Deutsch-englische Kollokationen: Erfassung in zweisprachigen Wörterbüchern und Grenzen der korpusbasierten Analyse 9783110911565, 9783484391260

The study investigates the role of collocations in the use of two-language dictionaries and the extent to which dictiona

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German Pages 195 [196] Year 2005

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Table of contents :
Einleitung
I. Zum Begriff „Kollokation“
1. Hausmann
2. Kollokationen im britischen Kontextualismus
2.1. Firth
2.2. Halliday
2.3. Sinclair
3. Kjellmer als Vertreter der korpusorientierten Kollokationsforschung
4. Der textlinguistische Kollokationsbegriff
5. Kurze Zusammenfassung/Konsequenzen auf die dieser Arbeit zugrunde liegende Verwendung des Terminus „Kollokation“
II. Zweisprachige Lexikografie
1. Theoretische Grundlagen
1.1. Makrostruktur
1.2. Mikrostruktur
1.3. Die lexikografische Bearbeitungseinheit
1.4. Die Behandlung von „Phraseologismen“ und die Problematik des Terminus „Anwendungsbeispiel“
1.5. Die Übersichtlichkeit großer Artikel
1.6. Direktion und Funktionen des Wörterbuchs
2. Kollokationen im Wörterbuch
2.1. Der Ort des Eintrags
2.2. Verschiedene Arten der Präsentation von Kollokationsangaben und die Doppelfunktion der Basis im Kollokatorartikel
III. Methodische Überlegungen zu einem Wörterbuchvergleich/Möglichkeiten der korpusbasierten Kollokationsextraktion
1. Materielle Basis - Auswahl der Wörterbücher
2. Zusammenstellung eines Vergleichskorpus
2.1. Anforderungen an ein geeignetes Vergleichskorpus
2.2. Verfahren zur automatischen Kollokationsanalyse und ihre konkrete Anwendung auf verschiedene Korpora
2.3. Vorläufige Auswahl der Kollokationen
2.4. Überprüfung der Kollokationen
2.5. Endgültige Auswahl der Kollokationen / Modifizierung des Vergleichskorpus
IV. Quantitative Analyse der Kollokationspraxis deutsch-englischer Wörterbücher
1. Auswertung
2. Ergebnisse
3. „Diachrone“ Perspektive bei PONS
4. Substantiv+Substantiv-Kollokationen
5. Kollokationswörterbücher
Zusammenfassung und Schlussbemerkungen
Summary
Résumé
Anhang: Liste der überprüften Kollokationen und ihre Verzeichnung in den zweisprachigen Wörterbüchern
Literatur
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Deutsch-englische Kollokationen: Erfassung in zweisprachigen Wörterbüchern und Grenzen der korpusbasierten Analyse
 9783110911565, 9783484391260

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Series Maior

LEXICOGRAPHICA Series Maior Supplementary Volumes to the International Annual for Lexicography Supplements ä la Revue Internationale de Lexicographie Supplementbände zum Internationalen Jahrbuch für Lexikographie

Edited by Pierre Corbin, Reinhard R. K. Hartmann, Franz Josef Hausmann, Ulrich Heid, Sven-Goran Malmgren, Oskar Reichmann, Ladislav Zgusta 126

Published in cooperation with the Dictionary Society of North America (DSNA) and the European Association for Lexicography (EURALEX)

Birgit Steinbügl

Deutsch-englische Kollokationen Erfassung in zweisprachigen Wörterbüchern und Grenzen der korpusbasierten Analyse

Max Niemeyer Verlag Tübingen 2005

Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2003/04 als Dissertation an der Philosophischen Fakultät II der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg eingereicht. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 3-484-39126-X

ISSN 0175-9264

© Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2005 Ein Unternehmen der K. G. Saur Verlag GmbH, München http://www. niemeyer. de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: Laupp & Göbel GmbH, Nehren Einband: Nädele Verlags- und Industriebuchbinderei, Nehren

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1

I.

Zum Begriff „Kollokation"

3

1.

Hausmann

4

2.

Kollokationen im britischen Kontextualismus

9

2.1.

Firth

2.2.

