelbar beteiligt sind. Auch § 8b KStG ist nach § 7 Satz 4 GewStG anzuwenden, wenn Körperschaften beteiligt sind.56

51 52 53 54 55

Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz 71. R 7.1 Abs. 3 Satz 1, 2 GewStR 2009. BFH v. 20.12.1963 – IV 336/62, BStBl. III 1964, 584. R 7.1 Abs. 3 Satz 3 GewStR 2009. Keine Ungleichbehandlung, BVerfG v.15.1.2008 – BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (25); krit. Drüen, GmbHR 2008, 393. 56 BFH v. 9.8.06 – I R 95/05, BStBl. II 2007, 279.

214

Gewerbeertrag | Rz. 94 § 7 GewStG

Wie bei der Einkommensteuer ist der Gewinn auch für Zwecke der Gewerbesteuer nach h.M.57 unter Berücksichtigung von Gewinnen aus Sonder- bzw. Ergänzungsbilanzen und von Vergütungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu ermitteln. Dies folgt aus dem Verweis des § 7 Satz 1 GewStG, aber auch aus dem Verweis des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG auf die jeweiligen Regelungen des EStG. Der Gesetzgeber hat diese Zuordnung auch durch § 7 Satz 6 GewStG bestätigt.

88

Insoweit besteht ein Gleichlauf mit der Einkommensteuer. Abweichungen des GewStG zur Einkommensteuer beruhen auf ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen (§§ 5, 8, 9 GewStG).58

89

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90

b) Betriebsveräußerungs- oder Betriebsaufgabegewinne (Satz 2) Nach überkommener h.M. setzt § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG einen werbenden und laufenden Gewerbebetrieb voraus. Auszuscheiden sind daher im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 7 Satz 1 GewStG insb. Veräußerungs-und Aufgabegewinne.59 Dies entspricht auch der Praxis.60

91

Gewinne aus der Veräußerung eines Betriebes i.S.d. § 16 Abs. 1 EStG – und damit auch aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen – sind bereits nach § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG einkommensteuerrechtlich und gewerbesteuerrechtlich ausdrücklich laufende Gewinne, soweit auf der Seite des Erwerbers und des Veräußerers dieselben Personen beteiligt sind. Dieser laufende Gewinn ist Bestandteil des Gewerbeertrags nach § 7 Satz 1 GewStG.61

92

§ 7 Satz 2 GewStG enthält eine Sonderregelung für Mitunternehmerschaften. Ab dem EZ 2002 gehören nach § 7 Satz 2 GewStG zum Gewerbeertrag auch Gewinne/Verluste aus der Veräußerung oder Aufgabe – des Betriebs oder eines Teilbetriebs einer Mitunternehmerschaft (Nr. 1), – des Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs einer Mitunternehmerschaft anzusehen ist (Nr. 2) – des Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (Nr. 3), soweit sie nicht auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer entfallen.62 Vor dem EZ 2002 waren die entsprechenden Einkünfte nicht gewerbesteuerpflichtig, sondern gewerbesteuerfrei.

93

Nach Auffassung des Gesetzgebers handelt es sich bei dieser Regelung um eine Missbrauchsvorschrift.63 Ihr Wortlaut lässt dies nicht erkennen. Ob diese Regelung das sog. Objektsteuerprinzip bestätigt oder einschränkt,64 kann dahinstehen. Sie ist jedenfalls positives Recht.65 Dass mit der Voraussetzung „natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer“ u.a. auch Fallgestaltungen, bei denen Missbrauchsaspekte nicht greifen –

94

57 Etwa BFH v. 12.10.2016 – I R 93/12, BFH/NV 2017, 586; näher H 71. Abs. 3 GewStH 2016; Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 74 m.w.N. 58 Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 75. 59 Statt vieler Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 106 m.w.N. 60 R 7.1 Abs. 3 GewStR 2009; H 7.1 Abs. 3 GewStH 2016. 61 BFH v. 18.12.2014 – IV R 59/11, BFH/NV 2015, 520; Umkehrschluss R 7.1 Abs. 3 Satz 1 GewStR 2009; H 7.1 Abs. 3 GewStH; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 3; Drüen in Brandis/ Heuermann, § 7 GewStG Rz. 72. 62 Zur Auslegung ausführlich Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 1028 ff; Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7 GewStG Rz. 85 ff. 63 BT-Drucks. 14/6882, 41; auch BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvR 1236/11, BStBl. II 2018, 303; BFH v. 22.7.2010 – IV R 29/07, BStBl. II 2011, 511; v. 30.8.2012 – IV R 54/10, BStBl. II 2012, 927; Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7 GewStG Rz. 86. 64 „Ausnahme“, BFH v. 19.7.2018 – IV R 39/10, BStBl. II 2019, 77. 65 Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 124.

215

GewStG § 7 Rz. 95 | Gewerbeertrag z.B. eine Personengesellschaft, an der nur natürliche Personen beteiligt sind, veräußert ihren Anteil an einer Mitunternehmerschaft –, der Gewerbesteuer unterworfen werden, nimmt der Gesetzgeber dabei billigend in Kauf. Den in diesem Zusammenhang geäußerten weiteren verfassungsrechtlichen Bedenken (rechtsformabhängige Besteuerung, Rückwirkung des § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG) hat das BVerfG66 eine Absage erteilt. Die Freistellung des auf natürliche Personen als unmittelbar beteiligte Mitunternehmer entfallenden Veräußerungsgewinns von der Gewerbesteuerpflicht ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.67 95

Voraussetzungen für die Anwendung des § 7 Satz 2 GewStG sind: (1) Ein entsprechender Betriebsveräußerungs- oder Betriebsaufgabegewinn (bzw. Verlust68) einer Mitunternehmerschaft. (2) Die betroffene Mitunternehmerschaft muss überhaupt insoweit nach § 2 Abs. 1 GewStG gewerbesteuerbar sein. (3) Die betroffenen Einkünfte müssen nach § 7 Satz 1 GewStG gewerbesteuerfrei und nicht bereits gewerbesteuerpflichtig sind. Liegen sodann die weiteren Voraussetzungen des § 7 Satz 2 GewStG vor, sind die Einkünfte gewerbesteuerpflichtig.

96

Mit der Voraussetzung „natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer“ wird in jedem Fall verhindert, dass Kapitalgesellschaften Betriebe oder Teilbetriebe nicht selbst – und damit gewerbesteuerpflichtig – veräußern, sondern sie in eine Mitunternehmerschaft einbringen, um anschließend von der bis zur gesetzlichen Neuregelung durch § 7 Satz 2 GewStG bestehenden Rechtslage zu profitieren, nach der Gewinne aus der Aufgabe oder Veräußerung des Betriebs- oder eines Teilbetriebs durch die Mitunternehmerschaft oder aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils durch die Kapitalgesellschaft nicht zum Gewerbeertrag gehörten. Soweit der Gewinn (bzw. Verlust) auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer entfällt, ist er gewerbesteuerfrei; soweit der Gewinn auf eine beteiligte Personengesellschaft (Obergesellschaft) entfällt, ist er hingegen Teil des Gewerbeertrags und steuerpflichtig.69

97

Eine Gewerbesteuerpflicht entsteht nach § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG auch, wenn der Fiskus (z.B. Bund, Länder) als juristische Personen des öffentlichen Rechts Beteiligungen an einer Personengesellschaft erbt (Fiskalerbe, § 1936 BGB) und diese Beteiligungen anschließend kündigt und aufgibt.70

98

Während bei der Einkommensteuer der Gewinn aus der Veräußerung/Aufgabe des Betriebs oder Teilbetriebs bei der veräußernden oder sich auflösenden Mitunternehmerschaft selbst und der Gewinn aus dem Verkauf des Mitunternehmeranteils bei dem veräußernden Gesellschafter entsteht, fällt der Gewerbeertrag in beiden Fällen auf der Ebene der Mitunternehmerschaft an, die einen Betrieb oder Teilbetrieb veräußert oder aufgibt. Das gilt auch, wenn ein Anteil veräußert wird. Im Gewerbeertrag der beteiligten Kapitalgesellschaft bzw. der beteiligten Personengesellschaft darf der Veräußerungs- und Aufgabegewinn nicht zusätzlich erfasst werden und ist daher ggf. aus dem ertragsteuerrechtlichen Gewinn herauszurechnen (gewerbesteuerrechtliche Abschirmwirkung des § 7 Satz 2 GewStG oder Kürzung des Gewinns entsprechend § 9 Nr. 2 GewStG). Demnach sind die Veräußerungsgewinne hier nicht beim Verkäufer zu erfassen, sondern unterliegen bei der Personengesellschaft und Mitunternehmerschaft, deren Anteil veräußert wird, der Gewerbesteuer.

66 BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvR 1236/11, BStBl. II 2018, 303; ebenso BFH v. 19.7.2018 – IV R 39/10, BStBl. II 2091, 17. 67 BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvR 1236/11, BStBl. II 2018, 303; BFH v. 19.7.2018 – IV R 39/10, BStBl. II 2019, 77. 68 Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 129. 69 BFH v. 19.7.2018 – IV R 39/10, BStBl. II 2019, 77; zum Umfang der Gewerbesteuerbarkeit BFH v. 19.7.2018 – IV R 31/35, BFH/NV 2018, 1222. 70 BFH v. 19.9.2019 – IV R 50/16, BStBl. II 2020, 57.

216

Gewerbeertrag | Rz. 103 § 7 GewStG Beispiel: An der A-KG sind B, die C-OHG und die D-GmbH jeweils mit 50.000 € (Buchwerte) als Kommanditisten beteiligt. B behandelt die Anteile als Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens. Die Anteile werden jeweils zum 1.7.05 für 70.000 € verkauft. In den nach dem EStG bzw. KStG ermittelten Gewinn für B, die C-OHG und die D-GmbH für 05 sind jeweils 20.000 € aus dem Verkauf der Kommanditbeteiligungen enthalten. Lösung: Der Gewinn aus dem Verkauf der Kommanditbeteiligung durch B wird weder auf der Ebene der A-KG (Verkauf durch eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer) noch bei B selbst von der Gewerbebesteuer erfasst. Die Gewinne aus dem Verkauf der Kommanditanteile durch die C-OHG und die D-GmbH gehören nach § 7 Satz 2 GewStG zum Gewerbeertrag der A-KG und sind bei der C-OHG und der D-GmbH gewerbesteuerrechtlich nicht zu berücksichtigen (Abschirmwirkung des § 7 Satz 2 GewStG). In der Praxis werden mitunter Gewerbesteuerklauseln vereinbart, wonach die gewerbesteuerrechtliche Belastung aus der Veräußerung oder Aufgabe eines Mitunternehmeranteils von dem Gesellschafter wirtschaftlich zu tragen ist, der sie verursacht hat.

99

§ 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG gilt bei doppelstöckigen Personengesellschaften. Hier ist die Obergesellschaft selbst Mitunternehmer der Unterpersonengesellschaft.71 Zum Gewerbeertrag der Untergesellschaft gehört auch der Veräußerungsgewinn der Obergesellschaft, und zwar auch dann, wenn die Obergesellschaft nur in Folge ihrer gewerblichen Beteiligungseinkünfte insgesamt gewerbliche Einkünfte erzielt und an ihr ausschließlich natürliche Personen beteiligt sind.72 Werden Anteile an der Obergesellschaft einer doppelstöckigen gewerblichen Personengesellschaft veräußert und entfällt der Kaufpreis ganz oder teilweise auf stille Reserven der Untergesellschaft, so ist der Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils gewerbesteuerbar, sofern es sich bei dem seinen Anteil veräußernden Mitunternehmer nicht um eine unmittelbar beteiligte natürliche Person handelt. Der Gewinn aus der Veräußerung „entfällt“ i.S.d. § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG auch in vollem Umfang auf den Mitunternehmer, in dessen Person er entsteht und der den Gewinn erzielt.73

100

Beispiel: Die Personengesellschaft A-KG (Gesellschafter sind die natürlichen Personen X und Y) verkauft ihren 50 %igen Anteil an der B-KG. Die B-KG hält in ihrem Betriebsvermögen eine 80 %ige Beteiligung an der C-KG mit erheblichen stillen Reserven. Der Veräußerungserlös für die A-KG aus dem Verkauf der Beteiligung an der B-KG beträgt 2.000.000 €. Der Veräußerungserlös resultiert ausschließlich aus den in der Beteiligung an der C-KG enthaltenen stillen Reserven. Lösung: Der Veräußerungsgewinn ist nach § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG gewerbesteuerbar. Er entfällt auf den Mitunternehmer (A-KG als Obergesellschaft) und ist auf der Ebene der Mitunternehmerschaft (B-KG als Untergesellschaft) anzusetzen. Er ist nicht bei der C-KG zu erfassen, was z.B. bei vorhandenen Fehlbeträgen auf der Ebene der C-KG eine Verrechnung mit dem insoweit vorhandenen Veräußerungsgewinn eröffnen würde.

101

Werden Anteile an einer Mitunternehmerschaft nur anteilig verkauft, entsteht auf der Ebene der Personengesellschaft, deren Anteile verkauft werden, unabhängig von der Person des Veräußerers ein nach § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG laufender und damit nach § 7 Satz 1 GewStG gewerbesteuerpflichtiger Gewinn.74 Ein Ansatz als Gewerbeertrag der Personengesellschaft, deren Anteil verkauft wurde, verhindert einen nochmaligen Ansatz im Gewerbeertrag des Mitunternehmers, der einen Anteil seines Anteils verkauft hat (Abschirmwirkung).

102

Eine nicht vollständige Aufgabe der Mitunternehmerschaft und damit einen der Gewerbesteuer zu unterwerfenden Gewinn aus dem Verkauf hat der BFH auch für den Fall angenommen, dass eine nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG gewerblich geprägte Personen-

103

71 BFH v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691; näher Rund/Junkers, Ubg 2021, 393. 72 BFH v. 19.7.2018 – IV R 39/10, BStBl. II 2019, 77. 73 BFH v. 19.7.2018 – IV R 31/15, BFH/NV 2018, 1282; so wohl auch R 7.1 Abs. 3 Satz 5 GewStG; a.A. für eine anteilige Aufteilung auf Ober- und Untergesellschaft Roser in Lenski/Steinberg, § 7 GewStG Rz. 324a. 74 R 7.1 Abs. 3 Satz 6 GewStR 2009.

217

GewStG § 7 Rz. 104 | Gewerbeertrag gesellschaft ihren gesamten Betrieb mit Ausnahme des Betriebsgrundstücks verkauft und anschließend dieses Grundstück an die Erwerberin des Betriebs vermietet.75 104–105

frei

c) Steuerfreie Einnahmen (Satz 4) 106

§ 7 Satz 1 GewStG besteuert nur das steuerpflichtige Einkommen. § 7 Satz 4 GewStG stellt klar,76 dass §§ 3 Nr. 40, 3c EStG auch auf die gewerbesteuerpflichtige Mitunternehmerschaft, die bei der Gewerbesteuer selbst gewerbesteuerpflichtig ist, auf deren Gesellschafter anwendbar sind, soweit daran natürliche Personen unmittelbar oder über Personengesellschaften mittelbar beteiligt sind. Im Übrigen ist auch dort § 8b KStG für beteiligte Körperschaften anwendbar.

107

Nach § 7 Satz 4 GewStG schlägt bei Beteiligungen von Mitunternehmerschaften an Kapitalgesellschaften die sich aus dem sog. Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 i.V.m. § 3c Abs. 2 EStG für das einkommensteuerrechtliche Ergebnis einer an der Mitunternehmerschaft unmittelbar oder über eine Personengesellschaft mittelbar beteiligten natürlichen Person ergebende 40 %ige Steuerbefreiung und die sich aus § 8b KStG ergebende nahezu vollständige Steuerfreistellung auf den Gewerbeertrag der Mitunternehmerschaft durch.

108

Beispiel: Beteiligung einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft unter Anwendung der Steuerbefreiungen (Teileinkünfteverfahren, § 8b KStG) und von § 8 Nr. 5 und § 9 Nr. 2a GewStG Die O-OHG ist mit 30 % an der G-GmbH beteiligt. Gesellschafter der OHG sind je zur Hälfte die natürliche Person A und die B-GmbH. Die O-OHG erhält von der G-GmbH eine Gewinnausschüttung von 100.000 €. Betriebsausgaben im Zusammenhang mit der Beteiligung sollen bei OHG nicht angefallen sein. Aus dem anschließenden Verkauf des Anteils an der G-GmbH realisiert die OHG eine stille Reserve von 200.000 €. Lösung: (1) Gewinnausschüttung 100.000 €: (a) Soweit A mittelbar beteiligt ist, sind 20.000 € steuerfrei nach § 3 Nr. 40 EStG. Soweit die B-GmbH mittelbar beteiligt ist, sind 47.500 € steuerfrei nach § 8b Absätze 1, 5, 6 KStG (5 % pauschales Betriebsausgabenabzugsverbot nach § 8b Abs. 5 KStG). (b) Die Steuerfreiheit i.H.v. 20.000 € und 47.500 € schlägt gem. § 7 Satz 1 GewStG auf den gewerbesteuerrechtlichen Gewinn durch. In Höhe des steuerpflichtigen, mittelbar auf A entfallenden Anteils i.H.v. 30 000 € erfolgt eine Kürzung des Gewinns nach § 9 Nr. 2a GewStG. Eine weitere Kürzung bei B nach § 9 Nr. 2a GewStG i.H.v. 2 500 € (nichtabzugsfähigen Betriebsausgabe nach § 8b Abs. 5, 6 KStG) erfolgt nach der klarstellenden Regelung in § 9 Nr. 2a Satz 4 GewStG nicht. (2) Stille Reserve 200.000 €: (a) Soweit A mittelbar beteiligt ist, sind 40 000 € steuerfrei nach § 3 Nr. 40 EStG. Soweit die B-GmbH mittelbar beteiligt ist, sind 95.000 € steuerfrei nach § 8b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 KStG (5 % pauschales Betriebsausgabenabzugsverbot nach § 8 Abs. 3 KStG). (b) Gewerbesteuer: Anwendung von § 8b KStG und § 3 Nr. 40 EStG bei der Gewinnermittlung der O-OHG. Die Steuerfreiheit i.H.v. 40.000 € und 95.000 € schlägt gem. § 7 Satz 1 GewStG auf den gewerbesteuerrechtlichen Gewinn durch. In Höhe des steuerpflichtigen, mittelbar auf A entfallenden Anteils i.H.v. 50 000 € erfolgt keine Kürzung des Gewinns. § 9 Nr. 2a GewStG findet nach seinem Wortlaut nur auf Gewinne Anwendung, die von der Kapitalgesellschaft selbst ausgeschüttet werden. Der Gewinn aus der Veräußerung wird nicht von der Gesellschaft ausgeschüttet, sondern entsteht unmittelbar beim Gesellschafter. Im Ergebnis unterliegen von den 200.000 € insgesamt 65.000 € (60.000 € + 5000 €) der Gewerbesteuer.

109–110

frei

75 BFH v. 17.3.2010 – IV R 41/07, BStBl. II 2010, 977. 76 Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 72.

218

Gewerbeertrag | Rz. 123 § 7 GewStG

d) Sondervergütungen (Satz 6) § 7 Satz 6 GewStG i.V.m. § 50d Abs. 10 EStG regelt die Behandlung von grenzüberschreitenden (Sonder-)Vergütungen gem. § 15 Abs. 1 Satz Nr. 2 Halbs. 2 und Nr. 3 Halbs. 2 EStG. Die entsprechende Anwendung des § 50d Abs. 10 EStG qualifiziert diese Vergütungen, die eine Personengesellschaft ihren Gesellschaftern gewährt, für abkommensrechtliche Zwecke als gewerbliche Unternehmensgewinne und damit für innerdeutsche Zwecke als Gewerbeertrag.

111

Im Inbound-Fall gilt dies etwa für Zinsen oder andere Vorwegvergütungen, die eine inländische Personengesellschaft an ihre im Ausland ansässigen Gesellschaftern zahlt, wenn mit dem betreffenden Land ein DBA ohne eine Regelung zu diesen Sondervergütungen abgeschlossen worden ist.77 Im Outbound-Fall betrifft dies Vergütungen, die eine ausländische Personengesellschaft an ihren inländischen Gesellschafter zahlt. Letztere muss im Inland – als Mitunternehmer – eine Betriebsstätte unterhalten.

112

Die gesetzliche Neuregelung, die die bisherige Verwaltungspraxis übernimmt und deshalb auch für EZ vor 2009 anzuwenden ist, ist eine Reaktion auf ein Urteil des BFH78 aus dem Jahr 2007. Nach dieser Entscheidung lagen in einem DBA-Fall ohne ausdrückliche DBARegelung im Fall von Zinsen, die eine inländischen Personengesellschaft für ein Darlehen an ausländische Gesellschafter gezahlt hatte, keine gewerblichen Einkünfte vor, da der Zinsartikel des DBA anzuwenden war.

113

§ 7 Satz 6 GewStG enthält nunmehr mit dem Verweis auf § 50d Abs. 10 EStG79 für die dort beschriebenen Inbound- und Outbound-Fälle eine mittelbare gesetzliche Fiktion, die Sondervergütungen entsprechend § 15 Abs. 1 Satz 1Nr. 2 EStG auch dem Gewerbeertrag des inländischen Gewerbebetriebs zuweist.

114

§ 50d Abs. 10 Satz 5 EStG gestattet zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung die Anrechnung ausländischer Steuern auf die deutsche Einkommensteuer. Für Zwecke der Gewerbesteuer fehlt eine Regelung.

115

frei

116–119

3. Gewerbeertrag bei Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen a) Private Unternehmen Die sachliche Steuerpflicht ergibt sich § 2 Abs. 2 und 3 GewStG. Steuerschuldner ist der Unternehmer (§ 5 GewStG).

120

Bei Körperschaften i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KStG gelten für die gewerbesteuerrechtliche Gewinnermittlung die Vorschriften des EStG und KStG, soweit es sich um Gewinnermittlungsvorschriften handelt bzw. die Vorschriften den Charakter von Gewinnermittlungsvorschriften haben. § 8 Abs. 1 KStG verweist auf §§ 4 ff. EStG.

121

Sachliche Steuerbefreiungen, z.B. § 8 Abs. 5 KStG, sind auch für die Gewerbesteuer anzuwenden. U.a. sind die §§ 8-13, 20-22 KStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags grds. anzuwenden. Bei Spenden sind § 8 Nr. 9 GewStG und § 9 Nr. 5 GewStG anzuwenden.

122

Ein Verlustabzug nach 10d EStG mindert den Gewerbeertrag nicht.80 Insoweit ist § 10a GewStG für den Verlustabzug lex specialis.

123

77 Näher Möllmann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7 GewStG Rz. 159 ff. 78 BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2008, 356. 79 Die Regelung ist (seit 2013!) Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens, BVerfG, 2 BvL 15/14 auf Vorlage des BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791 zur Frage eines sog. Treaty Override. Vgl. auch BMF v. 26.9.2014, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 5. 80 R 7.1 Abs. 4 GewStR 2009.

219

GewStG § 7 Rz. 124 | Gewerbeertrag 124

Die Regelungen des § 34c Abs. 2, 3 EStG und die Freibeträge nach §§ 24 und 25 KStG mindern den Gewerbeertrag nicht, da es sich nicht um Gewinnermittlungsvorschriften handelt.

125

Für Bezüge, Gewinne usw. von Kapitalgesellschaften aus Kapitalgesellschaften gelten die Steuerbefreiungen des § 8b KStG (z.B. Nichtansatz von Dividenden, Veräußerungsgewinnen, Teilwertabschreibungen und Wertaufholungen) auch für Zwecke der Gewerbesteuer.81 Dies folgt auch aus § 7 Satz 4 Halbs. 2 GewStG. Entsprechend mindert sich hier der Gewerbeertrag i.S.d. § 7 Satz 1 GewStG. Allerdings werden Streubesitzdividenden im Rahmen des § 8 Nr. 5 GewStG wieder hinzugerechnet. Insofern wird der Gleichlauf mit der Einkommensteuer unterbrochen. Dies gilt nicht, wenn die Voraussetzungen des sog. Schachtelprivilegs (§ 9 Nr. 2a, Nr. 7 GewStG: mindestens 15% Beteiligung) vorliegen).

126

Eine Steuerfreiheit für Aufgabe- und Veräußerungsgewinne besteht bei Körperschaften usw. nicht. Die Gewinne sind gewerbesteuerpflichtig, da diese Unternehmen „stets“ und in „vollem Umfang“ einen Gewerbebetrieb unterhalten.82

127

Beim Verkauf eines Anteils an einer Personengesellschaft durch eine Kapitalgesellschaft treten die unter Rz. 91 ff. (Personengesellschaft als Gewerbebetrieb/Mitunternehmerschaften) beschriebenen Rechtsfolgen ein.

128

Bei kleineren Körperschaften, z.B. auch bei Vereinen, Stiftungen, Genossenschaften, juristischen Personen des öffentlichen Rechts, kann von der Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrags abgesehen werden, wenn der Gewinn im Einzelfall offensichtlich 500 € nicht übersteigt.83 Rechtsgrundlage hierfür ist § 156 Abs. 2 AO.

129

frei b) Öffentliche Unternehmen (Satz 5) aa) Allgemeines

130

Sonderregelungen der gewerbesteuerrechtlichen Gewinnermittlung einschließlich des Verlustabzugs gem. § 10a GewStG gelten für Unternehmen der öffentlichen Hand, sofern sie gewerbesteuerpflichtig sind. Insoweit verweist das Gewerbesteuergesetz auf die entsprechenden Sonderregelungen des § 8 KStG.

131

Unternehmen der öffentlichen Hand können gem. § 2 Abs. 1 GewStG i.V.m. § 2 GewStDV gewerblich tätige BgA (§ 4 KStG) als Einzelunternehmen, Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaften i.S.d. § 2 Abs. 2 GewStG sein. Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte auf juristischen Personen des öffentlichen Rechts entfällt, werden als Eigengesellschaften (vgl. § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG) bezeichnet. Andernfalls liegen bloße Beteiligungsgesellschaften vor. Grds. gelten in allen Fällen die Gewinnermittlungsregelungen des Einkommensteuergesetzes (§§ 4 ff. EStG) für Zwecke der Körperschaftsteuer (§ 8 Abs. 1 KStG) sowie entsprechend auch für Zwecke der Gewerbesteuer gem. § 7 Satz 1 GewStG.

132

Die zugrundeliegenden Absätze 7 bis 9 des § 8 KStG begünstigen Eigengesellschaften sowie BgA (Eigenbetriebe oder Regiebetriebe der öffentlichen Hand), sofern sie strukturelle Dauerverluste erzielen. Mit der gesetzlichen Neuregelung im JStG 2009 reagierte der Gesetzgeber auf eine Entscheidung des BFH,84 wonach die Übernahme von Dauerverlusten durch eine Eigengesellschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ohne Verlustausgleich durch die staatliche Gesellschafterin entgegen der bisherigen Verwaltungspraxis zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führt. Die Neuregelung ermöglicht nunmehr weiterhin die Nutzung von Dauerverlusten solcher zumeist kommunalen Unternehmen. 81 BFH v. 9.8.2006 – I R 95/05, BStBl. II 2007, 279; Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 77. 82 BFH v. 22.8.1990 – I R 67/88, BStBl. II 191, 250; v. 5.9.2001 – I R 27/01, BStBl. II 2002, 155; H 7.1 Abs. 4 GewStH 2016; Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 78. 83 R 7.1 Abs. 7 GewStR 2009. 84 BFH v. 22.8.2007 – I R 32/06, BStBl. II 2007, 961.

220

Gewerbeertrag | Rz. 144 § 7 GewStG

Der Gesetzgeber hat dies sodann auch – insoweit folgerichtig – für die Gewerbesteuer übernommen.85 Gesetzestechnisch hat dies das JStG 2009 für Zwecke der Gewerbesteuer in § 7 Satz 5 GewStG sowie in § 10a Satz 9 GewStG relativ kompliziert geregelt. Offen ist bislang noch die umstrittene Frage, ob der jetzt gesetzlich geregelte Ausschluss der Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 7 KStG) bei Dauerverlustgeschäften eine dem Unionsrecht widersprechende staatliche Beihilfe darstellt.86 Der BFH hatte diese Frage bereits dem EuGH vorgelegt.87 Das klagende städtische Energieversorgungsunternehmen hat dann aber die Revision zurückgenommen und das beklagte Finanzamt hat dem zugestimmt.88 frei

133

134–135

bb) Betriebe gewerblicher Art Betriebe gewerblicher Art (BgA, § 4 KStG), die am allgemeinen Wirtschaftsverkehr mit Gewinnerzielungsabsicht teilnehmen, unterliegen gem. § 2 Abs. 1 GewStG i.V.m. § 2 GewStDV der Gewerbesteuer (Gewerbebetrieb kraft Tätigkeit; Eigenbetriebe, Regiebetriebe).89 Dies gilt nicht für die Verpachtung des Betriebs.90 Ggf. kommen Steuerbefreiungen in Betracht (§ 3 Nr. 6, Nr. 20 GewStG).

136

Für die Zwecke der Ermittlung des körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens wird der BgA der juristischen Person des öffentlichen Rechts verselbständigt91 (Trennungsthese). Das schließt grds. die steuerrechtliche Anerkennung von Regelungen der juristischen Person des öffentlichen Rechts in Bezug auf den BgA ein, z.B. über verzinsliche Darlehen oder Konzessionsabgaben.92

137

Grundlage für die Einkommensermittlung ist das Jahresergebnis des BgA. Nach Auffassung der Finanzverwaltung93 begründet die Verpflichtung zur Anwendung der Doppik keine steuerliche Buchführungspflicht. Bei einem Gewerbebetrieb sind die Einkünfte nach § 2 Abs. 2 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG als Gewinn zu ermitteln. Für die Ermittlung des körperschaftsteuerlichen Einkommens sind ggf. nach Ermittlung des steuerlichen Gewinns noch Zu- und Abrechnungen nach Maßgabe der §§ 9, 10 KStG vorzunehmen.

138

Die gilt nach § 7 Satz 1 GewStG entsprechend für die Gewerbesteuer. Der Gewerbeertrag wird daher für jeden BgA bzw. für jeden zulässigerweise zusammengefassten BgA (vgl. § 4 Abs. 6 KStG) gesondert ermittelt.94

139

Für den Verlustabzug für BgA ist § 10a Satz 9 GewStG i.V.m. § 8 Abs. 8 KStG zu beachten. Nach § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 KStG sind bei gesetzlich definierten Dauerverlustgeschäften der öffentlichen Hand, die mit BgA ausgeübt werden, grds. keine verdeckten Gewinnausschüttungen anzusetzen.

140

Veräußerungs- und Aufgabegewinne bei BgA und verpachtete BgA unterliegen gem. § 2 Abs. 1 GewStG nicht der Gewerbesteuer.95 Insoweit bestehen nach h.M. objektsteuerspezifische Einschränkungen des materiellen Begriffs des Gewerbetriebs.

141

frei

142–144

Möllmann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7 GewStG Rz. 152. Bejahend etwa Hidien/Versin, Steuer und Studium 2015, 400. BFH v. 13.3.2019 – I R 18/19, DStR 2019, 2296. BFH v. 29.1.2020 – I R 4/20 (I R 18/19), juris. BFH v. 22.8.1984 – I R 102/81, BStBl. II 1985, 61. R 2.2. GewStR 2009; H 2.1 Abs. 6 GewStH 2016. R 8.2 Abs. 1 Satz 1 KStR 2015. R 8.2 Abs. 1 Satz 2 KStR 2015; dort auch näher zur Einkommensermittlung; sowie BMF v. 12.11.2009, BStBl. II 2009, 1303. 93 BMF v. 9.2.2012, BStBl. I 2012, 184. 94 Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 84. 95 Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 84. 85 86 87 88 89 90 91 92

221

GewStG § 7 Rz. 145 | Gewerbeertrag cc) Kapitalgesellschaften 145

§ 7 Satz 5 GewStG96 erfasst Verluste bei Kapitalgesellschaften als Eigengesellschaften, die ein Dauerverlustgeschäft ausüben (§ 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 KStG).

146

Nach § 8 Abs. 9 Satz 1 KStG muss eine solche Kapitalgesellschaft, die „stets und in vollem Umfang“ gewerblich tätig ist (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG) für ihre einzelnen teilweise verlustträchtigen Tätigkeiten drei verschiedenen „Sparten“ bilden. Dazu gehören hoheitliche Tätigkeiten (§ 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 KStG), nach § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG zusammenfassbare Tätigkeiten (§ 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 KStG) und alle übrigen Tätigkeiten (§ 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 KStG).

147

Diese sog. Spartentrennung und Spartenrechnung soll die Ergebnisverrechnung bei kommunalen Eigengesellschaften mit strukturell dauerdefizitären Tätigkeiten an die für BgA geltenden Grundsätze ausrichten.97 Sie gilt mithin für die Körperschaft- und Gewerbesteuer.98

148

Ein praktisches Beispiel für hoheitliche Tätigkeiten einer Kapitalgesellschaft (sic!) ist das Schulschwimmen. Nach § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 KStG ist bei kommunalen Eigengesellschaften, die im Querverbund an sich auch eine hoheitliche Tätigkeit ausüben, für diese Tätigkeiten eine gesonderte Sparte zu bilden. Die Durchführung des Schulschwimmens durch einen öffentlichen Schulträger ist eine hoheitliche Tätigkeit (§ 4 Abs. 5 KStG), die grds. vom öffentlichen Bäderbetrieb zu trennen ist. Im Rahmen der Spartenrechnung einer kommunalen Eigengesellschaft kommt es beim Schulschwimmen darauf an, wie die Tätigkeiten der Eigengesellschaft und ihres kommunalen Anteilseigners ohne Zwischenschaltung der Eigengesellschaft nach BgA-Grundsätzen zu beurteilen wären (fiktive Betrachtung). Daraus folgt, dass bei einer kommunalen Eigengesellschaft, die ihr Bad für Schulschwimmen zur Verfügung stellt und daraus Dauerverluste erzielt, auch dann die Bildung einer gesonderten Sparte für hoheitliche Tätigkeiten in Betracht kommt, wenn sie selbst nicht hoheitlich tätig geworden ist.99

149

Eine interne Verlustverrechnung für dauerdefizitäre Kapitalgesellschafen nach § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 KStG entfällt, wenn die notwendige wechselseitige Verflechtung zwischen den öffentlichen Unternehmen eines Querverbunds100 nicht mehr besteht. Im Fall einer Organschaft ist § 15 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu beachten.

150

§ 7 Satz 5 Halbs. 1 GewStG stellt klar, dass bei Eigengesellschaften, die Dauerverlustgeschäfte i.S.d. § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG betreiben, die Grundsätze der sog. Spartenrechnung gem. § 8 Abs. 9 Sätze 1 bis 3 KStG auch im Rahmen der Ermittlung des Gewerbeertrags entsprechend anzuwenden sind. Danach ist für jede Sparte zunächst ein gesonderter Gewerbeertrag zu ermitteln.

151

Nach § 7 Satz 5 Halbs. 2 GewStG, der § 8 Abs. 9 Satz 4 KStG entspricht, dürfen auch gewerbesteuerrechtlich nur positive und negative Ergebnisse derselben Sparte miteinander verrechnet werden. Diese Regelung enthält eine Verlustverrechnungsbeschränkung und ist lex specialis zu § 10a GewStG. Danach ist eine spartenübergreifende Verrechnung negativer Gewerbeerträge (die das Gewerbesteueraufkommen mindern würde) für Eigengesellschaften auch für Zwecke der Gewerbesteuer ausgeschlossen. Der Gewerbeertrag der Kapitalgesellschaft ist dann die Summe der positiven Gewerbeerträge der jeweiligen Sparten.101 Dies gilt ohnehin entsprechend für die Körperschaftsteuer (§ 8 Abs. 9 Satz 4 KStG).

96 97 98 99 100

R 7.1 Abs. 4 Satz 4-6 GewstR 2009. BT-Drucks. 16/10189, 70; BFH v. 23.9.2019 – I R 25/17, BFH/NV 2020, 522. Näher BMF v. 11.12.2009, BStBl. I 2009, 1303 Rz. 68 ff., 95 ff. BFH v. 16.12.2020 – I R 50/17, BStBl. II 2021, 443. Beispiel: BFH v. 16.12.2020 – I R 41/17, BStBl. II 2021, 872 für den Verbund von kommunalen Bäder- und Versorgungsbetrieben. 101 R 7.1 Abs. 4 Satz 6 GewStR 2009.

222

Gewerbeertrag | Rz. 164 § 7 GewStG

Die entsprechende Anwendung des § 8 Abs. 9 KStG „bei der Ermittlung des Gewerbeertrags“ hat auch Folgen für die Anwendung der §§ 8, 9, 10a GewStG.102 Hinzurechnungen und Kürzungen dürfen sich danach innerhalb derjenigen Sparte auswirken, der die Wirtschaftsgüter und/oder Geschäftsvorfälle, die Gegenstand einer Hinzurechnung oder Kürzung sind, zuzurechnen sind. Nach Auffassung der Finanzverwaltung103 ist der Freibetrag des § 8 Nr. 1 GewStG jedoch nur einmal für die Eigengesellschaft insgesamt zu gewähren (und nicht mehrmals oder aufgeteilt für jede einzelne Sparte).

152

Die weiteren Verlustverrechnungsbeschränkungen für Eigengesellschaften gem. § 8 Abs. 9 Sätze 5-7 KStG sowie die körperschaftsteuerrechtlichen Verlustverrechnungsbeschränkungen für BgA (§ 8 Abs. 8 KStG) gelten sodann auch entsprechend für den Verlustabzug für Zwecke der Gewerbesteuer nach Maßgabe des § 10a Satz 9 GewStG.

153

frei

154–159

4. Steuerbefreiungen (insb. Teileinkünfteverfahren, § 8b KStG) Die Gewinnermittlung bezieht sich auf nur das steuerpflichtige Einkommen.104 Insb. steuerfreie oder nichtsteuerbare Einnahmen sind auszuscheiden. Das folgt indirekt auch aus § 7 Satz 4 GewStG. Auch sachliche Freibeträge sind zu berücksichtigen.

160

Sachliche (auf den Gewerbebetrieb bezogene) Steuerbefreiungen nach dem EStG und dem KStG, wie z.B. nach § 3 EStG oder DBA-Recht und die Behandlung der damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen nach § 3c EStG, schlagen nach § 7 Satz 1 GewStG auf die Gewerbesteuer durch. Ausnahmsweise gilt dies nicht, soweit sich aus dem GewStG unmittelbar etwas anderes ergibt oder soweit die Vorschriften des EStG mit dem besonderen Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer nicht im Einklang stehen.105

161

Neben der nahezu vollständigen Freistellung nach § 8b KStG sind als Ausfluss des Teileinkünfteverfahrens § 3 Nr. 40 EStG (40 %ige von Gewinnausschüttungen bzw. Betriebsvermögensmehrungen durch Anteilsverkäufe bzw. -entnahme bei natürlichen Personen als Anteilseignern von Kapitalgesellschaften) und § 3c EStG (insoweit nichtabziehbare Ausgaben) bei der Ermittlung des gewerbesteuerrechtlichen Gewinns zu beachten. Allerdings werden diese ertragsteuerrechtlichen Vorgaben „später“ im Ergebnis zur Ermittlung des objektivierten Gewerbeertrags korrigiert, sofern die Voraussetzungen einer Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG vorliegen.

162

Die Auswirkungen des Teileinkünfteverfahrens auf die Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften nach §§ 8 und 9 GewStG sind zu beachten (s. Übersicht). Besonderheiten gelten im Fall der Organschaft. Im unmittelbaren Zusammenhang mit Gewinnanteilen stehende Aufwendungen sind nach § 9 Nr. 2, Nr. 7 und Nr. 8 GewStG kürzungsmindernd zu berücksichtigen.106

163

§ 7 Satz 4 GewStG stellt klar,107 dass §§ 3 Nr. 40, 3c EStG auch auf die gewerbesteuerpflichtige Mitunternehmerschaft, die bei der Gewerbesteuer selbst gewerbesteuerpflichtig ist, anwendbar sind, soweit daran natürliche Personen unmittelbar oder über Personengesellschaften mittelbar beteiligt sind. Im Übrigen ist auch dort § 8b KStG für beteiligte Körperschaften anwendbar.

164

102 Möllmann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7 GewStG Rz. 158. 103 BMF v. 12.11.2009, BStBl. I 2009, 1303 Rz. 96. 104 BFH v. 12.1.1978 – IV R 84/74, BStBl. II 1978, 267; v. 19.7.2010 – I R 36/09, BStBl. II 2010, 1020; Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 92 f. 105 BFH v. 17.11.1992 – VIII R 10/90, BFH/NV 1993, 560. 106 Zur Rechtslage davor BFH v. 25.1.2006 – I R 104/04, BStBl. II 2006, 844. 107 Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 72.

223

GewStG § 7 Rz. 165 | Gewerbeertrag 165

Übersicht: Steuerfreie Einnahmen (§ 7 Satz 1 GewStG i.V.m. EStG/KStG) und Korrekturen nach §§ 8, 9 GewStG Sachverhalt

Einzelunternehmen oder Personengesellschaft

Steuerbefreiungen vor Minderung des Gewinns Korrektur nach § 7 Satz 1 durch Steuerfreiheit gem. § 3 GewStG i.V.m. EStG/ Nr. 40 EStG (z.B. 40 % DiviKStG dende) und Erhöhung um nichtabziehbare Ausgaben gem. § 3c Abs. 2 EStG (40 %) der Ausgaben

Körperschaft (keine Organgesellschaft) Minderung des Gewinns durch Steuerfreiheit nach § 8b KStG (z.B. 100 % Dividende) und Erhöhung um nichtabziehbare pauschale Beträge i.S.d. § 8b Abs. 5 KStG (5 %)

Korrekturen 1. Inländische Schachteldividenden i.S.d. § 9 Nr. 2a GewStG oder ausländische Gewinnanteile i.S.d. § 9 Nr. 7 oder 8 GewStG.

Kürzung nach § 9 Nr. 2 a, 7 Keine Kürzung oder 8 GewStG um 60 % der Dividende abzüglich 60 % der Aufwendungen i.S.d. § 9 Nr. 2a Satz 3; § 9 Nr. 7 Satz 2; § 9 Nr. 8 Satz 2 GewStG

2. Inländische Streubesitzdividenden i.S.d. § 9 Nr. 2a GewStG oder ausländische Gewinnanteile, der nicht unter § 9 Nr. 7 oder 8 GewStG fallen

Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG um 40 % der Dividende abzüglich 40 % der Aufwendungen iSd. § 3c Abs. 2 EStG

Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG um 100 % der Dividende, gekürzt um nichtabziehbare pauschale Beträge i.S.d. § 8b Abs. 5 KStG (5 %)

3. Gewinne aus Veräußerung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft oder Gewinnminderungen

§ 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG Keine Hinzurechnung (vom GewStG nicht vorgesehen)

§ 8b Abs. 2, 3 KStG Keine Hinzurechnung (vom GewStG nicht vorgesehen)

166–169

frei

5. Auswirkungen auf den Gewerbeertrag bei Umwandlungsvorgängen a) Allgemeines 170

Gewinnermittelungsvorschriften i.S.d. § 7 Satz 1 GewStG finden sich spezialgesetzlich108 auch im UmwStG als Folgen von steuerrechtlichen Umwandlungsvorgängen. Das Gesetz und die steuerrechtliche Rückwirkungsfiktion des § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG gelten nicht nur für die Ermittlung des Einkommens der beteiligten Rechtsträger, sondern gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwStG auch für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer.

171

Das UmwStG regelt die steuerrechtlichen Folgen von Umwandlungen (§§ 3-19 UmwStG) und Einbringungen (§§ 20–25 UmwStG) für die drei betroffenen Ertragsteuern, einschließlich der Gewerbesteuer.109 Sozialzweck des Gesetzes ist es, betriebswirtschaftlich erwünschte und handelsrechtlich zukünftig mögliche Umstrukturierungen der Wirtschaft nicht durch

108 BFH v. 9.1.2009 – IV B 27/08, BStBl. II 2011, 393; Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 86, 90; ausführlich zu einer Kommentierung des UmwStG mit Bezug zum GewStG Wagner in Güroff/Glanegger10, Anh § 7 GewStG; einen Überblick geben Hidien/Pohl/Schnitter, Gewerbesteuer16, S. 878 ff. 109 Aus Verwaltungssicht näher sog. Umwandlungssteuererlass, BMF v. 11.11.2011, BStBl I 2011, 1304 Rz. 01.01 und Rz. 18.01 ff. für die Gewerbesteuer.

224

Gewerbeertrag | Rz. 183 § 7 GewStG

steuerliche Folgen zu behindern.110 Gewerbesteuerrechtlich werden allerdings auch die Interessen der Steuergläubiger berücksichtigt. §§ 18, 19, 20 Abs. 5, 23 Abs. 5 UmwStG regeln spezialgesetzlich111 und ausdrücklich bestimmte gewerbesteuerrechtlichen Folgen von unterschiedlichen Umwandlungen. Dies betrifft zunächst § 7 Satz 1 GewStG, etwa eine mögliche Realisierung von stillen Reserven, da Umwandlungen Veräußerungs- und Anschaffungsvorgänge des ganzen Gewerbebetriebs oder Teilbetriebs oder der gesamten Anteile (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 3 EStG) zwischen den Beteiligten begründen können.

172

Demgegenüber gehören nach § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG Gewinne aus der Veräußerung eines Teils eines Anteils zu den laufenden Gewinnen. Dies hat zur Folge, dass diese Gewinne (und Verluste) noch der Gewerbesteuer unterliegen.112

173

Die Sonderregelung des § 7 Satz 2 GewStG für Mitunternehmerschaften ist zu beachten. Grds. sind Gewinnrealisierungen in den Gewerbeertrag einzubeziehen, sofern keine Buchwertfortführung erfolgen kann.

174

Sodann ist aber auch der Verlustvortrag nach § 10a GewStG von Umwandlungen betroffen. Das UmwStG enthält auch hier spezielle Regelungen (vgl. §§ 18, 19, 23 Abs. 5 GewStG). Dabei ist entscheidend, ob ein Unternehmerwechsel vorliegt.

175

Für die Anwendung der Regelungen ist von Bedeutung, dass sie die sachliche Gewerbesteuerpflicht (i.S.d. § 2 GewStG) der Beteiligten nach Grund und Umfang voraussetzen. D.h. der übertragende und der übernehmende Rechtsträger muss (zunächst) die Voraussetzungen des § 2 GewStG erfüllen. Es muss auf Seiten der beteiligten ein gewerbliches Betriebsvermögen vorliegen.113

176

frei

177–179

b) Vermögensübergang auf Personenunternehmen § 18 UmwStG regelt die Übertragung des Vermögens einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft oder eine natürliche Person sowie den Formwechsel in eine Personengesellschaft für Zwecke der Gewerbesteuer. Insoweit gelten zunächst die §§ 3 bis 9 und 16 UmwStG für die Ermittlung des Gewerbeertrags (§ 18 Abs. 1 Satz 1 UmwStG).

180

Ein Verlustübergang ist ausgeschlossen (§ 18 Abs. 1 Satz 2, § 4 Abs. 2 Satz 1, § 2 Abs. 4 UmwStG). Auch ein Übernahmegewinn oder -verlust ist bei der Gewerbesteuer nicht zu berücksichtigen (§ 18 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Bezüge i.S.d. § 7 UmwStG aus Anteilen i.S.d. § 5 Abs. 2 UmwStG sind bei der Gewerbesteuer nicht zu erfassen (§ 18 Abs. 2 Satz 2 UmwStG).

181

Ein sich aus der anschließenden Veräußerung oder Aufgabe des umgewandelten Betriebs ergebender Gewinn nach § 18 Abs. 3 Satz 1 UmwStG unterliegt beim Übernehmer allerdings der Gewerbesteuer, wenn die Veräußerung oder Aufgabe des umgewandelten Betriebs innerhalb von fünf Jahren (Sperrfrist) nach der Umwandlung erfolgt. Es handelt sich um einen speziellen Tatbestand der Nachversteuerung nach Umwandlung einer Kapitalgesellschaft. Die in der Literatur114 kritisch gewürdigte Regelung des § 18 Abs. 3 UmwStG soll für den Fall einer Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften einem möglichen Missbrauch vorbeugen.

182

Erfasst werden dabei sämtliche stillen Reserven des im Zeitpunkt der Aufgabe oder Veräußerung vorhandenen Betriebsvermögens und damit auch die nach der Umwandlung

183

110 BT-Drucks. 12/6888, 14. 111 Roser in Lenski/Steinberg, § 7 GewStG Rz. 239. 112 R 7.1 Abs. 3 Satz 6 und Satz 1 Nr. 1 GewStR 2009; BFH v. 14.12.2006 – IV R 3/05, BStBl. II 2007, 777. 113 Badetz in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 7 GewStG Rz. 248. 114 Vgl. Roser in Lenski/Steinberg, § 7 GewStG Rz. 247 ff. m.w.N.

225

GewStG § 7 Rz. 184 | Gewerbeertrag entstandenen stillen Reserven.115 Die Besteuerung der stillen Reserven erfolgt nach § 18 Abs. 3 Satz 2 UmwStG auch, soweit ein Mitunternehmeranteil der übernehmenden Personengesellschaft veräußert wird. Das ursprüngliche Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft, das bei einem Verkauf durch die Kapitalgesellschaft selbst stets der Gewerbesteuer zu unterwerfen gewesen wäre, steht zunächst für fünf Jahres unter dem Vorbehalt der Belastung eines Verkaufserlöses mit Gewerbesteuer. Erst danach unterliegt bei einem Verkauf oder eine Aufgabe des Personenunternehmens bzw. bei einem Verkauf oder Aufgabe eines Mitunternehmeranteils der Verkaufs- oder Aufgabegewinn grds. nicht mehr Gewerbesteuer. 184

Die Finanzverwaltung116 wendet § 18 Abs. 3 UmwStG vorrangig auch im Fall des § 7 Satz 2 GewStG (Mitunternehmerschaft) an. Ein Aufgabe- oder Veräußerungsverlust soll gewerbesteuerrechtlich nicht zu berücksichtigen sein.117

185

Die Gewerbesteuer ist nach Auffassung der Finanzverwaltung118 auch festzusetzen, wenn der übernehmende Rechtsträger nicht gewerbesteuerpflichtig ist. § 18 Abs. 3 UmwStG sei ein Sondertatbestand der Gewerbesteuerpflicht.

186–189

frei

c) Vermögensübergang auf eine andere Körperschaft 190

§ 19 UmwStG regelt die gewerbesteuerrechtlichen Folgen eines Vermögensübergangs zwischen Körperschaften. Dies erfasst mit dem Verweis in § 19 Abs. 1 UmwStG die Verschmelzung bzw. Spaltung nach §§ 11-13 bzw. § 15 UmwStG. Sie betreffen sowohl die Ermittlung des Gewerbeertrags des übertragenden als auch des übernehmenden Rechtsträgers sowie der Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers.119

191

Soweit die Überträgerin stille Reserven realisiert, unterliegen diese grds. der Gewerbesteuer.120 Nach § 11 Abs. 2 UmwStG besteht aber ein Wahlrecht zur Buchwertfortführung.

192

Die Übernehmerin hat den gewählten Ansatz zu übernehmen (§ 12 Abs. 1 UmwStG). Der Anteilseigner (§ 13 UmwStG) muss ggfs. die Voraussetzungen des § 2 GewStG erfüllen.

193–194

frei

d) Einbringungen und Formwechsel 195

Gewerbesteuerrechtliche Folgen für die Bemessungsgrundlage können sich im Rahmen einer (grds. steuerneutralen) Einbringung von Gewerbebetrieben (Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil) in eine Kapitalgesellschaft ergeben (§§ 20-24 UmwStG). Einen Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft behandelt das Gesetz wie eine Einbringung (§ 25 UmwStG). Die Regelungen richten sich an den Einbringenden, die übernehmende Gesellschaft und den Anteilseigner.

196

Steuerrechtlich handelt es sich auch hier um einen Veräußerungs- bzw. Anschaffungsvorgang in Bezug auf den Betrieb selbst.121 Dies kann mittels Sacheinlage (§ 20 Abs. 1 UmwStG) oder Anteilstausch (§ 21 Abs. 1 UmwStG) geschehen. Gewerbesteuerrechtlich liegt ein (partieller) Unternehmerwechsel i.S.d. § 2 Abs. 5 GewStG vor. Auf Seiten des Einbringenden liegt zugleich eine Betriebseinstellung vor.122

115 BFH v. 11.12.2001, BStBl. II 2004, 474; BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 18.09. 116 BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 18.09; anders BFH v. 28.5.2015 – IV R 27/12, BStBl. II 2015, 837. 117 BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 18.10. 118 BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 18.11. 119 BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 19.01. 120 Näher Roser in Lenski/Steinberg, § 7 GewStG Rz. 254. 121 BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 00.02. 122 Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7 GewStG Rz. 76.

226

Gewerbeertrag | Rz. 205 § 7 GewStG

Ob ein nach § 16 EStG zu ermittelnder Einbringungsgewinn beim Einbringenden als laufender Gewerbeertrag der Gewerbesteuer unterliegt, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen zur Behandlung von Veräußerungs- und Aufgabegewinnen i.S.d. § 16 EStG insb. bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften (Rz..).123 Entscheidend ist bei letzteren, ob noch ein „laufender“ Gewinn erwirtschaftet wurde.

197

Einen einkommensteuerpflichtigen Einbringungsgewinn muss der Einbringende gem. § 20 Absatz 3 bis 5 UmwStG i.V.m. §§ 15, 16 Abs. 1 EStG versteuern.124 § 8b KStG oder § 3 Nr. 40 EStG sind anwendbar. Die Gewerbesteuerpflicht der Einbringung nach § 20 UmwStG hängt von der Rechtsform des einbringenden Subjekts ab.125

198

Bei natürlichen Personen unterliegen Gewinne aus der Veräußerung von Betrieben, Teilbetrieben und (vollständigen) Mitunternehmeranteilen (§ 7 Satz 2 Halbs. 2 GewStG) gem. § 7 Satz 1 GewStG nicht der Gewerbesteuer, da kein laufender Gewinn mehr vorliegt. Ein laufender (und gewerbesteuerpflichtiger) Gewinn liegt dagegen in den Fällen des § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG126 und § 18 Abs. 3 UmwStG vor.

199

Bei Mitunternehmerschaften (Personengesellschaften) als Einbringende gilt § 7 Satz 2 GewStG. Der Einbringungsgewinn ist nur dann nicht gewerbesteuerpflichtig, wenn eine natürliche Person unmittelbar an der Mitunternehmerschaft beteiligt ist.

200

Körperschaften sind nach § 2 Abs. 2 GewStG stets und in vollen Umfang gewerbesteuerpflichtig. Das gilt auch für Einbringungsgewinne von einbringenden Körperschaften.

201

Die Regelung des § 22 UmwStG betrifft den Einbringenden und zukünftigen Anteilseigner der Umwandlung. Sie soll sicherstellen, dass die im Zeitpunkt der Betriebseinbringung aufgelaufenen und auf die Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft übertragenen stillen Reserven bei einer späteren Veräußerung der Anteile der (vollen) nachträglichen und rückwirkenden Besteuerung unterliegen.127 Sie gilt sowohl für den Fall der Sacheinlage (§ 22 Abs. 1 UmwStG, Einbringungsgewinn I) als auch des Anteilsaustauschs (§ 22 Abs. 2 UmwStG, Einbringungsgewinn II).

202

Erfolgte die Einbringung unter dem gemeinen Wert, so gilt für die erhaltenden oder eingebrachten Anteile eine Sperrfrist von sieben Jahren. Werden die Anteile innerhalb dieser Frist veräußert, so hat der Anteilseigner rückwirkend den gemeinen Wert zu versteuern.

203

Für die Gewinnermittlung nach § 7 Satz 1, 2 GewStG gilt sodann im Rahmen des § 22 UmwStG: (1) Werden die gesamten Anteile insgesamt veräußert, so ist der Einbringungsgewinn nur dann in den Gewerbeertrag des EZ der Einbringung einzubeziehen, wenn auch der ursprüngliche Einbringungsgewinn i.S.d. § 20 UmwStG gewerbesteuerpflichtig gewesen wäre. Insoweit gelten die allgemeinen, rechtsformabhängigen gewerbesteuerrechtlichen Grundsätze für diese Veräußerungsgewinne insb. in § 7 Satz 2 GewStG.128 Ist mit der Veräußerung die Einstellung die endgültige Einstellung des Betriebs verbunden, so ist bei Einzelund Personenunternehmen unter Beteiligung natürlicher Personen – vorbehaltlich des § 7 Satz 2 GewStG – der Veräußerungsgewinn nicht gewerbesteuerpflichtig.

204

(2) Offen war bisher der Frage, ob die spätere Veräußerung von Teilen der betroffenen gesamten Anteile gewerbesteuerpflichtig ist. Die Finanzverwaltung129 geht bisher davon aus, dass in diesem Fall nicht mehr von der Veräußerung eines Betriebs, Teilbetriebs etc. auszugehen sei, sondern ein laufender Gewinn i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG vorliegt, der

205

123 § 7 Satz 2 GewStG; R 7.1 Abs. 3, 4 GewStR 2009; H 7.1 Abs. 1 GewStH 2016; BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.07. 124 BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.15. 125 Näher Badetz in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 7 GewStG Rz. 267 ff. 126 Vgl. auch R 7.1 Abs. 3 Nr. 1 GewStR 2009. 127 BT-Drucks. 16/2710, 42. 128 BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.07; Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7 GewStG Rz. 77. 129 BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.07 und 22.13.

227

GewStG § 7 Rz. 206 | Gewerbeertrag per se gewerbesteuerpflichtig ist. Werden die stillen Reserven des Betriebsvermögens nur teilweise aufgedeckt, ist insoweit einkommensteuerrechtlich kein begünstigter Aufgabegewinn, sondern ein laufender Gewinn gegeben. 206

Der BFH hat demgegenüber dazu kürzlich in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum entschieden, dass Einbringungsgewinn I (§ 22 Abs. 1 UmwStG)130 und der Einbringungsgewinn II (§ 22 Abs. 2 UmwStG)131 rückwirkend nicht der Gewerbesteuer zu unterwerfen sind, wenn auch die Einbringung zum gemeinen Wert nicht gewerbesteuerpflichtig gewesen wäre. In den beiden Entscheidungsfällen waren natürliche Personen Einbringende und Anteilseigner. Dies ist – vor dem Hintergrund der vorherrschenden objektsteuerspezifischen Auslegung des § 7 GewStG – folgerichtig.

207

Die dargelegten Grundsätze gelten auch im Fall des Anteilstauschs gem. § 21 UmwStG. Grundvoraussetzung ist, dass der Anteil beim Einbringenden zum gewerblichen Betriebsvermögen gehört. Eine Gewerbesteuerpflicht des Einbringungsgewinns hängt von der Rechtsform der einbringenden Person ab. Auch der Anteilstausch ist sperrfristbehaftet (§ 22 Abs. 2 UmwStG).

208

§ 24 UmwStG regelt die Einbringung von Betriebsvermögen in eine Personengesellschaft. Auch hier richtet sich die gewerbesteuerrechtliche Beurteilung des Veräußerungsvorgangs und Einbringungsgewinns grds. nach der Rechtsform des Einbringenden.132

209

frei 6. Gewerbesteuerrechtliche Einbeziehung von außensteuerrechtlichen Einkünften (Sätze 7–9) a) Allgemeines

210

Das Gesetz zur Änderung der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen133 hat Sätze 7 bis 9 des § 7 GewStG neu eingefügt. Diese Regelungen gelten mit Wirkung ab EZ 2017134 (§ 36 Abs. 3 Satz 3 GewStG).

211

§ 7 Satz 7 bis 9 GewStG regelt nunmehr ausdrücklich und gesetzlich die nicht zuletzt fiskalisch motivierte, aber auch gleichheitsrechtlich sinnvolle Anwendung der außersteuerrechtlichen Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG 1972/2022) auch für Zwecke der Gewerbesteuer, und nicht nur für Zwecke der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Dies entspricht an sich der Grundregel des § 7 Satz 1 GewStG. Danach gelten die Korrekturmaßnahmen des AStG zur Bekämpfung missbräuchlicher Gestaltungen auch im Bereich der Gewerbesteuer, namentlich ihrer Bemessungsgrundlage. Dieses klare Ziel hat der Gesetzgeber hier in sachlicher und sprachlicher Hinsicht in verwirrender und irritierender Weise realisiert.

212

Die Regelungen führen grds. zu (generell nicht untypischen) gewerbesteuerrechtlichen Doppel- und Mehrbelastungen. Dies ist insb. dann der Fall, wenn eine ausländische Steuer zwar auf die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer angerechnet wird (vgl. auch § 12 AStG), für die Gewerbesteuer aber keine Anrechnung möglich ist. Hinzu kommen Fragen der zulässigen Rückwirkung.135

213

Die Regelungen sollen insb. einer Verlagerung passiver Einkunftsquellen von Steuerinländern in niedrig besteuertes Ausland entgegenwirken und installieren vornehmlich zur Missbrauchsabwehr136 eine Hinzurechnungsbesteuerung im Inland. Eine Belastung durch BFH v. 11.7.2019 – I R 26/18, DB 2020, 425 m.w.N. BFH v. 11.7.2019 – I R 13/18, DB 2020, 427 m.w.N. Näher Badetz in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 7 GewStG Rz. 277 f. Gesetz v. 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000 („Anti-BEPS-Umsetzungsgesetz“). Zur Gesetzesbegründung BT-Drucks. 18/9536, 59 f.; BR-Drucks. 406/16, 66. 134 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 7 GewStG Rz. 21. 135 Krit. Bier, DStJG 35 (2012), 219 (242); Schiffers in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7 GewStG Rz. 167. 136 Differenzierter BT-Drucks. 19/28652, 50. 130 131 132 133

228

Gewerbeertrag | Rz. 219 § 7 GewStG

Ertragsteuern (ESt/KSt) von weniger als 25% ist eine niedrige Besteuerung (§ 10 Abs. 5 AStG). Aus diesem Grund unterwirft das Sonderregime der §§ 7–14, 20 AStG die hinzurechnungspflichtigen, an sich ausländischen Einkünfte einer Besteuerung im Inland. Dies erfasst ausländische (Zwischen-)Gesellschaften und ausländische Betriebsstätten des Steuerinländers. Entsprechende Korrekturen der Einkünfte übernimmt der Gesetzgeber auch für Zwecke der Gewerbesteuer, allerdings um den Preis einer Relativierung137 des sog. Territorialitätsprinzips aus § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 GewStG.138 Darin liegt noch kein Verfassungsverstoß.139 Im Verständnis des Gesetzgebers handelt es sich rechtlich um inländische Einkünfte.140 Selbst wenn es sich hier um ein Rechtsprinzip oder einen Rechtsbegriff (dann am „Ort der Tat“ in § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 GewStG oder § 9 Nr. 3 GewStG) handeln sollte, darf der Gesetzgeber ausgestaltend tätig werden. Die Gleichbehandlung aus- und inländischer „Einkünfte“ ist kein willkürliches Motiv.

214

Grundvoraussetzung für die Anwendung der Sätze 7 bis 9 ist zunächst auf Seiten der Gewerbesteuer, dass ein inländischer Gewerbebetrieb i.S.d. der sachlichen Gewerbesteuerpflicht des § 2 Abs. 1 bis 3 GewStG unterhalten wird, dem die maßgeblichen Einkünfte zuzuordnen sind. Dies können mithin Einzelunternehmen, Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften sein. Zusätzlich verweisen die Regelungen auf die Voraussetzungen der § 10 Abs.1, § 20 Abs. 2 Satz 1 und § 8 AStG.

215

Auf Seiten des AStG ist Grundvoraussetzung, dass der dann steuerpflichtige Gewerbebetrieb als Steuerinländer in bestimmter Weise eine ausländische Tätigkeit ausübt. Er muss an einer ausländischen Körperschaft als Zwischengesellschaft beteiligt sein (§ 7 AStG) und diese muss Einkünfte aus passivem Erwerb erzielen (§ 8 Abs. 1–4 AStG), die einer niedrigen Besteuerung unterliegen (§ 8 Abs. 5 AStG). Aus der Switch-over-Klausel des § 20 Abs. 2 AStG folgt zudem, dass die Hinzurechnungsregelungen der §§ 7 ff. AStG auch anzuwenden sind, wenn die Einkünfte des Steuerpflichtigen in einer ausländischen Betriebsstätte anfallen. Damit werden Einkünfte aus ausländischen Betriebstätten von Einzel- und Personenunternehmen den ausländischen Körperschaften (Tochtergesellschaften) insoweit gleichgestellt141 und Umgehungen der Hinzurechnungsbesteuerung durch entsprechende Gestaltungen verhindert.142

216

Satz 7 erfasst den sog. Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 1 AStG bei ausländischen Zwischengesellschaften auch gewerbesteuerrechtlich als „Einkünfte“. Damit begegnet der Gesetzgeber den fiskalisch unerwünschten Wirkungen einer Entscheidung des BFH143 aus 2015.

217

Satz 8 erfasst im Wege einer Fiktion die Einkünfte einer passiven ausländischen Betriebsstätte i.S.d. § 20 Abs. 2 AStG als gewerbesteuerrechtliche Einkünfte. Zuvor war der Gesetzgeber des AStG 1972144 noch davon ausgegangen, dass § 20 Abs. 2 AStG für die Gewerbesteuer keine Anwendung findet, weil das GewSt nur für inländische Betriebsstätten gilt.

218

Die Regelung des Satz 8 gilt nach Satz 9, der zunächst nur auf § 8 Abs. 2 AStG verwiesen hat, nicht, wenn der Steuerpflichtige nachweisen kann, dass er im Ausland einer wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht (sog. Motivtest). Das Gesetz v. 25.6.2021 (sog. ATAD-Umsetzungsgesetz/AStG 2022)145 hat u.a. § 7 Satz 9 GewStG redaktionell an die

219

137 „Verstoß“, Roser in Lenski/Steinberg, § 7 GewStG Rz. 411; Schiffers in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7 GewStG Rz. 167. 138 Übergriffige Besteuerung, Drüen in Brandis/Heuermann, § 2 GewStG Rz. 35. 139 Ebenso Güroff in Glanegger/Güroff10, § 7 GewStG Rz. 21. 140 BT-Drucks. 18/9536, 59. 141 „Rechtsfolgengleichklang“, BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BStBl. II 2015, 1049. 142 BT-Drucks. 12/1506, 181 zum AStG 1972. 143 BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BStBl. II 2015, 1049. 144 BT-Drucks. 12/1506, 181 zum AStG 1972. 145 Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG) v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035. Zur Gesetzesbegründung BT-Drucks. 19/28652, 44.

229

GewStG § 7 Rz. 220 | Gewerbeertrag Reform des AStG (§ 8 AStG) angepasst. Die Regelung verweist nunmehr auf die neuen Regelungen in § 8 Abs. 2 bis 4 AStG. Sie gelten mit Wirkung ab VZ/EZ 2022. 220

Die Rechtsfolgen des AStG 2022 für die Ermittlung des Gewerbeertrags hat der Gesetzgeber mit dieser Reform sowohl im GewStG als auch um AStG selbst geregelt.

221

Übersicht: Gewerbesteuerrechtliche Folgen der Hinzurechnungsbesteuerung von Steuerinländern nach dem AStG 2022 AStG §§ 7 ff., 20 Abs. 2

Folgen für GewStG §§ 7 ff.

1. § 10 Abs. 1, 2: Hinzurechnungsbetrag bei ausländischen Körperschaften

1. § 7 Satz 7: Gewerbeertrag

2. § 20 Abs. 2: Einkünfte aus ausländischer Betriebsstätte

2. § 7 Satz 8, 9: Gewerbeertrag

Weitere gewerbesteuerrechtliche Folgen: 1. § 9 Nr. 2 Satz 2 GewStG: Keine Kürzung bei ausländischen Personengesellschaften 2. § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG: Keine Kürzung bei ausländischen Betriebstätten 3. § 10 Abs. 2 Satz 4 AStG: Keine Kürzung nach § 9 Nr. 7 GewStG bei ausländischen Kapitalgesellschaften § 11 Abs. 1 Kürzungsbetrag bei Gewinnaus§ 11 Abs. 5 AStG: Minderung des Geschüttungen/Veräußerungsgewinnen ausländi- werbeertrags i.S.d. § 7 Satz 1 GewStG scher Körperschaften 222–224

frei

b) Hinzurechnungsbeträge i.S.d. § 10 AStG (Satz 7) 225

Satz 7, der gem. § 36 Abs. 3 Satz 3 GewStG ab EZ 2017 anzuwenden ist, ist eine „rechtssprechungsbrechende“146 Reaktion des Gesetzgebers im Sinne der Finanzverwaltung auf eine Entscheidung des BFH147 zur gewerbesteuerrechtlichen Wirkung des § 10 Abs. 1 AStG. Nach dieser Entscheidung zählt der Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 AStG zwar zum Gewerbeertrag eines inländischen Unternehmens nach § 7 Satz 1 GewStG. Voraussetzung ist lediglich, dass die Beteiligung an der Zwischengesellschaft der (inländischen) Betriebsstätte des Steuerinländers als gewerbliche Einkünfte (§ 10 Abs. 2 Satz 2 AStG) einzuordnen ist. Nach Auffassung des BFH entfällt der Betrag aber auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte und wird damit von der Kürzung nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG erfasst.

226

Nach der Auffassung des Gesetzgebers148 widerspricht diese Sichtweise einerseits dem mit der Einführung der §§ 7 ff. AStG verfolgten gesetzgeberischen Willen und der entsprechenden Praxis der Finanzverwaltung; sie verkenne auch den Regelungsinhalt des § 9 Nr. 3 Satz 1 a.F. GewStG. Es handele sich bei dem Hinzurechnungsbetrag nicht um ausländische Einkünfte, die im Inland der Besteuerung unterworfen werden sollen. Der Hinzurechnungsbetrag i.S.d. § 10 Abs. 1 AStG rechne vielmehr zu den Einkünften aus einer inländischen Betriebsstätte des zur Hinzurechnung verpflichteten Steuerinländer und sei damit auch gewerbesteuerpflichtig. Eine Kürzung nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG komme insoweit nicht in Betracht.

146 Gosch in Brandis/Heuermann, § 9 GewStG Rz. 221b; „Nichtanwendungsgesetz“, Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 91. 147 BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BStBl. II 2015, 1049; Nichtanwendungserlass BMF v. 14.12.2015, BStBl. II 2015, 1090. 148 BT-Drucks. 18/9536, 59 sowie BT-Drucks. VI/2883, 19 in Rz. 30 f: auf den Steuerinländer zurechenbares Basiseinkommen.

230

Gewerbeertrag | Rz. 237 § 7 GewStG

Ab dem 1.1.2017 werden in § 7 Satz 8 GewStG die Hinzurechnungsbeträge nach § 10 Abs. 1 Satz 1, 2 AStG insoweit gesetzlich ausdrücklich und (vermeintlich149) klarstellend150 als gewerbliche „Einkünfte“ (besser: Einnahmen, vgl. § 10 Abs. 1 Satz 2 AStG oder Gewerbeertrag) aus einer inländischen Betriebsstätte eingestuft („sind“). Feststellend fingert wird, dass die zugrundeliegenden Einkünfte einer bestehenden inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind.151 Dies schließt nunmehr schon eine Anwendung von § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG aus. Der Hinzurechnungsbetrag gehört zwar nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG beim Steuerinländer zu den Einkünften i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. § 10 Abs. 1 Satz 2 AStG ordnet aber an, dass der Hinzurechnungsbetrag zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört, wenn die Anteile an der ausländischen Gesellschaft zu einem Betriebsvermögen gehören.

227

Eine Hinzurechnung nach § 7 Abs. 1, § 10 Abs. 1 AStG unterbleibt allerdings, wenn die Zwischengesellschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einem Staat der EU oder des EWR hat und vom Steuerpflichtigen nachgewiesen wird, dass die Gesellschaft dort einer wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht (sog. Substanztest, auch Motivtest oder Cadbury Schweppes-Test, § 8 Abs. 2 und 3 AStG). Zudem muss, wie im EU-Raum üblich, ein zwischenstaatlicher Informationsaustausch möglich sein (§ 8 Abs. 4 AStG). Eine vergleichbare Ausnahme und Regelung enthält § 7 Satz 9 GewStG hinsichtlich Satz 8.

228

Zugleich hat der Gesetzgeber in § 9 Nr. 2 Satz 2 GewStG (Anteile an Personengesellschaften) und § 9 Nr. 3 Satz 1 Halbs. 2 GewStG (ausländische Betriebsstätten) klargestellt, die diese Kürzungsregelungen nicht für Einkünfte i.S.d. § 7 Satz 7 GewStG gelten.152 Auf den Hinzurechnungsbetrag ist nunmehr auch § 9 Nr. 7 GewStG ausdrücklich nicht anzuwenden (§ 10 Abs. 5 Satz 4 AStG).

229

Eine doppelte Besteuerung von Hinzurechnungsbeträgen und Gewinnausschüttungen bzw. Veräußerungsgewinnen verhindert die Kürzungsvorschrift des § 11 Abs.1, 5 AStG auch für Zwecke der Gewerbesteuer. Dies betrifft besonders Investmenterträge.

230

frei

231–234

c) Betriebsstätteneinkünfte i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG (Sätze 8 und 9) Auch die ab EZ 2017 eingefügten Sätze 8 und 9 sollen einer Verlagerung passiver Einkunftsquellen in niedrig besteuertes Ausland entgegenwirken. Die aus § 20 Abs. 2 AStG folgende Zuordnung der Einkünfte i.S.d. § 20 Absatz 2 Satz 1 AStG zu einer ausländischen Betriebsstätte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen (Steuerinländer) würde eine Kürzungsmöglichkeit nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG eröffnen. Diese Rechtsfolge wird durch die gewerbesteuerrechtliche Fiktion in § 7 Satz 8 Halbs. 1 GewStG, nach der die Einkünfte als in einer inländischen Betriebsstätte erzielt „gelten“, ausgeschlossen.

235

Ohne Bedeutung ist dabei nach Satz 8 Halbs. 2 der Vorschrift, ob für die Besteuerung der Einkünfte DBA-Regelungen bestehen bzw. DBA-Regelungen die Anrechnungsmethode vorsehen. Im Ergebnis werden alle ausländischen Betriebsstätteneinkünfte erfasst, die nicht durch ein DBA freigestellt sind.153

236

Zugleich hat der Gesetzgeber in § 9 Nr. 2 Satz 2 GewStG (hier: Anteile an ausländischen Personengesellschaften) und § 9 Nr. 3 Satz 1 Halbs. 2 GewStG (ausländische Betriebsstätten) klargestellt, dass diese Kürzungsregelungen auch nicht für Einkünfte i.S.d. § 7 Satz 8 GewStG gelten.154

237

149 Ebenso Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 91. 150 BT-Drucks. 18/9536, 59. 151 Im Sinne einer Zuordnungsfiktion Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, § 2 GewStG Rz. 87; Schiffers in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7 GewStG Rz. 168. 152 I.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG) v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035; vgl. zuvor BR-Drucks. 406/16, 66. 153 Güroff in Glangger/Güroff10, § 7 GewStG Rz. 22. 154 I.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG) v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035.

231

GewStG § 7 Rz. 238 | Gewerbeertrag 238

Damit werden laut Gesetzesbegründung Fälle erfasst, in denen der Steuerpflichtige Zwischeneinkünfte nicht über eine ausländische Zwischengesellschaft, sondern unmittelbar über eine ausländische Betriebsstätte erzielt, und die Zwischeneinkünfte im Inland einer Besteuerung unterliegen würden, wenn sie über eine Zwischengesellschaft erzielt würden.155 Die Regelung unterbindet damit die Wirkungen eines „Gewerbesteuersparmodells“ mittels einer Zwischenschaltung ausländischer Personengesellschaften.156

239

§ 7 Satz 8 GewStG fingiert (nur für Zwecke der Gewerbesteuer), dass Einkünfte, die die Einkunftstatbestände des § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG erfüllen, als in einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen erzielt gelten. Ob diese Fiktion eine inländische Betriebsstätte (kraft Beteiligung?) samt Zuordnung der Einkünfte fingiert oder lediglich wie Satz 8 die Zuordnung der Einkünfte zu einer nach § 12 AO bestehenden inländischen Betriebsstätte fingiert, ist nach dem Wortlaut nicht ganz eindeutig. Gemeint ist wohl die Fiktion inländischer Betriebsstätteneinkünfte zu einer bestehenden inländischen Betriebsstätte des Steuerinländers i.S.d. § 2 GewStG.157

240

Auch dies touchiert das sog. Territorialitätsprinzip, wirft aber auch systematische Folgefragen auf. § 7 Satz 6 GewStG ist wohl lex specialis zu § 7 Satz 8 GewStG.158 Für jede Fiktion als („gesetzliche Lüge“) gilt im Übrigen auch das Gebot der Folgerichtigkeit.159

241

§ 7 Satz 9 GewStG enthält eine Ausnahmeregelung zu § 7 Satz 8 GewStG. Satz 8 ist nach Satz 9 nicht anzuwenden, soweit auf die Einkünfte, würden sie in einer Zwischengesellschaft i.S.d. § 8 AStG erzielt, § 8 Abs. 2 bis 4 AStG n.F.160 zur Anwendung käme. Soweit der Steuerpflichtige für ausländische passive Einkünfte gem. § 8 Abs. 2 bis 4 AStG eine damit verbundene wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit nachweisen kann (sog. Substanztest), kommt es insoweit nicht zu einer Hinzurechnung nach § 10 AStG und deshalb folgerichtig auch nicht zur Anwendung des § 7 Satz 8 GewStG. Der Motivtest setzt insb. voraus, dass der ausländische Staat im Wege des zwischenstaatlichen Informationsaustauschs Auskünfte erteilt (§ 8 Abs. 4 AStG). Die Regelung gilt für Zwecke der Gewerbesteuer. § 8 Abs. 2 AStG gilt im Rahmen des § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG nicht für Zwecke der Ertragsteuern.

242

Dies ist etwa der Fall, wenn die ausländische Betriebsstätte in einem EU-Staat wirtschaftlich tätig wird. In diesem Fall werden die Einkünfte durch Anwendung der Kürzung nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG nicht mit Gewerbesteuer belastet.

243–249

frei

7. Organschaft 250

Die Voraussetzungen der gewerbesteuerrechtlichen Organschaft regelt § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG an Anlehnung an das KStG (§ 14 KStG). Rechtsfolge ist dort, dass die OG als Betriebsstätte des OT gilt. Jedes der beteiligten Unternehmen bleibt aber ungeachtet dieser „virtuellen“ Unternehmenseinheit zivil- und steuerrechtlich selbstständig.161 Verfahrensrechtlich ist allerdings der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag allein gegenüber dem OT festzusetzen.162

155 BT-Drucks. 18/9536, 60. 156 Schiffers in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7 GewStG Rz. 168 f.; dort auch zu einem Beispiel mit mehrstöckigen Strukturen. 157 Im Sinne einer Zuordnungsfiktion auch hier Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 87; Schiffers in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7 GewStG Rz. 168. 158 Ebenso Schiffers in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7 GewStG Rz. 170 m.w.N. 159 Näher Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 91c: „Fiktionsfolgerichtigkeit“. 160 Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG) v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035. 161 BFH v. 22.1.2004 – III R 19/02, BStBl. II 2004, 515. 162 BFH v. 28.1.2004 – I R 84/03, BStBl. II 2004, 539.

232

Gewerbeertrag | Rz. 266 § 7 GewStG

Nach dem Grundsatz des § 7 Satz 1 GewStG gelten die körperschaftsteuerrechtlichen Regelungen zur Einkommensermittlung ab EZ 02 auch im Rahmen der gewerbesteuerrechtlichen Organschaft. Dies gilt besonders für die Einkommensermittlungsvorschrift des § 15 KStG.

251

Die Ermittlung des Gewinns und Gewerbeertrags vollzieht sich auf zwei Stufen. Auf einer ersten Stufe ist der Gewerbeertrag als ein um Hinzurechnungen und Kürzungen korrigierter Gewinn für jedes Unternehmen des Organkreises getrennt nach den für das jeweilige Unternehmen maßgebenden Vorschriften zu ermitteln. Auf einer anschließenden zweiten Stufe sind die Gewerbeerträge beim OT zusammenzurechnen. Der BFH spricht von einer gebrochenen oder eingeschränkten Einheitstheorie.163

252

Voraussetzungen und Rechtsfolgen der gewerbesteuerrechtlichen Organschaft einschließlich der Ermittlung des Gewerbeertrags werden im Rahmen der Grundnorm des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG kommentiert. Im Hinblick auf die Anwendung der §§ 8b, 15 Abs. 1 Nr. 2 KStG enthält § 7a GewStG eine Sonderregelung für die Ermittlung des Gewerbeertrags einer Organgesellschaft, die Gewinnausschüttungen vereinnahmt.

253

frei

254–259

8. Handelsschiffe und öffentlich-rechtlicher Rundfunk (Satz 3) a) Handelsschiffe Ermittelt ein Gewerbebetrieb den Gewinn aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr nach § 5a EStG, so gilt dieser Gewinn nach § 7 Satz 3 GewStG als Gewerbeertrag. Die gesetzliche, fiktive Gleichsetzung von Gewinn und Gewerbeertrag schließt Hinzurechnungen und Kürzungen nach §§ 8, 9 GewStG aus.164 Sie ist nicht widerlegbar. Die gilt auch für den Fall, dass eine Einschiffs-Personengesellschaft ihr Handelsschiff veräußert und im Zusammenhang damit ihren Betrieb aufgibt.165

260

Dies gilt jetzt166 auch ausdrücklich und klarstellend für die Auflösung des Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 EStG zwischen den Buchwerten und Teilwerten bei Übergang zur Gewinnermittlung nach § 5a EStG, die zum Gewerbeertrag zählt. Eine Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG ist damit praktisch nicht mehr möglich.167 Die rückwirkende Änderung (§ 36 Abs. 3 Satz 2 GewStG) ist als echte Rückwirkung ausnahmsweise verfassungsrechtlich zulässig.168

261

frei

262–264

b) Werbesendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Nach § 8 Abs. 1 Satz 3 KStG ermitteln inländische öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten (ARD, ZDF; Rundfunk i.w.S.) ihren Gewinn aus Werbesendungen pauschal.169 Dieser Gewinn gilt nach § 7 Satz 3 GewStG als Gewerbeertrag, so dass ebenfalls Hinzurechnungen und Kürzungen nach §§ 8, 9 GewStG ausgeschlossen sind. Auch diese Fiktion kann nicht widerlegt werden.

265

Zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gehören die in der ARD zusammengeschlossenen neun Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio. Nicht begünstigt und daher benachteiligt ist der privatrechtliche Rundfunk.

266

163 BFH v. 17.12.2014 – I R 39/14, BStBl. II 2015, 1052. 164 BFH v. 6.7.2005 – VIII R 72/02, BFH/NV 2006, 363; v. 4.12.2014 – IV R 27/11, BStBl. II 2015, 278; BMF v. 16.6.2002, BStBl. I 2002, 614. 165 BFH v. 13.12.2007 – IV R 92/05, BStBl. II 2008, 583. 166 Art. 8 des Gesetzes v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451 (JStG 2019) rückwirkend ab EZ 2008; anders zuvor noch BFH v. 25.10.2018 – I R 35/16, BFH/NV 2019, 334. Die neue Rechtslage entspricht der vormaligen Auffassung der Finanzverfassung, BMF v. 31.8.2008, BStBl. I 2008, 956 Rz. 38. 167 Zu Ausnahmen Güroff in Glanegger/Güroff10, § 9 Nr. 3 GewStG) Rz. 8a. 168 BFH v. 15.4.2020 – IV B 9/20, BFH/NV 2020, 919; FG Hamburg v. 10.12.2020 – 6 K 306/19, EFG 2021, 564, Rev. BFH IV R 1/21. 169 Zur Besteuerung näher Döring in Hidien/Jürgens, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, § 20.

233

GewStG § 7 Rz. 267 | Gewerbeertrag 267

Die erwähnten Sonderregelungen zum Gewerbeertrag und zur Einkommensermittlung für Werbesendungen von inländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die Umsatzsteuerfreiheit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind nur vor dem Hintergrund verständlich, dass der öffentlich-rechtliche Sendeauftrag nach wie vor als hoheitlich angesehen wird. Daher war eine Abgrenzung zu den wirtschaftlichen Tätigkeiten notwendig. Die Behandlung aus sog. Hoheitsbetrieb (§ 4 KStG, § 2 Abs. 3 a.F. UStG) geht auf eine ältere Entscheidung des BVerfG170 zurück, wonach die Tätigkeit dieser (damals einzigen) Rundfunkanstalten keine gewerbliche Tätigkeit darstellen soll. Die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse und ihr Verständnis haben sich mittlerweile verändert.

268

Allerdings können die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten diese Besteuerung zusätzlich gestalten. In der Praxis werden die Werbesendungen durch (vorgeschaltete) Kapitalgesellschaften hergestellt, an denen die Rundfunkanstalten teilweise beteiligt sind. In diesem Fall ist die Fiktion des Gewerbeertrags nach § 7 Satz 3 GewStG nicht anwendbar, es sei denn, es besteht ein Organschaftsverhältnis zwischen der Rundfunkanstalt und der Werbefernseh-Kapitalgesellschaft. Insoweit beziehen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nach § 8b Abs. 1 KStG i.V.m. § 7 Satz 1 GewStG steuerfreie Dividenden. Dies sind dann keine „Entgelte aus Werbesendungen“, weil sie nicht der Umsatzsteuer unterliegen, sondern nicht umsatzsteuerbar sind (§ 7 Satz 3 GewStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 3 KStG und § 10 Abs. 1 UStG). Die Besteuerung findet dann lediglich auf der Ebene der vorgeschalteten Kapitalgesellschaft statt, und zwar nach § 7 Satz 1 GewStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG. Nur wenn die nachgeschaltete öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt die Voraussetzungen des Schachtelprivilegs nach § 9 Nr. 2 a GewStG nicht erfüllt, sind bei ihr die Dividenden der Werbegesellschaft nach § 8 Nr. 5 GewStG für die Ermittlung des Gewerbeertrags nach § 7 Satz 1 GewStG hinzuzurechnen sind.171

269–279

frei

III. Objektsteuerspezifische Divergenz der Gewinnermittlung 1. Allgemeines a) Begründung 280

Die Grundregel des § 7 Satz 1 GewStG führt zu einem Gleichlauf der Gewinnermittlung nach EStG, KStG, GewStG. Allerdings sind hier bereits gewisse Besonderheiten der Gewerbesteuer zu beachten (§ 7 Satz 2 bis 9 GewStG), die aber letztlich die Grundregel konkretisieren(„Konvergenz“). Die nachfolgenden Grundsätze führen zu einer ersten Abweichung von dieser Grundregel („Divergenz“). Es handelt sich um ungeschriebene Regeln der Auslegung des § 7 GewStG, die mit dem Objektsteuercharakter der Steuer erklärt werden. Aus § 7 Satz 1 GewStG folgt zudem, dass der Gewinn zusätzlich nach den §§ 8, 9 GewStG korrigiert werden muss. Auch diese weiteren, geschriebenen Abweichungen beruhen teilweise auf dem sog. Objektsteuerprinzip und sollen die „objektive Ertragskraft“ des Gewerbebetriebs ermitteln. Daneben sollen sie auch bestimmte Doppelbelastungen vermeiden.

281

Der nach den Vorschriften des EStG oder des KStG gem. § 7 Satz 1 GewStG ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb muss nach der ganz h. M. in Rechtsprechung, Schrifttum172 und Finanzverwaltung173 um solche Gewinn- und Verlustbestandteile bereinigt werden, die nicht mit dem „Wesen der Gewerbesteuer“ vereinbar sind. Gemeint ist seit jeher der „Objektsteuercharakter“ der Steuer und ihr Steuerobjekt des Gewerbebetriebs i.S.d. § 2 170 BVerfG v. 27.7.1971 – BvF 1/168 u.a., BStBl. II 1971, 567; zu Recht krit. Nöcker in Lenski/ Steinberg, § 2 GewStG Rz. 1613. 171 Ebenso Roser in Lenski/Steinberg, § 7 GewStG Rz. 392. 172 Vgl. etwa Güroff in Glanegger/Güroff10, § 7 GewStG Rz. 24 ff., 65 ff.; Roser in Lenski/Steinberg, § 7 GewStG Rz. 298 ff.; Roser, FR 2011, 126; Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 122 ff., dort auch zur Kritik; a.A. Schnädter, FR 1985, 551. 173 R 7.1 Abs. 3 GewStR 2009; H 7.1 Abs. 3 GewStH 2016.

234

Gewerbeertrag | Rz. 287 § 7 GewStG

Abs. 1 GewStG, der die Steuer als eine auf den „tätigen“, „lebenden“, „laufenden“ und „werbenden“ Betrieb bezogene Sachsteuer kennzeichnen soll.174 Besteuert wird das Ergebnis der Ertragskraft des werbenden Gewerbetriebs,175 nicht aber das Ergebnis der Aufdeckung stiller Reserven anlässlich der Beendigung. Während die Einkommensteuer als Personensteuer beim gewerblichen Gewinn alle betrieblichen Vorgänge und Geschäftsvorfälle von den ersten Vorbereitungshandlungen zur Betriebseröffnung bis zur Veräußerung oder Entnahme des letzten betrieblichen Wirtschaftsgutes positiv und negativ berücksichtigt, ist Gegenstand der Gewerbesteuer nur der durch den laufenden Betrieb anfallende Gewinn. Andere Einkünfte sind für die Ermittlung des Gewerbeertrags bei Gewerbebetrieben i.S.d. § 2 Abs. 1 GewStG auszuscheiden. Diese Begrenzung ist symmetrisch (Gewinne und Verluste für vorlaufende und nachlaufende Vorgänge).

282

Dies gilt grds. für alle nicht laufenden Geschäftsvorfälle von Einzelunternehmen und Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften) i.S.d. § 2 Abs. 1 GewStG. Auch Veräußerungs- und Aufgabegewinne bei BgA und verpachtete BgA unterliegen gem. § 2 Abs. 1 GewStG nicht der Gewerbesteuer.176

283

Eine Sonderregelung besteht für bestimmte Mitunternehmerschaften gem. § 7 Satz 2 GewStG ab EZ 2002, soweit der Gewinn/Verlust nicht auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer entfällt.

284

Die Einschränkung gilt nicht für rechtsformabhängige Unternehmen gen. § 2 Abs. 2, 3 GewStG. Insoweit sind Ertragssteuerrecht und Gewerbesteuerrecht deckungsgleich. Die Unterscheidung korrespondiert mit dem unterschiedlichen Beginn und Ende der sachlichen Gewerbesteuerpflicht bei diesen beiden Unternehmensgruppen.

285

Diese eingrenzende Auslegung bleibt auch nach der gesetzgeberischen Entscheidung des § 7 Satz 2 GewStG ab EZ 2002, die zu respektieren ist, fragwürdig. Rechtliche Wirkungen kann das sog. Objektsteuerprinzip allenfalls insoweit entfalten, als konkrete gesetzliche Vorschriften hierfür Raum lassen.177

286

Die gesetzliche Basis für diese Auslegung des GewStG und die symmetrische Divergenz zur eigentlichen Ertragsteuer ist traditionell gewachsen und erscheint mittlerweile rechtssicher, ist aber eher schmal (Umkehrschluss aus § 7 Satz 2 und § 2 Abs. 2 GewStG, Wortlaut des § 2 Abs. 1 GewStG), ihre Folgen sind allerdings systemprägend. Fragwürdig ist sowohl der begrenzte gewerbesteuerrechtliche Zugriff dem Grunde nach als auch die unstimmige Umsetzung der materiellen Steuerbefreiung je nach Maßgabe der Unternehmensrechtsformen. Insb. die rechtsformabhängige Ungleichbehandlung durch § 7 Satz 2 GewStG ist nach Ansicht des BFH178 mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar. Ableitungen aus dem sog. Objektsteuerprinzip bergen die Gefahr von Zirkelschlüssen. Gleiches gilt für eine Wesensschau. Der „Fiskalzweck der Gewerbesteuer“ 179 ist kein Rechtsbegriff. Auch nutzt der Steuerpflichtige die gemeindliche Infrastruktur von Anfang bis Ende. Die einschränkende Auslegung de facto schützt die Steuergläubiger, indem sie Gewerbeverluste abwehrt. Nicht zuletzt relativiert diese einschränkende Auslegung den vollständigen Gleichlauf der

287

174 St. Rspr., BFH v. 13.11.1963 – GrS 1/63 S, BStBl. III 1964, 124; v. 28.2.1990 – I R 92/I R 92/86, BStBl. II 1990, 699; v. 14.12.2006 – IV R 3/05, BStBl. II 2007, 777; v. 26.11.2009 – III R 110/07, BFH/NV 2010, 1304; v. 14.4.2011– IV R 52/09, BStBl II 2011, 929; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 3 ff. 175 BFH v. 17.2.1994 – VIII R 13/94, BStBl. II 1994, 809; v. 15.4.2004 – VIII R 7/01, BStBl. II 2004, 754. 176 Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 84. 177 BFH v. 3.2.2010 – IV R 26/07, BStBl. II 2010, 751; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 3. 178 BFH v. 22.7.2010 – IV R 29/07, BStBl. II 2011, 511; bestätigt vom BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, 217; auch BFH v. 30.8.2012 – IV R 54/10, BStBl. II 2012, 927; v. 19.9.2019 – IV R 50/16, BStBl. II 2020, 57. Krit. Drüen, ISR 2020, 98. 179 BFH v. 11.7.2019 – I R 26/18, DB 2020, 425.

235

GewStG § 7 Rz. 288 | Gewerbeertrag drei Steuerarten nach § 7 Satz 1 GewStG und erweitert die schon bestehenden rechtsformspezifischen Unterschiede der Gewerbebesteuerung. 288–289

frei

b) Überblick über die betroffenen Einkünfte aa) Gewerbesteuerfreie Einkünfte bei Einzelunternehmen und Mitunternehmerschaften 290

Nicht gewerbesteuerpflichtig sind nach der vorherrschenden Auffassung einer objektsteuerartigen Auslegung der §§ 2, 7 GewStG die folgenden Bestandteile (Gewinne und Verluste) des einkommensteuerrechtlichen Gewinns von Einzelunternehmen und Personengesellschaften.180 Hier fehlt die werbende Tätigkeit des Betriebs. Diese Einkünfte sind im Rahmen des § 7 Satz 1 GewStG auszuscheiden.

291

Der von einer Mitunternehmerschaft erzielte Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs oder Teilbetriebs, eines Mitunternehmeranteils oder des Komplementäranteils an einer KGaA gem. § 16 EStG ist jedoch nur insoweit gewerbesteuerfrei, als er auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligten Mitunternehmer entfällt (§ 7 Satz 2 GewStG). Gewerbesteuerfrei sind vorbehaltlich des § 7 Satz 2 GewStG insb.: – Einkünfte aus der Veräußerung eines ganzen Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs, gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 EStG.181 – Einkünfte aus der Aufgabe des ganzen Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs gem. § 16 Abs. 3 EStG.182 – Einkünfte aus der Veräußerung der (gesamten) Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG.183 – Einkünfte aus der Veräußerung eines Teils eines Mitunternehmeranteils sind dagegen nach § 16 Abs. 1 Satz 2 GewStG laufender Gewinn und auch gewerbesteuerpflichtig.184 – Einkünfte aus sonstigen betriebsbeendenden Vorgängen, sofern sie zur endgültigen Einstellung der gewerblichen Betätigung führen.185 – Einkünfte aus verpachtetem oder ruhendem Gewerbebetrieb.186 – Vorbereitenden Betriebsausgaben vor Beginn der werbenden Tätigkeit187 und nachträgliche Betriebseinnahmen nach dem Ende der werbenden Tätigkeit.188 – Unfallentschädigungen (§ 24 EStG) wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit des Gewerbetreibende.189 – Der Gewinn aus der Veräußerung eines zum Anlagevermögen zählenden Flugzeugs gehört zum gewerbesteuerbaren (laufenden) Gewinn, wenn die Veräußerung Bestandteil eines einheitlichen Geschäftskonzepts der unternehmerischen Tätigkeit ist.190 180 Vgl. die Zusammenstellung bei Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 107 ff.; Roser in Lenski/Steinberg, § 7 GewStG Rz. 298. 181 BFH v. 4.3.1998 – XR 56/95, BFH/NV 98, 1354, H 7.1 Abs. 3 GewStH 2016. 182 BFH v. 9.12.1986 – VIII R 26/80, BStBl. II 1987, 342; v. 26.6.13 – X B 244/12, BFH/NV 13, 1578; R 7.1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GewStR 2009. 183 R 7.1 Abs. 3 Satz 1 GewStR 2009; zu doppelstöckigen Personengesellschaften R 7.1 Abs. 3 Satz 5 GewStR 2009; FM NRW v. 11.6.2010, DStR 2010, 1573. 184 R 7. 1 Abs. 3 Satz 6 GewStR 2009; Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 111. Vgl. schon BFH v. 30.8.2007 – IV R 22/06, BFH/NV 2008, 109. 185 BFH v. 26.6.2007 – IV R 49/04, BStBl. II 2009, 289; Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 112. 186 BFH v. 13.11.1963 – GrS 1/63 BStBl. III 1964, 124; R 2.2 GewStR 2009; H 2.2, 2.6 GewStH 2016. 187 Etwa BFH v. 19.8.1977 – IV R 107/74, BStBl. II 1978, 23. 188 BFH v. 31.3.1977 – IV R 111/76, BStBl. II 1977, 618; v. 18.12.1996 – XI R 63/96, BStBl. II 1997, 573. 189 BFH v. 28.8.1968 – I 252/65, BStBl. II 1969, 8; H 7.1. Abs. 3 GewStH 2016. 190 BFH v. 20.9.2012 – IV R 36/10, BStBl. II 2013, 498; v. 26.6.2007 – IV R 49/04, BStBl. II 2009, 289. Zum einheitlichen Geschäftskonzept H 2.6 GewStH 2016.

236

Gewerbeertrag | Rz. 295 § 7 GewStG

Auch bestimmte Umwandlungsfälle beruhen auf der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs bzw. eines Teilbetriebs oder entsprechender Anteile. Dies betrifft Einbringungen nach §§ 20 ff. UmwStG. Die Rechtsprechung des BFH191 geht davon aus, dass die soeben dargelegten allgemeinen Grundsätze auch hier anzuwenden sind.

292

Übersicht: Gewerbebesteuerung von Veräußerungs- und Aufgabegewinnen

293

Steuersubjekt:

Einzelunternehmer

Teil- oder Gesamtbetrieb

Nicht gewerbesteuerpflichtig Voll gewerbesteuerpflichtig

Kapitalgesellschaft

Gesamtbeteiligung an einer Personengesellschaft

Nicht gewerbesteuerpflichtig Voll gewerbesteuerpflichtig

Beteiligung an einer Kapital- § 3 Nr. 40 EStG: 60% gewer- § 8b Abs. 3 KStG: 95% gegesellschaft besteuerpflichtig werbesteuerfrei Steuersubjekt Unmittelbar beteiligt Einzelunternehmer ist...

Personengesellschaft Personengesellschaft (doppelstöckig)

Kapitalgesellschaft

Objekt Teil- oder Gesamtbetrieb

Nicht gewerbesteuer- Voll gewerbesteuerpflichtig pflichtig

Voll gewerbesteuerpflichtig

Gesamtbeteiligung an Nicht gewerbesteuer- Voll gewerbesteuereiner Personengesell- pflichtig pflichtig schaft

Voll gewerbesteuerpflichtig

Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft

§ 3 Nr. 40 EStG: 60% Gesellschafter: gewerbesteuer-pflich- 1. natürliche Person: tig 60% gewerbesteuerpflichtig 2. Kapitalgesellschaft: § 8b Abs. 3 KStG: 95% gewerbesteuerfrei

frei

294

bb) Gewerbesteuerpflichtige Einkünfte Demgegenüber sind insb. die folgenden Aufgabe- und Veräußerungsgewinne192 auch im Rahmen des § 7 GewStG gewerbesteuerpflichtig: – Einkünfte (Gewinne und Verluste) aus der Veräußerung und Aufgabe eines Betriebs, Teilbetriebs oder eines Mitunternehmeranteils oder eines Anteils i.S.d. § 7 Satz 2 Nr. 3 GewStG, soweit sie nicht auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligten Mitunternehmer entfallen (§ 7 Satz 2 GewStG), soweit sie nicht bereits nach § 7 Satz 1 GewStG steuerpflichtig sind. – Aufgabe- und Veräußerungsgewinne (und Verluste) von Gewerbebetrieben kraft Rechtsform gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG.

191 Zu § 22 UmwStG BFH v. 11.7.2019 – I R 26/18, DB 2020, 441; v. 11.7.2019 – I R 13/18, DB 2020, 427. 192 Vgl. Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 117 ff.

237

295

GewStG § 7 Rz. 296 | Gewerbeertrag – Der Gewinn aus der Veräußerung eines zum Anlagevermögen zählenden Flugzeugs gehört zum gewerbesteuerbaren (laufenden) Gewinn, wenn die Veräußerung Bestandteil eines einheitlichen Geschäftskonzepts der unternehmerischen Tätigkeit ist.193 – Aufgabe- und Veräußerungsgewinne (und Verluste) nach dem speziellen gewerbesteuerrechtlichen Nachversteuerungstatbestand des § 18 Abs. 3 UmwStG.194 – Einkünfte aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, und zwar auch bei einer 100%igen Beteiligung gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 2 EStG, sofern die Veräußerung nicht in Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe oder -veräußerung erfolgt.195 – Ausgleichsansprüche nach § 89b HGB. 296–299

frei

2. Zur Abgrenzung der werbenden Tätigkeit 300

Einkommensteuerrechtlich beginnt die gewerbliche Tätigkeit einer natürlichen Person oder einer Mitunternehmerschaft nicht erst mit der Aufnahme der eigentlichen werbenden Tätigkeit, sondern schon mit der ersten vorbereitenden Tätigkeit für eine beabsichtigte gewerbliche Tätigkeit. Auch nach Ende der werbenden Tätigkeit, selbst nach Aufgabe oder Veräußerung des Gewerbebetriebes, können noch Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S.d. EStG anfallen. Vergleichbare Abgrenzungen kennt das Umsatzsteuerrecht für den Unternehmerund Unternehmensbegriff.

301

Der Gewinnbegriff nach dem GewStG umfasst mit seiner Anbindung an einen „lebenden“ und „tätigen“196 Gewerbebetrieb bei einer natürlichen Person und einer Mitunternehmerschaft nur Gewinne aus der eigentlichen werbenden Tätigkeit. Entscheidend ist, wann die Voraussetzungen für die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr tatsächlich erfüllt sind.197 Bei Beginn und Ende der werbenden Tätigkeit ist daher der einkommensteuerrechtliche Gewinn von dem gewerbesteuerrechtlichen Gewinn abzugrenzen. Vor Beginn der werbenden Tätigkeit entstandene Betriebsausgaben können daher nicht abgezogen werden.198 Gleiches gilt für Ausgaben während des Ruhens oder nach Beendigung der werbenden Tätigkeit.199 Entsprechendes gilt für Einnahmen und die nachlaufenden Einkünfte.

302

Die vorweggenommenen und nachträglichen Betriebsausgaben sind ggf. vom laufenden, bei natürlichen Personen und Mitunternehmerschaften der Gewerbesteuer unterliegenden Gewinn im Schätzungswege abzugrenzen. Die Möglichkeit der Schätzung wird von der Finanzverwaltung ausdrücklich für den Fall der Betriebsverpachtung eingeräumt.200 Die Finanzverwaltung hält im Fall der Betriebsverpachtung bei einem bis dahin durch Überschussrechnung ermittelten Gewinn einen Übergang zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich allein für Zwecke der Gewerbesteuer für erforderlich, obwohl für Zwecke der ESt die Überschussrechnung beibehalten werden kann.201 Die daraus resultierenden

193 BFH v. 20.9.2012 – IV R 36/10, BStBl. II 2013, 498; H 7.1 Abs. 3 GewStH 2016. 194 BFH v. 25.4.2012 – IV R 24/09, BStBl II 2012, 703; näher Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 119a m.w.N. und Einzelfällen bei Personengesellschaften. 195 BFH v. 14.1.2004 – VIII B 95/01, BFH/NV 2002, 811; H 7.1 Abs. 3 GewStH 2016; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 4. 196 BFH v. 11.7.2019 – I R 26/18, DB 2020, 425. 197 BFH v. 5.3.1998 – IV R 23/97, BStBl. II 1998, 745; v. 14.1.2002 – VIII B 95/01, BFH/NV 2002, 811; vgl. im Umkehrschluss R 7.1 Abs. 3 GewStG 2009; näher Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 120, 136. 198 BFH v. 19.8.1977 – IV R 107/74, BStBl. II 1978, 23; v. 5.3.1998 – IV R 23/97, BStBl. II 1998, 745; krit. Hidien, StBp 2008, 125. 199 BFH v. 3.4.2014 – IV R 12/10, BStBl. II 2014, 1000. 200 R 2.2 Satz 5 GewStR 2009. 201 R 2.2 Satz 8 GewStR 2009; Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 65.

238

Gewerbeertrag | Rz. 315 § 7 GewStG

Zu- und Abrechnungen stehen für Gewinne aus der nunmehr aufgegebenen werbenden Tätigkeit, die ohne eine Umstellung der Gewinnermittlungsart allein für Zwecke der Gewerbesteuer entzogen würden. Der allgemein geltende Grundsatz, dass allein die Gewinnermittlungsart keinen Einfluss auf den insgesamt ermittelten Totalgewinn haben darf, muss auch für den gewerbesteuerrechtlichen Totalgewinn aus der eigentlichen werbenden Tätigkeit gelten. Wenn die Rechtsprechung in besonders gelagerten Fällen Unterschiede zwischen ESt und GewSt im Fall der Bilanzierung anerkennt,202 so müssen auch unterschiedliche Zeitpunkte für den Wechsel der Gewinnermittlungsart möglich sein. frei

303–309

3. Insbesondere Aufgabe- und Veräußerungsgewinne Veräußerungs- und Aufgabegewinne (und entsprechende Verluste) eines Betriebs oder Teilbetriebs i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 – ohne Satz 2 –, Nr. 2 und 3 und Abs. 3 EStG unterliegen bei Einzelunternehmen nach allgemeiner Auffassung nicht der Gewerbesteuer.203 Diese erfasst hier nur den laufenden Gewinn.

310

Der Nichtansatz der Veräußerungs- und Aufgabegewinne soll dem „Wesen“ der Gewerbesteuer geschuldet sein, die an das Ergebnis eines lebenden Betriebs anknüpft, und damit Gewinne außerhalb der Phase eines werbenden“ Unternehmens unberücksichtigt lässt. Die Rechtsprechung hat die mit Veräußerungs- und Aufgabegewinne in Zusammenhang stehenden gewerbesteuerfreien oder gewerbesteuerpflichtigen Kosten- und Ertragsbestandteile in einer Vielzahl Entscheidungen abgegrenzt.204

311

Die Einstufung als Aufgabe oder Veräußerung eines Betriebs oder Teilbetriebs und die Ermittlung des Veräußerungs- und Aufgabegewinns entspricht dabei im Wesentlichen der Systematik des § 16 EStG. Veräußerungskosten sind nach § 16 Abs. 2 EStG bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns abzuziehen; sie dürfen den Gewerbeertrag nicht mindern.205

312

Anders als bei der ESt tritt dabei eine Freistellung sämtlicher realisierter stillen Reserven von der Gewerbesteuer auch dann ein, wenn bei einem endgültigen Ende der gewerblichen Tätigkeit die stillen Reserven aus wesentlichen Betriebsgrundlagen nicht vollständig realisiert werden und damit die Voraussetzungen des § 16 EStG selbst nicht vollständig erfüllt sind.206

313

Aus dem gleichen Grund unterliegt ein Gewinn, der bei einer Betriebsveräußerung oder Einbringung eines Betriebs zu Buch- oder Zwischenwerten aus der Überführung und Entnahme von nicht zu wesentlichen Betriebsgrundlagen gehörenden Wirtschaftsgütern in das Privatvermögen entsteht, nicht der Gewerbesteuer.207

314

Unabhängig von der Gewährung einer einkommensteuerrechtlichen Begünstigung nach §§ 16, 34 EStG wird ein Spitzen- oder Wertausgleich, der bei einer nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 EStG steuerneutralen Realteilung einer Mitunternehmerschaft anfällt, nicht der Gewerbesteuer unterworfen, da er aus der Einstellung der Tätigkeit der Mitunternehmerschaft und nicht aus deren laufenden Geschäftsbetrieb resultiert.208

315

202 BFH v. 6.9.2000 – XI R 18/00, BStBl. II 2001, 106. 203 R 7.1 Abs. 3 GewStR 2009; H 7.1 Abs. 3 GewStH 2016. 204 Zusammenstellung bei Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 127 für Einzelunternehmen und Rz. 130 ff. für Mitunternehmerschaften. 205 BFH v. 2.5.1990 – VIII R 204/85, BFH/NV 1990, 801. 206 BFH v. 3.2.1994 – VIII R 23/89, BStBl. II 1994, 709; v. 26.6.2007 – IV R 49/04, BStBl. II 2009, 289; Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 126. 207 H 7.1 Abs. 3 Entnahmevorgänge bei Umwandlung in eine Personengesellschaft GewStH 2016 mit Hinweis auf BFH v. 29.10.1987 – IV R 93/85, BStBl. II 1988, 374. 208 BFH v. 17.2.1994 – VIII R 13/94, BStBl. II 1994, 809

239

GewStG § 7 Rz. 316 | Gewerbeertrag 316

Anders als bei der Einkommensteuer führt die Betriebsverpachtung bei einem Einzelunternehmen oder bei einer Personengesellschaft stets zu einem Ende der gewerbesteuerpflichtigen Tätigkeit.209

317

Für Mitunternehmerschaften gilt diese Steuerbefreiung nach § 7 Satz 2 GewStG ab dem EZ 2002 nur für die Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs oder eines Teilbetriebs und für die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils, soweit die Gewinne auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligten Mitunternehmer entfallen.

318

Gewinne aus der Entnahme von Sonderbetriebsvermögen bei einer Sonderrechtsnachfolge in Form einer qualifizierten Nachfolgeklausel für den Mitunternehmeranteil des Erblassers unterliegen nicht der Gewerbesteuer.210

319

Die Fiktion des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, bei einer zum Betriebsvermögen gehörenden hundertprozentigen Beteiligung des Einzelunternehmens an einer Kapitalgesellschaft einen Teilbetrieb anzunehmen, gilt für die Gewerbesteuer nicht.211 Gewinne bzw. Verluste aus der Veräußerung sämtlicher Anteile an einer Kapitalgesellschaft unterliegen daher, soweit nicht die Steuerbefreiungen nach dem Teileinkünfteverfahren greifen, der Gewerbesteuer. Dies gilt auch für geringere Anteile.

320

Keine Entlastung von der Gewerbesteuer erfahren Veräußerungs- und Aufgabegewinne bei Gewerbetrieben kraft Rechtsform i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG.

321–329

frei

4. Entschädigungen 330

Entschädigungen bei Gewerbebetrieben kraft Rechtsnorm iSd. § 2 Abs. 2 GewStG unterliegen stets der Gewerbesteuer. In anderen Fällen, namentlich bei natürlichen Personen, hat die Rechtsprechung212 mittlerweile eine Vielzahl von Einzelfällen von Entschädigungszahlungen an den Gewerbebetrieb auf ihre Gewerbesteuerbarkeit untersucht.

331

Allgemeine Voraussetzung für ihre Gewerbebesteuerung ist, dass sich die Entschädigungen sachlich auf den werbenden (lebenden) Betrieb beziehen. Die Rechtsprechung213 folgert dies aus der Prämisse, dass „die Gewerbesteuer eine Objektsteuer und auf den Gewerbebetrieb als Objekt bezogen ist.“ Zahlungen für entgangene oder entgehende Einnahmen (auch nach § 24 Nr. 1 EStG) zählen unter diesen Voraussetzungen zum steuerpflichtigen Gewerbeertrag.

332

Gewerbliche Einnahmen gehören nur dann zum Gewerbeertrag, wenn sie unmittelbar im gewerblichen Betrieb erwirtschaftet werden und nicht nur den Gewerbetreibenden höchstpersönlich betreffen. Keine Gewerbesteuerpflicht besteht daher, wenn ein Gewerbetreiben aufgrund seiner Erwerbsminderung eine Unfallentschädigung aus der Haftpflichtversicherung des Schädigers (nicht aus eigener Unfallversicherung, deren Prämien als Betriebsausgabe abgesetzt sind) erhält.214

333

Entschädigungen, die einkommensteuerrechtlich zum begünstigten Veräußerungs- oder Aufgabegewinn nach § 16 EStG zählen, bleiben beim Gewerbeertrag allerdings außer Ansatz.215

334–335

frei

209 R 2.2 GewStR 2009. 210 BFH v. 15.3.2000 – VIII R 51/98, BStBl. II 2000, 316. 211 R 7.1 Abs. 3 GewStR 2009; H 7.1 (3) Gewinn aus der Veräußerung einer 100 %igen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft GewStH 2016; BFH v. 14.1.2002 – VIII B 95/01, BFH/NV 2002, 811; Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 136. 212 Vgl. die Zusammenstellung bei Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz. 144 ff. 213 BFH v. 20.8.1965 – VI 154/65 U, BStBl. III 1966, 94; v. 28.8.1968 – I 252/65, BStBl. II 1969, 8. 214 BFH v. 20.8.1965 – VI 154/65 U, BStBl. III 1966, 94; v. 28.8.1968 – I 252/65, BStBl. II 1969, 8; H 7.1 Abs. 3 Entschädigungen GewStH 2016. 215 BFH v. 17.12.1975 – I R 29/74, BStBl. II 1976, 224; H 7.1 Abs. 3 GewStH 2016.

240

Gewerbeertrag | Rz. 344 § 7 GewStG

5. Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter i.S.d. § 89b HGB gehören grds. zum laufenden Gewerbeertrag und damit zum Gewerbeertrag.216 Das gilt auch dann, wenn die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Aufgabe des Betriebs zusammenfällt oder der Anspruch auf Ausgleichszahlung durch den Tod des Handelsvertreters entstanden ist und der Erbe den Betrieb aufgibt.217 Es handelt es sich bei diesen besonderen Entschädigungen um einmalige besondere Einnahmen, die im Zusammenhang mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses entstehen. Sie sind kein Veräußerungspreis, sondern ein Ausgleich für durch die Beendigung des Vertragsverhältnisses dem Handelsvertreter künftig entgehenden Gewinne. Sie sind im laufenden Gewerbebetrieb entstanden und werden nicht für die Betriebsaufgabe geleistet.218

336

Im Regelfall gibt der Handelsvertreter mit der Betriebseinstellung durch die Beendigung des Vertretervertrags auch seinen Betrieb auf bzw. es kommt zu einer Betriebsveräußerung. Der Handelsvertreter mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG muss in diesem Fällen mit der Betriebseinstellung und der damit verbundenen Betriebsaufgabe bzw. Betriebsveräußerung auf die Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich umstellen. Dadurch ist die Ausgleichszahlung auch bei späterem Zahlungseingang steuerrechtlich noch vor der Einstellung als Gewinn und damit gewerbesteuerwirksam zu erfassen.

337

In einigen Fällen (z.B. Einstellung und keine Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen bzw. keine Übernahme ins Privatvermögen oder Tod des Handelsvertreters und Ausgleichszahlung an die Witwe) kann die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zumindest für Zwecke der einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlung über das Ende der Gewerbesteuerpflicht hinaus beibehalten werden. Der BFH219 geht in diesen Fällen auch von einem Fortbestand der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG über das Ende der Gewerbesteuerpflicht für gewerbesteuerrechtliche Zwecke aus. Ein Zahlungseingang nach dem Ende der eigentlichen Tätigkeit fällt daher nicht mehr für den „lebenden“ Gewerbebetrieb an und unterliegt nicht mehr der Gewerbesteuer. Dies widerspricht insoweit der Verwaltungsauffassung zum Wechsel der Gewinnermittlungsart im Fall der Betriebsverpachtung.220 Hier verlangt die Verwaltung einen Wechsel zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich mit Betriebseinstellung allein für die Gewerbesteuer.

338

frei

339

6. Wesentliche Beteiligungen Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 17 EStG (Veräußerung wesentlicher Beteiligungen) sind kein Gewerbeertrag i.S.d. § 7 Satz 1 GewStG, da § 17 EStG nur für die Veräußerung von Anteilen des Privatvermögens gilt. § 17 EStG ist für Zwecke der Gewerbesteuer nicht anwendbar.221

340

Wird hingegen eine wesentliche Beteiligung des Betriebsvermögens veräußert, zählen Erträge hieraus nach den allgemeinen Grundsätzen zum gewerbesteuerrechtlichen Gewinn. Die ermäßigte Besteuerung einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, § 34 EStG führt nicht zu einer Aussonderung aus dem Gewerbeertrag.222 Zu beachten sind dabei aber die Steuerbefreiungen aus dem Teileinkünfteverfahren.

341

frei

342–344

216 St. Rspr., etwa BFH v. 9.2.2011 – IV R IV R 37/08, BFH/NV 2011, 1120; v. H 7.1 Abs. 3 Entschädigungen GewStH 2009 m.w.N.; näher Drüen in Brandis/Heuermann, § 7 GewStG Rz120, 141 ff. 217 BFH v. 25.7.1990 – X R 111/88, BStBl. II 1991, 218; H 7.1 Abs. 3 Entschädigungen GewStH 2016 m.w.N. 218 BFH v. 24.11.1982 – I R 60/79, BStBl. II 1983, 243. 219 BFH v. 10.7.1973 – VIII R 4/71, BStBl. II 1973, 786. H 7.1 Abs. 3 Entschädigungen GewStH 2016. 220 R 2.2 Satz 8 GewStR 2009. 221 R 7.1 Abs. 3 GewStR 2009. 222 BFH v. 7.12.1971 – VIII R 3/70, BStBl. II 1972, 468.

241

GewStG § 7 Rz. 345 | Gewerbeertrag 7. Korrekturen bei nachträglichen Minderungen 345

Es kommt in der Praxis vor, dass in einem EZ gewinnmindernd berücksichtigte und anschließend nach § 8 Nr. 1 GewStG gewerbeertragserhöhend berücksichtigte Beträge in einem späteren EZ erstattet werden oder eine die Gewinnminderung auslösende Rückstellung später aufgelöst wird. Soweit die Hinzurechnung zu einer Erhöhung des Gewerbeertrags geführt hat und damit die Gewinnminderung insoweit neutralisiert, kommt es zu einer Doppelerfassung, wenn die Erstattung bzw. Auflösung der Rückstellung den Gewinn und damit den Gewerbeertrag erhöht, ohne dass dem wie im Jahr der Zahlung ein zumindest teilweise ausgleichender Ansatz gegenübersteht.223

346

Der notwendige Ausgleich vollzieht sich nicht im Rahmen der Hinzurechnungen, sondern im Rahmen des § 7 Satz 1 GewStG. Im Jahr der Erstattung bzw. Auflösung der Rückstellung wird der Gewinn als Ausgangsgröße für die Ermittlung des Gewerbeertrags i.S.d. § 7 GewStG um den Betrag gemindert, mit dem sich der nunmehr erstattete Betrag bzw. die aufgelöste Rückstellung ursprünglich im Rahmen der Hinzurechnung ausgewirkt hat.224

347

frei 8. Gewerbeertrag bei Abwicklung und Insolvenz (§ 16 GewStDV)

348

Eine Sonderregelung trifft § 16 GewStDV225 für die Ermittlung des Gewerbeertrags im Fall der Abwicklung und Insolvenz und damit gegen Ende der Gewerbesteuerpflicht. Die Regelung beruht auf der Ermächtigung des § 35c Abs. 1 Buchst. b GewStG. Sie betrifft einerseits die (materielle) Ermittlung des Gewerbeertrags i.S.d. § 7 Satz 1 GewStG, andererseits den jeweils zeitlich maßgebenden Gewerbeertrag i.S.d. § 10 GewStG.

349

§ 16 GewStDV gewährleistet die Anwendung des Prinzips des EZ auch in zwei Sonderfällen. Im Fall der Abwicklung und Liquidation von Gesellschaften nach § 2 Abs. 2 GewStG und der Insolvenz von allen Arten von Gewerbebetrieben besteht die Gewerbesteuerpflicht zunächst grds. fort (§ 4 GewStDV). Dies kann sich aber über einen längeren Zeitraum hinziehen.

350

Nach der Bezugsfiktion des § 16 Abs. 1 GewStDV wird im Fall der Abwicklung etwa einer Kapitalgesellschaft der im Abwicklungszeitraum insgesamt „entstandene“ Gewerbeertrag, ggf. unter Berücksichtigung des § 10a GewStG, ermittelt und sodann auf die einzelnen EZ des Abwicklungszeitraums verteilt. Dies sichert auch eine gleichmäßigere Verteilung des Gewerbeertrags zugunsten der betroffenen Gemeinden.

351

Entsprechendes gilt gem. § 16 Abs. 2 GewStG für den Insolvenzfall bezüglich des Insolvenzzeitraums. Bei einem in Insolvenz befindlichen Unternehmen wird der während des Insolvenzverfahrens erzielte Gewinn ermittelt und auf die einzelnen Jahre des Insolvenzzeitraums verteilt.226

352

Beginnt die Abwicklung im Laufe eines Wirtschaftsjahrs, ist grds. für die Zeit vom Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs bis zum Beginn der Abwicklung ein Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden, das nicht in den Abwicklungszeitraum einzubeziehen ist.227 Entsprechendes gilt gem. § 16 Abs. 2 GewStG für den Insolvenzfall.

353

Die Verteilung des im Abwicklungszeitraum erzielten Gewerbeertrags auf die einzelnen Jahre erfolgt entsprechend dem Verhältnis der Zahl der Kalendermonate, während derer 223 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG Rz. 23. 224 Zu Rückstellungen BFH v. 23.1.1961 – I 278/60 U, BStBl. III 1961, 280; v. 13.12.1966 – I R 18/66, BStBl. III 1967, 187; R 7.1 Abs. 1 Satz 2 bis 6 GewStR 2009; H 7.1 Abs. 1 Korrektur nach erfolgter Hinzurechnung GewStH 2016 mit einem Berechnungsbeispiel. 225 Näher R 7.1 Abs. 8 GewStR 2009; Roser in Lenski/Steinberg, § 7 GewStG Rz. 228 ff. 226 Zu den Begriffen Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10 GewStG Rz. 17 f.; zu den insolvenzrechtlichen Folgen Güroff in Glanegger/Güroff10, § 7 GewStG Rz. 52 ff. 227 H 7.1 Abs. 8 Beginn der Abwicklung GewStH 2016; BFH v. 17.7.1974 – I R 233/71, BStBl. II 1974, 692.

242

Gewerbeertrag | Rz. 353 § 7 GewStG

die Steuerpflicht bestanden hat, zur Gesamtzahl der Kalendermonate des Abwicklungszeitraums. Angefangene Monate sind dabei als volle Monate zu zählen.228 Beispiel: Eine Kapitalgesellschaft (Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr) tritt am 1.1.05 in die Abwicklung ein. Ende der Abwicklung: 15.6.07. Gewerbeertrag während des Abwicklungszeitraums 120 000 €. Davon entfallen: auf 05 auf 06 auf 07

12/30 von 120.000 € 12/30 von 120.000 € 6/30 von 120.000 €

= 48.000 € = 48.000 € = 24.000 € 120.000 €

Für 05 und 06 sind je 48.000 €, für 07 24.000 € zugrunde zu legen.

228 R 7.1 Abs. 8 GewStR 2009.

243

GewStG § 7

244

§ 7a Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags einer Organgesellschaft (1) 1Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags einer Organgesellschaft ist § 9 Nummer 2a, 7 und 8 nicht anzuwenden. 2In den Fällen des Satzes 1 ist § 8 Nummer 1 bei Aufwendungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit Gewinnen aus Anteilen im Sinne des § 9 Nummer 2a, 7 oder 8 stehen, nicht anzuwenden. (2) Sind im Gewinn einer Organgesellschaft 1. Gewinne aus Anteilen im Sinne des § 9 Nummer 2a, 7 oder 8 oder 2. in den Fällen der Nummer 1 auch Aufwendungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit diesen Gewinnen aus Anteilen stehen, enthalten, sind § 15 Satz 1 Nummer 2 Satz 2 bis 4 des Körperschaftsteuergesetzes und § 8 Nummer 1 und 5 sowie § 9 Nummer 2a, 7 und 8 bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der Organgesellschaft entsprechend anzuwenden. Der bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der Organgesellschaft berücksichtigte Betrag der Hinzurechnungen nach § 8 Nummer 1 ist dabei unter Berücksichtigung der Korrekturbeträge nach Absatz 1 und Satz 1 zu berechnen. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten in den Fällen des § 15 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes entsprechend. A. I. II. B. I.

Allgemeines Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungszusammenhang. . . . . . . . . . . Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Gewerbeertrag der OG ohne Schachtelprivileg (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . .

1 5

II. Zurechnungsbetrag der OG (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendung beim DBA-Schachtelprivileg (Abs. 3) . . . . . . . . . . . IV. Berechnungsbeispiel . . . . . . . . . .

13 15 16

10

A. Allgemeines I. Regelungszweck Wie sich aus Stellung und Wortlaut des § 7a GewStG ergibt, handelt es sich um eine gewerbesteuerrechtliche Regelung zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage. Sie modifiziert1 und korrigiert allerdings die Grundregel des § 7 Satz 1 GewStG. § 7a GewStG ist eine spezielle Vorschrift zur Ermittlung des Gewerbeertrags im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Sie betrifft ausschließlich die Ermittlung des Gewerbeertrags einer Organgesellschaft (OG) und zwar die gewerbesteuerrechtliche Behandlung von Dividenden, die eine Organgesellschaft im Rahmen einer Schachtelbeteiligung bezieht.

1

Eine Kapitalgesellschaft, die OG ist, gilt nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG als Betriebsstätte des Organträgers (OT). Die OG und der OT bleiben aber ungeachtet ihrer wirtschaftlichen Einheit selbständige Gewerbebetriebe, deren Gewerbeerträge auf der ersten Stufe getrennt nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 7, 7b, 8 und 9 GewStG ermittelt werden. Dies folgt aus § 7 Satz 1 GewStG. Nach § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG ist § 8b Abs. 1 bis 6 KStG bei der Ermittlung des Einkommens der OG gerade nicht zu berücksichtigen. § 8b KStG ist vielmehr erst bei der Ermittlung des Einkommens des OT anzuwenden. Erst auf einer zweiten Stufe kommt es in Folge der Zurechnung des Gewerbeertrags der OG zum OT zu einer Zusammenfassung dieser Gewerbeerträge (gebrochene oder eingeschränkte Einheitstheorie).

2

1 Pohl in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 7a GewStG Rz. 17.

245

GewStG § 7a Rz. 3 | Sonderregelung bei Organgesellschaft 3

Nach dieser sog. Bruttomethode, die § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG anordnet, wird das Einkommen der OG ohne Berücksichtigung von § 8b Abs. 1–5 KStG ermittelt. Die Entlastungen durch § 8b KStG bzw. aus dem Teileineinkünfteverfahren – vollständige oder 40 %ige Befreiung der Erträge unter Beachtung von §§ 3a, 3c EStG – werden erst auf der Ebene des OT und dort abhängig von der Besteuerungssituation des OT – natürliche Person, Körperschaft, Personengesellschaft mit natürlichen Personen oder Körperschaften als Beteiligte – gewährt. Der BFH2 hatte daher am 17.12.2014 (I R 39/14) gegen die bisherige Sichtweise der Finanzverwaltung entschieden, dass § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 ff. KStG bei einer OG, die Dividenden bezogen hat, nicht anwendbar ist. Damit kam es bei der Gewerbeertragsermittlung im Organkreis insoweit u.a. nicht zur Anwendung des § 8b Abs. 5 KStG (Ansatz von 5 % der Dividenden als nichtabziehbare Betriebsausgaben) bei der OG. Damit blieben die Schachteldividenden im Organkreis zu 100% steuerbefreit. Dies führte zu einer Besserstellung von Dividendenbezügen über eine OG im Vergleich zu einem Dividendenbezug bei einer Gesellschaft, die nicht OG ist. Beispiel nach BFH I R 39/14: Zwischen der A-GmbH (Organträger) und ihrer Tochtergesellschaft der B-GmbH (Organgesellschaft) besteht eine gewerbesteuerrechtliche Organschaft. B hält 70% der Anteile an der Z-Kapitalgesellschaft (Sitz in Italien). Im Streitjahr erhält B von Z eine Gewinnausschüttung. Lösung des BFH: Auf der Ebene der B ist § 8b KStG gem. § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG i.V.m. § 7 Satz 1 GewStG nicht anwendbar. Die Dividende („Gewinne aus Anteilen“) ist jedoch nach § 9 Nr. 7, § 8 Nr. 5 GewStG zu kürzen. Auf der Ebene der A ist § 8b Abs. 1, 5 KStG nicht nach § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG anzuwenden bzw. nachzuholen, da in dem Gewerbeertrag der B, der A zugerechnet wird, durch die vorherige Kürzung nach § 9 Nr. 7 GewStG gerade keine Dividenden („Bezüge“) i.S.d. § 8b Abs. 1, 5 KStG mehr enthalten sind. Bei A und B läuft die „Schachtelstrafe“ des § 8b Abs. 5 KStG daher leer.

4

Die mit Beginn des EZ 2017 durch das Gesetz v. 20.12.20163 in das GewStG eingefügte Regelung des § 7a GewStG verhindert seitdem diese Besserstellung.4 Sie schließt eine planund systemwidrige Regelungs- und Besteuerungslücke,5 da sie nicht nur aus fiskalischen Motiven Belastungsgleichheit von Gewinnausschüttungen herstellt, die einerseits Unternehmen im Organkreis, andererseits nicht organschaftlich verbundenen Unternehmen zufließen. Die aktuelle Regelung beruht ebenfalls auf dem Gesetz v. 20.12.2016. Sie ist erstmals auf Gewinne aus Anteilen i.S.d. § 9 Nr. 2a, 7 oder 8 GewStG anwendbar, die der OG nach dem 31.12.2016 zufließen und gilt dann auch für Aufwendungen (§ 8 Nr. 1 GewStG), die mit diesen Gewinnen in unmittelbaren Zusammenhang stehen. Für die Zeiträume bis 1.1.2017 bleibt es bei den Grundsätzen der Entscheidung des BFH6 vom 17.12.2014; auch die Finanzverwaltung wendet die Entscheidung für die Vergangenheit an. Neuere Rechtsprechung zu § 7a GewStG liegt, soweit ersichtlich, noch nicht vor.

II. Regelungszusammenhang 5

Es handelt sich (erneut) um eine rechtsprechungskorrigierende Neuregelung.7 Die unmittelbare Anwendung von § 9 Nr. 2a, 7 und 8 GewStG auf den Gewerbeertrag der OG bei Schachtelbeteiligungen führte bis zu dieser Gesetzesänderung nach Auffassung des BFH8 unter Beachtung der sog. Bruttomethode nach § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 und 2 KStG dazu, BFH v. 17.12.2014 – I R 39/14, BStBl. II 2015, 1052. Gesetz v. 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000. BT-Drucks. 18/9536, 60. Krit. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 7a GewStG Rz. 1, 5 auch zur Neuregelung; dagegen Gosch in Brandis/Heuermann, § 7a GewStG Rz. 3: „systematischer Gleichklang“. 6 BFH v. 17.12.2014 – I R 39/14, BStBl. II 2015, 1052. Näher zur alten Rechtslage Leister in Wendt/ Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7a GewStG Rz. 14 ff. mit Berechnungsbeispielen. 7 Gosch in Brandis/Heuermann, § 7a GewStG Rz. 3; Pohl in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 7a GewStG Rz. 1: „klassisches Nichtanwendungsgesetz“. 8 BFH v. 17.12.2014 – I R 39/14, BStBl. II 2015, 1052. 2 3 4 5

246

Sonderregelung bei Organgesellschaft | Rz. 9 § 7a GewStG

dass bei der Ermittlung des Gewerbeertrags des Organkreises eine Erhöhung des Gewerbeertrags durch den Ansatz von fiktiven nichtabziehbaren Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG unterblieb. Bei einem bereits um Kürzung nach § 9 Nr. 2a, 7 und 8 GewStG geminderten Gewerbeertrag war ein Nichtansatz nach § 8b Abs. 1 KStG und damit auch die Anwendung von § 8b Abs. 5 KStG ausgeschlossen. § 7a Abs. 1 Satz 1 GewStG schließt nicht die Kürzungsvorschriften der §§ 9 Nr. 2 und 3 GewStG aus. § 7a GewStG lässt die gebrochene Einheitstheorie sowie die allgemeinen Grundsätze der Ermittlung von Gewerbeerträgen bei OT und OG jedenfalls nach den Vorstellungen des Gesetzgebers9 unberührt.10 Folglich ist § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG als Gewinnermittlungsvorschrift weiter auf Ebene der OG anzuwenden (Nichtanwendung § 8b KStG). Im Gewinn der OG sind damit die bezogenen Dividenden enthalten. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der OG käme es nach Maßgabe des unmittelbar anwendbaren § 9 Nr. 2a, 7 oder 8 GewStG zur Kürzung der vereinnahmten Dividenden. § 7a Abs. 1 Satz 1 GewStG regelt nunmehr, dass diese Kürzung unterbleibt; vielmehr sind die Regelungen nach Absatz 2 „entsprechend anzuwenden“.

6

Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der OG hat eine Kürzung nach § 9 Nr. 2a, 7 oder 8 GewStG im Einzelfall Auswirkungen auf Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG (vgl. § 9 Nr. 2a Satz 3, Nr. 7 Satz 2 und Nr. 8 Satz 2 GewStG). In diesen Fällen reduziert sich die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG. Bei der OG unterbleibt nunmehr diese Kürzung.

7

Die Neuregelung des § 7a GewStG gilt ausschließlich für OG i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG, und zwar für die Ermittlung des Gewerbeertrags der OG, die Schachteldividenden nach § 9 Nr. 2a, 7 oder 8 GewStG aus von ihr gehaltenen Beteiligungen bezieht. Es kann sich um in- oder ausländische Beteiligungen der OG handeln. Das Gesetz (§ 9 GewStG) bezeichnet sie als „Gewinne aus Anteilen“. Sie gilt grundsätzlich auch für vororganschaftliche Mehrabführungen.11 Sie gilt gem. § 7a Abs. 3 GewStG i.V.m. § 15 Satz 2 KStG auch für Dividendenbezüge der Organgesellschaft, die aufgrund eines DBA befreit sind.12

8

Sie gilt nicht für Veräußerungsvorgänge i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG, weil für sie kein Schachtelprivileg gewährt wird.13 Für Dividenden aus Streubesitz an eine OG ergibt sich die oben dargestellte Besserstellung nicht. Für derartige Dividenden bleibt es daher bei der bisherigen Rechtslage, nach der das Teileinkünfteverfahren bzw. § 8b KStG erst auf der Ebene des OT zu berücksichtigen sind. Die nicht minder systemfremde14 Neuregelung bewirkt, dass die Schachtelstrafe des § 8b Abs. 5 KStG auch gewerbesteuerrechtlich für Schachtelbeteiligungen von OG (Kapitalgesellschaften) wirksam wird. Der regeltechnische Aufbau der Regelung ist allerdings bemerkenswert: Nach Absatz 1 sind zunächst die Kürzungs- und Schachtelregelungen der §§ 9 Nr. 2a, 7, 8 GewStG für die Ermittlung des Gewerbeertrags der OG „nicht anzuwenden“ (Stufe 1). Auf den so ermittelten Gewerbeertrag der OG ist sodann Absatz 2 anzuwenden: Danach sind die Regelungen der §§ 9 Nr. 2a, 7, 8 GewStG dann doch „entsprechend anzuwenden“ (Stufe 2). Es wird damit auf der Ebene der OG ein modifizierter (Zurechnungs-) „Betrag“ für den OT ermittelt. „Dazwischen“ ist § 15 Satz 1 Nr. 2 Sätze 2 bis 4 KStG bei der Ermittlung des Einkommens des OT entsprechend anzuwenden.

9

9 BT-Drs. 18/9536, 59. 10 Leister in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7a GewStG Rz. 1; Güroff in Glanegger/ Güroff10, § 7a GewStG Rz. 3. 11 Leister in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7a GewStG Rz. 11. 12 Leister in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7a GewStG Rz. 12. 13 Pohl in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 7a GewStG Rz. 2. 14 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 7a GewStG Rz. 1; Gosch in Brandis/Heuermann, § 7a GewStG Rz. 21: umständlich und verwirrend.

247

GewStG § 7a Rz. 10 | Sonderregelung bei Organgesellschaft Der Vorschlag des Bundesrats,15 die komplizierte und irritierende Regelung, die eine technische Zurechnungsnorm darstellt, einfacher und praxisgerechter auszugestalten, konnte sich nicht durchsetzen.

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Gewerbeertrag der OG ohne Schachtelprivileg (Abs. 1) 10

§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG stuft eine Kapitalgesellschaft, die OG ist, als Betriebsstätte des OT ein. OG und OG bilden dabei selbständige Gewerbebetriebe, deren Gewerbeerträge grundsätzlich jeweils auf einer ersten Stufe als ein um Hinzurechnungen und Kürzungen korrigierter Gewinne nach den für das jeweilige Unternehmen maßgebenden Vorschriften zu ermitteln und anschließend auf einer zweiten Stufe zusammenzurechnen sind. § 7a GewStG lässt diese allgemeinen Grundsätze der Ermittlung von Gewerbeerträgen bei OT und OG unberührt. Aufgrund der aus § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG resultierenden Nichtanwendung von § 8b KStG auf der Ebene der OG sind bezogene Dividenden damit im Gewinn der OG als Aufgangsbasis für den Gewerbeertrag enthalten.

11

Die sich aus dem Dividendenbezug aus Schachtelbeteiligungen nach Maßgabe der § 9 Nr. 2a, 7, und 8 GewStG im Regelfall ergebende Kürzung ist nach § 7a Abs. 1 Satz 1 GewStG aber zunächst nicht (unmittelbar) anzuwenden.

12

Dies gilt nach § 7a Abs. 1 Satz 2 GewStG auch für den Ausschluss der Hinzurechnung von Finanzierungsaufwendungen i.S.d. § 8 Nr. 1 GewSt, die der OG im Zusammenhang mit Dividendenbezügen entstanden sind.

II. Zurechnungsbetrag der OG (Abs. 2) 13

§ 7a Abs. 2 GewStG holt nun in einem zweiten Schritt unter entsprechender Anwendung von § 9 Nr. 2a, 7 und 8 GewStG im Ergebnis nicht nur die zunächst ausgeschlossenen Kürzungen nach, sondern führt durch eine entsprechende Anwendung von § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 bis 4 KStG zur Anwendung von § 8b KStG sowie von § 3 Nr. 40 und § 3c Abs. 2 EStG bereits auf der Ebene des OT. Dadurch wird es nunmehr u.a. möglich, nicht abzugsfähige Betriebsausgaben nach § 8 Abs. 5 KStG auf der Ebene des Dividendenbeziehers auch im Fall einer Organschaft zu berücksichtigen. Denn anders als bei Anwendung von § 8b Abs. 5 KStG erst auf der Ebene des OT erfolgt nunmehr der Ausschluss der Dividenden aus dem Gewerbeertrag nach § 8b Abs. 1 KStG und nicht nach den § § 9 Nr. 2a, 7 und 8 GewStG. Nach § 7a Abs. 2 Satz 1 GewStG sind auf die Ermittlung des Gewerbeertrags auf der Ebene der OG folgende Regelungen auf die Gewinnanteile der OG entsprechend anzuwenden: (1) § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 und 416 KStG i.V.m. § 8b KStG oder §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG; (2) dies gilt nicht in den Fällen des § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 KStG i.V.m. § 8b Abs. 7, 8, 10 KStG; (3) § 8 Nr. 117 und 5 sowie § 9 Nr. 2a, 7, 8 GewStG.

14

Im Rahmen einer Korrektur des zunächst unter Beachtung von § 7a Abs. 1 GewStG ermittelten Gewerbeertrags der OG sind nach § 7a Abs. 2 Satz 2 GewStG auch die Auswirkungen von § 7a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GewStG auf die Finanzierungsaufwendungen i.S.d. § 8 Nr. 1 GewStG zu berücksichtigen. Dies kann zu einer Neuberechnung der Hinzurechnungsbeträge und zu einer Änderung des Freibetrags führen. Bei unmittelbarer Anwendung von 15 BR-Drucks. 406/16 (B), 35 f. 16 Zur entsprechenden Anwendung Güroff in Glanegger/Güroff10, § 7a GewStG Rz. 7. 17 Zur entsprechenden Anwendung Güroff in Glanegger/Güroff10, § 7a GewstG Rz. 8.

248

Sonderregelung bei Organgesellschaft | Rz. 17 § 7a GewStG

§ 9 Nr. 2a, 7 und 8 GewStG befinden sich entsprechende Regelungen bereits in § 9 Nr. 2a Satz 3, Nr. 7 Satz 2 und § 9 Nr. 8 Satz 2 GewStG.

III. Anwendung beim DBA-Schachtelprivileg (Abs. 3) Nach § 15 Satz 2 KStG ist § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG entsprechend anzuwenden, wenn sich bei den von der Organschaft vereinnahmten Dividenden eine Freistellung dem Grunde nach nicht nach § 8b KStG, sondern nach den Vorgaben eines DBA ergeben würde. § 7a Abs. 3 GewStG überträgt diese Grundsätze auf den Regelungsbereich des § 7a Abs. 1 und 2 GewStG.

15

IV. Berechnungsbeispiel Die Auswirkungen von § 7a Abs. 1 und 2 GewStG veranschaulicht das folgende Beispiel.18

16

Organgesellschaft bezieht Schachteldividenden i.S.d. § 9 Nr. 2a GewStG Kapitalgesellschaft als OT Schachteldividende

+ 100

+ 100

+ 100

0

./. 12

./. 160

= Gewinn § 7 GewStG

+ 100

+ 88

./. 60

= Gewerbeertrag der OG

+ 100

+ 88

./. 60

„§ 8b Abs. 1 KStG“

./. 100

./. 100

./. 100

„§ 8b Abs. 5 KStG“

+5

+5

+5

„9 Nr. 2a GewStG“

0

0

0

Aufwand hierzu (Zinsen)

§ 7a Abs. 2 GewStG:

„8 Nr. 1 GewStG“ = Zurechnungsbetrag der OG zum OT

0

+3

+ 40

+5

./. 4

./. 115

17

Personenunternehmen als OT Schachteldividende

+ 100

+ 100

+ 100

0

./. 12,0

./. 160

= Gewinn § 7 GewStG

+ 100

+ 88,0

./. 60

= Gewerbeertrag der OG

+ 100

+ 88

./. 60

./. 40

./. 40,0

./. 40

„§ 3c Abs. 2 EStG“

+0

+ 4,8

+ 64

„9 Nr. 2a GewStG“

./. 60

52,8

0

0

0

+9

+5

./. 4

./. 27

Aufwand hierzu (Zinsen)

§ 7a Abs. 2 GewStG: „§ 3 Nr. 40 EStG“

„8 Nr. 1 GewStG“ = Zurechnungsbetrag der OG zum OT

18 BT-Drucks. 18/9536, 60.

249

GewStG § 7a

250

§ 7b Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags bei unternehmensbezogener Sanierung (1) Die §§ 3a und 3c Absatz 4 des Einkommensteuergesetzes sind vorbehaltlich der nachfolgenden Absätze bei der Ermittlung des Gewerbeertrags entsprechend anzuwenden. (2) 1Der nach Anwendung des § 3a Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes verbleibende geminderte Sanierungsertrag im Sinne des § 3a Absatz 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes mindert nacheinander 1. den negativen Gewerbeertrag des Sanierungsjahrs des zu sanierenden Unternehmens, 2. Fehlbeträge im Sinne des § 10a Satz 3 und 3. im Sanierungsjahr ungeachtet des § 10a Satz 2 die nach § 10a Satz 6 zum Ende des vorangegangenen Erhebungszeitraums gesondert festgestellten Fehlbeträge; die in § 10a Satz 1 und 2 genannten Beträge werden der Minderung entsprechend aufgebraucht. 2 Ein nach Satz 1 verbleibender Sanierungsertrag mindert die Beträge nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 eines anderen Unternehmens, wenn dieses die erlassenen Schulden innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor dem Schuldenerlass auf das zu sanierende Unternehmen übertragen hat und soweit die entsprechenden Beträge zum Ablauf des Wirtschaftsjahrs der Übertragung bereits entstanden waren. 3Der verbleibende Sanierungsertrag nach Satz 2 ist zunächst um den Minderungsbetrag nach § 3a Absatz 3 Satz 2 Nummer 13 des Einkommensteuergesetzes zu kürzen. 4Bei der Minderung nach Satz 1 ist § 10a Satz 4 und 5 entsprechend anzuwenden. 5In Fällen des § 10a Satz 9 ist § 8 Absatz 9 Satz 9 des Körperschaftsteuergesetzes entsprechend anzuwenden. 6An den Feststellungen der vortragsfähigen Fehlbeträge nehmen nur die nach Anwendung der Sätze 1 und 2 verbleibenden Beträge teil. (3) 1In den Fällen des § 2 Absatz 2 Satz 2 ist § 15 Satz 1 Nummer 1a des Körperschaftsteuergesetzes entsprechend anzuwenden. 2Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. A. I. II. III. IV. B. I. 1. 2. 3. II. 1. 2.

Allgemeines Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften. . . Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Entsprechende Anwendung der §§ 3a, 3c Abs. 4 EStG (Abs. 1) Rechtsgrundverweis . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerfreiheit der Sanierungserträge als Rechtsfolge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abzugsverbot für Sanierungsaufwendungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderregelungen für den Verbrauch von gewerbesteuerrechtlichen Verlustpositionen (Abs. 2) Ausgangsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Minderung eigener Verlustpositionen (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 10 15 25

35 36 39

45

3. Minderung fremder Verlustpositionen (Abs. 2 Satz 2, 3) . . . . . . . . 4. Sonderregelung für Mitunternehmer (Abs. 2 Satz 4). . . . . . . . . . . . 5. Sonderregelung für die Gewerbeverluste der öffentlichen Hand (Abs. 2 Satz 5) . . . . . . . . . . . . . . . 6. Feststellung der vortragsfähigen Fehlbeträge (Abs. 2 Satz 6) . . . . . . III. Sonderregelung für die gewerbesteuerrechtliche Organschaft (Abs. 3) 1. Zurechnungsnorm . . . . . . . . . . . . 2. Verlustverbrauch beim Organträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verlustverbrauch beim ehemaligen Organträger . . . . . . . . . . . . . . . . .

52 57 60 65

70 71 74

47

251

GewStG § 7b Rz. 1 | Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags

A. Allgemeines I. Regelungszweck 1

§ 7b GewStG stellt steuerpflichtige Erträge aus einem Schuldenerlass (besonders Forderungsverzichte) im Rahmen der gewerbesteuerrechtlichen Gewinnermittlung zum Zwecke der unternehmensbezogenen Sanierung zugunsten aller gewerblichen Unternehmen gewerbesteuerfrei. Steuerfreie Sanierungsaufwendungen mindern nach Abzug von Sanierungsaufwendungen zugleich gewerbesteuerrechtliche Verlustpositionen des zu sanierenden, und ggf. sogar auch anderer Unternehmen im Rahmen der gewerbesteuerrechtlichen Verlustermittlung.

2

Es handelt sich um eine spezielle, gewerbesteuerrechtliche Steuerbefreiungsnorm, die einerseits auf die Grundnormen der Steuerbefreiung nach § 3a EStG verweist (und insoweit wegen § 7 Abs. 1 GewStG deklaratorisch ist), andererseits eigenständige, konstitutive Regelungen für einen Verbrauch spezifisch gewerbesteuerrechtlicher Verlustpositionen i.S.d. § 10a GewStG als „Kehrseite der Steuerfreiheit“1 vorgibt. Diese gesetzliche Gewerbesteuerfreiheit ist nicht antragsgebunden und ist ohne Ermessensspielraum seitens der Landesfinanzverwaltung zu gewähren. Zuständig ist nunmehr nicht mehr die einzelne Gemeinde, sondern das für die Festsetzung und den Erlass des Gewerbesteuermessbescheides maßgebende Finanzamt.2 Dies erleichtert das Besteuerungsverfahren.

3

Die Vorschrift überträgt zu diesem Zweck die Grundsätze der §§ 3a und 3c Abs. 4 EStG auf die Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags. Absatz 1 erklärt die Regelungen der §§ 3a und 3c Abs. 4 EStG für gewerbesteuerrechtliche Zwecke vorbehaltlich der nachfolgenden Absätze für entsprechend anwendbar. Ein Sanierungsertrag ist danach gewerbesteuerfrei und Sanierungsaufwendungen sind nicht gewerbesteuerrechtlich abziehbar. Nach Absatz 2 mindert sodann der steuerfreie Sanierungsertrag im Gegenzug bestehende Verlustpositionen (Gewerbeverluste und vorgetragene Fehlbeträge nach § 10a GewStG) abweichend von den Regelungen des § 3a Abs. 3 EStG. Absatz 3 erfasst den Sonderfall, dass der zu sanierende Gewerbebetrieb eine Organgesellschaft ist.

4

Die begrenzte, ggf. gleichhohe „Gegenrechnung“ mit umfangreichen Verlustpositionen, insb. Verlustvorträgen, gem. § 7b Abs. 2 und 3 GewStG ist ein Novum, begründet zunächst beim Steuerpflichtigen einen Verlustverbrauch, soll damit eine Doppelbegünstigung des zu sanierenden gewerblichen Unternehmens verhindern, führt aber zu einem aufwendigen „Verschiebebahnhof“. Sodann mindern die verbleibenden Sanierungserträge übergreifend (interpersonell) automatisch per Gesetz sogar auch Verlustpositionen anderer Unternehmen (nahestehende Personen, aktuelle oder ehemalige Organträger sowie fremde Dritte). In diesem Fall bestehen im „Kontakt“ mit zu sanierenden Unternehmen besondere gewerbesteuerrechtliche – versteckte – „Haftungsrisiken“, die der Gesetzgeber offenbar in Kauf nimmt und kaum präzisiert, wovon allerdings die Gemeinden als Steuerertragsberechtigte profitieren.

5

Mit der gesetzlichen Normierung der besonderen Steuerbefreiung der Sanierungsgewinne im Rahmen der Gewinnermittlung verfolgt der Gesetzgeber3 mehrere, gleichrangige Ziele: Zunächst löst sie den bestehenden Zielkonflikt4 zwischen dem Besteuerungsverfahren und 1 Desens in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7b GewStG Rz. 20; dort auch ausf. Literaturhinweise zu der Neuregelung. Insoweit hat die Regelung eine „Doppelfunktion“, Roser in Lenski/ Steinberg, § 7b GewStG Rz. 8. Zum Thema Gewerbesteuer und Insolvenz Schulze in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, GewStG, Anh. 2. 2 Zur aktuellen Verwaltungspraxis BayLfSt v. 17.1.2019 – G 1413.1.1-2/6 St32; zur Frage einer verbindlichen Auskunft Lampe/Breuer/Hotze, DStR 2018, 173. Zur Frage des Erlasses der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Gewerbesteuer gem. § 227 AO durch die Gemeinde nach altem Recht mit Blick auf die Rückwirkung des § 7b GewStG OVG Sa.-Anh. v. 19.11.2019 – 4 L 103/18, LKV 2020, 44. 3 BT-Drucks. 18/12128, 30f. zu § 3a EStG. 4 Zu Recht krit. Güroff in Glanegger/Güroff9 , GewStG, Anlage § 7b GewStG Vorbem.

252

Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags | Rz. 15 § 7b GewStG

dem Insolvenzverfahren zugunsten der Planungs- und Rechtssicherheit für Unternehmen in Sanierungsprozessen. Zudem trägt sie auch den wirtschaftlichen Interessen der Gläubiger am Fortbestand des zu sanierenden Unternehmens Rechnung. Eine Besteuerung des Sanierungsgewinns würde das Unternehmen in der Krisensituation nach erfolgtem Schuldenerlass erneut in finanzielle Schwierigkeiten bringen und die Wirkung des Schuldenerlasses konterkarieren. Als bereichsspezifische sowie in Voraussetzungen und Wirkungen eng begrenzte Ausnahme von § 7 GewStG steht die Regelung im Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 GG einer objektivierten, ertragsteuerrechtlichen Fiskalzwecknorm wesentlich näher als einer typischen „Steuersubvention“ (so der BFH) bzw. einer Sozialzweck- und Lenkungsnorm,5 die unter einem qualifizierten Gesetzesvorbehalt stünde. Das Sanierungsziel dient letztlich dem Besteuerungsziel. frei

6

7–9

II. Anwendungsbereich Die Regelung ist ausnahmslos auf alle Gewerbebetriebe (§ 2 GewStG) anwendbar, unabhängig von der Art der Gewinnermittlung. Sie gilt ausschließlich für Sanierungserträge i.S.d. §§ 3a, 3c EStG, die im Rahmen der §§ 7, 7b GewStG steuerfrei sind.6

10

Die zeitliche Geltung des § 7b GewStG (und der Verweisungsvorschriften) regelt § 36 Abs. 2c Sätze 1 bis 3 GewStG i.d.F. des Gesetzes7 vom 11.12.2018. Danach ist § 7b erstmals in den Fällen anzuwenden, in denen die Schulden ganz oder teilweise nach dem 8.2.2017 erlassen wurden. Dies gilt bei einem Schuldenerlass nach dem 8.2.2017 nicht, wenn dem Steuerpflichtigen auf Antrag Billigkeitsmaßnahmen der Kommunalbehörden aus Gründen des Vertrauensschutzes für einen Sanierungsertrag auf Grundlage von § 163 Abs. 1 Satz 2 und den §§ 222, 227 AO zu gewähren sind.

11

Auf Antrag des Steuerpflichtigen ist § 7b GewStG auch in den Fällen anzuwenden, in denen die Schulden vor dem 9.2.2017 erlassen wurden. Es handelt sich um ein eigenständiges gewerbesteuerrechtliches Antragsrecht für Altfälle. Voraussetzung ist, dass der Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag noch nicht bestandskräftig geworden ist.8 In diesem Fall kann der Steuerpflichtige allerdings eine Änderung des Messbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. AO beantragen.9

12

frei

13–14

III. Rechtsentwicklung In der Rechtsentwicklung sind Sanierungserträge bereits seit über 80 Jahren von der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit. Sanierungserträge waren gem. § 3 Nr. 66 EStG 1977 zunächst bis zu seiner Abschaffung10 im Jahre 1997 gesetzlich und ab 2003 im Wege einer Verwaltungsvorschrift des BMF11 (sog. Sanierungserlass) unter den 5 Ähnlich Drüen in Brandis/Heuermann, § 7b GewStG Rz. 3 m.w.N. (str.). 6 Zur Anwendung der §§ 3a, 3c EStG OFD Karlsruhe v. 20.5.2021 – S 2140/64-St 116; FinMin. Thür. v. 5.2.2021 – S 2140-10-21.20. 7 Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weitere steuerlicher Vorschriften v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2238. 8 BVerwG v. 5.3.2021 – 9 B 8/20, juris. 9 Hasbach, DB 2019, 871. 10 Durch Steuerreformgesetz 1999, Gesetz v. 29.10.1997, BGBl. I 1997, 2590 mit überzeugender Begründung BT-Drucks. 13/7480, 192 („systemwidrig“). Zur neueren Entwicklung Uhländer, DB 2018, 2788. 11 BMF v. 27.3.2003 – IV A 6-S2140-8/03, BStBl. I 2003, 240, ergänzt durch BMF v. 22.12.2009 – 2009 IV C 6-S2140/07/10001-01, BStBl. I 2010, 18.

253

15

GewStG § 7b Rz. 16 | Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags generalisierten Voraussetzungen der §§ 163, 222 oder 227 AO steuerbefreit und zwar auch – was umstritten war – hinsichtlich der kommunalen Gewerbesteuer. 16

Nach Auffassung des Großen Senats des BFH12 verstößt die Praxis des BMF hiermit gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Weitere Entscheidungen des BFH13 haben diese Rechtsprechung auch für sog. Altfälle bestätigt und ausgebaut. Die Finanzverwaltung14 hat aus Gründen des Vertrauensschutzes mit einem Nichtanwendungserlass reagiert. Eine Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung angenommen worden.15

17

Der Gesetzgeber hat dann am 27.6.201716 mit §§ 3a, 3c EStG sowie in §§ 8, 8c, 15 KStG und mit § 7b GewStG gesetzliche Grundlagen für alle Ertragsteuerarten geschaffen, die sich an der bisherigen Rechtsprechung und Verwaltungspraxis orientieren. Das Inkrafttreten der Regelungen stand unter dem Vorbehalt, dass die Europäische Kommission durch Beschluss feststellt, dass sie entweder keine staatlichen Beihilfen i.S.d. Art. 107 AEUV oder mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfen darstellen. Diese vorübergehende Rechtslage hat zu einer misslichen Rechtsquellen-Gemengelage geführt.

18

Die Generaldirektion Wettbewerb der Kommission hat die Regelung geprüft und anstelle eines Beschlusses in einem nicht veröffentlichten, informellen sog. Comfort Letter vom 20.7.2018 mitgeteilt, dass sie mit Blick auf die bisherige einkommen-, körperschaft- und gewerbesteuerrechtliche Behandlung von Sanierungserträgen in der Anwendungspraxis zu dem Ergebnis gekommen ist, dass für die Steuerbefreiung von Sanierungserträgen unbeschadet bestimmter formaler und administrativer Änderungen bei der steuerrechtlichen Behandlung von Sanierungserträgen unter dem Gesichtspunkt der bestehenden Maßnahme keine beihilferechtliche Notifizierungspflicht gem. Art. 108 AEUV besteht (wohl „Altbeihilfe“).17

19

Da ein (förmlicher) Beschluss der EU-Kommission fehlt, hat das Gesetz18 vom 11.12.2018 die Sanierungsklauseln nunmehr rückwirkend mit Wirkung vom 5.7.2017 in Kraft gesetzt und damit mittelbar zugleich ihre Anwendung nach dem 8.2.2017 angeordnet. Zur Klarstellung hat dasselbe Gesetz die Anwendungsregelungen in § 36 Abs. 2c GewStG um den Satz erweitert, wonach § 3a EStG bzw. § 7b GewStG auf Antrag des Steuerpflichtigen auf Schuldenerlasse vor dem 9.2.2017 („Altfälle“) anwendbar sind.

20–24

frei

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 25

Materiell handelt es sich bei § 7b GewStG zwar um eine Steuerbefreiung; wegen ihrer Besonderheiten, namentlich der Gegenrechnung von Verlustposten, ist sie bei und nach § 7 GewStG besser verortet als in der Nähe von § 3 GewStG.

26

Rechtstechnisch verschachtelt § 7b GewStG die verschiedenen Regelungen und die Rechensystematik der Verlustverrechnung des GewStG, EStG und KStG geradezu im Übermaß, um die (Gewerbe-)Steuerbefreiung auf das „erforderliche Mindestmaß“19 zu begren12 BFH v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BStBl. II 2017, 393, veröffentlicht am 8.2.2017, dort auch zur historischen Entwicklung; zur Genese der neuen Regelung Korn, DStR 2019, 23. 13 BFH v. 16.4.2018 – X B 13/18, GmbHR 2018, 760; v. 8.5.2018 – VII B 124/17, GmbHR 2018, 862; v. 23.8.2017 – I R 52/14, BStBl. II 2018, 232 – Verfassungsbeschwerde 2 BvR 2637/17; v. 23.8.2017 – X R 38/15, BFH/NV 2017, 1669. 14 BMF v. 27.4.2017, BStBl. I 2017, 741 und ergänzend v. 29.3.2018, BStBl. I 2018, 588. 15 BVerfG v. 17.7.2019 – 2 BvR 2637/17, juris. 16 Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen v. 27.6.2017, BGBl. I 2017, 2074. 17 BT-Drucks. 19/5595, 85. Näher Völkel, DB 2018, 2080, der zu Recht darauf hinweist, dass weitere Verfahren (auch von Wettbewerbern), hiermit nicht ausgeschlossen sind. 18 Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weitere steuerlicher Vorschriften v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2238. 19 BT-Drucks. 18/12128, 31.

254

Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags | Rz. 35 § 7b GewStG

zen und einen Gleichklang der Steuerbefreiungen in den drei Steuergesetzen im Wesentlichen zu gewährleisten. Dies führt wegen der Wechselwirkung von Gewinnermittlung und Verlustverrechnung zu einer „interdependenten Konzeption“20. Grundnorm ist auch für die Körperschaftsteuer § 3a (mit Annex in § 3c Abs. 4) EStG, der die Ermittlung des Sanierungsertrags für alle Unternehmen regelt. Diese Steuerbefreiung gilt als Gewinnermittlungsnorm gem. § 7 Satz 1 GewStG bzw. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG „automatisch“ für diese Steuerarten. Die §§ 7b, 10a GewStG sowie § 8 Abs. 8 Satz 6, Abs. 9 Satz 9, § 8c Abs. 2, § 8d Abs. 1 Satz 9, § 15 Nr. 1, 1a KStG sind modifizierende Verweisungsnormen der jeweiligen Gewinnermittlung. Sie berücksichtigen die Besonderheiten der Steuerarten hinsichtlich der Verlustverrechnung und sichern die Gleichbehandlung der Sanierungserträge in den drei Steuerarten.

27

Da §§ 3a, 3c Abs. 4 EStG bereits im Rahmen der Gewinnermittlung gem. § 7 Satz 1 GewStG zu beachten sind, ist § 7b Abs. 1 GewStG insoweit deklaratorisch ist, aber klarstellend. Umgekehrt muss ein negativer Gewerbeertrag (Gewerbeverlust) im Rahmen des § 7 Satz 1 GewStG nach § 7b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GewStG unberücksichtigt bleiben, soweit ein entsprechender Sanierungsertrag nach § 7b Abs. 1 GewStG steuerfrei ist.

28

Im Verhältnis zu § 10a GewStG gilt: Ist das zu sanierende Unternehmen eine Organschaft, so mindert ein steuerfreier Sanierungsertrag auch vororganschaftliche Fehlbeträge (§ 7b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 10a Satz 3 GewStG). Ist das zu sanierende Unternehmen eine (andere) Körperschaft, so sind die Verlustverrechnungsregelungen der §§ 8c, 8d KStG über § 10a Satz 10 GewStG zunächst vorrangig zu § 3a EStG und § 7b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GewStG anzuwenden. Dies folgt aus § 8c Abs. 2 und § 8d Abs. 1 Satz 9 KStG.21

29

§ 7b Abs. 1 GewStG ordnet die entsprechende Anwendung der Voraussetzungen und Rechtsfolgen der §§ 3a, 3c Abs. 4 EStG auf die Ermittlung des maßgebenden Gewerbebetrags an, vorbehaltlich der vorrangigen Sonderregelungen in § 7b Abs. 2, 3 GewStG. Ist das zu sanierende Unternehmen eine Organgesellschaft (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG), auf das § 7b GewStG anzuwenden ist, so mindert der gewerbesteuerrechtlichen Sanierungsertrag auch Gewerbeverluste und Fehlbeträge des Organträgers (§ 7b Abs. 3 GewStG iVm. § 15 Abs. 1a KStG).

30

frei

31–34

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Entsprechende Anwendung der §§ 3a, 3c Abs. 4 EStG (Abs. 1) 1. Rechtsgrundverweis Absatz 1 erklärt die Regelungen der §§ 3a und 3c Absatz 4 EStG für gewerbesteuerrechtliche Zwecke grundsätzlich für anwendbar. Dies ist insoweit deklaratorisch, als diese einkommensteuerrechtlichen Regelungen Gewinnermittlungsvorschriften sind, die sich bereits im Rahmen der Gewinnermittlung i.S.d. § 7 Satz 1 GewStG auswirken können. Dies betrifft grundsätzlich die Regelungen in § 3a Abs. 1, 2 und 5 Satz 1 EStG. Wegen des Vorbehalts in § 7b Abs. 1 GewStG werden die Regelungen des § 3a Abs. 3, 5 Satz 2 EStG durch die speziellen Verlustregelungen in § 7b Abs. 2 GewStG verdrängt.22 Zu den Einzelheiten vgl. die Kommentierungen zu § 3a, § 3c EStG.

20 Roser in Lenski/Steinberg, § 7b GewStG Rz. 3, 16. 21 BT-Drucks. 18/12128, 34. 22 Die Verrechnungen nach § 3a Abs. 3 EStG wirken sich mit wenigen Ausnahmen nicht auf den Gewerbeertrag aus, Güroff in Glanegger/Güroff10, § 7b GewStG Rz. 12c. Zu den Einzelheiten des § 3a Förster/Hechtner, DB 2017,1536; Desens, FR 2017, 981.

255

35

GewStG § 7b Rz. 36 | Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags 2. Steuerfreiheit der Sanierungserträge als Rechtsfolge 36

Gewerbesteuerfrei sind nach § 3a Abs. 1 i.V.m. § 7b Abs. 1 GewStG Betriebsvermögensmehrungen (§ 4 Abs. 1, 5 EStG) oder Betriebseinnahmen (§ 4 Abs. 3 EStG) aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung (Sanierungsertrag).

37

Ein begünstigter (betrieblich begründeter) Schuldenerlass kann u.a. beruhen auf: einem vertraglichen Forderungsverzicht (Erlassvertrag nach § 397 Abs. 1 BGB), einem negativen Schuldanerkenntnis (§ 397 Abs. 2 BGB) oder auf Forderungsverzichten im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens (§§ 217 ff. InsO), das nicht auf die Zerschlagung des Unternehmens ausgerichtet ist.23 Steuerfrei sind auch die in § 3a Abs. 5 Satz 1 EStG genannten Formen eines (unternehmerbezogenen) Schuldenerlasses.

38

Eine unternehmensbezogene Sanierung liegt nach § 3a Abs. 2 EStG vor, wenn der Steuerpflichtige für den Zeitpunkt des Schuldenerlasses die Sanierungsbedürftigkeit und die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, die Sanierungseignung des betrieblich begründeten Schuldenerlasses und die Sanierungsabsicht der Gläubiger nachweist (z.B. durch einen Sanierungsplan). Diese vom Steuerpflichtigen nachzuweisenden24 kumulativen Tatbestandsmerkmale rekurrieren auf die bisherige Praxis der Gerichte25 und Verwaltung26 und sind von Amts wegen zu prüfen. 3. Abzugsverbot für Sanierungsaufwendungen

39

Sanierungsaufwendungen dürfen nach § 3c Abs. 4 Satz 1 EStG, der bereits im Rahmen des § 7 Satz 1 GewStG anzuwenden ist, nicht abgezogen werden, unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum der Sanierungsertrag entsteht. Sie mindern aber den steuerfreien Sanierungsertrag gem. § 3a Abs. 3 Satz 1 EStG. Zu den Sanierungsaufwendungen zählen alle Aufwendungen, die unmittelbar der Erlangung von Sanierungsbeiträgen der Gläubiger dienen, z.B. Kosten für den Sanierungsplan und die Sanierungsberatung27 sowie nach § 3c Abs. 4 Satz 3 EStG auch Aufwendungen in Zusammenhang mit einem Besserungsschein.

40

Gewerbesteuerrechtliche Besonderheiten gelten für vorweggenommene Sanierungsaufwendungen § 3c Abs. 4 Satz 2 EStG und für nachträgliche Sanierungsaufwendungen gem. § 3c Abs. 4 Satz 4 EStG.28

41–44

frei

II. Sonderregelungen für den Verbrauch von gewerbesteuerrechtlichen Verlustpositionen (Abs. 2) 1. Ausgangsgrößen 45

§ 7b Abs. 2 GewStG enthält eine gegenüber § 3a Abs. 3 EStG vorrangige und spezielle Regelung, die bestehende gewerbesteuerrechtliche Verlustpotentiale – als Kehrseite der Steuerfreiheit der Sanierungserträge – entsprechend mindern und verbrauchen soll. Absatz 2 knüpft an den geminderten Sanierungsertrag i.S.d. § 3a Abs. 3 Satz 1 EStG an, berücksichtigt aber nicht die einkommensteuerspezifischen Minderungen. Um eine Gleich23 BT-Drucks. 18/12128, 31. Weitere Anwendungsfälle bei Desens in Wendt/Suchanek/Möllmann/ Heinemann2, § 7b GewStG Rz. 13. 24 Insoweit ist eher missverständlich von einem faktischen Wahlrecht des Steuerpflichtigen die Rede. 25 Zusammenfassend BFH v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BStBl. II 2017, 393. 26 BMF v. 27.3.2003 – IV A 6-S2140-8/03, BStBl. I 2003, 240, ergänzt durch das BMF-Schreiben v. 22.12.2009 – IV C 6-S2140/07/10001-01, BStBl. I 2010, 18, sog. Sanierungserlass. 27 BT-Drucks. 18/12128, 33. 28 Näher Desens in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7b GewStG Rz. 15 ff.; zur Frage eines Sanierungsverlustes Roser in Lenski/Steinberg, § 7b GewStG Rz. 23.

256

Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags | Rz. 52 § 7b GewStG

behandlung zum EStG oder KStG zu gewährleisten, ist dieser Betrag zunächst um den Betrag nach § 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG (abziehbarer Aufwand i.S.d. § 4f EStG) zu kürzen. Der maximale positive Sanierungsertrag (Obergrenze), der gewerbesteuerrechtliche Verlustpositionen mindern kann, ergibt sich wie folgt:

46

steuerfreier („Brutto“-) Sanierungsertrag (§ 7b Abs. 1 GewStG iVm. § 3a Abs. 1, 2, 5 Satz 1 EStG) ./. nichtabziehbare Sanierungsaufwendungen (§ 7b Abs. 1 GewStG iVm. § 3c Abs. 4 EStG) = geminderter Sanierungsertrag i.S.d. § 3a Abs. 3 Satz 1 EStG ./. Minderungen nach § 7b Abs. 2 Satz 1 GewStG iVm. § 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 4f EStG = =

verbleibender geminderter (steuerfreier) Sanierungsertrag (§ 7b Abs. 2 Satz 1 GewStG) Obergrenze des Verlustverbrauchs.

2. Minderung eigener Verlustpositionen (Abs. 2 Satz 1) Der sog. verbleibende geminderte Sanierungsertrag mindert und verbraucht soweit möglich gewerbesteuerspezifische „Verlustbeträge“ des eigenen Unternehmens. Die Arten der gewerblichen Verlustbeträge sind in Nr. 1 bis 3 des § 7b Abs. 2 Satz 1 GewStG abschließend und in der dortigen Reihenfolge vorgeben. Betroffen sind (laufende) Gewerbeverluste und sog. Fehlbeträge im Rahmen der interperiodischen Verlustverrechnung gem. § 10a GewStG. Aus § 7b Abs. 2 Satz 2 GewStG folgt, dass es sich hier (Satz 1) um eigene Verlustpositionen des zu sanierenden Unternehmens handelt.

