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German Pages 338 Year 2017
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 101
Kündigungsschutz von GmbH-Geschäftsführern gegen ordentliche Kündigungen Übertragbarkeit der Kündigungsgründe des § 1 Abs. 2 KSchG?
Von
Denise Neumann
Duncker & Humblot · Berlin
DENISE NEUMANN
Kündigungsschutz von GmbH-Geschäftsführern gegen ordentliche Kündigungen
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen
Band 101
Kündigungsschutz von GmbH-Geschäftsführern gegen ordentliche Kündigungen Übertragbarkeit der Kündigungsgründe des § 1 Abs. 2 KSchG?
Von
Denise Neumann
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat diese Arbeit im Jahre 2015 als Dissertation angenommen.
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Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2015/2016 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena als Dissertation angenommen. Allen Personen, die mich während meiner Promotionszeit in vielfältiger Art und Weise unterstützt und mir Rückhalt gegeben haben, möchte ich an dieser Stelle herzlich danken. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Christian Fischer, für die kontinuierliche und engagierte Betreuung bei der Erstellung der Arbeit. Ich bin ihm sehr dankbar für alles, was ich während meiner Promotionsphase durch seine wertvolle wissenschaftliche Unterstützung, seine ständige Bereitschaft zu fachlichen Diskussionen sowie außerfachlichen Gesprächen von ihm lernen durfte und bei der Realisierung meiner Arbeit umsetzen konnte. Ferner gebührt mein Dank Herrn Prof. Dr. Walter Bayer für die freundliche Bereitschaft zur Übernahme der Zweitkorrektur sowie die überaus zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Von Herzen danke ich schließlich meinen Eltern, die meine Leistungen immer mit großer Anerkennung gefördert und mich zu jeder Zeit unterstützt haben. Nicht zuletzt für das mehrfache, mühevolle sowie zugleich zeitaufwendige Korrekturlesen des Manuskriptes bin ich ihnen besonders dankbar. Ihre stetige Unterstützung schätze ich sehr und widme ihnen diese Arbeit. Erfurt, im Dezember 2016
Denise Neumann
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Kapitel 1 Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf GmbH-Geschäftsführer?
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A. Die Rechtsprechung zur Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern . . . . 25 I. Der Bundesgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Das Bundesarbeitsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. Die Literatur zur Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern . . . . . . . . . . 28 I. Verneinende Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 II. Differenzierende Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1. Unterscheidung nach Kapitalanteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Unterscheidung nach Kapitalanteilen und einer persönlichen Abhängigkeit 32 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 C. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 I. Regelung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 II. Regelung des § 14 Abs. 2 KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Geschäftsführerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 III. Auslegung des § 14 Abs. 2 KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Systematischer Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 a) Darstellung der Entwicklung des Kündigungsschutzgesetzes . . . . . . . . . . . 39 aa) Betriebsrätegesetz 1920 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 (1) Intention der Herausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 (2) Begriff des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 bb) Zeit des Nationalsozialismus – Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit 1934 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 cc) Frühe Nachkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 (1) Entwurf des Wirtschaftsrates für ein Kündigungsschutzgesetz . . . 44
10
Inhaltsverzeichnis (2) „Hattenheimer-Entwurf“ für ein Kündigungsschutzgesetz . . . . . . . 45 dd) Erstes Kündigungsschutzgesetz 1951 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 (1) Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 (2) Intention der Herausnahme der leitenden Angestellten . . . . . . . . . 46 (3) Begriff des leitenden Angestellten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 ee) Kündigungsschutzgesetz von 1969 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 aa) Betriebsrätegesetz 1920 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 bb) Zeit des Nationalsozialismus – Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit 1934 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 cc) Frühe Nachkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 dd) Erstes Kündigungsschutzgesetz 1951 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 ee) Kündigungsschutzgesetz von 1969 – Schutzbedürftigkeit leitender Angestellter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (1) Arbeitnehmerbegriff Ende der 60er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (2) Auffassungen in der Literatur und Rechtsprechung zur Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (a) Kritische Auseinandersetzung mit der Mindermeinung . . . . . . 55 (b) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 c) Ergebnis Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4. Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 IV. Ergebnis Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
D. Gesamtergebnis Kapitel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Kapitel 2 GmbH-Geschäftsführer als „kündigungsrechtliches Freiwild“ – Lösungsmöglichkeiten
61
A. Vertragliche Gestaltungsvarianten zum Ausgleich des fehlenden Kündigungsschutzes 61 I. Befristeter Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . 62 II. Vereinbarung längerer Kündigungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 III. Abfindung oder Übergangsgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 B. Fälle der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 I. Ruhen des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 II. Weiterbeschäftigung des Geschäftsführers nach Abberufung . . . . . . . . . . . . . . . 67 III. Zwei verschiedene Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 1. Drittanstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Inhaltsverzeichnis
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IV. Vereinbarung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes . . . . . . . . . . . . 70 C. Gesamtergebnis Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Kapitel 3 Privatautonome Vereinbarung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes für GmbH-Geschäftsführer – Kündigungsschutz im Falle der Beendigung der Anstellungsverhältnisse 72 A. Zulässigkeit der Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes . . . . . . . . . 72 I. Der Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 1. Kein Entgegenstehen gesellschaftsrechtlicher Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Kein Entgegenstehen kündigungsrechtlicher Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 II. Die Literatur zur Zulässigkeit der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Ablehnende Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Bauer/Arnold . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Rasmussen-Bonne/Raif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Zustimmende Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 a) Jaeger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Thiessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 III. Bewertung der Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1. Kündigungsrechtliche Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 a) Auslegung des § 1 Abs. 1 KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 aa) Wortlaut und Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 bb) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 cc) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) Auslegung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 aa) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 bb) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 cc) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 dd) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2. Gesellschaftsrechtliche Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 a) Verstoß gegen den Grundsatz vom Vorrang der Abberufungsmöglichkeit? 84 aa) Beeinflussung der Abberufungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 bb) Nicht zulässige Funktionsbeeinträchtigung? – Auslegung des § 38 Abs. 1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (1) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (2) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
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Inhaltsverzeichnis (3) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (4) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 cc) Weitere Sachargumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (1) Vergleich zur Aktiengesellschaft sowie zur gesetzgeberischen Wertung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (2) Vergleich zu befristeten GmbH-Geschäftsführeranstellungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
B. Exkurs: Ordentliche Kündigung der GmbH-Geschäftsführeranstellungsverhältnisse bei Nichtgeltung des Kündigungsschutzgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 I. Verhältnis zwischen Abberufung und Beendigung des Anstellungsvertrages . . . 93 1. Grundsatz: Trennungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Ausnahme in Koppelungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 II. Formelle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 3. Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Ansichten in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 aa) Kündigungsfrist nach § 622 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 bb) Kündigungsfrist nach § 621 Nr. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 cc) Differenzierende Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 aa) Auslegung der §§ 621 Nr. 3, 622 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (1) Wortlaut und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (2) Sinn und Zweck sowie Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . 100 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb) Analoge Anwendung des § 622 BGB auf GmbH-Geschäftsführer? . . 101 (1) Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (2) Vergleichbarkeit der GmbH-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (3) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 III. Bestehen eines Mindestkündigungsschutzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Grundsätzliche Überlegungen der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Übertragbarkeit auf GmbH-Geschäftsführer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Ansichten in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 IV. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
Inhaltsverzeichnis
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C. Kündigungsschutz gegen eine ordentliche Kündigung der Geschäftsführeranstellungsverträge bei Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes – Grundsätzliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 I. Verhältnis zwischen Abberufung und Beendigung des Anstellungsvertrages . . . 111 II. Reichweite der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Rechtliche Wertung der vom Bundesgerichtshof zu beurteilenden Klausel 113 2. Zulässigkeit der Vereinbarung der Gesamtheit des Kündigungsschutzgesetzes oder inhaltlicher Modifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3. Ausdrückliche Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 4. Konkludente Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 III. Formelle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 IV. Anwendbarkeit der Präklusionswirkung der §§ 4 S. 1, 7 KSchG . . . . . . . . . . . . 120 V. Erforderlichkeit der Eröffnung des Kündigungsschutzgesetzes gemäß §§ 1 Abs. 1 und 23 Abs. 1 KSchG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . 124 I. Allgemeine Ausführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 II. Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Häufige Kurzerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Negative Gesundheitsprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Kündigung eines Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 bb) Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (1) Prognosefähiger Zeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (2) Wertung der einzelnen Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Erhebliche Beeinträchtigungen betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 aa) Betriebliche Beeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb) Überbrückungsmaßnahmen als Kompensation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (1) Vorhalten einer Personalreserve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (2) Umorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (3) Einstellen eines Aushilfsgeschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 (4) Vertretung des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (a) Bestellung eines Notgeschäftsführers gemäß § 29 BGB analog? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (aa) Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
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Inhaltsverzeichnis (bb) Fehlen einer vergleichbaren Interessenlage . . . . . . . . . . . . 137 (b) Stellvertretung durch die anderen Geschäftsführer? . . . . . . . . . 138 (c) Berufen eines Stellvertreters gemäß § 44 GmbHG? . . . . . . . . . 139 (aa) Möglichkeit der GmbH einen Stellvertreter zu bestellen 141 (bb) Betriebsinterne Person als Stellvertreter im Sinne des § 44 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (cc) Zeitraum der Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (5) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 cc) Wirtschaftliche Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (1) Regelung des § 616 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (2) Regelung im Anstellungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 dd) Mildere Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (1) Versetzung auf einen gleichwertigen oder geringwertigeren Arbeitsplatz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (2) Erfordernis eines betrieblichen Eingliederungsmanagements? . . . 152 ee) Ergebnis erhebliche Beeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 c) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 aa) Arbeitnehmer und leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 bb) GmbH-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 d) Ergebnis häufige Kurzerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 2. Dauernde Leistungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 b) GmbH-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 3. Lang andauernde Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Negative Gesundheitsprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 aa) Ermittlung eines Prognosezeitraumes bei GmbH-Geschäftsführern . . 162 bb) Zugrundelegung eines einheitlichen Zeitrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Erhebliche Beeinträchtigungen betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 aa) Betriebliche Beeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 bb) Überbrückungsmaßnahmen als Kompensation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 (1) Bestellung eines Notgeschäftsführers gemäß § 29 BGB analog?
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(2) Einstellen eines Aushilfsgeschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (3) Stellvertretung durch die anderen Geschäftsführer oder einen Stellvertreter gemäß § 44 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 cc) Wirtschaftliche Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 dd) Mildere Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 ee) Ergebnis erhebliche Beeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 c) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 d) Ergebnis lang andauernder Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
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4. Gesamtergebnis Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 III. Aids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 IV. Alkohol und Drogensucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 V. Schwangerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Anwendbarkeit des Mutterschutzgesetzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Auswirkungen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 11. 11. 2010 in der Rechtssache Danosa? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 a) Übertragbarkeit auf deutsches Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 aa) Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (1) Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der Mutterschutzrichtlinie . . . 178 (2) Richtlinienkonforme Auslegbarkeit des § 1 Nr. 1 MuSchG . . . . . . 180 (a) Verneinung einer richtlinienkonformen Auslegung durch einen Teil der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (3) Reichweite des Kündigungsverbotes des Art. 10 der Richtlinie 92/ 85/EWG – Erfassung der Abberufung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (a) Verneinende Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (b) Zustimmende Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (d) Geltung eines unbeschränkten Abberufungsschutzes? . . . . . . . 189 (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 bb) Diskriminierungsrichtlinien 76/207/EWG und 86/613/EWG . . . . . . . . 191 (1) Erwerbstätigen- oder Selbstständigenrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (2) Innerstaatliche Geltung der Richtlinie 76/207/EWG . . . . . . . . . . . 193 (a) Richtlinienkonforme Auslegung des § 6 Abs. 1 AGG . . . . . . . 194 (aa) Auslegungsfähigkeit des § 6 Abs. 1 AGG . . . . . . . . . . . . . 195 (bb) Erstreckung des Diskriminierungsschutzes auf die Abberufung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (b) Geltung des § 2 Abs. 4 AGG – Rechtsfolge einer unzulässigen Diskriminierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (aa) Rechtsfolge bei einer unzulässigen Kündigung . . . . . . . . . 196 (bb) Rechtsfolge bei einer unzulässigen Abberufung . . . . . . . . . 198 (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (d) Richtlinienkonforme Auslegung des § 6 Abs. 3 AGG . . . . . . . 199 (e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (3) Innerstaatliche Geltung der Richtlinie 86/613/EWG . . . . . . . . . . . 201 b) Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 VI. Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 VII. Abberufung als Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 VIII. Arbeits- und Berufsausübungserlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
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Inhaltsverzeichnis IX. Außerdienstliches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 1. Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Begehung einer Straftat durch den Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b) Straf- und Untersuchungshaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 aa) Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 bb) GmbH-Geschäftsführer – Haftstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 cc) GmbH-Geschäftsführer – Untersuchungshaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Verschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 X. Gewissenskonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 XI. Schlechtleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Altersbedingte Schlechtleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Krankheitsbedingte Schlechtleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3. Mangelnde Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 a) Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 b) GmbH-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 XII. Gesamtergebnis personenbedingte Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . 223 I. Allgemeine Ausführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 II. Problematik des Abmahnungserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. Bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Literaturansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 III. Kündigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Allgemeine Kündigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Abwerben anderer Beschäftigte des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Alkohol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 c) Anzeige durch den Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 d) Arbeitsverweigerung und Arbeitsversäumnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 e) Beleidigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 f) Handgreiflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 g) Krankheit – Erfüllung der Nebenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 h) Private Internet- und Telefonnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 i) Sexuelle Belästigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 j) Unberechtigter Urlaubsantritt und unberechtigte Urlaubsverlängerung . . . 246 k) Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 l) Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 2. Spezielle Kündigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 a) Fehlverhalten bei der Wahrnehmung der Aufgaben des Geschäftsführers 251 aa) § 41 GmbHG – Verletzung der Buchführungspflichten . . . . . . . . . . . . 251