Halliday

10

9

2.3.

Sinclair

11

3.

Kjellmer als Vertreter der korpusorientierten Kollokationsforschung

13

4.

Der textlinguistische Kollokationsbegriff

15

5.

Kurze Zusammenfassung/ Konsequenzen auf die dieser Arbeit zugrunde liegende Verwendung des Terminus „Kollokation"

II.

Zweisprachige Lexikografie 1.

17

Theoretische Grundlagen

17

1.1.

Makrostruktur

17

1.2.

Mikrostruktur

20

1.3.

Die lexikografische Bearbeitungseinheit

21

1.4.

Die Behandlung von „Phraseologismen" und die Problematik des Terminus „Anwendungsbeispiel"

1.5.

1.6.

23

Die Übersichtlichkeit großer Artikel

26

1.5.1.

Das semantische Ordnungsprinzip

26

1.5.2.

Das kategoriell-alphabetische Ordnungsprinzip

28

Direktion und Funktionen des Wörterbuchs

35

1.6.1.

Direktion

35

1.6.2.

Funktionen

38

1.6.3.

Scerba

40

1.6.4.

Ein für die Produktion fremdsprachlicher Texte geeignetes Wörterbuch

2.

15

43

Kollokationen im Wörterbuch

46

2.1.

Der Ort des Eintrags

46

2.2.

Verschiedene Arten der Präsentation von Kollokationsangaben und die Doppelfunktion der Basis im Kollokatorartikel

50

VI

III.

IV.

Methodische Überlegungen zu einem Wörterbuchvergleich/ Möglichkeiten der korpusbasierten Kollokationsextraktion

57

1.

Materielle Basis - Auswahl der Wörterbücher

57

2.

Zusammenstellung eines Vergleichskorpus 2.1. Anforderungen an ein geeignetes Vergleichskorpus 2.2. Verfahren zur automatischen Kollokationsanalyse und ihre konkrete Anwendung auf verschiedene Korpora 2.2.1. Möglichkeiten der statistischen Erfassung von Kollokationen 2.2.2. Deutschsprachige Textkorpora des Instituts für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim 2.2.3. Die COBUILD Bank of English 2.2.4. Gegenüberstellung deutscher und englischer Kollokationslisten 2.2.5. Das British National Corpus (BNC) 2.3. Vorläufige Auswahl der Kollokationen 2.4. Überprüfung der Kollokationen 2.5. Endgültige Auswahl der Kollokationen / Modifizierung des Vergleichskorpus

58 58 60 60 63 68 71 76 83 89 96

Quantitative Analyse der Kollokationspraxis deutsch-englischer Wörterbücher

109

1.

Auswertung

109

2.

Ergebnisse

111

3.

„Diachrone" Perspektive bei PONS

130

4.

Substantiv+Substantiv-Kollokationen

148

5.

Kollokationswörterbücher

153

Zusammenfassung und Schlussbemerkungen

159

Summary

165

Resume

167

Anhang: Liste der überprüften Kollokationen und ihre Verzeichnung in den zweisprachigen Wörterbüchern