47

Verlustverbrauch beim eigenen, zu sanierenden Unternehmen nach § 7b Abs. 1 Satz 1 GewStG: verbleibender geminderter Sanierungsertrag ./. negativer Gewerbeertrag des Sanierungsjahrs des zu sanierenden Unternehmens ./. Fehlbeträge i.S.d. § 10a Satz 3 GewStG ./. Fehlbeträge i.S.d. § 10a Satz 6 GewStG.

48

Zunächst ist ein etwaiger laufender negativer gewerbesteuerrechtlicher Gewerbeertrag (Gewerbeverlust) im Sanierungsjahr (§ 7b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GewStG) anzusetzen und zu mindern.

49

Besteht ggf. eine Organschaft und ist das zu sanierende Unternehmen eine Organgesellschaft, so sind etwaige vororganschaftliche Fehlbeträge der Organgesellschaft zu mindern (§ 7b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GewStG). Dies entspricht § 15 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 KStG.

50

Abschließend werden ggf. gesondert festgestellte gewerbesteuerrechtliche Fehlbeträge i.S.d. § 10a Satz 6 GewStG aufgebraucht (§ 7b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GewStG). Die sog. Mindestgewinnbesteuerung nach § 10a Satz 2 i.V.m. Satz 1 GewStG ist hierbei, ebenso wie in § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 10 EStG, nicht zu berücksichtigen.29

51

3. Minderung fremder Verlustpositionen (Abs. 2 Satz 2, 3) Nach Satz 2, 3 mindert ein unverbrauchter Sanierungsertrag eines (eigenen) Unternehmens sogar die gewerbesteuerspezifischen Verlustpositionen auch eines anderen Unternehmens (Zurechnungsnorm). Während § 7b Abs. 2 Satz 1 GewStG den Verlustverbrauch beim zu sanierenden Unternehmen (Steuerpflichtigen) und auf Kosten dessen eigener Sanierungserträge anordnet, gebietet § 7b Abs. 2 Satz 2, 3 GewStG den Verlustverbrauch auch bei einem „anderen“, per se nicht sanierungsbedürftigen, fremden Unternehmen. Eine ver29 So BT-Drucks. 18/12128, 36; ebenso Güroff in Glanegger/Güroff10, § 7b GewStG Rz. 17; Desens in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7b GewStG Rz. 20 zur Korrektur des missglückten Wortlauts „ungeachtet des § 10a Satz 2“; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 7b GewStG Rz. 33; Roser in Lenski/Steinberg, § 7b GewStG Rz. 29 mit einem Beispiel.

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52

GewStG § 7b Rz. 53 | Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags gleichbare, aber nicht identische Form des rechtfertigungsbedürftigen „interpersonellen Verlustuntergangs“ regeln auch die Grundnorm des § 3a Abs. 3 Satz 3 EStG sowie § 7 Abs. 3 i.V.m. § 15 Abs. 1a Satz 3 KStG. Hiermit soll Gestaltungen (z.B. §§ 20 ff. UmwStG) vorgebeugt werden.30 53

Kumulative Voraussetzungen für diesen übergreifenden Verlustverbrauch sind: – ein Schuldenerlass beim eigenen Unternehmen, – nach den Minderungsschritten des § 7 Abs. 2 Satz 1 GewStG verbleibt noch ein nicht durch Verlustpositionen des eigenen Unternehmens aufgezehrter Sanierungsertrag, – das andere Unternehmen hat die Schulden auf das zu sanierende Unternehmen übertragen, – die Übertragung erfolgte innerhalb der letzten fünf Zeitjahre vor dem Schuldenerlass, – übertragene und erlassene Schulden müssen zumindest wirtschaftlich identisch sein, – die Verlustpositionen waren beim anderen Unternehmen bereits zum Ende des Wirtschaftsjahres entstanden.

54

Zentrale und insoweit „schädliche“ Voraussetzung ist danach eine Schuldenübertragung.31 Zu den Schulden gehören auch Verbindlichkeiten, die im Rahmen einer Umschuldung wirtschaftlich an die Stelle der übertragenen Verbindlichkeiten treten. Die Übertragung des Betriebsvermögens kann beispielsweise im Rahmen von Vorgängen nach dem Umwandlungsgesetz, durch Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG oder durch eine verdeckte Einlage erfolgen. Eine Buchwertfortführung ist für die Anwendung des § 3a Abs. 3 Satz 3 EStG nicht erforderlich.32

55

Die Minderung tritt dann auch beim anderen Unternehmen in dem Zeitpunkt ein, zu dem der Sanierungsertrag entsteht.33 Das „andere Unternehmen“ muss keine, wie in § 3a Abs. 3 Satz 3 EStG gefordert, nahestehende Person sein; insoweit ist § 7b Abs. 2 Satz 2 GewStG eine vorrangige Sonderregelung,34 die möglicherweise kommunalfinanzpolitisch motiviert war. Der Gesetzgeber35 hat lediglich die entsprechende, aber personell engere Grundnorm damit gerechtfertigt, dass sie missbräuchliche Steuergestaltungen zur Sicherung von Verlustpotential (z.B. nach §§ 20 ff. UmwStG) verhindern soll. Die insoweit personell überschießende Tendenz des § 7b Abs. 2 Satz 2 GewStG, der das Prinzip der Individualbesteuerung durchbricht, wird verfassungsrechtlich (Art. 3 Abs. 1 GG) in Frage gestellt.36 Selbst wenn man die Regelung als Missbrauchsbekämpfungsvorschrift interpretiert, bleiben Grund und Grenze der Zurechnungsnorm zu vage.

56

Die Rechtsfolge und Durchführung der Minderung regelt – entsprechend § 3a Abs. 3 Satz 3 EStG – § 7b Abs. 2 Satz 337 GewStG („zunächst“)38 i.V.m. § 3a Abs. 2 Nr. 13 EStG, in einer bestimmten Kürzungsreihenfolge, im Rahmen der Obergrenze der Sanierungserträge des eigenen Unternehmens.

30 31 32 33 34 35 36

37 38

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Zu Beispielen Suchanek/Schaaf/Hannweber, WPg 2017, 912. Typisch bei „Umwandlungsfällen“, BT-Drucks. 18/12128, 36. BT-Drucks. 18/12128, 32 zu § 3a EStG. Desens in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7b GewStG Rz. 22; a.A. Suchanek/Schaaf/ Hannweber, WPg 2017, 911. Desens in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7b GewStG Rz. 22; a.A. Suchanek/Schaaf/ Hannweber, WPg 2017, 909. BT-Drucks. 18/12128, 32. Krit. Desens, FR 2017, 990 (mit Beispiel); Desens in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7b GewStG Rz. 22 m.w.N.; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 7b GewStG Rz. 36; legitim nach Drüen in Brandis/Heuermann, § 7b GewStG Rz. 24; zu einer einengenden Auslegung Roser in Lenski/Steinberg, § 7b GewStG Rz. 31. Zu Unschärfe und Korrektur des Wortlauts Güroff in Glanegger/Güroff10, GewStG, § 7b GewStG Rz. 18a; Desens in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7b GewStG Rz. 21. Im Sinne einer Gleichbehandlung zum EStG oder KStG, BT-Drucks. 18/12128, 36.

Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags | Rz. 62 § 7b GewStG

Verlustverbrauch beim anderen Unternehmen nach (§ 7b Abs. 2 Satz 2 GewStG): Unverbrauchter, verbleibender Sanierungsertrag nach § 7b Abs. 1 Satz 1 GewStG beim eigenen, zu sanierenden Unternehmen ./. Zinsvortrag nach § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG ./. EBITDA-Vortrag nach § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG ./. negativer Gewerbeertrag des anderen Unternehmens ./. Fehlbeträge i.S.d. § 10a Satz 3 GewStG des anderen Unternehmens ./. Fehlbeträge i.S.d. § 10a Satz 6 GewStG des anderen Unternehmens. 4. Sonderregelung für Mitunternehmer (Abs. 2 Satz 4) § 7b Abs. 2 Satz 4 GewStG regelt die Folgen der Minderung des sog. verbleibenden geminderten Sanierungsertrags (§ 7b Abs. 1 Satz 1 GewStG) im Fall der Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs.1 Nr. 2 EStG). Diese ist zwar gewerbesteuerpflichtiger Steuerschuldner (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Die Mitunternehmer sind aber Träger des Rechts auf Verlustverrechnung und Verlustabzug.39 Dementsprechend sind Verlustzurechnung und Verlustabzug auch hier zu regeln.

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Für die Zurechnung der nach der Minderung nach § 7b Abs. 2 Satz 1 verbleibenden „Verlustbeträge“ in Fällen einer Mitunternehmerschaft sind (nur) die nach § 10a Satz 4 und 5 GewStG sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel entsprechend maßgebend (§ 7b Abs. 2 Satz 4 GewStG). Die Minderung ist mithin mitunternehmerbezogen, ihre Ergebnisse ergeben in der Summe den Gewerbeertrag des Unternehmens.

58

frei

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5. Sonderregelung für die Gewerbeverluste der öffentlichen Hand (Abs. 2 Satz 5) Die Regelungen der Steuerbefreiung für Sanierungserträge (§§ 3a, 3c Abs. 4 EStG) gelten aus Gründen der praktischen Gleichbehandlung grundsätzlich auch für Unternehmen der öffentlichen Hand und ihre Sanierung (mitunter durch die öffentliche Hand selbst). Diese öffentlichen Unternehmen betreiben namentlich die Kommunen. Dies betrifft Betriebe gewerblicher Art (BgA), KapGes, insb. Eigengesellschaften, aber auch gemischte öffentliche Unternehmen sowie Personenhandelsgesellschaften. Hiervon gehen auch die Verweisungsregelungen der §§ 8 Abs. 8 Satz 6, 8 Abs. 9 Satz 9 KStG und § 7b Abs. 2 (Satz 1 und Satz 5 i.V.m. § 10a Satz 9) GewStG aus. Betriebe gewerblicher Art, die ein sog. Dauerverlustgeschäft ausüben, sind zwar körperschaftsteuerpflichtig (§ 8 Abs. 1 Satz 2, Abs. 7 KStG), aber mangels Gewinnerzielungsabsicht gem. § 2 GewStDV bereits nicht gewerbesteuerpflichtig. Die Steuerbefreiung gem. § 3a EStG führt zu einem weiteren versteckten negativen Finanzausgleich, hier zu Lasten der Gemeinden selbst als Ertragsberechtigte.

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§ 7b Abs. 2 Satz 5 GewStG regelt die Frage der Minderung der Fehlbeträge des § 10a GewStG für verlustträchtige, gewerbesteuerpflichtige Unternehmen der öffentlichen Hand. Nach § 10a Satz 9 GewStG gelten spartentechnische Einschränkungen der Verlustnutzung für (zusammengefasste) Betriebe gewerblicher Art (BgA, § 8 Abs. 8 KStG) und Eigengesellschaften (§ 8 Abs. 9 KStG) auch für Zwecke der Gewerbesteuer als Kehrseite der Anerkennung von Dauerverlusten. Wortlaut und Inhalt des Absatz 2 Satz 5 sind hinsichtlich des Ob und Wie der Minderung von Fehlbeträgen nicht eindeutig.

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Nach dem insoweit möglicherweise40 missglückten Wortlaut § 7b Abs. 2 Satz 5 GewStG ist nur § 8 Abs. 9 Satz 9 KStG in den Fällen des § 10a Satz 9 GewStG entsprechend anzuwen-

62

39 Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 167 m.w.N. 40 Nach Desens ist der Wortlaut der Regelung missglückt, Desens in Wendt/Suchanek/Möllmann/ Heinemann2, § 7b GewStG Rz. 24.

259

GewStG § 7b Rz. 63 | Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags den. Danach bezieht sich die Regelung allein auf Eigengesellschaften, die eine sog. Spartenrechnung anzuwenden haben, nicht aber auf zusammengefasste Betriebe gewerblicher Art i.S.d. § 8 Abs. 8 KStG. Dagegen sollen nach der abweichenden, knappen Gesetzesbegründung „die sich bei Betrieben gewerblicher Art der öffentlichen Hand und Eigengesellschafen aus den Änderungen in § 8 Abs. 8 und 9 KStG ergebenden Folgen, ... bei den Fehlbeträge nach § 10a entsprechend anzuwenden“41 sein. 63

Beim Wort genommen bedeutet dies für zusammengefasste BgA i.S.d. § 8 Abs. 8 KStG: Wird vor einer Sanierung eines zusammengefassten BgA dessen sanierungsrelevanter Betriebsteil im Wege der Zusammenfassung eines Verlust-BgA mit einem anderen BgA gebildet, geht der bisherige Verlustvortrag des Verlust-BgA nicht unter, sondern wird zunächst gem. § 8 Abs. 8 Sätze 2, 4 KStG festgeschrieben („eingefroren“).42 Ein möglicher gewerbesteuerfreier Sanierungsertrag mindert diesen „eingefrorenen Verlustvortrag“ nicht, da § 7 Abs. 2 Satz 5 GewStG nicht unmittelbar auf die entsprechende Anwendung des § 8 Abs. 8 KStG verweist.43

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Soweit § 7 Abs. 2 Satz 5 GewStG für die Minderung der Fehlbeträge auf die (entsprechende) Anwendung des § 8 Abs. 9 Satz 9 KStG verweist, bezieht sich die Regelung auf verlustträchtige Eigengesellschaften (KapGes) i.S.d. § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG, die nach § 8 Abs. 9 KStG eine spartenbezogene und damit eingeschränkte Verlustverrechnung vornehmen müssen. Nach § 8 Abs. 9 Satz 9 KStG sind zunächst – wie grundsätzlich im Rahmen des § 7b Abs. 1 GewStG – die §§ 3a, 3c Abs. 4 EStG entsprechend anzuwenden, wobei zusätzlich für die Frage der Sanierungsbedingungen des § 3a Abs. 2 EStG auf die Kapitalgesellschaft an sich, und nicht auf ihre Sparten abzustellen ist.44 Im Übrigen sind sodann offenbar alle Verlust-Sparten und Fehlbeträge i.S.d. § 10a GewStG auch für Zwecke der Gewerbesteuer um steuerfreie Sanierungserträge zu mindern.45 6. Feststellung der vortragsfähigen Fehlbeträge (Abs. 2 Satz 6)

65

§ 7b Abs. 2 Satz 6 GewStG entspricht § 3a Abs. 3 Satz 5 EStG und ergänzt klarstellend §10a Satz 6 GewStG. Danach ist die Höhe der vortragsfähigen Fehlbeträge i.S.d. § 10a GewStG gesondert festzustellen. Die mindernden Beträge i.S.d. des § 7 Abs. 1 Satz 1 GewStG bleiben hierbei endgültig außer Ansatz, d.h. sie sind verbraucht. Vielmehr nehmen an diesen Feststellungen nur die nach § 7 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GewStG „verbleibenden Beträge“ teil.46

66–69

frei

III. Sonderregelung für die gewerbesteuerrechtliche Organschaft (Abs. 3) 1. Zurechnungsnorm 70

§ 7b Abs. 3 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1a KStG regelt Art und Weise der Zurechnung von Verlustpositionen einer zu sanierenden Organgesellschaft auf die Steuerminderungspotentiale des bestehenden oder auch ehemaligen Organträgers.

41 42 43 44

BT-Drucks. 18/12128, 36. BT-Drucks. 18/12128, 34. Ebenso Roser in Lenski/Steinberg, § 7b GewStG Rz. 34. BT-Drucks. 18/12128, 34; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 7b GewStG Rz. 20; Bedenken bei Drüen in Brandis/Heuermann, § 7b GewStG Rz. 26; Roser in Lenski/Steinberg, § 7b GewStG Rz. 34. 45 BT-Drucks. 18/12128, 34. 46 BT-Drucks. 18/12128, 36.

260

Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags | Rz. 76 § 7b GewStG

2. Verlustverbrauch beim Organträger Ist das zu sanierende Unternehmen eine Organschaft (= Betriebsstätte, § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG), ist § 7b Abs. 1 und 2 GewStG zunächst auf den Sanierungsertrag der Organgesellschaft anzuwenden.47 Dies entspricht der Regelung des § 15 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 KStG.

71

Ein hiernach verbleibender geminderter Sanierungsertrag ist sodann nach § 7b Abs. 3 Satz 1 GewStG „entsprechend“ § 15 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 KStG beim Organträger mindernd zu verrechnen. Demnach durchläuft auch der Organträger die Minderungsschritte des § 7b Abs. 2 GewStG im Rahmen der Obergrenze des verbleibenden Sanierungsertrags der Organgesellschaft.

72

Hierbei ist nach § 7 Abs. 3 Satz 2 GewStG die Regelung des Absatz 2 Satz 3 entsprechend anzuwenden. Danach ist der verbleibende Sanierungsertrag zunächst um die Zins- oder EBIDA-Vorträge des Organträgers zu kürzen (§ 7b Abs. 3 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 GewStG i.V.m. § 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 13, § 4h EStG; vgl. auch § 15 Satz 1 Nr. 3 KStG). Diese Zurechnungen entsprechen der Gesamtbetrachtung des Organkreises.

73

3. Verlustverbrauch beim ehemaligen Organträger Der Verweis des § 7b Abs. 3 Satz 1 GewStG auch auf § 15 Satz 1 Nr. 1a Satz 3 KStG bedeutet zugleich, dass verbleibende Sanierungserträge der Organgesellschaft zeitlich nachlaufend auch die gewerbesteuerrechtlichen Steuerminderungspotentiale des ehemaligen Organträgers nach der Beendigung der Organschaft „infizieren“ und insoweit aufbrauchen können. Ausreichend ist bereits, dass das Einkommen der Organgesellschaft in einem innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Sanierungsjahr liegenden Veranlagungszeitraum dem Organträger zugerechnet worden ist.

74

Betroffene Fallgestaltungen sind: Kündigung des GAV, keine Durchführung des GAV, Wegfall der finanziellen Eingliederung.48

75

Die Regelung begründet ein „massives Fremdbestimmungsrisiko“.49 Zurechnungsgrund (typischer Missbrauchsfall?) sowie Zurechnungsbedingungen und -grenzen bleiben hier noch unbestimmter als im Rahmen des § 7b Abs. 2 Satz 2 GewStG.50 Insb. resultiert die überschießende Regelungstendenz dieser Vorschrift daraus, dass sie die Zurechnung weder von einer nahestehenden Person abhängig, noch eine Schuldenidentität oder eine (zusätzliche) höhenmäßige Begrenzung vorgibt. Vertragsrechtliche Vorkehrungen sind besonders für den Fall der Veräußerung von Beteiligungen an Organgesellschaften sinnvoll.51

76

47 BT-Drucks. 18/12128, 36; näher Weiss, StuB 2017, 581. 48 Güroff in Glanegger/Güroff10, GewStG, § 7b GewStG Rz. 22b. 49 Krumm in Brandis/Heuermann, § 15 KStG Rz. 16, der aber von einer noch zulässigen Typisierung ausgehen will. 50 Krit. Desens, FR 2017, 991; Desens in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 7b GewStG Rz. 26; Sistermann/Beutel, DStR 2017, 1068; ebenso Schnitter in Frotscher/Drüen, § 7b GewStG Rz. 11 m.w.N.; Roser in Lenski/Steinberg, § 7b GewStG Rz. 37. 51 Weiss, StuB 2017, 58.

261

GewStG § 7b

262

§ 8 Hinzurechnungen Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7) werden folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind: 1. Ein Viertel der Summe aus a) 1Entgelten für Schulden. 2Als Entgelt gelten auch der Aufwand aus nicht dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr entsprechenden gewährten Skonti oder wirtschaftlich vergleichbaren Vorteilen im Zusammenhang mit der Erfüllung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen vor Fälligkeit sowie die Diskontbeträge bei der Veräußerung von Wechsel- und anderen Geldforderungen. 3 Soweit Gegenstand der Veräußerung eine Forderung aus einem schwebenden Vertragsverhältnis ist, gilt die Differenz zwischen dem Wert der Forderung aus dem schwebenden Vertragsverhältnis, wie ihn die Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Veräußerung zugrunde gelegt haben, und dem vereinbarten Veräußerungserlös als bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt, b) 1Renten und dauernden Lasten. 2Pensionszahlungen auf Grund einer unmittelbar vom Arbeitgeber erteilten Versorgungszusage gelten nicht als dauernde Last im Sinne des Satzes 1, c) Gewinnanteilen des stillen Gesellschafters, d) einem Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen. 2Eine Hinzurechnung nach Satz 1 ist nur zur Hälfte vorzunehmen bei aa) Fahrzeugen mit Antrieb ausschließlich durch Elektromotoren, die ganz oder überwiegend aus mechanischen oder elektrochemischen Energiespeichern oder aus emissionsfrei betriebenen Energiewandlern gespeist werden (Elektrofahrzeuge), bb) extern aufladbaren Hybridelektrofahrzeugen, für die sich aus der Übereinstimmungsbescheinigung nach Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG oder aus der Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel 38 der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 ergibt, dass das Fahrzeug eine Kohlendioxidemission von höchstens 50 Gramm je gefahrenen Kilometer hat oder die Reichweite des Fahrzeugs unter ausschließlicher Nutzung der elektrischen Antriebsmaschine mindestens 80 Kilometer beträgt, und cc) Fahrrädern, die keine Kraftfahrzeuge sind. e) der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, und f) 1einem Viertel der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten (insbesondere Konzessionen und Lizenzen, mit Ausnahme von Lizenzen, die ausschließlich dazu berechtigen, daraus abgeleitete Rechte Dritten zu überlassen). 2Eine Hinzurechnung nach Satz 1 ist nicht vorzunehmen auf Aufwendungen, die nach § 25 des Künstlersozialversicherungsgesetzes Bemessungsgrundlage für die Künstlersozialabgabe sind, soweit die Summe den Betrag von 200 000 Euro übersteigt; 2. (weggefallen) 3. (weggefallen) 4. die Gewinnanteile, die an persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien auf ihre nicht auf das Grundkapital gemachten Einlagen oder als Vergütung (Tantieme) für die Geschäftsführung verteilt worden sind; 5. die nach § 3 Nr. 40 des Einkommensteuergesetzes oder § 8b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) und die 263

GewStG § 8 | Hinzurechnungen diesen gleichgestellten Bezüge und erhalten Leistungen aus Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes, soweit sie nicht die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a oder 7 erfüllen, nach Abzug der mit diesen Einnahmen, Bezügen und erhaltenen Leistungen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben, soweit sie nach § 3c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes und § 8b Abs. 5 und 10 des Körperschaftsteuergesetzes unberücksichtigt bleiben. 2Dies gilt nicht für Gewinnausschüttungen, die unter § 3 Nr. 41 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes fallen; 6. (weggefallen) 7. (weggefallen) 8. die Anteile am Verlust einer in- oder ausländischen offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebs anzusehen sind. 2 Satz 1 ist bei Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen nicht anzuwenden; für Pensionsfonds gilt Entsprechendes; 9. die Ausgaben im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes; 10. Gewinnminderungen, die a) durch Ansatz des niedrigeren Teilwerts des Anteils an einer Körperschaft oder b) durch Veräußerung oder Entnahme des Anteils an einer Körperschaft oder bei Auflösung oder Herabsetzung des Kapitals der Körperschaft entstanden sind, soweit der Ansatz des niedrigeren Teilwerts oder die sonstige Gewinnminderung auf Gewinnausschüttungen der Körperschaft, um die der Gewerbeertrag nach § 9 Nr. 2a, 7 oder 8 zu kürzen ist, oder organschaftliche Gewinnabführungen der Körperschaft zurückzuführen ist; 11. (weggefallen) 12. ausländische Steuern, die nach § 34c des Einkommensteuergesetzes oder nach einer Bestimmung, die § 34c des Einkommensteuergesetzes für entsprechend anwendbar erklärt, bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden, soweit sie auf Gewinne oder Gewinnanteile entfallen, die bei der Ermittlung des Gewerbeertrags außer Ansatz gelassen oder nach § 9 gekürzt werden. § 16 GewStDV Gewerbeertrag bei Abwicklung und Insolvenz (abgedruckt bei § 7 GewStG) § 19 GewStDV Schulden bestimmter Unternehmen (1) Bei Kreditinstituten im Sinne des § 1 Abs. 1 des Kreditwesengesetzes sind Entgelte für Schulden und den Entgelten gleichgestellte Beträge anzusetzen, die dem Betrag der Schulden entsprechen, um den der Ansatz der zum Anlagevermögen gehörenden Grundstücke, Gebäude, Betriebs- und Geschäftsausstattung, Schiffe, Anteile an Kreditinstituten und sonstigen Unternehmen sowie der Forderungen aus Vermögenseinlagen als stiller Gesellschafter und aus Genussrechten das Eigenkapital überschreitet; hierunter fallen nicht Gegenstände, über die Leasingverträge abgeschlossen worden sind Dem Anlagevermögen nach Satz 1 sind Forderungen gegen ein Unternehmen hinzuzurechnen, mit dem eine organschaftliche Verbindung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes besteht und das nicht zu den Kreditinstituten oder Unternehmen gehört, auf die Satz 1 und die Absätze 2 bis 4 anzuwenden sind. (2) Voraussetzung für die Anwendung des Absatzes 1 ist, dass im Durchschnitt aller Monatsausweise des Wirtschaftsjahrs des Kreditinstituts nach § 25 des Kreditwesengesetzes oder entsprechender Statistiken die Aktivposten aus Bankgeschäften und dem Erwerb von Geldforderungen die Aktivposten aus anderen Geschäften überwiegen. In den Vergleich sind Aktivposten aus Anlagen nach Absatz 1 nicht einzubeziehen. (3) Die vorstehenden Bestimmungen gelten entsprechend 1. für Pfandleiher im Sinne der Pfandleihverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Juni 1976 (BGBl. I S. 1334) in der jeweils geltenden Fassung; 2. für Gewerbebetriebe, die nachweislich ausschließlich unmittelbar oder mittelbar Kredite oder Kreditrisiken aus Bankgeschäften im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 3 und 8 des Kreditwesen-

264

Hinzurechnungen | § 8 GewStG gesetzes in der Fassung des Artikels 27 des Gesetzes vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2794) von Kreditinstituten im Sinne des § 1 des Kreditwesengesetzes oder von in § 3 Nr. 2 des Gesetzes genannten Gewerbebetrieben erwerben und Schuldtitel zur Refinanzierung des Kaufpreises für den Erwerb solcher Kredite oder zur Refinanzierung von für die Risikoübernahmen zu stellenden Sicherheiten ausgeben; die Refinanzierung durch Aufnahme von Darlehen von Gewerbebetrieben im Sinne der Nummer 3 an der Stelle der Ausgabe von Schuldtiteln ist unschädlich, und 3. für Gewerbebetriebe, die nachweislich ausschließl ich Schuldtitel bezogen auf die in Nummer 2 bezeichneten Kredite oder Kreditrisiken ausgeben und an Gewerbebetriebe im Sinne der Nummer 2 Darlehen gewähren. (4) 1Bei Finanzdienstleistungsinstituten im Sinne des § 1 Absatz 1a des Kreditwesengesetzes, die mit Ausnahme der Unternehmen im Sinne des § 2 Absatz 6 Satz 1 Nummer 17 des Kreditwesengesetzes nicht der Ausnahmeregelung des § 2 Absatz 6 des Kreditwesengesetzes unterliegen, sowie bei Zahlungsinstituten im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 5 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes unterbleibt eine Hinzurechnung von Entgelten für Schulden und ihnen gleichgestellten Beträgen nach § 8 Nummer 1 Buchstabe a des Gesetzes, soweit die Entgelte und die ihnen gleichgestellten Beträge unmittelbar auf Finanzdienstleistungen im Sinne des § 1 Absatz 1a Satz 2 des Kreditwesengesetzes oder Zahlungsdienste im Sinne des § 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe c und Nummer 6 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes entfallen. 2Satz 1 ist nur anzuwenden, wenn die Umsätze des Finanzdienstleistungsinstituts zu mindestens 50 Prozent auf Finanzdienstleistungen und die Umsätze des Zahlungsinstituts zu mindestens 50 Prozent auf Zahlungsdienste entfallen. A. Allgemeines I. Regelungszweck der Korrekturen (Hinzurechnungen und Kürzungen) . II. § 8 Nr. 1 GewStG im Überblick . . . . . III. Regelungszusammenhang 1. Rechtsverhältnisse der §§ 8, 9 GewStG 2. Funktionen der Korrekturvorschriften . 3. Abgrenzung grenzüberschreitender Sachverhalte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gewinnminderung und Korrekturen nach §§ 8, 9 GewStG . . . . . . . . . . . . . V. Rechtmäßigkeit 1. Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . 2. Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Entgelte für Schulden (Nr. 1a Buchst. a) 1. Gewerbesteuerrechtlich relevante Schuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entgelte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gewährte Skonti als Entgelt (Nr.1 Buchst. a Satz 2 Halbs. 1) . . . . . . 4. Diskontbeträge als Entgelt (Nr.1 Buchst. a Satz 2 Halbs. 2) . . . . . . 5. Entgelt im Zusammenhang mit der Veräußerung von Forderungen aus schwebenden Geschäften (Nr. 1 Buchst. a Satz 3) . . . . . . . . . . . . 6. Nachträgliche Minderungen . . . . . . . . 7. Schulden bestimmter Finanzunternehmen (§ 19 GewStDV). . . . . . . . . . . . . . II. Renten und dauernde Lasten (Nr. 1 Buchst. b) 1. Begriff der Renten, dauernden Lasten . 2. Pensionszahlungen aufgrund einer Direktzusage des Arbeitgebers . . . . . . . 3. Umfang der Hinzurechnung . . . . . . . .

1 6 11 12 17 20 25 30 32

35 41 46 48

49 53 54 64 69 71

III. Gewinnanteile des stillen Gesellschafters (Nr. 1 Buchst. c) 1. Stille Gesellschaft . . . . . . . . . . . . 2. Gewinnanteile . . . . . . . . . . . . . . IV. Ein Fünftel der Miet- und Pachtzinsen für bewegliche Wirtschaftsgüter (Nr. 1 Buchst. d) 1. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . 2. Miet- und Pachtverhältnisse einschließlich Leasingverträge. . . . . 3. Bewegliche Wirtschaftsgüter als Nutzungsgegenstand . . . . . . . . . 4. Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens als Nutzungsgegenstand 5. Wirtschaftsgüter im Eigentum eines anderen. . . . . . . . . . . . . . . 6. Miet- und Pachtzinsen einschließlich Leasingraten . . . . . . . 7. Netzentgelte. . . . . . . . . . . . . . . . 8. Schadstoffarme Fahrzeuge . . . . . V. Die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen für unbewegliche Wirtschaftsgüter (Nr. 1 Buchst. e) 1. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . 2. Miet- und Pachtverhältnisse einschließlich Leasingverträge. . . . . 3. Unbewegliche Wirtschaftsgüter als Nutzungsgegenstand. . . . . . . 4. Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens als Nutzungsgegenstand 5. Wirtschaftsgüter im Eigentum eines anderen. . . . . . . . . . . . . . . 6. Miet- und Pachtzinsen einschließlich Leasingraten . . . . . . . 7. Netzentgelte. . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ein Viertel der Aufwendungen für die zeitliche Überlassung von Rechten (Nr. 1 Buchst. f)

73 80

83 93 100 107 119 120 122 123

124 125 128 129 135 136 137

265

GewStG § 8 Rz. 1 | Hinzurechnungen 1. 2. 3. 4. 5. 6. VII. 1. 2. VIII. 1. 2.

Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitlich befristete Überlassung . . . . . . . Nichtansatz von Aufwendungen für Vertriebslizenzen/Durchleitungsrechte. Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufwendungen, die Bemessungsgrundlage für die Künstlersozialabgabe sind . Gewinnanteile bei einer KGaA (Nr. 4) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umfang der Hinzurechnung . . . . . . . . Dividenden aus Anteilen an Streubesitz (Nr. 5) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen der Hinzurechnung .

138 140 149 153 159 163 167 170

3. Umfang der Hinzurechnung . . . 4. Keine Hinzurechnung von Gewinnausschüttungen nach § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG (bis EZ 2021) . . . . . . . . . . . . . . . IX. Verlustanteile aus Mitunternehmerschaften (Nr. 8). . . . . . . . . . X. Spenden der Körperschaften (Nr. 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Ausschüttungsbedingte bzw. abführungsbedingte Gewinnminderungen (Nr. 10) . . . . . . . . . . . XII. Ausländische Steuern (Nr. 12) .

182

185 188 191 193 200

173 179

A. Allgemeines I. Regelungszweck der Korrekturen (Hinzurechnungen und Kürzungen) 1

§ 8 GewStG bestimmt zusammen mit den Regelungen in § 7 und § 9 GewStG den maßgeblichen Teil der gewerbesteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage. Hinzu tritt noch § 10a GewStG für den Verlustabzug. Der wesentliche Zweck dieser Vorschriften ist die Ermittlung der Bemessungsgrundlage i.S. einer ertragsorientierten Objektsteuer, die an den Gewerbebetrieb als Steuerobjekt (§ 2 GewStG) und die ihm eigene Ertragskraft anknüpft und die persönlichen Verhältnisse des Betriebsinhabers, abgesehen von § 5 GewStG (Steuersubjekt und Steuerschuldner) außer acht lässt.1 Im Ideal soll § 8 GewStG sicherstellen, dass für die Höhe der Gewerbesteuer nicht der steuersubjektbezogene Gewinn maßgebend ist, sondern der Ertrag, den der – vom jeweiligen Rechtssubjekt losgelöste – Gewerbebetrieb als solcher abwirft.2

2

Die Vorschrift enthält steuertechnisch Abzugsverbote für bestimmte Beträge, die nach den Vorschriften des Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetzes zunächst gewinnmindernd berücksichtigt werden. Auch eine Gewinnminderung durch Bildung einer auf einen Hinzurechnungstatbestand gerichteten Rückstellung fällt daher unter den Hinzurechnungstatbestand. Technisch wird das Abzugsverbot durch Hinzurechnung zum Gewinn vollzogen. Abgesehen von § 8 Nr. 5 GewStG, der auf die Benachteiligung von bestimmten Erträgen aus Streubesitz im Vergleich zu Erträgen aus Schachtelbeteiligungen abstellt, sind die Hinzurechnungen von Nr. 1 bis Nr. 8 aus dem rechtlichen Charakter der Gewerbesteuer erklärbar, die als Objektsteuer die objektive Ertragskraft und Leistungsfähigkeit des Gewerbebetriebs besteuern soll. Unter diesem Gesichtspunkt soll die Steuerlast für den Gewerbebetrieb als Besteuerungsobjekt weitestgehend nicht davon abhängig sein, ob er z.B. dauerhaft mit eigenem oder fremdem Kapital, mit eigenen oder fremden Maschinen arbeitet oder im Zusammenhang mit eigenen oder angemieteten Grundstücken betrieben wird.

3

Wesentliche Elemente der heutigen Hinzurechnungen waren bereits im GewStG 1936 enthalten. Bis einschließlich 2007 waren Ausmaß und Höhe der Hinzurechnung von bestimmten als Betriebsausgaben abgezogenen Finanzierungsaufwendungen für die Nutzung von Geld- oder Sachkapital als Kernstück der Hinzurechnungen in § 8 Nr. 1–3 und 7 GewStG a.F. geregelt. Unter Ausweitung der Hinzurechnungstatbestände und damit einhergehenden Minderungen der hinzuzurechnenden Beträge ist die Hinzurechnung von Finanzierungsbestandteilen ab dem EZ 2008 in § 8 Nr. 1 GewStG neu gefasst worden. Entgegen der bisherigen Rechtslage ist die Dauer der Kapitalüberlassung für die Hinzurechnung von Finanzierungselementen ohne Bedeutung. Die bislang für eine Hinzurechnung erforderliche dauerhafte Verstärkung des Betriebskapitals bei Entgelten für Schulden bzw. 1 BFH v. 7.3.2007 – I R 60/06, BStBl. II 2007, 654; v. 16.1.2014 – I R 21/12, BStBl. II 2014, 531. 2 BFH v. 25.11.1992 – X R 21/91, BFH/NV 1993, 489.

266

Hinzurechnungen | Rz. 4 § 8 GewStG

ein notwendiger Zusammenhang von Schulden und Renten mit der Gründung oder Erweiterung eines Betriebs ist entfallen. Auch Miet- und Pachtzahlungen für unbewegliche Wirtschaftsgüter sind ab dem EZ 2008 bei der Ermittlung des Gewerbeertrags zu berücksichtigen. Im Zusammenhang mit Renten und dauernden Lasten, Gewinnanteilen des stillen Gesellschafters und Miet- und Pachtzinszahlungen wird eine Hinzurechnung ab 2008 auch vorgenommen, wenn die Zahlungen beim Empfänger der Gewerbesteuer unterliegen (Wegfall des strengen Korrespondenzprinzips). Neuregelungen zu den Finanzierungsanteilen ab EZ 2008

frühere Regelung

100 % der Entgelte für Schulden und vergleichbarer Aufwand § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG

Entgelte für Dauerschulden oder Schulden im wirtschaftlichen Zusammenhang mit Gründung bzw. Erwerb eines Betriebs zur Hälfte § 8 Nr. 1 GewStG

100 % der Renten und dauernden Lasten § 8 Nr. 1 Buchst. b GewStG

Renten und dauernde Lasten, die beim Empfänger nicht der Gewerbesteuer unterliegen, in voller Höhe § 8 Nr. 2 GewStG

100 % der Gewinnanteile des stillen Gesell- Gewinnanteile des stillen Gesellschafters, die schafters beim Empfänger nicht der Gewerbesteuer § 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG unterliegen, in voller Höhe § 8 Nr. 3 GewStG 20 % der Miet- und Pachtzinsen für beweg- 50 % der Miet- und Pachtzinsen für nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgütern liche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die, vorbehaltlich be§ 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG sonderer Regelung zur Betriebsverpachtung, beim Empfänger nicht der Gewerbesteuer unterliegen § 8 Nr. 7 GewStG 65 % bzw. 50 % (ab 2010) der Miet- und Pachtzinsen für unbewegliche Wirtschaftsgüter § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG



25 % der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG



Abzug eines Freibetrags von 200 000 € von kein Freibetrag und auch keine weitere der Summe der Hinzurechnungen nach § 8 Kürzung Nr. 1 GewStG, Ansatz des verbleibenden Betrags mit 25 % § 8 GewStG gilt für alle im Inland betriebenen Gewerbebetriebe i.S.d. § 2 Abs. 1 bis 3 GewStG und § 35a GewStG. Im Einzelnen unterscheidet § 8 GewStG bestimmte Formen und Arten von Betrieben (vgl. § 8 Nr. 4, 8 GewStG; § 19 GewStDV für Finanzinstitute i.V.m. § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG). Die Gewerbesteuerpflicht erstreckt sich nicht auf den Gewerbebetrieb, soweit er im Ausland in Form von Betriebsstätten betrieben wird (vgl. § 9 Nr. 3 GewStG).3 §§ 8, 9 GewStG gelten nicht für die Unternehmen i.S.d. § 7 Satz 3 GewStG, da dort der Gewerbeertrag pauschal und fiktiv bestimmt wird. Besonderheiten gelten zudem für die Gewinnermittlung einer Organschaft. Innerhalb des Organkreises soll keine Doppelbelastung auftreten.4 3 BFH v. 21.4.1971 – I R 200/67, BStBl. II 1971, 743. 4 BFH v. 17.9.2014 – I R 30/13, DStR 2014, 2561.

267

4

GewStG § 8 Rz. 5 | Hinzurechnungen 5

§ 8 GewStG geht in wesentlichen Teilen auf § 8 GewStG 1936 zurück. Die aktuelle Fassung des § 8 GewStG beruht auf dem Gesetz v. 25.6.2021.5 Es handelt sich um eine redaktionelle Anpassung des § 8 Nr. 5 Satz 2 GewStG an das Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG) v. 25.6.2021. Die Streichung des § 8 Nr. 5 Satz 2 ist eine Folgeänderung aus dem Wegfall des § 3 Nr. 41 EStG. § 3 Nr. 41 EStG wird künftig durch einen Kürzungsbetrag nach § 11 AStG ersetzt. Die Regelung gilt ab EZ 2022.

II. § 8 Nr. 1 GewStG im Überblick 6

§ 8 Nr. 1 GewStG bildet das objektsteuerspezifische Kernstück der Korrekturnormen der §§ 8, 9 GewStG und bewirkt durch die Hinzurechnung Abzugsverbote für bestimmte Betriebsausgaben, die den Gewinn gemindert haben. Die Regelung hat daher erhebliche rechtliche und praktisch-wirtschaftliche Bedeutung namentlich für große Unternehmen.6 Die Divergenz zu den eigentlichen Ertragsteuern ist hier beachtlich. § 8 Nr. 1 GewStG erfasst bestimmte Finanzierungsentgelte des Gewerbebetriebs. Im Einzelnen werden eine Reihe typischer „Eigenkapitalsubstitute7 einer „Sammelhinzurechnung“8 nach Buchst. a bis f zugeführt. Dazu gehören an erster Stelle „Entgelte für Schulden“.

7

Die gesetzgeberische Grundentscheidung der Gewerbesteuer orientiert sich – realitätsfremd – an einem „typisierten" Unternehmen als objektivierte „Sollgröße", das eigenkapitalfinanziert ist.9 Bestimmte Belastungsmisserfolge nehmen Gesetzgeber und Rechtsprechung in Kauf.10 Dies betrifft auch Einzelfälle einer Substanzbesteuerung.11 Nach der Unternehmenssteuerreform 2008 besteht sogar offenbar ein „Drang hin zur Substanzbesteuerung,12 Jedenfalls nimmt die Prüfungsdichte13 der Finanzverwaltung im Rahmen des § 8 GewStG zu. Nach Auffassung der Rechtsprechung14 liegt eine mögliche Substanzbesteuerung in der „Natur einer ertragsorientierten Objektsteuer“. Diese Belastungen verstießen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, ebenso wenig gegen Art. 12 und 14 GG. Aus der Sicht der Steuergläubiger soll die Hinzurechnung zu einer gewissen Verstetigung des Aufkommens beitragen. Die Sicht der Steuerschuldner tritt dagegen auch in Krisenzeiten zurück.

8

Im Zusammenhang mit Finanzierungsanteilen hat der Gesetzgeber zunächst – wie aus der vorstehenden Tabelle ersichtlich – aus den dem Grunde nach von § 8 Nr. 1 GewStG erfassten Sachverhalten das Ausmaß des Finanzierungsanteils pauschal festgelegt (z.B. Entgelte für Schulden → Finanzierungsanteil 100 %; Miet- und Pachtzinsen für bewegliche Wirtschaftsgüter → Finanzierungsanteil 20 %; Miet- und Pachtzinsen für unbewegliche Wirtschaftsgüter → ab 2010 Finanzierungsanteil 50 %). Diese aus Geld- und Sachkapitalüberlassungen resultierenden jeweiligen Finanzierungsbestandteile sind zusammenzufassen. Ein auch unter § 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG zu erfassender, vom stillen Gesellschafter zu tragender verlustmindernder (= gewinnerhöhender) Verlustanteil ist als negativer Hinzurechnungstatbestand von den anderen Hinzurechnungen des § 8 Nr. 1 EStG abzuziehen. Wird die Summe der Finanzierungsanteile dadurch negativ, kommt eine „negative Hinzurechnung“ nicht in Betracht.15 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

268

Gesetz v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035. Graw in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 8 GewStG Rz. 27. BVerfG v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. II 2016, 557. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG Rz. 2. So BFH v. 16.10.2012 – I B 128/12, BStBl. II 2013, 30. BFH v. 4.6.2014 – I R 21/13, BStBl. II 2015. 293: kein Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit. BFH v. 16.10.2012 – I B 128/12, BStBl. II 2013, 30; v. 16.10.2012 – I B 125/12, BFH/NV 2013, 249; v. 16.1.2014 – I R 21/12, BStBl. II 2014, 531; v. 4.6.2014 – I R 70/12, BStBl. II 2015, 289; v. 18.8.2015 – I R 43/14, BFH/NV 2016, 232. Nöcker, FR 2020, 861. Näher Schreib, DB 2020, 519. Deutlich BFH v. 14.6.2018 – III R 35/15, BStBl. II 2018, 662; v. 6.11.2019 – I R 32/18, BStBl. II 2021, 68; v. 18.12.2019 – III R 33/17, BFH/NV 2020, 781. R 8.1 Abs. 3 Satz 2 ff. GewStR 2009.

Hinzurechnungen | Rz. 11 § 8 GewStG

Für Vorjahre erstattete Entgelte für Schulden, Miet- und Pachtzinsen usw. sind unmittelbar im Ansatz des Gewinns als Ausgangsgröße für die Ermittlung des Gewerbeertrags zu berücksichtigen. Von der aus sämtlichen Hinzurechnungstatbeständen nach § 8 Nr. 1 Buchst. a–f GewStG gebildeten positiven Zwischensumme ist der zur Entlastung kleinerer und mittlerer Unternehmen eingeführte Freibetrag i.H.v. bislang 100.000 € insgesamt einmal abzuziehen. Das 2. CoronaSteuerhilfegesetz16 hat den Freibetrag ohne zeitliche Befristung mit Wirkung ab EZ 2020 auf 200.000 € erhöht. Der erhöhte Freibetrag von 200.000 € wirkt sich über § 35 Abs. 1 EStG – seit VZ 2020 Ermäßigung der Einkommensteuer um das Vierfache des Gewerbesteuermessbetrags – auch bei der Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags nach § 3 Abs. 3, 4 SolZG aus.17

9

Bei einem Wechsel der Steuerschuldnerschaft ohne Ende/Beginn der sachlichen Steuerpflicht (Einzelunternehmen wird durch Aufnahme von Gesellschaftern eine Personengesellschaft, durch Ausscheiden bis auf einen Gesellschafter wird aus einer Personengesellschaft ein Einzelunternehmen) erfolgt die Hinzurechnung für die Zeiträume der jeweiligen Steuerpflicht. Der Freibetrag nach § 8 Nr. 1 GewStG ist entsprechend der Dauer der persönlichen Steuerpflicht aufzuteilen.18 Bei gewerbesteuerrechtlichen Organschaften kommt der Freibetrag sowohl beim Organträger als auch bei der Organgesellschaft zur Anwendung.19 Ein Viertel des nach Abzug des Freibetrags verbleibenden Ansatzes bildet abschließend die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG. Freibetrag und Hinzurechnungsquoten sollen eine Über- oder Substanzbesteuerung des Gewerbebetriebs verhindern. Im Einzelfall sind Billigkeitsmaßnahmen möglich (§§ 163, 227 AO).

10

Beispiel: Die Z-GmbH hat im EZ 2010 u.a. folgende Aufwendungen, die den körperschaftsteuerlichen Gewinn gemindert haben: Zinsen für verschiedene Bankdarlehen Gewinnanteil eines stillen Gesellschafters Pachtzinsen für angemietete bewegliche Wirtschaftsgüter Pachtzinsen für angemietete Geschäftsräume Konzessionsabgaben

80.000 € 30.000 € 40.000 € 180.000 € 8.000 €

Die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG berechnet sich wie folgt: Finanzierungsanteile nach § 8 Nr. 1 GewStG Zinsen für verschiedene Bankdarlehen (100 %, Buchst. a) Gewinnanteil eines stillen Gesellschafters (100 %, Buchst. c) Pachtzinsen für angemietete bewegliche Wirtschaftsgüter (20 %, Buchst. d) Pachtzinsen für angemietete Geschäftsräume (50 %, Buchst. e) Konzessionsabgaben (25 %, Buchst. f) Summe der Finanzierungsanteile vermindert um Freibetrag verbleiben davon ein Viertel → Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG

80.000 € 30.000 € 8.000 € 90.000 € 2.000 € 210.000 € 200.000 € 10.000 € 2.500 €

III. Regelungszusammenhang 1. Rechtsverhältnisse der §§ 8, 9 GewStG Übersicht 1 verdeutlicht, dass sich wesentliche Korrekturvorschriften der §§ 8, 9 GewStG gegenseitig bedingen und ergänzen. Der Gewerbeertrag i.S.d. § 7 GewStG ergibt sich erst, wenn die „Beträge“ nach §§ 8, 9 GewStG rechnerisch berücksichtigt wurden. Die Kürzun-

16 17 18 19

Zweites Corona-Steuerhilfegesetz v. 29.6.2020, BGBl. I 2020, 1512. Nöcker, FR 2021, 864. R. 8.6 Abs. 6 GewStR 2009. Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 45.

269

11

GewStG § 8 Rz. 12 | Hinzurechnungen gen nach § 9 GewStG sind von der Summe aus Gewinn und Hinzurechnung grds. von Amts wegen vorzunehmen. Die Regelungen sind abschließend. Übersicht 1: Korrespondenz wichtiger Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften (§ 7, §§ 8, 9 GewStG) Gegenstand

Hinzurechnung

Gewinnanteile KGaA

§ 8 Nr. 4 GewStG

Kürzung § 9 Nr. 2b GewStG

Gewinnanteile (im Streu§ 8 Nr. 5 GewStG: nur besitz) an Kapitalgesellschaf- Streubesitzdividenden ten

Nur Schachteldividenden: § 9 Nr. 2a GewStG: inländische Kapitalgesellschaften § 9 Nr. 7 GewStG: ausländische Kapitalgesellschaften § 9 Nr. 8 GewStG: ausländische Kapitalgesellschaften mit DBA

Anteile an Personengesellschaften

§ 8 Nr. 8 GewStG: Verlust

§ 9 Nr. 2 GewStG: Gewinn

Spenden und Mitgliedsbeiträge

§ 8 Nr. 9 GewStG: steuerbe- § 9 Nr. 5 GewStG steuerbegünstigte Aufwendungen günstigte Zuwendungen

Gewinnminderungen

§ 8 Nr. 10 GewStG Aus§ 9 Nr. 2a oder 7 oder 8 schüttungsbedingte Gewinn- GewStG (Schachtelprivileg) minderungen

Ausländische Steuern

§ 8 Nr. 12 GewStG

Ausländische Kapitalgesellschaften (§ 9 Nr. 7 oder 8 GewStG)

2. Funktionen der Korrekturvorschriften 12

Die nachfolgenden Übersichten 2 und 3 verdeutlichen, dass sowohl die Hinzurechnungsvorschriften des § 8 GewStG als auch die Kürzungsvorschriften des § 9 GewStG ganz wesentlich auf die Ermittlung des objektiven, von den Verhältnisse des Inhabers zum Betrieb losgelösten Gewerbeertrags zielen.20 Daraus folgt aber noch keine „objektsteuerspefizische“ Auslegung der Vorschriften, da weder ein Rechtbegriff der Objektsteuer noch ein Rechtsprinzip im Sinne eines Objektsteuerprinzips existiert. Vielmehr zählt das positive Recht.

13

Hierfür spricht insbesondere auch, dass die Regelungen eine Reihe weiterer eigenständige Zwecke verfolgen, und sich ihre Zweckrichtung im Laufe der Rechtsentwicklung auch geändert hat. Zu diesen Zwecken (an sich „Funktionen“, die auch realisiert werden müssen) gehören (nur) kraft ausdrücklicher positivrechtlicher Ausformung: ein Verbot doppelter Belastung, ein Verbot doppelter Entlastung, die Gleichbehandlung von Unternehmensformen, der Inlandscharakter der Gewerbebesteuerung. Das Beispiel der Beteiligungserträge nach § 8 Nr. 5 GewStG zeigt, dass der Gesetzgeber auch fiskalisch motivierte Verteilungskompromisse schließt und von den ertragsteuerrechtlichen Vorgaben abweicht. Den Gleichlauf von ESt/KSt und Gewerbesteuer gibt § 7 Satz 1 lediglich als Grundsatz vor.

14

Hinzu kommt, dass die Höhe der Hinzurechnung oder Kürzung, z.T. frei gegriffen, variieren kann. Dies ist im Hinblick auf die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung, Typisierung und Pauschalierung letztlich nicht zu beanstanden.21 Härten im Einzelfall sollten durch Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163, 227 AO begegnet werden.22 Insoweit hat der Gesetzgeber weitgehende Gestaltungsspielräume. 20 Statt vieler Güroff in Glanegger/Güroff10, § 8 Nr. 4 GewStG Rz. 1 und § 9 Nr. 1 GewStG Rz. 1. 21 BFH v. 8.12.2016 – IV R 55/10, DStR 2017, 1109; v. 4.6.2014 – I R 70/12, BStBl. II 2015, 289. 22 BFH v. 5.7.1973 – IV R 215/71, BStBl. II 1973, 739; v. 21.4.1977 – IV R 161, 162/75, BStBl. II 1977, 512.

270

Hinzurechnungen | Rz. 16 § 8 GewStG

Auch der Zweck der Vermeidung einer Doppelbelastung von Erträgen oder einer Doppelentlastung von Aufwendungen lässt sich über die positivrechtlichen Vorgaben hinaus nicht verallgemeinern. Weder das GewStG noch die Verfassung kennen insbesondere ein ausdrückliches Verbot der Doppelbelastung oder Doppelbesteuerung. Dieses würde sich auch schon gegen die Existenzberechtigung der Gewerbesteuer selbst als objektivierte Ertragsteuer richten. Insbesondere hat die Rechtsprechung bisher einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine Kürzung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags durchzuführen ist, soweit es ohne diese Kürzung zu einer gewerbesteuerrechtlichen Doppelerfassung kommt, verneint.23 Im umgekehrten Fall hat eine Kürzung nicht deshalb zu unterbleiben, weil sie zu einer doppelten gewerbesteuerrechtlichen Entlastung führt.24 Hier ist es nicht Aufgabe der Rechtsprechung, eine entsprechende „Hinzurechnungslücke“ zu schließen.25 Danach sind die Regelungen der §§ 8, 9 GewStG nicht nur abschließend. Es verbietet sich insoweit auch eine (belastende oder entlastende) Analogie oder eine teleologische Reduktion.

15

Unter verfassungsrechtlichen, besonders gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten soll es genügen, dass es prinzipiell gelingt, doppelte gewerbesteuerliche Belastungen infolge aufeinander abgestimmter Hinzurechnungen und Kürzungen zu vermeiden, wobei dieses Regelungsziel nicht uneingeschränkt erreicht werden muss.26 Aus den Gesetzesmaterialen27 kann nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber ein entsprechend folgerichtig ausgestaltetes abschließendes System installieren wollte.28 Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt darin nicht, da diesem Maßstab nach h.M. keine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Wahrung des sog. objektiven Nettoprinzips für die gewerbesteuerrechtliche Bemessungsgrundlage zu entnehmen ist.29

16

Übersicht 2: Funktionen der Hinzurechnung nach § 8 GewStG Norm § 8

Funktion

Nr. 1 Finanzierungsentgelte

Objektsteuer und Finanzierungsneutralität

Nr. 4 Gewinnanteile KGaA

Objektsteuer (Zuordnung zum Gewerbebetrieb), vgl. § 9 Nr. 2b GewStG

Nr. 5 Streubesitz- und Schachteldividenden Belastung von Streubesitzdividenden Keine Doppelbelastung von Schachteldividenden Nr. 8 Verlustanteile an Personengesellschaften Objektsteuer (Zuordnung zum Gewerbebetrieb) und keine doppelte Entlastung Nr. 9 Spenden und Mitgliedsbeiträge

Gleichbehandlung der Unternehmensformen (§ 2 Abs. 1 bis 3, § 9 Nr. 5 GewStG)

Nr. 10 Ausschüttungsbedingte Gewinnmin- Keine doppelte Entlastung derungen Nr. 12 Ausländische Steuern

23 24 25 26 27 28 29

Keine doppelte Entlastung ausländischer Einkünfte

BFH v. 23.9.2008 – I R 19/08, BStBl. II 2010, 301; v. 7.9.2016 – I R 9/15, BFH/NV 2017, 485. BFH v. 23.9.2008 – I R 19/08, BStBl. II 2010, 301; v. 7.9.2016 – I R 9/15, BFH/NV 2017, 485. BFH v. 17. 12. 2014 – I R 39/14, BStBl. II 2015, 1052. BFH v. 6.10.2009 – I R 102/06, BFH/NV 2010, 462. Etwa BT-Drucks. 14/7084, 8. BFH v. 11.7.2019 – I R 88/15, BFH/NV 2018, 231. BFH v. 11.7.2019 – I R 88/15, BFH/NV 2018, 231 unter Verweis auf BVerfG v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. II 2016, 557.

271

GewStG § 8 Rz. 17 | Hinzurechnungen Übersicht 3: Funktionen der Kürzung nach § 9 GewStG Norm § 9

Funktion

Nr. 1 Grundbesitz

Keine Doppelbelastung mit Grundsteuer

Nr. 2 Gewinnanteile an Personengesellschaften

Objektsteuer (Gewerbebetrieb § 2 Abs. 1–3 GewStG) und keine doppelte Entlastung

Nr. 2a Gewinnanteile an inländischen Kapi- Keine Doppelbelastung von Schachtelbeteitalgesellschaften ligungen (§ 8 Nr. 5 GewStG) Nr. 2b Gewinnanteile KGaA

Keine Doppelbelastung (§ 8 Nr. 4 GewStG)

Nr. 3 Gewerbeertrag ausländische Betriebs- Inlandssteuer/Territorialität (§ 2 Abs. 1 stätten GewStG) Nr. 5 Spenden und Mitgliedsbeiträge

Gleichbehandlung der Gewerbebetriebe (§ 2 Abs. 1 bis 3, § 8 Nr. 9 GewStG)

Nr. 7 Gewinnanteile an ausländischen Kapitalgesellschaften

Keine Doppelbelastung von Schachteldividenden Gleichbehandlung mit inländischen Kapitalgesellschaften (§ 9 Nr. 2a GewStG)

Nr. 8 Gewinnanteile an ausländischen Kapitalgesellschaften mit DBA

Gleichbehandlung mit anderen Kapitalgesellschaften (§ 9 Nr. 2a, 7 GewStG)

3. Abgrenzung grenzüberschreitender Sachverhalte 17

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 GewStG ist die Gewerbesteuer eine Inlandssteuer nach Maßgabe des sog. Territorialitätsprinzip. Die Vorschrift regelt lediglich den Steuerzugriff. Nach § 7 Satz 1 GewStG gelten für die Ermittlung des Gewerbeertrags die Gewinnermittlungsvorschriften des EStG bzw. KStG. Hierfür gilt das Welteinkommensprinzip. Für die Behandlung grenzüberschreitender Sacherhalte bedarf es daher zusätzlicher Regelungen, die die gewerbesteuerrechtliche Bemessungsgrundlage abgrenzen und ggf. exterritoriale Einkünfte aus dem Gewerbeertrag ausscheiden oder in den Gewerbebetrag einbeziehen.

18

Zu den letzteren gehören etwa die Vorschriften in § 7 Satz 7 bis 9 GewStG, die außensteuerrechtliche Einkünfte aus §§ 10, 20 AStG 2022 auch gewerbesteuerrechtlich erfassen. Zu den weiteren gewerbesteuerrechtlichen Besonderheiten und Folgen der Hinzurechnungsbesteuerung von Steuerinländern nach dem AStG 2022 vgl. die Übersicht § 7 GewStG Rz. 221 sowie die Einzelkommentierung der §§ 8, 9 GewStG.

19

Als Teil des internationales Gewerbesteuerrechts30 regeln Teile der Korrekturvorschriften der §§ 8, 9 GewStG, ob und inwieweit ausländische Einkünfte gewerbesteuerpflichtig sind (s. Übersicht). Die genannten Regelungen sind gesetzestechnisch in § 8 und § 9 GewStG verteilt und ergänzen einander. Sie gelten z.T. sowohl für inländische als auch für ausländische Einkünfte, die ein inländischer Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 GewStG von ausländischen Unternehmen bezieht. Das Schachtelprivileg bzw. die Besteuerung von Streubesitzdividenden in § 8 Nr. 5 GewStG belegt, dass der Gesetzgeber keine konsequente Belastungskonzeption verfolgt. Im internationalen Kontext stehen die Besteuerung von Betriebsstätteneinkünften, Auslandsdividenden und Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften im Vordergrund.

30 Zu einem Überblick Henkel in Mösser u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen5, Rz. 7.93 ff.; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 18.215 ff.

272

Hinzurechnungen | Rz. 23 § 8 GewStG

Übersicht: Internationales Gewerbesteuerrecht Hinzurechnungsnorm: §§ 2, 7 GewStG i.V.m.

Gewerbesteuerpflicht durch Hinzurechnung

§ 8 Nr. 5 GewStG: ausländische Körperschaften

Streubesitzdividenden

§ 8 Nr. 8 GewStG: ausländische Personengesellschaften

Verlustanteile

§ 8 Nr. 10 GewStG: ausländische Körperschaften

Ausschüttungsbedingte Gewinnminderungen

§ 8 Nr. 12 GewStG: befreite ausländische Einkünfte

Ausländische Steuern

Kürzungsnorm: §§ 2, 7 GewStG i.V.m.

Gewerbesteuerbefreiung durch Kürzung

§ 9 Nr. 2 GewStG: ausländische Personengesellschaften

Gewinnanteile

§ 9 Nr. 3 GewStG: Gewerbeertrag ausländi- Gewinn- und Verlust scher Betriebsstätten § 9 Nr. 7 GewStG: ausländische Kapitalgesellschaften

Gewinnanteile, falls Schachtelprivileg

§ 9 Nr. 8 GewStG: ausländische Kapitalgesellschaften mit DBA

Gewinnanteile, falls Schachtelprivileg

IV. Gewinnminderung und Korrekturen nach §§ 8, 9 GewStG Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb nach § 7 GewStG werden bestimmte Beträge hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind (§ 8 GewStG Einleitungssatz). Eine Hinzurechnung ist danach nur zulässig, wenn die Verlustbeträge zuvor im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 7 Satz 1 GewStG gewinnmindernd berücksichtigt worden sind.31

20

Voraussetzung des § 8 GewStG ist, dass diese Beträge tatsächlich und zu Recht32 vom Gewinn abgesetzt worden sind. In bestimmten Fällen (z.B. Bauzeitzinsen) unterbleibt eine Gewinnminderung.33

21

Eine Saldierung von Aufwendungen und Erträgen, die wirtschaftlich zusammenhängen, ist grds. nicht zulässig (sog. Saldierungsverbot).34 Ausnahmen bestehen bei bestimmte Darlehen.35

22

Die Hinzurechnung ist nur vorzunehmen, „soweit“ der Hinzurechnungsbetrag bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden ist. Damit ist Grund und Höhe der Hinzurechnung bestimmt. Der Hinzurechnungsbetrag soll lediglich die vorgenommene Gewinnminderung ausgleichen. Das Merkmal verhindert an dieser Stelle auch, dass die Hinzurechnung zu einer gewerbesteuerlichen Doppelbelastung führt. Innerhalb des § 8 GewStG variiert die Höhe der Hinzurechnung zusätzlich.

23

31 Graw in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 8 GewStG Rz. 48. 32 Graw in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 8 GewStG Rz. 49, 53; zu Aufwendungen, die unter Abzugsbeschränkungen nach dem EStG oder KStG unterfallen, einschließlich der Zinsschranke vgl. ders., ibid., Rz. 51 f. 33 BFH v. 10.3.1993 – I R 59/92, BFH/NV 1993, 561. 34 BFH v. 4.2.1976 – I R 203/73, BStBl. II 1976, 551. 35 BFH v. 7.9.2005 – I R 119/04, BFH/NV 2006, 606.

273

GewStG § 8 Rz. 24 | Hinzurechnungen 24

Nach § 9 GewStG wird sodann die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um bestimmte Beträge gekürzt. Hinzurechnungsbeträge i.S.d. § 8 GewStG führen hierbei nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung des Gewinns. Und Kürzungsbeträge i.S.d.§ 9 GewStG führen nicht zwangsläufig zu einer Verminderung des Gewinns. Die notwendigen Rechenoperationen sind vielmehr nach mathematischen Regeln durchzuführen.36 Denkbare negative Hinzurechnungsbeträge (z.B. § 8 Nr. 8 GewStG) sind daher bei der Ermittlung des Gewerbeertrags abzuziehen und mindern den Gewinn. Denkbare negative Kürzungsbeträge (z.B. § 9 Nr. 3 GewStG, ggf. ausländische Betriebsstättenverluste37) sind bei der Ermittlung des Gewerbeertrags wieder hinzurechnen und erhöhen den Gewinn.

V. Rechtmäßigkeit 1. Verfassungsmäßigkeit 25

§ 8 Nr. 1 GewStG ist neben weiteren Bestimmungen in §§ 8, 9 GewStG eine tragende Säule der objektsteuerspezifischen Ausprägung der derzeitigen Gewerbesteuer. Ihr Wegfall würde die Steuer an sich gefährden. Derzeit sind die Vorschriften und das Gesetz nach herrschender Auffassung verfassungsgemäß.

26

Ob die Hinzurechnungsvorschriften des § 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e und f GewStG i.d.F. des UntStRefG 2008 verfassungsgemäß sind, ist allerdings noch nicht abschließend geklärt. Das BVerfG hat die GewSt als solche ebenso wie die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG a.F. bisher mehrfach für verfassungsgemäß erklärt.38 Eine Sachentscheidung zu den neuen Hinzurechnungsvorschriften steht immer noch aus.

27

Insbesondere die Hinzurechnungsregelungen in § 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e, f GewStG sind daher nach derzeitigen Erkenntnissen verfassungskonform. Die umfangreich begründete Richtervorlage des FG Hamburg v. 29.3.201239 hat das BVerfG40 als unzulässig verworfen.

28

Der BFH41 und die Instanzgerichte42 sowie die herrschende Auffassung im Schrifttum43 gehen ebenfalls davon aus, dass die Hinzurechnungsvorschriften, namentlich § 8 Nr. 1 GewStG, verfassungskonform sind. Insbesondere soll weder Art. 3 GG noch Art. 14 GG verletzt sein. Insbesondere sei die Gewerbesteuer in ihrer Verankerung in Art. 106 Abs. 6 sowie Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 GG und ihrer Grundstruktur und herkömmlichen Ausgestaltung verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Mögliche Substanzbesteuerungseffekte nimmt die herrschende Auffassung sehenden Auges als Kollateralschaden in Kauf.

29

Im Hinblick auf weitere, noch anhängige Verfahren44 führt die Finanzverwaltung45 insoweit Festsetzungen des Gewerbesteuermessbetrags vorläufig nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO durch.

36 Graw in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 8 GewStG Rz. 3. 37 Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 9 Nr. 3 GewStG Rz. 25. 38 Vgl. BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1; v. 25.10.1977 – 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, 224; v. 12.10.1976 – 1 BvR 197/73, BVerfGE 42, 374; v. 18.6.1975 – 1 BvR 528/72, BVerfGE 40, 109; v. 29.8.1974 – 1 BvR 67/73, HFR 1975, 498; v. 13.5.1969 – 1 BvR 25/65, BStBl. II 1996, 424. 39 FG Hamburg v. 29.2.2012 – 1 K 138/10, EFG 2012, 960. 40 BVerfG v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12 BStBl. II 2016, 557 zu FG Hamburg v. 29.2.2012 – 1 K 138/10, EFG 2012, 960. 41 Zuletzt wieder BFH v. 12.11.2020 – III R 38/17, DStR 2021, 1473; v. 18.12.2019 – III R 33/17, BFH/ NV 2020, 781; v. 14.6.2018 – III R 35/15, BStBl. II 2018, 662; v. 8.12.2016 – IV R 55/10, DStR 2017, 1109; v. 8.12.2016 – I R 43/14, DStR 2017, 1112; v. 18.8.2015 – I R 43/14, BFH/NV 2016, 232. 42 Zuletzt wieder FG Berlin-Bdb. v. 14.2.2017 – 6 K 6104/15, EFG 2017, 161; FG Hamburg v. 7.12.2016 – 6 K 66/16, DStRE 2018, 234; FG Köln v. 19.3.2015 – 13 K 2768/10, EFG 2015, 1384. 43 Zusammenfassend Graw in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 8 GewStG Rz. 33 m.w.N. 44 Etwa Verfassungsbeschwerde zu BFH v. 14.6.2018 – III R 35/15, BVerfG 1 BvR 2150/18. 45 Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 25.4.2013, BStBl. I 2013, 460 und v. 28.10.2016, BStBl. I 2016, 1114.

274

Hinzurechnungen | Rz. 36 § 8 GewStG

2. Unionsrecht Grundsätzlich bestehen derzeit keine durchgreifenden europarechtlichen Bedenken gegen § 8 GewStG (vgl. § 1 Rz. 165 ff.). Die Erhebung der Gewerbesteuer an sich und als direkte Steuer verstößt nach allgemeiner Auffassung nicht gegen primäres oder sekundäres Unionsrecht.46

30

Insbesondere soll kein Verstoß gegen die EU-Zins- und Lizenzrichtlinie47 vorliegen, da deren Anwendungsbereich nicht eröffnet sei.48

31

3. Abkommensrecht Kontrollmaßstab ist auch das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot entsprechend Art. 24 Abs. 5 OECD-MA. Insbesondere kann auch eine Hinzurechnungsvorschrift diskriminierend wirken.49

32

Hier hat der BFH50 festgestellt, dass die vormalige hälftige Hinzurechnung der Zinsen aus Darlehen der in den Niederlanden ansässigen Muttergesellschaft zum Gewinn einer Kapitalgesellschaft gem. § 8 Nr. 1 GewStG 2002 nicht gegen die Diskriminierungsverbote des Art. 24 DBA-Niederlande verstößt.

33

Dagegen hat der BFH51 im Fall einer gewerbesteuerrechtlichen deutsch-britischen Organschaft (Organträger in Großbritannien, Organgesellschaft im Inland, über eine inländische Zwischenholding, Streitjahr 1999) einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot festgestellt.

34

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Entgelte für Schulden (Nr. 1a Buchst. a) 1. Gewerbesteuerrechtlich relevante Schuldverhältnisse Unabhängig von dem Begriff der Schulden nach §§ 240 Abs. 1. und 247 Abs. 1 HGB liegen für eine Hinzurechnung relevante Schulden vor, soweit eine betrieblich veranlasste Belastung gegenüber einem anderen rechtlich entstanden oder wirtschaftlich verursacht ist. Inhalt, Höhe, Fälligkeit und rechtliche Gestaltung der Schuld sind grds. ohne Bedeutung. Schulden in diesem Sinne sind u.a. Bankkredite, Hypothekenschulden, Anleihen, partiarische Darlehen oder Steuerschulden. Nach dem Wortlaut der Vorschrift erfolgt eine Hinzurechnung, unabhängig davon, ob das durch die Schuldaufnahme dem Betrieb zugeführte Geldkapital im eigenen Unternehmen verbleibt oder wie z.B. bei durchlaufenden Krediten52 weitergegeben wird.

35

Bei einem durchlaufenden Kredit hat der Gewerbebetrieb den aufgenommenen Kredit wie beabsichtigt umgehend an eine andere Person weitergegeben. Dies kann etwa bei Konzernstrukturen der Fall sein. Die Rechtsprechung53 zur Vorgängerregelung § 8 Nr. 1 a.F. GewStG nimmt an, dass ein Kredit ausnahmsweise dann nicht der „Verstärkung des Betriebskapitals“ dient, wenn es sich um einen durchlaufenden Kredit handelt. Dies sei

36

46 Ebenso Graw in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 8 GewStG Rz. 39 f. 47 Rl 2003/49/EG des Rates v. 3.6.2003, ABl. EU 2003, Nr. L 157, 49. 48 Graw in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 8 GewStG Rz. 39 f.; krit. Kessler/Eicker/ Schindler, IStR 2004, 678; Hidien, DStZ 2008, 131. 49 Graw in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 8 GewStG Rz. 30. 50 BFH v. 7.12.2012 – I R 30/08, BStBl. II 2012, 507. 51 BFH V. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106. 52 So die Finanzverwaltung für durchlaufender Kredite, gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 11; differenzierter Köster in Lenski/Steinberg, § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG Rz. 68. 53 BFH v. 7.7.2004 – XI R 65/03, BStBl. II 2005, 102.

275

GewStG § 8 Rz. 37 | Hinzurechnungen der Fall, wenn (1) dem steuerpflichtigen Gewerbebetrieb aus der Kreditaufnahme und der Weitergabe des Kredits kein über die Verwaltungskosten hinausgehender Nutzen erwächst, (2) der Darlehensnehmer auf eine ihm genau vorgeschriebene Weitervermittlung des Kredits und auf dessen Verwaltung beschränkt bleibt und (3) der Steuerpflichtige den Kredit nicht im eigenen, sondern im fremden Interesse aufgenommen hat. 37

Der BFH54 konnte bisher offenlassen, ob diese Grundsätze auch für die Neuregelung gelten. Anders als § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG (für Vertriebslizenzen) enthält § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG keine Ausnahme für die Hinzurechnung bei bloßen Durchleitungen. Bei der Weiterleitung oder Kreditvergabe an inländische verbundene Unternehmen bietet sich zur Vermeidung von Kaskadeneffekten, d.h. einer gewerbesteuerlichen Erfassung auf jeder Stufe, die Begründung einer steuerlichen Organschaft an.

38

Nur soweit § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG keine Anwendung findet, können Verbindlichkeiten zwischen einer Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern eine Hinzurechnung begründen, da nur in diesem Fall entsprechende Entgelte für Schulden bei der Ermittlung des Gewinns der Personengesellschaft abgezogen worden sind.55 Auch Schulden, die für den Erwerb eines Anteils an einer Personengesellschaft aufgenommen werden, sind angesichts der als Sonderbetriebsausgaben gewinnmindernd behandelten Entgelte unter § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG abzubilden.

39

Wie nach der bis einschließlich 2007 bestehenden Rechtslage können Schulden und die daraus entstehenden Zinsen grds. nicht mit Guthaben und dafür entstehenden Zinsen bei demselben Kreditgeber saldiert werden (Saldierungsverbot). Eine entsprechende Verrechnung von Schulden mit Guthaben bzw. aufgewandten Zinsen mit Guthabenzinsen bei demselben Kreditgeber kann nur im Ausnahmefall bei Einheitlichkeit, Regelmäßigkeit oder gleichbleibender Zweckbestimmung der Kreditgeschäfte, bei regelmäßiger Verrechnung der Konten oder dann in Betracht kommen, wenn der über ein Konto gewährte Kredit jeweils zur Abdeckung der aus dem anderen Konto ausgewiesenen Schuld verwendet wird.56

40

Die Voraussetzung „nicht nur vorübergehende Verstärkung des Betriebskapitals“ bzw. ein Zusammenhang mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb ist ab dem EZ 2008 entfallen. 2. Entgelte

41

Die unter § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG zu erfassenden Entgelte müssen, vorbehaltlich der Entgeltfiktion von § 8 Nr. 1a Satz 3 GewStG, den Gewinn gemindert haben. Besteht ein steuerliches Abzugsverbot, wie zum Beispiel in Fall der Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG), kommt insoweit eine Hinzurechnung schon dem Grunde nach nicht in Betracht.

42

Entgelte für Schulden sind nicht nur die eigentlichen Zinsen, sondern alle Leistungen, die im weitesten Sinne Gegenleistung für die Zurverfügungstellung von Fremdkapital sind. Dies sind u.a.:57 – Zinsen, auch für betriebliche Steuerschulden58 – Damnum, – Vergütungen für partiarische (gewinnabhängige) Darlehen, – Verwaltungskosten, wenn sie ihrer Höhe nach prozentual an dem Darlehensbetrag bemessen und bezogen auf die gesamte Laufzeit zu zahlen und nicht für besondere, über die Kreditvergabe hinausgehende Leistungen des Kreditgebers zu erbringen sind,59 54 BFH v. 17.7.2019 – III R 24/16, BFH/NV 2019, 2251. 55 Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 2. 56 BFH v. 10.11.1976 – I R 133/75, BStBl. II 1977, 165; H 8 Abs. 1 Saldierung von Guthaben GewStH 2016. Für ein Cash-Pooling jetzt BFH v. 11.10.2018 – III R 37/17, GmbHR 2019, 362. 57 H 8.1 Abs. 1 ABC der als Entgelt für Schulden anzusetzenden Leistungen GewStH 2016. 58 Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 24a. 59 BFH v. 9.8.2000 – I R 92/99, BStBl. II 2001, 609.

276

Hinzurechnungen | Rz. 44 § 8 GewStG

– Vorfälligkeitsentschädigungen,60 – an den Gläubiger gezahlte oder an diesen für den Kreditnehmer erkennbar weitergeleitete Kreditvermittlungsprovisionen für in Anspruch genommene Kredite, – Stundungs- und Aussetzungszinsen, soweit sie auf abzugsfähige Steuern entfallen, – Skonti/wirtschaftlich vergleichbare Vorteile, wenn diese nicht dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr entsprechen und somit der Finanzierungseffekt im Vordergrund steht, – Diskontbeträge, wenn sich diese auf den Finanzierungsanteil beziehen, – Erbbauzinsen für die Erbbaurechtsbestellung an einem bebauten Grundstück, die als Zinsanteil auf das Bauwerk entfallen und nicht aktiviert werden.61 Nicht für die Zurverfügungstellung von Fremdkapital, sondern aus einem anderen Rechtsgrund gezahlte Leistungen bzw. entstandener Aufwand sind keine Entgelte für Schulden. Dies sind u.a.:62 – Bearbeitungsgebühren, – nicht an den Gläubiger gezahlte Geldbeschaffungskosten, – Provisionen für nicht in Anspruch genommene Kredite, – Bereitstellungszinsen,63 – als Herstellungs- oder Anschaffungskosten eines Gebäudes aktivierte Bauzeitzinsen64 – sowie aktivierte Erbbauzinsen und der Anteil von Erbbauzinsen, der nach einer Erbbaurechtsbestellung an einem bebauten Grundstück als Tilgungsanteil für die Übertragung des Bauwerks einzustufen ist,65 – Währungsverluste, – Vergütungen für die Absicherung des Zinsrisikos (Zins-Swap-Geschäfte),66 – Aval-Gebühren für eine Ausfallbürgschaft,67 – Abzinsungsbeträge i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG,68 – Teilwertabschreibungen auf Kapitalschulden, auch wenn das Unternehmen im Folgenden die abgeschriebenen Forderungen zu diesem abgeschriebenen Wert verkauft,69 – Säumnis- und Verspätungszuschläge (z.B. für die Umsatzsteuer), – Negativzinsen auf Bankeinlagen sind zwar Betriebsausgaben, aber kein Entgelt für eine Schuld,70 – bestimmte Bankentgelte für gesonderte Dienstleistungen,71 – Erbbauzinsen, da sie rechtlich und wirtschaftlichen Aufwand für die Nutzung von Grund und Boden darstellen und damit unter die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG fallen.72

43

Erhält ein Unternehmen Zinszuschüsse, mindern diese den dem Grunde nach hinzurechnungspflichtigen Finanzierungsaufwand, wenn zwischen dem in Betracht kommenden

44

60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72

BFH v. 25.2.1999 – IV R 55/97, BStBl. II 1999, 73. Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 13, 32a. Vgl. H 8.1 Abs. 1 ABC der nicht als Entgelt für Schulden anzusetzenden Leistungen GewStH 2016. BFH v. 10.7.1996 – I R 12/96, BStBl. II 1997, 253. Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 13. Eine Gewinnabsetzung fehlt bereits, wenn der Aufwand in die Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts eingeht, zu § 8 Nr. 1 a.F. vgl. BFH v. 30.4.2003 – I R 19/02, BStBl. II 2004, 192. Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 13, 32a. BFH v. 4.6.2003 – I R 89/02, BStBl. II 2004, 519. BFH v. 29.3.2007 – IV R 55/05, BStBl. II 2007, 655. Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 12. Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 18. Gleichlautende Ländererlasse v. 17.11.2015, BStBl. I 2015, 896. Haase/Geils, DStR 2016, 273. Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 26.

277

GewStG § 8 Rz. 45 | Hinzurechnungen Kredit und dem gewährten Zuschuss nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern auch ursächlicher Zusammenhang besteht.73 45

Nutzungsüberlassungen, z.B. in Form eines Leasingverhältnisses, können zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Leasingnehmer führen. Im Ergebnis ist in solchen Fällen von einem Ratenkauf auszugehen, der häufig mit der Passivierung einer Kaufpreisverbindlichkeit einhergeht. Ein in der Rate enthaltener gewinnmindernd zu behandelnder Zinsanteil ist nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG hinzuzurechnen.74 3. Gewährte Skonti als Entgelt (Nr.1 Buchst. a Satz 2 Halbs. 1)

46

Nicht dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr entsprechende Skonti oder vergleichbare wirtschaftliche Vorteile sind nach § 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 Halbs. 1 GewStG hinzuzurechnen. Gewährte Skonti – ohne Umsatzsteuer – sind wirtschaftlich betrachtet Zinsen für den Zeitraum zwischen Erfüllung der Geldforderung und dem späteren Fälligkeitszeitpunkt. Bei den im Gesetz angesprochenen wirtschaftlich vergleichbaren Vorteilen muss der Grund für die Vorteilsgewährung auch in der Zahlung vor Fälligkeit liegen. Ein Preisnachlass aus anderen Gründen, z.B. im Rahmen von Werbemaßnahmen, wegen mangelhafter Lieferung, als Treuerabatt oder im Zusammenhang mit einem Räumungsverkauf kann nicht zu einer gewerbesteuerlichen Hinzurechnung führen.

47

Die Auffassung der Finanzverwaltung,75 dass sich zum einen die Geschäftsunüblichkeit sowohl auf die Höhe des Skontos als auch auf die gewährte Zahlungsfrist bezieht und zum anderen nicht nur der über die übliche Vorteilsgewährung hinausgehende Betrag, sondern der volle Abschlag als Finanzierungselement zu erfassen ist, ist umstritten.76 Für eine Beschränkung der Hinzurechnung auf den unüblichen Anteil fehlt eine entsprechende sprachliche Begrenzung durch das Wort „soweit“. Im Zusammenhang mit Versicherungsbeiträgen als Schuld wird ein Hinzurechnungstatbestand beim Versicherungsnehmer nicht dadurch ausgelöst, dass er an Stelle von Monatsraten einen betragsmäßigen geringeren Jahresbeitrag oder an Stelle des fälligen Jahresbeitrags die Versicherungsprämie in betragsmäßig höheren monatlichen Anteilen entrichtet.77 4. Diskontbeträge als Entgelt (Nr.1 Buchst. a Satz 2 Halbs. 2)

48

Diskontbeträge, die bei der Veräußerung von Wechsel- und/oder der Veräußerung von anderen Geldforderungen anfallen, werden von § 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 Halbs. 2 GewStG erfasst. Es handelt sich wirtschaftlich um mit Schuldentgelten vergleichbare Vorgänge, da durch die Hinzuführung von liquiden Mitteln vor Fälligkeit ein den Schuldentgelten entsprechender Aufwand in Kauf genommen wird. Abschläge für Wertermittlungskosten oder vergleichbare Gebühren (z.B. Risikoprämie) sind nicht als Entgelt der vorzeitigen Finanzausstattungen zuzuordnen, sondern vergüten andere Leistungselemente. Sie sind daher nicht im Rahmen der Hinzurechnung zu erfassen. Wie bei der Veräußerung von Forderungen aus schwebenden Geschäften (§ 8 Abs. 1 Buchst. a Satz 3 GewStG) kann auch außerhalb von schwebenden Geschäften ein Forderungsabschlag, der sich aus der mangelnden Bonität des Schuldners herleitet, nicht als hinzurechnungspflichtiger Diskontbetrag erfasst werden.

73 74 75 76 77

278

BFH v. 4.2.1976 – I R 203/73, BStBl. II 1976, 551. Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 8 f. Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 16. Köster in Lenski/Steinberg, § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG Rz. 161 m.w.N. Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 10, 16.

Hinzurechnungen | Rz. 52 § 8 GewStG

5. Entgelt im Zusammenhang mit der Veräußerung von Forderungen aus schwebenden Geschäften (Nr. 1 Buchst. a Satz 3) § 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 GewStG enthält eine Entgeltsfiktion im Zusammenhang mit der Veräußerung von Forderungen aus schwebenden Geschäften. Hauptanwendungsbereich dieser Regelung sind Forderungsverkäufe im Rahmen der echten Forfaitierung (auch Factoring), die von der unechten Forfaitierung abzugrenzen ist. Bei der Erstgenannten geht das Ausfallrisiko mit dem Forderungsverkauf in voller Höhe auf den Käufer über, während bei der Zweitgenannten das Ausfallrisiko beim Verkäufer verbleibt.

49

Im Fall der unechten Forfaitierung begründet der Veräußerer der Forderung, anders als im Fall der echten Forfaitierung, im Zeitpunkt des Zugangs des Kaufpreises eine Verbindlichkeit i.H.d. Nennwertes der verkauften Forderungen. Gleichzeitig grenzt er den Differenzbetrag zwischen dem eingegangenen Kaufpreis und der Verbindlichkeit wirtschaftlich als aufgewendetes Entgelt für die vorzeitige Zuführung von liquiden Mitteln durch einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten auf die Laufzeit des schwebenden Geschäfts ab. Angesichts der bilanzsteuerrechtlichen Behandlung als Darlehensverhältnis und einer gewinnmindernden linearen Auflösung des Rechnungsabgrenzungspostens als Entgeltsersatz bedarf es in diesem Fall keiner Entgeltfiktion. Die Auflösung des Rechnungsabgrenzungspostens, soweit der Aufwand nicht wie bei Diskonterträgen z.B. auf Wertermittlungskosten entfällt, ist daher unmittelbar unter § 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 GewStG zu erfassen.

50

Die echte Forfaitierung bedarf hingegen der Entgeltfiktion nach § 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 GewStG. Die Fiktion besteht darin, dass die Differenz zwischen dem Wert der Forderung aus dem schwebenden Vertragsverhältnis, wie ihn die Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Veräußerung zugrunde gelegt haben, und dem vereinbarten Veräußerungserlös als bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt gilt. Wegen des Übergangs des Ausfallrisikos fehlt es in der steuerlichen Gewinnermittlung an einem gewinnmindernden Zinsaufwand. Bilanzsteuerlich wird lediglich der erhaltene Forfaitierungserlös in einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten eingestellt und auf die Laufzeit des schwebenden Geschäfts abgegrenzt. Aufwandsbuchungen auf der Seite des Erlösempfängers fallen nicht an. Die Entgeltfiktion bewirkt, dass der Nennwert der Forderungen aus dem schwebenden Geschäft, vermindert um einen Abschlag für das Ausfallrisiko und von z.B. Wertermittlungsgebühren (= Wert der Forderung, den die Vertragsparteien im Zeitpunkt der Veräußerung zugrunde legen), als Finanzierungsbestandteil behandelt wird, soweit er den Veräußerungspreis übersteigt. Da sich dieser Finanzierungsbestand auf die gesamte Laufzeit des schwebenden Geschäfts bezieht, bedarf es über den Wortlaut von § 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 GewStG noch einer – linearen – Verteilung der fiktiven Finanzierungsanteile auf die Laufzeit des schwebenden Geschäfts.78

51

Auch bis einschließlich 2007 waren bei einer echten Forfaitierung von Ansprüchen aus schwebenden Geschäften die Erlöse in einen Rechnungsabgrenzungsposten einzustellen und auf die Dauer des schwebenden Geschäfts gewinnerhöhend aufzulösen. Eine Dauerschuld ergab sich in diesem Zusammenhang für den Erlösempfänger nicht, so dass auch keine Dauerschuldentgelte hinzuzurechnen waren.79 Insofern unterbleibt auch ab 2008 eine Hinzurechnung von Ansprüchen aus schwebenden Geschäften bei einer echten Forfaitierung vor dem 1.1.2008.80

52

Beispiel 1 (echte Forfaitierung) 81: Die V-GmbH überlässt der S-GmbH am 1.1.01 ein Grundstück zur Miete. Der Mietvertrag ist bis zum 31.12.10 befristet. Der jährlich auf den 1.1. im Voraus zu entrichtende Mietzins beträgt 1 Mio. €. Die V-GmbH verkauft sämtliche Mietzinsansprüche aus dem Vertragsverhältnis am 30.12.01 an die K-GmbH und tritt sie mit sofortiger Wirkung ab. Das Ausfallrisiko geht auf die K-GmbH über. Der Kaufpreis für die Forderung beträgt 7,5 Mio. €. Von dem Differenz-

78 79 80 81

Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 21. BMF v. 9.1.1996 – IV B 2 – S 2170/135/95, BStBl. I 1996, 9. Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 22. Vgl. Rz. 23 ff. der gleichlautenden Ländererlasse v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 730.

279

GewStG § 8 Rz. 53 | Hinzurechnungen betrag zum Nennwert der Forderung (9 Mio. € abzgl. 7,5 Mio. € = 1,5 Mio. €) entfallen nachweislich 10.000 € auf Wertermittlungskosten und 300.000 € auf die Risikoübernahme. Lösung Es handelt sich um eine echte Forfaitierung. Bei der V-GmbH ist der Forfaitierungserlös mittels eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens auf die Jahre 02–10 linear zu verteilen.82 Ein gewinnmindernder Zinsaufwand i.H.d. Differenz zwischen dem Nennwert der abgetretenen Forderung und dem erzielten Verkaufserlös ist bei der V-GmbH bilanzsteuerrechtlich nicht zu erfassen. Gleichwohl ist der Differenzbetrag abzgl. der Wertermittlungsgebühren und der Risikoprämie i.H.v. 1,19 Mio. € (1,5 Mio. € abzgl. 10.000 € und abzgl. 300.000 €) nach § 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 GewStG bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages zu erfassen, und zwar linear verteilt auf die Restlaufzeit des schwebenden Vertrags (hier auf die Jahre 02–10). Beispiel 2 (unechte Forfaitierung): Die V-GmbH überlässt der S-GmbH am 1.1.01 ein Grundstück zur Miete. Der Mietvertrag ist bis zum 31.12.10 befristet. Der jährlich auf den 1.1. im Voraus zu entrichtende Mietzins beträgt 1 Mio. €. Die V-GmbH verkauft sämtliche Mietzinsansprüche aus dem Vertragsverhältnis am 30.12.01 an die K-GmbH und tritt sie mit sofortiger Wirkung ab. Das Ausfallrisiko verbleibt bei der V-GmbH. Der Kaufpreis für die Forderung beträgt 7,8 Mio. €. In dem Differenzbetrag zum Nennwert (9 Mio. € abzgl. 7,8 Mio. € = 1,2 Mio. €) sind Wertermittlungskosten i.H.v. 10.000 € enthalten. Lösung Bilanzsteuerrechtlich handelt es sich um eine Darlehensaufnahme durch die V-GmbH (Buchungssatz: Bank 7,8 Mio. € und aktive RAP 1,2 Mio. € an Verbindlichkeiten 9 Mio.). Gewerbesteuerrechtlich kommt es zu einer Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 GewStG. Der aus der Auflösung des aktiven Rechnungsabgrenzungspostens resultierende jährliche Aufwand ist bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages anzusetzen, soweit er nicht auf die Wertermittlungskosten entfällt.

6. Nachträgliche Minderungen 53

Zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung ist bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der Gewinn um jene Erträge zu mindern, welche bereits mit Bildung der Rückstellung oder bei ihrer Entrichtung nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet worden sind. Der notwendige Ausgleich vollzieht sich im Rahmen des § 7 Satz 1 GewStG.83 7. Schulden bestimmter Finanzunternehmen (§ 19 GewStDV)

54

§ 19 GewStDV84 beruht auf der Verordnungsermächtigung in § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e und f GewStG und betrifft eine Ausnahme der Hinzurechnung lediglich für Entgelte für Schulden i.S.d § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG.85 Andere Refinanzierungsinstrumente sind nicht begünstigt. Gem. Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG können durch Gesetz die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierung ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt sein (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG). Der Verordnungsgeber ist an die ihm durch Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG gezogen Grenzen gebunden. Die Auslegung der Verordnung hat sich am Inhaltszweck und Umfang der Ermächtigung zu orientieren. Sind mehrere Auslegungen der Verordnung möglich, so kann nur diejenige rechtens sein, die sich in diesen Grenzen bewegt.86

55

Kreditinstitute (und vergleichbare Unternehmen) i.S.d. § 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 KWG müssen gem. § 19 GewStDV keine gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Entgelten für Schulden vornehmen (sog. Bankenprivileg, § 19 Abs. 1 GewStDV), wenn die Summe 82 83 84 85

BMF v. 9.1.1996, BStBl. I 1996, 9. Vgl. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG Rz. 23. BGBl. I 2020, 1495. Krit. zum engen Anwendungsbereich Pohl, DStRK 2019, 170; zum Bankenprivileg näher Leucht/ Jesic, Ubg 2022, 14. 86 BFH v. 10.2.1987 – VIII R 257/81, BFH/NV 1997, 391.

280

Hinzurechnungen | Rz. 61 § 8 GewStG

der Wertansätze bestimmter Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens das Eigenkapital nicht überschreitet. In diesen Fällen dient aufgenommenes Kapital im Ergebnis nicht der Finanzierung des nicht in Forderungen bestehenden eigenen Vermögens. Kreditinstitute werden dadurch in die Lage versetzt, als Durchlaufstellen des Geld- und Kreditverkehrs für geschäftliche Zwecke Schulden aufzunehmen, ohne hieraus eine gewerbesteuerrechtliche Belastung hinnehmen zu müssen.87 Mit der Steuerbegünstigung bezweckt der Gesetzgeber eine Entlastung der Kreditinstitute, um der wirtschafts-, kredit- und währungspolitischen Funktion des Bankgewerbes angemessen Rechnung zu tragen; daneben dürfte von Bedeutung gewesen sein, dass bei Banken der Fremdmitteleinsatz typischerweise besonders groß ist.88 Es muss sich um Kreditinstitute i.S.d. § 1 Abs. 1 KWG handeln. Keine Kreditinstitute sind die Unternehmen i.S.d. § 2 Abs. 1 KWG. Die Voraussetzungen nach Absatz 1 und 2 des § 19 GewStG sind nachzuweisen.

56

Für die bei der Auslegung des § 19 Abs. 1 GewStDV anhand des Sinn und Zwecks der Ermächtigungsnorm des §§ 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst e GewStG zu entscheidende Frage, ob es sich bei den jeweiligen Steuerpflichtigen um ein im Wesentlichen an Geld- und Kreditverkehr ausgerichtetes Unternehmen handelt, ist auf die Gesamttätigkeit des Unternehmens abzustellen und nicht allein auf die in § 19 Abs. 2 GewStDV enthaltene zusätzliche Voraussetzung, dass die Aktivposten aus Bankgeschäften und dem Erwerb von Geldforderungen die Aktivposten aus anderen Geschäften überwiegen müssen.89 Eine Konzernfinanzierungsgesellschaft, die wesentlich darauf gerichtet ist, andere Dienstleistungen zu erbringen, ist kein Kreditinstitut.90 Die Entscheidung betrifft Fälle bis einschließlich EZ 2020.

57

Die Fünfte Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen v. 25.6.202091 hat in § 19 Abs. 1 Satz 1 GewStDV einen Verweis auf § 2 Abs. 1 KWG aufgenommen. Die Regelung gilt ab EZ 2021. Danach können die dort aufgeführten Unternehmen, die nicht der Bankenaufsicht unterliegen, das Bankenprivileg nicht (mehr) beanspruchen. Dazu gehören nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 KWG auch Konzernfinanzierungsgesellschaften.

58

§ 19 Abs. 3 und Abs. 4 GewStDV dehnen die Begünstigung unter den dort genannten Voraussetzungen auf weitere, bankenähnliche Gewerbebetriebe und deren Tätigkeiten ausgedehnt.92 Gleichgestellt sind nach Absatz 3 Pfandleihunternehmen, bestimmte Zweckgesellschaften und Verbriefungsgesellschaften.

59

Begünstigt sind zudem nach Absatz 4 bestimmte Finanzdienstleistungsinstitute i.S.d. § 1 Abs. 1a KWG, sog. Zahlungsinstitute i.S.d. ZAG und neuerdings ab EZ 2021 auch sog. Wertpapierinstitute i.S.d. § 2 Abs. 1 Wertpapierinstitutsgesetzes.93 Die Regelung gilt zwar auch für bestimmte Leasinggesellschaften, die Finanzdienstleistungsunternehmen i.S.d. § 1 Abs. 1a Nr. 10 KWG sind. Sie ist aber nach Auffassung des BFH94 dahingehend nicht erweiternd auszulegen, dass sie nicht alle Finanzierungsbestandteile des § 8 Nr. 1 GewStG umfasst. Im Streitfall waren Leasingraten i.S.d. § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG betroffen und nicht Entgelte für Schulden.

60

Zahlungsinstitute sind Zahlungsdienstleister i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZAG. Zahlungsdienstleister (englisch: Payment-Service-Provider) sind gewerbliche Unternehmen, die sich um die technische Anbindung von Online-Bezahlmethoden bei Onlineshops kümmern.

61

87 88 89 90 91 92 93 94

BFH v. 30.7.1969 – I R 80/66, BStBl. II 1969, 304. BVerfG v. 12.10.1976 – 1 BvR 197/73, BVerfG 42, 374 (385). FG Hess. v. 26.8.2020 – 8 K 622/19, EFG 2020, 1856, Rev. BFH III R 55/20. So FG Hess. v. 26.8.2020 – 8 K 622/19, EFG 2020, 1856, Rev. BFH III R 55/20; näher Kraft/Hohage, Ubg 2021, 401; zu Konzernfinanzierungsgesellschaften als Kreditinstitute BFH v. 6.12.2016 – I R 79/15, BStBl. II 2019, 173. I.d.F v. 25.6.2020, BGBl. I 2020, 1495. Wegen Einzelheiten R/H 8.8 und 8.9 GewStR/GewStH 2009/2016. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2034 über die Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 990, dort auch zur Anpassung des § 35c GewStG. BFH v. 11.12.2016 – III R 23/16, BFH/NV 2019, 640.

281

GewStG § 8 Rz. 62 | Hinzurechnungen Beispiele sind PayPal, Sofortüberweisung oder Kreditkartenanbieter. Die nach Absatz 4 begünstigten Unternehmen müssen nicht die Nachweispflichten gem. § 19 Abs. 2 GewStDV erfüllen. 62

Voraussetzung für die Ausnahmen von der Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG ist, dass die Schuldentgelte „unmittelbar“ auf die entsprechenden Dienste entfallen. Unmittelbarkeit setzt kein strenges kausales Verständnis voraus.95 Vielmehr genügt ein Veranlassungszusammenhang zwischen Schuldzins und Finanzdienstleistung. Weitere Voraussetzung ist jeweils, dass diese Unternehmen mindestens 50 % Finanzdienstleistungen bzw. bestimmte Zahlungsdienstleistungen erbringen.

63

Die Regelung differenziert nicht nach der Rechtsform des gewerblichen Unternehmens. Schuldzinsen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb einer mitunternehmerischen Beteiligung an einem Finanzdienstleistungsinstitut, das ausschließlich staatlich nach dem KWG beaufsichtigte Finanzdienstleistungen erbringt, vom Mitunternehmer geleistet werden, sind nach § 19 Abs. 4 GewStDV von der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG ausgenommen.96

II. Renten und dauernde Lasten (Nr. 1 Buchst. b) 1. Begriff der Renten, dauernden Lasten 64

Diese betrieblich veranlassten Aufwendungen werden den Schuldentgelten gleichgestellt, da sie ähnlich wie diese Entgeltanteile für die Überlassung von Kapital an den Gewerbebetrieb enthalten. Wird z.B. der Erwerb eines Gewerbebetriebs durch die Übernahme einer Rentenverpflichtung gegenüber dem Verkäufer finanziert, so substituiert die Versorgungslast ebenso fehlendes Eigenkapital wie ein Kredit.97

65

Renten und dauernde Lasten sind Aufwendungen, die nach dem Einkommensteuerrecht (angesprochen in den §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1a und 22 Nr. 1 EStG) als solche zu qualifizieren sind. Renten und dauernden Lasten (s. § 22 EStG Rz. 25 ff.) ist gemeinsam, dass sie aufgrund eines besonderen Verpflichtungsgrunds auf Lebenszeit oder für einen längeren Zeitraum (i.d.R. mindestens zehn Jahre) gezahlt werden. Der besondere Verpflichtungsgrund ist grds. von einer Verpflichtung aus einem Schuldverhältnis i.S.v. § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG bzw. von Nutzungsverhältnissen i.S.v. § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG abzugrenzen. Renten müssen gleichmäßig gezahlt werden. Sie dürfen nur in Geld und vertretbaren Sachen bestehen. Dauernde Lasten können, anders als Renten, auch in unregelmäßigen Zeitabständen und in wechselnder Höhe gezahlt werden.

66

Bei Dienstleistungen oder einem Wohnrecht kommt nur eine dauernde Last in Betracht. Kaufpreisraten – unter Stundungsgesichtspunkten nach Dauer und Höhe von vornherein bestimmten Teilzahlungen auf einen bestimmten Kaufpreis – sind keine Renten und dauernde Lasten, sondern werden im Zusammenhang mit Schulden i.S.v. § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG gezahlt. Bei Leibrenten (Abhängigkeit vom Leben einer Person) ist die Abgrenzung gegenüber Kaufpreisraten unproblematisch. Zeitrenten und Kaufpreisraten können hingegen nicht immer eindeutig voneinander abgegrenzt werden. Da die in unverzinslichen Kaufpreisraten enthaltenen Finanzierungsanteile angesichts gleicher Bewertungsmethoden den Finanzierungsanteilen nominell identischer Zeitrentenzahlungen entsprechen und mit der Unternehmenssteuerreform 2008 die Finanzierungsanteile im Zusammenhang mit Kapitalschulden und Zeitrenten gewerbesteuerrechtlich gleichbehandelt werden, ist eine entsprechende Unterscheidung für die Höhe der Gewerbesteuer zukünftig ohne Bedeutung.

95 BFH v. 16.7.2020 – IV R 30/18, DB 2021, 406. 96 BFH v. 16.7.2020 – IV R 30/18, DB 2021, 406; im Entscheidungsfall war noch offen, ob eine atypisch stille Beteiligung vorlag. 97 Graw in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 8 Nr. 1 Buchst. b GewStG Rz. 1.

282

Hinzurechnungen | Rz. 72 § 8 GewStG

Erbbauzinsen fallen nicht unter § 8 Nr. 1 Buchst. b GewStG, sondern im Regelfall unter § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG.98

67

Ebenso wie bei Schulden i.S.v. § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG kommt es ab dem EZ 2008 auch bei Renten und dauernden Lasten nicht mehr auf den Zusammenhang mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb an. Betriebliche Zweckbestimmung, Entstehungsgrund und Person des Zahlungsempfängers sind, vorbehaltlich der Regelung in Satz 2, ohne Bedeutung. Ebenfalls entfallen ist das in § 8 Nr. 2 Satz 2 GewStG a.F. enthaltene Korrespondenzprinzip, wonach die Hinzurechnung unterblieb, wenn die Beträge beim Empfänger gewerbesteuerpflichtig waren.

68

2 Pensionszahlungen aufgrund einer Direktzusage des Arbeitgebers Nicht als Hinzurechnung erfasst werden nach § 8 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 Pensionszahlungen auf Grund von unmittelbaren Versorgungszusagen des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer (sog. Direktzusagen). Die Regelung fördert die betriebliche Altersversorgung, indem insoweit eine Belastung mit Gewerbesteuer vermieden wird.

69

Für andere Formen der betrieblichen Altersversorgung sieht das Gesetz keine entsprechende Entlastung vor. Die Finanzverwaltung99 nimmt jedoch über den Gesetzeswortlaut hinaus auch für Aufwendungen des Arbeitgebers oder eines nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG Verpflichteten für Zusagen über eine Direktversicherung, eine Pensionskasse, einen Pensionsfonds oder eine Unterstützungskasse keine Hinzurechnung vor. Mit dem Hinweis auf § 17 BetrAVG (Geltungsumfang auch für Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, wenn ihnen Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind) wird dabei der Kreis der begünstigen Zusageempfänger auch auf Gesellschafter-Geschäftsführer als Nichtarbeitnehmer ausgedehnt.

70

3. Umfang der Hinzurechnung In welchem Umfang Renten oder dauernde Lasten vor Anwendung des Freibetrags für Finanzierungsbestandteile und der sich daran anschließenden Kürzung auf 25 % dem Gewinn nach § 8 Nr. 1 Buchst. b GewStG hinzugerechnet werden, hängt davon ab, in welcher Höhe sie sich gewinnmindernd ausgewirkt haben. Bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ist es aus Vereinfachungsgründen zulässig, Rentenzahlungen für die Anschaffung von Anlagevermögen nach Überschreiten des Rentenbarwerts in voller Höhe gewinnmindernd zu berücksichtigen. Ohne eine Anbindung an Anlagevermögen sind Rentenzahlungen bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG stets in voller Höhe Betriebsausgaben.

71

Bei einer Gewinnermittlung durch Bestandsabgleich kommt es zu einem vollen Abzug der Rentenzahlungen bei der Gewinnermittlung, wenn für die Rentenverpflichtung bzw. dauernde Last keine Passivierungspflicht besteht. Im Regelfall besteht eine Passivierungspflicht i.H.d. Rentenbarwerts. Gewinnmindernd wirkt sich dann die Rentenzahlung nur aus, soweit sie die Minderung des Rentenbarwerts übersteigt. Nur insoweit kann es zu einer Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. b GewStG kommen. Erhöht sich eine Rentenverpflichtung infolge einer Wertsicherungsklausel, so sind auch die durch Wirksamwerden der Klausel erhöhten gewinnwirksam behandelten Rentenanteile hinzuzurechnen. Der Aufwand, der durch die Erhöhung des Passivpostens Rentenverbindlichkeit in der Bilanz entsteht, ist selbst keine Rente oder dauernde Last und darf daher nicht nach § 8 Nr. 1

72

98 H 8.1 Abs. 2 Erbbauzinsen GewStH 2016; BFH v. 3.7.2007 – I R 60/06, BStBl. II 2007, 654; gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 26, 32, 32a. 99 Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 27.

283

GewStG § 8 Rz. 73 | Hinzurechnungen Buchst. b GewStG hinzugerechnet werden.100 Der durch den Wegfall der Verpflichtung entstehende außerordentliche Ertrag berührt den hinzuzurechnenden Betrag nicht.101

III. Gewinnanteile des stillen Gesellschafters (Nr. 1 Buchst. c) 1. Stille Gesellschaft 73

Die stille Gesellschaft ist als eine hergebrachte Finanzierungsform ein Dauerschuldverhältnis, das typischerweise auf die langfristige Inanspruchnahme von Fremdkapital ausgelegt ist.102 Da der Gewinnanteil des stillen Gesellschafters in dem steuerpflichtigen Gewerbebetrieb erwirtschaftet wurde, dient seine Hinzurechnung der Ermittlung des objektiven – von den Beziehungen des Inhabers losgelösten – Gewerbeertrags i.S.d. Objektsteuerprinzips.103

74

Der Begriff der stillen Gesellschaft in § 230 HGB ist im GewStG zum Teil weiter auszulegen als im Handelsrecht. Es genügt die Beteiligung an einem Gewerbe. Die Beteiligung an einem Handelsgewerbe ist nicht Voraussetzung.104

75

Eine stille Gesellschaft i.S.d. § 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG ist gegeben, wenn sich ein stiller Gesellschafter am Gewerbebetrieb des tätigen Gesellschafters mit einer Vermögenseinlage beteiligt, die dadurch entstehende Innengesellschaft einen gemeinsamen Zweck verfolgt und der stille Gesellschafter am Gewinn beteiligt ist. Der stille Gesellschafter kann auch Unterbeteiligter an einem Anteil am Betrieb sein.105

76

Stiller Gesellschafter i.S.d. § 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG ist dabei nur der typische stille Gesellschafter. Die Gewinnanteile des atypischen stillen Gesellschafters sind Gewinnanteile eines Mitunternehmers und mindern den Gewinn und damit den Gewerbeertrag nicht.

77

Auch Personen, die ihre Einlage in Form ihrer Arbeitskraft erbringen, können stille Gesellschafter sein.106 Eine nach außen in ein Angestelltenverhältnis gekleidete Rechtsbeziehung kann daher tatsächlich eine stille Gesellschaft sein und damit eine Kürzung nach § 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG i.H.d. vermeintlichen Arbeitsentgelte auslösen.

78

Ähnlichkeit mit einer stillen Gesellschaft reicht nicht aus, um gewinnabhängige Zinsen und Vergütungen aus partiarischen Darlehen oder Miet- und Pachtverhältnissen nach § 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG zu erfassen.

79

Die Abgrenzung zu einem partiarischen Darlehen ist oftmals schwierig. Die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses durch die Parteien ist nicht ausschlaggebend. Maßgebend ist vielmehr, ob die getroffenen vertraglichen Regelungen einen gemeinsam verfolgten Zweck der Parteien erkennen lassen. Dabei ist insb. zu prüfen, ob der Vertragspartei nennenswerte Kontroll- und Mitspracherechte eingeräumt werden. Bei einem Zustimmungsvorbehalt zu Entscheidungen über die Änderung des Unternehmensgegenstandes, die vollständige oder teilweise Einstellung des Gewerbebetriebes, die Veräußerung oder Verpachtung des Unternehmens oder eines Teils des Unternehmens sowie über die Änderung der Rechtsform des Unternehmens geht die Rechtsprechung in Abgrenzung zum partiarischen Darlehen von einer stillen Beteiligung aus.107 Im Ergebnis ist die Abgrenzung zwischen partiarischem Darlehen und stiller Beteiligung für gewerbesteuerliche Zwecke ab dem EZ 2008 praktisch entbehrlich. Der bis dahin bestehende Unterschied in der Höhe des gewerbesteuerrechtlichen Ansatzes – Zinsen für ein partiarisches Darlehen waren, anders als nach heutiger 100 101 102 103 104 105 106 107

284

BFH v. 12.11.1975 – I R 135/73, BStBl. II 1976, 297. R 8.1 Abs. 2 Satz 3 GewStR 2009. BFH v. 14.6.2005 – VIII R 53/03, BFH/NV 2005, 2183. Graw in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG Rz. 1. BFH v. 7.12.1983 – I R 144/79, BStBl. II 1984, 373. BFH v. 8.10.1970 – IV R 196/69, BStBl. II 1971, 59. BFH v. 7.12.1983 – I R 144/79, BStBl. II 1984, 373. BFH v. 19.10.2005 – I R 48/04, BStBl. II 2006, 334.

Hinzurechnungen | Rz. 83 § 8 GewStG

Rechtslage, nach § 8 Nr. 1 GewStG a.F. nur mit 50 % zu erfassen, während sich die Hinzurechnung bei stillen Gesellschaften auf den vollen Gewinnanteil bezog – ist mit der gesetzlichen Neuregelung entfallen. 2. Gewinnanteile Gewinnanteile des stillen Gesellschafters sind alle gewinnabhängigen Leistungen, die der stille Gesellschafter erhält und die nach den Vorstellungen der Beteiligten an der stillen Gesellschaft den Charakter einer Gegenleistung für die vom stillen Gesellschafter in Erfüllung des Gesellschaftsverhältnisses erbrachten Leistungen haben. Als Gewinnanteile des stillen Gesellschafters i.S.d. § 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG sind auch solche Beträge anzusehen, die der Inhaber des Gewerbebetriebs für einen nach Beendigung der stillen Gesellschaftsverhältnisse zu leistenden Geldwertausgleich bei der Ermittlung seines Gewinns abgesetzt hat.108

80

Ein auch unter § 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG zu erfassender, vom stillen Gesellschafter zu tragender verlustmindernder (= gewinnerhöhender) Verlustanteil ist als negativer Hinzurechnungstatbestand von den anderen Hinzurechnungen des § 8 Nr. 1 EStG abzuziehen. Wird die Summe der Finanzierungsanteile dadurch negativ, kommt nach Auffassung der Finanzverwaltung109 eine „negative Hinzurechnung“ nicht in Betracht. Die Rechtsprechung110 lässt dagegen eine solche negative Hinzurechnung hier zu.

81

Ab dem EZ 2008 wird die Hinzurechnung von Gewinnanteilen des stillen Gesellschafters auch vorgenommen, wenn die Zahlungen beim Empfänger der Gewerbesteuer unterliegen (Wegfall des Korrespondenzprinzips).

82

Beispiel zu § 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG: A betreibt im Inland eine Vielzahl von Imbissstuben als einen einheitlichen Gewerbebetrieb. Seine Schwester B ist als typische stille Gesellschafterin an dem Gewerbebetrieb des A beteiligt. Für das Jahr 01 entfällt auf die stille Beteiligung ein Gewinnanteil von 20.000 € (von A in 01 gewinnmindernd berücksichtigt) bzw. ein Verlustanteil von 10.000 € (von A in 01 verlustmindernd berücksichtigt). Die Summe der Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG vor Abzug des Freibetrags von 100.000 € (bis 2019, ab 2020: 200.000 €) und der abschließenden Einkürzung auf 25 % beträgt ohne Berücksichtigung des von der stillen Gesellschafterin übernommenen Gewinn- bzw. Verlustanteils 250.000 €. Bei einem Gewinnanteil der stillen Gesellschafterin von 20.000 € ermittelt sich die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG wie folgt: 250.000 € + 20.000 € = 270.000 € ./. 100.000 € = 170.000 € × 25 % = 42.500 € Bei einem von der stillen Gesellschafterin übernommenen Verlustanteil i.H.v. 10.000 € ermittelt sich die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG wie folgt: 250.000 € ./. 10.000 € = 240.000 € ./. 100.000 € = 140.000 € × 25 % = 35.000 €

IV. Ein Fünftel der Miet- und Pachtzinsen für bewegliche Wirtschaftsgüter (Nr. 1 Buchst. d) 1. Regelungszweck § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG will den Gewerbebetrieb, der bewegliche Wirtschaftsgüter eines anderen anstelle von eigenem Anlagevermögen nutzt, in seiner Gewerbesteuerbelastung dem Gewerbebetrieb angleichen, der gleiche eigene Wirtschaftsgüter nutzt. Dabei geht der Gesetzgeber von der Annahme aus, dass AfA und anderer Aufwand (ohne Finanzierungskosten) bei den eigenen beweglichen Wirtschaftsgütern in etwa 80 % der Miete bzw. Pacht für entsprechende fremde Wirtschaftsgüter entsprechen. Dadurch er-

108 BFH v. 1.6.1978 – IV R 139/73, BStBl. II 1978, 570. 109 R 8.1 Abs. 3 Satz 2 f. GewStR 2009. 110 BFH v. 1.10.2015 – I R 4/14, BFH/NV 2016,145; v. 28.1.2016 – I R 15/15, BStBl. II 2017, 62.

285

83

GewStG § 8 Rz. 84 | Hinzurechnungen klärt sich die nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG vorzunehmenden Hinzurechnung i.H.v. 20 % der Miet- und Pachtzinsen. 84

Die Regelung des § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG ist generell verfassungsgemäß.111 Der BFH112 hat dem Gesetzgeber hier einen sehr weitgehenden Freiraum für die Typisierung der Hinzurechnungen eingeräumt.

85

Sie verstößt auch nicht insoweit gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass Miet- oder Pachtaufwendungen, die ohne das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG nach § 255 Abs. 2 und 2a HGB Herstellungskosten immaterieller Wirtschaftsgüter wären, die bereits im Jahr der Herstellung aus dem Anlagevermögen ausscheiden, nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG hinzugerechnet werden, obwohl eine Hinzurechnung bei der Herstellung materieller Wirtschaftsgüter unterbleiben würde.113

86

Im Hinblick auf die unterschiedlichen Hinzurechnungsquoten von Buchst. d (bewegliche Wirtschaftsgüter) und Buchst. e (unbewegliche Wirtschaftsgüter) sind beide Vorschriften genau abzugrenzen. Gemeinsamkeiten bestehen allerdings bei den Tatbestandsmerkmalen beider Regelungen, die nicht nur gleiche Worte und Begriffe benutzen, sondern auch insoweit gleich auszulegen sind. Allerdings sind Zinsanteile und die unterschiedliche fiktiven Zinsanteile kaum erklärbar und eher frei gegriffen.114 Abgrenzungsfragen bestehen etwa bei Betriebsvorrichtungen.

87

Die Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG verfolgen ebenso wie die anderen Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG auch denselben Zweck, Fremdkapitalkosten aus der gewerbesteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage zu entfernen, um eine einheitliche Bemessungsgrundlage für mit Fremd- und Eigenkapital finanzierte Unternehmen zu schaffen.115 Damit folgt die Gewerbsteuer nicht einem Leistungsfähigkeitsprinzip im Sinne des objektiven Nettoprinzips, sondern einer am sog. Objektsteuerprinzip ausgerichteten typisierten Leistungsfähigkeit. Besteuert wird danach im Einzelfall auch ein Unternehmen mit gemietetem Anlagevermögen, das bei Nutzung eigenen Vermögens einen Verlust erzielt und keine Gewerbesteuer zu tragen gehabt hätte.

88

Gegenüber den bis einschließlich 2007 in § 8 Nr. 7 GewStG a.F. enthaltenen Regelungen, die sich auf die Nutzung aller Wirtschaftsgüter mit Ausnahmen von Grundbesitz – und damit z.B. bei einem klar für die Benutzung des Geschäftswertes vereinbarten anteiligen Pachtzins auch auf immaterielle Wirtschaftsgüter – bezog, umfasst § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG nunmehr nur noch die Nutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern einschließlich des Leasings. Für die Nutzungsüberlassung von unbeweglichen Wirtschaftsgüter, bislang kein Fall einer Hinzurechnung, und für die Überlassung von Rechten wurden eigene Tatbestände geschaffen (§ 8 Nr. 1 Buchst. e und Buchst. f GewStG). Insb. die Abgrenzung zwischen beweglichen und den nunmehr auch von Hinzurechnungen berührten unbeweglichen Wirtschaftsgütern ist weiterhin von Bedeutung, da sich die jeweils gesetzlich fingierten Finanzierungsanteile der Nutzungsentgelte unterscheiden. Im Zusammenhang mit immateriellen Wirtschaftsgütern kann sich ab 2008 nur unter den Voraussetzungen des § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG (Überlassung von Rechten) eine gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung ergeben.

89

Ab dem EZ 2009 ist im Zusammenhang mit Miet- und Pachtverträgen das Korrespondenzprinzip entfallen. Eine Hinzurechnung erfolgt nunmehr auch dann, wenn der Vermieter, Verpächter und Leasingnehmer mit dem Nutzungsentgelt der Gewerbesteuer unterliegt.

111 BFH v. 16.1.2014 – I R 21/12, BStBl. II 2014, 347; v. 12.11.2020 – III R 38/17, DStR 2021, 1473 112 BFH v. 14.6.2018 – III R 35/15, BStBl. II 2018, 662, Verfassungsbeschwerde BVerfG 1 BvR 2150/18; BFH v. 18.12.2019 – III R 33/17, BFH/NV 2020, 781. 113 BFH v. 12.11.2020 – III R 38/17, DStR 2021, 1473. 114 Ähnlich Nöcker, FR 2021, 867. 115 Wendt, FR 2019, 1152.

286

Hinzurechnungen | Rz. 94 § 8 GewStG

Im Fall der Weitervermietung von beweglichen Wirtschaftsgütern mindern die erzielten Mieterträge nicht den im Rahmen der Hinzurechnung zu erfassenden Mietaufwand.116

90

Auch diese Regelung setzt voraus, dass die Aufwendungen in Form von Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt wurden. Nach Auffassung der Finanzverwaltung unterbleibt eine Hinzurechnung von der vorgenannten Aufwendungen, sofern diese am Bilanzstichtag als Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Anlage- oder Umlaufvermögens aktiviert wurden.117 Dagegen hat der BFH118 nunmehr entschieden, dass auch in Fällen, in denen vom Unternehmen hergestellte Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens unterjährig veräußert werden, Miet- und Pachtzinsen nicht nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG hinzuzurechnen sind, soweit diese rechnerisch als Herstellungskosten dieser Wirtschaftsgüter anzusehen sind. Insoweit reiche es aus, dass die Miet- und Pachtzinsen als Herstellungskosten aktiviert worden wären, wenn sich das Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag noch im Betriebsvermögen befände und deshalb hätte aktiviert werden müssen. Dann fehlt bereits eine Gewinnabsetzung, da der Aufwand in die Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts eingeht.

91

Der Tatbestand des § 8 Nr. 1 Buchst. d (und e) GewStG differenziert nicht nach dem Ort der Belegenheit der Wirtschaftsgüter oder der Ansässigkeit des Vermieters. Die Regelung betrifft daher auch Nutzungsentgelte, die an im Ausland ansässige Vermieter/Verpächter oder für eine Nutzungsüberlassung im Ausland gezahlt werden.119

92

2. Miet- und Pachtverhältnisse einschließlich Leasingverträge Miet- und Pachtzinsen bzw. Leasingraten liegen nur vor, wenn die Zahlungen aufgrund eines Vertrages erfolgen, der seinem wesentlichen rechtlichen Gehalt nach ein Miet- und Pachtvertrag i.S.d. bürgerlichen Rechts bzw. ein atypischer Mietvertrag in Form eines Leasingvertrags ist. Bei Verträgen nach ausländischem Recht genügt es, wenn der Vertrag nach seinem Inhalt als Miet- oder Pachtvertrag bzw. Leasingvertrag zu beurteilen wäre, wenn auf ihn deutsches Recht anzuwenden wäre.120 Die im Zusammenhang mit der Anmietung von Fahrzeugflächen (z.B. Taxi- und Busflächen für Werbezwecke) entrichteten Entgelte fasst die Verwaltung unter den Hinzurechnungstatbestand nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG. Diese Auffassung wird im Schrifttum mit der Begründung, es handele sich nicht um Mietverträge i.S.v. § 535 BGB, abgelehnt.121

93

Für die Anwendungen von § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG muss die Gebrauchsüberlassung von beweglichen Wirtschaftsgütern der Kerngehalt oder eine trennbare Komponente des zu beurteilenden Vertrags sein. Enthält ein Vertrag mehrere Elemente, die unterschiedlichen Hinzurechnungstatbeständen des § 8 Nr. 1 GewStG zuzuordnen sind oder als solche teilweise nicht unter § 8 Nr. 1 GewStG fallen, so ist die Möglichkeit der Trennung in verschiedene Hauptpflichten zu prüfen. Ist eine Trennung möglich, so ist § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG für die einem Miet-, Pacht- oder Leasingverhältnis von beweglichen Wirtschaftsgütern entsprechenden Bestandteile zu beachten. Die Zuordnung der Entgelte auf die jeweiligen Leistungskomponenten kann dabei im Schätzungswege erfolgen. Ist eine entsprechende Aufgliederung ausgeschlossen, kann das Vertragsverhältnis nur einheitlich beurteilt werden. Nur wenn in diesen Fällen ein Tatbestand nach § 8 Nr. 1 GewStG, z.B. die

94

116 Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 29a. 117 Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 2. 118 BFH v. 30.7.2020 – III R 24/18, DStR 2020, 2534; in diesem Sinne auch FG Münster v. 20.7.2018 – 4 K 493/17 G, EFG 2018, 1815, Rev. BFH IV R 31/18 erledigt, vgl. Burbaum/Uphues, DStRK 2021, 317. 119 BFH v. 12.11.2020 – III R 38/17, DStR 2021, 1473 m.w.N. 120 BFH v. 27.11.1975 – IV R 192/71, BStBl. II 1976, 220. 121 Schraut/Sillich, BB 2013, 217; Ritzer, DStR 2013, 558.

287

GewStG § 8 Rz. 95 | Hinzurechnungen Gebrauchsüberlassung von beweglichen Wirtschaftsgütern, dem Gesamtvertrag das Gepräge gibt, ist der entsprechende Hinzurechnungstatbestand erfüllt.122 95

Als typischen Fall der Aufteilungsmöglichkeit in mehrere Tatbestände des § 8 Nr. 1 Buchst. a–f GewStG behandelt die Finanzverwaltung123 zutreffend sog. Franchiseverträge. Keine Aufteilungsmöglichkeit, aber eine Prägung durch nicht unter § 8 Nr. 1 GewStG fallende Bestandteile und damit ein nicht hinzurechnungspflichtiges Entgelt wird z.B. bei Vereinbarungen zur fortlaufenden Reinigung bzw. zum fortlaufenden Austausch beschädigter Teile bei einem Mietservice von Berufskleidung oder Fußmatten angenommen.

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Ist bei einem gemischten Vertrag die Vermietung eine von den übrigen Leistungen trennbare Hauptleistung, z.B. Überlassung von Know-how (kein Fall von § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG) und Vermietung von Spezialmaschinen, so ist das Entgelt, soweit es auf die Vermietung entfällt, unter § 8 Nr. 1 Buchst. d zu erfassen.124

97

Schiffscharterverträge in Form von sog. Zeit-Frachtverträge (Zeitcharter), d.h. Verträge über die Überlassung eines Schiffes unter Gestellung, Unterhaltung und Beaufsichtigung der Schiffmannschaft durch den Vercharterer, stuft die Rechtsprechung125 als einen Vertrag eigener Art ein, da er insb. mit der Gestellung der Schiffsmannschaft wesentliche einem Mietvertrag fremde Bestandteile enthalte. Dadurch wird das Wesen des ganzen Vertrags entscheidend beeinflusst. Eine Aufteilung in trennbare Hauptleistungen ist unter diesem Gesichtspunkt ausgeschlossen. Ein sog. Bare-boat-Chartervertrag, d.h. eine Vercharterung an Selbstfahrer und damit ohne Gestellung der Schiffsbesatzung, fällt in den Anwendungsbereich von § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG.126

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Die Überlassung einer Kaianlage (kein Grundbesitz, sondern eine Betriebsvorrichtung) gegen Entgelt durch eine Stadt fällt in den Anwendungsbereich von § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG, wenn die Stadt die Kaianlage nach einem vorgegebenen Plan herrichten und für die Einhaltung einer bestimmten Wassertiefe vor der Anlage sorgen muss.127 Dass im Benehmen mit vertraglich Nutzungsberechtigten auch Dritte die Anlage nutzen dürfen, wenn die Anlage nicht für eigene Betriebszwecke benötigt wird, steht dem nicht entgegen. Davon abzugrenzen sind Fälle, in denen die Kaianlage lediglich vertraglich durch den Betreiber eines linienmäßigen Schiffsverkehrs als Anlegeplatz für seine Schiffe genutzt und die Kaianlage im Übrigen allen Hafenbenutzern zur Verfügung steht.128

99

Bei einer Personengesellschaft muss das Miet- und Pachtverhältnis nicht unmittelbar zwischen der Personengesellschaft und dem Vermieter oder Verpächter bestehen. Überlässt der Gesellschafter einer Personengesellschaft dieser ein Wirtschaftsgut zur Nutzung, das er im Rahmen des Gewerbebetriebs von einem Dritten (Vermieter) gemietet hat, so lösen auch die entsprechenden Sonderbetriebsausgaben eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG aus.129 Das Entgelt für die Anmietung der Gesellschaft von dem Gesellschafter selbst löst keine Hinzurechnung aus. Derartige Zahlungen sind Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters und mindern den Gewinn der Gesellschaft nicht (§ 7 Satz 1 GewStG).

122 123 124 125 126 127 128 129

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Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 6 f. Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 6 f. BFH v. 15.6.1983 – I R 113/79, BStBl. II 1984, 17. BFH v. 23.7.1957 – I 50/55 U, BStBl. III 1957, 306; H 8. 1 Abs. 4 Gemischte Verträge GewStH 2016. BFH v. 27.11.1975 – IV R 192/71, BStBl. II 1976, 220; H 8.1 Abs. 4 Bare-boat-Charterverträge GewStH 2016. BFH v. 31.7.1985 – VIII R 261/81, BStBl. II 1986, 304. BFH v. 9.11.1983 – I R 188/79, BStBl. II 1984, 149. Siehe auch H 8.1 Abs. 4 Verträge zwischen Gesellschaftern und Personengesellschaft GewStH 2016.

Hinzurechnungen | Rz. 105 § 8 GewStG

3. Bewegliche Wirtschaftsgüter als Nutzungsgegenstand § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG erfasst nur Nutzungsentgelte für bewegliche Wirtschaftsgüter. Die Beschränkung auf bewegliche Wirtschaftsgüter macht es nicht mehr notwendig, sich detailliert mit der Wirtschaftsguteigenschaft im Hinblick auf immaterielle Wirtschaftsgüter zu beschäftigen. Die Abgrenzung der beweglichen Wirtschaftsgüter als körperliche Gegenstände gegenüber den unbeweglichen Wirtschaftsgütern bzw. gegenüber den immateriellen Wirtschaftsgütern ist weiterhin von Bedeutung. Zur Unterscheidung von beweglichen Wirtschaftsgütern und unbeweglichen Wirtschaftsgütern ist nach Auffassung der Finanzverwaltung auch § 68 BewG heranzuziehen. Daher sind Schiffe und Flugzeuge bewegliche Wirtschaftsgüter.130

100

Bürgerlich-rechtliche Grundstücksbestandteile, die als Betriebsvorrichtungen i.S.v. § 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG einzustufen sind (z.B. Krananlagen, Kühleinrichtungen, Verladeeinrichtungen, Fundamente von Maschinen), zählen zu den beweglichen Wirtschaftsgütern. Die Rechtsprechung des BFH131 umschreibt den Begriff wie folgt: „Aus dem gesetzlichen Erfordernis der Zugehörigkeit zu einer Betriebsanlage‘ ergibt sich, dass der Begriff der Betriebsvorrichtung Gegenstände voraussetzt, durch die das Gewerbe unmittelbar betrieben wird. Entscheidend ist, ob die Gegenstände von ihrer Funktion her unmittelbar zur Ausübung des Gewerbes genutzt werden. Für die Abgrenzung zwischen Gebäudebestandteilen und Betriebsvorrichtungen kommt es deshalb darauf an, ob die Vorrichtung im Rahmen der allgemeinen Nutzung des Gebäudes erforderlich ist oder ob sie unmittelbar der Ausübung des Gewerbes dient.“

101

Die Finanzverwaltung132 nennt die folgenden Anwendungsbeispiele: Arbeitsbühnen, Bedienungsbühnen und Galerien aller Art, die ausschließlich zur Bedienung und Wartung von Maschinen bestimmt sind; Lastenaufzüge in gewerblichen Gebäuden, die unmittelbar dem Betriebsvorgang dienen; Spezialbeleuchtungsanlagen für Schaufenster; Bäder, die (etwa in Kur- und Krankenhäusern) Heilzwecken dienen, sowie solche in Badeanstalten; Kühleinrichtungen, Absaugevorrichtungen und Bewetterungsanlagen; Stahltüren, Stahlkammern und Stahlfächer von Tresoranlagen; Schutzgitter; Beleuchtungsanlagen, wenn sie überwiegend einem Betriebsvorgang, etwa der Ausleuchtung eines Lagerplatzes, dienen.

102

Dagegen sind keine Betriebsvorrichtungen beispielsweise: dachintegrierte Fotovoltaikanlagen; Schwimmbecken in Hotels; Aufzüge und Rolltreppen; Einfriedungen und Bodenbefestigungen als Teil der Außenanlagen; Beleuchtungsanlagen auf Straßen, Wegen und Plätzen des Grundstücks.

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Immaterielle Wirtschaftsgüter sind im Gegensatz zu beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern nicht fassbar und gegenständlich, müssen aber u.a. einer selbständigen Bewertung zugänglich sein und einen Nutzen für mehrere Jahre haben. Typische immaterielle Wirtschaftsgüter sind Nutzungsrechte, Patente, Lizenzen, Kundenstamm, Know-how und Geschäftswert. Insoweit ist Buchst. f (teilweise) anwendbar. Je nach Vertragsgestaltung kann auch die entgeltliche Überlassung von Werbeflächen für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern (z.B. Werbebanden) hinzurechnungspflichtig sein.

104

Insb. bei angemieteten bzw. angepachteten Grundstücken stellt sich die Frage, inwieweit in geleisteten Zahlungen Bestandteile für die Nutzung von beweglichen (z.B. Betriebsvorrichtungen), unbeweglichen und/oder immateriellen Wirtschaftsgüter enthalten sind. So können Verträge auch die Überlassung von Wirtschaftsgütern beinhalten, die, hätte der Mieter hierfür Herstellungskosten aufgewendet, nach den Grundsätzen von H 4.2 (3) EStH Mietereinbauten wären. Soweit die Mietaufwendungen unter diesem Gesichtspunkt auf bewegliche Wirtschaftsgüter entfallen, ordnet die Finanzverwaltung diese Beträge § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG zu.133

105

130 131 132 133

Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 31. BFH v. 11.4.2019 – III R 36/15, BStBl. II 2019, 734. BMF v. 5.6.2013, BStBl. I 2013, 734. Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 30.

289

GewStG § 8 Rz. 106 | Hinzurechnungen 106

Solange Nutzungsentgelte für Grundbesitz nicht unter eine Hinzurechnungsvorschrift fielen, hat es die Rechtsprechung zum Vorteil des Gewerbebetreibenden grds. abgelehnt, aus einem einheitlichen Nutzungsentgelt für Grundbesitz und zusätzlich für bewegliche Wirtschaftsgüter ggf. auch noch ein Nutzungsentgelt für immaterielle Wirtschaftsgüter abzuspalten.134 Eine Aussonderung gegenüber der Pacht für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter für sich aus der Geschäftslage gepachteter gewerblicher Räume ergebender Vorteile wie z.B. Kundenstamm, Konkurrenzlage und allgemeine Absatzmöglichkeiten war nur statthaft, wenn die Vorteile durch von der Pachtzahlung klar abgrenzbare Pachtzahlungen konkretisiert wurden. Eine Aussonderung von Nutzungsentgelten für die Überlassung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bei einer einheitlichen Pacht auch für Grundvermögen wurde im Schätzungswege stets bejaht.135 Es sollte daher Wert darauf gelegt werden, Leistungen für einen Geschäfts- oder Firmenwert klar abzugrenzen, da derartige Aufwendungen keine Hinzurechnung, insb. auch nicht § 8 Nr. 1 Buchst. e oder f GewStG, auslösen. 4. Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens als Nutzungsgegenstand

107

Die Bedeutung der ungenauen gesetzlichen Formulierung „Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens“ und ihre „Benutzung“ wird regelmäßig im Zusammenhang mit der kurzfristigen Anmietung von Wirtschaftsgütern gewürdigt, beschränkt sich aber nicht hierauf. Die Rechtsprechung hat die folgenden Grundsätze zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals entwickelt.

108

Der Wortlaut des Gesetzes kann – bezogen auf den Mieter oder Pächter – nur im übertragenen („fiktionalen“) Sinne verstanden werden. Denn bei wörtlichem Bezug auf den Betrieb des Mieters oder Pächters ergäbe sich, dass die Wirtschaftsgüter, da sie einem anderen gehören, regelmäßig nicht zum Vermögen und daher auch nicht zum Anlagevermögen des Mieters oder Pächters zu rechnen wären. Es ist daher bei der Anwendung des § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG zu fragen, ob das Wirtschaftsgut zum Anlagevermögen oder zum Umlaufvermögen gehören würde, wenn der Steuerpflichtige nicht Mieter oder Pächter, sondern Eigentümer dieser Wirtschaftsgüter wäre (fiktives Anlagevermögen). Die Rechtsprechung136 geht zudem davon aus, dass auch ein fiktives Umlaufvermögen bestehen kann.

109

Fiktiv ist hier, und im Rahmen des Buchst. e, die Zuordnung von fremden Wirtschaftsgütern. Sie ist maßgeblich nach allgemeinen ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen.137 Ob insoweit fiktives Anlagevermögen vorliegt, richtet sich sodann nach dem konkreten Geschäftsmodell und dem Geschäftsgegenstand des Unternehmens. Hier stellt sich jeweils die Frage, ob es dem Gewerbebetrieb um eine Beschaffung von Umlaufvermögen für Kunden oder die Bereitstellung von Anlagevermögen im Betrieb geht.138 Die hierauf beruhende Rechtsprechung ist allerdings einzelfallbezogen und nicht immer rechtssicher voraussehbar.

110

Die Antwort auf diese Frage muss sich nach der Rechtsprechung139 soweit wie möglich an den betrieblichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen orientieren. Sie darf nicht weiterreichen, als es die Vorstellung eines das Miet- oder Pachtverhältnis ersetzenden Eigentums gebietet. Zum Umlaufvermögen gehören etwa Bargeld, Bankguthaben, Waren- und Rohstoffe. Kein Umlaufvermögen sind grds. Maschinen, Geschäftseinrichtungen, Werkzeuge und Gerätschaften. Dies gilt grds. auch im Rahmen des § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG.

BFH v. 22.3.1972 – I R 179/70, BStBl. II 1972, 632. BFH v. 20.6.1990 – I R 160/85, BStBl. II 1990, 913. BFH v. 25.7.2019 – III R 22/16, BStBl. II 2020, 51. Erstmals BFH v. 29.11.1972 – I R 178/70, BStBl. II 1973, 148 zu § 8 Nr. 7 a.F. GewStG zu unbeweglichen Wirtschaftsgütern. 138 Nöcker, FR 2020, 915. 139 BFH v. 29.11.1972 – I R 178/70, BStBl. II1973,148; v. 30.3.1994 – I R 123/93, BStBl. II 1994, 810; gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2008, BStBl. I 2012, 654 Rz. 29b. 134 135 136 137

290

Hinzurechnungen | Rz. 114 § 8 GewStG

Die Frage, ob das fiktiv im Eigentum des Steuerpflichtigen stehende Wirtschaftsgut zu dessen Anlagevermögen gehören würde, orientiert sich danach maßgeblich an der Zweckbestimmung im Betrieb und den betrieblichen Verhältnissen, die einerseits subjektiv vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen, sich andererseits aber an objektiven Merkmalen nachvollziehen lassen müssen (z.B. Art des Wirtschaftsguts, Art und Dauer der Verwendung im Betrieb, Art des Betriebs, ggf. auch der Art der Bilanzierung).140 Es muss sich bei dem überlassenen Wirtschaftsgut der Art nach um Anlagevermögen handeln, wobei es ausreicht, wenn es dazu gewidmet ist, auf Dauer eine Nutzung im Geschäftsbetrieb zu ermöglichen. Insoweit spricht insbesondere die Verwendung des Wirtschaftsguts als Produktionsmittel für die Zuordnung zum Anlagevermögen, während eine Verwendung als zu veräußerndes Produkt eine Zuordnung zum Umlaufvermögen nahelegt.

111

Die Dauer der Anmietung als solche kann dabei kein Kriterium sein.141 Die Dauer der zeitlichen Überlassung ist an dieser Stelle, aber auch im Rahmen der „Benutzung“, grds. unerheblich, da das Gesetz weder eine Kurzfristigkeit ausschließt noch eine Längerfristigkeit ausdrücklich fordert. Dementsprechend können nach Auffassung von Rechtsprechung142 und Finanzverwaltung143 auch kurzfristige Nutzungsüberlassungen grds. Anlagevermögen und eine „Benutzung“ begründen. Eine Hinzurechnung ist insoweit grds. möglich bei Anmietungen von Messeständen144 oder Konzerthallen für Konzertveranstaltungen145 oder grds. auch Kfz-Mieten oder bei Mehrwegsteigen146 oder gewerblichen Kettenmietverhältnissen durch Weiter- und Zwischenvermietung,147 bei der Wirtschaftsgüter weitervermietet werden.

112

Ein Gegenstand kann zwar auch dann dem Anlagevermögen zuzuordnen sein, wenn er nur kurzfristig gemietet oder gepachtet wird; dies gilt selbst dann, wenn sich das Miet- oder Pachtverhältnis lediglich auf Tage oder Stunden erstreckt.148 Insoweit darf für die Einordnung als Anlagevermögen die Zeitkomponente „dauernd“ nicht als reiner Zeitbegriff im Sinne von „immer“ oder „für alle Zeiten“ verstanden werden.149 Das setzt indessen voraus, dass der Steuerpflichtige derartige Wirtschaftsgüter ständig für den Gebrauch in seinem Betrieb benötigt. Dies hat der BFH etwa bejaht, wenn der Steuerpflichtige wiederholt gleichartige Container zur Weitervermietung150 oder gleichartige Bestuhlungen und Beschallungsanlagen zur eigenen Nutzung in Sälen und Stadien151 angemietet hat.

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Eine Zuordnung zum (fiktiven) Anlagevermögen scheidet danach aus, wenn Steuerpflichtige die angemieteten oder gepachteten Wirtschaftsgüter nicht ständig für den Gebrauch in

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BFH v. 12.11.2020 – III R 38/17, DStR 2021, 1511 zur Filmproduktion. So auch gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 29b. BFH v. 29.11.1972 – I R 178/70, BStBl. II 1973, 148; v. 30.3.1994 – I R 123/93, BStBl. II 1994, 810. Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 29b. Dem Grunde nach BFH v. 25.10.2016 – I R 57/15, BFH/NV 2017, 388; im Ergebnis lag kein Anlagevermögen vor, da der Mieter eine reine Durchführungsgesellschaft war. Auch keine Hinzurechnung im Fall FG Düsseldorf v. 29.1.2019 – 10 K 2717/17 G Zerl., Rev. BFH III R 15/19 (erledigt) und im Fall FG Münster v. 9.6.2020 – 9 K 1816/18 G, EFG 2020, 1689, Rev. BFH III R 14/21 mit Hinweis auf den konkreten Geschäftsgegenstand eines stehenden Gewerbebetriebs. Für kurzfristige Anmietungen von Konzerthallen durch einen Konzertveranstalter BFH v. 8.12.2016 – IV R 24/11, BFH/NV 2017, 985, in Übereinstimmung mit der Vorinstanz FG Nds. v. 26.5.2011 – 10 K 290/10, EFG 2011, 2101. FinMin. Sa.-Anh. 46-G-1422-87; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG Rz. 16a; a.A. Schleswig-Holsteinisches FG v. 30.6.2020 – 1 K 55/16, EFG 2021, 294 (keine Hinzurechnung, sondern Umlaufvermögen unter Berücksichtigung des Geschäftsgegenstandes des Unternehmens), Rev. BFH III R 56/20. BFH 4.6.2014 – I R 70/20, BStBl. II 2015, 289; v. 4.6.2014 – I R 21/13, BStBl. II 2015, 293; v. 8.12.2017 – IV R 55/10, BStBl. II 2017, 772. Für den Fall einer Betriebs-Leasinggesellschaft im Doppelstockmodell FG Baden-Württemberg v. 12.4.2016 – 6 K 3007/15, EFG 2016, 1533, bestätigt durch BFH v. 11.12.2018 – III R 23/16, BFH/NV 2019, 981. BFH v. 25.7.2019 – III R 22/16, BStBl. II 2020, 51. BFH v. 5.6.2008 – IV R 67/05, BStBl. II 2008, 960. BFH v. 29.11.1972 – I R 178/70, BStBl II 1973, 148. BFH 30.3.1994 – I R 123/93, BStBl. II 1994, 810.

291

GewStG § 8 Rz. 115 | Hinzurechnungen ihrem Betrieb hatten vorhalten müssen,152 sondern sie jeweils nur im Zusammenhang mit einem konkreten Produkt und daher „flüchtig“ benötigen; sie würden dann nicht zu seinem dem Betrieb auf Dauer gewidmeten Betriebskapital gehören.153 115

Hinsichtlich der Anmietung von Hotelunterkünften samt Hotel- und Zimmereinrichtung (§ 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG sind betroffen) durch Reiseveranstalter hat der BFH154 mittlerweile entschieden, dass der entsprechende Aufwand der Veranstalter nicht dem Gewerbeertrag nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG hinzuzurechnen ist. Nach Auffassung des BFH liegt kein fiktives Anlagevermögen vor, da das konkrete Geschäftsmodell der Reiseveranstalter „typischerweise“ keine langfristige Nutzung solcher Wirtschaftsgüter erfordere. Generell setzt eine „Beschaffung von Umlaufvermögen“ für den Kunden auch in anderen Konstellationen voraus, dass der Gewerbetreibende die kurzfristige Anmietung im Rahmen einer zusammengesetzten, einheitlichen Dienstleistung anbietet.155

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Die Abgrenzung zwischen fiktivem Anlagevermögen oder Umlaufvermögen nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG hat sich beim Geschäftsmodell eines Filmproduzenten156 daran zu orientieren, ob das zeitlich begrenzte (fiktive) Eigentum an den angemieteten beweglichen und unbeweglichen Sachen nach den betrieblichen Verhältnissen des Filmherstellers dazu bestimmt ist, der dauerhaften Herstellung neuer Filme zu dienen, oder ob die Nutzung sich mit der Herstellung eines Filmes gleichsam verbraucht. Konkret bedeutet dies, dass Mietaufwendungen für einmalige, filmspefizische Wirtschaftsgüter nicht hinzugerechnet werden dürfen.

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Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung des BFH157 für sog. reine Durchführungsgesellschaften als Mieter/Pächter (Durchleitungsmietverhältnisse). Im Entscheidungsfall bestand die Geschäftstätigkeit des Gewerbebetriebs in der Anmietung und Weitervermietung von Messeflächen. Nach Auffassung des BFH steht eine „Durchleitung“ von Flächen einer Zuordnung zum Anlagevermögen zunächst grds. nicht entgegen. Im Ergebnis hat der BFH aber eine Hinzurechnung hier abgelehnt, weil der Gewerbebetrieb nur aufgrund auftragsbezogener Weisung über Ort und Zeit durch Anmietung und Weitervermietung z.B. von Messeständen tätig wurde. Gleiches kann dann gelten, wenn die Durchleitung ausschließlich im fremden Interesse erfolgt.

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Eine weitere Ausnahme von der Zuordnung zum Anlagevermögen lässt die Finanzverwaltung zu.158 Danach soll eine Hinzurechnung aus „Vereinfachungsgründen“ unterbleiben bei Verträgen über kurzfristige Hotelnutzungen (im Rahmen des § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG) oder bei kurzfristigen Kfz/Pkw-Mietverträgen. Vergleichbare Überlegungen könnten dann (im Rahmen des § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG) etwa bei einer Autobahnmaut oder einer kurzfristigen Nutzung von öffentlichen Straßenflächen oder der Nutzung von Messeleistungen zum Tragen kommen. 5. Wirtschaftsgüter im Eigentum eines anderen

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Begrifflich ist es ausgeschlossen, dass das bürgerlich-rechtliche Eigentum bei einem Mietund Pachtverhältnis bei dem Mieter bzw. Pächter liegt. Das Steuerrecht knüpft aber an das 152 BFH v. 8.12.2016 – IV R 24/11, BFH/NV 2017, 985. 153 BFH v. 30.3.1994 – I R 123/93, BStBl. II 1994, 810. 154 BFH v. 25.7.2019 – III R 22/16, BStBl. II 2020, 51, z.T. gegen die FG Münster v. 4.2.2016 – 9 K 1472/13 G, EFG 2016, 925; wie der BFH zuvor FG Düsseldorf v. 29.9.2018 – 3 K 2728/16 G, EFG 2018, 2672, Rev. BFH III R 74/18 (Reiseveranstalter als bloße Vermittler) von der Verwaltung zurückgenommen. 155 Nöcker, FR 2020, 915. 156 BFH v. 12.11.2020 – III R 38/17, DStR 2021, 1473 mit Aufhebung bzw. Zurückverweisung FG Berlin-Bdb. v. 25.10.2017 – 11 K 11196/17, EFG 2018, 225. 157 BFH v. 25.10.2016 – I R 57/15, BFH/NV 2017, 154. Zu einer abweichenden Tatsachenbewertung mit der Folge der Hinzurechnung FG Nds. v. 6.12.2018 – 10 K 188/17, DStRE 2020, 152 zu § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG. 158 Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 29b.

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Hinzurechnungen | Rz. 123 § 8 GewStG

wirtschaftliche Eigentum i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO an. Es kann somit vorkommen, dass im Zusammenhang mit Miet- und Pachtverhältnissen ein Mieter oder Pächter als wirtschaftlicher Eigentümer Zahlungen an den bürgerlich-rechtlichen Eigentümer entrichtet, die bürgerlich-rechtlich auf einem Miet- oder Pachtvertrag beruhen.159 Insb. beim Leasing können Vertragsgestaltungen vorkommen, nach denen der Leasingnehmer wirtschaftlicher Eigentümer des Leasinggegenstandes ist. In diesen Fällen findet § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG keine Anwendung. 6. Miet- und Pachtzinsen einschließlich Leasingraten Der Begriff der Miet- und Pachtzinsen ist wirtschaftlich zu verstehen. Er umfasst nicht nur die an den Mieter oder Verpächter geleisteten laufenden Zahlungen. Zusätzlich zu erfassen sind u.a. die vom Mieter- oder Verpächter aufgrund des Vertrages mitübernommenen Leistungen für Instandsetzung, Instandhaltung und Versicherung des Miet- und Pachtgegenstandes, die über dessen gesetzliche Verpflichtung hinausgehen.160 Reine Betriebskosten sind nicht hinzuzurechnen.161 Keine Hinzurechnungspflicht besteht, soweit der Mieter gegenüber dem Vermieter nicht vertraglich verpflichtet ist und die Aufwendungen nur im eigenen betrieblichen Interesse leistet (z.B. Renovierung von Verkaufsräumen zur Anpassung an die einheitliche Präsentation des Mieters). Erneuerungsrückstellungen, die der Pächter zugunsten des Pächters bilden muss, damit dieser damit später Erneuerungsarbeiten finanziert, gehören zu den Miet- und Pachtzinsen.162

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Pachtentgelte, z.B. für ganze Betriebe, sind aufzuteilen und, soweit ein Hinzurechnungstatbestand erfüllt ist, diesem Hinzurechnungstatbestand zuzuordnen. Die Aussonderung für einen Geschäftswert – entsprechende Entgelte werden nicht von § 8 Nr. 1 GewStG erfasst – ist nur möglich, wenn sich klar ergibt, dass ein Geschäftswert mitverpachtet wurde und die Höhe des Pachtzinses für die Benutzung des Geschäftswerts eindeutig festgelegt ist.

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7. Netzentgelte Netzentgelte (insb. im Bereich Telekommunikation, Energie und Eisenbahn), soweit sie sich nicht auf unbewegliche Wirtschaftsgüter beziehen, fallen dann unter § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG, wenn exklusiv das gesamte Netz nur an einen Pächter verpachtet wird. Wird lediglich ein Entgelt für eine nicht exklusive Nutzung gezahlt, unterbleibt jegliche Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG. Somit fallen auch die an die Betreiber von Strom- oder Gasversorgungsnetzen gezahlten Nutzungsentgelte nicht in den Anwendungsbereich von § 8 Nr. 1 GewStG.163

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8. Schadstoffarme Fahrzeuge Das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften164 hat § 8 Nr. 1 Buchst. d Satz 2 GewStG eingefügt. Die Regelung enthält ab EZ 2020 eine umweltrechtliche Steuervergünstigung im Rahmen der Hinzurechnung, die einen (gewerbesteuerrechtlichen) „Anreiz“ zum mietweisen Gebrauch schadstoffarmer Fahrzeuge setzen soll. Gefördert wird die gewerbliche Anmietung von Elektrofahrzeugen, Hybridelektrofahrzeugen und Fahrrädern, die keine Kraftfahrzeuge sind. In diesen Fällen halbiert sich der Hinzurechnungsumfang des Miet- oder Leasing159 BFH v. 8.11.1989 – I R 46/86, BStBl. II 1990, 388. 160 BFH v. 27.11.1975 – IV R 192/71, BStBl. II 1976, 220; H 8.1 (4) Miet- und Pachtzinsen GewStH 2016; ebenso zu § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG n.F. BFH v. 25.9.2018 – III B 160/17, BFH/NV 2019, 40. 161 Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 29. 162 H 8.1 Abs. 4 Bildung einer Erneuerungsrückstellung GewStH 2016. 163 Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 29c–29e. 164 Gesetz v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2466.

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GewStG § 8 Rz. 124 | Hinzurechnungen aufwands ähnlich wie bei der Dienstwagenbegünstigung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG. Dies gilt nur für Entgelte, die auf nach dem 31.12.2019 abgeschlossenen Verträgen beruhen sowie letztmals für den EZ 2030.

V. Die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen für unbewegliche Wirtschaftsgüter (Nr. 1 Buchst. e) 1. Regelungszweck 124

Sinn und Zweck der Vorschrift sowie die tragenden Tatbestandsmerkmale entsprechen dem Grundgedanken und Wortlaut von § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG. § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG will den Gewerbebetrieb, der unbewegliche Wirtschaftsgüter eines anderen anstelle von eigenem Anlagevermögen nutzt, in seiner Gewerbesteuerbelastung dem Gewerbebetrieb angleichen, der gleiche eigene Wirtschaftsgüter nutzt. Das entspricht dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer. Dabei geht der Gesetzgeber ab dem EZ 2010 (von 2008 – 2009 Finanzierungsanteil von 65 %) von der pauschalierenden Annahme aus, dass AfA und anderer Aufwand (ohne Finanzierungskosten) bei den eigenen unbeweglichen Wirtschaftsgütern in etwa der Hälfte der Miete bzw. Pacht für entsprechende fremde Wirtschaftsgüter entsprechen. Dies erklärt die nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG vorzunehmenden hälftige Hinzurechnung. Die Regelung ist verfassungsgemäß.165 2. Miet- und Pachtverhältnisse einschließlich Leasingverträge

125

Die Ausführungen zu den beweglichen Wirtschaftsgütern gelten entsprechend. Der Tatbestand sieht keine Differenzierung nach dem Ort der Belegenheit der unbeweglichen Wirtschaftsgüter vor; die Regelung betrifft daher auch Nutzungsentgelte, die an Vermieter/Verpächter für eine Nutzungsüberlassung im Ausland gezahlt werden, z.B. die Vermietung einer Ferienwohnung im Ausland.166 Die Vermietung oder Verpachtung begründet keine Betriebsstätte des Vermieters bzw. Verpächters.

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Besonderheiten bestehen bei der zeitlich begrenzten Überlassung von Grundstücken zur Ausbeutung von Bodenschätzen (Substanzausbeute). Bei der zeitlich begrenzten Überlassung von Grundstücken zur Ausbeutung von Bodenschätzen handelt es sich i.d.R. um Pachtverträge und nicht um Kaufverträge über die Bodenschätze. Steuerrechtlich ist, unabhängig davon, ob es sich um ein vom Grundstück getrenntes Recht oder um ein Recht handelt, das dem Grundstückseigentümer zusteht, von einer entgeltlichen Überlassung des Rechts des Grundstückseigentümers zur Ausbeutung des Vorkommens auszugehen. Insofern ist ab dem EZ 2008 der Tatbestand des § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG verwirklicht.167

127

Werden die Pachtzinsen auch für die Überlassung der Grundstückoberfläche gezahlt, sind wegen unterschiedlicher Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 Buchst. e und f GewStG die Pachtzinsen notfalls auch im Wege der Schätzung aufzuteilen.168 Bei einem Betrieb, der aufgrund von Verträgen mit Grundstückseigentümern durch Nassbaggerei Sand und Kies an Flussufern abbaut, entfallen regelmäßig die Vergütungen in voller Höhe auf die Kiesund Sandausbeute. Ein Betrag für die Verpachtung der Bodenoberfläche ist dann nicht auszusondern.169 Ist der zur Ausbeutung von Bodenschätzen Berechtigte nicht bürgerlichrechtlicher Eigentümer des Grundstücks, sondern nur wirtschaftliche Eigentümer des Grundstücks i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO bzw. wirtschaftlicher Eigentümer des Ausbeuterechts, können Zahlungen an den bürgerlich-rechtlichen Eigentümer keine Zahlungen i.S.v. 165 BFH v. 4.6.2014 – I R 70/12, BStBl. II 2015, 289; BVerfG v. 26.2.2016 – 1 BvR 2836/14, HFR 2016, 491; BFH v. 12.11.2020 – III R 38/17, DStR 2021, 1473. 166 BFH v. 25.7.2019 – III R 22/16, BStBl. II 2020, 51. 167 Siehe H 8.1 Abs. 5 Verträge über die Ausbeutung von Bodenschätzen GewStH 2016 mit einschlägiger BFH-Rechtsprechung; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG Rz. 4. 168 BFH v. 26.5.1976 – I R 74/73, BStBl. II 1976, 721. 169 BFH v. 21.8.1964 – VI 76/63 U, BStBl. II 1964, 557.

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Hinzurechnungen | Rz. 133 § 8 GewStG

§ 8 Nr. 1 Buchst. e und f GewStG sein. Die Zahlungen treten an die Stelle eines Kaufpreises und sind nach den Grundsätzen der Versteuerung betrieblicher Veräußerungszahlungen (z.B. Veräußerungsrenten) zu behandeln.170 3. Unbewegliche Wirtschaftsgüter als Nutzungsgegenstand Die Ausführungen. zu den beweglichen Wirtschaftsgütern gelten entsprechend. Bewegliche Wirtschaftsgüter und immaterielle Wirtschaftsgüter sind keine unbeweglichen Wirtschaftsgüter. Gerade im Zusammenhang mit unbeweglichen Wirtschaftsgütern kommt es vor, dass auch Betriebsvorrichtungen i.S.v. § 68 Abs. 2 Nr. 2 vermietet werden. Die jeweiligen Nutzungsentgelte sind voneinander abzugrenzen und aufzuteilen.

128

4. Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens als Nutzungsgegenstand Die Ausführungen zu den beweglichen Wirtschaftsgütern gelten entsprechend. Es handelt sich um fiktives Anlagevermögen an den unbeweglichen Wirtschaftsgütern. Die Abgrenzung zwischen Anlage- und Umlaufvermögen richtet sich – im Rahmen der gebotenen Fiktion – maßgeblich nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen und nach dem Geschäftsmodell und dem Geschäftsgegenstand des Steuerpflichtigen.171 Die Rechtsprechung172 geht zudem davon aus, dass auch ein fiktives Umlaufvermögen bestehen kann.

129

Auch Teile eines Gebäudes können je nach Nutzungszusammenhang im Rahmen des § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG fiktives Anlagevermögen sein. Insoweit tritt die zivilrechtliche Betrachtung – anders als für die Frage der Miete und Pacht – zurück.173 Nötig ist eine Vermietung oder Verpachtung dieser Gebäudeteile.

130

Im Zusammenhang mit Grundstücken stellt sich hier z.B. die Frage nach der Einstufung von Entgelten für eine kurzzeitige Anmietung von Hallen, wie es, auch mit einem hohen finanziellen Aufwand, bei Konzertveranstaltern häufig vorkommt. Nach der erwähnten BFH-Rechtsprechung174 stehen die Kurzfristigkeit der Anmietung einer Immobilie oder ein häufiger Wechsel angemieteter Immobilien und deren unterschiedliche Größe und Nutzbarkeit der Annahme fiktiven Anlagevermögens und seiner „Benutzung“ nicht entgegen.

131

Ebenfalls der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG unterliegen nach Verwaltungsauffassung Mietaufwendungen des Unternehmens für die Anmietung von Unterkünften, die unmittelbar der originären Tätigkeit zuzuordnen sind (z.B. Baumontage, Reisedienstleistungen).175 Bei der Anmietung von Messeständen lag im Ergebnis kein Anlagevermögen vor, da der Mieter eine reine Durchführungsgesellschaft war.176 Weitere Verfahren sind anhängig.177

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Hinsichtlich der Anmietung von Hotelunterkünften samt Hotel- und Zimmereinrichtung (§ 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG) durch Reiseveranstalter hat der BFH178 2019 entschieden, dass der entsprechende Aufwand der Veranstalter nicht dem Gewerbeertrag nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG hinzuzurechnen ist. Nach Auffassung des BFH liegt kein fiktives

133

BFH v 6.10.1966 – I 35/64, BStBl. III 1967, 45; v. 25.11.1966 – VI 375/65, BStBl. III 1967, 226. BFH v. 25.10.2016 – I R 57/15, BFH/NV 2017, 388. BFH v. 25.7.2019 – III R 22/16, BStBl. II 2020, 51. Nöcker, FR 2018, 506 f. BFH v. 8.12.206 – IV R 24/11, BFH/NV 2017, 985 (Konzertveranstalter, Hinzurechnung bejaht). Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 29b. BFH v. 25.10.2016 – I R 57/15, BFH/NV 2017, 388. FG Düsseldorf v. 29.1.2019 – 10 K 2717/17 G Zerl., Zurücknahme der Rev. BFH III R 15/19; FG Münster v. 9.6.2020 – 9 K 1816/18 G, EFG 2020, 1689, Rev. III R 14/21. 178 BFH v. 25.7.2019 – III R 22/16, BStBl. II 2020, 51, z.T. gegen die FG Münster v. 4.2.2016 – 9 K 1472/13 G, EFG 2016, 925; wie der BFH zuvor FG Düsseldorf v. 29.9.2018 – 3 K 2728/16 G, EFG 2018, 2672, Rev. BFH III R 74/18 (Reiseveranstalter als bloße Vermittler) von der Verwaltung zurückgenommen. 170 171 172 173 174 175 176 177

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GewStG § 8 Rz. 134 | Hinzurechnungen Anlagevermögen vor: Die auf Basis des fiktiv angenommenen Eigentums vorzunehmende Zuordnung des Wirtschaftsguts zum Anlagevermögen oder zum Umlaufvermögen müsse den konkreten Geschäftsgegenstand des Unternehmens berücksichtigen und sich so weit wie möglich an den betrieblichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen orientieren. Das Geschäftsmodell eines Reiseveranstalters erfordere typischerweise keine langfristige Nutzung der von den Hoteliers überlassenen beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgüter, sondern eine zeitlich begrenzte Nutzung von Wirtschaftsgütern, deren Produkteigenschaften kurzfristig an sich wandelnde Markterfordernisse angepasst werden könnten. 134

Ob dies auch für „Nur-Übernachtungsleistungen“ in Form von Ferienhausaufenthalten gilt, ist noch offen. Bietet ein Unternehmen Ferienimmobilien im In- und Ausland über Kataloge, eine Internet-Plattform und über Vermittler wie Reisebüros an und schließt er zu diesem Zweck Verträge mit den Eigentümern der jeweiligen Immobilen ab, in welchen im Wesentlichen das Ferienobjekt/die Ferienobjekte, die Saisonzeiten, in denen das Objekt angeboten werden sollte und die Modalitäten der Überlassung zur Weitervermietung durch das Unternehmen an die Kunden geregelt sind, so liegen nach Auffassung des FG Stuttgart fiktives Anlagevermögen im Rahmen eines Mietverhältnisses und damit eine Hinzurechnung der Überlassungsentgelte vor.179 Dies setzt voraus, dass der Unternehmer im Wesentlichen wie ein Ferienimmobilienvermieter tätig wurde, und nicht lediglich Ferienwohnungen vermittelte. 5. Wirtschaftsgüter im Eigentum eines anderen

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Die Ausführungen unter Rz. 80 ff. zu den beweglichen Wirtschaftsgütern gelten entsprechend. Das Eigentum der Mieter oder Pächter ist voraussetzungslos zu fingieren.180 6. Miet- und Pachtzinsen einschließlich Leasingraten

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Die Ausführungen unter Rz. 82 ff. zu den beweglichen Wirtschaftsgütern gelten entsprechend. Als nicht hinzurechnende reine Betriebskosten benennt die Verwaltung, ohne eine möglichst umfassende Aufzählung der insoweit hinzurechnungspflichtigen Aufwendungen vorzulegen, als Beispiele die Kosten für Strom, Gas und Wasser. Die vom Mieter als Umlage übernommene Grundsteuer ist hingegen als Hinzurechnung zu erfassen.181 7. Netzentgelte

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Netzentgelte (insbesondere im Bereich Telekommunikation, Energie und Eisenbahn), soweit sie sich auf unbewegliche Wirtschaftsgüter beziehen, fallen dann unter § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG, wenn exklusiv das gesamte Netz nur an einen Pächter verpachtet wird.

VI. Ein Viertel der Aufwendungen für die zeitliche Überlassung von Rechten (Nr. 1 Buchst. f) 1. Regelungszweck 138

§ 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG wurde im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 neu in die gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnungstatbestände aufgenommen. Bis dahin war es für eine Hinzurechnung im Zusammenhang mit der Nutzung von Wirtschaftsgütern zumindest erforderlich, dass die Nutzung ihrem wesentlichen Gehalt nach auf einem Mietoder Pachtvertrag beruhte. Insb. Lizenzverträge über eine zeitlich befristete Überlassung von Rechten und Erfahrungen wurden überwiegend pachtfremde Elemente zugeordnet, so 179 FG Baden-Württemberg v. 24.9.2020 – 3 K 2762/19, EFG 2021, 559, Rev. BFH III R 59/20. 180 BFH v. 25.7.2019 – III R 22/16, BStBl. II 2020, 51. 181 Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 29.

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Hinzurechnungen | Rz. 145 § 8 GewStG

dass bis einschließlich EZ 2008 im Zusammenhang mit derartigen Verträgen eine Hinzurechnung nicht in Betracht kam. § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG soll u.a. einer Gewinnverlagerungen ins Ausland entgegenwirken (auch: „lex IKEA“). In der gesetzlichen Regelung kommt aber auch die Besteuerung eines objektivierten Gewerbeertrags zu Ausdruck. Der Gesetzgeber sieht in der zeitlich befristeten Überlassung von Rechten eine Sachkapitalüberlassung, deren Finanzierungsanteil einer gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung bedarf. Damit entspricht die Hinzurechnung von Lizenzzahlungen dem Objektsteuerprinzip des Gewerbesteuerrechts.

139

2. Rechte Der Begriff der Rechte wird vom Gesetz nicht definiert. Als Rechte im Sinne des § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG gelten subjektive Rechte an immateriellen Wirtschaftsgütern, denen bereits unabhängig vom jeweiligen Überlassungsverhältnis ein eigenständiger Vermögenswert beizumessen ist und an denen eine geschützte Rechtsposition besteht. In diesem Sinne definiert der BFH Rechte i.S. des § 8 Nr. 1 Buchst. f Satz 1 GewStG als Immaterialgüterrechte, d.h. subjektive Rechte an unkörperlichen Gütern mit selbständigem Vermögenswert, die eine Nutzungsbefugnis enthalten und an denen eine geschützte Rechtsposition – ein Abwehrrecht – besteht.182

140

Durch sie wird eine Nutzungs- und Abwehrbefugnis an einem unkörperlichen Gut mit selbständigem Vermögenswert überlassen. Bloße Dienstleistungen sind daher keine Rechte i.S.d. § 8 Nr. 1 Buchst. f Satz 1 GewStG.183

141

Hierzu zählen insb. Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte, Urheberrechte, Lizenzrechte und Namensrechte. Zu den technischen gewerblichen Schutzrechten gehören etwa Patente, ergänzende Schutzzertifikate, Gebrauchsmuster, Sortenschutzrechte, Halbleiterschutz; zu den nichttechnischen gewerblichen Schutzrechten gehören Marken, geografische Herkunftsangaben und eingetragene Designs.

142

Zu den Markenrechten nach dem Markengesetz gehören etwa die Nutzung eines Logos, Wort-Bild-Marken, aber auch eines Fair-Trade-Siegels.184 Der „TransFair-Verein zur Förderung des Fairen Handels in der Einen Welt (TransFair e.V.)“ hat an dem Fair-TradeSiegel das ausschließliche Markenrecht inne (§ 30 MarkenG) und räumt seinen Vertragspartnern (Importeure, Verarbeitungsbetriebe und Händler, die bestimmte „FairTrade“Standards erfüllen) das Recht auf Nutzung des Siegels gegen Zahlung eines Entgelts ein.

143

Namensrechte werden etwa im Spitzensport im Rahmen des Sponsoring (z.B. LED-Bande) genutzt. Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Software unterliegen regelmäßig der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG, wenn mit der zeitlich befristeten Überlassung das Recht auf Nutzung eingeräumt wird und auf Seiten des Überlassenden eine geschützte Rechtsposition an diesem Recht (z.B. Urheberrecht) besteht. Abzugrenzen sind im Einzelfall Nutzungsverhältnisse (Buchst. d oder f) von bloßen Dienstleistungen.

144

Know-how, also das Wissen und die Kenntnis einer Person darüber, was man zu tun oder zu unterlassen hat, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen, ist kein Recht i.S.v. § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG.185 Zahlungen von Reiseunternehmen an einen elektronischen Handelsplattformbetreiber, der ein computerisiertes Reiseinformations- und Vertriebssystem anbie-

145

182 BFH v. 19.12.2019 – III R 39/17, BStBl. II 2020, 397. 183 BFH v. 26.4.2018 – III R 25/16, BFH/NV 2018, 682. 184 Landesamt für Steuern Niedersachsen v. 4.3.2019 – G 1422-193-St 251; im Einzelfall liegen gemischte Verträge vor. 185 Hidien, DB 2008, 257; Hofmeister in Brandis/Heuermann, § 8 GewStG Rz. 286; Keß in Lenski/ Steinberg, § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG Rz. 13; gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 33.

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GewStG § 8 Rz. 146 | Hinzurechnungen tet, für den Vermittlungserfolg sind grds. Vergütungen für Dienstleistungen und keine Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten.186 146

Einzelfälle: Entgelte, die für Nutzung des sog. Grünen Punktes an die Duale System Deutschland (DSD) gezahlt werden, ordnet die Finanzverwaltung nicht unter § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG ein. Entsprechendes soll für die Nutzung vergleichbarer Systeme zur Erfüllung der Verpflichtungen nach der Verpackungsverordnung gelten.187

147

Nicht der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG188 unterliegen etwa: – die sog. LKW-Maut – die staatliche Rundfunkgebühr bzw. der Rundfunkbeitrag, – das Entgelt, das ein Eisenbahnverkehrsunternehmen für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur an das Eisenbahninfrastrukturunternehmen zu entrichten hat, – das Entgelt, das an den Netzbetreiber vom Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen für einen entbündelten Netzzugang (sog. Teilnehmeranschlussleitung bzw. „letzte Meile“) zu zahlen ist, – und die an Betreiber von anderen Versorgungsnetzen (z.B. Strom- und Gasversorgungsnetze) zu entrichtenden Netzentgelte.