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bb) § 42a GmbHG – Falsches Verhalten bei Erstellung des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 cc) § 43 Abs. 1 GmbHG – Verstoß gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 dd) § 49 GmbHG – Weigerung der Einberufung der Gesellschafterversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 ee) § 51a GmbHG – Auskunftsverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 ff) § 64 S. 1 GmbHG in Verbindung mit § 15a Abs. 1 InsO – Insolvenzverschleppung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 b) Missachtung der Kompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 c) Nichtbefolgung von Weisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 d) Strafbare Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 aa) Nutzung der Firmenkreditkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 bb) Unberechtigte Spesenabrechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 cc) Unberechtigte Barabhebungen/Auszahlung einer Tantieme . . . . . . . . . 265 e) Schmiergelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 f) Unberechtigte Erlangung von Vorteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 g) Unberechtigte Amtsniederlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 h) Zerwürfnis beziehungsweise Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 IV. Gesamtergebnis verhaltensbedingte Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 F. Materielle Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 I. Allgemeine Ausführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 II. Einzelne mögliche betriebsbedingte Kündigungsgründe – Übertragbarkeit auf GmbH-Geschäftsführer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 1. Auftragsmängel und Umsatzrückgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 2. Änderung des Anforderungsprofils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 3. Auftragsvergabe an Dritte/Auslagerung von Tätigkeitsbereichen . . . . . . . . . . 278 4. Stilllegung des Betriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 5. Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 a) Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers auf Grundlage eines Sanierungsplanes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 b) Anwendbarkeit des § 613a Abs. 4 BGB auf GmbH-Geschäftsführer? . . . . 281 aa) Auslegung des § 613a Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 (1) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 (2) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 (3) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 (4) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 bb) Analoge Anwendung des § 613a Abs. 4 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
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Inhaltsverzeichnis 6. Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 7. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 III. Fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 IV. Soziale Auswahl § 1 Abs. 3 KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 1. Kündigung eines Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 2. Soziale Auswahl bei GmbH-Geschäftsführern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 V. Gesamtergebnis betriebsbedingte Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293
G. Gesamtergebnis Kapitel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
Kapitel 4 Rechtsschutzmöglichkeiten der GmbH-Geschäftsführer gegen eine ordentliche Kündigung
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A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 I. Vertragliche Gestaltungsvarianten zum Ausgleich des fehlenden Kündigungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 II. Fälle der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 1. Ruhen des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 2. Weiterbeschäftigung des Geschäftsführers nach Abberufung . . . . . . . . . . . . . 302 3. Zwei verschiedene Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 a) Drittanstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 b) GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 4. Vereinbarung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes . . . . . . . . . 304 III. Vereinbarkeit der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit gemäß § 2 Abs. 4 ArbGG 306 B. Rechtswidrige Rechtswegverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 C. Gesamtergebnis Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Schlussteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 I. Unanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 II. Lösungsmöglichkeiten zur Überwindung des fehlenden Kündigungsschutzes 309 III. Rechtliche Zulässigkeit und praktische Umsetzung der Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 1. Personenbedingte Kündigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 2. Verhaltensbedingte Kündigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 3. Betriebsbedingte Kündigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 4. Unwirksamkeit einer ordentlichen Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 IV. Rechtsschutz gegen eine ordentliche Kündigung der Anstellungsverträge . . . . . 314
Inhaltsverzeichnis
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V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 VI. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334
Einleitung In Deutschland gibt es 1.051.093 Gesellschaften mit beschränkter Haftung (im Folgenden: GmbH).1 GmbH-Geschäftsführer sind neben der Gesellschafterversammlung die wichtigsten Organe einer GmbH. Ihre Rechtsstellung ist dabei durch zwei voneinander zu unterscheidende Rechtsverhältnisse gekennzeichnet.2 Zum einen sind sie durch die Bestellung zum Geschäftsführer Organ der GmbH. Zum anderen stehen sie in einem Anstellungsverhältnis zur Gesellschaft, welches schuldrechtlich ausgestaltet ist und die entsprechenden Rechte und Pflichten zwischen den Parteien regelt.3 Eine Beendigung der Organstellung hat grundsätzlich nicht die Beendigung des Anstellungsvertrages zur Folge.4 Werden die gesetzlichen Vertreter jedoch nicht nur abberufen, sondern auch ihre Anstellungsverträge ordentlich gekündigt, genießen GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich keinen Kündigungsschutz. Das Kündigungsschutzgesetz findet gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG auf Organmitglieder keine Anwendung. An diese Problematik anknüpfend, soll untersucht werden, inwiefern den GmbHGeschäftsführern in der Praxis doch Kündigungsschutz gegen eine ordentliche Kündigung ihrer Anstellungsverhältnisse zukommen kann. Die Untersuchung wird sich dabei auf Ausführungen zu einer paritätisch nicht mitbestimmten GmbH beschränken. Bei einer paritätisch mitbestimmten GmbH, das heißt einer Gesellschaft mit mehr als 2.000 Arbeitnehmern,5 werden die Anstellungsverträge der gesetzlichen Vertreter gemäß § 31 MitbestG in Verbindung mit § 84 Abs. 1 S. 5 AktG zeitlich befristet, bis auf maximal fünf Jahre, abgeschlossen. Ein Umkehrschluss zu § 620 Abs. 2 BGB ergibt insoweit einen grundsätzlichen Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit der Anstellungsverhältnisse.6 Die Frage nach einem Kündigungsschutz
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Kornblum, GmbHR 2015, 687 (694) – Stand 01. 01. 2015 GmbH-Anzahl in Deutschland. Schaub/Vogelsang, ArbR-Hdb., § 14 Rn. 21; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 248; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 209; Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, S. 382 Rn. 2; Freund, GmbHR 2010, 117 (117); Seel, JA 2009, 446 (447); Bauer, BB 1994, 855 (855); BGH NJW 2011, 920 (920); BAG NZA 2003, 1108 (1109); BGH NJW 1995, 2850 (2850); BGH NJW 1978, 1435 (1436). 3 Seel, JA 2009, 446 (446). 4 Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 44; Lunk/Rodenbusch, NZA 2011, 497 (497); Stück, GmbHR 2006, 1009 (1011). 5 Wimmer, DStR 1997, 247 (248). 6 Fröhlich/Schelp, ArbRB 2010, 379 (379); Diller, NZG 2011, 254 (255); Baumbach/ Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 242; Ascheid/Preis/Schmidt/Preis, Kündigungsrecht, Grundlagen F. Rn. 4; BAG NJW 1981, 246 (247); vgl. BGH NJW 1999, 3263 (3264). 2
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Einleitung
für Geschäftsführer einer mitbestimmten GmbH gegen eine ordentliche Kündigung kann somit in der Praxis keine relevante Bedeutung erlangen. Bei Geschäftsführern einer nicht mitbestimmten GmbH muss bei der Problematik eines Kündigungsschutzes gegen eine ordentliche Beendigung ihrer Anstellungsverträge zunächst die Diskussion um die Arbeitnehmereigenschaft von GmbHGeschäftsführern sowie in einem zweiten Schritt § 14 Abs. 2 KSchG genauer betrachtet werden. Letzterer besagt, dass das Kündigungsschutzgesetz auf Geschäftsführer und ähnliche leitende Angestellte angewandt werden kann. Es ist daher zu klären, ob und gegebenenfalls warum Geschäftsführer einer GmbH tatsächlich nicht als solche im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG angesehen werden können, ihr Anstellungsvertrag insoweit nicht durch das Kündigungsschutzgesetz in seinem Bestand geschützt ist. Nicht selten verständigen sich die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer in der Praxis auf Gestaltungsvarianten, welche den fehlenden Kündigungsschutz ausgleichen sollen. Durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2010 hat sich hierbei für die Parteien eine weitere Möglichkeit eröffnet, die kündigungsrechtliche Stellung der GmbH-Geschäftsführer zu verbessern. Mit Urteil vom 10. 05. 2010 entschied der zweite Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, dass zwischen der GmbH und ihren Geschäftsführern in den Anstellungsverträgen die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes zugunsten der Organmitglieder wirksam vereinbart werden kann.7 Diese Entscheidung bildet die maßgebliche Grundlage für die Untersuchung des Kündigungsschutzes von GmbH-Geschäftsführern gegen eine ordentliche Beendigung ihrer Anstellungsverträge. Angesichts der weitreichenden Folgen für die Rechtsverhältnisse zwischen der Gesellschaft und ihren Geschäftsführern ist zunächst zu prüfen, ob dem Bundesgerichtshof in seiner Auffassung, dass die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes privatautonom durch die Parteien vereinbart werden kann, zuzustimmen ist. Von entscheidender Bedeutung wird insoweit sein, inwiefern die Ansicht des Bundesgerichtshofs kündigungsrechtliche und gesellschaftsrechtliche Rechtsgrundlagen wahrt. In einem zweiten Schritt ist zu ermitteln, was die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes für die GmbH-Geschäftsführer im Falle einer ordentlichen Kündigung konkret bedeutet. Findet das Kündigungsschutzgesetz tatsächlich Anwendung, folgt daraus, dass eine ordentliche Beendigung ihrer Anstellungsverträge gemäß § 1 Abs. 2 KSchG eines rechtfertigenden Grundes in Form eines personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Kündigungsgrundes bedarf. Die Untersuchung wird zeigen, wann ein solcher Kündigungsgrund bei GmbH-Geschäftsführern vorliegt. In diesem Zusammenhang muss ein Vergleich zur Kündigung eines Arbeitnehmers vorgenommen und die Frage beantwortet werden, ob die Kriterien, welche zum Grund einer Kündigung eines Arbeitnehmers entwickelt wurden, auf Organmitglieder übertragen werden können. Insgesamt werden hierbei gesellschaftsrechtliche Aspekte, speziell die Vertrauens7
BGH NJW 2010, 2343 (2343 ff.).
Einleitung
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beziehung zwischen der GmbH und ihren Geschäftsführern, eine gewichtige Rolle spielen und in ausreichendem Maße Berücksichtigung finden müssen. Aus europäischer Sicht ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Danosa8 im Rahmen der Untersuchung des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 10. 05. 2010 von Relevanz. Der Europäische Gerichtshof stellte am 11. 11. 2010 fest, dass die Abberufung einer schwangeren Geschäftsführerin einer lettischen Gesellschaft unwirksam ist. Die Untersuchung wird zeigen, ob die vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Grundsätze auf das deutsche Recht übertragbar sind. Keine Ausführungen wird die Arbeit zu der Frage enthalten, welche Anforderungen erfüllt sein müssen, wenn die Gesellschaft die Möglichkeit hat, die Anstellungsverträge der Organmitglieder durch einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 14 Abs. 2 KSchG9 zu beenden, sollte die Kündigung nicht durch einen wirksamen Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sein. Eine Untersuchung diesbezüglich würde den Rahmen der Arbeit sprengen. Ebenfalls kann aus diesem Grund keine Aussage darüber getroffen werden, inwiefern die Geschäftsführer bei einer unwirksamen Beendigung ihrer Anstellungsverhältnisse, aber einem wirksamen Widerruf ihrer Organposition einen Weiterbeschäftigungsanspruch unterhalb der Organebene haben.10 Neben den materiellen Überlegungen zu einem Kündigungsschutz von GmbHGeschäftsführern gegen eine ordentliche Beendigung ihrer Anstellungsverträge wird abschließend der Rechtsschutz im Falle einer Kündigung erörtert. Bei GmbH-Geschäftsführern handelt es sich um gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, namentlich der GmbH, im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG.11 Für Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft und ihren Geschäftsführern sind die Arbeitsgerichte mithin nicht zuständig; vielmehr ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben. Beleuchtet werden muss, ob § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG tatsächlich bei jeder Vertragsgestaltung der Anstellungsverhältnisse der GmbH-Geschäftsführer Geltung beanspruchen kann oder ob bei bestimmten Vertragsvarianten nicht die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zu bejahen ist. Im Besonderen muss erforscht werden, welcher Rechtsweg bei einer entsprechenden Vereinbarung des Kündigungsschutzgesetzes eröffnet ist.
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EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa. Hierzu wird unter anderem auf folgende Literaturstimmen verwiesen: Jaeger, DStR 2010, 2312 (2317 f.); Krolop, NJ 2010, 437 (438); Otte, GWR 2011, 313559; Fröhlich/Schelp, ArbRB 2010, 379 (382). 10 Hierzu m. w. N.: Lunk/Rodenbusch, NZA 2011, 497 (497 ff.); Thiessen, ZIP 2011, 1029 (1038 f.); Bauer, GWR 2010, 310965; Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, S. 451 f. Rn. 187 ff.; Otte, GWR 2011, 313559; Diller, NZG 2011, 254 (256). 11 Schwab/Weth/Kliemt, ArbGG, § 5 Rn. 288; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 179; BAG NZA 2003, 1108 (1109). 9
Kapitel 1
Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf GmbH-Geschäftsführer? Die Gewährung von Kündigungsschutz für GmbH-Geschäftsführer gegen eine ordentliche Kündigung ihrer Anstellungsverträge setzt eine Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf diese Personengruppe voraus. Gemäß § 1 Abs. 1 KSchG ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Vertragsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Die Eröffnung des Kündigungsschutzgesetzes ist damit vom Vorliegen eines Vertrages zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber abhängig. Arbeitnehmer ist nach ständiger Rechtsprechung, „wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist“.1 Maßgebend stellt die Rechtsprechung auf das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit ab, die sich insbesondere in der Weisungsgebundenheit zeige2 und bejaht eine solche, wenn der Arbeitgeber unter anderem Dauer, Ort und Inhalt der Tätigkeit des Arbeitnehmers bestimmen könne.3 Ähnlich definiert auch die überwiegende Auffassung in der Literatur den Arbeitnehmerbegriff. Voraussetzung für die Bejahung einer Arbeitnehmereigenschaft eines Beschäftigten sei die privatrechtlich-vertragliche Verpflichtung zum Leisten von Arbeit.4 Es komme auf die persönliche Abhängigkeit an, welche sich in einem umfassenden Weisungsrecht seitens des Arbeitgebers hinsichtlich Zeit, Ort und Ausführung (Inhalt) der Arbeitsleistung sowie der Einglie-
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BAG NZA 2000, 385 (387); so auch BAGE 115, 1 (7); BAG NZA-RR 2007, 424 (425); BAG NZA-RR 2010, 172 (173); siehe auch schon BAG NZA 1991, 856 (857). 2 BGH NJW 1961, 2085 (2085); BAG NJW 1967, 1982 (1982); OLG München NJW 1966, 1418 (1419). 3 BAGE 115, 1 (7); BAG NZA-RR 2007, 424 (425); BAG NZA-RR 2010, 172 (173). 4 A. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Erster Band, 7. Auflage 1963, S. 34 f. § 9; Schaub/Vogelsang, ArbR-Hdb., § 8 Rn. 9; Palandt/Weidenkaff, BGB, Einf v § 611 BGB Rn. 7; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 35 f.; Beuthien, in: 25 Jahre BAG, S. 1 (2); Mohr, Der Arbeitnehmerbegriff im Arbeits- und Steuerrecht, 1994, S. 113 f., der das Merkmal der abhängigen Arbeit allein durch eine Abgrenzung zur Selbstständigkeit festlegt; Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, 2001, S. 42 ff.
A. Rechtsprechung zur Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern
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derung des Arbeitnehmers in eine fremde Arbeitsorganisation widerspiegele.5 Des Weiteren erforderlich sei eine persönliche Erbringung der Dienstleistung durch den Beschäftigten6 und die gleichzeitige Fremdnützigkeit der Arbeitsleistung,7 mithin ein vollständiges Verfügenkönnen des Arbeitgebers über die Tätigkeit des Arbeitnehmers.8 Ob der Geschäftsführer einer GmbH als Arbeitnehmer im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG zu qualifizieren ist, wird sowohl im Schrifttum als auch in der Rechtsprechung unterschiedlich bewertet.
A. Die Rechtsprechung zur Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern Die Ansichten des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts bezüglich der Fragestellung differieren.
I. Der Bundesgerichtshof Der Bundesgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass ein Geschäftsführer einer GmbH nicht als Arbeitnehmer anzusehen ist9 und sein Anstellungsverhältnis sich nicht als Arbeitsverhältnis einstufen lässt.10 Bei dem Anstellungsvertrag des Organmitgliedes handele es sich vielmehr um einen freien Dienstvertrag nach § 611 BGB.11 Zur Begründung führte das Gericht erstmals 1967 in Bezug auf organschaftliche Vertreter einer GmbH aus, dass Geschäftsführer die Aufgaben des Vorgesetzten der Beschäftigten der Gesellschaft wahrnehmen würden.12 Diese Auffassung bestätigte der Bundesgerichtshof 1978.13 Ebenfalls 1978 begründete das Gericht, dass der 5 Erman/Edenfeld, BGB, § 611 BGB Rn. 56 und 58; Schaub/Vogelsang, ArbR-Hdb., § 8 Rn. 21 ff.; Maschmann, Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, 2001, S. 36 f.; vgl. ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 50 f. 6 MünchKommBGB/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 181; Schaub/Vogelsang, ArbR-Hdb., § 8 Rn. 25. 7 MünchKommBGB/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 182; Schaub/Vogelsang, ArbR-Hdb., § 8 Rn. 26; Palandt/Weidenkaff, BGB, Einf v § 611 BGB Rn. 7. 8 MünchKommBGB/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 182; Schaub/Vogelsang, ArbR-Hdb., § 8 Rn. 26; vgl. Erman/Edenfeld, BGB, § 611 BGB Rn. 59. 9 BGH NJW 1968, 396; BGH NJW 1978, 1435 (1437); BGH WM 1978, 1106 (1106); BGH NJW-RR 2002, 173 (173); BGH NJW 2002, 3104 (3105). 10 BGH NJW 1978, 756; BGH NJW 1978, 1435 (1437); BGH WM 1978, 1106 (1106); BGH NJW 1981, 1270 (1270); BGH NJW 1984, 2528 (2528); BGH NJW 2010, 2343 (2343). 11 BGH NJW 1953, 1465 (1465); BGH NJW 2010, 2343 (2343). 12 BGH NJW 1968, 396. 13 Vgl. BGH NJW 1978, 1435 (1437).
