254 92 6MB
German Pages 198 [200] Year 2005
ILMMMIMCA
LEXICOGRAPHICA Series Maior Supplementary Volumes to the International Annual for Lexicography Supplements ä la Revue Internationale de Lexicographie Supplementbände zum Internationalen Jahrbuch für Lexikographie
Edited by Sture Allen, Pierre Corbin, Reinhard R. K. Hartmann, Franz Josef Hausmann, Ulrich Heid, Oskar Reichmann, Ladislav Zgusta 124
Published in cooperation with the Dictionary Society of North America (DSNA) and the European Association for Lexicography (EURALEX)
Ekaterina Butina-Koller
Kollokationen im zweisprachigen Wörterbuch Zur Behandlung lexikalischer Kollokationen in allgemeinsprachlichen Wörterbüchern des Sprachenpaares Französisch/Russisch
Max Niemeyer Verlag Tübingen 2005
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 3-484-39124-3
ISSN 0175-9264
© Max Niemeyer Verlag G m b H , Tübingen 2005 http://www.niemeyer.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: Laupp & Göbel G m b H , Nehren Einband: Verlags- und Industriebuchbinderei Nadele, Nehren
Inhalt
1.
Ziel und Zweck der Arbeit. Gliederung
1
1.1.
Ziel und Zweck der Arbeit
1
1.2.
Gliederung der Arbeit
4
2.
Bisherige Literatur zum Thema „Kollokation im Wörterbuch". Forschungsstand
5
3.
Kollokation als sprachliche Einheit
9
3.0.
Problemstellung, Grundbegriffe
9
3.1.
Theorien der Wortgruppen
10
3.2.
Semantisch-usueller Charakter der lexikalischen Vereinbarkeit
14
3.3.
Stabilität vs. Idiomatik
15
3.4.
Kollokation vs. Kompositum
16
3.5.
Von einer für lexikographische Zwecke relevanten Definition des Kollokationsbegriffs Struktur der Kollokation. Strukturelle Typen von Kollokationen
18 23
4.0.
Theorie des zweisprachigen Wörterbuchs mit Anwendung auf die lexikographische Behandlung von Kollokationen Problemstellung. Grundbegriffe
25 25
4.1.
Auswahl der Kollokationen für die Aufnahme ins Wörterbuch
27
4.2.
Semasiologische vs. onomasiologische Anordnung von Mehr-Wort-Einheiten im Wörterbuch Bearbeitung von Kollokationen in der Makrostruktur der Wörterbücher
28 . . 30
4.4.
Bearbeitung von Kollokationen in der Mikrostruktur der Wörterbücher
. . 32
4.4.1.
Typen von Mikrostrukturen
32
4.4.1.1.
Integrierte Mikrostruktur
32
4.4.1.2.
Nichtintegrierte Mikrostruktur
37
4.4.1.3.
Partiell integrierte Mikrostruktur
40
4.4.2.
Zu Problemen der separaten Behandlung von Kollokationen und Idiomen im Wörterbuchartikel
42
4.4.3.
Form der Angaben zu Kollokationen im Wörterbuch
45
4.4.3.1.
Ermittlung der grammatischen Nennform von Kollokationen
45
4.4.3.2.
Form der Bearbeitung von Kollokationen im Wörterbuch
48
4.4.3.2.1.
Zugang zu Kollokationen über eigene Mehr-Wort-Adressen
48
4.4.3.2.2.
Zugang zu Kollokationen über weitere Angaben im Wörterbuchartikel
3.6. 4.
4.3.
...
52
VI 4.4.4.
5. 5.0.
Reihenfolge der Kollokationsangaben im Wörterbuchartikel bzw. Wörterbuchartikelabschnitt Bearbeitung von Kollokationen in modernen allgemeinsprachlichen französisch-russischen und russisch-französischen Wörterbüchern Auswahl der Wörterbücher für die Analyse. Statistische Daten der untersuchten Wörterbücher
55
58 58
5.1.
Moderne französisch-russische Wörterbücher: GG, GT
60
5.1.1.
Allgemeine Kurzbeschreibung
60
5.1.2.
Aufbau der Wörterbuchartikel in GG und GT
63
5.1.2.1.
Verwendete typographische Mittel
63
5.1.2.1.1.
Typographie im GT
64
5.1.2.1.2.
Typographie im GG
66
5.1.2.2.
Aufbau der Wörterbuchartikel
67
5.1.3.