148

Keine Immaterialgüterrechte gem. § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG liegen vor, wenn im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Daseinsvorsorge lediglich öffentlich-rechtliche Pflichten erfüllt und Befugnisse wahrgenommen werden und keine Abwehrrechte begründet werden. Daher unterliegen etwa ein Entgelt für eine Grundwasserentnahme oder Sondernutzungsentgelte für eine Straßennutzung nicht der Hinzurechnung.189 3. Zeitlich befristete Überlassung

149

Die zeitlich befristete Überlassung von Rechten ist wirtschaftlich von einer endgültigen Übertragung des Rechts abzugrenzen. Durch eine Überlassung nur für kurze Zeit kann die Hinzurechnung nicht vermieden werden. Eine zeitlich begrenzte Überlassung ist auch gegeben, wenn bei Abschluss des Vertrages ungewiss ist, ob und wann die Überlassung endet.190 Ist ein Rückfall des Rechts kraft Vertrag oder Gesetz ausgeschlossen, ist eine zeitliche Befristung wirtschaftlich zu verneinen.191 Gleiches gilt, wenn die Überlassung die gesamte gesetzliche Schutzdauer umfasst192 oder sich das Recht während der vereinbarten Nutzungsdauer wirtschaftlich verbraucht.193 Eine endgültige Übertragung von Rechten liegt daher vor, wenn das Recht dem Berechtigten mit Gewissheit endgültig verbleiben wird, ein Rückfall des Rechts kraft Gesetzes oder Vertrags nicht in Betracht kommt oder das wirtschaftliche Eigentum an dem Recht auf den Berechtigten übergeht, weil es sich während der vereinbarten Nutzungsdauer in seinem wirtschaftlichen Wert erschöpft.194

150

Als ein Beispiel für Rechtsgeschäfte, durch die Rechte befristet überlassen werden, wird im Gesetz die Überlassung durch Lizenzverträge genannt. Es handelt sich dabei um private Erlaubnis- oder Nutzungsrechte, die ein Lizenzgeber dem Berechtigten gegen eine Lizenzgebühr einräumt. Bei der Konzession als dem zweiten gesetzlichen Beispielsfall handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche und befristete Genehmigung z.B. in Form eines Nutzungsrechtes an einer öffentlichen Sache oder zur Ausübung eines Gewerbes durch eine staatliche Behörde. 186 187 188 189 190 191 192 193 194

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BFH v. 26.4.2018 – III R 25/16, BFH/NV 2018, 682. Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 34. Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 29d u. 29e sowie Rz. 34. FG Berlin-Bdb. v. 14.2.2017 – 6 K 6104/15, EFG 2017, 741. BFH v. 7.12.1977 – I R 54/75, BStBl. II 1978, 355; v. 19.12.2019 – III R 39/17, BStBl. II 2020, 397; gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 37. BFH v. 23.5.1979 – I R 163/77, BStBl. II 1979, 757. Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 730 Rz. 38 zu Verlagsrechten. BFH v. 16.5.2001 – I R 64/99, BStBl. 2003, 641. BFH v. 19.12.2019 – III R 39/17, BStBl. II 2020, 397.

Hinzurechnungen | Rz. 155 § 8 GewStG

Aufwendungen, die dem steuerpflichtigen Gewerbebetrieb im Zusammenhang mit digitalen Dienstleistungen und Produkten entstehen, können einer Hinzurechnung nach § 8 GewStG, vornehmlich nach Nr. 1 Buchst. f, unterliegen. Dies hängt im Einzelfall von der oftmals komplexen vertraglichen Gestaltung, sowie von der Art der praktisch vielfältigen digitalen Leistungen (Dienstleistungen und Produkte) ab.195 Anwendungsfälle sind etwa: Aufwendungen in Zusammenhang mit Cloud Computing, für die Nutzung digitaler Datenbanken, für die Online-Werbung mittels Werbebanners, für Anzeigenlinke bei Suchmaschinen oder für die Suchmaschinenoptimierung. Oftmals handelt es sich hier um bloße technisch komplexe Dienstleistungen, soweit und da die Anbieter keine bewehrten Rechtspositionen zur Nutzung überlassen werden oder wollen. Die Finanzverwaltung196 geht allerdings davon aus, dass bereits die befristete Überlassung von (Standard-)Software dem Nutzer eine geschützte Rechtsposition i.S.d. § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG vermittelt. Dem folgte auch das FG Köln.197

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Das Sortenschutzrecht nach §§ 8, 10 SortSchG ist ein Recht i.S.d. § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG. Bei der Rechteüberlassung eines Züchters an den Saatguthersteller und dem späteren Verkauf des Vermehrungsmaterials an Landwirte handelt es sich nicht um eine begünstigte Vertriebslizenz i.S.d. Vorschrift.198

152

4. Nichtansatz von Aufwendungen für Vertriebslizenzen/Durchleitungsrechte Aufgrund des Klammerzusatzes in § 8 Nr. 1 Buchst. f Satz 1 GewStG sind Aufwendungen für Lizenzen – und über den Gesetzeswortlauf hinaus für alle anderen Arten von überlassenen Rechten199 –, die ausschließlich dazu berechtigen, daraus abgeleitete Rechte Dritten zu überlassen, nicht hinzuzurechnen. Der Gesetzgeber möchte mit dem Hinzurechnungstatbestand nur selbst genutzte Rechte erfassen.200 Tritt der Lizenznehmer wirtschaftlich letztlich nur als Vertriebspartner auf und nutzt die Lizenzen nicht für den eigenen Gewerbebetrieb, in dem er z.B. bei Vertriebslizenzen Software kopieren darf, um sie unverändert Endabnehmern zu überlassen, so nutzt er das Recht im Ergebnis nicht selbst, sondern leitet die Nutzung ausschließlich an einen Dritten weiter. Ein Anwendungsfall der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG liegt dann für diese sog. Durchleitungsrechte nicht vor.

153

Zu unterscheiden sind insoweit Vertriebslizenzen und Produktionslizenzen. Eine begünstigte Vertriebslizenz soll nur vorliegen, wenn der Lizenznehmer die eingeräumten Rechte nicht selbst nutzt oder verändert oder bearbeitet und er die Rechte stattdessen unverändert weitergibt. Dagegen erlauben andere Lizenzen je nach Vereinbarung auch die Nutzung in Form der Herstellung und Produktion von Gegenständen. Nur im Fall der Vertriebslizenz handelt der Lizenznehmer wie ein Handelsvertreter.201 Demgegenüber war mit der Überlassung eines Sortenschutzrechts nach §§ 8, 10 SortSchG eine Herstellungslizenz verbunden.202

154

Die Lizenz muss sich ausschließlich auf die Weiterüberlassung beziehen. Das überlassene Recht darf selbst in keiner Weise genutzt werden. Die Finanzverwaltung spricht im Fall von Eigennutzungsrechten von einer schädlichen Veränderung oder Bearbeitung des Rechts. Auf eine tatsächliche Eigennutzung kommt es nicht an. In diesem Zusammenhang sind aber bei der Weitergabe des Rechts kleinere Dienstleistungen möglich, die dem Ausschluss

155

195 Einen guten Überblick geben Rapp, FR 2017, 563; Pinkernell, Ubg 2018, 139; Diffring/Saft, DB 2019, 387; dort z.T. auch zur ähnlichen Problematik bei §§ 49, 50a EStG. 196 Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 33. 197 FG Köln v.16.6.2016 – 13 K 1014/13, EFG 2016, 1718. 198 BFH v. 19.12.2019 – III R 39/17, BStBl. II 2020, 397. 199 Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 41. 200 BT-Drucks. 16/14841, 80. 201 BT-Drucks. 16/14841, 80; BFH v. 19.12.2019 – III R 39/17, BStBl. II 2020, 397. 202 BFH v. 19.12.2019 – III R 39/17, BStBl. II 2020, 397.

299

GewStG § 8 Rz. 156 | Hinzurechnungen einer Hinzurechnung nicht entgegenstehen.203 Liegt ein Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsgebot vor und ist nach den Grundsätzen für gemischte Verträge keine Aufteilung in eine Eigennutzung und Fremdnutzung möglich, entfällt die Begünstigung. Die Lizenzentgelte sind dann in voller Höhe hinzuzurechnen. Unter diesem Gesichtspunkt sollte auf klare vertragliche Trennungen geachtet werden. 156

Nach Auffassung der Finanzverwaltung204 ist hier allerdings eine „gedankliche“ Aufteilung eines einheitlichen Lizenzvertrags in die Komponenten „Durchleitungsrechte“ und „Eigennutzungsrechte“ nicht zulässig. Maßgebend sei, dass bei den Fallkonstellationen die getroffenen Vereinbarungen über Vertriebs- wie auch über anderweitige Nutzungsrechte letztlich auf ein und denselben Vertragsgegenstand (= Lizenz) gerichtet seien.

157

Lizenzzahlungen eines Filmverleihers an Filmproduzenten sind auch dann nicht anteilig dem Gewinn des Filmverleihers hinzuzurechnen, wenn die Filme vor dem Verleih an die Kinos von dem Filmverleiher synchronisiert oder untertitelt werden. Es handelt sich nach Auffassung des Gerichts um eine untergeordnete Veränderung zu Vertriebszwecken.205 Nach Auffassung der Finanzverwaltung206 sind Synchronisationsund Bearbeitungsrechte, die im Lizenzvertrag eingeräumt wurden, bereits eine schädliche Eigennutzung des Gewerbebetriebs und Lizenznehmers.

158

Die Vergünstigung nach dem Klammerzusatz in § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG wendet die Finanzverwaltung ohne eine Begründung auf Lizenzverträge zwischen einem Unternehmen und einem Rechteverwerter an, die sich auf das Vortragen, Aufführen oder Vorführen i.S.d. § 19 UrhG erstrecken. Die von einem Kinobetreiber für die Vorführrechte gezahlten Entgelte sind somit nicht dem Gewinn hinzuzurechnen. 5. Aufwendungen

159

Unstreitig werden von § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG Aufwendungen erfasst, die im weitesten Sinne eine Gegenleistung für die Überlassung der Rechte darstellen. Konzessionsabgaben, Konzessionsgebühren und Lizenzentgelte, vorbehaltlich des Nichtansatzes von Vertriebslizenzen, lösen daher eine Hinzurechnung aus. Dies gilt auch für Kosten (z.B. Beratungskosten, Vermittlungsgebühren), die nur in einem Zusammenhang mit dem Recht stehen, Im Kern aber keine Gegenleistung für die Rechtsüberlassung darstellen.207 Die Wortwahl „Aufwendungen“, anders als z.B. die Wortwahl „Entgelte“ bei der Hinzurechnung von Schuldentgelte nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG, spricht hier gegen eine Beschränkung von Hinzurechnungen unter dem Gesichtspunkt der Gegenleistung.

160

Leistungen im Zusammenhang mit gemischten Verträge, sind ggf. auch im Schätzungswege, den jeweiligen Hinzurechnungstatbeständen, und damit bei einer zeitlich befristeten Überlassung von Rechten als Vertragsinhalt dem § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG zuzuordnen.

161

Zu aktivierende Aufwendungen, auch wenn sie den Erwerb von Lizenzrechten umfassen, können, da es an einer unmittelbaren Minderung des Gewinns mangelt, zu keiner Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG führen.208

162

frei

203 Gleichlautende Ländererlasse v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 Rz. 42 nach der bei der Weitergabe von Aufführungsrechten von Theaterstücken die Übermittlung einer Druckversion des Theaterstückes unschädlich ist. 204 Bayerisches Landesamt für Steuern v. 13.1.2021 – G 1422.1.1-43/7 St32. 205 FG Berlin-Bdb. v. 9.12.2020 – 10 K 10003/19, EFG 2021, 666, Rev. BFH III R 2/21. 206 Bayerisches Landesamt für Steuern v. 13.1.2021 – G 1422.1.1-43/7 St32, dort auch näher zur Behandlung von Lizenzen in der Musikindustrie. 207 Auch für diese Kosten eine Hinzurechnung bejahend Hofmeister in Brandis/Heuermann, § 8 GewStG Rz. 295; Keß in Lenski/Steinberg, § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG Rz. 18. 208 Keß in Lenski/Steinberg, § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG Rz. 20 m.w.N.

300

Hinzurechnungen | Rz. 168 § 8 GewStG

6. Aufwendungen, die Bemessungsgrundlage für die Künstlersozialabgabe sind Aufwendungen, die nach § 25 KSVG zur Bemessungsgrundlage für die Künstlersozialabgabe gehören, sind nach § 8 Nr. 1 Buchst. f Satz 2 GewStG ausdrücklich von einer Hinzurechnung ausgenommen. Bei der Künstlersozialabgabe handelt es sich um eine Belastung im Zusammenhang mit Leistungen, die Arbeitslöhnen ähnlich sind. Hier möchte der Gesetzgeber eine Doppelbelastung mit Gewerbesteuer vermeiden. Lizenznehmer des Vertragspartners des Künstlers, die die Künstlersozialabgabe mittelbar als Teil der Lizenzgebühr bezahlen, fallen daher nicht unter die Ausnahme.209

163

Die Verpflichtung zur Künstlersozialabgabe ergibt sich aus § 24 KSVG. Sie betrifft insb. Verlagsunternehmen, Kunsthändler, Galerien, Veranstalter aber auch andere Unternehmen, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler und Publizisten erteilen, um deren Leistungen oder Werke für Zwecke ihres Unternehmens in Verbindung mit der Erzielung von Einnahmen zu nutzen. Bemessungsgrundlage sind die vereinbarten Entgelte ohne Umsatzsteuer. Vertragsstrafen und Schadenersatzleistungen sind kein Entgelt. Auch die Künstlersozialabgabe selbst, obwohl vom Wortlaut des § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG nicht ausdrücklich angesprochen, kann nach einhelliger Meinung keine Hinzurechnung auslösen.

164

Tritt der Lizenzgeber (Künstler) die Einziehungsbefugnis seines Vergütungsanspruchs gegenüber einer Verwertungsgesellschaft (z.B. Gema, ZPÜ etc.) an den Lizenznehmer (z.B. Musikunternehmen) ab und erhält das Musikunternehmen einen Teil des Vergütungsanspruchs als eigene Leistungsvergütung und leitet nur den restlichen Teil an den Lizenzgeber weiter (Aufwand des Musikunternehmens, „Durchleiter“), kommt es zu keiner Hinzurechnung, da es sich um eine Dienstleistung des Musikunternehmens handelt.

165

Anders soll dies jedoch in der Praxis in Bezug auf GEMA-Gebühren sein.210 Diese Gebühren werden für die zeitlich befristete Überlassung von Urheberrechten gezahlt und unterliegen damit regelmäßig der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung. Eine Ausnahme soll für Radiobetreiber bestehen.211

166

VII. Gewinnanteile bei einer KGaA (Nr. 4) 1. Allgemeines Gem. § 8 Nr. 4 GewStG sind dem Gewinn des Gewerbebetriebs einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) die Gewinnanteile hinzuzurechnen, die sie an ihre persönlich haftenden Gesellschafter (phG, Komplementäre) verteilt hat. Generelle Voraussetzung ist nach dem Einleitungssatz des § 8 GewStG auch hier, dass diese Beträge (Gewinnanteile) bei der Ermittlung des Gewinns der KGaA abgesetzt worden sind. § 9 Nr. 1 KStG entlastet die KGaA körperschaftsteuerrechtlich, § 8 Nr. 4 GewStG belastet sie gewerbesteuerrechtlich, § 9 Nr. 2b GewStG entlastet sodann zur Vermeidung von Doppelbelastungen den phG, soweit er gewerblich tätig ist. Zweck des § 8 Nr. 4 GewStG ist es mithin, den Gewinnanteil des Komplementärs einer KGaA einmal, bei ihr, der Gewerbesteuer zu unterwerfen, um die objektive Ertragskraft der KGaA zu ermitteln.212 Die Regelung ist verfassungsgemäß.

167

Die KGaA ist zwar eine juristische Person des Privatrechts, aber handels- und steuerrechtlich eine hybride Gesellschaftsform, die sowohl Elemente einer Kapitalgesellschaft als auch einer Personengesellschaft aufweist. Handelsrechtlich ist die KGaA nach § 278 Abs. 1 AktG eine juristische Person, bei der mindestens ein Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern gegenüber unbeschränkt haftet, während weitere Kommanditaktionäre nur über das in Aktien zerlegte Grundkapital an der Gesellschaft beteiligt sind, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften. Die Besteuerung der drei Steuersubjekte

168

209 210 211 212

Bayerisches Landesamt für Steuern v. 13.1.2021 – G 1422.1.1-43/7 St32. Anders Nöcker, FR 2021, 867. Bayerisches Landesamt für Steuern v. 13.1.2021 – G 1422.1.1-43/7 St32. BFH v. 6.10.2009 – I R 102/06 BFH/NV 2010, 462.

301

GewStG § 8 Rz. 169 | Hinzurechnungen KGaA, phG und Kommanditaktionäre ist strikt zu unterscheiden. Die Rechtsposition des persönlich haftenden Gesellschafters, insb. die Befugnis zur Geschäftsführung, bestimmt sich nach Vorschriften des HGB über die KG (§ 278 Abs. 2 AktG). Die Geschäftsführungsbefugnis des phG ergibt sich aus der Gesellschafterstellung und ist nicht durch einen Dienstvertrag begründet. Folglich sind Bezüge des persönlich haftenden Gesellschafters, anders als die Bezüge eines angestellten Geschäftsführers, in dessen gesellschaftsrechtlicher Stellung begründet. PhG kann eine natürliche Person, eine Kapitalgesellschaft oder eine Personengesellschaft sein. 169

Für die Körperschaftsteuer verhindert § 9 Nr. 1 KStG im Zusammenspiel mit § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG, dass Gewinnanteile des phG einer KGaA nicht gleichzeitig der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer unterworfen werden. Soweit es zu einem Ansatz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG kommt (Gewinnanteile, soweit sie nicht auf Anteile am Grundkapital entfallen, sowie Vergütungen, die der persönlich haftende Gesellschafter für seine Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder die Überlassung von Wirtschaftsgütern erhält), muss dem ein Abzug bei der KGaA als Betriebsausgabe gegenüberstehen. Für Gewinnanteile, soweit sie nicht auf Anteile am Grundkapital entfallen, und für Tätigkeitsvergütungen wird der Betriebsausgabenabzug bei der KGaA durch § 9 Nr. 1 KStG begründet. Ohne diese Regelung wären entsprechende Beträge aufgrund der besonderen Stellung des phG nicht ohne weiteres abzugsfähige Betriebsausgabe der KGaA. Vergütungen für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern an den persönlich haftenden Gesellschafter sind auch ohne eine ausdrückliche Regelung im Körperschaftsteuergesetz Betriebsausgaben der KGaA. Nur aus diesem Grund wurden entsprechende Vergütungen nicht in den § 9 Nr. 1 KStG aufgenommen. 2. Umfang der Hinzurechnung

170

Unter dem Blickwinkel der Gewerbesteuer reicht die Vermeidung einer Doppelbelastung mit Einkommensteuer und Körperschaftsteuer von Gewinnanteilen des phG einer KGaA nicht aus. Ein Ansatz der Gewinnanteile nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG begründet bei einer natürlichen Person (wegen der Vermeidung einer Doppelerfassung bei einer inländischen Kapitalgesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter einer KGaA siehe § 9 Nr. 2b GewStG) grds. keine Gewerbesteuerpflicht. Gewinnanteile, soweit sie nicht auf Anteile am Grundkapital entfallen und Tätigkeitsvergütungen wären ohne eine entsprechende Hinzurechnung nicht mit Gewerbesteuer belastet. Unter diesem Gesichtspunkt unterwirft § 8 Nr. 4 GewStG durch eine entsprechende Hinzurechnung bei der KGaA die Gewinnanteile, soweit sie nicht auf Anteile am Grundkapital entfallen, und Tätigkeitsvergütungen der Gewerbesteuer. Generell lässt sich die Faustformel aufstellen, dass alle gesellschaftsrechtlich veranlassten Zahlungen, auch gewinnunabhängiger213 Art, brutto hinzurechnen sind, während grds. keine Hinzurechnung möglich ist, wenn der phG der KGaA wie ein (fremder) Dritter gegenübertritt. Hinzuzurechnen sind alle Aufwandsposten, die nach § 9 Nr. 1 KStG abziehbar sind und abgesetzt wurden. Die Beträge sind unabhängig davon hinzuzurechnen, ob der persönlich haftende Gesellschafter seinerseits der Gewerbesteuer unterliegt.214

171

Hinzuzurechnen sind die folgenden „verteilten“ Beträge: (Erstattete) Aufwendungen für die (Fremd-)Geschäftsführung,215 Haftungsvergütungen, Pensionsrückstellungen, Gewinnanteile an den phG.

172

Nicht hinzuzurechnen sind die folgenden Beträge: Gewinnanteile als Kommanditaktionär. Gewinnminderungen oder Gewinnerhöhungen im Rahmen einer Ergänzungsbilanz.216 Ein Auslagen- und Aufwendungsersatz (z.B. für Reisekosten), den die KGaA gegenüber dem 213 BFH v. 6.10.2009 – I R 102/06, BFH/NV 2010, 462. 214 BFH v. 6.10.2009 – I R 102/06, BFH/NV 2010, 462; R 8.2 Satz 2 GewStR 2009. 215 BFH v. 31.10.1990 – I R 32/86, BStBl. II 1991, 253; v. 31.10.1990 – I R 32/86, BStBl. II 1991, 253; H 8.2 Allgemeines GewStH 2016. 216 BFH v. 15.3.2017 – I R 41/16, BFH/NV 2017, 1548.

302

Hinzurechnungen | Rz. 175 § 8 GewStG

phG erbringt, ist kein Entgelt für eine Geschäftsführertätigkeit und fällt damit nicht unter die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 4 GewStG.217 Anders als bei einer Mitunternehmerschaft i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG – hier liegen bei der Mitunternehmerschaft insoweit keine gewinnmindernden Betriebsausgaben vor – werden die als Betriebsausgaben bei der KGaA abgezogenen Vergütungen für die Hingabe von Darlehen und für die Überlassung von Wirtschaftsgütern an den phG nicht durch eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 4 GewStG mit Gewerbesteuer belastet. Entsprechende Beträge sind aber nach § 8 Nr. 1 Buchst. a, d oder e GewStG hinzuzurechnen, soweit die Voraussetzungen erfüllt sind.218

VIII. Dividenden aus Anteilen an Streubesitz (Nr. 5) 1. Allgemeines Bereits vor Einführung des Halbeinkünfteverfahrens (ab 2009 Teileinkünfteverfahren) unterlagen im Rahmen eines Gewerbebetriebs erzielte Dividenden und ähnliche Bezüge aus Streubesitz, d.h. aus einer Beteiligung an einer Körperschaft von unter 15 % (bis zum EZ 2007 unter 10 %), der Gewerbesteuer. Technisch geschah dies in der Weise, dass der die Dividende enthaltende Gewinn nach § 9 GewStG nur um Dividenden aus Schachtelbeteiligungen (Beteiligungen ab einer Mindestbeteiligungshöhe von 15 % bzw. bis EZ 2007 von 10 %) gekürzt wurde, so dass die Dividenden aus Streubesitz im Gewerbeertrag enthalten blieben.

173

Mit Einführung des Teileinkünfteverfahren ab 2009 sind wegen der vollständigen oder anteiligen Steuerfreiheit Dividenden nach Abzug der damit im Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben im gewerbesteuerlichen Gewinn der Körperschaft nicht mehr (§ 8b KStG) und im Gewinn eines einkommensteuerpflichtigen Dividendenempfängers (§ 3 Nr. 40 EStG) nur noch anteilig enthalten. Durch eine Kombination aus den § 8 Nr. 5 GewStG i.V.m. § 9 Nr. 2a und 7 GewStG wird nunmehr erreicht, dass Dividendenüberschüsse aus Streubesitz bei einem gewerbesteuerpflichtigen Empfänger ohne Abzug einer Steuerbefreiung der Gewerbesteuer unterliegen. Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschrift hat der Gesetzgeber im Wortlaut misslich verschachtelt. Im Normzusammenhang ist § 8 Nr. 5 GewStG als Sonderregelung aufzufassen, die abstrakt auf die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a und Nr. 7 GewStG 2009 abstellt.219 Danach gilt: Kapitalerträge aus Schachtelbeteiligungen sind insgesamt grds. ertrag- und gewerbesteuerfrei, Kapitalerträge unterhalb der Schwelle einer Schachtelbeteiligung (sog. Streubesitz) sind beim Anteilseigner grds. hinzuzurechnen, mithin gewerbesteuerpflichtig. Die Regelung soll das Objektsteuerprinzip gewährleisten, sichert aber letztlich fiskalisch nur die kommunalen Einnahmen.220

174

Die gewerbesteuerrechtliche Behandlung von (laufenden) Beteiligungserträgen221 regeln namentlich § 8 Nr. 5, § 9 Nr. 2a und § 9 Nr. 7 und Nr. 8 GewStG. Die gesetzestechnische Lösung ist kompliziert und unübersichtlich. Das GewStG erfasst hier nur bestimmte Gewinne, bezeichnet sie als „Gewinnanteile“ oder „Anteile aus Gewinnen“, und meint im wesentlichen Dividenden. Gründe für die Gesetzestechnik und Regelungen sind: Zum einen korrigiert das Gesetz die vorausliegenden Vorgaben der Gewinnermittlung nach EStG (§ 3 Nr. 40) und KStG (§ 8b) im Rahmen des § 7 Satz 1 GewStG; dies betrifft auch die unterschiedliche Behandlung von Streubesitz- und Schachteldividenden. Zum anderen sind Hinzurechnungen (§ 8 GewStG) und Kürzungen (§ GewStG) zu unterscheiden. Nicht zuletzt fordert das sog. Territorialitätsprinzip eine Unterscheidung inländischer und ausländischer Beteiligungserträge und eine Ausscheidung der letzteren.

175

217 218 219 220 221

BFH v. 31.10.1990 – I R 32/86, BStBl. II 1991, 253. R 8.2 Satz 4 GewStR 2009. BFH v. 30.5.2014 – I R 12/13, BFH/NV 2014, 1402. Ähnlich Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 18.226: „Systembruch“. Zum Begriff § 275 Abs. 2 Nr. 9 HGB.

303

GewStG § 8 Rz. 176 | Hinzurechnungen 176

Übersicht 1: Gewerbesteuerrechtliches Schachtelprivileg für den Fall der Gewinnausschüttung an eine natürliche Person Fall 1: < 15%

Fall 2: ≥ 15 %

Gewinnausschüttung

100

100

§ 3 Nr. 40 EStG

./.40

./.40

Einkünfte EStG

60

60

§ 8 Nr. 5 GewStG

40

Beteiligungshöhe

§ 9 Nr. 2a GewStG

./.60

Gewerbeertrag 177

100

Übersicht 2: Gewerbesteuerrechtliches Schachtelprivileg für den Fall der Gewinnausschüttung an eine Kapitalgesellschaft Beteiligungshöhe

Fall 1: < 15%

Gewinnausschüttung

Fall 2: ≥ 15 %

100

100

§ 8b Abs. 1 KStG

./.100

./.100

§ 8b Abs. 5 KStG

5

5

Einkommen KStG

5

5

§ 8 Nr. 5 GewStG

95

§ 9 Nr. 2a GewStG Gewerbeertrag 178

0

0 100

5

Hiervon zu unterscheiden ist die gewerbesteuerrechtliche Behandlung von bestimmten Veräußerungs- und Aufgabegewinnen (näher § 7 GewStG Rz. 293). Hier enthalten §§ 8, 9 GewStG keine zusätzlichen Korrekturnormen. Vielmehr sind die objektsteuerspezifischen Vorgaben in §§ 2, 7 GewStG zu beachten. Danach ist die Veräußerung bzw. Aufgabe eines Teil- oder Gesamtbetriebs bzw. einer gesamten Beteiligung an einer Personengesellschaft durch einen Einzelunternehmer (natürliche Person) nicht gewerbesteuerpflichtig. Veräußert dieser eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, gilt das Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG), d.h. 60% sind auch gewerbesteuerpflichtig. Gleiches gilt Mitunternehmerschaften, soweit der Gewinn auf eine natürliche Person entfällt. Andernfalls ist der Vorgang gewerbesteuerpflichtig (§ 7 Satz 2 GewStG). Die Veräußerung bzw. Aufgabe eines Teil- oder Gesamtbetriebs bzw. einer gesamten Beteiligung an einer Personengesellschaft durch eine Kapitalgesellschaft ist voll gewerbesteuerpflichtig. Veräußert diese eine Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft gilt § 8b Abs. 3 KStG, d.h. 95% sind gewerbesteuerfrei. 2. Voraussetzungen der Hinzurechnung

179

§ 8 Nr. 5 GewStG führt bei einer Körperschaft als Dividendenempfänger dazu, dass Dividendenüberschüsse aus Streubesitz dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzugerechnet werden. Bei Dividendenüberschüssen aus Streubesitz für einkommensteuerpflichtige Gewerbebetreibende erfolgt für den einkommensteuerpflichtigen und damit im Gewinn enthaltenen Teil keine Kürzung nach § 9 Nr. 2a bzw. 7 GewStG. Darüber hinaus wird der einkommensteuerfreie Anteil am Gewinnanteil nach § 8 Nr. 5 GewStG dem Gewinn des Gewerbebetriebs hinzugerechnet.

304

Hinzurechnungen | Rz. 184 § 8 GewStG

Positive und negative Voraussetzungen der Hinzurechnung: – Nach dem Ober- und Einleitungssatz des § 8 GewStG sind die fraglichen Beträge bereits bei der Ermittlung des Gewinns gem. § 7 Satz 1 GewStG abgesetzt worden, d.h. hier „außer Ansatz“ geblieben. Insoweit ist der maximale Umfang der Hinzurechnung festgelegt. Dies betrifft nunmehr insb. körperschaftsteuerpflichtige Streubesitzdividenden gem. § 8b Abs. 4 KStG. – Es muss sich um Dividenden (Gewinnanteile) einer Kapitalgesellschaft oder um gleichgestellte Beträge einer anderen Körperschaft handeln, – die gem. § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b Abs. 1 KStG teilweise bzw. vollständig steuerfrei gestellt sind. – Im Gegenzug sind folgerichtig dann auch die nicht abziehbaren Aufwendungen (§ 3c Abs. 2 EStG, § 8b Abs. 5, 10 KStG) zu berücksichtigen, mithin hier abzuziehen (Nettohinzurechnung), d.h., die ertragsteuerrechtlichen Abzugsverbote werden wieder aufgehoben und die Hinzurechnung wird auf einen Nettoertrag begrenzt. – Die Hinzurechnung gilt nicht, wenn die Gewinnanteile auf einer Schachtelbeteiligung i.S.d. § 9 Nr. 2 a oder 7 GewStG beruhen. – Die Hinzurechnung gilt nach § 8 Nr. 5 Satz 2 a.F. GewStG bis EZ 2021 auch nicht für Gewinnausschüttungen gem. § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG, die bereits unter das AStG fallen.

180

Entscheidend sind die Beteiligungsverhältnisse zu Beginn des EZ. Die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG erwähnt nicht die nach dem DBA-Recht befreiten Schachtelbeteiligungen nach § 9 Nr. 8 GewStG. Diese sind nicht nach § 8 Nr. 5 GewStG 2002 dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen.222 Obwohl § 8 Nr. 5 Satz 1 GewStG nur § 8b Abs. 1 KStG ausdrücklich erwähnt, ist auch in den Fällen mittelbaren Erzielung von Dividenden gem. § 8b Abs. 6 Satz 1 und 2 KStG zu beachten. Danach findet eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG auch bei gewerblichen Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften) statt. U.a. ist danach eine Hinzurechnung für Gewinnanteile auch durchzuführen, die nur mittelbar über eine Mitunternehmerschaft bezogen werden. § 7 Satz 4 GewStG bestätigt dies. Entsprechendes gilt für die mittelbare Beteiligung eines Betriebs gewerblicher Art einer juristischen Person des öffentlichen Rechts.

181

3. Umfang der Hinzurechnung Hinzurechnen sind nur Dividenden (laufende Beteiligungserträge) und diese gleichgestellten Bezüge, die bei der Gewinnermittlung nach § 3 Nr. 40 EStG und § 8b Abs. 1 KStG gem. § 7 Satz 1 GewStG steuerfrei waren. Für die Gewinne aus der Veräußerung von Streubesitzanteilen, die nach dem Halbeinkünfteverfahren (ab 2009 Teileinkünfteverfahren) ebenfalls vollständig oder halb von der Steuer befreit sind, ist keine Hinzurechnung vorgesehen. Dies gilt auch für Dividendenbezüge i.S.d. § 2 Abs. 2 InvStG. Korrespondierende Beteiligungsaufwendungen sind entgegen § 3c Abs. 2 EStG, § 8b Abs. 5, 10 KStG abziehbar, d.h. sie mindern den Hinzurechnungsbetrag (Nettogewinn). Übersteigen die Beteiligungsaufwendungen die Dividenden, so ist umstritten, ob sich daraus eine negative Hinzurechnung ergibt bzw. aus der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG eine Kürzung werden kann.223

182

Soweit Schuldentgelte im Zusammenhang mit Dividendenerträgen wegen des Teileinkünfteverfahren nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden, führt ein Ansatz im Rahmen der Berechnung der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStR nicht dazu, dass insoweit Schuldentgelte i.S.v. § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG anzunehmen sind.224

183

Die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG für von der Körperschaftsteuer befreite Dividenden wird nicht um ausschüttungsbedingte Teilwertabschrei-

184

222 BFH v. 23.6.2010 – I R 71/09, BStBl. II 2011, 129; R 8.3 GewStR 2009 mit Anhang 7. 223 Eine negative Hinzurechnung verneinend Gröning/Siegmund, DStR 2003, 617; Hofmeister in Brandis/Heuermann, § 8 GewStG Rz. 586; a.A. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 8 Nr. 5 GewStG Rz. 12; Nöcker in Lenski/Steinberg, § 8 Nr. 5 GewStG Rz. 13. 224 Ebenso Güroff in Glanegger/Güroff10, § 8 Nr. 5 GewStG Rz. 12 m.w.N.

305

GewStG § 8 Rz. 185 | Hinzurechnungen bungen auf Aktien im Streubesitz, die dem Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 KStG unterfallen, gemindert. Eine teleologische Extension des Wortlauts des § 8 Nr. 5 GewStG hat der BFH225 abgelehnt. 4. Keine Hinzurechnung von Gewinnausschüttungen nach § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG (bis EZ 2021) 185

Die Regelung des § 8 Nr. 5 n.F. GewStG gilt nunmehr nicht für Gewinnausschüttungen, die unter § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG fallen. Nach § 8 Nr. 5 Satz 2 a.F. GewStG waren bis einschließlich EZ 2021 solche Gewinnausschüttungen nicht hinzuzurechnen, die nach § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG a.F. steuerfrei waren. Mit dem Verzicht auf eine Hinzurechnung trug der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass insoweit bereits eine Belastung mit dem positiven Hinzurechnungsbetrag gem. § 10 Abs. 2 AStG a.F. erfolgt ist. Von einer Doppelbelastung auch mit Gewerbesteuer sieht der Gesetzgeber daher ab. Dies gilt nicht nur für natürliche Personen, sondern sinngemäß auch für Körperschaften im Rahmen des § 8b Abs. 1 und 5 KStG.226

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§ 3 Nr. 41 Buchst. a EStG a.F. und § 8 Nr. 5 Satz 2 a.F. GewStG sind letztmals für den VZ 2021 bzw. EZ 2021 anzuwenden (§ 52 Abs. 4 Satz 15 EStG bzw. § 36 Abs. 4a GewStG). Das ATAD-Umsetzungsgesetz227 hat mit der Reform des AStG beide Regelungen mit Wirkung ab VZ 2022 bzw. ab EZ 2022 aufgehoben. Es handelt sich bei der Streichung um eine Folgeänderung. Das neue AStG 2022 enthält nunmehr in § 11 AStG eine eigene Kürzungsregelung für Hinzurechnungsbeträge nach § 10 Abs. 2 AStG n.F. auch für Zwecke der Gewerbesteuer und ersetzt § 3 Nr. 41 EStG a.F. Der Zweck der Vermeidung einer Doppelbelastung bleibt gleich.

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Nach § 11 AStG (VZ/EZ 2022) ist nunmehr im Ausschüttungsfall bei der Ermittlung der Summe der Einkünfte ein Kürzungsbetrag abzuziehen, soweit in den Vorjahren Hinzurechnungsbeträge als sog. Hinzurechnungskorrekturvolumen gesondert festgestellt wurden. Der nach § 11 Abs.1 und 2 AStG zu ermittelnde Kürzungsbetrag wirkt sich nach § 11 Abs. 5 GewStG auch auf die Gewerbesteuer und den Gewerbeertrag mindernd aus. Voraussetzung ist, dass die Hinzurechnungsbeträge in früheren Jahren der Gewerbesteuer gem. § 8 Nr. 5, § 9 Nr. 7 oder 8 GewStG unterlegen haben. Damit soll § 11 Abs. 5 AStG sicherstellen, dass Ausschüttungen oder Anteilsveräußerungen nicht erneut der Gewerbesteuer unterliegen, soweit sie bereits auf passiven Einkünften beruhen, die der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen waren.228

IX. Verlustanteile aus Mitunternehmerschaften (Nr. 8) 188

Gewerbebetriebe von Personengesellschaften sind – anders als bei der Einkommensteuer – gewerbesteuerrechtlich selbständige Steuersubjekte (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Werden die Anteile am Gewinn oder Verlust aus der Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 Abs. 3 EStG an einer in- und ausländischen Personengesellschaft (Beteiligungsunternehmen) in einem weiteren Gewerbebetrieb gewinnwirksam berücksichtigt, darf sich dies nicht auf den Gewerbeertrag des weiteren Gewerbebetriebs auswirken. § 8 Nr. 8 Satz 1 GewStG ordnet die Hinzurechnung des Verlustanteils an. § 9 Nr. 2 Satz 1 GewStG sondert korrespondierend die Gewinnanteile aus dem Gewerbeertrag aus. § 8 Nr. 8 Satz 2 GewStG hat das JStG 2020 aus Gründen der Gleichbehandlung mit Wirkung ab EZ 2020 eingeführt.229

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Beide Regelungen sollen primär eine doppelte Erfassung von Mitunternehmer-Verlustanteilen bzw. Mitunternehmer-Gewinnanteilen von Personengesellschaften vermeiden, 225 226 227 228 229

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BFH v. 11.7.2017 – I R 88/15, BFH/NV 2018, 231; dazu Weiss/Brühl/Becker, Ubg 2018, 499. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 8 Nr. 5 GewStG Rz. 13. Gesetz v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035. Zu einem Beispiel BT-Drucks. 19/28652, 61. Zur Begründung BT-Drucks. 19/22850, 104; a.A. BR-Drucks. 503/20, 50.

Hinzurechnungen | Rz. 193 § 8 GewStG

wenn die Anteile zu einem Betriebsvermögen verhören. Gewerbesteuerrechtlich werden diese Anteile vielmehr – abweichend von der Zurechnung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auf den Gesellschafter (Mitunternehmer) – bei der „zuständigen“ Gesellschaft (Mitunternehmerschaft) berücksichtigt, in der sie entstanden sind. Diese Zuordnung zum Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 GewStG) entspricht damit auch dem Objektsteuercharakter der Steuer. Zudem sichert die Regelung das sog. Territorialitätsprinzip, weil Verlustanteile eines inländischen Gewerbebetriebs an einer ausländischen (nicht gewerbesteuerbaren) Mitunternehmerschaft nicht im inländischen Gewerbebetrieb abgezogen werden dürfen. Europarechtliche Bedenken bestehen grds. nicht.230 Generelle Voraussetzung ist, wie bei allen Hinzurechnungen, dass der gewerbliche Gewinn gemindert wurde. Maßgebend für die Hinzurechnung ist der sich aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ergebende Verlustanteil. Zu einer Hinzurechnung oder Kürzung kommt es auch, wenn das Beteiligungsunternehmen noch nicht oder nicht mehr der Gewerbesteuer unterliegt, z.B. weil sich das Beteiligungsunternehmen noch in der Vorbereitungs- oder Abwicklungsphase befindet.231

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X. Spenden der Körperschaften (Nr. 9) Die Hinzurechnungsregelung des § 8 Nr. 9 GewStG dient zunächst der Gleichstellung von einkommen- und körperschaftlichen Gewerbetreibenden, die „Ausgaben“ zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke i.S.d. §§ 52 bis 54 AO aus Mitteln des Gewerbebetriebs tätigen. Im Zusammenspiel mit der Regelung des § 9 Nr. 5 GewStG ergibt sich sodann das unnötig „umständliche Gesamtkonzept“232, dass entsprechende Zuwendungen im Rahmen bestimmter Höchstbeträge von der Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen wieder gekürzt werden.233 Es geht mithin primär in beiden Regelungen nicht um die Ermittlung des objektiven Gewerbeertrags, sondern um materiell eine sachliche Steuerbefreiung zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke für alle Unternehmensformen.

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Ausgaben (Zuwendungen in Form von Spenden und Mitgliedsbeiträgen) zur Förderung mildtätiger, kirchlicher, religiöser, wissenschaftlicher und staatspolitischer Zwecke und der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke sind im Rahmen des § 10b EStG bei natürlichen Personen als Sonderausgaben abzugsfähig. Sie mindern nicht den Gewinn eines Gewerbebetriebs, somit vorbehaltlich der Kürzung nach § 9 Nr. 5 GewStG auch nicht den Gewerbeertrag. Bei Körperschaften (insb. Kapitalgesellschaften) sind dagegen die entsprechenden Ausgaben im Rahmen des § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG bei der Einkommensermittlung (praktisch also vom Gewinn) abzugsfähig. Die Hinzurechnung ist mit dem Betrag vorzunehmen, mit dem die Spenden bei der Ermittlung des körperschaftsteuerlichen Einkommens abgezogen worden sind. Um zunächst die Gleichstellung mit Gewerbebetrieben natürlicher Personen zu erhalten, werden diese Ausgaben dem Gewinn der Körperschaften nach § 8 Nr. 9 GewStG hinzugerechnet. Das Abzugsverbot ist aber nicht endgültig, da § 9 Nr. 5 GewStG bis zu bestimmten Höchstbeträgen den Abzug der dort genannten Spenden, dann aber rechtsformneutral für Gewerbebetriebe von natürlichen Personen, Personengesellschaften und Körperschaften einheitlich, wieder erlaubt.

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XI. Ausschüttungsbedingte bzw. abführungsbedingte Gewinnminderungen (Nr. 10) § 8 Nr. 10 GewStG regelt die Hinzurechnung bestimmter Gewinnminderungen beim gewerbesteuerpflichtigen Unternehmen (Anteilseigner und ggf. Organträger), die ihre Grundlage 230 231 232 233

BFH v. 2.12.2015 – I R 13/14, BStBl. II 2016, 927. R 8.4 GewStR 2009. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 8 Nr. 9 GewStG Rz. 1. R 8.6 Satz 2 GewStR 2009.

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GewStG § 8 Rz. 194 | Hinzurechnungen in Anteilen (Beteiligungen) an anderen Körperschaften (Beteiligungskörperschaften) haben. Die Gewinnminderungen können ihre Ursache in Gewinnausschüttungen oder in organschaftlichen Gewinnabführungen (§ 8 Nr. 10 letzter Halbs. GewStG) haben. Im ersten Fall sollen Doppelentlastungen verhindert werden, im zweiten Fall soll unmittelbar die Ertragsneutralität im Organkreis gewährleistet werden. 194

Zur Ermittlung des Gewerbeertrages sind gem. § 8 Nr. 10 GewStG unter weiteren Voraussetzungen ausschüttungsbedingte Gewinnminderungen dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzuzurechnen, die entstanden sind – durch die Teilwertabschreibung auf einen Anteil an einer Körperschaft, – durch die Veräußerung des Anteils an einer Körperschaft, – durch die Entnahme des Anteils an einer Körperschaft aus dem Betriebsvermögen, – bei der Auflösung der Körperschaft oder – bei der Herabsetzung des Kapitals der Körperschaft.

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Die Teilwertabschreibung oder sonstige Gewinnminderung muss auf eine Gewinnausschüttung – hierzu zählen offene und verdeckte Gewinnausschüttungen – zurückzuführen sein. Die Gewinnausschüttungen müssen nach § 9 Nr. 2a, 7 oder 8 GewStG von der Gewerbesteuer ausgenommen sein bzw. auf eine organschaftliche Gewinnabführung der Körperschaft zurückzuführen sein. Der Gesetzgeber möchte mit dieser Regelung eine Doppelentlastung vermeiden, die ansonsten darin bestehen würde, dass Ansätze für die Ausschüttung aufgrund der entsprechenden Kürzungsvorschriften gewerbesteuerrechtlich unterbleiben und die Gewinnausschüttung als Ursache für eine weitere Gewinnminderung mittelbar zu einer weiteren Minderung des Gewerbeertrag führt. Soweit ab dem EZ 1999 auch die organschaftliche Gewinnabführung einbezogen wird, wird bei der Ermittlung des Gewerbeertrags des Organträgers aus Gründen der Erfolgsneutralität der Nichtansatz des abgeführten Gewinns mit dem Nichtansatz der dadurch verursachten Teilwertabschreibung verbunden. Auch auf eine Gewinnausschüttung der Organgesellschaft an den Organträger aus vororganschaftlicher Zeit ist § 8 Nr. 10 GewStG anzuwenden.234

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Ist die Gewinnminderung (z.B. eine Teilwertabschreibung) auf nicht in § 8 Nr. 10 GewStG genannte Gründe zurückzuführen ist (z.B. Verluste der Körperschaft) kommt eine Hinzurechnung nicht in Betracht. Kommen mehrere Gründe, darunter auch eine Gewinnausschüttung, z.B. als Ursache für eine Teilwertabschreibung in Betracht, so ist zu schätzen, wie sich der Wert des Anteils ohne die Gewinnausschüttung entwickelt hätte.235 Die Finanzverwaltung nimmt dabei zugunsten des Gewerbetreibenden an, dass die Gewinnminderung vorrangig auf die nicht in § 8 Nr. 10 genannten Gründe beruht.236

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Mit Einführung des Halbeinkünfteverfahrens (ab 2009 Teileinkünfteverfahren) wirken sich die o.a. Gewinnminderungen bei Körperschaften nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG nicht mehr auf das Einkommen der Körperschaft aus. Dies gilt dann auch für den Gewerbeertrag nach § 7 Satz 1 GewStG. § 8 Nr. 10 GewStG findet daher für diesen Personenkreis praktisch keine Anwendung mehr. Bei einkommensteuerpflichtigen Personen sind Gewinnausschüttungen und dadurch bedingte Gewinnminderungen (§ 3 Nr. 40d i.V.m. § 3c Abs. 2 EStG) jeweils nur anteilig im Gewinn enthalten. Nach einer Kürzung i.H.d. anteiligen Gewinnausschüttung durch § 9 Nr. 2a GewStG wird auch die hälftige ausschüttungsbedingte Gewinnminderung durch § 8 Nr. 10 GewStG neutralisiert. Beispiel: A hält eine 30%ige Beteiligung an der X-GmbH im Betriebsvermögen seines gewerblichen Einzelunternehmens. Die X-GmbH erwirtschaftet in 10 keinen Gewinn, nimmt aber aus den Gewinnrücklagen eine Ausschüttung vor, von der 40 000 € auf A entfallen. Wegen der dadurch entstandenen voraussichtlichen dauerhaften Wertminderung nimmt A im Rahmen der Gewinnermittlung für sein Einzelunternehmen eine Teilwertabschreibung i.H.v. 40 000 € auf die GmbH-Beteiligung vor.

234 So R 8.6 Satz 5 GewStR 2009. 235 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 8 Nr. 10 GewStG Rz. 5a. 236 R 8.6 Satz 4 GewStR 2009.

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Hinzurechnungen | Rz. 201 § 8 GewStG Die Ausschüttung ist nach § 3 Nr. 40d EStG mit 60 % im Gewinn des Einzelunternehmens des A enthalten. Eine Kürzung nach § 9 Nr. 2a GewStG in Höhe dieses im Gewinn enthaltenen Betrages bewirkt, dass die Ausschüttung vollständig aus dem Gewerbeertrag nach den GewStG ausscheidet. Die Teilwertabschreibung mindert nach § 3c Abs. 2 ESG nur zu 60 % den Gewinn. Eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 10 GewStG in Höhe der gewinnmindernd berücksichtigten Teilwertabschreibung bewirkt, dass sich die ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung ebenso wie die Ausschüttung selbst nicht auf den Gewerbeertrag auswirken.

Eine spätere Gewinnerhöhung aus der Wertaufholung der Anteile wird von der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung auch dann berücksichtigt, wenn die zuvor angenommene Teilwertabschreibung für diese Anteile auf einer Gewinnausschüttung beruht und die Teilwertabschreibung nach § 8 Nr. 10 GewStG – aber auch die Gewinnausschüttung gemäß § 9 Nr. 2a GewStG – für Zwecke des Gewerbesteuermessbetrags außer Ansatz geblieben ist.237 Insoweit fehlt zur Vermeidung einer Doppelbelastung eine Kürzungs- und Korrekturregelung.

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Die vorstehenden Grundsätze gelten entsprechend für organschaftliche Gewinnabführungen, die zu einer Gewinnminderung führen. Diese ist steuertechnisch schon bei der Ermittlung des Gewerbeertrags des Organträgers hinzuzurechnen, dessen Gewinn durch eine Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an der Organgesellschaft gemindert worden ist.

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XII. Ausländische Steuern (Nr. 12) Gemäß § 8 Nr. 12 GewStG sind ausländische Steuern, die nach § 34c EStG oder nach einer Bestimmung, die § 34c EStG für entsprechend anwendbar erklärt (z.B. § 50 Abs. 3 EStG, § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KStG), bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden, hinzuzurechnen. Dies gilt aber nur, soweit sie auf Gewinne oder Gewinnanteile entfallen, die bei Ermittlung des Gewerbeertrags außer Ansatz gelassen oder nach § 9 GewStG gekürzt werden. Für die Berücksichtigung ausländischer Quellensteuern (Abzug oder Anrechnung) auf Kapitalerträge fehlt im GewStG eine Rechtsgrundlage (§ 7 Rz. 50 ff.).238

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Die Regelung soll im Fall eines Betriebsausgabenabzugs der ausländischen Steuern nach § 34c Abs. 2 bzw. 3 EStG (Abzugsmethode) eine doppelte Minderung der gewerbesteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage verhindern (Grundsatz der Vermeidung einer Doppelentlastung239). Zugleich realisiert sie das sog. Territorialitätsprinzip der Gewerbesteuer. Weitere auslandsbezogene Kürzungsvorschriften ergeben sich aus § 9 Nr. 2, 3, 7, 8 GewStG.

201

237 R 8.6 Satz 7 GewStR 2009; R 9.3 Satz 8 GewStR 2009; BFH v. 23.9.2008 – I R 19/08, BStBl. II 2010, 301; v. 7.9.2016 –I R 9/15, BFH/NV 2017, 485 (kein Korrespondenzausgleich); krit. Roser in Lenski/Steinberg, § 8 Nr. 10 GewStG Rz. 17; Weiss/Brühl/Becker, Ubg 2018, 499. 238 Näher Weiss/Brühl, ISR 2020, 225; a.A. FG Nds. v. 26.8.2020 – 8 K 1860/16, EFG 2021, 779, Rev. BFH I R 8/21. 239 Es handelt sich nicht um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der Doppelentlastungen oder Doppelbelastungen verbieten würde, st. Rspr., z.B. BFH v.11.7.2017 – I R 88/15, BFH/NV 2018, 231.

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GewStG § 8

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§ 8a (aufgehoben) § 8a GewStG wurde eingefügt mit Wirkung vom Erhebungszeitraum 2003 durch Art. 4 Steuervergünstigungsabbaugesetz v. 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660. Die Vorschrift wurde aufgehoben durch Art. 2 Gesetz zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes und anderer Gesetze v. 23.12.2003, BGBl. I 2003, 2922.

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GewStG § 8a

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§ 9 Kürzungen Die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen wird gekürzt um 1. 1,2 Prozent des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes; maßgebend ist der Einheitswert, der auf den letzten Feststellungszeitpunkt (Hauptfeststellungs-, Fortschreibungs- oder Nachfeststellungszeitpunkt) vor dem Ende des Erhebungszeitraums (§ 14) lautet. 2An Stelle der Kürzung nach Satz 1 tritt auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung, errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. 3Satz 2 gilt entsprechend, wenn a) in Verbindung mit der Errichtung und Veräußerung von Eigentumswohnungen Teileigentum im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes errichtet und veräußert wird und das Gebäude zu mehr als 66 2/3 Prozent Wohnzwecken dient, b) in Verbindung mit der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes Einnahmen aus der Lieferung von Strom aa) im Zusammenhang mit dem Betrieb von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im Sinne des § 3 Nummer 21 des ErneuerbareEnergien-Gesetzes oder bb) aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder Elektrofahrräder, erzielt werden und diese Einnahmen im Wirtschaftsjahr nicht höher als 10 Prozent der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes sind; die Einnahmen im Sinne von Doppelbuchstabe aa dürfen nicht aus der Lieferung an Letztverbraucher stammen, es sei denn, diese sind Mieter des Anlagenbetreibers, oder c) Einnahmen aus unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Mietern des Grundbesitzes aus anderen als den in den Buchstaben a und b bezeichneten Tätigkeiten erzielt werden und diese Einnahmen im Wirtschaftsjahr nicht höher als 5 Prozent der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes sind. 4 Betreut ein Unternehmen auch Wohnungsbauten oder veräußert es auch Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen oder übt es auch Tätigkeiten im Sinne von Satz 3 Buchstabe b und c aus, so ist Voraussetzung für die Anwendung des Satzes 2, dass der Gewinn aus der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes gesondert ermittelt wird. 5Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, 1. wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient, 1a. 1soweit der Gewerbeertrag Vergütungen im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes enthält, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern, mit Ausnahme der Überlassung von Grundbesitz, bezogen hat. 2Satz 1 ist auch auf Vergütungen anzuwenden, die vor dem 19. Juni 2008 erstmals vereinbart worden sind, wenn die Vereinbarung nach diesem Zeitpunkt wesentlich geändert wird, oder 2. soweit der Gewerbeertrag Gewinne aus der Aufdeckung stiller Reserven aus dem Grundbesitz enthält, der innerhalb von drei Jahren vor der Aufdeckung der stillen Reserven zu einem unter dem Teilwert liegenden Wert in das Betriebs313

GewStG § 9 | Kürzungen vermögen des aufdeckenden Gewerbebetriebs überführt oder übertragen worden ist, und soweit diese Gewinne auf bis zur Überführung oder Übertragung entstandenen stillen Reserven entfallen. 6 Eine Kürzung nach den Sätzen 2 und 3 ist ausgeschlossen für den Teil des Gewerbeertrags, der auf Veräußerungs- oder Aufgabegewinne im Sinne des § 7 Satz 2 Nr. 2 und 3 entfällt; 2. 1die Anteile am Gewinn einer in- oder ausländischen offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebs anzusehen sind, wenn die Gewinnanteile bei Ermittlung des Gewinns angesetzt worden sind. 2Satz 1 ist nicht anzuwenden, soweit im Gewinnanteil Einkünfte im Sinne des § 7 Satz 7 und 8 enthalten sind. 3Bei Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen und Pensionsfonds ist Satz 1 auch auf den übrigen Gewinnanteil nicht anzuwenden. 4 Satz 2 ist nicht anzuwenden, soweit diese Einkünfte bereits bei einer den Anteil am Gewinn vermittelnden inländischen offenen Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder anderen Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebs anzusehen sind, Bestandteil des Gewerbeertrags waren. 5Bei Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen und Pensionsfonds ist Satz 4 auf Einkünfte im Sinne des § 7 Satz 8 nicht anzuwenden; 2a. 1die Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 2, einer Kredit- oder Versicherungsanstalt des öffentlichen Rechts, einer Genossenschaft oder einer Unternehmensbeteiligungsgesellschaft im Sinne des § 3 Nr. 23, wenn die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens 15 Prozent des Grund- oder Stammkapitals beträgt und die Gewinnanteile bei Ermittlung des Gewinns (§ 7) angesetzt worden sind. 2Ist ein Grundoder Stammkapital nicht vorhanden, so ist die Beteiligung an dem Vermögen, bei Genossenschaften die Beteiligung an der Summe der Geschäftsguthaben, maßgebend. 3Im unmittelbaren Zusammenhang mit Gewinnanteilen stehende Aufwendungen mindern den Kürzungsbetrag, soweit entsprechende Beteiligungserträge zu berücksichtigen sind; insoweit findet § 8 Nr. 1 keine Anwendung. 4Nach § 8b Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes nicht abziehbare Betriebsausgaben sind keine Gewinne aus Anteilen im Sinne des Satzes 1. 5Satz 1 ist bei Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen auf Gewinne aus Anteilen, die den Kapitalanlagen zuzurechnen sind, nicht anzuwenden; für Pensionsfonds gilt Entsprechendes; 2b. die nach § 8 Nr. 4 dem Gewerbeertrag einer Kommanditgesellschaft auf Aktien hinzugerechneten Gewinnanteile, wenn sie bei der Ermittlung des Gewinns (§ 7) angesetzt worden sind; 3. 1den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte dieses Unternehmens entfällt; dies gilt nicht für Einkünfte im Sinne des § 7 Satz 7 und 8. 2Bei Unternehmen, die ausschließlich den Betrieb von eigenen oder gecharterten Handelsschiffen im internationalen Verkehr zum Gegenstand haben, gelten 80 Prozent des Gewerbeertrags als auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfallend. 3Ist Gegenstand eines Betriebs nicht ausschließlich der Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr, so gelten 80 Prozent des Teils des Gewerbeertrags, der auf den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr entfällt, als auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfallend; in diesem Fall ist Voraussetzung, dass dieser Teil gesondert ermittelt wird. 4Handelsschiffe werden im internationalen Verkehr betrieben, wenn eigene oder gecharterte Handelsschiffe im Wirtschaftsjahr überwiegend zur Beförderung von Personen und Gütern im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der freien See eingesetzt werden. 5Für die Anwendung der Sätze 2 bis 4 gilt § 5a Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes entsprechend; 4. (aufgehoben)

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Kürzungen | § 9 GewStG

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die aus den Mitteln des Gewerbebetriebs geleisteten Zuwendungen (Spenden und Mitgliedsbeiträge) zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke im Sinne der §§ 52 bis 54 der Abgabenordnung bis zur Höhe von insgesamt 20 Prozent des um die Hinzurechnungen nach § 8 Nummer 9 erhöhten Gewinns aus Gewerbebetrieb (§ 7) oder 4 Promille der Summe der gesamten Umsätze und der im Wirtschaftsjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter. 2Voraussetzung für die Kürzung ist, dass diese Zuwendungen a) an eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder an eine öffentliche Dienststelle, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat belegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) Anwendung findet, oder b) an eine nach § 5 Absatz 1 Nummer 9 des Körperschaftsteuergesetzes steuerbefreite Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse oder c) an eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat belegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) Anwendung findet, und die nach § 5 Absatz 1 Nummer 9 des Körperschaftsteuergesetzes in Verbindung mit § 5 Absatz 2 Nummer 2 zweiter Halbsatz des Körperschaftsteuergesetzes steuerbefreit wäre, wenn sie inländische Einkünfte erzielen würde, geleistet werden (Zuwendungsempfänger). 3Für nicht im Inland ansässige Zuwendungsempfänger nach Satz 2 ist weitere Voraussetzung, dass durch diese Staaten Amtshilfe und Unterstützung bei der Beitreibung geleistet werden. 4Amtshilfe ist der Auskunftsaustausch im Sinne oder entsprechend der Amtshilferichtlinie gemäß § 2 Absatz 2 des EU-Amtshilfegesetzes. 5Beitreibung ist die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Sinne oder entsprechend der Beitreibungsrichtlinie einschließlich der in diesem Zusammenhang anzuwendenden Durchführungsbestimmungen in den für den jeweiligen Veranlagungszeitraum geltenden Fassungen oder eines entsprechenden Nachfolgerechtsaktes. 6Werden die steuerbegünstigten Zwecke des Zuwendungsempfängers im Sinne von Satz 2 Buchstabe a nur im Ausland verwirklicht, ist für eine Kürzung nach Satz 1 Voraussetzung, dass natürliche Personen, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, gefördert werden oder dass die Tätigkeit dieses Zuwendungsempfängers neben der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke auch zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland beitragen kann. 7In die Kürzung nach Satz 1 sind auch Mitgliedsbeiträge an Körperschaften einzubeziehen, die Kunst und Kultur gemäß § 52 Absatz 2 Nummer 5 der Abgabenordnung fördern, soweit es sich nicht um Mitgliedsbeiträge nach Satz 12 Buchstabe b handelt, auch wenn den Mitgliedern Vergünstigungen gewährt werden. 8Überschreiten die geleisteten Zuwendungen die Höchstsätze nach Satz 1, kann die Kürzung im Rahmen der Höchstsätze nach Satz 1 in den folgenden Erhebungszeiträumen vorgenommen werden. 9Einzelunternehmen und Personengesellschaften können auf Antrag neben der Kürzung nach Satz 1 eine Kürzung um die im Erhebungszeitraum in das zu erhaltende Vermögen (Vermögensstock) einer Stiftung, die die Voraussetzungen der Sätze 2 bis 6 erfüllt, geleisteten Spenden in diesem und in den folgenden neun Erhebungszeiträumen bis zu einem Betrag von 1 Million Euro vornehmen. 10Nicht abzugsfähig nach Satz 9 sind Spenden in das verbrauchbare Vermögen einer Stiftung. 11Der besondere Kürzungsbetrag nach Satz 9 kann der Höhe nach innerhalb des Zehnjahreszeitraums nur einmal in Anspruch genommen werden. 12Eine Kürzung nach den Sätzen 1 bis 10 ist ausgeschlossen, soweit auf die geleisteten Zuwendungen § 8 Absatz 3 des Körperschaftsteuergesetzes anzuwenden ist oder soweit Mitgliedsbeiträge an Körperschaften geleistet werden, a) die den Sport (§ 52 Absatz 2 Satz 1 Nummer 21 der Abgabenordnung), b) die kulturelle Betätigungen, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen, c) die Heimatpflege und Heimatkunde (§ 52 Absatz 2 Satz 1 Nummer 22 der Abgabenordnung), 315

GewStG § 9 | Kürzungen

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8.

9.

d) die Zwecke im Sinne des § 52 Absatz 2 Satz 1 Nummer 23 der Abgabenordnung fördern oder e) deren Zweck nach § 52 Absatz 2 Satz 2 der Abgabenordnung für gemeinnützig erklärt worden ist, weil deren Zweck die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet entsprechend einem Zweck nach den Buchstaben a bis d fördert. 13 § 10b Absatz 3 und 4 Satz 1 sowie § 10d Absatz 4 des Einkommensteuergesetzes und § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 und Absatz 3 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes, sowie die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften zur Abziehbarkeit von Zuwendungen gelten entsprechend. 14Wer vorsätzlich oder grob fahrlässig eine unrichtige Bestätigung über Spenden und Mitgliedsbeiträge ausstellt oder veranlasst, dass entsprechende Zuwendungen nicht zu den in der Bestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zwecken verwendet werden (Veranlasserhaftung), haftet für die entgangene Gewerbesteuer. 15In den Fällen der Veranlasserhaftung ist vorrangig der Zuwendungsempfänger in Anspruch zu nehmen; die natürlichen Personen, die in diesen Fällen für den Zuwendungsempfänger handeln, sind nur in Anspruch zu nehmen, wenn die entgangene Steuer nicht nach § 47 der Abgabenordnung erloschen ist und Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Zuwendungsempfänger nicht erfolgreich sind; § 10b Absatz 4 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes gilt entsprechend. 16Der Haftungsbetrag ist mit 15 Prozent der Zuwendungen anzusetzen und fließt der für den Spendenempfänger zuständigen Gemeinde zu, die durch sinngemäße Anwendung des § 20 der Abgabenordnung bestimmt wird. 17Der Haftungsbetrag wird durch Haftungsbescheid des Finanzamts festgesetzt; die Befugnis der Gemeinde zur Erhebung der entgangenen Gewerbesteuer bleibt unberührt. 18§ 184 Abs. 3 der Abgabenordnung gilt sinngemäß. (weggefallen) 1 die Gewinne aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, wenn die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens 15 Prozent des Nennkapitals beträgt und die Gewinnanteile bei der Ermittlung des Gewinns (§ 7) angesetzt worden sind. 2§ 9 Nummer 2a Satz 3 bis 5 gilt entsprechend; 1 die Gewinne aus Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung unter der Voraussetzung einer Mindestbeteiligung von der Gewerbesteuer befreit sind, wenn die Beteiligung mindestens 15 Prozent beträgt und die Gewinnanteile bei der Ermittlung des Gewinns (§ 7) angesetzt worden sind; ist in einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung eine niedrigere Mindestbeteiligungsgrenze vereinbart, ist diese maßgebend. 2§ 9 Nr. 2a Satz 3 gilt entsprechend. 3§ 9 Nr. 2a Satz 4 gilt entsprechend. 4Satz 1 ist bei Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen auf Gewinne aus Anteilen, die den Kapitalanlagen zuzurechnen sind, nicht anzuwenden; für Pensionsfonds gilt Entsprechendes. und 10. (weggefallen)

§ 20 GewStDV Grundbesitz (1) 1Die Frage, ob und inwieweit im Sinne des § 9 Nr. 1 des Gesetzes Grundbesitz zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehört, ist nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu entscheiden. 2Maßgebend ist dabei der Stand zu Beginn des Kalenderjahrs. (2) Gehört der Grundbesitz nur zum Teil zum Betriebsvermögen im Sinne des Absatzes 1, so ist der Kürzung nach § 9 Nr. 1 des Gesetzes nur der entsprechende Teil des Einheitswerts zugrunde zu legen.

316

Kürzungen | Rz. 1 § 9 GewStG

A. I. II. B. I. 1. 2. a) b) c) d) e)

f) g) h) II. 1. 2. 3. 4. III. 1. 2. 3. IV.

Allgemeines Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungszusammenhang . . . . . . . . . Inhalt der Vorschriften im Einzelnen Kürzungen für Grundbesitz (Nr. 1) Kürzungen für Grundbesitz im Regelfall (Nr. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . Kürzungen für Grundbesitz bei Immobilienunternehmen (Nr. 1 Satz 2–6) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschließliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes als begünstigte Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . Erlaubte, aber nicht begünstigte Tätigkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundstücke im Dienste eines Gesellschafters oder Genossen (Nr. 1 Satz 5 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sondervergütungen an Mitunternehmer, die nicht auf die Überlassung von Grundbesitz entfallen (Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewinne aus der Aufdeckung stiller Reserven (Nr. 1 Satz 5 Nr. 2) . . . . . . . . Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe des Anteils an einer Personengesellschaft (Nr. 1 Satz 6) . . . . . . Ermittlung der Kürzung . . . . . . . . . . . Mitunternehmer-Gewinnanteile (Nr. 2) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kürzungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewinne aus Anteilen an inländischen Körperschaften (Nr. 2a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmte Anteile am Gewinn einer KGaA (Nr. 2b)

1 10

1. 2. 3. V.

15

1.

45

a) b) c) d) 2.

66

VI.

80

1. 2.

30

90

a) b)

96

c) d)

100 105 110 116 125 130 140 150 160

e) f) g) VII. 1. 2. 3. VIII. 1. 2. 3.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . Anteiliger Gewerbeertrag einer ausländischen Betriebsstätte (Nr. 3) Ausländische Betriebsstätten (Satz 1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . Kürzungsverbot . . . . . . . . . . . . . Handelsschiffe im internationalen Verkehr (Sätze 2–5) . . . . . . . . . . Zuwendungen zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke (Nr. 5) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen und Rechtsfolgen Kürzungsberechtigte Personen. . Zuwendungen aus Mitteln des Gewerbebetriebs (Satz 1, 12, 13) Steuerbegünstigte Zwecke (Sätze 1, 7, 12) . . . . . . . . . . . . . . Begünstigte Zuwendungsempfänger (Sätze 2 bis 6) . . . . . . . . . . . Kürzungsbeträge (Sätze 1, 8 bis 11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuwendungsbestätigung (Satz 13) Veranlasserhaftung (Satz 14 bis 18) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewinne aus ausländischen Kapitalgesellschaften (Nr. 7) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . Gewinnanteile bei DBA (Nr. 8) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . .

170 175 180

190 200 205 210 220

230 235 238 246 250 258 263 267 280 290 300 310 315 325

A. Allgemeines I. Regelungszweck § 9 GewStG schreibt Kürzungen der Summe aus Gewinn und Hinzurechnungen vor. Die Kürzungsvorschriften dienen – ebenso wie die Hinzurechnungsvorschriften nach § 8 GewStG – der Ermittlung des objektiven Gewerbeertrags und damit der Verwirklichung des sog. Objektsteuerprinzips. Daneben werden aber weitere Zielsetzungen verfolgt. Hierzu gehören die Vermeidung der Doppelbelastung bestimmter Gewerbeerträge mit Gewerbesteuer (§ 9 Nr. 2, 2a, 2b GewStG) oder Grundsteuer (§ 9 Nr. 1 GewStG)1 und die Herausnahme ausländischer Gewerbeerträge aus der Gewerbesteuerpflicht zur Verwirklichung des sog. Territorialitätsprinzips der Steuer (§ 9 Nr. 3, 7, 8 GewStG). Soweit § 9 Nr. 1 GewStG Grundstücksunternehmen betrifft, wirkt die Regelung in weiten Teilen wie 1 BFH v. 18.12.2019 – III R 36/17, BStBl. II 2020, 405.

317

1

GewStG § 9 Rz. 2 | Kürzungen eine sachliche Steuerbefreiungsvorschrift. § 9 Nr. 5 GewStG hat den Charakter einer echten sachlichen Befreiungsvorschrift.2 2

Die Kürzungen sind von der Summe aus Gewinn und Hinzurechnungen vorzunehmen. Die Hinzurechnungen haben vor den Kürzungen zu erfolgen.3 Eine bestimmte Reihenfolge ist bei den vorzunehmenden Kürzungen nicht vorgeschrieben. Von der in § 9 Nr. 1 Satz 2 geregelten Ausnahme abgesehen, werden die Kürzungen von Amts wegen vorgenommen. Sie führen zu einer Minderung des Gewerbeertrags. Die Höhe und Modalität der Kürzung variiert in Satz 1 und in Satz 2. Eine Kürzung um negative Beträge führt zu einer Erhöhung des Gewerbeertrags. Die Einzelposten bilden eine abschließende Regelung.4

3

Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Regelung scheint eher gering zu sein. Im Einzelfall (z.B. § 9 Nr. 1 Satz 1, 2 GewStG) kann sich eine beachtliche Begünstigung ergeben. Wenn die Rechtsprechung5 feststellt, dass ein ertragloses Unternehmen infolge der Hinzurechnung nach § 8 GewStG mit Gewerbesteuer belastet ist, andererseits ein ertragstarkes Unternehmen infolge von Kürzungen nach § 9 GewStG von der Gewerbesteuer entlastet wird, ist dies rechtsgrundsätzlich zutreffend. Über die realen, auch rechtformabhängigen Belastungswirkungen im Zusammenspiel der §§ 8, 9 GewStG sagt dies nichts aus.

4

Die Vorschrift stimmt in Teilen mit § 9 GewStG 1936 überein. Die aktuelle Fassung des gesamten § 9 GewStG beruht auf dem Gesetz v. 25.6.2021.6

5

Die gesamte Vorschrift ist verfassungskonform. Auch die Einzelregelungen sind nach derzeitigem Erkenntnisstand auch mit dem Unionsrecht vereinbar.

6–9

frei

II. Regelungszusammenhang 10

§ 9 GewStG steht in engem Zusammenhang mit § 8 GewStG. Es besteht ein Ergänzungsbzw. Verweisungsverhältnis. Es besteht aber kein ungeschriebener allgemeiner Rechtsgrundsatz, der gewerbesteuerrechtliche Doppelerfassung oder Doppelentlastung außerhalb des positiven Rechts vermeiden soll. Dieses Regelungsziel muss ohnehin nicht uneingeschränkt erreicht werden.7 Der Regelungszusammenhang der Vorschriften der §§ 8, 9 GewStG und ihre Funktionen wurden bereits im Rahmen der Kommentierung des § 8 GewStG dargelegt. frei

11–14

B. Inhalt der Vorschriften im Einzelnen I. Kürzungen für Grundbesitz (Nr. 1) 1. Kürzungen für Grundbesitz im Regelfall (Nr. 1 Satz 1) 15

Strikt zu unterscheiden ist nach Wortlaut und Zweck die pauschale Kürzung für Grundbesitz nach Satz 1 und die individuelle Kürzung für eigenen Grundbesitz auf Antrag nach den Sätzen 2 bis 6 des § 9 Nr. 1 GewStG. Nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden (inländischen) und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes8 gekürzt. 2 3 4 5 6 7 8

Schnitter in Frotscher/Drüen, § 9 GewStG Rz. 1. BFH v. 25.1.2006 – I R 104/04, BStBl. II 2006, 844. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 9 GewStG Rz. 2. BFH v. 24.2.1999 – X R 171/96, BStBl. II 1999, 450. ATAD-UmsG v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035. BFH v. 6.10.2009 – I R 102/06, BFH/NV 2010, 462. Vgl. § 19 Abs. 1 BewG.

318

Kürzungen | Rz. 24 § 9 GewStG

Der in Satz 1 und 2 verwendete Begriff des Grundbesitzes ist einheitlich zu verstehen.9 Maßgeblich ist der bewertungsrechtliche Begriff des Grundvermögens.10 Der Umfang des Grundvermögens ergibt sich aus § 68 BewG.11 Danach gehören Betriebsvorrichtungen auch dann nicht zum Grundvermögen, wenn sie wesentliche Bestandteile sind.

16

Für Grundstücke i.S.d. § 70 BewG und § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG ist nach § 121a BewG, vorbehaltlich besonderer Regelungen für das Beitrittsgebiet in § 133 BewG, der um 40 % erhöhte Einheitswert auf den letzten Feststellungszeitpunkt vor dem Ende des EZ maßgebend. Beispiel: Der Einheitswert des Betriebsgrundstücks beträgt 600.00 €. Die Kürzung beträgt: 600.000 € × 1,4 × 1,2 % = 10.080 €.

17

Die Regelung soll eine Doppelbelastung von Grundbesitz mit Grund- und Gewerbesteuer vermeiden. Zudem soll sie die Gewerbesteuerbelastung zwischen unterschiedlichen Grundbesitznutzungen im Sinne einer Steuerbefreiung angleichen.12

18

Mit Wirkung vom 1.1.2025 (EZ 2025) werden die Wörter „1,2 Prozent des Einheitswerts“ durch die Wörter „0,11 Prozent des Grundstückswerts“ ersetzt.13 Zugleich wurde § 20 Abs. 2 GewStDV angepasst. Grundlage ist eine Reform des Grundsteuerrechts, nachdem das BVerfG14 mit Urteil vom 10.4.2018 die bisherigen Regelungen des BewG zur Einheitsbewertung von Grundvermögen seit dem Jahr 2002 als mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar festgestellt hatte.

19

Ob und inwieweit Grundbesitz zum Betriebsvermögen gehört, ist gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 GewStDV nach den Vorschriften des EStG oder KStG zu entscheiden. Maßgebend ist dabei der Stand zum Beginn des Kalenderjahrs, für das der Steuermessbetrag festzusetzen ist (§ 20 Abs. 1 Satz 2 GewStDV). Dieses strenge Stichtagsprinzip gilt nach dem Wortlaut der untergesetzlichen Regelung auch im Rahmen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG.15 Eine zeitanteilige Kürzung ist nicht möglich.

20

Änderungen der betrieblichen Nutzung im Laufe des Jahres bleiben unberücksichtigt. Folglich ist keine Kürzung nach § 9 Nr. 1 GewStG vorzunehmen bei: – Erwerb eines Grundstücks im Laufe des Kalenderjahres, – Beginn der Steuerpflicht im Laufe des Kalenderjahres.

21

Kapitalgesellschaften haben nur Betriebsvermögen. Grundbesitz zu Beginn des Kalenderjahres der Steuerfestsetzung hat eine Kürzung nach § 9 Nr. 1 GewStG auf der Grundlage der gesamten Einheitswerte der Grundstücke zur Folge. Eine Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) ist eine Kapitalgesellschaft, die immer gewerblich vermietet.16

22

Für andere Gewerbebetriebe kann ein Grundstück auch nur teilweise Betriebsvermögen sein. Ob das Grundstück ganz oder nur teilweise zum Betriebsvermögen gehört, ergibt sich aus den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes.17 Wegen Geringfügigkeit der betrieblichen Nutzung nicht als Betriebsvermögen behandelte Grundstücksteile sind in die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG mit einzubeziehen.18 Ist der Grundbesitz nur anteilig Betriebsvermögen, so ist die Kürzung gem. § 20 Abs. 2 GewStDV entsprechend dem betrieblichen Anteil vorzunehmen.

23

Wird der Einheitswert des Grundstücks, auf dem die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG beruht, nach Erlass des Steuermessbescheids (z.B. durch Rechtsmittelentschei-

24

9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

BFH v. 22.1.1992 – I R 61/90, BStBl. II 1992, 628. BFH v. 11.4.2019 – III R 36/15, BStBl. II 2019, 705. BFH v. 18.12.2019 – III R 36/17, BStBl. II 2020, 405. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 9 Nr. 1 GewStG Rz. 2a, b. Gesetz v. 26.11.2019, BGBl. I 2019, 1794. BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvL u.a., DStR 2018, 791. BFH v. 27.10.2021 – III R 7/19, DStR 2022, 91; a.A. R 9.2 Abs. 1 Satz 4 GewStR 2009. FG Bremen v. 7.7.2020 – 1 K 44/19 (3), juris. Vgl. R 13 EStR. R 9.1 Abs. 1 Satz 4 GewStR 2009.

319

GewStG § 9 Rz. 25 | Kürzungen dung) geändert, so sind die Steuermessbescheide usw. von Amts wegen nach §§ 175 Abs. 1 Satz Nr. 1, 181 Abs. 1 AO zu berichtigen. Beispiel zu § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG: Zum Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens (Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr) gehören zum 1.1.01 folgende Grundstücke: – 40 % eigengewerbliche Nutzung, zutreffend nur entsprechender Anteil bilanziert, letzter Einheitswert umgerechnet 150.000 €; – 100 % eigengewerbliche Nutzung, in voller Höhe bilanziert, letzter Einheitswert umgerechnet 50.000 €, ab 1.2.01 eigengewerbliche Nutzung nur noch 30 %. Ferner wurde zum 1.4.01 ein Grundstück erworben. Das Grundstück wird von Anfang an ausschließlich betrieblich genutzt. Die Kürzungen für den EZ 01 ermitteln sich wie folgt: – (150.000 € × 1,4) × 40 % = 84.000 € × 1,2 % = 1.008 €, – (50.000 € × 1,4) = 70.000 € × 1,2 % = 840 €. Für das zum 1.4.2001 erworbene Grundstück ergibt sich keine Kürzung. Zum 1.1.01 gehörte das Grundstück nicht zum Betriebsvermögen.

25–29

frei

2. Kürzungen für Grundbesitz bei Immobilienunternehmen (Nr. 1 Satz 2–6) a) Allgemeines 30

§ 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG treffen eine Sonderregelung (sog. erweiterte Kürzung) für gewerbesteuerpflichtige Grundstücksunternehmen (i.d.R. Kapitalgesellschaften). Dies sind Unternehmen, die isoliert gesehen („als solche“ oder „der Sache nach“) vermögensverwaltend in Form von Vermietung und Verpachtung tätig sind und ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten. Liegen die Voraussetzungen vor, so tritt an Stelle der Kürzung nach Satz 1 auf Antrag des Unternehmens die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags des Unternehmens, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Erfasst wird auch der im Ausland belegene Grundbesitz.19

31

Begünstigt sind nicht nur die klassischen Wohnungsbau- und Vermietungsgesellschaften, sondern häufig auch rein grundbesitzverwaltende Gesellschaften im Rahmen von Konzernverbünden. Auf Antrag wird bei Vorlage weiterer Voraussetzungen (u.a. sind neben der Verwaltung und Nutzung von eigenem Grundbesitz nur bestimmte, insoweit aber nicht begünstigte Tätigkeiten erlaubt) die Summe aus Gewinn und Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags gekürzt, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes i.S.d. § 68 BewG entfällt. Die Regelung des § 9 Nr. 1 Satz 2 tritt dann an die Stelle der Regelung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG.20

32

Der Regelungszweck der erweiterten Kürzung ist darauf gerichtet, die Gewerbesteuerbelastung der allein kraft ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften, die sich nur mit der Verwaltung von Grundvermögen befassen und damit nicht per se gewerblich tätig sind, der Belastung von in diesem Bereich tätigen Einzelunternehmen oder Personengesellschaften anzunähern.21 Zweck der erweiterten Kürzung ist es danach, die gewerblichen Erträge aus der bloßen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes von der Gewerbesteuer aus Gründen der Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen, die nur Grundstücksverwaltung betreiben, freizustellen.

33

Die Regelung gilt aber für alle Unternehmensformen und für bestimmte Formen der Vermögensverwaltung.22 Fraglich ist, ob die Steuervergünstigung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, die ursprünglich auf eine Begünstigung von Werkswohnungen zielte, heute noch

19 20 21 22

320

BFH v. 19.12.2007 – I R 46/07, BFH/NV 2008, 930. R 9.2 Abs. 1 Satz 2 GewStR 2009. BFH v. 25.9.2018 – GrS 2/16, BStBl. II 2019, 262; näher Wagner, DB 2019, 865. R 9.2 Abs. 1 Satz 1 GewStR 2009.

Kürzungen | Rz. 39 § 9 GewStG

gerechtfertigt ist. Die betrifft besonders die gewerbesteuerfreie Veräußerung solcher Wohnungen durch große Immobilienfirmen. Gesetzgeber und Rechtsprechung tun sich allerdings schwer, diesen wortreichen Kürzungstatbestand zu präzisieren und positiv und negativ abzugrenzen. Grundtatbestand und Kernelement ist, dass der Gewerbetrieb ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt (Satz 2). Diese rein vermögensverwaltende und grundbesitzbezogene Erwerbstätigkeit nimmt die Regelung aus der gewerbesteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage, dem Gewerbeertrag aus, da sie nicht gewerbesteuerbar sein soll.

34

Nach Satz 2 bis 4 sind bestimmte einnahmenbezogene und wohnungs- und grundstücksnahe Nebentätigkeiten des Gewerbebetriebs zulässig und unschädlich, d.h. sie schließen die Kürzung nicht aus, ihre Erträge dürfen aber nicht in die erweiterte Kürzung einbezogen werden. Das Fondsstandortgesetz23 hat den Kreis dieser privilegierten Nebentätigkeiten mit Wirkung ab EZ 2021 erweitert. 36Aus dem Ausschließlichkeitsgebot in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung folgt, dass andere Tätigkeiten zum völligen Ausschluss der Kürzung führen.

35

frei

36

Nach Satz 5 und 6 führen insb. die dort bestimmten „gewerbenahen“ Tätigkeiten zum anteiligen oder vollständigen Ausschluss der Kürzung. Im Ergebnis findet die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht auf Unternehmen Anwendung, die Tätigkeiten ausüben, die als solche gewerbesteuerpflichtig sind und nicht zu den unschädlichen Nebentätigkeiten gehören.24

37

Diese Steuerfreistellung ist verfassungsgemäß.25 Sie ist aber nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht geboten.

38

Sind, vorbehaltlich des Antrags, sowohl die Voraussetzung für die Steuervergünstigung nach Satz 1 als auch nach Satz 2 erfüllt, ermöglicht es der nach Satz 2 erforderliche Antrag, sich für jedes Jahr zwischen der pauschalen Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG und der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu entscheiden. In Ausnahmefällen kann es sinnvoll sein, sich gegen die dem Grunde nach umfangreichere gewerbesteuerrechtliche Entlastung durch Satz 2 auszusprechen.

39

Beispiel: Das Grundstücksunternehmen X GmbH & Co. KG (Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr) erfüllt sowohl für das Jahr 01 als auch für das Jahr 02 die Voraussetzungen nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG und nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Neben der nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG begünstigten Tätigkeit übt das Unternehmen eine nicht begünstigte, aber erlaubte Tätigkeit aus (z.B. Verwaltung und Nutzung eigenen Kapitalvermögens). Aus der nicht begünstigten Tätigkeit wird in den Jahren 01 und 02 ein Gewerbeertrag von jeweils 50.000 € erzielt. Vor Anwendung einer Kürzung nach § 9 Nr. 1 GewStG ergibt sich aus der begünstigten Tätigkeit für das Jahr 01 ein Gewerbeertrag von 80.000 € und für das Jahr 02 wegen umfangreicher Renovierungsarbeiten an vermieteten Immobilien ein negativer Gewerbeertrag von 10.000 €. Jeweils zu Beginn der Kalenderjahre 01 und 02 beträgt die Summe der Einheitswerte der zum Betriebsvermögen der KG gehörenden vermieteten Grundstücke 350.000 €. Gegenüber einer Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG (350.000 € × 1,4 × 1,2 % = 5.880 €) führt die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG (80.000 €) für das Jahr 01 zu einem deutlichen geringeren Gewerbeertrag. Ein Antrag nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG für das Jahr 02 würde hingegen nur dazu führen, dass der negative Ertrag aus der Immobilienvermietung nicht mit den positiven Erträgen aus der erlaubten, aber nicht begünstigten Tätigkeit ausgeglichen werden kann (Gewerbeertrag somit 50.000 €). Ohne einen entsprechenden Antrag ergibt sich für 02 nach Zusammenfassung der Ergebnisse aus den jeweiligen Geschäftszweigen (50.000 € ./. 10.000 €) unter Berücksichtigung der Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG (5.880 €) noch ein Gewerbeertrag von 34.120 €.

23 Art. 9 FoStoG v. 3.6.2021, BGBl. I 2021, 1498. 24 BFH v. 31.7.1990 – I R 13/88, BStBl. II 1990, 1075. 25 BVerfG v. 24.3.2010 – 1 BvR 2130/09, NJW 2010, 2116; BFH v. 19.10.2010 – I R 67/09, BStBl. II 2011, 367.

321

GewStG § 9 Rz. 40 | Kürzungen 40

Die erweiterte gewerbesteuerrechtliche Kürzung ist von einer Vielzahl von Bedingungen abhängig (Sätze 2 bis 6). Eine Bagatellgrenze besteht grundsätzlich nicht.26 Schädlich ist etwa die Verletzung des Ausschließlichkeitsgebots27 oder die Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen.28 Hier hat der Gesetzgeber mittlerweile eine Geringfügigkeitsgrenze für die Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen von 5 % in § 9 Nr. 1 Satz 3 Buchst. c GewStG mit Wirkung ab EZ 2021 eingefügt.

41

Die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist nicht von der Rechtsform des Grundstücksunternehmens abhängig. Der Begriff „Unternehmen“ ist gleichbedeutend mit dem Begriff Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 GewStG.29 Überwiegend dürften Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften, hier insb. gewerblich geprägte Personengesellschaften, zum Kreis der begünstigten Unternehmen zählen. Anders als z.B. bei natürlichen Personen, die durch die Vermietung und Verpachtung von Grundbesitz im Regelfall keine gewerbesteuerpflichtigen Erträge erzielen, sind entsprechende Erträge bei Kapitalgesellschaften und gewerblich geprägten Personengesellschaften aufgrund der Rechtsform grds. mit Gewerbesteuer belastet. Diese allein durch die Rechtsform bedingte Gewerbesteuerbelastung versucht § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG zu vermeiden, in dem unter bestimmten Voraussetzungen eine Kürzung i.H.d. Erträge aus der Verwaltung und Nutzung von eigenem Grundbesitz ermöglicht wird.

42

Auch für einen Einzelgewerbetreibenden, der sich z.B. als gewerblicher Grundstückshändler auf den erlaubten, aber nicht begünstigten Verkauf von Eigentumswohnungen, Einfamilienhäusern und Zweifamilienhäusern beschränkt, kann für einen Ertrag aus der zwischenzeitlichen Vermietung der entsprechenden Objekte die gewerbesteuerrechtliche Entlastung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in Betracht kommen.

43

Die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG setzt u.a. voraus, dass neben der Verwaltung und Nutzung von eigenem Grundbesitz nur bestimmte, insoweit aber nicht begünstigte Tätigkeiten ausgeübt werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist es z.B. sinnvoll, allein die erlaubten begünstigten und die erlaubten nicht begünstigten Tätigkeiten durch eine vermögensverwaltende Erwerbsgesellschaft in Form einer GmbH ausführen zu lassen und mit dieser GmbH ein Organschaftsverhältnis zu begründen.30 Die eigenständige Beurteilung der Voraussetzungen für die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG bei der Organtochter eröffnet die entsprechende gewerbesteuerrechtliche Entlastung, die ohne eine Ausgliederung auf eine vermögensverwaltende Erwerbsgesellschaft dem gesamten Unternehmen wegen kürzungsschädlicher Tätigkeiten verwehrt bleibt.

44

frei b) Ausschließliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes als begünstigte Tätigkeit

45

Das Unternehmen muss sich für die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG neben gesetzlich erlaubten, aber nicht begünstigten Tätigkeiten auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes beschränken. Eigener Grundbesitz ist der zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitz.31 Zum eigenen Grundbesitz gehört nach §§ 68, 70 BewG auch ein Erbbaurechtsgrundstück und ein Untererbbaurecht.32

46

Dieser wird verwaltet und genutzt, wenn er zum Zweck der Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz eingesetzt wird, etwa durch Vermietung und Verpachtung. Die neben der Vermögensverwaltung des Grundbesitzes erlaubten, jedoch nicht begünstigten Tätigkeiten 26 BFH v. 11.4.2019 – III R 36/15, BStBl. II 2019, 705. 27 BFH v. 26.2.2014 – I R 47/13, BFH/NV 2014, 1395. 28 BFH v. 17.5.2006 – VIII R 39/05, BStBl. II 2006, 659; v. 18.12.2019 – III R 36/17; H 9.2 Abs. 2 GewStH 2009; näher Nöcker, FR 2021, 867. 29 BFH v. 27.6.2019 – IV R 44/16, BStBl. II 2020, 24. 30 Näher Günters/Bieniek, FR 2005, 479 ff. 31 BFH v. 25.9.2018 – GrS 2/16, BStBl. II 2029, 262. 32 BFH v. 22.10.2020 – IV R 4/19, FR 2021, 285.

322

Kürzungen | Rz. 53 § 9 GewStG

sind in § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 GewStG abschließend aufgezählt. Darüber hinaus können nach ständiger Rechtsprechung auch Nebentätigkeiten unter bestimmten Voraussetzungen innerhalb des von dem Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gezogenen Rahmens liegen.33 Die Grundbesitzverwaltung und -nutzung darf als solche keinen gewerblichen Charakter haben. Die Vermietung und Verpachtung von Grundbesitz, die den Rahmen einer Vermögensverwaltung nicht überschreitet und damit dem Grunde nach unter § 21 EStG einzuordnen wäre, hat keinen gewerblichen Charakter und zählt daher zu den begünstigten Tätigkeiten. Bei anschließend vermieteten Gebäuden erstreckt sich die Begünstigung auch auf die Neubautätigkeit im eigenen Namen und für eigene Rechnung auf eigenem Grund und Boden.

47

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, wenn nicht eigener Grundbesitz verwaltet, sondern fremder Grundbesitz angemietet und weitervermietet wird. Ein Zwischenvermieter kann die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht in Anspruch nehmen.34 Ausnahmsweise kann die Vermietung fremden Grundbesitzes im Rahmen einer Nebentätigkeit zulässig sein.35

48

Im Anschluss an die begünstigte Vermietung getätigte Grundstücksverkäufe (Veräußerungen) unterhalb der Schwelle zum gewerblichen Grundstückshandel zählen noch zur begünstigten Tätigkeit. Gewinne aus solchen gelegentlichen Grundstücksverkäufen fallen unter die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG.36 Der während des EZ vorgenommene Verkauf des letzten Grundstücks bei anschließend fortbestehender Gewerbesteuerpflicht (z.B. weiterbestehende, als Grundstücksverwaltungsgesellschaft tätige GmbH verkauft innerhalb des Jahres ihr letztes Grundstück) lässt eine Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG nicht mehr zu, da nach dem Verkauf des letzten Grundstücks die begünstigte Tätigkeit der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes begrifflich ausgeschlossen ist.37

49

Auch der Gewinn aus der Auflösung einer gem. § 6b Abs. 3 EStG gebildeten Rücklage ist begünstigt, wenn der ohne Bildung der Rücklage entstandene Gewinn aus der Grundstücksveräußerung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gewerbesteuerfrei gewesen wäre und bei der Auflösung der Rücklage die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG vorgelegen haben.38

50

Unter dem Gesichtspunkt des gewerblichen Charakters der Grundstücksverwaltung ist § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG grds. nicht auf Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung anzuwenden.39

51

Leasingunternehmen, die aufgrund von Leasingverträgen anderen Personen unbewegliche Wirtschaftsgüter zum Gebrauch überlassen, können die erweiterte Kürzung in Anspruch nehmen, wenn ihre Betätigung für sich betrachtet ihrer Natur nach keinen Gewerbebetrieb darstellt, sondern als Vermögensverwaltung anzusehen ist.40

52

Die Grenze der Gewerblichkeit im Rahmen der Vermögensverwaltung bei der Beurteilung zur Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung gem. § 9 Nr. 1 GewStG wird insb. dann überschritten, wenn das Grundstücksunternehmen infolge einer Betriebsaufspaltung als Besitzunternehmen (originär) gewerbliche Einkünfte erzielt und damit der Zweck der sog. Besitzgesellschaft in diesem Fall von vornherein nicht auf die Vermögensverwaltung, son-

53

BFH v. 22.10.2020 – IV R 4/19, FR 2021, 285. BFH v. 8.12.2016 – IV R 55/10, BStBl. II 2017, 722; FG Bremen v. 7.7.2020 – 1 K 44/19 (3), juris. BFH v. 22.10.2020 – IV R 4/19, FR 2021, 285. BFH v. 29.4.1987 – I R 10/86, BStBl. II 1987, 603. BFH v. 20.1.1982 – I R 201/78, BStBl. II 1982, 477. BFH v. 15.3.2000 – I R 17/99, BStBl. II 2001, 251. BFH v. 22.2.2005 – VIII R 53/02, BFH/NV 2005, 1624; v. 22.6.2016 – X R 54/14, BStBl. II 2017, 529. 40 R 9.2 Abs. 1 Satz 4 GewStR 2009. 33 34 35 36 37 38 39

323

GewStG § 9 Rz. 54 | Kürzungen dern auf die Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr und die Partizipation an der durch die Betriebsgesellschaft verwirklichten Wertschöpfung gerichtet ist.41 54

Mit Ausnahme der gesetzlich genau festgelegten erlaubten, aber nicht begünstigten Tätigkeiten steht grds. jede auch noch so geringfügige42 Tätigkeit über die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes hinaus der Anwendung von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG entgegen. Der maßgebliche Begriff der Ausschließlichkeit ist gleichermaßen qualitativ, quantitativ wie zeitlich zu verstehen.43 Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes grenzt die Vermögensverwaltung i.S. einer Fruchtziehung von gewerblichen Tätigkeiten ab. Eine gewerbliche Betätigung, die nicht zu den in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genannten unschädlichen Nebentätigkeiten zählt, schließt grds. die erweiterte Kürzung aus, auch wenn sie von sog. untergeordneter Bedeutung ist.44

55

Die Rechtsprechung hat allerdings Ausnahmen zum Ausschließlichkeitsgebot entwickelt. Ausnahmsweise nicht begünstigungsschädlich sind Nebentätigkeiten, die der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes i.e.S. dienen und als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung angesehen werden können45 (qualitatives Kriterium). Ist der Umfang einer solchen Tätigkeit gering (quantitatives Kriterium), kommt es nicht zur Versagung der erweiterten Kürzung wegen Verstoßes gegen das Ausschließlichkeitsgebots.46 Eine allgemeine Geringfügigkeitsgrenze besteht nicht.47 Diese Kriterien muss das Finanzgericht als Tatsacheninstanz würdigen.

56

Die Rechtsprechung geht von solchen unschädlichen Nebengeschäften aus: z.B. bei Geschäften zum Zwecke der Kreditgewährung,48 bei einem verbilligten Einkauf von Brennstoffen zugleich für andere gleichartige Unternehmen ohne Gewinnerzielungsabsicht49 und bei der Beteiligung an der gemeinschaftlichen Verwaltung eines Grundstücks, das dem Grundstücksunternehmen nur teilweise gehört.50 Auch die An- und Weitervermietung fremden Grundbesitzes neben der Überlassung eigenen Grundbesitzes verstößt nicht gegen das Ausschließlichkeitsgebot des§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, wenn sie zwingend notwendiger Teil der wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Überlassung des eigenen Grundbesitzes ist und nur einen geringfügigen Umfang hat.51

57

Die Einspeisung von Strom über eine Photovoltaikanlage stand bis EZ 2020 der Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG entgegen.52 Auch die Verwaltung von fremdem Grundbesitz und die Beteiligung an einer gewerblich geprägten vermögensverwaltenden Personengesellschaft53 schließen eine Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG aus. Auch einer GmbH, die sich ohne eine Befugnis zur Geschäftsführung oder Vertretung, an einer ausschließlich ein Bürogebäude vermietende, nicht i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägten KG beteiligt, hat der BFH keine Kürzungsmöglichkeit nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG zugestanden.54

BFH v. 20.5.2021 – IV R 31/19, BStBl. II 2021, 768. BFH v. 17.5.2006 – VIII R 39/05, BStBl. II 2006, 659. BFH v. 26.2.2014 – I R 47/13, BFH/NV 2014, 1395. BFH v. 16.6.2005 – VII R 3/04, BStBl. II 2005, 778. Zuletzt wieder BFH v. 22.10.2020 – IV R 4/19, FR 2021, 285. BFH v. 22.10.2020 – IV R 4/19, FR 2021, 285 m.w.N. auch zur Rspr. anderer Senate des BFH. BFH v. 22.10.2020 – IV R 4/19, FR 2021, 285. BFH v. 23.7.1969 – I R 134/66, BStBl. II 1969, 664. BFH v. 27.4.1977 – I R 214/75, BStBl. II 1977, 776. BFH v. 9.2.1966 – I 173/63, BStBl. III 1966, 253. BFH v. 22.10.2020 – IV R 4/19, FR 2021, 285 für einen angemieteten „Lieferschlauch“ auf einem Nachbargrundstück. 52 FG Berlin-Bdb. v. 13.12.2011 – 6 K 6181/08, EFG 2012, 959. 53 BFH v. 17.10.2002 – I R 24/01, BStBl. II 2003, 355; BVerfG v. 18.8.2021 – 1 BvR 2331/19 u.a., StEd 2021, 548. 54 BFH v. 19.10.2011 – I R 67/09, BStBl. II 2011, 367, krit. Borggräfe, DB 2012, 1644; Sanna, DStR 2012, 1365. 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51

324

Kürzungen | Rz. 63 § 9 GewStG

Einer GmbH & Co. KG, deren unternehmerisches Kerngeschäft in der Vermietung und Verpachtung eigener Gebäude und Grundstücke liegt, ist die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu versagen, wenn sie jährlich wiederkehrend mit Gewinnerzielungsabsicht an einem örtlichen Weihnachtsmarkt teilnimmt und dort Stände betreibt.55

58

Der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG steht es auch entgegen, wenn die Steuerpflichtige durch eine bei ihr im Rahmen eines „Minijob“-Arbeitsverhältnisses angestellte Person gegen Entgelt Reinigungsleistungen in Gemeinschaftsräumen eines im Eigentum ihrer Gesellschafter stehenden Gebäudes erbringt.56

59

Nur in wenigen Ausnahmefällen kann auch die Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen eine begünstigungsunschädliche Nebentätigkeit sein.57 Neben einem qualitativen Element (sinnvolle Nutzung des Gebäudes ohne die Mitvermietung der Betriebsvorrichtungen nicht möglich) darf dabei auch in quantitativer Hinsicht (absolute Höhe der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten der Betriebsvorrichtung, Höhe der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten der Betriebsvorrichtung bzw. der Erlöse aus deren Vermietung in Relation zur Höhe der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des vermieteten Grundbesitzes bzw. der Gesamterlöse) der Rahmen eines unbedeutenden Hilfsgeschäfts nicht überschritten werden.58 Entscheidend ist der jeweilige Erhebungszeitraum. Auch eine geringfügige Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen steht einer ausschließlichen Grundstücksverwaltung i.S.d. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG bisher grundsätzlich entgegen.59 Die Vermietung eines in mitvermieteten Gewerberäumen befindlichen Schwimmbads, dessen Einstufung als Betriebsvorrichtung sich nicht durch den Vermieter bestimmt, sondern von der Nutzung durch den Mieter abhängig ist, wird stets als Vermietung von Grundbesitz behandelt.60

60

Eine der Gewerbesteuer unterliegende Betriebsverpachtung geht, z.B. durch die Überlassung von beweglichem Anlagevermögen, über die Nutzungsüberlassung von Grundbesitz hinaus. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist daher bei einer Betriebsverpachtung grds. nicht anwendbar.61

61

Das Halten einer Beteiligung an einer gewerblich geprägten grundstücksverwaltenden Personengesellschaft verstößt gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG.62 Eine Beteiligung einer grundstücksverwaltenden Gesellschaft (Personen- oder Kapitalgesellschaft) an einer rein grundstücksverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Personengesellschaft steht hingegen der Anwendung von § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. nicht entgegen.63

62

Die ausschließliche Nutzung und Verwaltung eigenen Grundbesitzes muss während des gesamten EZ bestanden haben. Wird eine entsprechende Tätigkeit nach einer zunächst steuerschädlichen Tätigkeit erst im Laufe des EZ aufgenommen64, kommt die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG ebenso wenig in Betracht wie im Fall einer Aufgabe einer entsprechenden Tätigkeit im Laufe des EZ unter Fortführung einer gewerblichen Tätigkeit ohne Nutzung und Verwaltung eigenen Grundbesitzes. Dies gilt auch, wenn es sich bei der

63

55 FG Münster v. 21.1.2020 – 6 K 1384/18 G,F, EFG 2020, 539, Rev. BFH IV R 6/20. 56 FG Berlin-Bdb. v. 7.7.2020 – 8 K 8320/17, EFG 2020, 1629, Rev. BFH III R 49/20. 57 BFH v. 18.12.2019 – III R 36/17, dort ablehnend für Zapfsäulen, Rohrleitungen und Tanks einer Tankstelle. 58 FG Düsseldorf v. 13.5.2005 – 1 K 597/02 G, EFG 2005, 1792 – Rev. zurückgewiesen BFH v. 2.10.2006 – VIII R 48/05, juris. 59 BFH v. 17.5.2006 – VIII R 39/05, BStBl. II 2006, 659. 60 BFH v. 22.6.1977 – I R 50/75, BStBl. II 1977, 778. 61 BFH v. 14.6.2005 – VIII R 3/03, BStBl. II 2005, 778. 62 BFH v. 27.6.2019 – IV R 44/16, BStBl. II 2020, 24; v. 27.6.2019 – IV R 45/16, BFH/NV 2019, 1245; Verfassungsbeschwerden nicht angenommen, BVerfG v. 18.8.2021 – 1 BvR 2331/19, StEd 2021, 548. 63 BFH v. 25.9.2018 – GrS 2/16, BStBl. II 2019, 262; v. 22.5.2019 – III R 21/16, BFH/NV 2020, 103. 64 BFH v. 29.3.1973 – I R 199/72, BStBl. II 1973, 563.

325

GewStG § 9 Rz. 64 | Kürzungen fortgeführten Tätigkeit um eine i.S.d. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zunächst erlaubte, aber nicht begünstigte Tätigkeit handelt (z.B. Erzielung von Zinseinkünften nach Verkauf des letzten Grundstücks65). frei

64–65

c) Erlaubte, aber nicht begünstigte Tätigkeiten 66

Erlaubt und kürzungsunschädlich sind neben der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes nach § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG eine Reihe von „wohnungsnahen“ (Neben-)Tätigkeiten mit den entsprechenden Einnahmen. Voraussetzung für die Anwendung der Kürzung ist nicht nur ein entsprechender (rechtzeitiger) Antrag des Steuerpflichtigen Nach Satz 466 sind die Einnahmen und Ausgaben auch zu trennen, d.h. der Stpfl. muss den Gewinn aus der eigentlichen Verwaltung und Nutzung gesondert von den anderen Einnahmen aus den Nebentätigkeiten ermitteln.

67

– – – –

68

Ab EZ 202167 hat der Gesetzgeber den Katalog der erlaubten und unschädlichen Einnahmen im Kontext der Wohnungsnutzung erweitert auf – bestimmte Einnahmen aus der Lieferung von Strom aus erneuerbaren Energien oder aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder -fahrräder (§ 9 Nr. 1 Satz 3 Buchst. b) GewStG); die erweiterte Kürzung bleibt erhalten, wenn diesbezüglichen Einnahmen in dem für den EZ maßgeblichen Wirtschaftsjahr nachweislich nicht höher als 10 Prozent der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes sind, – andere bestimmte Einnahmen aus unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Mietern des Grundbesitzes, etwa aus der Gebrauchsüberlassung von Betriebsvorrichtungen an Mieter (§ 9 Nr. 1 Satz 3 Buchst. c GewStG). Die erweiterte Kürzung bleibt erhalten, wenn die Einnahmen in dem für den EZ maßgeblichen Wirtschaftsjahr aus diesen übrigen Tätigkeiten nicht höher als 5 Prozent der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes sind und aus unmittelbaren Vertragsverhältnissen mit den Mietern des Grundstücks stammen.

Erlaubt und unschädlich sind die folgenden Einnahmen bzw. Tätigkeiten: die Verwaltung und Nutzung eigenen Kapitalvermögens (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG), die Betreuung von Wohnungsbauten (§ 9 Nr. 1 Satz 2, 4 GewStG), die Errichtung und Veräußerung von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern, Eigentumswohnungen (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG) und nach § 9 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a) GewStG im eingeschränkten Umfang auch die Errichtung und Veräußerung von Teileigentum.

69–70

frei

71

Der Begriff des Kapitalvermögens ergibt sich aus § 20 EStG. Eine Nutzung von Kapitalvermögen, die nach den ertragsteuerlichen Grundsätzen als eine gewerbliche Tätigkeit einzustufen ist, schließt die erweiterte Kürzung aus. Der Kauf von Wertpapieren und deren gelegentliche Veräußerung sowie die Gewährung von langfristigen Darlehen gegen Eintragung einer Hypothek führen noch nicht zu einer gewerblichen Nutzung von Kapitalvermögen.

72

Die erlaubte, aber nicht begünstigte Tätigkeit einer Betreuung von Wohnungsbauten ist von der begünstigten Tätigkeit, Verwaltung und Nutzung von eigenem Grundbesitz, abzugrenzen. I.S.d. § 37 des zwischenzeitlich aufgehobenen II. WohnungsbauG umfasst die Betreuung von Wohnungsbauten die Baubetreuung bei der Errichtung von Wohngebäuden 65 Zur Ausnahme bei Verkauf des letzten Grundstücks zum 31.12. vgl. BFH v. 11.8.2004 – I R 89/03, BStBl. II 2004, 1080. 66 Ergänzt durch Art. 9 FoStoG v. 3.6.2021, BGBl. I 2021, 1498. 67 Eingefügt durch Art. 9 FoStoG v. 3.6.2021, BGBl. I 2021, 1498; zur Begründung BT-Drucks. 19/ 28868, 151. Näher Arendt/Dworog/Thomer, DStR 2021, 1280; Thomer/Hölkmeier/Lucks, BB 2021, 2460; Wagner/Behrens, Ubg 2021, 275

326

Kürzungen | Rz. 80 § 9 GewStG

durch technische, finanzielle und wirtschaftliche Hilfe sowie Unterstützungshandlungen. Die Durchführung der Bauarbeiten selbst zählt nicht zur Baubetreuung. Darüber hinaus ist auch die sog. Bewirtschaftungsbetreuung, d.h. eine mit der eines Verwalters von Wohnungseigentumsanlagen i.S.d. §§ 26 ff. WEG vergleichbare Tätigkeit als Betreuung von Wohngebäuden einzustufen. Entgegen der ursprünglichen Verwaltungsauffassung68 scheitert die Betreuung von Wohnungsbauten i.S.d. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht daran, dass diese Gebäude vom Grundstücksunternehmen nicht selbst errichtet worden sind bzw. nicht in dessen Eigentum stehen.69 Neben Mietwohngrundstücken, EFH und Häusern, die aus Eigentumswohnungen bestehen, stuft das Schrifttum70 auch gemischtgenutzte Grundstücke, die zu mehr als 66 2/3 Wohnzwecken dienen, als Wohnungsbauten i.S.d. § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG ein. Satz 3 der Regelung erwähnt die Betreuung von Wohnungsbauten allerdings nicht. Der IV. Senat des BFH71 hat daher auch mit Blick auf Wortlaut, Entstehung und Zweck der Regelung entschieden, dass Wohnungsbauten i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nur Gebäude sind, die ausschließlich Wohnzwecken dienen. Gemischt gewerblich genutzte Grundstücke und Gebäude werden danach nicht erfasst. Eine Analogie oder ein Gleichheitsverstoß scheiden aus. Die Neuregelung des § 9 Satz 3 GewStG durch das Fondsstandortgesetz v. 3.3.2021 ändert an diesem Ergebnis nichts. Ggf. kann der Steuerpflichtige gemischt-gewerbliche Objekte in einer Schwestergesellschaft verwalten.

73

Sofern zu einem zu Wohnzwecken dienenden Objekt PKW-Stellplätze vorhanden sind, die jeweils einer bestimmten Wohnungseinheit zugeordnet sind, sind diese vom Begriff „Wohnungsbauten“ eingeschlossen.

74

Bürohäuser, Lagerhallen, Geschäftsgrundstücke und unbebaute Grundstücke sind jedenfalls keine Wohnungsbauten.

75

Die Übernahme der Reinigung eines Treppenhauses ist keine unschädliche „Betreuung von Wohnungsbauten“72. Nach Satz 4 sind die Gewinnanteile gesondert zu ermitteln.

76

Die Errichtung und Veräußerung von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern, Eigentumswohnungen und – im eingeschränkten Umfang – Teileigentum (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG) steht der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG nicht entgegen.73 Die Erträge aus der Veräußerung, soweit sie nicht ausnahmsweise unterhalb der Schwelle zum gewerblichen Grundstückshandel noch der Nutzung und Verwaltung zuzurechnen sind, sind selbst nicht begünstigt. Gewinne, insb. aber Verluste aus der zwischenzeitlichen Vermietung errichteter und später verkaufter Objekte sind abhängig vom konkreten Sachverhalt der begünstigten Vermietung und Verpachtung eigenen Grundbesitzes oder dem nicht begünstigten Gewinn aus der Errichtung und Veräußerung zuzuordnen. Weist man Verluste aus der vorübergehenden Vermietung nach gescheiterten, später dann aber erfolgreichen Verkaufsbemühungen dem Gewinn aus der Errichtung und Veräußerung zu, so führt dies gegenüber einer Einstufung Nutzung und Verwaltung eigenen Grundbesitzes zu einer Gewerbesteuerentlastung.

77

frei

78–79

d) Grundstücke im Dienste eines Gesellschafters oder Genossen (Nr. 1 Satz 5 Nr. 1) Nach dieser Regelung kann die erweiterte Kürzung insgesamt nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient. Sie gilt nur für Gesellschaften und Genossenschaften und 68 Abschn. 60 Abs. 1 Nr. 3 Satz 18 GewStR 1998. 69 BFH v. 17.9.2003 – I R 8/02, BStBl. II 2004, 243. 70 Roser in Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 1 GewStG Rz. 173; vgl. FG Berlin-Bdb. v. 7.7.2020 – 8 K 8320/17, EFG 2020, 1629, Rev. BFH III R 49/20. 71 BFH v. 15.4.2021 – IV R 32/18, BStBl. II 2021, 624. 72 FG Berlin-Bdb. v. 7.7.2020 – 8 K 8320/17, EFG 2020, 1629, Rev. BFH III R 49/10. 73 BFH v. 31.7.1990 – I R 13/88, BStBl. II 1990, 1075.

327

80

GewStG § 9 Rz. 81 | Kürzungen dient im Kern der Gleichstellung des Gewerbetriebs kraft Rechtsform mit natürlichen Personen. Ohne diese Regelungen würde z.B. die Gründung einer GmbH unter Einbringung eines Grundstücks durch eine natürliche Person und die nachfolgende ausschließliche Vermietung des Grundstücks an diese dann i.S.d. § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG begünstigungsschädlich tätige natürliche Person die Erträge aus dem Grundstück gewerbesteuerfrei stellen, während bei einer unmittelbaren gewerblichen Nutzung durch diese natürliche Person die Erträge aus dem Grundstück der Gewerbesteuer unterliegen würden. 81

„Gesellschafter“ i.S. dieser Regelung ist danach u.a. jeder persönlich haftende Gesellschafter, und zwar selbst dann, wenn er am Vermögen der Grundstückspersonengesellschaft nicht beteiligt ist und ihm kein Anteil am Gewinn und Verlust dieser Gesellschaft zusteht.74

82

Auch bei einer Vermietung durch eine gewerblich geprägte Personengesellschaft an gewerblich tätige Personengesellschaften kommt die erweiterte Kürzung dann nicht in Betracht, wenn an beiden Gesellschaften eine identische Person als Kommanditist beteiligt ist. Auch die Verpachtung von Dachflächen eines Grundstücksunternehmens (GmbH) an eine teilweise personenidentische GbR ist vorbehaltlich einer Bagatellbeteiligung schädlich.75 Ein Grundstück dient z.B. dem Gewerbebetrieb des Gesellschafters oder Genossen, wenn dieser auf dem Grundstück einen Einzelgewerbebetrieb betreibt. Gleiches gilt, wenn der Grundbesitz von einer Mitunternehmerschaft genutzt wird, an der der Gesellschafter oder Genosse beteiligt ist.76 Selbst für den Fall, dass der den Grundbesitz nutzende Gesellschafter als Komplementär nicht am Vermögen der Grundbesitzgesellschaft beteiligt war, ist die erweiterte Kürzung zu versagen.77 Auch der mittelbar über eine Personengesellschaft an einer vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft Beteiligte ist Gesellschafter bzw. Genosse i.S.d. § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG.78

83

Ein Dienen i.S.d. § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG liegt vor – mit der Folge, dass eine erweiterte Kürzung ausgeschlossen ist –, wenn die Vermietung der Wohnungen und die gewerbliche Erbringung der Serviceleistungen durch beteiligungsidentische Gesellschaften untrennbar zusammen gehören und eine einheitliche gewerbliche Tätigkeit vorliegt.79

84

Geringfügige Beteiligungsquoten von zumindest 1 % führen stets zum Ausschluss der Begünstigung.80 Ob bei einer Beteiligung unterhalb von 1 % die erweiterte Kürzung noch gewährt werden kann, hat der BFH offen gelassen.81 Das FG Düsseldorf befürwortet bei einer solchen Bagatellbeteiligung eine Einschränkung des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG.82 Die Praxis kann diese Beteiligungen gestalten bzw. vermeiden.

85

Entgegen der ursprünglichen Verwaltungsauffassung in Abschn. 60 Abs. 4 Satz 9 GewStR 1998 führt die Geringfügigkeit des überlassenen Grundbesitzes nicht dazu, dass § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG nicht anwendbar ist.83 Die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags tritt bereits dann nicht ein, wenn der vermietete Grundbesitz des grundstücksverwaltenden Unternehmens nur für kurze Zeit (zwei bis drei Tage) dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters dient.84 Eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft ist unschädlich.85 Wird das Grundstück einem Gesellschafter überlassen, der ausschließlich gewerbesteuerfreie Einkünfte erzielt, kann die erweiterte Kürzung gewährt werden.86 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86

328

BFH v. 7.8.2008 – IV R 36/07, BStBl. II 2010, 988. FG Münster v. 17.12.2020 – 5 K 631/20 G,F, EFG 2021, 392, Rev. BFH III R 3/21. BFH v. 18.12.1974 – I R 10/73, BStBl. II 1975, 268. BFH v. 7.8.2008 – IV R 36/07, BStBl. II 2010, 988. BFH v. 15.12.1998 – VIII R 77/93, BStBl. II 1999, 168. FG Münster v. 11.5.2021– 9 K 2274/19 G, EFG 2021, 210 für den Betrieb einer Seniorenresidenz; Rev. BFH III R 26/21. BFH v. 7.4.2005 – IV R 34/03, BStBl. II 2005, 576. BFH v. 26.6.2007 – IV R 9/05, BStBl. II 2007, 893. FG Düsseldorf v. 22.4.2021 – 9 K 2652/19 G, F, EFG 2021,1223, Rev. BFH III R 19/21. BFH v. 26.6.2007 – IV R 9/05, BStBl. II 2007, 893. BFH v. 8.6.1978 – I R 68/75, BStBl. II 1978, 505. BFH v. 15.4.1999 – IV R 11/98, BStBl. II 1999, 532. BFH v. 26.6.2007 – IV R 9/05, BStBl. II 2007, 893.

Kürzungen | Rz. 100 § 9 GewStG

frei

86–89

e) Sondervergütungen an Mitunternehmer, die nicht auf die Überlassung von Grundbesitz entfallen (Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a) § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG hat das Jahressteuergesetz 2009 eingefügt. Die Regelung ist auf die gesetzlich beschriebenen Sondervergütungen anzuwenden, die nach dem 18.6.2008 vereinbart worden sind. Eine wesentliche Änderung einer vor diesem Zeitpunkt getroffenen Vereinbarung über die Vergütung gilt als neue Vereinbarung und schließt insoweit ebenfalls die erweiterte Kürzung aus.

90

Ist die erweiterte Kürzung grds. anwendbar, so sind nach § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG im Gewerbeertrag enthaltene Sondervergütungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, die ein Gesellschafter für eine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern, mit Ausnahme der Überlassung von Grundbesitz erhält, in jedem Fall der Gewerbesteuer zu unterwerfen und nicht zu kürzen. Dies gilt selbst dann, wenn die Dienstleistung der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes dient. Zu den insoweit schädlichen Sondervergütungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gehören etwa Zinsen der Gesellschafter. Die Regelung des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG soll auch dann gelten, wenn der Gesellschafter selbst nicht der Gewerbesteuer unterliegt.87

91

Vor der gesetzlichen Neuregelung unterlagen die im Rahmen des Gewinns zu erfassenden Sondervergütungen bei der Gesellschaft der erweiterten Kürzung, während auf der Gesellschafterebene § 9 Nr. 2 GewStG verhinderte, dass die entsprechenden Vergütungen dort der Gewerbesteuer zu unterwerfen waren. Ein entsprechendes Ergebnis für Darlehenszinsen kann unter dem Gesichtspunkt eines Missbrauchs i.S.d. § 42 AO im Regelfall nicht durch die Zwischenschaltung einer weiteren Beteiligungsgesellschaft erreicht werden, an die ein Darlehen zur Finanzierung der Beteiligung an einer Immobilienpersonengesellschaft gezahlt wird.88

92

Sondervergütungen an einen gewerbesteuerbefreiten Gesellschafter dürften unter Beachtung der BFH-Entscheidung vom 26.6.200789 unter die erweiterte Kürzung fallen.

93

frei

94–95

f) Gewinne aus der Aufdeckung stiller Reserven (Nr. 1 Satz 5 Nr. 2) Ab dem EZ 2004 verhindert § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 GewStG, dass Kapitalgesellschaften Grundbesitz in eine grundstücksverwaltende Personengesellschaft gem. § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG als Sonderbetriebsvermögen zum Buchwert oder nach § 24 UmwStG unter dem Teilwert einbringen und diese Grundstücke unterhalb der Schwelle zum gewerblichen Grundstückshandel als Teil einer Verwaltung und Nutzung von eigenem Grundbesitz nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gewerbesteuerfrei veräußern. Die erweiterte Kürzung entfällt nur, soweit eine steuerneutrale Übertragung vorliegt und die Veräußerung innerhalb der Behaltefrist von drei Jahren erfolgt. frei

96

97–99

g) Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe des Anteils an einer Personengesellschaft (Nr. 1 Satz 6) § 9 Nr. 1 Satz 6 GewStG verdeutlicht, dass Gewinne i.S.d. § 7 Satz 2 Nr. 2 und 3 GewStG nicht durch die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen von der Gewerbesteuer 87 FG Düsseldorf v. 3.9.2020 – 9 K 3300/18 G,F, EFG 2020, 1692, Rev. BFH IV R 25/20, dort auch zur Frage einer umstrittenen teleologischen Reduktion des Wortlauts. Vgl. auch FG Münster v. 17.12.2020 – 5 K 631/20 G,F, EFG 2021, 392, Rev. BFH III R 3/21. 88 Näher Mensching/Tyarks, DStR 2009, 2037. 89 BFH v. 26.6.2007 – IV R 9/05, BStBl. II 2007, 893.

329

100

GewStG § 9 Rz. 101 | Kürzungen entlastet werden können. Bringen Kapitalgesellschaften, die als Mitunternehmer i.S.d. § 7 Satz 2 GewStG erfasst werden, Grundbesitz in grundstücksverwaltende Personengesellschaften ein und wird im Anschluss daran der von der Kapitalgesellschaft gehaltene Mitunternehmeranteil unter Aufdeckung der stillen Reserven veräußert, so unterliegt stets der gesamte Veräußerungsgewinn einschließlich der stillen Reserven aus dem Grundbesitz der Gewerbesteuer. Die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils fällt wohlmöglich schon dem Grunde nach nicht unter § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG, so dass der gesetzlichen Neuregelung insoweit nur eine klarstellende Bedeutung beizumessen ist.90 101–104

frei

h) Ermittlung der Kürzung 105

Begünstigt ist nur der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfallende Gewerbeertrag. Dieser ist aus dem der entsprechenden Tätigkeit zuzuordnenden Gewinn und den dabei zu berücksichtigenden Hinzurechnungen (z.B. Entgelte für Schulden) zu ermitteln. § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a, Nr. 2 und Satz 6 GewStG sind dabei zu beachten. Der auf nicht begünstigte, aber erlaubte Tätigkeiten und auf unschädliche Nebentätigkeiten entfallende Gewerbeertrag ist rechnerisch vom Kürzungsvolumen abzugrenzen.

106

Ist die exakte Zuordnung einzelner Aufwendungen nicht möglich, kommt insoweit eine Schätzung in Betracht. Für Unternehmen, die auch Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser, Eigentumswohnungen bzw. Teileigentum errichten oder veräußern oder Tätigkeiten i.S.d. Satz 3 Buchst. b und c ausüben, schreibt § 9 Nr. 1 Satz 491 GewStG eine buchmäßige gesonderte Ermittlung des begünstigen Gewerbeertrags vor. Die entsprechende Ermittlung ist materiell-rechtliche Voraussetzung für die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung.

107–109

frei

II. Mitunternehmer-Gewinnanteile (Nr. 2) 1. Allgemeines 110

Der Gewinn einer Personengesellschaft ist regelmäßig bei deren Gewerbeertrag zu erfassen. Sofern er anteilig auch in den gewerblichen Gewinn des Gesellschafters eingeht, ist dessen Gewinn nach § 9 Nr. 2 GewStG um die betreffenden Gewinnanteile zu kürzen.92 Durch das Kürzungsgebot des § 9 Nr. 2 GewStG soll mithin – spiegelbildlich und symmetrisch zu § 8 Nr. 8 GewStG – die doppelte gewerbesteuerliche Erfassung von Gewinnen bei Mitunternehmerschaften sowohl beim Mitunternehmer als auch der Mitunternehmerschaft (Personengesellschaft) vermieden und damit zugleich eine zutreffende Objektbesteuerung bei der Personengesellschaft gewährleistet werden. Gewinne (und Verluste) und sollen sich nur einmal und allein in dem Unternehmen auswirken, in dem sie entstanden sind.93 Erwirtschaftet wurden die Gewinne nach der Vorstellung des Gesetzgebers in der Personengesellschaft.

111

Die Einbeziehung von ausländischen Mitunternehmerschaften ab dem EZ 1972 bezweckte zusätzlich diese Anteile mit wesentlichen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften gewerbesteuerrechtlich gleichzustellen. Insoweit ist die praktische Bedeutung ähnlich wie in § 8 Nr. 8 GewStG aus denselben abkommensrechtlichen Gründen eher gering.

112

§ 9 Nr. 2 Satz 2 GewStG bestätigt das Verhältnis zum AStG entsprechend § 7 GewStG; Sätze 3 bis 5 enthalten Sonderregelungen für bestimmte Versicherungen und Pensionsfonds i.S.d. § 21 KStG. 90 91 92 93

330

Roser in Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 1 GewStG Rz. 234. Geändert durch Fondsstandortgesetz v. 3.6.2021, BGBl. I 2021,1498 mit Wirkung ab EZ 2021. BFH v. 18.12.2015 – IV R 59/11, BFH/NV 2015, 520. BFH v. 25.7.1995 – VIII R 54/93, BStBl. II 1995, 794.

Kürzungen | Rz. 132 § 9 GewStG

frei

113–115

2. Voraussetzungen Die Kürzung der Gewinnanteile nach § 9 Nr. 2 Satz 1 GewStG beim Gewerbebetrieb des gewerbesteuerpflichtigen Anteilseigners setzt auf Gesellschaftsebene voraus, dass die Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) als Beteiligungsgesellschaft gewerblich i.S.d. § 15 Satz 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 EStG tätig ist (aber nicht notwendig schon oder noch gewerbesteuerpflichtig ist).

116

Auf Gesellschafterebene setzt die Kürzung voraus, dass der Gesellschafter als Mitunternehmer im einkommensteuerrechtlichen Sinne an diesem Unternehmen beteiligt ist und insoweit einen Gewerbebetrieb gem. § 2 GewStG unterhält, in dessen Betriebsvermögen er die Beteiligung hält.

117

Zudem muss der zu kürzende Gewinnanteil der Mitunternehmerschaft bei der Ermittlung des Gewerbeertrags des gewerbesteuerpflichtigen Gesellschafters nach § 7 Satz 1 GewStG tatsächlich angesetzt worden sein. Nur insoweit ist eine Kürzung zulässig.

118

Der Gewinnanteil des Gesellschafters aus der Mitunternehmerschaft ergibt sich nach Maßgabe der zweistufigen Gewinnermittlung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (i.V.m. §§ 179 Abs. 2 Satz 2, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO; H 7.1 Abs. 1 GewStH 2016).

119

frei

120–124

3. Rechtsfolgen Gekürzt wird um den Anteil am Gewinn der Mitunternehmerschaft, der den Gewinn des Steuerpflichtigen nach § 7 GewStG erhöht. Der Begriff „Anteil am Gewinn“ ist mit dem Begriff Gewinnanteile i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG identisch.94 frei

125

126–129

4. Kürzungsverbot § 9 Nr. 2 Sätze 2 bis 5 GewStG hat das ATAD-Umsetzungsgesetz95 geändert bzw. eingefügt. Die Regelung ist am 30.6.2021 in Kraft getreten und gilt mit Wirkung ab EZ 2021 für die Gewerbesteuer. Sie präzisiert zum einen das Verhältnis der Kürzungsregelung des § 9 Nr. 2 Satz 1 GewStG zu den Hinzurechnungsregelungen des Außensteuergesetzes (§§ 10, 20 AStG) im Rahmen der Ermittlung des Gewerbeertrags gem. § 7 Satz 7 und 8 GewStG. Zudem berücksichtigt sie wie bisher die körperschaftsteuerrechtliche Sonderstellung der Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen und Pensionsfonds.

130

Ein Kürzungsverbot besteht nach Satz 2, soweit im Gewinnanteil Einkünfte i.S.d. § 7 Satz 7 und 8 GewStG enthalten sind. Dies betrifft zunächst ab EZ 2017 wie bisher niedrig besteuerte Einkünfte (Anteile) deutscher Gesellschafter aus ausländischen Personengesellschaften (Betriebsstätten) i.S.d. § 7 Satz 8 GewStG i.V.m. § 20 Abs. 2 AStG. Der Hinweis auf § 7 Satz 8 GewStG dient primär der Klarstellung. Die gesetzliche Einordnung der Hinzurechnungsbeträge nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG als Einkünfte einer inländischen Betriebsstätte („gelten“ gem. § 7 Satz 8 GewStG) schließt bereits die Kürzung nach § 9 Nr. 2 Satz 1 GewStG aus.

131

Das Kürzungsverbot erfasst ab 2021 auch Einkünfte i.S.d. § 7 Satz 7 GewStG (Hinzurechnungsbeträge aus passiven Einkünften, die über eine Zwischengesellschaft bezogen werden). Eine vergleichbare Regelung enthält nunmehr auch § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG ebenfalls ab EZ 2021.

132

94 BFH v. 17.4.1986 – IV R 100/84, BStBl. II 1986, 527; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 9 Nr. 2 GewStG Rz. 6. 95 Gesetz v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035.

331

GewStG § 9 Rz. 133 | Kürzungen 133

Das Kürzungsverbot nach § 9 Nr. 2 Satz 3 GewStG (ähnlich in § 8 Nr. 8, § 9 Nr. 2a, 7, 8 GewStG) soll eine doppelte gewerbesteuerrechtliche Entlastung bestimmter Versicherungsunternehmen und gleichgestellter Pensionsfonds verhindern. Die Sonderregelung für Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen sowie Pensionsfonds ist notwendig, weil entsprechende Gewinne sich hier erhöhend auf die Rückstellung für Beitragsrückerstattung auswirken und daher im Gewinn der Unternehmen im Ergebnis nicht mehr enthalten sind. Der Kürzungsausschluss erfasst aber nur den übrigen Gewinnanteil, der nach Anwendung des Satz 2 verbleibt.

134

Satz 4 enthält eine Einschränkung des Satz 2 für einen Sonderfall. Die Einkünfte und Hinzurechnungsbeträge nach dem AStG unterliegen danach bei Beteiligungsketten inländischer Mitunternehmerschaften nur einmal der Gewerbesteuer, und zwar bei der „ersten“96 inländischen Mitunternehmerschaft.

135

Satz 5 enthält eine erneute Einschränkung des Satz 4 zugunsten der erwähnten Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds. Danach ist für diese Unternehmen eine gewerbesteuerrechtliche Kürzung hinsichtlich der im Gewinnanteil enthaltenen Einkünfte i.S.d. § 7 Satz 8 GewStG vorzunehmen.97

136–139

frei

III. Gewinne aus Anteilen an inländischen Körperschaften (Nr. 2a) 1. Allgemeines 140

Die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen beim inländischen Gewerbebetrieb wird gem. § 9 Nr. 2a GewStG gekürzt um die Gewinne aus laufenden Gewinnanteilen (Dividenden) an bestimmten nicht steuerbefreiten inländischen Körperschaften. § 9 Nr. 2a GewStG regelt im steuertechnischen Rahmen der Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften der §§ 8, 9 GewStG nach seiner Funktion eine sachliche Gewerbesteuerbefreiung für Dividenden aus Schachtelbeteiligungen (Schachtelprivileg). Im Zusammenspiel mit § 8 Nr. 5 GewStG regelt die Vorschrift nicht nur den Umfang einer Kürzung, sondern auch das Ausmaß einer Hinzurechnung. Korrespondierende Regelungen für das Schachtelprivileg enthalten § 9 Nr. 7 und 8 GewStG. Streubesitz ist nicht begünstigt.

141

§ 9 Nr. 2a GewStG dient der Vermeidung der gewerbesteuerrechtlichen, wirtschaftlichen Doppelbelastung ausgeschütteter Gewinne sowohl beim Anteilseigner als auch bei der Kapitalgesellschaft, allerdings nur soweit Schachtelbeteiligungen betroffen sind. § 9 Nr. 2a GewStG dient nicht der Vermeidung der einmaligen Erhebung von Gewerbesteuer auf Beteiligungseinkünfte, die etwa bei der ausschüttenden Körperschaft steuerfrei waren.98

142

Das Unternehmensteuerreformgesetz 200899 hat die Mindestbeteiligungsquote von zuvor 10 % auf 15 % angehoben.

143

Die Regelung ist (ebenso wie § 8b Abs. 4 KStG) nach Auffassung der Rechtsprechung verfassungsgemäß.100 Sie verstößt insb. nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, auch wenn der Gesetzesänderung vor allem fiskalische und haushalterische Erwägungen zugrunde gelegen haben.101 Der Gesetzgeber hat sich insoweit im Rahmen des weiten Gestaltungsspielraums bewegt, der ihm bei der Normierung eines Steuerbegünstigungstatbestandes, wie ihn das

96 97 98 99 100

BT-Drucks. 19/28652, 45. Zur Begründung BT-Drucks. 19/28652, 45. BFH v. 24.1.2012 – I B 34/11, BFH/NV 2012, 1175. Gesetz v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. BFH v. 30.5.2014 – I R 12/13, BFH/NV 2014, 1402; v. 18.12.2019 – I R 29/17, BStBl. II 2020, 690; hierzu Verfassungsbeschwerde auch gegen § 8b Abs. 4 KStG anhängig, BVerfG 2 BvR 1832/20. 101 BT-Drucks. 16/5491, 23 f.

332

Kürzungen | Rz. 156 § 9 GewStG

Schachtelprivileg darstellt, zusteht. Die Bedenken gegen die Konsequenz und Folgerichtigkeit erreichen jedenfalls nicht die Höhe der verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit.102 Bezieht eine Organgesellschaft nach § 9 Nr. 2a GewStG an sich freizustellende Bezüge, gilt ab EZ 2017 die Sonderregelung des § 7a GewStG. Danach sind die gewerbesteuerrechtlichen Schachtelprivilegien nach § 9 Nr. 2a, 7, 8 GewStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags von Organgesellschaften ab EZ 2017 (unmittelbar) nicht mehr anwendbar. frei

144

145–149

2. Voraussetzungen Die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen wird nach § 9 Nr. 2a Satz 1 GewStG gekürzt um die Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 GewStG, einer Kredit- oder Versicherungsanstalt des öffentlichen Rechts, einer Genossenschaft oder einer Unternehmensbeteiligungsgesellschaft i.S.d. § 3 Nr. 23 GewStG, wenn die Beteiligung zu Beginn des EZ mindestens 15 % des Grundoder Stammkapitals beträgt und die Gewinnanteile bei der Ermittlung des Gewinns i.S.d. § 7 Satz 1 GewStG angesetzt worden sind.

150

Die Regelung erfasst in erster Linie die aus den Anteilen fließenden Dividenden. Werterhöhungen der Anteile sind keine „Gewinne aus Anteilen“ im Sinne der Vorschrift. Eine Kürzung des Gewinns durch umgekehrte Anwendung der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 10 GewStG (gewerbesteuerrechtlicher Korrespondenzausgleich bei Teilwertaufholung) scheidet aus.103

151

Begünstigter Anteilseigner der Kürzung kann jeder Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs. 1 bis 3 GewStG sein. Lebens- und Krankenversicherungen und Pensionsfonds sind generell von der Kürzung ausgenommen (§ 9 Nr. 2a Satz 5 GewStG). Parallele Regelungen mit entsprechender Anwendung enthalten die Kürzungsvorschriften in § 9 Nr. 2 Satz 2, Nr. 7 Satz 8 und Nr. 8 Satz 4 GewStG.

152

Bei der Beteiligung an der Untergesellschaft muss es sich um eine Beteiligung an einer steuerpflichtigen inländischen (Kapital-)Gesellschaft i.S.d. § 9 Nr. 2a GewStG handeln. Eine begünstigende Ausnahme bilden Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (§ 3 Nr. 23 GewStG).

153

Die Beteiligung muss nach § 9 Nr. 2a Satz 1 GewStG ab dem EZ 2008 mindestens 15 % am Grund- oder Stammkapital betragen und zum Betriebsvermögen des Gewerbebetriebs gehören. Ist ein Grund- oder Stammkapital nicht vorhanden, so ist nach § 9 Nr. 2a Satz 2 GewStG die Beteiligung an dem Vermögen und bei Genossenschaften die Beteiligung an der Summe der Geschäftsguthaben maßgebend.

154

Der Wortlaut des § 9 Nr. 2a GewStG beschränkt sich nicht auf eine unmittelbare Beteiligung. Ausreichend für die Beteiligung i.H.v. 15 % (bis EZ 2007 10 %) ist daher auch eine entsprechende mittelbare Beteiligung.104 Eine ausreichende Beteiligung kann sich durch mehrere mittelbare Beteiligungen oder durch die Zusammenfassung von mittelbaren und unmittelbaren Beteiligungen ergeben. Mittelbare Beteiligungen und unmittelbare Beteiligungen sind zusammenzufassen.

155

Beispiel mittelbare Beteiligung: Zu Beginn des EZ 01 (nach 2007) ist die Kapitalgesellschaft Y jeweils an der Kapitalgesellschaft A mit 15 % und der Kapitalgesellschaft B mit 5 % beteiligt. Die Kapitalgesellschaften A und B halten jeweils 75 % der Anteile an der Kapitalgesellschaft X. Über die Kapitalgesellschaft A hält die Kapitalgesellschaft Y einen mittelbaren Anteil von 11,25 % (15 % von 75 % = 11,25 %), über die Kapitalgesellschaft B einen mittelbaren Anteil von 3,75 % (5 % von 75 % = 3,75 %) an X. Insgesamt erreicht die mittelbare Beteiligung die vom Gesetz geforderte Höhe

156

102 BFH v. 18.12.2019 – I R 29/17, BStBl. II 2020, 690. 103 BFH v. 7.9.2016 – I R 9/15, BFH/NV 2017, 485. 104 BFH v. 17.5.2000 – I R 31/99, BStBl. II 2001, 658 zur gleichlautenden Vorschrift des § 9 Nr. 7 GewStG; OFD Hannover v. 5.7.2002, BB 2002, 1917.

333

GewStG § 9 Rz. 157 | Kürzungen von 15 %. Damit sind für Ausschüttungen der Kapitalgesellschaften A und B an Y, soweit es sich um weitergeleitete Gewinne der Kapitalgesellschaft X handelt, insgesamt die Voraussetzungen für die Anwendung von § 9 Nr. 2a i.V.m. § 8 Nr. 5 GewStG erfüllt.

157

Die Beteiligung von mindestens 15 % muss zu Beginn des EZ (1.1.) bestanden haben (strenges Stichtagsprinzip, R 9.3 Satz 2 GewStR 2009). Anteile von Gesellschaftern einer Personengesellschaft, die zum notwendigen Betriebsvermögen der Personengesellschaft gehören, sind bei der Ermittlung der Höhe der Beteiligung mit entsprechenden als Gesamthandsvermögen gehaltenen Anteilen zusammenzurechnen.105

158–159

frei

3. Rechtsfolgen 160

Ebenso wie im Rahmen des § 9 Nr. 2 GewStG müssen die Gewinnanteile i.S.d. § 9 Nr. 2a GewStG bei der Ermittlung des Gewinns des Gewerbebetriebs nach § 7 GewStG beim Anteilseigner angesetzt worden sein, mithin den Gewinn erhöht haben.

161

Die Begriffe „Gewinne aus Anteilen“ und „Gewinnanteile“ in § 9 Nr. 2a GewStG werden gleichbedeutend verwendet. Es handelt sich im Kern um Dividenden.106 Erlöse aus der Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften fallen nicht unter § 9 Nr. 2a GewStG.

162

Keine Gewinne aus Anteilen i.S.d. § 9 Nr. 2a S. 1 GewStG sind nach Satz 4 der Vorschrift Betriebsausgaben, die nach § 8b Abs. 5 KStG nicht abziehbar sind. Diese Regelung gilt entsprechend für die Schachtelprivilegien in § 9 Nr. 7 Satz 2 und § 9 Nr. 8 Satz 3 GewStG.

163

Im unmittelbaren Zusammenhang mit Gewinnanteilen stehende Aufwendungen mindern nach § 9 Nr. 2a Satz 3 GewStG den Kürzungsbetrag, soweit entsprechende Beteiligungserträge zu berücksichtigen sind (Nettoberechnung bzw. Nettogewinn). § 8 Nr. 1 GewStG findet insoweit keine Anwendung. Die Regelung gilt nach § 9 Nr. 7 Satz 2 entsprechend für das dortige Schachtelprivileg und nach § 9 Nr. 8 Satz 2 GewStG für das abkommensrechtliche Schachtelprivileg.

164–169

frei

IV. Bestimmte Anteile am Gewinn einer KGaA (Nr. 2b) 1. Allgemeines 170

Die Regelung des § 9 Nr. 2b GewStG begünstigt den Gewerbebetrieb des persönlich haftenden Gesellschafters (phG) einer KGaA. Sie bezweckt die Vermeidung der gewerbesteuerrechtlichen Doppelbelastung aller Gewinnanteile, die an phG einer KGaA auf ihr nicht auf das Grundkapital gemachten Einlagen oder als Vergütung (Tantieme) für die Geschäftsführertätigkeit verteilt worden sind.107 Da sie nach § 8 Nr. 4 GewStG bei der KGaA hinzugerechnet worden sind, müssen sie beim phG abgezogen werden.

171

Eine Doppelbelastung der Gewinnanteile entstünde, wenn die zugrundeliegende Beteiligung des phG zum Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens gehört oder der phG eine Kapitalgesellschaft ist. Die Kürzung erfolgt dann beim phG nach § 9 Nr. 2b GewStG. Im Ergebnis werden die Gewinnanteile für Zwecke der Gewerbesteuer bei der KGaA besteuert.

172–174

frei

105 R 9.3 Satz 4 GewStR 2009. 106 BFH v. 8.5.2003 – IV 35/01, BStBl. II 2004, 460. 107 BT-Drucks. 11/7833, 9.

334

Kürzungen | Rz. 191 § 9 GewStG

2. Voraussetzungen Die Regelung des § 9 Nr. 2b GewStG gilt grds. für alle gewerblichen Unternehmen, die an einer KGaA als phG beteiligt sind. Nicht begünstigt und von der Kürzung erfasst sind Kommanditaktionäre mit ihren Gewinnanteilen der KGaA.

175

Unerheblich ist, wann die Beteiligung an der KGaA im Laufe des EZ begründet wurde und wie lange sie schon bestand (keine Mindesthaltedauer und kein Stichtagsprinzip). Der Gewinnanteil des phG ist durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln.

176

Weitere Voraussetzung der Kürzung beim phG ist, dass die entsprechenden Beträge (Gewinnanteile) vorab nach § 8 Nr. 4 GewStG dem Gewerbeertrag der KGaA tatsächlich hinzugerechnet worden sind. Nur in Höhe dieser tatsächlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 4 GewStG erfolgt die Kürzung nach § 9 Nr. 2b GewStG.108

177

Ist die KGaA von der Gewerbesteuer befreit, scheidet eine Hinzurechnung bei ihr schon nach §§ 7, 8 Nr. 4 GewStG aus und eine Doppelbelastung kann von vornherein gar nicht eintreten.109

178

frei

179

3. Rechtsfolgen Hinzurechnung und Kürzung sind auch im Übrigen verknüpft. Sowohl im Rahmen von § 8 Nr. 4 GewStG als auch im Rahmen von § 9 Nr. 2b GewStG sind die Gewinnanteile nicht um die mit der Beteiligung des phG an der KGaA zusammenhängenden Betriebsausgaben des phG zu kürzen (Bruttoansatz110).

180

Schließlich müssen die Gewinnanteile auch bei der Ermittlung des Gewinns i.S.d. § 7 GewStG beim phG tatsächlich angesetzt worden sein. Dies bedeutet aber auch, dass die Kürzung nach § 9 Nr. 2b GewStG durch den Betrag begrenzt ist, mit dem die Gewinnanteile bei der Ermittlung des Gewinns des phG angesetzt worden sind. Die Kürzung nach § 9 Nr. 2b GewStG erfolgt in dem EZ, in dem die Beträge bei der Ermittlung des Gewinns des phG angesetzt worden sind.

181

frei

182–189

V. Anteiliger Gewerbeertrag einer ausländischen Betriebsstätte (Nr. 3) 1. Ausländische Betriebsstätten (Satz 1) a) Allgemeines Unbeschränkt steuerpflichtige Unternehmen müssen ertragsteuerrechtlich ihren weltweiten Gewinn versteuern. § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG bestätigt dagegen zusammen mit § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG das der Gewerbesteuer zugrunde liegende sog. Objektsteuer- und Territorialitätsprinzip. Erstreckt sich das Gewerbe auch auf das Ausland, so gehört der ausländische Teil jedenfalls in Gestalt einer ausländischen Betriebsstätte nicht mehr zum Steuergegenstand der Gewerbesteuer. Die Regelung begünstigt den Steuerpflichtigen im Fall eines positiven „ausländischen“ Gewerbeertrags, sie belastet ihn im Fall eines negativen „ausländischen“ Gewerbeertrags.

190

Eine Ausnahme kann dort bestehen, wo die unionsrechtlichen Grundfreiheiten eine Durchbrechung des Territorialitätsprinzips erfordern. Dies kann die Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) inländischer Unternehmen für den umstrittenen Sonderfall der ausländischen sog. finalen Betriebsstättenverluste und ihren Import ins Inland betreffen. Die

191

108 BFH v. 4.12.2012 – I R 42/11, BFH/NV 2013, 589. 109 BFH v. 4.12.2012 – I R 42/11, BFH/NV 2013, 589. 110 BFH v. 31.101990 – I R 32/86, BStBl. II 1991, 253.

335

GewStG § 9 Rz. 192 | Kürzungen Rechtsprechung des EuGH und des BFH hat bisher allerdings noch keine einheitliche Linie entwickelt. 192

Nach der Rechtsprechung des EuGH111 sind zum Schutz der Niederlassungsfreiheit die nach nationalen Ertragsteuerrecht zu ermittelnden Verluste einer ausländischen Betriebsstätte eines inländischen Unternehmen (Stammhaus) trotz der Anwendung der abkommensrechtlichen Freistellungsmethode im Inland abziehbar, wenn der Verlust im ausländischen Staat endgültig nicht mit dortigen Gewinnen verrechnet werden kann (finale Verluste). Die Frage, ob dies auch für die territorialgebundene deutsche Gewerbesteuer gilt, hat der EuGH noch nicht ausdrücklich entschieden. Gleichwohl hat der BFH112 kurz darauf entschieden, dass entsprechende Verluste gem. § 7 Satz 1, 9 Nr. 3 GewStG auch auf die Gewerbesteuer durchschlagen. Dementsprechend mindern diese Verluste den Gewerbeertrag. In einem späteren Verfahren hat der BFH113 eine Berücksichtigung finaler Betriebsstättenverluste unter Berufung auf die abkommensrechtliche Symmetriethese abgelehnt. Diese und andere Detailfragen könnte ein neues, noch anhängiges Vorabentscheidungsverfahren des BFH114 zum EuGH klären.

193

Der Regelung des § 9 Nr. 3 Satz 1 Halbs. 2 GewStG (Verweis auf § 7 Satz 7 und 8 GewStG) bestätigt das Verhältnis des Gewerbesteuerrechts zum AStG.

194

Die Regelung des § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG ist abkommensrechtlich überlagert. Sowohl im Inbound-Fall als auch im Outbound-Fall stellen deutsche DBA Betriebsstätteneinkünfte auch für Zwecke der Gewerbesteuer grds. frei. Daher sind sie bereits aus dem einkommenbzw. körperschaftsteuerrechtlichen Gewinn aus Gewerbebetrieb i.S.v. § 7 Satz 1 GewStG ausgenommen.

195

Hieraus folgt aber nicht, dass andere Auslandserträge unterhalb der Betriebsstättenschwelle automatisch steuerfrei seien. Im Gegenteil sind etwa aus dem Ausland stammende Zinsen, Lizenzeinnahmen, Streubesitzdividenden durchaus dem Grunde nach und vorbehaltlich der DBA auch gewerbesteuerpflichtig.

196–199

frei

b) Voraussetzungen 200

Voraussetzung der Kürzung ist eine nach deutschen Recht bestehende ausländische Betriebsstätte des Unternehmens, der die Einkünfte zurechenbar sind. Es werden nur Gewinne erfasst, die in einer ausländischen Betriebstätte des Unternehmens des Steuerpflichtigen erzielt werden. Hingegen reicht es nicht aus, dass sie in irgendeiner ausländischen Betriebsstätte erzielt werden.

201

Ob eine ausländische Betriebsstätte vorliegt, bestimmt sich allein nach deutschem Recht und zwar ausschließlich nach § 12 AO.115 Der in § 9 Nr. 3 GewStG verwendete Begriff der Betriebsstätte bestimmt sich nicht nach der Definition des einschlägigen DBA. Nach innerstaatlichem Recht ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient (§ 12 Satz 1 AO). Typische Betriebsstätten sind etwa Niederlassungen, Baustellen sowie die Geschäftsleitungs-Betriebsstätte.116

202

Ein Grundstück, das lediglich vermietet und verpachtet wird, begründet nach ständiger Rechtsprechung keine Betriebsstätte des Vermieters oder Verpächters. Dies gilt wegen der

111 Grundfall: EuGH v. 15.5.2008 – C-414/06 – Lidl Belgium, DStR 2008, 1030. 112 BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, DStR 2010, 1611 gegen FG Hamburg v. 18.11.2009 – 6 K 147/08, EFG 2020, 265; nachfolgend BFH v. 5.2.2014 – I R 48/11, DStR 2014, 83. Krit. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 9 Nr. 3 GewStG Rz. 1a, 4b und § 7 GewStG Rz. 6 m.w.N. 113 BFH v. 22.7.2017 – I R 2/15, BStBl. II 2017, 709. 114 BFH v. 6.11.2019 – I R 32/18, BStBl. II 2022, 68, Az. EuGH C-538/20. 115 BFH v. 17.11.2020 – I R 72/16, DStR 2021, 1149; R 2.9 Abs. 1 GewStR 2009. 116 Beispiel: FG Düsseldorf v. 28.5.2020 – 9 K 1904/18 G, EFG 2020, 718, Rev. BFH IV R 16/20.

336

Kürzungen | Rz. 211 § 9 GewStG

ertragsteuerrechtlichen Selbständigkeit von Besitz- und Betriebsunternehmen auch für die Vermietungstätigkeit der Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung.117 Den Begriff des Inlands definiert § 2 Abs. 7 GewStG für gewerbesteuerrechtliche Zwecke. Es muss sich um eine ausländische Betriebstätte (§ 12 AO) des Unternehmens des Steuerpflichtigen handeln.118

203

frei

204

c) Rechtsfolgen Die Kürzung umfasst nur den Teil des gesamten Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt, d.h. der durch die in der ausländischen Betriebsstätte ausgeübte oder ihr zuzurechnende unternehmerische Betätigung erzielt wurde.119

205

Die Zuordnung von Gewinnen und Verlusten zur ausländischen Betriebsstätte oder zum inländischen Stammhaus bzw. der inländischen Betriebsstätte richtet sich auch im Gewerbesteuerrecht grds. nach dem Veranlassungsprinzip.120 Die Zuordnung des anteiligen Gewinns auf das inländische Stammhaus oder eine (andere) inländische Betriebsstätte bzw. die ausländische Betriebsstätte ist keine Zerlegung i.S.d. § 28 GewStG. § 1 Abs. 5 AStG stellt auch keinen geeigneten Maßstab dar. Die Festlegungen in einem sog. Joint Audit binden das Gericht nicht.121 Notfalls sind die Anteile zu schätzen.

206

Auszuscheiden sind sowohl laufende Gewinne der ausländischen Betriebsstätte als auch Veräußerungs- oder Aufgabegewinne. Und zwar sowohl positive als auch negative Gewerbeerträge der ausländischen Betriebsstätte. Das Gesetz differenziert hier nicht.

207

frei

208–209

d) Kürzungsverbot § 9 Nr. 3 Satz 1 Halbs. 2 GewStG verweist nunmehr nicht nur auf § 7 Satz 8 GewStG, sondern klarstellend auch auf § 7 Satz 7 GewStG und verhindert eine Kürzung bei Korrektureinkünften (Beträge und Einkünfte) nicht nur i.S.d. § 10 AStG (bei ausländischen Zwischengesellschaften), sondern auch i.S.d. § 20 AStG (bei ausländischen Betriebsstätten).

210

Keine Kürzung ist wie bisher bei Einkünften i.S.d. § 7 Satz 8 GewStG zulässig. Dies gilt bereits seit EZ 2017 (§ 36 Abs. 5 Satz 1 GewStG). § 9 Nr. 3 Satz 1 Halbs. 2 und § 7 Satz 7 bis 9 GewStG hat das BEPS-Umsetzungsgesetz122 mit konstitutiver Wirkung ab EZ 2017 (klarstellend) eingefügt (vgl. § 36 Abs. 3 Satz 3 GewStG). Danach gilt die Kürzung nicht für „Einkünfte im Sinne des § 7 Satz 8“ GewStG. Eine vergleichbare Regelung hat das Gesetz in § 9 Nr. 2 Satz 2 GewStG eingefügt. Hinzurechnungsbeträge nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG und Einkünfte nach § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG sind bzw. gelten bereits nach § 7 Satz 7 bis 9 GewStG grds. als Einkünfte, die in einer inländischen Betriebsstätte anfallen bzw. erzielt werden. Damit hat der Gesetzgeber die abweichende Auffassung des BFH,123 mit Wirkung ab EZ 2017 „rechtsprechungsbrechend“ zurückgewiesen. Dies entsprach auch der Verwaltungsmeinung, wonach die außensteuerrechtlichen Hinzurechnungsbeträge hier nicht zu

211

117 BFH v. 17.11.2020 – I R 72/16, DStR 2021, 1149, für den Fall einer grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung. 118 Anders noch BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BStBl. II 2015, 1049, mit Wirkung ab EZ 2017 „überrollt“. 119 BFH v. 12.10.2016 – I R 93/12, BFH/NV 2017, 586. 120 BFH v. 12.10.2016 – I R 93/12, BFH/NV 2017, 586. 121 FG Düsseldorf v. 28.5.2020 – 9 K 1904/18 G, EFG 2020, 718, Rev. BFH IV R 16/20. 122 Gesetz v. 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000. 123 BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BStBl. II 2015, 1049.

337

GewStG § 9 Rz. 212 | Kürzungen kürzen waren. Die Finanzverwaltung124 hatte die Entscheidung des BFH mit einem Nichtanwendungserlass belegt. 212

Der BFH hatte entschieden, dass es sich bei dem Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG um einen Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens handele, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt. Der Gewinn des inländischen Unternehmens sei deswegen nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG um diesen Betrag zu kürzen.

213

Die gleichlautenden Ländererlasse wurde mittlerweile aufgehoben.125 Die Grundsätze des BFH-Urteils I R 40/14 sind damit in allen offenen Fällen über den entschiedenen Einzelfall hinaus für EZ bis einschließlich EZ 2016 allgemein anzuwenden. Für EZ ab 2017 sind § 7 Satz 8 und § 9 Nr. 3 Satz 1 Halbs. 1 GewStG anzuwenden.126

214

Keine Kürzung ist auch nunmehr ausdrücklich bei Einkünften i.S.d. § 7 Satz 7 GewStG zulässig. Diesen Verweis in § 9 Nr. 3 Satz 1 Halbs. 2 GewStG hat das ATAD-Umsetzungsgesetz127 mit Wirkung ab EZ 2021 eingefügt. Bisher verminderte sich die Kürzung nicht, soweit im Gewinnanteil Einkünfte i.S.d. § 7 Satz 7 GewStG (passive Einkünfte, die über eine Zwischengesellschaft bezogen wurden, § 10 AStG) enthalten waren. Wurden die Einkünfte über eine ausländische Betriebsstätte des inländischen, hinzurechnungspflichtigen Unternehmens erzielt, konnte mittels Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG die gewerbesteuerrechtliche Erfassung dieser Einkünfte verhindert werden. Die Änderung soll dies ausschließen.128 Auch diese Regelung ist mit Blick auf den Wortlaut der Verweisnorm an sich deklaratorisch, weil nach Auffassung des Gesetzgebers bereits keine ausländische Betriebsstätte vorliegt.

215–219

frei

2. Handelsschiffe im internationalen Verkehr (Sätze 2–5) 220

Die mit Wirkung ab EZ 1997 eingefügte Regelung in § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG begünstigt abweichend von Satz 1 einseitig einen Wirtschaftszweig, nämlich im Inland steuerpflichtige Seeschifffahrtsunternehmen, soweit sie den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr zum Gegenstand haben. 80 % des Gewerbeertrags werden als auf eine ausländische Betriebsstätte entfallend fingiert und deshalb wieder vom Gewerbeertrag abgezogen.

221

Ohne diese Regelung wären diese Unternehmen auch mit ihren ausländischen Gewerbeerträgen in voller Höhe der Gewerbesteuer zu unterwerfen. Daraus ergäbe sich nach Auffassung des Gesetzgebers eine „systemwidrige Belastung von Schifffahrtsunternehmen“129, da diese Unternehmen insoweit auch gewerbesteuerrechtlich nach dem Welteinkommen besteuert würden. Zu diesem Zweck installieren die Sätze 2 und 3 zur Realisierung des sog. Territorialitätsprinzips der Gewerbesteuer als lokale Steuer (§ 2 Abs. 1 GewStG) mehrere Rechtsfiktionen. Sie enthalten – vorbehaltlich des Fehlens einer festen Beziehung zur Erdoberfläche – keine Modifikation des für die Gewerbesteuer maßgebenden Begriffs der Betriebsstätte in § 12 AO.130 Im Hinblick auf die Neuregelung des § 7 Satz 3 hat die Regelung lediglich für die Hinzurechnung eines negativen Ertragsanteils Bedeutung.131

124 Gleichlautende Ländererlasse v. 14.12.2015, BStBl. I 2015, 1090. 125 Gleichlautende Ländererlasse v. 4.2.2021, BStBl. I 2021, 248. 126 Vgl. § 36 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 5 Satz 1 GewStG, jeweils eingefügt durch das JStG 2020 v. 21.12. 2020, BGBl. I 2020, 3096. Zum Zurechnungszeitpunkt OFD Frankfurt a.M. v. 17.3.2021 – S 1354 A-012-St 63. 127 Gesetz v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035. 128 BT-Drucks. 19/28652, 45. 129 BT-Drucks. 13/5952, 54. 130 BFH v. 22.12.2015 – I R 40/15, BStBl. II 2016, 537; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 9 Nr. 3 GewStG, Rz. 5. 131 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 9 Nr. 3 GewStG Rz. 8a.

338

Kürzungen | Rz. 234 § 9 GewStG

Unter einem Handelsschiff (im engeren Sinne) versteht man ein zur gewerblichen Beförderung von Personen und Gütern dienendes Schiff, unabhängig von der Einordnung als See- oder Binnenschiff bzw. der Zugehörigkeit zur „einheitlichen Handelsflotte“ i.S.d. Art. 27 GG. Keine Handelsschiffe – gleichwohl ggf. Kauffahrteischiffe – sind dementsprechend Fischereischiffe, Bohr- und Forschungsschiffe sowie Sportboote.132

222

Handelsschiffe werden im internationalen Verkehr betrieben, wenn eigene oder gecharterte Handelsschiffe im Wirtschaftsjahr überwiegend zur Beförderung von Personen und Gütern im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der freien See eingesetzt werden (Satz 4).

223

Zum Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr gehören auch ihre Vercharterung, wenn sie vom Vercharterer ausgerüstet worden sind, und die unmittelbar mit ihrem Einsatz oder ihrer Vercharterung zusammenhängenden Neben- und Hilfsgeschäfte einschließlich der Veräußerung der Handelsschiffe und der unmittelbar ihrem Betrieb dienenden Wirtschaftsgüter (Satz 5 i.V.m. § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG).

224

frei

225–229

VI. Zuwendungen zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke (Nr. 5) 1. Allgemeines § 9 Nr. 5 GewStG regelt die gewerbesteuerrechtliche Behandlung der aus Mitteln des Gewerbebetriebs geleisteten Zuwendungen. § 9 Nr. 5 GewStG ist zusammen mit § 8 Nr. 9 GewStG Teil des gewerbesteuerrechtlichen Spenden- und Gemeinnützigkeitsrechts. Die Regelungen sind zwar tatbestandlich eigenständig, rekurrieren aber auf die vergleichbaren Regelungen des KStG (§ 9) und des EStG (§ 10b) bzw. in §§ 52 ff. AO. Zuletzt hat das Gesetz vom 12.12.2019133 die Regelung erneut an das Einkommensteuergesetz (§ 10b Abs. 1 Satz 8 n.F. EStG) angepasst. Auf die weitgehend textgleiche Grundlagennorm des § 10b EStG kann hier grds. verwiesen werden; zudem auf §§ 52 ff. AO. Die Regelung ist kein gesetzestechnisches Meisterwerk.

230

Sie gilt für Spenden und Mitgliedsbeiträge aller Gewerbebetriebe. Durch Hinzurechnung von Ausgaben i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG nach § 8 Nr. 9 GewStG wird zunächst für Körperschaften eine Gleichstellung mit Einzelunternehmen und Personengesellschaften herbeigeführt. In Anlehnung bzw. unter wörtlicher Wiedergabe der Voraussetzungen und Höchstbeträge in § 10b EStG sowie der entsprechenden Regelungen in § 9 KStG erfolgt dann nach § 9 Nr. 5 GewStG für aus Mitteln des Gewerbebetriebs geleistete begünstigte Zuwendungen der Körperschaften, Einzelunternehmen und Personengesellschaften eine einheitliche Kürzung.

231

Grundsätzlich sind solche Zuwendungen dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen. Mit den genannten Regelungen will der Gesetzgeber allen Personen, auch Gewerbesteuersubjekten einen Anreiz geben, steuerbegünstigte Körperschaften zu unterstützen, auch um die öffentlichen Haushalte von der Finanzierung gemeinwohlorientierter Aufgaben und Tätigkeiten zu entlasten.134 § 9 Nr. 5 GewSt bestimmt Art und Ausmaß der Förderung durch Gewerbebetriebe und für gewerbesteuerrechtliche Zwecke.

232

frei

233–234

132 Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 2 GewStG Rz. 106. 133 BGBl. I 2019, 2451. 134 BFH v. 2.8.2006 – XI R 6/03, BStBl. II 2007, 8.

339

GewStG § 9 Rz. 235 | Kürzungen 2. Voraussetzungen und Rechtsfolgen a) Kürzungsberechtigte Personen 235

Kürzungsberechtigt sind grds. alle Rechtsformen des Gewerbebetriebs i.S.d. § 2 GewStG. Eine Ausnahme bildet Satz 9. Organträger (OT) und Organgesellschaft (OG) (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG) sind selbständige Unternehmen auch hinsichtlich der Kürzungshöchstbeträge.

236–237

frei

b) Zuwendungen aus Mitteln des Gewerbebetriebs (Satz 1, 12, 13) 238

Abzugsfähig sind nur bestimmte Zuwendungen. Es muss sich zunächst um Bar- oder Sachmittel des Gewerbebetriebs und Steuersubjekts handeln. Im Regelfall wird sich aus der Buchführung (z.B. bei Abbuchung vom betrieblichen Bankkonto) ergeben, dass die Spenden aus Mitteln des Betriebes geleistet worden sind. Entspricht der zugewendete Betrag einer zuvor getätigten Entnahme, kann von einer Ausgabe aus Mitteln des Betriebes ausgegangen werden.

239

Mitgliedsbeiträge sind nur solche Beiträge, die von Personenvereinigungen aufgrund der Satzung von den Mitgliedern in ihrer Eigenschaft als Mitglieder erhoben werden (§ 8 Abs. 5 KStG). Für bestimmte Mitgliedsbeiträge gilt nach Satz 12 Halbs. 2 ein grundsätzliches Kürzungsverbot (ebenso § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG).

240

Spenden sind freigiebige Zuwendungen; dies sind Ausgaben, die von Steuerpflichtigen freiwillig und ohne Gegenleistung zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke geleistet werden. Sog. Beitrittsspenden sind keine Spenden.

241

Leistungsentgelte (z.B. Sponsoring) sind weder („echte“) Mitgliedsbeiträge noch Spenden. Leistungsentgelte entgelten bestimmte Leistungen des Leistenden. Sie können im Fall des Sponsorings beim Zuwendenden als Betriebsausgaben abgezogen werden. Im „Mischfall“ sind die Zahlungen aufzuteilen.

242

Nach Satz 13 i.V.m. § 10b Abs. 3 Satz 1 EStG, § 9 Abs. 2 Satz 2 KStG sind Sachzuwendungen von Wirtschaftsgütern möglich, nicht aber Aufwandsspenden (Nutzungen und Leistungen).

243

Es darf sich bei der Zuwendung nicht um eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) oder eine verdeckte Einlage nach § 8 Abs. 3 KStG handeln (Satz 12 Halbs. 1). Satz 12 Halbs. 1 verweist insgesamt auf § 8 Abs. 3 KStG.135 Liegt in der Zuwendung zugleich eine vGA, scheidet eine Anwendung des § 9 Nr. 5 GewStG aus. Insoweit besteht ein weiteres Kürzungsverbot.

244–245

frei

c) Steuerbegünstigte Zwecke (Sätze 1, 7, 12) 246

Die Zuwendungen (Spenden, Mitgliedsbeiträge) müssen nach Satz 1 zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke i.S.d. §§ 52 bis 54 AO dienen. Dies sind gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke. Insoweit wird auf diese Vorschriften sowie auf § 3 Nr. 6 GewStG verwiesen.

247

Sonderregelungen gelten für bestimmte Mitgliedsbeiträge. Satz 7 erweitert den Kreis der Zuwendungen: Begünstigt sind auch Mitgliedsbeiträge an Körperschaften, die gem. § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AO „Kunst und Kultur“ fördern, selbst wenn den Mitgliedern Vergünstigungen gewährt werden (z.B. günstige Konditionen für den Eintritt). Dies gilt aber ausdrücklich nicht, wenn die kulturellen Betätigungen „in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen“ (Satz 7 verweist richtigerweise auf Satz 12 Buchst. b). Beispiel: der Gesangsverein.

135 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 9 Nr. 5 GewStG Rz. 11; a.A. FG Rh.-Pf. v. 7.10.2020 – 1 K 1264/19, EFG 2021,481, Rev. BFH I R 52/20.

340

Kürzungen | Rz. 260 § 9 GewStG

Satz 12 Halbs. 2 beschränkt den Kreis der abzugsfähigen Mitgliedsbeiträge. Ein Kürzungsverbot besteht für Mitgliedsbeträge an Körperschaften, die den Sport (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO), kulturelle Freizeitaktivitäten, die Heimatpflege und Heimatkunde (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 22 AO), die (Freizeit-)Zwecke des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 23 AO fördern oder die unter die Generalklausel des § 52 Abs. 1 Satz 2 AO fallen. Buchst. e gilt ab EZ 2020. Dies entspricht § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG und § 9 Abs. 1 Nr. 2 Satz 8 KStG. Mit der Gleichbehandlung der genannten Gemeinwohlzwecke im EStG, KStG und GewStG unterstellt der Gesetzgeber, dass diese Tätigkeiten praktisch auch eigennützig und hinsichtlich der Mitgliedsbeiträge nicht abzugswürdig sind.

248

frei

249

d) Begünstigte Zuwendungsempfänger (Sätze 2 bis 6) Satz 2 bestimmt abschließend die begünstigten Zuwendungsempfänger. Dies können inländische und bestimmte ausländische Körperschaften sein. Nicht begünstigt sind Zuwendungen an politische Parteien (aber § 10b Abs. 2, § 34g EStG).

250

Die Einbeziehung von ausländischen Körperschaften, die in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR „belegen“ sind, beruht auf der Rechtsprechung des EuGH136, der eine Gleichbehandlung von Inlands- und Auslandsspenden eingefordert hat. Andere ausländische Körperschaften (Sitz im Drittland) sind nicht begünstigt.

251

Abzugsfähig sind nach § 9 Nr. 5 Satz 2 Buchst. a GewStG Zuwendungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts oder eine öffentliche Dienststelle im EU-/EWR-Gebiet. Dies sind etwa die Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Kommunen) oder andere Körperschaften der mittelbaren Staatsverwaltung.

252

Abzugsfähig sind nach § 9 Nr. 5 Satz 2 Buchst. b GewStG auch Zuwendungen an nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbefreite inländische Körperschaften (vgl. § 3 Nr. 6 GewStG). Hierzu gehören auch Stiftungen.

253

Abzugsfähig sind nach § 9 Nr. 5 Satz 2 Buchst. c GewStG schließlich Zuwendungen an private ausländische Körperschaften im EU-/EWR-Gebiet, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG steuerbefreit wären, wenn sie inländische Einkünfte erzielen würden. Letztere müssen zunächst die strengen, materiellen Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG einhalten.

254

Zusätzlich stellen § 9 Nr. 5 Sätze 3 bis 6 GewStG weitere strikten Anforderungen an die Abzugsfähigkeit von Zuwendungen an ausländische Empfänger. Diese Einschränkungen finden sich schon in § 51 Abs. 2 AO.

255

frei

256–257

e) Kürzungsbeträge (Sätze 1, 8 bis 11) Nach Satz 1 können Zuwendungen nur bis zu einem jährlichen Höchstbetrag von 20 % des um die Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 9 GewStG erhöhten Gewinns des Gewerbebetriebs gem. § 7 GewStG oder 4 Promille des gesamten Umsatzes und der im Wirtschaftsjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter abgezogen werden.

258

Werden die Höchstbeträge überschritten, kann die Kürzung in den folgenden EZ vorgenommen werden (Satz 8). Der Vortrag ist nach Satz 13 i.V.m. § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG festzustellen.

259

Begünstigende Sonderregelungen neben der Kürzung nach Satz 1 gelten für Zuwendungen an rechtsfähige und nicht rechtsfähige Stiftungen des privaten oder öffentlichen Rechts (Sätze 9 bis 11). Danach können (nur) natürliche Personen und Personengesellschaften auf Antrag Zuwendungen von bis zu 1 Mio. € in den Vermögensstock (Grundstock) innerhalb

260

136 EuGH v. 14.9.2006 – C-386/04 – Stauffer, FR 2007, 242; v. 27.1.2009 – C-318/07 – Persche, DStR 2009, 207, dazu Hidien/Möllenbeck, PISTB 2009, 124.

341

GewStG § 9 Rz. 261 | Kürzungen eines Zehnjahreszeitraums leisten und abziehen. Dies gilt nicht für Spenden in das verbrauchbare Vermögen. 261–262

frei

f) Zuwendungsbestätigung (Satz 13) 263

Nach Satz 13 i.V.m. § 10b EStG, § 50 Abs. 1 EStDV kann der zuwendende Gewerbebetrieb den Abzug nur geltend machen, wenn er nachweist, dass die Voraussetzungen des § 9 Nr. 5 GewStG erfüllt sind. Diesen Nachweis muss er mittels einer vom Zuwendungsempfänger ausgestellten Zuwendungsbestätigung i.S.d. § 50 EStDV erbringen.

264

Nach Satz 13 i.V.m. § 10b Abs. 4 Satz 1 EStG bzw. § 9 Abs. 3 KStG kann der Zuwendende auf die Richtigkeit der Zuwendungsbestätigung der steuerbegünstigten Körperschaft grds. vertrauen.

265–266

frei

g) Veranlasserhaftung (Satz 14 bis 18) 267

Satz 14 bestimmt bei schuldhaftem Verhalten des Zuwendungsempfängers eine Veranlasserhaftung für die entgangene Gewerbesteuer.

268

Sätze 15 bis 18 regeln den Haftungsschuldner, den Haftungsbetrag und die Steuerfestsetzung.

269–279

frei

VII. Gewinne aus ausländischen Kapitalgesellschaften (Nr. 7) 1. Allgemeines 280

§ 9 Nr. 7 GewStG enthält in der Abfolge der §§ 7, 8 GewStG eine Kürzungsnorm für Gewinne aus Anteilen (Dividenden) eines inländischen Gewerbebetriebs an ausländischen Kapitalgesellschaften. Zusammen mit § 9 Nr. 2a und Nr. 8 GewStG und auf der Grundlage des § 8 Nr. 5 GewStG installiert die Vorschrift das sog. Schachtelprivileg als Teil des gewerbesteuerrechtlichen Konzepts der Behandlung von in- und ausländischen Dividendenerträgen. Zusammen mit § 9 Nr. 2, 2a, 3 und 8 GewStG verwirklicht die Regelung zugleich das sog. Territorialitätsprinzip. Es handelt sich eine sachliche, unilaterale Steuerbefreiung. Im komplizierten Zusammenspiel mit § 8 Nr. 5 GewStG regelt die Vorschrift nicht nur den Umfang einer Kürzung, sondern auch das Ausmaß einer Hinzurechnung.