169

Literatur

181

Einleitung

Die vorliegende Studie soll einen Beitrag zur Metalexikografie leisten. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit der Frage, welche Rolle Kollokationen bei der Wörterbuchbenutzung spielen und inwieweit den Bedürfnissen des Benutzers bei der Wörterbuchgestaltung Rechnung getragen wird. Dabei fiel die Entscheidung bewusst auf zweisprachige Wörterbücher, da diese in der lexikografischen Forschung tendenziell eher stiefmütterlich behandelt werden. Vorbehalte gegen zweisprachige Nachschlagewerke rühren wohl in erster Linie daher, dass letztere angeblich nur derjenige benutzt, dem der Zugang zu einsprachigen Wörterbüchern aufgrund seiner begrenzten Kompetenz in der Fremdsprache versagt bleibt.1 Tatsächlich werden zweisprachige Wörterbücher aber häufiger zurate gezogen als einsprachige2; Fremdsprachenlerner, die sich aus freien Stücken (nicht weil sie von Schule oder Universität dazu veranlasst werden) ein einsprachiges Lernerwörterbuch anschaffen, dürften in der Minderheit sein. Insofern ist es nicht unbedingt gerechtfertigt, dass sich die Metalexikografie verstärkt mit einsprachigen Nachschlagewerken auseinander setzt. Im Rahmen dieser Arbeit sollen nun die deutsch-englischen Teile von einigen wichtigen bilingualen Nachschlagewerken daraufhin untersucht werden, ob sie Kollokationen in ausreichendem Maße verzeichnen und auf welche Art und Weise diese Wortverbindungen angegeben sind. Das Bewerten von einzelnen zufallig ausgewählten Wörterbuchartikeln erscheint im Hinblick auf Kollokationen nur eingeschränkt sinnvoll; ob punktuell auftretende Erscheinungen verallgemeinerbar sind und damit Rückschlüsse auf die generelle Qualität des betreffenden Wörterbuchs zulassen, ist fraglich. Deshalb wird hier ein aus etwa 200 Kollokationen bestehendes Vergleichskorpus zusammengestellt; anschließend muss kontrolliert werden, ob und wie diese typischen Wortverbindungen in den zur Diskussion stehenden Wörterbüchern verzeichnet sind, sodass ein fundierter Vergleich erfolgen kann. Besonderes Augenmerk gilt dabei auch der Frage, inwieweit es möglich ist, lexikografisch verwertbare Kollokationen aus Korpora zu extrahieren (Teil III und IV). In Anbetracht der Tatsache, dass zahlreiche konkurrierende KollokationsTheorien existieren, werden - im Vorfeld der Wörterbuchanalyse - wichtige Forschungsansätze erörtert (Teil I). In einem weiteren Schritt sollen die Strukturen von zweisprachigen Wörterbüchern und Wörterbuchartikeln sowie verschiedene Wörterbuchbenutzungssituationen näher beleuchtet werden (Teil II).

1

Weitere Ursachen nennt Hausmann (1988:

137): „ . . . d i e Forschung über die

zweisprachigen

Wörterbücher [ist] nach w i e vor das Stiefkind der Metalexikographie, teils weil sie komplizierter ist als die zur einsprachigen Lexikographie, teils weil sie schlicht für überflüssig gehalten wird und teils

weil

der Blick

über

den

Zaun

auf die

Praxis

anderer

Länder

wegen

Sprachenzersplitterung besonders schwierig ist". 2

Vgl. dazu etwa Engelberg/ Lemnitzer (2001: 70) oder Herbst/ Klotz (2003: 1 0 2 - 1 0 3 ) .

der

großen

I.

Zum Begriff „Kollokation"