Bearbeitung von Kollokationen in GG und GT
5.1.3.1.
Allgemeine Statistik zur Bearbeitung von Kollokationen in GG und GT
5.1.3.2.
Bearbeitung von Kollokationen in der Makrostruktur
5.1.3.3.
Zur Anzahl in Wörterbuchartikeln verzeichneter Kollokationen
71 . . 71 74
je nach der Wortart des Lemmazeichens
76
5.1.3.4.
Bearbeitung von Kollokationen in der Mikrostruktur
77
5.1.3.4.1. 5.1.3.4.2.
77
5.1.4.
Form der Bearbeitung der Kollokationen im Wörterbuchartikel Anordnung von Mehr-Wort-Einheiten im Wörterbuchartikel bzw. Artikelabschnitt in GG und GT Fazit
5.2.
Moderne russisch-französische Lexikographie: DRF, GDRF
93
5.2.1.
Allgemeine Kurzbeschreibung
93
5.2.2.
Verwendete typographische Mittel
95
5.2.3.
Aufbau der Wörterbuchartikel
96
5.2.4.
Bearbeitung von Kollokationen im (G)DRF
97
5.2.4.1.
Bearbeitung von Kollokationen in der Makrostruktur
97
5.2.4.2.
Bearbeitung von Kollokationen in der Mikrostruktur
100
5.2.4.2.1.
Form der Angaben zu Kollokationen
100
5.2.4.2.2.
Anordnung von Mehr-Wort-Einheiten im Wörterbuchartikel bzw. Wörterbuchartikelabschnitt
102
5.2.5.
Fazit
103
6.
Vorschläge zur Verbesserung der Bearbeitung von Kollokationen in GG, GT und (G)DRF Allgemeine Verbesserungsvorschläge für GG, GT und (G)DRF
105 105
6.1.
85 91
VII
6.2. Französisch-russische Wörterbücher (GG, GT) 6.2.1. Allgemeine Bemerkungen zum Arbeitsverfahren 6.2.1.1. Frequenzanalyse zu Kollokationen 6.2.1.1.1. Verfahren und allgemeine Ergebnisse der Frequenzanalyse 6.2.2. Rezeptionsorientiertes allgemeinsprachliches französisch-russisches Wörterbuch (basierend auf GG) 6.2.2.1. Allgemeine Verbesserungsvorschläge zur Behandlung von Kollokationen in der Mikrostruktur 6.2.2.2. Wörterbuchartikel zu Lemmazeichen mit einem Haupt-Übersetzungsäquivalent - Substantiv voix 6.2.2.3. Wörterbuchartikel zu Lemmazeichen ohne Haupt-Übersetzungsäquivalent 6.2.2.3.1. Adjektiv vif 6.2.2.3.1.1. Bearbeitung von Kollokationen mit vif'm GG 6.2.2.3.1.2. Vorschläge zur Verbesserung der Bearbeitung von Kollokationen mit vif im GG 6.2.2.3.2. Verb dresser 6.2.2.3.2.1. Bearbeitung von Kollokationen mit dresser im GG 6.2.2.3.2.2. Vorschläge zur Verbesserung der Bearbeitung von Kollokationen mit dresser im GG 6.2.3. Textproduktionsorientiertes allgemeinsprachliches französisch-russisches Wörterbuch (basierend auf GT) 6.2.3.1. Allgemeine Verbesserungsvorschläge zur Bearbeitung vön Kollokationen in der Mikrostruktur 6.2.3.2. Wörterbuchartikel zu Lemmazeichen mit einem Haupt-Übersetzungsäquivalent - Substantiv voix 6.2.3.2.1. Bearbeitung von Kollokationen mit voix im GT 6.2.3.2.2. Vorschläge zur Verbesserung der Bearbeitung von Kollokationen mit voix im GT 6.2.3.3. Wörterbuchartikel zu Lemmazeichen ohne Haupt-Übersetzungsäquivalent 6.2.3.3.1. Adjektiv vif 6.2.3.3.1.1. Bearbeitung von Kollokationen mit v//im GT 6.2.3.3.1.2. Vorschläge zur Verbesserung der Bearbeitung von Kollokationen mit vif im GT 6.2.3.3.2. Verb dresser 6.2.3.3.2.1. Bearbeitung von Kollokationen mit dresser im GT 6.2.3.3.2.2. Vorschläge zur Verbesserung der Bearbeitung von Kollokationen mit dresser im GT 6.3. 6.3.1.