281

Eine Neuregelung hat das Gesetz v. 12.12.2019 zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften137 mit Wirkung ab EZ 2020 eingeführt. Mit der Reform hat der Gesetzgeber auf eine Entscheidung des EuGH138 zur Vorgängerregelung des § 9 Nr. 7 a.F. GewStG reagiert. Danach verstoßen die vormaligen einschränkenden Tatbestandsmerkmale der Regelung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV). Die Finanzverwaltung hat eine Übergangsregelung getroffen, die in allen offenen Fällen bis zur Anwendung der Neuregelung gilt.139 Die Neuregelung ähnelt nunmehr weitgehend § 9 Nr. 2a GewStG für den Inlandsfall, worauf § 9 Nr. 7 Satz 2 GewStG auch für Art und Umfang der Kürzung auch verweist.

282

Eine Freistellung von Gewerbesteuer im Zusammenhang mit Auslandssachverhalten wird in vielen Fällen bereits durch andere, vorrangige140 gesetzliche Regelungen (z.B. durch § 8b Abs. 1 KStG oder ein bestehendes DBA mit Freistellungsmethode) erreicht, so dass die 137 138 139 140

342

BGBl. I 2019, 2451, sog. JStG 2019. EuGH 20.9.2018 – C-685/16 – EV, BStBl. II 2019, 111. Gleichlautende Ländererlasse v. 25.1.2019, BStBl. I 2019, 91. BFH 14.1.2014 – I R 47/08, BStBl. II 2011, 131.

Kürzungen | Rz. 295 § 9 GewStG

Anwendung der §§ 8 Nr. 5, 9 Nr. 7 GewStG subsidiär ist. Praktische Bedeutung hat die Regelung für Einzelunternehmen und Personengesellschaften, indem sie den steuerpflichtigen Teil der Gewinnanteile kürzt. Beispiel: Die inländische Kapitalgesellschaft A ist zu Beginn des EZ mit 20 % an der ausländischen Kapitalgesellschaft B mit Sitz und Geschäftsleitung in Brasilien beteiligt. Ein deutsches DBA besteht insoweit nicht. A erhält von B eine Dividende von 60.000 €. Der Beteiligungsertrag ist nach § 8b Abs. 1, 5 KStG zu 95 % körperschaftsteuerfrei (57.000 €). Dies wirkt sich gem. § 7 Satz 1 GewStG auch auf die Ermittlung des Gewerbeertrags aus. Eine Hinzurechnung der steuerfreien Dividenden nach § 8 Nr. 5 GewStG ist nicht zulässig, da die Beteiligung die Voraussetzungen einer begünstigten Schachtelbeteiligung i.S.d. § 9 Nr. 7 GewStG erfüllt. Eine Kürzung um die Betriebsausgabenpauschale von 5 % (3.000 €) ist ausdrücklich nicht zulässig (§ 9 Nr. 7 Satz 2 i.V.m. § 9 Nr. 2a Satz 4 GewStG).

Andere ausländische Einkünfte des Gewerbebetriebs sind dagegen gewerbesteuerpflichtig. Hierzu gehören etwa Portfoliodividenden, Zins- und Lizenzeinnahmen, sofern sie zu den gewerblichen Einkünften gehören.

283

Nicht anwendbar ist § 9 Nr. 7 GewStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der Organgesellschaften im Organkreis (§ 7a Abs. 1 S. 1 GewStG).

284

Nicht anwendbar ist § 9 Nr. 7 GewStG auf den steuerpflichtigen Hinzurechnungsbetrag gem. § 7 Abs. 1, § 10 Abs. 1 AStG im Fall ausländischer Kapitalgesellschaften, die als sog. Zwischengesellschaften dienen. Dies folgt aus § 10 Abs. 2 Satz 4 AStG. Diese Regelung hat das ATAD-Umsetzungsgesetz141 mit Wirkung ab VZ/EZ 2022 eingeführt. Es handelt sich um ein spezielles Kürzungsverbot im außensteuerrechtlichen Kontext. Mit ihr und weiteren Regelungen gewährleistet der Gesetzgeber, dass Antimissbrauchsregelungen des AStG auch für Zwecke der Gewerbesteuer Anwendung finden. Nach Auffassung des Gesetzgebers142 hat diese Regelung klarstellenden Charakter. Denn der Hinzurechnungsbetrag unterfalle wie bisher nach geltendem Recht weiterhin der Gewerbesteuer.

285

frei

286–289

2. Voraussetzungen Begünstigter Anteilsinhaber der Kürzung kann jeder (inländische) Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs. 1 bis 3 GewStG sein (Ober- oder Muttergesellschaft).

290

Lebens- und Krankenversicherungen und Pensionsfonds sind generell von der Kürzung ausgenommen (§ 9 Nr. 7 Satz 2 i.V.m. § 9 Nr. 2a Satz 5 GewStG), um Doppelentlastungen zu vermeiden. Entsprechende Regelungen enthalten § 8 Abs. 8 KStG sowie § 9 Nr. 2 Satz 2, Nr. 8 Satz 4 GewStG.

291

Das Beteiligungsunternehmen (Unter- oder Tochtergesellschaft) muss dem Typus einer deutschen Kapitalgesellschaft entsprechen. Es muss seine Geschäftsleitung und seinen Sitz im Ausland haben.

292

Die Beteiligung an der ausländischen Kapitalgesellschaft muss mindestens 15 % des Nennkapitals betragen, um das Schachtelprivileg des Kürzungsanspruchs zu aktivieren. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn lediglich eine Beteiligung von unter 15 % besteht (Portfoliodividenden).

293

Die vormalige Mindestbeteiligungshöhe für EU-Gesellschaften i.S.d. Art. 2 Mutter-Tochter-RL143 von 10 % hat der Gesetzgeber nicht mehr aufgegriffen, was unionsrechtlich bedenklich ist.

294

Auf den Umfang der Stimmrechte kommt es nicht an. Eigene Anteile der Untergesellschaft werden bei der Ermittlung der Beteiligungsquote nicht berücksichtigt. Es genügen mittelbare Beteiligungen.

295

141 Gesetz v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035. 142 BT-Drucks. 19/28652, 58. 143 RL des Rates v. 30.11.2011, 2011/96/EU, ABl. L 345 v. 29.12.2011.

343

GewStG § 9 Rz. 296 | Kürzungen 296

Im Unterschied zur Vorgängerregelung genügt es nach § 9 Nr. 7 GewStG nunmehr, dass die maßgebliche Beteiligungsquote von 15 % zu Beginn des EZ besteht. Dies ist i.d.R. der 1.1. des Kalenderjahres (§ 14 Satz 2 GewStG).

297–299

frei

3. Rechtsfolgen 300

„Gewinne aus Anteilen“ und „Gewinnanteile“ meinen dasselbe. Dies sind im Kern Dividenden (Bezüge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 2 EStG).

301

Die Kürzung voraus, dass die Gewinnanteile bei der Ermittlung des Gewinns des Gewerbebetriebs nach § 7 GewStG beim Anteilseigner angesetzt worden sind, mithin den Gewinn erhöht haben.

302

Nach § 9 Nr. 7 Satz 2 i.V.m. § 9 Nr. 2a Satz 4 GewStG sind Betriebsausgaben, die nach § 8b Abs. 5 KStG nicht abziehbar sind, keine Gewinne aus Anteilen im Sinne der Regelung.

303

§ 9 Nr. 7 Satz 2 GewStG verweist für den Umfang der Kürzung (auch) auf die entsprechende Anwendung des § 9 Nr. 2a Satz 3 GewStG. Diese Regelung bestimmt ausdrücklich die Kürzung um den Nettogewinn, d.h. Beteiligungsaufwendungen mindern den Kürzungsanspruch.

304–309

frei

VIII. Gewinnanteile bei DBA (Nr. 8) 1. Allgemeines 310

§ 9 Nr. 8 GewStG regelt zusammen mit § 9 Nr. 2a, Nr. 7 GewStG eine weitere Variante des gewerbesteuerrechtlichen Schachtelprivilegs als Form der sachlichen Steuerbefreiung. Die Regelung begünstigt praktisch, nach Maßgabe des DBA-Schachtelprivilegs, nur inländische Kapitalgesellschaften, die grenzüberschreitende Gewinnausschüttungen (Dividenden) von anderen ausländischen Kapitalgesellschaften erhalten. Soweit Steuerfreiheit von Gewinnanteilen durch ein DBA erreicht wird, fehlt bereits ein Ansatz im Gewinn beim inländischen Gewerbebetrieb.

311

Wurde im DBA eine niedrigere Beteiligungsquote als 15 % vereinbart, gilt nach § 9 Nr. 8 Satz 1 Halbs. 2 GewStG die niedrigere Grenze. Damit handelt es sich bei § 9 Nr. 8 GewStG um eine begünstigende, unilaterale Senkung der Mindestbeteiligungsquote auf jetzt 15 % (bis einschließlich EZ 2007 auf 10 %). Viele deutsche DBA enthalten mittlerweile eine Mindestbeteiligungsquote von 10 %. Insoweit ist die Regelung im Hinblick auf den Vorrang des DBA-Rechts (§ 2 AO) an sich nahezu überflüssig und deklaratorisch. Zudem stellen die aktuellen DBA-Schachtelprivilegien zumeist weitere sachliche, persönliche oder zeitliche Anwendungsvoraussetzungen auf, z.B. Aktivitätsvorbehalte, die im Rahmen des § 8 Nr. 9 GewStG inzident mit zu überprüfen sind.

312–314

frei

2. Voraussetzungen 315

Kürzungsberechtigte Anteilseigner kann nach dem Wortlaut grds. jedes gewerbliche Unternehmen i.S.d. § 2 GewStG sein. Praktisch konzentriert sich die Kürzungsberechtigung aber auf Kapitalgesellschaften als Dividendenempfänger und typische Begünstigte der DBASchachtelprivilegien. Nur ausnahmsweise gewähren DBA auch Schachtelprivilegien an ausländische Gesellschaften, die keine Kapitalgesellschaften sind. Für einkommensteuerpflichtige Gewerbebetriebe hat die Regelung grds. keine Bedeutung.

344

Kürzungen | Rz. 327 § 9 GewStG

Nach § 9 Nr. 8 Satz 4 GewStG gilt die Regelung nicht zugunsten von Lebens- und Krankenversicherungen sowie Pensionsfonds. Ein gleichlautendes Kürzungsverbot enthalten § 9 Nr. 2 Satz 2, Nr. 2a Satz 5 und § 9 Nr. 7 Satz 8 GewStG.

316

Auf Anteilseigner, die eine Organgesellschaft sind, ist § 9 Nr. 8 GewStG ebenfalls nicht anwendbar. Hier ist § 7a Abs. 1 Satz 1 GewStG lex specialis.

317

Die Kürzung nach § 9 Nr. 8 GewStG betrifft nur Gewinne aus Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft. Die ausländische Gesellschaft muss ihren Sitz in einem DBA-Staat haben. Maßgebend für den Begriff „ausländischen Gesellschaft“ ist § 7 Abs. 1 AStG.

318

Die Beteiligung an der anderen, ausländischen Gesellschaft muss mindestens 15 % betragen. Diese Quote muss im EZ begründet worden sein. Die Beteiligung muss sich im Betriebsvermögen des inländischen Gewerbebetriebs befinden. Hat das jeweilige DBA wie regelmäßig eine niedrigere Mindestbeteiligungsquote als 15 % vereinbart, geht diese Quote nach § 9 Nr. 8 Satz 1 Halbs. 2 GewStG der Regelung in § 9 Nr. 8 GewStG vor.

319

§ 9 Nr. 8 GewStG enthält keine ausdrücklichen zeitlichen Vorgaben. Die Regelung nennt weder einen bestimmten Stichtag noch eine bestimmte Mindesthaltedauer für die Beteiligung. Es genügt, wenn die Beteiligung im jeweiligen EZ begründet wurde und zum Betriebsvermögen gehört.

320

Die Tatbestandsmerkmale § 9 Nr. 8 GewStG verweisen im Übrigen auf das jeweilige, voraussetzungsreiche DBA-Recht und die dortigen Bedingungen der Schachtelbeteiligung. Diese Vorgaben sind inzident zu überprüfen. Danach steht die Anwendung von § 9 Nr. 8 GewStG unter dem Vorbehalt, dass nach dem jeweiligen DBA für die Beteiligung an der entsprechenden Beteiligungsgesellschaft auch ein Schachtelprivileg vereinbart ist, dessen Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Die DBA fordern zumeist eine unmittelbare Beteiligung am Kapital der Gesellschaft.

321

Insoweit enthalten zudem viele deutsche DBA weitere einschränkende subjektive oder objektive Voraussetzungen für die Gewährung des Schachtelprivilegs. § 9 Nr. 8 GewStG lässt derartige Voraussetzungen unberührt, verweist vielmehr auf die Bedingungen des konkreten abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs. Dementsprechend ist § 9 Nr. 8 GewStG nur dann anwendbar ist, wenn auch diese abkommensrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Enthält das jeweilige DBA keine Schachtelbefreiung von der Gewerbesteuer oder ist auf diese nicht anwendbar, ist eine zentrale Voraussetzung des § 9 Nr. 8 GewStG nicht erfüllt. Anwendbar ist dann grds. § 9 Nr. 7 GewStG.

322

frei

323–324

3. Rechtsfolgen Die Kürzung ist auf den steuerpflichtigen Ertrag begrenzt. Die drei gleichlautenden Gesetzesbegriffe der Gewinne aus Anteilen, Gewinnanteile und Gewinnansatz verwenden auch § 9 Nr. 2a sowie Nr. 7 GewStG.

325

Auch hinsichtlich der weiteren Bedingungen des Kürzungsumfangs verweist die Regelung auf § 9 Nr. 2a GewStG. Nach § 9 Nr. 8 Satz 2 GewStG ist § 9 Nr. 2a Satz 3 GewStG entsprechend anzuwenden (Nettogewinn, kein § 8 Nr. 1 GewStG).

326

Nach § 9 Nr. 8 Satz 3 GewStG gilt auch § 9 Nr. 2a Satz 4 GewStG entsprechend. Danach gehören nach § 8b Abs. 5 KStG nichtabziehbare Betriebsausgaben nicht zu den „Gewinne aus Anteilen“. Sie unterliegen daher nicht der Kürzung.

327

345

GewStG § 9

346

§ 10 Maßgebender Gewerbeertrag (1) Maßgebend ist der Gewerbeertrag, der in dem Erhebungszeitraum bezogen worden ist, für den der Steuermessbetrag (§ 14) festgesetzt wird. (2) Weicht bei Unternehmen, die Bücher nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs zu führen verpflichtet sind, das Wirtschaftsjahr, für das sie regelmäßig Abschlüsse machen, vom Kalenderjahr ab, so gilt der Gewerbeertrag als in dem Erhebungszeitraum bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endet. § 16 GewStDV Gewerbeertrag bei Abwicklung und Insolvenz (1) Der Gewerbeertrag, der bei einem in der Abwicklung befindlichen Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 Abs. 2 des Gesetzes im Zeitraum der Abwicklung entstanden ist, ist auf die Jahre des Abwicklungszeitraums zu verteilen. (2) Das gilt entsprechend für Gewerbebetriebe, wenn über das Vermögen des Unternehmens ein Insolvenzverahren eröffnet worden ist. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Begriff des maßgebenden Gewerbeertrags im Regelfall Abs. 1). . . . . . . . . .

1 6

II. Abweichendes Wirtschaftsjahr (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sonderregelung des § 16 GewStDV IV. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10 14 15

A. Allgemeines § 10 GewStG normiert materielle, zeitliche Besteuerungsvorgaben. Die Regelung betrifft zusammen mit § 14 GewStG das Gewerbesteuermessverfahren und den Gewerbesteuermessbetrag. Das Verfahren obliegt den Finanzämtern aller Länder und ist dem Gewerbesteuerverfahren, das den Gemeinden der Flächenländer obliegt, vorgeschaltet.

1

§ 10 GewStG definiert den maßgebenden Gewerbeertrag zur Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags und zusammen mit § 14 GewStG die zeitlichen Grundlagen der Besteuerung. Vorausgeht die Ermittlung des Gewerbeertrags eines steuerpflichtigen Gewerbebetriebs nach §§ 7–9 GewStG; § 10a GewStG korrigiert ggf. den maßgebenden Gewerbeertrag. § 16 GewStDV ist eine Spezialregelung zu § 10 Abs. 1 GewStG für den Fall der Abwicklung und Insolvenz.

2

Nach dem Gewerbesteuergesetz 1936 war der Gewerbeertrag noch aus dem Kalenderjahr zu ermitteln, das dem EZ voranging. Ab dem 1.1.1943 wurde auf das heutige System der Gegenwartsbesteuerung umgestellt, das auch für die ESt und KSt gilt (§ 2 Abs. 7, § 25 Abs. 1 EStG, § 7 Abs. 3, § 31 Abs. 1 KStG). Das Ertragssteuerrecht verwendet den Begriff des Veranlagungszeitraums (VZ) statt des EZ; dies ist grds. das Kalenderjahr. Die aktuelle Fassung beruht auf dem Gesetz v. 29.10.1997.1

3

frei

4–5

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Begriff des maßgebenden Gewerbeertrags im Regelfall (Abs. 1) § 10 Abs. 1 definiert den maßgebenden Gewerbeertrag. Anzusetzen ist der Gewerbeertrag (d.h. der Gewinn vermehrt um Hinzurechnungen und vermindert um Kürzungen) aus den Zeiträumen, die im EZ (nach § 14 GewStG das Kalenderjahr bzw. der Zeitraum des Kalenderjahres mit persönlicher Steuerpflicht) enden. Entspricht das Wirtschaftsjahr dem 1 Gesetz v. 29.10.1997, BGBl. I 1997, 2590.

347

6

GewStG § 10 Rz. 7 | Maßgebender Gewerbeertrag Kalenderjahr, ergibt sich dies aus § 10 Abs. 1 GewStG. Bei abweichendem Wirtschaftsjahr gilt § 10 Abs. 2 GewStG (Ende des Wirtschaftsjahres). Die Steuer selbst entsteht grundsätzlich mit Ablauf des EZ, für den die Festsetzung vorgenommen wird (§ 18 GewStG). 7

§ 10 Abs. 1 GewStG regelt den Grundsatz, Absatz 2 den Sonderfall der zeitlichen Zuordnung des Gewerbeertrags im Fall eines abweichenden Wirtschaftsjahres. EZ ist der Zeitabschnitt, für den der Gewerbesteuermessbescheid festzusetzen ist (§ 14 Satz 1 GewStG). Dies ist das Kalenderjahr (§ 14 Satz 2 GewStG). Vom EZ sind die Begriffe Bemessungszeitraum und Ermittlungszeitraum zu unterscheiden.2 Bemessungszeitraum ist der Zeitabschnitt, in dem steuerrechtlich der Gewerbeertrag bezogen wird. EZ und Bemessungszeitraum entsprechen grundsätzlich dem Kalenderjahr (§§ 10 Abs. 1, 14 Satz 2 GewStG). Ermittlungszeitraum ist der Zeitabschnitt, für den die Besteuerungsgrundlage zu ermitteln ist. Das EStG bezeichnet den steuerrechtlichen Gewinnermittlungszeitraum als Wirtschaftsjahr (§ 4a EStG, § 7 Abs. 4 KStG). Bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr gilt sodann § 10 Abs. 2 GewStG. Einschließlich der Fälle, in denen die Gewerbesteuerpflicht nicht während des ganzen Jahres bestanden hat, gilt bei der Gewerbesteuer das gleiche System wie bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer. Im Rahmen des § 16 GewStDV ist der Abwicklungszeitraum bzw. Insolvenzzeitraum zu beachten (§ 10 GewStG Rz. 14). Diese Definition gilt auch für den Fall des Steuerschuldnerwechsels bei gleichbleibender sachlicher Gewerbesteuerpflicht.3 § 10 Abs. 1 GewStG ist i.V.m. § 14 Satz 3 GewStG zudem auch anzuwenden, wenn das Ende des Gewinnermittlungszeitraums und der Gewerbesteuerpflicht auseinanderfallen.4

8

Tritt im EZ ein Rechtsformwechsel ein und besteht die sachliche Gewerbesteuerpflicht des formgewechselten Gewerbebetriebs fort, setzt sich der Gewerbeertrag trotz der Aufteilung der Steuerschuld des Messbetrags auf die verschiedenen persönlichen Steuerschuldner einheitlich für den EZ aus ihren für diesen Zeitraum ermittelten Gewinnen zusammen.5 Denn maßgebend ist gem. § 10 GewStG der Gewerbeertrag, der in dem EZ bezogen worden ist.

9

frei

II. Abweichendes Wirtschaftsjahr (Abs. 2) 10

Entspricht das Wirtschaftsjahr nicht dem Kalenderjahr, so gilt § 10 Abs. 2 GewStG. Danach „gilt“ der Gewerbeertrag als in dem EZ bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endet. Dies Bezugsfiktion bewirkt, dass in diesem EZ der Gewerbeertrag des gesamten Wirtschaftsjahrs ungeteilt der Gewerbesteuer unterworfen wird.6 Die Regelung gilt auch für den Ertrag eines Rumpfwirtschaftsjahres.7 Voraussetzung ist eine Buchführungspflicht des Unternehmens nach dem HGB. Darunter fallen Kaufleute i.S.d. § 1 HGB, nach §§ 2, 3 HGB im Handelsregister eingetragene Kaufleute und Handelsgesellschaften nach § 6 HGB (OHG, KG, AG, KGaA, GmbH, Erwerbsund Wirtschaftsgenossenschaften, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit).

11

§ 10 Abs. 2 GewStG stimmt nahezu wortgleich mit § 7 Abs. 4 Satz 2 KStG überein. Für einkommensteuerpflichtige Gewerbebetriebe gelten § 7 Satz 1 GewStG i.V.m. § 4a Abs. 1 Nr. 2 EStG. Eine Umstellung auf ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr darf nur im Einvernehmen mit dem Finanzamt erfolgen. frei

12–13

2 3 4 5 6 7

Hofmeister in Brandis/Heuermann, § 10 GewStG Rz. 5 f. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 10 GewStG Rz. 3. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 10 GewStG Rz. 4. BFH v. 25.4.2018 – VI R 8/16, BStBl. II 2018, 484; dazu Hidien, jurisPR-SteuerR 30/2018 Anm. 3. BFH v. 30.10.2019 – IV R 59/16, BFH/NV 2020, 282. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 10 GewStG Rz. 6 ff.

348

Maßgebender Gewerbeertrag | Rz. 16 § 10 GewStG

III. Sonderregelung des § 16 GewStDV § 16 GewStDV gewährleistet die Anwendung des Prinzips des EZ auch in zwei Sonderfälle. Im Fall der Abwicklung von Gesellschaften nach § 2 Abs. 2 GewStG und der Insolvenz von Gewerbebetrieben besteht die Gewerbesteuerpflicht fort (§ 4 GewStDV); dies kann sich aber über einen längeren Zeitraum hinziehen. Nach der Bezugsfiktion des § 16 Abs. 1 GewStDV wird im Fall der Abwicklung der im Abwicklungszeitraum insgesamt „entstandene“ Gewerbeertrag, ggf. unter Berücksichtigung des § 10a GewStG, ermittelt und auf die einzelnen EZ des Abwicklungszeitraums verteilt. Entsprechendes gilt gem. § 16 Abs. 2 GewStG für den Insolvenzfall nach Maßgabe des Insolvenzzeitraums.8

14

IV. Beispiele Beispiel 1: Bei einer Betriebseröffnung zum 1.4.01 (Wirtschaftsjahr vom 1.4.–30.3.) wird weder nach § 10 Abs. 1 GewStG noch nach § 10 Abs. 2 GewStG für 01 eine Gewerbesteuer erhoben, da im EZ 1.4.01–31.12.01 kein Gewerbeertrag als bezogen gilt.

15

Beispiel 2: Bei einer Betriebseinstellung zum 30.9.02 (Wirtschaftsjahr vom 1.4.– 31.3.) ist nach § 10 Abs. 2 GewStG für den EZ 1.1.02–30.9.02 der Gewerbeertrag aus dem Zeitraum 1.4.01–31.3.02 und 1.4.02–30.9.02 maßgebend. Beispiel 3: Bei einer Umstellung von einem dem Kalenderjahr entsprechenden Wirtschaftsjahr auf ein Wirtschaftsjahr vom 1.2. bis zum 31.1. wird im Umstellungsjahr nach § 10 Abs. 1 und 2 GewStG nur der Gewerbeertrag für Januar besteuert. Eine auf das Umstellungsjahr beschränkte vorübergehende Minderung der gewerbesteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage wird hier in Kauf genommen, zumal nach den Regelungen des EStG und KStG die Umstellung des Gewinnermittlungszeitraums nur im Einvernehmen mit dem Finanzamt erfolgen kann.

Bei Gewerbetreibenden mit abweichendem Wirtschaftsjahr sind die Hinzurechnungen insoweit vorzunehmen, als sie den maßgebenden Gewinn des bzw. der Wirtschaftsjahre gemindert haben. Für Kürzungen nach § 9 Nr. 1 GewStG sind nach § 20 Abs. 1 Satz 2 GewStDV die Verhältnisse zu Beginn des Kalenderjahres für den Umfang des Betriebsvermögens maßgebend. Beispiel 4: A betreibt ein im Handelsregister eingetragenes Einzelhandelsgewerbe. Sein Wirtschaftsjahr umfasst den Zeitraum 1.6.-31.5. Er erwirbt am 1.10.01 ein Grundstück (Einheitswert 600.000 €), das er bis dahin bereits als Mieter gegen Zahlung einer monatlichen Miete von 10.000 € vollständig für seinen Betrieb nutzte. Ab dem 15.12.01 beträgt der betriebliche Nutzungsanteil an dem Grundstück nur noch 50 %. Das Grundstück wird insoweit dem Betriebsvermögen entnommen. Der Gewinn des Wirtschaftsjahres 01/02 beträgt 200.000 €. Dabei wurden Entgelte für Schulden in Höhe von 190.000 € gewinnmindernd berücksichtigt. Zur Ermittlung des Gewerbeertrags für den EZ 02 ist zunächst vom Gewinn für das Wirtschaftsjahr 01/02 auszugehen:

8 Zu den Begriffen Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10 GewStG Rz. 17 f.

349

16

GewStG § 10 Rz. 16 | Maßgebender Gewerbeertrag Gewinn Diese Ausgangsgröße ist um die Hinzurechnungen und Kürzungen zu verändern. Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG: Entgelte für Schulden (§ 8 Nr. 1a GewStG) Miet- und Pachtzinsen für Grundstücke (§ 8 Nr. 1e GewStG) 50 % der Mietzahlungen für 6/01 – 9/01 (40.000 €)

200.000 €

Summe aus § 8 Nr. 1a-1f GewStG abzüglich verbleiben x 25 % Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG, § 121a BewG: 50 % von 600.000 € × 140 % × 1,2 %

210.000 € 200.000 € 10.000 € 2.500 €

(Ob und inwieweit das Grundstück Betriebsvermögen ist, ist auf den Beginn des 1.1.02 zu entscheiden). Gewerbeertrag vor Rundung auf volle 100 € (§ 11 Abs. 1 Satz 3 GewStG)

350

190.000 € 20.000 €

5.040 €

197.460 €

§ 10a Gewerbeverlust 1 Der maßgebende Gewerbeertrag wird bis zu einem Betrag in Höhe von 1 Million Euro um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind. 2Der 1 Million Euro übersteigende maßgebende Gewerbeertrag ist bis zu 60 Prozent um nach Satz 1 nicht berücksichtigte Fehlbeträge der vorangegangenen Erhebungszeiträume zu kürzen. 3Im Fall des § 2 Abs. 2 Satz 2 kann die Organgesellschaft den maßgebenden Gewerbeertrag nicht um Fehlbeträge kürzen, die sich vor dem rechtswirksamen Abschluss des Gewinnabführungsvertrags ergeben haben. 4Bei einer Mitunternehmerschaft ist der sich für die Mitunternehmerschaft insgesamt ergebende Fehlbetrag den Mitunternehmern entsprechend dem sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen; Vorabgewinnanteile sind nicht zu berücksichtigen. 5Für den Abzug der den Mitunternehmern zugerechneten Fehlbeträge nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 ist der sich für die Mitunternehmerschaft insgesamt ergebende maßgebende Gewerbeertrag sowie der Höchstbetrag nach Satz 1 den Mitunternehmern entsprechend dem sich aus dem Gesellschaftsvertrag für das Abzugsjahr ergebenden allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen; Vorabgewinnanteile sind nicht zu berücksichtigen. 6Die Höhe der vortragsfähigen Fehlbeträge ist gesondert festzustellen. 7Vortragsfähige Fehlbeträge sind die nach der Kürzung des maßgebenden Gewerbeertrags nach Satz 1 und 2 zum Schluss des Erhebungszeitraums verbleibenden Fehlbeträge. 8Im Fall des § 2 Abs. 5 kann der andere Unternehmer den maßgebenden Gewerbeertrag nicht um die Fehlbeträge kürzen, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags des übergegangenen Unternehmens ergeben haben. 9§ 8 Abs. 8 und 9 Satz 5 bis 8 des Körperschaftsteuergesetzes ist entsprechend anzuwenden. 10 Auf die Fehlbeträge ist § 8c des Körperschaftsteuergesetzes entsprechend anzuwenden; dies gilt auch für den Fehlbetrag einer Mitunternehmerschaft, soweit dieser 1. einer Körperschaft unmittelbar oder 2. einer Mitunternehmerschaft, soweit an dieser eine Körperschaft unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligt ist, zuzurechnen ist. 11 Auf die Fehlbeträge ist § 8d des Körperschaftsteuergesetzes entsprechend anzuwenden, wenn ein fortführungsgebundener Verlustvortrag nach § 8d des Körperschaftsteuergesetzes gesondert festgestellt worden ist. 12Unterbleibt eine Feststellung nach § 8d Absatz 1 Satz 8 des Körperschaftsteuergesetzes, weil keine nicht genutzten Verluste nach § 8c Absatz 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes vorliegen, ist auf Antrag auf die Fehlbeträge § 8d des Körperschaftsteuergesetzes entsprechend anzuwenden; für die Form und die Frist dieses Antrags gilt § 8d Absatz 1 Satz 5 des Körperschaftsteuergesetzes entsprechend.

A. I. II. III. 1. 2. IV. 1. 2. V. B.

Allgemeines Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungszusammenhang . . . . . . . . Verfassungsmäßigkeit Grundnorm des § 10a GewStG . . . . . Verweisungsnormen . . . . . . . . . . . . . Unionsrecht Grundnorm des § 10a GewStG . . . . . Verweisungsnormen . . . . . . . . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Vorschrift im Einzelnen

.. ..

1 14

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22 33

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36 40 41

I. Unternehmens- und Unternehmeridentität als ungeschriebene Voraussetzungen für den Verlustabzug 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unternehmensidentität a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelunternehmen . . . . . . . . . . . c) Personengesellschaften. . . . . . . . . d) Körperschaften . . . . . . . . . . . . . . 3. Unternehmeridentität a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50 51 55 61 71 74

351

GewStG § 10a Rz. 1 | Gewerbeverlust b) Sonderfall des § 2 Abs. 5 GewStG (Satz 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einzelunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . d) Personengesellschaften. . . . . . . . . . . . . . e) Körperschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. (Weitere) Anwendungsfälle zur Unternehmens- und Unternehmeridentität a) Betriebsaufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Strukturveränderungen bei Personengesellschaften aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einbringung von Betrieben . . . . . . . . . . dd) Gesellschafterwechsel. . . . . . . . . . . . . . . ee) Doppelstöckige Personengesellschaften . ff) Beteiligung von Kapitalgesellschaften . . gg) Realteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Atypisch stille Gesellschaften. . . . . . . . . c) Strukturveränderungen bei Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entsprechende Anwendung der §§ 8c, 8d KStG für Verlustabzugsbeschränkungen bei Körperschaften (Sätze 10 bis 12) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 10a Satz 10 Halbs. 1 GewStG . . . . . . . 3. § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG . . . . . . . 4. Fortführungsgebundener Verlustvortrag (§ 8d KStG i.V.m. § 10a Satz 11 und 12 GewStG) a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 10a Satz 11 GewStG . . . . . . . . . . . . . . c) § 10a Satz 12 GewStG . . . . . . . . . . . . . . III. Besonderheiten des Verlustabzugs für Organschaften (Satz 3) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verlustverrechnung a) Innerorganschaftliche Verluste . . . . . . . b) Außerorganschaftliche Verluste . . . . . . .

79 85 89 104 107 113 114 115 119 123 136 139 141 143

160 165 171

178 180 183 190 192 194

IV. Entsprechende Anwendung der §§ 8 Abs. 8 und 9 Sätze 5 bis 8 KStG für die Verlustnutzung bei Gewerbebetrieben der öffentlichen Hand (Satz 9) 1. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebe gewerblicher Art a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begrenzte Verlustverrechnung für zusammengefasste BgA aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nicht gleichartige BgA. . . . . . . . . cc) Gleichartige BgA . . . . . . . . . . . . . 3. Eigengesellschaften a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begrenzte Verlustverrechnung für Eigengesellschaften . . . . . . . . . . . V. Durchführung und Verfahren des gewerbesteuerrechtlichen Verlustabzugs 1. Ermittlung des Gewerbeverlusts . 2. Abzug des Gewerbeverlusts (Satz 1) und Mindestversteuerung (Satz 2). 3. Besonderheiten bei der Verlustverrechnung bei Mitunternehmerschaften (Satz 4, 5) a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verlustzurechnung im Entstehungsjahr (Satz 4) . . . . . . . . . . . . c) Verlustabzug im Anrechnungsjahr (Satz 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Berechnungsbeispiele (Strukturveränderungen Mitunternehmerschaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes (Satz 6, 7) a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten aa) Personengesellschaften. . . . . . . . . bb) Organschaften . . . . . . . . . . . . . . .

200 205 209 211 212 214 218

230 236

242 245 248 252 256 262 266

A. Allgemeines I. Regelungszweck 1

§ 10a GewStG regelt den Verlustabzug für Zwecke der Gewerbesteuer. Es handelt sich um eine gewerbesteuerrechtliche Sonderregelung (nur) für den intertemporalen Verlustausgleich und Verlustvortrag für alle Formen des Gewerbebetriebs. Sie begründet die Verlustverrechnung und begrenzt sie zugleich. Danach sind „Gewerbeverluste“ mit positiven Gewerbeerträgen der folgenden EZ in aufsteigender Reihenfolge zu verrechnen.

2

Die Regelung realisiert insoweit unter Durchbrechung des eher pragmatischen Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung (§§ 10, 14 GewStG) ein periodenübergreifendes Nettoprinzips unter Berücksichtigung der individuellen Leistungsfähigkeit des Unternehmens.1

1 BFH v. 31.7.1990 – I R 62/86, BStBl. II 1990, 1083; v. 26.8.2010 – I B 49/10, BStBl. II 2011, 826; Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 21 (Stand 3/2021).

352

Gewerbeverlust | Rz. 10 § 10a GewStG

Ein solche Regelung hat zentrale Bedeutung für die Verwirklichung des objektiven Nettoprinzips.2 Verluste eines Gewerbebetriebs können auch dann nicht mit Verlusten eines anderen Gewerbebetriebs ausgeglichen werden, wenn der Inhaber identisch ist. Es liegen zwei Steuerobjekte und zwei einheitliche Gewerbebetriebe vor. Eine innerperiodische Ergebnisverrechnung ist im Fall unterschiedlicher gewerblicher Tätigkeiten nur bei Personen- und Kapitalgesellschaften zulässig.

3

Möglich ist hier nur ein (überperiodischer) Verlustvortrag. Dieser ist auch in zeitlicher Hinsicht nicht begrenzt. Allerdings bestehen Betragsgrenzen. Ein Verlustrücktrag ist zudem hier, anders als bei § 10d EStG, auch im Rahmen der sog. Corona-Pandemie, bisher nicht vorgesehen, wohl um die kommunalen Finanzen zu schonen.3 Auch einen intraperiodische Verlustausgleich regelt § 10a GewStG nicht.4 Er richtet sich nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Gewerbebetriebs.

4

Es handelt sich um eine Fiskalzwecknorm5 in einem doppelten Sinne. Einerseits stärkt sie im Kern das verfassungsrechtliche Leistungsfähigkeitsprinzip zugunsten des Unternehmens, da sie für den Verlustvortrag einem abschnittsübergreifenden Nettoprinzip folgt,6 das in der Folge die Gewerbebetriebe entlastet. Andererseits schützen die vielfachen Verlustabzugsgrenzen und der fehlende Verlustrücktrag einseitig die fiskalischen Gemeinde-, Landesund Bundesinteressen und verstärken die fragwürdigen Definitivwirkungen der Mindestbesteuerung.7

5

Die Regelung gilt für alle Gewerbebetriebe i.S.d. §§ 2, 35a GewStG; sie führt aber bestimmte Sonderregelungen für bestimmte Formen von Gewerbebetrieben ein: für Organschaften (§ 10a Satz 3 GewStG), Mitunternehmerschaften (§ 10a Satz 4 f. GewStG), für öffentliche Gewerbebetriebe (§ 10a Satz 9 GewStG) und für Körperschaften (§ 10a Satz 10 bis 12 GewStG).

6

Zentrale, ungeschriebene und doppelte Voraussetzung für den Verlustabzug ist die Identität (Gleichheit) von Unternehmen und Unternehmer im je maßgeblichen EZ der Entstehung und Anrechnung der Verluste. Die Unterscheidung zwischen „objektivem“ Unternehmen und „subjektivem“ Unternehmer als Unternehmensträger wurzelt bereits in §§ 2, 5 GewStG. Sie hat auch im Umsatzsteuerrecht Bedeutung (§§ 2 Abs. 1, 15 UStG). Steuergegenstand der Gewerbesteuer ist allerdings der Gewerbebetrieb, der Verluste verursacht.

7

Voraussetzung des Verlustabzugs ist nach herrschender Auffassung, dass beide Kriterien (Unternehmens- und Unternehmeridentität) im Einzelfall erfüllt sind. Sachliche und/oder personale Umstrukturierungen (Änderungen, Übertragungen, Umwandlungen etc.) etwa im Geschäftsbetrieb oder im Bestand der Gesellschafter können daher zu einem Untergang der Verluste oder zu einem Übergang der Verluste führen. Beide Merkmale sind allerdings in ihrer Definition und Anwendung vage, so dass die zentrale Verlustregelung des § 10a GewStG kaum Rechtsklarheit und Rechtssicherheit herzustellen vermag. Zudem ist sie durch selektive Sonderregelungen im UmwStG überlagert.

8

Praktische Bedeutung erlangt namentlich die Unternehmeridentität bei etwa Personengesellschaften, da dort anders als bei Körperschaften Unternehmen und Unternehmer per se nicht zusammenfallen. Für Körperschafen ist gem. § 10a Satz 10 GwStG die Sonderregelung des § 8c KStG mit Verweis auf die personelle Anteilseignerebene entsprechend anwendbar.

9

Für den Verlustvortrag gelten zudem seit dem EZ 2004 zwei bestimmte Betragsgrenzen, die ebenfalls die kommunalen Finanzinteressen berücksichtigen: Nach § 10a Satz 1 GewStG erfolgt bis zu einem maßgebenden Gewerbeertrag (§ 10 GewStG) von 1.000.000 € für die in

10

2 Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 12.60 mit Verweis auf den „schedulären Charakter“ der Gewerbesteuer. 3 BT-Drucks. 7/4604, 3; 10/716, 4. Krit. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 12..61. 4 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 10a GewStG Rz. 4. 5 Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 21; a.A. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 10a GewStG Rz. 1 (Sozialzwecknorm für die gewerbliche Wirtschaft). 6 BFH v. 31.7.1990 – I R 62/86, BStBl. II 1990, 1083. 7 Krit. daher Drüen in Brandis/Heuermann, GewStG § 10a Rz. 22, 112.

353

GewStG § 10a Rz. 11 | Gewerbeverlust den Vorjahren nicht ausgeglichenen Fehlbeträge eine Verrechnung in unbegrenzter Höhe. Soweit der maßgebende Gewerbeertrag im Kürzungsjahr 1 Mio. Euro übersteigt, ist er nach § 10a Satz 2 GewStG nur zu 60 % mit einem nach Satz 1 nicht ausgeglichenen Verlustvortrag zu verrechnen (sog. Mindestbesteuerung). Der Verlustabzug mindert den Gewerbesteuermessbetrag (§ 11 GewStG) und damit auch die Gewerbesteuer der Gemeinden. 11

Beispiel: Die A-GmbH hat in 05 einen maßgebenden Gewerbeertrag i.H.v. 3.000.000 €. Ihr zum 31.12.04 festgestellter Verlustvortrag beträgt 3.500.000 €. Lösung: Verlustvortrag 31.12.04: Gewerbeertrag 05: Kürzung (§ 10a Satz 1): Verlustvortrag (§ 10a Satz 2) 31.12.205:

3.500.000 € 3.000.000 € 1.000.000 € = 2.000.000 € 1.200.000 €

12

Insgesamt ist die Regelung mit ihrer Aneinanderreihung unterschiedlicher Einzelsätze aus gesetzestechnischen, systematischen und materiell-rechtlichen Gründen keine legislative Meisterleistung, die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit herstellen könnte. Ein erster Grund ist, dass die zentralen Tatbestandselemente der Unternehmens- und Unternehmeridentität ungeschrieben und in ihrer Anwendung auf die Rechtsformen des Gewerbebetriebs unklar bleiben. Ein weiterer Grund ist, dass es sich auch um eine kommunalfiskalisch begründete Sonderregelung der Gewerbesteuer handelt, die nur bedingt auf die allgemeinen Grundsätze einer Verlustverrechnung zurückgreift. Außerdem ist sie mit dem Verweis auf §§ 7 bis 10 GewStG voraussetzungsreich. Zudem enthält die Regelung eine Reihe von weiteren dynamischen (Rechtsgrund- oder Rechtsfolge-)Verweisen auf das Körperschaftsteuerrecht, die eine anspruchsvolle und missverständliche „entsprechende“ Anwendung der „allgemeinen“ Regelung anordnen, die allerdings ihrerseits in der Sache Sonderregelungen der Ertragsteuern darstellen (z.B. § 8 Abs. 8, 9, § 8c, § 8d KStG, § 10d EStG). Nicht zuletzt bestanden und bestehen viele verfassungsrechtliche Bedenken.

13

Eine gesonderte Regelung für den Verlustabzug hat erst die GewStDV 19408 eingeführt. Danach wurde die Regelung mehr als ein Dutzend Mal geändert. Die aktuelle Fassung beruht auf dem JStG 2020.9 Die dortige Neuregelung in § 10a Sätze 10 bis 12 ist am 29.12.2020 in Kraft getreten. Sie gilt nach § 36 Abs. 5a GewStG rückwirkend auch für EZ vor 2020. Die Rückwirkung ist für Gewerbebetriebe nicht belastend.

II. Regelungszusammenhang 14

Mit dem Verlustabzug nach § 10a GewStG ergänzt der Gesetzgeber den Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer, der dem Steuergegenstand gem. § 2 GewStG zugrunde liegt. Dies gilt in zweifacher Hinsicht: einerseits durch das personale Element der Unternehmeridentität, andererseits durch die Berücksichtigung des objektiven Nettoprinzips. Dies widerspricht einem (vermeintlichen) Objektsteuerprinzip schon deshalb nicht, weil der Gesetzgeber in den weiten Grenzen des Folgerichtigkeitsgebot grundsätzlich die Bemessungsgrundlage der Steuer ausformen darf.10 Andererseits ist die Durchbrechung des Prinzips der Abschnittsbesteuerung im Kern verfassungsrechtlich geboten.11

15

Die Regelung setzt systematisch und wörtlich die Ermittlung des (positiven oder negativen) Gewerbeertrags nach den §§ 7 bis 10 GewStG voraus. Gewerbeverluste (negative Gewerbeerträge) bezeichnet das Gesetz als Fehlbeträge. Lediglich die (unerhebliche) Paragraphenüberschrift verwendet den (identischen) Ausdruck Gewerbeverlust. 8 9 10 11

354

§ 19 Dritte GewStDV v. 31.1.1940, RGBl. I 1940, 284. Gesetz v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616. Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 21.

Gewerbeverlust | Rz. 23 § 10a GewStG

Entstehen für den EZ Gewerbeverluste, können diese Fehlbeträge festgestellt und vorgetragen werden. Ein einheitlicher inländischer Gewerbebetrieb kann positive und negative Ergebnisse je EZ verrechnen. Vorweggenommene und nachträgliche Verluste sind ebenso wie entsprechende Betriebsausgaben grundsätzlich nicht abziehbar. Ausländische Verluste eines inländischen oder ausländischen Gewerbebetriebs sind ebenfalls nicht abziehbar. Ist der maßgebende Gewerbeertrag eines EZ negativ, so entsteht ein Fehlbetrag i.S.d. § 10a GewStG.

16

Sie vergleicht sodann den maßgebenden Gewerbeertrag i.S.d. § 10 GewStG der vorangegangenen EZ der Entstehung der Fehlbeträge (Verlustentstehungsjahr) mit dem folgenden EZ der Verrechnung der Fehlbeträge (Abzugs- oder Anrechnungsjahr).

17

§ 10a GewStG ist lex specialis zu § 10d EStG. § 10a GewStG modifiziert und begrenzt für Zwecke der Gewerbesteuer die allgemeine Regelung der Verlustverrechnung des § 10d EStG, die grundsätzlich für die Einkommensermittlung auch von Gewerbebetrieben gilt (§ 7 Satz 1 GewStG, § 8 Abs. 1, 8 Satz 1, 9 Satz 4 ff. KStG). Im Gegensatz zu §10d EStG kennt § 10a GewStG keinen Verlustrücktrag. Die sog. Mindestbesteuerung ist in beiden Regelungen identisch. Die unterschiedlichen Verlustabzugsregime führen zu unerwünschten Divergenzen zwischen den Steuerarten.12

18

§ 15 Abs. 4, § 15a, § 15b EStG sind auf die Ermittlung des Gewerbeertrags nicht anwendbar.13 Im Fall des § 15 GewStG ist § 10a GewStG nicht anwendbar.

19

§ 10a Sätze 9 ff. GewStG enthalten eine Reihe von Rechtsverweise auf Sonderregelungen des Körperschaftsteuerrecht für die Verlustverrechnung (§ 8 Abs. 8, 9, § 8c, § 8d KStG), die ihrerseits z.T. auf § 10d EStG verweisen.

20

Das Umwandlungssteuergesetz enthält eigene Sonderregelungen für die Gewerbesteuer (z.B. §§ 18, 19 UmwStG), die zugleich auch die Frage der Verlustverrechnung (Verlustübergang) bei Umwandlungen regeln. Es handelt sich um lex specialis im Verhältnis zu § 10a GewStG, wobei in den meisten Konstellationen auch die Anwendung der allgemeinen Merkmale der Unternehmensidentität und besonders der Unternehmeridentität zum selben Ergebnis eines Verlustuntergangs führt. Zu diesen Sonderregelungen gehören: § 18 Abs. 1 Satz 2; § 19 Abs. 2 i.V.m. § 12 Abs. 3; § 19 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 3; § 23 Abs. 5; und § 24 UmwStG.14

21

III. Verfassungsmäßigkeit 1. Grundnorm des § 10a GewStG Die Regelung des § 10a GewStG verletzt nicht „das“ Objektsteuerprinzip. Selbst wenn dieses als Rechtsprinzip dem Steuertypus der Gewerbesteuer in Art. 106 Abs. 6 GG zugrunde liegen sollte, ist es dem Gesetzgeber unbenommen Elemente des Steuertatbestandes auszuformen, solange die Grundstrukturen erhalten bleiben. Ein zwingendes systemtragendes oder „reines“ Konzept der Gewerbesteuer ist damit nicht vorgegeben15 und wurde im Übrigen vom Gesetzgeber bisher auch nicht realisiert.

22

Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung selbst ist grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich.16 Wenn der Gesetzgeber mit dem Verlustvortrag in § 10a GewStG den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung (§ 14 GewStG) durchbricht, ist dies zur Gewähr einer leistungsfähigkeitsgerechten und abschnittsübergreifenden Steuerbelastung i.S.d. Art. 3 Abs. 1, 2

23

12 13 14 15

Roser, DStJG 35 (2012), 189 (212). R 7.1 Abs. 3 Satz 1 GewStR 2009. Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 26. BFH v. 20.11.2003 – IV R 5/02, BStBl. II 2004, 464; zur Bindung der Gerichte BFH v. 24.10.1990 – X R 64/89, BStBl. II. 1991, 358. 16 BVerfG v. 8.3.1978 – 1 BvR 117/78, HFR 1978, 293.

355

GewStG § 10a Rz. 24 | Gewerbeverlust Abs. 1 GG zumindest zulässig, wenn nicht geboten.17 Dies gilt jedenfalls, soweit auch bei der Gewerbesteuer der Maßstab der objektiven Leistungsfähigkeit von Bedeutung ist. Dies mildert nicht nur fiskalische Härten, die sich aus der starren Abschnittsbesteuerung ergeben. Es reduziert auch das Risiko einer Über- und Substanzbesteuerung des Gewerbebetriebs. 24

Verfassungsrechtlich ist es im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG und die Freiheitsrechte des Gewerbebetriebs (Art. 12, 14 GG) im Wesentlichen unbedenklich, dass § 10a GewStG im Gegensatz zu § 10d EStG keinen Verlustrücktrag zulässt und nur den Verlustvortrag zeitlich unbegrenzt zulässt.18 Dies schützt primär die kommunalen Haushaltsinteressen,19 aber auch die Finanzinteressen von Bund und Ländern im Rahmen der Gewerbesteuerumlage. Der Schutz dieses Gemeinwohlguts überwiegt konkret noch die individuellen Besteuerungsrechte, hält sich jedenfalls im Rahmen des legislativen Ermessens.

25

Verfassungsrechtlich zulässig ist im Grundsatz auch eine betragsmäßige Beschränkung des Verlustabzugs, wie sie § 10a Satz 2 GewStG in Form einer Mindestbesteuerung vorgibt, sofern mit ihr lediglich eine zeitliche Streckung der zukünftigen Verlustnutzung verbunden ist.20 Das Leistungsfähigkeitsprinzip und seine Konkretisierung im objektiven Nettoprinzip gelten grundsätzlich auch im Gewerbesteuerrecht.21 Danach unterliegt im Bereich der Unternehmensbesteuerung grundsätzlich nur das Nettoeinkommen der Besteuerung. Diese „Prinzipien“ verlangen allerdings nur, das Verluste überhaupt steuerrechtlich berücksichtigt werden. Beschränkungen des Verlustvortrags verstoßen per se nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.22

26

Allerdings bedürfen Verlustbeschränkungen bis hin zum endgültigen Verlustuntergang einer differenzierten Rechtfertigung nach Art. 3 Abs. 1 GG.23 Ein solcher Verlustuntergang kann bereits in „einfachen“ Konstellationen eintreten.24

27

Beispiel: An der AB-OHG sind A und B je zu 50% am Gewinn beteiligt. Das Finanzamt hat zum 31.12.05 für die OHG einen vortragsfähigen Fehlbetrag i.H.v. 2.000.000 € gesondert festgestellt. Zum 1.1.06 tritt B in die OHG ein und ist fortan zu 20% am Gewinn der OHG beteiligt; A und B sind zu je 40% beteiligt. In 08 erzielt die OHG einen positiven Gewerbeertrag i.H.v. 2.000.000 €. Nach § 10a Satz 1, 2, 4, 5 GewStG kommt für die OHG nunmehr zukünftig nur noch ein Verlustabzug i.H.v. 1.280.000 € in Betracht.

28

Unstreitig verstößt die Mindestbesteuerung in ihrer Grundkonzeption einer zeitlichen Streckung des Verlustvortrags nach Auffassung der Rechtsprechung nicht gegen Verfassungsrecht, sofern kein sog. Definitiveffekt eintritt.25 Im Übrigen ist die Rechtsprechung der Finanzgerichte und der Senate des BFH (noch) uneinheitlich.26

17 Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 20 f.; Schnitter in Frotscher/Drüen § 10a GewStG Rz. 25 (Stand 9/2021) je m.w.N. 18 Ebenso im Ergebnis BFH v. 31.7.1990 – I R 62/86; BStBl. II 1990, 1083; v. 9.11.1990 – III R 54/89, BFH/NV 1991, 766; Schnitter in Frotscher/Drüen § 10a GewStG Rz. 28; Bedenken Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 22. 19 BT-Drucks. 7/4604, 3; 7/4705, 1 ff.; offengelassen von BFH v. 22.8.2012 – I R 9/11, BStBl. II 2013, 512. 20 Vgl. BFH v. 27.1.2006 – VIII B 179/05, BFH/NV 2006, 1150; vgl. auch BVerfG v. 39.9.1998 – 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88. 21 BFH v. 20.9.2012 – IV R 36/10, BStBl. II 2013, 498; BVerfG v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 für die Körperschaftsteuer. 22 BVerfG v. 8.3.1978 – 1 BvR 117/78, HFR 1978, 293; v. 22.7.1991 – 1 BvR 313/88, HFR 1992, 423; zur Versagung des Verlustausgleichs dagegen BVerfG v. 30.9.1998 – 2 BvR 1818/91, FR 1998, 1028. 23 Zuletzt BFH v. 17.11.2020 – VIII R 117/18, BStBl. II 2021, 562, Richtervorlage BVerfG 2 BvL 3/21 zu Aktienveräußerungsverlusten. 24 Vgl. auch das Beispiel bei Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 30. 25 BFH v. 22.8.2012 – I R 9/11, BStBl. II 2013, 512; dazu Verfassungsbeschwerde BVerfG 2 BvR 2998/12. 26 Ausf. zum Meinungsstand Schnitter in Frotscher/Drüen, § 10a GewStG Rz. 25 ff.

356

Gewerbeverlust | Rz. 32 § 10a GewStG

Eine endgültige Belastung mit einem Untergang der Verluste kann etwa eintreten im Fall des schädlichen Beteiligungserwerbs nach § 8c KStG, bei der Umwandlung beim übertragenden Rechtsträger (§ 12 Abs. 3, 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG), bei der Liquidation einer Körperschaft oder bei Beendigung der persönlichen Steuerpflicht (Tod einer natürlichen Person) bei fehlender Möglichkeit der „Verlustvererbung“. Eine Klärung versprechen zwei derzeit anhängige Verfahren beim BVerfG. Der I. Senat des BFH27 hat im Jahr 2012 im Wege einer Richtervorlage nach Art. 100 GG dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Regelung die Mindestbesteuerung und besonders § 10a Satz 2 GewStG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, soweit sie zu Definitiveffekten und einer Über- und Substanzbesteuerung führen. Die Entscheidung des BVerfG steht immer noch aus (Streitjahre 2005–2008). Verfassungsrechtliche Bedenken haben auch verschiedene Finanzgerichte geäußert.28 Eine zentrale Aussage des I. Senats kann streitentscheidend ein: Zu Recht sieht das Gericht im konkretisierten Prüfungsmaßstab des Art. 3 Abs. 1 GG hier keine (vermeintlich) objektsteuerbezogenen Besonderheiten und damit auch keinen grundsätzlichen abweichenden verfassungsrechtlichen Maßstab gegenüber der Körperschaft- und Einkommensteuer. Nicht eindeutig ist, in welchen Fällen eine Definitivbelastung vorliegt.

29

Demgegenüber soll nach Auffassung des IV. Senats des BFH29 auch der endgültige Ausschluss der Verlustverrechnung durch die Mindestbesteuerung (sog. Definitiveffekt) nicht verfassungswidrig sein. Nach Auffassung des Gerichts kann die Finanzverwaltung im Einzelfall bei Härten Billigkeitsmaßnahmen zu treffen, soweit die typisierende Regelung einzelne Stpfl. unverhältnismäßig und unzumutbar benachteiligt. Schon methodisch fragwürdig ist allerdings die Auffassung und der Schluss des Gerichts, der „Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer“ lasse gesetzgeberische Einschränkungen des objektiven Nettoprinzips zu, ohne schlechthin Definitivlasten auszuschließen. Rechtswirkung kann die vage Objektsteueridee nur im (begrenzten) Umfang ihrer gesetzlichen Positivierung erlangen.30

30

§ 10a Satz 4 und 5 GewStG regeln den Verlustuntergang bei Mitunternehmerschaften. Die Regelung gilt rückwirkend und „klarstellend“ für EZ vor 2007.31 Der BFH32 hielt dies in einem Vorlagebeschluss an das BVerfG für eine unzulässige Rückwirkung. Das Verfahren hat sich durch Rücknahme der Revision des Finanzamts erledigt.33

31

Gleichheitsrechtlich fragwürdig ist im (immanenten) Rahmen des § 10a GewStG schließlich die unterschiedliche Ausgestaltung des § 10a GewStG für die verschiedenen Unternehmensformen. Die zentralen Tatbestandsmerkmale der (objektiven) Unternehmensund der (subjektiven) Unternehmeridentität binden Einzel- und Personenunternehmen, während für private und öffentliche Körperschaften eigene Verlustregime bestehen. Insoweit besteht keine Rechtsformneutralität.34 Sie soll generell nach Auffassung des BFH35

32

27 BFH v. 26.2.2014 – I R 59/12, BStBl. II 2014, 1016 mit Richtervorlage BVerfG 2 BvL 19/14; vgl. auch BFH v. 22.8.2012 – I R 9/11, BStBl. II 2013, 512 mit Verfassungsbeschwerde BVerfG 2 BvR 2998/12. Vgl. auch zustimmend BFH v. 26.8.2010 – I B 49/10, BStBl. II 2011, 826. Zur Aussetzung der Vollziehung OFD Frankfurt a.M. v. 16.6.2021, S 2745a A-5-St 523. 28 FG Münster v. 22.5.2019 – 13 V 235/19 G, EFG 2019, 1223; Hess. FG. v. 26.7.2010 – 8 V 938/10, EFG 2010, 1811, FG München v. 31.7.2008 – 8 V 1588/08, EFG 2008, 1736. 29 BFH v. 20.9.2012 – IV R 36/10, BStBl. II 2013, 498; 498 (mit weiteren Parallelentscheidungen vom selben Tag); v. 20.9.2012 – IV R 29/10, BStBl. II 2013, 505; v. 22.8.2012 – I R 9/11, BStBl. II 2013, 512, dazu Verfassungsbeschwerde BVerfG 2 BvR 2998/12. Vgl. auch BFH v. 20.9.2012 – IV R 60/11, BFH/NV 2013, 410; v. 20.9.2012 – IV R 29/10, BStBl. II 2013, 505. 30 BFH v. 3.4.2008 – IV R 54/04, BStBl. II 2008, 742; deutlich P. Fischer, jurisPR-SteuerR 7/2013 Anm. 1. 31 So BT-Drucks. 16/3368, 23. 32 BFH v. 19.4.2007 – IV R 4/06, BStBl. II 2008, 140; ebenfalls Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/ Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 31 m.w.N. 33 BFH v. 30.10.2008 – IV R 4/06, juris. 34 Zu Recht krit. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 12.62 m.w.N. 35 BFH v 12.11.2020 – IV R 29/18, FR 2021, 493 m. Anm. Nöcker.

357

GewStG § 10a Rz. 33 | Gewerbeverlust und des BVerfG36 verfassungsrechtlich nicht grundsätzlich geboten sein. Diese Unterschiede schlagen auch auf Umstrukturierungen nach dem Umwandlungsrecht durch.37 Eine konsequente Anwendung des sog. Objektsteuerprinzip würde nur auf die Unternehmenskontinuität des Gewerbebetriebs abheben. 2. Verweisungsnormen 33

Nach § 10a Satz 9 GewStG sind § 8 Abs. 8 und 9 Satz 5 bis 8 KStG entsprechend anzuwenden. § 7 Satz 5 GewStG enthält eine vergleichbare Regelung für die Ermittlung des Gewerbeertrags einer Kapitalgesellschaft. Grundlage ist in beiden Fällen § 8 Abs. 7 KStG, der bestimmte Dauerverlustgeschäfte der Gewerbebetriebe der öffentlichen Hand im Verhältnis zu privaten Unternehmen, bei denen solche Geschäfte die Rechtsfolgen von verdeckten Gewinnausschüttungen auslösen können, privilegiert. Ob § 8 Abs. 7 KStG mit dem Art. 3 Abs. 1 GG und den finanzverfassungsrechtlichen Bindungen vereinbar ist, ist noch nicht geklärt.38

34

§ 10a Satz 10 Halbs. 1 GewStG verweist für den Verlustuntergang bei Körperschaften auf § 8c KStG. Die Vorgängerreglung des § 8c Abs. 1 Satz 1 a.F. KStG (Anteilserwerb unter 50%) KStG hatte das BVerfG39 für Zeiträume bis einschließlich 2015 bereits wegen Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes für verfassungswidrig erklärt. Die Begründung des BVerfG, wonach allein aufgrund des Gesellschafterwechsels kein missbräuchlicher Zugriff auf die Verlustvorträge der Gesellschaft indiziert werden kann, lässt sich auch auf einen Gesellschafterwechsel von mehr als 50% übertragen.40 Sowohl beim BVerfG41 als auch beim BFH42 sind weitere Verfahren zu § 8c Abs. 1 Satz 2 a.F. KStG (> 50% Anteilserwerb, für Zeiträume ab 2016) noch anhängig.

35

Schließlich bestehen auch gleichheitsrechtliche Bedenken an § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG.43 Die Regelung behandelt den Verlustuntergang bei doppelstöckigen Personengesellschaften unterschiedlich, je nachdem ob der Fehlbetrag der Obergesellschaft oder wie im Fall des § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG der Körperschaft zuzurechnen ist.

IV. Unionsrecht 1. Grundnorm des § 10a GewStG 36

§ 10a GewStG ist wie das gesamte GewStG auch an das Unionsrecht gebunden. Die Verlustregelung des § 10a GewStG ist grundsätzlich mit den unionsrechtlichen Grundfreiheiten, insb. der Niederlassungsfreiheit, vereinbar.

37

Nach §§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG ist das Gewerbesteuerrecht territorial radiziert, d.h. die Besteuerung ist auf das Inland begrenzt (sog. Territorialitätsprinzip). Dieses Prinzip hat auch der EuGH44 anerkannt.

36 BVerfG v. 29.3.2017 – 2 BvL 6/11, FR 2017, 577. 37 Zu Reformoptionen Röder, DStJG 43 (2020) 367 (381), der auf das Merkmal der Unternehmensidentität verzichten will. 38 Näher Hidien/Versin, Steuer und Studium 2015, 394; Micker in Micker/Pohl, BeckOK KStG, § 8 KStG Rz. 1732 m.w.N. 39 BVerfG v. 29.3.2017 – 2 BvL 6/11, FR 2017, 577. 40 Ebenso und näher Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 34 f. krit. auch zum Auslandserwerb. 41 BVerfG 2 BvL 19/17 auf Vorlage des FG Hamburg v. 29.8.2017 – 2 K 24517 u.a., EFG 2017, 1906. 42 BFH Rev. I R 3/19. 43 Näher Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 36, 268 mit einem Beispiel. 44 EuGH v. 15. 5. 1997, C-250/95, Futura Participations SA, Slg. 1997, I-2471 ff. für den Inbound-Fall.

358

Gewerbeverlust | Rz. 42 § 10a GewStG

Sowohl im Inbound-Fall45 (Verluste eines ausländischen Gewerbebetriebs) als auch im Outbound-Fall (ausländische Verluste eines inländischen Gewerbebetriebs) ergeben sich unter den Voraussetzungen des § 10a GewStG grundsätzlich keine Ungleichbehandlung und Diskriminierung ausländischer Verluste für die Verlustverrechnung gegenüber rein inländischen Sachverhalten, sofern denn solche (auch finalen) Verlust überhaupt grundsätzlich berücksichtigt werden dürfen.46

38

Eine grenzüberschreitende Verlustverrechnung könnte sich allerdings für Personen- und Kapitalgesellschaften ergeben. Dort gehen Gesetz (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG) und Rechtsprechung davon aus,47 dass stets ein einheitlicher Gewerbebetrieb besteht, der alle Betriebsstätten umfasst. Der Ausschluss der Verlustverrechnung ausländischer Betriebsstätten ist dann zumindest nicht kohärent, wenn nicht sogar ein – für die Gewerbesteuer nicht untypischer – „Systembruch“.48

39

2. Verweisungsnormen Nach § 10a Satz 9 GewStG sind § 8 Abs. 8 und 9 Satz 5 bis 8 KStG entsprechend anzuwenden. § 7 Satz 5 GewStG enthält eine vergleichbare Regelung für die Ermittlung des Gewerbeertrags einer Kapitalgesellschaft. Grundlage ist in beiden Fällen § 8 Abs. 7 KStG, der strukturelle Dauerverlustgeschäfte der Gewerbebetriebe der öffentlichen Hand im Verhältnis zu privaten Unternehmen, bei denen solche Geschäfte die Rechtsfolgen von verdeckten Gewinnausschüttungen auslösen können, privilegiert. Ob § 8 Abs. 7 KStG mit dem europäischen Beihilferecht vereinbar ist, ist noch nicht geklärt.49

40

V. Überblick Die allermeisten Kommentierungen des § 10a GewStG ordnen die Regelung zu Recht nicht (nur) nach der eher willkürlichen Reihenfolge der einzelnen Sätze, sondern nach inhaltlichen und systematischen Kriterien. Dies gilt um so mehr, als die zentralen Tatbestandsmerkmale der Unternehmens- und Unternehmeridentität ungeschrieben sind.

41

Sätze 1 und 2 regeln den Verlustvortrag, die Verlustverrechnung und die Mindestbesteuerung. Satz 3 regelt in Anlehnung an § 15 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG das Verbot des Abzugs von vororganschaftlichen Fehlbeträgen von Organgesellschaften. Sätze 4 und 5 regeln Verlustvortrag und Verlustverrechnung bei Mitunternehmerschaften (Zurechnung der Fehlbeträge im Entstehungsjahr bzw. die Verlustberücksichtigung im Abzugsjahr für die jeweiligen Mitunternehmer. Satz 6 ist die Rechtsgrundlage für die gesonderte Feststellung der Höhe der jeweiligen Fehlbeträge. Satz 7 bestimmt die vortragsfähigen Fehlbeträge. Satz 8 regelt mittelbar das Tatbestandsmerkmal der Unternehmeridentität für den Fall des Betriebsübergangs nach § 2 Abs. 5 GewStG. Satz 9 stellt klar, dass die in § 8 Abs. 8 und 9 Satz 5 bis 8 KStG vorgegebenen Verlustabzugsbeschränkungen für die Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art sowie für Eigengesellschaften der öffentlichen Hand auch im Rahmen des § 10a GewStG entsprechend anzuwenden sind.

42

45 FG Köln v. 20.9.1995 – 12 K 2559, EFG 1995, 1110. 46 Näher Cordewener, DStjG 28 (2005), 255 (310 ff.). 47 Vgl. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 468; Roser, DStJG 35 (2012), 189 (211); BFH v. 25.6.1996 – VIII R 28/94, BStBl. II 1997, 202. 48 Schön, IStR 2004, 294. 49 Vgl. die Vorlage zum EuGH des BFH v. 13.3.2019 – I R 18/19, DStR 2019, 2296, erledigt durch Klagerücknahme BFH v. 29.1.2020, I R 4/20. Näher Hidien/Versin, Steuer und Studium 2015, 394; Micker in Micker/Pohl, BeckOK KStG, § 8 KStG Rz. 1734 m.w.N.

359

GewStG § 10a Rz. 43 | Gewerbeverlust Sätze 10 bis 12 präzisieren die entsprechende Anwendung der Verlustregelungen der §§ 8c, 8d KStG auf Fehlbeträge von Körperschaften für gewerbesteuerrechtliche Zwecke. Insb. Satz 10 Halbs. 2 regelt, dass § 8c KStG auch auf Fehlbeträge von Mitunternehmerschaften entsprechend anwendbar ist, soweit diese einer Körperschaft als unmittelbarer oder mittelbarer Mitunternehmer über eine weitere Mitunternehmerschaft zuzurechnen sind. 43–49

frei

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Unternehmens- und Unternehmeridentität als ungeschriebene Voraussetzungen für den Verlustabzug 1. Allgemeines 50

Nach der st. Rechtsprechung des RFH und des BFH setzt der Verlustabzug nach § 10a GewStG und der Vorgängerregelung namentlich bei Personengesellschaften voraus, dass zwei ungeschriebene Tatbestandsmerkmale erfüllt sind: Sowohl im Abzugsjahr als auch im Entstehungsjahr des Verlustes des Gewerbebetriebs muss sowohl Unternehmensidentität als auch Unternehmeridentität bestanden haben.50 Dem folgt auch die Finanzverwaltung.51 Diese allgemeinen Grundsätze als Voraussetzungen des § 10a GewStG werden allerdings in bestimmten Fällen der Umwandlung von Personengesellschaften und Körperschaften (Kapitalgesellschaften) als lex specialis52 verdrängt (vgl. §§ 18, 19 GewStG), die ein eigenes Verlustregime vorgeben. 2. Unternehmensidentität a) Allgemein

51

Ein Verlustabzug setzt voraus, dass der Gewerbebetrieb des Entstehungsjahres des Verlustes mit dem Gewerbebetrieb im Kürzungsjahr des Verlustes identisch ist.53 Unter Gewerbebetrieb ist grundsätzlich die tatsächlich ausgeübte gewerbliche Betätigung zu verstehen.54 Geht die Unternehmensidentität verloren, geht damit auch der Untergang des Verlustabzugspotenzials einher. Diese Voraussetzung kann beim Wechsel der Unternehmensform oder der Vereinigung von Betrieben fehlen. Eine weitere Prüfung des § 10a GewStG erübrigt sich dann.

52

Dieses Erfordernis der Unternehmensidentität ist als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 10a GewStG grundsätzlich bei allen Unternehmensformen zu beachten. Es folgt nach Auffassung der Rechtsprechung aus dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer (§ 2 GewStG), der es nicht zulässt, Verluste eines Unternehmens bei einem anderen Unternehmen zu berücksichtigen.55 Es folgt auch aus der sachlichen Selbständigkeit jedes einzelnen Gewerbebetriebs. Zusammen mit dem weiteren Erfordernis der Unternehmeridentität verbindet die Gewerbesteuer an dieser Stelle traditionell objekt- und personensteuerartige Elemente.56

50 Seit RFH v. 26.8.1942 – VI 236/42, RStBl. 1942,1024; BFH v. 19.12.1957 – IV 666/55 U, BStBl. III 1958, 210; v. 24.4.2014 – IV R 34/10, BStBl. II 2017, 233. 51 R 10a.2 Satz 1 und R 10a.3 Abs. 1 Satz 1 GewStR 2009. 52 Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 113. 53 Zuletzt BFH v. 30.10.2019 – IV R 59/16, BStBl. II 2020, 147 (st. Rspr.) m.w.N.; R 10a.2 Satz 1 GewStR 2009. 54 R 10a.2 Satz 2 GewStR 2009. 55 BFH v. 19.12.1984 – I R 165/80, BStBl. II 1985, 403. 56 BFH v. 15.3.1994 – XI R 60/89, BFH/NV 1994, 899 m.w.N.

360

Gewerbeverlust | Rz. 57 § 10a GewStG

Die Unternehmensidentität bestimmt sich grundsätzlich nach denselben Kriterien, die für die Frage der Einheit oder Mehrheit eines Gewerbebetriebs anzuwenden sind.57 Ein (vager) Maßstab ist der wirtschaftliche, organisatorische und finanzielle Zusammenhang zwischen den Tätigkeiten im Verlustjahr und Abzugsjahr.58

53

Über die Frage des Bestehens oder des Wegfalls der Unternehmensidentität hat das Finanzamt bereits im Verlustfeststellungsbescheid des EZ zu entscheiden, in dem der maßgebliche Umstand eingetreten ist. Eine Nachholung ist nicht möglich.59

54

b) Einzelunternehmen Namentlich bei Einzelunternehmen liegt im Verlustentstehungs- und Verlustanrechnungsjahr Unternehmensidentität und damit eine Anrechnungsmöglichkeit der Fehlbeträge vor, wenn die jeweiligen Tätigkeiten gleich bzw. gleichartig geblieben sind.60 Die gilt für gleichzeitig neu aufgenommene Tätigkeiten als auch für bei zeitlich aufeinanderfolgenden gewerblichen Betätigungen. Maßgebend ist unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung das Gesamtbild61 der wesentlichen Merkmale des Gewerbebetriebs. Sachlich verschiedene gewerbliche Tätigkeiten einer natürlichen Person begründen grundsätzlich mehrere Gewerbebetriebe. Kriterien sind insbes. die Art der Betätigung, der Kunden- und Lieferantenkreis, die Arbeitnehmerschaft, die Geschäftsleitung, die Betriebsstätten sowie der Umfang und die Zusammensetzung des Aktivvermögens, die Finanzierung des Aktivvermögens durch Eigen- oder Fremdkapital.62 Diese Grundsätze gelten auch für Personengesellschaften.63

55

Beispiel: Einzelunternehmer A betreibt bis EZ 02 eine verlustträchtige Gaststätte. Zum 31.12.02 stellt er den Betrieb ein und eröffnet nun in den renovierten Räumen der ehemaligen Gaststätte ein Lebensmittelgeschäft. Die Voraussetzungen des § 10a GewStG liegen nicht vor. Beide Unternehmen sind nicht gleich bzw. identisch. Evtl. Verluste des Gaststättenbetriebs gehen daher ab EZ 03 unter.

Betriebsbedingte, auch strukturellen Anpassungen einer gewerblichen Betätigung an veränderte wirtschaftliche Gegebenheiten stellen die wirtschaftliche Identität eines gewerblichen Unternehmens dabei noch nicht in Frage.64 Kein Fall der Aufgabe der Unternehmensidentität liegt grundsätzlich vor, wenn die Steuerpflicht wechselt.65

56

Die genannten Kriterien muss zunächst das Finanzamt für jeden Einzelfall prüfen und gewichten; die Entscheidung kann das FG vollständig überprüfen. Der BFH wird sich grundsätzlich auf die tatsächliche Einschätzung des FG stützen.66 Bejaht wurde Unternehmensidentität z.B. beim Wechsel von einem Restaurant zu einem Imbissbetrieb mit gleichbleibender kaufmännischer Organisation, Geschäftsführung, Weiterbeschäftigung eines Teils der Arbeitnehmer und Weiternutzung eines Teils des Anlagevermögens.67 Abgelehnt hat der BFH Unternehmensidentität bei einem Franchisenehmer, der nach Schließung seines Marktes, Ausverkauf der Ware und Verschrottung der wesentlichen Teile

57

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67

BFH v. 12.1.1983 – IV R 177/80, BStBl. II 1983, 425; R 10a.2 Satz 1 GewStR 2009. R 10a.2 Satz 3 – 5 GewStR 2009 mit weiteren Kriterien. Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 38. BFH v. 9.8.1989 – X R 130/87, BStBl. II 1989, 901; zum Beurteilungsmaßstab ausf. Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 42 ff.; zur Kasuistik Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 53 f. R 10a.2 Satz 3 GewStR 2009. BFH v. 30.10.2019 – IV R 59/16, BStBl. II 2020, 147. BFH v. 20.10.2019 – IV R 59/16, BStBl. II 2020, 147. BFH v. 12.1.1983 – IV R 177/80, BStBl. II 1983, 425; R 10a.2 Satz 5 GewStR 2009. Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 47. BFH v. 15.3.1994 – XI R 60/89, BFH/NV 1994, 899. BFH v. 19.11.1985 – VIII R 310/83, BStBl. II 1986, 719.

361

GewStG § 10a Rz. 58 | Gewerbeverlust des Anlagevermögens unter Abschluss eines neuen Franchisevertrags mit dem gleichen Franchisegeber 600 km entfernt einen neuen Markt eröffnete.68 58

Das Merkmal der Unternehmensidentität ist nach Auffassung der Rechtsprechung69 auch im Fall der gewerbesteuerfreien Veräußerung oder Aufgabe eines Teilbetriebs im Rahmen des § 10a GewStG zu prüfen. Unter einem Teilbetrieb versteht man einen mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteten, organisch geschlossenen Teil des Gesamtbetriebs, der für sich allein lebensfähig ist.70 Ähnlich wie bei Personengesellschaften führt nach der Rechtsprechung eine Veräußerung eines Teilbetriebs durch einen Einzelunternehmer dazu, dass Verluste, soweit sie auf den veräußerten Teilbetrieb entfallen, anteilig mangels (Teil-) Unternehmensidentität nicht für eine Kürzung von Gewerbeerträgen in späteren EZ zur Verfügung stehen. In der Praxis dürfte problematisch sein, die sich ggf. über einen langen Zeitraum aufgebauten Verluste einzelnen Teilbetrieben zuzuordnen und ggf. den Freibetrag nach § 11 GewStG aufzuteilen. Zudem widerspricht dies der Einheitlichkeit des Gewerbebetriebs als Steuergegenstand.71

59

Da es sich beim Verlustabzug grundsätzlich um eine steuermindernde Tatsache handelt, muss der Steuerpflichtige da Vorliegen der Unternehmensidentität vortragen und nachweisen. Dies umfasst jeden einzelnen Gewerbebetrieb, den er unterhält.

60

Bei mehreren Betrieben ist eine horizontale Verlustverrechnung zwischen den Betrieben nicht vorgesehen und zulässig.72 Andererseits steht der Freibetrag gem. § 11 GewStG jedem Betrieb zu. c) Personengesellschaften

61

Unternehmensidentität ist nach allgemeiner Auffassung auch bei Personengesellschaften erforderlich, um den Verlustabzug zu erhalten.73 Im Gegensatz zu einem Einzelunternehmen betreibt eine Personengesellschaft nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 3 EStG immer nur einen einzigen, einheitlichen Gewerbebetrieb („gilt in vollem Umfang“), möglicherweise mit unterschiedlichen Teilbereichen und Teilbetrieben.74 Bei zeitlich aufeinanderfolgenden gewerblichen Betätigungen hat der BFH etwa eine Unternehmensidentität verneint, wenn eine KG zunächst ein Kaufhaus und später eine Immobilienvermittlung betreibt75 oder wenn eine (natürliche) Person zunächst mit Wein und Spirituosen handelt und sodann als Makler tätig ist.76 Andererseits hat bereits der RFH entschieden, dass z.B. ein Hotel und eine Bahnhofswirtschaft, die ein und derselbe Unternehmer am selben Ort betreibt, trotz der Verschiedenartigkeit der angebotenen Leistungen bei hinreichender organisatorischer Verflechtung, insb. im Einkauf, ein einheitlicher Gewerbebetrieb sein können.77 Beispiel: Die A-KG betreibt in der Gemeinde A in gemieteten Räumen ein Großrestaurant mit dem üblichen Angebot an Speisen und Getränken. Zum 31.12.02 stellte sie den verlustreichen Betrieb ein und übernimmt mit Wirkung ab dem EZ 03 Imbissstube in der Gemeinde A. Es bestehen zwischen den nacheinander ausgeübten gewerblichen Betätigungen der KG sachliche, insb. wirtschaftliche, 68 BFH v. 7.11.2006 – VIII R 30/05, BStBl. II 2007, 723. 69 Für Mitunternehmer BFH v. 7.8.2008 – IV R 86/05, BStBl. II 2012, 145; v. 4.5.2015 – IV R 2/14, BStBl. II 2017, 1138; ebenso allgemein für Gewerbebetriebe H 10a.2 GewStH 2016; einschränkend (nur) auf Einzel- und Mitunternehmen OFD Münster v. 27.6.2012, EStB 2012, 331. Krit. Suchanek/ Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 52 ff. m.w.N. 70 BFH v. 7.8.2008 – IV R 86/05, BFH/NV 2008, 1960. 71 Krit. Hidien/Pohl/Schnitter, Gewerbesteuer16, S. 767 f. mit Beispielen. 72 BFH v. 9.8.1989 – X R 130/87, BStBl. II 1989, 901. 73 BFH v. 7.8.2008 – IV R 86/05, BStBl. II 2012, 145; v. 4.5.2015 – IV R 2/14, BStBl. II 2017, 1138. Näher Kleinheisterkamp in Lenski/Steinberg, § 10a GewStG Rz. 24 ff., 33 ff; Suchanek/Rüsch, DB 2021, 807. 74 BFH v. 25.6.1996 – VIII R 28/94, BStBl. II 1997, 202. 75 BFH v. 12.7.1974 – III R 88/73, BStBl. II 1974, 666. 76 BFH v. 1.12.1960 – IV 353/60 U, BStBl. III 1961, 65 77 RFH v. 21.12.1938 – VI 730/38, RStBl. 1939, 372.

362

Gewerbeverlust | Rz. 65 § 10a GewStG organisatorische und finanzielle Zusammenhänge, die die Annahme einer Unternehmensidentität rechtfertigen (vgl. BFH v. 12.1.1983 – IV R 177/88, BStBl. II 1983, 425).

Die Grundsätze der Unternehmensidentität gelten für Personengesellschaften insgesamt, nicht nur für originär gewerblich tätige, sondern auch für gewerblich geprägte i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG.78 Dementsprechend findet hier intra- und interperiodisch grundsätzlich an sich eine Ergebnisverrechnung und Verlustausgleich für verschiedene Tätigkeiten statt.

62

Allerdings ist ein überperiodischer Verlustausgleich bei Inhaber- und Gesellschafterwechsel ausgeschlossen (§ 2 Abs. 5, § 10a Satz 4, 5, 8 GewStG), weil hier das zusätzliche Tatbestandsmerkmal der Unternehmeridentität fehlt. Entsprechendes gilt für Körperschaften beim Anteilseignerwechsel (§ 10a Satz 10 GewStG).79

63

Zudem fordert der BFH80 nach auch bei einer gewerblich geprägten Personengesellschaft die „materielle“ Unternehmensidentität (neben der Unternehmergleichheit) als Voraussetzung des Abzugs des Gewerbeverlustes nach § 10a GewStG. Unternehmensidentität bedeutet, dass der im Anrechnungsjahr bestehende Gewerbebetrieb identisch ist mit dem Gewerbebetrieb, der im Jahr der Entstehung des Verlusts bestanden hat. Unter Gewerbebetrieb ist in diesem Zusammenhang die tatsächlich ausgeübte gewerbliche Betätigung zu verstehen. Diese kann etwa bei Wechsel zwischen originär gewerblichen und gewerblich geprägten Einkünften und zurück fehlen. Auch die Einstellung des bisherigen Gewerbebetriebs und die Begründung eines neuen Gewerbebetriebs i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG kann zum Wechsel des Unternehmens führen.81 Dabei kann allein aus dem Umstand, dass ein Wirtschaftsgut mit erheblichen stillen Reserven in neuen Betrieb weiter genutzt wird, noch nicht auf eine Weiterführung des alten Betriebs geschlossen werden.82 Im Hinblick auf die Unternehmensidentität ergibt sich nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG einerseits und § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG andererseits eine unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung von Kapital- und Personengesellschaften auch hinsichtlich § 10a GewStG. Nach Auffassung des BFH83 ist eine Gleichbehandlung nicht geboten. Im Entscheidungsfall ist der BFH84 nicht von einem durchgehend identischen Unternehmen ausgegangen, weil die zunächst originär gewerblich tätige Personengesellschaft anschließend Einkünfte aus Gewerbebetrieb kraft gewerblicher Prägung erzielt hat und dabei Vorbereitungshandlungen hinsichtlich einer künftigen (wieder) originär gewerblichen Tätigkeit vornahm.

64

Die Unternehmensidentität beurteilt sich auch bei Personengesellschaften nach dem „Gesamtbild der Tätigkeit“.85 Bei einer Personengesellschaft ist hierbei auf die von ihr ausgeübte werbende Tätigkeit abzustellen. Die Personengesellschaft kann nacheinander mehrere Betriebe unterhalten. Die Unternehmensidentität kann daher auch dadurch wechseln, dass sie ihre ursprüngliche werbende Tätigkeit einstellt und eine anders gelagerte werbende Tätigkeit aufnimmt.86

65

78 BFH v. 30.10.2019 – IV R 59/16, BStBl. II 2020, 147. 79 Krit. Roser, DStJG 35 (2012), 189 (211). 80 BFH v. 19.12.2019 – IV R 8/17, BStBl. II 2020, 401; v. 30.10.2019 – IV R 59/16, BStBl. II 2020, 147; v. 4.5.2017 – IV R 2/14, BStBl. II 2017, 1138; v. 7.11.2006 – VIII R 30/05, BStBl. II 2007, 708. Zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 vgl. aber BFH v. 6.6.2019 – IV 30/16, BStBl. II 2020, 649. 81 BFH v. 19.12.2019 – IV R 8/17, BStBl. II 2020, 401. 82 BFH v. 19.12.2019 – IV R 8/17, BStBl. II 2020, 401. 83 BFH v. 4.5.2017 – IV R 2/14, BStBl. II 2017, 1138. 84 BFH v. 4.5.2017 – IV R 2/14, BStBl. II 2017, 1138; str., Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 56 m.w.N. 85 BFH v. 30.10.2019 – IV R 59/16, BStBl. II 2020, 147. 86 BFH v. 4.5.2017 – IV R 2/14, BStBl. II 2017, 1138.

363

GewStG § 10a Rz. 66 | Gewerbeverlust 66

Hieraus ergibt sich, dass die Unternehmensidentität – ebenso wie die Unternehmeridentität87 – in dem Zeitraum zwischen Anrechnungsjahr und Verlustentstehungsjahr ununterbrochen88 bestanden haben muss. Der (unveränderte) Fortbestand des Fehlbetrags setzt daher voraus, dass die Unternehmensidentität zum Schluss des EZ noch besteht. Es reicht nicht aus, wenn der Gewerbebetrieb im Anrechnungsjahr wieder mit dem des Verlustentstehungsjahrs identisch ist, in der Zwischenzeit aber die werbende Tätigkeit nicht nur vorübergehend unterbrochen oder eine andersartige werbende Tätigkeit ausgeübt wurde.

67

In solchen Fällen kann zwar eine den einkommensteuerrechtlichen Fortbestand des Betriebs unberührt lassende Betriebsunterbrechung – auch als „ruhender Gewerbebetrieb“ bezeichnet – gegeben sein. Gewerbesteuerrechtlich entfällt jedoch die Unternehmensidentität, es sei denn, es liegt eine (nur) betriebsbedingte Anpassung der werbenden Tätigkeit an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse oder eine vorübergehende Betriebsunterbrechung i.S.d. § 2 Abs. 4 GewStG vor. Das Gewerbesteuerrecht kennt keinen „ruhenden Gewerbebetrieb“ i.S.d. einkommensteuerrechtlichen Begriffs.89

68

Unternehmensidentität ist ähnlich wie bei Einzelunternehmen nach Auffassung der Rechtsprechung90 nicht mehr gegeben, soweit ein selbständiger Teilbetrieb veräußert oder aufgegeben wird. Dies führt dazu, dass Verluste, soweit sie auf den veräußerten Teilbetrieb entfallen, anteilig mangels (Teil-)Unternehmensidentität nicht für eine Kürzung von Gewerbeerträgen in späteren EZ zur Verfügung stehen. Der Verlustvortrag einer Personengesellschaft bleibt allerdings erhalten, wenn sie nur eine von mehreren Tätigkeiten aufgibt.91 Keine Unternehmensidentität liegt mehr vor, wenn die Personengesellschaft ihren gesamten Gewerbebetrieb oder alle Gesellschafter ihre Anteile an der Personengesellschaft veräußern. In diesem Fall des § 2 Abs. 5 GewStG fehlen Unternehmens- und Unternehmeridentität, so dass bestehende Fehlbeträge untergehen (§ 10a Satz 8 GewStG).92

69

Eine Personengesellschaft, die ihre bisherige gewerbliche Tätigkeit beendet und später eine neue gewerbliche Tätigkeit aufnimmt, verliert stets ihre Unternehmensidentität, so z.B. beim Verkauf des bisherigen Kaufhausbetriebs durch eine KG und mehrere Monate später beim Kauf einer Immobilienvermittlung durch diese KG.93

70

§ 8c KStG findet nach § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG entsprechend auf Fehlbeträge einer Mitunternehmerschaft Anwendung, die einer Körperschaft unmittelbar oder mittelbar nachgeordnet ist und soweit der Körperschaft dieser Fehlbetrag zuzurechnen ist. d) Körperschaften

71

Bei Kapitalgesellschaften ist das Merkmal der Unternehmensidentität heute grundsätzlich ohne Bedeutung.94 Die Begriffe „Betrieb“ und „Unternehmer“ sind im GewStG anders als bei der Kapitalgesellschaft definiert. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG gilt eine Kapitalgesellschaft stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb. Daraus folgert der BFH, dass die Kapitalgesellschaft nur einen Betrieb (Unternehmen) haben kann. Kapitalgesellschaften können nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG gewerbesteuerrechtliche Verluste und Gewinne aus unterschiedlichen Tätigkeiten ausgleichen; dies gilt auch im Rahmen der Körperschaftsteuer als Subjektsteuer.

87 88 89 90 91 92 93 94

364

BFH v. 11.20.2012 – IV R 3/09, BStBl. II 2013, 15. BFH v. 30.10.2019 – IV R 59/1,6 BStBl. II 2020, 147. BFH v. 30.10.2019 – IV R 59/16, BStBl. II 2020, 147. BFH v. 7.8.2008 – IV R 86/05, BStBl. II 2012, 145; v. 4.5.2015 – IV R 2/14, BStBl. II 2017, 1138; ebenso H 10a.2 GewStH 2016. BFH v. 15.3.1994 – XI R 60/89, BFH/NV 94, 899. Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 66, 211. BFH v. 28.4.1977 – IV R 165/76, BStBl. II 1977, 666. BFH v. 29.10.1986 – I R 318-319/83, BStBl. II 1987, 310; anders Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 60; zum Fall der Anwachsung einer Personen- auf eine Kapitalgesellschaft Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 78, 87.

Gewerbeverlust | Rz. 78 § 10a GewStG

Das schließt aber nicht aus, dass sich der Unternehmensgegenstand, die rechtliche und die wirtschaftliche Identität der Kapitalgesellschaft verändern können. Wechselt die Kapitalgesellschaft den Unternehmensgegenstand oder veräußert einen Teilbetrieb, so bleibt der Verlustvortrag in vollem Umfang erhalten. Insofern besteht keine Rechtsformneutralität zu den anderen Unternehmensformen.

72

Die Frage ist heute spezialgesetzlich in § 10a Satz 10 Halbs. 1, Satz 11 GewStG geregelt, der auf die entsprechende Anwendung der §§ 8c, 8d KStG verweist. Danach führen nur bestimmte strukturelle Veränderungen (sog. Mantelverkauf nach § 8c KStG) auch bei der Kapitalgesellschaft zu einem Verlustuntergang). § 8c KStG findet nach § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG entsprechend auf Fehlbeträge einer Mitunternehmerschaft Anwendung, die einer Körperschaft unmittelbar oder mittelbar nachgeordnet ist und soweit der Körperschaft der Fehlbetrag zuzurechnen ist.

73

Beispiel: Für die A-AG hat das Finanzamt zum 31.12.01 ein Fehbetrag von 100.000 € gesondert festgestellt. Am 1.1.02 übertragt der bisherige Alleingesellschafter 60% seiner Anteile auf B. Die Verluste sind gem. § 10a Satz 10 Halbs. 1 GewStG i.V.m. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG grundsätzlich insgesamt nicht mehr nutzbar und gehen unter.

3. Unternehmeridentität a) Allgemein Weitere Voraussetzung des Verlustabzugs ist grundsätzlich für alle Unternehmensformen nach überwiegender Auffassung namentlich der Rechtsprechung auch die Unternehmeridentität.95 Unternehmeridentität bedeutet, dass der Gewerbetreibende, der den Verlustabzug in Anspruch nehmen will, den Gewerbeverlust zuvor in eigener Person erlitten haben muss. Als Unternehmer gilt hierbei derjenige, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird (§ 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG).

74

Ein Unternehmerwechsel bewirkt somit, dass der Abzug des im übergegangenen Unternehmen entstandenen Verlustes entfällt, auch wenn das Unternehmen als solches von dem neuen Inhaber unverändert fortgeführt wird. Der erwerbende Unternehmer kann den vom übertragenden Unternehmer erzielten Gewerbeverlust auch dann nicht nach § 10a GewStG abziehen, wenn er den erworbenen Betrieb mit einem bereits bestehenden Betrieb vereinigt.

75

Nach § 10a Satz 8 i.V.m. § 2 Abs. 5 GewStG kann im Fall eines Unternehmensübergangs im Ganzen der andere Unternehmer (= Erwerber) keine Fehlbeträge des Vorgängers geltend machen. Das Gesetz regelt insoweit nach Auffassung der Rechtsprechung auch das Erfordernis der Unternehmeridentität und fingiert beim Wechsel des Unternehmens auch den Wechsel des Unternehmers.

76

Spätestens mit Einfügung der Sätze 4 und 5 des § 10a GewStG kann es keinen Zweifel mehr geben, dass auch bei Mitunternehmerschaften ein gewerbesteuerrechtlicher Verlustabzug nur möglich ist, soweit bezogen auf den jeweiligen Mitunternehmer Unternehmergleichheit gegeben ist. Diese Voraussetzung kann beim Wechsel der Gesellschafter und beim Wechsel der Unternehmensform bzw. Vereinigung bestehender Betriebe fehlen, so dass Verluste untergehen. An dieser Stelle ist die Mitunternehmerschaft „semitransparent“, während sie im Rahmen des § 5 Abs. 1 Satz 3 als Unternehmer Steuerschuldner ist.

77

Diese traditionelle Linie der Rechtsprechung und Finanzverwaltung, die der Gesetzgeber befördert hat, ist zu Recht auf Kritik96 im Schrifttum gestoßen. Das personale Element

78

95 Zuletzt BFH v 12.11.2020 – IV R 29/18, FR 2021, 493 m. Anm. Nöcker; v. 30.10.2019 – IV R 59/16, BStBl. II 2020, 147; zuvor BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616; BVerfG v. 10.7.2009 – 1 BVR 1416/06, BFH/NV 2009, 1768; R 10a.3 Abs. 1 GewStR 2009. 96 Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 62 (Stand 3/2021); Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 12.61; Hey, Beihefter zu DStR 2009, Heft 34, 109 (117): „Fremdkörper“; Suchanek/ Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 108.

365

GewStG § 10a Rz. 79 | Gewerbeverlust bildet in der Tat eine einschränkende (verfassungsrechtlich an sich rechtfertigungsbedürftige97) Ausnahme zum Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer. Denn Steuergegenstand ist der Gewerbebetrieb als solcher, so dass Verluste und ihr Übergang an sich nur an die Unternehmensgleichheit gebunden sind. Dies gilt dann auch für Personengesellschaften.98 Besonders im Fall einer Erbnachfolge mit Verlustuntergang und in Anbetracht der Mindestversteuerung kann diese Rechtsprechung zu einer fragwürdigen Härte führen.99 De lege ferenda könnte der Gesetzgeber bei allen Unternehmensformen entweder zum Objektsteuerprinzip zurückkehren oder generell auf das Merkmal der Unternehmensidentität verzichten.100 b) Sonderfall des § 2 Abs. 5 GewStG (Satz 8) 79

§ 10a Satz 8 GewStG regelt den Untergang eines Fehlbetrags im Sonderfall der Übertragung eines Gewerbebetriebs im Ganzen (§ 2 Abs. 5 GewStG) auf einen anderen Gewerbebetrieb, an dem kein Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft mehr beteiligt ist. Der Unternehmensübergang hat gem. § 5 Abs. 2 GewStG zur Folge, dass bis zum Zeitpunkt des Übergangs der bisherige Unternehmer, von diesem Zeitpunkt an der andere (neue) Unternehmer Steuerschuldner ist.

80

Die Rechtsprechung101 versteht die Regelung in Satz 8 als eine gesetzliche Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals der Unternehmeridentität, denn der Verlustabzug nach § 10a GewStG sei demnach an die Identität des Unternehmers, aber auch an die Identität des Unternehmens (Unternehmer- und Unternehmensgleichheit) geknüpft. Weiterhin wird das Erfordernis der (Mit)Unternehmeridentität nun auch seit EZ 2007 auf § 10a Satz 4 und 5 GewStG gestützt.

81

Nach § 10a Satz 8 i.V.m. § 2 Abs. 5 GewStG kann im Fall eines Unternehmensübergangs im Ganzen der andere Unternehmer (= Erwerber) keine Fehlbeträge des Vorgängers geltend machen. Das Gesetz regelt insoweit nach Auffassung der Rechtsprechung auch das Erfordernis der Unternehmeridentität und fingiert nach § 2 Abs. 5 GewStG beim Wechsel des Unternehmens auch den Wechsel des Unternehmers. Der Abzug eines Fehlbetrages aus Vorjahren ist damit an die Identität des Unternehmers geknüpft.

82

§ 2 Abs. 5 GewStG gilt zunächst für Einzel- und Personenunternehmen. Zu einem Wechsel der Unternehmeridentität kommt es auch, wenn ein Einzelunternehmer seinen Gewerbebetrieb überträgt. Ebenfalls fehlt die Personengesellschaft, wenn eine Personengesellschaft ihren gesamten Betrieb im Rahmen eines sog. Asset deals veräußert102 oder wenn alle Mitunternehmer einer Personengesellschaft ihre Anteile übertragen.103 Auch der Erbfall kann einen Unternehmerwechsel begründen.104 Die Frage der Unternehmeridentität stellt sich auch bei der Begründung einer doppelstöckigen Personengesellschaft im Wege der Einbringung. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 GewStG sind bei einer Mitunternehmerschaft nur dann erfüllt, wenn alle bisherigen Mitunternehmer in einem Zeitpunkt ihre Mitunternehmerstellung aufgeben (etwa durch zeitgleiche Übertragung ihrer Gesellschaftsanteile; vollständiger Unternehmerwechsel). Beispiel: Die A-OHG betreibt ein Bauunternehmen. Gesellschafter der A-OHG sind B und C. B überträgt seinen Gesellschaftsanteil am 01.07.01 auf D. C überträgt seinen Gesellschaftsanteil am 01.08.01 auf E. 97 Allerdings ist dann fraglich, ob damit bereits das Folgerichtigkeitsgebot verletzt ist, da der Steuergesetzgeber für die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage einen Gestaltungsspielraum hat. 98 Anders aber BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616. 99 Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 62, 65, 72 m.w.N. 100 Im letzteren Sinne Röder, DStJG 43 (2020), 367 (382). 101 Etwa BFH v. 19.12.1984 – I R 165/80, BStBl. II 1985, 403. 102 BFH v. 28.4.1977 – IV R 165/76, BStBl. II 1977, 666. 103 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616 104 BFH v. 9.5.1961 – I 120/60 S, BStBl. II 1961, 357.

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Gewerbeverlust | Rz. 89 § 10a GewStG Lösung Die sachliche Gewerbesteuerpflicht des von der A-OHG betriebenen Bauunternehmens wird durch die Gesellschafterwechsel nicht berührt, sondern besteht fort. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 GewStG sind nicht erfüllt, weil weder am 01.07.01 noch am 01.08.01 ein vollständiger Unternehmerwechsel eingetreten ist. Unerheblich ist, dass sich der Gesellschafterbestand der A-OHG in 01 vollständig verändert hat. Wechseln nur einzelne Gesellschafter (partieller Unternehmerwechsel) einer Personengesellschaft, so liegt kein Übergang eines Betriebs im Ganzen vor.105 Allerdings wird dann der Verlustabzug nach § 10a Satz 4 und 5 GewStG anteilig verwehrt.

Auch die Übertragung eines Betriebs einer Personengesellschaft auf eine andere Personengesellschaft erfüllt die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 GewStG nicht, wenn nur ein Gesellschafter an beiden Mitunternehmerschaften beteiligt ist.

83

Bei Körperschaften (Kapitalgesellschaften) ist der Wechsel einzelner Gesellschafter noch kein Unternehmerwechsel. Allerdings kann gem. § 10a Satz 10 im Fall des qualifizierten Beteiligungserwerbs und Gesellschafterwechsels gem. § 8c KStG die Möglichkeit zum Abzug von Fehlbeträgen verloren gehen. Auch bei Umwandlungen von Kapitalgesellschaften kann ein Unternehmerwechsel vorliegen.

84

c) Einzelunternehmen Geht nach zuvor entstandenen und vorgetragenen Verlusten ein Gewerbebetrieb von einem Einzelunternehmer auf einen anderen Einzelunternehmer über, so ist ein Abzug der beim Veräußerer entstandenen Verluste durch den Erwerber nach § 10a Satz 8 i.V.m. § 2 Abs. 5 GewStG ausgeschlossen, mit der Folge, dass der Verlustvortrag untergeht.106 Es fehlt die Unternehmeridentität.

85

Die Art und Form des Unternehmensübergangs ist dabei ohne Bedeutung. Entgeltliche oder unentgeltliche Übertragungen, Gesamtrechtsnachfolge im Erbfall oder Einzelrechtsnachfolge im Fall der vorweggenommenen Erbfolge führen jeweils zum Untergang der noch nicht ausgeglichenen Fehlbeträge.107 Erwerber kann ein anderes Einzelunternehmen, eine Personengesellschaft oder eine Kapitalgesellschaft sein.

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Nach Einbringung eines mit vortragsfähigen Verlusten ausgestatteten Einzelunternehmens in eine Personengesellschaft oder Eintritt einer oder mehrerer Personen in ein Einzelunternehmen mit Unternehmensidentität geht der Gewerbeverlust des früheren Einzelunternehmers nicht verloren.108 Es kann aber nur der auf den ehemaligen Einzelunternehmer/einbringenden Gesellschafter anteilig zukünftig entfallende Gewerbeertrag nach Maßgabe des Gewinnverteilungsschlüssels durch die vorgetragenen Verluste des ehemaligen Einzelunternehmens/einbringenden Gesellschafters ausgeglichen werden. Entsprechendes gilt, wenn ein Einzelunternehmen gem. § 24 UmwStG in eine Personengesellschaft eingebracht wird.

87

Der Abzug eines in einem Einzelunternehmen entstandenen Gewerbeverlustes entfällt jedoch, wenn das Unternehmen auf eine Kapitalgesellschaft oder auf eine Personengesellschaft, an der der bisherigen Einzelunternehmer nicht beteiligt ist, übertragen wird.109

88

d) Personengesellschaften Das Erfordernis der (Mit-)Unternehmeridentität ergibt sich auch für Personengesellschaften nach Auffassung des BFH110 aus der heutigen Regelung in § 10a Satz 8 i.V.m. § 2

105 R 2.7 Abs. 2 GewStR 2009. 106 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616. 107 H 10a.3 Abs. 1 GewStH 2016; krit. für den Fall der unentgeltlichen Übertragung Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 65. 108 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616; H 10a.3 Abs. 2 GewStH 2016. 109 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616; H 10a.3 Abs. 2 GewStH 2016. 110 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616; R 10a.3 Abs. 3 Satz 1 GewStR 2009.

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89

GewStG § 10a Rz. 90 | Gewerbeverlust Abs. 5 Satz 1111 sowie aus § 10a Satz 4 GewStG. Der Wechsel im Gesellschafterbestand der Personengesellschaft führt insoweit zum Verlust der Unternehmeridentität, wie der Gesellschafterbestand sich verändert.112 Denn Träger des Rechts auf Verlustabzug ist nicht die Gesellschaft selbst, sondern sind die einzelnen Gesellschafter. 90

Bei einer Personengesellschaft sind die Gesellschafter, die unternehmerisches Risiko tragen und unternehmerische Initiative ausüben können, die (Mit-)Unternehmer des Betriebs (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) und nicht die Personengesellschaft selbst. Als Mitunternehmer einer gewerblichen Personengesellschaft erzielen sie auf der Grundlage ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbindung nicht nur in eigener Person gewerbliche Einkünfte, sondern sind auch gewerbesteuerrechtlich Träger des Verlustabzugs.

91

Allerdings entfällt der Verlustvortrag nur anteilig nach § 10a Satz 4, 5 GewStG auf die ausgeschiedenen Gesellschafter. Daraus folgt bereits, dass jede Umstrukturierung einer Mitunternehmerschaft das Risiko des Untergangs von Gewerbeverlusten nach § 10a GewStG birgt.113 Insb. geht beim Ausscheiden von Gesellschaftern aus einer Personengesellschaft der Verlustabzug gem. § 10a GewStG verloren, soweit er anteilig auf die ausgeschiedenen Gesellschafter entfällt.114

92

Bei Personengesellschaften setzt ein Verlustabzug dem Grunde nach zunächst voraus, dass, unter Berücksichtigung von Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben, im Anrechnungsjahr ein positiver und im Entstehungsjahr ein negativer Gewerbeertrag der Gesellschaft vorliegt. Träger des Rechts auf Verlustabzug ist dabei nicht die Gesellschaft, sondern der einzelne Gesellschafter.115

93

Unternehmeridentität fehlt und der Verlustvortrag entfällt wie bei Einzelunternehmen, wenn der Gewerbebetrieb im Ganzen auf einen anderen Unternehmer übergeht (§ 10a Satz 8 i.V.m. § 2 Abs. 5 Satz 1 GewStG). Ein Unternehmerwechsel liegt danach auch vor, wenn eine Personengesellschaft ihren Betrieb auf eine andere Personengesellschaft überträgt, an der keiner ihrer Gesellschafter beteiligt ist. Gleiches gilt, wenn alle Gesellschafter ausgewechselt werden. In beiden Fällen entfällt der Verlustvortrag.116 Ein den Verlustabzug nach § 10a GewStG ausschließender Unternehmerwechsel liegt unabhängig davon vor, ob dieser auf entgeltlicher oder unentgeltlicher Übertragung beruht.117

94

Mitunternehmer und Gesellschafter einer Personengesellschaft können natürliche Personen, Personengesellschaften oder Körperschaften sein. Ein Wechsel einzelner Gesellschafter (Gesellschafterwechsel) der Personengesellschaft führt zwar nicht zu einer Einstellung, zu abgekürzten EZ oder zu gesonderten Messbescheiden, da die Gesellschaft nach § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG weiterhin Steuerschuldner bleibt. Auch liegt kein Fall des § 10a Satz 8 i.V.m. § 2 Abs. 5 GewStG vor. Ein Gesellschafterwechsel kann sich aus dem Ausscheiden eines Gesellschafters, dem Beitritt eines Gesellschafters oder der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils ergeben.118

95

Der Gesellschafterwechsel in der Personengesellschaft (partieller Unternehmerwechsel) wirkt sich jedoch auf einen bestehenden Verlustvortrag in der Weise aus, dass der auf den ausscheidenden Gesellschafter entfallende Verlustanteil für den zukünftigen Verlustabzug der Personengesellschaft nicht mehr zur Verfügung steht und der verbleibende Verlustab111 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616. 112 Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz.102: mitunternehmensbezogene Betrachtung. 113 Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 70. Zu Beispielen Kupfer/Göller/Leibner, Ubg 2014, 361; R 10a.3 Abs.3 GewStR 2009 und H 10a.3 GewStH 2016. 114 Zuletzt BFH v. 12.11.2020 – IV R 29/18, FR 2021, 493 m. Anm. Nöcker; ebenso H 10a.3 Abs. 3 GewStH 2016 „Ausscheiden von Gesellschaftern einer Mitunternehmerschaft“, „Änderung des Gesellschafterbestandes“ 115 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616. 116 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616. 117 BFH v. 5.3.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616; BFH v. 7.12.1993 – VIII R 160/86, BStBl. II 1994, 331; H 10a.3 Abs. 1 GewStH 2016 „Unternehmerwechsel“. 118 Einzelfälle R 10a.3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 1 bis 4 GewStR 2009.

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Gewerbeverlust | Rz. 101 § 10a GewStG

zug nicht von dem zukünftig auf den neu eingetretenen Gesellschafter entfallenden Gewerbeertrag abgesetzt werden darf. Nach § 10a Satz 4 und 5 GewStG entfällt der Verlustvortrag anteilig. Gleiches gilt, wenn ein Mitunternehmer aus einer Personengesellschaft ausscheidet und die Altgesellschafter die Anteile übernehmen.119 Das gilt für den „normalen“ Gesellschafterwechsel, für den Übergang von Gesellschaftsanteilen durch Gesamtrechtsnachfolge120 oder Einzelrechtsnachfolge, aber auch, wenn nach dem Tod eines Gesellschafters die Beteiligung auf die verbleibenden Gesellschafter übergeht. Im letztgenannten Fall können diese nur ihre in den Jahren vor dem neuen Anteilserwerb entstandenen anteiligen vortragsfähigen Verluste geltend machen, auch wenn sie Erben des Verstorbenen sind.

96

Die Inanspruchnahme des gewerbesteuerrechtlichen Verlustabzugs setzt die ununterbrochene Unternehmeridentität voraus, so dass auch kurzfristige Unterbrechungen – selbst für eine logische Sekunde – zum Wegfall des Verlustabzugs führen.121

97

§ 8c KStG findet nach § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG entsprechend auf Fehlbeträge einer Mitunternehmerschaft Anwendung, die einer Körperschaft unmittelbar oder mittelbar nachgeordnet ist, soweit der Körperschaft der Fehbetrag zuzurechnen ist. Verändert sich der Anteilseignerkreis der Körperschaft durch einen schädlichen Beteiligungserwerb, ist für die Körperschaft § 8c KStG anzuwenden.

98

Scheidet eine Kapitalgesellschaft als Mitunternehmerin aus einer Mitunternehmerschaft aus, gehen die vortragsfähigen Gewerbeverluste der Mitunternehmerschaft insoweit unter, als diese der Kapitalgesellschaft zugerechnet werden.122 Dies gilt auch im Fall der Abspaltung der Kapitalgesellschaft; die speziellen Regelungen in § 19 UmwStG und § 8c KStG (Konzernklausel) i.V.m. Satz 10 des § 10a GewStG gelten nicht für Fehlbeträge der Mitunternehmerschaft.123

99

Voraussetzung des § 10a GewStG ist die Unternehmeridentität, nicht die Beteiligungsquote.124 Die bloße Veränderung der Beteiligungsquoten bei gleichbleibenden Gesellschaftern führt zu keiner Beschränkung oder Erweiterung der bis zur Veränderung der Beteiligungsquote eingetretenen Verlustabzugsmöglichkeiten nach § 10a GewStG. Lediglich die zukünftigen positiven Gewerbeerträge sind den Gesellschaftern in einem anderen Verhältnis zuzuordnen als die Fehlbeträge der Verlustentstehungsjahre.125

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§ 10a Sätze 4 und 5 GewStG regeln die Zurechnung der Verlustverrechnung bei Mitunternehmerschaften. Mit Einfügung der Sätze 4 und 5 durch das JStG 2007 ist die bis dahin schon von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung, dass bei Mitunternehmerschaften der allgemeine Gewinnverteilungsschlüssel im Entstehungsjahr des gewerbesteuerrechtlichen Fehlbetrags Maßstab für die Ermittlung des dem einzelnen Mitunternehmer zuzurechnenden Anteils an den Fehlbeträgen ist, in das Gesetz aufgenommen worden. Kommt es in Jahren mit einem positiven, den Gesellschaftern entsprechend dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnenden Gewerbeertrag bei der Mitunternehmerschaft zu einer Minderung der Fehlbeträge, so vermindern sich die den einzelnen Mitunternehmern zuzurechnenden Fehlbeträge entsprechend ihrem nach dem allgemeinen Gewinnver-

101

119 Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz.103. 120 BFH v. 7.12.1993 – VIII R 160/86, BStBl. II 1994, 331. 121 BFH v. 11.10.2012 – IV R 3/09, BStBl. II 2013, 176; krit. Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 68 mit Gestaltungshinweisen. Zur Unternehmensidentität BFH v. 30.10.2019 – IV R 59/16, BStBl. II 2020, 147. 122 BFH v. 12.11.2020 – IV R 29/18, FR 2021, 493 m. Anm. Nöcker. Zu Veränderungen bei einer Körperschaft als Mitunternehmerin Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz.104. 123 BFH v. 12.11.2020 – IV R 29/18, FR 2021, 493 m. Anm. Nöcker. 124 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616; v. 17.1.2006 – VIII R 96/04, FR 2006, 557 m. Anm. Wendt. 125 BFH v. 17.1.2006 – VIII R 96/04, DB 2006, 650; R 10a.3 Abs. 3 Satz 8 GewStR 2009; H 10a.3 Abs. 3 GewStH 2016 „Änderung der Beteiligungsquote“; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 10a GewStG Rz. 15, 10.

369

GewStG § 10a Rz. 102 | Gewerbeverlust teilungsschlüssel im Abzugsjahr zu bemessenden Anteil am Gewerbeertrag. Dabei ist der Höchstbetrag nach § 10a Satz 1 GewStG (Sockelbetrag) entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel im Abzugsjahr anteilig bei den einzelnen Gesellschaftern zu berücksichtigen. 102

Vor Ergehen dieser gesetzlichen Regelung hatte der BFH126 entschieden, dass die Gewerbeerträge des Anrechnungsjahres und die Fehlbeträge des Verlustentstehungsjahres nach dem Gewinnverteilungsschlüssel und unter Berücksichtigung von Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben den Mitunternehmern zugeordnet werden müssen.

103

Gem. § 36 Abs. 9 aF GewStG ist die Änderung des § 10a GewStG durch das Jahressteuergesetz 2007 auch für EZ vor 2007 anzuwenden. Der BFH127 hielt diese rückwirkende Anwendung der Neuregelung für verfassungswidrig, soweit danach der gewerbesteuerrechtliche Verlustabzug in größerem Umfang gekürzt wird, als es das im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters geltende Gesetz vorsah. e) Körperschaften

104

Da eine Körperschaft als solche zugleich Unternehmer des Unternehmens ist, hat auch das Merkmal der Unternehmeridentität hier grundsätzlich keine Bedeutung. Bei der Kapitalgesellschaft bilden unterschiedliche gewerbliche Tätigkeiten einen einheitlichen Gewerbebetrieb, mit der Folge einer Ergebnisverrechnung. Eine Ergebnisverrechnung ist zudem auch im Innenverhältnis der Organschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG) zulässig. Allerdings bestehen zwei Einschränkungen und Sonderregelungen. Zwar berührt der Wechsel der Gesellschafter im Gegensatz zum Wechsel der Gesellschafter bei Personengesellschaften die Unternehmeridentität der Körperschaft nicht. In diesen Fällen sind allerdings gem. § 10a Satz 10 bis 12 GewStG die speziellen Regelungen der §§ 8c, 8d KStG entsprechend anwendbar. Nach diesen Regelungen im KStG können Wechsel im Gesellschafterbestand auch bei Körperschaften zu einem Wegfall des Verlustabzugs bei der Gewerbesteuer führen.

105

Daneben liegt keine Unternehmeridentität vor, sondern ein Unternehmerwechsel, wenn die Körperschaft ihren Gewerbebetrieb auf eine andere Körperschaft überträgt (Umwandlungsfälle). Das gilt selbst dann, wenn an der alten und neuen Kapitalgesellschaft dieselben Gesellschafter zu gleichen Anteilen beteiligt sind. Der Verlustvortrag der übertragenden Körperschaft geht dann unter.128

106

Im Verhältnis und Vergleich mit den anderen Unternehmensformen ergeben sich mithin ungeachtet der beiden einheitlichen Elemente der Unternehmens- und Unternehmeridentität im Rahmen des § 10a GewStG für die Verlustnutzung teilweise unterschiedliche Rechtsfolgen, etwa beim Gesellschafterwechsel.129 Eine vollständige Rechtsformneutralität besteht jedenfalls noch nicht; sie soll aber auch verfassungsrechtlich nicht grundsätzlich geboten sein.130 4. (Weitere) Anwendungsfälle zur Unternehmens- und Unternehmeridentität a) Betriebsaufspaltung

107

Bei einer Betriebsaufspaltung bilden das Verpachtungsunternehmen (Besitzunternehmen) und das Betriebsunternehmen zwei getrennte Gewerbebetriebe und kein einheitliches Unternehmen. Verlustverrechnungen setzen sowohl Unternehmens- und Unternehmeridenti126 BFH v. 17.1.2006 – VIII R 96/04, DB 2006, 650. 127 BFH v.19.4.2007 – IV R 4/06, BStBl. II 2008, 140, Vorlagebeschluss nach Art. 100 GG; nachdem das Finanzamt die Revision zurückgenommen hat, wurde dieser zurückgenommen, BFH v. 30.10.2008 – IV R 4/06, DStR 2008, 2316; krit. Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 114. 128 Näher R 10a.3 Abs. 4 GewStR 2009. 129 Bier, DStJG 35 (2012), 219 (231 f.); Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 61. 130 BFH v 12.11.2020 – IV R 29/18, FR 2021, 493 m. Anm. Nöcker.

370

Gewerbeverlust | Rz. 113 § 10a GewStG

tät bei jedem der Gewerbebetriebe voraus. Insofern droht durch die Begründung einer Betriebsaufspaltung der Untergang von gewerbesteuerlichen Fehlbeträgen vorangegangener EZ. Bei Begründung einer echten Betriebsaufspaltung gehen Fehlbeträge des bisherigen Besitzunternehmens grundsätzlich nicht auf das Betriebsunternehmen über, sondern unter.131 Es fehlen sowohl die Unternehmens- als auch die Unternehmeridentität. Insb. ist die Tätigkeit des Besitzunternehmens gegenüber den zuvor wahrgenommenen Aufgaben deutlich eingeschränkt, da sie nunmehr ausschließlich Vermietungsleistungen erbringt, so dass die Unternehmensidentität nicht gewahrt bleibt.

108

Dies gilt grundsätzlich auch im Rahmen der Begründung einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung.132 In einer neuen Entscheidung hat der BFH133 zur Unternehmensidentität bei einer Besitzpersonengesellschaft Stellung genommen. Diese hatte ihre Produktions- und Vertriebstätigkeit zugunsten einer Betriebsverpachtung und späteren Grundstücksvermietung geändert. Ein etwaiger Fortfall der Unternehmensidentität beurteilt sich auch bei einer Besitzpersonengesellschaft im Ausgangspunkt danach, ob die von ihr ausgeübte Tätigkeit nach dem Gesamtbild unter Berücksichtigung ihrer wesentlichen Merkmale die gleiche (wirtschaftlich identisch) geblieben ist. Die Unternehmensidentität besteht hier bei einer Besitzpersonengesellschaft so lange fortbesteht, als sie mit der nämlichen Betriebskapitalgesellschaft sachlich und personell verflochten bleibt. Die Entscheidung betraf Umstrukturierungen während einer bestehenden Betriebsaufspaltung.

109

Dagegen liegt nach Auffassung des BFH134 ein Wegfall der Unternehmensidentität und des Fehlbetrags vor, wenn sich ein Gewerbebetrieb im von einem aktiven Unternehmen zu einem bloßen Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung gewandelt hat. Geschieht dies unterjährig, ist der Gewerbesteuermessbetrag danach für einen abgekürzten EZ festzusetzen.

110

Geht im Zusammenhang mit der Beendigung einer Betriebsaufspaltung die BetriebsGmbH auf die Besitzpersonengesellschaft über (Rückumwandlung), bleibt bei der Personengesellschaft die Unternehmensidentität und damit die Abzugsfähigkeit von bei der Personengesellschaft zuvor entstandenen Gewerbeverlusten gewahrt.135 Fehlbeträge der Betriebs-GmbH gehen nach § 18 Abs. 1 Satz 2 UmwStG für Zwecke der Gewerbesteuer verloren.

111

Bringen die Gesellschafter einer GbR, die Verpachtungsgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ist, ihre Anteile an der GbR in eine KG ein (Einbringung), die in den Pachtvertrag eintritt, kann die Unternehmensidentität auch dann gegeben sein, wenn die KG bereits Besitzgesellschaft im Rahmen einer weiteren Betriebsaufspaltung ist.136

112

b) Strukturveränderungen bei Personengesellschaften aa) Allgemeines Umwandlungen und Übertragungen unter Beteiligung von Personengesellschaften können zum Verlustuntergang oder Verlustübergang führen. In vielen Fällen führen jedenfalls personelle Veränderungen in der Struktur in von Personengesellschaften zu einem vollen oder anteiligen Untergang der bestehenden Verlustvorträge. Gleiches gilt für sachliche Veränderungen des Geschäftsbetriebs, die die beteiligten Unternehmen allerdings besser und anders gestalten können.

131 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 10a GewStG Rz. 15. 132 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 10a GewStG Rz. 15; einschränkend Suchanek/Hesse in Wendt/ Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 82 ff. 133 BFH v. 30.10.2019 – IV R 59/16, BStBl. II 2020, 147. 134 BFH v. 19.12.2019 – IV R 8/17, BStBl. II 2020, 401. 135 BFH v. 28.5.1968 – IV 340/64, BStBl. II 1968, 688; H 10a.2 Betriebsaufspaltung GewStH 2016. 136 BFH v. 27.1.1994 – IV R 137/91, BStBl. II 1994, 477; H 10a.2 Betriebsaufspaltung GewStH 2016.

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113

GewStG § 10a Rz. 114 | Gewerbeverlust Vorrangige spezialgesetzliche Regelungen im Umwandlungssteuergesetz, die zu einem automatischen Verlustuntergang oder -übergang führen, bestehen bei Personengesellschaften im Unterschied zu Umstrukturierungen bei Kapitalgesellschaften nur wenige (z.B. § 18 Abs. 1 Satz 2 UmwStG). Daher gelten im Übrigen grundsätzlich die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 10a GewStG, wonach der Verlusterhalt Unternehmens- und Unternehmeridentität voraussetzt.137 bb) Formwechsel 114

Ein Wechsel der Rechtsformen (Formwechsel, § 190 UmwG) muss der Unternehmer- und Unternehmensidentität nicht zwangsläufig entgegenstehen. Die Unternehmeridentität bleibt bei der formwechselnden Umwandlung (z.B. OHG, KG) einer Personengesellschaft in eine andere Personengesellschaft erhalten.138 Entsprechendes gilt für den Fall einer doppelstöckigen Personengesellschaft.139 Wird eine Personengesellschaft im Wege der Verschmelzung oder des Formwechsels (§ 25 UmwStG) in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt, besteht keine Unternehmeridentität mit der Folge, dass die Kapitalgesellschaft den bei der Personengesellschaft entstandenen Gewerbeverlust nicht abziehen kann (§ 23 Abs. 5 UmwStG).140 Ist eine Kapitalgesellschaft Mitunternehmer einer Personengesellschaft und vollzieht die Kapitalgesellschaft einen Formwechsel in eine Personengesellschaft, führt dies nicht zu einem anteiligen Wegfall des auf die Kapitalgesellschaft entfallendem Gewerbeverlustes bei der Untergesellschaft.141 cc) Einbringung von Betrieben

115

Die Frage der Unternehmensidentität stellt sich in der Praxis hauptsächlich bei der Übertragung (Einbringung) von Gewerbebetrieben oder Teilbetrieben von einer oder auf eine Personengesellschaft. Hier ergeben sich ggfs. Unterschiede im Hinblick auf die Rechtform des einbringenden Unternehmens.142

116

Bei einer „Vereinigung“ eines Betriebs oder Teilbetriebs mit einem bereits bestehenden Betrieb ist Unternehmensidentität generell gegeben, wenn die Geschäftstätigkeit des eingebrachten Betriebes im Rahmen des aufnehmenden Betriebes nach dem Gesamtbild in wirtschaftlicher, organisatorischer und finanzieller Hinsicht erhalten bleibt und fortgesetzt wird. Für die Annahme der Unternehmensidentität ist es dabei nicht Voraussetzung, dass der übertragene Betrieb bei der aufnehmenden Gesellschaft einen Teilbetrieb darstellt oder dem neuen Gesamtbetrieb das Gepräge gibt.143 In diesem Fall kommt es zu einer vollständigen Verlustübertragung.

117

Bei der Einbringung des Betriebs einer Personengesellschaft in eine andere Personengesellschaft ergeben sich Einschränkungen des Verlustabzugs unter dem Gesichtspunkt der Unternehmeridentität. Die vortragsfähigen Verluste bleiben nur erhalten, soweit es sich bei den Gesellschaftern der eingebrachten und aufnehmenden Gesellschaft bzw. bei den Gesellschaftern der sich verschmelzenden Gesellschaften um dieselben Gesellschafter handelt.144

Näher Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 86, 118 ff. R 10a 3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 5 Satz 3 GewStR 2009. Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 119. R 10a 3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 5 Satz 4 GewStR 2009. FG Schl.-Holst. v. 28.9.2016 – 2 K 41/16, EFG 2016, 1977; Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/ Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 118. 142 Näher Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 86 ff. zum Übergang von Verlusten einer Kapitalgesellschaft auf die Personengesellschaft. 143 BFH v. 14.9.1993 – VIII R 84/90, BStBl. II 1994, 764; H 10a.2 Vereinigung bestehender Betriebe GewStH 2016. 144 R 10a 3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 5 Satz 1 GewStR 2009. 137 138 139 140 141

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Gewerbeverlust | Rz. 121 § 10a GewStG

Wird ein Betrieb, z.B. durch einen Einzelunternehmer nach § 24 UmwStG, in eine Personengesellschaft eingebracht, ist in Höhe der Beteiligung die Unternehmeridentität gewahrt. Der Verlustabzug aus dem Einzelunternehmen geht nicht verloren, sofern auch die Unternehmensidentität gewahrt bleibt. Denn als Mitunternehmer behält der Einbringende seine Unternehmerstellung bei. Mit dem auf ihn entfallenden Gewerbeertrag kann er zuvor als Einzelunternehmer erlittene Verluste verrechnen; nur soweit der Gewerbeertrag auf andere Gesellschafter entfällt, fehlt es an der erforderlichen Unternehmeridentität.145 Die Unternehmeridentität bleibt auch in Höhe der Beteiligung erhalten, wenn ein Betrieb in eine nachgeordnete Personengesellschaft eingebracht wird146 oder im Fall des Beitritts eines Gesellschafters zu einer bestehenden Personengesellschaft.147 Die Einbringung von Mitunternehmeranteilen in eine Kapital- oder Personengesellschaft führt mangels Unternehmeridentität zum Untergang der Fehlbeträge, wie sie auf den bisherigen Gesellschafter entfielen.148

118

dd) Gesellschafterwechsel Für den Wechsel des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft (partieller Unternehmerwechsel) gilt im Übrigen: Beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft entfällt der Verlustabzug gemäß § 10a GewStG anteilig in der Höhe, in der der Fehlbetrag dem ausscheidenden Gesellschafter nach § 10a Satz 4 und 5 GewStG zuzurechnen ist. Dies gilt entsprechend, wenn ein Gesellschafter seinen Mitunternehmeranteil an einen Dritten veräußert.149

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Tritt ein Gesellschafter in eine bestehende Personengesellschaft ein, ist der vor dem Eintritt des neuen Gesellschafters entstandene Fehlbetrag i.S.d. § 10a GewStG weiterhin insgesamt, jedoch nur von dem Betrag abziehbar, der von dem gesamten Gewerbeertrag entsprechend dem sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Gewinnverteilungsschlüssel (§ 10a Satz 5 GewStG) auf die bereits vorher beteiligten Gesellschafter entfällt. Dies gilt entsprechend, wenn ein Gesellschafter seinen Mitunternehmeranteil an einen Dritten veräußert.150

120

Beispiel: An der AB-OHG sind A und B je zu 50% am Gewinn beteiligt. Das Finanzamt hat zum 31.12.05 für die OHG einen vortragsfähigen Fehlbetrag i.H.v. 100.000 € gesondert festgestellt. Zum 1.1.06 tritt B in die OHG ein und ist fortan zu 20% am Gewinn der OHG beteiligt. In 08 erzielt die OHG einen positiven Gewerbeertrag i.H.v. 100.000 €. Da A und B nach § 10a Satz 5 GewStG insgesamt nur 80.000 € des Gewerbeertrags zugerechnet werden, kommt auch nur insoweit ein Verlustabzug in Betracht.

Wird nach dem Ausscheiden von Gesellschaftern aus einer Personengesellschaft der Gewerbebetrieb von dem einem (letzten) Gesellschafter (Mitunternehmer, ggf. auch eine Kapitalgesellschaft151) als Einzelunternehmen unverändert fortgeführt (Anwachsung), kann dieser vom Gewerbeertrag des Einzelunternehmens einen verbleibenden Fehlbetrag der Gesellschaft insoweit abziehen, als dieser Betrag gemäß § 10a Satz 4 und 5 GewStG tatsächlich auf ihn entfällt (partielle Unternehmeridentität).152 Dies gilt auch, wenn der den Gewerbebetrieb fortführende Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft ist, sowie in den Fällen der Verschmelzung einer Personengesellschaft auf einen letzten Gesellschafter. In diesen Fällen ist auch Unternehmensgleichheit gewahrt, wenn der verbleibende Gesellschafter die bisherige wirtschaftlichen Betätigung fortführt.153 BFH v. 24.4.2014 – IV R 34/10, BStBl. II 2017, 233 m.w.N. BFH v. 24.2.2014 – IV R 34/10 BStBl. II 2017, 233 m.w.N. BFH v. 26.8.1993 – IV R 133/90, BStBl. II 1995, 791. Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 132 m.w.N. R 10a 3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 1, 3 GewStR 2009. R 10a 3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 2, 3 GewStR 2009. BFH v. 19.12.1984 – I R 165/80, BStBl. II 1985, 403. R 10a 3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 4 GewStR 2009; BFH v. 18.5.1972 – I R 153/70, BStBl. II 1972, 775; näher Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 123 f. 153 BFH v. 19.12.1984 – I R 165/80, BStBl. II 1985, 403.

145 146 147 148 149 150 151 152

373

121

GewStG § 10a Rz. 122 | Gewerbeverlust Beispiel: An der AB-OHG sind A und B je zu 50% am Gewinn beteiligt. Das Finanzamt hat zum 31.12.05 für die OHG einen vortragsfähigen Fehlbetrag i.H.v. 100.000 € gesondert festgestellt. Zum 1.1.06 scheidet B aus der OHG aus. Führt A den Betrieb unverändert als Einzelunternehmen fort, kann der den Fehlbetrag nur i.H.v. 50.000 € nutzen.

122

Werden zwei personenidentische Schwester-Personengesellschaften verschmolzen, besteht weiterhin Unternehmeridentität. Besteht auch Unternehmensidentität kann die aufnehmende Personengesellschaft die Fehlbeträge der übertragenden Personengesellschaft weiter nutzen.154 ee) Doppelstöckige Personengesellschaften

123

Eine doppelstöckige Personengesellschaft liegt vor, wenn eine gewerblich tätige oder geprägte Personengesellschaft als Gesellschafterin (Obergesellschaft) unmittelbar an einer anderen Personengesellschaft (Untergesellschaft) beteiligt ist und deren Gesellschafter durch eine ununterbrochene Mitunternehmer-Kette mit der Untergesellschaft verbunden sind. Begründet wird eine doppelstöckige Personengesellschaft durch die Einbringung eines Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft.

124

Die Kürzung des Gewerbeertrags um gewerbesteuerrechtliche Fehlbeträge nach § 10a GewStG setzt auch bei (doppelstöckigen) Personengesellschaften sowohl Unternehmensidentität als auch Unternehmeridentität voraus. Fehlt eines der beiden Merkmale bei der Begründung einer doppelstöckigen Personengesellschaft oder in Folge einer Strukturveränderung (z.B. Gesellschafterwechsel) bei einer schon bestehenden doppelstöckige Personengesellschaft, kommt es zu einem (anteiligen) Verlustuntergang.

125

Bei einer Mitunternehmerschaft gelten für die Frage, ob ein Unternehmerwechsel vorliegt die gleichen Grundsätze wie bei einem Einzelunternehmen. Dabei ist zu beachten, dass Unternehmer des Betriebs einer Mitunternehmerschaft nicht die Personengesellschaft selbst, sondern die einzelnen Mitunternehmer sind. Dies gilt auch bei der Nutzung von Fehlbeträgen einer Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft). Damit gelten die allgemeinen Grundsätze von R 10a.2 (Unternehmensidentität) und R 10a.3 (Unternehmeridentität) GewStR 2009 auch bei Mitunternehmerschaften. Träger des Verlustabzugs ist nach den Grundsätzen zur Unternehmeridentität nicht die Personengesellschaft selbst, sondern die jeweiligen Gesellschafter (Mitunternehmer) der Personengesellschaft sind die Träger.155 Ist jedoch eine Personengesellschaft (Obergesellschaft) als Mitunternehmer an einer anderen Personengesellschaft (Untergesellschaft) beteiligt, so ist Träger des Rechts auf den Verlustabzug bei der Untergesellschaft die Obergesellschaft.156 Die Rechtsprechung des BFH zur Frage der Unternehmeridentität bei Strukturveränderungen von doppel- und mehrstöckigen Personengesellschaften differenziert zwei Fallkonstellationen wie folgt: Die (schädliche) Übertragung der Anteile an der verlustbehafteten Personengesellschaft führt zum Wegfall der Unternehmeridentität und des Verlustes.157 Dagegen ist bei der (unschädlichen) Übertragung des Betriebs der verlustbehafteten Personengesellschaft „nach oben oder unten“ der Fortbestand der Unternehmeridentität und des Verlustes gewahrt.158 154 R 10a 3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 5 Satz 2 GewStR 2009; BFH v.14.9.1993 – VIII R 84/90, BStBl. II 1994, 764; zu mehrstöckigen Personengesellschaften weiterhin R 10a 3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 8 GewStR 2009 und Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 125 ff. 155 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616; R 10a.3 Abs. 3 Satz 1 GewStR 2009. 156 BFH v. 26.6.1996 – VIII R 41/95, BStBl. II 1997, 179. 157 BFH v. 22.1.2009 – IV R 90/05, FR 2009, 828 m. Anm. Kempermann; v. 3.2.2010 – IV R 59/07, BFH/NV 2010, 1492 v. 12.5.2016 – IV R 29/13, BFH/NV 2016, 1489. 158 BFH v. 11.10.2012 – IV R 38/09, BStBl. II 2013, 958; v. 24.4.2014 – IV R 34/10, BStBl. II 2017, 233. Näher und krit. zur Rspr. (Unternehmeridentität) bei doppelstöckigen Personengesellschaften Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 105 ff. auch mit Gestaltungshinweisen; Suchanek/Rüsch, FR 2021, 576, die für eine „transparente“ Besteuerung plädieren.

374

Gewerbeverlust | Rz. 129 § 10a GewStG

Bei einer doppelstöckigen oder mehrstöckigen Personengesellschaft hat ein Gesellschafterwechsel bei der Obergesellschaft keinen Einfluss auf den Verlustvortrag bei der Untergesellschaft. Denn bei der Beteiligung einer Personengesellschaft (Obergesellschaft) an einer anderen Personengesellschaft (Untergesellschaft) sind nicht die Gesellschafter der Obergesellschaft, sondern ist die Obergesellschaft als solche Gesellschafterin der Untergesellschaft.159 Ein Gesellschafterwechsel bei der Obergesellschaft hat daher ungeachtet des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG keinen Einfluss auf einen vortragsfähigen Gewerbeverlust bei der Untergesellschaft.

126

Beispiel: An der Auto-OHG sind die Gesellschafter A, B und C zu je 1/3 beteiligt. Die OHG ist zu 50% an der Werkstatt-KG beteiligt, die übrigen 50% hält D. Der vortragsfähige Verlust der Werkstatt-KG zum 31.12.02 beträgt 700.000 €. Zum 31.12.02 scheidet C aus der OHG aus. Der positiven Gewerbeertrag Werkstatt-KG für den EZ 03 beträgt 500.000 €. Lösung: Es besteht eine doppelstöckige Personengesellschaft mit der Auto-OHG als Obergesellschaft und der Werkstatt-KG als Untergesellschaft. Gesellschafter der Untergesellschaft sind nicht A, B, C als Gesellschafter der Obergesellschaft, sondern die Obergesellschaft als solche ist Gesellschafterin der Untergesellschaft. Ein Gesellschafterwechsel bei der Obergesellschaft führt deshalb bei der Untergesellschaft nicht zu einem Unternehmerwechsel und hat demzufolge keinen Einfluss auf den Verlustabzug bei der Untergesellschaft. Bei der Werkstatt-KG liegen die Voraussetzungen des § 10a GewStG vor (sofern weiter Unternehmensidentität besteht): Gewerbeertrag EZ 03:

500.000 €

Abzug nach § 10a EZ 02:

700.000 €

Gewerbetrag EZ 03: Vortragsfähiger Gewerbeverlust 31.12.03:

0€ 200.000 €.

Auswirkung auf den Verlustvortrag der Untergesellschaft hat allein ein Gesellschafterwechsel bei der Untergesellschaft mit der Folge des Unternehmerwechsels. Dies wäre etwa der Fall, wenn die Obergesellschaft ihren Anteil an der Untergesellschaft auf ihre Gesellschafter überträgt. Ein solcher schädlicher Gesellschafterwechsel mit einem anteiligen Wegfall des Verlustabzugs liegt auch dann vor, wenn der aus einer Personengesellschaft ausscheidende Gesellschafter über eine andere Gesellschaft (Oberpersonengesellschaft) weiterhin mittelbar an der Unterpersonengesellschaft beteiligt bleibt.

127

Bei doppelstöckigen Personengesellschaft ist die Obergesellschaft nicht nur Gesellschafterin, sondern grundsätzlich auch Mitunternehmerin der Untergesellschaft und damit Trägerin des Verlustabzugs.160 Dies hat einerseits zur Folge, dass ein Wechsel im Kreis der Gesellschafter der Oberpersonengesellschaft die Unternehmeridentität bezüglich der Unterpersonengesellschaft unberührt lässt. Andererseits ergibt sich daraus, dass der Verlustabzug nach § 10a GewStG selbst dann (anteilig) entfällt, wenn der Gesellschafter der Oberpersonengesellschaft infolge Untergangs der Oberpersonengesellschaft durch Anteilsvereinigung zum unmittelbaren Gesellschafter der bisherigen Unterpersonengesellschaft wird.161

128

Nach Auffassung der Finanzverwaltung162 kommt es dagegen nur auf die unmittelbare Gesellschafterstellung der Obergesellschaft als solche, nicht auf eine mittelbare Gesell-

129

159 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616; R 10a 3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 8 Satz 1 GewStR 2009; bestätigt durch gleichlautende Erlasse der Länder, etwa MdF NRW v. 11.8.2021, BStBl. I 2021, 1074. 160 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616; v. 3.2.2010 – IV R 59/07, BFH/NV 2010, 1492. 161 BFH v. 12.6.2016 – IV R 29/13, BFH/NV 2016, 1489. 162 Gleichlautende Erlasse der Länder, MdF NRW v. 11.8.2021, BStBl. I 2021, 1074; krit. Suchanek/ Hesse, FR 2021, 907; sie kritisieren die formale, zivilrechtliche Betrachtung der Verwaltung und plädieren (de lege ferenda) für den Umstieg auf ein vollständiges Transparenzprinzip, wonach der Verlust der Unternehmeridentität nur eintreten würde, wenn unmittelbar oder mittelbar über eine weitere Personengesellschaft eine natürliche Person oder Körperschaft aus- oder hinzutritt.

375

GewStG § 10a Rz. 130 | Gewerbeverlust schafterstellung der Gesellschafter der Obergesellschaft an. Daraus folgt, dass gewerbesteuerrechtliche Fehlbeträge der Obergesellschaft, die bis zur Begründung der doppelstöckigen Personengesellschaft entstanden sind, auf Ebene der Untergesellschaft mangels Unternehmeridentität nicht zur Verrechnung zur Verfügung stehen. Träger der fraglichen Fehlbeträge sind weiterhin die Mitunternehmer der Obergesellschaft (Unternehmeridentität). Diese sind aber nicht Mitunternehmer der Untergesellschaft, denn Mitunternehmer der Untergesellschaft ist allein die Obergesellschaft selbst. Beispiel: Die A-OHG betreibt ein Bauunternehmen. Gesellschafter der A-OHG sind B und C. Die AOHG überträgt am 01.07.01 das Bauunternehmen auf die U-KG; Gesellschafter der U-KG sind ausschließlich die A-OHG und die D-GmbH. Lösung: Die Übertragung des Bauunternehmens auf die U-KG erfüllt die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 GewStG. Es liegt ein vollständiger Unternehmerwechsel vor, weil B und C nicht Unternehmer des Betriebs der U-KG sind. „Unmittelbarer“ Gesellschafter und (Mit-)Untnehmer ist vielmehr die A-OHG. B und C sind „mittelbare“ Gesellschafter. Ein Verlustübergang ist nach § 10a Satz 8 GewStG nicht möglich.

130

Die Finanzverwaltung reagiert damit im Jahr 2021 mit einem Nichtanwendungserlass auf ein auch im BStBl. 2017 veröffentlichtes Urteil des BFH163 aus 2014. Dem Urteilsfall lag dabei die Begründung einer atypisch stillen Gesellschaft am Geschäftsbetrieb der Muttergesellschaft zugrunde. Darin hatte der BFH entgegen der bisherigen Einschätzung und der Verwaltungsauffassung entschieden, dass bei der Einbringung eines Betriebs einer Personengesellschaft (Obergesellschaft) in eine andere Personengesellschaft (Untergesellschaft) der vortragsfähige Gewerbeverlust mit dem Teil des Gewerbeertrags der Untergesellschaft verrechnet werden kann, der auf die Obergesellschaft entfällt. Unternehmeridentität sei qua mittelbarer Gesellschafterstellung der Gesellschafter der Obergesellschaft gegeben, obwohl bei „formaler“ Betrachtung die Obergesellschaft Unternehmer ist. Ob die erwähnte Entscheidung des BFH (IV R 34/10) grundsätzliche Bedeutung für das Verständnis der Unternehmeridentität hat, ist bislang ungeklärt.164

131

Wird die Obergesellschaft auf eine andere Personengesellschaft verschmolzen, ist der Verlustabzug nach § 10a GewStG bei der Untergesellschaft um den Betrag zu kürzen, der nach § 10a Satz 4 und 5 GewStG auf die Obergesellschaft entfällt. Dies führt auf der Ebene der Untergesellschaft insoweit zum Verlust der Unternehmeridentität und damit insoweit zum Untergang der anteiligen Fehlbeträge.165 Dies gilt auch, wenn an beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter beteiligt sind. Entsprechendes gilt hier, wenn die Obergesellschaft nach dem Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters auf den verbleibenden Gesellschafter anwächst.

132

Im Fall der Anwachsung auf die Mutterpersonengesellschaft kann diese vom Gewerbeertrag einen verbleibenden Fehlbetrag der Tochterpersonengesellschaft allerdings insoweit kürzen, als dieser Betrag gemäß § 10a Satz 4 und 5 GewStG auf die Mutterpersonengesellschaft entfällt.166

133

Auch bleibt der Verlustabzug nach § 10a GewStG bei der Untergesellschaft unberührt, wenn die Obergesellschaft formwechselnd in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt wird.167 In diesem Fall bleibt die Obergesellschaft zivilrechtlich unverändert. Für den umgekehrten Fall – bei dem Formwechsel einer an einer Personengesellschaft (Untergesellschaft)beteiligten Kapitalgesellschaft (Obergesellschaft) in eine Personengesell163 BFH v. 24.4.2014 – IV R 34/10, BStBl. II 2017, 233. 164 Näher Kleinheisterkamp in Lenski/Steinberg, § 10a GewStG Rz. 63a m.w.N. („uneinheitliches Bild“). 165 BFH v. 12.5.2016 – IV R 29/13, BFH/NV 2016, 1489; R 10a 3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 8 Satz 3 und 4 GewStR 2009. 166 R 10a 3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 8 Satz 6 GewStR 2009; anders R 10a 3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 8 Satz 4 GewStR 2009. 167 R 10a 3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 8 Satz 5 GewStR 2009.

376

Gewerbeverlust | Rz. 139 § 10a GewStG

schaft – geht der auf die Kapitalgesellschaft entfallende Gewerbeverlust bei der Untergesellschaft ebenfalls nicht unter. Insoweit ist von dem Fortbestand der Mitunternehmerin auszugehen, da ein Rechtsträgerwechsel nicht stattgefunden hat.168 Wird eine doppelstöckige Mitunternehmerschaft in der Weise begründet, dass sich der Kommanditist einer KG an dieser als atypischer stiller Gesellschafter beteiligt, können gewerbesteuerrechtliche Verlustvorträge aus der Zeit vor der stillen Beteiligung auch dann nicht zur Verrechnung mit dem auf den stillen Gesellschafter entfallenden Anteil am Gewerbeertrag genutzt werden, wenn der stille Gesellschafter an der KG beteiligt ist.169

134

Die vorstehenden Grundsätze zum Gesellschafterwechsel bei einer Obergesellschaft in den Fällen einer doppelstöckigen Personengesellschaft gelten allerdings nicht uneingeschränkt. Ist an der Obergesellschaft wiederum eine Kapitalgesellschaft beteiligt und kommt es bei dieser zu einem Gesellschafterwechsel, kann dieser nach § 10a S. 10 Halbs. 2 Nr. 2 GewStG i.V.m. § 8c KStG dazu führen, dass nicht nur die Fehlbeträge der Obergesellschaft, sondern auch die der Untergesellschaft (anteilig) untergehen.

135

ff) Beteiligung von Kapitalgesellschaften Wird eine Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft verschmolzen, die nicht Gesellschafterin der Personengesellschaft war oder kommt es zu einem Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft (§ 25 UmwStG), besteht keine Unternehmeridentität. Dementsprechend kann die übernehmende Kapitalgesellschaft den bei der Personengesellschaft entstandenen Gewerbeverlust nicht abziehen (§ 23 Abs. 5 UmwStG).170

136

Bei einem Vermögensübergang von einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft oder auf eine natürliche Person sowie bei Formwechsel in eine Personengesellschaft nach Maßgabe von § 18 Abs. 1 Satz 1 UmwStG schließen § 18 Abs. 1 Satz 2, § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG eine Berücksichtigung von Fehlbeträgen der übertragenden Körperschaft bei der übernehmenden Personengesellschaft oder natürlichen Person aus.

137

Wird eine Kapitalgesellschaft, die Mitunternehmerin einer Personengesellschaft ist, auf eine andere Kapitalgesellschaft verschmolzen, so geht die Unternehmeridentität der Kapitalgesellschaft verloren. Dementsprechend mindert sich der Verlustabzug nach § 10a GewStG bei der Personengesellschaft um den nach § 10a Satz 4 und 5 GewStG auf die Kapitalgesellschaft entfallenden Betrag. Die Finanzverwaltung171 begründet dieses Ergebnis mit einer entsprechenden Anwendung der § 19 Abs. 2 i.V.m. § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG. Entsprechendes gilt, wenn eine Kapitalgesellschaft ihren Mitunternehmeranteil vollständig in eine Tochterkapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten einbringt.

138

gg) Realteilung Auch bei der Realteilung von Personengesellschaften, die zu einer Auflösung der Gesellschaft führt (echte Realteilung), gelten die Grundsätze der Unternehmens- und Unternehmeridentität. Es besteht jedenfalls Unternehmensgleichheit zwischen der ursprünglichen Personengesellschaft und den daraus entstehenden Betrieben, wenn das auf einen Gesellschafter übergehende Vermögen bei der Personengesellschaft einen Teilbetrieb gebildet hat und der diesem Teilbetrieb sachlich zuzuordnende Verlust sich ohne weiteres aus dem Rechenwerk der Personengesellschaft ergibt.172 168 FG Schl.-Holst. v. 28.9.2016 – 2 K 41/16, EFG 2016, 1977. 169 BFH v. 24.4.2014 – IV R 34/10, BStBl. II 2017, 233. 170 R 10a.3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 5 Satz 4 GewStR 2009; Ausnahme R 10a.3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 4 Satz 2 GewStR 2009. 171 R 10a.3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 6 GewStR 2009; im Ergebnis ebenso Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 121 f. 172 BFH v. 5.9.1990 – X R 20/89, BStBl. II 1991, 25; H 10a.2 Realteilung GewStH 2016; Suchanek/ Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 93 f. (str.)

377

139

GewStG § 10a Rz. 140 | Gewerbeverlust Nach der neueren Rechtsprechung des BFH173 finden die Grundsätze der Realteilung auch dann Anwendung, wenn ein Mitunternehmer aus der Mitunternehmerschaft aus dem mitunternehmerischen Vermögen ausscheidet und das verbleibende Unternehmen fortgeführt wird (unechte Realteilung). 140

Liegen bei der Realteilung einer Personengesellschaft die Voraussetzungen der Unternehmensidentität vor, kann jeder Inhaber (Unternehmer) eines aus der Realteilung hervorgegangenen Teilbetriebs vom Gewerbeertrag dieses Unternehmens den vortragsfähigen Fehlbetrag der Personengesellschaft nur insoweit abziehen, als ihm dieser nach § 10a Satz 4 und 5 GewStG zuzurechnen war. Es kann jedoch höchstens nur der Teil des Fehlbetrages abgezogen werden, der dem übernommenen Teilbetrieb tatsächlich zugeordnet werden kann.174 Beispiel 1 zur Realteilung (H 10a.3 Abs. 3 GewStH 2016): Die AB-OHG, an der A und B zu gleichen Teilen beteiligt sind, besteht aus zwei Teilbetrieben. Die AB-OHG wird zum 1.1.02 real geteilt, wobei A den Teilbetrieb 1 und B den Teilbetrieb 2 übernimmt. Der vortragsfähige Gewerbeverlust zum 31.12.01 beträgt 400.000 €. Aus der Buchführung lässt sich nachvollziehen, dass der Gewerbeverlust i.H.v. 250.000 € auf den Teilbetrieb 1 und i.H.v. 150.000 € auf den Teilbetrieb 2 entfällt. Lösung: Das Recht auf den Abzug des bei der AB-OHG entstandenen Gewerbeverlustes steht A und B entsprechend ihrem Anteil an der AB-OHG jeweils zur Hälfte zu. Daher können A und B aufgrund des Erfordernisses der Unternehmeridentität nur ihren Anteil des Gesamtfehlbetrages von je 200.000 € (50 % von 400.000 €) bei der Ermittlung des Gewerbeertrages ihrer Einzelunternehmen abziehen. Die Voraussetzung der Unternehmensidentität ist grundsätzlich gegeben, weil die beiden Teilbetriebe über gesonderte Buchführungen verfügt haben. Bei B ist jedoch zu beachten, dass dem von ihm übernommenen Teilbetrieb nur ein Gewerbeverlust von 150.000 € zugeordnet werden kann. Er kann daher nur einen Betrag von 150.000 € von den zukünftigen positiven Gewerbeerträgen abziehen. Im Ergebnis geht also ein Verlustabzug i.H.v. 50.000 € verloren.

140a

Beispiel 2 zur Realteilung (H 10a.3 Abs. 3 GewStH 2016): Wie vorstehend, nur wird die AB-OHG in Personengesellschaften AB1 (Teilbetrieb 1) und AB2 (Teilbetrieb 2) aufgespalten. Gesellschafter der beiden Personengesellschaften sind weiterhin A und B zu je 50 %. Lösung: Bei der AB1-OHG kann der dem Teilbetrieb 1 zuzuordnende Gewerbeverlust i.H.v. 150.000 € abgezogen werden. Der restliche Gewerbeverlust i.H.v. 250.000 € kann von der AB2-OHG in Anspruch genommen werden.

hh) Atypisch stille Gesellschaften 141

Die Grundsätze der Unternehmens- und Unternehmeridentität gelten auch für bei atypisch stillen Gesellschaften. Der von der Gesellschaft unterhaltene Gewerbebetrieb ist sachlich gewerbesteuerpflichtig.175 Das Unternehmen des Inhabers (§ 230 HGB) und die atypisch stille Gesellschaft bilden allerdings zwei unterschiedliche Gewerbebetriebe.176 Unternehmer- und Unternehmensidentität und einen anteiligen Verlustübergang hat das FG Münster177 für den konkreten Fall der Einbringung einer GmbH in eine atypisch stille Gesellschaft nach § 24 Abs. 1 UmwStG bejaht.

173 BFH v. 30.3.2017 – IV R 11/15, BFH/NV 2017, 1125; v. 17.9.2015 – III R 49/13, BStBl. II 2017, 37; für einen grundsätzlichen Verlustabzug auch hier Schnitter in Frotscher/Drüen, § 10a GewStG Rz. 63. 174 R 10a 3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 7 GewStR 2009; BFH v. 5.9.1990 – X R 20/89, BStBl. II 1991, 25. 175 BFH v. 8.12.2016 – IV R 8/14, BStBl. II 2017, 538. 176 BFH v. 8.12.2016 – IV R 8/14, BStBl. II 2017, 538. Zu den Folgerungen bei sachlich-betrieblichen Änderungen für die Unternehmensidentität näher Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 72 ff. 177 FG Münster v. 5.11.2021 – 14 K 2364/21 GH,F, FR 2022, 140, Rev. BFH IV R 25/21.

378

Gewerbeverlust | Rz. 147 § 10a GewStG

Auch bei atypisch stillen Gesellschaften geht der Verlustvortrag mangels Unternehmeridentität anteilig verloren, wenn ein stiller Gesellschafter ausscheidet.178 Wird eine doppelstöckige Mitunternehmerschaft in der Weise begründet, dass sich der Kommanditist einer KG an dieser als atypischer stiller Gesellschafter beteiligt, können gewerbesteuerrechtliche Verlustvorträge aus der Zeit vor der stillen Beteiligung auch dann nicht zur Verrechnung mit dem auf den stillen Gesellschafter entfallenden Anteil am Gewerbeertrag genutzt werden, wenn der stille Gesellschafter an der KG beteiligt ist.179 Ein Verlust der Obergesellschaft geht bei bestehender Unternehmensidentität auf die atypisch stille Gesellschaft (Untergesellschaft) anteilig über.180

142

c) Strukturveränderungen bei Kapitalgesellschaften Strukturveränderungen haben bei Körperschaften, insbes. Kapitalgesellschaften zunächst dann Auswirkungen auf ihren Verlustabzug, wenn ein qualifizierter Beteiligungserwerb beim Gesellschafterwechsel gem. § 10a Satz 10 GewStG, §§ 8c, 8d KStG vorliegt und sich der Geschäftsbetrieb (Unternehmensidentität) verändert. Der „normale“ Gesellschafterwechsel hat hier, im Unterschied zur Personengesellschaften, keinen Unternehmerwechsel zur Folge.

143

Da die Körperschaft als solche Unternehmerin ist, ändert sich die Unternehmeridentität nur dann, wenn ein Unternehmerwechsel durch Umwandlung vorliegt.181 Für Kapitalgesellschaften bestehen eine Reihe von Spezialregelungen im UmwStG, die die allgemeinen Regelungen zur Unternehmens- und Unternehmeridentität verdrängen und eigene Verlustabzugsbeschränkungen einführen.182 Zu solchen vorrangigen Verlustregelungen für Körperschaften gehören § 15 Abs. 3, § 18 Abs. 1 Satz 2, § 19 Abs. 2, § 23 Abs. 5 UmwStG.

144

Die bloße formwechselnde Umwandlung zwischen Kapitalgesellschaften bzw. Körperschaften ändert die Unternehmeridentität grundsätzlich nicht.183 Andere (übertragende) Umwandlungskonstellationen bei Körperschaften führen mangels Unternehmeridentität zum Verlustuntergang bei der übernehmenden Körperschaft. Ein Unternehmerwechsel liegt grds. vor, wenn eine Körperschaft ihren Gewerbebetrieb auf eine andere Körperschaft überträgt. Dies gilt grundsätzlich für alle Körperschaften i.S.d. § 1 Abs. 1 KStG. Auch die Umwandlung eines Betriebs gewerblicher Art in eine Anstalt des öffentlichen Rechts führt zum Verlust des Fehlbetrags.184

145

Zum Verlustuntergang führen etwa: (1) die Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften.185 Rechtsgrundlage ist § 19 Abs. 2, § 12 Abs. 3, § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG; (2) die Ausspaltung oder Abspaltung auf eine andere Körperschaft.186 Im Fall der Abspaltung entfällt der Verlustvortrag der fortbestehenden übertragenden Körperschaft nicht vollständig (§ 19 Abs. 2, 15 Abs. 3 UmwStG).

146

Die Einbringung eines Betriebs oder Teilbetriebs in eine Kapitalgesellschaft führt zu einem Unternehmerwechsel.187 Der übernehmende Rechtsträger kann den Verlustvortrag dementsprechend nach § 23 Abs. 5 UmwStG nicht nutzen.

147

178 BFH v. 24.4.2014 – IV R 34/10, BStBl. II 2017, 233; FG Münster v. 22.5.2019 – 13 V 235/19 G, EFG 2019, 1223. Näher zur Begründung der Gesellschaft und zur Begründung und Auflösung einer atypischen (Unter-)Beteiligung Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 135 f. 179 BFH v. 24.4.2014 – IV R 34/10, BStBl. II 2017, 233. 180 Schnitter in Frotscher/Drüen, § 10a GewStG Rz. 88 mit einem Beispiel. 181 Vgl. R 10a.3 Abs. 4 GewStR 2009. 182 Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 85, 113 ff. 183 R 10a.3 Abs. 4 Satz 1 GewStR 2009. 184 BFH v. 12.1.2011 – I R 112/09, BFH/NV 2011, 1194. 185 BFH v. 17.7.1991 – I R 74-75/90, BStBl. II 1991, 899; R 10a.3 Abs. 4 Satz 2 GewStR 2009. 186 R 10a.3 Abs. 4 Satz 3, 4 GewStR 2009. 187 Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 117 ff.

379

GewStG § 10a Rz. 148 | Gewerbeverlust 148

Im Fall der Ausgliederung (§ 123 Abs. 3 UmwG) eines Geschäftsbetriebs einer Kapitalgesellschaft auf eine andere Kapitalgesellschaft, verbleibt der Verlustvortrag bei der ausgliedernden und übertragenden Kapitalgesellschaft.188

149

Im Umwandlungssteuergesetz fehlt eine Regelung für den Fall, dass eine Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb gem. § 123 Abs. 3 UmwG auf eine Personengesellschaft ausgliedert.189 Diese Ausgliederung ist insb. kein Anwendungsfall des § 15 UmwStG.190 Nach den „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“ ist ein Übergang eines Gewerbeverlustes von einer Kapitalgesellschaft auf eine übernehmende Personengesellschaft in diesem Fall der Einbringung grundsätzlich zulässig, wenn Unternehmens- und Unternehmeridentität besteht.191 Die Frage ist umstritten.192 Der BFH193 hat 2019 entschieden, dass jedenfalls im Entscheidungsfall die Unternehmensidentität der Kapitalgesellschaft (aus ihrer Sicht) noch nach der Gewerblichkeitsfiktion des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG fortbestand. Daher kam ein Verlustübergang für den Fall der Einbringung eines Betriebs von einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft zu Buchwerten gem. § 24 Abs. 2 UmwStG im Wege der Ausgliederung auf die Personengesellschaft nicht Betracht. Mit der Einführung des § 10a Satz 10 GewStG war allerdings der Gesetzgeber für den Fall der Einbringung des Betriebs der Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft von einem Verlustübergang ausgegangen.

150

Bei der Umwandlung einer Körperschaft (Kapitalgesellschaft) auf eine Personengesellschaft oder eine natürliche Person im Wege der Verschmelzung, der Spaltung oder des Formwechsels liegt keine Unternehmeridentität vor. Zudem kann die übernehmende Personengesellschaft oder natürliche Person den Gewerbeverlust der übertragenden Körperschaft auch nach § 18 Abs. 1 Satz 2 UmwStG) nicht abziehen.194 Der Verlustvortrag der übertragenden Körperschaft entfällt daher.

151

Bei der Abspaltung von Vermögen einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft mindert sich der Gewerbeverlust der fortbestehenden übertragenden Körperschaft nach Maßgabe von § 18 Abs. 1 Satz 1, § 16, § 15 Abs. 3 UmwStG im Verhältnis des gemeinen Werts des übergehenden zum verbleibenden Vermögen.195

152–159

frei

II. Entsprechende Anwendung der §§ 8c, 8d KStG für Verlustabzugsbeschränkungen bei Körperschaften (Sätze 10 bis 12) 1. Allgemeines 160

§ 10a Sätze 10 bis 12 GewStG ordnen die „entsprechende“ Anwendung der §§ 8c, 8d KStG für Körperschaften und ihre Beteiligungen an Mitunternehmerschaften (auch) für Zwecke der Gewerbesteuer und den dortigen Verlustabzug i.S.d. § 10a GewStG an. Gesellschafterwechsel bei der Körperschaft können dann ggf. zum Verlustuntergang von Fehlbeträgen führen. R 10a.3 Abs. 4 Satz 6 GewStR 2009; BFH v. 17.1.2019 – III R 35/17, BStBl. II 2019, 407. BFH v. 17.1.2019 – III R 35/17, BStBl. II 2019, 407; dazu Suchanek, FR 2019, 645. Schrameyer, § 15 UmwStG Rz. 8, § 1 UmwStG Rz. 3. BFH v. 17.1.2019 – III R 35/17, BStBl. II 2019, 407. Zum Meinungsstand Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 90 ff. 193 BFH v. 17.1.2019 – III R 35/17, BStBtl. II 2019; zur Abgrenzung für den Fall einer Einbringung einer GmbH in eine Personengesellschaft (atypisch stille Gesellschaft) FG Münster v. 5.11.2021 – 14 K 2364/21 GH,F, FR 2022, 140, Rev. BFH IV R 25/21. 194 R 10a.3 Abs. 4 Satz 5 Halbs. 1 GewStR 2009; Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/ Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 114. 195 R 10a.3 Abs. 4 Satz 5 Halbs. 2 GewStR 2009; Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/ Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 115. 188 189 190 191 192

380

Gewerbeverlust | Rz. 164 § 10a GewStG

Das Jahressteuergesetz 2020 hat die bisherige Regelung in Satz 10 a.F. in den Sätzen 10 bis 12 präzisiert und ergänzt.196 Die Neuregelung gilt nach § 36 Abs. 5a GewStG rückwirkend auch für EZ vor 2020. Die Änderung in Satz 10 und der neue Satz 11 ermöglichen wie bisher nur rechtsklarer die entsprechende Anwendung des § 8c und § 8d KStG für Zwecke der Gewerbesteuer. Ergänzend regelt der neue Satz 12 des § 10a GewStG für die Fälle, in denen es an einem nicht genutzten körperschaftsteuerrechtlichen Verlust fehlt, ein gesondertes gewerbesteuerrechtliches Antragsrecht für die entsprechende Anwendung des § 8d KStG auf die gewerbesteuerrechtlichen Fehlbeträge.197

161

§ 8c KStG regelt die eng begrenzte Verlustverrechnung speziell bei Körperschaften. Danach kann ein Wechsel im Gesellschafterbestand durch einen schädlichen Beteiligungserwerb grundsätzlich auch zum Verlust von Fehlbeträgen führen, die zuvor im Gewerbebetrieb entstanden waren (§ 8c Abs. 1 Satz 1 bis 4 KStG). Liegen die Voraussetzungen des § 8c KStG vor, gilt die Rechtfolge auch für gewerbesteuerrechtliche Fehlbeträge einer Körperschaft.198 Ihrerseits eng begrenzte Ausnahmen von diesem grundsätzlichen Verlustuntergang bestehen im Rahmen einer Konzernklausel (§ 8c Abs. 1 Satz 4 KStG), einer Stille-ReservenKlausel (§ 8c Abs. 1 Satz 5 KStG) und der Sanierungsklausel (§ 8 Abs. 1a KStG). Ferner ordnet auch § 8d KStG unter engen Bedingungen eine Verlustfortführung an. Auch diese Regelungen gelten für Zwecke der Gewerbesteuer gem. § 10a Satz 10 KStG.199

162

Rechtsdogmatischer Hintergrund der Regelung ist, dass die allgemeinen Tatbestandselemente der Unternehmens- und Unternehmeridentität bei Kapitalgesellschaften – anders als bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften – auch bei Wechsel der Gesellschafter grundsätzlich als erfüllt gelten.200 Um gleichwohl den Handel und die freie Nutzung von Verlustvorträgen201 bei Kapitalgesellschaften einzuschränken, ohne gleichzeitig wirtschaftlich berechtigte Strukturierungen zu unterbinden, hat der Gesetzgeber §§ 8c, 8d KStG eingeführt und mehrfach ergänzt.202 Hiergegen bestanden und bestehen verfassungsrechtliche Bedenken. §§ 8c, 8d KStG gelten danach „entsprechend“ auch für „Körperschaften“ im Gewerbesteuerrecht. Insoweit besteht zumindest dem Grunde nach Übereinstimmung mit dem Verlustabzug bei der Körperschaftsteuer.203 Nach Satz 10 Halbs. 2 des § 10a GewStG gilt § 8c KStG (wie bisher) aber auch für Verluste von Mitunternehmerschaften, soweit diese Verluste einer Körperschaft über eine Beteiligung unmittelbar oder mittelbar zuzurechnen sind. Sätze 11 und 12 des § 10a GewStG verdeutlichen die Anwendung der für den Steuerpflichtigen günstigen Ausnahmenregelung des § 8d KStG auf Fehlbeträge für Zwecke der Gewerbesteuer.

163

Die Regelung in § 10a Sätze 10 bis 12 gilt nur für Fehlbeträge dieser Körperschaften, nicht aber auch für Fehlbeträge von Mitunternehmerschaften selbst. Entscheidend sind die Verhältnisse auf Ebene der Kapitalgesellschaft.204 Auch nach § 10a Satz 10 Halbs. 2 a.F. GewStG fand § 8d KStG explizit keine Anwendung für Fehlbeträge einer Mitunternehmerschaft. Folglich gehen Verluste einer Mitunterneh-

164

196 Zur Entstehung und Bewertung Neumann/Höffer, GmbHR 2021, 247; Suchanek/Rüsch, FR 2021, 194. 197 So BT-Drucks. 19/25160, 196. 198 Rechtsfolgenverweis, Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmanm/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 224. 199 Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 87. 200 So auch R 10a.1 Abs. 3 Satz 3, 4 GewStR 2009. 201 BFH v. 5.6.2007 – I R 106/05, BStBl. II 2008, 986 zur Altregelung. 202 Vgl. BT-Drucks. 18/9986, 12; näher Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmanm/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 225 f. 203 Zu Einschränkungen Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 87. 204 R 10a.1 Abs. 3 Satz 5 GewStR 2009.

381

GewStG § 10a Rz. 165 | Gewerbeverlust merschaft unter, sofern nicht die Konzernklausel oder die Stille-Reserven-Klausel gem. § 8c KStG erfüllt ist.205 Insb. findet § 8d KStG auch gem. § 10a Satz 12 GewStG wie bisher keine entsprechende Anwendung auf die Fehlbeträge einer Mitunternehmerschaft.206 Dies folgt bereits aus der Regelung des § 8d Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KStG, die § 10a GewStG nicht aushebelt. Danach entfällt eine Feststellung eines fortführungsgebundenen Verlustvortrags, wenn die Körperschaft an einer Mitunternehmerschaft beteiligt ist. Eine rechtsformneutrale Anwendung der §§ 8c, d KStG auch auf die Übertragung von Mitunternehmerschaften ist gleichheitsrechtlich grundsätzlich nicht geboten.207 2. § 10a Satz 10 Halbs. 1 GewStG 165

Für Fehlbeträge von Körperschaften gilt nach § 10a Satz 10 Halbs. 1 GewStG die Regelung des § 8c KStG entsprechend. Danach können Wechsel im Bestand der Gesellschafter auch bei Körperschaften zu einem Wegfall des Verlustabzugs führen und den Verlustvortrag verhindern. Bei Vorliegen aller Voraussetzungen des § 8c KStG tritt ein vollständiger Wegfall des Verlustabzugs auch für gewerbesteuerrechtliche Zwecke ein.

166

Ein schädlicher Beteiligungserwerb liegt grundsätzlich vor, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 50 Prozent der Beteiligungsrechte an einen Erwerber oder eine dem Erwerber nahestehende Person übertragen werden. Dann sind bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzte Verluste vollständig nicht mehr abziehbar (§ 8c Abs. 1 Satz 1 KStG).

167

Die Grundsätze des § 8c KStG hat die Finanzverwaltung208 ausführlich erläutert, und auch für Zwecke der Gewerbesteuer „entsprechend“ übernommen.209 Anzuwenden ist § 8c KStG auf die „Fehlbeträge“ i.S.d § 10a GewStG (§ 10a Satz 10 GewStG).

168

Die Frage danach, ob und in welchem Umfang § 8c KStG Anwendung findet, entscheidet sich dabei zunächst allein nach den Verhältnissen auf Ebene der Körperschaft.210 Liegt sodann ein Fall des § 8c KStG auf Ebene der Körperschaft vor, wirkt die Verlustabzugsbeschränkung ausgehend von der Körperschaft unter Berücksichtigung der jeweiligen Beteiligungsverhältnisse in der Beteiligungskette im Fall der Beteiligung an Mitunternehmerschaften gem. § 10a Satz 1 Halbs. 2 GewStG nach unten fort.211

169

Verluste, die nach dem schädlichen Beteiligungserwerb im selben EZ entstehen, sind nicht von § 10a Satz 10 Halbs. 1GewStG erfasst. Die Verrechnung von bis zum schädlichen Beteiligungserwerb erzielten Gewinnen und Verlusten aus vorangegangenen EZ ist bis zu diesem Zeitpunkt noch möglich.212

170

Kommt es zu einem unterjährigen schädlichen Beteiligungserwerb i.S.d. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG, ist § 10a Satz 10 GewStG i.V.m. § 8c KStG nach vorherrschender Ansicht nicht auf den unterjährig entstandenen laufenden (Gewerbe-)Verlust bis zum schädlichen Beteiligungserwerb, sondern nur auf vortragsfähige Fehlbeträge anzuwenden. Hierfür spricht der Gesetzeswortlaut des gesamten gegenüber § 7 Satz 1 GewStG speziellen § 10a Satz 10 GewStG, der Rechtsgrund und Rechtsfolgen des § 8c KStG an vorherige „Fehlbeträge“ bindet.213 Nach der 205 Krit. Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 268, 36: rein fiskalische Zwecke und Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG mit Beispiel; zu § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 88. 206 Suchanek/Rüsch, FR 2021, 194; Neumann/Höffer, GmbHR 2021, 247; Schnitter in Frotscher/ Drüen, § 10a GewStG Rz. 103c, 103d. 207 BFH v. 12.11.2020 – IV R 29/18, FR 2021, 493 m. Anm. Nöcker. 208 BMF v. 28.11.2017, BStBl. I 2017, 1645. 209 Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 29.11.2017, BStBl. I 2017, 1643. 210 R 10a.1 Abs. 3 Satz 5 GewStR 2009. 211 R 10a.1 Abs. 3 Satz 6 GewStR 2009. 212 BFH v. 30.11.20211 – I R 14/11, BFH/NV 2021, 659. 213 Ebenso Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 89 m.w.N.