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Kap. 1: Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
Geschäftsführer die Gesellschaft leite, in der Regel das Weisungsrecht gegenüber den Arbeitern und Angestellten des Unternehmens und folglich die Arbeitgeberfunktionen ausübe.14 Er könne seine Anstellungsbedingungen weitgehend selbst mitregeln und sei rechtlich, sozial und oftmals auch wirtschaftlich eigenständiger als andere Beschäftigte.15 In einer späteren Entscheidung aus dem Jahre 2001 führte das Gericht aus, der Geschäftsführer könne nicht Arbeitnehmer sein, weil er eine organschaftliche Aufgabe habe; er müsse zum einen die Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen sowie zum anderen dafür sorgen, dass sowohl die Gesellschaft als auch die für sie tätigen Personen rechtmäßig und ordnungsgemäß agieren.16 Auch in einem anderen Urteil aus dem Jahre 2002 stützte der Bundesgerichtshof seine Auffassung wiederum darauf, dass der Geschäftsführer Arbeitgeberfunktionen erfülle, da er Willensorgan der Gesellschaft sei, welche durch ihren gesetzlichen Vertreter erst handlungsfähig werde.17 Der Bundesgerichtshof verneint die Arbeitnehmereigenschaft von Geschäftsführern einer GmbH im Ergebnis deshalb, weil diese im Unternehmen mit den Aufgaben eines Arbeitgebers betraut sind. Eine ausführliche Begründung oder eine fundierte Argumentation gibt das Gericht in keiner seiner Entscheidungen. Lediglich als es die Klage eines Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH gegen die GmbH & Co. KG zu beurteilen hatte, lehnte der Senat eine Arbeitnehmereigenschaft mit dem weitergehenden Argument ab, dass der Geschäftsführer ausschließlich an gesellschaftsrechtliche statt an arbeitsrechtliche Weisungen der Gesellschafter der GmbH gebunden gewesen sei, konstatierte aber auch hier, dass das Organmitglied selbst das Direktionsrecht sowie andere Arbeitgeberfunktionen gegenüber den Beschäftigten der Kommanditgesellschaft ausgeübt hätte.18
II. Das Bundesarbeitsgericht Das Bundesarbeitsgericht ist, ebenso wie der Bundesgerichtshof, grundsätzlich der Ansicht, dass das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers kein Arbeitsverhältnis darstellt,19 sondern es vielmehr als freier Dienstvertrag gemäß § 611 BGB bewertet werden muss,20 welcher bei Entgeltlichkeit ein Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) ist.21 14
BGH WM 1978, 1106 (1106). BGH WM 1978, 1106 (1106). 16 BGH NJW-RR 2002, 173 (173). 17 BGH NJW 2002, 3104 (3105). 18 BGH NJW-RR 2007, 1632 (1633). 19 BAG NZA 1994, 905 (906), Verneinung der Arbeitnehmereigenschaft; BAG NZA 1997, 509 (510), Verneinung der Arbeitnehmereigenschaft; BAG NZA 2006, 366 (367). 20 BAG NZA 1986, 792 (792 f.); BAG ZIP 1986, 1213 (1215); BAG ZIP 1992, 1496 (1497); BAG NZA 1994, 906 (906); BAG NZA 1999, 839 (839); BAG Beschluss v. 25. 05. 1999 – 5 AZB 30/98, juris Rn. 10; BAG NZA 1999, 987 (988); BAG NZA 2006, 366 (367). 15
A. Rechtsprechung zur Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern
27
Diese Auffassung begründete das Gericht erstmals in einem Urteil im Jahre 1991 und legte dar, es sei für die Geschäftsführer im zu entscheidenden Fall möglich gewesen, einen bestimmenden Einfluss auf ihre eigene Rechtsstellung zu haben, da der Grundsatz der Einstimmigkeit im Plenum gegolten hätte; sie hätten keinem Weisungsrecht seitens des Arbeitgebers unterlegen, so dass sie nicht als Arbeitnehmer hätten gelten können.22 In zwei späteren Urteilen stellte das Bundesarbeitsgericht, ähnlich wie der Bundesgerichtshof, darauf ab, dass die GmbH die Arbeitgeberfunktionen durch ihre Organe, sprich die Geschäftsführer wahrnehme, erst durch sie handlungsfähig werde und es folglich nicht möglich sei, diese Personengruppe als Arbeitnehmer zu qualifizieren.23 Ausnahmsweise will das Bundesarbeitsgericht allerdings die Rechtsbeziehung zwischen dem Geschäftsführer und der GmbH als Arbeitsverhältnis einordnen.24 Hierzu hat es in seinem Urteil vom 26. 05. 1999 konstatiert, die Geschäftsführertätigkeit führe nicht automatisch zum Ausschluss der Arbeitnehmereigenschaft.25 Voraussetzung sei, dass der Gesellschaft ein über die gesellschaftsrechtliche Weisungsbefugnis hinausgehendes Weisungsrecht zustehe, welches sich auf die Umstände beziehe, unter denen der Geschäftsführer seine Arbeitsleistung schuldet.26 Ein Arbeitsverhältnis sei nur dann gegeben, „wenn die Gesellschaft dem Geschäftsführer auch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen erteilen und auf diese Weise die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung bestimmen kann“.27 Obwohl das Bundesarbeitsgericht demnach die grundsätzliche Möglichkeit der Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern anerkennt, verneinte es diese im zu entscheidenden Fall: Die Klägerin als Geschäftsführerin habe ihre Arbeitszeit frei und eigenständig festlegen sowie ihre Urlaubszeit, in Absprache mit anderen Leitungsorganen, selber bestimmen können, so dass sie insgesamt die Möglichkeit gehabt hätte, über die Umstände, unter denen sie ihre Arbeitsleistung zu erbringen hatte, im Wesentlichen frei und eigenverantwortlich zu entscheiden.28 Auch in einem späteren Urteil stellte das Gericht fest, dass auf eine über das unternehmerische Weisungsrecht hinausgehende Weisungsbefugnis, mithin auf den Arbeitnehmerstatus eines GmbH-Geschäftsführers nur in extremen Ausnahmefällen geschlossen werden könne.29 21
BAG NZA 1986, 792 (792 f.); BAG ZIP 1986, 1213 (1215); BAG ZIP 1992, 1496 (1497). BAG NZA 1991, 856 (857). 23 BAG NZA 1994, 905 (906); BAG NZA 1997, 509 (510). 24 Vgl. BAG NZA 1999, 839 (839); BAG Beschluss v. 25. 05. 1999 – 5 AZB 30/98, juris Rn. 10; BAG NZA 1999, 987 (988). 25 BAG NZA 1999, 987 (988). 26 BAG NZA 1999, 987 (989). 27 BAG NZA 1999, 987 (989); siehe ebenso BAG Beschluss v. 25. 05. 1999 – 5 AZB 30/98, juris Rn. 14: starke interne Weisungsabhängigkeit als Voraussetzung zur Klassifizierung des Anstellungsvertrages als Arbeitsverhältnis. 28 Vgl. BAG NZA 1999, 987 (989). 29 BAG NZA 2006, 366 (367). 22
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Kap. 1: Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
Weitergehend entschied das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 10. 07. 1980, dass der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH arbeitnehmerähnliche Person sein könne, wenn die Handelsgesellschaft diesen wie einen Arbeitnehmer beherrsche und der Geschäftsführer dadurch wirtschaftlich abhängig und sozial schutzbedürftig sei.30
III. Zwischenergebnis Der Bundesgerichtshof verneint eine Arbeitnehmereigenschaft und damit eine Qualifizierung des Anstellungsvertrages des Geschäftsführers als Arbeitsverhältnis in ständiger Rechtsprechung. Das Bundesarbeitsgericht folgt dem weitestgehend und bewertet die Rechtsbeziehung zwischen Geschäftsführer und GmbH ebenfalls nicht als Arbeitsverhältnis, sondern als freien Dienstvertrag gemäß § 611 BGB. Im Gegensatz zum Bundesgerichtshof erkennt das Bundesarbeitsgericht aber an, dass in Ausnahmefällen auch ein Geschäftsführer Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Person sein kann.
B. Die Literatur zur Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern In der Literatur gehen die Ansichten zur rechtlichen Qualifizierung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Geschäftsführer und einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung auseinander.
I. Verneinende Auffassungen Ein Großteil der Lehre verneint die Arbeitnehmereigenschaft des GmbH-Geschäftsführers31 und will das Anstellungsverhältnis des Organmitgliedes nicht als Arbeitsverhältnis, sondern als freies Dienstverhältnis im Sinne der §§ 611 ff. BGB
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BAG NJW 1981, 302 (303). Michalski/Lenz, GmbHG, § 35 Rn. 116; Boemke, ZfA 1987, 209 (214 f.); G. Hueck, ZfA 1985, 25 (31 f.); Fleck, in: FS für Hilger/Stumpf, S. 197 (208); Nebendahl, NZA 1992, 289 (290); Stagat, NZA-RR 2011, 617 (617); Keil, EWiR 2006, 601 (602); Staudinger/Richardi/ Fischinger, BGB, Vorbem zu §§ 611 ff. Rn. 328; Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbHGeschäftsführer, 1987, S. 12; Hümmerich, NJW 1995, 1177 (1178); G. Hueck, in: FS für Hilger/Stumpf, S. 365 (379); Goette, in: FS für Wiedemann, S. 873 (888); Eckardt, ZfA 1987, 467 (474); MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 279; Nägele, BB 2001, 305 (307). 31
B. Literatur zur Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern
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werten,32 welches bei Entgeltlichkeit als Geschäftsbesorgungsvertrag nach §§ 611, 675 BGB ausgestaltet ist.33 Als Begründung für diese Sichtweise werden mehrere Argumente angeführt. Zunächst stellt auch die überwiegende Ansicht in der Literatur auf das Hauptargument der Rechtsprechung ab. Ein Geschäftsführer habe keine natürliche Person als Vorgesetzten; er sei vielmehr selbst Prinzipal der Arbeiter und Angestellten im Betrieb34 und nehme ihnen gegenüber, in seiner Funktion als Vertretungsorgan der GmbH,35 alle Arbeitgeberbefugnisse wahr.36 Das Organmitglied habe das Direktionsrecht gegenüber den Arbeitnehmern inne.37 Es sei folglich nicht den Arbeitnehmern zugehörig, sondern stehe diesen gegenüber,38 so dass es nicht möglich sei, dass der gesetzliche Vertreter zugleich Arbeitgeber und Arbeitnehmer sei.39 In engem Zusammenhang mit dem Argument von dem Ausführen der Arbeitgeberfunktionen steht das Argument von der fehlenden Weisungsabhängigkeit des
32 Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (709); Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt, GmbHG 2014, § 35 Rn. 266 f.; Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 230; Wimmer, DStR 1997, 247 (247); Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, S. 382 f. Rn. 3 und 5; Sandmann, Die Hafung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, 2001, S. 261; Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB, Vorbem zu §§ 611 ff. Rn. 327 und 332; Hümmerich, NJW 1995, 1177 (1178); Holthausen/Steinkraus, NZA-RR 2002, 281 (282); G. Hueck, in: FS für Hilger/Stumpf, S. 365 (379); Goette, DStR 1998, 1137 (1137); Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 3; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 172; Boemke, ZfA 1998, 209 (214 f.), Bejahung eines Dienstverhältnisses; Goette, in: FS für Wiedemann, S. 873 (888), Bejahung eines Dienstverhältnisses; Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-Geschäftsführer, 1987, S. 13, Bejahung eines Dienstverhältnisses. 33 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 35 Rn. 78; Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 230; Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, S. 382 f. Rn. 3; Goette, DStR 1998, 1137 (1137); Keil, EWiR 2006, 601 (602); Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 3; Baumbach/ Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 172; Reufels, ArbRB 2002, 59 (59); Michalski/Lenz, GmbHG, § 35 Rn. 116. 34 Fleck, in: FS für Hilger/Stumpf, S. 197 (203). 35 Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 245; vgl. Goette, DStR 1998, 1137 (1137). 36 Fleck, in: FS für Hilger/Stumpf, S. 197 (203); Hümmerich, NJW 1995, 1177 (1178); Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 245; Holthausen/Steinkraus, NZA-RR 2002, 281 (282); Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, S. 383 Rn. 5; Boemke, ZfA 1998, 209 (213); Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 3; Nebendahl, NZA 1992, 289 (291); G. Hueck, ZfA 1985, 25 (31); vgl. Goette, DStR 1998, 1137 (1137). 37 Nebendahl, NZA 1992, 289 (291); Fleck, in: FS für Hilger/Stumpf, S. 197 (203); Bauer/ Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, S. 383 Rn. 5. 38 Bauer/Gragert, ZIP 1997, 2177 (2178). 39 G. Hueck, ZfA 1985, 25 (31); vgl. Nebendahl, NZA 1992, 289 (291), „Träger der AGerRechte“.
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Kap. 1: Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
Geschäftsführers.40 Hierzu wird angebracht, dass das Organmitglied lediglich einem fachlichen Weisungsrecht unterliege.41 Dieses sogenannte gesellschaftsrechtliche Weisungsrecht sei von der arbeitsrechtlichen Weisungsbefugnis zu unterscheiden.42 Die arbeitsvertragliche Weisungsbefugnis sei auf die Erbringung der Arbeitsleistung und somit auf die Modalitäten der vertraglich geschuldeten Tätigkeit (Ort, Zeit und Art der Leistung) gerichtet.43 Die Gesellschafterversammlung habe gerade solch ein Weisungsrecht nicht,44 weil das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung durch die Organstellung des Geschäftsführers statt das Anstellungsverhältnis begründet werde und Inhalt und Ausübung von Vertretung und Geschäftsführung der GmbH regele.45 Die Weisungen seien demnach dem korporationsrechtlichen Bereich zuzuordnen, da sie sich auf das Handeln als Gesellschaftsorgan beziehen würden.46 Als Repräsentant der Gesellschaft könne sich der Geschäftsführer zu dieser in keinem arbeitsrechtlichen Weisungsabhängigkeitsverhältnis befinden.47 Nach Auffassung der überwiegenden Meinung greift das Argument, dass auch leitende Angestellte Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen und dennoch als Arbeitnehmer anerkannt sind, ebenfalls zu kurz.48 Im Gegensatz zu Geschäftsführern verfügen diese nämlich nicht über die oberste Leitungsmacht, sondern über lediglich hiervon abgeleitete Befugnisse.49 Die Weisungsbefugnis der leitenden Angestellten werde rechtsgeschäftlich übertragen, die Weisungsbefugnis der Geschäftsführer rühre jedoch aus ihrer Bestellung zum Organ her.50 Die Arbeitgeberfunktionen der leitenden Angestellten seien damit sekundärer Art, wohingegen den Geschäftsführern primäre Funktionen zukommen würden, wie sie denen eines Arbeitgebers
40 Vgl. Holthausen/Steinkraus, NZA-RR 2002, 281 (282); G. Hueck, in: FS für Hilger/ Stumpf, S. 365 (379); Bauer/Gragert, ZIP 1997, 2177 (2178); Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 3; Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, S. 383 Rn. 5; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 174, Ausführungen beziehen sich auf den Fremdgeschäftsführer, aber dann müssen diese erst recht für alle Geschäftsführer gelten. 41 Boemke, ZfA 1998, 209 (213). 42 Nebendahl, NZA 1992, 289 (291); G. Hueck, in: FS für Hilger/Stumpf, S. 365 (376). 43 Boemke, ZfA 1998, 209 (213); G. Hueck, ZfA 1985, 25 (29). 44 Boemke, ZfA 1998, 209 (213). 45 Nebendahl, NZA 1992, 289 (291). 46 G. Hueck, ZfA 1985, 25 (29); Hümmerich, NJW 1995, 1177 (1178). 47 Boemke, ZfA 1998, 209 (213 f.); Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, 2001, S. 262; vgl. Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB, Vorbem zu §§ 611 ff. Rn. 327. 48 G. Hueck, ZfA 1985, 25 (31); Hümmerich, NJW 1995, 1177 (1178); G. Hueck, in: FS für Hilger/Stumpf, S. 365 (375); vgl. Bauer/Gragert, ZIP 1997, 2177 (2178). 49 G. Hueck, ZfA 1985, 25 (31). 50 Bauer/Gragert, ZIP 1997, 2177 (2178); Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbHGeschäftsführer, 1987, S. 12; Holthausen/Steinkraus, NZA-RR 2002, 281 (282); Hümmerich, NJW 1995, 1177 (1178).