Ganz allgemein gesprochen bezieht sich der Terminus Kollokation auf das sprachliche Phänomen, dass manche Wörter bevorzugt mit bestimmten anderen vorkommen. Oft bedingt das Auftreten eines Wortes beim Hörer oder Leser die Erwartung, dass in unmittelbarer Umgebung auch ein bestimmtes anderes Wort erscheint. Darüber, wie der Prototyp einer Kollokation konkret auszusehen hat, gibt es allerdings verschiedene Ansichten. In die wissenschaftliche Diskussion eingeführt wurde der Begriff von John R. Firth, dem Begründer des britischen Kontextualismus, der in seinem Aufsatz „Modes of Meaning" (1957) erstmals von collocation und collocability spricht. Allerdings hat Firth kein klar umrissenes Konzept entwickelt, und aufgrund dieser Vagheit kam es zu einer Reihe von verschiedenen Interpretationen. Innerhalb der zahlreichen Theorien und Ansätze1, die heute in der wissenschaftlichen Literatur vertreten sind, lassen sich im Wesentlichen drei Richtungen erkennen 2 : Erstens kann man dann von einer Kollokation sprechen, wenn das gemeinsame Auftreten der Kombinationspartner semantisch nicht erklärbar ist. Dass im Deutschen gerade die Verbindung die Zähne putzen und nicht etwa *die Zähne bürsten etabliert ist, liegt nicht in der Bedeutung der beteiligten Wörter begründet. Letztere Formulierung ist eindeutig verständlich und insofern logisch, als man sich bei der beschriebenen Tätigkeit einer Zahnbürste bedient; dennoch verstößt eine derartige Ausdrucksweise gegen die sprachliche Norm. Diese Kollokationsauffassung, die sowohl unter lexikografischen als auch unter didaktischen Gesichtspunkten von herausragender Bedeutung ist, wird in erster Linie von Hausmann vertreten. Daneben gibt es eine Reihe von weiteren Sprachwissenschaftlern, deren Theorien in wesentlichen Merkmalen mit dem Kollokationsbegriff Hausmanns übereinstimmen. So werden beispielsweise auch Cowies und Bensons Überlegungen zur Kollokationsproblematik insbesondere von lexikografischen Interessen bestimmt. Im Gegensatz zu Hausmann und Cowie fallen bei Benson zusätzlich Verbindungen wie allow for oder afraid of [so genannte grammatical collocations3] unter den Begriff Kollokation. Aufgrund seiner lexikografischen Orientierung wird der Kollokationsbegriff Hausmanns in der vorliegenden Arbeit eine tragende Rolle spielen - trotz einiger Schwierigkeiten, die hauptsächlich daher rühren, dass Kollokationen in diesem Sinne oft nicht eindeutig zu identifizieren sind. Ebenso relevant wird - und darin besteht die zweite Hauptrichtung - der statistisch orientierte Ansatz sein. Wichtige Vertreter sind John Sinclair und Göran Kjellmer. Im Rahmen dieser Schule können zwei sprachliche Einheiten bereits dann als Kollokation gelten, wenn sie in einem Text gemeinsam auftreten. Kommen die Wörter öfter miteinander vor als dies - ausgehend von den Frequenzen der Einzelwörter - statistisch zu erwarten ist, so spricht Sinclair von einer significant collocation. Der statistisch orientierte 1

2 3

Vgl. dazu etwa Bahns (1996: 1-2), der für diesen stark variierenden Gebrauch verschiedene Gründe angibt oder Herbst (1996b: 383), der zur Veranschaulichung einen Abschnitt aus Lewis Carrolls Through the Looking Glass zitiert und von einer „Humpty Dumpty situation" spricht. Vgl. dazu ebenfalls Bahns (1996) und Herbst (1996b) sowie Klotz (2000). Vgl. dazu die Introduction des BBI (1997), Seite xv-xxix.

4 Ansatz steht in engem Zusammenhang mit der computergestützten Korpuslinguistik, die in letzter Zeit zunehmend an Bedeutung gewonnen hat und deren Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft ist. Um den sich in diesem Bereich bietenden Möglichkeiten Rechnung zu tragen, sollen auch in der vorliegenden Arbeit maschinelle Kollokationsanalysen durchgeführt und die Ergebnisse entsprechend ausgewertet werden. Frequenz allein kann bei der Identifizierung von Kollokationen nicht den Ausschlag geben. Selbst auf weite Sicht werden Korpusuntersuchungen die Intuition des Sprachwissenschaftlers oder die des Lexikografen nicht ersetzen. Dennoch beruhen maschinell gewonnene Daten auf einer breiteren Grundlage und sind daher verlässlicher als die Intuition eines einzigen Muttersprachlers. Die von Halliday und Hasan in dem Werk Cohesion in English (1976) dargestellte Kollokationsauffassung findet der Vollständigkeit halber Erwähnung, ist aber von untergeordneter Bedeutung - sowohl für die linguistische Theorie als auch für die lexikografische Praxis. Im Folgenden sollen die genannten Ausprägungen des Begriffs Kollokation etwas detaillierter beschrieben werden.

1.