382

Gewerbeverlust | Rz. 176 § 10a GewStG

Gegenansicht namentlich der Finanzverwaltung,214 die u.a. auf die abweichende Behandlung des unterjährigen Gesellschafterwechsels bei einer Mitunternehmerschaft verweist, soll auch der laufende Verlust untergehen. 3. § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG Nach § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG gilt § 8c KStG auch für den Fehlbetrag von (mehrstufigen) Mitunternehmerschaften, soweit diese Verluste einer Körperschaft als Mitunternehmer unmittelbar oder mittelbar über eine weitere Mitunternehmerschaft zuzurechnen sind und bei der Körperschaft ein schädlicher Beteiligungserwerb i.S.d. § 8c KStG vorliegt.215

171

Die Regelung hat ursprünglich das Jahressteuergesetz 2009 eingefügt. Sie soll vormaligen Gestaltungen, die darauf zielten, zur Rettung des Verlustvortrags durch Einschaltung von Personengesellschaften die Wirkungen des § 8c KStG bei der Gewerbesteuer zu umgehen, vorbeugen.216 Körperschaften konnten bis dahin bei einem bevorstehenden schädlichen Gesellschafterwechsel ihre gewerbesteuerrechtlichen Verluste auf nachgeordnete Personengesellschaften verlagern und dadurch den Verlustuntergang vermeiden. Das Jahressteuergesetz 2020 hat die bisherige Regelung in Satz 10 a.F. in den Sätzen 10 bis 12 rückwirkend auch für EZ vor 2020 hinsichtlich der (Nicht-)Anwendung des § 8d KStG präzisiert und ergänzt.217

172

Die Grundsätze des § 8c KStG hat die Finanzverwaltung218 ausführlich erläutert, und auch für Zwecke der Gewerbesteuer „entsprechend“ auch für § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG übernommen.219

173

Voraussetzungen und Ausmaß der Wirkung von § 8c KStG sind allein nach den Verhältnissen auf Ebene der Körperschaft zu entscheiden.220 Liegt ein Fall des § 8c KStG auf Ebene der Körperschaft vor, wirkt sich die Verlustabzugsbeschränkung ausgehend von der Körperschaft unter Berücksichtigung der jeweiligen Beteiligungsverhältnisse in der Beteiligungskette auf die jeweils vortragsfähigen Fehlbeträge bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der Mitunternehmerschaft aus.221 Die negativen Rechtsfolgen des § 8c KStG bei den nachgeordneten Personengesellschaften treten auch dann ein, wenn bei der Kapitalgesellschaft selbst kein Verlustvortag besteht.222

174

§ 8c KStG ist danach nicht auf die Körperschaft anzuwenden, wenn (1) an der Mitunternehmerschaft keine Körperschaft beteiligt ist, sondern nur natürliche Personen oder andere Personengesellschaften oder wenn (2) an der Mitunternehmerschaft zwar eine Körperschaft beteiligt ist, aber die Voraussetzungen des § 8c KStG nicht erfüllt sind.

175

§ 10a Satz 10 Halbs. 2 Nr. 1 GewStG erfasst den Fall, dass der Fehlbetrag der Mitunternehmerschaft einer Körperschaft unmittelbar zurechenbar ist. Die Kapitalgesellschaft (als Regelfall) ist dann Mitunternehmerin. Erfüllt diese die Voraussetzungen des schädlichen Beteiligungserwerbs, z.B. durch Verkauf ihrer Anteile zu mehr als 50%, geht der Fehlbetrag der Mitunternehmerschaft vollständig unter, soweit er der Kapitalgesellschaft zuzurechnen ist. Für die Zurechnung gelten § 10a Sätze 4 und 5 des § 10a GewStG. Soweit der bei der

176

214 R 10 a.1 Abs. 3 Satz 7, 8 GewStR 2009; BMF v. 28.11.17, BStBl. I 2017, 1645 Rz. 33; ebenso Schnitter in Frotscher/Drüen, § 10a GewStG Rz. 96 m.w.N. 215 Zur Durchführung des Verlustabzugs R 10a.1 Abs. 3 Satz 4 ff. GewStR 2009. 216 Näher BT-Drucks. 16/11108, 301; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 10a GewStG Rz. 99. 217 Zur Entstehung Neumann/Hüffer, GmbHR 2021, 247. 218 BMF v. 28.11.2017, BStBl. I 2017, 1645. 219 Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 29.11.2017, BStBl. I 2017, 1643. 220 R 10a.1 Abs. 3 Satz 5 GewStR 2009. 221 R 10a.1 Abs. 3 Satz 6 GewStR 2009. 222 Schnitter in Frotscher/Drüen, § 10a GewStG Rz. 99.

383

GewStG § 10a Rz. 177 | Gewerbeverlust Mitunternehmerschaft bestehende Fehlbetrag anderen Mitunternehmern als der Körperschaft zuzurechnen ist, ist § 8c KStG nicht anwendbar.223 Beispiel 1: A ist Alleingesellschafter der A-GmbH. Die GmbH ist zu 100% am Vermögen der X-OHG beteiligt. Die X-OHG verfügt über vortragsfähige Fehbeträge i.H.v. 100.000 €. A überträgt 100% seiner Anteile auf B. Die Verlustvorträge gehen gem. § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG i.V.m. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG zu 100% unter (vorbehaltlich von Ausnahmen nach §§ 8c, 8d KStG). Beispiel 2: A ist Alleingesellschafter der A-GmbH, die im EZ 01 zu 80 % an der X-OHG beteiligt ist. Der zum 31.12.01 vortragsfähige Gewerbeverlust der X-OHG beträgt 450.000 €. Im EZ 02 erwirbt B von A 70 % der Anteile an der A-GmbH. Lösung: Auf Ebene der A-GmbH erfolgt in EZ 02 ein schädlicher Beteiligungserwerb i.S.d. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG (mehr als 50% Anteilsübertragung). Unter Berücksichtigung der Beteiligungshöhe von 80 % der A-GmbH an der X-OHG folgt hieraus, dass vom vortragsfähigen Gewerbeverlust der X-OHG in EZ 02 der vollständige, auf die A-GmbH entfallende Verlustvortrag i.H.v. 80 % von 450.000 € = 360.000 € dort nicht mehr abziehbar ist.

177

§ 10a Satz 10 Halbs. 2 Nr. 2 GewStG erfasst den Fall, dass der Fehlbetrag der Mitunternehmerschaft einer Körperschaft nur mittelbar zurechenbar ist. Erfüllt die Körperschaft hier einen schädlichen Beteiligungserwerb gem. § 8c KStG geht der einer Oberpersonengesellschaft zuzurechnende Fehlbetrag der Unterpersonengesellschaft ebenfalls vollständig unter. Für die Bestimmung der Beteiligungshöhe und die Höhe des Verlustuntergangs hinsichtlich der Untergesellschaft gilt dann: der Verlustvortrag der mittelbar nachgeschalteten Personengesellschaft geht nach h.M. in Höhe der durchgerechneten Beteiligungsquote unter.224 Beispiel: A ist Alleingesellschafter der A-GmbH, die im EZ 01 zu 80 % an der X-OHG (Obergesellschaft) beteiligt ist. Die X-OHG ist ihrerseits zu 60 % an der Y-OHG (Untergesellschaft) beteiligt. Die zum 31.12.01 vortragsfähigen Gewerbeverluste betragen für die X-OHG 450.000 € und für die Y-OHG 250.000 €. Im EZ 02 erwirbt B von A 70 % der Anteile an der A-GmbH.225 Lösung: Auf Ebene der A-GmbH liegt im EZ 02 ein schädlicher Beteiligungserwerb i.S.d. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG (mehr als 50% Anteilsübertragung). Unter Berücksichtigung der Beteiligungshöhe von 80 % der A-GmbH an der X-OHG folgt daraus, dass vom vortragsfähigen Gewerbeverlust der X-OHG in EZ 02 der vollständige, auf die A-GmbH entfallende Verlustvortrag i.H.v. 80 % von 450.000 € = 360.000 € dort nicht mehr abziehbar ist. Die Anwendung des § 8c KStG auf Ebene der Y-OHG führt im EZ 02 dazu, dass der vortragsfähige Gewerbeverlust der Y-OHG aufgrund der mittelbaren Beteiligung der A-GmbH an der Y-OHG von 48 % (80 % von 60 %) im Umfang der mittelbaren Beteiligung (48 % von 250.000 € = 120.000 €) bei der A-GmbH nicht mehr abziehbar ist.

4. Fortführungsgebundener Verlustvortrag (§ 8d KStG i.V.m. § 10a Satz 11 und 12 GewStG) a) Allgemeines 178

Nach § 10a Satz 11 GewStG ist auf die Fehlbeträge antragsgebunden § 8d KStG entsprechend anzuwenden, wenn ein sog. fortführungsgebundener Verlustvortrag nach § 8d KStG gesondert festgestellt wurde. Unterbleibt eine Feststellung nach § 8d Abs. 1 Satz 8 KStG, weil keine nicht genutzten Verluste nach § 8c Abs. 1 S. 1 KStG vorliegen, findet nunmehr nach § 10a Satz 12 GewStG ebenfalls auf Antrag § 8d KStG auf die Fehlbeträge entsprechende Anwendung. Die neuen Sätze 11 und 12 präzisieren den vormaligen Satz 10 a.F. rückwirkend auch für EZ vor 2020. 223 Schnitter in Frotscher/Drüen, § 10a GewStG Rz. 101. 224 GewStR 10a.1 Abs. 3 Satz 6; Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 88; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 10a GewStG Rz. 102. 225 Vgl. H 10.a3 Abs. 3 GewStH 2016 Abwandlungsbeispiel.

384

Gewerbeverlust | Rz. 183 § 10a GewStG

Für die Form und Frist dieses eigenständigen Antrags gilt § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG entsprechend. Die Grundsätze des § 8d KStG hat die Finanzverwaltung226 ausführlich erläutert, und auch für Zwecke der Gewerbesteuer „entsprechend“ übernommen.227 Anzuwenden ist § 8d KStG auf die „Fehlbeträge“ i.S.d § 10a GewStG (§ 10a Satz 10 GewStG). Ein Ziel des § 8d KStG war es, junge, innovative Unternehmen (Start-ups) vor den negativen Folgen des Verlustunterganges durch Wechsel der Anteilseigner zu bewahren.228 Die Regelung gilt aber auch für alle andere „Körperschaften“.

179

b) § 10a Satz 11 GewStG § 8d KStG ist eine enge, wahlrechtsgebundene Ausnahme zu § 8c KStG zugunsten von Körperschaften. Die Regelung ermöglicht die Nutzung vorhandener Verluste trotz eines schädlichen Beteiligungserwerbs. Die Körperschaft muss seit ihrer Gründung oder zumindest seit dem Beginn des dritten Veranlagungszeitraums, der dem Veranlagungszeitraum, in dem der schädliche Beteiligungserwerb erfolgt, vorausgeht, ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb unterhalten haben. Zudem darf in diesem Zeitraum bis zum Ende des Veranlagungszeitraums des schädlichen Beteiligungserwerbs kein schädliches Ereignis i.S.d. § 8d Abs. 2 KStG eingetreten sein. Schädlich ist etwa die Aufnahme eines zusätzlichen Geschäftsbetriebs oder die Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft.

180

Den Begriff des Geschäftsbetriebs definiert § 8d Abs. 1 Satz 3 und 4 KStG.229 Sind die Tatbestandsmerkmale des § 8d KStG erfüllt, ist der fortführungsgebundene Verlust gesondert festzustellen. Der Verlust ist an den verlusterwirtschaftenden Geschäftsbetrieb gebunden und vom Fortbestehen des konkreten Geschäftsbetriebs abhängig. Dabei kann das Antragsrecht nach § 8d KStG für Körperschaft- und Gewerbesteuer nur einheitlich ausgeübt werden.230 Auf mögliche sachliche Unterschiede der Steuerarten reagiert jetzt § 10 Satz 12 GewStG.231

181

Wurde ein fortführungsgebundener Verlust nach § 8d KStG gesondert festgestellt, ist nach § 10a Satz 11 GewStG auf die Fehlbeträge § 8d KStG entsprechend anzuwenden. Insoweit ist das Gewerbssteuerrecht Folgerecht der Anwendung von § 8d KStG. Der gesondert festgestellte fortführungsgebundene Gewerbeverlust ist nach § 10a Satz 11 GewStG i.V.m. § 8d Abs. 1 Satz 8 KStG vorrangig vor dem vortragsfähigen Fehlbetrag abzuziehen.

182

c) § 10a Satz 12 GewStG Nur für die Fälle, in denen es an nicht genutzten körperschaftsteuerrechtlichen Verlusten gem. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG fehlt und es daher auch an einer Feststellung nach § 8d Abs. 1 Satz 8232 KStG fehlt, schafft § 10a Satz 12 GewStG erstmals ein gesondertes gewerbesteuerrechtliches Antragsrecht für die „entsprechende“ Anwendung des § 8d KStG auf gewerbesteuerrechtliche Fehlbeträge.233 Allerdings stellt § 8d Satz 6 KStG auf einen anderen Zeitpunkt ab als § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG.234

226 227 228 229 230 231 232 233 234

BMF v. 18.3.2021, BStBl. I 2021, 363; dazu Suchanek/Rüsch, Ubg 2021, 181. Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 19.3.2021, BStBl. I 2021, 339. BT-Drucks. 18/10495, 12. In diesem Zusammenhang können Kriterien der Unternehmensidentität auch bei Körperschaften wieder relevant werden, ebenso Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 91. Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 90 m.w.N Näher Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 90 m.w.N. Gemeint ist wohl Satz 6 und 7 des § 8d Abs. 1 KStG. BT-Drucks. 19/25160, 196. Maßgeblich sollte der Ablauf des EZ sein; ebenso Schnitter in Frotscher/Drüen, § 10a GewStG Rz. 103.

385

183

GewStG § 10a Rz. 184 | Gewerbeverlust Der Antrag ist in entsprechender Anwendung des § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG in der Gewerbesteuererklärung für den EZ des schädlichen Beteiligungserwerbs zu stellen und kann ggf. nach amtlichem Datensatz oder amtlichem Vordruck nachgeholt werden.235 184–189

frei

III. Besonderheiten des Verlustabzugs für Organschaften (Satz 3) 1. Allgemeines 190

§ 10a GewStG gestattet den Verlustabzug auch im Fall der gewerbesteuerrechtlichen Organschaft (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Satz 3 enthält insoweit lediglich eine spezielle Regelung für die gewerbesteuerrechtliche Verlustverrechnung.

191

Allgemein gilt auch hier: Organträger (OT) und Organgesellschaft (OG) sind ungeachtet des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG selbständige und kein einheitliches Unternehmen. Die Ermittlung des Gewerbeertrags im Organkreis vollzieht sich wie bisher zweistufig: für jedes Unternehmen wird im ersten Schritt der Gewerbeertrag nach §§ 7 bis 9 GewStG getrennt ermittelt. Im zweiten Schritt werden die Gewerbeerträge zusammengefasst und beim OT der nur einmal Gewerbesteuer unterworfen. Der § 10a GewStG zugrunde liegende Grundsatz, dass der Verlustvortrag sowohl Unternehmer- als auch Unternehmensidentität voraussetzt, gilt auch für Organschaften.236 Das Erfordernis der Unternehmensidentität ist allerdings in Bezug auf den Organträger zu prüfen.237 2. Verlustverrechnung a) Innerorganschaftliche Verluste

192

Solange eine Organschaft besteht, erfolgt ein Verlustausgleich der erzielten Verluste innerhalb des Organkreises. Ein negativer Gewerbeertrag (der zweiten Stufe) als Ergebnis der Zusammenfassung der jeweiligen negativen und positiven Gewerbeerträge der Organgesellschaften (der ersten Stufe) der Mitglieder des Organkreises führt dazu, dass zukünftig der innerorganschaftliche Verlust beim OT als Verlustvortrag zu berücksichtigen ist. § 10a GewStG ist dann auf der zweiten Stufe der Ermittlung des Gewerbeertrags anzuwenden. Voraussetzung ist hier, dass im maßgeblichen EZ Unternehmens- und Unternehmeridentität auf beiden Stufen gewährleistet ist.238

193

Allerdings gilt im Rahmen der gewerbesteuerrechtlichen Organschaft die Besonderheit, dass Verluste der OG, die während der Dauer der Organschaft entstanden sind, auch nach deren Beendigung nur von dem maßgebenden Gewerbeertrag des OT abgesetzt werden können.239 Mithin kann es nur einen Fehlbetrag geben, der dem OT zusteht. Dieses Ergebnis folgt auch aus §§ 10, 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG und verhindert praktisch auch Gewinnverlagerungen innerhalb des Organkreises.240 Die Frage des Endes der sachlichen Steuerpflicht und damit der Unternehmensidentität ist daher in Bezug auf den (ehemaligen) OT zu prüfen. 241

235 BT-Drucks. 9/25160, 216. 236 Beispiele: BFH v. 27.6.1990 – I R 183/85, BStBl. II 1990, 916; v. 23.1.1992 – XI R 47/89, BStBl. II 1992, 630; 7.9.2016 – IV R 31/13, BStBl. II 2017, 482; v. 4.5.2017 – IV R 2/14, BStBl. II 2017, 1138. 237 BFH v. 27.6.1990 – I R 183/85, BStBl. II 1990, 916. 238 BFH v. 4.5.2017 – IV R 2/14, BStBl. II 2017, 1138. 239 BFH v. 4.5.2017 – IV R 2/14, BStBl. II 2017, 1138 m.w.N.; R 10a.4 GewStR 2009; H 10a.4 Organschaftliche Verluste GewStH 2016 mit Verweis schon auf BFH v. 27.6.1990 – I R 183/85, BStBl. II 1990, 916. 240 Ebenso Güroff in Glanegger/Güroff10, § 10a GewStG Rz. 107. 241 BFH v. 4.5.2017 – IV R 2/14, BStBl. II 2017, 1138 m.w.N.

386

Gewerbeverlust | Rz. 202 § 10a GewStG

b) Außerorganschaftliche Verluste Seit EZ 2004 sind nach § 10a Satz 3 GewStG noch nicht aufgebrauchte Verlustvorträge einer OG, die aus der Zeit vor dem rechtswirksamen Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags stammen (vororganschaftliche Verluste), wie bei der Körperschaftsteuer vom Verlustabzug während der Organschaft ausgeschlossen.242 Dies gilt nicht für Verluste der OG, die nach Abschluss des Gewinnabführungsvertrages entstanden sind.243 Dementsprechend können diese Verluste auf Ebene der OG nach Maßgabe des § 10a Satz 1 und 2 GewStG jeweils höchstens bis auf null mit positiven Gewerbeerträgen der OG ausgeglichen werden können.244 Allerdings kann die OG diese Fehlbeträge erst nach Beendigung der Organschaft abziehen, sofern dann Unternehmensund Unternehmeridentität besteht.245 Für den OT selbst bestehen solche gesetzlichen Einschränkungen der Verlustnutzung nicht. Er kann daher grundsätzlich eigene vororganschaftliche und außerorganschaftliche Fehlbeträge mit positiven Gewerbeerträgen des Organkreises verrechnen.246 frei

194

195–199

IV. Entsprechende Anwendung der §§ 8 Abs. 8 und 9 Sätze 5 bis 8 KStG für die Verlustnutzung bei Gewerbebetrieben der öffentlichen Hand (Satz 9) 1. Allgemein § 10a Satz 9 GewStG begrenzt den Verlustabzug für bestimmte Betriebe der öffentlichen Hand für Zwecke der Gewerbesteuer. Danach sind ab EZ 2009247 die in § 8 Abs. 8 und 9 Satz 5 bis 8 KStG enthaltenen Verlustabzugsbeschränkungen für den gewerbesteuerrechtlichen Verlustabzug „entsprechen anzuwenden“. Daneben sind die allgemeinen Voraussetzungen des § 10a GewStG unmittelbar anzuwenden.

200

§ 8 Abs. 8 KStG und § 8 Abs. 9 Satz 5 - 9 KStG (sog. Spartentrennung) geben für Zwecke der Körperschaftsteuer eine Einschränkung der Verlustverrechnung bei zusammengefassten Betrieben gewerblicher Art (§ 4 KStG, BgA) und bei bestimmten Kapitalgesellschaften der öffentlichen Hand (Eigengesellschaften, § 8 Abs. 7 Nr. 2 Satz 1 KStG) vor, wenn sie strukturell dauerdefizitäre Tätigkeiten ausüben. Solche „Dauerverlustgeschäfte“ (§ 8 Abs. 7 Satz 2 KStG) praktizieren besonders die Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge (z.B. Schwimmbäder oder Kultureinrichtungen). § 10a Satz 9 GewStG verweist lediglich auf § 8 Abs. 9 Satz 5–8 KStG. § 8 Abs. 9 Satz 9 KStG gilt für Sanierungserträge und ihre Zuordnung im Rahmen der Spartenrechnung. Insoweit gilt § 7b GewStG vorrangig.

201

Es handelt sich an sich um eine verdeckte Gewinnausschüttung an die staatlichen Rechtsträger. § 8 Abs. 7 KStG bestimmt aber, dass die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung insoweit nicht zu ziehen sind. Diese besondere Regelung des JStG 2009 ist ein für die öffentliche Hand als Steuerpflichtigem begünstigendes Nichtanwendungsgesetz als Reaktion auf die Entscheidung des BFH v. 22.8.2007. 248 Sie gestattet im Grundsatz, dass

202

242 Ebenso R 10a.4 Satz 2 GewStR 2009. 243 Ebenso R 10a.4 Satz 3, 4 GewStR 2009. Zum maßgeblichen Zeitpunkt (str.) Güroff in Glanegger/ Güroff10, § 10a GewStG Rz. 108; BMF v. 10.11.2005, BStBl. I 2005, 1038 Rz. 25. 244 R 10a.4 Satz 5 GewStR 2009. 245 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 10a GewStG Rz. 108 m.w.N. Zu anderen außerorganschaftlichen Verlusten der OG Güroff in Glanegger/Güroff10, § 10a GewStG Rz. 110; R 10a.4 Satz 1 GewStR 2009. 246 Ebenso Güroff in Glanegger/Güroff10, § 10a GewStG Rz. 109 m.w.N. (str.) 247 § 36 Abs. 9 Satz 8 f. GewStG i.d.F. des JStG 2009. 248 BFH v. 22.8.2007 – I R 32/06, BStBl. II 2007, 961; dazu BMF v. 7.12.2007, BStBl. I 2007, 905 (Nichtanwendungserlass).

387

GewStG § 10a Rz. 203 | Gewerbeverlust diese Betriebe regelmäßig erhebliche steuerliche Verluste ansammeln und mit Gewinnen verrechnen könnten. 203

Diese Verluste aus dauerdefizitären BgA und Eigengesellschaften sollen im Weiteren jedoch nicht mit Gewinnen aus profitablen Tätigkeiten verrechnet werden dürfen. § 8 Abs. 8 und 9 KStG begrenzen diese Verlustverrechnung. Es handelt sich gleichwohl um ein spezifisches steuerrechtliches Verlustmodell, das der öffentlichen Hand vorbehalten ist. Dies ist gleichheits- und beihilferechtlich fragwürdig.249

204

Insoweit besteht hier im Ergebnis grundsätzlich Übereinstimmung mit dem Verlustabzug bei der Körperschaftsteuer. Ihre Übertragung auf die Gewerbesteuer ist daher im Prinzip folgerichtig und finanzpolitisch erwünscht. Ein Verlustrücktrag ist im Rahmen des § 10a GewStG, anders als bei § 8 KStG, auch bei entsprechender Anwendung nicht zulässig. 2. Betriebe gewerblicher Art a) Allgemeines

205

Ein BgA der öffentlichen Hand i.S.d. § 4 KStG sind nur gewerbesteuerbar, wenn es sich zugleich um Gewerbebetriebe i.S.d. § 2 GewStDV i.V.m. §§ 1, 2 GewStG handelt. § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStDV stellt klar, dass für die Frage, ob ein Betrieb der öffentlichen Hand als stehender Gewerbebetrieb anzusehen ist, auch die Zusammenfassungsgrundsätze des § 4 Absatz 6 Satz 1 KStG maßgebend sind. Maßgebend ist danach, ob das nach diesen Grundsätzen zusammengefasste Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird. Insb. „reine“ Dauerverlustbetriebe scheiden mangels Gewinnerzielungsabsicht aus. § 8 Abs. 1 Satz 2 KStG ist für den Begriff des Gewerbebetriebs und die Ermittlung des Gewerbeertrags ohne Bedeutung. Die für körperschaftsteuerrechtliche Zwecke ermittelten Ergebnisse nach § 7 Satz 1 GewStG sind u.a. unter Beachtung der §§ 8, 9 GewStG (Hinzurechnungen und Kürzungen) für gewerbesteuerrechtliche Zwecke anzupassen.

206

Steuersubjekt und Unternehmer i.S.d. § 10a GewStG und i.S.d. § 5 Abs. 1 GewStG ist bei einem BgA ähnlich wie bei der Körperschaftsteuer250 nicht der Gewerbebetrieb als solcher. Vielmehr ist Unternehmer nach Auffassung des BFH251 der rechtliche Träger. Dies ist die juristische Person des öffentlichen Rechts, z.B. eine Gemeinde oder eine öffentlich-rechtliche Universität. Die Trägerkörperschaft ist wegen jedes einzelnen BgA das zuständige Steuersubjekt.

207

Auch für diese Gewerbebetriebe gilt das Eingangserfordernis des § 10a GewStG der Unternehmens- und Unternehmeridentität. Ein Verlustvortrag nach § 10a GewStG ist danach nur zulässig, wenn beide Merkmale in dem Zeitraum zwischen dem Verlustentstehungsjahr und dem Verlustanrechnungsjahr ununterbrochen erfüllt waren. Dies gilt auch für zusammengefasste BgA. Änderungen der sachlichen Tätigkeit oder in der Rechtsträgerschaft können zu Verlustuntergang führen.252

208

Geht ein BgA nach Landesrecht im Wege der „Gesamtrechtsnachfolge“ auf eine Anstalt des öffentlichen Rechts über, liegt ein Betriebsübergang im Ganzen vor. Nach § 2 Abs. 5, § 10a Satz 8 GewStG besteht keine Unternehmeridentität. Ein nicht genutzter Verlustabzug geht nicht auf den Rechtsnachfolger über. Das UmwStG ist hier nicht anwendbar. 253

249 Zur Beihilfeproblematik des § 8 Abs. 7 KStG vgl. die Vorlage zum EuGH des BFH v. 13.3.2019 – I R 18/19, DStR 2019, 2296, erledigt durch Klagerücknahme BFH v. 29.1.2020, I R 4/20. 250 BFH v. 13.3. 1974 – I R 7/71, BStBl. II 1974, 391. 251 BFH v. 12.1.2011 – I R 112/08, BFH/NV 2011, 1194. 252 BFH v. 4.12.1991 – I R 74/89, BStBl. II 1992, 432. 253 BFH v. 12.1.2011 – I R 112/09, BFH/NV 2011, 1194.

388

Gewerbeverlust | Rz. 213 § 10a GewStG

b) Begrenzte Verlustverrechnung für zusammengefasste BgA aa) Allgemeines Ab EZ 2009 sind für zusammengefasste BgA die Sonderregelungen in § 8 Abs. 8 KStG entsprechend anzuwenden. § 8 Abs. 8 KStG regelt den Verlustvor- und -rücktrag zwischen zusammengefassten BgA und der einzelnen BgA vor Zusammenfassung. Zunächst gilt vor Anwendung des § 8 Abs. 8 KStG: auch für die Gewerbesteuer können Verluste, die in einem BgA entstanden sind, mit späteren Gewinnen desselben Betriebs verrechnet werden. Maßgeblich ist jeweils der maßgebende EZ. Trotz entsprechender Anwendung des § 8 Abs. 8 KStG gilt auch für (zusammengefasste) BgA im Rahmen der Gewerbesteuer: Ein Verlustrücktrag nach § 8 Abs. 8 Satz 3 KStG ist gewerbesteuerrechtlich nach § 10a Satz 1 GewStG nicht zulässig.

209

Im Übrigen gilt: Auf zusammengefasste BgA ist auch für Zwecke der Gewerbesteuer § 10d EStG (entsprechend) anzuwenden (§ 8 Abs. 8 Satz 1 KStG). Der zusammengefasste BgA stellt mithin für Zwecke der Verlustverrechnung ein eigenes Ermittlungssubjekt dar. Kommt es zu einer Zusammenfassung von BgA, so ist § 10d EStG auf den BgA anzuwenden, der sich durch die Zusammenfassung ergibt (§ 8 Abs. 8 Satz 1 KStG). Hinsichtlich weiterer Bedingungen für den Verlustabzug ist zu unterscheiden, ob es sich um eine Zusammenfassung von nicht gleichartigen BgA oder gleichartigen BgA handelt (§ 8 Abs. 9 Satz 5 i.V.m. § 4 Abs. 6 Nr. 1 bis 3 KStG).

210

bb) Nicht gleichartige BgA Verlustvorträge einzelner BgA aus der Zeit vor der Zusammenfassung können nicht mit dem Gewerbeertrag des zusammengefassten Betriebs verrechnet werden, sondern erst nach Beendigung der Zusammenfassung bei dem betroffenen BgA abgezogen werden (§ 8 Abs. 8 Satz 2 und 4 KStG). Voraussetzung ist die Unternehmensidentität, d.h. die gleiche Tätigkeit des BgA. Wird einem BgA, der mehrere nicht gleichartige Tätigkeiten ausübt, ein weiterer neuer Tätigkeitsbereich zugeführt, entsteht ein neuer BgA. Ein zuvor entstandener Verlustvortrag entfällt nach den allgemeinen Grundsätzen der Unternehmensidentität des § 10a GewStG. Veränderungen innerhalb eines Tätigkeitsbereichs (z.B. Erweiterung des Verkehrsbetriebs von Bussen um Straßenbahnen im Rahmen eines BgA Verkehr) sind dagegen unschädlich.254 Keine Regelung besteht für Verluste, die während der Zusammenfassung des BgA entstanden sind, aber noch nicht abgezogen werden konnten. Diese sollten nach Beendigung der Zusammenfassung bei dem Betrieb abziehbar sein, der sie erlitten hat.255

211

cc) Gleichartige BgA Die Einschränkungen nach § 8 Abs. 8 Sätze 2 bis 4 KStG gelten nicht, wenn gleichartige BgA zusammengefasst oder getrennt werden (§ 8 Abs. 8 Satz 5 KStG). Danach gelten für den Verlustabzug i.S.d. §10d EStG keine weiteren Einschränkungen. Demnach können Verlustvorträge aus der Zeit vor der Zusammenfassung mit Einkünften des zusammengefasten BgA verrechnet werden. Ebenso können neu entstehende Verluste auf einzelne BgA übertragen werden. Voraussetzung ist Unternehmensidentität.256

212

Die Kriterien der Zusammenfassung von BgA regelt § 4 Abs. 6 Satz 1 und 2 KStG. Eine gesetzliche Definition der Gleichartigkeit (§ 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG) besteht nicht. Die Verkehrs- und Versorgungsbetriebe (§ 4 Abs. 3, 6 Satz 1 Nr. 3 KStG) gelten nach Auffassung der Finanzverwaltung als gleichartig,257 da dort eine enge sachliche Verknüpfung besteht.

213

254 255 256 257

BMF v. 12.11.09, BStBl. I 2009, 1303 Rz. 64. Ebenso Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 100. Vgl. für die Körperschaftsteuer BFH v. 4.12.1991 – I R 74/89, BStBl. II 1992, 432. BMF v. 12.11.2009, BStBl. I 2009, 1303 Rz. 4.

389

GewStG § 10a Rz. 214 | Gewerbeverlust Nach der Rechtsprechung258 sind gleichartige BgA gegeben: bei einem gleichen Betriebszweck, bei Tätigkeiten, die im gleichen Gewerbezweig ausgeübt werden, und auch dann, wenn die Tätigkeiten sich zwar unterscheiden, aber sich ergänzen. Ein (Quer-)Verbund von BgA erlaubt es der öffentlichen Hand Verluste mit Gewinnen zu verrechnen. Ein BgA darf nicht mit einem Hoheitsbetrieb zusammengefasst werden (§ 4 Abs. 6 Satz 2 KStG; vgl. aber § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 KStG). Beispiel259: Eine Stadt unterhält den BgA „Bad Ost und West“ und den BgA „ÖPNV“. Zum 31.12.08 sind beim Bäder-BgA 100.000 € Verlustvortrag und beim Verkehrs-BgA 300.000 € Verlustvortrag festgestellt. In 09 als auch in 10 erzielt der BgA „Bad Ost und West“ jeweils einen Jahresverlust von 10.000 € und der Verkehrsbetrieb in 09 als auch in 10 jeweils einen Jahresverlust von 20.000 €. In 10 eröffnet die Stadt zusätzlich das Bad „Süd“, das einen Gewinn von 1.000 € erzielt. In 10 betreibt die Stadt auch noch die Stromversorgung mit einem Gewinn von 11.000 €. Lösung: Für den BgA Bad „Ost und West“ wird zum 31.12.09 ein Verlustvortrag von 110.000 € festgestellt. Durch die Eröffnung des Bad „Süd“ kann die Stadt, da eine gleichartige Tätigkeit vorliegt, den BgA zum BgA „Bad Ost, West und Süd“ erweitern, dessen Verlustvortrag zum 31. Dezember 10 auf 110.000 + 10.000 ./. 1000 = 119.000 € festzustellen ist. Für den BgA Bad „Ost und West“ wird zum 31.12.09 ein Verlustvortrag von 110.000 € festgestellt. Durch die Eröffnung des Bad „Süd“ kann die jPöR, da eine gleichartige Tätigkeit vorliegt, den BgA zum BgA „Bad Ost, West und Süd“ erweitern, dessen Verlustvortrag zum 31. 12.10 auf 110.000 + 10.000 ./. 1000 = 119.000 € festzustellen ist.

3. Eigengesellschaften a) Allgemeines 214

Kapitalgesellschaften, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist, sind gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG stets und in vollem Umfang Gewerbebetriebe. Dies gilt auch für sog. Eigengesellschaften i.S.d. § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 (Satz 2) GewStG, auch dann, wenn sie ein Dauerverlustgeschäft i.S.d. § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG ausüben. Die für körperschaftsteuerrechtliche Zwecke ermittelten Ergebnisse nach § 7 Satz 1 GewStG sind u.a. unter Beachtung der §§ 8, 9 GewStG (Hinzurechnungen und Kürzungen) für gewerbesteuerrechtliche Zwecke anzupassen. Auch für diese Gewerbebetriebe gilt zwar grundsätzlich das Eingangserfordernis des § 10a GewStG der Unternehmens- und Unternehmeridentität. Der Gewerbebetrieb ist aber stets und in vollem Umfang das Unternehmen, die Kapitalgesellschaft die Unternehmerin, nicht dagegen die öffentlichen Anteilseigner. Änderungen in der Rechtsträgerschaft können dennoch gem. § 8c KStG zum Verlustuntergang führen.

215

Für Eigengesellschaften, die auch Dauerverlustgeschäfte ausüben, gelten nach § 8 Abs. 9 KStG die Besonderheiten der Spartenrechnung, die gewerbesteuerrechtliche Folgen haben. Die Bildung der Sparten lässt zunächst die Steuerpflicht der Kapitalgesellschaft selbst unberührt. Für die Ermittlung der Spartenergebnisse sind die Wirtschaftsgüter und Geschäftsvorfälle sowie die allgemeinen Verwaltungskosten den einzelnen Sparten sachgerecht zuzuordnen.260

216

Bereits § 7 Satz 5 GewStG i.V.m. § 8 Abs. 9 Satz 1 bis 3 KStG schließen für Eigengesellschaften i.S.d. § 8 Abs. 7 Nr. 2 KStG, die neben einem Dauerverlustgeschäft weitere Tätigkeiten ausüben, den Verlustausgleich zwischen den einzelnen Sparten aus. Vielmehr sind die Gewerbeerträge für jede Sparte getrennt zu ermitteln (Spartentrennung). § 7 Satz 5 Halbs. 2 GewStG ist das gewerbesteuerrechtliche Pendant zu § 8 Abs. 9 Satz 1 bis 4 KStG und bildet die Brücke zu § 10a Satz 9 GewStG. 258 BFH v. 11.2.1997 – I R 161/94, BFH/NV 1997, 625; v. 9.8.1989 – X R 130/87, BStBl. II 1989, 901. 259 Nach BMF v. 12.11.2009, BStBl. I 2009, 1303 Rz. 64. 260 Zur Sparteneinteilung, Berechnung und Verlustabzug BMF v. 12.11.2009, BStBl. I 2009, 1303 Rz. 68 ff. 80, 83.

390

Gewerbeverlust | Rz. 224 § 10a GewStG

Die Zuordnung der Wirtschaftsgüter bzw. der Geschäftsvorfälle der Kapitalgesellschaft auf die einzelnen Sparten ist für die Hinzurechnung bzw. Kürzung nach §§ 8 und 9 GewStG maßgebend. Der Freibetrag des § 8 Nr. 1 GewStG ist nur für die Eigengesellschaft zu gewähren. Er ist auf die einzelnen Sparten entsprechend dem Verhältnis aufzuteilen, wie die Hinzurechnungsbeträge (vor Freibetrag) auf die Sparten entfallen. Der Betrag von 1 Mio. € ist nach § 10a Satz 2 GewStG pro Sparte zu ermitteln.

217

b) Begrenzte Verlustverrechnung für Eigengesellschaften Für sog. Eigengesellschaften (Kapitalgesellschaften) finden sodann § 8 Abs. 9 Sätze 5 bis 7 KStG (entsprechende) Anwendung. Es muss sich um eine Eigengesellschaft gem. § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG handeln. Hiernach muss sich die Mehrheit der Stimmrechte an einer Kapitalgesellschaft, die auch ein Dauerverlustgeschäft ausübt, unmittelbar oder mittelbar in der Hand von juristischen Personen des öffentlichen Rechts befinden und ausschließlich diese tragen die Verluste aus Dauerverlustgeschäften.

218

Bei Kapitalgesellschaften führt der Betrieb unterschiedlicher Teilbereiche grundsätzlich zu einer Zusammenfassung auf Ebene der Gesellschaft. Die in § 8 Abs. 9 KStG geregelte Spartenrechnung soll eine rechtsformneutrale Gleichbehandlung mit dem BgA sichern. Dies erfolgt, indem auch auf Ebene der Eigengesellschaft, verschiedene Bereiche unterschieden werden.

219

Nach § 10a Satz 9 GewStG sind § 8 Abs. 9 Satz 5 bis 8 KStG „entsprechend“ anzuwenden. Dies ist nur bei „gutem Willen“ möglich.261 § 10a Satz 9 GewStG i.V.m. § 8 Abs. 9 Satz 5 bis 8 KStG verhindern eine spartenübergreifende Verlustverrechnung. Die Regelungen privilegieren insgesamt namentlich kommunale Unternehmen, ihre Träger und die Trägerhaushalte.

220

Gem. § 8 Abs. 9 Satz 5 KStG erfolgt der Verlustvor- und -rücktrag nur innerhalb der jeweiligen Sparten. Die Regelung („Er“...) knüpft hier an § 7 Satz 5 Halbs. 2 GewStG an. Das bedeutet, dass für die Zwecke der Verlustverrechnung jede Sparte als eigenständig anzusehen ist. Ein verbleibender Verlustvortrag ist gesondert festzustellen; ein Verlustrücktrag ist entgegen dem Wortlaut gewerbesteuerrechtlich gerade nicht möglich. Wird eine Sparte aufgegeben, entfällt ihr Verlustvortrag.262

221

Nach § 8 Abs. 9 Satz 6 und 7 KStG ist die Kapitalgesellschaft als einheitliches Rechtssubjekt zu behandeln.263 Wenn die Voraussetzungen der Spartenregelung innerhalb eines EZ wegfallen, gehen Verlustvorträge der einzelnen Sparten unter (§ 8 Abs. 9 Satz 6 KStG). Die Spartenrechnung wird innerhalb eines EZ beendet, wenn Stimmrechtsmehrheit oder Verlusttragung der öffentlichen Hand wegfallen.

222

Treten die Voraussetzungen der Spartenregelung innerhalb eines EZ ein, kann ein bis dahin entstandener laufender Verlust sowie ein Verlustvortrag nach § 8 Abs. 9 Satz 7 KStG noch spartenübergreifend abgezogen werden. Ein danach verbleibender Verlust ist derjenigen Sparte zuzuordnen, in der keine Dauerverlustgeschäfte betrieben werden. Die laufenden Gewinne dieses VZ sind für Zwecke der letztmaligen Spartenrechnung entsprechend aufzuteilen. Nicht ausgeglichene oder abgezogene negative Beträge sowie verbleibende Verlustvorträge aus den Sparten, in denen Dauerverlusttätigkeiten ausgeübt werden, entfallen. Verluste, die vor Eintritt der Voraussetzungen zur Spartenrechnung entstehen, sind bis zu diesem Zeitpunkt abzugsfähig. Danach sind sie der Sparte (§ 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 KStG) zuzuordnen, in der keine Dauerverlustgeschäfte ausgeübt werden.

223

Abschließend bildet § 10a Satz 9 GewStG i.V.m. § 8 Abs. 9 Satz 8 KStG die Rechtsgrundlage für die gesonderte Feststellung der Fehlbeträge in den jeweiligen Sparten. Danach ist der am Schluss des EZ verbleibende Verlustvortrag einer Sparte mit Wirkung für die

224

261 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 10a GewStG Rz. 89a moniert zu Recht, dass der Verweis redaktionell und materiell missglückt sei. 262 Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 101. 263 Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 223.

391

GewStG § 10a Rz. 225 | Gewerbeverlust nachfolgenden EZ gesondert festzustellen. Im Fall eines späteren Verlustabzugs ist die Mindestbesteuerung pro Sparte zu berücksichtigen.264 225–229

frei

V. Durchführung und Verfahren des gewerbesteuerrechtlichen Verlustabzugs 1. Ermittlung des Gewerbeverlusts 230

Nach § 10a Satz 1 GewStG ist der „maßgebende Gewerbeertrag“ i.S.d. § 10 GewStG zu kürzen. Maßgebend ist in sachlicher Hinsicht der nach den vorgelagerten Regelungen ermittelte Gewerbeertrag. Zeitlich ist der im jeweiligen EZ bezogene Gewerbeertrag maßgebend.

231

Der positive oder negative Gewerbeertrag ermittelt sich nach §§ 2, 7 bis 9 GewStG. Der nach den einkommensteuerrechtlichen (körperschaftsteuerrechtlichen) Vorschriften ermittelte Gewinn oder Verlust aus Gewerbebetrieb (§ 7 Satz 1 GewStG) ist um die in §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge zu erhöhen bzw. zu vermindern.265 Dadurch kann sich ein Gewerbeverlust ergeben, obwohl einkommensteuerrechtlich oder körperschaftsteuerrechtlich ein Gewinn aus Gewerbebetrieb vorliegt.266 Aufgrund der Hinzurechnungen kann umgekehrt ein positiver Gewerbeertrag auch dann vorliegen, wenn ein Verlust aus Gewerbebetrieb anzusetzen ist.

232

Steuerfreie Einnahmen mindern den nach § 10a GewStG abziehbaren Verlust im Entstehungsjahr nicht.267 Auch Aufgabe- und Veräußerungsgewinne dürfen den Gewerbeverlust nach h.M. nicht mindern,268 da sei nicht in einem „werbenden“ Gewerbebetrieb angefallen sind; dies gilt entsprechend für Veräußerungsverluste. § 7 Satz 2 GewStG ist jeweils zu beachten. Gleiches gilt nach h.M. für vorweggenommene Betriebsausgaben.269

233

Ausländische Einkünfte (Gewinne oder Verluste), die in einer ausländischen Betriebstätte des inländischen Gewerbebetriebs entstanden sind, sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 9 Nr. 3 GewStG (Territorialitätsprinzip) bei der Ermittlung des Gewerbeertrags grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.270

234

Da sich für das entsprechende Jahr kein maßgebender Gewerbeertrag ergibt, können Gewerbeverluste eines nach § 3 GewStG befreiten Gewerbebetriebs nach Wegfall der Steuerbefreiung nicht im Rahmen von § 10a GewStG berücksichtigt werden. Waren vor Eintritt der Steuerbefreiung noch nicht ausgeglichene Fehlbeträge vorhanden, so lebt die Verlustabzugsmöglichkeit für diese Beträge mit dem Wegfall der Steuerbefreiung wieder auf, wenn die Unternehmer- und Unternehmensidentität gewahrt bleibt.271

235

Ein Fehlbetrag liegt vor, wenn der maßgebende Gewerbeertrag (§ 10 GewStG) negativ ist. Die Höhe der vortragsfähigen Fehlbeträge ist im Entstehungsjahr und – soweit diese nicht vollständig verbraucht sind – im Abzugsjahr gesondert festzustellen (§ 10a Satz 6 GewStG).272

264 265 266 267 268 269 270

BMF v. 12.11.2009, BStBl. I 2009, 1303 Rz. 96. R 10a.1 Abs. 1 Satz 4 GewStR 2009. R 10a.1 Abs. 1 Satz 5 GewStR 2009. R 10a.1 Abs. 1 Satz 3 GewStR 2009. R 10a.1 Abs. 1 Satz 4 GewStR 2009. BFH v. 19.8.77 – IV R 107/74, BStBl. II 78, 23. Zu den Besonderheiten finaler Verluste von ausländischen Betriebsstätten BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, IStR 2010, 663; v. 22.2.2017 – I R 2/15, BStBl. II 2017, 709; anhängige Vorlage BFH v. 6.11.2019 – I R 32/18, BStBl. II 2022, 68, Az. EuGH C-538/20. 271 BFH v. 9.6.1999 – I R 92/98, BStBl. II 1999, 733. 272 R 10a.1 Abs. 2 Satz 1 GewStR 2009.

392

Gewerbeverlust | Rz. 240 § 10a GewStG

2. Abzug des Gewerbeverlusts (Satz 1) und Mindestversteuerung (Satz 2) Haben sich in den vorangegangenen EZ negative Gewerbeerträge ergeben und sind diese in den Vorjahren (EZ, Entstehungsjahre) nicht ausgeglichen worden, so sind die noch nicht verbrauchten Fehlbeträge der vergangenen Jahre nach Ermittlung eines positiven maßgebenden Gewerbeertrags im Rahmen des Verlustabzugs zu „berücksichtigen“. Der Verlustabzug setzt mithin voraus, das der Gewerbebetrieb im Entstehungsjahr einen negativen Gewerbeertrag und im Abzugsjahr einen positiven Gewerbeertrag hatte.

236

Bis zu einem maßgebenden Gewerbeertrag von 1 Mio. Euro (Sockelbetrag) erfolgt für die in den Vorjahren nicht ausgeglichenen Fehlbeträge eine Verrechnung in unbegrenzter Höhe (Satz 1), indem der je maßgebende Gewerbeertrag um diese Fehlbeträge gekürzt wird.

237

Soweit der maßgebende Gewerbeertrag im Kürzungsjahr 1 Mio. Euro übersteigt, ist er nach Satz 2 nur zu 60 % mit einem nach Satz 1 nicht ausgeglichenen Verlustvortrag zu verrechnen (Mindestbesteuerung). Nicht verrechnete Beträge werden weiter für die folgenden EZ vorgetragen. Im Fall eines endgültigen Ausschlusses der Verlustverrechnung durch die Mindestbesteuerung kommt es zu sog. Definitivbelastungen und einer Substanzbesteuerung.

238

Beispiel: Für einen Einzelunternehmer ergibt sich nach § 10 GewStG für 02 und 03 ein maßgebender Gewerbeertrag von jeweils 1.300.000 €. Für 01 ergab sich ein negativer Gewerbeertrag von 1.200.000 €. Der Gewerbeverlust 01 ist in 02 in folgender Höhe zu berücksichtigen: 1.000.000 € + 60 % von 300.000 € (180.000 €), insgesamt 1.180.000 €. Als Gewerbeertrag für 02 verbleibt ein Betrag von 120.000 €. Für 03 steht noch ein Fehlbetrag von 20.000 € zur Verfügung. Dieser wird in 03 vollständig verbraucht und führt zu einem Gewerbeertrag für 03 in Höhe von 1.280.000 €.

Der maßgebende Gewerbeertrag ist in zeitlicher Hinsicht vor Anwendung von § 10a GewStG für den gesamten EZ einheitlich zu ermitteln.273 Dies führt dazu, dass die bei einer Mitunternehmerschaft nach einem unterjährigen (nur partiellen) Gesellschafterwechsel, der nicht zu einer Beendigung der sachlichen Steuerpflicht führt, die entstandenen Verluste mit vor dem Gesellschafterwechsel entstandenen Gewinnen und umgekehrt zu verrechnen sind.274 Folglich ist ein nach dem Gesellschafterwechsel entstandener Verlust kein für die Zukunft gesondert vortragsfähiger Fehlbetrag i.S.d. § 10a GewStG.

239

Auch bei einer Verschmelzung von Personengesellschaften ist bezogen auf Verluste und Gewinne vor und nach dem Verschmelzungszeitpunkt innerhalb des EZ ein entsprechender Verlustausgleich vorzunehmen.275 Der für den ganzen EZ insgesamt ermittelte Gewerbeertrag ist vor der Anwendung von § 10a GewStG den Zeiträumen vor und nach dem Gesellschafterwechsel zuzuordnen.276 Ein Ausgleich mit bei den bisherigen Gesellschaftern in den Vorjahren entstandenen Fehlbeträgen kann danach nur bis zu dem auf die bisherigen Gesellschafter entfallenden Anteil am gesamten Gewerbeertrag stattfinden.

240

273 BFH v. 22.1.2009 – IV R 90/05, BFH/NV 2009, 843. Nach Auffassung des FG BW v. 18.5.2017 – 1 K 3691/15, EFG 2017, 1183, aufgehoben aus anderen Gründen durch BFH v. 19.12.2019 – IV R 8/17, BStBl. II 2020, 401, ist der Höchstbetrag auf die Zeit vor und nach dem Gesellschafterwechsel zeitanteilig aufzuteilen. Näher Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 188 ff. 274 R 10a.3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 9 Satz 1 GewStR 2009; H 10a. 1 (Partieller) Gesellschafterwechsel bei einer Personengesellschaft GewStH 2016 mit Verweis auf BFH v. 26.6.1996 – VIII R 41/95, BStBl. II 1997, 179; später BFH v. 22.1.2009 – IV R 90/05, BFH/NV 2009, 843. Vgl. zu Beispielen Schnitter in Frotscher/Drüen, § 10a GewStG Rz. 45a. BFH v. 19.12.2019 – IV R 8/17, BStBl. II 2020, 401 hat die Folgen eines praxisrelevanten „unterjährigen“ Unternehmerwechsels für § 10a GewStG noch nicht abschließend geklärt. 275 H 10a 1 Verlustausgleich bei Verschmelzung von Personengesellschaften GewStH 2016 mit Verweis auf BFH v. 14.9.1993 – VIII R 84/90, BStBl. II 1994, 764. 276 So R 10a. 3 Abs. Satz 9 Nr. 9 Satz 2 und 3 GewStR 2009.

393

GewStG § 10a Rz. 241 | Gewerbeverlust Beispiel: Eine KG besteht aus den Kommanditisten A und B und der voll haftenden GmbH Z, die am Gewinn und Verlust nicht teilnimmt. Wirtschaftsjahr ist das Kalenderjahr. Bis zum 30.12.09 bestand für die KG ein gewerbesteuerrechtlich nicht ausgeglichener Fehlbetrag in Höhe von 6.000.000 €. Zum 1.12.10 veräußern A und B ihre Kommanditanteile an C und D. Für das Jahr 10 erzielte die KG insgesamt einen maßgebenden Gewerbeertrag von 500.000 €. Dieser setzt sich aus einem positiven Betrag von 5.500.000 € bis zum 30.11.10 und einem negativen Betrag von 5.000.000 € für den Dezember 10 zusammen. Die sachliche Steuerpflicht der KG besteht fort. Es liegt zwar kein Fall des Unternehmerwechsels i.S.d. § 2 Abs. 5 GewStG vor; § 10a Satz 8 GewStG ist daher nicht anwendbar. Allerdings entfällt der Verlustvortrag anteilig nach § 10a Satz 4, 5 GewStG auf die ausgeschiedenen Gesellschafter. Insoweit entfällt die Unternehmeridentität der KG. Für die Ermittlung des Gewerbeertrags ist unter Zusammenfassung der Teilergebnisse für 10 ein einheitlicher positiver maßgebender Gewerbeertrag in Höhe von 500.000 € zu bilden (intraperiodischer Ausgleich). Eine grundsätzlich vorzunehmende zeitanteilige Zuordnung der 500.000 € auf die Zeiträume vor und nach dem Gesellschafterwechsel würde nach Auffassung der Finanzverwaltung277 zu einem „offensichtlich unzutreffenden Ergebnis“ führen. Der per Saldo noch positive Gewerbeertrag ist hier insgesamt den Gesellschaftern A und B bis zu deren Ausscheiden zuzuordnen. Unter Einsatz von 500.000 € aus den Fehlbeträgen der Gesellschafter A und B für die vorangegangenen Jahre, die wie der insgesamt positive maßgebende Gewerbeertrag 10 ausschließlich den Kommanditisten A und B zuzurechnen sind, ergibt sich für 10 nach Anwendung von § 10a GewStG ein Gewerbeertrag von Null. Der verbleibende vortragsfähige Fehlbetrag aus den Jahren vor 10 steht der KG durch das Ausscheiden der Gesellschafter A und B zukünftig gewerbesteuerrechtlich nicht mehr zur Verfügung.

241

Die Verrechnung mit einem positiven Gewerbeertrag bis auf 0 € ist auch vorzunehmen, wenn der Gewerbeertrag durch den Verlustabzug unter den Freibetrag von 24.500 € für Einzelunternehmer und Personengesellschaften sinkt.278 3. Besonderheiten bei der Verlustverrechnung bei Mitunternehmerschaften (Satz 4, 5) a) Allgemeines

242

Bei Mitunternehmerschaften sind ungeachtet der sachlichen Steuerpflicht der Personengesellschaft selbst die Mitunternehmer Träger des Rechts auf Verlustverrechnung und Verlustabzug.279 Das hiermit verbundene Tatbestandsmerkmal der Unternehmeridentität bedeutet, dass der Steuerpflichtige, der den Verlustabzug in Anspruch nimmt, den Gewerbeverlust zuvor in eigener Person erlitten haben muss. Der Steuerpflichtige muss danach sowohl zur Zeit der Verlustentstehung als auch im Jahre der Entstehung des positiven Gewerbeertrags Unternehmensinhaber gewesen sein.280

243

Die mit JStG 2007281 (rückwirkend) eingefügten Regelung in Satz 4 und 5 des § 10a GewStG ordnen an, dass die individuelle Zurechnung des Verlusts und des Verlustabzugs zu den Mitunternehmern ausschließlich nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel der Mitunternehmer zu erfolgen hat. Dies erfolgt in der Praxis durch Nebenrechnungen und wird im Gewerbesteuermessbescheid umgesetzt.

244

Besonderheiten ergeben sich, wenn der Fehlbetrag fehlerhaft festgestellt wurde.282 Weitere Besonderheiten bestehen, wenn ein Gesellschafterwechsel stattfindet. Dieser führt bei Personengesellschaften aufgrund des Wegfalls der Unternehmeridentität grundsätzlich zum

277 278 279 280 281

So R 10a. 3 Abs. Satz 9 Nr. 9 Satz 3 GewStR 2009. BFH v. 9.1.1958 – IV 250/57 U, BStBl. III 1958, 134; H 10a.1 GewStH 2016. BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616. BFH v. 24.4.2014 – IV R 34/10, BStBl. II 2017, 233. Gesetz v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878; zur Begründung BT-Drucks. 16/3368, 22; zur Rechtslage vorher und zur Rückwirkung Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 170, 31. 282 Näher Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 183.

394

Gewerbeverlust | Rz. 251 § 10a GewStG

Untergang des auf den Gesellschafter entfallenden Verlustvortrags. Dies verändert auch die Verlustverrechnung nach § 10a Sätze 4 und 5 GewStG.283 b) Verlustzurechnung im Entstehungsjahr (Satz 4) § 10a Satz 4 Halbs. 1 GewStG bestimmt, dass bei einer Mitunternehmerschaft der sich für die Mitunternehmerschaft insgesamt ergebende Fehlbetrag den Mitunternehmern entsprechend dem sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen ist. Nach § 10a Satz 4 Halbs. 2 GewStG sind Vorabgewinnanteile nicht zu berücksichtigen.

245

Im ersten Schritt ist der sich insgesamt ergebende Fehlbetrag der Personengesellschaft nach §§ 7 bis 9 GewStG zu ermitteln.284 In die Ermittlung dieses Betrags fließen hier auch Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben ein285 sowie ein nach § 7 Satz 2 GewStG oder § 18 Abs. 4 Satz 2 UmwStG steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn.

246

Liegt ein sich insgesamt ergebender negativer Gewerbeertrag der Mitunternehmerschaft vor (und nur dann), ist dieser in einem zweiten Schritt den Mitunternehmern zuzurechnen. Maßstab ist ausschließlich der aus dem Gesellschaftsvertrag ergebender allgemeine Gewinnverteilungsschlüssel, soweit dieser auch steuerrechtlich an zuerkennen ist. Unbeachtlich ist die Beteiligungshöhe.

247

c) Verlustabzug im Anrechnungsjahr (Satz 5) § 10a Satz 5 Halbs. 1 GewStG bestimmt, dass für den Abzug der den Mitunternehmern zugerechneten Fehlbeträge nach Maßgabe von Satz 1 und 2 der sich für die Mitunternehmerschaft insgesamt ergebende maßgebende Gewerbeertrag sowie der Höchstbetrag nach Satz 1 den Mitunternehmern entsprechend dem sich aus dem Gesellschaftsvertrag für das Abzugsjahr ergebenden allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen sind. Nach § 10a Satz 5 Halbs. 2 GewStG sind Vorabgewinnanteile auch hier nicht zu berücksichtigen.

248

Demnach werden § 10a Satz 1 und 2 nicht auf der Ebene der Mitunternehmerschaft, sondern auf der Ebene der Mitunternehmer (anteilig) angewendet. Maßstab für die Ermittlung des dem einzelnen MU zuzurechnenden Verlustanteils ist auch hier der allgemeine Gewinnverteilungsschlüssel des Gesellschaftsvertrages im Abzugsjahr.286

249

Mindert sich der Verlustvortrag bei der Mitunternehmerschaft in Gewinnjahren, sind die anteiligen Verlustvorträge der einzelnen MU entsprechend ihrem nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel im Kürzungsjahr zu ermittelnden Anteil am Gewerbeertrag zu mindern. Dabei ist auch der Höchstbetrag nach § 10a Satz 1 GewStG entsprechend dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel anteilig bei den einzelnen Mitunternehmern zu berücksichtigen.287

250

Hieraus folgt, dass weder Sonderbetriebseinnahmen oder Sonderbetriebsausgaben noch Vorabgewinnanteile zu berücksichtigen. Ersteres folgt aus der ausschließlichen Maßgeblichkeit des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels.288 Letzteres ergibt sich jeweils aus

251

283 Näher mit Beispielen Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 184; H 10a.3 Abs. 3 Beispiel 1 GewStH 2016. 284 Näher mit Anwendungsbeispielen Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 173 ff.; H 10a3 Abs. 3 Beispiel 2 und 3 GewStH 2016. 285 R 10a.3 Abs. 3 Satz 2 GewStR 2009; beim Wegfall der Unternehmensidentität ebenso Suchanek/ Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 70 sowie Rz. 75 zu § 10a Satz 4 GewStG 286 R 10a.3 Abs. 3 Satz 5 GewStR 2009. 287 R 10a.3 Abs. 3 Satz 4, 5 GewStR 2009. 288 Dies widerspricht aber R 10a.3 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 GewStR 2009; vgl. Drüen in Brandis/ Heuermann, § 10a GewStG Rz. 113.

395

GewStG § 10a Rz. 252 | Gewerbeverlust dem zweiten Halbsatz von § 10a Satz 4 und 5 GewStG. Danach soll ein Vorabgewinn keine Auswirkung auf die Verlustteilung haben.289 d) Berechnungsbeispiele (Strukturveränderungen Mitunternehmerschaft) 252

Die Auswirkungen von strukturellen Veränderungen einer Mitunternehmerschaft auf Fehlbeträge verdeutlichen die folgenden Beispiele.290 Beispiel 1: Änderung der Beteiligungsquote: An der Y-OHG sind im EZ 01 A und B zu je 50 % beteiligt. Zum 01.01.02 hat A 60 % seines Anteils (= 30 %) auf B übertragen. Die gewerbesteuerrechtlichen Ergebnisse (einschl. Hinzurechnungen und Kürzungen) betragen: EZ 01: ./. 100.000 € und EZ 02: + 100.000 €. Lösung: Die bloße Änderung der Beteiligungsquote führt nicht zum Verlustuntergang nach § 10a GewStG, d.h. die Voraussetzungen für einen Verlustabzug liegen vor. Der im EZ 01 entstandene Fehlbetrag ist A und B gemäß § 10a Satz 4 GewStG in Höhe von jeweils 50.000 € zuzurechnen (jeweiliges Verlustkonto für A und B). Der Gewerbeertrag des EZ 02 ist gemäß § 10a Satz 5 GewStG A in Höhe von 20.000 € und B in Höhe von 80.000 € zuzurechnen. Für die Verrechnung des Fehlbetrages ergibt sich Folgendes: A: ./. 50.000 € + 20.000 € = 0; verbleibender Verlustabzugsbetrag 30.000 € (Verlustkonto für A) B: ./. 50.000 € + 80.000 € = 30.000; verbleibender Verlustabzugsbetrag 0. Im EZ 02 ergibt sich ein Gewerbesteuermessbetrag von 30.000 €. Die Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugsbetrages zum 31.12.02 nach § 10a Satz 6 GewStG beläuft sich auf 30.000 €. Ab dem EZ 03 ist dieser Betrag nur von dem nach § 10a Satz 5 GewStG auf A entfallenden Anteil am Gewerbeertrag abziehbar.

253

Beispiel 2: Ausscheiden eines Gesellschafters: An der A-KG sind die Gesellschafter A, B und C zu je einem Drittel beteiligt. Der vortragsfähige Gewerbeverlust der KG zum 31.12.02 beträgt 900.000 €. Zum 31.12.03 scheidet C aus der Personengesellschaft aus und veräußert seinen Anteil an D. Die KG erzielt in 03 einen Gewerbeertrag von 600.000 €. In 04 erzielt die KG einen Gewerbeertrag in Höhe von 150.000 €. Lösung: Die Voraussetzungen des § 10a GewStG (Unternehmeridentität) liegen nicht vor. Dies geführt zum (teilweisen) Verlustuntergang. Ergebnis

Verluste § 10a

A

B

C

D



A

B

C



§ 10a Satz 4

./. 300

./.300

./.300

-

:/.900

300

300

300

900

EZ 03 § 10a Satz 5

200 ./.200

200 ./.200

200 ./.200

-

600 ./.200

./.200

./.200

./.200

./.600

0

0

0

-

./.100

./.100

100

100

0

200

EZ 02

Gewerbeertrag 03

0

Ausscheiden C § 10a Satz 6 EZ 04 §10a Satz 5 Gewerbeertrag 04 § 10a Satz 6

50 ./.50

50 ./.50

50 -

150 ./.100

0

0

50

50

./.50

./.50

./.100

50

50

100

Abwandlung zu Beispiel 2: Unterjähriges Ausscheiden: Wie Beispiel 1 jedoch scheidet der Gesellschafter C zum 30.6.03 aus der Personengesellschaft aus und veräußert seinen Anteil zu diesem Zeitpunkt an D. Ein bis zum Ausscheiden des C tatsächlich erzielter Gewerbeertrag ist nicht bekannt. 289 Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 10a GewStG Rz. 177. 290 Vgl. H 10a.3 Abs. 3 GewStH 2016.

396

Gewerbeverlust | Rz. 255 § 10a GewStG Lösung: Die Voraussetzungen des § 10a GewStG (Unternehmeridentität) liegen nicht vor. Dies geführt zum (teilweisen) Verlustuntergang. Der positive Gewerbeertrag bis zum Ausscheiden des C ist nach Maßgabe des § 10a GewStG um Verluste früherer Jahre zu kürzen. Entsprechend R 10a.3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 9 GewStH 2016 ist für diese Zwecke der einheitliche Gewerbeertrag des EZ 03 grundsätzlich zeitanteilig auf den Zeitraum vor und nach dem Ausscheiden des C zu verteilen.291 Beispiel 3: Ausscheiden eines Gesellschafters unter Berücksichtigung Sonderbetriebsvermögen An der Y-OHG sind A und B zu je 50 % beteiligt. Die gewerbesteuerrechtlichen Ergebnisse (einschl. Hinzurechnungen und Kürzungen) betragen: EZ 01

A

Gesamthandsbilanz ./. 100 (§ 10a Satz 4 GewStG)

B

./. 50

Sonderbetriebsvermögen + 20

+ 20

Gewerbeertrag/Fehlbetrag ./. 80

./. 30

EZ 02

254

./. 50

./. 50

A

B

Gesamthandsbilanz ./. 60 (10a Satz 4 GewStG)

./. 30

./. 30

Sonderbetriebsvermögen +70

+ 70

Gewerbeertrag +10

+ 40

./. 30

EZ 03: Gesamthandsbilanz und Sonderbetriebsvermögen: + 0; A scheidet zum 31.12.03 aus. Wie lautet der zum 31.12.03 festzustellende Fehlbetrag? Lösung: Die Voraussetzungen des § 10a GewStG (Unternehmeridentität) liegen nicht vor. Dies geführt zum (teilweisen) Verlustuntergang. Ergebnis EZ 01 Sonder-BE

A

B

./.50 20

./.50

Verluste § 10a Summe

A

B

./.80

40

40

31.12.01 § 10a Satz 6 GewStG EZ 02 Sonder-BE Verlustabzug

80 ./.30 70

./.30 10 ./.10

31.12.02 § 10a Satz 6 GewStG EZ 03 Ausscheiden A

Summe

./.5

./.5

./.10

35

35

70

0

0

31.12.03 § 10a Satz 6 GewStG

0

./.35 0

70 35

35

Beispiel 4: Eintritt eines Gesellschafters und Mindestbesteuerung: An der Z-OHG sind im EZ 01 A und B zu je 50 %. beteiligt. Nach Eintritt des C zum 1.1.02 sind A, B und C zu je 1/3 beteiligt. Gewerbesteuerrechtliche Ergebnisse:

291 Berechnung in H 10a.3 Abs. 3 GewStH 2016.

397

255

GewStG § 10a Rz. 256 | Gewerbeverlust EZ 01: Verlust aus Gesamthandsbilanz:

./. 4,0 Mio. € (= Gewerbeverlust)

EZ 02: Verlust aus Gesamthandsbilanz:

./. 1,5 Mio. €

Sonderbetriebseinnahmen des C:

+ 4,5 Mio. €

= Gewerbeertrag 02:

+ 3,0 Mio. €

Lösung (in Mio. €): Die Voraussetzungen des § 10a GewStG (Unternehmeridentität) liegen nicht vor. Dies geführt zum (teilweisen) Verlustuntergang. Ergebnis EZ 01

Verluste § 10a

A

B

C



A

B

C



./.2

./.2

-

./.4

2

2

-

4

§ 10a Satz 6 EZ 02 Sonder-BE Verlustabzug § 10a Satz 5

4 ./.0,5

./.0,5

./.0,5 4,5

3

1

1

-*

./. § 10a Satz 1: 173 × 1 Mio.

0,33

0,33

0,66

0,33

0,33

0,66

./. § 10a Satz 2: 1/3 × 60% × 2 Mio.

0,40

0,40

0,80

0,40

0,40

0,80

Gewerbeertrag 02

0,27

0,27

1, 27

1, 27

2, 54

1

1,54

Verbleibender Verlustabzug 31.12.02

* Der auf C nach allgemeinem Gewinnverteilungsschlüssel entfallende Gewinnanteil (1 Mio. €) steht nicht für einen Verlustabzug EZ 02 zur Verfügung, da auf C kein Teil des Fehlbetrags entfällt.

4. Gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes (Satz 6, 7) a) Allgemeines 256

Die Höhe der Gewerbeverluste ist im Entstehungsjahr und – bis zur vollständigen Verrechnung mit positiven Gewerbeerträgen – in den Abzugsjahren gesondert festzustellen (§ 10 Satz 6 GewStG). Die gesonderte Feststellung der Höhe des vortragsfähigen Verlustes ist wegen der unbegrenzten Vortragsfähigkeit erforderlich. Ohne Feststellung des zukünftig noch zur Verfügung stehenden Verlustvolumens würde sich die Gefahr von falschen Verlustabzügen stark erhöhen. Dies gilt unabhängig davon, ob die allgemeinen Voraussetzungen für den Verlustabzug erfüllt sind.

257

Vortragsfähige Fehlbeträge sind die nach der Kürzung des maßgebenden Gewerbeertrags nach § 10a Satz 1 und 2 GewStG zum Schluss des EZ verbleibenden Fehlbeträge (§ 10a Satz 7 GewStG). Bei der gesonderten Feststellung der Höhe des vortragsfähigen Gewerbeverlusts ist somit auch dessen Verbrauch etwa durch Ausscheiden von Gesellschaftern einer Personengesellschaften zu beachten berücksichtigen.292 Entsprechendes gilt bei einem Untergang des vortragsfähigen Gewerbeverlustes nach § 10a Satz 10 i.V.m. § 8c KStG.293 Die gesonderte Feststellung ist solange lückenlos fortzuschreiben, wie sich nach Verrechnung mit positiven Gewerbeerträgen noch ein Fehlbetrag ergibt.294

292 R 10a.1 Abs. 2 Satz 1 GewStR 2009. 293 R 10a.1 Abs. 2 Satz 2 GewStR 2009. 294 BFH v. 9.6.1999 – I R 92/98, BStBl. II 1999, 733.

398

Gewerbeverlust | Rz. 263 § 10a GewStG

Die Höhe der Gewerbeverluste ist gesondert festzustellen. Zuständig für die Feststellung ist nach § 35b Abs. 2 Satz 1 GewStG das auch für den Erlass des Gewerbesteuermessbescheids zuständige Finanzamt. Für den Verlustfeststellungsbescheid gelten nach § 181 AO die Vorschriften über Steuerbescheide. Er ist dem Steuerschuldner bekannt zu geben.

258

Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Gewerbeverlusts ist als Grundlagenbescheid nach §§ 182, 171 Abs. 10 AO bindend für den Gewerbesteuermessbescheid des Folgejahres295 sowie für einen etwaigen Verlustfeststellungsbescheid des Folgejahres.296 Die gesonderte Feststellung eines Fehlbetrags im vorangegangenen EZ ist daher Voraussetzung für eine Kürzung des Gewerbeertrags im Kürzungsjahr.297 Wird ein Bescheid über die gesonderte Feststellung eines Gewerbeverlusts erlassen, aufgehoben oder geändert, ist ggf. ein bereits erlassener Gewerbesteuermessbescheid eines Folgejahres von Amts wegen zu ändern (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO).

259

Die Bindungswirkung des Verlustfeststellungsbescheids bezieht sich (nur) auf Umstände, die sich im jeweiligen EZ ereignet haben und nicht auch auf solche, die sich erst im Folgejahr ereignen und die Abzugsfähigkeit des festgestellten Fehlbetrags ggf. im Folgejahr entfallen lassen.298 Die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes umfasst nicht nur die Höhe des jeweiligen Verlustbetrags, sondern legt auch die steuerliche Abzugsfähigkeit dieses Betrages nach Maßgabe der im Feststellungszeitpunkt geltenden Rechtslage für das spätere Abzugsjahr verbindlich fest.299 Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 35b GewStG hat das zuständige Finanzamt den Verlustfeststellungsbescheid von Amts wegen zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern.300

260

Ein Rechtsbehelf wegen zukünftiger Verlustabzugsmöglichkeiten muss sich gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes und nicht gegen einen ggf. unrichtigen Verlustabzug im Abzugsjahr richten. Im Abzugsjahr kann wegen der Bindung an den Feststellungsbescheid (§ 182 AO) die Höhe der Fehlbeträge nicht mehr überprüft werden.

261

b) Besonderheiten aa) Personengesellschaften Gegenstand der Feststellung bei Mitunternehmerschaften ist die Höhe des Fehlbetrags der Mitunternehmerschaft selbst (gesellschaftsbezogene und nicht gesellschafterbezogene Feststellung). Bei einer Personengesellschaft ist Adressatin des Bescheids die Gesellschaft selbst. Trotz der materiell auf den einzelnen Mitunternehmer bezogenen Berechnung nach den Regelungen des § 10a Satz 4 und 5 GewStG ist der Anteil der einzelnen Gesellschafter am vortragsfähigen Gewerbeverlust nicht Gegenstand der gesonderten Feststellung.301 Dies folgert die Rechtsprechung aus der Formulierung in § 10a Satz 6 und 7 GewStG, wonach die „Höhe der vortragsfähigen Fehlbeträge“ auf den Schluss des EZ gesondert festzustellen. Bei Personengesellschaften wird damit im eigentlichen Verfügungssatz nicht festgestellt, welcher Gesellschafter welchen Betrag im Einzelnen verbraucht hat oder wessen Anteil wegen Untergangs nicht mehr für spätere Jahre zur Verfügung steht.

262

Gemäß den nachfolgenden Erläuterungen unter „Feststellungsgrundlagen“ wird bei der Berechnung des Fehlbetrags vom Bestand zu Beginn des Jahres ausgegangen; hiervon werden zunächst durch Ausscheiden von Gesellschaftern untergegangene Beträge abge-

263

BFH v. 9.6.1999 – I R 92/98, BStBl. II 1999, 733. BFH v. 28.2.2001 – I R 77/00, BFH7NV 2001, 1293. Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 117. Näher zur Bindungswirkung eines Verlustfeststellungsbescheids BFH v. 11.10.2012 – IV R 38/09, BStBl. II 13, 958. 299 BFH v. 22.10.2003 – I R 18/02, BStBl. II 2004, 468. 300 Zur Feststellungsfrist BFH v. 11.2.2015 – I R 5/13, BStBl. II 2016, 353; H 10a.1 GewStH 2016. 301 BFH v. 16.6.2011 – IV R 11/08, BStBl. II 2011, 903. 295 296 297 298

399

GewStG § 10a Rz. 264 | Gewerbeverlust zogen. Außerdem wird der festgestellte Fehlbetrag fortentwickelt, je nachdem, ob die Personengesellschaft im aktuellen EZ einen positiven oder negativen Gewerbeertrag erzielt hat. Das Ergebnis und der Gegenstand der neuen Feststellung ist der vortragsfähige Gewerbeverlust zum Ende des Jahres. Auch der Begründungsteil oder eine dem Bescheid beigefügte Anlage erläutern nicht, wie sich der festgestellte Fehlbetrag auf die Mitunternehmer verteilt.302 264

Die amtliche Zurechnung schon im Verlustfeststellungsbescheid auf die jeweiligen Mitunternehmer kann jedoch für die Anrechnung auf den maßgebenden Gewerbeertrag von entscheidender Bedeutung sein. Hierfür fehlt bisher eine notwendige Rechtsgrundlage.303 Auch ohne einen bindenden Ausweis im Rahmen der Verlustfeststellung kann auf eine „Schattenrechnung“, die die entsprechenden anteiligen Fehlbeträge der Mitunternehmer festhält und fortschreibt, nicht verzichtet werden.

265

Ist ein bestandskräftig zu Unrecht festgestellter, auf einen ausgeschiedenen Gesellschafter entfallender Fehlbetrag noch im festgestellten Fehlbetrag enthalten, so ist er auf die tatsächlich noch vorhandenen Mitunternehmer entsprechend ihrer Beteiligung zu verteilen.304 Beispiel: Für ein Einzelunternehmen liegt ein bestandskräftiger Bescheid über einen vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.01 i.H.v. 80.000 € vor. Der Bescheid ist materiell-rechtlich fehlerhaft. Richtig wäre ein vortragsfähigerer Verlust von 40.000 € gewesen. Für 02 ergibt sich nach § 10 GewStG vor Abzug eines Verlustes ein positiver Gewerbeertrag von 60.000 €. Für 03 beträgt der negative Gewerbeertrag vor Abzug eines Verlustes 80.000 €. Als vortragsfähige Verluste werden gesondert festgestellt: 31.12.02: 31.12.03:

20.000 € (60.000 € von 80.000 € aus der Feststellung auf den 31.12.01 – Bindungswirkung der Feststellung auf den 31.12.01 nach § 182 Abs. 1 AO – wurden für 02 verbraucht) 100.000 € (20.000 € aus der Feststellung auf den 31.12.02 und 80.000 € aus 03)

bb) Organschaften 266

Innerorganschaftliche Verluste sind für den OT festzustellen und diesem bekanntzugeben, weil er Steuerschuldner ist. Ein gesondertes und einheitliches Feststellungsverfahren kennt nur § 14 Abs. 5 KStG. Eine vergleichbare Notwendigkeit für eine gesonderte Feststellung besteht für die Gewerbesteuer nach Auffassung des Gesetzgebers305 nicht, denn durch § 35b GewStG besteht in Organschaftsfällen bereits jetzt eine Änderungsmöglichkeit für einen bestandskräftigen Gewerbesteuermessbescheides des OT, wenn dies auf eine Gewinnänderung auf der Ebene der OG zurückzuführen ist.306

267

Außerorganschaftliche Verluste einer OG sind ebenfalls gesondert festzustellen, weil sie nur mit positiven Gewerbeerträgen der OG zu verrechnen sind. Vororganschaftliche Verluste der OG sind aufgrund des Abzugsverbots nach § 10a Satz 3 GewStG nur noch für die OG gesondert festzustellen.307

302 303 304 305 306 307

400

BFH v. 16.6.2011 – IV R 11/08, BStBl. II 2011, 903. Näher Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 119; Loose/Suck, FR 2008, 864. BFH v. 16.6.2011 – IV R 11/08, BStBl. II 2011, 903. BT-Drucks. 17/10774, 21. Vgl. BFH v. 21.10. 2009 – I R 29/09, BStBl. II 2010, 644. Drüen in Brandis/Heuermann, § 10a GewStG Rz. 120.

§ 11 Steuermesszahl und Steuermessbetrag (1) 1Bei der Berechnung der Gewerbesteuer ist von einem Steuermessbetrag auszugehen. 2Dieser ist durch Anwendung eines Prozentsatzes (Steuermesszahl) auf den Gewerbeertrag zu ermitteln. 3Der Gewerbeertrag ist auf volle 100 Euro nach unten abzurunden und 1. bei natürlichen Personen sowie bei Personengesellschaften um einen Freibetrag in Höhe von 24.500 Euro, 2. bei Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 3 und des § 3 Nr. 5, 6, 8, 9, 15, 17, 21, 26, 27, 28 und 29 sowie bei Unternehmen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts um einen Freibetrag in Höhe von 5.000 Euro, höchstens jedoch in Höhe des abgerundeten Gewerbeertrags, zu kürzen. (2) Die Steuermesszahl für den Gewerbeertrag beträgt 3,5 Prozent. (3) 1Die Steuermesszahl ermäßigt sich auf 56 Prozent bei Hausgewerbetreibenden und ihnen nach § 1 Abs. 2 Buchstaben b und d des Heimarbeitsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 804-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 13.7.1988 (BGBl. I S. 1034), gleichgestellten Personen. 2Das Gleiche gilt für die nach § 1 Abs. 2 Buchstabe c des Heimarbeitsgesetzes gleichgestellten Personen, deren Entgelte (§ 10 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes) aus der Tätigkeit unmittelbar für den Absatzmarkt im Erhebungszeitraum 25.000 Euro nicht übersteigen. § 22 GewStDV Hausgewerbetreibende und ihnen gleichgestellte Personen Betreibt ein Hausgewerbetreibender oder eine ihm gleichgestellte Person noch eine andere gewerbliche Tätigkeit und sind beide Tätigkeiten als eine Einheit anzusehen, so ist § 11 Abs. 3 des Gesetzes nur anzuwenden, wenn die andere Tätigkeit nicht überwiegt. Die Vergünstigung gilt in diesem Fall für den gesamten Gewerbeertrag. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Steuermessbetrag und Freibetrag (Abs. 1) 1. Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Freibeträge

1

10

a) Natürliche Personen und Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmte juristische Personen . . . c) Betriebsbezogene Betrachtung . . . . II. Steuermesszahl (Abs. 2, 3) 1. Höhe der Steuermesszahl. . . . . . . . 2. Ermäßigte Steuermesszahl . . . . . . .

15 21 26 35 36

A. Allgemeines Steuermesszahl und Steuermessbetrag gehören seit dem GewStG 1936 zur Systematik der Gewerbesteuer. Nach § 11 GewStG ist der Steuermessbetrag durch Anwendung einer (einzigen) Steuermesszahl auf den Gewerbeertrag zu ermitteln. Zuständig ist in allen Ländern das Finanzamt. Daraus ergibt sich ein Steuermessbetrag, den das Finanzamt nach § 14 GewStG festsetzt. Den Gewerbeertrag ermittelt das Finanzamt nach den §§ 7 bis 11 GewStG als Besteuerungsgrundlage (§ 6 GewStG).

1

Auf der Grundlage dieses Steuermessbetrags erhebt sodann die Gemeinde (§§ 14 ff. GewStG) die Gewerbesteuer nach Anwendung bestimmter Hebesätze (Prozentsätze). Zuständig sind hier derzeit die Gemeinden in den Flächenländern. In den Stadtstaaten samt Bremen sind die Finanzämter für die gesamte Verwaltung zuständig. Diese Zweiteilung und Zweistufigkeit des Verfahrens beruht auf der Ermächtigungsgrundlage des Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG. Danach obliegt die Verwaltung der Steuer nach Maßgabe der Landesgesetze teilweise, d.h. hinsichtlich der Festsetzung und Erhebung der Steuer, den Gemeinden.

2

401

GewStG § 11 Rz. 3 | Steuermesszahl und Steuermessbetrag 3

Es handelt sich um eine materiell-rechtliche Regelung und reine Tarifvorschrift,1 die an die Besteuerungsgrundlage des Gewerbeertrags anknüpft.2 Es geht insoweit nicht um die Ermittlung der objektivierten Ertragskraft des Unternehmens. Darüber hinaus ist der Gewerbesteuermessbetrag Grundlage für die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nach § 35 EStG.

4

§ 11 GewStG regelt bundeseinheitlich die Berechnung der Steuer. Der Tarif (eine Steuermesszahl, Abs. 2) ist grundsätzlich rechtsformneutral ausgestaltet. Dagegen sind die Freibeträge rechtsformabhängig (Abs. 1 Satz 3). Die ermäßigte Steuermesszahl (Abs. 3) ist tätigkeitsbezogen und verfolgt sozialpolitische Zwecke.

5

Die aktuelle Fassung beruht auf dem JStG 2020.3 Sie geht zurück auf § 11 GewStG 1936.

6–9

frei

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Steuermessbetrag und Freibetrag (Abs. 1) 1. Berechnung 10

Im Regelfall ermittelt sich der Steuermessbetrag wie folgt: – Abrundung der Summe aus Gewinn, Hinzurechnung, Kürzung und ggf. Verlustausgleich auf volle 100 € (§ 11 Abs. 1 Satz 3 GewStG), – hiervon Abzug eines Freibetrags für natürliche Personen und Personengesellschaften i.H.v. 24.500 € (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG), – ab dem EZ 2008 Ermittlung des Steuermessbetrags durch Anwendung einer einheitlichen Steuermesszahl von 3,5 % auf den verbleibenden Betrag. Beispiel: Für dem EZ 01 beträgt der Gewerbeertrag (Summe aus Gewinn, Hinzurechnungen, Kürzungen und einem nach §10a GewStG zu berücksichtigenden Verlustvortrag) einer natürlichen Person 68.505 €. 68.505 € abgerundet auf volle 100 € = abzüglich Freibetrag verbleiben davon 3,5 % = Steuermessbetrag somit

11

68.500 € 24.500 € 44.000 € 1.540 €

Der Gewerbemessbetrag darf nicht negativ sein und beträgt mindestens 0 Euro. Nach Absatz 1 Satz 3 erfolgt eine Kürzung um den Freibetrag nur bis zur Höhe des abgerundeten Gewerbeertrags. Dieser ist zuvor auf volle 100 Euro nach unten abzurunden. Ein Betrag von 24.599 Euro ist danach etwa bei natürlichen Personen steuerfrei. frei

12–14

2. Freibeträge a) Natürliche Personen und Personengesellschaften 15

Mit dem Freibetrag i.H.v. 24.500 Euro will der Gesetzgeber bei natürlichen Personen und Personengesellschaften einen fiktiven Unternehmerlohn steuermindernd berücksichtigen.4 Angesichts der geringen Höhe des Freibetrags wird eine tatsächliche Gleichstellung mit Kapitalgesellschaften, deren im Regelfall deutlich höheren Geschäftsführervergütungen den Gewerbeertrag in voller Höhe mindern, nicht erreicht. 1 2 3 4

Güroff in Glanegger/Güroff10, § 11 GewStG Rz. 1a. BFH v. 15.7.1986 – VIII R 269/81, BStBl. II 1986, 860. Gesetz v. 8.12.2010, BGBl. I 2020, 1768. BFH v. 30.8.2007 – IV R 47/05, BStBl. II 2008, 200; v. 23.4.2009 – IV R 73/06, BStBl. II 2010, 40.

402

Steuermesszahl und Steuermessbetrag | Rz. 22 § 11 GewStG

Nach allgemeiner Auffassung verstößt der Freibetrag für diese Personen gegenüber anderen Personen, die nicht so begünstigt sind, nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.5 Zwar ist der Freibetrag gleichheitsrechtlich nicht geboten, aber dem Grunde auch nicht unzulässig. Allerdings ist die Typisierung und Pauschalierung nicht mehr realitätsgerecht.

16

Gewerbeertrag und Freibetrag gelten für jeden eigenständigen Gewerbebetrieb. Bei mehreren Gewerbebetrieben kann der Freibetrag daher jeweils gesondert in Anspruch genommen werden. Eine natürliche Person, die mehrere Gewebebetriebe unterhält, erhält den Freibetrag für jeden Gewerbebetrieb. Mehrheit und Einheit von Gewerbebetrieben richten sich nach allgemeinen Grundsätzen.6 Danach hat das FG Münster7 sechs Photovoltaikanlagen einer Gemeinde als einen einheitlichen BgA und Gewerbebetrieb qualifiziert. In der Folge waren die Freibeträge gem. § 24 KStG und § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GewStG jeweils lediglich einmal in Abzug zu bringen.

17

Auch Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften) erhalten den Freibetrag. Die Personengesellschaft hat nur einen Betrieb, unabhängig von der Anzahl der Gesellschafter. Dies gilt auch bei Schwester-Personengesellschaften.8 Die Regelung gilt auch für besondere Personengesellschaften. Begünstigt ist etwa auch die atypische stille Gesellschaft als Mitunternehmerschaft.9 Bei der Betriebsaufspaltung bestehen zwei Gewerbebetriebe, so dass der Freibetrag je nach Rechtsform zweimal gewährt werden kann.10 Bei der Organschaft (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG) zählt nur der Organträger und seine Rechtsform (natürliche Person oder Personengesellschaft).11

18

Der Freibetrag hat zur Folge, dass ein Gewerbesteuermessbetrag nur für Gewerbeerträge von mindestens 25.600 Euro festzusetzen ist. Auch der Freibetrag darf nicht zu einem Verlust führen.12

19

frei

20

b) Bestimmte juristische Personen § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GewStG begünstigt bestimmte juristische Personen. Für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe bestimmter Vereine und Körperschaften i.S.d. § 2 Abs. 3 GewStG und des § 3 Nr. 5, 6, 9, 15, 17, 21, 26–29 GewStG sowie für gewerbesteuerpflichtige Betriebe gewerblicher Art („Unternehmen“) von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 2 GewStDV) ist vom abgerundeten Gewerbeertrag ein Freibetrag von 5.000 € abzuziehen. Ein Abzug von Freibeträgen vom Gewerbeertrag anderer Körperschaften ist nicht zulässig. Die Aufzählung ist abschließend.

21

Die Begünstigung für die öffentliche Hand bezieht sich zwar auf „Unternehmen“. Dies sind im allgemeinen Rechtsprachengebrauch alle (Gewerbe-)Betriebe der öffentlichen Hand, einschließlich der Eigengesellschaften (Kapitalgesellschaften mit 100 % Anteilseigentum einer juristischen Person der öffentlichen Hand) sowie auch gemischt-öffentlichen und gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen. Gemeint sind dort wie in § 2 GewStDV aber nur wirtschaftlich unselbstständige Betriebe, nicht Kapitalgesellschaften der öffentlichen Hand.13 Die Gewährung des Freibetrages gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GewStG an privatrechtliche Körperschaften, deren Anteilseigner eine juristische Person des öffentlichen

22

5 6 7 8 9 10 11 12 13

BFH v. 27.8.2014 – VIII R 6/12, BStBl. II 2015, 1002. Vgl. etwa BFH v. 9.8.1989 – X R 130/87, BStBl. II 1989, 901. FG Münster v. 21.4.2021 – 13 K 3663/18 K,G, EFG 2021,1140. Schulze in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 11 GewStG Rz. 24. H 11.1 GewStH 2016; näher Güroff in Glanegger/Güroff10, § 11 GewStG Rz. 5 f., dort auch zur sog. Segmentierung. Schulze in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 11 GewStG Rz. 29. Schulze in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 11 GewStG Rz. 30 mit einem Zahlenbeispiel. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 11 GewStG Rz. 4. FG Münster v. 2.7.1997 – 9 K 219/94 G, EFG 1997, 1452; ebenso an sich auch Güroff in Glanegger/ Güroff10, § 11 GewStG Rz. 8 (mit zwei Flüchtigkeitsfehlern).

403

GewStG § 11 Rz. 23 | Steuermesszahl und Steuermessbetrag Rechts ist, würde zu einer durch sachliche Gründe nicht gerechtfertigten steuerlichen Besserstellung gegenüber anderen privatrechtlichen Körperschaften mit identischem Unternehmensgegenstand führen. Unabhängig davon besteht auch kein überzeugender Grund, warum Betriebe gewerblicher Art (BgA) überhaupt mit einem Freibetrag honoriert werden sollen. Eine Gleichbehandlung mit den anderen Geschäftsbetrieben und Unternehmen kann die öffentliche Hand nicht einfordern. 23

Die inländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ARD, ZDF) sind selbstständige und rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts und gewerblich tätig. Nach § 7 Satz 3 Halbs. 2 GewStG gilt das nach § 8 Abs. 1 Satz 3 KStG ermittelte Einkommen als Gewerbeertrag. Dies sind 16 Prozent der Entgelte i.S.d. § 10 Abs. 1 UStG aus dem Geschäft der Veranstaltung von Werbesendungen. Auf den abgerundeten und um den Freibetrag von 5.000 Euro gekürzten Betrag ist seit EZ 2008 die Steuermesszahl von 3,5% anzuwenden.14 Dies ist schon dem Grunde nach nicht gerechtfertigt und stellt zudem eine ungerechtfertigte Benachteiligung der konkurrierenden privaten Rundfunkanstalten dar, die zumeist Kapitalgesellschaften sind.

24

Abgesehen hiervon stellt der gesamte Katalog des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GewStG eine eher zufällige und willkürliche Auswahl dar,15 die zudem das kommunale Steueraufkommen mindert. Nicht zuletzt sind die Steuerbefreiungen in § 3 GewStG per se kaum gerechtfertigt.

25

frei c) Betriebsbezogene Betrachtung

26

Der Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG und der Abrundungsbetrag sind betriebsbezogen zu gewähren16 Er kommt dem einzelnen Gewerbebetrieb zugute, und nur mittelbar seinem Inhaber. Dementsprechend ist er deshalb mehrfach zu gewähren, wenn ein Unternehmer mehrere selbständige Gewerbebetriebe nebeneinander unterhält, aber nicht, wenn mehrere Inhaber einen einheitlichen Gewerbebetrieb führen.17

27

Der Freibetrag i.H.v. 24.500 Euro ist auch dann in voller Höhe zu berücksichtigen, wenn der Gewerbebetrieb im Laufe des Kalenderjahres eröffnet oder eingestellt wird.18 Die Regelung des Freibetrags und die Steuerpflicht gem. § 14 Satz 3 GewStG knüpfen an die sachliche, nicht an die subjektive Gewerbesteuerpflicht an (betriebsbezogene Betrachtung).19 Ein anteiliger Freibetrag ist den Steuerpflichtigen zu gewähren, wenn die sachliche Steuerpflicht fortbesteht und die Unternehmeridentität zumindest teilweise wechselt.20 Wechselt lediglich die Steuerschuldnerschaft zwischen Einzelunternehmen und Personengesellschaften oder umgekehrt, ist der für den EZ ermittelte einheitliche Steuermessbetrag den Steuerschuldnern anteilig zuzurechnen und getrennt festzusetzen.21 Hierbei ist der einheitliche Gewerbemessbetrag nach dem prozentualen Verhältnis der erzielten Gewerbeerträge auf die Steuerschuldner aufzuteilen und getrennt festzusetzen. Dies entspricht dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer.22 Für eine zeitanteilige Aufteilung fehlt eine Rechtsgrundlage.

14 Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 11 GewStG Rz. 49. 15 Ebenso Güroff in Glanegger/Güroff10, § 11 GewStG Rz. 8; a.A. Schulze in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 11 GewStG Rz. 12. 16 BFH v. 24.10.2012 – X R 36/10, HFR 2013, 152. 17 BFH v. 14.4.2011 – X B 142/10, BFH/NV 2011, 1182. 18 R 11.1 Satz 2 GewStR 2009. 19 BFH v. 26.8.1993 – IV R 133/90, BStBl. II 1995, 791; R 11.1 Satz 1 GewStR 2009. 20 Zur Berechnung und zum Aufteilungsmaßstab Schulze in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 11 GewStG Rz. 37 gegen R 11.1 Satz 5 f. GewStR 2009. 21 R 11.1 Satz 3 GewStR 2009. 22 Ebenso Güroff in Glanegger/Güroff10, § 11 GewStG Rz. 6b.

404

Steuermesszahl und Steuermessbetrag | Rz. 36 § 11 GewStG

Für den Fall des Rechtsformwechsels ohne Ende/Beginn der sachlichen Steuerpflicht (Einzelunternehmen wird durch Aufnahme von Gesellschaftern Personengesellschaft, durch Ausscheiden bis auf einen Gesellschafter wird aus einer Personengesellschaft ein Einzelunternehmen) hatte die Finanzverwaltung früher die Auffassung vertreten, dass der Freibetrag entsprechend der Dauer der persönlichen Steuerpflicht aufgeteilt und der Staffeltarif auf den verbleibenden Gewerbeertrag des jeweiligen Steuerschuldners angewendet wird.23 Der BFH24 hat mittlerweile klargestellt, dass die betriebs- und unternehmensbezogene Betrachtung auch in diesem Fall zur Anwendung kommt. Danach gilt: Scheiden während des EZ bis auf einen Gesellschafter alle anderen Gesellschafter aus einer Personengesellschaft aus, wechselt ab diesem Zeitpunkt die Steuerschuldnerschaft der Personengesellschaft auf den verbleibenden Gesellschafter als Einzelunternehmer. Die Rechtsprechung stellt mithin den Wechsel der Rechtsform mit dem Wechsel des Unternehmers gleich.

28

Dessen ungeachtet ist der Gewerbesteuermessbetrag fur̈ den gesamten EZ einheitlich unter Beruc̈ ksichtigung des vollen Gewerbesteuerfreibetrags zu berechnen. Fur̈ den EZ des Rechtsformwechsels ist fur̈ jeden Steuerschuldner ein Gewerbesteuermessbescheid zu erlassen. In den Bescheiden ist der einheitlich ermittelte Gewerbesteuermessbetrag im prozentualen Verhältnis der von den beiden25 Steuerschuldnern erzielten Gewerbeerträge nebst den auf sie entfallenden Hinzurechnungen und Kur̈ zungen zu beruc̈ ksichtigen.

29

Nimmt eine GmbH im laufenden Jahr (unterjährig) eine natur̈ liche Person als atypisch stillen Gesellschafter auf, so ist der fur̈ Einzelunternehmen und Personengesellschaften geltende Freibetrag von 24.500 Euro im Gewerbesteuermessbescheid der GmbH & atypisch Still (als Mitunternehmerbetrieb und Personengesellschaft gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) in voller Höhe zu beruc̈ ksichtigen (sachliche Steuerpflicht).26 Der GmbH selbst steht der Freibetrag nicht zu. Persönlich steuerpflichtig und Steuerschuldner ist nach § 5 GewStG die GmbH mit ihrem Gewerbebetrieb.

30

frei

31–34

II. Steuermesszahl (Abs. 2, 3) 1. Höhe der Steuermesszahl Die auf den korrigierten Gewerbeertrag anzuwendende allgemeine Steuermesszahl ist ein Prozentsatz. Er beträgt vorbehaltlich des § 11 Abs. 3 GewStG seit dem EZ 2008 rechtsformunabhängig 3,5 % (Einheitstarif). Die Steuermesszahl bildet zusammen mit dem jeweiligen Hebesatz der Gemeinde (§ 14 GewStG) den eigentlichen Steuersatz der Gewerbesteuer.

35

2. Ermäßigte Steuermesszahl Für Hausgewerbetreibende und ihnen gleichgestellte Personen,27 bei diesen jedoch unter weiteren Voraussetzungen, ermäßigt sich nach § 11 Abs. 3 GewStG die Steuermesszahl auf 56 % des Regelbetrages (= 1,96 %). Rechtsgrundlage ist das HAG. Hausgewerbetreibende sind gewerbliche Unternehmer, die zugleich die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 HAG erfüllen. Die Regelung verfolgt sozialpolitische Zwecke und begünstigt Kleingewerbetreibende.

23 R 11.1 Satz 3 ff. GewStR 2009. 24 BFH v. 25.4.2018 – IV R 8/16, BStBl. II 2018, 484; Hidien, jurisPR-SteuerR 30/2018 Anm. 3. Beispielrechnung bei Schulze in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 11 GewStG Rz. 37. 25 Gegen die Annahme von zwei Steuerschuldnern mit Blick auf §§ 5, 14, 18 GewStG und für einen einheitlichen Steuerschuldner je EZ Sarrazin, FR 2021, 276. 26 BFH v. 15.7.2020 – III R 68/18, FR 2021, 383 m. Anm. Wendt. 27 Wegen Einzelheiten siehe R 11.2 GewStR 2009 und H 11.2 GewStH 2016.

405

36

GewStG § 11 Rz. 36 | Steuermesszahl und Steuermessbetrag Beispiele sind etwa: eine Lohnstrickerei in eigener Werkstatt,28 eine Poliererei in eigener Werkstatt,29 eine GbR, die Polier- und Beizarbeiten für zwei Möbelhersteller ausführt.30 Nach § 22 GewStDV können noch weitere Tätigkeiten begünstigt sein. Ein Gewerbetreibender ist nicht Hausgewerbetreibender i.S.d. § 2 Abs. 2 HAG, wenn er fortgesetzt mit mehr als zwei fremden Hilfskräften oder Heimarbeitern arbeitet.31 Voraussetzung ist die Gewerbesteuerpflicht des Unternehmens.32

28 BFH v. 8.3.1984 – I R 67/80, BStBl. II 1984, 543. 29 BFH v. 26.2.2002 – X R 61/99, BStBl. II 2003, 31. 30 BFH v. 8.3.1960 – I 226/59 U, BStBl. III 1960, 160; zu Personenzusammenschlüssen auch BFH v. 8.7.1971 – IV 186/65, BStBl II 1972, 385; H 11.2 GewStH 2016. 31 BFH v. 26.6.1987 – III R 223/83, BStBl. II 1987, 719. 32 BFH v. 13.2.1980 – I R 17/78, BStBl. II 1980, 303.

406

Abschnitt III § 12 und § 13 (weggefallen)

407

GewStG § 12 und § 13

408

Abschnitt IV. Steuermessbetrag § 14 Festsetzung des Steuermessbetrags 1

Der Steuermessbetrag wird für den Erhebungszeitraum nach dessen Ablauf festgesetzt. Erhebungszeitraum ist das Kalenderjahr. 3Besteht die Gewerbesteuerpflicht nicht während des ganzen Kalenderjahrs, so tritt an die Stelle des Kalenderjahrs der Zeitraum der Steuerpflicht (abgekürzter Erhebungszeitraum). 2

A. I. II. B. I. 1. 2. 3. 4.

Allgemeines Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungszusammenhang . . . . . . . . . . Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags durch das Finanzamt (Satz 1) Steuermessbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendbares Verfahrensrecht der AO. Zuständigkeit der Finanzämter. . . . . . . Bescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. .

1 6

. . . .

10 11 15 20

5. 6. 7. 8. 9. 10. II. 1. 2. 3.

Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Billigkeitsmaßnahmen . . . . . . . . . Bekanntgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . Bindungswirkungen . . . . . . . . . . . Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . Erhebungszeitraum (Satz 1 bis 3) Festsetzungszeitraum (Satz 1) . . . . Begriff des EZ (Satz 2) . . . . . . . . . Abgekürzter EZ (Satz 3) . . . . . . . .

21 22 26 30 32 36 40 41 44

A. Allgemeines I. Regelungszweck § 14 GewStG regelt i.V.m. Regelungen der Abgabenordnung die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags. Die Regelung enthält zwei, teilweise unvollständige Regelungsbereiche: Sie bestimmt zunächst (deklaratorisch), dass ein Gewerbesteuermessbetrag festzusetzen ist (Satz 1). Sodann bestimmt sie abschließend den maßgeblichen Zeitabschnitt (EZ), für den der Gewerbesteuermessbetrag festzusetzen ist (Satz 1 bis 3).

1

Die aktuelle Fassung beruht auf dem Gesetz v. 29.10.1997.1 Die Regelung geht auf § 14 GewStG 1936 zurück.

2

§ 14 GewStG ist Teil des Gewerbesteuermessverfahrens, das dem eigentlichen Gewerbesteuerfestsetzungsverfahren vorgelagert ist. Diese Zweistufigkeit liegt zunächst dem Gesetz selbst zugrunde (Abschnitt IV und V). Da die Gesetzgeber der Flächenländer von der Ermächtigung des Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG Gebrauch gemacht haben, allerdings die Verwaltungszuständigkeiten nicht „ganz“, sondern nur teilweise auf ihre Gemeinden übertragen haben, entspricht die Zweistufigkeit des Verfahrens auch einer Zweiteilung der Verwaltungszuständigkeiten.2 Dies führt zwar zu einer Arbeitsaufteilung und Verwaltungskooperation zwischen Land und Gemeinden, vereinfacht das Verfahren indes nicht, zumal auch der Rechtsschutz entsprechend aufgeteilt ist. Ein Einheitsmodell besteht derzeit, abgesehen von den Stadtstaaten samt Bremen,3 nicht.

3

Die Gemeinden sind lediglich für die nachgelagerte Festsetzung und die Erhebung der Gewerbesteuer zuständig. Insoweit regeln §§ 16 ff. GewStG (Abschn. V) die materiellen und verfahrensrechtlichen Modalitäten der eigentlichen Steuerfestsetzung. Im Übrigen (Art. 108 Abs. 2 Satz 1 GG) sind die Finanzämter für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen, für die materiellen und verfahrensrechtlichen Modalitäten der Festsetzung des

4

1 Gesetz v. 29.10.1997, BGBl. I 1997, 2590. 2 Zur Übertragung in NRW erst § 1 Realsteuerzuständigkeitsgesetz NRW v. 16.12.1981, GV 1981, 732; zur Lohnsummensteuer zuvor BVerfG v. 8.11.1983 –1 BvR 479/83, BStBl. II 1984, 249; BVerwG v. 29.9.1982 – 8 C 48.82, BStBl. II 1984, 236; H 1.2 Abs. 1 GewStH 2016. Zum Umfang der Übertragung H 1.2 Abs. 2 GewStH 2016, R 1.6 Abs. 1, 2 GewStR 2009. 3 R 1.2 Abs. 2 GewStR 2009.

409

GewStG § 14 Rz. 5 | Festsetzung des Steuermessbetrags Gewerbesteuermessbetrags sowie ggf. seiner Zerlegung oder Zuteilung zuständig (§§ 6–15 GewStG, §§ 185 ff. AO).4 In den Stadtstaaten samt Bremen liegen beide Aufgaben in der Zuständigkeit der Finanzämter.5 Die verfahrensrechtlichen Regelungen richten sich in beiden Konstellationen grundsätzlich und im Wesentlichen nach der AO als Mantelgesetz (vgl. § 1 Abs. 1 und 2 AO), da das GewStG hier nur wenige Vorgaben enthält. 5

frei

II. Regelungszusammenhang 6

Im Sinne der Zweistufigkeit des Verfahrens handelt es sich im Fall des Gewerbesteuermessbescheids um einen Grundlagenbescheid (§ 14 Satz 1 GewStG, §§ 184 Abs. 1, 171 Abs. 10 AO), im zweiten Fall des Gewerbesteuerbescheides um einen Folgebescheid (§§ 184 Abs. 1, 182 AO). § 35b GewStG enthält eine eigenständige Rechtsgrundlage für die Aufhebung und Änderung des Messbescheides.

7

Die Regelung gilt für die Festsetzung aller Gewerbesteuermessbeträge, für alle Gewerbetriebe. Im Regelfall ist der Gewerbesteuermessbetrag für einen EZ gegenüber dem Steuerpflichtigen für einen Gewerbebetrieb festzusetzen.6 Im Fall der Organschaft wird ein Steuermessbetrag nur gegenüber dem Organträger festgesetzt, obwohl die sachliche Gewerbesteuerpflicht der Organgesellschaft fortbesteht. Die materiell-rechtlichen Grundlagen zur Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags regeln §§ 6–11, 15 GewStG. Weitere verfahrensrechtliche Regelungen neben der AO regeln §§ 14, 14a GewStG. Der nach §§ 11, 14 GewStG festgesetzte Gewerbesteuermessbetrag ist auch Bezugsgröße für die seit dem VZ 2001 bestehende Anrechnung der Gewerbesteuer auf die tarifliche Einkommensteuer (§ 35 EStG). Danach ermäßigt sich bei bestimmten Gewerbebetrieben (Einzelunternehmer, Mitunternehmer) die auf die gewerblichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer um das Vierfache (ab VZ 2020) des Messbetrags.7 Aufgrund der pauschalen Anrechnung der GewSt auf die Einkommensteuer ist der Gewerbesteuermessbescheid auch Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid (§ 35 Abs.3 Satz 2 EStG). Solche zirkulären Verrechnungen des Steueraufkommens sind in Art. 106 GG nicht vorgesehen. Sie verfälschen die Verteilungsordnung der Ertragsberechtigten und führen zu einem grauen Finanzausgleich.8

8

In Fällen der Zerlegung oder Zuteilung ist der festgesetzte Messbetrag auch Grundlage des Zerlegungsbescheids (§ 188 AO) und des Zuteilungsbescheids (§ 190 AO). An den Begriff des EZ knüpfen eine ganze Reihe von Vorschriften des GewStG an (z.B. § 7 Satz 1, § 9 Nr. 1 Satz 1, § 10, § 10a Satz 1, § 18, § 19, § 2 Abs. 1, § 28 Abs. 1, § 29, § 35a, § 36 GewStG).

9

frei

B. Inhalt der Vorschrift im Einzeln I. Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags durch das Finanzamt (Satz 1) 1. Steuermessbetrag 10

Gegenstand der Festsetzung ist der Steuermessbetrag. Dieser ist im Gewerbesteuermessverfahren von den Landesfinanzbehörden festzusetzen und Grundlage des anschließenden

4 5 6 7 8

R 1.2 Abs. 1 GewStR 2009. R 1.6 Abs. 2 GewStR 2009. Zu Ausnahmen Schulze in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 14 GewStG Rz. 3. Näher Güroff in Glanegger/Güroff10, § 14 GewStG Rz. 10. Krit. Hidien, BB 2000, 485.

410

Festsetzung des Steuermessbetrags | Rz. 17 § 14 GewStG

Gewerbesteuerfestsetzungsverfahrens in der Hand der Gemeinden der Flächenländer. Den Steuermessbetrag bestimmt das Finanzamt nach § 11 GewStG. 2. Anwendbares Verfahrensrecht der AO § 14 Satz 1 GewStG ordnet lediglich an, dass der Steuermessbetrag festgesetzt wird. Für das Festsetzungsverfahren und seine gewerbesteuerrechtlichen Besonderheiten enthält die Regelung – abgesehen von den Besonderheiten des maßgeblichen Zeitabschnitts – keine ausdrücklichen Vorgaben. Insofern ist die AO als Mantelgesetz anwendbar. Da die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags auf der Grundlage des Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG bisher nicht (und auch in keinem Land) auf die Gemeinden übertragen wurde, obliegt die Verwaltung der Steuer insoweit den Länderfinanzbehörden (Art. 108 Abs. 2 Satz 1 GG, § 1 Abs. 1 AO).

11

Den Gewerbesteuermessbetrag hat das Finanzamt durch einen Gewerbesteuermessbescheid festzusetzen. Dies folgt aus § 14 Satz 1 GewStG i.V.m. § 184 Abs. 1 Satz 1 AO. Es handelt sich um einen Verwaltungsakt i.S.d. §§ 118–133 AO. Da es sich um eine gesondert festgesetzte Besteuerungsgrundlage handelt, und nicht um eine „festgesetzte Steuer“, die nachfolgend den Gemeinden in den Flächenländern obliegt, liegt kein Steuerbescheid i.S.d. § 157 AO vor. Vielmehr handelt es sich um einen Grundlagenbescheid, der für andere Bescheide bindend ist, soweit sein Inhalt für diese von Bedeutung ist (§ 171 Abs. 10 AO). Die Abgabenordnung geht aber wegen der zentralen Funktion dieser Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags davon aus, dass nach § 184 Abs.1 Satz 3 AO die „Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung“ auf die Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge sinngemäß anzuwenden sind. Dies sind grundsätzlich alle Vorschriften im 4. Teil der Abgabenordnung (die §§ 137–217 AO). Für einzelne Regelungen kann die Reichweite der Verweisungsnorm nach ihrem Sinn und Zweck eingeschränkt sein.9

12

frei

13–14

3. Zuständigkeit der Finanzämter Zuständig ist in allen (Bundes-)Ländern das Finanzamt als Landesfinanzbehörde (Art. 108 Abs. 2 GG). Die Festsetzung der Steuermessbeträge, deren Zerlegung oder Zuteilung obliegt nicht den Gemeinden auf der Grundlage des Art. 106 Abs. 4 Satz 2 GG. Das Finanzamt erlässt den Gewerbesteuermessbescheid nach §§ 184, 155 f. AO.

15

Örtlich zuständig ist das Betriebsfinanzamt am Sitz der inländischen Geschäftsleitung (§§ 22 Abs. 1, 18 Abs. 1 Nr. 2 AO). Wird die Geschäftsleitung verlegt, geht die Zuständigkeit auf das Finanzamt über, in dessen Bezirk die Geschäftsleitung verlegt wurde.10 Bei „reinen“ Reisegewerbetreibenden (§ 35a GewStG) ist das FA zuständig, in dessen Bezirk sich der Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit befindet.11 Die Ermittlung des gewerblichen Gewinns sowie die Festsetzung und ggf. auch die Zerlegung des Steuermessbetrags sind grundsätzlich bei einem Finanzamt vereinigt.12 Für Zuständigkeitsfehler gilt § 127 AO.

16

Die Finanzämter können sich bei der Fertigung der Gewerbesteuermessbescheide der technischen Hilfe der Gemeinden bedienen. Werden den Gemeinden auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften die Daten der Gewerbesteuermessbescheide ganz oder teilweise auf maschinell verwertbaren Datenträgern oder durch Datenfernübertragung übermittelt, können die hebeberechtigten Gemeinden auch die Messbescheide fertigen.13 Die Finanzämter können sich auch

17

9 Besonders im Hinblick auf den Wortlaut des § 184 Abs. 1 Satz 4 AO, näher Hofmeister in Brandis/ Heuermann, § 14 GewStG Rz. 8. 10 R 1.3 Abs. 1 Satz 3 GewStR 2009; zur Geschäftsleitung im Ausland § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO. 11 R 1.3 Abs. 1 Satz 2 GewStR 2009. 12 R 1.3 Abs. 3 Satz 1 GewStR 2009. 13 R 1.4 Abs. 1 GewStR 2009.

411

GewStG § 14 Rz. 18 | Festsetzung des Steuermessbetrags bei der Übersendung der Gewerbesteuermessbescheide der Hilfe der Gemeinden bedienen.14 Es bleibt auch in diesem Fall der Verwaltungszusammenarbeit ein Bescheid des Finanzamts. 18–19

frei

4. Bescheid 20

Die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags erfolgt nach § 184 Abs. 1 AO durch einen Gewerbesteuermessbescheid als Verwaltungsakt i.S.d. § 118 AO. Der Steuermessbetrag wird dabei erforderlichenfalls auf volle Euro nach unten abgerundet. Der Gewerbesteuermessbescheid ist Grundlagenbescheid nach § 171 Abs. 10 AO für die Festsetzung (§§ 16 ff. GewStG) und den Steuerfestsetzungsbescheid und die Zerlegung (§§ 28 ff. GewStG) und den Zerlegungsbescheid der Gewerbesteuer sowie für einen Zuteilungsbescheid des Finanzamts nach § 190 Satz 1 AO. Der Steuermessbescheid kann nach § 184 Abs. i.V.m §§ 164, 165 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder vorläufig ergehen. 5. Form

21

Für den Messbescheid gelten die §§ 155, 157 AO (vgl. § 184 Abs. 1 Satz 3 AO). Der Gewerbesteuermessbescheid ist schriftlich oder elektronisch zu erteilen (§ 157 Abs. 1, § 184 Abs. 1 Satz 3, § 87a AO). Ein Formfehler führt nicht zur Nichtigkeit des Bescheids (§ 125 Abs. 1 AO). 6. Inhalt

22

Im Gewerbssteuermessbescheid hat das Finanzamt für Zwecke der Festsetzung des Messbetrags über die persönliche und sachliche Steuerpflicht zu befinden (§ 184 Abs. 1 AO). Die persönliche Steuerpflicht betrifft die Steuerschuldnerschaft15 (§ 5 GewStG), die sachliche den Gewerbebetrieb als Steuerobjekt (§ 2 ff. GewStG) und seine Besteuerungsgrundlage (§§ 6 ff. GewStG). Das Finanzamt entscheidet auch darüber, ob Sanierungsgewinne nach § 7b GewStG steuerfrei sind. Auch hieran ist die Gemeinde gebunden.

23

Nach neuerer Rechtsprechung ist die Bestimmung der hebeberechtigten Gemeinde als Steuergläubiger grundsätzlich kein (notwendiger) Bestandteil des Gewerbssteuermessbescheids. Sie gehört jedenfalls nicht zu den Wirksamkeits- oder Rechtsmäßigkeitsvoraussetzungen des Messbescheids16 Die bloße Mitteilung des Inhalts des Steuermessbescheids nach § 184 Abs. 3 AO ist kein Verwaltungsakt, sondern eine verwaltungsinterne Maßnahme,17 jedenfalls keine feststellende und verbindliche Regelung. Die Finanzämter sollen aber die steuerberechtigten Gemeinden über anhängige Einspruchsverfahren gegen Gewerbesteuermessbescheide von „größerer Bedeutung“ unterrichten.18

24

Für die Fragen der Aufhebung und Änderung des Gewerbesteuermessbescheids und der Festsetzungsfrist gelten nach § 184 Abs. 1 Satz 3 AO die allgemeinen Vorschriften für Steuerbescheide sinngemäß (§§ 164, 165, 172 ff. 129, 169 ff. AO). § 35b Abs. 1 Satz 1 GewStG enthält eine eigenständige Rechtsgrundlage für die Aufhebung und Änderung des Messbescheids, wenn der Einkommensteuerbescheid, der Körperschaftsteuerbescheid oder ein Feststellungsbescheid aufgehoben oder geändert wird und die Aufhebung oder Änderung den Gewinn aus Gewerbebetrieb berührt.

25

Nach Ansicht des Hessischen FG19 richtet sich der Inhalt des Gewerbesteuermessbescheid nach materiellem Recht. Daher seien im Messbetragsverfahren auch Feststellungen hin14 R 1.4 Abs. 2 Satz 2 GewStR 2009. 15 Zum Inhaltsadressat Schulze in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 14 GewStG Rz. 17. 16 BFH v. 19.11.2003 – I R 88/02, BStBl. II 2004, 775; anders noch BFH v. 14.11.1984 – I R 151/80, BStBl. II 1985, 607. 17 BFH v. 25.11.2015 – I R 85/13, BStBl. II 2016, 479. 18 AEAO zu § 184 Satz 2. 19 FG Hess. v. 26.8.2020 – 8 K 1860/16, EFG 2021, 779, Rev. BFH I R 8/21.

412

Festsetzung des Steuermessbetrags | Rz. 31 § 14 GewStG

sichtlich der Anrechnung einbehaltener ausländischer Quellensteuern zu treffen. Hierzu bedarf es aber einer gesetzlichen Grundlage, die bisher fehlt. 7. Billigkeitsmaßnahmen Eine gesetzliche Regelung für den praktisch wichtigen Fall der Sanierungsgewinne enthält jetzt § 7b GewStG. Für den Erlass von Steueransprüchen nach § 227 AO sind im Erhebungsverfahren nach §§ 1 Abs. 2 Nr. 5 AO die Gemeinden in den Flächenländern zuständig, sofern ihnen diese Aufgaben – wie geschehen – übertragen worden sind (vgl. Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG).20

26

In diesen Fällen sind im Rahmen des Gewerbesteuermessbescheidverfahrens nach § 14 GewStG die Finanzämter zwar zuständig, aber grundsätzlich nicht befugt, den Steuermessbetrag dadurch niedriger festzusetzen, dass nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuer erhöhen, außer Betracht gelassen werden.

27

Eine praktische Ausnahme hat die Rechtsprechung zugelassen: Verfahrensrechtlich bestehen keine Bedenken, wenn das Finanzamt den Steuermessbetrag in der bezeichneten Weise niedriger festsetzt, nachdem die zur Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer befugte Gemeinde dieser Maßnahme zugestimmt hat.21

28

Eine gesetzliche Ausnahme besteht zudem nach § 184 Abs. 2 Satz 1 AO. Die Finanzämter sind danach auch ohne Mitwirkung der hebeberechtigten Gemeinden berechtigt, bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO zu gewähren, soweit für solche Maßnahmen in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, der obersten Bundesfinanzbehörde (BMF, ab EZ 2014) oder einer obersten Landesbehörde Richtlinien aufgestellt worden sind. Die Billigkeitsmaßnahmen können darin bestehen, dass zur Vermeidung unbilliger Härten bei bestimmten Gruppen gleich gelagerter Fälle entweder der Gewerbesteuermessbetrag niedriger festgesetzt wird oder dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, die den Gewerbesteuermessbetrag erhöhen, außer Betracht gelassen werden. Diese Kompetenzzuweisung an das BMF widerspricht Art. 108 Abs. 2, 7 GG. Unabhängig hiervon kommen nach § 184 Abs. 2 Satz 2 AO auch Maßnahmen nach § 163 Abs. 1 Satz 2 AO in Betracht, wenn der Steuerpflichtige zustimmt. Hier ist § 7b GewStG grundsätzlich vorrangig, d.h. das Finanzamt und nicht mehr die Gemeinde ist zuständig.

29

8. Bekanntgabe Nach § 122 Abs. 1 Satz 1, § 122a AO ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben (Bekanntgabeadressat), für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird (Inhaltsadressat). Die Bekanntgabe des Gewerbesteuermessbescheids erfolgt gegenüber dem Steuerschuldner i.S.d. § 5 GewStG für seinen Gewerbebetrieb.22 Gleiches gilt für den Zerlegungsbescheid. Nach § 184 Abs. 3 AO teilen die Finanzbehörden die festgesetzten Steuermessbeträge den für die Steuerfestsetzung zuständigen Gemeinden mit. Es handelt sich um eine zulässige Informationsweitergabe (§ 30 Abs. 4 Nr. 2 AO), und nicht einen Verwaltungsakt gegenüber der hebeberechtigten Gemeinde. Den Gewerbesteuermessbescheid darf statt des Finanzamts auch die hebeberechtigte Gemeinde wirksam bekanntgeben.

30

In der Praxis werden Gewerbesteuermessbescheide häufig durch die Gemeinde zusammen mit dem Gewerbesteuerbescheid bekanntgegeben.23 Dabei ist wie folgt zu unterscheiden: (1) Das Finanzamt übermittelt der Gemeinde die Daten des Steuermessbescheides. Die Gemeinde stellt den Steuermessbescheid auf dieser verbindlichen Grundlage technisch her und gibt ihn zusammen mit dem Gewerbesteuerbescheid in eigener Verantwortung

31

20 21 22 23

R 1.6. Abs. 1 GewStR 2009; zu den Stadtstaaten mit Bremen R 1.6. Abs. 2 GewStR 2009. BFH v. 24.10.1972 – VIII R 32/67, BStBl. II 1973, 233; H 1.5. Abs. 1 GewStH 2016. Näher Schulze in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 14 GewStG Rz. 24. Dazu Weber in GewStG eKommentar (Bös/Schmieszek), § 14 GewStG Rz. 8 m.w.N.

413

GewStG § 14 Rz. 32 | Festsetzung des Steuermessbetrags bekannt. Dieses Verfahren ist in Baden-Württemberg (§ 9 Abs. 2 KAG BW), Niedersachsen (§ 2 RealStÜtrG ND) und Nordrhein-Westfalen (§ 2 RealStG NW i.V.m. dem RealStZustGDV NW) landesrechtlich vorgesehen. (2) Oder das Finanzamt stellt den Steuermessbescheid selbst her und überlässt ihn der Gemeinde zur Bekanntgabe. Der BFH verlangt hier allerdings eine landesgesetzliche Ermächtigung für die Bekanntgabe durch die Gemeinde.24 9. Bindungswirkungen 32

Durch den Gewerbesteuermessbescheid wird keine Steuer, sondern ein Messbetrag als Besteuerungsgrundlage festgesetzt.25 Er ist nach §§ 184 Abs. 1 Satz 4, 182 Abs. 1 Satz 1 AO für Folgebescheide bindend, soweit die getroffene Festsetzung für diese Bescheide von Bedeutung ist. Er ist daher nach § 171 Abs. 10 AO bindender Grundlagenbescheid u.a. für den Gewerbesteuerbescheid der Gemeinde (in Flächenländern), den Zerlegungsbescheid (§ 188 AO) und den Zuteilungsbescheid (§ 190 AO) des Finanzamts sowie die Steuerermäßigung nach § 35 EStG.26

33

Dagegen ist der Gewerbesteuermessbescheid des EZ, auf dessen Ende der vortragsfähige Fehlbetrag gesondert festgestellt wird, kein Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 AO für den Verlustfeststellungsbescheid dieses EZ, soweit die sachliche Steuerpflicht für die Beurteilung der Unternehmensidentität von Bedeutung ist, denn nach der gesetzlichen Konzeption sollte der Verlustfeststellungsbescheid für den Gewerbesteuermessbescheid bindend sein und nicht umgekehrt.27

34

Die Einkünftefeststellung im Bereich der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer ist für die Ermittlung und Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags durch das Finanzamt nicht bindend.28

35

Die bloße Mitteilung des Inhalts des Steuermessbescheids nach § 184 Abs. 3 AO ist kein Verwaltungsakt, sondern eine verwaltungsinterne Maßnahme.29 Die Gemeinde muss die Steuergläubigerschaft eigenständig prüfen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens darf ein Gewerbesteuermessbescheid nicht mehr ergehen.30 10. Rechtsbehelfe

36

Der Steuerpflichtige kann gegen den Gewerbesteuermessbescheid Einspruch einlegen (§ 347 Abs. 1 Nr. 1, 350 ff. AO). Danach ist eine Klage vor den Finanzgerichten möglich (§§ 33 Abs. 1 Nr. 1, 40 ff. FGO). Eine Beiladung der Gemeinde zu dem Klageverfahren ist nicht statthaft (§ 60 Abs. 2 FGO, vgl. auch § 360 AO). Der Steuermessbescheid hat bindende Wirkung (§ 182 Abs. 1 AO) für den Gewerbesteuerbescheid. Einwendungen gegen die Höhe des Gewerbeertrags sind daher im Rechtsbehelf gegen den Messbescheid geltend zu machen.31 Vorläufiger Rechtsschutz (Aussetzung der Vollziehung) ist möglich (§ 361 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 AO, § 69 Abs. 2, 3 FGO).32 Im Klageverfahren ersetzt der Gewerbesteuermessbescheid (§ 14 GewStG) den Vorauszahlungsbescheid33 (§ 19 GewStG) gem. § 68 FGO.

24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

414

BFH v. 31.7.1990 – I R 28/88, BStBl. II 1991, 244; v. 12.11.1992 – X B 69/92, BStBl. II 1993, 263. BFH v. 5.2.2014 – X R 1/12, BStBl. II 2016, 567. Vgl. BFH v. 5.4.2010 – IV R 5/08, BStBl. II 2010, 912. BFH v. 7.9.2016 – IV R 31/13, BStBl. II 2017, 482. BFH v. 11.12.1997 – III R 14/96, BStBl. II 1999, 401; v. 8.4.2008 – VIII R 73/05, BStBl. II 2008, 681; H 71. Abs. 1 Eigenständige Ermittlung des Gewerbeertrags; H 14.1 GewStH 2016. So BFH v. 25.11.2015 – I R 85/13, BStBl. II 2016, 479. BFH v. 2.7.1997 – I R 11/97, BStBl. II 1998, 428. BFH v. 10.6.1987 – I R 301/83, BStBl. II 1978, 816. Schulze in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 14 GewStG Rz. 37 f. BFH v. 19.12.2019 – III R 39/17, BStBl. II 2020, 397.

Festsetzung des Steuermessbetrags | Rz. 44 § 14 GewStG

Die Gemeinden sind nach vorherrschender Auffassung nicht befugt, den Gewerbesteuermessbescheid anzufechten.34 Dies gilt für den Einspruch beim Finanzamt wie auch für die Klage vor dem FG. Eine Ausnahme regeln §§ 360 Abs. 2 AO bzw. § 40 Abs. 3 FGO.35 Eine Verfassungsbeschwerde einer Gemeinde, die sich gegen einen Grundsteuermessbescheid gewendet hat, hat das BVerfG36 im Jahr 1976 nicht zu Entscheidung angenommen. Dagegen folgt die Klagebefugnis der Gemeinden im Zerlegungs- und Zuteilungsverfahren (§§ 186 Nr. 2, 190 AO) unmittelbar aus § 40 Abs. 2 FGO bzw. § 350 AO für den Einspruch. frei

37

38–39

II. Erhebungszeitraum (Satz 1 bis 3) 1. Festsetzungszeitraum (Satz 1) Den Steuermessbetrag hat das Finanzamt für den EZ und zwar nach dessen Ablauf festzusetzen. Den Begriff des EZ und seinen zeitlichen Umfang bestimmen Sätze 2 und 3 der Vorschrift. Damit darf die Festsetzung im Regelfall frühestens nach Ablauf des Kalenderjahres am 31.12. erfolgen (Satz 2). Im Ausnahmefall (Satz 3) darf sie auch sofort nach Wegfall der persönlichen Steuerpflicht erfolgen, d.h. schon während des laufenden Jahres.

40

2. Begriff des EZ (Satz 2) EZ ist der Zeitabschnitt, für den der Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt wird. EZ ist nach der Legaldefinition grundsätzlich, vorbehaltlich des § 14 Satz 3 GewStG, das Kalenderjahr. Folgen hat diese Festlegung für die Regelungen der §§ 10 Abs. 1, 11, 14 Satz 1, 16, 18, 19 GewStG.

41

Der Gesetzgeber verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff des EZ, während das EStG in § 25 Abs. 1 in vergleichbarem Zusammenhang von einem Veranlagungszeitraum spricht. Die unterschiedliche Begriffswahl ist aus der historischen Entwicklung erklärbar. Nach dem GewStG 1936 war die Gewerbesteuer für den Zeitraum 1.4.–31.3. zu erheben. Aus diesem Grund fanden Begriff und Definition für den EZ Einzug in das Gewerbesteuergesetz. Bereits ab 1943 fiel die Gewerbesteuer für den auch heute noch so definierten EZ an.

42

Bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ist für Zwecke der Zuordnung des Gewerbeertrags § 10 Abs. 2 GewStG anzuwenden. Danach gilt der Gewerbeertrag als in dem EZ bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endet. Vom EZ sind die Begriffe Bemessungszeitraum und Ermittlungszeitraum zu unterscheiden (§ 10 Rz. 7). Der EZ ist auch für die Zerlegung (§ 28 Abs. 1 GewStG) maßgeblich.

43

Beispiel: Betriebseröffnung 1.7.01 Abweichendes Wirtschaftsjahr 1.7.01 bis 30.6.02 EZ 01: kein Messbetrag EZ 02: Festsetzung des Messbetrag nach Ablauf des EZ, 31.12.02.

3. Abgekürzter EZ (Satz 3) Satz 3 variiert die Legaldefinition in Satz 2 des § 14 GewStG. Besteht die (persönliche) Gewerbesteuerpflicht nicht während eines ganzen Kalenderjahres, so tritt an dessen Stelle der Zeitraum (die Dauer) der Steuerpflicht im Kalenderjahr (abgekürzter EZ). Die Gewerbesteuerpflicht knüpft hier ausschließlich an den Steuergegenstand und an die sachliche 34 BFH v. 17.10.2001 – I B 6/01, BStBl II 2020, 128; näher Hofmeister in Brandis/Heuermann § 14 GewStG Rz. 39. 35 Zur Verfassungsmäßigkeit des § 40 Abs. 3 FGO Krumm in Tipke/Kruse, § 40 FGO Rz. 98. 36 BVerfG v. 30.6.1976 – 2 BvR 475/76, HFR 1976, 536.

415

44

GewStG § 14 Rz. 45 | Festsetzung des Steuermessbetrags (materielle) Steuerpflicht (§ 2 GewStG) an,37 nicht an die persönliche Steuerpflicht (Steuerschuldnerschaft). Gesetzestechnisch wird der EZ damit mit der materiellen Steuerpflicht verknüpft.38 Nach § 138 AO hat der Stpfl. der Gemeinde bzw. dem Finanzamt die Aufgabe des Betriebs innerhalb eines Monats mitzuteilen. 45

Praktische Bedeutung hat die Regelung, wenn die Gewerbesteuerpflicht im Laufe des Kalenderjahres beginnt oder endet oder beim Unternehmerwechsel während des laufenden Kalenderjahres (§ 2 Abs. 5, § 5 Abs. 2 GewStG). In diesen Fällen erlischt sowohl die sachliche als auch die persönliche Steuerpflicht.39 Wird etwa ein Einzelunternehmen auf einen anderen Einzelunternehmer übertragen, besteht die persönliche Steuerpflicht nicht während des gesamten Kalenderjahres; damit liegen zwei abgekürzte EZ vor, mit zwei entsprechenden Messbescheiden.40

46

Der Steuermessbetrag ist danach für das Kalenderjahr als EZ festzusetzen, wenn die sachliche Steuerpflicht (und Unternehmensidentität) während des Kalenderjahres fortbesteht; er ist für einen abgekürzten EZ festzusetzen, wenn die sachliche Steuerpflicht nur für diesen Zeitraum bestanden hat. In diesem Fall braucht das Finanzamt mit der Festsetzung des Steuermessbetrags nicht bis zum Ablauf des Kalenderjahres zu warten; der Messbetrag kann sofort nach Wegfall der Steuerpflicht festgesetzt werden.41

37 BFH v. 25.4.2018 – IV R 6/16, BStBl. II 2018, 484; BFH v. 19.12.2019 – IV R 8/17, DStR 2020, 978, dort auch zu § 10a GewStG. 38 Schulze in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 14 GewStG Rz. 50. 39 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616. 40 Selder in Glanegger/Güroff10, § 14 GewStG Rz. 9. Zum Ausscheiden aller Kommanditisten einer Personengesellschaft und zum Gewerbesteuerfreibetrag BFH v. 25.4.2018 – IV R 8/16, BStBl. II 2018, 484; dazu Hidien, jurisPR-SteuerR 30/2018 Anm. 3. 41 R 14.1 Satz 5 GewStR 2009.

416

§ 14a Steuererklärungspflicht 1

Der Steuerschuldner (§ 5) hat für steuerpflichtige Gewerbebetriebe eine Erklärung zur Festsetzung des Steuermessbetrags und in den Fällen des § 28 außerdem eine Zerlegungserklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln. 2Auf Antrag kann die Finanzbehörde zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten; in diesem Fall ist die Erklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben und vom Steuerschuldner oder von den in § 34 der Abgabenordnung bezeichneten Personen eigenhändig zu unterschreiben. § 25 GewStDV Gewerbesteuererklärung (1) Eine Gewerbesteuererklärung ist abzugeben 1. für alle gewerbesteuerpflichtigen Unternehmen, deren Gewerbeertrag im Erhebungszeitraum den Betrag von 24.500 Euro überstiegen hat; 2. für Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung), wenn sie nicht von der Gewerbesteuer befreit sind; 3. für Genossenschaften einschließlich Europäischer Genossenschaften und für Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, wenn sie nicht von der Gewerbesteuer befreit sind. Für sonstige juristische Personen des privaten Rechts und für nichtrechtsfähige Vereine ist eine Gewerbesteuererklärung nur abzugeben, soweit diese Unternehmen einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb – ausgenommen Land- und Forstwirtschaft – unterhalten, dessen Gewerbeertrag im Erhebungszeitraum den Betrag von 5.000 Euro überstiegen hat; 4. für Unternehmen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie als stehende Gewerbebetriebe anzusehen sind und ihr Gewerbeertrag im Erhebungszeitraum den Betrag von 5.000 Euro überstiegen hat; 5. für Unternehmen im Sinne des § 3 Nr. 5, 6, 8, 9, 15, 17, 21, 26, 27, 28 und 29 des Gesetzes nur, wenn sie neben der von der Gewerbesteuer befreiten Tätigkeit auch eine der Gewerbesteuer unterliegende Tätigkeit ausgeübt haben und ihr steuerpflichtiger Gewerbeertrag im Erhebungszeitraum den Betrag von 5.000 Euro überstiegen hat; 6. für Unternehmen, für die zum Schluss des vorangegangenen Erhebungszeitraums vortragsfähige Fehlbeträge gesondert festgestellt worden sind; 7. für alle gewerbesteuerpflichtigen Unternehmen, für die vom Finanzamt eine Gewerbesteuererklärung besonders verlangt wird. (2) Die Steuererklärung ist spätestens an dem von den obersten Finanzbehörden der Länder bestimmten Zeitpunkt abzugeben. Das Recht des Finanzamts, schon vor diesem Zeitpunkt Angaben zu verlangen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, bleibt unberührt. A. B. I. II.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Erklärungspflicht (Satz 1) . . . . . . . . . . . Erklärungspflichtige Gewerbebetriebe (§ 25 Abs. 1 GewStDV) . . . . . . . . . . . . .

1 10

III. Form der Erklärung (Satz 2). . . . IV. Erklärungsfristen (§ 149 AO, § 25 Abs. 2 GewStDV) . . . . . . . . . . . .

20 22

11

A. Allgemeines § 14a GewStG verpflichtet der Steuerschuldner eine Gewerbesteuererklärung bzw. eine Zerlegungserklärung abzugeben. Die Regelung normiert zusammen mit § 25 GewStDV formelle Vorgaben für das Besteuerungsverfahren. Die Regelung betrifft zusammen mit § 14 GewStG das Gewerbesteuermessverfahren und den Gewerbesteuermessbetrag bzw. die Zerlegung des Messbetrags. Das Verfahren obliegt den Finanzämtern aller Länder und ist dem Gewerbesteuerverfahren, das den Gemeinden der Flächenländer obliegt, vorgeschaltet.

417

1

GewStG § 14a Rz. 2 | Steuererklärungspflicht 2

Die aktuelle Fassung beruht auf dem Gesetz v. 20.12.2008.1 Die Regelung geht auf § 24 GewStDVO 1938 zurück.

3

Zum Zweck der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags durch das Finanzamt hat der Steuerschuldner (§ 5 GewStG) jeden steuerpflichtigen Gewerbebetrieb eine entsprechende Erklärung und ggf. auch eine Zerlegungserklärung (§ 28 GewStG) abzugeben.

4

§ 14a GewStG regelt die grundsätzliche Steuererklärungspflicht (Steuerschuldner, Steuerobjekt, Übermittlungsweg und Form), während § 25 Abs. 1 GewStDV die Erklärungspflicht sachlich einschränkt. Die Erklärungsfristen ergeben sich aus der AO (§ 149 AO) als Mantelgesetz und § 25 Abs. 2 GewStDV.

5

Ursprünglich regelte allein § 25 GewStDV die Pflichten zur Abgabe der Gewerbesteuererklärung (Erklärung zur Festsetzung des Steuermessbetrags und ggf. Zerlegungserklärung). Ab dem EZ 1985 wurde § 14a GewStG in das GewStG eingefügt, um eine gesetzliche Rechtsgrundlage zu schaffen.

6

Mit dieser Erklärung erfüllt der Steuerschuldner seine gesetzlichen Mitwirkungspflichten (§§ 90, 149 AO) gegenüber der Finanzbehörde. Gegenüber der hebeberechtigten Gemeinde ist keine Steuererklärung abzugeben, diese wird vom Finanzamt über die Besteuerungsgrundlagen informiert (§ 184 Abs. 3 AO). Die Grundsätze gelten entsprechend für die Zerlegungserklärung, die neben der Gewerbesteuererklärung zusätzliche Angaben über den Zerlegungsfall erfordert. Die Nichtabgabe oder verspätete Abgabe der Erklärung kann das Finanzamt sanktionieren (§§ 328, 162 AO, § 14b GewStG).

7–9

frei

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Erklärungspflicht (Satz 1) 10

Erklärungspflichtig ist nach § 14 Satz 1 GewStG der Steuerschuldner i.S.d. § 5 GewStG des steuerpflichtigen Gewerbebetriebs. An seiner Stelle handeln die in § 34 AO genannten Personen. Bei der Organschaft ist der (nur) Organträger (auch für die Organgesellschaften) Steuerschuldner. Im Fall einer Betriebsaufspaltung bestehen mehrere Steuerschuldner.2 Für jeden Gewerbebetrieb ist eine Erklärung abzugeben.3 Bei Betriebsstätten ist ggf. eine Zerlegungserklärung abzugeben, die die Vorgaben der §§ 28 ff. GewStG beachten muss. Auf eine Verletzung der Übermittlungs- oder Erklärungsabgabepflichten kann die Finanzbehörde mit den allgemeinen Sanktionen reagieren: Verspätungszuschlag (§ 152 AO, § 14b GewStG), Zwangsmittel (§§ 328 ff. AO), Schätzung (§ 162 AO).4

II. Erklärungspflichtige Gewerbebetriebe (§ 25 Abs. 1 GewStDV) 11

§ 25 GewStDV beruht auf § 35c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. 3 GewStG. Eine Steuererklärungspflicht tritt bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften grundsätzlich erst dadurch ein, dass der Gewerbeertrag im EZ die in § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG genannten Freibeträge übersteigt (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 GewStDV). Kapitalgesellschaften u.a. haben eine Erklärung abzugeben, wenn sie nicht steuerbefreit sind (vgl. § 2 Abs. 2 GewStG, § 25 Abs.1 Nr. 2, Nr. 3 Satz 1 GewStDV). Sonstige juristische Personen des Privatrechts u.a. (§ 2 Abs. 3 GewStG) haben eine Erklärung nur abzugeben, wenn der Gewerbeertrag je EZ den Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GewStDV übersteigt (§ 25 Abs.1 Nr. 3 Satz 2 GewStDV). 1 2 3 4

Gesetz v. 20.12.2008, BGBl. I 2008, 2850. BFH v. 18.8.1988 – IV R 19/83, BStBl. II 1985, 199. BFH v. 16.5.2002 – III R 45/98, BStBl. II 2011, 673. Näher Schulze in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 14a GewStG Rz. 5.

418

Steuererklärungspflicht | Rz. 21 § 14a GewStG

Eine juristische Person des öffentlichen Rechts muss für ihr Unternehmen, das sind hier Betriebe gewerblicher Art, nur dann eine Gewerbesteuererklärung abgeben, wenn der Gewerbeertrag des einzelnen Betriebs (ebenfalls) den Freibetrag von 5.000 € übersteigt (§ 25 Abs. 1 Nr. 4 GewStDV i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GewStG). Dasselbe gilt für Unternehmen, die nur teilweise von der Gewerbesteuer befreit sind (§ 25 Abs. 1 Nr. 5 GewStDV). Nicht verbrauchte vortragsfähige Fehlbeträge aus Vorjahren ziehen, unabhängig vom maßgeblichen Gewerbeertrag, nach § 25 Abs. 1 Nr. 6 GewStDV eine Erklärungspflicht nach sich.

12

Fordert das Finanzamt zur Abgabe einer Gewerbesteuererklärung auf, so sind für ein gewerbesteuerpflichtiges Unternehmen stets entsprechende Erklärungen abzugeben (§ 25 Abs. 1 Nr. 7 GewStDV).

13

Gewerbebetriebe, die kleine Solaranlagen betreiben, sind ab dem EZ 2019 von der Steuer befreit (§ 3 Nr. 32 GewStG) und sind daher nicht zur Abgabe einer Gewerbesteuererklärung verpflichtet. Für die Befreiung zum Kammerbeitrag kann der Steuerpflichtige einer Bestätigung der Steuerbefreiung beantragen. Das Finanzamt kann von Amts wegen eine Erklärung anfordern, um die Befreiung zu überprüfen.

14

Im Regelinsolvenzverfahren hat der Insolvenzverwalter die Erklärungspflichten zu erfüllen (§ 34 Abs. 3, 80 Abs. 1 InsO).5 Bis zur Insolvenzeröffnung obliegen dem Steuerpflichtigen (= Insolvenzschuldner) die Erklärungspflichten.

15

frei

16–19

III. Form der Erklärung (Satz 2) Ab dem EZ 2011 schreibt § 14a GewStG grundsätzlich die Übermittlung der Steuererklärungsdaten auf elektronischem Wege gesetzlich vor. Die Finanzverwaltung bietet in diesem Zusammenhang die Software „Elster“ zur elektronischen Übermittlung der Steuererklärung an. Nur in Ausnahmefällen kann zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichtet werden. § 150 Abs. 8 AO nennt als Beispiel folgende Gründe für eine entsprechende unbillige Härte: – Die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung des amtlich vorgeschriebenen Datensatzes ist nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich. – Der Steuerpflichtige ist nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen.

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21

IV. Erklärungsfristen (§ 149 AO, § 25 Abs. 2 GewStDV) 22 Die Frist zur Abgabe der Steuererklärung ergibt sich aus § 25 Abs. 2 GewStDV i.V.m. § 149 AO. Das Finanzamt hat das Recht, schon vor den maßgebenden Zeitpunkten Angaben zu verlangen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind (§ 25 Abs. 2 Satz 2 GewStDV). Das ATAD-Umsetzungsgesetz6 hat die Erklärungsfristen gem. § 149 AO für den EZ 2020 coronabedingt für beratene und nichtberatene Steuerpflichtige verlängert; Entsprechendes galt für den EZ 2019.

5 Näher Schulze in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, Anhang 2 GewStG Rz. 68 f.; vgl. BMF v. 20.5.2015, BStBl. I 2015, 476 Rz. 28 f. 6 Art. 6 ATAD-UmsG v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035. Zur Anwendung BMF v. 20.7.2021, BStBl. I 2021, 984.

419

GewStG § 14a

420

§ 14b Verspätungszuschlag 1 Ein nach § 152 der Abgabenordnung zu entrichtender Verspätungszuschlag fließt der Gemeinde zu. 2Sind mehrere Gemeinden an der Gewerbesteuer beteiligt, so fließt der Verspätungszuschlag der Gemeinde zu, in der sich die Geschäftsleitung am Ende des Erhebungszeitraums befindet. 3Befindet sich die Geschäftsleitung im Ausland, so fließt der Verspätungszuschlag der Gemeinde zu, in der sich die wirtschaftlich bedeutendste Betriebsstätte befindet. 4Auf den Verspätungszuschlag ist der Hebesatz der Gemeinde nicht anzuwenden.

A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen

6

A. Allgemeines Die Regelung ist an sich Teil des Besteuerungsverfahrens zur Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrag durch für die zuständigen Landesfinanzbehörden, denen auch die Festsetzung eines Verspätungszuschlags obliegt. Das Verfahren obliegt den Finanzämtern aller Länder und ist dem Gewerbesteuerverfahren, das den Gemeinden der Flächenländer obliegt, vorgeschaltet. Sie betrifft das Verhältnis zwischen den öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften. Die Regelung gehört systematisch zu § 14a GewStG.

1

Ihre aktuelle Fassung beruht auf dem Jahressteuergesetz 1996 v. 11.10.1995.1 Die Regelung geht auf § 25 GewStDVO 1938 zurück.

2

§ 14b GewStG regelt, dass ein vom Steuerschuldner zu entrichtender Verspätungszuschlag der Gemeinde „zufließt“. Die Gemeinde hat danach die Ertragsberechtigung (Ertragshoheit, „zustehen“) und Erhebungszuständigkeit hinsichtlich des Verspätungszuschlags. Festgesetzt wird ein Verspätungszuschlag zum Gewerbesteuermessbetrag nach § 152 AO allerdings durch die Finanzämter. Die Erhebung obliegt nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 AO den Gemeinden. Die Regelung hat mithin einen materiell- und einen verfahrensrechtlichen Gehalt, begründet aber keine subjektiven Rechte des Steuerpflichtigen.

3

Ohne diese Regelung würde das Aufkommen der Nebenleistung nach § 3 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 5 Satz 5 AO dem jeweiligen Land zustehen und zufließen. Art. 106 GG enthält keine ausdrückliche Regelung für die Ertragshoheit von steuerlichen Nebenleistungen, so dass der für die Gewerbesteuer zuständige Bundesgesetzgeber auch insoweit eine aufgabenangemessene Zuordnung des Aufkommens treffen konnte. Wegen der Identität von Verwaltungsund Ertragshoheit bei den Stadtstaaten samt Bremen hat die Regelung hier keine Bedeutung.

4

frei

5

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Ein entrichteter Verspätungszuschlag fließt der hebeberechtigten Gemeinde zu (Satz 1). Ein Verspätungszuschlag wegen Nichtabgabe oder verspäteter Abgabe der Gewerbesteuererklärung oder Zerlegungserklärung wird nach § 24 AO durch das Finanzamt festgesetzt, bei dem die Gewerbesteuererklärung einzureichen ist. Die Festsetzung des Verspätungszuschlags ist nach § 152 Abs. 11 AO regelmäßig mit dem Gewerbesteuermessbescheid oder dem Zerlegungsbescheid verbunden. Er bleibt aber ein eigenständiger Verwaltungsakt.

1 JStG 1996 v. 11.10.1995, BGBl. I 1995, 1250.

421

6

GewStG § 14b Rz. 7 | Verspätungszuschlag 7

Der Verspätungszuschlag ist wie der Säumniszuschlag ein Druckmittel eigener Art. Er ist keine Steuer und dient nicht zur Erzielung von Einnahmen.2 Daher ist Art. 106 GG nicht anwendbar. Vielmehr soll er den Steuerpflichtigen anhalten, seine Erklärungspflichten zu erfüllen. Ein Einspruch gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlags ist bei der zuständigen Finanzbehörde (§ 357 Abs. 2 Satz 1 AO) oder bei der Gemeinde (entsprechend § 357 Abs. 2 Satz 2 AO) eingelegt werden. Über den Einspruch entscheidet aber nur die Landesfinanzbehörde. Für die Erhebung und Vollstreckung des festgesetzten Verspätungszuschlags ist dagegen die Gemeinde zuständig (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 5 AO).

8

Im Fall einer Zerlegung (Satz 2) liegt die Ertragshoheit bei der Gemeinde, in der sich die (inländische) Geschäftsleitung am Ende des EZ befindet. Sind mehrere Gemeinden beteiligt, so fließt das Aufkommen der Gemeinde zu, in der sich die (inländische) Geschäftsleitung am Ende des EZ befindet. Befindet sich die Geschäftsleitung im Ausland, entscheidet die Ertragskraft3 der beteiligten inländischen Betriebsstätten (Satz 3).

9

Satz 4 stellt klar, dass der Hebesatz nicht auf den Verspätungszuschlag – als Druckmittel – anzuwenden ist. Der Zuschlag ist nicht Teil des Messbetrags und keine Steuer i.S.d. § 16 GewStG.

2 BFH v. 22.4.1983 – VI R 268/80, BStBl. II 1983, 489 (für Säumniszuschläge). 3 Schulze in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 14b GewStG Rz. 36.

422

§ 15 Pauschfestsetzung Wird die Einkommensteuer oder die Körperschaftsteuer in einem Pauschbetrag festgesetzt, so kann die für die Festsetzung zuständige Behörde im Einvernehmen mit der Landesregierung oder der von ihr bestimmten Behörde auch den Steuermessbetrag in einem Pauschbetrag festsetzen. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen

2

A. Allgemeines Die Regelung gestattet eine Pauschalierung des Gewerbesteuermessbetrags. Sie betrifft das Gewerbesteuermessbetragsverfahren (Festsetzung des Messbetrags), das den Landesfinanzbehörden (Finanzämtern) aller Länder obliegt. Materielle Voraussetzung ist, dass die Einkommen- oder Körperschaftsteuer ihrerseits in einem Pauschbetrag festgesetzt worden ist. Eine Pauschalierung des Gewerbesteuermessbetrags setzt aber zusätzlich voraus, dass der Steuerpflichtige gewerbesteuerpflichtige, inlandsradizierte Einkünfte durch eine inländische Betriebsstätte eines Gewerbebetriebs erzielt, die dem Territorialitätsprinzip genügen (§§ 8, 9 GewStG). Insoweit ist der Anwendungsbereich der Regelung eher gering und ihr Zweck nicht ersichtlich. Rechtsstaatlich ist sie zudem auch im Hinblick auf die Ermessensentscheidung der Finanzbehörde fragwürdig. Es handelt sich nicht um eine Steuervereinbarung. Einen gesetzlich geregelten Sonderfall enthalten § 2 Abs. 6 und § 9 Nr. 3 GewStG. Die aktuelle Fassung beruht auf dem Gesetz v. 29.10.1997.1 Sie geht auf § 15 GewStG 1936 zurück.

1

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Der Gewerbesteuermessbetrag kann gem. § 15 GewStG in einem Pauschbetrag festgesetzt werden, sofern auch die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer in einem Pauschbetrag festgesetzt wird. Zuständig ist das Finanzamt. Die gesetzliche Regelung umfasst nur wenige Fälle.2 Das EStG und das KStG kennen eine Pauschfestsetzung nur in folgenden Fällen: – nach § 34c Abs. 5 EStG bzw. § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 KStG bei unbeschränkt Steuerpflichtigen mit ausländischen Einkünften; – nach § 50 Abs. 4 EStG bei beschränkt Steuerpflichtigen mit inländischen Einkünften, sowie nach der Verordnung zur Vereinfachung bei Steuernachforderungen vom 28.7.19413, soweit diese Verordnung nicht durch Landesrecht aufgehoben worden ist.

1 Gesetz v. 29.10.1997, BGBl. II 1997, 2590. 2 R 15.1 GewStR 2009. 3 RGBl. I 1941, 489.

423

2

GewStG § 15

424

Abschnitt V. Entstehung, Festsetzung und Erhebung der Steuer § 16 Hebesatz (1) Die Steuer wird auf Grund des Steuermessbetrags (§ 14) mit einem Prozentsatz (Hebesatz) festgesetzt und erhoben, der von der hebeberechtigten Gemeinde (§§ 4, 35a) zu bestimmen ist. (2) Der Hebesatz kann für ein Kalenderjahr oder mehrere Kalenderjahre festgesetzt werden. (3) 1Der Beschluss über die Festsetzung oder Änderung des Hebesatzes ist bis zum 30. Juni eines Kalenderjahrs mit Wirkung vom Beginn dieses Kalenderjahrs zu fassen. 2 Nach diesem Zeitpunkt kann der Beschluss über die Festsetzung des Hebesatzes gefasst werden, wenn der Hebesatz die Höhe der letzten Festsetzung nicht überschreitet. (4) 1Der Hebesatz muss für alle in der Gemeinde vorhandenen Unternehmen der gleiche sein. 2Er beträgt 200 Prozent, wenn die Gemeinde nicht einen höheren Hebesatz bestimmt. 3Wird das Gebiet von Gemeinden geändert, so kann die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle für die von der Änderung betroffenen Gebietsteile auf eine bestimmte Zeit verschiedene Hebesätze zulassen. 4In den Fällen des Satzes 3 sind die §§ 28 bis 34 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle mehrerer Gemeinden die Gebietsteile der Gemeinde mit verschiedenen Hebesätzen treten (5) In welchem Verhältnis die Hebesätze für die Grundsteuer der Betriebe der Landund Forstwirtschaft, für die Grundsteuer der Grundstücke und für die Gewerbesteuer zueinander stehen müssen, welche Höchstsätze nicht überschritten werden dürfen und inwieweit mit Genehmigung der Gemeindeaufsichtsbehörde Ausnahmen zugelassen werden können, bleibt einer landesrechtlichen Regelung vorbehalten. A. I. II. B. I. 1. 2. 3. 4. 5. II. 1. 2.

Allgemeines Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Festsetzung der Steuer mit einem Hebesatz Grundsätze (Abs. 1). . . . . . . . . . . . . . . . Zeitraum der Festsetzung (Abs. 2) . . . . . Zeitpunkt der Festsetzung (Abs. 3) . . . . Einheitlichkeit des Hebesatzes; Mindesthebesatz (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Landesrechtliche Einschränkungen (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Festsetzung der Gewerbesteuer Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweigleisige Verwaltungszuständigkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 5

10 14 15 18 22 25

3. Anwendbares Verfahrensrecht . . . 4. Gewerbesteuerbescheid als Folgebescheid. . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bekanntgabe . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Festsetzungsverjährung . . . . . . . . 7. Außenprüfung . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zweigleisige Rechtsbehelfe des Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . 9. Vorläufiger Rechtsschutz . . . . . . . III. Erhebung der Gewerbesteuer 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zahlungsverjährung . . . . . . . . . . . 5. Säumniszuschläge . . . . . . . . . . . . IV. Vollstreckung der Gewerbesteuer

27 28 33 34 35 36 39 45 46 47 48 49 51

26

A. Allgemeines I. Regelungszweck Den Gemeinden ist das Recht einzuräumen, die Hebesätze „im Rahmen der Gesetze“ festzusetzen. § 16 GewStG („Hebesatz“) ist die korrespondierende, zentrale Regelung des Gewerbesteuerrechts.1 Verfassungsrechtlich konkretisiert sie einfachgesetzlich die Hebe1 Näher BVerfG v. 27.1.2010 – 2 BvR 2185/04, 2 BvR 2189/04, BVerfGE 125, 141.

425

1

GewStG § 16 Rz. 2 | Hebesatz satzgarantie für die Gewerbesteuer als Teil der Finanzautonomie und Finanzhoheit der Gemeinden (Art. 106 Abs. 6 Satz 2, Art. 28 Abs. 2 Satz 2 und 3 GG). Steuerschuldrechtlich und steuerverfahrensrechtlich bestimmt sie die Festsetzung und Erhebung der GewSt durch die hebeberechtigte Gemeinde (§§ 4, 35a GewStG). Steuerpolitisch und steuerwirtschaftlich erlaubt die Regelung im gesetzlichen Rahmen einen zulässigen Steuer- und Standortwettbewerb um die Ansiedlung von Unternehmen.2 Die aktuelle Fassung beruht auf dem JStG 2009 v. 19.12.2008.3 Sie geht auf § 16 GewStG 1936 zurück.4 2

Die unterschiedlichen Hebesätze zwischen den Gemeinden sowie die unterschiedlichen Steuerbelastungen begründen keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Die verfassungsrechtlich zulässige Rechtssetzungskompetenz der Gemeinden rechtfertigt lokale und regionale Unterschiede in den Steuersätzen. Insoweit ist die gegliederte kommunale Finanzund Steuerautonomie eine offene Flanke der Gleichheit vor dem Gesetz. Der Gleichheitsanspruch besteht nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret zuständigen Träger öffentlicher Gewalt. Die Gemeinde als Gesetzgeber ist daher nur verpflichtet, in ihrem Bereich den Gleichheitssatz zu wahren.5 Eine Ausnahme regelt lediglich § 16 Abs. 4 Satz 3 f. GewStG. § 16 GewStG präzisiert im Übrigen die Modalitäten des Hebesatzrechts und seiner konkreten Ausübung. Auch diese sind gesetzesgebunden und bedürfen als belastende Maßnahmen des materiellen Steuerrechts6 einer gesetzlichen Grundlage.

3

Die Belastung wirkt sich unterschiedlich aus. Personenunternehmen (natürliche Personen oder Personengesellschaften) können ihre Gewerbesteuer gem. § 35 EStG begrenzt auf ihre Einkommensteuer anrechnen. Für Körperschaften begründet die Gewerbesteuer neben der Körperschaftsteuer eine endgültige Belastung. Die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008, insb. durch die Ausweitung der Hinzurechnungsvorschriften, hat zu einer Erhöhung der Gewerbesteuerbelastung größerer Unternehmen geführt. Die gleichzeitige Absenkung des Körperschaftsteuersatzes auf 15% kann bei Körperschaften inzwischen dazu führen, dass die Gewerbesteuer die Körperschaftsteuer übersteigt oder ihr nahekommt.7

4

frei

II. Regelungsgegenstand 5

Die Regelung gilt für alle Gewerbebetriebe. Hebeberechtigung i.S.d. §§ 1, 4,16 GewStG ist das subjektive öffentliche Recht einer Gemeinde, den Gewerbesteueranspruch unmittelbar dem Steuerpflichtigen gegenüber geltend zu machen (§ 4 Rz. 4; R 4.1 GewStR 2009). Voraussetzung ist, dass den Gemeinden die Festsetzung und Erhebung der GewSt durch Landesgesetz auf der Grundlage des Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG übertragen wurde. Dies ist in allen Flächenländern der Fall. Verfassungsrechtlich handelt es sich um eine abstrakte Regelungsermächtigung.

6

Die Regelung ergänzt §§ 1 und 4 GewStG. Sie verbindet ungeachtet der Überschriften des Abschnitts V und der Vorschrift zwei unterschiedliche materiell- und verfahrensrechtliche Regelungsbereiche8 des Steuertatbestandes und ist auch insoweit nicht vollständig und 2 Zur Steueroptimierung aus Unternehmersicht Scheffler, Ubg 2011, 266; Neugebauer/Omaid-Quraischi/Oster, StuW 2020, 121. 3 JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 4 § 17 GewStG 1936 regelte zudem Ausnahmen von der Gleichheit der Hebesätze innerhalb der Gemeinden (sog. Zweigstellensteuer). 5 BVerfG v. 21.12.1966 – 1 BvR 33/64, BVerfGE 21, 54. 6 BVerfG v. 21.12.1966 – 1 BvR 33/64, BVerfGE 21, 54. 7 Beutel in Lenski/Steinberg, § 16 GewStG Rz. 17; Wünnemann, Ubg. 2020, 613 („Großbetriebssteuer“). 8 Gosch in Brandis/Heuermann, § 16 GewStG Rz. 1; Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 16 GewStG Rz. 1.

426

Hebesatz | Rz. 11 § 16 GewStG

abschließend: In chronologischer Folge muss die hebeberechtigte Gemeinde zunächst einen Hebesatz bestimmen und festsetzen. Dies setzt Absatz 1 der Vorschrift auch voraus und bestimmt in Absätzen 2 bis 5 weitere, einschränkende Modalitäten. Hierbei sind kommunalrechtliche Vorgaben ergänzend zu beachten. Sodann bestimmt Absatz 1 auch die Festsetzung der Steuer mittels dieses Hebesatzes und ihre Erhebung, jeweils in der Zuständigkeit der Gemeinde. Dies bildet die zweite und abschließende Stufe des zweigeteilten gewerbesteuerrechtlichen Verwaltungsverfahrens, auf der Grundlage der Delegation nach Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG. Hierbei sind Vorgaben der AO ergänzend zu beachten. III. Hebesätze Die Übersicht zeigt die Veränderungen der Hebesätze für Gemeinden mit über 50 000 Einwohnern im Bundesgebiet im Jahr 1997 im Vergleich mit 2015.9 Der gewogene Durchschnittshebesatz aller Gemeinden betrug 2019 403 %. Relative Gewerbesteuer-Oasen mit geringen Hebesätzen nahe 250 % (z.B. Monheim) sind für Gewerbebetriebe interessant, die keine Produktionsstätten haben bzw. ihre Zentralen oder anderen Betriebsstätten ohne großen Aufwand verlegen können, z.B. im Dienstleistungs- oder Verwaltungsbereich.10

7

Ein Steuerwettbewerb besteht besonders zwischen den Einzugsgebieten und Umlandgemeinden großer Städte („Speckgürtel“), die günstige Steuersätze anbieten und den Großstädten bzw. Wirtschaftszentren, die insgesamt höhere Infrastrukturlasten tragen müssen. Die kommunale Hebesatzpolitik wird zudem nicht nur die Standortentscheidungen der Unternehmen und die Anrechnung der Steuer auf die Einkommensteuer (§ 35 EStG als grauer Finanzausgleich), sondern auch die finanziellen Folgen des sekundären Finanzausgleichs (Gewerbesteuerumlage, normierte Berechnung der Steuerkraftmesszahl der Gewerbesteuer) berücksichtigen. Diese finanzrechtlichen, finanzwirtschaftlichen und finanzpolitischen Interdependenzen und Intransparenzen erschweren jede Reform der Steuer.

8

Jahr

Tiefstsatz

Höchstsatz

Durchschnittssatz

1997

275

515

424

2015

350

520

448

frei

9

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Festsetzung der Steuer mit einem Hebesatz 1. Grundsätze (Abs. 1) Hebesatz ist ein Prozentsatz, mit dem der von der Finanzverwaltung ermittelte Gewerbesteuermessbetrag oder der der Gemeinde hieran zustehende Zerlegungsanteil vervielfältigt wird. Er dient zusammen mit den kommunalen Satzungen als Steuersatz (Tarif) für die Ermittlung der materiellen Gewerbesteuerschuld. Zuständigkeit, Verfahren und andere Vorgaben regeln neben § 16 GewStG haushalts- und gemeinderechtliche Vorschriften des jeweiligen Landesrechts. Weitere Bedingungen regeln Absätze 2 bis 5 der Regelung.

10

Die Gemeinde wird, in Flächenländern, den Hebesatz in einer Satzung festlegen. Dies kann eine gesonderte Satzung oder die (grds. jährliche) Haushaltssatzung sein.11 In den Stadtstaaten ist grundsätzlich ein Landesgesetz notwendig. Mit der Festsetzung des Hebesatzes schafft die Gemeinde materielles Steuerrecht.12 Vertragsrechtliche Vereinbarungen (§§ 78,

11

9 10 11 12

Nach Wagschal/v. Wolfersdorff/Andrae, IFSt Nr. 508, 2016, 63 ff. Beutel in Lenski/Steinberg, § 16 GewStG Rz. 53. OVG Münster v. 6.8.1990 – 22 A 57/89, ZKF 1991, 36. BVerfG v. 21.12.1966 – 1 BvR 33/64, BVerfGE 21, 54.

427

GewStG § 16 Rz. 12 | Hebesatz 224a AO) über den Hebesatz sind unzulässig. Zuständig ist der jeweilige Gemeinderat als Vertretungskörperschaft. Die Hebesätze begründen bindende Rechtsnormen mit Außenwirkung gegenüber den Steuerpflichtigen. 12

Wird ausnahmsweise kein Hebesatz festgelegt, gilt kraft Gesetzes, § 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG, der Mindesthebesatz von 200 %. Bei der Bestimmung der Höhe des Hebesatzes steht der Gemeinde ein weites Normsetzungsermessen auch gegenüber dem Landesgesetzgeber zu.13 Dies umfasst auch ihr Ermessen, ihren Finanzbedarf aus unterschiedlichen Quellen decken zu dürfen. Willkürliche Steuersätze, insb. übertriebene und übermäßige Steuersätze überschreiten ihr Ermessen. Untergrenze ist der Mindesthebesatz, Obergrenzen ergeben sich aus allgemeinen Regeln (z.B. Erdrosselungsverbot14) und den Geboten der Art. 12, Art. 20 GG. Eine bestimmte Obergrenze folgt auch nicht aus Art. 14 GG. Auch das Äquivalenzprinzip bildet keine Obergrenze. Allgemein hat jeder Steuergesetzgeber aber eine Überbelastung der Steuerpflichtigen zu vermeiden (Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG). Das Kommunalrecht kennt zudem eine finanzrechtliche Subsidiaritätsklausel, und verpflichtet die Gemeinden auf die wirtschaftlichen Kräfte ihrer Abgabepflichtigen Rücksicht zu nehmen.15 Daraus soll keine Pflicht folgen zur Senkung der Hebesätze bei steigendem Steueraufkommen oder dass zuerst der Gebührenrahmen auszuschöpfen wäre.16 Die Kommunalaufsicht kann einer Gemeinde ggf. im Rahmen der Haushaltssicherung Erhebungsgebote vorgeben; dies gilt etwa im Rahmen einer Haushaltsnotlage der Gemeinde.17 Die Selbstverwaltungsgarantie ist nur im Rahmen der Gesetze gewährleistet.

13

Die Hebesatzfestsetzung kann ein Steuerpflichtiger im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den Gewerbesteuerbescheid der Gemeinde anfechten. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wird sodann die Vereinbarkeit der Hebesatzsatzung mit höherrangigem Recht inzidenter überprüft. Der Bescheid ist aufzuheben, wenn der Hebesatz rechtswidrig war. Ein Steuerpflichtiger kann die kommunalen Rechtspositionen aus Art. 28 Abs. 2 GG nicht geltend machen,18 er muss vielmehr durch die Festlegung des Hebesatzes selbst in eigenen Rechten betroffen sein. Sofern das Landesrecht dies zulässt, kann ein Steuerpflichtiger auch ein Verfahren der abstrakten Normenkontrolle gegen die untergesetzliche Rechtsnorm einleiten. Dies ist in den meisten Ländern möglich.19 Im Ausnahmefall kann auch die Kommunalaufsicht die Festsetzung aufheben.20 2. Zeitraum der Festsetzung (Abs. 2)

14

§ 16 Abs. 2 GewStG schreibt die Festsetzung des Hebesatzes für ein Kalenderjahr oder mehrere Kalenderjahre vor. Insoweit hat die Gemeinde ein Regelungsermessen. Dies erfolgt durch die Gemeinden im Rahmen der Haushaltsatzung oder durch Hebesatzsatzung. Andere zeitlichen Vorgaben sind nicht zulässig. Festsetzungszeitraum ist stets der 1.1. bis 31.12. eines Jahres. Dies entspricht dem EZ (§ 14 Abs. 2 GewStG) und dem gemeindlichen Haushaltsjahr. Nach den Gemeindeordnungen der Länder kann die Regelung im Rahmen der Haushaltssatzung über die Festlegung für mindestens ein Jahr hinaus gehen und auch einen Zeitraum von zwei Jahren betreffen. Hebesatzsatzungen ermöglichen eine Festschreibung für mehr als zwei Jahre, müssen dies aber exakt festlegen.21 Einen einmal

13 BVerfG v. 27.1.2010 – 2 BvR 2185/04, 2 BvR 2189/04, BVerfGE 125, 141; BFH v. 29.8.1969 – VI R 318/67, BStBl. II 1970, 20; BVerwG v. 11.6.1993 – 8 C 32/90, KStZ 1993, 193. 14 BVerfG v. 17.7.1974 – 1 BvR 51/69, BVerfGE 38, 61; maßgeblich soll dann die Erhebung der Steuer sein, BFH v. 16.10.2009 – III B 170/08, BFH/NV 2010, 237. 15 Für NRW § 77 GO. 16 BVerwG v. 11.6. 1993 – 8 C 32/90, KStZ 1993, 193. 17 BVerwG v. 27.10.2010 – 8 C 43/09, BVerwGE 138, 89. 18 BFH v. 18.8.2004 – I B 87/04, BStBl. II 2005, 143. 19 Näher Gosch in Brandis/Heuermann, § 16 GewStG Rz. 31. 20 Beutel in Lenski/Steinberg, § 16 GewStG Rz. 45. 21 Gosch in Brandis/Heuermann, § 16 GewStG Rz. 20.

428

Hebesatz | Rz. 19 § 16 GewStG

festgesetzten Hebesatz kann die Gemeinde grds. ändern. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 16 Abs. 3 Satz 1 GewStG. 3. Zeitpunkt der Festsetzung (Abs. 3) § 16 Abs. 3 Satz 1GewStG setzt für die Beschlussfassung über Festsetzung oder die Änderung des Hebesatzes grds. eine Frist bis zum 30.6. des Kalenderjahres, auf dessen Beginn der Hebesatz festgesetzt wird. Für eine gleichbleibende Festsetzung, für eine Senkung, aber auch für eine erstmalige Festsetzung des Hebesatzes gilt nach § 16 Abs. 3 Satz 2 GewStG diese Fristsetzung nicht. Die Fristsetzung bezieht sich auf die Beschlussfassung der zuständigen Gemeindevertretung. Die Genehmigung des Beschlusses durch die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde und die sich daran anschließende Bekanntmachung kann auch nach dem 30.6. erfolgen.22

15

Eine belastende rückwirkende Festsetzung des Hebesatzes kann rechtsstaatliche Grundsätze des Vertrauensschutzes verletzen. Wie bei jeder anderen (Steuer-)Rechtsnorm dürfen auch bei einer Gemeindesatzung die belastenden Rechtsfolgen frühestens für einen mit der Verkündung beginnenden Zeitraum eintreten. Die Rechtsprechung des BVerfG23 hat diesen Grundsatz präzisiert und im Fall einer „echten“ bzw. „unechten“ Rückwirkung besondere Kriterien entwickelt, wonach ausnahmsweise eine „Rückbewirkung von Rechtsfolgen“ bzw. eine „tatbestandliche Rückanknüpfung“ zulässig sind. In einer älteren Entscheidung hat das BVerfG24 eine unechte Rückwirkung für den laufenden EZ für zulässig erachtet. Entscheidend ist im Einzelfall, ob insoweit das Vertrauen des Steuerpflichtigen auf einen bestimmten, unveränderten Steuersatz schützenswert ist.25

16

Nach Auffassung des BVerfG26 reicht bei unechter Rückwirkung der Beschluss des Vermittlungsausschusses im Gesetzgebungsverfahren aus, um das Vertrauen in den Fortbestand der gegenwärtigen Rechtslage zu erschüttern. Erst recht kein schutzwürdiges Vertrauen bestehe mehr nach der Zustimmung des Bundestages. Diese Grundsätze gelten entsprechend für den kommunalen Gesetzgeber.