B. Literatur zur Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern
31
entsprechen.51 Geschäftsführer könnten damit nicht mit leitenden Angestellten gleichgestellt werden.52
II. Differenzierende Ansichten Während die überwiegende Ansicht in der Literatur eine Arbeitnehmereigenschaft von Geschäftsführern einer GmbH generell ablehnt, unterscheiden andere Stimmen in der Literatur zwischen verschiedenen Arten von Geschäftsführern. 1. Unterscheidung nach Kapitalanteilen Diejenigen, die alle Anteile an der Gesellschaft halten oder denen 50 % und mehr Kapitalanteile an der Gesellschaft zustehen, seien nicht als Arbeitnehmer anzusehen, wohingegen Organmitglieder, die keine Anteile an der GmbH haben, als Arbeitnehmer qualifiziert werden könnten.53 Eine ähnliche Differenzierung nehmen auch Wank und Brachert vor, wenn sie die soeben benannten Geschäftsführer als Gesellschafter-Geschäftsführer54 beziehungsweise Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer55 und Fremdgeschäftsführer56 sowie Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer57 umschreiben. Den Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführern und Gesellschafter-Geschäftsführern, die bedeutende Entscheidungsbefugnisse haben, könne keine Arbeitnehmereigenschaft zugesprochen werden,58 während Fremdge51
G. Hueck, in: FS für Hilger/Stumpf, S. 365 (375). Bauer/Gragert, ZIP 1997, 2177 (2178); G. Hueck, in: FS für Hilger/Stumpf, S. 365 (376); Holthausen/Steinkraus, NZA-RR 2002, 281 (282). 53 Nordhues, Arbeitsrechtliche Einordnung von Organmitgliedern, 1996, S. 262 ff.; vgl. ebenso Mohr, Der Arbeitnehmerbegriff im Arbeits- und Steuerrecht, 1994, S. 256, der entscheidend darauf abstellt, ob der Geschäftsführer an der Gesellschaft beteiligt ist oder nicht und bei einer Beteiligung des Organmitgliedes an der Gesellschaft darüber hinaus fordert, dass diese Beteiligung eine direkte Zurechnung der Ergebnisse ermöglicht, damit der Geschäftsführer Selbstständiger sein könne. Bei dem nicht an der Gesellschaft beteiligten GmbH-Geschäftsführer sei eine Zurechnung der Ergebnisse nicht möglich, so dass er als Arbeitnehmer qualifiziert werden müsse. 54 Vgl. Wank, in: FS für Wiedemann, S. 587 (613 f.); Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatus, 1991, S. 180. 55 Vgl. Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatus, 1991, S. 181; Wank, in: FS für Wiedemann, S. 587 (614). 56 Vgl. Wank, in: FS für Wiedemann, S. 587 (590 und 602); Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatus, 1991, S. 173, 177, der seine Sichtweise auf den Fremdgeschäftsführer der nicht mitbestimmten GmbH beschränkt. 57 Vgl. Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatus, 1991, S. 181; Wank, in: FS für Wiedemann, S. 587 (614). 58 Wank, in: FS für Wiedemann, S. 587 (614); Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatus, 1991, S. 180 f. 52
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Kap. 1: Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
schäftsführer und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer und somit abhängige Geschäftsführer als Arbeitnehmer eingestuft werden müssten.59 Als Begründung für diese Sichtweise wird darauf abgestellt, dass Fremdgeschäftsführer in die Gesellschaft eingegliedert seien, da sie zur Erbringung ihrer Arbeitsleistung Personal und Material des Betriebes beanspruchen müssten.60 Sie würden ihre Arbeit in fremden Dienst leisten; anders als Unternehmern obliege ihnen nicht das Berufs- und Existenzrisiko.61 2. Unterscheidung nach Kapitalanteilen und einer persönlichen Abhängigkeit Andere Stimmen in der Literatur differenzieren für die Klassifizierung des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers ebenfalls nach der Gesellschafterbeteiligung, unterscheiden aber auch danach, inwiefern das Organmitglied persönlich abhängig ist. Wenn der Geschäftsführer zu 50 % und mehr am Gesellschaftsvermögen beteiligt sei oder einen Kapitalanteil von weniger als 50 % habe, dafür aber eine Sperrminorität besitze62 oder die Betriebsabläufe der Gesellschaft in erheblichem Maße beeinflussen könne,63 respektive als Gesellschafter nach seiner Kapitalbeteiligung einen entscheidenden Einfluss auf die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung ausüben könne, dass es zu keiner ihm benachteiligenden Entscheidung komme,64 scheide eine Arbeitnehmereigenschaft aus.65 Das Anstellungsverhältnis des Organmitgliedes sei dann als Dienstvertrag in Gestalt des Geschäftsbesorgungsvertrages gemäß §§ 611, 675 BGB einzustufen.66 Bei dem nicht an der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer, mithin dem Fremdgeschäftsführer
59 Wank, in: FS für Wiedemann, S. 587 (601 f.), in Bezug auf Fremdgeschäftsführer; Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatus, 1991, S. 173 und 181; gegen die Einstufung als Fremd- oder Gesellschafter-Geschäftsführer sowie die Ermittlung der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen Miller, ZIP 1981, 578 (580 f.), welcher für die Bejahung einer Arbeitnehmereigenschaft darauf abstellt, dass der Geschäftsführer bei einer sogenannten kleinen GmbH im Sinne der 4. EG-(Bilanz-)Richtlinie respektive des deutschen Umsetzungsgesetzes angestellt sei, der Verdienst unter dem vergleichbar leitender Angestellter liege und der Geschäftsführer bei Maßnahmen des gewöhnlichen Geschäfts zwingend der Einwilligung der Gesellschafterversammlung bedürfe. 60 Wank, in: FS für Wiedemann, S. 587 (600); Nordhues, Arbeitsrechtliche Einordnung von Organmitgliedern, 1996, S. 199, ohne Unterscheidung. 61 Nordhues, Arbeitsrechtliche Einordnung von Organmitgliedern, 1996, S. 199. 62 Freckmann, DStR 2008, 52 (53); Henssler, RdA 1992, 289 (291). 63 Freckmann, DStR 2008, 52 (53). 64 Küttner/Röller/Kania, Personalbuch 2014, Geschäftsführer Rn. 18; vgl. Kamanabrou, DB 2002, 146 (147 f.). 65 Freckmann, DStR 2008, 52 (53); Henssler, RdA 1992, 289 (291); Küttner/Röller/Kania, Personalbuch 2014, Geschäftsführer Rn. 18; Kamanabrou, DB 2002, 146 (147 f.). 66 Henssler, RdA 1992, 289 (291).
B. Literatur zur Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern
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sei es hingegen prinzipiell möglich, dass er Arbeitnehmer sein könne.67 Dies sei der Fall, wenn die Vertragsparteien eine persönliche Abhängigkeit durch privatautonome Gestaltung des Anstellungsvertrages des Geschäftsführers „begründen“,68 er demnach Ort, Zeit und Art der Erbringung der Arbeitsleistung nicht eigenverantwortlich bestimmen könne, sondern für ihn dahingehend ein umfassendes Weisungsrecht gelte.69 Dem stehe die Vertretungsmacht des Organmitgliedes nicht entgegen, da auch die Gesellschafterversammlung arbeitsrechtliche Weisungsbefugnisse ausüben könne, welche zur Klassifizierung des Anstellungsverhältnisses als Arbeitsverhältnis erforderlich seien.70
III. Zwischenergebnis Die Ansichten in der Literatur zur Bewertung der Anstellungsverträge der GmbHGeschäftsführer gehen auseinander. Während die überwiegende Meinung eine Arbeitnehmereigenschaft von Geschäftsführern, wie der Bundesgerichtshof, strikt ablehnt, sehen andere Stimmen die Problematik differenzierter. So sollen Gesellschafter-Geschäftsführer, die 50 % und mehr an Anteilen an der Gesellschaft halten, grundsätzlich nicht als Arbeitnehmer angesehen werden können, wohingegen die rechtliche Qualifizierung des Anstellungsverhältnisses als Arbeitsverhältnis bei Fremdgeschäftsführern und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführern, die weniger als 50 % Gesellschaftsanteile besitzen, in der Regel bejaht wird. Teilweise unterscheiden Literaturansichten weitergehend danach, ob Geschäftsführer persönlich abhängig sind und damit einem über das gesellschaftsrechtliche Weisungsrecht hinausgehenden arbeitsrechtlichen Weisungsrecht unterliegen.
67 Freckmann, DStR 2008, 52 (53); MünchKommBGB/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 146 f.; Kamanabrou, DB 2002, 146 (147 f.); vgl. Henssler, RdA 1992, 289 (291), der auf den „nicht an der Geschäftsführung beteiligten Gesellschafter“ abstellt; Küttner/Röller/Kania, Personalbuch 2014, Geschäftsführer Rn. 18, der aber eine Arbeitnehmereigenschaft eher als Ausnahme ansieht. 68 Henssler, RdA 1992, 289 (292); Kamanabrou, DB 2002, 146 (147); MünchKommBGB/ Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 146 f., bei Bestehen einer persönlichen Abhängigkeit. 69 Freckmann, DStR 2008, 52 (53); Küttner/Röller/Kania, Personalbuch 2014, Geschäftsführer Rn. 18; Kamanabrou, DB 2002, 146 (147); vgl. ähnlich argumentierend zur persönlichen Abhängigkeit und einer damit einhergehenden Arbeitnehmereigenschaft: Haase, GmbHR 2007, 821 (822); Buchner/Schlobach, GmbHR 2004, 1 (4 f.); Schrader/Schubert, BB 2007, 1617 (1619 f.) sowie Namendorf, Der arbeitsrechtliche Status von GmbH-Geschäftsführern, 2003, S. 197 ff., wonach Geschäftsführer sowohl Arbeitnehmer, selbstständige Dienstnehmer als auch arbeitnehmerähnliche Personen sein können. 70 Henssler, RdA 1992, 289 (292 und 294).
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Kap. 1: Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
C. Stellungnahme Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz haben GmbH-Geschäftsführer gemäß § 1 Abs. 1 KSchG grundsätzlich nur dann, wenn sich ihr Anstellungsverhältnis als Arbeitsverhältnis qualifizieren lässt und die Organmitglieder demnach als Arbeitnehmer zu bewerten sind. Die Problematik der Arbeitnehmereigenschaft von Geschäftsführern ist für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes aber eventuell nicht entscheidend.
I. Regelung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gelten die Vorschriften der §§ 1 – 13 KSchG nicht in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist. Da die GmbH gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG durch ihre Geschäftsführer vertreten wird, handelt es sich bei diesen um gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, namentlich der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Folglich sind GmbH-Geschäftsführer Organmitglieder im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG. Dies entspricht einhelliger Auffassung in Literatur und Rechtsprechung71 und bedeutet, dass das Kündigungsschutzgesetz in der Regel nicht auf Geschäftsführer anwendbar ist. Diese Personengruppe genießt im Falle einer ordentlichen Kündigung ihrer Anstellungsverhältnisse grundsätzlich keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Da § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG unstreitig eine negative gesetzliche Fiktion beinhaltet, findet diese Vorschrift unabhängig davon Anwendung, ob das Anstellungsverhältnis der Geschäftsführer als Dienstverhältnis oder ausnahmsweise als Arbeitsverhältnis zu deuten ist.72 Entscheidend für die Geltung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 71 Vgl. Schwarze/Eylert/Schrader/Schwarze, KSchG, § 14 Rn. 3; v. Hoyningen-Huene/ Linck/Krause/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 14 Rn. 5; Backmeister/Trittin/Mayer/Backmeister, KSchG, § 14 KSchG Rn. 3; Ascheid/Preis/Schmidt/Biebl, Kündigungsrecht, § 14 KSchG Rn. 5; Fiebig/Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, KSchR, § 14 KSchG Rn. 3; Kittner/ Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 14 KSchG Rn. 5; Mues/Eisenbeis/Laber/Mues, Handbuch Kündigungsrecht, Teil 12 Rn. 536; Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 1 Rn. 843 und 848; KR-Rost, KSchG, § 14 KSchG Rn. 10; ErfK/Kiel, § 14 KSchG Rn. 3; MünchKommBGB/Hergenröder, § 14 KSchG Rn. 5; Kitzinger, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht, 2001, S. 79; Alvensleben/Haug/ Schnabel, BB 2012, 774 (775); Manzau, AE 2009, 318 (319); Reiserer, DB 1994, 1822 (1822); Nägele, ArbRB 2003, 29 (31); BAG ZIP 1986, 1213 (1215); BAG NZA 2008, 168 (168 f.); vgl. BGH NJW-RR 2007, 1632 (1633); LAG Rheinland-Pfalz NZG 2009, 195 (195 f.). 72 Fiebig/Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, KSchR, § 14 KSchG Rn. 1; Ascheid/Preis/ Schmidt/Biebl, Kündigungsrecht, § 14 KSchG Rn. 3; KR-Rost, KSchG, § 14 KSchG Rn. 3; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 14 Rn. 3; Rost, in: FS für Wissmann, S. 61 (62); Becker, ZIP 1981, 1168 (1169); Nägele, ArbRB 2003, 29 (31); BAG NJW 1983, 2405 (2406); BAG ZIP 1986, 1213 (1215); BAG NZA 2008, 168 (169); BAG NZA
C. Stellungnahme
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KSchG ist allein die Organstellung der Geschäftsführer; ist eine solche gegeben, sind sie vom Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ausgenommen.73 Irrelevant ist daher auch, wenn das Anstellungsverhältnis der Geschäftsführer, wie ein Teil der Literatur vertritt, als Arbeitsverhältnis zu werten ist, mithin die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 KSchG erfüllt wären. Geschäftsführer einer GmbH als gesetzliche Vertreter sind gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG vom Kündigungsschutz ausgeschlossen, so dass der Streit über eine eventuelle Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern vorliegend nicht entschieden werden muss.