Hausmann

Unter einer Kollokation versteht Hausmann (1985: 118) eine „typische, spezifische und charakteristische Zweierkombination von Wörtern". Um diese Aussage genauer zu verstehen, ist es zunächst sinnvoll, sich mit Hausmanns Typologie von Wortverbindungen (1984: 399) auseinanderzusetzen:

5 In einem ersten Schritt grenzt Hausmann fixierte von nicht fixierten Wortverbindungen ab. Als fixierte Wortverbindungen gelten dabei sowohl Wortbildungen wie chambre forte (~ Tresorraum) als auch Redewendungen wie laver la tele ä qn jdm den Kopf waschen). Da fixierte Verbindungen als Ganzes - und nicht progressiv von einem Wort aus formuliert werden, sind sie jeweils als ein Zeichen aufzufassen und fallen damit nicht in den Bereich der Kombinierbarkeit von Wörtern. Was die Wortbildungen betrifft, so ist das von Hausmann diskutierte Beispiel chambre forte für einen Nicht-Muttersprachler relativ undurchsichtig, da seine Gesamtbedeutung nicht unmittelbar aus der Summe der Bedeutungen von chambre und fort ableitbar ist. Daneben gibt es jedoch zahlreiche Zusammensetzungen, die einen wesentlich höheren Grad an Transparenz aufweisen; man denke etwa an englische Komposita wie writing desk, flower girl oder singer-songwriter. Im Gegensatz dazu zeichnen sich Redewendungen stets dadurch aus, dass sie völlig idiomatisch sind, das heißt ihre Gesamtbedeutung kann nicht aus der Bedeutung der Einzelwörter erschlossen werden. Ein Nicht-Muttersprachler wird die Verbindung jdm [nicht] das Wasser reichen können nur dann verstehen, wenn er sie als Einheit gelernt hat; Vertrautheit mit den Einzelbedeutungen der beteiligten Wörter hilft ihm an dieser Stelle nicht weiter. Idiomatische Wendungen sind in einer Fremdsprache also nicht nur produktiv völlig unvorhersehbar, sondern auch rezeptiv nicht transparent. Dass fixierte Wortverbindungen gleich welcher Art in jedem allgemeinen Wörterbuch unbedingt verzeichnet sein müssen, ist selbstverständlich. Üblicherweise findet man Redewendungen unter dem ersten auftretenden Substantiv; Unterschiede zwischen den Wörterbüchern gibt es unter anderem dahin gehend, dass idiomatische Ausdrücke manchmal auf die unterschiedlichen Bedeutungen des Stichworts verteilt sind, während sie in anderen Nachschlagewerken grundsätzlich am Schluss der Artikel abgehandelt werden. Die nicht fixierten Wortverbindungen unterteilt Hausmann in drei Gruppen: Bei den freien Kombinationen - von Hausmann auch „Ko-Kreationen" genannt - ist die Kombinierbarkeit der einzelnen Elemente in vieler Hinsicht unbegrenzt. 4 Der Sprecher verwendet keine „Halbfertigprodukte der Sprache" (Hausmann 1985: 1 18), sondern er setzt Wörter kreativ zusammen, wobei er die Regeln des jeweiligen Sprachsystems beachtet. Ein Beispiel für diesen Typus ist die Verbindung ein Haus sehen: Haus hat - ebenso wie die meisten anderen Substantive - eine ganz eigene Bedeutung und ist insofern „selbstständig". Doch auch die Menge der mit dem Verb sehen kombinierbaren Substantive ist beinahe unendlich groß. Die Inakzeptabilität der Kombination *Freiheit sehen lässt sich damit erklären, dass der Sprecher gegen „semantische Mindestregeln" (Hausmann 1984: 398) verstößt; Freiheit ist ein abstrakter Begriff, das Bezeichnete ist nichts Gegenständliches und kann damit auch nicht gesehen, also mit den Augen wahrgenommen werden. Die Verbindung von einem Farbadjektiv mit einem Abstraktum (*blaue Faulheit) ist ebenfalls aus semantischen Gründen ausgeschlossen. Dass es zwar keine lila Frösche, wohl aber eine lila Kuh gibt, hat nichts mit Semantik, sondern vielmehr mit unserer Kenntnis der Welt zu tun.

4

Vgl. auch Burger (1998: 20): ,„Frei' ist eine Wortverbindung [...] dann, wenn sie keinen anderen Einschränkungen als denen der normalen morphosyntaktischen und semantischen Regeln unterliegt."