17

4. Einheitlichkeit des Hebesatzes; Mindesthebesatz (Abs. 4) § 16 Abs. 4 Satz 1 GewStG verlangt für alle Unternehmen in derselben Gemeinde – auch für stehende Gewerbebetriebe und Reisegewerbebetriebe – den gleichen Hebesatz. Differenzierungen innerhalb der Gemeinde nach Art des Gewerbebetriebs und der Branche sind danach unzulässig, während unterschiedliche Steuersätze zwischen den Gemeinden zulässig sind.

18

Die Höhe des Steuersatzes im Übrigen bestimmen die Gemeinden grds. selbst. Seit dem EZ 2004 schreibt § 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG einen Mindesthebesatz von 200 % vor. Dies führt zugleich zu einer Steuererhebungspflicht der Gemeinden und ist insoweit mit Blick auf Art. 106 Abs. 6 Satz 2, Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG nach Grund und Höhe verfassungsgemäß.27 Die dortigen kommunalen Rechtspositionen bestehen nur „im Rahmen der Gesetze“ und schützen einen Kernbereich der kommunalen Finanzautonomie. Eine Nichterhebung oder ein Nullhebesatz garantieren sie nicht. Die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes ergibt sich aus Art. 105 Abs. 2, Art. 72 Abs. 2 GG. Eine generelle Obergrenze für den Hebesatz wäre mit Art. 28 Abs. 2 GG kaum vereinbar. Vor dem EZ 2004 hatten einige Gemeinden ihren Hebesatz auf 0% gesenkt und den gemeindlichen Steuerwettbewerb mit

19

22 Beutel in Lenski/Steinberg, § 16 GewStG Rz. 44. 23 BVerfG v. 15.5.1986 – 2 BvL 2/83, BStBl. II 1986, 628; v. 3.12.1997 – 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67 (78); v. 7.7.2010 – 2 BvL 13/05 u.a., BStBl. II 2011, 76. 24 BVerfG v. 19.12.1961 – 2 BvR 2/60, BVerfGE 13, 279; auch BFH v. 29.8.1969 – VI R 318/67, BStBl. II 1970, 20. 25 Ähnlich Güroff in Glanegger/Güroff10, § 16 GewStG Rz. 10a m.w.N. (str.). 26 BVerfG v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302. 27 BVerfG v. 27.1.2010 – 2 BvR 2185/04, 2 BvR 2189/04, BVerfGE 125, 141.

429

GewStG § 16 Rz. 20 | Hebesatz negativen Folgen für andere gesetzlichen Vorgaben nach Auffassung des Bundesgesetzgebers überreizt.28 20

Der konkrete Mindesthebesatz und die Besteuerungspflicht höhlen die Finanzhoheit der Gemeinden auch nicht deshalb aus, weil sie die Gemeinden faktisch anhalten, einen Durchschnittsteuersatz festzulegen.29 Zwar gehen die kommunalen Finanzausgleichgesetze30 nicht vom tatsächlichen Ist-Aufkommen der Gewerbesteuer aus, sondern ermitteln die maßgebliche Steuerkraftmesszahl mit Hilfe eines durchschnittlichen, normierten Hebesatzes i.S. eines Sollaufkommens. Dieses grundsätzlich anerkannte31 und bewährte Verfahren des Finanzausgleichs ist der Steuererhebung nachgelagert. Es soll eine vergleichbare Bemessungsgrundlage für den Finanzausgleich schaffen und die steuerpolitischen Maßnahmen der einzelnen Gemeinden neutralisieren. Ein unzulässiger Eingriff in die kommunale Finanzautonomie oder ein Widerspruch zu § 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG liegt hierin nicht.

21

Nach einer kommunalen Neugliederung kann die Genehmigungsbehörde § 16 Abs. 4 Satz 3 GewStG für eine Übergangszeit ausnahmsweise auch unterschiedliche Hebesätze innerhalb einer Gemeinde zulassen. Eine Pflicht der aufnehmenden Gemeinde, in den eingemeindeten Gebieten für eine Übergangszeit niedrigere Hebesätze beizubehalten, besteht hingegen nicht. § 16 Abs. 4 Satz 3 GewStG hindert die aufnehmende Gemeinde nicht, während der Übergangszeit den Hebesatz für ihr bisheriges Gemeindegebiet noch zu erhöhen, wenn ihr Hebesatz im Zeitpunkt der Eingliederung bereits über dem Hebesatz der eingegliederten Gemeinde lag.32 Werden als Folge aus § 16 Abs. 4 Satz 3 GewStG in einer Gemeinde Betriebsstätten in Gebieten mit unterschiedlichen Hebesätzen unterhalten, ist es zwingend erforderlich, den Gemeinden für die unterschiedlich zu besteuernden Betriebsstätten eigenständige Zerlegungsanteile zuzuweisen. Diesem Gedanken trägt § 16 Abs. 4 Satz 4 GewStG Rechnung. 5. Landesrechtliche Einschränkungen (Abs. 5)

22

In § 16 Abs. 5 GewStG erlaubt33 der Bundesgesetzgeber landesrechtliche Regelungen zum Verhältnis der Hebesätze für Grundsteuer und GewSt (Kopplungsvorschriften), zu Höchsthebesätzen und zu genehmigungsfähigen Ausnahmen. Derartige Landesvorschriften bestehen zurzeit nicht.34 Eine landesrechtliche Kopplung der Hebesätze an die Höhe der Einnahmen der Gemeinde wäre ein übermäßiger Eingriff in die gemeindliche Einnahmenhoheit i.S.d. Art. 28 Abs. 2 GG.

23–24

frei

II. Festsetzung der Gewerbesteuer 1. Grundsatz 25

Festsetzung und Erhebung der GewSt bestimmen den zweiten Verfahrensabschnitt der eigentlichen Gewerbebesteuerung. Sie obliegen der nach §§ 4, 35a GewStG hebeberechtigten Gemeinde, wenn das Flächenland diese Aufgaben an die Gemeinden übertragen hat, was geschehen ist. Die festzusetzende Steuer ergibt sich nach Anwendung eines Hebesatzes (Prozentsatzes) auf den Gewerbesteuermessbetrag bzw. auf den auf die Gemeinde entfallenden Zerlegungsanteil. Dies gilt für stehende Gewerbebetriebe und für Reisegewerbebetriebe. 28 29 30 31 32 33 34

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Zur Vorgeschichte Beutel in Lenski/Steinberg, § 16 GewStG Rz. 25 ff. A.A. Beutel in Lenski/Steinberg, § 16 GewStG Rz. 31; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 12.83. Beispiel: § 9 Abs. 2 Nr. 1 GFG 2021 NRW. Für den Länderfinanzausgleich BVerfG v. 25.7.1992 – 2 BvF 2/88 u.a., BVerfGE 86, 148; vgl. § 8 FAG. BVerwG v. 15.9.1981 – 8 B 210.81, ZKF 1982, 32. BVerwG v. 11.6.1993 – 8 C 32/90, ZKF 1993, 229. Beutel in Lenski/Steinberg, § 16 GewStG Rz. 35.

Hebesatz | Rz. 29 § 16 GewStG

Die tatsächliche Steuerbelastung ergibt sich danach erst aus dem Gewerbesteuerbescheid, in dem die Steuer auf Grund des Steuermessbetrags mit einem Hundertsatz (Hebesatz) festgesetzt wird (§ 16 Abs. 1 GewStG). Der vorgehende Gewerbesteuermessbescheid kann noch nicht zu einer verfassungswidrigen Überbesteuerung führen.35 Denn seine Regelungswirkung beschränkt sich auf die Festsetzung des Steuermessbetrags (§ 14 Satz 1 GewStG). 2. Zweigleisige Verwaltungszuständigkeiten Für die Festsetzung (und Erhebung) der Gewerbesteuer sind grundsätzlich die Gemeindebehörden zuständig. Die folgt aus §§ 1, 4, 16 GewStG sowie der Übertragung der Verwaltungszuständigkeiten auf der Grundlage des Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG. Von dieser Ermächtigung haben alle Flächenländer Gebrauch gemacht.36 Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 4 GewStG. Zuständig ist die Gemeinde, in der eine Betriebsstätte zur Ausübung des stehenden Gewerbes unterhalten wird. Für Reisegewerbe gilt § 35a Abs. 3 GewStG. §§ 16 ff. AO sind nicht anwendbar. In Hamburg und Berlin bedurfte es keiner Übertagung, weil dort keine kommunale Ebene besteht (vgl. Art. 106 Abs. 4 Satz 3 GG). Dort und in Bremen, das eine kommunale Ebene kennt, sind die Finanzämter als Landesbehörden zuständig. In diesen Fällen erlässt das Finanzamt den Gewerbesteuerbescheid, der äußerlich mit dem Gewerbesteuermessbescheid verbunden werden kann. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 22 Abs. 2, 3 AO. Zuständig ist das Finanzamt, zu dessen Bezirk die hebeberechtigte Gemeinde gehört.

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3. Anwendbares Verfahrensrecht §§ 16 ff. GewStG enthalten nur wenige Verfahrensvorschriften. Grundsätzlich ist die Abgabenordnung anwendbar (hier § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 AO). §§ 16–29a AO werden von §§ 4, 16 GewStG verdrängt. §§ 82–84 AO sind nicht anwendbar (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 AO); insoweit gelten die Regelungen des Landesverwaltungsverfahrensrechts (z.B. §§ 20, 21 VwVfG NRW).

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4. Gewerbesteuerbescheid als Folgebescheid Der Gewerbesteuerbescheid der Gemeinde ist Steuerbescheid i.S.d. § 155 AO.37 Die Vorschriften über Form und Inhalt von Steuerbescheiden (§ 157 AO) sind zu beachten. Der Gewerbesteuerbescheid ist Folgebescheid auf der Grundlage des Gewerbesteuermessbescheids nach § 184 Abs. 1 Satz 4, § 182 Abs. 1 Satz 1 AO. Für den Gewerbesteuermessbescheid sind ausschließlich die Finanzämter zuständig (§ 14 GewStG, §§ 184, 155 AO, § 17 Abs. 2 FVG). Ggf. erfolgt die Festsetzung der Gewerbesteuer auch auf der Grundlage des Zerlegungsbescheids (§§ 185–189 AO) oder eines Zuteilungsbescheids (§ 190 AO). In allen Fällen handelt es sich um Grundlagenbescheide (§ 171 Abs. 10 AO). Der Steuerpflichtige muss hierzu keine gesonderten Steuererklärungen mehr abgeben.

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Der Gewerbesteuermessbescheid des Finanzamts, der über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entscheidet, ist für den Gewerbesteuerbescheid der Gemeinden „bindend“ (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Bindungswirkung, die die Gemeinde nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung beachten muss, erstreckt sich auf alle im Grundlagenbescheid getroffenen Feststellungen.38 Dazu gehören u.a. Bestimmung des Steuerschuldners, Zeitraum der Steuerpflicht, Höhe des Messbetrags und des Zerlegungsanteils. Gebunden ist die hebeberechtigte Gemeinde an den Gewerbesteuermessbescheid auch dann, wenn dieser – etwa infolge eines Einspruchs oder eines finanzgerichtlichen Rechts-

29

35 BFH v. 15.3.2005 – IV B 91/04, BStBl. II 2005, 647; v. 16.10.2009 – III B 170/08, BFH/NV 2010, 237. 36 Z.B. für NRW Gesetz v. 16.12.1981, GV 1981, 732; vgl. die Liste bei Beutel in Lenski/Steinberg, § 16 GewStG Rz. 63. 37 H 1.4 GewStH 2016. 38 Für den Zerlegungsbescheid OVG NRW v. 28.7.1970 – II A 46/69, KStZ 1971, 59; BFH v. 4.10.1972 – I R 119/96, BStBl. II 1972, 920.

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GewStG § 16 Rz. 30 | Hebesatz behelfs – noch nicht bestandskräftig sein sollte (vgl. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Bindungswirkung setzt lediglich einen wirksamen Gewerbesteuermessbescheid voraus. Erforderlich ist insoweit nur, dass der Messbescheid gegenub ̈ er dem Betroffenen bekannt gegeben wurde und nicht nichtig ist (vgl. § 124 Abs. 1 und 3, § 125 AO). 30

Nicht Teil der Bindungswirkung ist nach nunmehriger Auffassung des BFH39 im Regelfall die Bestimmung des Steuergläubigers (die hebeberechtigte Gemeinde, § 4 GewStG). Der Messbescheid und seine Mitteilung (§ 184 Abs. 3 AO) an die Gemeinde informiere diese lediglich, ohne sie insoweit rechtlich zu binden; vielmehr müsse sie ihre Hebeberechtigung eigenständig prüfen.

31

Die Frage, ob die Gewerbesteuermessbescheide des Finanzamtes im Übrigen inhaltlich fehlerfrei und damit rechtmäßig oder rechtswidrig sind, hat demgegenub ̈ er auf die Bindungswirkung keinen Einfluss. Die Bindungswirkung hat damit zur Folge, dass die in einem wirksamen Gewerbesteuermessbescheid getroffenen Feststellungen beim Erlass des Gewerbesteuerbescheides als Folgebescheid von der Gemeinde ungepruf̈ t ub ̈ ernommen werden mus̈ sen.40 Etwaige Fehler bei der Berechnung des Gewerbesteuermessbetrages sind ausschließlich gegenub ̈ er dem zuständigen Finanzamt geltend zu machen. Rechtsschutz ist insoweit gegebenenfalls ausschließlich im finanzgerichtlichen Verfahren zu erlangen. Denn gemäß § 351 Abs. 2 AO können Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nicht durch Anfechtung des Folgebescheids angegriffen werden.

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Liegt ein Steuermessbescheid vor, so muss die Gemeinde grundsätzlich41 einen entsprechenden Gewerbesteuerbescheid erlassen.42 Erlass und Änderung eines Gewerbesteuerbescheids lösen den Erlass bzw. eine Änderung des Gewerbesteuermessbescheids aus. Berichtigungsnorm ist hier § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Dies gilt selbst dann, wenn der Gewerbesteuerbescheid bereits bestandkräftig ist. 5. Bekanntgabe

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Der Gewerbesteuerbescheid ist Steuerbescheid (§ 155 AO). Als solcher ist er dem Steuerpflichtigen gem. § 122 Abs. 1 AO und gem. § 157 AO bekanntzugeben. In der Praxis geschieht dies zusammen mit dem der Gemeinde mitgeteilten Steuermessbescheid.43 Anzugeben ist auch der Steuerschuldner nach § 5 GewStG.44 6. Festsetzungsverjährung

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Die Vorschriften der AO über die Festsetzungsverjährung (§§ 169–171 AO) gelten sowohl für die Flächenstaaten mit ihren Gemeinden als auch für die Stadtstaaten (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 AO).45 Die Festsetzungsfrist beträgt grds. vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Der Gemeinde bleibt nach der Bekanntgabe des Steuermessbescheids zwei Jahre Zeit, um den Gewerbesteuerbescheid zu erlassen (§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO). 7. Außenprüfung

35

Die Vorschriften über die Außenprüfung (§§ 193ff. AO) sind auch im Gewerbesteuerfestsetzungsverfahren zugunsten der Gemeinde anwendbar. Ihre praktische Bedeutung ist 39 BFH v. 19.11.2003 – I R 88/02, BStBl. II 2004, 751; a.A. Gosch in Brandis/Heuermann, § 16 GewStG Rz. 35 m.w.N. 40 BFH v. 31.10.1991 – X R 126/90, BFH/NV 1992, 363; v. 13.7. 1994 – X R 7/91, BFH/NV 1995, 303. 41 Ausnahmen können sich aus § 190 AO und § 156 Abs. 2 AO ergeben. 42 BFH v. 21.7.1999 – I R 111/98, BFH/NV 2000, 346. 43 Näher Gosch in Brandis/Heuermann, § 16 GewStG Rz. 41. 44 Näher Güroff in Glanegger/Güroff10, § 16 GewStG Rz. 3a. 45 Näher auch mit Beispielen Beutel in Lenski/Steinberg, § 16 GewStG Rz. 81 ff.

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Hebesatz | Rz. 38 § 16 GewStG

allerdings in diesem Verfahrensstadium begrenzt.46 Die Gemeinde hat zudem nach § 21 Abs. 3 FVG das Recht, an Außenprüfungen der Landesfinanzbehörden durch Gemeindebedienstete teilzunehmen. Dies setzt voraus, dass der Steuerpflichtige in der Gemeinde eine Betriebsstätte unterhält und die Außenprüfung im Gemeindebezirk erfolgt. Die Gemeinde besitzt allerdings keine eigene Verwaltungszuständigkeit, die Teilnahme eines Gemeindebediensteten anzuordnen und dem Steuerpflichtigen mitzuteilen.47 Denn § 21 FVG ist Teil des staatsinternen Verwaltungsorganisationsrechts und gibt den Gemeinden hinsichtlich der Realsteuern Informations- und Teilnahmerechte gegenub ̈ er den nach außen zuständigen Landesfinanzbehörden. 8. Zweigleisige Rechtsbehelfe des Steuerpflichtigen Einwendungen des Steuerpflichtigen gegen die sachliche und persönliche Steuerpflicht kann dieser nur durch Einspruch beim Finanzamt und Anfechtung des Gewerbesteuermessbescheids geltend machen (§ 351 Abs. 2 AO, § 42 FGO).48 Dies ist Folge der (bindenden) Grundlagenfunktion des Messbescheids. Diese Einwendungen kann er mithin nicht gegen den Gewerbesteuerbescheid der Gemeinde bzw. des Finanzamts geltend machen. Die Steuerpflicht selbst, die Höhe des gewerbesteuerrechtlichen Gewinns sowie der Umfang von Hinzurechnungen und Kürzungen kann durch ein Rechtsmittel gegen den Gewerbesteuerbescheid nicht angefochten werden.

36

Hierdurch wird Art. 19 Abs. 4 GG nach Auffassung des BVerwG49 nicht verletzt. Diese Regelung gewährleistet nicht einen bestimmten Rechtsweg, sondern garantiert dem einzelnen Bürger lediglich, dass ihn beeinträchtigende hoheitliche Maßnahmen in irgendeinem gerichtlichen Verfahren überprüft werden können. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet Rechtsschutz nur im Rahmen der jeweils geltenden Prozessordnung. Der Rechtsschutzgarantie werde adurch genügt, dass Angriffe gegen den Gewerbesteuermessbescheid des Finanzamts in dem gegen diesen Bescheid eröffneten Verfahren vor den Finanzgerichten, Angriffe gegen den Gewerbesteuerbescheid der Gemeinde in dem insoweit eröffneten Verfahren vor den Verwaltungsgerichten verfolgt werden könnten. Diese Zweigleisigkeit des Rechtsschutzverfahrens führe für den Steuerpflichtigen nicht zu einer unzumutbaren Erschwerung des Rechtsschutzes. Zumindest rechtspolitisch ist diese Aufteilung auch im Hinblick auf den unterschiedlichen Instanzenzug für dasselbe materielle Steuerrecht fragwürdig.

37

Gegen den Gewerbesteuerbescheid ist, wenn die Festsetzung und Erhebung von den Gemeinden durchgeführt wird, grds. der Widerspruch nach § 68 VwGO (soweit landesrechtlich vorgeschrieben) gegeben. Bei einer Festsetzung der Steuer durch die Stadtstaaten ist nach § 347 Abs. 1 Nr. 1 AO der Einspruch das zutreffende Rechtmittel. Mögliche Einwendungen gegen den Gewerbesteuerbescheid bleiben auf den Hebesatz50 (z.B. Höhe, Zustandekommen) und dessen Anwendung sowie auf das Verfahren beim Erlass des Gewerbesteuerbescheides begrenzt. Das Klageverfahren richtet sich im ersten (Regel-)Fall nach der VwGO (§ 40 VwGO, § 33 Nr. 1 FGO), im Fall der Stadtstaaten nach der FGO (§ 33 Nr. 1 FGO). Das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren ist in beiden Fällen gebührenfrei, da eine Gebührenpflicht derzeit nicht vorgesehen ist.51 Im Gegenzug muss der Steuerpflichtige seine Rechtsbehelfskosten auch im Erfolgsfall selbst tragen. Eine Amtshaftung ist allerdings nicht ausgeschlossen.

38

46 Gosch in Brandis/Heuermann, § 16 GewStG Rz. 43. 47 BFH v. 23.1.2020 – III R 9/18, BStBl. II 2020, 436; näher Hidien, jurisPR-SteuerR 45/2020 Anm. 3; ebenso schon die Steuerpraxis, vgl. FinMin. NRW v. 20.6.1996 – S 0403-7-V C 5, DB 1996, 1446; R 1.2 Abs. 3 GewStR 2009. Zum Auskunfts- und Teilnahmerechte der Gemeinden nach § 21 Abs. 3 FVG Suck, DStZ 2009, 402; Drüen, DÖV 2012, 494. 48 BVerwG v. 17.1.1980 – 7 C 56/78, HFR 1981, 285; BFH v. 10.6.1987 – I R 301/83, BStBl. II 1987, 816. 49 BVerwG v. 17.1.1980 – 7 C 56/78, HFR 1981, 285. 50 Dazu Beutel in Lenski/Steinberg, § 16 GewStG Rz. 46 f. 51 Gosch in Brandis/Heuermann, § 16 GewStG Rz. 45.

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GewStG § 16 Rz. 39 | Hebesatz 9. Vorläufiger Rechtsschutz 39

Vorläufigen Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheides kann der Steuerpflichtige bei der Finanzbehörde bzw. dem Finanzgericht beantragen (§ 361 AO, § 69 FGO). Wird sie gewährt, so ist auch die Vollziehung eines aufgrund des Gewerbesteuermessbescheides erlassenen Gewerbesteuerbescheides auszusetzen ist (Folge-AdV, § 361 Abs. 3 Satz 1 AO, § 69 Abs. 2 Satz 4 FGO).52 Unschädlich ist, dass der Gewerbebescheid schon bestandskräftig ist.53 Ggf. ist eine Sicherheitsleistung des Steuerpflichtigen notwendig.54

40–44

frei

III. Erhebung der Gewerbesteuer 1. Grundsatz 45

§ 16 Abs. 1 i.V.m. §§ 1, 4 GewStG verpflichtet die Gemeinden nicht nur zur Festsetzung der Gewerbesteuer, soweit ihnen die Verwaltung (Festsetzung und Erhebung) gem. Art. 106 Abs. 4 Satz 2 GG übertragen wurde. Sie sind auch verpflichtet, die Steuer zu erheben. Erheben i.S.d. §§ 1, 16 GewStG heißt allgemein, die festgesetzten Steuern einzuziehen.55 Das GewStG unterscheidet insoweit wie die AO zwischen der Festsetzung und der Erhebung der Gewerbesteuer. Hier geht es um die maßgeblichen verwaltungsverfahrensrechtlichen Schritte nach der Festsetzung der Steuer. Hierbei setzt sich die zweigleisige Verwaltungszuständigkeit fort: einerseits die Gemeinden als Regelfall, andererseits die Finanzämter als Sonderfall. Die Vorschriften der Abgbenordnung über das Erhebungsverfahren (5. Teil §§ 218–248 AO) gelten sowohl für die Flächenstaaten mit ihren Gemeinden als auch für die Stadtstaaten (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 AO). 2. Stundung

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Die Gemeinde bzw. das Finanzamt kann die Gewerbesteuer nach § 222 AO stunden. Auch dies ist gebührenfrei.56 Stundungszinsen sind möglich (§ 234 AO). Diese stehen der steuerberechtigten Gemeinde zu ( § 3 Abs. 5 Satz 3 AO). 3. Erlass

47

Auch Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163, 227 AO liegen in der Zuständigkeit der Gemeinden bzw. der Finanzämter57 in den Stadtstaaten. Im ersten Fall muss die Gemeinde allerdings die Zuständigkeit des Finanzamts für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags und etwaige Billigkeitsmaßnahmen beachten (§ 184 Abs. 2 Satz 1 AO).58 Kompetenzrechtliche Fragen der Zuständigkeit und Ermächtigung zum Gewerbesteuererlass bzw. zur Stundung von Sanierungsgewinnen haben sich ab EZ 2017 erledigt. Diese sind nach § 7b GewStG grundsätzlich steuerfrei. Zuständig ist das Finanzamt.

52 Schon BVerwG v. 17.5.1960 – VII C 7.59, KStZ 1960, 152; R 1.7. Abs. 1, 2 53 BFH v. 19.4.1968 – IV B 3/66, BStBl. II 1968, 538; v. 19.7.1960 – I 126/59 S, BStBl. III 1960, 393; H 1.7 GewStH 2016. 54 H 1.7 GewStH 2016. 55 Drüen in Brandis/Heuermann, § 1 GewStG Rz. 22. 56 BVerwG v. 20.8.1986 – 8 C 89/84, KStZ 1986, 191. 57 R 1.6. Abs. 2 GewStR 2009; gleich lautende Ländererlasse v. 17.12.2015, BStBl. I 2015, 1079. 58 Näher Gosch in Brandis/Heuermann, § 16 GewStG Rz. 50 ff. auch zu den (Un-)Billigkeitsgründen; R 1.5 Abs. 1 GewStR 2016.

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Hebesatz | Rz. 51 § 16 GewStG

4. Zahlungsverjährung Die Vorschriften der AO über die Zahlungsverjährung (§§ 228 ff. AO) gelten sowohl für die Flächenstaaten mit ihren Gemeinden als auch für die Stadtstaaten (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 AO). Die Zahlungsverjährungsfrist beträgt grundsätzlich fünf Jahre (§ 228 Satz 2 AO).59 Die Zahlungsverjährungsfrist für den Gewerbesteueranspruch beginnt mit seiner erstmaligen Fälligkeit, nicht schon mit der erstmaligen Fälligkeit des Vorauszahlungsanspruchs.60

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5. Säumniszuschläge Die Gemeinden kann Säumniszuschläge festsetzen und erheben (§ 240 Abs. 1 AO).61 Diese stehen der steuerberechtigten Gemeinden zu (§ 3 Abs. 5 Satz 3 AO). Entsprechendes gilt für die Finanzämter in den Stadtstaaten. Die Verzinsung richtet sich nach §§ 233 ff. AO.62

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IV. Vollstreckung der Gewerbesteuer Sind die Finanzämter wie im Fall der Stadtstaaten für die Verwaltung zuständig sind, gelten für Beitreibung und Niederschlagung die Vorschriften der AO (6. Teil der AO). Diese Vorschriften gelten nicht (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 6 AO), wenn die Verwaltung der Gewerbesteuer wie im Regelfall der Flächenländer den Gemeinden übertragen wurde. Insofern sind im Fall der Beitreibung und Niederschlagung bei einer Festsetzung und Erhebung durch die Gemeinden die jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften zu beachten (z.B. das Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW).63

59 60 61 62 63

Näher Beutel in Lenski/Steinberg, § 16 GewStG Rz. 97. OVG NRW v. 18.2.2019 – 14 B 44/19, ZKF 2020, 92. BVerwG v. 8.7.1988 – 8 C 31/96, HFR 2000, 225. R 1.8 GewStR 2009. R 1.6 Abs. 1 GewStR 2009.

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51

GewStG § 16

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§ 17 (weggefallen)

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GewStG § 17

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§ 18 Entstehung der Steuer Die Gewerbesteuer entsteht, soweit es sich nicht um Vorauszahlungen (§ 21) handelt, mit Ablauf des Erhebungszeitraums, für den die Festsetzung vorgenommen wird. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen

5

A. Allgemeines § 18 GewStG konkretisiert die allgemeine Blankettregelung des § 38 AO.1 Die Gewerbsteuer entsteht erst mit dem Ablauf des EZ, nicht bereits mit der Verwirklichung der jeweiligen Einzeltatbestandsmerkmale der §§ 1–16 GewStG, die den Steuertatbestand der Gewerbesteuer begründen. Zeitpunkt der Entstehung ist dann kraft Gesetzes der Ablauf des EZ, das ist der Ablauf des Kalenderjahres (§ 14 Satz 2 GewStG). Dies entspricht den Regelungen in § 36 Abs. 1 EStG und § 30 Nr. 3 KStG, die entsprechend den Veranlagungszeitraum für die Entstehung der Einkommen- und Körperschaftsteuer zugrunde legen. Die aktuelle Fassung beruht auf dem Gesetz v. 14.12.1976.2 Sie geht auf § 3 Abs. 5 Nr. 3b Steueranpassungsgesetz 1934/1936 zurück.

1

Für Vorauszahlungen (§ 19 GewStG) gilt § 21 GewStG mit einem besonderen Entstehungszeitpunkt. Für die Entstehung von steuerlichen Nebenleistungen (§ 3 Abs. 2 AO) ist der bestandskräftige Gewerbesteuerbescheid maßgebend.3 Der aus einer Überzahlung entstandene Erstattungsanspruch (§ 21 Abs. 3 GewStG) als Umkehrung des Steueranspruchs entsteht ebenfalls mit Ablauf des EZ, für den die Vorauszahlungen entrichtet worden sind.4

2

Die Regelung ist gem. § 1 Abs. 2 Nr. 2 AO für die Gemeinden anwendbar. Sie gilt für alle Gewerbesteuerobjekte. Sie bindet den Steuerschuldner (§ 5 GewStG) und die hebeberechtigte Gemeinde. Sie ist materieller Teil des Gewerbesteuerfestsetzungsverfahrens (Abschnitt V GewStG), das den Gemeinden der Flächenländer obliegt und dem Verfahren der Festsetzung des Gewerbesteuermessbescheids durch die Finanzämter folgt. §§ 19–21 GewStG betreffen sodann das gewerbesteuerrechtliche Steuererhebungsverfahren im Verhältnis der Gemeinde zu den Steuerpflichtigen.

3

Der Zeitpunkt der Entstehung der Gewerbesteuer ist u.a. von Bedeutung für eine Reihe von Folgewirkungen in anderen Rechtsnormen: – Frist der Erklärung (§ 14a GewStG, § 25 Abs. 2 Satz 1 GewStDV, § 1 Abs. 2 Nr. 4, § 149 Abs. 2 AO), – Festsetzungsverjährung (1 Abs. 2 Nr. 4, § 170 Abs. 1 AO), – Aufrechnung (§ 1 Abs. 2 Nr. 5, § 226 AO), – Zinsberechnung (§ 1 Abs. 2 Nr. 5, § 233a Abs. 2 AO), – Gesamtrechtsnachfolge (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 45 AO), – Haftung anderer Personen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2, §§ 69 ff. AO; §§ 25 ff. HGB), – Anrechnung der GewSt auf die ESt nach § 35 GewStG, – einheitliche und gesonderte Feststellung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 EStG.5

4

1 2 3 4 5

Güroff in Glanegger/Güroff10, § 18 GewStG Rz. 1. Gesetz v. 14.12.1976, BGBl. I 1976, 3341. Schiffers in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 18 GewStG Rz. 7. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 21 GewStG Rz. 4. BFH v. 14.1.2016 – IV R 5/14, BStBl. II 2016, 875.

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GewStG § 18 Rz. 5 | Entstehung der Steuer

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen 5

§ 18 GewStG stellt klar, dass die Gewerbesteuer erst mit Ablauf des EZ, d.h. mit Ende des Kalenderjahres (§ 14 Satz 2 GewStG) bzw. bei vorzeitiger Beendigung der Steuerpflicht (§ 14 Satz 3 GewStG) entsteht. Unberührt davon bleibt die Entstehung der vierteljährlichen Vorauszahlungen, im Regelfall zum Beginn des jeweiligen Kalendervierteljahres (§ 21 GewStG).

6

Diese Entstehung kraft Gesetzes nach Maßgabe der sachlichen und zeitlichen Voraussetzungen bedeutet, dass der Steueranspruch vom Willen des Steuerpflichtigen unabhängig ist, dass er unabänderlich ist und dass er auch unabhängig von seiner Festsetzung entsteht.6 Diese wirkt vielmehr grundsätzlich nur deklaratorisch.7 Dies gilt auch für den Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2 AO), der mit Ablauf des EZ entsteht.8

7

Bis zur Entstehung des Steueranspruchs darf der Gesetzgeber nach vorherrschender Auffassung die gesetzlichen Grundlagen für den zurückliegenden Zeitraum im EZ verändern.9 Gesetze mit unechter Rückwirkung sind unter Beachtung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich zulässig. Rückwirkende Änderungen des Steuerrechts für einen noch laufenden Veranlagungs- oder Erhebungszeitraum sind als Fälle unechter Rückwirkung nicht grundsätzlich unzulässig, stehen den Fällen echter Rückwirkung allerdings nahe und unterliegen daher besonderen Anforderungen unter den Gesichtspunkten von Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit. Insofern besteht grundsätzlich kein Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung.

8

Nach Entstehung des Steueranspruchs sind Vereinbarungen darüber grundsätzlich unwirksam, soweit nicht ausnahmsweise eine gesetzliche Erlaubnis vorliegt.10 Rückwirkende Vereinbarungen nach Entstehung des Steueranspruchs beeinflussen die einmal entstandene Steuer nicht.11 Hiervon zu unterscheiden ist eine tatsächliche Verständigung. Bei Unsicherheiten über den der Besteuerung zugrunde zu legenden Sachverhalt ist diese grundsätzlich zulässig.12

9

Von der Steuerentstehung ist die Festsetzung der Steuer (§ 16 Abs. 1 GewStG) zu unterscheiden. Da die Steuer kraft Gesetzes entsteht, entsteht auch der Gewerbesteueranspruch der hebeberechtigten Gemeinde gegen den Steuerschuldner kraft Gesetzes. Daher bedarf es an sich nicht der Festsetzung durch Steuerbescheid, der den Steueranspruch konkretisiert und ggf. auch begründet. Die von der Entstehung zu unterscheidende Fälligkeit der (Voraus- oder Abschluss-)Zahlungen regeln § 19 Abs. 1 Satz 1 und § 20 Abs. 2 GewStG.

10

Unterjährig aus einer Personengesellschaft ausgeschiedene Gesellschafter sind von der erst mit Ablauf des Kalenderjahres entstandenen Gewerbesteuer nicht betroffen. Für die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer (§ 35 EStG) ist der Gewerbesteuermessbetrag daher nur auf diejenigen Gesellschafter aufzuteilen, die am Ende des EZ noch Beteiligte der Gesellschaft waren.13

11

Auch im Falle der Abwicklung und Insolvenz entsteht die Gewerbesteuer mit Ablauf des EZ. Im Fall der Insolvenz des Gewerbebetriebs ist die Entstehung der Gewerbesteuer als solche ohne Bedeutung (§ 38 InsO). Entscheidend ist die Begründung der Forderung. Eine Forderung ist im insolvenzrechtlichen Sinne begründet, wenn der Rechtsgrund für ihre

6 7 8 9 10 11 12 13

440

Güroff in Glanegger/Güroff10, § 18 GewStG Rz. 1 – sog. materielle Rechtsgrundtheorie (str.). BFH v. 10.11.1953 – I 108/52 S, BStBl. II 1954, 26. BFH v. 26.4.1994 – VII R 109/93, BFH/NV 1994, 839. BVerfG v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BStBl. II 2012, 932; BFH v. 18.8.2004 – I B 87/04, BStBl. II 2005, 143. BVerwG v. 18.4.1955 – VII 15.73, BStBl. II 1975, 679; BFH v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BStBl. II 1985, 354. BFH v. 7.7.2004 – X R 23/03, BStBl. II 2004, 975; v. 8.10.2008 – I R 63/07, BStBl. II 2009,121. BFH v. 31.7.1996 – XI R 78/95, BStBl. II 1996, 625. BFH v. 14.1.2016 – IV R 5/14, BStBl. II 2016, 875; v. 14.1.2016 – IV R 48/12, BFH/NV 2016, 1024; BMF v. 3.11.2016, BStBl. I 2016, 1187 Rz. 28.

Entstehung der Steuer | Rz. 11 § 18 GewStG

Entstehung gelegt ist.14 Gewerbesteuer, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens i.S.d. § 38 InsO begründet worden ist, muss als Insolvenzforderung zur Tabelle (§ 174 InsO) angemeldet werden. Eine Festsetzung der Gewerbesteuer durch einen Steuerbescheid erfolgt insoweit nicht. Gewerbesteuer, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wird, ist als (sonstige) Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 InsO durch einen Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter festzusetzen.15 Für die Ermittlung des Gewerbeertrags gilt allerdings § 16 GewStDV.

14 FG Berlin-Bdb. v. 13.1.2010 – 12 K 6165/05, EFG 2010, 774; OVG Sachs. v. 27.9.2013 – 5 A 898/ 10, juris. 15 Näher Schulze in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, GewStG Anhang 2 Rz. 114.

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GewStG § 18

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§ 19 Vorauszahlungen (1) 1Der Steuerschuldner hat am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November Vorauszahlungen zu entrichten. 2Gewerbetreibende, deren Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr abweicht, haben die Vorauszahlungen während des Wirtschaftsjahrs zu entrichten, das im Erhebungszeitraum endet. 3Satz 2 gilt nur, wenn der Gewerbebetrieb nach dem 31.12.1985 gegründet worden oder infolge Wegfalls eines Befreiungsgrundes in die Steuerpflicht eingetreten ist oder das Wirtschaftsjahr nach diesem Zeitpunkt auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum umgestellt worden ist. (2) Jede Vorauszahlung beträgt grundsätzlich ein Viertel der Steuer, die sich bei der letzten Veranlagung ergeben hat. (3) 1Die Gemeinde kann die Vorauszahlungen der Steuer anpassen, die sich für den Erhebungszeitraum (§ 14) voraussichtlich ergeben wird. 2Die Anpassung kann bis zum Ende des 15. auf den Erhebungszeitraum folgenden Kalendermonats vorgenommen werden; bei einer nachträglichen Erhöhung der Vorauszahlungen ist der Erhöhungsbetrag innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Vorauszahlungsbescheids zu entrichten. 3Das Finanzamt kann bis zum Ende des 15. auf den Erhebungszeitraum folgenden Kalendermonats für Zwecke der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen den Steuermessbetrag festsetzen, der sich voraussichtlich ergeben wird. 4An diese Festsetzung ist die Gemeinde bei der Anpassung der Vorauszahlungen nach den Sätzen 1 und 2 gebunden. (4) Wird im Laufe des Erhebungszeitraums ein Gewerbebetrieb neu gegründet oder tritt ein bereits bestehender Gewerbebetrieb infolge Wegfalls des Befreiungsgrundes in die Steuerpflicht ein, so gilt für die erstmalige Festsetzung der Vorauszahlungen Absatz 3 entsprechend. (5) 1Die einzelne Vorauszahlung ist auf den nächsten vollen Betrag in Euro nach unten abzurunden. 2Sie wird nur festgesetzt, wenn sie mindestens 50 Euro beträgt. § 29 GewStDV Anpassung und erstmalige Festsetzung der Vorauszahlungen (1) Setzt das Finanzamt nach § 19 Abs. 3 Satz 3 des Gesetzes einen Steuermessbetrag für Zwecke der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen fest, so braucht ein Zerlegungsbescheid nicht erteilt zu werden. Die hebeberechtigten Gemeinden können an dem Steuermessbetrag in demselben Verhältnis beteiligt werden, nach dem die Zerlegungsanteile in dem unmittelbar vorangegangenen Zerlegungsbescheid festgesetzt sind. Das Finanzamt hat in diesem Fall gleichzeitig mit der Festsetzung des Steuermessbetrags den hebeberechtigten Gemeinden mitzuteilen 1. den Prozentsatz, um den sich der Steuermessbetrag gegenüber dem in der Mitteilung über die Zerlegung (§ 188 Abs. 1 der Abgabenordnung) angegebenen Steuermessbetrag erhöht oder ermäßigt, oder den Zerlegungsanteil, 2. den Erhebungszeitraum, für den die Änderung erstmals gilt. (2) In den Fällen des § 19 Abs. 4 des Gesetzes hat das Finanzamt erforderlichenfalls den Steuermessbetrag für Zwecke der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen zu zerlegen. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 19 Abs. 3 des Gesetzes, wenn an den Vorauszahlungen nicht dieselben Gemeinden beteiligt sind, die nach dem unmittelbar vorangegangenen Zerlegungsbescheid beteiligt waren. Bei der Zerlegung sind die mutmaßlichen Arbeitslöhne des Erhebungszeitraums anzusetzen, für den die Festsetzung der Vorauszahlungen erstmals gilt. § 30 GewStDV Verlegung von Betriebsstätten Wird eine Betriebsstätte in eine andere Gemeinde verlegt, so sind die Vorauszahlungen in dieser Gemeinde von dem auf die Verlegung folgenden Fälligkeitstag ab zu entrichten. Das gilt nicht, wenn in der Gemeinde, aus der die Betriebsstätte verlegt wird, mindestens eine Betriebsstätte des Unternehmens bestehen bleibt.

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GewStG § 19 Rz. 1 | Vorauszahlungen

A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Festsetzung der Vorauszahlungen (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bemessung und Höhe der Vorauszahlungen (Abs. 2, 5) 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abrundung und Kleinbeträge (Abs. 5) . . III. Anpassung der Vorauszahlungen (Abs. 3) 1. Unmittelbare Anpassung durch die Gemeinde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anpassung nach Festsetzung eines Steuermessbetrags durch das Finanzamt

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IV. Erstmalige Festsetzung der Vorauszahlungen (Abs. 4) . . . . . V. Besonderheiten bei Zerlegung und Verlegung von Betriebsstätten (§§ 29, 30 GewStDV) 1. Steuermessbetrag und Zerlegung (§ 29 GewStDV). . . . . . . . . . . . . . 2. Vorauszahlungen und Verlegung von Betriebsstätten (§ 30 GewStDV). . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsbehelfe 1. Entscheidungen des Finanzamts. . 2. Entscheidungen der Gemeinde. . .

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A. Allgemeines 1

Die Regelung ist die Fortsetzung des Gewerbesteuerfestsetzungsverfahrens (Abschnitt V GewStG), das für den Regelfall den Gemeinden der Flächenländer obliegt und dem Verfahren der Festsetzung des Gewerbesteuermessbescheids durch die Finanzämter folgt. §§ 19–21 GewStG regeln das gewerbesteuerrechtliche Steuererhebungsverfahren im Verhältnis zu den Steuerpflichtigen. Die Vorschriften bestimmen die verfahrens- und materiell-rechtlichen Bedingungen der Vorauszahlungen auf die Gewerbesteuerschuld (§ 19 GewStG), die Abrechnung bzw. Anrechnung der Vorauszahlungen (§ 20 GewStG), die Entstehung der Vorauszahlungen (§ 21 GewStG) sowie die Festsetzung der Vorauszahlungen. Die aktuelle Fassung des § 19 GewStG beruht auf dem Gesetz v. 25.7.2014.1 Sie geht auf §§ 18–22 GewStG 1936 zurück.

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§ 19 GewStG regelt die Modalitäten der gewerbesteuerrechtlichen Vorauszahlungen, und zwar sowohl in verfahrensrechtlicher Hinsicht (vgl. § 19 Abs. 5 Satz 2 GewStG: „festgesetzt“) als auch und primär in materiell-rechtlicher Hinsicht. §§ 29, 30 GewStDV regeln zwei Sonderfälle. Weitere Fragen der Steuerhebung von Vorauszahlungen regeln §§ 20, 21 GewStG. Empfänger und Gläubiger der Vorauszahlungen ist die hebeberechtigte Gemeinde (§ 4 GewStG), die die Höhe der Vorauszahlungen festsetzt. Voraussetzung ist, dass das Unternehmen als Gewerbebetrieb steuerbar und steuerpflichtig ist (§§ 2–3 GewStG). Vorauszahlungen haben zwar den Charakter von Abschlagszahlungen auf die erst am Ende eines EZ nach § 18 GewStG entstehende Gewerbesteuer. Es handelt sich aber um einen eigenständigen Steueranspruch (§ 3 Abs. 1 AO), der von der Gewerbesteuerschuld unabhängig ist.

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Die abgabenrechtliche Festsetzung der Vorauszahlungen entspricht dem Vorauszahlungssystem bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer (§ 37 EStG, § 31 Abs. 2 KStG).2 Vorauszahlungen sind Abschlagszahlungen auf die Steuerschuld. Das sichert die fiskalische Kontinuität der gemeindlichen Gewerbesteuereinnahmen und dient zudem auch der finanziellen Planung der Steuerpflichtigen auch mit Blick auf eine Vollverzinsung nach §§ 233a, 238 AO. Das System und die Entrichtungstermine sind verfassungsgemäß.3 Zuständig ist im Regelfall die Gemeinde, sofern ihr gem. Art. 108 Abs. 4 GG i.V.m. dem Landesrecht die Aufgaben übertragen wurden. Das ist in allen Flächenländern für die Festsetzung und Erhebung der Steuer geschehen. Dies folgt auch aus § 19 Abs. 3 Satz 1 GewStG. Einen Sonderfall der Verwaltungskooperation im Steuererhebungsverfahren regelt § 19 Abs. 3 Satz 3, 4 GewStG; danach kann das Finanzamt „für Zwecke der Gewerbesteuer1 Gesetz v. 25.7.2014, BGBl. I 2014, 1266. 2 R 19.1 Satz 1 GewStR 2009. 3 BFH v. 22.11.2011 – VIII R 11/09, BStBl. II 2012, 329 für das EStG.

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Vorauszahlungen | Rz. 8 § 19 GewStG

Vorauszahlungen den Steuermessbetrag“ für die Gemeinde bindend festsetzen. In den Stadtstaaten samt Bremen obliegt die Verwaltung gänzlich den Finanzämtern. Von den Folgen der Corona-Pandemie betroffene Steuerpflichtige konnten für die EZ 2020 und 2021 beim zuständigen Finanzamt eine Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrages fur̈ Zwecke der Vorauszahlungen nach § 19 Abs. 3 Satz 3 und 4 GewStG beantragen.4 Die Verwaltungsrichtlinien binden die Finanzämter in ihrem Ermessen nach § 19 Abs. 3 Satz 4 GewStG. Fur̈ etwaige Stundungs- und Erlassanträge gilt auch im Hinblick auf einen möglichen Zusammenhang mit Auswirkungen des Coronavirus, dass diese an die Gemeinden und nur dann an das zuständige Finanzamt zu richten waren, wenn die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer nicht den Gemeinden ub ̈ ertragen worden ist (§ 1 GewStG, R 1.6 Abs. 1 GewStR 2009).

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B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Festsetzung der Vorauszahlungen (Abs. 1) Gewerbesteuer-Vorauszahlungen sind durch einen Vorauszahlungsbescheid der Gemeinde (in den Flächenländern) festzusetzen. § 19 Abs. 1 GewStG regelt die „Entrichtung“ der Vorauszahlungen des Steuerpflichtigen. Dem muss ein festsetzender Vorauszahlungsbescheid der Gemeinde vorausgehen (§ 1 Abs. 2 Nr. 4, § 155 Abs. 1, § 157 AO). Aus § 19 Abs. 5 Satz 2 GewStG folgt die Notwendigkeit eines entsprechenden Steuerbescheids, ohne den die Vorauszahlungsschuld und ihre Anpassung nicht entstehen.5 Dieser erfolgt unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 1 Abs. 2 Nr. 4, § 164 Abs. 1 Satz 2 AO).

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§ 19 Abs. 1 Satz 1 GewStG bestimmt dann die vier Daten 15.2., 15.5., 15.8. und 15.11. als bindende Fälligkeits- und Vorauszahlungstermine für den Steuerschuldner gem. § 5 GewStG (Grundsatz der Viertelung). Entspricht das Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr, sind die Vorauszahlungen während des Wirtschaftsjahres und für das dem Wirtschaftsjahr entsprechende Kalenderjahr zu entrichten. Die Gemeinde darf grds. keine anderen Termine festsetzen. Eine Ausnahme bildet § 19 Abs. 3 GewStG. Erhöhungen der Vorauszahlungen sind grundsätzlich auch ohne Einhaltung einer Frist zulässig.6

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Der Vorauszahlungsschuldner schuldet die Vorauszahlungen und eine etwaige Abschlusszahlung nach § 20 Abs. 2 GewStG. Der Vorauszahlungsbescheid ergeht gegenüber dem Steuerschuldner. Der Steuerbescheid muss nicht nur die zu leistenden Vorauszahlungen genau bezeichnen, sondern auch angeben, für welchen Gewerbebetrieb die Vorauszahlung zu leisten ist. Solche Vorauszahlungsbescheide hat die Gemeinde zu erlassen, bevor die Gewerbesteuer für den betreffenden EZ (§ 14 GewStG) festgesetzt worden ist. Nach Bekanntgabe des Jahressteuerbescheids können Vorauszahlungen nicht mehr festgesetzt werden.7 Sobald für einen EZ ein Gewerbesteuerbescheid ergangen ist, dürfen für diesen EZ weder Vorauszahlungen festgesetzt noch angepasst werden. Die Festsetzung eines Steuermessbetrags für Zwecke der Gewerbesteuer-Festsetzung (§ 19 Abs. 3 Satz 3 GewStG) ist keine zwingende Voraussetzung für die Festsetzung von Vorauszahlungen.8 Vorauszahlungen verfallen auch nicht, wenn sie nicht bis spätestens zu den in der Vorschrift genannten Zeitpunkten festgesetzt sind.9

8

4 Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 19.3.2020, BStBl. I 2020, 281 und v. 25.1.2021, BStBl. II 2021, 151. 5 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 19 GewStG Rz. 2. 6 Hofmeister in Brandis/Heuermann, § 19 GewStG Rz. 13, 24. 7 BFH v. 23.6.1993 – X B 134/91, BStBl. II 1994, 38 (für die ESt). 8 VG München v. 10.10.2016, 10 S 16.4193, juris. 9 VG München v. 10.10.2016, 10 S 16.4193, juris.

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GewStG § 19 Rz. 9 | Vorauszahlungen 9

Vorauszahlungszeitraum ist grundsätzlich das Kalenderjahr (vgl. § 14 GewStG). § 19 Abs. 1 Satz 2 und 3 GewStG regelt, für welchen EZ die Vorauszahlungen bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr (§ 4a EStG) geleistet werden. Bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr sind zur Vermeidung einer sog. Steuerpause10 unter den (drei alternativen) Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 3 GewStG nach § 19 Abs. 1 Satz 2 GewStG Vorauszahlungen ganz oder teilweise vor Beginn des EZ, für den sie zu leisten sind, zu entrichten.11 Beispiel 1: Die voraussichtliche Gewerbesteuer im EZ 02, in dem das Wirtschaftsjahr 1.7.01 bis 30.6.02 endet, beträgt 120.000 €. Die Vorauszahlungen sind zu entrichten am 15.8.01, 15.11.01, 15.2.02 und 15.5.02. Die mit je 30.000 € im abweichenden Wirtschaftsjahr 1.7.01 bis 30.6.02 geleisteten Vorauszahlungen sind auf die endgültige Steuerschuld des EZ 02 anzurechnen. Beispiel 2: Erstes Wirtschaftsjahr: 1.4.01 (Betriebseröffnung) bis 31.3.02; zweites Wirtschaftsjahr: 1.4.02–30.6.03. Für den EZ 01 sind keine Vorauszahlungen zu entrichten, da der Gewerbeertrag des ersten Wirtschaftsjahres nach der gesetzlichen Fiktion in § 10 Abs. 2 GewStG erst im EZ 02 als bezogen gilt. Die Vorauszahlungen für den EZ 02 sind jedoch bereits zu den vom Gesetz bestimmten Zeitpunkten vom Beginn des ersten Wirtschaftsjahres an zu leisten, also am 15.5., 15.8. und 15.11.01 sowie am 15.2.02. In 01 werden insoweit drei Vorauszahlungen für den den Zahlungsterminen nachfolgenden EZ 02 geleistet. Die Vorauszahlungen für den EZ 03 sind entsprechend am 15.5., 15.8. und 15.11.02 sowie am 15.2.03 zu entrichten. Beispiel 3: Übergang von einem mit dem Kalenderjahr übereinstimmenden Wirtschaftsjahr zu einem abweichenden Wirtschaftsjahr: Erstes Wirtschaftsjahr: 1.1.01–30.6.01 (Rumpfwirtschaftsjahr); zweites (abweichendes) Wirtschaftsjahr: 1.7.01–30.6.02. Für den EZ 01 sind die Vorauszahlungen nur im ersten Wirtschaftsjahr (Rumpfwirtschaftsjahr) am 15.2. und 15.5.01 zu leisten, da nur dieses Wirtschaftsjahr im EZ 01 endet. Für den EZ 02 sind die Vorauszahlungen während des zweiten abweichenden Wirtschaftsjahres am 15.8. und 15.11.01 sowie am 15.2.und 15.5.02 zu entrichten.

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Ist mit dem 15.11. der letzte reguläre Vorauszahlungszeitpunkt verstrichen, eröffnet § 19 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 GewStG die Möglichkeit, bis zum Ende des 15. Kalendermonats, der auf den EZ folgt, durch eine sogenannte fünfte Vorauszahlung die Vorauszahlungen an die voraussichtlichen Steuer anzupassen. Diese fünfte Vorauszahlung ist nach § 19 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 GewStG innerhalb eines Monats nach der Bekanntgabe des entsprechenden Vorauszahlungsbescheids zu entrichten.

11–14

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II. Bemessung und Höhe der Vorauszahlungen (Abs. 2, 5) 1. Grundsätze 15

„Grundsätzlich“ bemisst sich nach § 19 Abs. 2 GewStG die Gesamthöhe der jährlichen Vorauszahlungen nach der Höhe der zuletzt festgesetzten Gewerbesteuerschuld. Im Fall der Anpassung (§ 19 Abs. 3 GewStG) oder bei erstmaliger Festsetzung von Vorauszahlungen (§ 19 Abs. 4 GewStG) richtet sich die Gesamthöhe der Vorauszahlungen jedoch nach der voraussichtlichen, im Schätzungswege zu ermittelnden GewSt des jeweiligen EZ. Die Viertelung gilt auch für Zerlegungsbescheide nach §§ 28 ff. GewStG. Die letzte Veranlagung ist die Veranlagung, die dem EZ der Vorauszahlung zeitlich am nächsten liegt (R 19.1 Satz 8 GewStR 2009). Festsetzungen über mehrere EZ sind zulässig.

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Die Vorauszahlungen sind grundsätzlich auf die vier Vorauszahlungstermine gleichmäßig (je ¼) zu verteilen. Aus dem Wort „grundsätzlich“ folgt, dass Ratenzahlungen nicht zwin-

10 Näher BT-Drucks. 11/2226, 24; R 19.1 Satz 3 GewStR. 11 Zu den nachfolgenden Beispielen vgl. H 19.1 GewStH 2016; Hofmeister in Brandis/Heuermann, § 19 GewStG Rz. 51.

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Vorauszahlungen | Rz. 21 § 19 GewStG

gend in vier Teilen oder vier gleichen Teilen festzusetzen sind. 12 Die Höhe der Vorauszahlung ist gesetzlich vorgegeben. Weicht die Gemeinde von der gesetzlichen Vorgabe des § 19 Abs. 2 GewStG ab, so ist diese eine abändernde Entscheidung nach § 19 Abs. 3 Satz 1 GewStG. Erfolgt die erstmalige Festsetzung nach dem 15.2. eines Jahres, so sind die Vorauszahlungsbeträge gleichmäßig auf die verbleibenden Vorauszahlungstermine zu verteilen. Entsprechendes gilt bei einer Anpassung der Vorauszahlungen. Im Regelfall wird hier das nach Abzug bereits fälliger Vorauszahlungen verbleibende Vorauszahlungsvolumen auf die noch ausstehenden Vorauszahlungszeitpunkte gleichmäßig verteilt. Eine nach Ende des EZ bis zum Ende des 15. Kalendermonats, der auf den EZ folgt, festgesetzte sogenannte fünfte Vorauszahlung steht für den Unterschied zwischen der voraussichtlichen Steuer und den zuvor festgesetzten Vorauszahlungen.

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2. Abrundung und Kleinbeträge (Abs. 5) Jede einzelne Vorauszahlung ist auf volle Euro nach unten abzurunden. Sie ist nur festzusetzen, wenn sie mindestens 50 € beträgt (§ 19 Abs. 5 GewStG, R 19.1 Satz 7 GewStR 2009). Dies soll eine unwirtschaftliche Erhebung vermeiden.13

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III. Anpassung der Vorauszahlungen (Abs. 3) 1. Unmittelbare Anpassung durch die Gemeinde Die Gemeinde oder mittelbar auch das Finanzamt können die Vorauszahlungen anpassen. § 19 Abs. 3 GewStG ist lex specialis zu § 164 Abs. 2 AO. Anpassungen der GewerbesteuerVorauszahlungen sind ebenfalls durch einen Vorauszahlungsbescheid der Gemeinde festzusetzen. Eine Anpassung nach § 19 Abs. 3 Satz 1 GewStG ist nicht möglich, wenn das Finanzamt einen neuen Messbetrag nach § 19 Abs. 3 Satz 3 u. 4 GewStG festgesetzt hat. Eine Anpassung durch die Gemeinde – von Amts wegen oder auf Antrag – kann etwa bei geänderten Hebesätzen in Betracht kommen. Bei der Anpassung der Vorauszahlungen nach § 19 Abs. 3 Satz 1, 2 GewStG handelt sich um eine pflichtgemäß zu treffende Ermessensentscheidung14 (§ 5 AO) der Gemeinde hinsichtlich des „Ob“ und „Wie“, die auf der Kenntnis veränderter Verhältnisse hinsichtlich des voraussichtlichen Gewerbeertrags beruht. Eine Minderung der Vorauszahlungen dürfte häufig ihren Ausgangspunkt in einem entsprechenden Antrag des Steuerschuldners haben. Eine rückwirkende Anpassung von im Zeitpunkt der Anpassung bereits fällig gewesenen Vorauszahlungen dürfte dabei nur in Betracht kommen, wenn die voraussichtliche Jahressteuer niedriger als die bis dahin geleisteten Vorauszahlungen ist.15 Im Einzelfall kann die Gemeinde verpflichtet sein, die Vorauszahlungen herabzusetzen.16

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Zweck der Anpassung und des Vorauszahlungssystems ist die laufende Anpassung der Vorauszahlungen an die voraussichtliche Jahressteuer entsprechend dem Wirtschaftsablauf.17 Den Begriff des EZ definiert § 14 GewStG. Die Regelung gilt auch in den Fällen des § 19 Abs. 4 GewStG. Die Gemeinde darf die maßgebende Gewerbesteuer nach Anhörung des Steuerpflichtigen (§ 91 AO) und Nachfrage beim Finanzamt (§ 21 Abs. 3 FVG) schätzen (§ 162 AO). Die Bagatellregelung des § 19 Abs. 5 GewStG ist auch hier zu beachten.

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12 VG Leipzig v. 3.5.2016 – 6 L 1224/15, juris. 13 BT-Drucks. 11/2226, 24. 14 BVerwG v. 22.5.1987 – 8 C 33/86, BStBl. II 1987, 698; R 19.2 Abs. 1 Satz 3 GewStR 2009; H 19.2 GewStH 2016. 15 BVerwG v. 22.5.1987 – 8 C 33/86, BStBl. II 1987, 698. 16 Hofmeister in Brandis/Heuermann, § 19 GewStG Rz. 21. 17 R 19.2 Abs. 4 Satz 1 GewStR 2009.

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GewStG § 19 Rz. 22 | Vorauszahlungen Die zeitlichen Grenzen der Anpassung der Vorauszahlungen und ihre Fälligkeit ergeben sich aus § 19 Abs. 3 Satz 2 GewStG.18 Nach § 19 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 GewStG kann eine nachträgliche Anpassung bis zum Ende des 15. auf den EZ folgenden Kalendermonats vorgenommen werden. Bei einer nachträglichen Erhöhung der Vorauszahlungen ist der Erhöhungsbetrag innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Vorauszahlungsbescheids zu entrichten (§ 19 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 GewStG). 2. Anpassung nach Festsetzung eines Steuermessbetrags durch das Finanzamt 22

Zum einen kann die Gemeinde von sich aus Vorauszahlungen an die Steuer anpassen, die sich für den EZ voraussichtlich ergeben wird (§ 19 Abs. 3 Satz 1, 2 GewStG). Zum anderen kann das Finanzamt gem. § 19 Abs. 3 Satz 3, 4 GewStG einen Steuermessbetrag für Zwecke der Vorauszahlung bis zum Ende des 15. auf den EZ folgenden Kalendermonats festsetzen. Die Festsetzung erfolgt durch einen Steuermessbescheid (§ 184 Abs. 1 AO) des Finanzamts (Festsetzungsbescheid). Dies gilt in allen Ländern. Beispiel: Nach dem Bescheid des FA, der dem Steuerpflichtigen am 2.5.01 bekannt gegeben wird, erhöhen sich die Vorauszahlungen um 800 €. Für die am 15.3. fällige Vorauszahlung ist der Erhöhungsbetrag von 800 € bis zum 2.6.01 zu entrichten. Für die drei weiteren Vorauszahlungen (15.5., 15.8., 15.11.) ist zu den jeweiligen Zeitpunkten der erhöhte Betrag zu entrichten.

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Liegt ein entsprechender Steuermessbetrag des Finanzamts zum Zwecke der Vorauszahlungen vor, ist dieser Wert nach § 19 Abs. 3 Satz 4 GewStG zwingend von den Gemeinden insgesamt der Festsetzung der Vorauszahlungen zugrunde zu legen. Die Bindungswirkung betrifft nur die Art und Weise einer Anpassung. Das Ob und Wie steht weiterhin in ihrem Ermessen. Für die Anpassung der Vorauszahlungen bedarf es in einem solchen Fall einer Änderung des Steuermessbescheids des Finanzamts für Vorauszahlungszwecke, auf die der Steuerschuldner bzw. die Gemeinde hinwirken kann; ein Antrag ist nicht erforderlich, aber zweckmäßig. Zweck der Regelung ist es, die Erkenntnisse des Finanzamts über den Gewerbebetrieb des Steuerschuldners und die geänderten Verhältnisse zu verwerten. Dies gilt besonders in den Fällen, in denen das Finanzamt die Vorauszahlungen für die ESt bzw. KSt angepasst hat.19 Gemeinde und Finanzamt sind hier angehalten, zur Vermeidung von Doppelarbeit zu kooperieren. Allerdings sind gewerbesteuerrechtliche Prüfungen und Feststellungen in den Gewerbebetrieben auch in Bezug auf die Vorauszahlungen ausschließlich Aufgaben des Finanzamts.20 Insbesondere dürfen Gemeinden hier keine Außenprüfungen durchführen.21

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Die Entscheidung, ob und wann ein Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Vorauszahlungen festgesetzt wird, liegt auch hier im pflichtgemäßen Ermessen des Finanzamts. Eine Selbstbindung der Finanzverwaltung enthält R 10.2 Abs. 1 Satz 5 bis 7 GewStR 2009: In Fällen, in denen das Finanzamt die Vorauszahlungen für die ESt bzw. KSt angepasst hat, muss das Finanzamt den entsprechenden Steuermessbetrag grundsätzlich festsetzen. Auch hier wird das Finanzamt den voraussichtlichen Messebetrag nur schätzen können. Auch dies entspricht dem vorläufigen Charakter der Vorauszahlungen.

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Eine Ausnahme regelt die Verwaltungsrichtlinie: Unwesentliche Veränderungen in der Höhe der voraussichtlichen Steuer führen nicht zu einer Anpassung der Vorauszahlungen. R 19.2 Abs. 1 Satz 7 GewStR 2009 nennt hier eine Änderung des Steuermessbetrags um entweder mehr als ein Fünftel, mindestens aber um 10 € oder um mehr als 500 € als Voraussetzung für eine Anpassung der Vorauszahlungen.

26–29

18 19 20 21

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frei Näher Hofmeister in Brandis/Heuermann, § 19 GewStG Rz. 22, 26. R 19.2 Abs. 1 Satz 5, Abs. 4 Satz 2 GewStR 2009. R 19.2 Abs. 4 Satz 5 GewStR 2009. Hofmeister in Brandis/Heuermann, § 19 GewStG Rz. 25.

Vorauszahlungen | Rz. 33 § 19 GewStG

IV. Erstmalige Festsetzung der Vorauszahlungen (Abs. 4) Für einen neu gegründeten Gewerbebetrieb können22 nach § 19 Abs. 2 GewStG noch keine Vorauszahlungen festgesetzt werden. Gleiches gilt, wenn bei einem bestehenden Gewerbebetrieb eine Steuerbefreiung wegfällt. Nach § 19 Abs. 4 GewStG gilt daher § 19 Abs. 3 GewStG entsprechend bei Neugründung oder Eintritt in die Steuerpflicht für die erstmalige Festsetzung der Vorauszahlungen. Dieser Betrag kann regelmäßig nur geschätzt werden (§ 162 AO). Nach § 19 Abs. 3 GewStG bestehen dann zwei Möglichkeiten: Das Finanzamt kann nach § 19 Abs. 3 Satz 3 GewStG einen Gewerbesteuermessbetrag zum Zwecke der Vorauszahlungen nach pflichtgemäßem Ermessen festsetzen (Festsetzungsbescheid).23 Der Steuermessbetrag ist zu zerlegen, wenn an ihm mehrere Gemeinden beteiligt sind.24 An den jeweiligen Wert ist die Gemeinde gebunden. Andernfalls kann die Gemeinde nach § 19 Abs. 3 Satz 1 GewStG selbst tätig werden und eine Vorauszahlungsbescheid erlassen.

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V. Besonderheiten bei Zerlegung und Verlegung von Betriebsstätten (§§ 29, 30 GewStDV) 1. Steuermessbetrag und Zerlegung (§ 29 GewStDV) § 29 GewStDV ist eine Sonderregelung für bestehende Zerlegungsfälle i.S.d. § 28 GewStG. Zuständig für das Zerlegungsverfahren und einen möglichen Zerlegungsbescheid ist das Betriebsstätten-Finanzamt gem. § 22 AO i.V.m. §§ 185 ff. AO. Für die Anpassung oder erstmalige Festsetzung der Vorauszahlungen im Rahmen der Festsetzung des Steuermessbetrags für Zwecke der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen ist nach § 19 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 GewStG ebenfalls das Finanzamt zuständig. § 29 GewStDV bestimmt, in welchen Fällen das Finanzamt eine Zerlegung bzw. einen Zerlegungsbescheid auch für Zwecke der Vorauszahlungen nach pflichtgemäßem Ermessen erlassen kann.

31

Kein Zerlegungsbescheid des Finanzamts: Grds. muss das Finanzamt im Zusammenhang mit Gewerbesteuermessbescheiden für Zwecke der Vorauszahlung gem. § 29 Abs. 1 Satz 1 GewStDV keinen Zerlegungsbescheid erteilen; ein Zerlegungsbescheid darf aber erteilt werden. Im ersten Fall können die hebeberechtigten Gemeinden in demselben Verhältnis beteiligt werden, nach dem die Zerlegungsanteile in dem unmittelbar vorangegangenen Zerlegungsbescheid festgesetzt worden sind (§ 29 Abs. 1 Satz 2 GewStDV). Wird bei mehreren hebeberechtigten Gemeinden eine Zerlegung im Vorauszahlungsverfahren nicht durchgeführt, teilt das Finanzamt nach § 29 Abs. 1 Satz 3 GewStDV den beteiligten Gemeinden den Hundertsatz mit, um den sich der Steuermessbetrag gegenüber dem in der letzten Zerlegungsmitteilung angegebenen Steuermessbetrag erhöht oder ermäßigt oder den Zerlegungsanteil; gleichzeitig ist der EZ, für den die Änderung erstmals gilt, mitzuteilen.25

32

Zerlegungsbescheid des Finanzamts: Nur in den Fällen des § 19 Abs. 4 GewStG (Neugründung oder Eintritt in die Steuerpflicht) oder wenn an den Vorauszahlungen in den Fällen des § 19 Abs. 3 GewStG nicht dieselben Gemeinden wie an der unmittelbar vorausgegangenen Zerlegung beteiligt sind, findet nach § 29 Abs. 2 GewStDV zwingend26 eine Zerlegung für Zwecke der Gewerbesteuervorauszahlung statt, d.h. das Finanzamt erlässt über den Gewerbesteuermessbetrag zum Zwecke der Vorauszahlung einen Zerlegungsbescheid. Der Zerlegungsmaßstab ergibt sich auch hier grundsätzlich aus § 29 GewStG. Anzusetzen sind die Arbeitslöhne (§ 31 GewStG), die mutmaßlich, d.h. „voraussichtlich“ in

33

22 23 24 25 26

R 19.2 Abs. 3 Satz 1 GewStR 2009. R 19.2 Abs. 3 Satz 1 GewStR 2009. § 29 Abs. 2 Satz 1 GewStDV; R 19.2 Abs. 3 Satz 2 GewStR 2009. Näher R 19.2 Abs. 2 Satz 5, 6 GewStR 2009. R 19.2 Abs. 3 Satz 2 GewStR 2009.

449

GewStG § 19 Rz. 34 | Vorauszahlungen dem EZ gezahlte werden, für den der zerlegte Messbetrag erstmals gilt. Im Fall des § 30 GewStG gilt ein summarischer Maßstab.27 2. Vorauszahlungen und Verlegung von Betriebsstätten (§ 30 GewStDV) 34

Ein Zerlegungsfall entsteht auch, wenn eine Betriebsstätte eines Unternehmens oder das Unternehmen selbst innerhalb eines EZ von einer Gemeinde in eine andere Gemeinde verlegt worden ist (§ 28 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 GewStG). Auch hierfür ist das Finanzamt zuständig.

35

Verlegt der Steuerschuldner eine Betriebsstätte von einer Gemeinde in eine andere Gemeinde, so hat er die Vorauszahlungen in dieser neuen Gemeinde von dem auf die Verlegung folgenden Fälligkeitstag ab zu entrichten (§ 30 Satz 1 GewStDV). Bleibt in der alten Gemeinde mindestens eine Betriebsstätte des Unternehmens bestehen, tritt nach § 30 Satz 2 GewStG die Rechtsfolge des § 30 Satz 1 GewStDV nicht ein. Entsprechend § 19 Abs. 3 und 4 GewStG bleibt es der Gemeinde der neuen Betriebsstätte aber unbenommen, Vorauszahlungen festzusetzen.

VI. Rechtsbehelfe 1. Entscheidungen des Finanzamts 36

Gegen Gewerbesteuermessbescheide für Zwecke der Vorauszahlungen (§ 19 Abs. 3 Satz 3 GewStG), vom Finanzamt erlassene Gewerbesteuer-Vorauszahlungsbescheide (§ 19 Abs. 4 GewStG) sowie Zerlegungsbescheide (§ 29 Abs. 2 GewStDV) kann der Steuerpflichtige Einspruch einlegen (§ 347 Abs. 1 Satz und 2 AO).28 Danach ist der Finanzgerichtsweg (§§ 33, 40 FGO) eröffnet. Einstweiliger Rechtsschutz besteht nach § 361 AO, 69 FGO. Der Zerlegungsbescheid gem. § 29 Abs. 2 GewStDV steht stets unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Satz 2, 184 Abs. 1 Satz 3, 185 AO).29 Gleiches gilt für die übrigen Bescheide.30 Der Steuerpflichtige kann daher jederzeit ihre Änderung und Aufhebung beantragen (§ 164 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 184 Abs.1 Satz 3, 185 AO). Eine Gemeinde kann lediglich gegen die Zerlegung für Zwecke der Vorauszahlungen (§ 29 Abs. 2 GewStDV) Einspruch31 und ggf. Klage beim FG einlegen (vgl. § 186 Nr. 2 AO). Im Übrigen ist sie nicht beschwert. 2. Entscheidungen der Gemeinde

37

Der Steuerpflichtige kann gegen Vorauszahlungsbescheide der Gemeinde (in den Flächenländern) Widerspruch (§ 69 VwGO) einlegen, sofern dies landesrechtlich geboten ist. Danach ist der Verwaltungsgerichtsweg mit der Anfechtungsklage eröffnet (§ 40 VwGO).32 Die Vorschriften der AO über das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren (§§ 347 ff. AO, 6. Teil der AO) sind mit Ausnahme der §§ 351, 361 Abs. 1 Satz 2 u. Abs. 3 AO hier nicht anwendbar (§ 1 Abs. 2 Nr. 7 AO). Einstweiliger Rechtsschutz besteht nach § 80 Abs. 4 u. 5 VwGO. Der Vorauszahlungsbescheid der Gemeinde steht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Satz 2, § 1 Abs. 2 Nr. 4 AO). Der Steuerpflichtige kann daher jederzeit seine Änderung und Aufhebung beantragen (§ 164 Abs. 2 AO). In den Stadtstaaten samt Bremen sind die Finanzämter für die gesamte Verwaltung zuständig. Dann sind Einspruch (§ 347 AO) und Klage beim FG möglich. 27 28 29 30

Hofmeister in Brandis/Heuermann, § 19 GewStG Rz. 61. R 19.2 Abs. 5 GewStR 2009. BFH v. 18.8.2004 – I B 87/04, BStBl. II 2005, 143; H 19.2 GewStH 2016. Hofmeister in Brandis/Heuermann, § 19 GewStG Rz. 71; dort auch zun weiteren verfahrensrechtlichen Besonderheiten. 31 R 19.2 Abs. 5 GewStR 2009. 32 Etwa BFH v. 7.7.1971 – I B 18/71, BStBl. II 1971, 738.

450

§ 20 Abrechnung über die Vorauszahlungen (1) Die für einen Erhebungszeitraum (§ 14) entrichteten Vorauszahlungen werden auf die Steuerschuld für diesen Erhebungszeitraum angerechnet. (2) Ist die Steuerschuld größer als die Summe der anzurechnenden Vorauszahlungen, so ist der Unterschiedsbetrag, soweit er den im Erhebungszeitraum und nach § 19 Abs. 3 Satz 2 nach Ablauf des Erhebungszeitraums fällig gewordenen, aber nicht entrichteten Vorauszahlungen entspricht, sofort, im Übrigen innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids zu entrichten (Abschlusszahlung). (3) Ist die Steuerschuld kleiner als die Summe der anzurechnenden Vorauszahlungen, so wird der Unterschiedsbetrag nach Bekanntgabe des Steuerbescheids durch Aufrechnung oder Zurückzahlung ausgeglichen. A. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Anrechnung (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . .

1 4

II. Abschlusszahlung (Abs. 2) . . . . . III. Abschlussguthaben und Erstattungsanspruch (Abs. 3) . . . . . . .

5 6

A. Allgemeines § 20 GewStG regelt die Abrechnung der zuvor festgesetzten Gewerbesteuervorauszahlungen, die Abschlagzahlungen auf die Steuerschuld für den Erhebungszeitraum (EZ) sind. §§ 19–21 GewStG betreffen das gewerbesteuerrechtliche Steuererhebungsverfahren im Regelfall im Verhältnis der Gemeinde (in den Flächenländern) zu den Steuerpflichtigen und dem Steuerschuldner (§ 5 GewStG, § 1 Abs. 2 Nr. 5 AO). In den Stadtstaaten samt Bremen liegt die gesamte Verwaltungszuständigkeit in den Händen der Finanzämter. Die aktuelle Fassung beruht auf dem Gesetz v. 29.10.1997.1 Sie geht auf §§ 20, 21 GewStG 1936 zurück.

1

Die Vorschrift ordnet die Anrechnung der Vorauszahlungen (§ 19 GewStG auf die endgültige Steuerschuld (§ 16 GewStG an und bestimmt die Fälligkeit von noch ausstehenden Vorauszahlungen, von Restschulden und von zu erstattenden Überzahlungen. Dem Abrechnungsverfahren liegt der Grundsatz zugrunde, dass eine Gemeinde die Vorauszahlungen abschließend behalten darf, soweit sie vom Steueranspruch gedeckt sind.2 Die Vorschrift setzt voraus, dass für den EZ Gewerbesteuer festgesetzt worden ist. Bei der Erhebung von Gewerbesteuern durch Kommunen sind Verrechnungsvereinbarungen grundsätzlich formfrei möglich. Lässt sich der Abschluss einer Verrechnungsvereinbarung jedoch nicht nachweisen, trifft die sich hierauf berufende Gemeinde die materielle Beweislast.3

2

Die Vorschrift entspricht den Regelungen in § 36 Abs. 2 und Abs. 4 EStG für die Einkommensteuer; diese Regelung gilt entsprechend auch für die Körperschaftsteuer (§ 37 Abs. 1 KStG).

3

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Anrechnung (Abs. 1) Nach Absatz 1 werden die für einen bestimmten EZ geleisteten4 („entrichteten“, nicht die festgesetzten) Vorauszahlungen auf die Steuerschuld angerechnet. Anrechnung bedeutet 1 2 3 4

Gesetz v. 29.10.1997, BGBl.I 1997, 2590. FG Berlin-Bdb. v. 13.1.2010 – 12 K 6165/05 B, EFG 2010, 774. VGH München v. 14.7.2016 – 4 BV 15.1540, BayVBl. 2017, 600. BFH v. 4.6.1981 – VIII B 31/80, BStBl. II 1981, 767.

451

4

GewStG § 20 Rz. 5 | Abrechnung über die Vorauszahlungen Verrechnung der für einen bestimmten EZ geleisteten Vorauszahlungen mit der gem. § 16 GewStG festgesetzten Gewerbesteuerschuld für diesen EZ zum Zweck der Tilgung der Steuerschuld. Nicht maßgeblich ist, wann die Vorauszahlungen entrichtet wurden. Erfasst werden auch freiwillige Zahlungen.5 Verfahrensrechtlich ist die Anrechnung mit der Folge einer Abschlusszahlung oder eines Abschlussguthabens kein Teil der Steuerfestsetzung, sondern ein eigenständiger, separater und bestätigender Steuerverwaltungsakt, der als Anrechnungsverfügung grundsätzlich mit dem Gewerbesteuerbescheid formal verknüpft wird.6 Ist eine Anrechnung unterblieben, kann sie nach § 228 Satz 2 AO noch fünf Jahre lang nachgeholt werden; ist sie erfolgt, kann sie nach Maßgabe der §§ 129, 130 AO berichtigt werden. Kommt es zu Streitigkeiten über das Erlöschen des Steueranspruchs entscheidet die Gemeinde durch Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 Nr. 5 AO).

II. Abschlusszahlung (Abs. 2) 5

Absatz 2 regelt die Zahlungspflichten und Zahlungsfristen des Steuerschuldners (§ 5 GewStG) nach Ergehen des Gewerbesteuerbescheids (§ 16 GewStG). Die Regelung definiert und regelt eine mögliche sog. Abschlusszahlung. Abschlusszahlung ist die Differenz zwischen der Steuerschuld und den anzurechnenden Vorauszahlungen. Dieser Differenzbetrag entsteht, wenn die Steuerschuld größer als die Summe der anzurechnenden Vorauszahlungen ist. Die Abschlusszahlung umfasst auch die fälligen, aber noch nicht gezahlten Vorauszahlungen.7 Der Erstattungsanspruch entsteht grundsätzlich mit Ablauf des EZ, für den die Vorauszahlungen entrichtet worden sind.8 Fällig ist die Abschlusszahlung grundsätzlich einen Monat nach Bekanntgabe des Steuerbescheids (§ 122 AO). Soweit die Abschlusszahlung auf fällige, aber noch nicht entrichtete Vorauszahlungen entfällt, ist diese Zahlung „sofort“ fällig.

III. Abschlussguthaben und Erstattungsanspruch (Abs. 3) 6

Absatz 3 bestimmt die Höhe des Abschlussguthabens. Dieser Differenzbetrag entsteht als Erstattungsanspruch, wenn die Steuerschuld kleiner als die Summe der anzurechnenden Vorauszahlungen ist. Der Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2, § 218 Abs. 2 AO) wird nach Bekanntgabe des Steuerbescheides durch Aufrechnung (gem. § 387 BGB) oder Zurückzahlung ausgeglichen. Der Erstattungsanspruch entsteht mit Ablauf des maßgeblichen EZ.9 Das Abschlussguthaben wird mit Bekanntgabe des Gewerbesteuerbescheids fällig.10 Besteht keine Gewerbesteuerpflicht, kann der Steuerpflichtige einen Antrag auf Erstattung bzw. auf Erlass eines Abrechnungsbescheids (§ 218 Abs. 2 AO) stellen. Eventuelle Säumniszuschläge bleiben erhalten (§ 240 Abs.1 Satz 4 AO, § 1 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 3 AO).

5 Ebenso Schiffers in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 20 GewStG Rz. 8. 6 Näher Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 20 GewStG Rz. 4 ff.; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 20 GewStG Rz. 2. 7 Ebenso jetzt auch Güroff in Glanegger/Güroff10, § 20 GewStG Rz. 3. 8 BFH v. 26.4.1994 – VII R 109/93, BFH/NV 1994, 839. 9 Hofmeister in Brandis/Heuermann, § 20 GewStG Rz. 7 m.w.N. 10 So BVerwG v. 14.12.1984 — 8 B 112/84, ZKF 1985, 60.

452

§ 21 Entstehung der Vorauszahlungen Die Vorauszahlungen auf die Gewerbesteuer entstehen mit Beginn des Kalendervierteljahrs, in dem die Vorauszahlungen zu entrichten sind, oder, wenn die Steuerpflicht erst im Laufe des Kalendervierteljahrs begründet wird, mit Begründung der Steuerpflicht. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen

4

A. Allgemeines § 21 GewStG bestimmt ergänzend den Zeitpunkt, zu dem Vorauszahlungsansprüche i.S.d. § 19 GewStG der Gemeinde gegen den Steuerpflichtigen entstehen. Die Regelung konkretisiert ähnlich wie § 18 GewStG die Blankettnorm des § 38 AO. Sie legt damit die Grundlage für die Erfüllung und Fälligkeit des Anspruchs. §§ 19–21 GewStG betreffen das gewerbesteuerrechtliche Steuererhebungsverfahren im Regelfall im Verhältnis der Gemeinde (in den Flächenländern) zu den Steuerpflichtigen. In den Stadtstaaten samt Bremen liegt die gesamte Verwaltungszuständigkeit in der Hand der Finanzämter. Die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags obliegt den Finanzämtern in allen Ländern. Die aktuelle Fassung beruht auf dem Gesetz v. 14.12.1976.1 Sie geht auf § 3 Abs. 5 Nr. 3a Steueranpassungsgesetz 1934/1936 zurück.

1

Ähnlich wie die Schwester-Regelung des § 18 GewStG hat auch § 21 GewStG Folgen für die Anwendung einer Reihe nachfolgender Vorschriften. Etwa für die Haftung anderer Personen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2, §§ 45 ff., 69 ff. AO, § 25 HGB) oder für insolvenzrechtliche Fragen (§ 35 InsO). Festgesetzte und noch nicht entrichtete Vorauszahlungen auf die Gewerbesteuer sind Insolvenzforderungen, wenn sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewerbesteuerrechtlich entstanden sind. Im Fall der Insolvenz des Unternehmers ist die Vorauszahlung für das Kalendervierteljahr der Insolvenzeröffnung eine Verbindlichkeit der Insolvenzmasse, auch wenn die in der Mitte des Kalendervierteljahres liegende Fälligkeit bei Insolvenzeröffnung noch nicht eingetreten sein sollte.2

2

§ 21 GewStG steht im Einklang mit den Regelungen für die Vorauszahlung auf die Einkommensteuer (§ 37 Abs. 1 Satz 2 EStG) und auf die Körperschaftsteuer (§ 30 Nr. 2 KStG).

3

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Grundsätzlich entstehen Vorauszahlungen auf die Gewerbesteuer mit dem Beginn des Kalendervierteljahres (= 1. des Kalendervierteljahres, z.B. 1. Januar), in dem die Vorauszahlungen zu entrichten sind, d.h. fällig werden (z.B. 15. Februar). Dies gilt für alle Vorauszahlungen i.S.d. § 19 GewStG. Eine Ausnahme besteht für den Fall der Begründung der Steuerpflicht im Kalendervierteljahr, falls hier bereits eine Vorauszahlung fällig wird. In diesem Fall entsteht die Vorauszahlung erst mit Beginn der Steuerpflicht.

4

Im Unterschied zur Regelung des § 18 GewStG, die den Steueranspruch kraft Gesetzes entstehen lässt, setzt § 21 GewStG voraus, dass ein Vorauszahlungsbescheid gegen den Steuerpflichtigen ergangen ist, der auch die Fälligkeit der Vorauszahlungen bestimmt.3

5

1 Gesetz v. 14.12.1976, BGBl. I 1976, 3341. 2 Näher Schulze in Lenski/Steinberg, GewStG Anhang 2 Rz. 206 mit Verweis aus § 41 Abs. 1 InsO; vgl. auch VGH München v. 11.2.1998 – 4 B 96.3715, ZKF 1999, 12; BFH v. 4.5.2004 – VII R 45/03, BStBl. II 2004, 815; FG Berlin-Bdb. v. 13.1.2010 – 12 K 6165/05 B, EFG 2020, 774. 3 Ebenso Güroff in Glanegger/Güroff10, § 21 GewStG Rz. 2 (str).

453

GewStG § 21 Rz. 6 | Entstehung der Vorauszahlungen Eine Beendigung der Gewerbesteuerpflicht im Verlauf eines Kalendervierteljahres, hat für das Entstehen der Vorauszahlung keine Bedeutung.4 Eine Anpassung nach § 19 Abs. 3 GewStG ist dann zulässig. 6

Beispiel 1: Bestehende Steuerpflicht Bei bereits zu Beginn des Kalendervierteljahres bestehender Steuerpflicht entsteht die nach § 19 Abs. 1 Satz 1 GewStG am 15.2. zu entrichtende Vorauszahlung am 1.1., die am 15.5. zu entrechtende Vorauszahlung am 1.4., die am 15.8. zu entrichtende Vorauszahlung am 1.7. und die am 15.11. zu entrichtende Vorauszahlung am 1.10. eines Jahres. Das gilt auch für die nachträgliche Erhöhung nach § 19 Abs. 3 Satz 2 GewStG. Beispiel 2: Entstehende Steuerpflicht 1. Beginn der Steuerpflicht am 10.5.: Entstehung der Vorauszahlung am 10.5. 2. Beginn der Steuerpflicht am 17.5.: Entstehung der Vorauszahlung am 1.7. 3. Beginn der Steuerpflicht am 15.5.: Entstehung der Vorauszahlung am 15.5.

4 Hofmeister in Brandis/Heuermann, § 21 GewStG Rz. 4.

454

§§ 22 bis 27 (weggefallen)

455

GewStG §§ 22 bis 27

456

Abschnitt VI. Zerlegung § 28 Allgemeines (1) 1Sind im Erhebungszeitraum Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten worden, so ist der Steuermessbetrag in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile (Zerlegungsanteile) zu zerlegen. 2Das gilt auch in den Fällen, in denen eine Betriebsstätte sich über mehrere Gemeinden erstreckt hat oder eine Betriebsstätte innerhalb eines Erhebungszeitraums von einer Gemeinde in eine andere Gemeinde verlegt worden ist. (2) 1Bei der Zerlegung sind die Gemeinden nicht zu berücksichtigen, in denen 1. Verkehrsunternehmen lediglich Gleisanlagen unterhalten, 2. sich nur Anlagen befinden, die der Weiterleitung fester, flüssiger oder gasförmiger Stoffe sowie elektrischer Energie dienen, ohne dass diese dort abgegeben werden, 3. Bergbauunternehmen keine oberirdischen Anlagen haben, in welchen eine gewerbliche Tätigkeit entfaltet wird. 2 Dies gilt nicht, wenn dadurch auf keine Gemeinde ein Zerlegungsanteil oder der Steuermessbetrag entfallen würde. A. I. II. B. I. 1. a) b) c) aa) bb) d) e) 2. a) b) c)

Allgemeines Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungszusammenhang . . . . . . . . . Inhalt der Vorschriften im Einzelnen Zerlegung nach Betriebsstätten (Abs. 1) Grundbegriffe Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erhebungszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . Betriebsstätte Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Ausübung des Gewerbes . . . . . . . . Zerlegungsanteil. . . . . . . . . . . . . . . . . . Zerlegungskonstellationen Mehrere Betriebsstätten in mehreren Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrgemeindliche Betriebsstätte . . . . . Verlegung einer Betriebstätte . . . . . . . .

. .

1 18

. .

30 31

. . . .

36 41 51 52

. . .

54 56 60

II. Von der Zerlegung ausgeschlossene Betriebsstättengemeinden (Abs. 2) 1. Zweck der Regelung . . . . . . . . . . 2. Ausgeschlossene gewerbliche Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rückausnahmen . . . . . . . . . . . . . III. Zerlegungsverfahren und Rechtsschutz 1. Anzuwendende Vorschriften . . . . 2. Amtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zerlegungsbescheid und Bindungswirkungen . . . . . . . . . . . . . 5. Änderung des Zerlegungsbescheids 6. Zuteilungsbescheid . . . . . . . . . . . 7. Beteiligungsrechte der Gemeinde. 8. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . .

70 73 77 80 81 82 83 85 88 89 90

A. Allgemeines I. Regelungszweck Die Zerlegung mit den drei typischen Zerlegungskonstellationen (s. Übersicht) knüpft an die Regelungen zur hebeberechtigten Gemeinde in § 4 GewStG an. Befinden sich Betriebsstätten (i.S.d. § 12 AO1) desselben Gewerbebetriebs in mehreren Gemeinden oder erstreckt sich eine Betriebsstätte über mehrere Gemeinden, so wird die Gewerbesteuer in jeder Gemeinde nach dem Teil des Steuermessbetrags erhoben, der auf sie entfällt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 GewStG).

1

Eine Zerlegung des Steuermessbetrags, d.h. seine Aufteilung auf mehrere (mindestens zwei) Gemeinden gewährleistet die Realisierung des gemeindlichen Hebesatzrechts dieser Gemeindesteuer und die interkommunale Aufteilung des „Steuerkuchens“. Sie ist daher Ausfluss der verfassungsrechtlichen Vorgaben in Art. 28 Abs. 2 Satz 3, Art. 106 Abs. 6 GG.

2

1 BFH v. 18.2.2021 – III R 8/1, BStBl. II 2021, 627.

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GewStG § 28 Rz. 3 | Allgemeines 3

Zerlegung meint allgemein die Aufteilung einer Steuer oder der zugrundeliegenden Bemessungsgrundlage auf verschiedene Steuergläubiger (besser: Steuerertragsberechtigte i.S.d. Art. 106, 107 GG). Sie realisiert für die Gewerbesteuer ihre Ortsgebundenheit als Gemeindesteuer und entspricht folgerichtig sowie de lege lata dem Betriebsstättenprinzip. Eine Zerlegung der Steuer selbst ist nicht möglich, da die Steuersätze variieren und zu respektieren sind.

4

Von der Zerlegung ist die Zuteilung zu unterscheiden. Hierfür besteht ein gesondertes Verfahren (§ 190 AO). Zuteilung meint die Zuweisung des gesamten Gewerbesteuermessbetrags an eine einzige Gemeinde. Die Verfassung spricht von einer Abgrenzung (Art. 107 Abs. 1 Satz 3 GG). Durchgängig handelt es sich um steuer- und finanztechnische Instrumente. Ihr Ziel ist die Erfassung der „wirklichen Steuerkraft“.2

5

Gegenstand der gewerbesteuerrechtlichen Zerlegung ist der Gewerbesteuermessbetrag, der sich aus § 6 GewStG ergibt. Dieser ist einheitlich für den gesamten Gewerbebetrieb festzusetzen und nicht getrennt für jede Betriebsstätte. Daraus folgt die praktische Notwendigkeit der Zerlegung, da die Steuerhoheit einer Gemeinde an ihrer Gemeindegrenze endet.

6

Das Betriebsstättenprinzip und die Funktion der Gewerbesteuer selbst und ihrer Zerlegung werden zudem auf das ungeschriebene sog. Äquivalenzprinzip zurückgeführt.3 Diese finanztheoretische Begründung trifft allenfalls mittelbar zu. Die Zerlegung zielt vielmehr auf das maßgebliche örtliche Aufkommen der Steuer, die ihrerseits auf dem Betriebsstättenprinzip beruht.

7

Der Betriebsstättenbegriff in §§ 2, 4, 28 GewStG erfüllt hier, wie auch ähnlich im internationalen Steuerrecht, eine spezifische räumliche Zuordnungsfunktion für den Steuerzugriff und die Zerlegung des Messbetrags. Zudem ist der Begriff gewerbesteuerrechtlich geprägt (z.B. § 28 Abs. 2 GewStG). Gleichwohl fehlt eine eigenständige Definition im GewStG.

8

Sowohl der internationalrechtliche als auch der gewerbesteuerrechtliche Begriff der Betriebsstätte, hier für Zwecke der Zerlegung, stehen vor der Frage, ob das steuerrechtliche Konzept noch geeignet und sinnvoll ist, um die wirtschaftlichen und technologischen Veränderungen im Gefolge der Globalisierung und Digitalisierung, besonders im Dienstleistungssektor, hinreichend aufzugreifen und abzubilden.

9

Für Tätigkeiten unterhalb der Schwelle einer (inländischen) Betriebsstätte (§ 2 Abs. 1 Satz 1, 3 GewStG), z.B. bloße Dienstleistungen eines Gewerbebetriebs in einer anderen Gemeinde, ist keine Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags zulässig. Dies gilt auch dann, wenn diese Dienstleistungen etwa durch die Nutzung von Versorgungs- und Transportwegen und lokaler Infrastruktur und ihrer Vorhaltung kommunale Lasten verursachen. Es giIt erst recht, wenn Dienstleistungen im Internet oder mit Hilfe des Internets erbracht werden und der Gewerbebetrieb nur in einer Gemeinde seine Geschäftsleitungsbetriebsstätte unterhält. Insoweit versagt das altmodische Äquivalenzprinzip. § 33 GewStG hilft hier nicht weiter, auch wenn das Ergebnis nicht befriedigt.

10

Gleichwohl geht die traditionelle Rechtsprechung davon aus, dass die Zerlegung ein Äquivalent für die Lasten darstellen soll, die sich infolge der Existenz eines Gewerbebetriebes über Ausgaben „direkt“ auf die gemeindlichen Haushalte auswirken.4 Diese enge Zweckbestimmung blendet sog. weiche Belastungen, so z.B. Umweltbelastungen wie Lärm und Schadstoffbelastungen sowie die Wertminderung von Grundstücken und die Beeinträchtigung des Ortsbildes aus.5

2 BVerfG v. 24.6.1986 – 2 BvF 1, 5, 6/8 u.a., BVerfGE 72, 330 (392). 3 BFH v. 5.11.2014 – I R 30/11, BStBl. II 2015, 601: mehrere Geschäftsleitungsbetriebsstätten in verschiedenen Gemeinden. 4 BFH v. 9.10.1975 – IV R 114/73, BStBl. II 1976, 123; v. 26.8.1987 – I R 376/83, BStBl. II 1988, 201; v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836; v. 25.11.2009, – I R 18/08, BFH/NV 2010, 941; ebenso Offerhaus/Althof, FR 2006, 623, 624; Meier, FR 2006, 538. 5 Krit. Trossen, DStZ 2006, 836.

458

Allgemeines | Rz. 15 § 28 GewStG

Richtig ist, dass der Gesetzgeber de lege lata in §§ 28 ff. GewStG von einem speziellen Äquivalenzgedanken ausgeht. So soll der Regelmaßstab § 29 Abs. 1 GewStG die Arbeitnehmerfolgekosten ausgleichen. De lege lata hat diese Ausrichtung am Äquivalenzprinzip auch Auswirkungen auf die Beurteilung, ob der nach § 29 GewStG anzuwendende Zerlegungsmaßstab sachgerecht ist, und ob eine Zerlegung nach einem besonderen Maßstab (§ 33 Abs. 1 oder 2 GewStG) stattzufinden hat. Unmittelbar und wortwörtlich wirkt das Regulativ im Rahmen von § 30 GewStG, wenn die Ortslage und Ortslasten im Einzelfall maßstabbildend sein sollen.

11

Die Zerlegung ist dem Grunde nach nicht nur verfassungsrechtlich zulässig,6 sondern auch inzidenter nach Art. 106 Abs. 6 GG geboten. Sie bewirkt eine notwendige horizontale gemeindliche Steuerverteilung (= primärer Finanzausgleich oder Steuerausgleich). Hierbei darf der Gesetzgeber die Zerlegungsgrundlage und die Maßstäbe auch typisieren, solange sie realitätsgerecht sind und die wirkliche Steuerkraft der Gemeinden abbilden. Die Durchführung der Zerlegung muss sich insoweit am objektiven allgemeinen Gleichheitssatz (hier zugunsten der Gemeinden) messen lassen. Eine andere Frage ist, ob die derzeitige Zerlegungskonzeption (§§ 28 ff. GewStG) noch zeitgemäß ist.

12

Die Zerlegung ist aber kein Instrument des (kommunalen, sekundären) Finanzausgleichs.7 Dieser ist Ländersache, der Steuerverteilung nachgelagert und bewirkt eine Umverteilung von Steuereinnahmen nach Maßgabe gesetzlich definierter Finanzindikatoren, Lasten- und Bedarfsindikatoren und zum Ausgleich verminderter Steuerkraft. Rechtsgrundlage sind hier vornehmlich die landesrechtlichen Finanzausgleichsgesetze.

13

Allerdings verwischen sich hier zunehmend die Regelungszwecke und Grenzen zwischen Steuer- und Finanzausgleich, wenn der Verteilung nicht wirtschaftskraftbezogene Indikaktoren, sondern Bedarfs- oder Lastenindikatoren zugrunde gelegt werden. Letztere dominieren unter dem Eindruck des ungeschriebenen Äquivalenzprinzips besonders die Verteilungsdirektive in § 30 GewStG („Gemeindelasten“), die als Grundlage der Aufteilung des Gewerbemessbetrags fungiert.

13a

Das Institut der Steuerzerlegung liegt auch Art. 107 Abs. 1 Satz 2 GG und dem Zerlegungsgesetz (ZerlG) zugrunde. Gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 ZerlG gelten die §§ 28 ff. GewStG entsprechend für die Zerlegung der Körperschaftsteuer im Rahmen des primären, horizontalen Finanzausgleichs. Das Zerlegungsprinzip ist auch im internationalen Steuerrecht in Form der indirekten Gewinnverteilungsmethode anerkannt und prägt in Zukunft die 2021 beschlossene Reform des internationalen Unternehmenssteuerrechts. Auch hier hat sich das traditionelle Bild einer Betriebsstätte (Niederlassung oder Produktionsstätte) bzw. eines Unternehmens verändert. Die Zerlegung eines Steuermessbetrags kennt schließlich auch die Grundsteuer (§ 22 GrStG).

13b

Aus traditionellen Gründen und der Sachnähe der Zerlegung zur steuerrechtlichen Bemessungsgrundlage sind die Zerlegungsvorschriften im GewStG geregelt. Sachlich handelt es sich aber um finanzrechtliche, nicht um steuerrechtliche Regelungen. Sie gehörten an sich in das erwähnte Zerlegungsgesetz. Diese Einordnung hat nicht nur rechtssystematische Folgen. Sie betrifft auch die Auswahl der hier notwendigen finanzrechtlichen Zerlegungsfaktoren. Der Steuerpflichtige ist hiervon nur mittelbar über die Hebesatzpolitik der Gemeinde betroffen.

14

Den Zerlegungsregelungen der §§ 28 ff. GewStG liegt nach vorherrschender Ansicht eine betriebsspezifische Lastenkonzeption zugrunde. Allerdings kommt die Lastenverursachung durch die Tätigkeit der lokalen Betriebsstätte für die konkrete Gemeinde durch die ausdrücklichen oder impliziten Lastenindikatoren nur sehr mittelbar zum Ausdruck. Dies gilt auch für den Regelmaßstab der Arbeitslöhne.8 Das ungeschriebene Äquivalenzprinzip ist primär eine steuertheoretischer Rechtfertigungsgrund für die Gewerbesteuer. De lege lata

15

6 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 28 GewStG Rz. 1. 7 BFH v. 9.10.1975 – IV R 114/73, BStBl. II 1976, 123; v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836. 8 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 29 GewStG Rz. 1.

459

GewStG § 28 Rz. 16 | Allgemeines fordert nur § 30 GewStG einen Lastenvergleich. Im Übrigen soll die konkrete Lastenverursachung kaum feststellbar sein und weder Voraussetzung noch Bemessungslage der Besteuerung sein.9 Dem Gesetzgeber wird damit zugebilligt, bewusst indirekte, grobe und typisierende Zerlegungsmaßstäbe auswählen zu dürfen.10 16

Dennoch nähert sich die Lastenkonzeption praktisch ähnlichen Instrumenten des Abgabenund Finanzrechts: den Sonderlasten (Gebühren)11 einerseits und dem Finanzausgleich (Lastenausgleich) andererseits. Eine mögliche Reform könnte darin bestehen, die „Zerlegungssteuer“ ähnlich wie im internationalen Unternehmenssteuerrecht aufzuteilen, indem der Gewinn und Gewerbeertrag den lokalen Betriebsteilen direkt zugeordnet wird.12

17

Im Kontext der steuerrechtlichen Unternehmensplanung erlauben die Hebesatzunterschiede in den Gemeinden auch eine ökonomische Zerlegungsgestaltungsplanung.13 Die Gestaltung interkommunaler Konzernstrukturen ermöglicht hierbei ähnlich wie im internationalen Steuerrecht sog. Gewinnverlagerungen (Profit Shifting) durch Unternehmensverlagerungen in „Gewerbesteuer-Oasen“.14 Dies kann dazu führen, dass Konzerne ihr Unternehmen in gewinnschwachen Produktionsstätten und gewinnstarke Verwaltungseinheiten in Gemeinden, letztere mit niedrigen Hebesätzen oder geringen Arbeitnehmerquoten, aufteilen. Ein Mittel sind sog. unechte Betriebsführungsgesellschaften.15 Diese Art des Steuerwettbewerbs mag zwar das steuertheoretische Äquivalenzprinzip konterkarieren, ist aber Folge der politisch gewünschten Steuerautonomie der Gemeinden. Korrekturen obliegen dann den (bundestaatlichen und kommunalen) Finanzausgleich. Daneben kann eine Neuausrichtung konzerninterner Unternehmensplanung betriebliche Funktionen verlagern und auch den pauschalen Zerlegungsmaßstab der Arbeitslöhne beeinflussen.16 Übersicht:

9 10 11 12 13 14 15 16

460

BVerfG v. 25.10.1977 – 1 BvR 15/75, BStBl. II 1978, 125. BFH v. 5.11.2014 – IV R 20/11, BStBl. II 2015, 601 zu § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG. Vgl. auch R 33.1 Abs. 1 Satz 15 GewStR 2009. Ein ertragsorientierter Neuansatz bei den Zerlegungsmaßstäben ist de lege lata kaum möglich, BFH v. 25.11.2009 – I R 18/08, BFH/NV 2010, 941. Näher Hidien/Pohl/Schnitter, Gewerbesteuer16, S. 846 ff. Zuletzt Neugebauer/Omaid-Quraischi/Oster, StuW 2020, 121. BFH v. 18.9.2019 – III R 3/19, DStR 2020, 920 zu Betriebsführungsgesellschaften als Betriebsstätten; dazu Behrens, Ubg 2020, 425. Näher Neugebauer, FR 2020, 1025; Behrens, Ubg 2020, 425.

Allgemeines | Rz. 23 § 28 GewStG

II. Regelungszusammenhang Von der Zerlegung können alle der GewSt unterliegenden Betriebe betroffen sein. Eine Zerlegung bei Reisegewerbetreibenden ist nur nach § 35a Abs. 4 GewStG, gem. § 35 Abs. 2 GewStDV nicht jedoch nach §§ 28–34 GewStG möglich.

18

§§ 28–34 GewStG regeln das materielle Zerlegungsrecht der Gewerbesteuer, §§ 185–190 AO enthalten verfahrensrechtliche Sonderregelungen. § 28 Abs. 1 GewStG regelt das Ob der Zerlegung und nennt ausdrücklich drei Zerlegungsfälle, in denen eine Zerlegung notwendig ist. §§ 29–31 GewStG regeln das methodische und rechnerische Wie der Zerlegung und, die Zerlegungsmaßstäbe. § 34 GewStG enthält eine Vereinfachungsregelung. Hieraus kann im Einzelfall folgen, dass in einer Gemeinde zwar eine Betriebsstätte unterhalten wird, der Gemeinde aber rechnerisch kein Zerlegungsanteil zusteht,17 obwohl sie ggfs. Arbeitnehmerfolgelasten tragen muss. Insbesondere besteht kein unbedingter Rechtsanspruch einer Gemeinde auf eine Beteiligung an dem einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag durch Zuweisung eines Zerlegungsanteils. Auf diesen Anteil haben die Gemeinden dann einen Zerlegungsanspruch. Das Ergebnis einer Zerlegung muss für die Gemeinden, aber auch für den Steuerpflichtigen zerlegungsgerecht und billig, d.h. angemessen und zumutbar sein und darf nicht offenbar unbillig (§ 33 Abs. 1 GewStG) sein.

19

Zu unterscheiden sind die materiellen Zerlegungsgründe und Zerlegungsmaßstäbe und das Zerlegungsverfahren. Zuständig ist jeweils das Betriebsfinanzamt (§ 22 Abs. 1 AO). Das Zerlegungsverfahren durch das Finanzamt (z.B. Form und Inhalt des Zerlegungsbescheids) regeln §§ 185–189 AO.18 Die Pflicht zur Abgabe der Zerlegungserklärung ergibt sich aus § 14a GewStG, § 25 GewStDV.

20

Auf der Grundlage der §§ 28–34 GewStG und der §§ 185–190 AO ergehen grundsätzlich drei Steuerbescheide: (1) Mit dem Gewerbesteuermessbescheid stellt das Finanzamt den Gewerbesteuermessbetrag für den gesamten Gewerbebetrieb mit allen seinen Betriebsstätten fest. (2) Mit dem Zerlegungsbescheid, einem feststellenden Verwaltungsakt, teilt das Finanzamt den Gewerbesteuermessbetrag auf die beteiligten hebesatzberechtigten Gemeinden auf. (3) Mit dem Gewerbesteuerbescheid setzen die betroffenen Gemeinden die Gewerbesteuer auf der Grundlage des Gewerbesteuermessbescheids und des Zerlegungsbescheids fest.

21

Gegen einen Zerlegungsbescheid des Finanzamts und gegen einen Bescheid, durch den ein Antrag auf Zerlegung abgelehnt wird, können der Steuerpflichtige und die beteiligten Gemeinden Einspruch nach § 347 Abs. 1 AO einlegen. Zerlegungsbescheide sind nach § 173 Abs. 1 i.V.m. §§ 185, 184 Abs. 1 Satz 3 AO änderbar.

22

Die aktuelle Fassung der Vorschrift beruht auf dem Gesetz v. 23.12.2003.19 Sie geht zurück auf das Gewerbesteuergesetz 1936 und die dortigen Zerlegungsregelungen (§§ 28 ff. GewStG 1936). Ausgangspunkt des Gesetzgebers war die Erkenntnis, dass dekonzentrierte Unternehmen nur am ihrem Unternehmenssitz besteuert wurden, obwohl die dadurch verursachten kommunalen Lasten (Arbeitnehmerfolgekosten z.B. der Infrastruktur) eine Vielzahl von Gemeinden in den betrieblichen Standorten trafen.20 Ihren eigentlichen Ursprung haben die Zerlegungsregelungen in §§ 28 ff. GewStG allerdings in den finanzrechtlichen Vorschriften der Weimarer Zeit zum Finanzausgleich zwischen Reich, Länder und Gemeinden. Die dortigen §§ 12, 28 RFAG sahen eine „Verteilung des Steuerobjekts“ der Gewerbesteuer vor, wenn sich ein gewerbliches Unternehmen über mehrere Länder bzw. Gemeinden (je als Ertragsberechtigte) erstreckte. Maßstab war grund-

23

17 18 19 20

BFH v. 13.5.1958 – I B 49/58, BStBl. III 1958, 379. Näher H 28.1 GewStH 2016. BGBl. I 2003, 2922. Liedtke in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 28 GewStG Rz. 12.

461

GewStG § 28 Rz. 24 | Allgemeines sätzlich die Summe der Arbeitslöhne.21 Wurden in einem Land oder einer Gemeinde überhaupt keine Arbeitslöhne gezahlt, forderte der RFH22 bereits vor Inkrafttreten des GewStG 1936 einen diskretionären Ersatzmaßstab, der einen „billigen Ausgleich der Interessen“ gestatte. 24

Eine analoge Anwendung der §§ 28 ff. GewStG befürwortet der BFH23 bei Reiseveranstaltern, die Auslandsreisen durchführen. Diese unterliegen der Gewerbsteuer auch insoweit, als der Gewerbeertrag auf im Ausland erbrachten Dienstleistungen beruht. Unterhält der Reiseveranstalter im Ausland eine Betriebsstätte, so mindert sich die Gewerbesteuerpflicht nur um den auf die ausländische Betriebsstätte entfallenden Gewerbeertrag.

25–29

frei

B. Inhalt der Vorschriften im Einzelnen I. Zerlegung nach Betriebsstätten (Abs. 1) 1. Grundbegriffe a) Inland 30

In räumlicher Hinsicht gilt das GewStG nur für inländische Betriebsstätten. Entsprechend bezieht sich die Zerlegung auch nur auf inländische Betriebsstätten oder Betriebsstättenteile. Ausländische Betriebsstätten außerhalb des Geltungsbereichs des GewStG scheiden für die Ermittlung des Gewerbeertrags und danach auch für die Zerlegung aus.24 Inland ist nach § 2 Abs. 1, 7 Nr. 1 und 2 GewStG nicht nur das deutsche Staatsgebiet, sondern auch die der Bundesrepublik zustehende Anteil an der ausschließlichen Wirtschaftszone und am Festlandsockel, soweit dort bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten ausgeübt werden, z.B. gewerbliche Fischzucht.25 Der erweiterte Inlandsbegriff führt nicht nur zu einer erweiterten Besteuerung eines Gewerbebetriebs. Befinden sich auf diesen Gebieten (inländische) Betriebsstätten, z.B. Bohrinseln oder Windkraftanlagen, so kann sich daraus auch ein Zerlegungstatbestand ergeben. b) Erhebungszeitraum

31

Sowohl für die Frage, ob ein Gewerbesteuermessbetrag gem. § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG zu zerlegen ist, als auch für den Zerlegungsmaßstab gemäß § 29 GewStG kommt es auf die Verhältnisse im EZ an. Dies gilt auch dann, wenn das Wirtschaftsjahr vom EZ abweicht.26

32

EZ ist nach § 14 Satz 2 GewStG grundsätzlich das Kalenderjahr. Besteht die Gewerbesteuerpflicht nicht während des ganzen Kalenderjahrs, so tritt an die Stelle des Kalenderjahrs der Zeitraum der Steuerpflicht (abgekürzter Erhebungszeitraum, § 14 Satz 3 GewStG). Damit eine Zerlegung erfolgen kann, muss daher ein und derselbe Gewerbebetrieb zu irgendeinem Zeitpunkt im Kalenderjahr oder nacheinander während des Kalenderjahres eine Betriebsstätte in mehreren Gemeinden unterhalten. Eine zeitliche Mindestdauer für das Bestehen einer Betriebsstätte besteht nicht.27 Für die Frage, ob eine Zerlegung vorzunehmen ist, kommt es nicht darauf an, wann oder wie lange eine Betriebsstätte im Erhebungszeitraum bestanden hat. Aus diesem Grund erfolgt die Zerlegung auch bei einer Standortverlegung der Betriebsstätte.28 21 Zur teleologischen Auslegung der Vorschriften instruktiv RFH v. 12.11.1929 – IV B 2/29, RFHE 126, 111. 22 RFH v. 11.5.1932 – IV B 5/32, RFHE 31, 58. 23 BFH v. 28.3.1985 – IV R 80/02, BStBl. II 1985, 405. 24 R 28.1 Abs. 3 GewStR 2009. 25 BT-Drucks. 18/4902, 48. 26 BFH v. 17.2.1993 – I R 19/92, BStBl. II 1993, 679; H 28.1 GewStH 2016. 27 BFH v. 5.6.2007 – I R 49/06, BFH/NV 2007, 2346. 28 BFH v. 25.11.2009 – I R 18/08, BFH/NV 2010, 941 zur Sitzverlegung einer Kapitalgesellschaft.

462

Allgemeines | Rz. 36 § 28 GewStG

Für die Zerlegung ist es unerheblich, ob der Gewerbeertrag in einem vom Erhebungszeitraum abweichenden Wirtschaftsjahr erzielt wurde.29 Bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ist für Zwecke der Zuordnung des Gewerbeertrags § 10 Abs. 2 GewStG anzuwenden. Danach gilt der Gewerbeertrag als in dem EZ bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endet. Bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr sind somit zwei Betrachtungszeiträume zu unterscheiden.30 Für das Zerlegungsrecht fehlt eine dem § 10 Abs. 2 GewStG entsprechende Zuordnungsregelung, wonach der Gewerbeertrag eines vom EZ abweichenden Wirtschaftsjahrs für Zwecke der Zerlegung nur dem Teil des EZ zuzuordnen ist, der sich mit dem Wirtschaftsjahr deckt. Im Fall des abweichenden Wirtschaftsjahrs bleibt es daher für die Zerlegung für Zwecke der Aufteilung des Messbetrags beim EZ i.S.d. § 14 GewStG (= Kalenderjahr oder kürzerer Zeitraum). Dies vereinfacht die Zerlegung auch im Rahmen des § 29 Abs. 2 GewStG. Dies gilt auch in Fällen der Organschaft.31

33

Ob eine Zerlegung durchzuführen ist, ist weiterhin nach den zeitlichen Verhältnissen „im“ EZ, d.h. während des EZ zu entscheiden.32 Zerlegungsberechtigt ist eine Gemeinde, in der zu irgendeinem Zeitpunkt des EZ eine Betriebsstätte unterhalten wurde. Wird in einer Gemeinde während des EZ (nach § 14 GewStG im Regelfall das Kalenderjahr) eine Betriebsstätte eröffnet, so ist die Gemeinde zerlegungsberechtigt, auch wenn – wie z.B. bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr – die Gewinne aus dieser Betriebsstätte ggf. erst den Gewerbeertrag des nachfolgenden EZ beeinflussen.33

33a

Beispiel 1: Ein bereits seit Jahren bestehender Gewerbebetrieb mit einem Wirtschaftsjahr vom 1.7.– 30.6. eröffnet am 1.12.02 in der Gemeinde A erstmals eine Betriebsstätte. Für den EZ Kalenderjahr 02 ist nach § 10 Abs. 2 GewStG auf den Gewerbeertrag des Endes des Wirtschaftsjahres 1.7.01–30.6.02 abzustellen. In diesem Gewerbeertrag können Betriebsergebnisse aus der erst zum 1.12.02 eröffneten Betriebsstätte nicht enthalten sein. Dennoch ist die Gemeinde A am Messbetrag 02 durch Zerlegung zu beteiligen, da im EZ 02 in der Gemeinde A eine Betriebsstätte unterhalten wurde.

34

Beispiel 2: Die A-GmbH mit Sitz in Münster hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1.10.–30.9. Sie unterhält seit mehreren Jahren Betriebsstätten in Köln und Düsseldorf. Am 5.10.17 hat die A-GmbH eine weitere Betriebsstätte in Dortmund eröffnet. Gem. § 10 Abs. 2 GewStG gilt der Gewerbeertrag des abweichenden Wirtschaftsjahres 1.10.16–30.9.17 im EZ 17 als bezogen, weil das abweichende Wirtschaftsjahr in 17 endet. Der so ermittelte Gewerbesteuermessbetrag ist auf die Gemeinden Münster, Köln, Düsseldorf und Dortmund zu zerlegen. Insbesondere ist auch die Gemeinde Dortmund an der Zerlegung zu beteiligen, weil die A-GmbH im EZ 17 eine Betriebsstätte in Dortmund unterhalten hat. Für die Zerlegung sind die Arbeitslöhne in der Zeit vom 1.1.17–31.12.17 (EZ) maßgebend.

35

c) Betriebsstätte aa) Grundsätze Der Steuermessbetrag ist nach § 28 Abs. 1 GewStG auf alle Gemeinden zu zerlegen, in denen im EZ Betriebsstätten unterhalten worden sind.34 Es handelt sich um einen zentralen Begriff des Gewerbesteuerrechts. Das GewStG verwendet den Begriff vielfach etwa auch in § 2 Abs. 1 Satz 3, § 2 Abs. 2 Satz 1, § 4 sowie in §§ 29 ff. GewStG. Es darf davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber im selben Gesetz grundsätzlich den gleichen Begriff zugrunde legt. Daher wird hier zunächst auf die grundlegenden Ausführungen zur Kommentierung des Begriffs und seiner Funktion als Verteilungsprinzip in § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG verwiesen.

29 30 31 32 33 34

BFH v. 17.2.1993 – I R 19/92, BStBl. II 1993, 679; v. – VIII R 45/90, BFH/NV 1993, 191. Liedtke in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 28 GewStG Rz. 34. BFH v. 17.2.1993 – I R 19/92, BStBl. II 1993, 679. BFH v. 17.2.1993 – I R 19/92, BStBl. I 1993, 679; H 28.1 GewStH 2016. BFH v. 17.2.1993 – I R 19/92, BStBl. II 1993, 679. R 28.1 Abs. 1 Satz 1 GewStR 2009.

463

36

GewStG § 28 Rz. 37 | Allgemeines 37

Danach gilt auch für den Begriff der Betriebsstätte in § 28 GewStG nach h.M.35 die Mantelregelung des § 12 AO, die einen weiten, unspezifischen Begriff der Betriebsstätte (dort „Betriebstätte“ geschrieben) vorgibt. Insoweit wird auf die Kommentierungen zu § 12 AO verwiesen. Typische Betriebsstätten nennt § 12 Satz 2 AO in beispielhafter, aber nicht abschließender Aufzählung. Es handelt sich bei § 12 Satz 2 AO nicht um eine gesetzliche Fiktion. Diese Beispiele begründen auch eine Betriebsstätte i.S.d. § 28 GewStG.

38

Eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 Satz 1 AO erfordert danach auch für Zwecke der Zerlegung36 eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat.

39

Ein gewerbesteuerspezifischer oder zerlegungsspezifischer Begriff besteht an sich nicht.37 Grundsätzlich gilt hier aber auch, dass jede Gesetzesauslegung kontextgebunden ist. Zudem dürfen Gesetzgeber und Rechtsprechung normspezifische Besonderheiten berücksichtigen.38 Wie die Auslegung und Funktion des abkommensrechtlichen Begriffs der Betriebsstätte verdeutlichen, sind der Terminus und das ihm zugrundeliegende Betriebsstättenprinzip durchaus einer funktionalen Ausdifferenzierung in verschiedenen Rechtskreise und Steuergesetzen zugänglich.

40

Zu den Besonderheiten der Gewerbesteuer gehören: Im Kontext der Gewerbesteuer und der Zerlegung ist es hinreichend und notwendig, dass die Geschäftseinrichtung oder Anlage der Ausübung eines stehenden Gewerbes dient und die Betriebsstätten auch tatsächlich unterhalten werden. Im Rahmen der Verteilung des Steuerzugriffs ist die Sonderregelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG für bestimmte deutsche Schifffahrtsunternehmen zu beachten. Das Zerlegungsrecht in §§ 28 ff. GewStG nutzt die Betriebsstätte als Anknüpfungspunkt für die spezifische Lastenverteilung zwischen Gemeinden. Dies beruht auf einem eher überholten kostenorientierten Äquivalenzprinzip und kommt besonders in den Zerlegungsmaßstäbe (Arbeitnehmerfolgekosten, Gemeindelasten in § 30 GewStG) zum Ausdruck. Eine Sonderregelung besteht auch für die Zerlegung von Betriebsstätten i.S.d. § 28 Abs. 2 GewStG. Eine besondere Art der Betriebsstätte stellt zudem die mehrgemeindliche Betriebsstätte in § 30 GewStG dar. bb) Einzelfälle

41

Bei Auslieferungslagern, in denen der Unternehmer keine Arbeitnehmer beschäftigt, dürfte es sich zwar um Betriebsstätten des Unternehmers handeln.39 Sie begründen angesichts fehlender Arbeitslöhne keinen Anspruch der Gemeinde auf einen Zerlegungsanteil und führen auch i.d.R. nicht zur Anwendung von § 33 Abs. 1 GewStG.40

42

Für Zwecke der Zerlegung gelten Bauausführungen oder Montagen nur dann als Betriebsstätte, wenn die Voraussetzungen des § 12 Nr. 8 AO in den Grenzen der einzelnen Gemeinde erfüllt sind. Bauausführungen sollen nach Auffassung des BFH41 und der Finanzverwaltung nur dann als Betriebstätte anzusehen sein, wenn sie im Gebiet der einzelnen Gemeinde länger als sechs Monate dauern (§ 12 Satz 2 Nr. 8 AO). Eine Zusammen35 Zuletzt wieder BFH v. 18.2.2021 – III R 8/19, BStBl. II 2021, 627 sowie zusammenfassend mit Beispielen Pieske-Kontny, StBp 2021, 16. 36 Vgl. BFH v. 8.3.1988 – VIII R 270/81, BFH/NV 1998, 735; v. 3.2.1993 – I R 80/91 u.a., BStBl. II 1993, 462; v. 5.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. II 2015, 601; v. 18.9.2019 – III R 3/19, DStR 2020, 920 zu Betriebsführungsgesellschaften im Rahmen einer Betriebsaufspaltung; v. 18.2.2021 – III R 8/19, BStBl. II 2021, 627; krit. Hidien/Rodenhäuser, DStZ 2007, 689 für Infrastrukturnetze. 37 Missverständlich Liedtke in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 28 GewStG Rz. 62, 76. 38 Speziell zu § 28 GewStG BFH v. 13.9.2000 – X R 174/96, BStBl. II 2001, 734. 39 Missverständlich BFH v. 12.7.1960 – I B 47/59 S, BStBl. III 1960, 386; Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 28 GewStG Rz. 21 . 40 BFH v. 12.7.1960 – I B 47/59 S, BStBl. III 1960, 386; H 28.1 GewStH 2016. 41 BFH v. 8.2.1979 – IV R 56/76, BStBl. II 1979, 479; R 28.1 Abs. 1 Satz 5, 6 GewStR 2009 (übergemeindliche Betrachtung entsprechend § 28 Abs. 2 Satz 2 GewStG, falls keine Betriebsstätte vorliegt). Näher Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 28 GewStG Rz. 15.

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Allgemeines | Rz. 50 § 28 GewStG

rechnung der Zeiten als mehrgemeindliche Betriebsstätte i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 2, § 30 GewStG soll nicht möglich sein, weil bereits keine Betriebsstätte vorliegt. Witterungsbedingte oder bautechnisch bedingte Unterbrechungen von kürzerer Dauer berühren den Fortgang der Sechsmonatsfrist nicht.42 Auch mehrere Geschäftsleitungsbetriebsstätten können bestehen.43 Kommen für eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte mehrere Orte als Ort der Geschäftsleitung in Betracht, ist grundsätzlich eine Gewichtung der Tätigkeiten vorzunehmen und danach der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung zu bestimmen. Nehmen mehrere Personen gleichwertige Geschäftsführungsaufgaben von verschiedenen Orten aus wahr, ist eine Gewichtung nicht möglich; in diesem Fall bestehen mehrere Geschäftsleitungsbetriebsstätten. Eine Zerlegung nach §§ 28 ff. GewStG ist möglich und geboten.

43

Der Kehrbezirk eines Bezirksschornsteinfegermeisters ist gewerbesteuerrechtlich nicht dessen Betriebsstätte i.S.d. § 12 Satz 1 AO.44 Eine Zerlegung nach §§ 28 ff. GewStG scheidet aus.

44

Basisstationen von Mobilfunkunternehmen, bestehend aus einer Antennenanlage, der Energieversorgung, Funkschrank und Klimagerät, begründen keine Betriebsstätte i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG i.V.m. § 12 AO, so dass auch eine Zerlegung nach § 30 AO ausscheidet.45

45

Keine örtlich feste Geschäftseinrichtung und damit keine Betriebsstätte bei einem einmal für vier Wochen im Jahr unterhaltenen Verkaufs- und Marktstand auf einem (Weihnachts)Markt.46 Eine Zerlegung nach § 28 GewStG scheidet daher insoweit aus.

46

Hausmülltonnen eines Mülltransportunternehmens begründen keine Betriebsstätte des Unternehmens, da das Unternehmers hinsichtlich der Stellplätze keine Rechtsposition innehatte.47 Eine Zerlegung nach §§ 28 ff. GewStG scheidet daher aus.

47

Im Falle der Organschaft gilt eine Organgesellschaft bzw. deren Betriebsstätten als Betriebsstätte des Organträgers (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Die Zerlegung erfolgt insoweit nach den allgemeinen Grundsätzen. Soweit die Organgesellschaft mehrere Betriebsstätten unterhält oder als Organträgerin innerhalb einer weiteren Organschaft ist, verlieren diese Betriebsstätten ihre Eigenschaft als Betriebsstätte nicht und sind jeweils auf der Ebene der obersten Organträgers zu berücksichtigen.48 Auch bei der Ermittlung des Zerlegungsmaßstabs und der Durchführung des Zerlegungsverfahrens ist jeweils auf den gesamten Organkreis abzustellen.49

48

Der Gewerbesteuermessbetrag einer Gesellschaft mit einer Geschäftsleitungsbetriebsstätte und einer Betriebsstätte, an der eine Photovoltaikanlage betrieben wird, ist zwischen diesen beiden Gemeinden aufzuteilen.50

49

Ein verpachteter Betrieb begründet keine Betriebsstätte des Verpächters.51 Aus einem Pachtvertrag, mit dem der Pächterin die Netzhoheit über ein (Gas-)Versorgungsnetz übertragen wird, ergibt sich auch dann keine Verfügungsbefugnis der Verpächterin über das Netz, wenn der Verpächterin Mitwirkungsrechte bei der Aufstellung und Durchführung des Wirtschaftsplans vorbehalten werden. Das unterirdisch verlegte Gasnetz ist zwar eine

50

42 43 44 45 46 47 48 49 50 51

BFH v. 8.2.1979 – IV R 56/76, BStBl. II 1979, 479; H 28.1 GewStH 2016. BFH v. 5.11.2014 – R 30/11 BStBl. II 2015, 601; H 28.1 GewStH 2016. BFH v. 13.9.2000 – X R 174/96, BStBl. II 2001, 734. So OFD Hannover v. 14.4.1999, DB 1999, 1141; OFD Frankfurt v. 8.8.2000, FR 2000, 1059; R 30.1 Satz 2 GewStR 2009; a.A. Baldauf in Brandis/Heuermann, § 30 GewStG Rz. 5. BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396, m. Anm. Hidien, DStZ 2004, 126. BFH v. 8.3.1988 – VIII R 270/81, BFH/NV 1988, 735. BFH v. 17.2.1993 – I R 19/92, BStBl. II 1993, 679. Zu weiteren Organisationsformen (Betriebsaufspaltung, Betriebsverpachtung) Liedtke in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 28 GewStG Rz. 76 ff. BFH v. 17.2.1993 – I R 19/92, BStBl. II 1993, 679. FG Hamburg v. 18.12.2018 – 2 K 2/17, DStRK 2019, 144. FG Berlin-Bdb. v. 11.12.2018 – 5 K 5039/18, EFG 2020, 1327 ein verpachtetes Gasleitungsnetz im Zuge des sog. Unbundling (nachfolgend BFH III R 8/19).

465

GewStG § 28 Rz. 51 | Allgemeines feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, im Fall des Unbundling (Entflechtung von Netzund Versorgungsbetrieb) und der Verpachtung des Netzes an einen anderen Unternehmer dient es nicht unmittelbar der Tätigkeit des Verpächters. Auch eine Mitunternehmerstellung eines Energieversorgungsunternehmens beim Netzbetreiber begründet im Hinblick auf das Energieversorgungsgeschäft keine Betriebsstätten des Energieversorgers in den Betriebsstätten des Netzbetreibers.52 d) Zur Ausübung des Gewerbes 51

Betriebsstätten müssen zudem zur Ausübung des Gewerbes unterhalten werden (§ 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG). D.h. die Betriebsstätte muss mit ihrer Einrichtung/Anlage dem konkreten Gewerbe dienen.53 Sie muss einen hinreichenden Bezug zur gewerblichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen aufweisen.54 Das zusätzliche Tatbestandsmerkmal der Zerlegungsnorm kann auch bei sozialen Einrichtungen des Arbeitgebers vorliegen. Fehlt jegliche betriebliche Tätigkeit, liegt eine Betriebsstätte nicht vor. Vorübergehend ruhende Betriebsstätten, auch mehrfach in einem EZ ruhende Betriebsstätten (z.B. Saisonbetriebe), sind in die Zerlegung einzubeziehen.55 Verpachtete oder stillgelegte Teilbetriebe begründen im Allgemeinen keine Betriebsstätte.56 e) Zerlegungsanteil

52

„Zerlegen“ (§ 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG) meint den systematischen Vorgang der „verhältnismäßigen“ (§ 29 Abs. 1 GewStG) Aufteilung des Steuermessbetrags auf die einzelnen Gemeinden. Maßstäbe, Methoden, Ergebniskontrolle und Berechnung bestimmen §§ 28 Abs. 2, 29–34 GewStG abschließend und für Zwecke der Gewerbesteuer. Analogien zum ZerlG verbieten sich daher grundsätzlich. Vielmehr verweist das ZerlG seinerseits teilweise auf §§ 28 ff. GewStG bzw. §§ 185 ff. AO.

53

Der Zerlegungsanteil ist dann derjenige Ergebnisanteil, der im Wege der Zerlegung verhältnismäßigen Aufteilung auf die jeweilige Gemeinde entfällt, in der im EZ eine Betriebsstätte zur Ausübung des Gewerbes unterhalten worden ist.57 Dem Zerlegungsanteil korrespondiert ein Zerlegungsanspruch der Gemeinde. Keine Zuweisung eines Anteils am Steuermessbetrag erfolgt, soweit die Betriebsstätten ausdrücklich von der Zerlegung ausgeschlossen sind bzw. auf sie wegen des Zerlegungsmaßstabs kein Anteil entfallen würde. 2. Zerlegungskonstellationen a) Mehrere Betriebsstätten in mehreren Gemeinden

54

§ 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG regelt abschließend drei Zerlegungskonstellationen.58 Werden von einem Unternehmen mehrere Betriebsstätten im Gebiet derselben Gemeinde unterhalten, muss und darf keine Zerlegung stattfinden. Dann bilden diese Betriebsstätten insgesamt ein Unternehmen. Eine Ausnahme regelt § 16 Abs. 4 Sätze 3 und 4 GewStG. Eine Zerlegung findet auch nicht statt, wenn in einer Gemeinde oder in mehreren Gemeinden mehrere Betriebe unterhalten werden. In diesen Fällen wird jeder Betrieb grundsätzlich als eigenständiger Gewerbebetrieb veranlagt, es sei denn es besteht eine Unternehmenseinheit. 52 BFH v. 18.2.2021 – III R 8/19, BStBl. II 2021, 627 für den Fall der Trennung von Netz- und Versorgungsbetrieb (Unbundling); dazu Schwetlik, EStB 2021, 408. 53 BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437. 54 BFH v. 19.3.1981 – IV R 49/77, BStBl. II 1981, 538. 55 R 28.1 Abs. 1 Satz 4 GewStR 2009. 56 R 28.1 Abs. 1 Satz 3 GewStR 2009. 57 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 28 GewStG Rz. 2. 58 Instruktive Beispiele bei Liedtke in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 28 GewStG Rz. 98 ff. (auch zur Organschaft und zur Verschmelzung von Unternehmen)

466

Allgemeines | Rz. 69 § 28 GewStG

Den Regelfall der Zerlegung in der Praxis bestimmt § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG. Der Steuermessbetrag wird für jeden selbständigen Gewerbebetrieb einschließlich aller inländischer Betriebsstätten festgesetzt. Unterhält der Gewerbebetrieb mehrere Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbebetriebs im Geltungsbereich des GewStG, die sich „im“ EZ, d.h. im Laufe des EZ „irgendwann“ in verschiedenen Gemeinden bzw. in gemeindefreien Gebieten befinden, so hat das Finanzamt den hebeberechtigten Gemeinden i.S.d. § 4 Abs. 1 GewStG durch Zerlegung gem. § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG einen Anteil am Steuermessbetrag zuzuweisen. Auf diese Zerlegungsanteile wenden die Gemeinden sodann ihren Hebesatz an.

55

b) Mehrgemeindliche Betriebsstätte Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GewStG hat die Zerlegung auch zu erfolgen, wenn zwar der Gewerbebetrieb nur eine Betriebsstätte unterhält, diese sich aber auf mehrere Gemeinden erstreckt sog. mehrgemeindliche Betriebsstätte. Eine einheitliche mehrgemeindliche Betriebstätte liegt vor, wenn zwischen den einzelnen Teilen der Betriebsstätte ein derartiger räumlicher, organisatorischer, technischer und wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, dass die Betriebsstätte als einheitliches Ganzes anzusehen ist.59

56

Auch bei einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte genügt es nicht, dass nur in einer Gemeinde eine Betriebstätte vorhanden ist und in der anderen Gemeinde nur solche Anlagen vorhanden sind, die für sich allein keine Betriebsstätte bilden. Vielmehr muss jeder der auf mehrere Gemeinden entfallenden Teile dieser Einheit die Voraussetzungen des Betriebsstättenbegriffs erfüllen.60

57

Der Zerlegungsmaßstab ergibt sich aus § 30 GewStG. Mehrgemeindliche Betriebsstätten i.S.d. § 30 GewStG können dabei für eine Gemeinde einen Zerlegungsanteil begründen, obwohl der Tätigkeit des Unternehmens in der betreffenden Gemeinde keine Arbeitslöhne zuzuordnen ist.

58

Werden gleichzeitig neben der mehrgemeindlichen Betriebsstätte noch andere Betriebsstätten in anderen Gemeinden unterhalten, so ist eine mehrfache Zerlegung durchzuführen: zunächst nach §§ 28, 29 GewStG für die einzelnen Betriebsstätte (sog. Hauptzerlegung oder Oberzerlegung), sodann nach § 30 GewStG für die mehrgemeindliche Betriebsstätte gem. § 30 GewstG (Unterzerlegung).61

59

c) Verlegung einer Betriebstätte Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GewStG hat die Zerlegung schließlich auch zu erfolgen, eine Betriebsstätte des Gewerbebetriebs innerhalb des EZ von einer in die andere Gemeinde verlegt worden ist. Es liegen also nicht mindestens zwei zeitlich parallel unterhaltene Betriebsstätten des Unternehmens vor, sondern ein Fall der Standortverlegung von Betriebsstäten, die im Ermessen des Unternehmens liegt.

60

Verlegung bedeutet die Auflösung des Bestandes der Betriebsstätte, dergestalt, dass dort eine betriebliche Tätigkeit nicht mehr stattfindet (kann), und den Aufbau einer neuen Betriebsstätte in einer anderen Gemeinde.62 Auch der Wechsel eines Händlerbezirks genügt bereits.63 Eine Neugründung ist keine Verlegung. Regelmaßstab für die Zerlegung sind die gezahlten Arbeitslöhne in den einzelnen Betriebsstätten gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG.

61

frei

62–69

59 Vgl. etwa BFH v. 28.10.1964 – I B 403/61 U, BStBl. III 1965, 113; v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492; R 30.1 Satz 1 GewStR 2009. 60 So BFH v. 18.2.2021 – III R 8/19, juris. 61 Beispiele: FG Düsseldorf v. 19.1.2017 – 14 K 2779/14 G, EFG 2017, 586 für ein Gasverteilungsnetz; FG Köln v. 27.11.2006 – 2 K 6440/03, EFG 2007 für ein Telekomnetz. 62 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 28 GewStG Rz. 5. 63 BFH v. 9.10.1996 – XI R 72/95, BFH/NV 1997, 376.

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GewStG § 28 Rz. 70 | Allgemeines

II. Von der Zerlegung ausgeschlossene Betriebsstättengemeinden (Abs. 2) 1. Zweck der Regelung 70

§ 28 Abs. 2 GewStG schließt Gemeinden von der Zerlegung aus, in deren Gebiet sich lediglich bestimmte Betriebsstätten bestimmter Unternehmen befinden. In § 28 GewStG 1936 fehlte eine vergleichbare Regelung. Eine vergleichbare Regelung mit einem Zerlegungsausschluss enthielt § 16 Steueranpassungsgesetz für Infrastrukturunternehmen der staatlichen und kommunalen Daseinsvorsorge. Danach handelte es in diesen Fällen nicht um eine Betriebsstätte. Diese Fiktion gilt nicht mehr. Bei Schienen, Rohrleitungen, Pipelines, unterirdische Pumpstationen, Kabel u.a. handelt es sich zwar um Betriebstätten i.S.d. § 12 Satz 1 AO64 und i.S.d. § 28 GewStG. Insoweit findet aber keine Zerlegung zwischen den betroffenen Gemeinden statt, wenn dort lediglich Gleisanlagen unterhalten werden, kein Abgabestation besteht oder keine oberirdischen Anlagen bestehen. Zum Teil handelt es sich um eine klarstellende Regelung, da insoweit keine mehrgemeindliche Betriebsstätte vorliegt.

71

Betroffen sind einerseits bestimmte Verkehrs-, Energie- und Bergbauunternehmen, die mit ihren bloßen Anlagen zwar gewerbliche Tätigkeiten ausüben, dies aber nicht in gleichem Maße in den von den Anlagen betroffenen Gemeinden tun. Sie versteuern dann ihren Gewerbeertrag insoweit und vorbehaltlich anderer Betriebsstätten ausschließlich am Sitz des Unternehmens mit dem dortigen Hebesatz.

72

Dies ist verfassungsrechtlich fragwürdig, da diese Unternehmen anders als andere Unternehmen besteuert werden und die abgeschlossene Liste in § 28 Abs. 2 GewStG andere netzgebundene Unternehmen (z.B. Windparks, Telekom, Kabel) nicht erfasst. Aus der Sicht der ausgeschlossenen Gemeinden ist dies ebenfalls fragwürdig, da in diesen Gemeinden netzgebundene Lasten entstehen, die auch nicht durch Konzessionsabgaben ausgeglichen werden. Die amtliche Begründung,65 dies diene der Vereinfachung des Zerlegungsverfahrens, überzeugt schon deshalb nicht, weil auch reguläre Zerlegungsverfahren aufwendig sind,66 und sich die technischen Bedingungen mittlerweile geändert haben. Einige der Unternehmen werden tatsächlich von den Kommunen selbst betrieben. 2. Ausgeschlossene gewerbliche Anlagen

73

Nicht zu berücksichtigen sind bei einer Zerlegung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1–3 GewStG Gemeinden, in denen Verkehrsunternehmen lediglich Gleisanlagen unterhalten, sich nur Anlagen befinden, die der Weiterleitung von Wasser, Gas, Öl und elektrische Energie, ohne dass diese abgegeben werden, dienen oder vom Bergbau nur unterirdische Anlagen unterhalten werden.

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Die Regelung zum Unterhalt von Gleisanlagen gilt nur für Verkehrsunternehmen. Verkehrsunternehmen sind Unternehmen, die hauptsächlich Güter oder Personen befördern.67 Gleisanlagen einer Werksbahn oder eine Versuchsstrecke zur Erprobung neuer Verkehrsoder Antriebssysteme sind Betriebsstätten, die eine Gemeinde nicht nach § 28 Abs. 2 Satz 1 GewStG von der Zerlegung ausschließen.

75

Anlagen zur Weiterleitung von Energieunternehmen sind typischerweise Rohr- und Kabelleitungen, Pipelines und Stromtrassen.68 Auch Pumpwerke, Pumpstationen, Umspannwerke usw. begründen als Hilfseinrichtungen im Zusammenhang mit der Weiterleitung 64 BFH v. 12.10.1977 – I R 227/75, BStBl. II 1978, 160; v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12. 65 BT-Drucks. 7/5458, 11. 66 Beispiel FG Köln v. 27.11.2006 – 2 K 6440/03, ZKF 2007, 144 für das Telefonnetz; sowie H 30.1 GewStH 2016 zur Unterzerlegung. 67 Näher Leister in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 28 GewStG Rz. 51. 68 Liedtke in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 28 GewStG Rz. 131 ff.; Beispiel FG Düsseldorf v. 19.1.2017 – 14 K 2779/14 G, EFG 2017, 586.

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Allgemeines | Rz. 82 § 28 GewStG

fester, flüssiger oder gasförmiger Stoffe keine zur Zerlegung berechtigende Betriebsstätte. Nur die Abgabe entsprechender Stoffe aus einer Anlage zur Weiterleitung begründet für die jeweilige Gemeinde einen Zerlegungsanteil. Diese Regelung gilt auch für mehrgemeindliche Betriebsstätten.69 Eine Abgabe von Stoffen oder elektrischer Energie, die bewirkt, dass die Gemeinde an der Zerlegung zu beteiligen ist, liegt vor, wenn aus der Anlage durch einen Dritten auf Grund eines Veräußerungsgeschäfts Entnahmen erfolgen. Bei Bergbauunternehmen dürfen für die Zerlegung nur die oberirdischen Betriebsstätten berücksichtigt werden. Soziale Einrichtungen von Bergbauunternehmen sollen ausgeschlossen sein.70 Die Benutzung einer Werksstraße soll bereits eine gewerbliche Tätigkeit begründen.71

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3. Rückausnahmen Für Gewerbebetriebe, die neben den Anlagen i.S.d. § 28 Abs. 2 Satz 1 GewStG keine inländischen Betriebsstätten unterhalten, ergibt sich dennoch eine Zerlegung nach § 28 Abs. 2 Satz 2 GewStG. In diesen Fällen steht den ansonsten ausgeschlossenen Gemeinden ein Zerlegungsanteil und ein Anteil am Gewerbesteuermessbetrag zu. Ohne diese Regelung würde bei fehlenden Betriebsstätten im Inland über den Katalog des § 28 Abs. 2 Satz 1 GewStG hinaus im Inland keine Gewerbesteuer anfallen. Die Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 2 GewStG bezieht sich an sich nur auf die Ausnahmen des § 28 Abs. 2 GewStG. Die Finanzverwaltung72 wendet ihren Rechtsgedanken aber auch auf § 28 Abs. 1 GewStG an, hier auf die Lokalisierung von Bauausführungen und Montagen. frei

77

78–79

III. Zerlegungsverfahren und Rechtsschutz 1. Anzuwendende Vorschriften Das Zerlegungsverfahren regeln §§ 185–189 AO im Zusammenspiel mit den übrigen Regelungen der AO für die Festsetzung der Steuermessbeträge (vgl. § 185 AO). Dies umfasst besonders die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags durch das Finanzamt und eventuelle Korrekturen.

80

2. Amtsverfahren Zuständig ist das Betriebsfinanzamt (§ 22 AO), welches das Verfahren von Amts wegen führt (§ 88 AO) und ggf. die Zerlegungsgrundlagen schätzen darf (§ 162 AO).

81

3. Beteiligte Nach § 186 AO sind der Steuerpflichtige und die betroffene Gemeinde am Zerlegungsverfahren beteiligt.73. Die hebeberechtigte Gemeinde i.S.d § 16 GewStG bestimmt das Finanzamt im Gewerbesteuermessbescheid grundsätzlich nicht bindend. Dies ist erst Zweck und Inhalt des Zerlegungsbescheids bzw. des Zuteilungsbescheids.74. Nach herrschender Meinung gilt,

FG Düsseldorf v. 19.1.2017 – 14 K 2779/14, EFG 2017, 586. Liedtke in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 28 GewStG Rz. 136. FG Nürnberg v. 28.10.2010 – 4 K 1962/2008, EFG 2011, 559. R 28.1 Satz 5 und 6 GewStR 2009. Einzelfälle BFH v. 22.7.1988 – III R 286/84, BFH/NV 1990, 56; v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396, m. Anm. Hidien, DStZ 2004, 126. 74 BFH v.19.11.2003 – I R 88/02, BStBl. II 2004, 751; v.9.1.2003 – IV B 64/11, BFH/NV 2013, 512. 69 70 71 72 73

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82

GewStG § 28 Rz. 83 | Allgemeines dass der Gewerbesteuermessbescheid nicht die steuerberechtigte Gemeinde (Steuergläubiger) bestimmt.75 Dies ist Aufgabe der Gemeinde selbst im Gewerbesteuerbescheid. 4. Zerlegungsbescheid und Bindungswirkungen 83

Das Finanzamt entscheidet durch schriftlichen Zerlegungsbescheid, der den Beteiligten bekannt zu geben ist, soweit sie betroffen sind (§ 188 Abs. 1 AO).76 Der Inhalt des Zerlegungsbescheids ergibt sich aus § 188 Abs. 2 AO.

84

Der Gewerbesteuermessbescheid ist Grundlagenbescheid für den Zerlegungsbescheid als Folgebescheid bindend (§ 171 Abs. 10 AO). Die „Selbstbindung“ des Finanzamts umfasst den Messbetrag, den EZ und den Steuerschuldner, das Vorliegen einer Organschaft.77 Den Steuergläubiger bestimmt das Finanzamt im Gewerbesteuermessbescheid nicht.

84a

Ändert das Finanzamt den Gewerbesteuermessbescheid, muss es auch den Zerlegungsbescheid als Folgebescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 185, 184 Abs. 1 Satz 3 AO anpassen.78 Im Rahmen des aus dem Gewerbesteuermessbescheid zu übernehmenden Erhöhungsbetrages kann eine zerlegungsberechtigte Gemeinde gegen den Zerlegungs-Änderungsbescheid alle Einwendungen erheben, die sich aus den materiellrechtlichen Zerlegungsvorschriften ergeben. Insbesondere umfasst die Bestandskraft des ursprünglichen Zerlegungsbescheids nicht den in diesem Bescheid angewandten Zerlegungsmaßstab.79 Gleichzeitig ist der Zerlegungsbescheid Grundlagenbescheid für die Festsetzung der Gewerbesteuer durch die Gemeinde.80 Damit unterliegt er der Festsetzungsverjährung nach § 171 Abs. 4 AO, wenn er aufgrund einer Außenprüfung ergangen ist.81 5. Änderung des Zerlegungsbescheids

85

Nach §§ 185, 184 Abs. 1 Satz 3 AO sind die Änderungsvorschriften der §§ 164 Abs. 2, 165 Abs. 2, 172 ff. AO „sinngemäß“ auch auf eine Änderung des Zerlegungsbescheids anwendbar.82 Danach sind Zerlegungsbescheide für die Gewerbesteuer gem. § 173 Abs. 1 i.V.m. § 185, § 184 Abs. 1 Satz 3 AO änderbar.83 Dabei ist auf den einzelnen Zerlegungsanteil abzustellen und von der Unterscheidung zwischen einer Änderung zuungunsten bzw. zugunsten des Steuerpflichtigen abzusehen.84 Ist der Gewerbesteuermessbescheid nach Vornahme der Zerlegung geändert worden, ist der Zerlegungsbescheid ebenfalls zu ändern (§ 185, § 184 Abs. 1 Satz 3, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO). Eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist jedoch nur insweit möglich, wie die Grundlagenfunktion des Messbescheids reicht.85 Eine besondere, spezielle Änderungsvorschrift enthält dagegen § 189 AO.86 Sie betrifft ausschließlich das Rechtsverhältnis des Finanzamts mit der Gemeinde. Nach § 189 Satz 1 AO wird die Zerlegung von Amts wegen oder auf Antrag geändert oder nachgeholt, wenn der Anspruch eines Steuerberechtigten (einer Gemeinde, § 186 Nr. 2 AO) auf einen Anteil am Steuermessbetrag (überhaupt) nicht berücksichtigt und auch nicht (im Zerlegungsbescheid) zurückgewiesen worden ist. § 189 AO trifft allein für den Fall der Nichtberück75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86

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BFH v. 28.6.2000 – I R 84/98, BStBl. II 2001, 3; v. 9.1.2013 – IV B 64/11, BFH/NV 2013, 512. Näher Güroff in Glanegger/Güroff10, § 28 GewStG Rz. 12. BFH v. 21.1.1988 – IV R 100/85, BStBl. II 1988, 465. BFH v. 18.5.2010 – X R 49/08, BFH/NV 2010, 2225. BFH v. 20.4.1999 – VIII R 13/97, BStBl. II 1999, 542; H 28.1. GewStH 2016. BFH v. 13.5.1993 – IV R 1/91, BStBl. II 1992, 828; H 28.1 GewStH 2016. BFH v. 13.5.1993 – IV R 1/91, BStBl. II 1993, 828; H 28.1 GewStH 2016. R 28.1 Abs. 1 Satz 2 bis 4 GewStR 2009. Näher Brandis in Tipke/Kruse, § 188 AO Rz. 4. H 28.1 GewStH 2016. BFH v. 24.3.1992 – VIII R 33/90, BStBl. II 1992, 869. Beispiel bei Leister in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 28 GewStG Rz. 45. R 28.1 Abs. 2 Satz 4 GewStR 2009. Vertiefend zum Folgenden Brandis in Tipke/Kruse, § 189 AO Rz. 41 ff.; Leister in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 28 GewStG Rz. 41 ff.

Allgemeines | Rz. 89 § 28 GewStG

sichtigung von Gemeinden bei der Zerlegung eine abschließende Regelung.87 Die Regelung schützt übergangene Steuerberechtigte, deren Anspruch nicht berücksichtigt worden ist, nicht den Steuerpflichtigen.88 Eine Änderung des ursprünglichen Gewerbesteuermessbescheids, z.B. nach § 172 Abs. 1 Nr. 2, § 173, § 175 AO oder § 35b GewStG, setzt demnach für die Gemeinde eine neue Frist i.S.d. § 189 Satz 3 AO in Lauf.89 Ist der Zerlegungsbescheid gegenüber denjenigen Steuerberechtigten, die an dem Zerlegungsverfahren bereits beteiligt waren, bereits unanfechtbar geworden, so dürfen nur solche Änderungen vorgenommen werden, die sich aus der nachträglichen Berücksichtigung der bisher übergangenen Steuerberechtigten ergeben (§ 189 Satz 2 AO). Die Regelung stellt klar, dass bei Unanfechtbarkeit des Zerlegungsbescheids wegen der dadurch ausgelösten Bestandskraft (die allerdings die Hebeberechtigung nicht umfasst) nur solche Änderungen zulässig sind, die die nachträgliche Berücksichtigung des Steueranspruchs notwendig macht.

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Nach § 189 Satz 3 AO unterbleibt eine Änderung oder Nachholung der Zerlegung, wenn ein Jahr vergangen ist, seitdem der Steuermessbescheid unanfechtbar geworden ist, es sei denn, dass der übergangene Steuerberechtigte die Änderung oder Nachholung der Zerlegung vor Ablauf des Jahres beantragt hatte (sog. Änderungssperre oder Zerlegungssperre). Diese Regelung enthält eine Ausschlussfrist und dient der Rechtssicherheit. Nach Fristablauf ist diejenige hebeberechtigte Gemeinde vollen Umfangs berechtigt, der das Finanzamt den Inhalt des Messbescheids mitgeteilt (§ 184 Abs. 3 AO) hat. Der Eintritt der sog. Zerlegungssperre gemäß § 189 Satz 3 AO lässt sich nur durch den eigenen Antrag des übergangenen Steuerberechtigten auf Änderung oder Nachholung der Zerlegung vermeiden. Ein Antrag des Steuerpflichtigen genügt nicht. Ein solcher kann auch nicht über die Grundsätze der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag als für den Steuerberechtigten gestellt behandelt werden.90 Die in § 189 Satz 3 AO bezeichnete Frist gilt auch für den Fall der erstmaligen Zerlegung.91 Maßgebend für den Beginn der Frist ist der Zeitpunkt, an dem der letzte endgültige Gewerbesteuermessbescheid unanfechtbar geworden ist.92

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6. Zuteilungsbescheid Das Gewerbesteuerzerlegungsverfahren und das Zuteilungsverfahren nach § 190 AO sind zwei selbständige Verfahren.93 Das Finanzamt entscheidet auf Antrag eines Beteiligten durch Zuteilungsbescheid, wenn der Steuermessbetrag in voller Höhe einem Steuerberechtigten zuzuteilen ist und Streit über die Steuerberechtigung besteht (§ 190). Die für das Zerlegungsverfahren geltenden Vorschriften (§§ 185 ff. AO) sind entsprechend anzuwenden. Das Finanzamt muss auf Antrag eines Beteiligten tätig werden.94

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7. Beteiligungsrechte der Gemeinde Im Zerlegungsverfahren sind die steuerberechtigten Gemeinden Beteiligte (§ 186 Nr. 2 AO). Sie können nach § 189 AO eine Zerlegung oder ihre Änderung beantragen oder gegen den Zerlegungsbescheid Einspruch einlegen. Nach § 21 Abs. 3 FVG, § 187 AO haben sie ein Recht auf Auskunft sowie auf Akteneinsicht durch ihre Amtsträger bei den Finanzbehörden. Der Zerlegungsbescheid muss den Gemeinden auch die Zerlegungsgrundlagen mitteilen. 87 88 89 90 91 92 93 94

BFH v. 24.3.1992 – VIII R 33/90, BStBl. II 1992, 869. BFH v. 8.11.2000 – I R 1/00, BStBl. II 2001, 769. R 28.1 Abs. 2 Satz 5 GewStR 2009. BFH v. 8.11.2000 – I R 1/00, BStBl. II 2001, 769; H 28.1. GewStH 2016. BFH v. 7.3.1957 – IV B 288/55 U, BStBl. III 1957, 178; H 28.1. GewStH 2016. BFH v. 13.1.1959 – I B 7/58 U, BStBl. III 1959, 106; H 28.1. GewStH 2016. H 28.1 GewStH 2016. BFH v. 8.11.2000 – I R 1/00, BStBl. II 2001, 769.

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GewStG § 28 Rz. 90 | Allgemeines 8. Rechtsschutz 90

Gegen einen Zerlegungsbescheid sowie einen Bescheid, durch den ein Antrag auf Zerlegung abgelehnt worden ist, können die beschwerten Beteiligten (Steuerpflichtiger, Gemeinden) gem. § 347 Abs. 1 AO Einspruch beim Finanzamt einlegen, und zwar innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieser Bescheide (§ 355 Abs. 1 AO).95 Die übrigen Beteiligten sind nach § 360 Abs. 3 AO hinzuzuziehen. Weist das Finanzamt den Einspruch zurück, kann der konkret betroffene Beteiligte dagegen im Hauptsacheverfahren Klage vor dem FG erheben. Auch hier sind die übrigen Beteiligten grundsätzlich beizuladen (§ 60 Abs.3 FGO). Gegen einen Änderungsbescheid ist ein Einspruch grundsätzlich nur insoweit zulässig, wie die Änderung reicht (§ 351 Abs. 1AO). Einstweiliger Rechtsschutz ist nach § 361 AO, § 69 FGO möglich. Gleiches gilt für den Zuteilungsbescheid.

95 R 28.1 Abs. 4 GewStR 2009. Näher Güroff in Glanegger/Güroff10, § 16 GewStG Rz. 16.

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§ 29 Zerlegungsmaßstab (1) 1Zerlegungsmaßstab ist 1. vorbehaltlich der Nummer 2 das Verhältnis, in dem die Summe der Arbeitslöhne, die an die bei allen Betriebsstätten (§ 28) beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind, zu den Arbeitslöhnen steht, die an die bei den Betriebsstätten der einzelnen Gemeinden beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind; [ab EZ 2021:1] 2. bei Betrieben, die ausschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom und anderen Energieträgern sowie Wärme aus Windenergie und solarer Strahlungsenergie betreiben, a) vorbehaltlich des Buchstabens b zu einem Zehntel das in Nummer 1 bezeichnete Verhältnis und zu neun Zehnteln das Verhältnis, in dem die Summe der installierten Leistung im Sinne von § 3 Nummer 31 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in allen Betriebsstätten (§ 28) zur installierten Leistung in den einzelnen Betriebsstätten steht, b) 1für die Erhebungszeiträume 2021 bis 2023 bei Betrieben, die ausschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom und anderen Energieträgern sowie Wärme aus solarer Strahlungsenergie betreiben, aa) für den auf Neuanlagen im Sinne von Satz 3 entfallenden Anteil am Steuermessbetrag zu einem Zehntel das in Nummer 1 bezeichnete Verhältnis und zu neun Zehnteln das Verhältnis, in dem die Summe der installierten Leistung im Sinne von § 3 Nummer 31 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in allen Betriebsstätten (§ 28) zur installierten Leistung in den einzelnen Betriebsstätten steht, und bb) für den auf die übrigen Anlagen im Sinne von Satz 4 entfallenden Anteil am Steuermessbetrag das in Nummer 1 bezeichnete Verhältnis. 2 Der auf Neuanlagen und auf übrige Anlagen jeweils entfallende Anteil am Steuermessbetrag wird ermittelt aus dem Verhältnis, in dem aa) die Summe der installierten Leistung im Sinne von § 3 Nummer 31 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes für Neuanlagen und bb) die Summe der installierten Leistung im Sinne von § 3 Nummer 31 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes für die übrigen Anlagen zur gesamten installierten Leistung im Sinne von § 3 Nummer 31 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes des Betriebs steht. 3Neuanlagen sind Anlagen, die nach dem 30. Juni 2013 zur Erzeugung von Strom und anderen Energieträgern sowie Wärme aus solarer Strahlungsenergie genehmigt wurden. 4Die übrigen Anlagen sind Anlagen, die nicht unter Satz 3 fallen. [Bis EZ 2020:] 2. bei Betrieben, die ausschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom und anderen Energieträgern sowie Wärme aus Windenergie und solarer Strahlungsenergie betreiben, a) vorbehaltlich des Buchstabens b zu drei Zehnteln das in Nummer 1 bezeichnete Verhältnis und zu sieben Zehnteln das Verhältnis, in dem die Summe der steuerlich maßgebenden Ansätze des Sachanlagevermögens mit Ausnahme der Betriebsund Geschäftsausstattung, der geleisteten Anzahlungen und der Anlagen im Bau in allen Betriebsstätten (§ 28) zu dem Ansatz in den einzelnen Betriebsstätten steht,

1 Text i.d.F. des Art. 9 Fondsstandortgesetz (FoStoG) v. 3.6.2021, BGBl. I 2021, 1498 m.W.v. 11.6.2021.

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GewStG § 29 Rz. 1 | Zerlegungsmaßstab b) für die Erhebungszeiträume 2014 bis 2023 bei Betrieben, die ausschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom und anderen Energieträgern sowie Wärme aus solarer Strahlungsenergie betreiben, aa) für den auf Neuanlagen im Sinne von Satz 3 entfallenden Anteil am Steuermessbetrag zu drei Zehnteln das in Nummer 1 bezeichnete Verhältnis und zu sieben Zehnteln das Verhältnis, in dem die Summe der steuerlich maßgebenden Ansätze des Sachanlagevermögens mit Ausnahme der Betriebs- und Geschäftsausstattung, der geleisteten Anzahlungen und der Anlagen im Bau (maßgebendes Sachanlagevermögen) in allen Betriebsstätten (§ 28) zu dem Ansatz in den einzelnen Betriebsstätten steht, und bb) für den auf die übrigen Anlagen im Sinne von Satz 4 entfallenden Anteil am Steuermessbetrag das in Nummer 1 bezeichnete Verhältnis. 2 Der auf Neuanlagen und auf übrige Anlagen jeweils entfallende Anteil am Steuermessbetrag ermittelt sich aus dem Verhältnis, in dem aa) die Summe des maßgebenden Sachanlagevermögens für Neuanlagen und bb) die Summe des übrigen maßgebenden Sachanlagevermögens für die übrigen Anlagen zum gesamten maßgebenden Sachanlagevermögen des Betriebs steht. 3Neuanlagen sind Anlagen, die nach dem 30.Juni 2013 zur Erzeugung von Strom und anderen Energieträgern sowie Wärme aus solarer Strahlungsenergie genehmigt wurden. 4 Die übrigen Anlagen umfassen das übrige maßgebende Sachanlagevermögen des Betriebs. (2) Bei der Zerlegung nach Absatz 1 sind die Arbeitslöhne anzusetzen, die in den Betriebsstätten der beteiligten Gemeinden (§ 28) während des Erhebungszeitraums (§ 14) erzielt oder gezahlt worden sind. (3) Bei Ermittlung der Verhältniszahlen sind die Arbeitslöhne auf volle 1.000 Euro abzurunden. A. I. II. B. I. 1. 2. 3. 4. 5. II.

Allgemeines Regelmaßstab (Abs. 1 Nr. 1) . . . . . . . . Sondermaßstäbe (Abs. 1 Nr. 2) . . . . . . Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Arbeitslöhne als Zerlegungsmaßstab (Abs. 1 Nr. 1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitslöhne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschäftigung eines eigenen Arbeitnehmers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschäftigung in einer Betriebsstätte . . . Verhältnis der Arbeitslöhne . . . . . . . . . . Besonderer Zerlegungsmaßstab für bestimmte erneuerbare Energien –

1 5

1. a)

11 13 14 15 16

b) 2. III.

Windkraft- und Solaranlagen (Abs. 1 Nr. 2) Rechtslage bis einschließlich EZ 2020 Ausschließlicher Betrieb von Windkraftanlagen oder ausschließlicher Betrieb von Windkraft- und Solaranlagen (Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a). . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschließlicher Betrieb von Solaranlagen (Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) Rechtslage ab EZ 2021 . . . . . . . . . Arbeitslöhne im Erhebungszeitraum, Abrundung (Abs. 2 und Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 27 32 41

A. Allgemeines I. Regelmaßstab (Abs. 1 Nr. 1) 1

Während § 28 GewStG die Notwendigkeit einer Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags eines Gewerbebetriebes regelt, bestimmt § 29 GewStG die bindenden Zerlegungsmaßstäbe. Im Sinne des traditionellen sog. Äquivalenzprinzips, das auch den Zerlegungsmaßstab mitprägt, soll die Zerlegung die jeweiligen Lasten und Ausgaben der jeweiligen Gemeinden berücksichtigen. Da eine individuelle Lastenzurechnung praktisch kaum möglich und

474

Zerlegungsmaßstab | Rz. 7 § 29 GewStG

durchführbar ist und auch gleichheitsrechtlich nicht geboten ist, ist ein hinreichend typisierender Maßstab ausreichend, aber auch notwendig.2 Dies ist im praktischen Regelfall und als Regelmaßstab der Zerlegung (§ 28 Abs. 1 Nr. 1 GewStG) das Verhältnis der Lohnsummen der einzelnen Betriebsstätten. Dieser traditionelle Indikator soll namentlich bestimmte infrastrukturelle Aufwendungen und Arbeitnehmerfolgelasten einer Gemeinde verlässlich und zuverlässig widerspiegeln.3 Korrespondierende Mehreinnahmen der Gemeinden als Folgenutzen werden nicht gegengerechnet. Den Begriff der Arbeitslöhne aus § 29 definiert § 31 GewStG. In diesem herkömmlichen Sinne verursacht Beschäftigung einseitig kommunale Lasten; Arbeitnehmer und kanalisierte Einwohner sind im Finanzrecht typische Bedarfs- und Lastenindikatoren.4

2

Weniger beachtlich ist hier die Kritik,5 dass ein lohnanteiliger Zerlegungsmaßstab nicht zwingend die realen Wertschöpfungsanteile abbildet, die in den inländischen Betriebsstätten generiert werden. Im Vordergrund steht hier keine Gewinnverteilung, sondern ein Lastenausgleich. Andererseits wird als Folge der veränderten Geschäfts- und Organisationsmodelle der Unternehmen deutlich, dass Arbeitslöhne per se nicht das Maß der Nutzung der gemeindlichen Infrastruktur widerspiegeln müssen.

3

Keine Anwendung findet § 29 GewStG auf mehrgemeindliche Betriebsstätten (s. § 30 GewStG). Im Fall eines unbilligen Ergebnisses nach den Maßstäben der §§ 29 bis 31 GewStG ist § 33 GewStG anwendbar. 2

4

II. Sondermaßstäbe (Abs. 1 Nr. 2) Der überkommene Maßstab der Arbeitslöhne läuft leer, wenn keine oder wenige Arbeitnehmer vorhanden sind. Dies ist etwa bei primär maschinellen Anlagen als Betriebsstätten der Fall. Um dennoch die Standortgemeinden bei bestimmten Unternehmen und Anlagen, die in mehreren Gemeinden unterhalten werden, z.B. zur Erzeugung erneuerbarer Energie, am Steueraufkommen zu beteiligen, hat der Gesetzgeber neue ergänzende Zerlegungsmaßstäbe eingeführt. Einen vorrangigen Sondermaßstab hat der Gesetzgeber ab EZ 2009 in § 28 Abs. 1 Nr. 2 GewStG geregelt. Bei bestimmten Gewerbebetrieben, die (ausschließlich) Windkraftenergieanlagen in verschiedenen Gemeinden unterhalten, ist neben dem Regelmaßstab der Arbeitslöhne der Wert der Sachanlagen (bis EZ 2020) der (gemischte) Zerlegungsmaßstab. Ab EZ 2014 hat der Gesetzgeber eine vergleichbare Regelung auch für Solarenergieanlagen (z.B. Photovoltaikanlagen) eingeführt. Für andere Formen erneuerbarer Energien gilt wie bisher nur der Regelmaßstab der Arbeitslöhne.

5

Das Fondsstandortgesetz6 hat diesen Maßstab mit Wirkung ab EZ 2021 für Windkraftoder Solaranlagen durch den Indikator der „installierten Leistung“ i.S.d. § 3 Nr. 11 EEG ersetzt. Begründet wird dies damit, dass dieser Maßstab – anders als das maßgebende Sachanlagevermögen, das sich nach dem Buchwert richtet – grundsätzlich keinen jährlichen Veränderungen unterliegt.7

6

Sowohl § 29 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a als auch Buchst. b GewStG adressieren primär die betroffenen Gemeinden. Im ersten Fall soll die Regelung die Gemeinden zugunsten zum weiteren Ausbau von Windkraftanlagen anhalten.8 Im zweiten Fall soll die Übergangsregelung unerwünschte interkommunale Verteilungseffekte vermeiden.

7

2 3 4 5 6 7 8

BVerfG v. 25.10.1977 – 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, 224. BFH v. 26.8.1987 – I R 376/83, BStBl. II 1988, 201. Schon RFH v. 17.8.1938 – VI B 8/38, StuW 1938, 1033. Bier, DStJG 35 (2012), 219 (244). Eingefügt durch Art. 9 FoStoG v. 3.6.2021, BGBl. I 2021, 1498. BT-Drucks. 19/28868, 151. Baldauf in Brandis/Heuermann, § 29 GewStG Rz. 15 – „verkappte Lenkungsnorm“.

475

GewStG § 29 Rz. 8 | Zerlegungsmaßstab 8

Weitere besondere Maßstäbe (z.B. Betriebseinahmen) für einzelne Wirtschaftszweige, wie sie noch § 29 GewStG 1936 für Versicherungen, Banken und Wareneinzelhandel kannte, fehlen bislang. Schließlich gestattet § 33 GewStG in Ausnahmefällen andere Zerlegungsmaßstäbe zugrunde zu legen.

9

Die aktuelle Regelung des § 29 GewStG beruht auf dem erwähnten Fondsstandortgesetz. Der Zerlegungsmaßstab der Arbeitslöhne geht auf §§ 29, 31 GewStG 1936 zurück. Arbeitslöhne waren identisch mit der Lohnsumme, die neben dem Gewerbekapital Teil des Gewerbesteuermessbetrags war.

10

frei

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Arbeitslöhne als Zerlegungsmaßstab (Abs. 1 Nr. 1) 1. Allgemeines 11

Das Gewerbesteuerrecht kennt verschiedene Maßstäbe für die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags. § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG sieht als Zerlegungsmaßstab grds. das Verhältnis der jeweils auf volle 1.000 € abzurundenden Bruttoarbeitslöhne vor, die an die Arbeitnehmer der in den beteiligten Gemeinden belegenen Betriebsstätten während des EZ gezahlt worden sind. Beispiel: Die zwei Betriebsstätten eines Gewerbebetriebs liegen in Dortmund und Bochum. In Dortmund werden 200.888 € und in Bochum 100.111 € an Arbeitslöhnen gezahlt. Unter Beachtung der Rundung auf volle 1.000 € nach § 29 Abs. 3 GewStG entfallen auf Dortmund 2/3 und auf Bochum 1/3 des Gewerbesteuermessbetrages.

12

Bei den Arbeitslöhnen handelt es sich um einen pauschalierten und typisierten Zerlegungsmaßstab, der noch verfassungsgemäß ist. Den Lastenzusammenhang ermittelt diese Methode nur indirekt und grob.9 Das Betriebsergebnis wäre kein sachgerechter Maßstab.10 Automation, wohl möglich Vollautomation in den jeweiligen Betriebsstätten, führt beim Zerlegungsmaßstab Arbeitslöhne im Ergebnis dazu, dass entsprechende Betriebsstätten nur noch mit einem geringen Anteil oder mit keinem Anteil an der Zerlegung teilhaben. Zudem ändern sich Arbeits-, Geschäfts- und Unternehmensmodelle.11 Der Regelmaßstab beruht insb. auf einer Identität von Beschäftigungs- und Tätigkeitsort, die heute in vielen Konstellationen nicht mehr gegeben ist.12 Nicht zuletzt fallen Wohnort und Beschäftigungsort mit je eigenen Infrastrukturkosten oftmals auseinander. Abhilfe kann allenfalls § 33 GewStG schaffen. Gleiches gilt, wenn die digitalisierten bzw. digitalen Dienstleistungen unterhalb der Schwelle einer Betriebsstätte erbracht werden. Damit ist der Zerlegungsmaßstab allerdings noch nicht rechtlich ungeeignet und verfassungswidrig. Allerdings könnten bessere ökonomische Indikatoren zugrunde gelegt werden. Ausnahmsweise erfolgt bei offenbarer Unbilligkeit eine Korrektur des Ergebnisses (näher § 33 GewStG). Dies setzt eine eindeutige Unbilligkeit von erheblichem Gewicht voraus.13 In diesem Fall ist ein neuer Maßstab zu bestimmen, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt.