II. Regelung des § 14 Abs. 2 KSchG § 14 Abs. 2 KSchG ordnet die Anwendung der Vorschriften der §§ 1 – 13 KSchG aber mit zwei Besonderheiten für Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte an, soweit diese zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind. Könnten GmbH-Geschäftsführer unter den Begriff „Geschäftsführer“ im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG subsumiert werden, würde das Kündigungsschutzgesetz zumindest eingeschränkt Anwendung finden. 1. Geschäftsführerbegriff Nach ganz herrschender Auffassung in der Literatur und der Rechtsprechung ist mit dem Begriff „Geschäftsführer“ im Sinne von § 14 Abs. 2 KSchG nicht der Geschäftsführer einer GmbH gemeint.74 Dieser werde ausschließlich von § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG erfasst.75 Die Formulierung „Geschäftsführer“ sei nicht technisch und
1987, 845 (846); BAG NZA 2002, 854 (855); BGH NJW-RR 2007, 1632 (1633); BGH NJW 2000, 1864 (1865). 73 ErfK/Kiel, § 14 KSchG Rn. 1; Ascheid/Preis/Schmidt/Biebl, Kündigungsrecht, § 14 KSchG Rn. 3; KR-Rost, KSchG, § 14 KSchG Rn. 3; Fiebig/Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, KSchR, § 14 KSchG Rn. 1; Rost, in: FS für Wissmann, S. 61 (62); BAG NZA 2008, 168 (169); BAG NJW 1983, 2405 (2406); BAG ZIP 1986, 1213 (1215); BAG NZA 1987, 845 (846); BAG NZA 2002, 854 (855). 74 Schwarze/Eylert/Schrader/Schwarze, KSchG, § 14 Rn. 10; v. Hoyningen-Huene/Linck/ Krause/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 14 Rn. 20; Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 1 Rn. 843; Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 22; KR-Rost, KSchG, § 14 KSchG Rn. 27; Fiebig/Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, KSchR, § 14 KSchG Rn. 18; Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 14 KSchG Rn. 19; Ascheid/Preis/Schmidt/Biebl, Kündigungsrecht, § 14 KSchG Rn. 17; ErfK/Kiel, § 14 KSchG Rn. 11; Horn, NZA 2012, 186 (188); Rinsdorf/Kiedrowski, NZA 2012, 183 (183); Schipp, Die Stellung des leitenden Angestellten im Kündigungsschutzprozeß, 1992, S. 45; LAG BadenWürttemberg Urteil v. 13. 02. 1992 – 11 Sa 79/91, juris: LS; siehe auch inzident BAG NJW 1983, 2405 (2406); BAG NZA 2002, 845 (855). 75 Mues/Eisenbeis/Laber/Mues, Handbuch Kündigungsrecht, Teil 12 Rn. 536; Fiebig/ Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, KSchR, § 14 KSchG Rn. 18; Kittner/Däubler/Zwanziger/
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somit nicht im Sinne des gesetzlichen Vertreters einer GmbH aufzufassen.76 Der organschaftliche Geschäftsführer sei damit nicht einer im Sinne von § 14 Abs. 2 KSchG, sondern falle ausschließlich unter § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG.77 Als Geschäftsführer im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG sieht die Literatur vielmehr solche Personen an, die maßgebliche Entscheidungsermächtigungen hinsichtlich des Unternehmens, speziell in Bezug auf die Unternehmens– und Personalpolitik, ausüben würden.78 Ihnen müssten führende unternehmerische Aufgaben, insbesondere im kaufmännischen, organisatorischen, personellen oder technischen Bereich zukommen,79 sie müssten mit anderen Beschäftigten oder allein für die Leitung der Gesellschaft zuständig sein,80 ohne eine Organstellung zu haben.81 Dies sei gegeben, wenn die Geschäftsführer die Pflicht zur laufenden Geschäftsführung hätten, sie speziell das Tagesgeschäft abwickeln würden.82 Ferner ließen sich unter den Begriff Geschäftsführer solche Personen fassen, welche die Gesellschaft rechtsgeschäftlich vertreten; Voraussetzung hierfür sei eine umfassende Vertretungsbefugnis, so dass als Geschäftsführer solche Beschäftigte bezeichnet werden könnten, die Generalbevollmächtigte oder Prokuristen sind.83
2. Wertung Ihre Auffassung, dass GmbH-Geschäftsführer zwingend von § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG und nicht § 14 Abs. 2 KSchG erfasst werden, begründen in der Regel weder die Rechtsprechung noch die Literatur. Lediglich zu der Frage, warum der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes für GmbH-Geschäftsführer gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG allgemein nicht eröffnet ist, führen sie zwei kurze ArguDeinert, KSchR, § 14 KSchG Rn. 19; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 14 Rn. 20; Ascheid/Preis/Schmidt/Biebl, Kündigungsrecht, § 14 KSchG Rn. 17. 76 Mues/Eisenbeis/Laber/Mues, Handbuch Kündigungsrecht, Teil 12 Rn. 536; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 14 Rn. 20; Ascheid/Preis/Schmidt/ Biebl, Kündigungsrecht, § 14 KSchG Rn. 17; Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 22; Manzau, AE 2009, 318 (319); Schipp, Die Stellung des leitenden Angestellten im Kündigungsschutzprozeß, 1992, S. 45; Dörsam, BC 2000, 90 (91). 77 Schwarze/Eylert/Schrader/Schwarze, KSchG, § 14 Rn. 10. 78 Schwarze/Eylert/Schrader/Schwarze, KSchG, § 14 Rn. 10. 79 v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 14 Rn. 20; Ascheid/ Preis/Schmidt/Biebl, Kündigungsrecht, § 14 KSchG Rn. 17; Fiebig/Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, KSchR, § 14 KSchG Rn. 18; Manzau, AE 2009, 318 (319); Stahlhacke/Preis/ Vossen/Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 1 Rn. 843; Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 23. 80 Mues/Eisenbeis/Laber/Mues, Handbuch Kündigungsrecht, Teil 12 Rn. 536; KR-Rost, KSchG, § 14 KSchG Rn. 27; Manzau, AE 2009, 318 (319). 81 Manzau, AE 2009, 318 (319). 82 Schwab/Kaiser, AR-Blattei SD, 70.2 Rn. 48 f. 83 Schwab/Kaiser, AR-Blattei SD, 70.2 Rn. 46 f.; Fiebig/Gallner/Mestwerdt/Nägele/ Pfeiffer, KSchR, § 14 KSchG Rn. 18.
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mente an: Zum einen seien GmbH-Geschäftsführer bereits wegen fehlender Arbeitnehmereigenschaft aus dem Kündigungsschutzgesetz ausgeschlossen, so dass § 14 Abs. 1 nur deklaratorische Bedeutung habe.84 Zum anderen hätten diese Beschäftigten Arbeitgeberbefugnisse inne und könnten daher keinen Kündigungsschutz genießen.85 Die Reduzierung der Norm des § 14 Abs. 1 KSchG auf eine deklaratorische Aussage kann schon deshalb nicht überzeugen, weil es durchaus Auffassungen gibt, die eine Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern bejahen.86 Des Weiteren ist auch bei anderen Beschäftigtengruppen anerkannt, dass sie Arbeitgeberbefugnisse wahrnehmen und dennoch in den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes einbezogen werden. Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit genau dieser Problematik wird zwar von Teilen der Literatur angestellt, jedoch im Zusammenhang mit der Frage nach der Arbeitnehmereigenschaft von Geschäftsführern und gerade nicht bei Aussagekraft des § 14 KSchG.87 Sind GmbH-Geschäftsführer zwingend Organmitglieder im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG und keine Geschäftsführer nach § 14 Abs. 2 KSchG, stellt sich die Frage, warum der Gesetzgeber bei der Fassung des § 14 Abs. 2 KSchG den Begriff des Geschäftsführers gewählt hat.
III. Auslegung des § 14 Abs. 2 KSchG Um zu ermitteln, ob mit Geschäftsführern im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG auch GmbH-Geschäftsführer gemeint sind, ist § 14 Abs. 2 KSchG unter grammatikalischen, systematischen, historischen und teleologischen Gesichtspunkten auszulegen. 1. Wortlaut Nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 KSchG finden die Vorschriften der §§ 1 – 13 KSchG auf Geschäftsführer eingeschränkt Anwendung, soweit diese zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind. Über den Ausdruck der „selbstständigen Einstellung oder Entlassung“ kann keine Antwort auf die Frage gefunden werden, ob auch die in § 6 GmbHG normierten GmbH-Geschäftsführer von § 14 Abs. 2 KSchG erfasst werden sollen oder nicht. Zwar dürfen viele Geschäftsführer einer GmbH in Deutschland selbstständig Einstellungen oder Entlassungen von Arbeitnehmern vornehmen, was zunächst dafür sprechen könnte, 84 v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 14 Rn. 2; Fiebig/ Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, KSchR, § 14 KSchG Rn. 1; Rost, in: FS für Wissmann, S. 61 (62); KR-Rost, KSchG, § 14 KSchG Rn. 3; Schwarze/Eylert/Schrader/Schwarze, KSchG, § 14 Rn. 1; BAG NJW 1983, 2405 (2406); BAG NZA 2002, 845 (855). 85 Ascheid/Preis/Schmidt/Biebl, Kündigungsrecht, § 14 KSchG Rn. 3; Rost, in: FS für Wissmann, S. 61 (62); BAG NZA 2002, 854 (855); BAG NJW 1983, 2405 (2406). 86 Siehe unter Kap. 1 B. II. 87 Vgl. unter Kap. 1 B. I. und II. 1.
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Kap. 1: Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
mit dem Begriff Geschäftsführer auch GmbH-Geschäftsführer anzusehen. Es ist aber sehr umstritten, ob diese Voraussetzung überhaupt von Geschäftsführern und Betriebsleitern erfüllt sein muss.88 Ohnehin ist entscheidend, wie das Tatbestandsmerkmal des Geschäftsführers zu interpretieren ist, so dass auf die Problematik der selbstständigen Einstellung oder Entlassung an dieser Stelle nicht näher einzugehen ist. Die Formulierung „Geschäftsführer“ ist identisch mit der Bezeichnung von Personen, die in einem Unternehmen, speziell einer GmbH, zu Geschäftsführern berufen werden. Dies kann die Folgerung nahelegen, dass auch Geschäftsführer einer GmbH gemäß § 6 GmbHG als Geschäftsführer im Sinne von § 14 Abs. 2 KSchG gelten. Der Wortlaut könnte somit dafür sprechen, dass von Geschäftsführern im Sinne von § 14 Abs. 2 KSchG auch GmbH-Geschäftsführer umfasst sind. Andererseits muss beachtet werden, dass die Formulierung des § 14 Abs. 2 KSchG nicht lautet: Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Unter die Norm könnten daher auch nur solche Geschäftsführer zu subsumieren sein, die sich von denen einer GmbH unterscheiden. Alles in allem bringt der Wortlaut der Vorschrift kein klares Ergebnis, so dass er keine Schlüsse darauf zulässt, welche Geschäftsführer § 14 Abs. 2 KSchG meint. 2. Systematischer Zusammenhang Eine Betrachtung des systematischen Zusammenhangs des § 14 KSchG zu § 1 KSchG verdeutlicht, dass die in § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG genannten Mitglieder von Organen, welche zur gesetzlichen Vertretung von juristischen Personen berufen sind, vom Schutz des Kündigungsschutzgesetzes ausgeschlossen sind. Hierzu zählen, wie bereits ausgeführt, GmbH-Geschäftsführer.89 In § 35 GmbHG ist gesetzlich normiert, dass sie die Gesellschaft und damit die GmbH als juristische Person vertreten, sie folglich eine Organstellung innehaben, wenn sie zum Geschäftsführer berufen werden. Demnach dürften GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich keinen Kündigungsschutz genießen. Nimmt § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG Geschäftsführer einer GmbH vom Kündigungsschutz aus, kann § 14 Abs. 2 KSchG grundsätzlich nur so verstanden werden, dass mit Geschäftsführern in diesem Sinne nicht solche einer GmbH gemeint sind. Offen ist, in welchem Verhältnis § 14 Abs. 2 zu § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG steht, wenn die Vorschrift unter der Überschrift „Angestellte in leitender Stellung“ Geschäftsführern als Organmitgliedern zunächst jeglichen Kündigungsschutz verwehrt, Geschäftsführern, die keine Organe sein müssen, dann aber doch ein eingeschränkter Schutz zugutekommen soll. § 14 KSchG ist im ersten Abschnitt zum Allgemeinen Teil des Kündigungsschutzgesetzes normiert und bildet den Abschluss dieses Regelungskomplexes. Während § 1 KSchG in seinem Absatz 1 den persönlichen Anwendungsbereich 88 Vgl. statt aller Hromadka, in: 50 Jahre BAG, S. 395 (401 ff.) und Bengelsdorf, in: 50 Jahre BAG, S. 331 (332 ff.), je m. w. N. 89 Siehe unter Kap. 1 C. I.
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dieses Gesetzes normiert und festlegt, dass das Kündigungsschutzgesetz auf Arbeitnehmer, die länger als sechs Monate in einem Arbeitsverhältnis stehen, Anwendung findet, besagt § 14 KSchG, dass bestimmte Gruppen von Beschäftigten gerade nicht vom Anwendungsbereich der §§ 1 – 13 KSchG erfasst werden sollen. Zu beachten ist jedoch, dass nur § 14 Abs. 1 KSchG den dort aufgeführten Personen sämtlichen Kündigungsschutz versagt, wohingegen § 14 Abs. 2 KSchG zumindest einen Abfindungsschutz gegen sozial ungerechtfertigte Kündigungen garantiert. Systematisch gesehen würde bei einer Prüfung des § 14 KSchG bereits Absatz 1 zu dem Ergebnis führen, dass Geschäftsführer als gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung aus dem Kündigungsschutzgesetz ausgeschlossen sind. Bei einer weiteren Prüfung könnte anzunehmen sein, dass § 14 Abs. 2 KSchG den Anwendungsbereich doch für solche Geschäftsführer eröffnet, die zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind. Dies ist aber bereits deshalb zu verneinen, weil auch Geschäftsführer als gesetzliche Vertreter in der Regel Einstellungs- oder Entlassungsbefugnisse besitzen.90 Obendrein ist höchst umstritten, ob die Geschäftsführer im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG überhaupt Einstellungs- oder Entlassungsbefugnisse innehaben müssen oder diese Voraussetzung nicht vielmehr auf die ähnlich leitenden Personen beschränkt ist.91 Zudem ist ein Geschäftsführer, dessen Rechtsstellung hier untersucht werden soll, tatsächlich nur ein Geschäftsführer im Sinne des § 6 GmbHG, wenn er zu einem solchen berufen wurde und folglich eine Organstellung besitzt. Dann aber ist er bereits nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG vom Anwendungsbereich ausgenommen. Im Ergebnis spricht der systematische Zusammenhang des § 14 Abs. 2 KSchG zu Absatz 1 dieser Norm insoweit dafür, dass GmbH-Geschäftsführer gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keinen Kündigungsschutz genießen und mit Geschäftsführern im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG nicht solche einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemeint sein können. 3. Geschichte Weiteren Aufschluss über das Verhältnis von § 14 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG gibt möglicherweise die Entstehungsgeschichte. a) Darstellung der Entwicklung des Kündigungsschutzgesetzes Um den Willen des Gesetzgebers, welchen Beschäftigten er mit der Norm des § 14 Abs. 2 KSchG einen partiellen Kündigungsschutz zukommen lassen wollte, ermitteln zu können, ist die Entstehung des Kündigungsschutzgesetzes näher zu betrachten.
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Siehe unter Kap. 1 C. III. 1. Siehe unter Kap. 1 C. III. 1.