Produktionsorientiertes allgemeinsprachliches russisch-französisches Wörterbuch-(G)DRF Allgemeine Verbesserungsvorschläge zur Bearbeitung von Kollokationen
106 106 107 108 109 109 112 116 116 116 119 120 120 122 124 124 127 127 129 131 131 131 132 134 134 135 136 137
VIII 6.3.2.
Wörterbuchartikel zu Lemmazeichen mit einem Haupt-Übersetzungsäquivalent - Substantiv zonoc
139
6.3.3.
Wörterbuchartikel zu Lemmazeichen ohne Haupt-Übersetzungsäquivalent
141
6.3.3.1.
Adjektiv otcueoü
141
6.3.3.2.
Verb cocmaeumb
143
7.
Schlusswort
145
8.
Literatur
147
8.1.
Untersuchte Wörterbücher
147
8.2.
Weitere zitierte Wörterbücher
147
8.3.
Sonstige Literatur
148
9.
Anhänge
163
9.1.
Französische Kollokationen in GG, GT und DRF
163
9.2.
Angaben zur Frequenz von Kollokationen
178
9.2.1.
Anmerkungen
178
9.2.2.
Kollokationen mit voix
179
9.2.3.
Kollokationen mit vif
181
9.2.4.
Kollokationen mit dresser
183
Abstract
185
R6sum6
187
KpaTKoe coaepiKaHHe
189
1. Ziel und Zweck der Arbeit. Gliederung
1.1. Ziel und Zweck der Arbeit
Die Forschung über zweisprachige Wörterbücher bleibt nach wie vor „ein Stiefkind der Metalexikographie", was HAUSMANN schon 1 9 8 8 beklagte (S. 1 3 7 ) und WIEGAND 1 9 9 5 bestätigte, als er schrieb: „Den zweisprachigen Wörterbüchern wird [...] nicht die wissenschaftliche Aufmerksamkeit zuteil, die ihnen aufgrund ihrer Rolle im internationalen gesellschaftlichen Verkehr gebührt" (S. VII). Auch im monumentalen Werk Wörterbücher. Dictionaries. Dictionnaires, dessen Erscheinen im Jahr 1991 sicherlich ein herausragendes Ereignis in der Geschichte der Wörterbuchforschung war, sind die Probleme zweisprachiger Wörterbücher deutlich unterrepräsentiert1. Geht es um zweisprachige Wörterbücher mit Russisch, so ist die aktuelle Situation noch unerfreulicher, denn auf dem Gebiet der Wörterbuchforschung sind zwar ab und zu Erörterungen zu einigen konkreten Fragen der Lexikographie oder Berichte über laufende Projekte2 zu finden, umfangreiche Untersuchungen konkreter schon herausgegebener Wörterbücher mit Russisch bleiben aber aus. Um so bedauerlicher ist diese Entwicklung, wenn man den Background der heutigen russischen Lexikographie bedenkt, die bis in die achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wertvolle Beiträge zur Wörterbuchtheorie und -praxis geleistet hat3. In erster Linie bedeutet die aktuelle Situation negative Folgen für die Wörterbuchbenutzer, denn ohne konstruktive Kritik, die die Interessen der Leser berücksichtigt, sind auch grundlegende Verbesserungen im Bereich der Benutzerfreundlichkeit nicht bald zu erwarten. Als eine der prominentesten Fehlerquellen bei der Produktion fremdsprachlicher Texte gelten bekanntlich die Kollokationen. Es ist daher eine wichtige Aufgabe von Wörterbüchern, den Gebrauch von Kollokationen so gut wie möglich darzustellen. Wörterbücher, in denen Kollokationen auf eine benutzerfreundliche und konsequente Weise erfasst sind, können beim Erlernen einer Fremdsprache und beim Übersetzen in die Fremdsprache, aber auch aus der Fremdsprache, eine große Hilfe sein. In der vorliegenden Arbeit wird die Praxis der Darstellung von Kollokationen in existierenden allgemeinsprachlichen Wörter-
1
2
V g l . a u c h FUENTES MORÄN ( 1 9 9 7 : 1 ff.).