BFH v. 12.5.1992 – VIII R 45/90, BFH/NV 1993, 191; v. 5.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. II 2015, 601. BFH v. 9.10.1975 – IV R 114/73, BStBl. II 1976, 123; v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836. Zur Kritik Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 29 GewStG Rz. 5 ff. Neugebauer, FR 2020, 1025 zu den möglichen vertraglichen Gestaltungen der Konzerne und für eine Reform des Regelmaßstabes. Für „wirtschaftskraftbezogenere“ Maßstäbe das Land SachsenAnhalt, BR-Drucks. 382/20; ähnlich Heine, FR 2021, 162. 13 Etwa BFH v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2020, 492. 9 10 11 12

476

Zerlegungsmaßstab | Rz. 15 § 29 GewStG

2. Arbeitslöhne Erste Voraussetzung der Zerlegung ist, dass Arbeitslöhne gezahlt wurden. Den Begriff der Arbeitslöhne regelt § 31 GewStG. Die Vorschrift bestimmt den allgemeinen Begriff der Arbeitslöhne für gewerbesteuerrechtliche Zwecke der Zerlegung. Zugrunde liegt ein modifizierter lohnsteuerrechtlicher Begriff der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gem. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 2 LStDV. Werden in einer Betriebsstätte keine Arbeitslöhne beschäftigt, so beträgt der Zerlegungsanteil insoweit null Euro.14 Allenfalls ist dann § 33 GewStG anwendbar. Der Begriff der Arbeitslöhne für die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages bestimmt sich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten.15 Die Zerlegung nach den Arbeitslöhnen gilt auch im Fall der Veräußerung des Unternehmensvermögens (Betriebsstätte).16

13

3. Beschäftigung eines eigenen Arbeitnehmers Zweite Voraussetzung ist, dass die Arbeitslöhne an beschäftigte Arbeitnehmer des Unternehmens gezahlt worden sind. Beschäftige Arbeitnehmer sind nur die eigenen Arbeitnehmer des Unternehmens i.S.d. § 1 LStDV. Dies setzt ein aktives Dienstverhältnis zum Unternehmen und Arbeitgeber im jeweiligen EZ voraus.17 Keine Arbeitnehmer sind grds. freiberuflich Tätige. Die Abgrenzung erfolgt nach § 1 LStDV. Vergütungen, die an andere Unternehmen für die Gestellung von fremden Arbeitskräften z. B. im Fall der Leiharbeit und Arbeitnehmerüberlassung, gezahlt werden, sind grds. nicht zu berücksichtigen.18 Nur ausnahmsweise (ausschließliches Tätigwerden für den „Ausleiher“, Unterstehen der alleinigen Weisungsbefugnis des „Ausleihers“, Inrechnungstellung der reinen Arbeitnehmerkosten ohne Verwaltungskosten- und Gewinnaufschlag durch den „Ausleihenden“ und Fehlen eines eigenen wirtschaftlichen Interesses des „Ausleihenden“) sind Arbeitslöhne fremder Arbeitnehmer zu berücksichtigen.19 Sowohl im Rahmen von Arbeitnehmerüberlassungen als auch bei konzerninternen sog. Personaldienstleistungsgesellschaften haben die Unternehmen wirtschaftliche Gestaltungsspielräume.20

14

4. Beschäftigung in einer Betriebsstätte Weitere Voraussetzung ist, dass die Arbeitnehmer bei den Betriebsstätten des Unternehmens beschäftigt sind.21 Ein Arbeitnehmer ist grundsätzlich an der Betriebsstätte beschäftigt, an der er seine tatsächliche Arbeitsleistung ganz oder oder überwiegend erbringt.22 „Betriebsstättenlose“ Arbeitnehmer bestehen nicht.23 Der Arbeitslohn von Arbeitnehmern, die in mehreren Betriebsstätten wesentliche Arbeitsleistungen erbringen, ist auf die jeweiligen Betriebsstätten aufzuteilen. Unwesentliche Arbeiten liegen unter diesem Gesichtspunkt zumindest dann nicht mehr vor, wenn der Arbeitnehmer regelmäßig an einem Tag der Woche in einer anderen Betriebsstätte tatsäch-

14 15 16 17 18 19 20 21 22 23

BFH v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 826. BFH v. 12.2.2004 – IV R 29/02, BStBl. II 2004, 602; H 29.1 GewStH 2016. BFH v. 5.6.2007 – I R 49/06, BFH/NV 2007, 2346. Zu dieser gewerbesteuerrechtlichen Einschränkung Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 29 GewStG Rz. 11. Zum Verständnis des Arbeitnehmerbegriffs als Typusbegriff Güroff in Glanegger/Güroff10, § 29 GewStG Rz. 3. BFH v. 26.2.1992 – I R 16/90, BFH/NV 1992, 836; R. 29.1 GewStR 2009; Saathoff in Wendt/ Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 29 GewStG Rz. 13. BFH v. 12.2.2004 – IV R 29/02, BStBl. II 2004, 602. Liedtke in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 29 GewStG Rz. 29 f. Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 29 GewStG Rz. 14. BFH v. 24.5.2006 – I R 102/04, BFH/NV 2007, 270. BFH v. 15.11.2009 – I R 18/09, BFH/NV 2010, 941 zu „fliegendem Personal“.

477

15

GewStG § 29 Rz. 16 | Zerlegungsmaßstab lich tätig wird.24 Auf die Frage, welcher Betriebsstätte die Tätigkeit wirtschaftlich zuzurechnen ist, kommt es nicht an.25 Entscheidend ist ausschließlich, in welcher Betriebsstätte der Arbeitnehmer tätig wird. Die Arbeitslöhne von ständig außerhalb einer Betriebsstätte tätigen Arbeitnehmern sind der oder den Betriebsstätten zuzuordnen, mit der seine Tätigkeit in Verbindung steht.26 5. Verhältnis der Arbeitslöhne 16

Der Zerlegungsmaßstab bestimmt den Zerlegungsanteil der Gemeinden als Verhältniszahl. Zu bilden ist die Summe der Arbeitslöhne, die an die bei allen Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer gezählt worden ist, zur Summe der Arbeitslöhne, die an die bei den Betriebsstätten der einzelnen Gemeinden beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden ist. Dies sind jeweils nur die inländischen Betriebsstätten (vgl. § 9 Nr. 3 GewStG). Auszuklammern sind auch diejenigen inländischen Betriebsstätten, die nach § 28 Abs. 2 GewStG ausgeschlossen sind. Beispiel für eine Zerlegung nach § 29 GewStG: Der Gewerbebetrieb C mit Geschäftsleitung in der Gemeinde C (Hebesatz: 400 %) hat Betriebsstätten in den Gemeinden A (Hebesatz 200 %) und B (Hebesatz 300 %). Der Gewerbesteuermessbetrag beträgt 40.000 €. Für den EZ 02 wurden folgende „Arbeitslöhne“ an eigene Arbeitnehmer gezahlt. A

B

C

Summe

Arbeitslöhne (iSd. § 31 GewStG)

100.445 €

40.000 €

60.800 €

201.245 €

Abrundung (§ 29 Abs. 3 GewStG)

100.000 €

40.000 €

60.000 €

200.000 €

Prozentsatz

50

20

30

100

Zerlegungsanteil

20.000 €

8.000 €

12.000 €

40.000 €

GewSt

40.000 €

24.000 €

48.000 €

112.000 €

17–20

frei

II. Besonderer Zerlegungsmaßstab für bestimmte erneuerbare Energien – Windkraft- und Solaranlagen (Abs. 1 Nr. 2) 1. Rechtslage bis einschließlich EZ 2020 a) Ausschließlicher Betrieb von Windkraftanlagen oder ausschließlicher Betrieb von Windkraft- und Solaranlagen (Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) 21

Windenergie ist die durch Umwandlung von Windkraft gewonnene elektrische Energie. Windkraftanlagen bestehen auch einer Reihe unterschiedlicher technischer Komponenten, bei denen es sich zum Teil um eigenständige Wirtschaftsgüter handelt.27 Ein Windpark bildet dennoch eine einheitliche Betriebsstätte. Notwendig ist, dass die Anlage betrieben wird.

22

In einer Windkraftanlage oder einer Anlage zur alternativen Energieerzeugung mittels Sonnenlicht (Solaranlagen) beschäftigt der Betreiber der Anlage im Regelfall keine eigenen

24 25 26 27

478

BFH BFH BFH BFH

v. v. v. v.

22.7.1988 24.5.2006 22.7.1988 14.4.2011

– – – –

III R 286/84, BFH/NV 1990, 56. I R 102/04, BFH/NV 2007, 270. III R 286/84, BFH/NV 1990, 56. IV R 46/09, BStBl. II 2011, 696.

Zerlegungsmaßstab | Rz. 26 § 29 GewStG

Arbeitnehmer. Angesichts fehlender eigener Arbeitslöhne in der Betriebsstätte begründet der allgemeine Zerlegungsmaßstab für die betroffene Gemeinde keinen Zerlegungsanteil. Ein unbilliges Ergebnis i.S.d. § 33 Abs. 1 GewStG hat die Rechtsprechung hierin nicht gesehen.28 Der Gesetzgeber sah sich aus umweltpolitischen und fiskalischen Gründen veranlasst, durch eine gesetzliche Regelung im JStG 2009 dafür Sorge zu tragen, dass Gemeinden, in denen Windkraftanlagen betrieben werden, am Gewerbesteueraufkommen angemessen beteiligt werden. Ab dem EZ 2009 enthält das Gesetz in § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG einen besonderen gemischten Zerlegungsmaßstab für Windkraftanlagen. Zerlegungsmaßstab ist danach zu 3/10 das Verhältnis der in den einzelnen Betriebsstätten gezahlten Arbeitslöhne (Lohnsummenschlüssel nach § 29 Abs.1 Nr. 1, Abs. 2, 3 GewStG) und zu 7/10 das Verhältnis der Summe der Sachanlagen29 zu den Sachanlagen in den einzelnen Betriebsstätten, jedoch ohne Betriebs- und Geschäftsausstattung, Anzahlungen und Anlagen im Bau (Kapitalschlüssel). Diese erste gesetzliche Regelung betraf nur Windkraftanlagen und verlangte nicht, dass ein Unternehmen ausschließlich oder fast ausschließlich Windkraftanlagen betrieb. Vom Wortlaut her reichte es daher aus, wenn im Rahmen eines einheitlichen Gewerbebetriebs auch eine Windkraftanlage betrieben wurde, um unter den Zerlegungsmaßstab nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG zu fallen. Eine analoge Anwendung der Norm auf vergleichbare Fälle (z.B. Freiflächen-Solaranlagen) kam nicht in Betracht.

23

Der gemischte Zerlegungsmaßstab gilt auch für Offshore-Windkraftanlagen auf See.30 Da diese Anlagen in gemeindefreien Gebieten liegen, setzt dies nach § 4 Abs. 2 GewStG voraus, dass die ertragsberechtigen Länder ihre Regelungsbefugnis in Anspruch nehmen, um die Standortgemeinden am Gewerbeertrag zu beteiligen.

24

Mit der Änderung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG, zunächst durch das AmtshilferichtlinieUmsetzungsgesetz vom 26.6.2013 und sodann durch das KroatienAnpG vom 25.7.2014 ist im Zusammenhang mit Windkraftanlagen ab dem EZ 2014 ein „ausschließlicher“ Betrieb von Anlagen zur Erzeugung von Windenergie für die Anwendung des besonderen Zerlegungsmaßstabs erforderlich. Darüber hinaus wurde die Regelung auf Gewerbebetriebe mit Solarenergieanlagen ausgeweitet, die ausschließlich Strom, andere Energieträger oder Wärme aus Sonnenenergie erzeugen. Solarenergie ist die durch Umwandlung von Sonnenstrahlung gewonnene elektrische Energie oder Wärme, etwa durch Photovoltaikanlagen. Solche Anlagen setzten sich ebenfalls aus einer Vielzahl von Komponenten zusammen und bilden eine Betriebsstätte. Auch für sei gilt der gemischte Zerlegungsmaßstab in § 29 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a GewStG. Voraussetzung ist der ausschließliche31 Betrieb solcher Anlagen. Gegenstand des Unternehmens darf keine anderes Geschäftsfeld sein. Unter Analogie zu den zu § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG entwickelten Grundsätzen schließen auch eine unbedeutende Nebentätigkeit oder Nebengeschäfte die Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG aus. Vorbereitungshandlungen oder Hilfsgeschäfte dürften allerdings unschädlich sein. Ein gleichzeitiger Betrieb von Windkraft- und Solaranlage ist nicht gefordert. Im Fall einer Organschaft dürfte sich das Ausschließkeitsgebot in § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG auf den gesamten Organkreis beziehen.

25

Die Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a GewStG steht ausdrücklich unter dem Vorbehalt des Buchstaben b.

26

28 BFH v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836. Zur bemerkenswerten Reformgeschichte des § 29 GewStG BFH v. 14.12.2020 – IV B 27/20, BFH/NV 2021, 538. 29 Zum Sachanlagevermögen Güroff in Glanegger/Güroff10, § 29 GewStG Rz. 10a. 30 Krit. Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 29 GewStG Rz. 27. 31 Zum Begriff Güroff in Glanegger/Güroff10, § 28 GewStG Rz. 9a, 9b; Saathoff in Wendt/Suchanek/ Möllmann/Heinemann2, § 29 GewStG Rz. 24.

479

GewStG § 29 Rz. 27 | Zerlegungsmaßstab b) Ausschließlicher Betrieb von Solaranlagen (Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) 27

§ 29 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b GewStG enthält eine Sonder- und Übergangsregelung für Solaranlagen. Die Vorschrift bestimmt für die EZ 2014 bis 2023 einen besonderen Zerlegungsmaßstab für Neuanlagen und verdrängt in ihrem Anwendungsbereich die den Maßstab in § 29 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a GewStG („vorbehaltlich“) und des § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG. Für den EZ 2014 ergab sich diese Regelung aus § 36 Abs. 9d Satz 2 GewStG. Ab dem EZ 2015 hat das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften32 die Regelung ab EZ 2015 inhaltsgleich in § 29 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b GewStG aufgenommen. Die Regelung soll Gemeinden übergangsweise bis 2023 vor unerwünschten Verteilungseffekten schützen.33 Ob dies der Fall sein kann und ist, bleibt offen. Insbesondere wird ihre praktische Bedeutung angezweifelt,34 zumal nach §§ 3 Nr. 32, § 11 Abs. 1 GewStG Befreiungen bestehen. Die Vorschrift ist zudem unnötig kompliziert, da Buchstabe a und b der Nr. 2 gegenseitig aufeinander und auf Nr. 1 verweisen.

28

Ab dem EZ 2024 ist der Zerlegungsmaßstab gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a GewStG uneingeschränkt anzuwenden. Dies gilt auch für Betriebe, die ausschließlich Solaranlagen betreiben. Voraussetzung ist zunächst, dass Gegenstand des Gewerbebetriebs ausschließlich der Betrieb von Solaranlagen ist (zum Begriff der Ausschließlichkeit oben Rz. 25). Danach ist der Gewerbesteuermessbetrag im Hinblick auf den Zerlegungsmaßstab zunächst auf sog. Alt- und Neuanlagen aufzuteilen. Neuanlagen liegen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Satz 3 GewStG vor, wenn sie nach dem 30.6.2013 genehmigt wurden. Eine Photovoltaikanlage, die bis zum 30.6.2013 genehmigt worden ist, ist keine Neuanlage.35 Altanlagen sind Solaranlagen, die vor dem 01.7.2013 genehmigt worden sind

29

Für den Zerlegungsmaßstab36 gilt: Betreibt ein Unternehmen ausschließlich Neuanlagen zur Erzeugung von Solarenergie, so findet der kombinierte Zerlegungsmaßstab des 29 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a GewStG Anwendung (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Satz 1 Doppelbuchst. aa GewStG). Handelt es sich dagegen um Altanlagen i.S.d. Gesetzes, so gilt bis zum EZ 2023 weiterhin der Regelmaßstab des § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG, d.h. es erfolgt mithin eine Zerlegung nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Satz 1 Doppelbuchst. aa GewStG).

30

Bei Unternehmen, die ausschließlich Solaranlagen, jedoch sowohl alte wie neue Anlagen betreiben, finden unterschiedliche Zerlegungsmaßstäbe in zwei Schritten Anwendung. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 GewStG wird der Steuermessbetrag zunächst nach den dortigen Kriterien auf die Neu- und Altanlagen aufgeteilt. Bestehen mehrere Neuanlagen in mehreren Gemeinden ist anschließend hierauf der kombinierten Zerlegungsmaßstab des 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a GewStG anzuwenden. Bestehen mehrere Altanlagen in mehreren Gemeinden gilt der Regelmaßstab des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GewStG.

31

Werden dagegen sowohl Windkraft- als auch Solaranlagen betrieben, findet § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b GewStG keine Anwendung, da die Regelung nur Betriebe erfasst, die ausschließlich (neue) Solaranlagen erfasst. In diesen Fällen erfolgt eine Zerlegung für das gesamte Unternehmen nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, unabhängig davon, ob es sich um Alt- oder Neuanlagen handelt.

32 33 34 35

Gesetz v. 25.7.2014, BGBl. I 2014, 1266. BT-Drucks. 139/13, 159. Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 28 GewStG Rz. 29. FG Hamburg v. 18.12.2018 – 2 K 2/17, DStRK 2019, 144. Auf Altanlagen ist § 33 GewStG nicht anwendbar, BFH v. 14.12.2020 – IV B 27/20, BFH/NV 2021, 538. 36 Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 29 GewStG Rz. 31 ff.

480

Zerlegungsmaßstab | Rz. 40 § 29 GewStG Beispiel: Die A-GmbH betreibt eine Solaranlage in der Gemeinde A (Genehmigung am Januar 2013) und eine Solaranlage in der Gemeinde B (Genehmigung am Dezember 2013). Die Geschäftsleitung liegt in der Gemeinde C. Nach der auf den 31.12.2014 aufgestellten Steuerbilanz betragen die steuerlich maßgebenden Ansätze des Sachanlagevermögens für die Gemeinde A 500.000 €, für die Gemeinde B 1.000.000 € und für die Gemeinde C 100.000 €. Der Gewerbesteuermessbetrag ist für den EZ 2014 auf 15.000 € festgesetzt worden. Lösung: Der Gewerbesteuermessbetrag ist nach § 29 Abs. 1 Satz 2 und 3 GewStG auf die Solaranlagen aufzuteilen. Die Solaranlage in der Gemeinde A stellt eine Altanlage dar; die Solaranlage in der Gemeinde B eine Neuanlage. Der Gewerbesteuermessbetrag ist im Verhältnis der steuerlich maßgebenden Ansätze des Sachanlagevermögens auf die Neu- und Altanlage aufzuteilen. Das in der Gemeinde C befindliche Sachanlagevermögen ist hierbei nicht einzubeziehen, da sich dort keine Solaranlage befindet. Der Gewerbesteuermessbetrag entfällt demnach i.H.v. 5.000 € (15.000 € × 500.000 €/ 1.500.000 €) auf die Altanlage und i.H.v. 10.000 € (15.000 € × 1.000.000 €/1.500.000 €) auf die Neuanlage.

2. Rechtslage ab EZ 2021 Das Fondsstandortgesetz37 hat § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG insgesamt mit Wirkung ab EZ 2021 zweifach angepasst. Ziel war es, die Standortgemeinden der Erneuerbare-EnergieProjekte „noch stärker und gleichmäßiger“ als bisher an der Gewerbesteuer der Anlagenbetreiber zu beteiligen und zugleich die „Akzeptanz“ dieser Anlagen auf dem Gebiet der jeweiligen Gemeinde zu erhöhen. Mit diesen umweltpolitischen Förderzielen entfernt sich die Zerlegung allerdings von ihrem äquivalenztheorischen Grundgedanken. Auch hier gilt, dass dem gewerbesteuerrechtlichen Zerlegungsverfahren nicht die Funktion eines kommunalen Finanzausgleichs zukommt.38

32

Bis EZ 2020 bestand der kombinierte Zerlegungsmaßstab aus zwei Komponenten: 30% des Messbetrags wurden nach dem Verhältnis der gezahlten Arbeitslöhne in den einzelnen Betriebsstätten zu den insgesamt gezahlten Arbeitslöhnen und 70% nach dem Verhältnis des maßgebenden Sachanlagevermögens in den einzelnen Betriebsstätten zu gesamten maßgebenden Sachanlagevermögen zerlegt.

33

Ab 2021 beträgt das neue Zerlegungsverhältnis 10% (Arbeitslöhne) zu 90% (installierte Leistung) zu Gunsten der Standortgemeinden. Maßgeblich ist nicht mehr das (buchmäßige) Sachanlagevermögen, sondern der Maßstab der installierten Leistung der Anlagen. Dies soll die Standortgemeinden (ohne Arbeitnehmer) begünstigen. „Installierte Leistung“ ist die elektrische Wirkleistung in Watt der Windkraft- und Solaranlagen, die eine Anlage bei bestimmungsgemäßem Betrieb ohne zeitliche Einschränkungen unbeschadet kurzfristiger geringfügiger Abweichungen technisch erbringen kann (§ 3 Nr. 31 EEG).39 Diese Angaben wird der Hersteller der Anlagen bescheinigen können. Inwieweit dieser neue Zerlegungsmaßstab überhaupt einen (bestimmten) Lastenzusammenhang mit der konkreten Gemeinde indizieren kann, ist nicht ersichtlich.

34

frei

35–40

37 Art. 9 FoStoG v. 3.6.2021, BGBl. I 2021, 1498; BT-Drucks. 19/28868, 151. 38 Zuletzt wieder BFH v. 14.12.2020 – IV B 27/20, BFH/NV 2021, 538. 39 Zu den Begriffen Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 29 GewstG Rz. 43.

481

GewStG § 29 Rz. 41 | Zerlegungsmaßstab

III. Arbeitslöhne im Erhebungszeitraum, Abrundung (Abs. 2 und Abs. 3) 41

Maßgebend für die Zerlegung nach Arbeitslöhnen und die Lohnsumme sind die im EZ tatsächlich gezahlten oder erzielten Arbeitslöhne. Der Begriff „erzielt“ hat keine Bedeutung mehr.40 Eine Zahlung ist erfolgt, wenn der Lohnanspruch erfüllt wurde. Auch bei Betrieben mit einem abweichenden Wirtschaftsjahr sind daher die Lohnzahlungen im EZ (nach § 14 GewStG im Regelfall das Kalenderjahr) und nicht die Lohnzahlungen in den jeweiligen Wirtschaftsjahren maßgebend. Die Abrundung der Lohnsummen auf volle 1.000 € bei der Ermittlung der Verhältniszahlen erleichtert die Verhältnisrechnung.

40 Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 29 GewStG Rz. 34.

482

§ 30 Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten Erstreckt sich die Betriebsstätte auf mehrere Gemeinden, so ist der Steuermessbetrag oder Zerlegungsanteil auf die Gemeinden zu zerlegen, auf die sich die Betriebsstätte erstreckt, und zwar nach der Lage der örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der durch das Vorhandensein der Betriebsstätte erwachsenden Gemeindelasten. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Vorschriften im Einzelnen Mehrgemeindliche Betriebsstätte Eigenart des Gesetzesbegriffs . . . . . . . . . Einheitsbildende Begriffselemente Räumlicher Zusammenhang . . . . . . . . . Betrieblicher Zusammenhang Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisatorischer Zusammenhang . . . . Wirtschaftlicher Zusammenhang . . . . . . Technischer Zusammenhang . . . . . . . . . Spezifische zusätzliche (Begriffs-)Merkmale der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . 4. Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

A. B. I. 1. 2. a) b) aa) bb) cc) dd) 3.

1 11 16 22 23 24 25 26 31

II. 1. a) b) 2. 3. a) b) 4. III.

Zerlegungsmaßstab Art des Zerlegungsmaßstabs Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . Beurteilungsspielraum der Finanzbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lage der örtlichen Verhältnisse . . Gemeindelasten Art der Ortslasten . . . . . . . . . . . . Kasuistik der betriebsspezifischen Lastenindikatoren . . . . . . . . . . . . Ermittlung und Aufteilung der Gemeindelasten . . . . . . . . . . . . . . Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45 50 55 58 61 65 70

A. Allgemeines § 30 GewStG regelt den besonderen Zerlegungsmaßstab in Gestalt einer bloßen Zerlegungsdirektive im Fall einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GewStG. Eine solche Betriebsstätte liegt vor, wenn sich eine Betriebsstätte „über mehrere Gemeinden“ erstreckt. Dann ist der Steuermessbetrag oder Zerlegungsanteil auf die Gemeinden zu zerlegen, auf die sich die Betriebsstätte erstreckt, und zwar nach der Lage der örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der durch das Vorhandensein der Betriebsstätte erwachsenden Gemeindelasten. Den überkommenen Prototyp einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte bildet ein lokal grenzüberschreitendes Produktions- oder Handelsunternehmen, das auf einem Grundstück unterhalten wird, das sich auf die Gebiete von zwei Gemeinden erstreckt. Etwa ein Handel und die Reparatur von landwirtschaftlichen Maschinen auf ein Grundstück, das sich über die Markungsgrenze zwischen zwei Gemeinden erstreckt.1 Weitere praktische Bedeutung hat die mehrgemeindliche Betriebsstätte in Wirtschaftszweigen der technischen, infrastrukturellen ober- und unterirdischen Netze wie etwa in der Transport- und Versorgungswirtschaft (Wasser, Gas, Fernwärme, Strom) sowie in der Telekommunikationswirtschaft.

1

Hat ein Gewerbebetrieb eine oder mehrere Betriebsstätten, die der Ausübung des Gewerbes dienen, und erstreckt sich eine dieser Betriebsstätten über mehrere Gemeinden, so ist unter Beachtung von § 29 GewStG in einem ersten Schritt zunächst für die jeweilige Betriebsstätte ein Anteil am Gewerbesteuermessbetrag zu ermitteln. In einem zweiten Arbeitsschritt, jedoch zusammengefasst in einem einheitlichen Verfahren in einem Zerlegungsbescheid, ist der für die mehrgemeindliche Betriebsstätte insgesamt ermittelte Zerlegungsanteil den jeweiligen Gemeinden zuzuordnen.2 Einen bestimmten Zerlegungsmaßstab gibt § 30 GewStG nicht vor. Die (Unter-)Zerlegung muss aber nach dem Gedanken des sog. Äquivalenzprinzips lastengerecht erfolgen.

2

1 Beispiel BFH v. 28.10.1964 – I B 403/61 U, BStBl. III 1965, 133. 2 BFH v. 12.10.1977 – I R 227/75, BStBl. II 1978, 160; H 30.1 Hauptzerlegung und Unterzerlegung GewStH 2016.

483

GewStG § 30 Rz. 3 | Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten 3

Verteilungsmaßstab bei der zweiten Berechnung ist nicht das Verhältnis der Arbeitslöhne im gesamten Unternehmen i.S.d. § 29 GewStG. Die Aufteilung des Messbetragsanteils der mehrgemeindlichen Betriebsstätte hat vielmehr nach Lage der örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der durch das Vorhandensein der Betriebsstätte erwachsenden Lasten zu erfolgen. Insofern enthält § 30 GewStG eine Ausnahme vom Arbeitslohn als allgemeinen Zerlegungsmaßstab. Daraus folgt aber nicht, dass dieser Zerlegungsindikaktor im Rahmen der allgemeinen Zerlegungsdirektive bezogen auf die Betriebstätte von vornherein ausgeschlossen ist.

4

Es handelt sich nicht an sich um einen bestimmten Zerlegungsmaßstab, sondern um ein Aufteilungsgebot in Gestalt einer bloßen Verteilungs- oder Zerlegungsdirektive. Die wurzelt im ungeschriebenen sog. Äquivalenzprinzip. Folge ist dann eine Form des abstrakten Lasten- und Bedarfsausgleichs zwischen den Gemeinden. Der Ausgleich ist nur dann abstrakt, wenn er allgemeinen Lastenindikatoren und Faktoren berücksichtigt. Damit entfernt sich die Zerlegung hier von der ursprünglichen Idee einer richtigen Steuerverteilung nach Maßgabe des lokalen Steueraufkommens, das die Betriebsstätte erwirtschaftet. Für jeden Einzelfall ist ein individueller Zerlegungsmaßstab zu ermitteln.

5

Die Zerlegungskriterien müssen valide, reliabel und realitätsgerecht sein. Eine Messung ist valide, wenn sie tatsächlich das misst, was sie messen soll. Eine Messung ist reliabel, wenn sie zuverlässige Ergebnisse liefert. Im Vordergrund stehen hier lokale, sozioökonomische Faktoren, die mit den gemeindlichen Lasten korrelieren.

6

Die Regelung setzt nicht voraus, dass der beteiligten Gemeinde bestimmte Lasten tatsächlich und feststellbar entstanden sind. Durch die Betriebstätte erwachsende Gemeindelasten sind lediglich beim Maßstab der Zerlegung zu berücksichtigen.3 Auch hier haben die Gemeinden keinen Rechtsanspruch auf einen Zerlegungsanteil.

7

Ob es sich bei dem Betriebsteil um eine selbständige Betriebsstätte oder um einen Teil einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte handelt, ist wegen der unterschiedlichen Zerlegungsmaßstäbe von erheblicher Bedeutung. So wird z.B. einem Teil einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte auch dann ein Zerlegungsanteil zugewiesen, wenn diesem Teil kein Arbeitslohn zugerechnet werden kann. Eine selbständige Betriebsstätte, vorbehaltlich der Regelungen für Wind- und Solarkraftanlagen, ohne eigene Arbeitnehmer und damit ohne dort anfallende Arbeitslöhne, begründet für die Belegenheitsgemeinde, wenn nicht ausnahmsweise § 33 Abs. 1 GewStG anzuwenden ist, keinen Anteil am Gewerbesteuermessbetrag. Die Möglichkeit, dass die Anwendung des Zerlegungsmaßstabes nach § 29 GewStG zu einem unbilligen Ergebnis führen könnte, ist für sich nicht geeignet, die Voraussetzungen für eine mehrgemeindliche Betriebstätte zu begründen.4

8

Die umfassende Kasuistik zu dem Begriff der mehrgemeindlichen Betriebsstätte und den Zerlegungskriterien deutet darauf hin, dass die überkommene Regelung bisher keine Rechtssicherheit herstellen konnte und reformiert werden solllte. Insbesondere haben sich seit der Weimarer Republik die Geschäftssmodelle und der Arbeitsmarkt wesentlich verändert.5 Der Lastenzusammenhang mit der Betriebsstätte, der in der Tat schwer greifbar ist, sollte zumindest sozioökonomisch fundiert werden. Die Beteiligten können allerdings auf § 33 Abs. 2 GewStG zurückgreifen.6 Die aktuelle Fassung der Vorschrift beruht auf dem Gesetz v. 29.10.1977.7 Sie geht zurück auf § 30 GewStG 1936.

9–10

frei

3 BFH v. 28.10.1987 – I R 275/83, BStBl. II 1988, 292. 4 BFH v. 12.10.1977 – I R 227/75, BStBl. II 1978, 160. 5 Für eine „zeitgemäßere Auslegung“ auch unter Beachtung ökologischer Faktoren Heurung/Ferdinand/ Gilson, BB 2019, 411. 6 Näher Reinke, ZKF 2016, 182. 7 BGBl. I 1997, 2590.

484

Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten | Rz. 15 § 30 GewStG

B. Inhalt der Vorschriften im Einzelnen I. Mehrgemeindliche Betriebsstätte 1. Eigenart des Gesetzesbegriffs Mehrgemeindlich ist eine („die“) Betriebsstätte, die sich über mehrere Gemeinden räumlich und zeitgleich „erstreckt“. Den Begriff der Betriebsstätte definiert nach allgemeiner Auffassung § 12 AO. In diesem Fall einer interlokalen Betriebsstätte liegt eine mehrgemeindliche Betriebsstätte i.S.d. §§ 4, 28, 30 GewStG vor. Das grundlegende Verständnis dieses auf den ersten Blick „einfachen“ zusammengesetzten Tatbestandsbegriffs geht auf die ältere preußische Rechtsprechung zurück.

11

In Abgrenzung zu mehreren selbständigen Betriebsstätten fordert die überkommene Rechtsprechung, dass die auf verschiedenen Gemeindegebieten liegende Geschäftseinrichtung oder ihre Anlagen ein einheitliches Ganzes8 und eine einzige einheitliche Betriebsstätte9 bilden, und sich diese geschlossene wirtschaftliche Einheit10 räumlich über mehrere Gemeinden erstreckt.

12

Einheitsbildende Faktoren hatte bereits die Rechtsprechung der preußischen Verwaltungsund Steuergerichte, namentlich das Preußische Oberverwaltungsgericht, entwickelt.11 Diese Grundsätze haben ihre Gültigkeit nicht verloren. Danach muss zwischen den einzelnen Teilen der Betriebsstätte ein derartiger räumlicher und betrieblicher Zusammenhang bestehen, dass die Betriebsstätte als einheitliches Ganzes anzusehen ist. Den betrieblichen Zusammenhang kennzeichnet und bestimmt die Rechtsprechung durch einen organisatorischen, wirtschaftlichen und technischen Zusammenhang.12 Die räumliche Komponente folgt in der Tat aus dem interlokalen Charakter der Betriebsstätte, die betriebliche Komponente kennzeichnet die Einheit der einer Betriebstätte. Dies widerspricht allerdings der Forderung, dass die einzelnen Teile und Anlagen selbst eine Betriebsstätte bilden müssen.

13

Die für die Annahme einer einheitlichen Betriebsstätte notwendigen zwei bzw. vier Merkmale müssen grds. kumulativ erfüllt sein.13 Allerdings kann nach Auffassung der Rechtsprechung einzelfallbezogen „für bestimmte Unternehmen“ etwa der Versorgungswirtschaft der an sich konstituierende räumliche Zusammenhang bei einer besonders engen organisatorischen, wirtschaftlichen, technischen und Verbindung „in den Hintergrund treten“.14 Dies betrifft etwa Unternehmen der Elektrizitätsversorgung und der Mineralölwirtschaft. Hierbei erkennt der BFH durchaus, dass er das „strukturbildende Kriterium“ des flächenbezogenen räumlichen Zusammenhangs einzuschränkend auslegt, anerkennt aber auch die Grenzen dieser Auslegung. Im Übrigen obliege die Feststellung, ob und ggf. welche einzelnen Betriebsteile auf Grund der genannten Kriterien ein einheitliches Ganzes darstellen, dem FG.15

14

Auch dieses typologische oder komparative Begriffsverständnis geht bereits auf die Rechtsprechung des Preußische Oberverwaltungsgerichts zurück.16 Mitunter prüft die Rechtsprechung die einzelnen Elemente des betrieblichen Zusammenhangs nicht getrennt, sondern einheitlich. Dies ist etwa der Fall, wenn der Gewerbebetrieb ohne die einzelnen Betriebsstätten „nicht betrieben werden darf“17 oder kann.

15

8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

BFH v. 20.4.1999 – VIII R 13/97, BStBl. II 1999, 542. BFH v. 16.11.1965 – I B 249/62 U, BStBl. III 1966, 40. BFH v. 8.3.1988 – VIII R 270/81, BFH/NV 1988, 735. Nachweise in BFH v. 26.10.1954 – I B 186/53 U, BStBl. III 1954, 372; v. 16.11.1965 – I B 249/62 U, BStBl. III 1966, 40. Etwa BFH v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492 m.w.N. BFH v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492. BFH v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492; H 30.1 GewStH 2016 m.w.N. BFH v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492. BFH v. 16.11.1965 – I B 249/62 U, BStBl. III 1966, 40 m.w.N. So BFH v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492 für Lärmmessstationen eines Flughafens.

485

GewStG § 30 Rz. 16 | Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten 2. Einheitsbildende Begriffselemente a) Räumlicher Zusammenhang 16

Die Rechtsprechung zur Bedeutung des räumlichen Zusammenhangs für eine mehrgemeindliche Betriebsstätte war in der Vergangenheit kaum noch zu überschauen. Tendenziell zeichnete sich eine immer weitere Auslegung des Begriffs des räumlichen Zusammenhangs ab. Mit seiner Entscheidung, in der Verbindung von Lärmmessstationen über öffentliche, allgemeine Kommunikationsleitungen (Telefonnetz, Stromnetz, jeweils soweit nicht unternehmenseigen) keine für eine mehrgemeindliche Betriebsstätte ausreichende enge räumlichen Verbindung mit einem Verkehrsflughafen zu sehen, hat der BFH18 2009 die Notwendigkeit einer etwas engeren Auslegung des Begriffs des räumlichen Zusammenhangs bekräftigt. Nur dadurch sieht er gewährleistet, dass angesichts der heute vielfach bestehenden technischen Verbindungen einzelner Betriebsteile die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 30 GewStG anstelle der Grundnorm des § 29 GewStG nicht zum Regelfall werde.

17

Ausgehend von seiner bisherigen Rechtsprechung sieht der BFH einen räumlichen Zusammenhang jedenfalls zunächst wie bisher dann als gegeben an, wenn ein durch ein zusammenhängendes Grundstücks im Eigentum des Unternehmens vermittelter „erdoberflächenbezogener“ Zusammenhang der Gesamtanlage besteht.19 Dies war vormals auch ein Regelfall, etwa wenn sich das eigene oder gepachtete Grundstück eines Produktions- oder Handelsbetriebs über die Gemeindegrenze erstreckte. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn die mehrere Grundstücke aneinander angrenzen. Bestehen mehrere Geschäftszweige des Unternehmens, muss sich der räumliche Zusammenhang auf alle Betriebszweige beziehen.20 Auch Zufahrten zum Betriebsgrundstück sowie Lagerflächen für Abraum und zum Abstellen von Geräten können eine mehrgemeindliche Betriebsstätte begründen.21

18

Der räumliche Zusammenhang muss aber nicht zwingend über die Erdoberfläche hergestellt werden. Es genügen auch unterirdische oder oberirdische technische Anlagen, die den Zusammenhang herstellen können. Hier überschneiden sich die räumlichen und technischen Verbindungselemente des Gesetzesbegriffs. Dies setzt aber einen betriebsspezifischen Zuordnungszusammenhang der Anlagen zur Betriebsstätte und zum Betrieb des Unternehmens voraus.22 Dies setzt grundsätzlich eine betriebseigene technische Anlage voraus, die jedenfalls bei Nutzung einer allgemeinen Infrastruktur, die in den Gemeinden ohnehin vorhanden ist, fehlen wird.

19

Grundsätzlich genügt es, dass die verbindenden Anlagen im Eigentum des Unternehmens stehen.23 Dies können etwa die Gleisanlagen einer Straßenbahn sein.24 Es genügt nach Auffassung der Rechtsprechung nicht, dass der verbindende Zusammenhang durch die öffentliche Infrastruktur hergestellt wird.25 Dies können etwa die öffentlichen Straßen im Gemeingebrauch sein, die betriebsfremde Anlagen sind, wenn sie ein Omnibusunternehmen befährt.26 „Dazwischen“ liegen betriebsspezifische (Mit-)Nutzungsrechte des Unternehmens an einer technischen Anlage, die hinreichend sein können.27 Dies betrifft die 18 BFH v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492; krit. Spohn/Peter, DStR 2010, 1013; zuvor Offerhaus/Althof, FR 2006, 623. 19 BFH v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492; v. 18.10.1964 – I B 403/61 U, BStBl. II 1965, 113. 20 BFH v. 26.2.1992 – I R 58/91, BFH/NV 1992, 766. 21 FG Nürnberg v. 8.10.2010 – 4 K 1962/2008 EFG 2011, 559. 22 Näher Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 30 GewStG Rz. 13 ff. 23 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 30 GewStG Rz. 3a; weitergehend Saathoff in Wendt/Suchanek/ Möllmann/Heinemann2, § 30 GewStG Rz. 12 (Nutzungsrechte). 24 BFH v. 25.9.1968 – I B 118/65, BStBl. II 1968, 827 (Eigentum des Unternehmens). 25 BFH v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492 (allgemeines Kommunikationskabel). 26 BFH v. 25.9.1968 – I B 118/65, BStBl. II 1968, 827; (öffentliche Straße); H 30.1 GewStH 2016. 27 Weitergehend Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 30 GewStG Rz. 17.

486

Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten | Rz. 23 § 30 GewStG

branchenspezifischen Bedingungen der verbundwirtschaftlich organisierten Energiewirtschaft.28 Allerdings ist jedenfalls die ältere Rechtsprechung hinsichtlich der Zuordnungskriterien nicht stringent.29 Schon das Preußische Oberverwaltungsgericht „lockerte“ die Voraussetzung des räumlichen Zusammenhangs bei Unternehmen der Stromversorgung in der Weise auf, dass es das Elektrizitätswerk mit seinen Kabeln, Transformatoren usw. als eine einzige einheitliche Betriebstätte behandelte. Denn die Kabel und Transformatoren seien wesentliche Bestandteile der Betriebsanlage. Ohne sie sei eine Abgabe von elektrischem Strom überhaupt nicht denkbar. Der Reichsfinanzhof hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen. Der Bundesfinanzhof hat sie in der Richtung weiterentwickelt, dass dem räumlichen Zusammenhang keine schlechthin entscheidende Bedeutung beizumessen sei.30 Dem ist die Finanzverwaltung grundsätzlich gefolgt.31 Dabei komme es nicht darauf an, ob die Leitungen dem Elektrizitätsunternehmen gehören oder nicht, vielmehr reiche die Inanspruchnahme des verbundwirtschaftlichen Stromnetzes aus.

20

Eine Sonderstellung nimmt die Versorgungswirtschaft ein. Im Kern ist davon auszugehen, dass nur bei Elektrizitätsunternehmen,32 Unternehmen der Mineralölwirtschaft,33 Unternehmen der Wasserwirtschaft, bei Straßenbahnbetrieben,34 bei Fährbetrieben, darüber hinaus noch bei den betriebseigenen Kabelleitungen eines Telefonnetzes und Telekommunikationsunternehmens35 auf einen flächenbezogenen Zusammenhang weitgehend verzichtet werden kann. Die Schaffung einer ausreichenden räumlichen Verbindung durch betriebliche Anlagen unter oder auf der Erdoberfläche – z.B. Kabel- und Rohrleitungen, Gleisanlagen – wird in den vorgenannten Ausnahmefällen mit einer besonderen wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen Verbindung zwischen den Betriebsteilen begründet.

21

b) Betrieblicher Zusammenhang aa) Allgemeines Der zentrale räumliche Zusammenhang der Betriebsteile genügt grundsätzlich noch nicht, um eine mehrgemeindliche Betriebsstätte zu begründen. Hinzukommen muss eine organisatorische, wirtschaftliche und technische Verbindung. Hierbei befördert ein mehr oder weniger räumlicher Zusammenhang auch die übrigen Verbindungselemente. Insbesondere kann der räumliche Zusammenhang auch durch betriebliche (technische) Anlagen begründet und befördert werden.36 Zudem überschneiden sich die einzelnen Elemente und ergänzen sich. Generell gilt, dass ein betrieblicher Zusammenhang jedenfalls dann vorliegen wird, wenn ohne die jeweiligen Betriebsteile der Gewerbebetrieb insgesamt nicht betrieben werden kann.

22

bb) Organisatorischer Zusammenhang Das Element des organisatorischen Zusammenhangs der Betriebsteile bzw. Teilbetriebe spielt keine große praktische Rolle und besitzt kaum Abgrenzungswert.37 Es genügt bereits 28 BFH v. 18.10.1967 – I B 270/63, BStBl. II 1968, 40 (technischer Verbund genügt). 29 Vgl. BFH v. 16.11.1965 – I B 249/62 U, BStBl. II 1996, 40; v. 18.10.1967 – I B 270/63, BStBl. II 1968, 40; v. 4.12.1962 – I B 14/62, BStBl. II 1963, 156. Krit. auch Güroff in Glanegger/Güroff10, § 30 GewStG Rz. 3a. 30 So zusammenfassend m.w.N. zur älteren Rspr. BFH v. 16.11.1965 – I B 249/62 U, BStBl. II 1966, 40; ebenso BFH v. 18.10.1967 – I B 270/63, BStBl. II 1968, 40. 31 H 30.1 GewStH 2016. 32 H 30.1 Elektrizitätsunternehmen GewStH 2016. 33 H 30.1 Unternehmen der Mineralölwirtschaft GewStH 2016. 34 H 30.1 Verkehrsunternehmen des Schienenverkehrs GewStH 2016. 35 FG Köln v. 27.11.2006 – 2 K 6440/03, EFG 2007, 372. 36 Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 30 GewStG Rz. 18. 37 Beispiel BFH v. 20.4.1972 – I R 179/72, BStBl. II 1974, 427.

487

23

GewStG § 30 Rz. 24 | Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten jedes (sinnvolle) Zusammenwirken der Organisationseinheiten und Betriebsabläufe.38 Hierzu gehört auch die Funktion von Verwaltungseinheiten.39 Die organisatorische Abstimmung obliegt primär dem Ermessen des Unternehmens. Eine einheitliche Kontrolle und Leitung erscheinen nicht notwendig, eine gemeinsame Verwaltung der Teile wird genügen. cc) Wirtschaftlicher Zusammenhang 24

Auch an die wirtschaftliche Verbindung sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Betriebsteile wird sich zumeist schon aus ihrem technischen Zusammenhang ergeben. Es genügt, dass die Geschäftseinrichtung mit ihren Anlagen so wirtschaftlich sinnvoll aufeinander abgestimmt sind, dass sie den Zweck der Betriebsstätte erfüllen können.40 Regelmäßig wird ein einheitlicher Geschäftszweck verfolgt, auch wenn verschiedene Betriebszweige bestehen. Die für die Annahme einer mehrgemeindlichen Betriebstätte geforderte wirtschaftliche Einheit ist nicht von der Voraussetzung abhängig, dass die in Frage stehende Betriebsanlage für das Unternehmen unabdingbar ist, dergestalt, dass das Unternehmen nur mit dieser Anlage und nicht auch mit einer funktionsgleichen oder ähnlichen Einrichtung seinen Zweck erfüllen konnte.41 Die betriebswirtschaftliche Abstimmung obliegt primär dem Ermessen des Unternehmens. Eine Zentralverwaltung ist hinreichend, aber nicht notwendig. Die Betriebstätte der Hauptverwaltung (Sitz des Vorstandes) einer Mineralöl-AG ist nicht in die mehrgemeindliche Betriebstätte der AG einzubeziehen, wenn zwar dem Vorstand die über den laufenden Betrieb hinausgehenden technischen Entscheidungen vorbehalten sind, nicht aber die zentrale Steuerung, die Wartung, die Überwachung und die Reparatur der Rohrleitungen und Pipeline.42 dd) Technischer Zusammenhang

25

Das wirtschaftliche und das technische Element hängen eng zusammen. Beide gewährleisten die Funktion der einheitlichen Betriebsstätte. Ein technischer Zusammenhang der Betriebsteile wird durch die Geschäftseinrichtung, hier in Gestalt von Anlagen (§ 12 Satz 1 AO) hergestellt. Solche technischen Anlagen erfüllen zudem eine räumliche Verbindungsfunktion. Die Kriterien für ihre betriebsbezogene Zuordnung variiert die Rechtsprechung allerdings branchenspezifisch.43 Dazu gehören etwa Straßenbahnschienen,44 unterirdische Rohrleitungen,45 ein Wasserkanal,46 Kabel, Transformatoren47 oder sonstige Leitungsnetze etwa der Telekomunikation48 oder Internetwirtschaft. Fehlt eine solche technische Verbindung zu einem Betriebsteil, etwa der Verwaltungszentrale, liegt insoweit keine mehrgemeindliche Betriebsstätte vor.49 Schließlich wendet die Rechtsprechung50 im Rahmen der Überprüfung der technischen Verbindungseinheit des § 30 GewStG die Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 1 GewStG ent38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50

488

Güroff in Glanegger/Güroff10, § 30 GewStG Rz. 3c. BFH v. 1.12.1959 – I B 125/58, BB 1960, 320. BFH v. 20.4.1974 – I R 179/72, BStBl. II 1974, 427. BFH v. 20.4.1974 – I R 179/72, BStBl. II 1974, 427. BFH v. 12.10.1977 – I R 227/75, BStBl. II 1978, 160; zur Funktion der Hauptverwaltung BFH v. 1.12.1959 – I B 125/58, BB 1960, 320; v. 16.5.1965 – I B 249/62 U, BStBl. II 1966, 40. Krit. auch Güroff in Glanegger/Güroff10, § 30 GewStG Rz. 3a. BFH v. 25.9.1968 – I B 118/65, BStBl. II 1968, 827. BFH v. 20.3.1974 – I R 197/72, BStBl. II 1974, 427; v. 10.7.1974 – I R 54/72, BStBl. II 1975, 42. BFH v. 26.10.1954 – I B 186/53 U, BStBl. III 1954, 372. BFH v. 16.11.1965 – I B 249/62 U, BStBl. II 1966, 40; v. 18.10.1967 – I B 270/63, BStBl. II 1968, 40. FG Köln v. 27.11.2006 – 2 K 6440/03, EFG 2007, 372; krit. Hidien/Rodenhäuser, DStZ 2007, 689. Beispiel BFH v. 12.10.1977 – I R 227/75, BStBl II 1978, 160. Etwa FG Düsseldorf v. 19.1.2017 – 14 K 2779/14 G, EFG 2017; zuvor BFH v. 12.10.1977 – I R 226/ 75, BStBl. II 1978, 111; v. 12.10.1977 – I R 227/75, BStBl. II 1978, 160; a.A. Sarrazin in Lenski/ Steinberg, § 28 GewStG Rz. 29a.

Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten | Rz. 30 § 30 GewStG

sprechend an. Entsprechende „passive“ Anlagen gem. § 28 Abs. 2 Satz 1 GewStG (Gleisanlagen, Leitungen etc.) nehmen danach nicht an der Zerlegung teil. 3. Spezifische zusätzliche (Begriffs-)Merkmale der Rechtsprechung An den zusammengesetzten Tatbestandsbegriff der mehrgemeindlichen Betriebsstätte stellt die vorherrschende Auffassung weitere ungeschriebene und den Wortlaut des § 30 GewStG einengende Anforderungen. Zusätzlich müssen nach der st. Rechtsprechung51 auch die in den einzelnen Gemeinden liegende Teile der Anlagen/Einrichtungen der „einen“ Betriebsstätte je für sich in jeder Gemeinde die Begriffsmerkmale einer (gewerbesteuerrechtlichen) Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO erfüllen. Insofern ist von (zwei?) Teilbetriebsstätten52 die Rede. Allerdings ist die Rechtsprechung nicht ganz einheitlich. Für die verkehrsmäßige Erschließung eines Betriebs hat der BFH53 festgestellt, dass die Zufahrten zum Betriebsgelände ein funktionsnotwendiger Teil der Betriebsstätte seien. In einem solchen Fall sei es nicht erforderlich, dass der Teil der Gesamtanlage, der sich auf das Gebiet einer anderen Gemeinde erstreckt, auch für sich betrachtet alle Merkmale einer Betriebsstätte erfülle.

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Weiterhin müssen die Teilbetriebe auch die Voraussetzungen des § 28 GewStG erfüllen.54 Entsprechend § 28 Abs. 1 GewStG müssen die Teilbetriebsstätten je ihrerseits zur Ausübung des Gewerbes unterhalten werden und einer dauerhaften gewerblichen Tätigkeit dienen. Mit zur Zeit nicht betrieblich genutzte Grundstücken oder mit stillgelegten Betriebsanlagen kann somit keine (Teil-)Betriebsstätte begründet werden.55 Solche Betriebsvermögensteile sind dann der Betriebstätte des Unternehmens, bei mehreren Betriebstätten i.d.R. seiner Hauptbetriebsstätte zuzurechnen. Betriebsstättenlose Vermögensteile bestehen nicht.

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Eine mehrgemeindliche Betriebstätte ist bei Kapitalgesellschaften aber auch dann gegeben, wenn sich in einer Gemeinde lediglich Grundstücke der Betriebsstätte befinden, die zurzeit betrieblich nicht unmittelbar genutzt werden.56 Bei einer mehrgemeindlichen Betriebstätte nach § 30 GewStG sind Bauausführungen nur dann als Betriebstätte anzusehen, wenn sie im Gebiet der einzelnen Gemeinde länger als sechs Monate dauern (§ 12 Satz 2 Nr. 8 AO). Witterungsbedingte oder bautechnisch bedingte Unterbrechungen von kürzerer Dauer berühren den Fortgang der Sechsmonatsfrist nicht.57 Gleiches gilt im Rahmen des § 28 GewStG.

28

Darüber hinaus dürfen sie auch nicht unter die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Satz 1 GewStG fallen. Solche technischen Anlagen nehmen dann nicht an der Zerlegung teil.58 Dies betrifft etwa die bloße Durchleitung mittels Rohrleitungen der Versorgungswirtschaft, die eine reine Transportfunktion erfüllen (§ 28 Abs. 2 Nr. 2 GewStG). Solche Netze begründen grundsätzlich Betriebsstätten und sie können eine räumliche Verbindung zwischen Teilbetriebsstätten herstellen. Die Regelung enthält allerdings lediglich eine grundsätzliches Zerlegungsverbot für diese Formen von Betriebsstätten.

29

Diese einengende Auslegung begründet die Rechtsprechung im Wesentlichen damit, dass es nicht der Sinn des Zerlegungsverfahrens sei, eine Gemeinde in die Zerlegung über den Umweg des § 30 GewStG einzubeziehen, in der eine dauernde gewerbliche Tätigkeit mittels

30

51 Etwa BFH v. 12.10.1977 – I R 226/75, BStBl. II 1978, 111; v. 8.3.1988 – VIII R 270/81, BFH/NV 1988, 735; v. 13.9.2000 – R 174/96, BStBl. II 2001, 420. 52 Zum Begriff (krit.) Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 30 GewStG Rz. 8 ff. 53 BFH v. 20.4.1999 – VIII R 13/97, BStBl. II 1999, 542. 54 BFH v. 12.10.1977 – I R 226/75, BStBl. II 1978, 111; v. 12.10.1977 – I R 226/75, BStBl. II 1978, 111; v. 13.9.2000 – R 174/96, BStBl. II 2001, 420. 55 BFH v. 12.10.1977 – I R 226/75, BStBl. II 1978, 111. 56 BFH v. 18.4.1951 – I B 34/50 U, BStBl. III 1951, 124; H 30.1 GewStH 2016. 57 BFH v. 8.2.1979 – IV R 56/76, BStBl. II 1979, 479; H 30.1 GewStH 2016. 58 So etwa FG Düsseldorf v. 19.1.2017 – 14 K 2779/14 G, EFG 2017.

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GewStG § 30 Rz. 31 | Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten einer Betriebsstätte nicht ausgeübt werde, ein Gewerbebetrieb also nicht umgehe.59 Im Schrifttum hat diese Auslegung nur teilweise Zustimmung gefunden.60 Die Kritik61 ist zuzugeben, dass sich das Erfordernis der Teilbetriebsstätte weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 30 GewStG verträgt, die für auch diesen tatsächlichen vorfindlichen Zerlegungsfall des § 28 Abs. 1 Satz 2 GewStG eine individuelle und lastengerechte Zerlegung erzielen soll. Für eine Überlastung des klassifikatorischen Begriffs der Betriebsstätte besteht auch keine Notwendigkeit, da der konkrete Zerlegungsmaßstab, auf der Grundlage der Zerlegungsdirektive des § 30 GewStG, den materiellen gewerbesteuerrechtlichen Anforderungen des § 28 GewStG gerecht werden kann. 4. Einzelfälle 31

Mehrgemeindliche Betriebsstätten und ihre Zerlegung haben durchaus eine praktische Bedeutung für die Gemeinden. Sie können etwa in zentralen Wirtschaftszweigen der Netzwirtschaft62 vorliegen. Die einzelfallbezogene Anwendung des Rechtsbegriffs „nach den konkreten Verhältnissen“ durch Finanzverwaltung und Finanzgerichte ist hierbei in ihren Ergebnissen nicht immer vorhersehbar, da die einzelnen Merkmale des Begriffs typusorientiert gewichtet werden. Unsicherheiten bestehen besonders bei der Raumkomponente. Der betriebliche Zusammenhang ist zusätzlich zu prüfen. Bei der Beurteilung der älteren Rechtsprechung ist heute § 28 Abs. 2 Satz 1 GewStG vorrangig zu beachten.

32

Die einzelbezogene Anwendung, aber auch Auslegung und die Kasuistik deuten darauf hin, dass das bisherige methodische und materielle Rechtsverständnis des Gesetzesbegriffs bisher keine Rechtssicherheit und Rechtsklarheit herstellen konnte. Zumindest fehlt eine überzeugende, einheitliche Linie des BFH bzw. seiner Senate für die recht komplizierte Auslegung des Tatbestandsmerkmals der mehrgemeindlichen Betriebsstätte. Im Jahr 1996 hielt der BFH63 diese Frage nicht mehr für klärungsbedürftig. Allgemeine Voraussetzung einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte ist, dass die gewerbliche Tätigkeit des Unternehmers selbst sich dort vollzieht, oder anders ausgedrückt, dass der Gewerbebetrieb in den Anlagen „umgeht“.64 Dies verneint die ältere Rechtsprechung, und jetzt auch ausdrücklich § 28 Abs. 2 GewStG, wenn die technischen Anlagen lediglich der Durchleitung und nicht der Versorgung der Gemeinde dienen65 oder wenn die Anlagen von anderen Unternehmern genutzt werden66.

33

Transportwirtschaft: s.a. H 30.1 GewStH 2016 Eine mehrgemeindliche Betriebsstätte bilden etwa Verbindungen durch eine Drahtseilbahn,67 Stationen von Eisenbahnen,68 Gleisanlagen einer Zechenbahn zum Antransport von Rohmaterialien,69 Schiffsverbindung der Anlegestellen durch Wasser: Flussfähre, Seefähre,70 Gleisschienen eines Straßenbahnbetriebs,71 Wasserkanal mit Stauwerk und Wasserkraftwerk,72

59 BFH v. 12.10.1977 – I R 226/75, BStBl. II 1978, 111. 60 Etwa Baldauf in Brandis/Heuermann, § 30 GewStG Rz. 3 m.w.N. 61 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 30 GewStG Rz. 2b; Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 30 GewStG Rz. 8 ff., § 28 GewStG Rz. 29a. 62 Vgl. etwa nachfolgend die Zusammenstellung zur Rechtsprechung Hidien/Pohl/Schnitter, Gewerbesteuer16, S. 815 ff.; sowie H 30.1 GewStH 2016; Pieske-Kontny, StBp 2021, 9. 63 BFH v. 21.3.1996 – VIII B 52/95, BFH/NV 1996, 707. 64 So schon PrOVG v. 25.3.1930 – VIII. G. St. 327/29, RuPrVBl. 1930, 598. 65 PrOVG v. 8.4.1930 – VIII. G.St. 138/28, RuPrVBl. 1930, 598. 66 PrOVG v. 25.3.1930 – VIII. G. St. 327/29, RuPrVBl. 1930, 598. 67 PrOVG v. 8.4.1930 – VIII. G.St. 154. 155/28, RuPrVBl. 1930, 599. 68 RFH v. 14.3.1939 – I 101/39, RStBl. 1939, 755. 69 PrOVG v. 10.7.1928 – VIII. G.St. 203.27, RuPrVBl. 1929, 62. 70 RFH v. 28.2.1939 – I 473/38, RStBl. 1939, 1056. 71 RFH v. 14.3.1939 – I 101/39, RStBl. 1939, 755; BFH v. 25.9.1968 – I B 118/65, BStBl. II 1968, 827. 72 BFH v. 26.5.1954 – I B 186/53 U, BStBl. III 1954, 372.

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Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten | Rz. 35 § 30 GewStG

Pavillon eines Omnibuslinienbetriebs,73 Zufahrten zum Werksgelände,74 getrennte Teile eines großflächigen Industriebetriebs.75 Keine mehrgemeindliche Betriebsstätte und Betriebseinheit bilden etwa eine Gleisanlage einer Zechenbahn zum Abtransport,76 bloße Haltestellen eines Omnibuslinienbetriebs,77 öffentliche Straßen bei Omnibuslinienbetrieb,78 das öffentliche Straßennetz.79 Lärmmessstationen eines Verkehrsflughafens in den umgebenden Gemeinden begründen zwar je eine Betriebsstätte. Es soll aber keine mehrgemeindliche Betriebsstätte vorliegen, weil Flughafen und Messstationen zur Datenübertragung nur über die allgemeinen Kommunikationsleitungen verbunden sind. Somit fehle ein räumlicher („erdoberflächenbezogener“) Zusammenhang.80 Elektrizitätswirtschaft/Stromwirtschaft: s.a. H 30.1 GewStH 2016 Eine mehrgemeindliche Betriebsstätte bilden: Stromkabelleitungen zur Versorgung,81 EWerk samt Hauptsitz, Werk, Anlagen, auch ohne Kabelleitungen,82 Hauptsitz, Verteilernetz E-Werk, Anlagen, Kabel qua Verbund, Transformatoren,83 verbundwirtschaftliches Stromnetz zwischen technischen Anlagen und Hauptbetrieb,84 Umspannwerk und Überlandwerk eines E-Werks,85 Stromleitungen.86 Zwischen einer Fernwärmeanlage und einer Klärschlamm-Mitverbrennungsanlage besteht ein hinreichender Zusammenhang.87 Keine mehrgemeindliche Betriebsstätte bilden: E-Werk und Kohlenzeche trotz Kabelleitungen,88 E-Werk (Wasserkraftwerk) und fremde Stau- und Wehranlagen,89 bloße Hochspannungsleitung eines E-Werks,90 öffentliche Versorgungs- und Kommunikationseinrichtungen.91

34

Wasserwirtschaft: Eine mehrgemeindliche Betriebsstätte bilden Rohrleitungen eines Wasserwerks zur entgeltlichen Versorgung und nicht bloß zur Durchleitung,92 Wasserleitungen als räumliche Verbindung,93 Kanal zwischen Wasserwerk und Stauwerk.94 Keine mehrgemeindliche Betriebsstätte bilden: Wasserleitung zur Durchfuhr.95

35

73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95

BFH v. 25.9.1968 – I B 118/65 BStBl. II 1968, 827. BFH v. 20.4.1999 – VIII R 13/97, BStBl. II 1999, 542. FG Rh.-Pf. v. 19.8.1999 – 4 K 3182/97, EFG 1999, 1149. PrOVG v. 8.4.1930 – VIII. G.St. 133/29, RuPrVBl. 1930, 598. RFH v. 14.3.1939 – I 101/39, RStBl. 1939, 755; BFH v. 25.9.1968 – I B 118/65, BStBl. II 1968, 827 (anders für einen Umsteigepavillon). RFH v. 28.2.1939 – I 473/38, RStBl. 1939,1056; BFH v. 25.9.1968 – I B 118/65, BStBl. II 1968, 827. BFH v. 25.9.1968 – I B 118/65, BStBl. II 1968, 827; FG Sa.-Anh. v. 14.1.1999 – I 438/96, EFG 1999, 668 zum InvZulG. BFH v. 16.2.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492; H 30.1 GewStH 2016; a.A. Baldauf in Brandis/ Heuermann, § 30 GewStG Rz. 5 m.w.N. PrOVG v. v. 15.10.1907 – J.N. II 1789 Rep. II C 90/07, PrOVGE 51, 132; v. 8.4.1930 – VIII. G.St. 133/28, RuPrVBl 1930, 598. PrOVG v. 8.4.1930 – VIII. G.St. 133/28, RuPrVBl 1930, 598; PrOVG v. 19.5.1931 – VIII. G.St. 567/30, RuPrVBl. 1930, 801; RFH v. 7.5.1940 – I 328/39, RFHE 48, 317. PrOVG v. 8.4.1930 – VIII. G.St. 133/28, RuPrVBl 1930, 598; BFH v. 16.11.1965 – I B 249/62 U, BStBl. III 1966, 40. BFH v. 18.10.1967 – I B 270/63, BStBl. II 1968, 40; v. 16.11.1965 – BStBl. III 1966, 40. BFH v. 12.10.1977 – I R 227/75, BStBl. II 1978, 160; v. 28.10.1987 – I R 275/83, BStBl. II 1988, 292. BFH v. 26.2.1992 – I R 58/91, BFH/NV 1992, 766. FG Berlin-Bdb. v. 31.1.2008 – 13 K 2235/05 B, EFG 2008, 1060 zum InvZulG. BFH v. 2.11.1960 – I B 31/59 U, BStBl. III 1961, 8. BFH v. 4.2.1962 – I B 14/62 U, BStBl. III 1963, 156. BFH v. 16.11.1965 – I B 249/62 U, BStBl. II 1966, 567. BFH v. 10.7.1974 – I R 54/72, BStBl. II 1975, 42. PrOVG v. 17.10.1895 – Rep. VI. G. 425/95, PrOVGESSt 4, 384; v. 8.4.1930 – VIII. G. St. 590/28, RuPr.VBl 1930, 599. BFH v. 26.2.1992 – I R 58/91, BFH/NV 1992, 766. BFH v. 26.4.1954 – I B 186/53 U, BStBl. III 1954, 372; v. 12.10.1977 – I R 226/75, BStBl. II 1978, 111. So § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GewStG; anders noch PrOVG v. 18.10.1900 – J.N. VI. G. 111 – Rep. VI. G. 203/99, PrOVGESSt 9, 462 (tatsächliche Frage).

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GewStG § 30 Rz. 36 | Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten 36

Gaswirtschaft: Eine mehrgemeindliche Betriebsstätte bilden: Rohrleitung eines Gaswerks zur entgeltlichen Versorgung,96 Gasleitungen als räumliche Verbindung,97 unterirdischer Gasspeicher (Porenspeicher) und Bohrplatz,98 unterirdische Ferngasleitungen.99 Keine mehrgemeindliche Betriebsstätte bilden: bloßer Transport in Gasrohrleitung,100 Gas-Ausspeisungsstellen zum Transport des Erdgases,101 im Fall der Entflechtung von Netz- und Versorgungsbetrieb (Unbundling) eines Versorgungsunternehmens.102

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Mineralölwirtschaft: s.a. H 30.1 GewstH 2016 Eine mehrgemeindliche Betriebsstätte bilden: Unterirdische Rohrleitung zwischen Tanklager und Raffinerie,103 Rohrleitung, Pipeline,104 Rohrleitungen, Verteilerstation und Techniksitz.105 Keine mehrgemeindliche Betriebsstätte bilden: Bloße Durchführung von Öl ohne Verteilung,106 Pipeline zwischen Hauptsitz und Betrieb.107

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Fernwärme: Eine mehrgemeindliche Betriebsstätte bilden: Fernwärmeleitungen als räumliche Verbindung,108 verbundene Fernwärmeanlagen eines Elektrizitätsunternehmens.109

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Windkraft: Keine mehrgemeindliche Betriebsstätte bilden: Windkraftanlage und Mühle,110 Stromnetz für einen Elektrizitätserzeuger einer Windkraftanlage.111 Mit der Einspeisung des erzeugten Stroms in das Stromnetz durch einen Windpark ist die Aufgabe des Elektrizitätserzeugers abgeschlossen, so dass die Verbindung der einzelnen Windkraftanlagen durch das Stromnetz keinen für eine mehrgemeindliche Betriebsstätte hinreichenden Zusammenhang darstellt.112 Ein Windpark ist eine Betriebsstätte, erstreckt er sich über die Gemeindegrenze eines einzigen Grundstücks liegt auch eine mehrgemeindliche Betriebsstätte vor. Standorte und Sitz der Geschäftsleitung von Windkraftanlagen bilden Betriebsstätten.113

96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113

492

PrOVG v. 17.10.1895 – Rep. VI. G. 425/95, PrOVGESSt 4, 384. BFH v. 26.2.1992 – I R 58/91, BFH/NV 1992, 766. FG Hamburg v. 1.10.2004 – VI 181/02, EFG 2005, 804. FG Düsseldorf v. 19.1.2017 – 14 K 2779/14 G, EFG 2017, 586, aber: § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GewStG. PrOVG v. 15.10.1907 – J.N. II 1789 Rep. II C 90/07, PrOVGE 51, 132; vgl. § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GewStG. FG Düsseldorf v. 19.1.2017 – 14 K 2779/14 G, EFG 2017, 586. BFH v. 18.2.2021 – III R 8/19, BStBl. II 2021, 627. BFH v. 20.2.1974 – I R 179/72, BStBl. II 1974, 427; v. 10.7.1974 – I R 54/72, BStBl. II 1975, 42. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12 zum BewG. BFH v. 20.10.1977 – I R 226/75, BStBl. II 1978, 111; v. 12.10.1977 – I R 227/75, BStBl. II 1978, 160; v. 30.10.1996 – II R 12/923, BStBl. II 1997, 12. BFH v. 12.10.1977 – I R 227/75, BStBl. II 1978, 160, BStBl. II 1978, 160; FG München v. 29.7.1975 – VII 89/70, EFG 1976, 24. BFH v. 12.10.1977 – I R 227/75, BStBl. II 1978, 160. BFH v. 26.2.1992 – I R 58/91, BFH/NV 1992, 766. FG Berlin 12.3.2003 – 2 K 4039/00, EFG 2003, 1117. FG Sa.-Anh. v. 14.1.1999 – I 438/96, EFG 1999, 668 zum InvZulG. FG Nds v. 16.2.2006 – 6 K 457/04, StEW 2006, 147; bestätigt durch BFH v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836. FG Nds. v. 16.2.2006 – 6 K 457/04, StEW 2006, 147; bestätigt durch BFH v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836. OFD Düsseldorf, DB 2004, 733; näher Meier, FR 2006, 538; Trossen, DStZ 2006, 836.

Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten | Rz. 46 § 30 GewStG

Telekommunikationswirtschaft: Eine mehrgemeindliche Betriebsstätte bilden: Hausverteiler- und SAT-Anlagen als Betriebsstätte,114 die Kabelleitungen des Telefonnetzes der Deutschen Telekom.115 Keine mehrgemeindliche Betriebsstätte bilden: Basisstationen von Mobilfunknetzen und Mobilfunkunternehmen,116 öffentliche Kommunikationseinrichtungen und Kommunikationsleitungen wie Telekommunikationsnetz, Telefonnetz.117

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Sonstige: Die Müllgefäße eines Müllabfuhrunternehmens in verschiedenen Gemeinden begründen keine mehrgemeindliche Betriebsstätte.118

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frei

42–44

II. Zerlegungsmaßstab 1. Art des Zerlegungsmaßstabs a) Grundsätze Liegt eine mehrgemeindliche Betriebsstätte vor, so ist der Steuermessbetrag oder der (primäre) Zerlegungsanteil zu zerlegen. Aus der Formulierung, „nach der Lage der örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der durch das Vorhandensein der Betriebsstätte erwachsenden Gemeindelasten“, ergibt sich nur ein grober, im Einzelfall konkretisierungsbedürftiger Maßstab. Rechtsfolge einer bestehenden mehrgemeindlichen Betriebsstätte ist, dass das Finanzamt den Steuermessbetrag oder den Zerlegungsanteil (bei zusätzlich mehreren selbständigen Betriebsstätten) nach Maßgabe der Lage der örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der durch das Vorhandensein der Betriebsstätte erwachsenen Gemeindelasten zerlegen muss. Ortslage und Ortslasten hängen praktisch kaum trennbar zusammen119 und ergeben im Ergebnis den konkreten Zerlegungsmaßstab.

45

Mit dieser Regelung hat das Gesetz eine deutliche Trennung zwischen der Verpflichtung zur Zerlegung und dem dabei anzuwendenden Maßstab vorgenommen. Wenn das Gesetz vorschreibt, dass die der Gemeinde erwachsenen Lasten zu berücksichtigen seien, so besagt das nur, dass derartige Lasten dann zu berücksichtigen sind, wenn sie entstehen. Die Vorschrift besagt jedoch nicht, dass eine Zerlegung derartige Lasten voraussetze.120 Die beiden vom Finanzamt realitätsgerecht und konkret zu ermittelnden dann und festzustellenden Umstände sind selbst nur eine bloße Zerlegungsdirektive und per se kein Zerlegungsmaßstab.121 Es handelt sich um zwei unbestimmte Gesetzesbegriffe.122 Sie sind verfassungsrechtlich hinreichend bestimmt, da die konkretisierungsfähig sind. Bereits die Zerlegung nach § 29 Abs. 1 GewStG beruht bewusst auf einem möglichst einfachen und „rohen Verfahren“123, weil eine den Verhältnissen des Einzelfalls voll gerecht werdende Zerlegung mit einer nicht

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114 FG Berlin v. 27.11.1996 – II 233/94, EFG 1997, 701. 115 FG Köln, v. 27.11.2006 – 2 K 6440/03, EFG 2007, 372. 116 OFD Hannover, DB 1999, 1141; OFD Frankfurt, FR 2000, 1059; R 30.1 Satz 2 GewStR 2009; a.A. Baldauf in Brandis/Heuermann, § 30 GewStG Rz. 5. Dies betrifft Mobilfunkmasten. Es handelt sich zwar um Betriebsstätten, aber es fehlt eine räumliche und nicht nur drahtlose Verbindung, Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllman/Heinemann2, § 29 GewStG Rz. 14. 117 BFH v. 10.7.1974 – I R 54/72, BStBl. II 1975, 42; FG Sa.-Anh. v. 14.1.1999 – I 438/96, EFG 1999, 668 zum InvZulG; BFH v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492. 118 BFH v. 8.3.1988 – VIII R 270/81, BFH/NV 1988, 735. 119 Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 30 GewStG Rz. 19, 21. 120 BFH v. 28.10.1987 — I R 275/83, BStBl. II 1988, 292. 121 BFH v. 28.10.1987 — I R 275/83, BStBl. II 1988, 292: „grober Maßstab”. 122 BFH v. 28.10.1987 — I R 275/83, BStBl. II 1988, 292: „unbestimmter Rechtsbegriff“. 123 BFH v. 1.3.1967 – I B 240/62 u.a., BStBl. III 1967, 324.

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GewStG § 30 Rz. 47 | Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten zu vertretenden Verwaltungsarbeit verbunden und wegen notwendiger Schätzungen ohnehin kaum zu erreichen wäre. 47

Aus der Benennung der beiden Faktoren Ortslage und Ortslasten wird geschlossen, dass diese Auszählung abschließend ist und dass andere „Umstände“ nicht in die Zerlegung einfließen dürfen.124 Dazu gehören die finanzielle Lage der Gemeinden, ihr besonderer Finanzbedarf, ihre Struktur oder die Verhältnisse des gesamten Gewerbebetriebs und Unternehmens,125 wie etwa die Arbeitslöhne insgesamt oder den Leistungsumfang des Unternehmens.126 Auch die Kosten der vorlagerten Ansiedelung des Unternehmens sollen hier grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sein.127 Ob die erzielten Einnahmengrößen der Betriebsstätte bzw. des Unternehmens oder Leistungsumfang des Unternehmens per se berücksichtigt werden dürfen, ist im Hinblick auf den speziellen Lastenausgleich und die Preispolitik der Konkurrenz fraglich. Dies betrifft etwa Stromeinnahmen.128

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Die konkrete, lokale Lastenanalyse nähert sich der Praxis der Funktion und den Indikatoren eines kommunalen Finanzausgleichs. Die dort in den Ländergesetze niedergelegten Indikatoren sind außerordentlich vielfältig und anpassungsfähig. Sie sind Grundlage für Finanzzuweisungen und (Sonder-)Bedarfszuweisungen des Landes an die Kommunen etwa zugunsten der kommunalen Infrastruktur und der kommunalen Schullasten.129 Im Grundsatz orientiert sich der kommunale Finanzausgleich immer noch an der je nach Bedarfsart veredelten Einwohnerzahl, die als allgemeiner Lastenfaktor der Kommunen dient.130 Das zugrunde liegenden Bild und die These des kanalisierten (städtischen) Einwohners und der damit verbundenen Einwohnerveredelung prägen seit der Weimarer Republik131 bis heute die kommunale Finanzausgleichssysteme. Unter heutigen Bedingungen gilt diese Form der Bedarfs- und Lastenanalyse als „überholt“.132 Der Arbeitnehmer-Einwohner als Lastenfaktor und die Zerlegungskonzeption der lastenverursachenden Betriebstätte scheinen mittlerweile auch nicht mehr zeitgemäß.133

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Die Zerlegungsfaktoren müssen realitätsgerecht sein. Soweit statistische Angaben zugrunde gelegt werden, müssen diese zuverlässig und zeitgemäß sein.134 Zudem müssen sie die Besonderheiten des Wirtschaftssektors und des Geschäftsmodells des Unternehmens sowie die Mobilität der Arbeitnehmer berücksichtigen. Der Anlagenwert eines Unternehmens kann nicht nur ein Lastenfaktor sein, sondern auch einen Standortvorteil begründen.135 Zudem kann die Betriebsstätte die Kaufkraft in der Gemeinde erhöhen. Allerdings solle eine Aufrechnung de Vor- und Nachteile nicht zulässig sein. Nicht zuletzt ist noch ungeklärt, ob und inwieweit Emission und Umweltfaktoren auch im Hinblick auf Art. 20a GG zu berücksichtigen sind.136

124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136

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Güroff in Glanegger/Güroff10, § 30 GewStG Rz. 5. BFH v. 1.3.1967 – I B 240/62 u.a., BStBl. III 1967, 324 zur Auslegung des § 33 Abs. 1 GewStG. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 30 GewStG Rz. 5. BFH v. 28.10.1964 – I B 403/61 U, BStBl. III 1965, 113; a.A. Baldauf in Brandis/Heuermann, § 30 GewStG Rz. 13. Gegen die Berücksichtigung von Stromeinnahmen eines Elektrizitätsversorgungsunternehmens FG BW v. 22.12.1997 – 12 K 60/97, EFG 1998, 503; von BFH v. 28.10.1999 – I R 8/98 BFH/NV 2000, 579 aus formellen Gründen aufgehoben. Beispiel: Bayerisches FAG 2021. Gegen die Berücksichtigung der Arbeitnehmer-Einwohner FG BW v. 22.11.1997 – 12 K 60/97, EFG 1998, 503 mit Hinweis auf die Vorteile erhöhter Einwohnerzahlen. Grundlegend Popitz, Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden, Berlin 1932, S. 266. Landesverfassungsgericht Sa.-Anh. v. 9.12.2012 – LVG 23/10, DVBl. 2012, 1494. Das Einführungsgesetz zu den Realsteuergesetzen v. 1.12.1936 hatte die Betriebsgemeinden noch verpflichtet, dem Wohnsitzgemeinden einen Gewerbesteuerausgleich zu zahlen. Deutlich FG BW v. 22.11.1997 – 12 K 60/97, EFG 1998, 503. FG BW v. 22.11.1997 – 12 K 60/97, EFG 1998, 503. Ablehnend R 33.1 Abs. 1 Satz 6 GewStR 2009.

Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten | Rz. 54 § 30 GewStG

Die Anwendung des konkreten Maßstabs kann ohne weiteres dazu führen, dass eine beteiligte Gemeinde keinen Zerlegungsanteil erhält, wenn dort keine Belastungsfaktoren vorliegen.137 b) Beurteilungsspielraum der Finanzbehörde Ungeachtet der kaum einschränkenden Formulierung „unter Berücksichtigung“ statt „unter Beachtung“ vermitteln die beiden Rechtsbegriffe der Behörde keinen Ermessenspielraum auf der Rechtsfolgeseite. Auch sonst fehlen im Wortlaut Anhaltspunkte für ein Ermessen. Welcher Maßstab im Einzelnen anzulegen ist, um Lastenausgleichsziel zu erreichen, bestimmt das Gesetz zwar nicht. Dennoch besteht kein „Ermessen“138 der Finanzbehörden.

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Allerdings steht der örtlich zuständigen Finanzbehörde entgegen der vorherrschenden Auffassung ein Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum zu. Dies betrifft besonders die Mischung und Gewichtung von Lastenfaktoren, dagegen nicht ihre Auswahl. Die Regelung des § 30 GewStG sowie Sonderregelungen in § 33 GewStG gehen davon aus, dass die Zerlegung in diesen Fallgruppen am besten bei den Beteiligten „vor Ort“ aufgehoben ist.

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Die Auswahl der Faktoren und ihre Gewichtung139 müssen zumindest vertretbar sein. Da die komplexe Verwaltungsentscheidung von Einzelfall, der konkreten Betriebsstätte, der Ortslage und der Lastenlage abhängig ist, wird sich das Finanzgericht, erst die Revision, schwertun, eine eigene Lastenentscheidung zu treffen, und sich daher auf eine Rechtskontrolle der maßgebliche Zerlegungsfaktoren beschränken. Der relativ weiter Spielraum der Verwaltung wird nach § 33 GewStG nur insofern eingeschränkt wird, als die Zerlegung nicht zu einem offenbar unbilligen Ergebnis führen darf. Auch dort haben die Beteiligten Gestaltungsspielräume. Die gesetzesgebundene Verwaltungsentscheidung ist daher im Rechtsbehelfsverfahren und Gerichtsverfahren im Übrigen in vollem Umfang auch revisionsrechtlich nachzuprüfbar.140

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Eine Interessenabwägung141 muss und darf das Finanzamt nicht vornehmen. Hierfür fehlen Maßstäbe; auch liegt keine Gemeinwohlklausel vor. Es handelt es sich auch nicht um eine „Schätzung“,142 sondern eine rechtsgeleitete Quantifizierung der nachprüfbaren Lastenkriterien und Lastenanteile und der zugrunde liegenden unbestimmten Gesetzesbegriffe. Dies setzt voraus, dass die Lasten auch quantifizierbar sind. Dies bestreitet die Finanzverwaltung143 etwa bei „weichen“ Belastungen (Umweltbelastung, Lärm, Schadstoffausstoß, Werteverluste an Grundstücken). Dies ist in dieser pauschalen Art heute überholt.

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Hierbei vollzieht sich die Ermittlung des konkreten Zerlegungsmaßstabs und des Zerlegungsergebnisses in drei Schritten: – Zunächst hat das Finanzamt die Lage der örtlichen Verhältnisse mit Blick auf die Betriebsstätte zu ermitteln. – Sodann hat das Finanzamt zu ermitteln und festzustellen, welche Lasten den Gemeinden aus der konkreten Betriebsstätte erwachsen. – Im dritten und letzten und hiermit eng zusammenhängenden Schritt hat das Finanzamt die gewonnenen Zerlegungsfaktoren zu gewichtet und die Zerlegungsanteile der betroffenen Gemeinden zu bestimmen.

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137 FG Hamburg v. 1.10.2004 – VI 181/02, EFG 2005, 804. 138 Deutlich BFH v. 18.12.1986 – I B 31/86, BFH/NV 1987, 394; missverständlich noch BFH v. 28.10.1964 – I B 403/61 U, BStBl. III 1965, 113. 139 FG Köln v. 27.11.2006 – 2 K 6440/03, EFG 2007, 372. 140 Ebenso Güroff in Glanegger/Güroff10, § 30 GewStG Rz. 5a. 141 So aber noch BFH v. 26.10.1954 – I B 186/53 U, BStBl. III 1954, 372. 142 So aber noch BFH v. 26.10.1954 – I B 186/53 U, BStBl. III 1954, 372. 143 R 33.1 Abs. 1 Satz 6 GewStR 2009.

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GewStG § 30 Rz. 55 | Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten 2. Lage der örtlichen Verhältnisse 55

Die Zerlegung richtet sich zunächst nach der Lage der örtlichen Verhältnisse. Diese Ortslage muss das Finanzamt rechtstatsächlich ermitteln. Es gilt festzustellen, ob und in welcher Weise und Intensität das Vorhandensein der Betriebsstätte die örtlichen Gegebenheiten beeinflusst hat.144 Bezugspunkt sind hier die neue Gemeindelasten, nicht die neuen Standort- und Folgenvorteile, die mit der Begründung der Betriebsstätte kausal („erwachsen“) verbunden sind. Beide Faktoren sind in der Tat nicht vollständig zu trennen. Ob diese überkommene einseitige Lastenanalyse der wirtschaftlichen Realität der deutschen Gemeinden und der Unternehmenspraxis entspricht, erscheint heute fraglich.

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Bezogen auf die einheitliche Betriebsstätte ist die Lage der einzelnen Betriebsteile in Beziehung zum jeweiligen Gemeindegebiet nach Fläche und Nutzung festzustellen.145 Zudem kann der Wert der betrieblichen Anlagen in den Teilbetrieben ermittelt werden.146

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Auch die Art des Unternehmens und seiner Leistungen spielt eine lokale Rolle. Personenbezogen kann nach der Zahl der Arbeitnehmer (zusätzlich Kinder, Familienangehörige) gefragt werden, unter der Prämisse, dass diese tatsächlich ihren Wohnsitz in den betroffenen Gemeinden haben. In diesem Sinne ist der Arbeitnehmer-Einwohner ein Kostenfaktor für die Inanspruchnahme der kommunalen technischen und soziokulturellen Infrastruktur (Straßen, Wohnungen, Versorgungseinrichtungen, Schulen, kulturelle Einrichtungen). Diese kommunalen Einrichtungen dürfen oder müssen die Gemeinde betreiben.147 3. Gemeindelasten a) Art der Ortslasten

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Bei der Zerlegung sind die durch das Vorhandensein der Betriebsstätte erwachsenen Gemeindelasten zu berücksichtigen. Diese Gemeindelasten sind Folge der durch die Betriebsstätte (negativ) beeinflussten örtlichen Verhältnisse. Gemeindegewinne scheiden damit einseitig aus. Es muss sich um betriebsspezifische, gemeindliche Lasten handeln. D.h., die Ortlasten müssen durch das Vorhandensein und die Begründung der Betriebsstätte erwachsen sein. Vorgelagerte Kosten genügen diesem Kausalzusammenhang grundsätzlich nicht. Dauerlasten in Folge der Investition sind zu berücksichtigen. Bezugspunkt ist die einheitliche Betriebsstätte. D.h., der „kausale“ Lastenzusammenhang muss nicht zwingend zu dem in der Gemeinde tatsächlich belegenen Betriebsteil bestehen. Vielmehr ist auf die Lasten, die durch die Betriebsstätte insgesamt entstehen, abzustellen.148 Eine Beschränkung auf bloße Arbeitnehmerfolgekosten ist zu eng.

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Schließlich muss sich es um Lasten handeln, die sich „direkt“ auf die gemeindlichen Haushalte auswirken.149 Diese Form der Haushaltswirksamkeit ist allerdings in modernen kommunalen Haushalten eher großzügig zu verstehen. Andererseits bilden diese Haushalte auch einen politisch bestimmten Finanzbedarf ab, den die Gemeinde zu verantworten hat. Für die aufgabenakzessorischen (Mindest-)Finanzausstattung ist zudem das Land zuständig. Das Land ist auch für die allgemeine Finanzlage der Gemeinde mitverantwortlich. Auch finanzielle Fehlmaßnahmen der Gemeinden rechtfertigen nicht die Anwendung eines besonderen Zerlegungsmaßes.

144 Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 30 GewStG Rz. 21. 145 So BFH v. 28.2.1956 – I B 170/54, BeckRS 1956, 21009035. 146 BFH v. 28.2.1956 – I B 170/54, BeckRS 1956, 21009035; krit. FG BW v. 22.11.1997 – 12 K 60/97, EFG 1998, 503. 147 Eine Liste findet sich in den Gemeindeordnungen der Länder, z.B. § 107 Abs. 2 GO NRW. 148 Ebenso BFH v. 18.4.1951– I B 34/50 U, BStBl. III 1951, 124; v. 28.2.1956 – I B 170/54 BeckRS 1956, 21009035; v. 27.2.1963 – I B 321/61, HFR 1964, 124; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 30 GewStG Rz. 7a. 149 BFH v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836.

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Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten | Rz. 62 § 30 GewStG

Die Praxis der Finanzverwaltung und der Finanzgerichte stützt sich traditionell auf solche Lasten, die mit der kommunalen Infrastruktur und kommunalen Daseinsvorsorge eng verbunden sind und zu entsprechenden Investitionen (Bau und Unterhaltung) bestimmte Einrichtungen führen (müssen). Auch an diesen Lasten beteiligen sich Bund und vornehmlich die jeweiligen Länder. Hierzu gehören namentlich Straßen, Wohnungen, öffentliche, kommunale Einrichtungen (Verwaltung, Kindergärten, Krankenhäuser, Schulen, Altersheime) als mögliche Folgelasten aus dem Vorhandensein des Gewerbebetriebs. Fürsorge- und Soziallasten sowie Polizeilasten lassen sich dem Gewerbebetrieb nicht mehr zurechnen.

60

b) Kasuistik der betriebsspezifischen Lastenindikatoren Als mögliche Faktoren kommen dabei die folgenden betriebs- und lokalspezifische Lastenindikatoren in Betracht. Die Gewichtung dieser personellen, subjektiven, sachlichen, objektiven Faktoren unterliegt dann noch einer zusätzlichen Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Verwaltung und Rechtsprechung haben diese Faktoren etwa bei Versorgungsunternehmen entwickelt und regelmäßig kombiniert angewendet: – die Anzahl der im Gemeindegebiet wohnhaften (aktiven) Arbeitnehmer (Faktor Wohnen Arbeitnehmer),150 – einschließlich der Familienmitglieder und der Arbeitnehmer-Schulkinder im Hinblick auf die Schullasten,151 – die Kosten der von ihnen beanspruchten Verkehrseinrichtungen und Versorgungs- bzw. Entsorgungsanbindungen,152 – die Höhe der Betriebseinnahmen oder Umsätze je Betriebsteil,153 – die Fläche und der Wert der Betriebsgrundstücke und Betriebsanlagen nach Steuerbilanzwerten (Faktor Betriebsanlagen),154 – bei Elektrizitätsunternehmen bzw. Unternehmen der Wasserwirtschaft zumindest z.T. Menge und Wert der Strom- bzw. Wasserabgabe,155 – Flächengröße der Betriebsgrundstücke und -anlagen in der Gemeinde,156 teilweise nach Maßgabe der – an sich überholten – Einheitswerte,157 – Kosten der Inanspruchnahme von öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen, insbesondere Wegebaulasten,158 – Menge und Wert der Stromabgabe bei Elektrizitätsunternehmen bzw. des Verbrauchs bei Versorgungsunternehmen, z.B. die Wasserabgabe, als zusätzlicher Faktor.159

61

Entstehen einer Gemeinde keine Lasten dadurch, dass überhaupt Arbeitnehmer der Betriebsstätte in ihr wohnen, so entfällt lediglich der Faktor „Wohnen Arbeitnehmer“. Dies hat nicht zwingend zur Folge, dass diese Gemeinde keine Zerlegungsanteil erhält.160 Viel-

62

150 BFH v. 28.10.1987 – I R 275/83, BStBl. II 1988, 292; v. 28.10.1964 – I B 403/61 U, BStBl. III 1965, 113; v. 26.10.1954 – I B 186/53 U, BStBl III 1954, 372; RFH v. 7.5.1940 – I 328/39, RStBl. 1940, 714. Zur Gewichtung FG BW v. 22. 12. 1997 – 12 K 60/97, EFG 1998, 503. 151 BFH v. 28.10.1987 – I R 275/83, BStBl. II 1988, 292; RFH v. 7.5.1940 – I 328/39, RStBl. 1940, 714. 152 BFH v. 26.10.1954 – I B 186/53, BStBl. III 1954, 372. 153 BFH v. 16.11.1965 – I B 249/62 U, BStBl. III 1966, 40; FG Köln v. 27.11.2006 – 2 K 6440/03, EFG 2007, 372. 154 BFH v. 28.10.1987 – I R 275/83, BStBl. II 1988, 292; RFH v. 7.5.1940 – I 328/39, RStBl. 1940, 714; a.A. FG BW v. 22. 12. 1997 – 12 K 60/97, EFG 1998, 503. 155 FG Sachs. v. 18.12.2013 – 8 K 1098/09, wiedergegeben in BFH v. 8.6.2015 – I B 13/14, BFH/NV 2015, 1695; FG Düsseldorf v. 24.2.1992 – 17 K 57/83 G, EFG 1992, 550. 156 BFH v. 28.10.1987 – I R 275/83, BStBl. II 1988, 292. 157 BFH v. 28.10.1964 I – B 403/61 U, BStBl. III 1965, 113. 158 BFH v. 26.10.1954 – I B 186/53 U, BStBl. III 1954, 372; v. 27.2.1963 – I B 321/61, HFR 1964,124. 159 BFH v. 28.10.1987 – I R 275/83, BStBl. II 1988, 292; FG Düsseldorf v. 24.2.1992 17 K 57/83 G, EFG 1992, 550; RFH v. 7.5.1940 – I 328/39, RStBl. 1940, 714; a.A. FG BW v. 22. 12. 1997 – 12 K 60/97, EFG 1998, 503. 160 BFH v. 28.10.1987 – I R 275/83, BStBl. II 1988, 292.

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GewStG § 30 Rz. 63 | Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten mehr ist die Zerlegung nach den übrigen Faktoren vorzunehmen. An der Zerlegung nimmt eine Gemeinde nicht teil, wenn Arbeitnehmer einer gebietsfremden Betriebsstätte in ihr wohnen.161 Entstehen einer Gemeinde keinerlei Lasten, so beläuft sich ihr Zerlegungsanteil aus null Euro.162 63

Die von den jeweiligen Teilen der Betriebsstätte gezahlten Arbeitslöhne spiegeln zwar nicht das jeweilige Ausmaß der Arbeitsnehmerfolgelasten für die Gemeinde wider. Letztlich basiert aber auch die Verteilung des Messbetrags nach § 30 GewStG auf einem groben Maßstab. Es dürfte daher nicht zu beanstanden sein, wenn in geeigneten Fällen auch die gezahlten Arbeitslöhne in der einheitlichen Betriebsstätte (als Einheit mehrerer Betriebsstätten nach der Rechtsprechung) in die Gesamtüberlegung zur Zerlegung nach § 30 GewStG einfließen.163 Durch eine unterschiedliche Gewichtung der in den jeweiligen zu beteiligenden Gemeinden unterschiedlich stark ausgeprägten Faktoren wird letztlich der entsprechende Anteil der Gemeinde im Zusammenhang mit der mehrgemeindlichen Betriebsstätte berechnet.

64

Den betriebsspezifischen Lastenzusammenhang hat die Praxis in folgenden Fällen verneint: – Umweltbelastungen,164 – auch negative Auswirkungen auf das Orts- und Landschaftsbild, Wertminderungen von Wohngrundstücken, negative Auswirkungen auf den Tourismus und über die normale Nutzung von Straßen und Wegen hinausgehende Kosten durch Schwerlasttransporter,165 – Ansiedlungskosten,166 – Kosten der Zulieferbetriebe,167 – Bauschutzmaßnahmen,168 – Zahl der Einwohner.169 4. Ermittlung und Aufteilung der Gemeindelasten

65

Die konkrete betragsmäßige Ermittlung zielt nicht auf die Bestimmung der tatsächlichen Lasten der Gemeinden. Die Praxis der Finanzverwaltung und der Gerichte versucht, bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten das Verhältnis der jeweiligen Gemeindelasten, die z.B. in den Kosten für Bau und Unterhaltung von Straßen, Wohnungen, öffentlichen Einrichtungen. bestehen, durch eine differenzierte Relation von mehreren Lastenindikatoren darzustellen. Die nötige Gewichtung zulässiger Belastungsfaktoren ist eine Frage des Einzelfalls und obliegt dem FG.170

66

Regelmäßig bestehen mehrere Lastenfaktoren für die Zerlegung der Messbetrags bzw. des Zerlegungsanteils. In diesem Fall darf nicht der zur Verteilung kommende Betrag nach einem bestimmten Zahlungsverhältnis verteilt werden; vielmehr müssen zunächst für jeden 161 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 30 GewStG, § 30 Rz. 7a. 162 FG Hamburg v. 1.10.2004 – VI 181/02, EFG 2005, 804. 163 FG Köln v. 27.11.2006 – 2 K 6440/03, EFG 2007, 372; vgl. auch BFH v. 16.11.1965 – I B 249/62 U, BStBl. III 1966, 40; v. 28.10.1987 – I R 275/83, BStBl. II 1988, 292; FG Rh.-Pf. v. 19.8.1999 – 4 K 3182/97, EFG 1999, 1149; Liedtke in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 30 GewStG Rz. 42; a.A. Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, § 30 GewStG Rz. 19; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 30 GewStG Rz. 5. 164 BFH v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836; a.A. FG BW v. 22. 12. 1997 – 12 K 60/97, EFG 1998, 503; FG Rh.-Pf. v. 19.8.1999 – 4 K 3182/97, EFG 1999, 1149. 165 BFH v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836; Vorinstanz FG Nds. v. 16.2.2006 – 6 K 457/04, StEW 2006, 147. 166 BFH v. 28.10.1964 – I B 403/61 U, BStBl. III 1965, 113. 167 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 30 GewStG Rz. 7. 168 BFH v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836. 169 FG BW v. 22. 12. 1997 – 12 K 60/97, EFG 1998, 503. 170 BFH v. 3.7.2008 – I B 28/07, StEW 2008, 89.

498

Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten | Rz. 70 § 30 GewStG

einzelnen Faktor seiner Wichtigkeit entsprechende Bruchteile gebildet werden und sodann für jeden Bruchteil geeignete Größen gesucht werden. Beispiel 1: Ein Gewerbebetrieb unterhält nur eine inländische Betriebstätte. Diese erstreckt sich über die Gemeinde A und B. Neben dem als im konkreten Fall für die Arbeitnehmerfolgelasten geeigneten Faktor Arbeitnehmerlohn sollen für die Zerlegung noch zwei weitere Lastenindikatoren zu berücksichtigen sein. Den Arbeitnehmerfolgelasten und damit dem Arbeitslohn soll ein Gewicht i.H.d. von der Rechtsprechung im Regelfall vorgesehenen Mindestgewichtung von 50 % zukommen. Der Gemeinde A sind 500.000 € Arbeitslohn, der Gemeinde B 1.000.000 € an Arbeitslohn zuzuordnen. Der Gewerbesteuermessbetrag insgesamt beträgt 36.000 €. 18.000 € (50 % von 36.000 €) sind nach dem Lastenindikator Arbeitnehmer zu verteilen. Von den 18.000 € entfallen 6.000 € (500.000/1.500.000) auf die Gemeinde A und der verbleibende Betrag von 12.000 € auf die Gemeinde B. Der nicht unter dem Gesichtspunkt der Arbeitnehmerfolgelasten verteilte Gewerbesteuermessbetrag von ebenfalls 18.000 € ist nach einer entsprechenden Gewichtung der weiteren zwei Indikatoren und deren Verhältnis zueinander ebenfalls den Gemeinden A und B zuzuordnen. Aus der Summe der jeweiligen Teilergebnisse ergibt sich der konkrete Zerlegungsanteil für die Gemeinden A und B. Beispiel 2: Das Handelsunternehmen H, dessen Betriebsanlagen sich über die Gemeinden A und B erstrecken, beschäftigt insgesamt 500 Arbeitnehmer. In A wohnen 200, in B 300 Arbeitnehmer. Die Zahl ihrer schulpflichtigen Kinder in A beträgt 200, in B 400. Der Wert des Betriebsvermögens verteilt sich auf A mit 500.000 €, auf B mit 1,5 Mio. €. Der einheitliche Gewerbesteuermessebetrag für H beträgt 40.000 €. Nach Prüfung der örtlichen Verhältnisse gewichtet das FA zulässig die Zahl der Arbeitnehmer mit 50 %, die Zahl der schulpflichtigen Kinder mit 30 % und die Anlagewerte mit 20 %. Gemeinde A

Arbeitnehmer

schulpfl. Kinder

Anlagewerte

200 = 40 %

200 = 50 %

500.000 = 25 %

B

300 = 60 %

200 = 50 %

1,5 Mio. = 75 %

Summe

500 = 100 %

400 = 100 %

2 Mio. = 100 %

In %

A

B

Zerlegungsfaktor Arbeitnehmer

50

50 × 40 = 2.000

50 × 60 = 3.000

schulpfl. Kinder

30

30 × 50 = 1.500

30 × 50 = 1.500

Anlagewerte

20

20 × 25 = 500

20 × 75 = 1.500

Summe

100

40,00

60,00

40.000 €

16.000 €

24.000 €

Messbetrag

Im Hinblick auf den von Gesetzgeber nicht klar formulierten und beschriebenen Maßstab und einem Interessengegensatz der Beteiligten sollte angestrebt werden, die Zerlegung im Rahmen einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte möglichst einvernehmlich zu regeln. Hier bietet sich eine (vorrangige) Einigung i.S.d. § 33 Abs. 2 GewStG an. frei

67

68–69

III. Verfahren Im Zusammenspiel von § 28 GewStG und § 30 GewStG kommt es zu einer mehrfachen Zerlegung. Unterhält ein Unternehmen mehrere selbständige Betriebsstätten in verschiedenen Gemeinden und ist darunter auch eine Betriebsstätte, die sich auf mehrere Gemeinden erstreckt (mehrgemeindliche Betriebsstätte), so ist in dem Zerlegungsbescheid eine Zerlegung in zwei Stufen durchzuführen:

499

70

GewStG § 30 Rz. 71 | Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten – Zunächst ist der Gewerbesteuermessbetrag nach dem Maßstab des § 29 GewStG auf die Betriebstätten in den verschiedenen Gemeinden zu zerlegen (Hauptzerlegung). – Anschließend ist der Zerlegungsanteil, der auf die mehrgemeindliche Betriebsstätte entfällt, nach § 30 GewStG auf diejenigen Gemeinden weiter zu zerlegen, auf die sich die mehrgemeindliche Betriebsstätte erstreckt (Unterzerlegung). Die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages ist somit nicht in zwei getrennten Zerlegungsbescheiden vorzunehmen.171 Beispiel: Ein Unternehmen hat Betriebsstätten in den Gemeinden A, B und C, wobei eine (einheitliche) Betriebsstätte auf dem Gebiet der Gemeinden B und C liegt. 1. Schritt: Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags nach dem Maßstab des § 29 GewStG auf die Betriebsstätten in A und B/C nach dem Regelmaßstab der Arbeitslöhne. 2. Schritt: Unterzerlegung des auf B/C entfallenden Gewerbesteuermessbetrags auf die Gemeinden B und C nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse gem. § 30 GewStG.

71

Da die Zerlegungsmaßstäbe der §§ 29 und 30 GewStG im konkreten Fall nicht identisch sein werden, ergeben sich unterschiedliche Zerlegungsfolgen und Zerlegungsanteile, obwohl in beiden Konstellationen je eine Betriebsstätte besteht. Daher hat das Finanzamt genau zu prüfen, ob eine bzw. mehrere selbständige Betriebsstätten oder eine mehrgemeindliche Betriebsstätte vorliegen.

72

Zuständig ist das Betriebsfinanzamt. Es entscheidet in einem einheitlichen Verfahren mit einem einzigen Zerlegungsbescheid172 über beide Zerlegungsgründe des zweistufigen Verfahrens über die Ermittlung und Festlegung des jeweiligen Maßstabes und die Zerlegungsanteile. Das Finanzamt hat zwar einen erheblichen Entscheidungsspielraum gerade bei der Wahl, Mischung und Gewichtung der Zerlegungsfaktoren. Nach herrschender Auffassung handelt es sich aber nicht um eine Ermessensentscheidung, sondern um eine durchgängig gebundene Entscheidung.173 Die Entscheidung entfällt, wenn sich die Beteiligten (Gemeinden, Steuerpflichtiger, § 186 AO) auf eine Zerlegung nach § 33 Abs. 2 GewStG verständigen. § 33 Abs. 1 GewStG wird durch § 30 GewStG verdrängt.

73

Die Entscheidung ist mit Einspruch und Klage vor dem FG anfechtbar. Eine Gemeinde kann geltend machen, dass sie keinen Zerlegungsanteil erhalten hat174 oder der Lastenschlüssel175 nicht zutreffend ist. Der Steuerpflichtige ist im Hinblick auf unterschiedliche Hebesätze grundsätzlich beizuladen.

171 BFH v. 12.10.1977 – I R 227/75, BStBl. II 1978, 160; H 30.1 GewStH 2016. 172 BFH v. 12.10.1977 – I R 227/75, BStBl. II 1978, 160. 173 BFH v. 18.12.1986 – I B 31/86, BFH/NV 1987, 394; näher Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 30 GewStG Rz. 18. 174 BFH v. 28.10.1987 – I R 275/83, BStBl. II 1988, 292. 175 BFH v. 10.4.1974 – I R 54/72, BStBl. II 1975, 42.

500

§ 31 Begriff der Arbeitslöhne für die Zerlegung (1) 1Arbeitslöhne sind vorbehaltlich der Absätze 2 bis 5 die Vergütungen im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie nicht durch andere Rechtsvorschriften von der Einkommensteuer befreit sind. 2Zuschläge für Mehrarbeit und für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gehören unbeschadet der einkommensteuerlichen Behandlung zu den Arbeitslöhnen. (2) Zu den Arbeitslöhnen gehören nicht Vergütungen, die an Personen gezahlt worden sind, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt werden. (3) In den Fällen des § 3 Nr. 5, 6, 8, 9, 12, 13, 15, 17, 21, 26, 27, 28 und 29 bleiben die Vergütungen an solche Arbeitnehmer außer Ansatz, die nicht ausschließlich oder überwiegend in dem steuerpflichtigen Betrieb oder Teil des Betriebs tätig sind. (4) 1Nach dem Gewinn berechnete einmalige Vergütungen (z.B. Tantiemen, Gratifikationen) sind nicht anzusetzen. 2Das Gleiche gilt für sonstige Vergütungen, soweit sie bei dem einzelnen Arbeitnehmer 50.000 Euro übersteigen. (5) Bei Unternehmen, die nicht von einer juristischen Person betrieben werden, sind für die im Betrieb tätigen Unternehmer (Mitunternehmer) insgesamt 25.000 Euro jährlich anzusetzen. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Arbeitslöhne (Abs. 1) Vergütungen i.S.d. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine steuerfreien Vergütungen. . . . . 3. Rückausnahme (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . II. Vergütungen an Auszubildende (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. B. I. 1.

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1

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10 14 17

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19

III. Vergütungen für Arbeitnehmer in steuerbefreiten Betrieben (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Nicht zu berücksichtigende Vergütungen (Abs. 4) . . . . . . . . . V. Fingierter Unternehmerlohn (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 25 30

A. Allgemeines § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG bestimmt für die für die Regelkonstellation der Zerlegung (mehrere Betriebsstätten in mehreren Gemeinden) den Maßstab des Verhältnisses der Arbeitslöhne in den Betriebsstätten als Regelmaßstab. Dieser Maßstab gilt z.T. auch für § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG. § 31 GewStG definiert für gewerbesteuerrechtliche Zwecke der Zerlegung (§§ 28, 29 GewStG) diesen zentralen einkommensteuerrechtlichen Begriff der Arbeitslöhne i.S.d. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Damit konkretisiert die Regelung den Regelmaßstab der Zerlegung und das historisch zugrunde liegende sog. Äquivalenzprinzip, das einen typisierten Lastenausgleich (besonders) für die Arbeitnehmerfolgekosten einer Gemeinde fordert. Die Löhne eines Arbeitnehmers sind jeweils der Betriebsstätte des Gewerbebetriebs zuzuordnen, welche die jeweiligen Arbeitnehmer beschäftigt. Der Maßstab selbst ist mittlerweile gestaltungsanfällig, seine Durchführung wirft Abgrenzungsfragen zum lohnsteuerrechtlichen Begriff auf.

1

Die Definition gilt auch für den gemischten Zerlegungsmaßstab des § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG. Sie kann auch auf die Anwendung der Regelungen der §§ 30, 33 GewStG übertragen werden. §§ 28 ff. GewStG gelten entsprechend gem. § 2 ZerlG für die Zerlegung der Körperschaftsteuer. Maßgeblicher Betrachtungszeitraum ist je der EZ (§ 14 GewStG). Die Vorschrift gilt nicht für das Reisegewerbe (§ 35a GewStG).

2

Die Regelung des § 31 GewStG ist verfassungsgemäß.1 Nach Auffassung des BFH wird der Steuergesetzgeber durch das Gleichheitsgebot nicht gehindert, anstelle eines individuellen

3

1 BFH v. 5.11.1987 – IV R 153/84, BStBl. II 1988, 191; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 31 GewStG Rz. 1.

501

GewStG § 31 Rz. 4 | Begriff der Arbeitslöhne für die Zerlegung Maßstabs für die Besteuerung aus Gründen der Praktikabilität pauschale Maßstäbe zu wählen, es sei denn, dass die steuerlichen Vorteile der Typisierung nicht mehr im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen. Die für die gewerbesteuerrechtliche Zerlegung geltende Regelung des § 1 GewStG verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz. 4

Insbesondere der pauschale Ansatz eines Unternehmerlohns (jetzt § 29 Abs. 5 GewStG) solle bewirken, dass bei der Zerlegung des einheitlichen Steuermessbetrags auf der Grundlage der in den einzelnen Betriebstätten gezahlten Arbeitslöhne auch diejenigen Gemeinden einen Zerlegungsanteil erhalten, in denen Betriebstätten zwar unter Mitwirkung des Unternehmers, jedoch ohne Einsatz fremder Arbeitskräfte unterhalten wurden; ferner soll für die Fälle, in denen der Unternehmer in mehreren Betriebstätten geschäftsleitend tätig war, der für ihn anzusetzende fiktive Arbeitslohn nach dem Verhältnis seiner Mitwirkung aufgeteilt werden.2

5

Die zerlegungsrechtlichen Arbeitslöhne ergeben sich wie folgt: (1) Bruttoarbeitslohn („Vergütungen“) i.S.d. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 GewStG) (2) ./. steuerfreie Vergütungen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GewStG) (3) + Zuschläge (§ 31 Abs. 1 Satz 2 GewStG) (4) ./. Vergütungen für Auszubildende (§ 31 Abs. 2 GewStG) (5) ./. steuerfreie Vergütungen nach § 3 GewStG (§ 31 Abs. 3 GewStG) (6) ./. Vergütungen nach § 31 Abs. 4 GewStG (7) + fiktiver Unternehmerlohn (§ 31 Abs. 5 GewStG). Die Korrekturen (Schritte 2-7) modifizieren einkommensteuerrechtlichen Begriff und beruhen auf Typisierungen und Pauschalisierungen des Gesetzgebers. Sie sollen im Ideal die interkommunalen Verteilungswirkungen der Zerlegung nach Maßgabe der Arbeitnehmerfolgekosten3 zutreffend widerspiegeln. Diese Prämisse ist nicht evident.

6

Die aktuelle Fassung des § 31 GewStG beruht auf dem Gesetz v. 19.12.2000.4 Die Reglung geht auf § 31 GewStG 1936 zurück.

7–9

frei

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Arbeitslöhne (Abs. 1) 1. Vergütungen i.S.d. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG 10

Arbeitslöhne i.S.d. in § 29 GewStG festgelegten allgemeinen Zerlegungsmaßstabs sind grds. die lohnsteuerpflichtigen Vergütungen aus einem gegenwärtigen Dienstverhältnis i.S.d. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Dies ist der Bruttoarbeitslohn. Insoweit verweist die Regelung auf das Einkommensteuerrecht. In § 31 Abs. 2 bis 5 GewStG modifiziert das Gewerbesteuerrecht diesen Grundbegriff. Dies sind alle Einkünfte i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, also Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge oder Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst. Der Begriff der für die Zerlegung maßgebenden Arbeitslöhne bestimmt sich hierbei nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten.5 Zu den Bruttolöhnen gehören auch Sachbezüge. 2 3 4 5

BFH v. 16.9.1964 – IV B 164/64 U, BStBl. III 1965, 69. BFH v. 1.3.1967 – I B 242/62, BStBl. III 1967, 324. BGBl. I 2000, 1790 (1798). BFH v. 12.2.2004 – IV R 29/02, BStBl. II 2004, 602.

502

Begriff der Arbeitslöhne für die Zerlegung | Rz. 15 § 31 GewStG

Hierzu zählt auch der pauschal versteuerte Arbeitslohn. Keine Vergütungen i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind die vom Arbeitgeber übernommene pauschale Lohnsteuer,6 Lohn-Kirchensteuer und der übernommene pauschale Solidaritätszuschlag. Zum Arbeitslohn gehört auch der Kurzlohn. Dagegen ist das Kurzarbeitergeld der Bundesagentur für Arbeit kein Arbeitslohn, sondern Ersatzleistung.7 Tätigkeitsvergütungen für Mitunternehmer sind nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG dem gewerblichen Gewinn zuzuordnen und werden damit nicht von § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfasst. Zu beachten bleibt in diesem Zusammenhang der pauschale Ansatz eines Unternehmerlohns nach § 31 Abs. 5 GewStG.

11

Mit der Bezugnahme auf § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG wird der Ansatz von Vergütungen aus einem früheren Dienstverhältnis ausgeschlossen. Außer Ansatz im Rahmen der Zerlegung bleiben damit nicht nur die in § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG ausdrücklich benannten Wartegelder, Ruhegelder sowie Witwen- und Waisengelder, sondern z.B. auch steuerpflichtiger Arbeitslohn in Form von Abfindungen wegen der Auflösung eines Dienstverhältnisses.8 Zahlungen im Zusammenhang mit der Altersteilzeit werden von der Finanzverwaltung9 wie folgt behandelt: – Aufstockungszahlungen des Arbeitgebers i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Altersteilzeitgesetz sind nicht als Arbeitslohn i.S.d. § 31 GewStG anzusetzen. – Der Ausgleichsanspruch des Arbeitgebers nach § 4 Altersteilzeitgesetz mindert nicht die zu berücksichtigenden Arbeitslöhne. – Zuführungen zu den Rückstellungen für Arbeitslöhne, die für die Freistellungsphase vorgenommen werden, werden bei der Zerlegung nicht als Arbeitslöhne berücksichtigt. – Vergütungen, die in der Freistellungsphase geleistet werden, sind Arbeitslöhne i.S.d. § 31 GewStG.

12

Auch Zuwendungen des Arbeitgebers aus Anlass einer Betriebsveranstaltung i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG sind nicht bei der Ermittlung des Lohnsummenverhältnisses zu berücksichtigen, da § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG nur auf Vergütungen i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Bezug nimmt.

13

2. Keine steuerfreien Vergütungen Einkünfte nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG (Zuwendungen bei Betriebsveranstaltungen) sind in § 29 Abs. 1 GewStG nicht aufgenommen und zählen daher nicht zu den zerlegungsrelevanten Arbeitslöhnen. Der Arbeitslohn muss lohnsteuerpflichtig sein.10 Steuerfreier oder nichtsteuerbarer Arbeitslohn ist grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Eine Ausnahme enthält § 31 Abs. 1 Satz 2 GewStG.

14

Steuerbefreiungen für Vergütungen können sich aus dem Einkommensteuergesetz (z.B. § 3 Nr. 12, 13, 16 EStG),11 aber auch aus anderen Rechtsvorschriften wie z.B. einem Doppelbesteuerungsabkommen, bei bestimmten vermögenswirksamen Leistungen aus dem VermBG12 oder nach Verwaltungsauffassung auch aus Verwaltungsvorschriften wie den selbstbindenden Lohnsteuer-Richtlinien ergeben.13

15

6 BFH v. 29.10.1993 – VI R 4/87, BStBl. II 1994, 194. 7 Leister in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 31 GewStG Rz. 12. Zu den finanzwirtschaftlichen Folgen für die Zerlegungsanteile während der Corona-Pandemie Heine, FR 2021, 159. § 33 GewStG hilft hier nicht. 8 Ebenso Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 31 GewStG Rz. 19. 9 R 31.1 Abs. 4 GewStR 2009. 10 R 31.1 Abs. 1 Satz 2 GewStR 2009. 11 Zu einer Auflistung Leister in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 31 GewStG Rz. 23. 12 R 31.1 Abs. 3 Satz 3 GewStR 2009. 13 R 31.1 Abs. 1 Satz 1 GewStR 2009.

503

GewStG § 31 Rz. 16 | Begriff der Arbeitslöhne für die Zerlegung 16

Leistungen, die von Unternehmen der Bauwirtschaft an die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes für das Urlaubsgeld und für den Lohnausgleich zwischen Weihnachten und Neujahr zu erbringen sind, zählen nicht zum Arbeitslohn.14 Andere steuerpflichtige Beiträge für die Zusatzversorgung gehören zum Arbeitslohn.15 Die an die Arbeitnehmer des Baugewerbes geleisteten Lohnausgleichszahlungen und Urlaubsgeldzahlungen sind gezahlte Arbeitslöhne des Arbeitgebers, der die Auszahlung vornimmt.16 3. Rückausnahme (Abs. 1 Satz 2)

Die nach § 3b EStG lohnsteuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gehören ebenso wie die Zuschläge für Mehrarbeit nach der Sonderregelung des § 31 Abs. 1 Satz 2 GewStG stets zum Arbeitslohn. Die Regelung enthält eine Rückausnahme zu § 31 Abs. 1 Satz 1 GewStG. Diese Zuschläge gehören unabhängig von der einkommensteuerrechtlichen Behandlung gem. § 3b EStG zum Arbeitslohn. Inwieweit hier ein Ausgleich für die Gemeinden geboten oder sinnvoll ist, bleibt offen. Praktisch können diese Zuschläge unter die Kappungsgrenze nach § 31 Abs. 4 Satz 2 GewStG fallen. 18 frei 17

II. Vergütungen an Auszubildende (Abs. 2) Vergütungen an Personen, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, sind zwar lohnsteuerpflichtig, gehören jedoch nach § 31 Abs. 2 GewStG nicht zu den Arbeitslöhnen. Zu diesem Personenkreis gehören neben den Auszubildenden auch Praktikanten sowie Junggrade der Seeschifffahrt und Neubergleute.17 Dies gilt unabhängig von der einkommensteuerrechtlichen Beurteilung. „Berufsbildung“ i.S.d. § 1 BBiG sind die Berufsausbildungsvorbereitung, die Berufsausbildung, die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung. Die Berufsausbildungsvorbereitung dient dem Ziel, durch die Vermittlung von Grundlagen für den Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit an eine Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf heranzuführen. 20 frei 19

III. Vergütungen für Arbeitnehmer in steuerbefreiten Betrieben (Abs. 3) Kapitalgesellschaften und andere Körperschaften unterhalten gem. § 2 Abs. 2 GewStG kraft Rechtsform stets einen Gewerbebetrieb. Unter bestimmten Voraussetzungen sind sie (teilweise) von der Gewerbesteuer befreit. Unterhalten grds. nach § 3 Nr. 5, 6, 8, 9, 12, 13, 15, 17, 21, 26, 27 und 29 GewStG von der GewSt befreite Betriebe auch einen gewerbesteuerpflichtigen Betrieb, so sind im Rahmen der Zerlegung nur die Vergütungen zu berücksichtigen, die an ausschließlich oder überwiegend im steuerpflichtigen Betrieb tätige Arbeitnehmer gezahlt werden. Die Formulierung „überwiegend“ steht für eine zeitliche Komponente, d.h. der Arbeitnehmer muss seine Arbeitskraft mehr als 50 % dem steuerpflichtigen Betrieb oder Betriebsteil widmen.18 Danach werden Arbeitslöhne insoweit nicht berücksichtigt wie kein steuerpflichtiger Betrieb vorliegt. Dies unterstellt, dass den Gemeinden insoweit keine ausgleichsfähigen Lasten entstehen. 22–24 frei 21

14 15 16 17 18

504

R 31.1 Abs. 1 Satz 4 GewStR 2009. R 31.1 Abs. 1 Satz 5 GewStR 2009. R 31.1 Abs. 2 Satz 6 GewStR 2009. R 31.1 Abs. 2 Satz 1 u. 2 GewStR 2009. Differenzierend für eine Gewichtung nach der Qualität bzw. Bedeutung der Arbeit Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 31 GewStG Rz. 49.

Begriff der Arbeitslöhne für die Zerlegung | Rz. 32 § 31 GewStG

IV. Nicht zu berücksichtigende Vergütungen (Abs. 4) Gewinnabhängige einmalige Vergütungen, z.B. Tantiemen, Boni, Prämien oder Gratifikationen, werden häufig an Arbeitnehmer gezahlt, die am Ort der Geschäftsleitung tätig sind. Mit dem Nichtansatz derartiger Zahlungen im Rahmen der Zerlegung wird erreicht, dass die Gemeinde mit dem Sitz der Geschäftsleitung nicht gegenüber anderen hebeberechtigten Gemeinden bevorzugt wird. Keine gewinnabhängigen Vergütungen sind etwa Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld etc. Sie gehören zum Arbeitslohn. Die Einmaligkeit bezieht sich auf den jeweiligen EZ. Die einmalige Vergütung muss sich nach dem Gewinn des Unternehmens berechnen. Eine Berechnung nach dem Gewinn einer Betriebsstätte reicht für die Anwendung von § 31 Abs. 4 GewStG nicht aus.19 Eine einmalig gezahlte und gewinnabhängige Vergütung kann ausnahmsweise Arbeitslohn sein.20

25

Mit § 31 Abs. 4 Satz 2 GewStG wird im Rahmen der Zerlegung der Ansatz des Arbeitslohns je Arbeitnehmer auf höchstens 50.000 € begrenzt („soweit“, Kappungsgrenze). Der im Gesetz verwandte Begriff sonstige Vergütung ist lediglich als Abgrenzung zu der in Satz 1 angesprochenen gewinnabhängigen Vergütung zu verstehen, umfasst alle Vergütungen i.S. d. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG und damit auch den regelmäßigen Arbeitslohn. Bei einem Wechsel des Arbeitnehmers innerhalb des Unternehmens bzw. Organkreises während des EZ setzt die Finanzverwaltung die Kappungsgrenze nur einmal an.21 Im Ergebnis tritt dadurch das Verhältnis der tatsächlichen Lohnsummen in den jeweiligen Betriebsstätten gegenüber dem Verhältnis nach der Anzahl der Arbeitnehmer zurück. Die ursprünglich beabsichtigte identische Zielsetzung von § 31 Abs. 4 Satz 2 und Satz 1 GewStG – Nichtbegünstigung der Gemeinde mit dem Sitz der Geschäftsleitung – dürfte angesichts der niedrigen, nicht immer realitätsgerechten Kappungsgrenze von 50.000 € kaum zu erreichen sein.

26

frei

27–29

V. Fingierter Unternehmerlohn (Abs. 5) Absatz 5 erweitert praktisch den Begriff der Arbeitslöhne für Zwecke der Zerlegung. Für die im Betrieb tätigen Unternehmer (Mitunternehmer) sind bei Einzelunternehmen und Mitunternehmerschaften, d.h. Unternehmen in der Rechtsform der offenen Handelsgesellschaft, der Kommanditgesellschaft, der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts sowie Unternehmen mit atypischer stiller Beteiligung, im Rahmen einer Zerlegung insgesamt 25.000 € als fiktiver Unternehmerlohn zu berücksichtigen („anzusetzen“). Die Tätigkeit von Unternehmern in einer Betriebsstätte beeinflusst insofern das Ergebnis der Zerlegung.

30

Für den Fall, dass an einer Betriebsstätte allein der Unternehmer tätig wird, während in einer anderen Betriebsstätte des Unternehmens in einer anderen Gemeinde nur Angestellte beschäftigt werden, sorgt die Regelung in § 31 Abs. 5 GewStG für einen Zerlegungsanteil der erstgenannten Gemeinde.22 Auch bei einer GmbH & Co. KG ist ein fiktiver Unternehmerlohn anzusetzen ist.23 Die der Komplementär-Kapitalgesellschaft obliegenden Geschäftsführung führt angesichts weiterer Mitunternehmer nicht zwangsläufig dazu, dass das Unternehmen ausschließlich von einer juristischen Person betrieben wird und damit die Anwendung von § 31 Abs. 5 GewStG entfällt.

31

Der Betrag von 25.000 € fällt auch bei mehreren Mitunternehmern nur einmal je EZ an. Bei unternehmerischen Tätigkeiten in mehreren Betriebsstätten ist der fiktive Unternehmerlohn nach dem Verhältnis der jeweiligen Tätigkeiten der Unternehmer (Mitunternehmer)

32

19 20 21 22 23

R 31.1 Abs. 5 GewStR 2009. Leister in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 31 GewStG Rz. 31. FM BW v. 19.11.1979 – G 1450 – 6/79, juris; a.A. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 31 GewStG Rz. 8. R 31.1 Abs. 6 Satz 1 ff. GewStR 2009. Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 31 GewStG Rz. 58.

505

GewStG § 31 Rz. 33 | Begriff der Arbeitslöhne für die Zerlegung in den einzelnen Betriebsstätten aufzuteilen. Das gilt auch bei der Verlegung von Betriebsstätten in andere Gemeinden. In diesem Fall sind für die Verteilung die zeitlichen Anteile maßgebend.24 Eine zeitanteilige Kürzung des Betrags ist nicht ausgeschlossen.25 33

Eine Zuweisung von Anteilen am Unternehmerlohn kommt nur in Betracht, wenn der (Einzel-)Unternehmer in den mehreren Betriebsstätten geschäftsleitend tätig wird.26 In dem Aufstellen, Auffüllen, Leeren und Instandhalten von Automaten in Gaststätten ohne fremde Arbeitskräfte hat der BFH keine geschäftsleitende Tätigkeit gesehen und daher den Gewerbesteuermessbetrag ausschließlich der Gemeinde der Geschäftsleitung des Unternehmens zugewiesen.27 Beispiel: Die A-B OHG unterhält in den Gemeinden C, D und E Betriebsstätten. Geschäftsführer der A-B OHG sind deren Gesellschafter A und B. Beide sind in gleichem Umfang geschäftsleitend tätig. A hat im EZ 01 30% seiner geschäftsführenden Tätigkeit in der Betriebsstätte in der Gemeinde D und 70 % seiner geschäftsführenden Tätigkeit in der Betriebsstätte in der Gemeinde C ausgeübt. B war ausschließlich in der Betriebsstätte in der Gemeinde E tätig. Lösung: Der fiktive Unternehmerlohn nach § 31 Abs. 5 GewStG i.H.v. 25.000 € ist jeweils der Hälfte der Tätigkeit des A und des B zuzuordnen. Der Anteil des B i.H.v. 12.500 € ist bei der Ermittlung des Lohnsummenverhältnisses ausschließlich der Gemeinde E zuzuweisen. Der Anteil des A ist i.H.v. 8.750 € (70 % v. 12.500 €) der Gemeinde C und i.H.v. 3.750 € (30 % v. 12.500 €) der Gemeinde D zuzuweisen.

24 R 31.1 Abs. 6 Satz 5 GewStR 2009. 25 Leister in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 31 GewStG Rz. 38 (str.). 26 R 31.1 Abs. 6 Satz 6 GewStR 2009; näher Leister in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 31 GewStG Rz. 39. 27 BFH v. 16.9.1964 – IV B 164/64 U, BStBl. III 1964, 69; H 31.1 GewStH 2016.

506

§ 32 (weggefallen)

507

GewStG § 32

508

§ 33 Zerlegung in besonderen Fällen (1) 1Führt die Zerlegung nach den §§ 28 bis 31 zu einem offenbar unbilligen Ergebnis, so ist nach einem Maßstab zu zerlegen, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt. 2In dem Zerlegungsbescheid hat das Finanzamt darauf hinzuweisen, dass bei der Zerlegung Satz 1 angewendet worden ist. (2) Einigen sich die Gemeinden mit dem Steuerschuldner über die Zerlegung, so ist der Steuermessbetrag nach Maßgabe der Einigung zu zerlegen. A. B. I. 1. a) b) 2. 3. 4. a) b)

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Besonderer Zerlegungsmaßstab (Abs. 1) Grundsätze Funktion des unbestimmten Gesetzesbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beurteilungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . Offenbar unbilliges Ergebnis . . . . . . . . . . Ersatzmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelfälle der (Un-)Billigkeit Offenbare Unbilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . Keine Offenbare Unbilligkeit . . . . . . . . . .

1

10 18 25 35 40 44

5. Verfahren a) Nachweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwaltungs- und Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vereinbarter Zerlegungsmaßstab (Abs. 2) 1. Zweck der Regelung . . . . . . . . . . . 2. Rechtscharakter der Einigung . . . . 3. Voraussetzungen der Einigung . . . 4. Inhalt der Einigung . . . . . . . . . . . . 5. Rechtswirkungen der Einigung . . .

50 52 55 58 60 65 70

A. Allgemeines § 33 GewStG enthält zwei sich ergänzende Regelungen zur Bestimmung des geeigneten Zerlegungsmaßstabes. Beide Regelungen setzen nach ihrer Stellung und ihrer Funktion, z.T. ungeschrieben, voraus, dass die allgemeinen Voraussetzungen einer Zerlegung nach §§ 4, 28 Abs. 1 und 2 GewStG im Einzelfall überhaupt erfüllt sind. Die Regelung gilt für stehende Gewerbebetriebe.

1

Im Verhältnis zu den Zerlegungsregelungen in §§ 28 ff. GewStG bestimmt § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG den Regelmaßstab (Arbeitslöhne), § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG einen branchenspezifischen Sondermaßstab, § 30 GewStG1 eine Zerlegungsdirektive für einen lagespezifischen Sondermaßstab bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten und § 33 GewStG den einzelfallspezifischen Ausnahmefall der Zerlegung.2

2

Aus diesem Regelungszusammenhang folgt aber nicht schon, dass § 33 Abs. 1 GewStG eng und restriktiv auszulegen und nur in (besonderen) Ausnahmefällen anzuwenden ist.3 Die gesamte Regelung des § 33 GewStG verfolgt vielmehr gerade den Zweck, auch im Einzelfall Zerlegungsgerechtigkeit4 zwischen den Gemeinden herzustellen. Das finanzrechtliche Instrument der Zerlegung verteilt das interlokale Steueraufkommen nach dem Verhältnis der betriebsspefizischen Lasten, die sich auf die Ausgabenseite der gemeindlichen Haushalte durch das „Vorhandensein der Betriebstätte“ (§ 30 GewStG) „direkt“ auswirken.5

3

Es handelt ich um zwei grundsätzlich getrennte Zerlegungsregelungen. Die Billigkeitslösung des Absatz 1 obliegt dem Finanzamt, die Einigungslösung des Absatz 2 den betroffenen Gemeinden und dem Steuerschuldner. Letztere bindet aber auch das Finanzamt.

4

1 Nach BFH v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492 bereits eine „Ausnahmevorschrift“. 2 BFH v. 24.5.2006 – I R 102/04, BFH/NV 2007, 270; R 33.1 Satz 1 GewStR 2009. 3 So die Position der herrschenden Meinung, schon BFH v. 2.11.1960 – I B 31/59 U, BStBl. III 1961, 8; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 33 GewStG Rz. 2. 4 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 33 GewStG Rz. 1 spricht von „ausgleichender Gerechtigkeit“; allerdings besteht hier eine „Dreiecksverhältnis“ (zwei oder mehr Gemeinden und der private Steuerschuldner). 5 BFH v. 25.11.2009 – I R 18/08, BFH/NV 2010, 941.

509

GewStG § 33 Rz. 5 | Zerlegung in besonderen Fällen Sowohl die Billigkeitslösung des Absatz 1 als auch die Einigungslösung des Absatz 2 zielen wie auch die übrigen Zerlegungsarten auf ein zerlegungsgerechtes Ergebnis, das die lokalspezifischen Gemeindelasten einer Betriebsstätte i.S.d. ungeschriebenen sog. Äquivalenzprinzips widerspiegeln soll. In beiden Fällen muss sich der Zerlegungsmaßstab auf lokalspezifische Lastenindikatoren stützen. Ein Finanzausgleich ist auch hier unzulässig, das kommunale Finanzausgleichssystem der Länder, der Länderfinanzausgleich und die Finanzingerenzen des Bundes in die Gemeindefinanzen haben Vorrang. 5

Die zwingenden Regelungen des § 33 Abs. 1 und 2 GewStG bilden ein subsidiäres Korrektiv, da der bisher zugrunde gelegte Zerlegungsmaßstab namentlich der Summe der Arbeitslöhne einen einfachen und auch im Massenverfahren leicht administrierbaren Maßstab zugrunde legt, der Unschärfen und grobe Vereinfachungen typisierend in Kauf nimmt.6 Ausdrückliche Voraussetzung ist jedenfalls nach § 33 Abs. 1 GewStG ein offenbar unbilliges Ergebnis der Regelzerlegung. Ob ein Fall des § 33 Abs. 1 GewStG vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab; dies zu gewichten ist Sache des Finanzgerichts.7

6

In der gerichtlichen Praxis steht § 33 Abs. 1 GewStG im Vordergrund. Der praktische Regelfall des § 33 Abs. 1 GewStG lautet, ob die Zerlegung nach Maßgabe der Summe der Arbeitslöhne (§ 29 Abs. 1 Nr. 1, § 31 GewStG) zu einem für die benachteiligte Gemeinde (offenbaren) unbilligen Ergebnis führt.

7

Ob beide Regelungen die „gerechte“ („billige“) Zerlegungsformel befördern und Rechtssicherheit herstellen, ist fraglich. In der Verwaltungs- und Gerichtspraxis bestehen in Anbetracht der vagen rechtlichen Vorgaben erhebliche Unsicherheiten in ihrer Auslegung und Anwendung. Fraglich ist auch, ob der Gesetzgeber überhaupt eine Einzelfallgerechtigkeit anstreben muss und erreichen kann und diese dann auch noch den beteiligten Parteien überlassen sollte.

8

Die aktuelle Fassung des § 33 GewStG8 entspricht im Wesentlichen § 33 GewStG 1936.

9

frei

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Besonderer Zerlegungsmaßstab (Abs. 1) 1. Grundsätze a) Funktion des unbestimmten Gesetzesbegriffs 10

Die Gewerbesteuer ist gem. § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG unter der Voraussetzung, dass die Zerlegung nach den §§ 28 bis 31 GewStG zu einem offenbar unbilligen Ergebnis führt, nach einem abweichenden Maßstab zu zerlegen, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt. Hierauf muss das Finanzamt sodann im Zerlegungsbescheid an die Gemeinden zur Klarstellung und zur Begründung zwingend hinweisen (§ 33 Abs. 1 Satz 2 GewStG).

11

Die Auslegung und Anwendung des zusammengesetzten, unbestimmten Gesetzesbegriffs der offenbaren Unbilligkeit bereitet allen Beteiligten erhebliche Schwierigkeiten. Die Rechtsprechung der Finanzgerichte9 hat darauf mit einer restriktiven Auslegung reagiert. Diese ist nach Wortlaut, Zweck und Systematik nicht zwingend.

12

Die Regelung des § 33 Abs. 1 GewStG ist noch verfassungsgemäß, aber so nicht verfassungsrechtlich geboten. Zwar ist der Rechtsbegriff, der kein Ermessensbegriff ist, bestimmbar und auf den Einzelfall hin konkretisierungsfähig. Zumal die Gerichtspraxis mittlerweile 6 7 8 9

FG Nürnberg v. 28.10.2010 – 54 K 1962/2008, EFG 2011, 559. BFH v. 18.9.2019 – III R 3/19, GmbHR 2020, 618. GewStG v. 15.10.2002, BGBl. I 2002, 4167. Zuletzt FG Berlin-Bdb. v. 9.2.2017 – 10 K 10165/14, DStRE 2018, 91 m.w.N.

510

Zerlegung in besonderen Fällen | Rz. 17 § 33 GewStG

eine Reihe von positiven und negativen Anwendungsfälle entwickelt hat und den Begriff einengen will. Zwar kann die Regelzerlegung zu abweichenden und unbilligen Ergebnissen für eine Gemeinde führen. Der Gesetzgeber hat aber im Finanzrecht, d.h. im staatsinternen Verhältnis der Gebietskörperschaften, einen Typisierungs- und Gestaltungsspielraum. Rechtsstaatlich ist die Nutzung solcher Gerechtigkeitsbegriffe im Steuerrecht aber fragwürdig, schon weil der steuerpflichtige Gewerbetrieb die Auswirkungen der Zerlegung als Element des Steuertatbestandes nicht vorhersehen kann. Auch finanzrechtlich (im Rechtsverhältnis der Gemeinden) ist seine Verwendung problematisch. Die altmodische Regelungstechnik ist ein seltener Notbehelf und sollte ersatzlos gestrichen werden. Der Gesetzgeber hat die Problematik der Unbilligkeit auch erkannt und mit § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG eine punktuelle Korrektur vorgenommen.

13

Aus dem ausdrücklichen Verweis auf §§ 28 bis 31 GewStG folgt zunächst: Anspruchsberechtigt auf einen Zerlegungsanteil sind auch im Rahmen dieser Zerlegung allein Gemeinden, in denen eine Betriebsstätte unterhalten wird. Nicht zulässig ist die Berücksichtigung von Gemeinden, die bereits nach § 28 Abs. 1 GewStG nicht zu berücksichtigen sind, da sich auf ihrem Gebiet keine Betriebsstätte befindet, d.h. positiv, dass auch in der Gemeinde, die einen Zerlegungsanteil einfordert, eine Betriebsstätte unterhalten werden muss.10 Nach § 28 Abs. 1 GewStG muss einer der drei möglichen Zerlegungsfällen vorliegen. Ebenso dürfen Gemeinden, die nach § 28 Abs. 2 GewStG von der Zerlegung ausgeschlossen sind, nicht berücksichtigt werden.

14

Gegenstand der Zerlegung bleibt auch hier der nach den gesetzlichen Vorschriften festzustellende Gewerbesteuermessbetrag. „Systembedingte“ Ungereimtheiten der Steuerverteilung, die außerhalb der §§ 28 bis 31 GewStG ihren Grund haben, sind nicht Gegenstand oder Grund einer Korrektur nach § 33 Abs. 1 GewStG.11 Insbesondere hat § 33 GewStG nicht die Funktion, die Folgen des ertragsteuerrechtlichen Realisationsprinzips oder der Abschnittsbesteuerung bei der Zerlegung des Messbetrages auszugleichen.12 Denn die ertragsteuerrechtliche Gewinnerzielung ist als Zerlegungsmaßstab nach vorherrschender Auffassung grundsätzlich nicht geeignet.

15

§ 33 Abs. 1 GewStG beschreibt einen „Ausnahmefall“13. Die Ausnahmevorschrift ist nach heute vorherrschender Auffassung daher ist eng auszulegen.14 Durch die Regelungen in den §§ 28 bis 31 GewStG hat sich der Gesetzgeber aus Gründen der Praktikabilität für einen groben Zerlegungsmaßstab entschieden. Er hat damit bewusst in Kauf genommen, dass die Verteilung des Gewerbesteuermessbetrags in zahlreichen Fällen die unterschiedlichen Lasten der jeweils zu beteiligenden Gemeinden nur unzureichend berücksichtigt. Insofern ist eine Zerlegung nach dem allgemeinen Maßstab quasi schon „systemimmanent“ mitunter ungerecht und damit unbillig.

16

Die Rechtsprechung schränkt die Anwendung des § 33 Abs. 1 GewStG unter diesem Gesichtspunkt auf solche Fallgestaltungen ein, in denen eine eindeutige Unbilligkeit von erheblichem Gewicht vorliegt.15 Eine solche liegt nur dann vor, wenn aufgrund der atypischen Umstände des Einzelfalles die sich aus dem groben Maßstab des § 29 GewStG allgemein ergebende Unbilligkeit offensichtlich übertroffen wird.

17

10 BFH v. 26.8.1987 – I R 376/83, BStBl. II 1988, 201; v. 8.3.1988 – VIII R 270/81, BFH/NV 1988, 735; RFH v. 28.3.1939 – I R 18/42, RStBl. 1939, 731. 11 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 33 GewStG Rz. 1. 12 BFH v. 5.6.2007 – I R 49/06, BFH/NV 2007, 2346 (zu Veräußerungsgewinnen); v. 25.11.2009 – I R 18/09, BFH/NV 2010, 941. 13 BFH v. 24.1.1968 – I B 87/64, BStBl. II 1968, 185. 14 BFH v. 9.10.1975 – IV R 114/73, BStBl. II 1976, 123; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 33 GewStG Rz. 1; R 33 Abs. 1 Satz 1 GewStR 2009. 15 Etwa BFH v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836 m.w.N.

511

GewStG § 33 Rz. 18 | Zerlegung in besonderen Fällen b) Beurteilungsspielraum 18

Die vorherrschende Auffassung16 schließt aus der Einordnung des Rechtsbegriffs der (offenbaren) Unbilligkeit als unbestimmter Gesetzesbegriff ohne weitere Begründung darauf, dass der Finanzbehörde im Rahmen des § 33 Abs.1 GewStG kein Beurteilungsspielraum und auch kein Ermessen eingeräumt ist. Dies gelte dann auch für die Auswahl des Ersatzmaßstabes.

19

Wiewohl der Rechtsbegriff der (offenbaren) Unbilligkeit schon rechtssystematisch in der Tat kein Ermessensbegriff ist, der dem Finanzamt ein Auswahlermessen eröffnet, sondern ein unbestimmter Gesetzesbegriff, der auf Einzelgerechtigkeit zielt und von den Gerichten zu konkretisieren und grundsätzlich vollständig nachzuprüfen ist, steht der Verwaltungspraxis ein begrenzter Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum zu, der auf einem spezifischen Tatsachen- und Fachwissen beruht, das u.a. die bettroffenen Gemeinden selbst liefern müssen. Insoweit gelten ähnliche Erwägungen wie im Rahmen des § 30 GewStG. Will das Finanzgericht diese Entscheidungsgrundlagen ersetzen, braucht es begründete „bessere“ Grundlagen.

20

Die Rechtsprechung17 spricht hier (missverständlich) nicht zufällig von einer mehr oder weniger „groben Schätzung“ der Lasten, im Wege der „Abwägung aller Interessen“. Das Finanzamt muss aber auch tätig werden, wenn ein anderer Zerlegungsmaßstab die tatsächlichen Verhältnisse „besser berücksichtigt“. Ausdrücklich formuliert der Gesetzgeber an diese Stelle nicht „am besten beachtet“. Vielmehr sind praktisch mehrere „billige“ Entscheidungen möglich.

21

Für einen Beurteilungsspielraum spricht die Komplexität der Verwaltungsentscheidung, ihre Abhängigkeit vom Einzelfall, der konkreten Betriebsstätte, der Ortslage und der Lastenlage der Gemeinde. Während der kausale Lastenzusammenhang zwischen Betriebsstätte und Betriebsstättengemeinde mit Hilfe betriebs- und finanzwirtschaftliche Indikatoren objektiv ermittelt und überprüft werden kann, kann das Finanzgericht die Mischung der Faktoren und ihr Gewichtung kaum „besser feststellen, solange diese auch im Ergebnis vertretbar sind. Hinzu kommen die verfahrensrechtlichen Besonderheiten der Zerlegung: die Finanzbehörde wird regelmäßig als Treuhänder tätig, andererseits delegiert der Gesetzgeber die Zerlegungssteuer ausdrücklich (§ 33 Abs. 2 GewStG) dem Einverständnis der Beteiligten.

22–24

frei

2. Offenbar unbilliges Ergebnis 25

Eine gesetzliche Definition besteht nicht. Die Rechtsprechung des RFH und des BFH hat bislang auch keine rechtsdogmatische Definition entwickelt. In Anbetracht der Allgemeinheit des Gesetzesbegriffs und der Spezifik seiner Anwendung (Einzelfall, konkrete Betriebsstätte, Ortslage, Lastenlage, Geschäftsmodell des Gewerbebetriebs) wäre eine greifbare Definition auch kaum möglich und erwünscht. Die die ständige Rechtsprechung des BFH beschränkt sich auf eine bloße Umschreibung des Gesetzesbegriffs, der ein enges Verständnis der Zerlegungsregelung des § 33 Abs. 1 GewStG zugrunde liegt. Begründet wird dies damit, dass der Gesetzgeber bewusst in § 29 GewStG ein einfaches und rohes Verfahren gewählt habe und damit Unstimmigkeiten und Unbilligkeiten im Einzelfall in Kauf genommen habe.18

26

Demgegenüber war die Rechtsprechung des RFH19 noch von einer weiten Auslegung des § 33 Abs. 1 GewStG 1936 ausgegangen. Danach war die Regelung praktisch ein systematisches 16 BFH v. 28.8.1987 – I R 376/83, BStBl. II 1988, 201; v. 26.2.1992 – I R 16/90, BFH/NV 836; v. 25.11.2009 – I R 18/08, BFH/NV 2010, 941; FG Hamburg v. 18.12.2018 – 2 K 2/17, DStRK 2019, 144; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 33 GewStG Rz. 2; Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 30 GewStG Rz. 7. Es geht hier nicht um den Erlass von Steuern i.S.d. § 227 AO. 17 BFH v. 28.8.1987 – I R 376/83, BStBl. II 1988, 201; v. 26.11.1957 – I B 218/56 U, BStBl. III 1958, 261; v. 26.10.1954 – I B 186/53 U, BStBl. III 1954, 372. 18 BFH v. 9.10.1975 – IV R 114/74, BStBl. lI 1979, 123. 19 Etwa RFH v. 8.11.1938 – I 311/38, RStBl. 1939, 542; v. 28.10.1939 – I 169/39, RStBl. 1940, 445.

512

Zerlegung in besonderen Fällen | Rz. 30 § 33 GewStG

und einfaches Korrektiv für eine im Einzelfall „ungerechte“ Anwendung des Regelmaßstabes der Summe der Arbeitnehmerlöhne. Anwendungsfälle bestanden, da damals bereits die Standortgemeinden und Wohnortgemeinden der Arbeitnehmer in vielen Fällen auseinanderfielen und letztere keinen lastengerechten Steuerausgleich erhielten. Die Frage der Billigkeit und des Ersatzmaßstabes standen im begrenzten Ermessen der Finanzbehörde. Nach Auffassung des BFH20 rechtfertigt nicht jede offenbare Unbilligkeit, die sich aus einem gesetzlichen Zerlegungsmaßstab (§§ 28 bis 31 GewStG) ergibt, eine Zerlegung nach einem abweichenden Maßstab, sondern nur eine eindeutige Unbilligkeit von erheblichem Gewicht. Eine solche liegt nur dann vor, wenn aufgrund der atypischen Umstände des Einzelfalles die sich aus einem groben gesetzlichen Maßstab (besonders § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG) allgemein ergebende Unbilligkeit offensichtlich übertroffen wird.

27

Unbillige Ergebnisse i.S.d. § 33 Abs. 1 GewStG können typischerweise eintreten, wenn der Betriebsstättengemeinde Arbeitnehmerfolgekosten z.B. in Form von Aufwendungen für den Bau von Straßen, Schulen, Krankenhäusern, Altersheimen usw. für die dort wohnenden Arbeitnehmer der Betriebsstätte entstehen, ohne dass dies im Zerlegungsmaßstab zugunsten der Gemeinde Berücksichtigung findet.21 Aber auch Lasten anderer Art sind zu berücksichtigen, wenn sie den Billigkeitstest nicht bestehen.22

28

Allerdings fuh ̈ rt z.B. allein der Umstand, dass in bestimmten Betriebsstätten keine Arbeitslöhne angefallen sind und deshalb auf diese nur Zerlegungsanteile von 0 Euro entfallen, nicht zur offenbaren Unbilligkeit des von § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG vorgegebenen Aufteilungsmaßstabes.23 Dieser Maßstab ist nur dann von vornherein ungeeignet, wenn die Zerlegung wegen des Fehlens jeglicher Arbeitslöhne (in allen Betriebsstätten) nicht vorgenommen werden kann.24

29

Diese qualifizierte Unbilligkeit ist im Gesetzeswortlaut so nicht vorgegeben, denn das Gesetz unterscheidet nicht verschiedene Arten von (Un-)Billigkeit, sondern fordert „eine“ offenbare Unbilligkeit. Die Rechtsprechung hält diese Differenzierung dennoch25 für sinnvoll und geboten. Zuvor begnügte sich der BFH26 damit, dass die fraglichen dauerhaften oder einmaligen Gemeindelasten einerseits ins Gewicht fallen und andererseits atypisch waren. Im Schrifttum27 wird zutreffend darauf verwiesen, dass diese Abweichung vom Gesetzestext keine unterschiedlichen Ergebnisse zeitige. Mehr noch: die Rechtsprechung beschränkt sich auf eine bloße wortreiche, mitunter tautologische28 Umschreibung des Gesetzesbegriffs, die missverständlich und unnötig ist. Setzt jede (rechtliche) Begriffsbildung eine bestimmte Negation voraus, so bleibt offen, ob diese Umschreibungen einen Abgrenzungswert erbringen. Letztlich bleibt nur eine nicht vorhersehbare Kasuistik. Der Hinweis im Schrifftum29 auf einen (verfassungsrechtlichen) Grundsatz der Zumutbarkeit hilft in diesem Zusammenhang nicht weiter; er betrifft primär eine individualrechtliche Opfergrenze. Hier geht es aber um ein steuer- und finanzrechtliches Verteilungsproblem zwischen Gemeinden.

30

20 BFH v. 25.11.2009 – I R 18/08, BFH/NV 2010, 941; v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl II 2010, 492; v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836; v. 24.5. 2006 – I R 102/04, BFH/NV 2007, 270; v. 17.2.1993 – I R 19/92, BStBl. II 1993, 679; v. 26.2.1992 – R 16/90, BFH/NV 1992, 836. 21 BFH v. 26.8.1987 – R 376/83, BStBl. II 1988, 201 zu sog. Butterfahrten; R 33.1 Abs. 1 Satz 4 GewStR 2009. 22 BFH v. 13.5.1958 – I B 49/58 U, BStBl. III 1958, 379 23 BFH v. 13. 5.1958 – I B 49/58 U, BStBl. III 1958, 379; v. 5.10.1965 – I B 387/62 U, BStBl. III 1965, 668. 24 BFH v. 7. 12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175. 25 BFH v. 24.1.1968 – B 87/64, BStBl. II 1968, 185; v. 26.2.1992 – R 16/90, BFH/NV 1992, 836. 26 BFH v. 13.5.1958 – I 49/58 U, BStBl. III 1958, 379; v. 26.8.1987 – I R 376/83, BStBl. II 1988, 201. 27 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 33 GewStG Rz. 3a. 28 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 33 GewStG Rz. 3a: „Schwarzer Rappen“. 29 Leister in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 33 GewStG Rz. 12; vgl. auch Güroff in Glanegger/Güroff10, § 33 GewStG Rz. 3 (“deutliches Missverhältnis”).

513

GewStG § 33 Rz. 31 | Zerlegung in besonderen Fällen 31

Prüfungsschema für § 33 Abs. 1 GewStG: I. Zerlegung nach §§ 28 bis 31 GewStG 1. mehrere Betriebsstätten bzw. Betriebsteile 2. Zerlegungsfall nach § 28 Abs. 1 GewStG 3. Kein § 28 Abs. 2 GewStG 4. Zerlegungsmaßstab nach §§ 28, 29, 30, 31 GewStG 5. Zerlegungsergebnis II. Offenbar unbilliges Ergebnis (kumulative Kriterien) 1. Einfache „allgemeine“30 Unbilligkeit 2. Qualifizierte, offenbare Unbilligkeit a) „offensichtlich“,31 „eindeutig und augenfällig“,32 b) „erhebliches Gewicht“33 der Unbilligkeit bzw. „ins Gewicht fallen“34 bzw. „wesentliche Bedeutung“35 der Nachteile c) „atypische Lasten“36 bzw. „atypische Umstände“37 III. Besserer Ersatzmaßstab

32–34

frei

3. Ersatzmaßstab 35

Der nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG anzuwendende Ersatzmaßstab muss die tatsächlichen Verhältnisse besser als eine Zerlegung anhand der Arbeitslöhne widerspiegeln. Einen einzigen „richtigen“ Zerlegungsmaßstab kann es in einem solchen Fall nicht geben. Je nach Einzelfall bietet sich eine gemischte und gewichtete Zerlegung auf der Basis verschiedener Lastenindikatoren. Möglich dürfte auch ein Verteilungsmaßstab sein, der sich aus unterschiedlichen Komponenten zusammensetzt. In Betracht kommen38 etwa: – die Betriebseinnahmen bzw. Umsätze, – betriebsstättenbezogene Arbeitslöhne, – Verteilung nach Zeiteinheiten, – betriebsstättenbezogene Aufwendungen, – bestimmten Einnahmen des Unternehmens, – Anlagenwerte, – Grundstücksflächen, – Arbeitsstunden, – Mieten für Betriebsmittel, – branchenspezifische Werte.

36

Die „reinen Lohn- und Gehaltsaufwendungen“ etwa für Leiharbeiter sind ein geeigneter Zerlegungsmaßstab nach § 33 Abs.1 Satz 1 GewStG. Bei sinngemäßer Anwendung des § 31

30 BFH v. 26.2.1992 – I R 16/90, BFH/NV 1992, 181. 31 BFH v. 13.5.1958 – I B 49/58, BStBl. III 1958, 379; v. 24.1.1968 – I B 87/64, BStBl. II 1968, 185; v. 26.2.1992 – I R 16/90, BFH/NV 1992, 181. 32 BFH v. 17.2.1993 – I R 19/92, BStBl. II 1993, 679. 33 BFH v. 17.2.1993 – I R 19/92, BStBl. II 1993, 679. 34 BFH v. 17.2.1993 – I R 19/92, BStBl. II 1993, 679. 35 BFH v. 26.2.1992 – I R 16/90, BFH/NV 1992, 181. 36 BFH v. 17.2.1993 – I R 19/92, BStBl. II 1993, 679. 37 BFH v. 26.2.1992 – I R 16/90, BFH/NV 1992, 181. 38 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 33 GewStG Rz. 5.

514

Zerlegung in besonderen Fällen | Rz. 41 § 33 GewStG

dürfen diese Aufwendungen keine Erstattungen von Lehrlingsverguẗ ungen und steuerfreien Lohn- und Gehaltsanteilen enthalten.39 Ertragsorientierte Maßstäbe lehnt die Rechtsprechung40 generell ab. § 33 GewStG komme insbesondere nicht die Funktion zu, die Folgen des ertragsteuerrechtlichen Realisationsprinzips bei der Zerlegung des Messbetrages auszugleichen. Die ertragsteuerrechtliche Gewinnerzielung sei als Zerlegungsmaßstab grundsätzlich nicht geeignet. Denn da die Zerlegung eine Gegenleistung für die Lasten darstellen soll, die sich infolge der Existenz eines Gewerbebetriebes über Ausgaben direkt auf die gemeindlichen Haushalte auswirken, sei das Betriebsstättenergebnis kein sachgerechter Maßstab für die Zerlegung oder für eine Unbilligkeit einer Zerlegung nach Maßgabe der Arbeitnehmerfolgelasten. Denn dieses Ergebnis wird nur zufällig entsprechende gemeindliche Lasten – als ausschlaggebenden Faktor einer Zerlegung – widerspiegeln. Auch Hebesatzunterschiede dürfen nicht in die Zerlegung einfließen. frei

37

38–39

4. Einzelfälle der (Un-)Billigkeit a) Offenbare Unbilligkeit Unbilligkeit i.S.d. § 33 GewStG soll vorliegen: – Eine Gemeinde erhält am Sitz des Unternehmers von auswärts gelegenen gewerblichen Ferienwohnungen nur den Unternehmerlohn nach §§ 29, 31 GewStG.41 Ersatzmaßstab: Betriebseinnahmen. Hier würde die Belegenheitsgemeinde, der allein durch die gewerblich vermieteten Ferienwohnungen Lasten entstehen, auf Grund der Verteilung des sog. Unternehmerlohns i.S.d. § 31 Abs. 5 GewStG keine oder nur einen Teil der Gewerbesteuer erhalten. Bei der Zerlegung ist daher in diesem Fall § 33 Abs. 1 GewStG mit der Maßgabe anzuwenden, dass als Zerlegungsmaßstab die Betriebseinnahmen zugrunde gelegt werden.42 – In einer Belegenheitsgemeinde entstehen (erhebliche) Folgekosten durch das Wohnen von Arbeitnehmern, ohne dass dies im Zerlegungsmaßstab nach §§ 29, 31 GewStG berücksichtigt wird, weil dort (am Wohnort) keine Arbeitslöhne gezahlt werden.43 Dies ist im Hinblick auf die zunehmende Mobilität der Arbeitnehmer ein praktischer Anwendungsfall. – Eine Gemeinde erhält am Belegenheitsort keinen Steueranteil nach §§ 29, 31 GewStG, weil der Unternehmer nur Leiharbeiter einsetzt.44 Ersatzmaßstab: Lohnaufwendungen.

40

Generell orientiert sich die Auslegung der Unbilligkeit an der (Nicht-)Anwendung des Regelmaßstabs in § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG und dem Zweck der Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages.45 Diese soll sicherzustellen, dass gewerbesteuerpflichtige Unternehmen in allen Gemeinden, in denen sie sich betrieblich betätigen, zur Tragung der Kosten herangezogen werden, die durch ihre betriebliche Tätigkeit den Gemeinden entstehen. Dazu folgt aus der Heranziehung der Arbeitslöhne als dem grundlegenden Zerlegungsmaßstab, dass nach Auffassung des Gesetzgebers vor allem die Angestellten und Arbeiter der Betriebsstätte die Gemeindelasten entstehen lassen, die durch die Erhebung der Gewerbesteuer abgegolten werden sollen. Die durch die Angestellten und Arbeiter

41

39 BFH v. 26.2.1992 – I R 16/90, BFH/NV 1992, 836. 40 BFH v. 25.11.2009 – I R 18/08, BFH/NV 2010, 941; Baldauf in Brandis/Heuermann, § 33 GewStG Rz. 3. 41 FG Nds. v. 9.6.1981 – V 12/79, EFG 1981, 639; R 33 Abs. 1 Satz 9 GewStR 2009. 42 R 33.1 Abs. 1 Satz 9 – 11 GewStR 2009. 43 BFH v. 26.8.1987 – I R 376/83, BStBl. II 1988, 201; näher Güroff in Glanegger/Güroff10, § 33 GewStG Rz. 4. 44 BFH v. 19.6.2006 – I B 171/05, BFH/NV 2006,1692; v. 26.2.1992 – I R 16/90, BFH/NV 1992, 836. 45 BFH v. 26.8.1987 – I R 376/83, BStBl. II 1988, 201.

515

GewStG § 33 Rz. 42 | Zerlegung in besonderen Fällen ausgelösten Gemeindelasten bestehen aber im Wesentlichen aus den Arbeitnehmerfolgekosten, d.h. aus den Aufwendungen einer Gemeinde für den Bau von Straßen, Schulen, Krankenhäuser, Altersheime u.a.m. für die dort wohnenden Arbeitnehmer. Eine Unbilligkeit i.S.d. § 33 Abs. 1 GewStG ist deshalb dann denkbar, wenn eine Gemeinde, in der sich eine Betriebsstätte befindet, in erheblichem Umfang die sog. Folgekosten für die Arbeitnehmer zu tragen hat, ohne dass dies im Zerlegungsmaßstab zugunsten der Gemeinde Berücksichtigung findet. 42

Die an sich zwingende Anwendung der §§ 29, 31 GewStG ist unbillig, wenn eine Kapitalgesellschaft in keiner Betriebsstätte Arbeitslöhne (auch solcher gem. § 31 Abs. 5 GewStG) gezahlt hat.46 Dieser Maßstab ist nur dann von vornherein ungeeignet, wenn die Zerlegung wegen des Fehlens jeglicher Arbeitslöhne (in allen Betriebsstätten samt Stammhaus) nicht vorgenommen werden kann. Dies gilt grundsätzlich nicht, wenn nur in einer Betriebsstätte keine Arbeitslöhne anfallen. Ersatzmaßstab: Betriebseinnahmen (oder zeitanteilige Aufteilung).

43

Atypische Umstände, die zur Unbilligkeit i.S.d. § 33 GewStG führen, liegen vor, wenn der Steuerpflichtige in der Betriebsstätte, die nach Art und Umfang von erheblicher Bedeutung ist, auf Dauer und ausschließlich Leiharbeitnehmer (in wesentlicher Zahl) einsetzt, anstatt – wie sonst im Allgemeinen üblich – die eingesetzten Arbeitskräfte selbst zu beschäftigen. Die festgestellten „reinen Lohnaufwendungen und Gehaltsaufwendungen“ der überlassenen Arbeitskräfte (ohne Erstattungen von Lehrlingsvergütungen und steuerfreien Lohnanteilen und Gehaltsanteilen) sind dann als Zerlegungsmaßstab nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG geeignet.47 b) Keine Offenbare Unbilligkeit

44

Keine Unbilligkeit i.S.d. § 33 GewStG soll vorliegen: – Eine Gemeinde erhält nach § 29 GewStG einen Zerlegungsanteil von null, weil in einem Gemeindegebiet keine Arbeitslöhne gezahlt werden.48 Dies betrifft auch Wartungsarbeiten an technischen Anlagen (z.B. Solar, Windkraft, Brunnen) durch beauftragte Unternehmen. – Ist das Lohnniveau von in verschiedenen Gemeinden gelegenen Betriebsstätten unterschiedlich, begründet dies keine Unbilligkeit.49 – Rentabilitätsunterschiede von in verschiedenen Gemeinden gelegenen Betriebsstätten rechtfertigen nicht die Anwendung des § 33 GewStG.50 Dies gilt auch bei einem Missverhältnis von Arbeitslöhnen und Gewerbeerträgen. Das Betriebsergebnis ist de lege lata kein Zerlegungsmaß.51 – Fehlende Arbeitslöhne in einer Betriebsstätte, z.B. im Fall eines Auslieferungslagers, rechtfertigen i.d.R. nicht die Anwendung von § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG, auch wenn die betroffene Gemeinde bei einer Zerlegung nach Arbeitslöhnen dadurch ohne einen Zerlegungsanteil bleibt.52 46 BFH v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175 zu § 2 ZerlG für die Körperschaftsteuer; v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836; v. 25.11.2009 – I R 18/08, BFH/NV 2010, 941; v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492; Meier, FR 2014, 1020. 47 BFH v. 26.2.1992 – I R 16/90, BFH/NV 1992, 836; auch FG München v. 27.11.2018 – 6 K 2407/15, EFG 2019, 376 zu Betriebsführungs- und Produktionsgesellschaften (aus anderen Gründen aufgehoben BFH v. 18.9.2019 – III R 3/19, BFH/NV 2020, 708). 48 BFH v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492; v. 25.11.2009 – I R 18/08, BFH/NV 2010, 941; v. 4.4.2007 – I R 23/06, BFH/NV 2007, 2021; v. 5.10.1965 – I B 387/62 U, BStBl. III 1965, 668; FG Münster v. 19.12.2002 – 1 K 3599/98 Zerl, EFG 2003, 635; R 33.1 Abs. 1 Satz 2 GewStR 2009. 49 BFH v. 2.5.1961 – I B 109/60, HFR 1961, 202. 50 BFH v. 2.11.1960 – I B 31/59 U, BStBl. III 1961, 8; v. 25.11.2009 – I R 18/08, BFH/NV 2010, 941. 51 BFH v. 25.11.2009 – I R 18/08, BFH/NV 2010, 941; v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836; v. 9.10.1975 – IV R 114/73, BStBl. II 1976, 123 teilweise mit Berufung „das“ Äquivalenzprinzip. 52 BFH v. 12.7.1960 – I B 47/59 S, BStBl. III 1960, 386.

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Zerlegung in besonderen Fällen | Rz. 44 § 33 GewStG

– Die Aufstellung von Spielautomaten außerhalb des Orts der Geschäftsleitung rechtfertigt nicht die Anwendung des § 33 GewStG, wenn auswärts kein Arbeitslohn (§ 29 GewStG) anfällt.53 – Entgehende Einnahmen der Gemeinde, die durch die eingeschränkte Möglichkeit der gemeindlichen Weiterentwicklung (z.B. aufgrund des Ausweises von Siedlungsbeschränkungs- oder Bauschutzbereichen) entstehen, können demgegenüber nicht mit effektiven Belastungen der gemeindlichen Haushalte gleichgesetzt werden.54 Sie begründen keinen Anspruch auf eine Zerlegung wegen eines offenbar unbilligen Ergebnisses. Finanzielle Haushaltprobleme der Gemeinde rechtfertigen nicht die Anwendung des § 33 GewStG. – Zeitliche Verschiebungen bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr.55 – In einer Belegenheitsgemeinde entstehen durch Ansiedlung eines Großunternehmens Infrastruktur- und Wachstumskosten, die §§ 29, 31 GewStG nicht berücksichtigen.56 – Der Umstand, dass eine Betriebsstätte eines Konzerns mit einer verhältnismäßig geringen Zahl von Arbeitnehmern (§ 29 GewStG) eine flächenmäßige Sicherheitszone beansprucht, rechtfertigt nicht die Anwendung des § 33 GewStG.57 – Die Entstehung eines gemeindespezifischen Aufwands (hier: Getränkesteuer), der im Betriebsstättenergebnis enthalten ist, rechtfertigt keine von § 29 GewStG abweichende Zerlegung.58 – Verlagerungen von Steueraufkommen aufgrund einer Organschaft begründen keine Unbilligkeit.59 – Die Anwendung des § 31 Abs. 5 GewStG ist nicht unbillig.60 – Die Veräußerung von Unternehmensteilen (mit Realisationsprinzip und Abschnittsbesteuerung) rechtfertigt nicht die Anwendung des § 33 GewStG.61 – Besonderheiten der Zerlegung bei Kreditunternehmen oder bei Versicherungen rechtfertigen nicht die Abweichung vom Regelmaßstab des § 29 GewStG und die Anwendung des § 33 GewStG.62 – Bei stationären Lärmmessstationen einer Flughafengesellschaft wird die Zerlegung gem. §§ 29 - 31 GewStG regelmäßig nicht unbillig sein.63 – Negative Auswirkungen von Windkraftanlagen auf das Orts- und Landschaftsbild und den Tourismus etc.64 Eine bloße Standortgemeinde einer Windkraftanlage, in der keine Arbeitnehmer beschäftigt sind, erhält keinen Steueranteil nach §§ 29, 31 GewStG.65 Pauschal behauptete Schäden an gemeindlichen Straßen und Wegen begründen auch

53 BFH v. 5.10.1965 – I B 387/62 U, BStBl. III 1965, 668; FG Münster v. 28.9.2005 – 10 K 6281/02 G, EFG 2006, 524. Fraglich: FG Münster v. 20.2.2002 – 8 K 7765/00 GrE, EFG 2002, 635, das die Gemeinden auf ihr Steuerfindungsrecht (Vergnügungssteuer) als „Lastenausgleich“; verweist. 54 BFH v. 9.10.1975 – IV R 114/73, BStBl. II 1976, 123. 55 BFH v. 12.5.1992 – VIII R 45/90, BFH/NV 1993, 191. 56 BFH v. 1.3.1967 – I B 240/62, BStBl. III 1967, 324. 57 BFH v. 9.10.1975 – IV R 114/73, BStBl. III 1976, 123. 58 FG Hamburg v. 5.3.1991– I 423/86, EFG 1991, 746. 59 BFH v. 12.5.1992 – VIII R 45/90, BFH/NV 1993, 191; v. 17.2.1993 – I R 19/92, BStBl. II 1993, 679. Näher Meier, FR 2014, 930. 60 BFH v. 12.2.2004 – IV R 29/02, BStBl. II 2004, 602. 61 BFH v. 5.6.2007 – I R 49/06, BFH/NV 2007, 2346; zu Sanierungsgewinnen Meier, FR 2014, 930. 62 BFH v. 24.5.2006 – I R 102/04, BFH/NV 2007, 270. 63 BFH v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492. 64 BFH v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836 für eine Windkraftanlage; FG Hamburg v 18.12.2018 – 2 K 2/17, DStRK 2019, 144 für eine Photovoltaikanlage; zuvor allgemein BFH v. 9.10.1975 – IV R 114/73, BStBl. II 1976, 123. 65 BFH v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836; R 33.1 Abs. 1 Satz 6 GewStR 2009; str., näher Meier, FR 2006 S. 538; Trossen, DStZ 2006 S. 836; a.A. FG Düsseldorf v. 1.6.2006 – 15 K 5455/04 Zerl, EFG 2006, 1450; Ersatzmaßstab: 50 % Lohn, 50 % Anlagenwert; vgl. jetzt § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG.

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GewStG § 33 Rz. 45 | Zerlegung in besonderen Fällen

– – – – – –

keine Unbilligkeit. § 33 GewStG ist auch für Windkraftanlagen und Solarkraftanlagen (als Altanlagen i.S.d. § 29 GewStG) grundsätzlich nicht anwendbar.66 Dies gilt auch für andere „weiche“ Belastungen (Umweltbelastung, Lärm, Schadstoffausstoß, Werteverluste an Grundstücken).67 Sie sollen keine berücksichtigungsfähigen Lasten darstellen, weil sie nicht quantifizierbar sind. Lasten, die sich nicht „direkt“ auf den gemeindlichen Haushalt auswirken, sind ohnehin nicht berücksichtigungsfähig, z.B. Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes oder des Wohnwerts und des touristischen Werts der Gemeinde.68 Werden von der Gemeinde keine unmittelbaren besonders gewichtigen und atypischen Lasten vorgetragen – im Fall für eine Quellwasserbrunnenanlage –, ist eine Zerlegung nach § 33 GewStG nicht möglich.69 Es handelt sich um eine Betriebsstätte von geringer Bedeutung, z.B. Plakatsäulen oder Plakatflächen.70 Bei sog. Einobjektgesellschaften, die ihre Anlagen – im Wege des Outsourcings – betreiben lassen, kann allenfalls im Einzelfall § 33 GewStG anwendbar sein.71 Das Betriebsstättenergebnis ist kein lastenadäquater Maßstab für eine Unbilligkeit einer Zerlegung nach Maßgabe der Arbeitnehmerfolgelasten.72

45–49

frei

5. Verfahren a) Nachweis 50

Ob das Tatbestandsmerkmal der offenbaren Unbilligkeit des Zerlegungsergebnisses erfüllt ist, muss eine betroffene und benachteiligte Gemeinde im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren substantiiert und plausibel vortragen und durch geeignet Unterlagen untermauern.73 Insbesondere obliegt ihr eine konkrete Darlegung des Umfangs und der Intensität der Belastungen und der daraus im EZ resultierenden Schäden.74

51

Es verbietet sich eine vom Einzelfall gelöste pauschale Betrachtung, weil im Rahmen der Billigkeitsprüfung nur solche Lasten nicht berücksichtigt werden können, für die der Gemeinde ein Gebührenerhebungsrecht oder zivilrechtliche Schadensersatzansprüche zustehen.75 Nur besonders gewichtige und atypische Lasten führen zu einer Unbilligkeit. Sind besondere Lasten für die Gemeinden offenkundig, kann eine konkrete, einzelfallbezogene Feststellungen unterbleiben.76 b) Verwaltungs- und Gerichtsverfahren

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Das Finanzamt entscheidet durch Zerlegungsbescheid. Hierin hat es darauf hinzuweisen, dass die Zerlegung abweichend von Regelmaßstab nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG angewendet worden ist (§ 33 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Es genügt der bloße Hinweis, dass 66 BFH v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836; BFH v. 14.12.2020 – IV B 27/20, BFH/NV 2021, 538. 67 BFH v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836; FG Rh.-Pf. v. 19.8.1999 – 4 K 3182/97, EFG 1999, 1149; R 33. 1 Abs. 1 Satz 6 GewStR 2009. 68 BFH v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836. 69 FG Saarl. v. 22.8.2008 – 1 K 1213/04, juris. 70 BFH v. 13.5.1958 – I B 49/58 U, BStBl. III 1958, 379. 71 R 33.1 Abs. 1 Satz 12 GewStR 2009. 72 BFH v. 25.11.2009 – I R 18/08, BFH/NV 2010, 941. 73 BFH v. 12.7.1960 – I B 47/59 S, BStBl. II 1960, 386. 74 BFH v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836. 75 BFH v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836. 76 BFH v. 4.4.2007 – I R 23/06, BStBl. II 2007, 836.

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Zerlegung in besonderen Fällen | Rz. 58 § 33 GewStG

die Zerlegung abweichend von § 29 GewStG erfolgt ist. Fehlt dieser Hinweis oder ist er unzutreffend, liegt ein Begründungsfehler vor (§§ 121 Abs. 1, 126 Abs. 3 AO). Dies gilt zugunsten der Beteiligten (§ 186 AO). 77 Gegen den Zerlegungsbescheid können die Gemeinde und der Steuerpflichtige Einspruch einlegen, wenn sie belastet sind. Der Rechtsweg zu den Finanzgerichten ist eröffnet. Wer eine abweichende Billigkeitszerlegung nach § 33 GewStG begehrt, muss im finanzgerichtlichen Klageverfahren darlegen, durch die Zerlegung nach § 29 GewStG beschwert und in einen Rechten verletzt zu sein.78

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II. Vereinbarter Zerlegungsmaßstab (Abs. 2) 1. Zweck der Regelung „Am Ende“ der relativ aufwendigen und komplizierten Zerlegungsregelungen der §§ 28 ff. GewStG lässt der Gesetzgeber auch eine Einigungszerlegung zu. Der knappe Wortlaut des § 33 Abs. 2 GewStG und seine Stellung verdecken, dass die Regelung voraussetzungsreich ist, ihre Rechtswirkungen offenlässt und eine ganze Reihe von Auslegungs- und Anwendungsfragen aufwirft. Eine vergleichbare Regelung enthielt bereits § 33 Abs. 2 GewStG 1936.