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aa) Betriebsrätegesetz 1920 Ausgangspunkt der Entwicklung des Kündigungsschutzgesetzes in seiner heutigen Fassung bildet das Betriebsrätegesetz (BRG) vom 04. 02. 1920.92 Dieses Gesetzeswerk, welches grundsätzlich die Betriebsverfassung regelte, normierte mit den §§ 84 ff. BRG zum ersten Mal einen allgemeinen Kündigungsschutz.93 Dieser sollte jedoch nicht gesetzlichen Vertretern und Geschäftsführern zugutekommen, da sie gemäß § 12 Abs. 2 BRG 1920 aus dem Geltungsbereich des Betriebsrätegesetzes herausfielen.94 Nach dieser Vorschrift galten als Angestellte im Sinne dieses Gesetzes nicht „die Vorstandsmitglieder und gesetzlichen Vertreter von juristischen Personen und von Personengesamtheiten des öffentlichen und privaten Rechtes, ferner die Geschäftsführer und Betriebsleiter, soweit sie zur selbständigen Einstellung oder Entlassung der übrigen im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmer berechtigt sind oder soweit ihnen Prokura oder Generalvollmacht erteilt ist“.95
(1) Intention der Herausnahme Die verfassungsgebende Nationalversammlung hatte am 16. 08. 1919 bezüglich des Entwurfs eines Gesetzes über Betriebsräte betont, dass sich die Arbeitnehmer in zwei Gruppen einteilen ließen, die sich hinsichtlich der Beschäftigung, der Rechtsstellung und des Inhalts des Dienstvertrages unterscheiden würden.96 Innerhalb der Gruppe der Angestellten existiere eine oberste Schicht, welche nicht einer Interessenvertretung der Arbeitnehmer angehören könne, da sie selber hauptsächlich Aufgaben der Unternehmer wahrnehmen würde und den Arbeitgeber gegenüber allen übrigen Arbeitnehmern darstelle sowie repräsentiere.97 Im Sinne des Gesetzes seien damit solche Personen nicht als Angestellte zu qualifizieren, „die dem Arbeitgeber nahestehen“ und von denen aus diesem Grund eine Übereinstimmung der Interessen mit den restlichen Arbeitnehmern nicht möglich sei; die Betriebsvertretung solle ausschließlich die Interessen von Arbeitnehmern vertreten.98
92
Schipp, Die Stellung des leitenden Angestellten im Kündigungsschutzprozeß, 1992, S. 6. Vgl. RGBl. v. 09. 02. 1920 Nr. 26, S. 147 ff. und 167 ff. 94 Vgl. RGBl. v. 09. 02. 1920 Nr. 26, S. 148 f. und 167 – Gem. § 84 Abs. 1 BRG können Arbeitnehmer Einspruch gegen eine Kündigung einlegen; zu den Arbeitnehmern zählen Arbeiter und Angestellte (§ 10 Abs. 1 BRG); nicht Angestellte sind gemäß § 12 Abs. 2 BRG gesetzliche Vertreter von juristischen Personen und Geschäftsführer. 95 RGBl. v. 09. 02. 1920 Nr. 26, S. 149. 96 Begründung, Stenographische Berichte der Deutschen Nationalversammlung, Band 338, Nr. 928 der Anlagen, S. 22. 97 Begründung, Stenographische Berichte der Deutschen Nationalversammlung, Band 338, Nr. 928 der Anlagen, S. 22. 98 Schiedsspruch Nr. 1 des Vorl. Reichswirtschaftsrats vom 30. 11. 1920, in: RABl 1921, S. 663. 93
C. Stellungnahme
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Auch das Schrifttum hatte sich mit der Frage befasst, warum bestimmte Gruppen von Beschäftigten nicht als Angestellte galten. Entscheidend für die Herausnahme der leitenden Angestellten aus dem Geltungsbereich des Betriebsrätegesetzes 1920 sei dabei, entsprechend dem gesetzgeberischen Willen, die Tatsache gewesen, dass diese Personengruppe hauptsächlich Unternehmerfunktionen ausübte,99 sie damit den Arbeitgebern näher zugehörig war als den Arbeitnehmern.100 Die Tätigkeit der Angestellten im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers habe dazu geführt, dass ihre Einbeziehung in den Geltungsbereich des Betriebsrätegesetzes 1920 konträr zu den vielfältigen Aufgaben der Betriebsvertretung gewesen wäre.101 (2) Begriff des Geschäftsführers § 12 Abs. 2 BRG 1920 normierte, dass als Geschäftsführer und Betriebsleiter diejenigen galten, die zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung berechtigt waren oder die Prokura beziehungsweise Generalvollmacht besaßen. Damit war umgrenzt, wer als Geschäftsführer anzusehen war. Die Begriffe selbst wurden jedoch nicht gesetzlich definiert.102 Es erwies sich daher schon damals als problematisch, wer unter Geschäftsführern und Betriebsleitern zu verstehen war.103 Die Formulierungen Geschäftsführer und Betriebsleiter wurden nicht als Fachausdrücke verwandt,104 sondern in erster Linie wirtschaftlich ausgelegt.105 Entscheidend war eine bestimmte, wenn auch eingeschränkte wirtschaftliche Selbstständigkeit.106 Demzufolge konnte ein gesetzlicher Vertreter einer GmbH nicht als Geschäftsführer im Sinne des § 12 Abs. 2 BRG 1920 begriffen werden.107 Die Begriffe Geschäftsführer und Betriebsleiter wurden vielmehr im Sinne der Verkehrsauffassung interpretiert.108 Geschäftsführer und Betriebsleiter waren – unabhängig von ihrer Benennung109 – solche Personen, die, „wenn auch nicht notwendig in völliger Unabhängigkeit vom Arbeitgeber, Geschäfte des Betriebes oder, da der Nebensatz von einer Betriebsabteilung spricht, einer solchen (als Abteilungsleiter), sei es insgesamt, sei es auf einem fachlich abgegrenzten Gebiet (kaufmännischer, technischer Leiter, Leiter der Rechtsabteilung, der sozialpolitischen Abteilung, der literarischen Abteilung, des 99
A. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Erster Band, 1928, S. 61 § 12. Mansfeld, BRG 1930, § 12 Anm. 3 S. 95 f.; A. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Erster Band, 1928, S. 60 § 12. 101 Mansfeld, BRG 1930, § 12 Anm. 3 S. 96. 102 Flatow, BRG 1927, § 12 Anm. 7 S. 74; Mansfeld, BRG 1930, § 12 Anm. 3b) S. 96. 103 Msd., BBl 1920, 11 (11). 104 Vgl. Msd., BBl 1920, 11 (11). 105 Msd., BBl 1920, 11 (11). 106 Msd., BBl 1920, 11 (11); Mansfeld, BRG 1930, § 12 Anm. 3b) S. 96 f. 107 Msd., BBl 1920, 11 (11). 108 Mansfeld, BRG 1930, § 12 Anm. 3b) S. 96. 109 Rohrbeck/Schönfeld/Golm, BRG 1922, § 12 Anm. 12 S. 49; Flatow, BRG 1927, § 12 Anm. 7 S. 74; Mansfeld, BRG 1930, § 12 Anm. 3b) S. 96. 100
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Wohlfahrtswesen) zu führen und zu leiten“ hatten110 beziehungsweise „einem Betrieb oder, wie sich aus der Fassung des Abs. 2 ergibt, auch einer mehr selbständigen Betriebsabteilung leitend“ vorstanden.111 Ob dies der Fall war, richtete sich nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalles112 und insbesondere danach, inwiefern diesen Personen Ermächtigungen, wie die Verfügungsmacht über Geldmittel, die Dispositionsbefugnis im Ein- und Verkauf sowie das Recht der Kreditvergabe zukamen.113 Keine Voraussetzung war, dass Geschäftsführer und Betriebsleiter Vorgesetzteneigenschaft hatten. Der Grund hierfür lag darin, dass der Entwurf des Betriebsrätegesetzes von Vorgesetzten „aller übrigen im Betrieb oder in der Betriebsabteilung (…) beschäftigten Arbeitnehmer“ sprach,114 diese Formulierung jedoch letztlich nicht Gesetz geworden ist.115 Der Begriff des Vorgesetzten sei nicht eindeutig genug gewesen, da er nahezu immer auf die Einteilung und Erledigung der Arbeit Bezug genommen habe, jedoch nicht das Arbeits- und Rechtsverhältnis beeinflusste.116 Die Problematik bestand darin, diejenigen Personen als Angestellte im Sinne des § 12 Abs. 2 BRG 1920 zu qualifizieren, die zwar formell Angestellte waren, aufgrund ihrer Nähe zum Arbeitgeber aber nicht den Arbeitnehmern zugerechnet werden konnten, da sie eigenverantwortlich und unabhängig agierten, so dass sie nicht Mitglied der Betriebsvertretungen sein konnten.117 bb) Zeit des Nationalsozialismus – Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit 1934 Mit Erlass des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) vom 20. 01. 1934 wurde das Betriebsrätegesetz 1920 außer Kraft gesetzt.118 Das nationalsozialistisch geprägte Regelungswerk enthielt in einem eigenen Abschnitt in den §§ 56 ff. AOG einen Kündigungsschutz für Arbeiter und Angestellte.119 Das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit unterschied nicht zwischen leitenden Angestellten 110 Flatow, BRG 1927, § 12 Anm. 7 S. 74; siehe auch Mansfeld, BRG 1930, § 12 Anm. 3b) S. 97 und Rohrbeck/Schönfeld/Golm, BRG 1922, § 12 Anm. 12 S. 49. 111 Mansfeld, BRG 1930, § 12 Anm. 3b) S. 97. 112 Flatow, BRG 1927, § 12 Anm. 7 S. 74; Mansfeld, BRG 1930, § 12 Anm. 3b) S. 96. 113 Flatow, BRG 1927, § 12 Anm. 7 S. 74 f. 114 Entwurf eines Gesetzes über Betriebsräte, Stenographische Berichte der Deutschen Nationalversammlung, Band 338, Nr. 928 der Anlagen, § 3 Abs. 4 S. 1. 115 Vgl. Entwurf eines Betriebsrätegesetzes, Stenographische Berichte der Deutschen Nationalversammlung, Band 340, Nr. 1838 der Anlagen, § 12 S. 1930. 116 Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten über den Entwurf eines Gesetzes über Betriebsräte, Stenographische Berichte der Deutschen Nationalversammlung, Band 340, Nr. 1838 der Anlagen, S. 1905. 117 Flatow, BRG 1927, § 12 Anm. 7 S. 73 f. 118 RGBl. v. 23. 01. 1934 Nr. 7, Teil I, S. 45 und S. 53 § 65 Ziff. 1. 119 RGBl. v. 23. 01. 1934 Nr. 7, Teil I, S. 52 f.
C. Stellungnahme
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und weiteren Beschäftigten,120 so dass erstmals der Kündigungsschutz auch für die Personengruppe der leitenden Angestellten Anwendung fand.121 Dies resultierte daraus, dass das Gesetz den Unternehmern keine Sonderstellung mehr zuschrieb, sondern alle Beschäftigten im Unternehmen als Betriebsgemeinschaft betrachtete, in der keine Klassen- oder Interessengegensätze existierten.122 Nicht gesetzlich geklärt und somit äußerst umstritten war die Frage, ob gesetzliche Vertreter juristischer Personen, mithin GmbH-Geschäftsführer, vom Schutzbereich des § 56 AOG umfasst sein sollten.123 cc) Frühe Nachkriegszeit Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges 1945 wurde das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit durch das Kontrollratsgesetz Nr. 40 vom 30. 11. 1946 aufgehoben.124 Ab dem 01. 01. 1947 gab es damit keine Regelungen zum Kündigungsschutz mehr.125 Aufgrund Fehlens eines nationalen Gesetzgebers lag es bei den Ländern, eigene Regelungen zu schaffen.126 Konsequenz war in der Folgezeit eine große Rechtszersplitterung.127 In der französischen und amerikanischen Zone wurde größtenteils auf das Recht der Weimarer Republik zurückgegriffen und der Kündigungsschutz in die Betriebsrätegesetze integriert.128 Bayern und WürttembergBaden verabschiedeten eigene Kündigungsschutzgesetze.129 Gemeinsam hatten alle Gesetzeswerke, dass leitenden Angestellten (Vorstandsmitgliedern, gesetzlichen Vertretern juristischer Personen sowie Geschäftsführern) kein Kündigungsschutz 120
Vgl. RGBl. v. 23. 01. 1934 Nr. 7, Teil I, S. 45 ff. A. Hueck/Nipperdey/Dietz, AOG 1943, § 56 Anm. 3 S. 689. 122 Mansfeld, AOG 1943, § 1 Anm. 1a) S. 13. 123 Vgl. Mansfeld, AOG 1943, § 56 Anm. 12 S. 178 und A. Hueck/Nipperdey/Dietz, AOG 1943, § 56 Anm. 2 S. 687, je m. w. N. 124 Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Kontrollratsgesetz Nr. 40 v. 30. 11. 1946, S. 229 Artikel I. 125 Vgl. Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Kontrollratsgesetz Nr. 40 v. 30. 11. 1946, S. 229 Artikel II, weil die Regelungen der §§ 56 ff. AOG nicht mehr galten. 126 BT-Drs. 01/2090 v. 27. 03. 1951, S. 8. 127 BT-Drs. 01/2090 v. 27. 03. 1951, S. 9 f. 128 Vgl. Rheinland-Pfalz: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Rheinland-Pfalz v. 19. 07. 1947 Nr. 17, Landesverordnung über die Errichtung und die Tätigkeit von Betriebsräten v. 15. 05. 1947, S. 258 ff.; Hessen: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen v. 01. 10. 1948 Nr. 23, Betriebsrätegesetz für das Land Hessen v. 31. 05. 1948, S. 117 ff.; Bremen: Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen v. 17. 01. 1949 Nr. 2, Ausführungsgesetz zu Artikel 47 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen (Bremisches Betriebsrätegesetz) v. 10. 01. 1949, S. 7 ff. 129 Bayern: Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt v. 26. 08. 1947 Nr. 13, Gesetz Nr. 76 Kündigungsschutzgesetz v. 01. 08. 1947, S. 165 ff.; Württemberg-Baden: Regierungsblatt der Regierung Württemberg-Baden v. 02. 10. 1948 Nr. 17, Kündigungsschutzgesetz v. 18. 08. 1948, S. 134 ff. 121
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Kap. 1: Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
zukam.130 In der britischen Zone wurde der Kündigungsschutz überhaupt nicht gesetzlich normiert; hier war es Aufgabe der Rechtsprechung, kündigungsschutzrechtliche Problematiken unter Heranziehung der §§ 138, 242 BGB zu lösen.131 (1) Entwurf des Wirtschaftsrates für ein Kündigungsschutzgesetz Angesichts der bestehenden Rechtszersplitterung wurde in Westdeutschland rasch der Wunsch nach einheitlichen Bestimmungen laut.132 Daraufhin handelte der Wirtschaftsrat der Bizone am 20. 07. 1949 ein neues Kündigungsschutzgesetz aus.133 Das Nichtzustimmen der Militärregierung führte jedoch zu einem Zurücksetzen des Gesetzes für die Bundesgesetzgebung.134 Das Gesetz sah vor,135 „Vorstandsmitglieder und gesetzliche Vertreter von juristischen Personen und Personengesamtheiten des öffentlichen und privaten Rechts“ vom Kündigungsschutz auszuschließen. Auch „Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnlich leitende Persönlichkeiten, die zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind“, sollten aus dem Schutzbereich herausfallen. Des Weiteren sollte „Arbeitnehmern, die Dienstleistungen höherer Art, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen (§ 627 BGB), zu leisten haben“, kein Kündigungsschutz zukommen. Im Vergleich zum Begriff des leitenden Angestellten des Betriebsrätegesetzes 1920 fügte der Entwurf des Wirtschaftsrates zu dem Kreis der Geschäftsführer und Betriebsleiter, welche zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt waren, die Personen in ähnlich leitender Stellung hinzu und ersetzte zugleich das Wort „soweit“ durch das Wort „die“. Neu war auch, dass zur Erfüllung des Geschäftsführer- beziehungsweise Betriebsleiterbegriffs Prokuraoder Generalvollmachtserteilung nicht mehr genügte, stattdessen aber Arbeitnehmer im Sinne des § 627 BGB als leitende Angestellte angesehen wurden. Warum der 130 Vgl. Rheinland-Pfalz: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Rheinland-Pfalz v. 19. 07. 1947 Nr. 17, Landesverordnung über die Errichtung und die Tätigkeit von Betriebsräten v. 15. 05. 1947, S. 258 f. §§ 5, 7 und S. 262 § 46; Hessen: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen v. 01. 10. 1948 Nr. 23, Betriebsrätegesetz für das Land Hessen v. 31. 05. 1948, S. 117 ff. §§ 3, 4 und §§ 37, 38, 42, 43; Bremen: Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen v. 17. 01. 1949 Nr. 2, Ausführungsgesetz zu Artikel 47 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen (Bremisches Betriebsrätegesetz) v. 10. 01. 1949, S. 7 §§ 3, 4 und S. 10 f. §§ 35, 39, 40; Bayern: Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt v. 26. 08. 1947 Nr. 13, Gesetz Nr. 76 Kündigungsschutzgesetz v. 01. 08. 1947, S. 165 Art. 1; Württemberg-Baden: Regierungsblatt der Regierung Württemberg-Baden v. 02. 10. 1948 Nr. 17, Kündigungsschutzgesetz v. 18. 08. 1948, S. 134 § 1. 131 O. V., RdA 1951, 58 (62). 132 A. Hueck, RdA 1950, 65 (65). 133 A. Hueck, RdA 1949, 331 (331) sowie besprochen bei A. Hueck, RdA 1949, 331 (331 ff.); siehe auch A. Hueck, RdA 1950, 65 (65). 134 A. Hueck, RdA 1949, 331 (331). 135 Vgl. A. Hueck, RdA 1949, 331 (333).