Die Theorie der einsprachigen Lexikographie mit Russisch sowie die allgemeine Problematik der Lexikographie wurde v.a. in den Werken von APRESJAN (vgl. z.B. 1986; 1990; 1992; 1995), DENIs o v ( 1 9 8 6 ; 1 9 9 3 ) , DUBICINSKIJ ( 1 9 9 8 ) ; KARAULOV ( 1 9 7 6 ; 1 9 8 8 ) , MORKOVKIN ( 1 9 7 7 ) , OZEGOV ( 1 9 5 3 ; 1 9 7 4 ) ; SOROKALETOV ( 1 9 8 5 ) , SCERBA ( 1 9 4 0 ) ; SVEDOVA et al. ( 1 9 8 8 / 1 9 9 0 ) erörtert; z u P r o b l e m e n z w e i s p r a c h i g e r Wörterbücher v g l . u.a. BERKOV ( 1 9 7 7 ; 1 9 9 6 ) , GAK ( 1 9 6 4 ; 1 9 8 7 ; 1 9 8 8 ; 1 9 8 8 / 1 9 9 0 ) ,
KIM (1981); zur pädagogischen Lexikographie mit Russisch vgl. z.B. MORKOVKIN et al. (1985) und MORKOVKIN (1992); zu verschiedenen Teilgebieten der Lexikographie vgl. z.B. VLACHOV ( 1 9 8 8 / 1 9 9 0 ) , DOBROVOL'SKJJ ( 1 9 9 9 ) , LJAPON ( 1 9 8 8 / 1 9 9 0 ) , SAZONOVA ( 1 9 8 8 / 1 9 9 0 ) , TELIJA ( 1 9 9 2 ) .
Zur Geschichte der Lexikographie mit Russisch vgl. etwa EISMANN (1991) und KOVTUN (1977). 3
Vgl. bei WOLSKI (1982) die Einschätzung und Übersetzung vieler herausragender Beiträge von sowjetrussischen Lexikographen.
2 büchem des Sprachenpaares Französisch-Russisch untersucht. Zur Analyse werden größere zweisprachige französisch-russische und russisch-französische Wörterbücher herangezogen (Begründung der Auswahl sowie genauere Angaben vgl. Kapitel 5): 1.
Nouveau dictionnaire fran^ais-russe = Β.Γ. T a K , K.A. Moskau: Russkij jazyk, 1 9 9 7 . 2 . G T = V . G . G A K , J. T R I O M P H E : Dictionnaire Fran9ais-Russe (ä l'usage des francophones) = Β.Γ. F a K , )K. ΤρποΜφ: O p a H u y 3 C K o - p y c c K H H cjioeapb a K T H B H o r o T u n a . Moskau: Russkij jazyk, 1991. 3. DRF = L.V. S F E R B A , M . I . MATOUSSF.VITCH: Dictionnaire Russe-Fran^ais = JI.B. lljepöa, M.H. MaTyceBHH: PyccKO-K, KaöoTaacHoe njiaeatiHe · C A B O T E R vi 3aHHMaTbc$i ipf KaöoTajKeM, ruiaearb ipj BÄOJib öepera
C A B O T E L R m [...] Textbeispiel 5.1. Ausschnitt aus GT: 145
60 mit den 247 Nischenlemmata 2 1273 Lemmata ergeben. In einer Hochrechnung kommt man auf die Stichwortanzahl 46 337. Das GDRF, das die Bearbeitung von 200 000 „mots et expressions" verspricht und dessen Lemmabestand - wie es im Vorwort steht - um mehr als 50 Prozent im Vergleich zum DRF erweitert wurde, enthält auf 20 Seiten 1557 Lemmata und Nischenlemmata und umfasst 555 Seiten; die ermittelte Stichwortanzahl liegt zwischen 43 000 und 44 000.