6

Die zweite Gruppe besteht aus Kollokationen 5 bzw. affinen Kombinationen, wobei Hausmann (1984: 398) unter Affinität die „Neigung zweier Wörter, kombiniert aufzutreten" versteht. Im Gegensatz zu Ko-Kreationen werden Kollokationen vom Sprecher nicht kreativ zusammengesetzt. Es handelt sich vielmehr um ganze Versatzstücke 6 , die der Sprecher aufgrund ihres häufigen Auftretens verinnerlicht hat, und die er nun aus dem Gedächtnis abruft, um sie selbst wieder zu verwenden. Die Kombinierbarkeit der Kollokationspartner ist begrenzt, und damit ist die Freiheit des Wortgebrauchs erheblich eingeschränkt. Mithilfe der Semantik lässt sich diese begrenzte Kombinationsfähigkeit bestimmter Wörter nicht hinreichend erklären. Um den Kombinationsbereich eines solchen Wortes abzustecken, ist es notwendig, all diejenigen Wörter aufzuzählen, mit denen es gewöhnlich verwendet wird. Kollokationen werden vom Hörer als bekannt und üblich empfunden. Ganz anders verhält es sich mit den so genannten Konter-Kreationen, die - neben KoKreationen und Kollokationen - ebenfalls als Untergruppe der nicht fixierten Wortverbindungen einzustufen sind. Derartige Konter-Kreationen zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie vom Hörer oder Leser als äußerst ungewöhnlich empfunden werden, und zwar deshalb, weil der eng begrenzte Kombinationsbereich bestimmter Wörter durchbrochen wird. Bei der von Hausmann als Beispiel angeführten Konter-Kreation jour fissure bedeutet dies Folgendes: Für das Wort fissure rissig) kommen als übliche Kollokationspartner ausschließlich die Substantive mur Wand!Mauer) und röche Felsgestein) infrage. Der Autor des von Hausmann zitierten Romans verstößt bewusst gegen diese Regel und erreicht somit einen metaphorischen Effekt: Bestimmte Eigenschaften des vom Leser erwarteten Kollokationspartners Wand werden auf den an dieser Stelle unüblicherweise verwendeten Begriff Tag übertragen. Hausmann bezeichnet Konter-Kreationen auch als konter-affine Kombinationen, denn es werden Wörter kombiniert, die nicht die geringste Affinität besitzen.7 5

6

7

Die Grenze zwischen freien Wortverbindungen und Kollokationen ist fließend, und die Zuordnung zu der einen oder der anderen Kategorie ist in vielen Fällen nicht zweifelsfrei möglich. Auf dieses Problem der Gradienz zwischen Ko-Kreationen und Kollokationen hat Hausmann wiederholt hingewiesen, vgl. beispielsweise Hausmann (1985: 118-119): „Des weiteren muß eingeräumt werden, daß, wie immer bei sprachlichen Phänomenen, die Übergänge fließend sind." Klotz (2000: 88ff) kritisiert, dass ein zu großer Teil der Kombinationen im Zwischenbereich zwischen KoKreationen und Kollokationen liegt und weder der einen noch der anderen Kategorie eindeutig zugeordnet werden kann. Aufgrund dieser Tatsache zieht er es in Erwägung, die von Hausmann vorgeschlagene Klassifikation aufzugeben. Damit soll nicht impliziert werden, dass die Kollokationspartner unmittelbar nebeneinander stehen müssen. Bei einer kritischen Auseinandersetzung mit den vom britischen Kontextualismus entwickelten Beschreibungskonzepten (1985: 124ff) kommt Hausmann auch auf den Terminus collocational span zu sprechen. In diesem Zusammenhang gibt er zu bedenken, dass die zwischen den Kollokationspartnern liegende Kollokationsspanne aus einer beträchtlichen Anzahl von Wörtern bestehen kann, wie folgendes Beispiel zeigt: ,J)as Haar ist nicht nur bei alten Menschen sondern auch bei relativ jungen Menschen bereits recht häufig schütter" (1985: 127). Vgl. dazu Cop (1990: 37): „In the idiosynchratic or literary combinations there is lexical resistance between the two member elements. The relationship can be seen as two elements carrying the same electrical charge: -A