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Gesetzesentwurf des Wirtschaftsrates der Bizone einen anderen Begriff des leitenden Angestellten im Vergleich zum Betriebsrätegesetz 1920 normierte, ließ sich aufgrund fehlender Begründung nicht klären.136 (2) „Hattenheimer-Entwurf“ für ein Kündigungsschutzgesetz Durch das am 23. 05. 1949 in Kraft getretene Grundgesetz wurde das Arbeitsrecht Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung und damit dem Bundesgesetzgeber die Möglichkeit gegeben, ein einheitliches Kündigungsschutzgesetz für ganz Deutschland zu schaffen.137 In den Hattenheimer-Verhandlungen vom 09. – 13. Januar 1950 verständigten sich Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Vereinigung der Arbeitgeberverbände auf einen gemeinsamen Entwurf für ein Kündigungsschutzgesetz.138 Dieser entsprach weitgehend dem vom Wirtschaftsrat am 20. 07. 1949 verabschiedeten Gesetz.139 Dabei beinhaltete der Hattenheimer-Entwurf in § 17 eine Regelung zum Geltungsbereich des Gesetzes.140 Nach dieser Bestimmung waren „Vorstandsmitglieder und gesetzliche Vertreter von juristischen Personen und von Personengesamtheiten des öffentlichen oder privaten Rechts sowie (…) Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnlich leitende Persönlichkeiten, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind“,
aus dem Kündigungsschutz herausgenommen.141 Im Vergleich zum Begriff des leitenden Angestellten des Wirtschaftsrates wurden die unter § 627 BGB fallenden Personen nicht mehr erfasst und das Wort „die“ wieder durch das Wort „soweit“ ersetzt. Die Formulierung des Geltungsbereiches ähnelte nun zwar wieder der vom Betriebsrätegesetz 1920, nicht aber ohne sich von ihr zu differenzieren. Allerdings ging ebenso wenig aus den Materialien zum Hattenheimer-Entwurf hervor, warum sich der Begriff des leitenden Angestellten des Betriebsrätegesetzes 1920 änderte.142
136 137
S. 18. 138 139 140 141 142
Vgl. A. Hueck, RdA 1949, 331 (331 ff.). Schipp, Die Stellung des leitenden Angestellten im Kündigungsschutzprozeß, 1992, O. V., RdA 1950, 63 (63), Der Entwurf ist abgedruckt auf den Seiten 63 ff. A. Hueck, KSchG 1954, Einleitung S. 21. Vgl. o. V., RdA 1950, 63 (65). O. V., RdA 1950, 63 (65). Vgl. o. V., RdA 1950, 63 (63 ff.) und A. Hueck, RdA 1950, 65 (65 ff.).
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Kap. 1: Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
dd) Erstes Kündigungsschutzgesetz 1951 Am 11. 08. 1951 trat schließlich ein für die Bundesrepublik Deutschland geltendes Kündigungsschutzgesetz in Kraft.143 Der für leitende Angestellte relevante Paragraph lautete dabei wie folgt: „§ 12 Angestellte in leitender Stellung Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten nicht a) in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, b) in Betrieben einer Personengesamtheit für die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen, c) für Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.“144
(1) Gesetzesbegründung In der Gesetzesbegründung hieß es hierzu: „Die sogenannten leitenden Angestellten waren aus dem Geltungsbereich des BRG 1920 herausgenommen (§ 12 Abs. 2 BRG), während das AOG keine Sondervorschrift kannte. Der Entwurf folgt dem BRG 1920.“145
Im Vergleich zum Begriff des leitenden Angestellten in § 12 Abs. 2 BRG 1920 wurde jedoch die Aufzählung Geschäftsführer und Betriebsleiter um die Gruppe der ähnlich leitenden Personen ergänzt. Des Weiteren fiel der Zusatz „Prokura oder Generalvollmacht“, wie schon beim Entwurf des Wirtschaftsrates und des Hattenheimer-Entwurfes, weg. Hinzu kam, dass der Wortlaut des § 12 KSchG 1951 sich von dem des § 12 Abs. 2 BRG 1920 bezüglich der Vorstandsmitglieder und Vertreter von gesetzlichen Personen und Personengesamtheiten nun deutlich unterschied. Warum der Begriff des leitenden Angestellten des Kündigungsschutzgesetzes 1951 von dem des Betriebsrätegesetzes 1920 teilweise abwich, sagte die Gesetzesbegründung nicht.146 (2) Intention der Herausnahme der leitenden Angestellten Den Gesetzesmaterialien ließ sich ferner nicht entnehmen, warum leitende Angestellte überhaupt aus dem Schutzbereich des Kündigungsschutzgesetzes ausgeschlossen sein sollten.147 Rechtsprechung und Literatur hatten versucht, eine Antwort 143
BGBl. v. 13. 08. 1951 Nr. 40, Teil I, S. 499 und 504 (§ 26). BGBl. v. 13. 08. 1951 Nr. 40, Teil I, S. 501 § 12; BT-Drs. 01/2090 v. 27. 03. 1951, S. 4 § 12; BT-Drs. 01/2384 v. 21. 06. 1951, S. 7 § 12. 145 BT-Drs. 01/2090 v. 27. 03. 1951, S. 15 zu § 12. 146 Vgl. BT-Drs. 01/2090 v. 27. 03. 1951, S. 15 zu § 12. 147 Vgl. BT-Drs. 01/2090 v. 27. 03. 1951, S. 15 zu § 12. 144
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auf die Frage zu finden.148 Teilweise wurde der Ausschluss der leitenden Angestellten damit begründet, dass diese Arbeitgebervertreter gewesen seien.149 Sie hätten Arbeitgeberbefugnisse ausgeübt150 und gegenüber anderen Arbeitnehmern Vorgesetztenfunktion gehabt.151 Des Weiteren wurden leitende Angestellte aufgrund ihrer besonderen Vertrauensbeziehung zu ihren Arbeitgebern als weniger schutzbedürftig angesehen.152 Das Interesse des Arbeitgebers an einer raschen Beendigung des Dienstverhältnisses sei durch die Funktion und den Verantwortungsbereich der leitenden Angestellten höher zu gewichten gewesen als deren Schutz vor ungerechtfertigten Kündigungen.153 Dem Arbeitgeber habe es möglich sein müssen, im Falle einer Erschütterung der Vertrauensbeziehung, das Anstellungsverhältnis ordentlich zu kündigen,154 zumal die leitenden Angestellten selbst fähig gewesen seien, bei der Festlegung der für sie relevanten Kündigungsschutzbestimmungen ihre Interessen eigens zu wahren.155 Das Bundesarbeitsgericht sah hingegen die Vertrauensstellung dieser Personen für den Ausschluss der leitenden Angestellten vom Kündigungsschutzgesetz als nicht relevant an; eine Vertrauensstellung hätten auch andere Arbeitnehmer genießen können, ohne dass sie leitende Angestellte gewesen wären.156 Das Gericht stellte vielmehr darauf ab, dass leitende Angestellte das Direktionsrecht gegenüber den anderen Beschäftigten in einem Betrieb inne gehabt hätten und sie folglich als Vorgesetzte einer nicht unerheblich großen Zahl von Personen fungiert haben.157 (3) Begriff des leitenden Angestellten Als schwierig gestaltete sich auch unter der Geltung des § 12 KSchG 1951 die Beantwortung der Frage, wer als leitender Angestellter zu verstehen war, da die Gesetzesmaterialien zu dieser Problematik ebenfalls keine Auskunft gaben.
148
S. 22.
Schipp, Die Stellung des leitenden Angestellten im Kündigungsschutzprozeß, 1992,
149 A. Hueck, BB 1954, 536 (536); A. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Erster Band, 7. Auflage 1963, S. 77 § 12. 150 A. Hueck, BB 1954, 536 (536); Müller, DB 1960, 1037 (1039 f.); A. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Erster Band, 7. Auflage 1963, S. 77 § 12. 151 A. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Erster Band, 7. Auflage 1963, S. 77 § 12. 152 A. Hueck, KSchG 1954, § 12 Anm. 1 S. 129; Auffarth/Müller, KSchG 1960, § 12 Anm. 2 S. 205; Müller, DB 1960, 1037 (1040); vgl. Herschel, RdA 1962, 59 (59). 153 Gaul, DB 1961, 271 (273). 154 A. Hueck, KSchG 1954, § 12 Anm. 1 S. 129; Auffarth/Müller, KSchG 1960, § 12 Anm. 2 S. 205. 155 Müller, DB 1960, 1037 (1040); A. Hueck, KSchG 1954, § 12 Anm. 1 S. 129. 156 BAG NJW 1962, 73 (73). 157 BAG NJW 1962, 73 (73).
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Kap. 1: Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
Weitgehende Einigkeit bestand darin, dass die unter a) und b) aufgeführten Personen sich nicht als Arbeitnehmer qualifizieren ließen,158 die unter c) bezeichneten Personen aber als Arbeitnehmer zu werten waren.159 Mit Buchstabe c) seien solche Personen gemeint gewesen, die tatsächlich die Tätigkeit als Geschäftsführer oder Betriebsleiter ausübten;160 die rein formelle, in der Praxis gebrauchte Berufsbezeichnung war dabei nicht entscheidend.161 Die Geschäftsführer einer GmbH zählten somit nicht zu den Geschäftsführern im Sinne von § 12 c) KSchG, sondern waren gesetzliche Vertreter von juristischen Personen gemäß § 12 a) KSchG.162 Unter Geschäftsführern, Betriebsleitern und ähnlich leitenden Personen sollten stattdessen solche Beschäftigte gefasst werden, denen leitende und führende Befugnisse in einem bestimmten Bereich zukamen,163 oder die ein fachlich abgegrenztes Gebiet leiteten.164 Als Beispiele waren die Betriebs- und Abteilungsdirektoren, Abteilungsleiter oder Betriebsingenieure165 sowie kaufmännische oder technische Leiter und Leiter einer Rechtsabteilung sowie der Personalchef eines Betriebes zu nennen.166 ee) Kündigungsschutzgesetz von 1969 Die Stellung der leitenden Angestellten änderte sich schließlich mit der Stagnationsphase 1966 und 1967.167 In jenen Jahren waren zum ersten Mal auch diese Beschäftigten von Arbeitsplatzproblemen betroffen.168 Hinzu kam, dass leitende 158 A. Hueck, KSchG 1954, § 12 Anm. 2 S. 129; Müller, DB 1960, 1037 (1039); Gaul, DB 1961, 271 (272 f.); Auffarth/Müller, KSchG 1960, § 12 Anm. 1 S. 205; A. Hueck, BB 1954, 536 (536); BAG NJW 1962, 73 (73). 159 A. Hueck, KSchG 1954, § 12 Anm. 2 S. 129; Müller, DB 1960, 1037 (1039); Auffarth/ Müller, KSchG 1960, § 12 Anm. 2 S. 205; Herschel/Steinmann, KSchG 1961, § 12 Anm. 5 S. 205; A. Hueck, BB 1954, 536 (536). 160 Grüll, Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht 1951, 297; Auffarth/ Müller, KSchG 1960, § 12 Anm. 8 S. 208. 161 Grüll, Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht 1951, 297; Auffarth/ Müller, KSchG 1960, § 12 Anm. 8 S. 208; Herschel/Steinmann, KSchG 1961, § 12 Anm. 5 S. 205, entscheidend sei Verkehrsauffassung. 162 Vgl. A. Hueck, KSchG 1954, § 12 Anm. 3 S. 129; Grüll, Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht 1951, 297; Herschel/Steinmann, KSchG 1961, § 12 Anm. 3 S. 204; Auffarth/Müller, KSchG 1960, § 12 Anm. 4 S. 206. 163 Grüll, Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht 1951, 297; A. Hueck, KSchG 1954, § 12 Anm. 5 S. 130; Herschel/Steinmann, KSchG 1961, § 12 Anm. 5 S. 205; Auffarth/Müller, KSchG 1960, § 12 Anm. 8 S. 208. 164 A. Hueck, KSchG 1954, § 12 Anm. 5 S. 130. 165 Grüll, Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht 1951, 297. 166 A. Hueck, KSchG 1954, § 12 Anm. 5 S. 130; Auffarth/Müller, KSchG 1960, § 12 Anm. 8 S. 208. 167 Schipp, Die Stellung des leitenden Angestellten im Kündigungsschutzprozeß, 1992, S. 23. 168 Hromadka, Das Recht der leitenden Angestellten, 1979, S. 242.