Wörterbuch GG GT DRF GDRF
Anzahl der Lemmata auf 20 Seiten 1 328 727 1 273 1 557
Seitenanzahl (eigentl. Lexikon, ohne Außentexte) 1 174 1 029 728 555
geschätzte Gesamtanzahl der Lemmata ca. 78 000 ca. 37 400 ca. 46 337 ca. 43 200
Tabelle 5.1.2. GG, GT, (G)DRF: Schätzung der Stichwortanzahl3
5.1. Moderne französisch-russische Wörterbücher: GG, GT 5.1.1. Allgemeine Kurzbeschreibung GG und GT bieten sich vor allem deswegen zur Analyse an, weil sie die einzigen modernen französisch-russischen Wörterbücher dieser Größenordnung sind und deshalb als Standardwerke für Französisch- bzw. Russischunterricht und Übersetzung angesehen werden. Da GG und GT unterschiedliche Funktionen erfüllen sollten und für unterschiedliche Benutzer-
2 3
In SCERBAS Wörterbuch werden traditionell nur Ableitungen in Nischenartikel gruppiert. Natürlich dürfen diese Ergebnisse nicht als Angabe der tatsächlichen Anzahl der in GG und GT aufgenommenen Lexeme betrachtet werden, erstens weil es eben lediglich um eine Hochrechnung geht und zweitens weil die beiden Wörterbücher einige Unterschiede in der Lemmatisierung der Wortschatzeinheiten aufweisen. Es handelt sich in erster Linie um diejenigen Lexeme, die entweder als Homonyme oder als verschiedene Einzelbedeutungen eines polysemen Wortes betrachtet werden können. Werden sie vom Lexikographen als Homonyme betrachtet, so wird ihnen meistens ein eigener Artikel gewidmet. Handelt es sich für den Lexikograph um verschiedene Einzelbedeutungen eines polysemen Lexems, so werden sie meistens in einem Wörterbuchartikel behandelt. Eine weitere Quelle eventueller Fehleinschätzungen beim Lemmatazählen könnten Fälle der morphologischen Konversion sein (z.B. casanier Substantiv; emanier Adjektiv), denn diese Formen können im Wörterbuch als eine Art Nischenlemmata in einem gemeinsamen Artikel behandelt werden, oder jeder Form kann ein eigener Artikel gewidmet werden, was natürlich beim Schätzen des Lemmabestandes des Wörterbuchs je nach dem gewählten Verfahren völlig verschiedene Zahlen ergeben kann und beim Vergleich des Umfangs zweier Wörterbücher berücksichtigt werden muss. Deswegen habe ich die Artikel in GG und GT miteinander verglichen und festgestellt, dass zumindest die auf den 20 untersuchten Seiten verzeichneten Lexeme in beiden Wörterbüchern in dieser Hinsicht meistens auf die gleiche Weise behandelt werden (mit dem kleinen Unterschied, dass im GT ein spezielles Zeichen den Wortartwechsel signalisiert).
61 gruppen konzipiert sind, bietet eine vergleichende Analyse viele Möglichkeiten an, die der jeweiligen Wörterbuchfunktion adäquaten Verfahren in Auswahl, Organisation und Darstellung des sprachlichen Materials zu untersuchen. Bei der Auswahl und Darstellung der Information orientierten sich beide Wörterbücher im Großen und Ganzen am jeweiligen Zielbenutzer4. Schon die Sprache der Außentexte (vgl. Tab. 5.2.) zeigt, für wen die Wörterbücher konzipiert sind. So sind in beiden Wörterbüchern Kommentare zur Aussprache und Grammatik der fur den jeweiligen Benutzer fremden Sprache vorhanden, nicht aber zu seiner Muttersprache. Das (in den beiden Wörterbüchern sehr kurze) Vorwort mit Erläuterungen zum Artikelaufbau und zu den verwendeten Zeichen ist im GG zweisprachig, im GT dagegen nur auf Französisch abgefasst, allerdings wird die Verwendung typographischer Zeichen noch einmal in einer Art Klappentext auf dem Vorsatzblatt (die Innenseite des Einbands) in zwei Sprachen erklärt. GG
GT
Titel
auf Französisch und Russisch
auf Französisch und Russisch
Vorwort (Erklärungen zur Wörterbuchstruktur)
auf Französisch und Russisch
auf Französisch (die typographischen Zeichen auch auf Russisch)
Erläuterungen zu französischen Abkürzungen
nur auf Französisch
auf Französisch und Russisch
Erläuterungen zu russischen Abkürzungen
auf Französisch und Russisch
Alphabet
nur französisches
Aussprache des Französischen
auf Russisch
Grammatik des Französischen
auf Russisch
-
französisches und russisches -
Aussprache des Russischen
-
auf Französisch
Grammatik des Russischen
-
auf Französisch
Tabelle 5.2. GG und GT: Sprache der Außentexte
Nach dem Hausmannschen (1988) Schema erfüllt das GG v.a. die ersten zwei Funktionen: Es soll dem Russischmuttersprachler beim „Her-Verstehen" des französischen Textes und beim „Her-Übersetzen" aus dem Französischen ins Russische behilflich sein. Das GT orientiert sich in erster Linie am Französischmuttersprachler, der einen französischen Text ins Russische „hin-übersetzen" oder einen russischen Text selbst „hin-produzieren" will. Die Ausrichtung auf den konkreten Benutzer und auf die bestimmte Wörterbuchfunktion findet natürlich nicht nur in der Gestaltung der Außentexte, sondern auch in der Auswahl und Darbietung des sprachlichen Materials ihren Niederschlag. Während sich im GG Erläuterungen zu grammatischen, semantischen und stilistischen Eigenschaften der französischen Wortschatzeinheiten finden, konzentriert sich das GT auf die für seinen frankophonen Benutzer relevante Information: morphologische, syntaktische, stilistische u.a. Eigenschaften der russischen Wörter und Mehr-Wort-Einheiten, sowie - besonders ausfuhrlich - die
* Zum Terminus vgl. Kapitel 1.