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Die Einigung aller beteiligten Gemeinden mit dem Unternehmen als Steuerschuldner nach § 33 Abs. 2 GewStG ist von der Zerlegung nach § 33 Abs. 1 GewStG, die ausschließlich in der Hand der Finanzbehörde liegt, abzugrenzen. Die Vorschrift des § 33 Abs. 2 GewStG beruht auf dem Gedanken, dass bei einer Einigung der Beteiligten (mindestens zwei hebeberechtigte Gemeinden und ein Steuerpflichtiger) dem Ziel der Zerlegungsvorschriften, den Steuermessbetrag möglichst gerecht zu verteilen, am einfachsten und besten entsprochen wird.79 Eine solche Vertragsgerechtigkeit setzt allerdings voraus, dass alle Partner gleichberechtigt sind. Dies ist hinsichtlich des Steuerpflichtigen so nicht der Fall, dem bereits die notwendigen Lasteninformationen fehlen. Aus diesem Grund kommt der Einigung auch nicht notwendig eine „Befriedungsfunktion“80 zu.

56

Eher ist die Einigung eine ultima ratio, eine subsidiäre Zerlegungsform, die die übrigen Formen ergänzt und praktische Notlösung der Zerlegung, die ursprünglich (vor § 33 GewStG 1936) komplett im Ermessen der Finanzbehörde stand. Als finanzrechtliche Lösung mit steuerrechtlicher Funktion ist eine Konsenslösung auch deshalb grundsätzlich abzulehnen, weil beide Rechtsgebiete zwingenden Charakter haben. Ein Grundsatz volenti non fit iniuria gilt hier nicht.

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2. Rechtscharakter der Einigung Die Rechtsprechung der BFH81 versteht die Einigung als Vereinbarung sui generis zwischen den Gemeinden und dem Steuerpflichtigen und/oder als eine Vereinbarung, die einer tatsächlichen Verständigung82 ähnlich ist. Sie hat die nicht entscheidungserhebliche Frage

Beispiel FG München v. 11.3. 2013 – 7 K 863/10, EFG 2019, 581. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 33 GewStG Rz. 6. BFH v. 25.9.1968 – I B 118/65, BStBl. II 1968, 827. Güroff in Glanegger/Güroff10, § 33 GewStG Rz. 8. BFH v. 20.4.1999 – VIII R 13/97, BStBl. II 1999, 542; v. 26.2.1992 – I R 58/91, BFH/NV 1992, 766; v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BStBl. II 185, 354; v. 25.9.1968 – I B 118/65, BStBl. II 1968, 827; ebenso Güroff in Glanegger/Güroff10, § 33 GewStG Rz. 7; Sarrazin in Lenski/Steinberg, § § 33 GewStG, Rz. 26: Vereinbarung sui generis. 82 Dazu allgemein BFH v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BStBl. II 1985, 354; v. 6.2.1991 – I R 13/86, BStBl. II 1991, 673.

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GewStG § 33 Rz. 59 | Zerlegung in besonderen Fällen bisher allerdings weitgehend offenlassen. Nach Auffassung des FG Köln83 handelt es sich dagegen um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, der als Vergleichsvertrag i.S.d. § 55 VwVfG formbedur̈ ftig wäre (§ 57 VwVfG). 59

Gegen eine tatsächliche Verständigung spricht, dass die maßgeblichen Sachverhalte im Zerlegungsrecht nicht streitig sind, sondern die Bewertung und Quantifizierung der betriebsspezifischen Lasten. Eine Einordnung als Vereinbarung sui generis ist eher eine Verlegenheitslösung. Vorzuziehen ist vielmehr die Einordnung als ein öffentlich-rechtlicher Vertrag entsprechend § 78 Nr. 3 AO i.V.m. § 1 Abs. 2 AO, hier zwischen den Gemeinden und dem Steuerpflichtigen, mit Bindung für die Finanzbehörde. Solche konsensualen und kooperativen Handlungsformen sind auch im Steuerrecht nicht grundsätzlich verboten, sondern zulässig und verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen, solange sie inhaltlich im Rahmen vertretbarer Gesetzesanwendung bleiben.84 Der Vertrag ist darauf gerichtet, die rechtliche Ungewissheit über den Zerlegungsmaßstab und die Zerlegungsanteile durch gegenseitiges Nachgeben zu beseitigen und möglicherweise eine andere Entscheidung eines Dritten, hier der Finanzbehörde, zu vermeiden.85 Hierauf sind §§ 54 ff. VwVfG bzw. §§ 54 VwVfG (Land) entsprechend anzuwenden (samt notwendiger Schriftform). 3. Voraussetzungen der Einigung

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Bei einer Einigung über einen (neuen) Zerlegungsmaßstab sind der Steuerschuldner und alle hebeberechtigten Gemeinden Vertragspartner. Eine Einigung nur unter den betroffenen Gemeinden ist unzulässig. Hebeberechtigt sind die Gemeinden, wenn sich dort eine Betriebsstätte oder ein Betriebsteil einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte befindet. Kein irgendwie geartetes Beteiligungsrecht haben andere Gemeinden oder die Finanzbehörde. Letztere ist an die Einigung gebunden.86 Das Finanzamt kann sich aber um eine Einigung bemühen und auf sie hinwirken, ist dazu aber nicht verpflichtet.87 Im Sinne des kooperativen Verwaltungshandelns ist dies sinnvoll.

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Es müssen die Voraussetzungen für eine Zerlegung nach §§ 4, 28 GewStG vorliegen. Danach müssen mehrere Betriebsstäten und eine Zerlegungskonstellation nach § 28 Abs.1 GewStG bestehen. § 28 Abs. 2 GewStG ist ebenso anzuwenden. Nicht verhandelbar ist, ob eine Gemeinde hebeberechtigt ist, ob mehrere Betriebsstätten oder eine mehrgemeindliche Betriebsstätte vorliegen.

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Weitere Voraussetzung des § 33 Abs. 2 GewStG ist – entgegen einer im Schrifttum88 vertretenen Auffassung – dass, die bisherige Zerlegung nach §§ 29 ff. GewStG für den EZ zu einem unbilligen Ergebnis geführt hat oder führt.89 Dies folgt nicht nur aus der Stellung des § 33 Abs. 2 GewStG „am Ende“ der Zerlegungsformen und innerhalb des § 33 GewStG, der einen individuellen Sonderfall regelt. Es entspricht auch der subsidiären Funktion der Einigungszerlegung, die die bestehenden Zerlegungsformen nicht ersetzten, sondern ergänzen soll. Wäre diese eine „freie“ Alternative der „Beteiligten“ (§ 186 AO) hätte sich der Gesetzgeber die vorrangigen spezifischen gesetzlich zwingenden Lastenindikatoren namentlich in § 29 GewStG sparen können. Zudem besteht im Rahmen der Einigung keine tatsächliche „Waffengleichheit“ der Beteiligten. Da dies eine Wirksamkeitsvoraussetzung ist und die Einigung ein „besseres“ Ergebnis erzielen muss, ist sie andernfalls unwirksam und bindet dann weiterhin das zuständige Finanzamt nicht. 83 FG Köln v. 29.9.1982 – XII 1/77 G, EFG 1983, 362; Baldauf in Brandis/Heuermann, § 33 GewStG Rz. 11; a.A. Leister in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 33 GewStG Rz. 24. 84 Drüen in Tipke/Kruse, § 78 AO Rz. 22. 85 Baldauf in Brandis/Heuermann, § 33 GewStG Rz. 11. 86 R 33.1 Abs. 2 Satz 3 GewStR 2009. 87 FG Nds. v. 10.11.1980 – VI 38/78, EFG 1981, 353. 88 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 33 GewStG Rz. 8; Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 33 GewStG Rz. 23; R 33.1 Abs. 2 Satz 2 GewStR 2009. 89 Ebenso Baldauf in Brandis/Heuermann, § 33 GewStG Rz. 10; Hidien/Pohl/Schnitter, Gewerbesteuer16, S. 844.

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Zerlegung in besonderen Fällen | Rz. 71 § 33 GewStG

Bis zu welchem Zeitpunkt eine Einigung zulässig ist, regelt § 33 Abs. 2 GewStG nicht ausdrücklich. Eine Einigung ist jedenfalls dann zulässig, wenn sie erst nach der Entstehung des Gewerbesteueranspruchs (§ 18 GewStG) zustande kommt. Der öffentlich-rechtliche Vertrag hat dann – mit Zustimmung der Beteiligten – steuerrechtliche Rückwirkung (nur) hinsichtlich der Verteilung des festgesetzten Messbetrags. Eine Einigung wäre dann auch noch um Einspruchs- und Klageverfahren möglich. Ist der Zerlegungsbescheid im Zeitpunkt der Einigung bereits bestandskräftig, ist dennoch noch eine Einigung zulässig. Der Bescheid ist dann nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO entsprechend zu ändern.90

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4. Inhalt der Einigung Die öffentlich-rechtliche Handlungsform entbindet die Beteiligten nicht von der Einhaltung der materiell-rechtlichen Vorgaben. Insbesondere muss die Einigung mindestens einen Maßstab zugrunde legen, der die tatsächlichen Verhältnisse „besser“ berücksichtigt als die bisherige Zerlegung.

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Die Einigung erstreckt sich grundsätzlich auf den anzuwendenden Zerlegungsmaßstab und die betragsmäßigen Anteile der Zerlegung.91 Es genügt, wenn sich die Beteiligten auf den (neuen) Zerlegungsmaßstab einigen.92 Grundlage ist der jeweilige Messbetrag, soweit er durch Bescheid des Finanzamts festgestellt wurde. Die Einigung kann sich auf den gesamten Messebetrag oder nur auf einen Teilbetrag erstrecken.93 Dies gilt auch für eine mögliche Unterzerlegung im Rahmen des § 30 GewStG.

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Die Einigung bezieht sich grundsätzlich (im Zweifel) nur auf den jeweiligen EZ.94 Allerdings können die Beteiligten eine längere Laufzeit mit Kündigungsfristen vereinbaren. Fehlt eine solche Vereinbarung, so wirkt die Einigung nur für den betroffenen EZ.

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5. Rechtswirkungen der Einigung Sowohl das Finanzamt als auch die Beteiligten sind an den Inhalt der Einigung gebunden. Einigen sich die Beteiligten über eine Zerlegung, ist das Finanzamt verpflichtet, den Steuermessbetrag entsprechend zu zerlegen („so ist … zu zerlegen“) und einen Zerlegungsbescheid zu erlassen. Nach einer entsprechenden Einigung – ohne dass dabei die Finanzbehörde mitwirken muss – prüft das Finanzamt z.B. nicht, ob eine Verteilung nach dem Regelmaßstab zu einem offenbar unbilligen Ergebnis i.S.d. § 31 Abs. 1 GewStG geführt hätte.95 Die Zerlegung wird von der Finanzverwaltung entsprechend der Einigung durchgeführt.

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Für die Änderung von Zerlegungsbescheiden wegen einer Einigung nach § 33 Abs. 2 GewStG gelten die allgemeinen Änderungsvorschriften (§§ 129, 172 ff. AO).96 Einwendungen der Beteiligten gegen Zerlegungsbescheid sind im Einspruchsverfahren geltend zu machen. Dies betrifft die Wirksamkeit der Einigung und die Fragen, ob das Finanzamt den Inhalt der Einigung beachtet und richtig umgesetzt hat. Die Einigung schließt ins-

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90 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 33 GewStG Rz. 9; Leister in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 33 GewStG Rz. 28; Baldauf in Brandis/Heuermann, § 33 GewStG Rz. 14; a.A. Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 33 GewStG Rz. 28. 91 BFH v. 25.9.1968 – I B 118/65, BStBl. II 1968, 827. 92 BFH v. 25.9.1968 – I B 118/65, BStBl. II 1968, 827. 93 BFH v. 25.11.2009 – I R 18/08, BFH/NV 2010, 94; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 33 GewStG Rz. 9; a.A. Baldauf in Brandis/Heuermann, § 33 GewStG Rz. 12. 94 BFH v. 20.4.1999 – VIII R 13/97, BStBl. II 1999, 542; H 33. 1 GewStH 2016; a.A. Baldauf in Brandis/Heuermann, § 33 GewStG Rz. 13. 95 So R 33.1 Abs. 2 Satz 2 GewStR 2009. 96 BFH v. 25.9.1968 – I B 118/65, BStBl. II 1968, 827.

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GewStG § 33 Rz. 71 | Zerlegung in besonderen Fällen besondere, nicht aus, dass die Beteiligten die Zerlegung mit der Behauptung anfechten, der vereinbarte Zerlegungsmaßstab sei unrichtig angewendet worden.97 Im Übrigen ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet.

97 BFH v. 20.4.1999 – VIII R 13/97, BStBl. II 1999, 542; v. 25.9.1968 – I B 118/65, BStBl. II 1968, 827; H 33. 1 GewStH 2016.

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§ 34 Kleinbeträge (1) 1Übersteigt der Steuermessbetrag nicht den Betrag von 10 Euro, so ist er in voller Höhe der Gemeinde zuzuweisen, in der sich die Geschäftsleitung befindet. 2Befindet sich die Geschäftsleitung im Ausland, so ist der Steuermessbetrag der Gemeinde zuzuweisen, in der sich die wirtschaftlich bedeutendste der zu berücksichtigenden Betriebsstätten befindet. (2) 1Übersteigt der Steuermessbetrag zwar den Betrag von 10 Euro, würde aber nach den Zerlegungsvorschriften einer Gemeinde ein Zerlegungsanteil von nicht mehr als 10 Euro zuzuweisen sein, so ist dieser Anteil der Gemeinde zuzuweisen, in der sich die Geschäftsleitung befindet. 2Absatz 1 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden. (3) 1Wird der Zerlegungsbescheid geändert oder berichtigt, würde sich dabei aber der Zerlegungsanteil einer Gemeinde um nicht mehr als 10 Euro erhöhen oder ermäßigen, so ist der Betrag der Erhöhung oder Ermäßigung bei dem Zerlegungsanteil der Gemeinde zu berücksichtigen, in der sich die Geschäftsleitung befindet. 2Absatz 1 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden. § 34 GewStDV Kleinbeträge bei Verlegung der Geschäftsleitung Hat das Unternehmen die Geschäftsleitung im Laufe des Erhebungszeitraums in eine andere Gemeinde verlegt, so ist der Kleinbetrag der Gemeinde zuzuweisen, in der sich die Geschäftsleitung am Ende des Erhebungszeitraums befindet. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Steuermessbetrag als Kleinbetrag (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zerlegungsanteil als Kleinbetrag (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2

III. Kleinbetrag bei Änderung oder Berichtigung des Zerlegungsanteils (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . IV. Kleinbetrag bei Verlegung der Geschäftsleitung (§ 34 GewStDV)

4 5

3

A. Allgemeines § 34 GewStG enthält eine Kleinbetragsregelung im Rahmen der §§ 28–33 GewStG für alle Zerlegungsfälle mit Ausnahmen des § 35a Abs. 4 GewStG. Danach unterbleibt aus Gründen der Vereinfachung und Wirtschaftlichkeit in bestimmten Fällen eine Zerlegung. Die geringen Härten werden in Kauf genommen. Die Vorschrift ist unabhängig von anderen Kleinbetragsregelungen, etwa auf der Grundlage des § 156 AO. Die aktuelle Fassung beruht auf dem Gesetz v. 19.12.2000. Die Regelung geht auf § 34 GewStG 1936 zurück.

1

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Steuermessbetrag als Kleinbetrag (Abs. 1) Übersteigt der Steuermessbetrag nicht 10 €, entfällt eine Zerlegung. Der Bagatellbetrag ist nach § 34 Abs. 1 Satz 1 GewStG in voller Höhe der Gemeinde zuzuweisen, in der sich die (inländische) Geschäftsleitung befindet. § 10 AO ist anzuwenden. Befindet sich die Geschäftsleitung im Ausland, so ist gem. § 34 Abs. 1 Satz 2 GewStG der Steuermessbetrag der Gemeinde zuzuweisen, in der sich die wirtschaftlich bedeutendste Betriebsstätte (Umfang und Wert der Gebäude und Betriebseinrichtungen, Umfang der in ihr ablaufenden Geschäftsvorfälle, ggf. auch der Betrieb mit der höchsten Lohnsumme)

523

2

GewStG § 34 Rz. 3 | Kleinbeträge befindet. § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO ist entsprechend anzuwenden, wobei die Lohnsumme zu berücksichtigen ist.1

II. Zerlegungsanteil als Kleinbetrag (Abs. 2) 3

Die vorstehende Regelung gilt nach § 34 Abs. 2 GewStG sinngemäß auch dann, wenn zwar der Steuermessbetrag 10 € übersteigt, aber nach den Zerlegungsvorschriften einer Gemeinde ein Zerlegungsanteil von nicht mehr als 10 € zuzuweisen wäre. Diesen Anteil erhält dann grundsätzlich die Geschäftsleitungsgemeinde (§ 34 Abs. 1 Satz 1 GewStG, § 10 AO).

III. Kleinbetrag bei Änderung oder Berichtigung des Zerlegungsanteils (Abs. 3) 4

§ 34 Abs. 3 GewStG regelt einen weiteren Bagatellfall. In allen Fällen – also nicht nur im Rechtsbehelfsverfahren –, in denen sich der Zerlegungsanteil einer Gemeinde durch eine Änderung oder Berichtigung um nicht mehr als 10 € erhöht oder ermäßigt, ist der Betrag der Erhöhung oder Ermäßigung der Gemeinde der Geschäftsleitung, hilfsweise entsprechend der Regelung in § 34 Abs. 1 Satz 2 GewStG der Gemeinde mit der wirtschaftlich bedeutendsten Betriebsstätte, zuzurechnen. Minderungen bei einzelnen Gemeinden könnten bei wortgetreuer Anwendung der Vorschrift bei der Gemeinde der Geschäftsleitung zu einem negativen Zerlegungsanteil führen. § 34 Abs. 3 GewStG ist deshalb nicht anzuwenden, wenn sich für die Gemeinde der Geschäftsleitung ein negativer Zerlegungsanteil ergibt.2 Die Regelungen von § 34 Abs. 2 und Abs. 3 GewStG finden unabhängig voneinander Anwendung.

IV. Kleinbetrag bei Verlegung der Geschäftsleitung (§ 34 GewStDV) 5

Bei einem Wechsel der Geschäftsleitung im Laufe des EZ schreibt § 34 GewStDV angesichts der geringen Bedeutung der Zuweisung vor, die Bagatellbeträge von unter 10 € der Gemeinde zuzuweisen, in der sich die Geschäftsleitung am Ende des EZ befindet.

1 Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 34 GewStG Rz. 7. 2 Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 34 GewStG Rz. 10 mit Beispielen; R 34.1 GewStR 2009.

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§ 35 (weggefallen)

525

GewStG § 35

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Abschnitt VII. Gewerbesteuer der Reisegewerbebetriebe § 35a Gewerbesteuer der Reisegewerbebetriebe (1) Der Gewerbesteuer unterliegen auch die Reisegewerbebetriebe, soweit sie im Inland betrieben werden. (2) 1Reisegewerbebetrieb im Sinne dieses Gesetzes ist ein Gewerbebetrieb, dessen Inhaber nach den Vorschriften der Gewerbeordnung und den dazugehörigen Ausführungsbestimmungen einer Reisegewerbekarte bedarf. Wird im Rahmen eines einheitlichen Gewerbebetriebs sowohl ein stehendes Gewerbe als auch ein Reisegewerbe betrieben, so ist der Betrieb in vollem Umfang als stehendes Gewerbe zu behandeln. (3) Hebeberechtigt ist die Gemeinde, in der sich der Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit befindet. (4) Ist im Laufe des Erhebungszeitraums der Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit von einer Gemeinde in eine andere Gemeinde verlegt worden, so hat das Finanzamt den Steuermessbetrag nach den zeitlichen Anteilen (Kalendermonaten) auf die beteiligten Gemeinden zu zerlegen. § 35 GewStDV Reisegewerbebetriebe (1) Der Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit befindet sich in der Gemeinde, von der aus die gewerbliche Tätigkeit vorwiegend ausgeübt wird. Das ist in der Regel die Gemeinde, in der sich der Wohnsitz des Reisegewerbetreibenden befindet. In Ausnahmefällen ist Mittelpunkt eine auswärtige Gemeinde, wenn die gewerbliche Tätigkeit von dieser Gemeinde (z.B. von einem Büro oder Warenlager) aus vorwiegend ausgeübt wird. Ist der Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit nicht feststellbar, so ist die Gemeinde hebeberechtigt, in der der Unternehmer polizeilich gemeldet oder meldepflichtig ist. (2) Eine Zerlegung des Steuermessbetrags auf die Gemeinden, in denen das Gewerbe ausgeübt worden ist, unterbleibt. (3) Der Steuermessbetrag ist im Fall des § 35a Abs. 4 des Gesetzes nach dem Anteil der Kalendermonate auf die hebeberechtigten Gemeinden zu zerlegen. Kalendermonate, in denen die Steuerpflicht nur während eines Teils bestanden hat, sind voll zu rechnen. Der Anteil für den Kalendermonat, in dem der Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit verlegt worden ist, ist der Gemeinde zuzuteilen, in der sich der Mittelpunkt in diesem Kalendermonat die längste Zeit befunden hat. A. B. I. II.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Gewerbesteuerpflicht (Abs. 1) . . . . . . . . Begriff des Reisegewerbebetriebs (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2

III. Hebeberechtigte Gemeinde (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zerlegung (Abs. 4). . . . . . . . . . . .

11 12

4

A. Allgemeines Das Gewerbesteuerrecht unterwirft stehende Gewerbebetriebe sowie Reisegewerbebetriebe der Gewerbesteuerpflicht. Beide Formen des Gewerbebetriebs schließen sich gegenseitig aus (§ 1 GewStDV). § 35a GewStG ergänzt insoweit § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG i.V.m. § 1 GewStDV. Vorbehaltlich der Sonderregelung des § 35a GewStG unterfallen auch Reisegewerbebetriebe den allgemeinen Vorschriften des Gewerbesteuergesetzes. Beide Formen setzen eine gewerbliche Tätigkeit voraus. § 35a GewStG geht § 2 Abs. 1 und §§ 28 ff. GewStG vor (vgl. Abs. 3 und 4). Im Übrigen gelten die allgemeinen Regelungen. Die Definition des Reisegewerbebetriebs verweist zudem auf die Gewerbeordnung und die dortigen ordnungsrechtlichen Voraussetzungen für den Betrieb (§§ 55 ff.).

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1

GewStG § 35a Rz. 2 | Gewerbesteuer der Reisegewerbebetriebe In der Praxis spielen Reisegewerbebetriebe aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen (vgl. die Freibeträge in § 11 Abs. 1 Satz 3 GewStG) keine bedeutende Rolle. Typische Unternehmer waren und sind etwa noch Vertreter an der Haustür, Verkäufer mit Bauchladen und Gewerbetreibende mit mobilen Stand, Hausierer, Schausteller, Scherenschleifer, Eisverkäufer oder Straßenhändler, die eine selbständige Tätigkeit ausüben. Auch die Ausübung eines Handwerks ist als Reisegewerbe möglich, z.B. Zimmerer.1 Die aktuelle Fassung beruht auf dem JStG 2010.2 Vorbild war die Wandergewerbesteuer des Reiches.3

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Gewerbesteuerpflicht (Abs. 1) 2

Ein im Inland betriebener Gewerbebetrieb kann unter Beachtung von § 1 GewStDV nur entweder ein stehendes Gewerbe oder ein Reisegewerbe sein. § 35a GewStG grenzt insoweit das Reisegewerbe vom stehenden Gewerbebetrieb ab. Die Besteuerung des stehenden Gewerbebetriebs und des Reisegewerbebetriebs unterscheiden sich grundsätzlich nicht. Da der Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit bei einem Reisegewerbe meist der (inländische) Wohnsitz des Gewerbetreibenden sein dürfte und dies bei einem vergleichbaren stehenden Gewerbebetrieb regelmäßig als einzige Betriebsstätte in Form des Sitzes der Geschäftsleitung einzustufen wäre, ergeben sich auch bei der Ertrags- und Hebeberechtigung im Ergebnis regelmäßig keine Unterschiede zwischen einem Reisegewerbebetrieb und einem stehenden Gewerbebetrieb. Voraussetzung ist zunächst, dass ein „Gewerbebetrieb“ vorliegt. Dies ist nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ein gewerbliches Unternehmen i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG.4 Da auch juristische Personen ein Reisegewerbe ausüben können, kann sich die Gewerbesteuerbarkeit auch aus § 2 Abs. 2 und 3 GewStG ergeben.

3

Voraussetzung der Gewerbesteuerpflicht ist, dass das Reisegewerbe im Inland betrieben wird. Der Inlandsbegriff deckt sich mit demjenigen in § 2 GewStG. Die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG passt hier allerdings insoweit nicht, da ein Reisegewerbetreibender nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch am Wohnsitz oder in der Wohnung keine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO im Inland unterhält. Ein Reisegewerbe wird im Inland betrieben, wenn sich der Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit im Inland befindet (vgl. § 35a Abs. 3 GewStG, § 35 GewStDV). Betätigungen rein im Ausland sind nach dem sog. Territorialitätsprinzip nicht steuerbar. Ein Reisegewerbe wird im Ausland betrieben, wenn sich der Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit im Ausland befindet. Umstritten ist der Umfang der Gewerbesteuerpflicht in den Fällen, in denen der Reisegewerbebetrieb zwar seinen Mittelpunkt im Inland hat, aber sich auch im Ausland betätigt. Nach dem Wortlaut des § 35a Abs. 1 („soweit“) und dem Zweck der Gemeindesteuer verbietet sich ein Steuerzugriff auf die „ausländischen“ Einkünfte, d.h. der gesamte Gewerbeertrag ist insoweit wirtschaftlich aufzuteilen (entsprechend § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG).5

1 BVerfG v. 27.4.2007 – 2 BvR 449/02, GewArch 2007, 294. 2 JStG 2020 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 3 Gesetz v. 19.12.1937, RGBl. I 1937, 1348; der Ertrag ging abzüglich einer Verwaltungspauschale des Reichs an die Länder (§ 42d RFAG 1937). 4 R. 2.1 Abs. 1 GewStR 2009. 5 Ebenso Selder in Glanegger/Güroff10, § 35a GewStG Rz. 5; Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllmann/ Heinemann2, § 35a GewStG Rz. 7 m.w.N.; a.A. Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 35a GewStG Rz. 9 mit Verweis auf FG Hess. v. 15.5.1951 – VII 32/73, EFG 1975, 586.

528

Gewerbesteuer der Reisegewerbebetriebe | Rz. 10 § 35a GewStG

II. Begriff des Reisegewerbebetriebs (Abs. 2) Nach § 35a Abs. 2 GewStG unterhält einen Reisegewerbebetrieb, wer als Inhaber nach den Vorschriften der Gewerbeordnung (GewO) und den dazugehörigen Ausführungsbestimmungen einer Reisegewerbekarte bedarf. Vormals bestehende Sonderregelungen für den Vertrieb von Blindenwaren sind u.a. in der Gewerbeordnung (§ 55a Abs. 1 Nr. 1 GewO a.F.) entfallen. Mit dem JStG 2010 sind auch die Ausführungen zu Gewerbetreibenden mit einem Blinden-Vertriebsausweis aus § 35b Abs. 2 GewStG gestrichen worden.

4

Vorbehaltlich der in § 55a GewO aufgeführten reisegewerbekartenfreien Tätigkeiten (z.B. Tätigkeit in einer Gemeinde mit nicht mehr als 10.000 Einwohner, Abschluss von Versicherungs- und Bausparverträgen, Verkauf von Lebensmitteln von einer nicht ortsfesten Verkaufsstelle in regelmäßigen, kürzeren Abständen – Marktverkehrstreibende) bedarf nach § 55 Abs. 2 GewO derjenige einer Reisegewerbekarte, wer gewerbsmäßig ohne vorhergehende Bestellung außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung oder ohne eine solche zu haben 1. selbständig oder unselbständig in eigener Person Waren feilbietet oder Bestellungen aufsucht (vertreibt) oder ankauft, Leistungen anbietet oder Bestellungen auf Leistungen aufsucht oder 2. selbständig unterhaltene Tätigkeiten als Schausteller oder nach Schaustellerart ausübt (§ 55 Abs. 1 GewO).

5

Entscheidend für die Abgrenzung des Reisegewerbes von der Ausübung eines anderen Gewerbes im stehenden Betrieb ist, dass beim Reisegewerbe die Initiative zur Erbringung der Leistung vom Anbietenden ausgeht, während beim stehenden Betrieb die Kunden um Angebote nachsuchen.6

6

§ 55 Abs. 2 GewO enthält ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Ordnungsrechtlicher Zweck der Regelung ist es, die Allgemeinheit und die Kunden vor den Risiken zu schützen, die durch eine Geschäftstätigkeit solcher Personen außerhalb einer ständigen oder ohne gewerbliche Niederlassung entstehen könnten. Bestimmte Tätigkeiten sind untersagt (§ 56 GewO). Die Reisegewerbekarte ist zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für die beabsichtigte Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt (57 GewO).

7

Bestimmte gewerbliche Tätigkeiten sind von der grundsätzlichen Pflicht einer Reisegewerbekarte ausgenommen (§§ 55a, 55b GewO). In diesen Fällen besteht kein Reisegewerbe, sondern ein stehender Gewerbebetrieb. Nach § 55a Abs. 1 Nr. 3 GewO etwa bedarf derjenige, der ein Reisegewerbe im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GewO in der Gemeinde seines Wohnsitzes oder seiner gewerblichen Niederlassung ausübt, keiner Reisegewerbekarte, sofern die Gemeinde nicht mehr als 10.000 Einwohner zählt.

8

Die allgemeinen Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs nach § 15 Abs. 2 EStG (u.a. Selbständigkeit, Gewinnerzielungsabsicht) müssen für Einzelpersonen und Personengesellschaften als Reisegewerbetreibende erfüllt sein. Angestellte eines Reisegewerbetreibenden, die für diese Tätigkeit auch eine Reisegewerbekarte benötigen, unterliegen wie jeder andere nichtselbständig Tätige nicht der Gewerbesteuer. Bei einem gewerblichen Unternehmen i.S.d. Gewerbesteuergesetzes geht die Finanzverwaltung7 aus praktischen Gründen davon aus, dass bei Erwerb einer Reisegewerbekarte Gewerbesteuerpflicht gerade als Reisegewerbebetrieb besteht.

9

Beim tatsächlichen Zusammentreffen von Reisegewerbe mit einem stehenden Gewerbe ist für die gewerbesteuerliche Behandlung wesentlich, ob ein einheitlicher Gewerbebetrieb oder zwei selbständige Betriebe bestehen.8 Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze für die

10

6 BVerfG v. 27.4.2007 – 2 BvR 449/02, GewArch 2007, 294 m.w.N. 7 R 35a.1 Satz 6 GewStR 2009; krit. Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 35a GewStG Rz. 10. 8 R 2.1 Abs. 3 GewStR 2009.

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GewStG § 35a Rz. 11 | Gewerbesteuer der Reisegewerbebetriebe Einheitlichkeit oder Eigenständigkeit der Betriebsteile. Bildet das Reisegewerbe mit einem stehenden Gewerbebetrieb einen einheitlichen Betrieb i.S.d. § 2 GewStG, so ist gem. § 35a Abs. 2 Satz 2 GewStG insgesamt ein stehender Gewerbebetrieb anzunehmen. Bilden der Reisegewerbebetrieb und der stehende Betrieb keinen einheitlichen Betrieb, so sind sie wie selbständige Gewerbebetriebe zu behandeln. Maßgebend das Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall.9

III. Hebeberechtigte Gemeinde (Abs. 3) 11

Hebeberechtigt ist gem. § 35a Abs. 3 GewStG die Gemeinde, in der sich der Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit befindet. § 35 Abs. 1 GewStDV bestimmt diesen Ort mit Hilfe verschiedener, abgestufter Kriterien. Diese Regelung beruht auf § 35c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GewStG. Der Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit befindet sich in der Gemeinde, von der aus die gewerbliche Tätigkeit vorwiegend ausgeübt wird (§ 35 Abs. Satz 1 GewStDV). Das ist in der Regel die Gemeinde, in der sich der Wohnsitz des Reisegewerbetreibenden befindet (Wohnsitzgemeinde, § 35 Abs. 1 Satz 2 GewStDV), da von dort aus die gewerbliche Tätigkeit vorwiegend ausgeübt wird. Wird die gewerbliche Tätigkeit vorwiegend in einer anderen Gemeinde als der Wohnsitzgemeinde ausgeübt (z.B. von einem Büro oder Warenlager), ist die auswärtige Gemeinde, hebeberechtigt (§ 35 Abs. 1 Satz 3 GewStDV). Ist der Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit nicht feststellbar, so ist die Gemeinde hebeberechtigt, in der der Unternehmer polizeilich gemeldet oder meldepflichtig ist (§ 35 Abs. 1 Satz 4 GewStDV). Bei gewerblich tätigen juristischen Personen besteht grundsätzlich eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte. Liegt gleichzeitig ein Reisegewerbe i.S.d. Gewerbeordnung vor, kann hier auf den Ort der Geschäftsleitung abgestellt werden.10

IV. Zerlegung (Abs. 4) 12

Eine Zerlegung des Steuermessbetrags auf (praktisch viele) Gemeinden, in denen das Reisegewerbe ausgeübt worden ist, wird nach § 35 Abs. 2 GewStDV nicht durchgeführt. Die Regelung beruht auf § 35c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d GewStG. Den einzigen Zerlegungsfall regelt das Gesetz. Nur bei Wechsel des Mittelpunkts der gewerblichen Tätigkeit im Laufe des EZ findet nach § 35a Abs. 4 GewStG, § 35 Abs. 3 GewStDV eine Zerlegung auf die beteiligten Gemeinden nach Kalendermonaten statt. Kalendermonate, in denen die Steuerpflicht nur während eines Teils bestanden hat, sind voll zu rechnen. Der Anteil für den Kalendermonat, in dem der Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit verlegt worden ist, ist der Gemeinde zuzuteilen, in der sich der Mittelpunkt in diesem Kalendermonat die längste Zeit befunden hat.11 Für die Zerlegung ist in allen Ländern das Finanzamt zuständig, das den Steuermessbetrag zerlegt.

9 BFH v. 23.11.1983 – I R 201/79, juris. 10 Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 35a GewStG Rz. 19. 11 Zur hälftigen Teilung im Wechselmonat Baldauf in Brandis/Heuermann, § 35a GewStG Rz. 14.

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Abschnitt VIII. Änderung des Gewerbesteuermessbescheids von Amts wegen § 35b Änderung des Steuermessbescheids von Amts wegen (1) 1Der Gewerbesteuermessbescheid oder Verlustfeststellungsbescheid ist von Amts wegen aufzuheben oder zu ändern, wenn der Einkommensteuerbescheid, der Körperschaftsteuerbescheid oder ein Feststellungsbescheid aufgehoben oder geändert wird und die Aufhebung oder Änderung den Gewinn aus Gewerbebetrieb berührt. 2Die Änderung des Gewinns aus Gewerbebetrieb ist insoweit zu berücksichtigen, als sie die Höhe des Gewerbeertrags oder des vortragsfähigen Gewerbeverlusts beeinflusst. 3§ 171 Abs. 10 der Abgabenordnung gilt sinngemäß. (2) 1Zuständig für die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes ist das für den Erlass des Gewerbesteuermessbescheids zuständige Finanzamt. 2Bei der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes sind die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie der Festsetzung des Steuermessbetrags für den Erhebungszeitraum, auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust festgestellt wird, zu Grunde gelegt worden sind; § 171 Absatz 10, § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und § 351 Absatz 2 der Abgabenordnung sowie § 42 der Finanzgerichtsordnung gelten entsprechend. 3Die Besteuerungsgrundlagen dürfen bei der Feststellung nur insoweit abweichend von Satz 2 berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung des Gewerbesteuermessbescheids ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe des festzusetzenden Steuermessbetrags unterbleibt. 4Die Feststellungsfrist endet nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Erhebungszeitraum abgelaufen ist, auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust gesondert festzustellen ist; § 181 Abs. 5 der Abgabenordnung ist nur anzuwenden, wenn die zuständige Finanzbehörde die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes pflichtwidrig unterlassen hat. A. I. II. 1. 2. B. I.

Allgemeines Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgegenstand § 35 Abs. 1 GewStG. . . . . . . . . . . . . . . § 35b Abs. 2 GewStG . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Aufhebung oder Änderung des Gewerbesteuermessbescheids (Abs. 1) 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausmaß der Änderung . . . . . . . . . . . .

.

1

. .

2 7

. .

10 16

II. Verlustfeststellungsbescheid (Abs. 2) 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahren a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundlagenfunktion des Gewerbesteuermessbescheids . . . . . . . . . c) Korrektur des Verlustfeststellungsbescheids bei fehlender steuerlicher Erheblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . d) Feststellungsverjährung . . . . . . . . III. Rechtsschutz des Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20 25 26 30 32 35

A. Allgemeines I. Regelungszweck § 35b GewStG ist primär eine selbständige abgabenrechtliche Rechtsgrundlage (Korrekturvorschrift) zur Änderung oder Aufhebung von Gewerbesteuermessbescheiden sowie den Erlass, die Änderung und die Aufhebung von Verlustfeststellungsbescheiden für alle Gewerbebetriebe. Die Vorschrift (namentlich Absatz 1) dient der Verfahrensvereinfachung.1 Sie bezweckt die Vermeidung einer unerwünschten Verdoppelung von Rechtsbehelfsver1 BFH v. 27.4.1961 – IV 336/59, BStBl. III 1961, 281.

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1

GewStG § 35b Rz. 2 | Änderung des Steuermessbescheids von Amts wegen fahren, in denen der Steuerpflichtige (Rechtsbehelfsführer) sowohl gegen den Einkommensteuer(änderungs)bescheid bzw. den Körperschaftsteuerbescheid als auch gegen den Gewerbesteuermessbescheid ein und dieselben (materiell-rechtlichen) Einwendungen erhebt.2 Sie ist die naheliegende abgabenrechtliche Folge der Verbindung und Verknüpfung von Ertragsteuerrecht und Gewerbesteuerrecht. 2

Die Regelung betrifft das Rechtsverhältnis des Steuerpflichtigen zum Finanzamt in allen Ländern. Zuletzt hat das JStG 2010 § 35b Abs. 2 Satz 2 und 3 GewStG geändert. Der Gesetzgeber reagierte damit auf eine Entscheidung des BFH3 zu § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG. Danach durfte das Finanzamt einen verbleibender Verlustvortrag auch dann gesondert feststellen, wenn der Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr bestandskräftig war, obwohl darin negative Einkünfte zu Unrecht berücksichtigt worden sind. Die aktuelle Fassung der Vorschrift beruht auf dem JStG 2010.4 Das GewStG 1936 enthielt kein Vorbild. § 35b Abs. 1 GewStG enthält eine selbständige Berichtigungsnorm zur Änderung oder Aufhebung von Gewerbesteuermessbescheiden und Verlustfestsetzungsbescheiden. § 35b Abs. 2 GewStG enthält sodann zusätzliche verfahrensrechtliche Regelungen zur Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes und gilt nur für Verlustfeststellungsbescheide. § 35b GewStG gilt für alle Gewerbebetriebe. Das Finanzamt muss in allen Fällen von Amts wegen tätig werden. Ein Antrag ist nicht erforderlich.

II. Regelungsgegenstand 1. § 35b Abs. 1 GewStG 3

Unter den Voraussetzungen des § 35b Abs. 1 GewStG muss das Finanzamt einen Gewerbesteuermessbescheid oder Verlustfestsetzungsbeschied korrigieren. Das Gewerbesteuerrecht kennt folgende Grundlagenbescheide (§ 171 Abs. 10 AO): den Gewerbesteuermessbescheid (§ 14 GewStG), den Zerlegungsbescheid (§ 188 AO), den Zuteilungsbescheid (§ 190 AO) und den Verlustfeststellungsbescheid (§ 10a Satz 6 GewStG). Die ertragsteuerrechtlichen Bescheide (Einkommensteuerbescheid, Körperschaftsteuerbescheid, Gewinnfeststellungsbescheid) begründen keine Grundlagenbescheide i.S.d. § 175 Abs. 1 Nr. 1, § 171 Abs. 10 AO für Zwecke der Gewerbesteuer. Denn der Gewerbeertrag nach §§ 7 ff. GewStG wird materiell-rechtlich eigenständig ermittelt und später eigenständig überprüft.5 Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer knüpfen zwar an den gewerblichen Gewinn und Verlust nach dem EStG bzw. KStG an. Eine Bindungswirkung an den für Zwecke der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer ermittelten Gewinn besteht im Rahmen der Festsetzung des Gewerbesteuermessbescheids nicht. Die genannten Bescheide sind mithin abgabenrechtlich an sich keine Grundlagenbescheide für den Gewerbesteuermessbescheid.

4

Der Gesetzgeber, der Gesetzeswortlaut (namentlich der zweifache Verweis auf § 171 Abs. 10 AO), der Regelungszweck des § 35b Abs. 1 und 2 GewStG sowie die Rechtsprechung6 gehen aber mit Recht davon aus, dass die aufgehobenen oder geänderten ertragsteuerrechtlichen Bescheide für den Gewerbesteuermessbescheid hier eine begrenzte Grundlagenfunktion haben. Entsprechend hat der Messbescheid auch eine „Grundlagenfunktion“7 für den Ver-

BFH v. 23.6.2004 – X R 59/01, BStBl. II 2004, 901. BFH v. 17.9.2008 – IX R 70/06, BStBl. II 2009, 897. JStG 2010 v. 8.10.2010, BGBl. I 2010,1768. BFH v. 19.1.1990 – III R 31/87, BStBl. II 1979, 383. BFH v. 3.8.1988 – I R 115/84, BFH/NV 1989, 482; v. 23.6.2004 – X R 59/01, BStBl. II 2004, 901; näher Selder in Glanegger/Güroff10, § 35b GewStG Rz. 1 ff., dort auch zur Konkurrenz zu anderen Korrekturvorschriften der AO. Der Ausdruck „de-facto-Grundlagenbescheid“ irritiert eher. 7 BFH v. 28.11.2019 – IV R 43/16, BFH/NV 2020, 511. 2 3 4 5 6

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Änderung des Steuermessbescheids von Amts wegen | Rz. 9 § 35b GewStG

lustfeststellungsbescheid, d.h. der Messbescheid erzeugt eine „Quasi-Bindung“8 für den Verlustfeststellungsbescheid und nicht umgekehrt.9 Die Regelung erweitert die Befugnisse des Finanzamts, ohne die Rechte des Steuerpflichtigen einzuschränken. Wenn feststeht, dass ein Einkommensteuerbescheid, ein Körperschaftsteuerbescheid oder ein Gewinnfeststellungsbescheid aufzuheben oder zu ändern ist, die Aufhebung oder Änderung des bezeichneten Bescheids die Höhe des Gewinns aus Gewerbebetrieb berührt und diese Aufhebung oder Änderung die Höhe des Gewerbeertrags beeinflusst, kann der Steuerpflichtige von einem Rechtsbehelf gegen den Gewerbesteuermessbescheid oder Verlustfeststellungsbescheid abzusehen. In diesem Fall führt eine Aufhebung oder Änderung des Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Gewinnfeststellungsbescheids von Amts wegen zu einer entsprechenden Änderung des Gewerbesteuermessbescheids bzw. des Verlustfeststellungsbescheids nach § 35b GewStG. Eine Wiederaufrollung des Messbetragsverfahrens im Ganzen findet dabei nicht statt. Die Regelung ist unabhängig davon anzuwenden, ob die Voraussetzungen anderer Änderungsvorschriften der AO erfüllt sind.10

5

Dem Steuerpflichtigen bleibt es aber unbenommen, sich bei Streitigkeiten über die Höhe von Gewinn und Verlust sowie Hinzurechnungen und Kürzungen auch unmittelbar gegen den Gewerbesteuermessbescheid oder die Verlustfestsetzung zu wenden.11 Dadurch tritt insgesamt keine Bestandskraft für den angefochtenen Gewerbesteuermessbescheid ein. Ein Rechtsschutzbedürfnis liegt weiterhin vor.12 Auch bleibt der Steuerpflichtige dadurch nicht auf eine zwingend notwendige Änderung des Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Feststellungsbescheides angewiesen, die sich nicht aus jeder Veränderung von Gewinn oder Verlust, z.B. wegen einer gegenläufigen Veränderung anderer Besteuerungsgrundlagen, ergeben muss.

6

2. § 35b Abs. 2 GewStG § 35b Abs. 2 GewStG erfasst dagegen nur Verlustfeststellungsbescheide. Die Regelung des § 35b Abs. 2 Satz 2 gilt erstmals für Verluste, für die nach dem 13.12.2010 eine Erklärung zur Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes abgegeben wird.13 Der Regelungsinhalt von § 35b Abs. 2 GewStG geht über die Überschrift des Abschnitts VIII „Änderung des Gewerbesteuermessbescheids von Amts wegen“ hinaus. Die Vorschrift befasst sich allgemein mit dem Verfahren zum Erlass oder zur Änderung eines Verlustfeststellungsbescheids i.S.d. § 10a Satz 6 GewStG. Sie stellt sicher, dass bei einer Änderung der „Besteuerungsgrundlagen“ für den Gewerbesteuermessbetrag eine korrespondierende Änderung der Verlustfeststellung nach § 10a Satz 6 GewStG erfolgt.14 Im Einzelnen wird dabei ua. festgelegt, welches Finanzamt zuständig ist (Satz 1), innerhalb welcher Frist der Verlust festzustellen ist (Satz 4) und in welchem Verhältnis der gewerbesteuerrechtliche Verlustfeststellungsbescheid zu dem Messbescheid desselben EZ inhaltlich steht (Sätze 2 und 3). Die Vorschrift ist § 10d Abs. 4 Sätze 4 ff. EStG nachgebildet. frei

8 9 10 11 12 13 14

7

8–9

Wystrcil in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 35b GewStG Rz. 2. BFH v. 3.8.1988 – I R 115/84, BFH/NV 1989, 482. BFH v. 6.5.1965 – IV 19/65 U, BStBl. III 1965, 419; R 35b.1 Abs. 1 Satz 2 GewStR 2009. BFH v. 6.5.1965 – IV 19/65 U, BStBl. III 1965, 419. BFH v. 11.10.1996 – VIII B 56/95, BFH/NV 1997, 457. BFH v. 28.5.2020 – IV R 4/17, BStBl. II 2020, 710. BT-Drucks. 12/1108, 70.

533

GewStG § 35b Rz. 10 | Änderung des Steuermessbescheids von Amts wegen

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Aufhebung oder Änderung des Gewerbesteuermessbescheids (Abs. 1) 1. Voraussetzungen 10

Der Gewerbesteuermessbescheid bzw. der Verlustfeststellungsbescheid ist nach 35b Abs. 1 Satz 1 GewStG von Amts wegen aufzuheben oder zu ändern, wenn 1. der Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Feststellungsbescheid geändert wird (z.B. durch Rechtsbehelfsentscheidung, Berichtigung, Aufhebung, Änderung nach §§ 129, 164 Abs. 2, §§ 172, 173 AO), 2. die Aufhebung oder Änderung des genannten Bescheids die Höhe des Gewinns bzw. Verlustes aus Gewerbebetrieb „berührt“15 und 3. die Aufhebung oder Änderung des Gewinns bzw. des Verlustes die Höhe des Gewerbeertrags bzw. des vortragsfähigen Gewerbeverlustes „beeinflusst“.16

11

Danach ist Voraussetzung einer Korrektur des Gewerbesteuermessbescheids bzw. des Verlustfeststellungsbescheids nach § 35b Abs. 1 GewStG: eine Bescheidänderung, eine Gewinnänderung sowie eine Auswirkung (Änderung) auf den Gewerbeertrag bzw. Gewerbesteuermessbescheid (steuerliche Erheblichkeit). In diesem Fall erfolgt eine punktuelle Folgeberichtigung des Gewerbesteuermessbescheids bzw. des Verlustfeststellungsbescheids. Alle drei Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. Nach der Ausnahmeregelung des § 35b Abs. 2 Satz 3 GewStG kann die dritte Voraussetzung (steuerliche Erheblichkeit) bei der Korrektur eines Verlustfeststellungsbescheids entfallen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes muss der maßgebende Bescheid geändert werden. Unerheblich ist, aus welchen Gründen der Bescheid aufgehoben oder geändert wird (Rechtsbehelfsentscheidung, Berichtigung nach § 129 AO, Aufhebung oder Änderung nach § 164 Abs. 2, §§ 172 und 173 AO).17

12

Zusätzlich ist dabei die Änderung des gewerblichen Gewinns erforderlich. Eine Gewinnänderung, die nicht zu einer Veränderung von Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Feststellungsbescheid führt, kann keine Änderung nach § 35b GewStG auslösen.18 Wird ein Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Feststellungsbescheid erstmalig nach dem Gewerbesteuerbescheid erlassen, so besteht für eine Änderung nach § 35b GewStG kein Raum.19 Es mangelt an einer Änderung des maßgebenden Bescheids. Wird ein Gewerbesteuermessbescheid selbständig angefochten, darf das Finanzamt diesen Bescheid nicht nach § 35b Abs. 1 GewStG aufheben oder ändern.20 Die nach Maßgabe des § 35b Abs. 1 Satz 2 GewStG zu berücksichtigende Gewinnänderung beeinflusst dann nicht die Höhe des Gewerbeertrags, wenn sie auf verfahrens- oder materiell-rechtlichen Regelungen beruht, die allein für die Festsetzung der Einkommensteuer von Bedeutung sind.21

13

§ 35b Abs. 1 GewStG erfasst in weiter Auslegung auch Fälle, in denen sich Steuerpflichtige gegen den Ansatz von gewerblichen Einkünften im Einkommensteuerbescheid „dem Grunde nach“ wehren. So ist § 35b Abs. 1 GewStG auch dann anzuwenden, wenn mit einem geänderten Einkommensteuerbescheid ein bislang gewerblicher Gewinn nunmehr als ein nicht gewerbesteuerpflichtiger Gewinn aus einer anderen Einkunftsart, z.B. aus freiberuflicher Tätigkeit22 oder als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung23, behandelt wird, bzw. ein 15 16 17 18 19 20 21 22 23

534

Dazu BFH v. 16.12.2004 – X R 14/03, BStBl. II 2005, 184; H 35b. 1 GewStH 2016. Dazu BFH v. 16.12.2004 – X R 14/03, BStBl. II 2005, 184. R 35b.1 Abs. 1 Satz 6 GewStR 2009. BFH v. 9.9.1965 – IV 40/65 U, BStBl. III 1965, 667. BFH v. 5.11.2009 – IV R 99/06, BStBl. II 2020, 593. BFH v. 9.9.1965 – IV 40/65 U, BStBl. III 1965, 667. BFH v. 13.11.1991 – X R 48/91, BStBl. II 1992, 351; H 35b.1 GewStH 2016. BFH v. 23.6.2004 – X R 59/01, BStBl. II 2004, 901; H 35b.1 GewStH 2016. BFH v. 14.7.2016 – IV R 34/13, BStBl. II 2017, 175.

Änderung des Steuermessbescheids von Amts wegen | Rz. 19 § 35b GewStG

laufender gewerblicher Gewinn in einen nicht der Gewerbesteuer unterliegenden begünstigten Betriebsveräußerungs- oder Aufgabegewinn umqualifiziert wird.24 Werden z.B. Vermietungseinkünfte zunächst in einem Feststellungsbescheid als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eingestuft und wird die sich daran anschließende Gewinnfeststellung als gewerbliche Einkünfte wegen Ablauf der Festsetzungsverjährung durch einen erneuten Gewinnfeststellungsbescheid zurückgenommen, führt der letzte Feststellungsbescheid nicht zu einer Anpassung des zwischenzeitlich ergangenen Gewerbesteuermessbescheids nach § 35b Abs. 1 GewStG.25 Änderungen eines Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Feststellungsbescheids aus verfahrensrechtlichen Gründen werden von § 35b Abs. 1 GewStG nicht erfasst.26

14

Sind die Voraussetzungen des § 35b Abs. 1 GewStG erfüllt, ist das Finanzamt zu einer Folgeberichtigung nach § 35b GewStG von Amts wegen verpflichtet. Dann wird die Änderung des Gewinns aus Gewerbebetrieb in dem neuen Gewerbesteuermessbescheid oder Verlustfeststellungsbescheid von Amts wegen insoweit berücksichtigt, als sie die Höhe des Gewerbeertrags beeinflusst (§ 35b Abs. 1 Satz 2 GewStG). Lediglich der Ablauf der Festsetzungsfrist – nach § 35b Abs. 1 Satz 3 GewStG ist § 171 Abs. 10 AO entsprechend anzuwenden – und eine Bestätigung des Gewerbesteuermessbescheids durch ein rechtskräftiges Urteil27 steht der Folgeberichtigung entgegen.

15

2. Ausmaß der Änderung Die Änderung des Gewinns oder des Verlustes aus Gewerbebetrieb werden nur insoweit berücksichtigt, soweit sie die Höhe des Gewerbeertrags bzw. des vortragsfähigen Gewerbeverlustes beeinflusst (§ 35b Abs. 1 Satz 2 GewStG). Die Auswirkung auf die Gewerbesteuer muss nicht nur in der Gewinn- oder Verlustveränderung selbst bestehen. Eine Gewinnminderung im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung wegen höherer Zinsen, die ihrerseits eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG auslösen, hat für die Gewerbesteuer eine Änderung nach § 35b GewStG zur Folge, die nicht nur die Gewinnminderung, sondern auch die Erhöhung von Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG berücksichtigt.

16

§ 35b GewStG führt nicht zu einer Änderung des ganzen Steuerfalls.28 Nur soweit die Änderung des maßgeblichen Bescheids reicht, werden die Besteuerungsgrundlagen ausgewechselt. Im Übrigen bleibt der frühere Bescheid unverändert. Die bei der früheren Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags vorgenommenen Hinzurechnungen und Kürzungen bleiben deshalb unverändert, es sei denn, dass diese nach Grund und Höhe von der Gewinnänderung unmittelbar berührt werden.29 Die Kleinbetragsverordnung ist anwendbar.30

17

Zeitlich wird die Anpassung durch den Ablauf der Festsetzungsfrist nach §§ 169 ff. AO begrenzt. Die Frist für die Änderung der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags endet nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des maßgeblichen nichtgewerbesteuerrechtlichen Bescheids (§ 171 Abs. 1 Satz 1 AO, § 35b Abs. 1 Satz 3 GewStG). Dies gilt entsprechend für die Korrektur eines gewerbesteuerrechtlichen Verlustfeststellungsbescheids. Hierzu enthält § 35b Abs. 2 GewStG zusätzliche verfahrensrechtliche Anforderungen.

18

frei

19

24 BFH v. 16.12.2004 – X R 14/03, BStBl. II 2005, 184; v. 30.6.1964 – I 411/62 U, BStBl. III 1965, 581; H 35b.1 GewStH 2016. 25 BFH v. 14.7.2016 – IV R 34/13, BStBl. II 2017, 175. 26 BFH v. 13.11.1991 – X R 48/91, BStBl. II 1992, 351; H 35b.1 GewStH 2016. 27 BFH v. 24.10.1979 – I S 8/79, BStBl. II 1980, 104; H 35b.1 GewStH 2016. 28 BFH v. 11.10.1966 – I 223/65, BStBl. III 1967, 131; H 35b.1 GewStH 2016. 29 BFH v. 20.1.1965 – I 175/64 S, BStBl. III 1965, 228; H 35b.1 GewStH 2016. 30 H 35b.1 GewStH 2016.

535

GewStG § 35b Rz. 20 | Änderung des Steuermessbescheids von Amts wegen

II. Verlustfeststellungsbescheid (Abs. 2) 1. Grundsatz 20

§ 35b Abs. 2 GewStG bestimmt die verfahrensrechtlichen Besonderheiten für den Erlass und die Korrektur eines Verlustfeststellungsbescheid i.S.d. § 10a Satz 6 GewStG. Auch hier gilt, dass die ertragsteuerrechtlichen Bescheide (ESt, KSt) rechtlich weder Grundlagenbescheide für den Verlustfeststellungsbescheid noch dessen Folgebescheide sind.

21

Hinsichtlich der Bindungswirkungen (§ 182, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, § 171 Abs. 10 AO) ist wie folgt zu unterscheiden: Der eigenständige Verlustfeststellungsbescheid ist hinsichtlich des in den folgenden EZ vorgetragenen Gewerbeverlustes Grundlagenbescheid für den Verlustfeststellungsbescheid dieses EZ.31 Der Verlustfeststellungsbescheid ist außerdem Grundlagenbescheid für den Gewerbesteuermessbescheid des folgenden Jahres. Schließlich verknüpft § 35b Abs. 2 GewStG Gewerbesteuermessbescheid und Verlustfeststellungsbescheid dergestalt, dass der Gewerbesteuermessbescheid im Kontext des § 35b GewSt eine begrenzte Grundlagenfunktion für den Verlustfeststellungsbescheid hat, obwohl der Gewerbesteuermessbescheid kein Grundlagenbescheid für den Verlustfeststellungsbescheid ist.32 Der Gewerbesteuermessbescheid wird im Ergebnis wie ein Grundlagenbescheid behandelt.

22

Dies bedeutet, dass der Steuerpflichtige auch durch eine Null-Festsetzung im Gewerbesteuermessbescheid beschwert ist, wenn er eine höhere Verlustfeststellung begehrt.33 Er muss aufgrund der Bindungswirkung des Gewerbesteuermessbescheids diesen Messbescheid angreifen. Im Rahmen der Begründetheit der Klage gegen einen(quasi) Folgebescheid ist nur noch zu prüfen, ob überhaupt und wenn ja, in welchem Umfang eine Bindungswirkung für den Folgebescheid an den Grundlagenbescheid eingetreten ist.34 Danach sind im Feststellungsverfahren des verbleibenden Verlustvortrags die Einkünfte nicht mehr eigenständig zu ermitteln.35

23

Die Regelungen zur gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes sind, abgesehen von den bei der Einkommensteuer notwendigen Ausführungen zum Verlustrücktrag und der Bezeichnung „vortragsfähiger Gewerbeverlust“, statt des bei der Einkommensbesteuerung verwandten Begriffs „verbleibender Verlustvortrag“, wörtlich und inhaltlich identisch mit den Regelungen in § 10d Abs. 4 Sätze 3 ff. EStG.

24

§ 35b Abs. 2 GewStG ergänzt § 10 Satz 6 GewStG. Nach dieser Vorschrift sind die „vortragsfähigen Fehlbeträge“ gesondert festzustellen. Dies ist der Verlustfeststellungsbescheid i.S.d § 35b GewStG.36 Durch ihn werden Höhe und Abzugsfähigkeit des Gewerbeverlustes als „Besteuerungsgrundlage“ gesondert festgestellt (§ 157 Abs. 2, § 179 Abs. 1 AO). Der abgabenrechtliche Begriff der Besteuerungsgrundlage in § 157 Abs. 2 AO, § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG ist nicht mit dem steuertatbestandlichen Begriff in § 6 GewStG identisch. Der erstere umfasst nicht nur den Gewerbeertrag, sondern auch die Fehlbeträge i.S.d. § 10a Satz 2 GewStG.37 Für Verlustfeststellungsbescheide gelten die Regelungen der AO für die Durchführung der Besteuerung sinngemäß (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO).

31 BFH v. 17.1.2006 – VIII R 96/04, HFR 2006, 591; näher Selder in Glanegger/Güroff10, § 35b GewStG Rz. 15 10. Aufl. 2020. 32 Zuletzt wieder BFH v. 17.3.2021 – IV R 7/20, juris; v. 26.5.2018 – XI R 50/17, BStBl. II 2018, 752. 33 BFH v. 6.12.2016 – I R 79/15, BStBl. II 2019, 173. 34 BFH v. 2.9.1987 – I R 162/84, BStBl. II 1988, 142. 35 BFH v. 26.5.2018 – XI R 50/17, BStBl. II 2018, 752. 36 BFH v. 11.2.2015 – I R 5/13, BStBl. II 2016, 353. 37 BFH v. 28.2.2001 – I R 77/00, BFH/NV 2001, 1293; v. 7.9.2016 – IV R 31/13, BFH/NV 2017, 229; Güroff in Glanegger/Güroff10, § 6 GewStG Rz. 2.

536

Änderung des Steuermessbescheids von Amts wegen | Rz. 30 § 35b GewStG

2. Verfahren a) Zuständigkeit § 35b Abs. 2 Satz 1 GewStG bestimmt die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Finanzamts für den Verlustfeststellungsbescheid, das auch für den Gewerbesteuermessbescheid gem. § 14 GewStG zuständig ist. Örtlich zuständig ist entsprechend § 22 Abs. 1 Satz 1 AO grundsätzlich das Betriebsfinanzamt.

25

b) Grundlagenfunktion des Gewerbesteuermessbescheids § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG bestimmt mit einer sperrigen Formulierung die maßgeblichen Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes und die Korrektur des Verlustfeststellungsbescheids. Berücksichtigt werden nur die Besteuerungsgrundlagen, die dem Gewerbesteuermessbescheid zu Grunde gelegen haben (§ 35b Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 GewStG).

26

Als Grundsatz gilt, dass für den Verlustfeststellungsbescheid die Besteuerungsgrundlagen so festzusetzen sind, wie sie für die Festsetzung des Steuermessbetrags für den EZ, auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust festgestellt wird, zu Grunde gelegt worden sind.38 Dies heißt konkret, dass bei einer Feststellung des Gewerbeverlustes auf das Ende des EZ 01 genau dieselben Besteuerungsgrundlagen zu Grunde zu legen sind wie für den Steuermessbetrag des EZ 01. Eine Ausnahme von diesem „Grundsatz der Identität“39 enthält § 35b Abs. 2 Satz 3 GewStG.

27

Der bestandskräftige Verlustfeststellungsbescheid kann nur nach § 35b Abs. 2 Satz 2 und 3 GewStG geändert werden, wenn der Gewerbesteuermessbescheid für denselben EZ nach den Änderungsvorschriften der Abgabenordnung oder nach § 35b Abs. 1 GewStG zumindest dem Grunde nach geändert werden könnte. Nach § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG ist nicht nur ein geänderter Gewinn, sondern sind auch geänderte Hinzurechnungs- und Kürzungsbeträge zu berücksichtigen.40

28

Weiter erklärt § 35b Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 GewStG die Vorschriften der § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 AO sowie § 42 FGO für entsprechend anwendbar Die genannten Regelungen bestimmen die abgabenrechtlichen Rechtsfolgen, wenn ein Grundlagenbescheid vorliegt. Insbesondere bestimmen sie die Bindungswirkung von Grundlagenbescheiden auf die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes. Damit wird der Gewerbesteuermessbescheid wie ein Grundlagenbescheid für den Verlustfeststellungsbescheid behandelt,41 hat also Grundlagenfunktion. Die Vorschrift ist inhaltlich mit § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG identisch.

29

c) Korrektur des Verlustfeststellungsbescheids bei fehlender steuerlicher Erheblichkeit Nach § 35 Abs. 2 Satz 3 GewStG dürfen für den Verlustfeststellungsbescheid die Besteuerungsgrundlagen ausnahmsweise abweichend von dem Gewerbesteuermessbescheid zu Grunde gelegt werden, wenn die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung des Gewerbesteuermessbescheids ausschließlich mangels Auswirkung auf den Gewerbesteuermessbetrag unterbleibt. Die Regelung entspricht § 10d Abs. 3 Satz 5 EStG. Danach ist ein Verlustfeststellungsbescheid auch dann nach § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG zu ändern, wenn der Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Feststellungsbescheid geändert wird und die Aufhebung oder Änderung des genannten Bescheids die Höhe des

38 Einzelfälle: BFH v. 16.5.2018 – XI R 50/17, BStBl. II 2018, 752; v. 11.11.2018 – III R 23/16, DStR 2019, 981; v. 25.5.2020 – IV R 4/17, BStBl. II 2020, 710. 39 Schmieszek in GewStG eKommentar (Bös/Schmieszek), § 35b GewStG Rz. 39. 40 R 35b.1 Abs. 2 Satz 2, 3 GewStR 2009. 41 BFH v. 5.11.2015 – III R 12/13, BStBl. II 2016, 420; v. 7.9.2016, IV R 31/13, BStBl. II 2017, 482.

537

30

GewStG § 35b Rz. 31 | Änderung des Steuermessbescheids von Amts wegen Verlustes aus Gewerbebetrieb berührt. Die dritte Voraussetzung – steuerliche Erheblichkeit der Korrektur hinsichtlich des Gewerbesteuermessebetrags – entfällt.42 31

Betroffen ist der Fall, dass der Messbetrag wegen eines Gewerbeverlustes „null“ ist. Mit der Regelung soll erreicht werden, dass die Korrekturmöglichkeit für die Feststellung des Gewerbeverlustes so lange erhalten bleibt, wie sie für die Festsetzung des Messbetrags besteht.43 Auch die Anfechtung eines Nullbescheids ist notwendig, um eine Bindung an die Besteuerungsgrundlagen zu vermeiden.44 d) Feststellungsverjährung

32

§ 35b Abs. 2 Satz 4 GewStG regelt das Ende der Feststellungsfrist für den erstmaligen Verlustfeststellungsbescheid. Sie koppelt das Ende der Festsetzungsfrist für den Verlustfeststellungsbescheid an die Festsetzungsfrist für den Messbescheid (§ 181 Abs. 1 Satz 1, 169 ff. AO). Zusätzlich wird die Anwendung von § 181 Abs. 5 AO eingeschränkt. Die Regelung entspricht § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG.45

33–34

frei

III. Rechtsschutz des Steuerpflichtigen 35

Die Entscheidungen des Finanzamts betreffen den Steuerpflichtigen und grundsätzlich nicht unmittelbar die Gemeinde. Der Steuerpflichtige kann gegen einen Verwaltungsakt des Finanzamts, durch den ein Gewerbesteuermessbescheid korrigiert wird oder ein Antrag auf Korrektur abgelehnt wird, Einspruch einlegen (§ 347 Abs. 1 Nr. 1 AO).46 Danach ist die Klage beim FG möglich.47 Es gelten die Einschränkungen des § 351 AO und des § 42 FGO.48

36

Der Steuerpflichtige kann gegen einen Verlustfestsetzungsbescheid oder gegen einen Verwaltungsakt, durch den ein solcher Bescheid korrigiert wird oder ein Antrag auf einen Erlass oder seine Korrektur abgelehnt wird, Einspruch einlegen (§ 347 Abs. 1 Nr. 1 AO).49 Danach ist die Klage beim FG gegeben.50 Es gelten die Einschränkungen des § 351 AO und des § 42 FGO.

37

Der Verlustfestsetzungsbescheid ist Grundlagenbescheid i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO für den Gewerbemessbescheid,51 und für nachfolgende Verlustfestsetzungsbescheide. Die Einschränkungen der § 351 Abs. 2 AO, § 42 FGO i.Vm. § 35b Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 GewStG sind zu beachten. Die Klage gegen einen Folgebescheid (Gewerbemessbescheid oder Verlustfestsetzungsbescheid der Folgejahre), die mit Einwendungen begründet wird, die den Grundlagenbescheid betreffen, ist zulässig, aber unbegründet.52

38

Einstweiliger Rechtsschutz richtet sich nach § 361 AO, § 69 FGO.53

42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53

538

FG München v. 30.1.2012 – 7 K 843/10, EFG 2012, 1181. Schmieszek in GewStG eKommentar (Bös/Schmieszek), § 35b GewStG Rz. 42. Etwa BFH v. 6.12.2016 – I R 79/15, BStBl. II 2019, 173. Näher Kontny in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 35b GewStG Rz. 44 ff. R 35b.1 Abs. 2 Satz 4 GewStR 2009. Näher Baldauf in Brandis/Heuermann, § 35b GewStG Rz. 28 ff. BFH v. 1.3.1966 – I 259/64, BStBl. III 1966, 331; H 35b.1 GewStH 2016. R 35b.1 Abs. 2 Satz 4 GewStR 2009. Näher Baldauf in Brandis/Heuermann, § 35b GewStG Rz. 60 f. Selder in Glanegger/Güroff10, § 35b GewStG Rz. 15. BFH v. 27.6.2017 – I R 13/18, BStBl. II 2019, 623; v. 28.11.2019 – IV R 43/16, BFH/NV 2020, 511. Näher Selder in Glanegger/Güroff10, § 35b GewStG Rz. 11.

Abschnitt IX. Durchführung § 35c Ermächtigung (1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates 1. zur Durchführung des Gewerbesteuergesetzes Rechtsverordnungen zu erlassen, a) über die Abgrenzung der Steuerpflicht, b) über die Ermittlung des Gewerbeertrags, c) über die Festsetzung der Steuermessbeträge, soweit dies zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung von Unbilligkeiten in Härtefällen erforderlich ist, d) über die Zerlegung des Steuermessbetrags, e) über die Abgabe von Steuererklärungen unter Berücksichtigung von Freibeträgen und Freigrenzen; 2. Vorschriften durch Rechtsverordnung zu erlassen a) über die sich aus der Aufhebung oder Änderung von Vorschriften dieses Gesetzes ergebenden Rechtsfolgen, soweit dies zur Wahrung der Gleichmäßigkeit bei der Besteuerung oder zur Beseitigung von Unbilligkeiten in Härtefällen erforderlich ist, b) (weggefallen) c) über die Steuerbefreiung der Einnehmer einer staatlichen Lotterie, d) über die Steuerbefreiung bei bestimmten kleineren Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit im Sinne des § -210 des Versicherungsaufsichtsgesetzes, wenn sie von der Körperschaftsteuer befreit sind, e) über die Beschränkung der Hinzurechnung von Entgelten für Schulden und ihnen gleichgestellte Beträge (§ 8 Nr. 1 Buchstabe a) bei Kreditinstituten nach dem Verhältnis des Eigenkapitals zu Teilen der Aktivposten und bei Gewerbebetrieben, die nachweislich ausschließlich unmittelbar oder mittelbar Kredite oder Kreditrisiken, die einem Kreditinstitut oder einem in § 3 Nr. 2 genannten Gewerbebetrieb aus Bankgeschäften entstanden sind, erwerben und Schuldtitel zur Refinanzierung des Kaufpreises für den Erwerb solcher Kredite oder zur Refinanzierung von für die Risikoübernahmen zu stellenden Sicherheiten ausgeben, f) über die Beschränkung der Hinzurechnung von Entgelten für Schulden und ihnen gleichgestellte Beträge (§ 8 Nummer 1 Buchstabe a) bei aa) Finanzdienstleistungsinstituten, soweit sie Finanzdienstleistungen im Sinne des § 1 Absatz 1a Satz 2 des Kreditwesengesetzes tätigen, bb) Zahlungsinstituten, soweit sie Zahlungsdienste im Sinne des § 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b und Nummer 6 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes erbringen, cc) Wertpapierinstituten, soweit sie Wertpapierdienstleistungen, Wertpapiernebendienstleistungen und Nebengeschäfte im Sinne des § 2 Absatz 2 bis 4 des Wertpapierinstitutsgesetzes erbringen. 2 Voraussetzung für die Umsetzung von Satz 1 ist, dass die Umsätze des Finanzdienstleistungsinstituts zu mindestens 50 Prozent auf Finanzdienstleistungen, die Umsätze der Wertpapierinstitute zu mindestens 50 Prozent auf Wertpapierdienstleistungen, Wertpapiernebendienstleistungen und Nebengeschäfte und die Umsätze des Zahlungsinstituts zu mindestens 50 Prozent auf Zahlungsdienste entfallen, g) über die Festsetzung abweichender Vorauszahlungstermine. (2) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, den Wortlaut dieses Gesetzes und der zu diesem Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen in der jeweils geltenden Fassung satzweise nummeriert mit neuem Datum und in neuer Paragrafenfolge bekannt zu machen und dabei Unstimmigkeiten im Wortlaut zu beseitigen. 539

GewStG § 35c Rz. 1 | Ermächtigung

A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Verfassungsrechtliche Anforderungen an § 35c GewStG und die GewStDV (Abs. 1) 1. Ermächtigung der Exekutive a) Anforderungen des Art. 80 GG an das Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

10

b) Anforderungen an eine RVO . . . c) Steuerrechtlicher Parlamentsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Staatspraxis zur GewStDV. . . . . . 2. RVO nach Absatz 1 Nr. 1 . . . . . . 3. RVO nach Absatz 1 Nr. 2 . . . . . . II. Ermächtigung zur Bekanntgabe von Neufassungen (Abs. 2) . . . .

.

14

. . . .

15 17 18 22

.

33

A. Allgemeines 1

Die bundesgesetzliche Rechtsnorm des § 35c GewStG enthält im Abschnitt IX „Durchführung“ unter der Überschrift „Ermächtigung“ zwei rechtlich und praktisch unterschiedliche Regelungen, die die Arbeit des formellen Bundesgesetzgebers entlasten sollen. Sie sind Ausdruck des ungeschriebenen Effizienzprinzips und geben der Bundesexekutive (Bundesregierung) bestimmte Regelungsbefugnisse materieller, verfahrensrechtlicher und technischer Natur. Die Vorschrift bindet primär die Bundesregierung.1

2

Absatz 1 ermächtigt die vollziehende Bundesgewalt zur gesetzesabhängigen Rechtssetzung in Form von Rechtsverordnungen. Diese dienen hier der Konkretisierung und Durchführung des GewStG. Rechtsgrundlage der Ermächtigung ist Art. 80 GG. Adressat der Ermächtigung ist die Bundesregierung. Hiervon haben die Bundesregierung bzw. tatsächlich vermehrt auch der Bundesgesetzgeber mit der GewStDV Gebrauch gemacht. Ähnlich wie das aktuelle GewStG selbst beruht auch die aktuelle GewStVO auf einer Vielzahl vorkonstitutioneller, Regelungen. Gemessen an den heutigen verfassungsrechtlichen Anforderungen des GG (Art. 80, Art. 20 GG) enthalten sowohl § 35c Abs. 1 GewStG als auch die GewStDV keine rechtssicheren und rechtsklaren Regelungen. Zumindest sollten sie modernisiert, angepasst und auf ihre administrative Funktion reduziert werden.

3

Absatz 2 enthält keine „Ermächtigung“ zum Erlass von Rechtsverordnungen i.S.d. Art. 80 GG. Vielmehr ermächtigt die Regelung das Bundesministerium der Finanzen das GewStG und die GewStDV jeweils neu bekannt zu machen und redaktionelle Unstimmigkeiten zu beseitigen. Verfassungsrechtliche Fragen entstehen für diese bloß rechtstechnische Funktion kaum.

4

Das GewStG 1936 kannte keine § 35c GewStG entsprechende Regelung. Die GewStDVO 1937/1938 enthielt bereits eine Reihe von gleichen oder vergleichbaren Regelungen zur heutigen GewStDV, z.T. auf der Rechtsgrundlage der RAO. § 35c Abs. 1 GewStG hat erstmals in vergleichbarer Art das GewStG 19512 eingeführt. Die Regelung des § 35c Absatz 2 GewStG war ursprünglich und erstmals in § 35d GewStG 19513 enthalten.

5

Die aktuelle Fassung des § 35c GewStG beruht auf Art. 7 Abs. 26 des Gesetzes v. 12.5.20214 mit Wirkung vom 26.6.2021. Zur zeitlichen Anwendung des § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. bb vgl. § 36 Abs. 6 GewStG. Die aktuelle Fassung der GewStDV beruht auf Art. 7 Abs. 8 des Gesetzes v. 12.5.2021.5 Zur zeitlichen Anwendung der GewStDV vgl. § 36 GewStDV.

6–9

frei

1 Zur Bindung des Gesetzgebers Wendt in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 35c GewStG Rz. 2. 2 Gesetz v. 27.12.1951, BGBl. I 1951, 996. 3 Gesetz v. 27.12.1951, BGBl. I 1951, 996. 4 BGBl. I 2021, 990. 5 BGBl. I 2021, 990.

540

Ermächtigung | Rz. 14 § 35c GewStG

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Verfassungsrechtliche Anforderungen an § 35c GewStG und die GewStDV (Abs. 1) 1. Ermächtigung der Exekutive a) Anforderungen des Art. 80 GG an das Gesetz § 3c GewStG ermächtigt die Exekutive (genauer: die Gubernative) zum Erlass von Rechtsverordnung. Rechtsverordnungen (RVO) sind untergesetzliche, aufgrund formell-gesetzlicher Ermächtigung von der Exekutive erlassene Rechtsnormen („materielle Gesetze“). In der Normenhierarchie stehen RVO im Rang unter dem Gesetz (Vorrang des Gesetzes) und dürfen von den Gerichten verworfen werden. Zuständig für eine solche Ermächtigung ist der jeweilige Sachgesetzgeber, hier der Bund für die Gewerbesteuer. Die Ermächtigungsgrundlage des § 35c GewStG muss Art. 80 GG genügen. Andernfalls muss ein Gericht bei nachkonstitutionellem Recht die Entscheidung des BVerfG einholen (Art. 100 GG). RVO i.S.d. § 35c GewStG ist die GewStDV.

10

Art. 80 GG fordert nicht nur eine Ermächtigung durch formelles Gesetz. Das Gesetz selbst muss zudem Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG). Dieses Konkretisierung- und Bestimmtheitsgebot dient der Rechtssicherheit und dem Demokratieprinzip; es ist insb. Ausdruck des Parlamentsvorbehalts. Nach der st. Rspr. des BVerfG6 ist dieses Gebot verletzt, wenn nicht mehr vorauszusehen ist, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz die Exekutive von der Ermächtigung Gebrauch machen wird und welchen Inhalt die RVO haben wird.

11

Vielmehr muss der Gesetzgeber selbst die Entscheidung treffen, dass bestimmte, wesentliche Fragen geregelt werden; er muss die Grenzen einer solchen Regelung festsetzen und angeben, welchem Ziel sie dienen soll. Das Gesetz muss mithin selbst schon etwas bedacht und etwas gewollt haben und dem Verordnungsgeber ein „Programm“ setzen, das durch die Verordnung erreicht werden soll Dabei braucht der Gesetzgeber allerdings Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung nicht ausdrücklich im Text des Gesetzes zu bestimmen. Vielmehr gelten auch für die Interpretation von Ermächtigungsnormen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze.7

12

Weitere Voraussetzungen des Art. 80 GG sind: Ermächtigungsadressat ist hier zulässig die Bundesregierung und nicht das BMF. Die RVO bedarf wie das GewStG der Zustimmung des Bundesrates. Die RVO muss das Zitiergebot des Art. 80 Abs.1 Satz 3 GG beachten.8

13

b) Anforderungen an eine RVO Zudem müssen sich die Regelungen der konkreten RVO auf die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage stützen, und dürfen ihren Rahmen zwar unter-, aber nicht überschreiten. Danach müssen sich die Regelungen der GewStVO im Rahmen des § 35c Abs. 1 GewStG halten. Soweit eine Regelung der RVO auf einer vorkonstitutionellen Ermächtigungsgrundlage beruht, gilt diese Regelung nach Art. 129 GG grundsätzlich fort und ist nicht an Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen.9 Dies gilt aber nur, wenn und weil das sich GewStG selbst nach Inkrafttreten des GG hinsichtlich der betroffenen Regelungsgegenstände nicht wesentlich geändert hat. Schließlich muss die RVO auch im Übrigen formell und materiell verfassungsgemäß sein.

6 BVerfG v. 11.11.1966 – BvR 424/63, BVerfGE 19, 354; BVerfG v. 21.9.2016 – 2 BvL 1/15, BVerfGE 143, 38. 7 BVerfG v. 11.11.1966 – BvR 424/63, BVerfGE 19, 354. 8 Letzteres ist hier fraglich, ebenso Wendt in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 35c GewStG Rz. 9. 9 BVerfG v. 18.7.1967 – 2 BvF 3/62, BVerfGE 22, 180.

541

14

GewStG § 35c Rz. 15 | Ermächtigung c) Steuerrechtlicher Parlamentsvorbehalt 15

Der Steuergesetzgeber muss zudem den vorrangigen Parlamentsvorbehalt beachten. Steuerrecht ist als klassisches Eingriffsrecht Sache des Parlaments. Dies ist nach Art. 105 GG grundsätzlich der Bundesgesetzgeber, der den steuerrechtlichen Belastungsgrund im Steuertatbestand bestimmen muss. §§ 3, 4 AO liegt bereits der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung als eine spezielle Ausformung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung zugrunde. Steuertatbestand ist die Gesamtheit der in den materiellen Steuerrechtsnormen enthaltenen abstrakten Voraussetzungen, bei deren konkretem Vorliegen (Tatbestandsverwirklichung) bestimmte Rechtsfolgen eintreten sollen.10 Der Steuertatbestand muss nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sein.11 Das formelle Steuergesetz muss Steuersubjekt, Steuerobjekt, Steuerbemessungsgrundlage und Steuersatz bestimmen. Gesetz i.S. des Grundsatzes der Tatbestandsmäßigkeit ist nicht jede Rechtsnorm i.S.d. § 4 AO, sondern sind nur formelle Gesetze (und Satzungen). Rechtsverordnungen können keine selbständigen Steuertatbestände schaffen oder ein formelles Gesetz ersetzen, sondern dieses nur konkretisieren, weil sie als auf die Exekutive delegiertes Recht nach Art. 80 Abs. 1 GG die wesentlichen Eingriffsvoraussetzungen nicht selbst bestimmen dürfen.

16

Unter der Geltung des GG folgt die Notwendigkeit eines formellen Gesetzes oder einer Satzung schon aus dem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt. Nach Auffassung des BVerfG12 verlangt, der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerte Vorbehalt des Gesetzes, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss und sie nicht anderen Normgebern überlassen darf. Im Steuerrecht, dessen Steuerbelastungsentscheidungen weitgehend vom Willen des Gesetzgebers zu Belastungsgegenstand und Tarif abhängen, ist von einem strengen Gesetzesvorbehalt auszugehen. Das Steuerrecht lebt insoweit aus dem „Diktum des Gesetzgebers“. Der Parlamentsvorbehalt erstreckt sich auch auf Regelungen, die die Steuerlast ermäßigen, also Steuerbefreiungen oder -vergünstigungen.13 d) Staatspraxis zur GewStDV

17

In der Staatspraxis seit 2002 hat die Bundesregierung erst zweimal von der Verordnungsermächtigung des § 35c Abs.1 GewStG Gebrauch gemacht.14 Alle anderen, vielfachen Änderungen der GewStDV gehen auf eine Initiative des Bundesgesetzgebers, zusammen mit einer Änderung des GewStG zurück; beide jeweils mit Zustimmung des Bundesrats. In diesen Fällen hat das Parlament die Konkretisierung der Ermächtigungsgrundlage des § 35c Abs. 1 GewStG selbst legitimiert. Dies ist ein Formenmissbrauch des Verordnungsrechts, da er Gesetzgeber als Verordnungsgeber tätig wird. Dies ändert nichts daran, dass die Änderungsverordnungen selbst aus Gründen der Normenklarheit weiterhin den Rechtscharakter von Rechtsverordnungen haben, und sich an höherrangigen Recht rechtfertigen müssen.15 Auch ist der Gesetzgeber an das Verfahren nach Art. 76 ff. GG und auch an die Grenzen des Art. 80 GG gebunden. Die GewStDV muss damit weiterhin von § 35c Abs. 1 GewStG gedeckt sein. Nicht zuletzt ist bedenklich, dass die Ermächtigungsgrundlage des § 35c GewStG im Text der GewStDV nicht benannt wird.16

Drüen in Tipke/Kruse, § 3 AO Rz. 33 ff. auch zum Folgenden. BVerfG v. 10.10.1961 – 2 BvL 1/59, BVerfGE 13, 153. BVerfG v. 5.11.2014 – 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121. VO v. 17.11.2010, BGBl. I 2010, 1544; VO v. 25.6.2020, BGBl. I 2020, 1495. Ausf. dazu Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 35c GewStG Rz. 6 ff. 15 BVerfG v. 13.9.2005 – 2 BvF 2/03, BVerfGE 114,196. 16 Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 35c GewStG Rz. 30. 10 11 12 13 14

542

Ermächtigung | Rz. 21 § 35c GewStG

2. RVO nach Absatz 1 Nr. 1 Nr. 1 der Regelung nennt abschließend (vorbehaltlich Nr. 2) in Buchstaben a) bis e) Gegenstände des Steuertatbestandes der Gewerbesteuer. Sie betreffen Steuerobjekt, Steuersubjekt und Steuerpflicht und die Ermittlung der Bemessungsgrundlage (ohne Steuertarif und Hebesatz). Die allgemeinen Formulierungen erlauben eine materiell-rechtliche Konkretisierung des Steuertatbestandes, ggf. sogar eine Modifizierung, sind jedenfalls keine bloßen administrative Durchführungsbestimmungen. Dies sind an sich wesentliche Elemente der Besteuerung, die der Gesetzgeber selbst regeln muss und sollte. Sie sind für die Gemeinden, aber besonders für die Steuerpflichten aus rechtsstaatlichen, demokratischen und grundrechtlichen Gründen von zentraler Bedeutung. Betroffen sind hier besonders §§ 1, 2, 4 – 8, 15 f. GewStDV, die die korrespondierenden Regelungen des GewStG (§§ 2, 4 GewStG) konkretisieren 17 und auf § 35c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GewStG beruhen.

18

Allerdings beruhen die genannten Regelungen der DV bereits auf vorkonstitutionellem Recht in der GewStDV 1937/1938 auf der Grundlage der RAO. Die Tragweite reichsrechtlicher18 Ermächtigungen erscheint fragwürdig, soweit der demokratische Gesetzgeber sie nicht in seinen Willen aufgenommen hat. Dies ändert aber nichts an ihrer steuerrechtswesentlichen Funktion. Hierzu gehört auch die Frage der fehlenden, formell-gesetzlichen Grundlagen der Besteuerung der öffentlichen Hand, die zu einer wettbewerbsgetriebenen Selbst- und Gegenseitigkeitsbesteuerung führt.19 § 2 GewStDV gehört danach in die Hand des Parlaments. Auch die §§ 4, 16 GewStDV, die den Steueranspruch im Insolvenzfall betreffen, sollten gesetzlich geregelt werden. Zumindest stellt sich die berechtigte Frage, ob der Gesetzgeber die Inhalte der Buchstaben a bis d so hinreichend in ihren wesentlichen Aspekten bestimmt hat, dass sie sich ohne weiteres von den Regelungsgegenständen des Gewerbesteuergesetzes abgrenzen und bestimmen lassen.20

19

Nr. 1 Buchsta. betrifft die eingriffsintensive Abgrenzung der Steuerpflicht. Nr.1 Buchst b regelt recht allgemein die zentrale Frage der Ermittlung des Gewerbeertrags.

20

21

Nr. 1 Buchst. c hat die Bundesregierung bislang nicht „umgesetzt“; hier besteht auch kein Regelungsbedarf (vgl. § 163 AO, § 33 Abs. 1 GewStG). Nr. 1 Buchst. d regelt zu allgemein die Ermächtigung für Zerlegungsregelungen. Hiervon wurde noch nicht Gebrauch gemacht. Nr. 1 Buchst. e ist grundsätzlich verfahrensrechtlicher Natur und hinreichend bestimmt. § 25 GewStDV zu § 14a GewStG hält sich im Rahmen der Ermächtigung. Auch §§ 20, 22, 29, 30, 34, 35 GewStDV betreffen primär die verfahrensrechtliche Durchführung der Besteuerung oder konkretisieren die entsprechenden Regelungen des GewStG z.T. einschränkend. Sie beruhen z.T. auf formell-gesetzlichen Änderungen des Gesetzgebers.22

17 Abwehrend Güroff in Glanegger/Güroff10, § 35c GewStG Rz. 1 (deklaratorische Regelungen bzw. Rechtsprechungsgrundsätze). 18 Anders BFH v. 24.10.1984 – I R 158/81, BStBl. II 1985, 223 zu §§ 12, 13 RAO und zu § 13 GewStDV. 19 Anders noch das Gesetz über die gegenseitige Besteuerung v. 10.8.1925, RGBl. I 1925, 252. 20 Ablehnend Wendt in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 35c GewStG Rz. 10: „rechtswidrig“; a.A. Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 35c GewStG Rz. 12. 21 Noch zur Ermittlung des Gewerbekapitals ohne Bedenken BFH v. 26.5.1971 – I R 20/70, BStBl. II. 1971, 594. 22 Zu fehlenden Ermächtigungen zu Regelungen der GewStDV Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 35c GewStG Rz. 28.

543

21

GewStG § 35c Rz. 22 | Ermächtigung 3. RVO nach Absatz 1 Nr. 2 22

Die Regelungsgegenstände beschreibt diese Vorschrift zwar bestimmter und konkreter als die Nr.1.23 Allerdings ermächtigt sie auch zu materiell-rechtlichen Änderungen des GewStG bzw. zu Abweichungen von den dortigen Regelungen. Namentlich die Buchstaben c und d zu Steuerbefreiungen und Buchstaben e und f zur Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG betreffen zentrale Elemente des Steuertatbestandes und damit des Steueranspruchs, die formell-gesetzlicher Regelung bedürften.

23

Nr. 2 Buchst. a zu Gesetzesänderungen entspricht Nr. 1 Buchst. c zur Festsetzung des Messebetrags des § 35c Abs. 1 GewStG. Von solchen Sonderregelungen, wenn sie denn überhaupt hier nötig sind, hat der Verordnungsgeber bisher nicht Gebrauch gemacht.

24

Nr. 2 Buchst. c betrifft die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 1 GewStG i.V.m. § 13 GewStDV. Die letztere Reglung beruht noch auf vorkonstitutionellem Recht und soll verfassungsgemäß sein.24

25

Nr. 2 Buchst. d betrifft kleinere Versicherungsvereine (vgl. § 12a GewStDV).

26

Nr. 2 Buchst. e betrifft eine praktisch bedeutsame „Steuerbefreiung“ von der Hinzurechnung von Schulden nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG zugunsten von Kreditinstituten (sog. Bankenprivileg). Nach Auffassung des BFH25 bildet § 35c Abs. 1 Buchst. e eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für § 19 GewStDV. Der formelle Gesetzgeber hat die Regelung im Jahressteuergesetz 200926 in § 19 GewStDV ausdrücklich konkretisiert.

27

Nr. 2 Buchst. f, ebenfalls zu § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG, erweitert das Steuerprivileg für Banken zugunsten von bestimmten Finanzdienstleistungsinstituten, etwa Leasing- und Factoringunternehmen, Zahlungsinstituten sowie jetzt auch für Wertpapierinstitute. Auch die entsprechende Regelung in § 19 Abs. 4 GewStDV hat der formelle Gesetzgeber im JStG 200927 und später selbst konkretisiert. Die gewerbesteuerrechtliche Erleichterung beschränkt sich allerdings auf den Ausschluss der „Hinzurechnung von Entgelten für Schulden und ihnen gleichgestellte Beträge“ (§ 8 Nr. 1 Buchst. a) GewStG. Eine Hinzurechnung von Leasingraten unterbleibt nicht. Eine solche Begünstigung ist weder den Gesetzesmaterialien noch dem Gesetzeswortlaut des § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f GewStG zu entnehmen. Da sich die Verordnung in den Grenzen ihrer Ermächtigungsnorm halten muss, ist auch eine erweiternde Auslegung des § 19 Abs. 4 GewStDV nicht möglich.28 Zur Auslegung der praxisrelevanten Regelung des § 19 Abs. 4 GewStDV i.V.m. § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f (und Buchst. e) GewStG sind eine Reihe obergerichtlichen Entscheidungen29 ergangen. Sie verdeutlichen im vorliegenden Zusammenhang, dass die Reichweite dieser wesentlichen „Steuerbefreiung“ nicht geklärt ist, und einer Klärung im GewStG und nicht nur in der GewStDV, durch den Gesetzgeber, bedürfte, auch wenn dieser die RVO selbst regelmäßig ändert.

28

Nr. 2 Buchst. g betrifft die Vorauszahlungstermine (§ 19 GewStG), ändern den Steueranspruch aber nicht. Von dieser Ermächtigung ist bisher kein Gebrauch gemacht worden.

29–32

23 24 25 26 27 28 29

544

frei

Ebenso Wendt in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 35c GewStG Rz. 13. BFH v. 24.10.1984 – I R 158/81, BStBl. II 1984, 223. BFH v. 10.2.1987 – VIII R 257/81, BFH/NV 1987, 391. JStG 2009 v. 19.12.2009, BGBl. I 2008, 2794. JStG 2009 v. 19.12.2009, BGBl. I 2008, 2794. BFH v. 11.1.2.2008 – III R 23/16, BFH/NV 2019, 640. Vgl. BVerfG v. 12.10.1976 – 1 BvR 197/73, BVerfGE 42, 374; BFH v. 21.5.1997 – I R 62/96, BFH/ NV 1998, 210; v. 16.10.2002 – I R 23/02, BFH/NV 2003, 653; v. 27.3.2013 – I R 61/12, BFH/ NV 2013, 1626; v. 6.12.2016 – I R 79/15, BStBl. II 2019, 173; v. 11.12.2018 – III R 23/16, BFH/ NV 2019, 640; v. 16.7.2020 – IV R 30/18, BFH/NV 2019, 640; anhängig BFH III R 55/20.

Ermächtigung | Rz. 35 § 35c GewStG

II. Ermächtigung zur Bekanntgabe von Neufassungen (Abs. 2) Absatz 2 enthält eine „Ermächtigung“ für eine formelle, d.h. bloß technische und redaktionelle Verbesserung und Korrektur. Danach darf und soll das Bundesministerium der Finanzen (BMF) den Wortlaut des GewStG und der GewStDV, ihre Formalien (satzweise Nummerierung, Paragraphenreihenfolge) und Unstimmigkeiten im Wortlaut in einer Neufassung neu bekannt machen.

33

Inhaltliche Änderungen jeder Art sind hiervon nicht abgedeckt und daher insoweit unzulässig. Zuständig ist ausschließlich das BMF, nicht die Bundesregierung. Diese Ermächtigung ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

34

Hiervon hat das BMF bisher jeweils erst einmal Gebrauch gemacht: die Neubekanntmachung des GewSt 200230 und die Neubekanntmachung der GewStDV 2002.31

35

30 GewStG v. 15.10.2002, BGBl. I 2002, 4167. 31 GewStDV v. 15.10.2002, BGBl. I 2002, 4180.

545

GewStG § 35c

546

Abschnitt X. Schlussvorschriften § 36 Zeitlicher Anwendungsbereich (1) Die vorstehende Fassung dieses Gesetzes ist, soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, erstmals für den Erhebungszeitraum 2021 anzuwenden. (2) 1§ 3 Nummer 1 in der Fassung des Artikels 8 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451) ist erstmals für den Erhebungszeitraum 2019 anzuwenden. 2§ 3 Nummer 13 in der Fassung des Artikels 8 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451) ist erstmals für den Erhebungszeitraum 2015 anzuwenden. 3§ 3 Nummer 24 in der Fassung des Artikels 8 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451) ist erstmals für den Erhebungszeitraum 2019 anzuwenden. 4§ 3 Nummer 32 in der Fassung des Artikels 8 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451) ist erstmals für den Erhebungszeitraum 2019 anzuwenden. (3) 1§ 7 Satz 3 in der durch Artikel 8 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451) geänderten Fassung ist erstmals für den Erhebungszeitraum 2009 anzuwenden. 2 Für den Erhebungszeitraum 2008 ist § 7 Satz 3 in folgender Fassung anzuwenden: „Der nach § 5a des Einkommensteuergesetzes ermittelte Gewinn einschließlich der Hinzurechnungen nach § 5a Absatz 4 und 4a des Einkommensteuergesetzes und das nach § 8 Absatz 1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes ermittelte Einkommen gelten als Gewerbeertrag nach Satz 1." 3 § 7 Satz 7 in der Fassung des Artikels 16 des Gesetzes vom 20. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3000) ist erstmals für den Erhebungszeitraum 2017 anzuwenden. 4§ 7 Satz 9 in der Fassung des Artikels 3 des Gesetzes vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2035) ist erstmals für den Erhebungszeitraum 2022 anzuwenden. (4) 1§ 8 Nummer 1 Buchstabe d Satz 2 ist nur auf Entgelte anzuwenden, die auf Verträgen beruhen, die nach dem 31. Dezember 2019 abgeschlossen worden sind. 2Dabei ist bei Verträgen, die vor dem 1. Januar 2025 abgeschlossen werden, statt einer Reichweite von 80 Kilometern eine Reichweite von 60 Kilometern ausreichend. 3§ 8 Nummer 1 Buchstabe d Satz 2 ist letztmals für den Erhebungszeitraum 2030 anzuwenden. (4a) § 8 Nummer 5 in der Fassung des Artikels 3 des Gesetzes vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2035) ist erstmals für den Erhebungszeitraum 2022 anzuwenden. (5) 1§ 9 Nummer 3 Satz 1 erster Halbsatz in der Fassung des Artikels 16 des Gesetzes vom 20. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3000) ist erstmals für den Erhebungszeitraum 2017 anzuwenden. 2§ 9 Nummer 5 Satz 12 in der Fassung des Artikels 8 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451) ist erstmals für Zuwendungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2019 geleistet werden. (5a) § 10a in der Fassung des Artikels 9 des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3096) ist auch für Erhebungszeiträume vor 2020 anzuwenden. (5b) § 19 Absatz 3 Satz 2 und 3 ist auf Antrag des Steuerpflichtigen mit der Maßgabe anzuwenden, dass für den Erhebungszeitraum 2019 an die Stelle des 15. Kalendermonats der 21. Kalendermonat tritt sowie dass für den Erhebungszeitraum 2020 an die Stelle des 15. Kalendermonats der 18. Kalendermonat tritt. (6) § 35c Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe f Satz 1 Doppelbuchstabe bb in der Fassung des Artikels 8 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451) ist erstmals für den Erhebungszeitraum 2018 anzuwenden. § 36 GewStDV i.d.F. v. Art. 7 Abs. 8 Gesetz v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 990 Anwendungszeitraum Die vorstehende Fassung dieser Verordnung ist erstmals für den Erhebungszeitraum 2021 anzuwenden.

547

GewStG § 36 Rz. 1 | Zeitlicher Anwendungsbereich

A. I. II. III. 1. 2. 3. B. I.

Allgemeines Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfassungsrechtliche Anforderungen an rückwirkende Steuergesetze Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Echte Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . Unechte Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Grundregel zur zeitlichen Anwendung des GewStG (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . .

1 6 13 17 19

II. Sonderregelungen zur zeitlichen Anwendung einzelner Regelungen des GewStG 1. Zu § 3 GewStG (Abs. 2) . . . . . . . . 2. Zu § 7 GewStG (Abs. 3) . . . . . . . . 3. Zu § 8 GewStG (Abs. 4 und 4a) . . 4. Zu § 9 GewStG (Abs. 5) . . . . . . . . 5. Zu §10a GewStG (Abs. 5a) . . . . . . 6. Zu § 19 GewStG (Abs. 5b) . . . . . . 7. Zu 35c GewStG (Abs. 6). . . . . . . .

40 41 42 43 44 45 46

31

A. Allgemeines I. Regelungszweck 1

§ 36 GewStG regelt die zeitliche Anwendung des GewStG; § 36 GewStDV regelt die zeitliche Anwendung der GewStDV. Die erstmalige Anwendung des Gesetzes, die nicht mit dem Inkrafttreten des Gesetzes identisch sein muss, ist für die Steuerplanung, aber auch das Rechtsvertrauen des Steuerpflichtigen und die Finanzplanung des Fiskus, von zentraler Bedeutung. Nicht zuletzt erleichtern die Anwendungsregelung die Rechtsanwendung.1

2

Den sachlichen, räumlichen und zeitlichen Anwendungsbereich muss bzw. darf der (Steuer-)Gesetzgeber bestimmen und relativ frei gestalten. Rechtliche Grenzen ergeben sich aus dem Verfassungs-, Unions- und Völkerrecht und aus der Eigenart des (Steuer-)Gesetzes. Insbesondere kann der Steuergesetzgeber den zweckmäßigen Anwendungszeitpunkt eines Gesetzes vor, nach oder auf den Zeitpunkt der Gesetzesverkündung legen. Lediglich für das Inkrafttreten des Gesetzes enthält Art. 82 Abs. 2 GG eine zwingende Regelung, verbietet aber keinen vom Zeitpunkt des Inkrafttretens abweichenden Anwendungszeitpunkt. 2 Der Gesetzgeber kann aber auch auf gesonderte Anwendungsregelungen ganz oder teilweise verzichten.

3

Regelmäßig enthält ein Steueränderungsgesetz aber zusätzliche Regelungen zur zeitlichen Anwendung. In bestimmten Fällen ist die Änderung schon in Kraft, aber noch nicht anzuwenden. In anderen Fällen ist die Änderung in Kraft, ist aber rückwirkend auf einen Zeitpunkt vor der Gesetzesverkündung anzuwenden (rückwirkendes Inkrafttreten). Letzteres ist unbedenklich, wenn diese Regelung den Steuerpflichtigen begünstigt. Es ist rechtsstaatlich fragwürdig, wenn die Regelung den Steuerpflichtigen belastet: Das Grundgesetz untersagt dem Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich den Erlass ruc̈ kwirkender Gesetze. Grundsätzlich ist auch zweifelhaft, ob rückwirkende Steuergesetze zu einem erheblichen Steuermehraufkommen führen.

4

Von der Rückwirkung von Gesetzen durch den Gesetzgeber ist die rückwirkende Anwendung von Gesetzen zu unterscheiden. Dies kann durch eine rückwirkend verschärfende Rechtsprechung oder mittels rückwirkende Verwaltungsvorschriften erfolgen.3

5

frei

1 Rüsch in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 36 GewStG Rz. 4. 2 Vgl. zum Inkrafttreten von Rechtsnormen Drüen in Tipke/Kruse, § 4 AO Rz. 12 ff. 3 Zur Zulässigkeit Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 3.280.

548

Zeitlicher Anwendungsbereich | Rz. 13 § 36 GewStG

II. Regelungstechnik § 36 Abs. 1 GewStG regelt den zeitlichen Anwendungszeitpunkt grundsätzlich abschließend (Grundregel). § 36 Abs. 2 bis 6 GewStG enthalten abweichende zeitliche Anwendungsregelungen, die praktisch Übergangsregelungen sind. In (anderen) Ausnahmefällen enthält die jeweilige Sachregelung selbst zugleich einen zeitlichen Anwendungsvorbehalt (z.B. § 29 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b GewStG).

6

Frühere Fassungen des § 36 GewStG enthalten, sofern sie nicht mit der aktuellen Fassung übereinstimmen, entsprechende Rechtsanwendungsvorschiften für ältere Fassungen des Gesetzes. In der Praxis enthält jedes Änderungsgesetz grundsätzlich auch entsprechende zeitliche Anwendungsregelungen. Wegen der Vielzahl der nahezu jährlichen Reformen verzichtet der Gesetzgeber darauf, alle zeitlichen Änderungsregelungen in § 36 GewStG aufzulisten. Wird eine Vorschrift im Fall einer zeitlichen Erledigung aus dem Katalog des § 36 GewStG gestrichen, so behält die Sachregelung gleichwohl für den jeweiligen EZ ihre Gültigkeit.4 Diese Technik stellt zwar eine bessere jährliche Übersicht her, erschwert aber im Einzelfall die Rechtsanwendung. 5

7

Die Reihenfolge der Einzelregelungen des § 36 Abs. 2 bis 6 GewStG folgt äußerlich dem Aufbau des Gewerbesteuergesetzes. Inhaltlich richten sich die gewählten Differenzierungen hinsichtlich des maßgeblichen EZ nach der Art der betroffenen Sachregelung. Übergreifende Maßstäbe für eine bestimmte Anwendungspolitik des Gesetzgebers lassen sich nicht erkennen. Die Gesetzgebungspraxis verdeutlicht auch, dass der Gesetzgeber sich mitunter in den eigenen Anwendungsregelungen verstrickt,6 so dass das Ziel der Rechtssicherheit verfehlt wird.

8

Die aktuelle Fassung des § 36 GewStG beruht auf dem Gesetz v. 25.6.2021.7 Das Gesetz v. 12.12.20198 hat § 36 GewStG neugefasst. Die Regelung geht dem Grunde nach auf § 36 GewStG 1936 zurück und wurde bislang unzählige Male angepasst.

9

Den zeitlichen Anwendungsbereich der GewStDV regelt § 36 GewStDV. Ihre aktuelle Fassung beruht auf der VO v. 25.6.2020.9 Danach ist die amtliche Fassung der GewStDV erstmals für den EZ 2021 anzuwenden. Abweichende Sonderregelungen zu anderen EZ bestehen hierzu derzeit nicht mehr.

10

frei

11–12

III. Verfassungsrechtliche Anforderungen an rückwirkende Steuergesetze 1. Grundsätze Das Grundgesetz untersagt dem Gesetzgeber nach der hier maßgeblichen st. Rechtsprechung des BVerfG10 grundsätzlich eine (belastende) Rechtsfolge einer Rechtsnorm, etwa eines (Steuer-)Gesetzes wie das Gewerbesteuergesetz, schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Neuregelung abgeschlossen Tatbestand anzuordnen. 4 5 6 7 8 9 10

BFH v. 25.7.1991 – XI R 36/89, BStBl. II 1992, 26 zu § 52 EStG. Kronawitter, § 36 GewStG Rz. 1. Beispiel 4 zum GewStG bei Nonnenmachen/Peterich, Ubg 2021, 510. BGBl. I 2021, 2035. BGBl. I 2019, 2451. BGBl. I 2020, 1495. Zuletzt etwa für das (Gewerbe-)Steuerrecht aus neuerer Zeit: BVerfG v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302); v. 10.4.2018 – 1 BvR 1226/11, BStBl. II 2018, 217; v. 25.3.2021 – 2 BvL 1/11, DStR 2021, 1153. Einen zusammenfassenden, kritischen Überblick über die Entwicklung und den Stand der Rechtsprechung zur Zulässigkeit rückwirkender Steuergesetze geben mit unterschiedlichen Schwerpunkten Drüen in Tipke/Kruse, § 4 AO Rz. 15 ff.; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 3.260 ff.; P. Kirchhof in Kirchhof/Seer20, EStG, Einl. Rz. 40 ff.; zuletzt aus steuerpraktischer Sicht mit Beispielen Nonnenmacher/Peterich, Ubg 2021, 1.

549

13

GewStG § 36 Rz. 14 | Zeitlicher Anwendungsbereich Rechtsgrundlage dieses Rückwirkungsverbots sind außerhalb des Strafrechts besonders11 Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG. Dem folgt die Rechtsprechung des BFH12 im Ergebnis auch für das Steuerrecht und das GewStG. Das auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes beruhende grundsätzliche Verbot ruc̈ kwirkender belastender Gesetze schuẗ zt das grundrechtlich fundierte Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte.13 14

Eine Rückwirkung liegt entweder vor, wenn die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen Zeitpunkt gesetzlich bestimmt ist, der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes liegt oder wenn das Inkrafttreten selbst auf einen Zeitpunkt in der Vergangenheit festgelegt wird und das Gesetz dann auch ab diesem vergangenen Zeitpunkt anwendbar ist. Eine Rückwirkung liegt danach auch vor, wenn ein Gesetz unterjährig in Kraft tritt, aber auf den Beginn des EZ/VZ bei periodischen Steuern zurückwirkt.

15

Die Rückwirkung begründet lediglich neue Rechtsfolgen mit Wirkung für die Vergangenheit.14 Im Hinblick auf ihre unterschiedlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen unterscheidet die Rechtsprechung traditionell zwischen echter und unechter Rückwirkung (dualer Rückwirkungsbegriff). Ein einheitlicher (dispositionsbezogener oder grundrechtsbezogener) Rückwirkungsbegriff15 besteht bisher nicht.

16

In der Entwicklungsperspektive zeigt sich, dass die Rechtsprechung die Anforderungen an die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Rückwirkung namentlich von Steuergesetzen nach und nach verschärft hat; gleichzeitig lässt sich in der Praxis des Steuergesetzgebers ein gewisser Trend zu rückwirkenden Gesetzen beobachten.16 2. Echte Rückwirkung

17

Eine Rechtsnorm entfaltet „echte“ (retroaktive) Ruc̈ kwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift.17 Dies ist insb. der Fall, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkun ̈ dung fur̈ bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll (auch „Ruc̈ kbewirkung von Rechtsfolgen“18).

18

Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist die echte Ruc̈ kwirkung grundsätzlich unzulässig.19 Die echte Ruc̈ kwirkung kann aber ausnahmsweise zulässig sein. Dazu hat das BVerfG20 bisher mehrere Fallgruppen herausgearbeitet, in denen eine echte Rückwirkung (ausnahmsweise) zulässig sein soll: (1) Wegfall des schuẗ zenswerten Vertrauens des Steuerpflichtigen, d.h. der Steuerpflichtige durfte auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage nicht vertrauen, sondern musste in dem Zeitpunkt, auf den die Rechtsfolge zurückbezogen wurde, mit dieser Regelung rechnen;21 (2) Bereinigung der Rechtslage: eine Rückwirkung soll zulässig sein, wenn das geltende Recht unklar und verworren ist, so dass eine Klärung erwartet werden musste;22 11 Zur Bedeutung des Gleichheitssatzes Drüen in Tipke/Kruse, § 4 AO Rz. 29 m.w.N. 12 Beispiel: BFH v. 22.7.2010 – IV R 29/07, BStBl. II 2011, 511; nachfolgend bestätigt durch BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvR 1226/11, BStBl. II 2018, 217. Noch anhängig: Vorlagebeschluss des BFH v. 23.10.2019 – XI R 43/18, BStBl. II 2020, 281, BVerfG 2 BvL 2/20. 13 BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, 217; dazu Hidien, jurisPR-SteuerR 22/2018 Anm. 5. 14 Daher auch der (synonyme) Begriff „Rückanknüpfung“, Drüen in Tipke/Kruse, § 4 AO Rz. 15. 15 Dazu Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 3.265. 16 Nonnenmacher/Peterich, Ubg 2021, 7. 17 BVerfG v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302. 18 BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, 1. 19 BVerfG v. 25.3.2021 – 2 BvL 1/11, DStR 2021, 1153. 20 Zusammenfassend etwa BVerfG v. 12.11.2015 – 1 BvR 2961/14 u.a., NVwZ 2016, 300. 21 Schon BVerfG v. 15.2.1978 – 2 BvL 8/74, BVerfGE 48, 1. 22 Schon BVerfG v. 31.3.1965 – 2 BvL 17/63, BVerfGE 18, 429.

550

Zeitlicher Anwendungsbereich | Rz. 23 § 36 GewStG

(3) beim Ersatz offenkundig verfassungswidriger Rechtsnormen: wenn der Bürger sich nicht auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen durfte;23 (4) wenn zwingende Grun ̈ de des Gemeinwohls die Rückwirkung rechtfertigen (Gemeinwohlvorhalt);24 (5) oder wenn durch die sachlich begründete rückwirkende Gesetzesänderung kein oder nur ganz unerheblicher Schaden verursacht wird (sog. Bagatellvorbehalt).25 3. Unechte Rückwirkung Eine sog. unechte (retrospektive) Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen fur̈ die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet.26 Dies ist der etwa der Fall, wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkun ̈ dung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden 27 („tatbestandliche Ruc̈ kanknup ̈ fung“ ).

19

Normen mit unechter Ruc̈ kwirkung sind hingegen grundsätzlich zulässig.28 Allerdings können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Diese Grenzen sind ub ̈ erschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Ruc̈ kwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Verän29 derungsgrun ̈ de des Gesetzgebers ub ̈ erwiegen. Im Steuerrecht liegt eine echte Ruc̈ kwirkung nur vor, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert.30 Fur̈ den Bereich des Gewerbesteuerrechts31 bedeutet dies, dass die Änderung von Normen mit Wirkung fur̈ den laufenden EZ (und entsprechend für den Veranlagungszeitraum bei Ertragsteuern) der Kategorie der unechten Rückwirkung zuzuordnen ist.32 Denn der Steueranspruch entsteht nach §§ 14, 18 GewStG erst mit Ablauf des EZ. Der Gesetzgeber muss aber, soweit er fur̈ kun ̈ ftige Rechtsfolgen an zuruc̈ kliegende Sachverhalte innerhalb des nicht abgeschlossenen Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums anknup ̈ ft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen.

20

Allerdings gelten für rückwirkende Steuergesetze im Verhältnis zu sonstigen Fällen unechter Ruc̈ kwirkung gesteigerte Anforderungen.33 Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass ruc̈ kwirkende Regelungen innerhalb eines Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums, die danach der unechten Ruc̈ kwirkung zugeordnet werden, in vielerlei Hinsicht den Fällen echter Ruc̈ kwirkung nahestehen.34 Die unechte Ruc̈ kwirkung ist – nach Maßgabe jüngerer Rechtsprechung35 – mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes nur vereinbar,

22

23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

BVerfG v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1. BVerfG v. 3.12.1997 – 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67. BVerfG v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1. BVerfG v. 23.11.1999 – 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239. BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, 1. BVerfG v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302. BVerfG v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302. BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, 1. Vgl. aus jüngerer Zeit BVerfG v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302; v. 10.4.2018 – 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, 217. BVerfG v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302. BVerfG v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302; v. 10.4.2018 – 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, 217. Vgl. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 3.272. BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, 1 („Rückwirkung I“); v. 7.7.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, 31 („Rückwirkung II)“; v. 7.7.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, 61 („Rückwirkung III“).

551

21

23

GewStG § 36 Rz. 24 | Zeitlicher Anwendungsbereich wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Grun ̈ de die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt. Danach werden die Gründe des Gesetzgebers nunmehr einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen. 24

Keine ausreichende Legitimation haben nach dem derzeitigen Stand der Dogmatik insbesondere folgende Gründe und Ziele des Gesetzgebers: (1) die Verbesserung der Rechtslage36 (2) ein allgemeines Gegenfinanzierungsinteresse37 (3) ein allgemeines Interesse an einer Steuererhöhung38 (4) die mit Übergangsregelungen verbundene Komplizierung39 (5) die Schließung von Besteuerungslücken und Missbrauchsbekämpfung.40

25

Jedoch ist auch dann eine unechte Ruc̈ kwirkung nicht grundsätzlich unzulässig.41 Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insb. nicht so weit, den Regelungsadressaten vor jeder Enttäuschung zu bewahren.42 Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloße allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde 43 zukun ̈ ftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz.

26

In Anbetracht langwieriger Gesetzgebungsverfahren stellt sich zudem die Frage, ab welchem Zeitpunkt das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die bestehende Rechtslage nicht mehr schutzwürdig ist. Auch hierzu hat die Rechtsprechung verschiedene Fallgruppen entwickelt, die in die Einzelfallabwägung einfließen. Nach einer neueren Entscheidung des BVerfG kann nicht nur die Einbringung eines Gesetzesvorhabens in den Bundestag, sondern bereits auch dessen Zuleitung zum Bundesrat das Vertrauen in die bestehende Rechts44 lage gegenub ̈ er einem Gesetz mit belastender Ruc̈ kwirkung zerstören.

27

Wo danach jeweils die Grenzen verfassungsrechtlich zulässiger unechter Ruc̈ kwirkung innerhalb eines Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums liegen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Hierbei haben der Gesetzgeber und das BVerfG eine „Gesamtabwägung“ zu treffen zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens einerseits und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Grun ̈ de andererseits.45 Je nach Einzelfall erwächst Vertrauen des Steuerpflichtigen durch in besonderer Weise schuẗ zenswerte Dispositionen oder – in erster Linie – aus der Gewährleistungsfunktion des geltenden Rechts.46 Maßgeblich ist insoweit, ob das bestehende Recht dem Bürger ein auf Dauer gesichertes Recht oder eine Vermögensposition gewährt, etwa eine 47 „auf geltendes Recht gegrun ̈ dete Rechtsposition“ , einen „aus dem bisherigen Recht erwachsenen konkreten Vermögensbestand“48 oder eine „konkret verfestigte Vermögensposition“49. 36 BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, 1. 37 BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, 31. 38 BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, 1; v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302. 39 BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, 1. 40 BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, 61. 41 BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, 1. 42 BVerfG v. 10.12.1985 – 2 BvL 18/83, BVerfGE 71, 255. 43 BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, 217. 44 BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvR 1226/11, BVerfGE 148, 217. Zu weiteren Fallgruppen Nonnenmacher/ Peterich, Ubg 2021, 1. 45 BVerfG v. 12.11.2015 – 1 BvR 2961/14 u.a., NVwZ 2016, 300 m.w.N.; krit. zu einer möglichen „Abwägungskasuistik“ Drüen in Tipke/Kruse, § 4 AO Rz. 28. 46 BVerfG v. 12.11.2015 – 1 BvR 2961/14 u.a., NVwZ 2016, 300. 47 BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, 31. 48 BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, 31. 49 BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, 1.

552

Zeitlicher Anwendungsbereich | Rz. 40 § 36 GewStG

Vertrauen ist besonders schutzwürdig, wenn die Betroffenen zum Zeitpunkt der Verkun ̈ dung der Neuregelung nach der alten Rechtslage eine verfestigte Erwartung auf Vermögenszuwächse erlangt und realisiert hatten oder hätten realisieren können50 Das gilt vor allem dann, wenn auf der Grundlage des geltenden Rechts vor Verkun ̈ dung des ruc̈ kwirkenden Gesetzes bereits Leistungen zugeflossen waren.51 Besonders schutzwur̈ dig ist das Vertrauen der Betroffenen zudem dann, wenn diese vor der Einbringung des neuen Gesetzes in den Bundestag verbindliche Festlegungen getroffen hatten.52

28

Sowohl diese Gesamtabwägung „im weiten und vielgestaltigen Feld“53 unechter Rückwirkung als auch der Gemeinwohlvorbehalt für eine zulässige echte Rückwirkung versprechen im grundrechtssensiblen Bereich des Steuerrechts keine rechtsicheren und vorhersehbaren Begründungen und/oder Ergebnisse. Gute Steuerpolitik sollte jedwede rückwirkende (belastende und entlastende) Steuergesetzgebung kategorisch meiden und Gesetze pro futuro zur Anwendung bringen.

29

frei

30

B. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen I. Grundregel zur zeitlichen Anwendung des GewStG (Abs. 1) § 36 Abs. 1 GewStG bestimmt die Grundregel für den zeitlichen Anwendungsbereich des gesamten, geänderten GewStG. Das Gesetz in der amtlichen Fassung ist erstmals für den EZ 2021 anzuwenden. EZ ist das Kalenderjahr (§ 14 GewStG), die Steuer selbst entsteht erst mit Ablauf des EZ (§ 18 GewStG).

31

Gemeint ist der gesamte Bestand des gewachsenen Gewerbesteuergesetzes einschließlich aller bisher in Kraft getretenen Neuregelungen, die damit fortgelten. Für ältere Fassungen des Gewerbesteuergesetzes ergibt sich die zeitliche Anwendung aus der Fassung des Gewerbesteuergesetzes für den jeweiligen EZ; dies wird oftmals auch ein früherer EZ sein. Insoweit muss der Rechtsanwender die jeweilige Fassung der Sachvorschrift und die jeweilige Fassung des § 36 GewStG konsultieren.

32

Hiervon abweichend enthalten die nachfolgenden Absätze Sonderregelungen für einzelne Sachvorschriften. Diese sind zeitlich grundsätzlich schon vor dem EZ 2021 anzuwenden, in Ausnahmefällen auch erst nach dem EZ 2022. Es handelt sich insoweit um Übergangsregelungen im Rahmen des § 36 GewStG, d.h. der Gesetzgeber wird sie bei der nächsten Änderung des § 36 GewStG bereinigen, wenn sich sich zeitlich erledigt haben. Sie bleiben aber für den jeweiligen EZ gültiges Recht. Der Gesetzgeber benennt die maßgebliche Vorschrift und ihre Fassung ausdrücklich auch mit Angabe der Fundstelle im BGBl. Und erleichtert damit die Rechtsarbeit. Betroffen sind derzeit sieben Vorschriften (§§ 3, 7, 8, 9, 10a 19, 35c GewStG).

33

frei

34–39

II. Sonderregelungen zur zeitlichen Anwendung einzelner Regelungen des GewStG 1. Zu § 3 GewStG (Abs. 2) Die Änderungen der Steuerbefreiungen des § 3 GewStG (Nr. 1, 13, 24, 32) hat das Gesetz v. 12.12.2019 (BGB. I 2019, 2451) eingefügt. Sie gelten ab EZ 2019 zugunsten der betroffenen

50 51 52 53

BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG

v. v. v. v.

7.7.2010 7.7.2010 7.7.2010 7.7.2010

– – – –

2 2 2 2

BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, 1. BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, 31. BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, 31. BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, 1.

553

40

GewStG § 36 Rz. 41 | Zeitlicher Anwendungsbereich Gewerbebetriebe. Eine Ausnahme bildet Satz 2 n.F.: § 3 Nr. 12 GewStG ist eine Folgeänderung zu § 13b EStG und gilt wie dieser erst ab EZ/VZ 2025. 2. Zu § 7 GewStG (Abs. 3) 41

Nach § 36 Abs. 3 Satz 1 und 2 GewStG ist § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des Gesetzes v. 12.12.2019 (BGBl. I 2019, 2541) erstmals schon für den EZ 2009 anzuwenden. Diese Rückwirkung betrifft die umstrittene Auslegung des § 5a EStG.54 Nach § 36 Abs. 3 Satz 3 GewStG ist § 7 Satz 7 GewStG i.d.F. des Gesetzes v. 20.12.2016 (BGBl. I 2016, 3000) erstmals ab EZ 2017 anzuwenden. Nach § 36 Abs. 3 Satz 4 GewStG ist § 7 Satz 9 GewStG i.d.F. des Gesetzes v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2035) erstmals ab EZ 2022 anzuwenden. 3. Zu § 8 GewStG (Abs. 4 und 4a)

42

In § 36 Abs. 4 GewStG hat das Gesetz v. 12.12.2019 (BGBl. I 2019, 2541) die Förderung der Anmietung von umweltfreundlichen Fahrzeugen und Fahrrädern nach § 8 Nr. 1 Buchst. d Satz 2 GewStG zeitlich eingegrenzt. Dies ist unbedenklich. Nach § 36 Abs. 4a GewStG ist § 8 Nr. 5 GewStG i.d.F. des Gesetzes v. 25.6.2021 (BGBl. I 2035) erstmals ab EZ 2022 anzuwenden. Betroffen ist Satz 2 des § 8 Nr. 5 GewStG (§ 3 Nr. 41 Buchst. a EStG). 4. Zu § 9 GewStG (Abs. 5)

43

Nach § 36 Abs. 5 Satz 1 GewStG ist § 9 Nr. 3 Satz 1 Halbs. 1 GewStG i.d.F. des Gesetzes v. 220.12.2016 (BGBl. I 2016, 3000) erstmals ab EZ 2017 anzuwenden. Nach § 36 Abs. 5 Satz 2 GewStG ist § 9 Nr. 5 Satz 12 GewStG i.d.F. des Gesetzes v. 12.12.2019 (BGBl. I 2019, 2451) erstmals auf Zuwendungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2019 geleistet worden sind. Dies ist unbedenklich. 5. Zu §10a GewStG (Abs. 5a)

44

Nach § 36 Abs. 5a GewStG ist § 10a GewStG i.d.F. des JStG 2020 v. 21.12.2020 (BGBl. I 2020, 3096) auch für EZ vor 2020 anzuwenden. Die Sätze 10 bis 12 des § 10a GewStG hatte das Jahressteuergesetz 2020 geändert bzw. angefügt. Sie präzisieren nach Auffassung des Gesetzgebers55 rückwirkend die entsprechende Anwendung der Verlustregelungen der §§ 8c, 8d KStG auf Fehlbeträge von Körperschaften für gewerbesteuerrechtliche Zwecke. Die Rückwirkung begünstigt Steuerpflichtige hinsichtlich des § 8d KStG. 6. Zu § 19 GewStG (Abs. 5b)

45

Nach § 36 Abs. 5b GewStG i.d.F. des Gesetzes v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2035) sind auf Antrag des Steuerpflichtigen die Vorauszahlungstermine nach § 19 Abs. 3 GewStG mit geänderten Terminen für EZ 2019 und 2020 anzupassen. Es handelt sich um eine coronabedingte, zeitweise Vergünstigung.

54 Zur Begründung dieser echten Rückwirkung vgl. die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates v. 20.9. 2019 zum Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, BR-Drucks. 356/19 (Beschluss), Anlage S. 52 f. 55 BT-Drucks. 19/25160, 195 f.; näher Neumann/Höffer, GmbHR 2021, 247.

554

Zeitlicher Anwendungsbereich | Rz. 47 § 36 GewStG

7. Zu 35c GewStG (Abs. 6) Nach § 36 Abs. 6 GewStG ist die grundsätzlich entlastende Ermächtigung des § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 1 Doppelbuchst. bb GewStG i.d.F. des Gesetzes v. 12.12.2019 (BGBl. I 2019, 2451) erstmals für den EZ 2018 anzuwenden.

46

Übersicht zu § 36 GewStG (2021)

47

§ 36 GewStG Betroffene i.d.F. G v. 25.6.2021 Vorschrift BGBl. I 2035 GewStG

Gesetzesfassung der Zeitliche AnwenVorschrift dung der Vorschrift ab EZ

Abs. 2 Satz 1

§ 3 Nr. 1

G v. 12.12.2019, BGBl. I 2451

2019

Abs. 2 Satz 2 n.F.

§ 3 Nr. 12

G v. 12.12.2019, BGBl. I 2451

2025

Abs. 2 Satz 3

§ 3 Nr. 13

G v. 12.12.2019, BGBl. I 2451

2015

Abs. 2 Satz 4

§ 3 Nr. 24

G v. 12.12.2019, BGBl. I 2451

2019

Abs. 2 Satz 5

§ 3 Nr. 32

G v. 12.12.2019, BGBl. I 2451

2019

Abs. 3 Satz 1, 2

§ 7 Satz 3

G v. 12.12.2019, BGBl. I 2451

2009

Abs. 3 Satz 3

§ 7 Satz 7

G v. 20.12.2016, BGBl. I 3000

2017

Abs. 3 Satz 4

§ 7 Satz 9

G v. 25.6.2021, BGBl. I 2035

2022

Abs. 4

§ 8 Nr. 1 Buchst. d Satz 2

G v. 12.12.2019, BGBl. I 2451

Mietverträge nach dem 31.12.2019 bis letztmalig 2030

Abs. 4a

§ 8 Nr. 5

G v. 25.6.2021, BGBl. I 2035

2022

Abs. 5 Satz 1

§ 9 Nr. 3 Satz 1 Halbs. 1

G v. 20.12.2016, BGBl. I 3000

2017

Abs. 5 Satz 2

§ 9 Nr. 5 Satz 12

G v. 12.12.2019, BGBl. I 2451

Zuwendungen nach dem 31.12.2019

Abs. 5a

§ 10a

G v. 21.12.2020, BGBl. I 3096

Auch für EZ vor 2020

Abs. 5b

§ 19 Abs. 3 Satz 2, 3 G v. 25.6.2021, BGBl. I 2015

Abs. 6

§ 35 c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 1 Doppelbuchst. bb

G v. 12.12.2019, BGBl. I 2451

Anpassung der Vorauszahlungstermine 2019/2020 auf Antrag 2018

555

GewStG § 36

556

§ 37 (weggefallen)

557

GewStG § 37

558

Stichwortverzeichnis Bearbeiter: Rechtsreferendar Lukas Schmidt

Abfärbetheorie

36 – Personengesellschaften 2 148 – teilweise gewerbliche Tätigkeit 2 293 Abschlagszahlungen 19 2 f. Abschlusszahlung 20 5 Abspaltung 10a 151 abweichendes Wirtschaftsjahr 19 9; 28 33 Abzugsverbote – einkommensteuerrechtliche 7 62 – gewerbesteuerrechtliche 8 2, 6 ff. Änderung des Gewerbesteuergesetzes 8a 1 Anfechtungsrecht – der Gemeinden 4 36 Angestelltenverhältnis – stille Gesellschafter 8 77 Anmietung von Fahrzeugflächen 8 93 Anrechnung – der Gewerbesteuer 1 15, 320 Anspruchsberechtigung – Zerlegung 33 14 Anteilstausch 7 207 Anwendungsbereich – zeitlicher 36 1 ff. – zeitlicher, Einzelfälle 36 40 ff. Anwendungspolitik 36 8 Äquidistanzprinzip 4 17 Äquivalenzprinzip 1 245 ff.; 2 17; 28 11 Arbeitnehmerfolgekosten 33 28 Arbeitsgemeinschaften 2a 1 ff. Arbeitslöhne 31 1 ff. – Begriff und Einzelfälle 31 10 ff. – gewinnabhängige einmalige Vergütungen 31 25 – Steuerbefreiungen 31 15 – Übersicht 31 5 – Unternehmer 31 30 – Zerlegungsmaßstab 29 13 Architekt 2 255 ATAD-Umsetzungsgesetz 8 186 Atypisch stille Gesellschaft 2 286; 5 29; 10a 141 – Gesellschafter 2 154 Aufwendungen – als Gegenleistung für Rechte 8 159 ff. Ausgleichszahlungen – Organschaft 2 562 Ausgliederung 10a 148 Ausgliederungsmodell 2 296 Ausländische Einkünfte – Inlandsbezug 8 19 Ausländische Quellensteuern 7 50 ff.

Ausschließliche Wirtschaftszone 2 935 ff. Ausschließlichkeitsgebot – Begünstigungen 9 54 f. Außenprüfung 16 35 Außerorganschaftliche Verluste 10a 194 ff. Auswirkung – auf den Gewerbeertrag 35b 11 Automation – Zerlegungsmaßstab 29 12

Bankenähnliche Gewerbebetriebe 8 59 Bankenprivileg 8 55 Bauausführungen 30 28 Befreiungen außerhalb des Gewerbesteuergesetzes 3 3, 86 Begriffsvielfalt – zum Betrieb 2 76 ff. Beherrschungsidentität – Betriebsaufspaltung 2 345 Beihilfe 1 159 – unionsrechtliche 7 133 Bemessungsgrundlage 1 123, 139 – Eigenständigkeit 7 20 ff. Bemessungszeitraum 10 7 Berufsständische Pflegeeinrichtungen 3 51 f. Berufsverbände 3 70 Bescheidänderung 35b 11 Besitzunternehmen – Betriebsaufspaltung 2 335, 350 Besteuerung – nach Gewerbekapital 1 11 – nach Lohnsumme 1 10 Besteuerungsgrundlage 6 1 ff. Besteuerungsobjekt – der Gewerbesteuer 2 1 ff. Besteuerungssystematik – der Gewerbesteuer 2 15 ff. Besteuerungsverfahren – Gewerbesteuer 1 271 ff. Bestimmtheitsgebot 35c 11 Beteiligung an einem Gewerbe 8 74 Beteiligungserträge 7 63 Beteiligungsquoten 10a 100 Betreuer 2 233 Betrieb gewerblicher Art 2 77, 90 – Abgrenzung Gewerbebetrieb der öffentlichen Hand 2 693 f. – Begriff 2 692 – der öffentlichen Hand 2 175 ff. – Übersicht 2 691 Betriebsaufspaltung 9 51; 10a 107 ff.; 11 18 559

Stichwortverzeichnis – – – – – – – –

Abgrenzung Organschaft 2 509 Beherrschungsidentität 2 345 Besitzunternehmen 2 335 Betriebsstätte 2 400 Betriebsunternehmen 2 336 einheitlicher Gewerbebetrieb 2 152 Ende der Gewerbesteuerpflicht 2 797 Gewerbebetrieb der öffentlichen Hand 2 698 – Gewinnausschüttung 2 353 – grenzüberschreitende 2 330 ff. – inländische 2 320 ff. – kapitalistische 2 359 f. – mitunternehmerische 2 356 f. – Rechtsfolgen 2 350 ff. – Sonderformen 2 356 ff. – Steuerbefreiung 3 7 – Steuerschuldner 5 20 – Übersicht 2 325 – Verflechtung 2 341 ff. Betriebsbegriff – tätigkeitsbezogener 2 80 Betriebseinstellung – Betriebsübergang 2 890 ff. Betriebsneugründung – Betriebsübergang 2 894 Betriebsstätte 2 47 f., 53, 78 – ausländische 2 113 – Begriff 2 385 ff.; 28 7, 36 ff.; 30 11 f. – Betriebsaufspaltung 2 400 – DBA 2 450 ff. – Einzelfälle 2 430 ff. – Gewerbesteuerpflicht 2 370 ff. – Hebeberechtigung 4 10 – Hinzurechnungen 7 218 – inländische 2 110, 114, 902 – Katalogbetriebsstätten 2 415 ff. – Mantelregelung 2 376 – mehrgemeindliche 2 381 – mehrgemeindliche, Einzelfälle 30 31 ff. – Organschaft 2 502 f. – Pachtbetrieb 2 399 – Schwelle einer inländischen 28 9 – Vertreter 2 410 – Zerlegung mehrgemeindlicher 30 1 ff. – Zerlegungsmaßstab 29 15 Betriebsstättenfiktion – Organschaft 2 541 ff. Betriebsübergang 2 858 ff. – Gewerbesteuerpflicht 2 840 – Steuerpflicht 2 803 – Steuerschuldner 5 35 Betriebsunterbrechung – Gewerbesteuerpflicht 2 810 ff. – Höhere Gewalt 2 831 – Verpachtung 2 824

560

Betriebsunterbrechungen 2 51; 10a 67 Betriebsunternehmen – Betriebsaufspaltung 2 336, 352 Betriebsverpachtung 2 324; 9 61 Betriebsvorrichtungen 9 16 – Mitvermietung 9 60 Bezugsfiktion 10 10 Bilanzsteuerrechtliches Bewertungswahlrecht 7 67 Billigkeitslösung 33 4 Billigkeitsmaßnahmen 5 55 f. Bindungswirkung – des Verlustfeststellungsbescheides 35b 21 ff. Binnenfischerei 3 32 Bund – als Ausgestalter der Gewerbesteuer 1 2 – Steuergesetzgebungszuständigkeit 1 60 ff.

Corona-Pandemie

1 170 ff. – Freibetrag 8 9 – Gewerbesteuererklärungsfrist 14a 22

Daseinsvorsorge 8 146 – Gewerbebetrieb der öffentlichen Hand 2 702 Dauerverlustgeschäfte – der öffentlichen Hand 10a 33, 201 ff. DBA 2 900 ff.; 9 321 – Beteiligungsverhältnisse 8 181 – Betriebsaufspaltung 2 333 – Betriebsstätte 2 450 ff. – Schachtelprivileg 7a 15; 9 310 f. – und Gewerbesteuer 1 25, 221; 2 40, 117 Definitiveffekt 10a; s. a. Mindestbesteuerung Deutsch-Niederländische Gewerbegebiete 2 955 ff. Dialysezentrum 3 62 Dienen – von Grundstücken für Gesellschafter 9 83 Digitale Dienstleistungen 8 151 Diplomsozialarbeiter 2 256 Diskriminierungsverbot – OECD 8 32 Drei-Objekt-Grenze – Gewerbesteuerpflicht 2 249 Durchleitungsmietverhältnisse 8 117 Durchschnittshebesatz 16 7 Eigenbetrieb

5 22 Eigengesellschaften – der öffentlichen Hand 7 131 Einbringung 10a 149 – eines Gewerbebetriebs 2 878 Einheitlichkeit – verschiedener Tätigkeiten 2 227 ff. Einheitstarif 11 35

Stichwortverzeichnis Einheitswert des Grundbesitzes 9 15, 24 Einigungslösung 33 4 Einigungszerlegung 33 55, 60 ff. – Rechtscharakter 33 58 Einkommensteuerbefreiung – Inbound-Fälle 2 907 Einnahmeerzielungsabsicht – wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb 2 642 Einzelrechtsnachfolge 10a 96 Einzelunternehmen 2 128 Elektrizitätsversorgung 30 14 Elster – Gewerbesteuererklärung 14a 20 Entgelte – für Schulden 8 41 ff. Entwicklung – der Gewerbesteuer 1 5 ff.; 2 20 ff. Erhebung – der Gewerbesteuer 1 260 ff. – Zweiteilung und Zweistufigkeit 11 2 Ermächtigung – zum Erlass von Rechtsverordnungen 35c 1 ff. Ermittlungszeitraum 10 7 Ersatzmaßstab – der Zerlegung 33 35 Erstattungsanspruch 20 6 Ertragsberechtigung 2 18 Ertragsberechtigung der Gemeinde am Verspätzungszuschlag 14b 3 Ertragshoheit – der Gemeinden 1 80 ff. Ertragskraft 2 2 – des Gewerbebetriebs 8 1 – objektivierte 6 14 Ertragsteuerrechtlicher Gewinn 7 5 Erweiterte Kürzung 9 30 Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) 5 32

Fahrzeuge – schadstoffarme Fahrzeuge 8 123 Fahrzeugstellplätze 9 74 Festlandsockel 2 941 f.; 4 17 – Inlandsbegriff 2 924 Fiktive Kapitalgesellschaft 2 995 Fiktiver Unternehmerlohn 11 15 Filmverleiher 8 157 Finale Betriebsstättenverluste 9 191 Finanzausgleich 33 4 Finanzbehörden 1 285 ff. Finanzdienstleistungsinstitute 8 60 Finanzgerichtsbarkeit 1 100 ff. Finanzierungsanteile 8 8 – Übersicht 8 3

Fiskalzweck – der Gewerbesteuer 1 252 Folgerichtigkeitsgebot 1 138 Fondsstatortgesetz 9 35 Forfaitierung – Factoring 8 49 ff. Formwechselnde Umwandlung 2 871 f.; 7 195 ff. Forschungseinrichtungen 3 81 ff. Franchiseverträge 8 95 Freibetrag 8 9; 11 21, 27 – Organschaft 2 567 Freier Beruf 2 24 – Abgrenzung gewerbliche Tätigkeit 2 222 ff. – Gewerbesteuer 2 220 ff. – teilweise gewerbliche Tätigkeit 2 292 – Zusammenschluss mit berufsfremder Person 2 305 Freiheitsgrundrechte 1 130 ff. Fremdkapital – Zuverfügungstellung 8 42 Fundustheorie 1 244

Gemeinde – Steuermessbetrag 11 2 Gemeindebehörden 1 290 ff. Gemeindefreie Gebiete 4 16 ff. Gemeinden – als Ertragsberechtigte der Gewerbesteuer 1 1, 50 ff., 180 ff., 236; 2 18 – Ertragshoheit der Gewerbesteuer 1 80 ff. – Hebeberechtigung 4 1 ff.; 16 5 – Hebesatzrecht 1 70 ff.; 16 1 – unterschiedliche Hebesätze 16 21 Gemeindesteuer 2 18 – Gewerbesteuer 1 1, 50 ff., 236 ff. Gemeinnützige Betriebe – Steuerbefreiung 3 1 Gemeinschaftliche Tierhaltung 3 37 Gemeinwohlinteressen – Steuerbefreiung 3 12 Genossenschaften 3 35 f. Geprägeregelung – Personengesellschaften 2 310 ff. Geschäftsbetrieb – Begriff 10a 181 Gesellschafterbestand – von Personengesellschaften 2 883 Gesetzgeber – Gestaltungsfreiheit bei Steuerbefreiung 3 11 Gestaltungsoptionen 2 975 Gesundheitssystem 3 56 ff. Gewerbebetrieb 2 46 ff., 70 ff. – Abgrenzung einheitlicher/selbstständiger 2 123, 131 ff.

561

Stichwortverzeichnis – Abgrenzung zu anderen Einkunftsarten 2 194 – als Typusbegriff 2 193 ff. – Definition 2 46, 72, 190 ff. – kraft Rechtsform 2; s. a. Kapitalgesellschaften – Personengesellschaften 2 266 ff. – Rechtsformen 2 88 ff. – selbstständiger/einheitlicher 2 120 ff. – stehender 2 1 – Tatbestandsmerkmale 2 191 ff. – wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb 2 610 ff. Gewerbebetrieb der öffentlichen Hand 2 670 ff. – Abgrenzung Betrieb gewerblicher Art 2 693 f. – Betriebsaufspaltung 2 698 – Daseinsvorsorge 2 702 – Einzelfälle 2 740 ff. – Gewerbeertrag 2 745 ff. – Gewerbesteuerpflicht 2 690 ff., 731 f. – Gewinnerzielungsabsicht 2 712 f. – Hoheitsbetrieb 2 701 ff. – Hoheitsvorbehalt 2 676 – Mitunternehmerschaft 2 716 – öffentliche Unternehmen 2 671 f. – Übersicht 2 691 – Umfang 2 720 ff. – Verlustverrechnung 2 757 – Verpachtung 2 696 f. – Wettbewerbsneutralität 2 674 – Wettbewerbsverzerrung 2 684 – Zusammenfassung mehrerer Betrieb gewerblicher Art 2 726 f. Gewerbebetriebe – Formen 35a 1 – Gewerbesteuererklärungspflicht 14a 11 ff. – Insolvenz 18 11 – Übersicht 2 94 Gewerbeertrag 6 1; 7 1 ff. – Begriff 6 13 ff. – Ermittlungsschema 7 17 – Gewerbebetrieb der öffentlichen Hand 2 745 ff. – Handelsschiffe 7 260 – maßgebender 10 1 ff.; 10a 230 ff. – objektiver 9 1 – Organschaft (Übersicht) 2 553 Gewerbekapital 6 1 Gewerbekapitalsteuer 1 11 Gewerbeordnung 35a 4 Gewerbesteuer – als lokale Objekt-/Äquivalenzsteuer 1 142 – als Realsteuer 1 188 ff. – als unionsrechtliche Beihilfe 1 159 – Anrechnung 1 15 – ausländische Einkünfte 1 220

562

– – – – – – – – – – –

Bemessungsgrundlage 1 123, 139 besondere, objektivierte Ertragsteuer 7 22 Besteuerungsgrundlage 6 1 ff. Besteuerungsobjekt 2 1 ff. Besteuerungsverfahren 1 271 ff. Charakter der - 1 188 ff. Corona-Pandemie 1 170 ff. Entstehung 18 1 ff. Entwicklung, historisch und politisch 1 5 ff. Erhebung 1 260 ff. Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen 35c 1 ff. – Finanzgerichtsbarkeit 1 100 ff. – Finanzwirtschaftliche Bedeutung 1 255 ff. – Freier Beruf 2 220 ff. – Gemeindesteuer 1 1, 180 ff., 236 ff. – Gestaltungskompetenz des Bundes 1 2 – Inlandssteuer 2 5 – Legitimation 1 241 ff. – Personengesellschaften 2 145 ff. – Rechtsquellen 1 20 ff. – Rechtsschutz 1 300 ff. – Reformbedarf 1 310 ff., 326 ff. – Regelungszweck 2 1 ff. – Steuerbefreiungen 1 41 – Steuertypus 1 67 – und Land-/Forstwirtschaft 2 214 ff. – und Umwandlungssteuer 1 42 – und Unionsrecht 1 155 ff. – und Verfassungsrecht 1 50 ff., 110 ff. – Verwaltungszuständigkeit 1 90 ff. – Verweisungen 2 30 ff. Gewerbesteueranspruch – der Gemeinden 4 6 f. Gewerbesteuerbescheid 5 46 – der Gemeinden 16 28 – Verwaltungsrechtsweg 1 102 Gewerbesteuererklärung 14a 1 ff. Gewerbesteuerfestzsetzungsverfahren 19 1 Gewerbesteuerinsolvenzrecht 1 46 Gewerbesteuermessbescheid 28 84 f. – Bindungswirkung 16 29 Gewerbesteuermessbetrag 14 32; 15 2; 19 23; 28 5; 35b 1 – Festsetzung 14 1 ff. Gewerbesteuermessbetragsbescheid – Organschaft 2 593 Gewerbesteuermessverfahren 10 1; 14 3; 14a 1 Gewerbesteuerumlage 1 47, 86 ff. Gewerbeverlust 10a 1 ff. Gewerbliche Tätigkeit 2 285 ff. – Abgrenzung freier Beruf 2 222 ff. – Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr 2 206 ff. – Nachhaltigkeit 2 203 f.

Stichwortverzeichnis – teilweise 2 290 ff. – Verhältnismäßigkeit der Abfärberegelung 2 293 Gewinn – Begriff nach GewStG 7 301 Gewinnabführungsvertrag – Organschaft 2 537, 561 Gewinnänderung 35b 11 Gewinnanteile – stille Gesellschafter 8 80 ff. Gewinnausschüttungen – Betrieb gewerblicher Art 2 751 – Betriebsaufspaltung 2 353 Gewinnerzielungsabsicht 2 210 ff. – Gewerbebetrieb der öffentlichen Hand 2 712 f. Gewinnminderung 8 20 ff. – von Renten und dauernden Lasten 8 71 Gewinnverteilungsschlüssel 10a 101, 247 Gleichartigkeit der Tätigkeiten – von Gewerbebetrieben 2 128 ff. Gleichheitssatz – allgemeiner 1 120 ff. – unterschiedliche Hebesätze 16 2 Global Legal Entity Indentifier Stiftung 3 76 Grenzüberschreitende Gewerbegebiete 2 950 ff.; 4 20 ff. – als Teil des Inlands 2 106 Grundfreiheiten 1 156 Grundlagenbescheid 5 45; 14 7, 20 – Arten 35b 3 Grundstückshandel – gewerblicher 9 42 Grundstücksüberlassung – zur Ausbeutung von Bodenschätzen 8 126

Haftung – der Organschaft für Gewerbesteuer 2 598 f. – für Steuerschulden 5 65 ff. Handel 2 245 Handelsschiffe 7 260 – Begriff 9 222 f. Hauptverwaltung – Betriebsstätte 30 24 Hauptzerlegung 30 70; s. a. mehrfache Zerlegung Haushaltswirksamkeit – von Lasten 30 59 Hebeberechtigung – Begriff 4 4 – der Gemeinden 4 1 ff.; 16 5 – Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit 35a 11 Hebesatz 7 2; 16 1 ff., 10 ff. Hebesatzrecht – der Gemeinden 1 70 ff.

Hinzurechnungen 8 1 ff. – Beispiel 8 10 – Funktionen 8 16 – negative 8 8 – Verfassungsmäßigkeit 8 27 Hoch- und Küstenfischerei 3 32 ff. Hoheitsbetrieb 2 175 ff. – Gewerbebetrieb der öffentlichen Hand 2 701 ff. – öffentlich-rechtlicher Rundfunk 7 267 Hoheitsvorbehalt – Gewerbebetrieb der öffentlichen Hand 2 676 Homeoffice – Betriebsstätte 2 433 Hybride Ausgestaltung – der Gewerbesteuer 1 213, 226

Identität – von Unternehmer und Unternehmen 10a 7 f. Immaterielle Wirtschaftsgüter 8 104 – Rechte 8 140 ff. Immobiliengesellschaften – Betriebsstätte 2 434 Inbound-Fälle 10a 38 – Sondervergütung 7 112 – Steuerfreiheit 2 900 ff. Indikatoren – der Zerlegung 29 2 ff. Infektionstherie – Personengesellschaften 2 148 Inland – Botschaften 2 105 – grenzüberschreitende Gewerbegebiete 2 106 – Schiffe 2 106 Inlandsbegriff 2 100 ff. – erweiterter 2 920 ff. – staatsrechtlicher 2 103 Inlandsbezug – ausländische Einkünfte 8 19 – der Gewerbesteuer 1 217 ff.; 2 47, 110 ff. – Gewerbebetrieb 2 100 ff. – Gewerbesteuerpflicht 2 370 ff. – Zerlegung 28 30 Inlandssteuer 2 5, 102 Innerorganschaftliche Verluste 10a 192 Insolvenz 1; s. a. Gewerbesteuerinsolvenzrecht – Steuerpflicht 2 804 Insolvenzverwalter 2 235 – Gewerbesteuererklärungspflicht 14a 15 Internet-Handel 2 258 Internetdomains 2 257 Intertemporaler Verlustausgleich 10a 1 563

Stichwortverzeichnis

Kapitalgesellschaft

2 115 – einheitlicher Gewerbebetrieb 2 153, 160 f. – Unternehmen der öffentlichen Hand 2 180 f. Kapitalgesellschaften – als Gewerbebetriebe 2 91 ff. – ausländische 2 476 ff. – Betriebsstätte 2 435 – der öffentlichen Hand 2 473 – Inlandsbezug 2 470 ff. – Steuerpflicht 2 782 – Vorgründungs-/Vorgesellschaften 2 481 f. Kauffahrteischiffe 2 920; 4 25 Kettenmietverhältnisse 8 112 Kinobetreiber 8 158 Kleinbeträge 34 1 ff. Know-how 8 145 Komplexität – der Gewerbesteuer 1 315 Konkurrenzklausel 3 41 Konzernfinanzierungsgesellschaften 8 58 f. Konzessionen 8 142 Körperschaften – gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche 3 40 ff. Korrektur – Gewerbesteuermessbetrag 35b 1 Korrekturen – Hinzurechnungen/Kürzungen 8 1 ff., 11 ff. – Zweck 8 13 Korrespondenzprinzip – Wegfall 8 3 Kostensteuer 1 230 ff.; 2 18 Krankenhaus 3 59 Kreditinstitute 3 25 ff.; 8 55 ff. Kürzungen 9 1 ff. Küstenmeer – Inlandsbegriff 2 920 Künstlersozialabgabe 8 163 ff.

Land-/Forstwirtschaft 3 35 f. – Gewerbesteuerpflicht 2 214 ff. Lärmmesstationen 30 16 Lastenanalyse 30 48 Lastenindikatoren 30 61 ff. Lastenkonzeption – der Zerlegung 28 15 Laufende Gewinne 7 92 Leasing 8 119; 9 52 Leasingunternehmen – Gewerbesteuerpflicht 2 780 Legitimation – der Gewerbesteuer 1 241 ff. Liquidation – Steuerpflicht 2 804 Lizenzrechte 8 142 564

Lohn- und Gehaltsaufwendungen 33 36 Lohnsumme 6 1 – Besteuerung 1 10 Lotterieeinnehmer 2 236

Mehrmütterorganschaft 2 529 Mehrwertsteuerrecht – Unternehmerbegriff 5 18 Mietverhältnisse – und vergleichbare Vertragsverhältnisse 8 93 ff. Minderungen – des Gewerbeertrags 8 53 Mindestbesteuerung 10a 25, 238 Mindesthebesatz 1 12, 263; 16 19 Missbrauch i.S.v. § 42 AO 9 92 Missbrauchsabwehr 7 213 Mitgliedsbeiträge 9 240 Mittelbare Beteiligung 9 155 Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit 35a 2 – Hebeberechtigung 35a 11 Mitunternehmer 2 267 – Definition 2 279 – einheitlicher Gewerbebetrieb 2 280 – Gewerbesteuerpflicht 2 278 ff. Mitunternehmergemeinschaften mit Gesellschaftsvermögen 5 25 Mitunternehmerschaft 2 271, 275 ff. – Anteilsverkauf 7 102 – Gewerbebetrieb der öffentlichen Hand 2 716 – Steuerschuldner 5 60 ff. – und Gewerbesteuerpflicht 2 145 ff. – Unternehmen der öffentlichen Hand 2 170 Nachhaltigkeit – der Tätigkeit 2 203 f. Nachzahlungszinsen 1 234 Namensrechte 8 142 Natürliche Ressourcen 2 945 Nebenbetrieb – Gewerbesteuerpflicht 2 216 Nebenleistung – steuerliche 14b 4 Netzentgelte 8 122, 137 Normsetzungsermessen – der Gemeinden 16 12 Objektsteuer

1 196 ff.; 2 15 ff.; 8 12, 189; 9 190 – Gewerbesteuer 8 1 OECD – Diskriminierungsverbot 8 32 Offenbar unrichtiges Ergebnis – Ablehnung 33 44 – Begriff 33 25 ff.

Stichwortverzeichnis – Einzelfälle 33 40 ff. – Ermittlung 33 50 ff. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk 7 265 ff.; 11 23 Öffentliche Hand 11 22 Offshore-Bereich 2 921, 924 – Inlandsbezug und Steuerbarkeit 2 930 ff. – Windkraftanlagen 4 18 Ökonomische Zerlegungsgestaltungsplanung 28 17 Online-Pokerspieler 2 259 Optierende Gesellschaften 2 970 ff.; s. a. Kapitalgesellschaften Optionsmodell 2 976 – Rechtsformwechsel 2 1020 Organgesellschaft 2 93, 511 Organschaft 2 500 ff.; 9 43 – Abgrenzung Betriebsaufspaltung 2 509 – Betriebsstätte 2 379, 438, 502 f. – Ermittlung des Gewerbeertrags 2 545 ff. – finanzielle Eingliederung 2 532 – Freibetrag 2 567 – Gemeinde 2 505 – Gewerbeertrag 7 250 – Gewerbesteuerpflicht 2 591 ff. – gewerbesteuerrechtliche Fehlbeträge 2 580 ff. – Gewinn 7a 6 – Gewinnabführungsvertrag 2 537 – Haftung für Gewerbesteuer 2 598 f. – Hinzurechnungen 2 569 – Inlandsbezug 2 516, 535 – Kürzungen 2 570 – Rechtsfolgen 2 541 ff. – Schachtelbeteiligung 7a 1 – Steuerbefreiung 3 5 – Steuervergünstigung 2 571 – Teilwertabschreibung 2 574 ff. – Übersicht 2 554 – Verlustabzug 10a 190 ff. – Verlustverbrauch 7b 71 – Voraussetzungen 2 511 ff. – wirtschaftliche Unternehmenseinheit 2 508 – Zerlegung 2 586 ff. – zurechnungsbedingte Korrekturen 2 560 Organträger 2 520 ff. Outbound-Fälle 10a 38 – Sondervergütung 7 112

Pachtbetrieb – Betriebsstätte 2 446 Pachtentgelte 8 121 Parlamentsvorbehalt 35c 15 f. Pauschfestsetzung 15 1 f. Personenbezogene Objektsteuer – Betriebsübergang 2 845

Personengesellschaften – Abfärbe-/Infektionstheorie 2 148 – als Gewerbebetriebe 2 266 ff. – Anteilserwerb 8 38 – Anwachsung 10a 132 – doppelstöckig gewerblich geprägte 2 316 – doppelstöckige 5 27; 7 100; 10a 123 ff. – Fehlbeträge 10a 246 – Gewerbesteuerpflicht 2 781 – Gewerbesteuerpflicht von 2 145 ff. – gewerblich geprägte 2 310 ff. – Schlechterstellung ggü. Einzelunternehmen 2 301 – Sonderbetriebsvermögen 7 4 – Strukturveränderungen 10a 113 ff. – teilweise gewerbliche Tätigkeit 2 290 ff. – vermögensverwaltende 2 307 – Verschmelzung 10a 131 Personenzusammenschlüsse – Gewerblichkeitsfiktion 2 150 Photovoltaikanlage 9 57; 28 49; 29 25 f. – einer Gemeinde als Gewerbebetrieb 2 169 – Gewerbebetrieb der öffentlichen Hand 2 724 – Gewerbesteuererklärungspflicht 14a 14 – Gewerbesteuerpflicht 2 260 – Zerlegung 29 5 Privatrechliche Vereinbarung – zur Gewerbesteuer 4 9 Produktionslizenzen 8 154 Prostituierte – Gewerbesteuerpflicht der Tätigkeit 2 207

Realgemeinden

3 31 Realsteuer 1 188 ff.; 2 15 ff. Realteilung 7 315; 10a 139 ff. Rechte – Begriff 8 140 ff. Rechtsbehelfe – der Gemeinden 14 37 – des Steuerpflichtigen 14 36; 16 36 ff. Rechtsformabhängige Unternehmen 7 285 Rechtsformen – der Gewerbebetriebe 2 88 ff. Rechtsformneutralge Besteuerung 2 974 Rechtsformwechsel 10 8; 11 28 – eines Betriebs gewerblicher Art 2 881 Rechtsquellen – der Gewerbesteuer 1 20 ff. Rechtsschutz – der Gemeinden 1 303 f.; 4 33 ff. – des Steuerpflichtigen 1 300 f.; 4 38 Rechtsverordnungen – Begriff 35c 10 f. – zur Gewerbesteuer 35c 1 ff. Reformbedarf 1 310 ff., 326 ff.

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Stichwortverzeichnis Regelungsermessen – der Gemeinden 16 14 Regelungszusammenhang 2 30 ff. Regiebetrieb 5 22 Reisegewerbebetrieb 2 3; 35a 1 ff. – Begriff 35a 4 ff. – Zerlegung 35a 12 Reiseveranstalter 28 24 Renten und dauernde Lasten 8 64 ff. Rentenbarwert 8 72 Rettungsdienste 3 64 Rückstellung 8 2 Rückwirkung – Definition 36 13 ff. – Legitimation 36 23 f. Ruhender Gewerbebetrieb 10a; s. a. Betriebsunterbrechung

Saisonbetriebe – Betriebsunterbrechung 2 830 – Gewerbesteuerpflicht 2 812 Saldierungsverbot 8 39 – von Aufwendungen und Erträgen 8 22 Sanierung 7b 1 ff., 38 – Fehlbeträge 7b 47 – Obergrenze 7b 46 – Organschaft 7b 70 ff. – Sonderreglunge der öffentlichen Hand 7b 60 ff. Schachtelbeteiligung 7a 1; 8 173 Schachteldividenden – Zurechnung bei Organschaft 2 565 Schachtelprivileg 7 77; 7a 10; 9 140, 280 – DBA 7a 15; 9 310 f. Schädlicher Beteiligungserwerb 10a 166 Schattenrechnung 10a 262 Schätzung – bei Betriebsverpachtung 7 302 Schiffe – als Teil des Inlands 2 106 Schifffahrtsunternehmen 2 455 ff. – Betriebsstätte 2 378 – Inlandsbezug 2 457 Schiffscharterverträge 8 97 Schlechterstellung – von Personengesellschaften 2 301 Schulden 8 35 ff. Schulden bestimmter Finanzunternehmen nach § 19 GewStDV 8 54 ff. Schuldenerlass 7b 1 ff., 37 Schuldverhältnisse – gewerbesteuerlich relevante 8 35 ff. Schulen 3 80 Schulschwimmen 7 148 Selbstbindung – der Verwaltung 1 26

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Selbstständigkeit – persönliche 2 200 – sachliche 2 201 Selbstverwaltungsrecht – der Gemeinden 1 182 Siedlungsunternehmen 3 38 Skonti 8 46 ff. Solaranlagenbetreiber 2; 3 77; s. a. Photovoltaikanlage Sonderbetriebsvermögen – Entnahme 7 318 Sonderindikatoren – der Zerlegung 29 5 ff. Sonderregelung des § 16 GewStDV 10 14 Sonderregelungen des § 18 UmwStG 2 1028 Sonderreglungen – der Gewerbesteuer 7 36 f. Sortenschutzrecht 8 152 Sozialeinrichtung – Betriebsstätte 2 440 Spartentrennung/-rechnung 7 147 Spenden 9 240 Spielbanken 3 20 ff. Stehender Gewerbebetrieb 2 83 ff.; 4 8 Steuerbefreiung 3 1 ff.; 7 62 – des § 8b KStG 7 125 – juristische Person des öffentlichen Rechts 39 – Organträger 2 527 Steuerbefreiungen 1 41 Steuereinnahmen – aus Gewerbesteuer 1 255 Steuerentrichtungspflichtiger 5 1 Steuerentstehung – der Gewerbesteuer 18 1 ff. Steuererklärungspflicht 14a 1 ff. – Gewerbebetriebe 14a 11 ff. Steuerfreie Einnahmen – Übersicht 7 165 Steuergegenstand 2 70 ff. – Arbeitsgemeinschaften 2a 1 Steuergesetzgebungszuständigkeit – des Bundes 1 60 ff. Steuermessbescheid 4 31 Steuermessbetrag 7 2; 11 1 ff. Steuermesszahl 7 2; 11 1 ff. Steuerpflicht 2 11 f. – Anfang und Ende 2 771 ff. – Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit 2 776 – Betriebsaufspaltung 2 784 – Betriebsstätte 2 370 ff. – Betriebsübergang 2 803, 840 – Betriebsunterbrechung 2 810 ff. – Einstellung des Betriebes 2 787 ff. – Freier Beruf 2 220 ff.

Stichwortverzeichnis – Gewerbebetrieb der öffentlichen Hand 2 690 ff. – gewerblich geprägte Personengesellschaft 2 781, 799 – gewerblicher Grundstückhandel 2 249, 307 – Inlandsbezug 2 370 ff. – Kapitalgesellschaften 2 782 – Land-/Forstwirtschaft 2 214 ff. – materielle 14 44 – Nebenbetrieb 2 216 – Organschaft 2 500 ff., 591 ff. – persönliche 2 4; 5 1 ff.; 14 22 – sachliche 2 1, 45 ff., 100 ff., 111; 14 22 – Unternehmensgleichheit 2 488 – Vermietung und Verpachtung 2 240 ff. – Vermögensverwaltung 2 240 ff. – von Vorgründungs-/Vorgesellschaften 2 482 – wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb 2 614, 665, 800 Steuerpflichtiger – Anfechtung des Hebesatzes 16 13 Steuerplanung 36 1 Steuerschuld – Entstehung der 5 47 Steuerschuldner 5 3 – Begriff 5 10 – Gewerbesteuer 2 280 – Steuererklärungspflicht 14a 10 Steuersubjekte – bei der Besteuerung der KGaA 8 168 Steuertatbestand – gegenständlicher 2 45 ff. – Parlamentsvorbehalt 35c 15 – Verfassungsmäßigkeit 2 60 ff. Steuertypus – der Gewerbesteuer 1 67 Steuerwettbewerb 1 321; 16 8 Stichtagsprinzip 9 157 Stiftungen 9 260 Stille Reserven – Umwandlung 7 183 Streubesitz 8 173; 9 140 Strukturelle Anpassungen – der gewerblichen Tätigkeit 10a 56 Strukturveränderung – Gewerbesteuerpflicht 2 795 Substanzbesteuerung 1 318; 8 7, 28; s. a. Übermaßbesteuerung Subventionen 3 13

Tafeln

3 45 Tarifvorschrift 11 3 Teilbetrieb 2 79 – Aufgabe 10a 58

– Merkmale 2 139 ff. – Veräußerung 10a 58 Teileinkünfteverfahren 7 76, 162 ff. Territorialität 1 216 ff. Territorialitätsprinzip 1 158; 2 100; 9 190, 221; 35a 3 – Mitunternehmerschaft 8 189 Trennungsthese 7 137 Treuhandmodell 5 30 Typisch stille Gesellschaft 5 28 Typusbegriff – des Gewerbebetriebs 2 193 ff.

Überführung eines Wirtschaftsguts 7 68 Übermaßbesteuerung 1 133 Übertragung eines Gewerbebetriebs im Ganzen 10a 79 Übertragungsgewinn 2 1023 Umlaufvermögen 8 110 Umwandlung – Unternehmerwechsel 10a 144 Umwandlung während der Option 2 1018 f. Umwandlungssteuergesetz – Sonderregelungen für Verlustverrechnung 10a 21 Umwandlungssteuerrecht – gewerbesteuerrechtliches 1 42 Umwandlungsvorgänge – Auswirkungen auf Gewerbeertrag 7 170 ff. Unbegrenzte Vortragsfähigkeit 10a 256 Unechte Rückwirkung 18 6 Unionsrecht 1 155 ff. – Einzelbestimmungen als Verstöße 1 161 ff. Unterbeteiligter an einem Anteil am Betrieb 8 75 Untergesellschaft 9 153 Unternehmen – gewerbliches 2 70 ff. Unternehmen der öffentlichen Hand – Abgrenzung BgA/Gewerbebetrieb 2 174 ff. – Gewerbebetrieb 2 166 ff. – Kapitalgesellschaften 2 180 f. – Mitunternehmerschaft 2 170 Unternehmensgleichheit – Gewerbesteuerpflicht 2 488 Unternehmensidentität 10a 51 – Personengesellschaften 10a 61 ff. Unternehmer – Merkmale 5 16 Unternehmeridentität 10a 74 ff. Unternehmerwechsel – durch Umwandlung 10a 144 – Steuerschuldner 5 36 Unternehmwechsel 2 856 f. – von Personengesellschaften 2 885 f. 567

Stichwortverzeichnis Unterzerlegung 30 70; s. a. mehrfache Zerlegung Urheberrechte 8 142

Veranlagungszeitraum

18 1 Veräußerungs-/Aufgabegewinne – Übersicht 7 293 Verfahren – Ermittlung des Gewerbeertrags 7 25 ff. Verfassungsrecht 1 50 ff., 110 ff., 312 – des Steuertatbestandes 2 60 ff. Verflechtung – Betriebsaufspaltung 2 341 ff. Verkehrsunternehmen – Betriebsstätte 2 443 Verlustabzug nach § 8c KStG 10a 160 ff. Verlustausgleich – Organschaft 2 506 Verluste – und Gewinnerzielungsabsicht 2 211 Verlustfeststellungsbescheide 35b 7, 20 ff. – Korrektur 35b 30 f. Verlustrücktrag 10a 24 Verlustuntergang 10a 146 Verlustverbrauch 7b 48 Verlustverrechnung 2 757; 10a 192 ff. – für Eigengesellschaften 10a 218 f. Verlustvortrag – fortführungsgebundener 10a 178 f. – überperiodischer 10a 4 Vermietung und Verpachtung 2 247 – Betriebsaufspaltung 2 320 – Gewerbesteuerpflicht 2 240 ff. Vermietungsgenossenschaften 3 53 Vermögensverwaltung – Gewerbesteuerpflicht 2 240 ff. Verpächterwahlrecht 2 250 Verpachtung – Betriebsunterbrechung 2 824 – eines Gewerbebetriebs 2 242, 250 f. – Ende der Gewerbesteuerpflicht 2 796 – Gewerbebetrieb der öffentlichen Hand 2 696 f. Verrechnungsvereinbarung 20 2 Verschmelzung 2 877 Versorgungseinrichtungen 3 50 Versorgungsunternehmen – Betriebsstätte 2 447 Versorgungswirtschaft 30 21, 29 Verspätungszuschlag 14b 1 ff. Vertreter – Betriebsstätte 2 410 Vertriebslizenzen 8 154 Verwaltungskooperation – zwischen Land und Gemeinden 14 3 f.

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Verwaltungsrechtsweg – Gewerbesteuer 1 102 Verwaltungsvorschriften – der Gewerbesteuer 1 26 Verwaltungszuständigkeit – der Gewerbesteuer 1 90 ff. Verweisung – Einkommensteuergesetz 2 70 – Einkommensteuergesetz/Gewerbebetrieb 2 190 ff. Verweisungen – auf andere (Steuer-)Gesetze 1 30 ff. Vorabgewinnanteile 10a 251 Vorauszahlungen – als Ermessensentscheidung der Gemeinden 19 19 f. – Anrechnung 20 1 ff. – auf die Gewerbesteuer 19 1 ff. – Entstehung 21 1 ff. – gleichmäßige 19 16 – Rechtsbehelfe 19 36 f. – Selbstbindung der Finanzverwaltung 19 24 Vorauszahlungsbescheid 19 6 ff. Vorauszahlungstermine 19 7 Vorbereitungshandlungen – Beginn der Gewerbesteuerpflicht 2 779

Wechsel der Gesellschafter – einer Kapitalgesellschaft 2 880 Wechsel im Gesellschafterbestand 10a 89 Weihnachtsmarkt 9 58 Wertaufholung – als Gewinnerhöhung 8 198 Wertpapiergeschäfte 2 246 Wettbewerbsneutralität – Gewerbebetrieb der öffentlichen Hand 2 674 Wettbewerbsverzerrung – Gewerbebetrieb der öffentlichen Hand 2 684 Windkraftenergieanlagen 29 5, 22 ff. Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb 2 76 – Begriff 2 635 ff. – Einzelfälle 2 653 ff. – Gewerbebetrieb 2 610 ff. – Gewerbesteuerpflicht 2 614, 665, 800 – Merkmale 2 640 ff. – Rechtsfolgen 2 660 ff. – Rechtssubjekte 2 620 ff. – von Vereinen und Körperschaften 11 21 Wirtschaftlicher Verkehr – Beteiligung 2 206 ff. Wirtschaftsförderung 3 74 Wirtschaftsgüter – als Nutzungsgegenstand 8 100 ff. – bewegliche/unbewegliche 8 83 ff.

Stichwortverzeichnis – des Anlagevermögens 8 107 ff. Wirtschaftszone 4 17 Wohnungsbauten – Betreuung 9 72 – Errichtung 9 77

Zahlungsdienstleister

8 61 Zahlungsverjährung 16 48 Zebragesellschaft 2 307 Zerlegung 14b 8; 19 15, 31 ff.; 28 1 ff. – als Instrument eines kommunalen Finanzausgleichs 28 13 – Anwendung von § 33 Abs. 1 GewStG bei Unbilligkeit 33 17 – Ausschluss 28 70 ff. – Begriff 28 52 f. – besondere, Schema 33 31 – Beurteilungsspielraum der Gemeinde 30 51 – Einzelfälle 28 41 ff. – Gestaltungs-/Beurteilungsspielraum der Verwaltung 33 19 – Kasuistik 30 8 – Konstellationen 28 1, 54 – mehrfache 30 70 – mehrgemeindlicher Betriebsstätten 30 1 ff. – Ökonomische Gestaltungsplanung 28 17 – Organschaft 2 586 ff. – Rechsschutz 28 90 – Rechtssicherheit 33 7 – Regelkonstellation 31 1

Zerlegungsanteil 28 53 – negativer 34 4 Zerlegungsbescheid 28 22, 84 f. Zerlegungsdirektive 30 1, 4, 46 Zerlegungsgerechtigkeit 33 3 Zerlegungsmaßstab 29 1 ff. – besonderer 33 1 ff. – mehrgemeindliche Betriebsstätten 30 45 ff. Zerlegungsrecht 1 37; 2 380 Zerlegungssperre 28 87 Zerlegungsverfahren 4 11 Zinsschranke 8 41 Zinszuschüsse 8 44 Zuordnung von Wirtschaftsgütern – Gewerbebetrieb der öffentlichen Hand 2 756 Zurechnung – gewerblicher Einkünfte 5 4 Zusammenschluss von Unternehmen – Arbeitsgemeinschaften 2a 2 Zuständigkeit – der Finanzämter 14 15 ff. – im Besteuerungsverfahren 1 278 Zuteilung 28 4 Zweiteilung – der Verwaltungszuständigkeit 1 278; 16 26 Zwischengesellschaften – Hinzurechnungen 7 217 Zwischenvermieter – Kürzungen 9 48

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