62 morphologischen und syntaktischen Unterschiede zwischen französischen und russischen Konstruktionen, die zum Ausdruck der betreffenden Inhalte verwendet werden. Der Lemmabestand des GG wurde von den russischen Autoren zusammengestellt. Als Vorlage diente das französisch-russische Wörterbuch G A N C H I N A S , das 1970 zum letzten Mal gründlich überarbeitet wurde. Sein Lemmabestand wurde von GAK überprüft, aktualisiert und durch neuere Materialien aus modernen einsprachigen Lexika wie Petit Robert (1992), Petit Larousse (1992) und auch aus aktuellen ein- und zweisprachigen Fachwörterbüchern ergänzt. Im Gegensatz zum GT weist das GG Züge eines erklärenden Wörterbuchs auf: Neben zielsprachlichen Übersetzungsäquivalenten werden hier häufig auch Erklärungen zu den ausgangssprachlichen Wortschatzeinheiten angeboten. Das betrifft v.a. Archaismen und Historismen, wie z.B. mourre, gousset oder gwdisme, Xenismen wie etwa vol-au-vent oder gratin, sowie zahlreiche fachsprachliche Wortschatzeinheiten 5 . Das GG behandelt außerdem französische Wortschatzeinheiten mit diatopischen und diastratischen Gebrauchsbeschränkungen, anders gesagt - all das, worauf der Leser in der frankophonen Literatur und Presse stoßen kann und was einem russischsprachigen Benutzer beim Verstehen französischer Texte Schwierigkeiten bereiten kann. Allerdings kann das GG nicht als ein rein rezeptionsorientiertes Wörterbuch bezeichnet werden, weil es einige Züge eines polyfunktionalen Wörterbuchs aufweist. Beispielsweise können die schon erwähnten Angaben zur Grammatik und Aussprache des Französischen (die in einem rein rezeptionsorientierten Wörterbuch oft überflüssig sind) für Benutzer mit Muttersprache Russisch in einer „aktiven" Situation nützlich sein. Die beiden Wörterbücher sind daher - wie die Autoren selbst erklären 6 - als perfekte Ergänzung zueinander gedacht. Das GT ist ein Produkt der Zusammenarbeit von französischen und russischen Autoren. Die Listen der zu bearbeiteten Wortschatzeinheiten wurden, wie GAK erklärte, von den französischen Autoren zusammengestellt, während es die Aufgabe der russischen Lexikographen war, die zielsprachlichen Übersetzungsäquivalente zu diesen Wortschatzeinheiten zu bearbeiten. Von Anfang an wurde also beim Erstellen des GT die kontrastive Analyse sprachlicher Phänomene herangezogen, was ermöglichte, besonders ausfuhrlich auf Fälle zwischensprachlicher Diskrepanzen zwischen dem Französischen und dem Russischen einzugehen. Interessante Bauteile, die das „aktive" Potential des GT bedeutend erhöhen, sind die zahlreichen Annexes, d.h. Tabellen und Schemata zu Grammatik, Semantik und Pragmatik einiger, von den Autoren als besonders wichtig bzw. schwierig angesehener Phänomene der russischen Sprache (russische Abkürzungen, Deklination, Pronomina, Konjugation usw.), wie auch nützliche Informationen für die Übersetzung vom Französischen ins Russische (russische Transkription von französischen Eigennamen, Wortfelder, Kollokationen u.ä.). Diese Annexes sind zum größten Teil nicht am Ende des Wörterbuchs, sondern im Wörterbuch in der Nähe des entsprechenden Lemmas platziert. So ist z.B. neben dem Wörter-
5
6
Dass enzyklopädische Information im Übersetzungswörterbuch sehr hilfreich und nützlich sein kann, hat GAK mehrmals betont. 1988 analysierte er einige französische und russische Erklärungsund Übersetzungswörterbücher (vgl. GAK 1988), darunter auch das französisch-russische Wörterbuch GANCHINAS, auf dessen Grundlage 1994 sein französisch-russisches Wörterbuch ( G G ) entstanden ist. Seinen Vorschlag, dem Benutzer mehr allgemein wissenswerte Information anzubieten, setzte GAK in diesem Wörterbuch in die Praxis um. Vgl. GG: VI: „Ces deux dictionnaires ne se remplacent pas, mais se competent."
63 buchartikel zu automobile das syntagmatische Feld „ A U T O M O B I L E " in zwei Sprachen zu finden, das sowohl Einzelwörter als auch Mehr-Wort-Einheiten enthält (Textbeispiel 5.2). L ' A U T O M O B I L E ABTOMOEHJIL· Les formalites administratives οφορΜϋεΗΗβ la carte grise peracTpanHOHHufi aoKyMeirr,floxyMeHTHa Maimmy, TexHHiecKHÖ näcΠΟρΤ aBTOMOÖHJIJI la plaque d'immatriculation HOMepHÖfi 3 H a i c le code de la route npaeajia AOPÖACHORO .ZJBIDKCHHH l e p e r m i s d e c o n d u i r e B 0 O T T e ; i b C K 0 e yaocioeepeHHe, [BozuiTejibcKiie] npaeä pl fam p a s s e r s o n p e r m i s d e c o n d u i r e cnaBaxb [ 9 K 3 a M e H ] H a [BOOTTejibcKiie] npaeä ( H a npaeo BOXCÄeHHH) Le demarrage Haqäjio ΑΒΒίκέΒΐλ p r e n d r e l e v o l a n t c e c r b 3 a p y j i b ΉΠΤ> 3a»c[iraHHe couper le contact 3arjiymHTb Μοτόρ
mettre le moteur en marche 3aBOÄHTb (3anycKaTb> Μοτόρ demarrer a"u quart de tour 3aB0Äirrbc« c nojiyoöopoTa mettre la ceinture de securite npacTerHBaTb peMeHb [6e30näcHocTn] desserrer le frein CHHMäTb c pyraoro (ΟΤΟΗΗΟΗΗΟΓΟ) TÖPMOSA mettre le clignotant nepemnoiaTb (BKjnoqaTb) yicasaTejib nOBOpöra (MuraJiKy fam) demarrer sur les chapeaux de roues ρέ3κο TpöraTbCH, tpeaTb c Mecia La conduite lOxJieBie rouler, conduire e x a T b , B e c n i MamHHy p a s s e r e n s e c o n d e n e p e x o n H T b H a (BKJHOHaTb, nepemnonäTb) BTopyio CKOp0CTb changer de vitesse nepemnoiäTb faire marche arriere ÄaeaTb
CKÖpocTb
3äanaii xoa accelerer pa3roHHTbCfl, npHÖaBJiHTb ra3, yBejuiiHTb CKÖpocTb appuyer sur le champignon BaacaTb Ha aicceJiepäTop donner im coup de frein 3 a T 0 p M 0 3 H T b , n p i r r o p M 0 3 H T b ; TOpM03HyTb fam
Textbeispiel 5.2. Annexe
'automobile" (aus: GT: 91, Ausschnitt)
Da die Aufgabe eines „aktiven" Wörterbuchs darin besteht, den Benutzer bei der praktischen Verwendung einer fremden Sprache in einer mehr oder weniger neutralen Situation zu unterstützen, wurde im GT auf die Bearbeitung bestimmter Wortschatzeinheiten verzichtet. Es handelt sich in erster Linie um seltene und veraltete Wortschatzeinheiten, um diejenigen, die in ihrem Gebrauch offensichtliche diatopische Beschränkungen aufweisen, sowie um all zu spezifisches Fachsprachenvokabular. Auch Ausdrücke, die zu den untersten Stilebenen der gesprochenen Sprache gehören (saloppe und vulgäre) wurden ins GT nur sehr sparsam aufgenommen.
5.1.2. Aufbau der Wörterbuchartikel in GG und GT 5.1.2.1. Verwendete typographische Mittel Typographische Mittel können einem Wörterbuchbenutzer das Auffinden von Wortschatzeinheiten und das Verstehen der dazu erhältlichen Information erleichtern. Die folgende Kurzbeschreibung der in GG und GT verwendeten Typographie soll klarstellen, ob und wie die Mehr-Wort-Einheiten und insbesondere Kollokationen gekennzeichnet sind.
64 In den folgenden Ausführungen werden in Anlehnung an WILLBERG/FORSSMAN ( 1 9 9 9 : 5 2 ) die Termini aktive vs. integrierte typographische Auszeichnungen (oder auch Betonungsmittel) verwendet. Eine aktive Auszeichnung „signalisiert dem Leser, worum es geht, bevor er den Absatz oder gar die Seite liest". Diese Auszeichnungen gliedern den Text aktiv und klären Hierarchien. Die klassischen aktiven Auszeichnungen sind Halbfett und Fett. Eine integrierte Auszeichnung dagegen „paßt sich unaufdringlich in den Grauwert der geradestehenden Umgebung ein. Der Leser nimmt sie erst wahr, wenn er an die betreffende Stelle kommt". Die integrierten Betonungsmittel sind dazu da, sachliche Differenzierung zurückhaltend zu klären. Die klassische integrierte Auszeichnung ist der Kursivdruck.
5.1.2.1.1. Typographie im GT Im GT wurde eine breite Palette typographischer Zeichen verwendet. Als aktives Auszeichnungsmittel (vgl. 5.1.2.1.) ist im GT Halbfett zu sehen, das erstens, kombiniert mit der Großschreibung, die Lemmata hervorhebt und zweitens für bestimmte Gliederungen verwendet wird: halbfette römische Zahlen führen Homonyme ein, Majuskel halbfett „regroupement de sens dans de grands articles"; arabische Zahlen halbfett Einzelbedeutungen des Lemmazeichens. Zu weiteren aktiven Betonungsmitteln gehören das schon in 5.0. erwähnte Zeichen · und das Zeichen • , die Nischenlemmata einführen: • •
„söpare les mots de la meme famille r6unis dans um meme article" (hier und weiter Zitate aus „Signes conventionnels" - GT, Vorsatzblatt); „söpare dans un meme article : a) des homonymes appartenant ä des categories grammaticales difförentes; b) les empois transitifs, intransitifs, impersonnels et pronominaux du verbe; c) le participe pass6 et l'adjectif verbal tirös du verbe correspondent".
Die übrigen typographischen Betonungsmittel gehören im GT zu den sog. integrierten Auszeichnungen (5.1.2.1.), deren Aufgabe darin besteht, dem Benutzer zu helfen, von ihm im Wörterbuchartikel schon gefundene Information zu deuten. Im GT, das besonders sorgfältig Fälle der zwischensprachlichen Diskrepanz behandelt, sind auch spezielle Zeichen vorgesehen, die den Benutzer auf diese Fälle aufmerksam machen sollen. So wird für semantische Diskrepanzen zwischen ausgangssprachlichen Wortschatzeinheiten und ihren zielsprachlichen Übersetzungsäquivalenten das Zeichen t bzw. 4- verwendet, als ein Hinweis darauf, dass das gekennzeichnete russische Übersetzungsäquivalent im Vergleich zu der zu übersetzenden ausgangssprachlichen Wortschatzeinheit emphatisch stärker bzw. schwächer ist: Τ i marque l'intensite, le renforcement ou la reduction qualitative ou quantitative du sens dans l'dquivalent propos6. So ist aus den Angaben zu atrocement zu erschließen (Textbeispiel 5.3.), dass im Vergleich zum französischen Adverb das russische cmpauiHO expressiv schwächer ist, οκγπικο, uydoeuuiHO, neeuHocuMO dagegen expressiv stärker, während otcecmoKO und yotcacuo auf der gleiche Intensitätsstufe wie das französische Lexem stehen.
65 ATROCEMENT adv acecTÖKO; yacäcHO, IcTpämHo; t»yTKO, tiyaÖBHmHO; il souffre ~ OH yacäcHO CTpaaae-r;
eile est ~ laide craä y»äcHO HenpacHBa;
c'est ~ ennuyeux äro yacäcHO KeHne; une ~ a u d i t i v e c j i y xoß|0e H3o6pa)KeHHe, - o ä 06pa3; 1' — s u r l a r e t i n e K3o6pa>KeHne H a c e x i a x K e ; a v e c ce t e l e v i s e u r l ' ~ e s t m a u v a i s e y 3 τ ο γ ο TejieBH3opa n j i o x ö e h s o 6 p a « e H H e ; c ' e s t u n e ~ f i d e l e de l a rea l i t e 3 t o BepHoe H 3 o 6 p a » e H H e
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