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Angestellte oftmals keine gesetzliche Rentenversicherung, sondern nur eine betriebliche Altersversorgung hatten; mit Ausscheiden aus dem Unternehmen war gleichzeitig ein Verlust ihrer Versorgungsansprüche verbunden.169 Auch das Finden einer adäquaten Anstellung gestaltete sich, speziell für ältere Leitende, nicht unproblematisch.170 Aus diesen Gründen verabschiedete die Bundesregierung am 18. 12. 1968 den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Bereinigung arbeitsrechtlicher Vorschriften.171 Dieser sah vor, auch leitenden Angestellten Kündigungsschutz zukommen zu lassen; sie sollten damit fortan in den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes einbezogen werden, nicht jedoch ohne ihnen das Recht zu verwehren, Einspruch gegen eine Kündigung beim Betriebsrat einlegen zu können172 sowie zu normieren, dass ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers im Falle einer unwirksamen Kündigung nicht zu begründen ist.173 Am 24. 02. 1969 beschloss der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates das neue Kündigungsschutzgesetz.174 § 12 des Kündigungsschutzgesetzes wurde dabei wie folgt geändert: a) Der bisherige § 12 Abs. 1 Ziffer c wird gestrichen. b) „Es wird folgender Absatz 2 angefügt: „(2) Auf Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, sind die §§ 2 und 7 Abs. 1 Satz 2 nicht anzuwenden. Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so hat es auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung zu verurteilen.“175
In dem Regierungsentwurf hieß es hierzu:176 „Nach dieser Vorschrift sollen die bisher in § 12 Buchstabe c KSchG genannten leitenden Angestellten in den Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes einbezogen werden. Die neuere Entwicklung hat gezeigt, daß diese Arbeitnehmergruppe, was den Bestandsschutz des Arbeitsplatzes anbelangt, in ähnlicher Weise schutzbedürftig ist wie die übrigen Arbeitnehmer. Allerdings ist im Hinblick auf die besondere Vertrauensstellung der leitenden Angestellten nicht zu verkennen, daß der Arbeitgeber im Einzelfall ein besonderes Interesse an der Lösung ihrer Arbeitsverhältnisse haben kann. Absatz 2 ermöglicht es deshalb dem Arbeitgeber in jedem Fall, auch ohne Nachweis der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 KSchG, die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung herbeizuführen.“ 169 170
S. 23 f. 171
Hromadka, Das Recht der leitenden Angestellten, 1979, S. 242. Schipp, Die Stellung des leitenden Angestellten im Kündigungsschutzprozeß, 1992,
Vgl. BR-Drs. 705/68 v. 30. 12. 1968, o. S. Vgl. BR-Drs. 705/68 v. 30. 12. 1968, S. 3 zu Art. 1 Nr. 9 und BT-Drs. 01/2384 v. 21. 01. 1951, S. 3 § 12. 173 BR-Drs. 705/68 v. 30. 12. 1968, S. 3 zu Art. 1 Nr. 9. 174 Vgl. BT-Drs. 05/3913 v. 24. 02. 1969, S. 1 und 2. 175 BT-Drs. 05/3913 v. 24. 02. 1969, S. 3 zu Art. 1 Nr. 9. 176 BT-Drs. 05/3913 v. 24. 02. 1969, S. 9 zu Art. 1 Nr. 9. 172
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Kap. 1: Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
Spätere sprachliche Veränderungen des Wortlautes des § 12 KSchG führten zu keiner sachlichen Änderung der Vorschrift.177 Das Kündigungsschutzgesetz wurde am 14. 08. 1969 verkündet178 und schließlich am 25. 08. 1969 in neuer Paragraphenfolge bekanntgemacht.179 Leitende Angestellte genossen ab sofort Kündigungsschutz, welcher jedoch bis heute nur einen Abfindungsschutz und keinen Bestandsschutz darstellt. b) Bewertung Bei Betrachtung der geschichtlichen Entwicklung des Kündigungsschutzes fällt auf, dass den Gesetzesmaterialien für die Nichteinbeziehung oder Einbeziehung von GmbH-Geschäftsführern in den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes auf den ersten Blick nicht viel Aussagekraft zukommt. Warum sich am Ende aber doch aus der Entstehung des Kündigungsschutzgesetzes ableiten lässt, wer unter Geschäftsführern im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG zu verstehen ist, wird sich aus den folgenden Ausführungen ergeben. aa) Betriebsrätegesetz 1920 Den Anfang der Entwicklung des Kündigungsschutzgesetzes bildet das Betriebsrätegesetz von 1920. Dieses sah vor, alle Vorstandsmitglieder, gesetzlichen Vertreter von juristischen Personen und Personengesamtheiten sowie die Geschäftsführer nicht als Angestellte im Sinne des Gesetzes zu betrachten, mit der Folge der Unanwendbarkeit der Kündigungsschutzbestimmungen.180 Problematisch ist, ob überhaupt und welche Schlüsse man aus dieser Gesetzgebung in Bezug auf das jetzige Verhältnis von § 14 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 KSchG ziehen kann. Hintergrund des Betriebsrätegesetzes 1920 war die primäre Regelung der Betriebsverfassung. Der damalige Gesetzgeber vertrat die Ansicht, dass die Personengruppe der Vorstandsmitglieder, gesetzlichen Vertreter von juristischen Personen und Personengesamtheiten und der Geschäftsführer aufgrund der Wahrnehmung von Arbeitgeberbefugnissen nicht einer Interessenvertretung der Arbeitnehmer angehören konnte.181 Folglich waren die leitenden Angestellten durch die Vorschrift des § 12 Abs. 2 BRG 1920, welche allgemein den Anwendungsbereich des Gesetzes normierte, vom Geltungsbereich des Betriebsrätegesetzes ausgeschlossen. Dies führte automatisch zu einem Ausschluss dieser Beschäftigten von den Kündigungsschutzvorschriften, da jene keine Ausnahmevorschrift zu dem Geltungsbereich des § 12 BRG 1920 enthielten. Den Gesetzesmaterialien ließ sich zwar lediglich entnehmen, warum 177
Vgl. BT-Drs. 05/4376 v. 12. 06. 1969, S. 2 zu Art. 1 Nr. 9 b) und S. 9 zu Art. 1 Nr. 9. BGBl. v. 16. 08. 1969 Nr. 75, Teil I, S. 1106 und 1111; in Kraft getreten am 01. 09. 1969 – siehe BGBl. v. 16. 08. 1969 Nr. 75, Teil I, S. 1111 Art. 9. 179 BGBl. v. 27. 08. 1969 Nr. 83, Teil I, S. 1317 ff. 180 Siehe unter Kap. 1 C. III. 3. a) aa). 181 Siehe unter Kap. 1 C. III. 3. a) aa) (1). 178
C. Stellungnahme
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Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder sowie gesetzliche Vertreter juristischer Personen nicht vom Anwendungsbereich des Betriebsrätegesetzes erfasst werden sollten, nicht aber warum ihnen kein Kündigungsschutz zukommen konnte. Aufgrund der Tatsache jedoch, dass auch der Kündigungsschutz zum damaligen Zeitpunkt kollektivrechtlich statt individualrechtlich durch ein Einspruchsrecht des Betriebsrates gegen sozial ungerechtfertigte Kündigungen geregelt war und Arbeitnehmer sich damit nur mit Hilfe des Betriebsrates gegen eine Kündigung wenden konnten, musste den besagten Personen der Kündigungsschutz verwehrt bleiben. Eine Wahrung ihrer Interessen durch den Betriebsrat war nach Ansicht des Gesetzgebers nicht möglich.182 Das Kündigungsschutzgesetz von 1969, welches schließlich einer bestimmten Gruppe leitender Angestellter bewusst einen zumindest eingeschränkten Kündigungsschutz zukommen lässt, ist im Vergleich zu den Kündigungsschutzbestimmungen des Betriebsrätegesetzes 1920 ein von der Betriebsverfassung abgekoppeltes, eigenständiges Gesetz, welches den Schutz der Beschäftigten gegen sozial ungerechtfertigte Kündigungen individualrechtlich ausgestaltet. Dem Ausschluss sämtlicher leitender Angestellter und der Differenzierung zwischen den Vorstandsmitgliedern, gesetzlichen Vertretern von juristischen Personen und Personengesamtheiten sowie den Geschäftsführern im Betriebsrätegesetz 1920 muss folglich eine andere legislative Zielvorstellung zugrunde gelegen haben als dem Kündigungsschutzgesetz von 1969. Demnach können die Gedanken des Gesetzgebers vom Betriebsrätegesetz 1920, Vorstandsmitgliedern, gesetzlichen Vertretern von juristischen Personen und Geschäftsführern keinen Kündigungsschutz zu gewähren, nicht mit den Gedanken gleichgesetzt werden, die den Gesetzgeber letztlich dazu bewogen haben, einen Teil der leitenden Angestellten in den Schutz einzubeziehen, Organmitgliedern jedoch sämtlichen Kündigungsschutz zu verwehren. Auch lässt sich der Gesetzesbegründung zum Betriebsrätegesetz 1920, ebenso wenig wie der zum Kündigungsschutzgesetz 1969, entnehmen, welche Personen der Gesetzgeber als Geschäftsführer verstanden wissen wollte.183 Zwar normierte § 12 Abs. 2 BRG 1920, dass als Geschäftsführer und Betriebsleiter diejenigen galten, die zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung berechtigt waren oder die Prokura beziehungsweise Generalvollmacht besaßen. Die Voraussetzungen konnten im Einzelfall jedoch auch von GmbH-Geschäftsführern erfüllt werden. Warum das Betriebsrätegesetz zwischen Vorstandsmitgliedern, gesetzlichen Vertretern von juristischen Personen sowie Geschäftsführern unterschied und das Kündigungsschutzgesetz 1969 zwischen Organmitgliedern und Geschäftsführern differenziert, kann aus der anfänglichen Entstehungsgeschichte des Kündigungsschutzes nicht geschlussfolgert werden. Im Ergebnis ist der Integrierung der Kündigungsschutzbestimmungen in das kollektive Gesetz des Betriebsrätegesetzes 1920 keine Aussagekraft dahingehend zu 182 183
Siehe unter Kap. 1 C. III. 3. a) aa) (1). Siehe unter Kap. 1 C. III. 3. a) aa) (1) und C. III. 3. a) ee).
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Kap. 1: Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
entnehmen, wie der heutige § 14 Abs. 1 und 2 KSchG (früher § 12 KSchG 1969) hinsichtlich der nicht klaren Formulierung des Kündigungsschutzes für GmbHGeschäftsführer zu verstehen ist. Allein die Tatsache, dass nach Ansicht der Literatur Geschäftsführer und Betriebsleiter nicht zwangsläufig solche sein mussten, die auch tatsächlich so bezeichnet wurden und mit Geschäftsführern nicht welche einer GmbH gemeint waren,184 spricht dafür, dass schon damals als Geschäftsführer im Sinne der Vorschrift andere zu qualifizieren waren als GmbH-Geschäftsführer. bb) Zeit des Nationalsozialismus – Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit 1934 Nach dem Ende der Weimarer Republik und dem Beginn des Nationalsozialismus änderten sich die Bestimmungen über den Kündigungsschutz. Das Betriebsrätegesetz 1920 wurde durch das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit abgelöst. Fortan waren alle Arbeitnehmer und Angestellten rechtlich gleich gestellt, so dass leitende Angestellte erstmals Kündigungsschutz genossen. Das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit führte zwar in diesem Zusammenhang nicht auf, wer als leitender Angestellter anzusehen war, es unterschied in § 1 AOG aber zwischen Führern des Betriebes und der Gefolgschaft.185 Zur Gefolgschaft zählten gemäß § 1 AOG Arbeiter und Angestellte, welche gemäß § 56 AOG Kündigungsschutz geltend machen konnten. Aufgrund einer fehlenden Regelung zu den leitenden Angestellten wurden diese unter die Begriffe Arbeiter und Angestellte subsumiert.186 Führer eines Betriebes waren die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen (§ 3 AOG).187 Hierzu wurden die GmbH-Geschäftsführer gerechnet.188 Aus der Systematik des Gesetzes ließ sich schließen, dass nur der Gefolgschaft und nicht den Führern, insofern nicht gesetzlichen Vertretern und damit Geschäftsführern, Kündigungsschutz zukommen sollte. Das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit muss demnach von einer Differenzierung von leitenden Angestellten und gesetzlichen Vertretern in Gestalt von GmbH-Geschäftsführern ausgegangen sein. Einen Rückschluss auf den Willen des Gesetzgebers von 1969 sollte jedoch, wenn überhaupt, aufgrund der stark ideologisch geprägten Zeit, nur mit äußerster Vorsicht erfolgen.189 Aus diesem Grund ist an dieser Stelle nicht näher auf die mögliche Intention des (NS-)Gesetzgebers einzugehen und das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit für die Beurteilung,
184
Siehe unter Kap. 1 C. III. 3. a) aa) (2). Vgl. RGBl. v. 23. 01. 1934 Nr. 7, Teil I, S. 45 § 1. 186 A. Hueck/Nipperdey/Dietz, AOG 1943, § 56 Anm. 3 S. 689; Mansfeld, AOG 1943, § 56 Anm. 11 S. 178. 187 RGBl. v. 23. 01. 1934 Nr. 7, Teil I, S. 45 § 3. 188 Mansfeld, AOG 1943, § 56 Anm. 12 S. 178; A. Hueck/Nipperdey/Dietz, AOG 1943, § 3 Anm. 3 S. 64; siehe auch schon Mansfeld, AOG o. J. [1934], S. 13. 189 Stelljes, Zu Grundlage und Reichweite des allgemeinen Kündigungsschutzes, 2002, S. 25 5. Kap.; Bengelsdorf, in: 50 Jahre BAG, S. 331 (338). 185
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wer nach dem heutigen Kündigungsschutzgesetz mit Geschäftsführern im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG gemeint ist, außen vor zu lassen. cc) Frühe Nachkriegszeit Auch der Zeit nach dem Ende des Nationalsozialismus kann keine Aussagekraft bezüglich der heutigen Regelung des § 14 Abs. 2 KSchG entnommen werden. Weder die verschiedenen Kündigungsschutzregelungen in den Ländern, noch die Entwürfe des Wirtschaftsrates sowie der Hattenheimer-Besprechungen enthielten eine Begründung zu der Frage, warum bereits früher zwischen gesetzlichen Vertretern und Geschäftsführern differenziert und ihnen kein Kündigungsschutz gewährt wurde. dd) Erstes Kündigungsschutzgesetz 1951 Mit dem einheitlichen Kündigungsschutzgesetz von 1951, welches für die Bundesrepublik Deutschland Geltung beanspruchte, waren leitende Angestellte ebenfalls gänzlich von den Kündigungsschutzbestimmungen ausgenommen. Der Gesetzgeber verwies hierzu in seiner Gesetzesbegründung auf das Betriebsrätegesetz von 1920, ohne nähere Ausführungen dazu, warum sowohl gesetzliche Vertreter juristischer Personen als auch Geschäftsführer keinen Kündigungsschutz genießen sollten.190 Dies ist aus heutiger Sicht zu kritisieren, da das Kündigungsschutzgesetz 1951 den Kündigungsschutz individualrechtlich statt wie das Betriebsrätegesetz kollektivrechtlich regelte. Durch die Neufassung des Kündigungsschutzgesetzes konnten sich Arbeitnehmer selbst gegen eine Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses zur Wehr setzen (vgl. §§ 1 und 3 KSchG 1951),191 ohne auf die Mitwirkung des Betriebsrates angewiesen zu sein. Der Gesetzgeber von 1951 konnte sich damit grundsätzlich nicht, wie der Gesetzgeber zum Betriebsrätegesetz 1920, auf die Begründung der nicht möglichen Wahrnehmung von Interessen der leitenden Angestellten durch eine Arbeitnehmervertretung berufen. Folglich müssen die legislativen Zielvorstellungen andere gewesen sein. Es wäre somit wünschenswert gewesen, wenn der Gesetzgeber sich dazu positioniert hätte, warum er die Auffassung vertrat, dass leitende Angestellte, wie schon zur Zeit der Weimarer Republik, keinen Kündigungsschutz haben sollten. Darüber hinaus ist die Gesetzesbegründung hinsichtlich des unterschiedlichen Wortlautes der Vorschriften des § 12 Abs. 2 BRG 1920 und des § 12 KSchG 1951 nicht konsequent, wenn sie sagt: „der Entwurf folgt dem BRG 1920“.192 Dem Kündigungsschutzgesetz 1951 kann somit im Ergebnis keine Aussagekraft darüber entnommen werden, warum § 12 KSchG 1969 (heute § 14 KSchG), wie schon § 12 KSchG 1951, zwischen gesetzlichen Vertretern juristischer Personen und Geschäftsführern differenziert, ersteren aber kein Kündi190 191 192
Siehe unter Kap. 1 C. III. 3. a) dd) (1). BT-Drs. 01/2384 v. 21. 06. 1951, S. 2 f. §§ 1 und 3. Siehe unter Kap. 1 C. III. 3. a) dd) (1).
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gungsschutz zukommt. Auch die Bemühungen des Schrifttums und der Rechtsprechung, eine Antwort auf die Frage zu finden, warum leitende Angestellte keinen Kündigungsschutz genießen sollten,193 lassen keine Schlüsse auf die heutige Konzeption des § 14 KSchG zu. Lediglich die Tatsache, dass bei der Qualifizierung von Geschäftsführern im Sinne des § 12 c) KSchG 1951 die Literatur nicht auf die in der Praxis gebrauchte Berufsbezeichnung abstellte und GmbH-Geschäftsführer zu den gesetzlichen Vertretern statt den Geschäftsführern zählten,194 spricht dafür, GmbHGeschäftsführer nicht als von § 14 Abs. 2 KSchG erfasst anzusehen. ee) Kündigungsschutzgesetz von 1969 – Schutzbedürftigkeit leitender Angestellter Die rechtliche Stellung leitender Angestellter änderte sich mit Erlass des Kündigungsschutzgesetzes von 1969. Dieses sieht bis heute vor, Geschäftsführern, Betriebsleitern und ähnlichen leitenden Angestellten gemäß § 14 Abs. 2 KSchG einen eingeschränkten Kündigungsschutz zu gewähren. Grund war die Erkenntnis des Gesetzgebers, dass leitende Angestellte hinsichtlich des Bestandes ihres Arbeitsplatzes wie andere Arbeitnehmer schutzbedürftig sind.195 Nicht unproblematisch ist jedoch, wer unter den Begriff leitende Angestellte zu fassen ist. Nach der Konzeption des Gesetzes genießen Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung berechtigt sind, Kündigungsschutz. Offen ist dabei zunächst, warum der Gesetzgeber sich dazu entschied, die Worte „ähnliche leitende Personen“ in der Fassung von 1951 durch die Formulierung „ähnliche leitende Angestellte“ auszutauschen.196 Hier können nur Spekulationen dahingehend angestellt werden, wie diese Änderung zu werten ist, weil sich der Gesetzgeber selber nicht äußerte. Da Spekulationen aber nicht zu einer Lösung des Problems beitragen, soll eine Auseinandersetzung mit dieser Problematik unterbleiben. Wichtiger ist vielmehr die Beantwortung der Frage, was der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang unter Geschäftsführern verstand. Dies kann aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht geschlossen werden, da der Gesetzgeber auf eine gesetzliche Definition des Begriffs des Geschäftsführers verzichtete. Er sprach in seiner Begründung jedoch von einem notwendigen Schutz leitender Angestellter und verwendete die Formulierung „dass diese Arbeitnehmergruppe (…) schutzbedürftig ist“.197 Hieraus könnte abgeleitet werden, dass mit leitenden Angestellten nicht Geschäftsführer einer GmbH gemeint waren, wenn GmbH-Geschäftsführer zu dieser Zeit nicht als Arbeitnehmer angesehen wurden. 193 194 195 196 197
Siehe unter Kap. 1 C. III. 3. a) dd) (2). Siehe unter Kap. 1 C. III. 3. a) dd) (3). Siehe unter Kap. 1 C. III. 3. a) ee). Siehe unter Kap. 1 C. III. 3. a) dd) und C. III. 3. a) ee). BT-Drs. 05/3913 v. 24. 02. 1969, S. 9 zu Art. 1 Nr. 9.
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(1) Arbeitnehmerbegriff Ende der 60er Jahre Ende der 60er Jahre war der Arbeitnehmerbegriff durch die Rechtsprechung dahingehend kontingentiert, dass als Arbeitnehmer solche Personen galten, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages Arbeit für einen anderen leisteten.198 Maßgebend war dabei schon früher eine persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten,199 die sich insbesondere durch eine Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber wiederspiegelte.200 (2) Auffassungen in der Literatur und Rechtsprechung zur Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern Sowohl die Literatur als auch die Rechtsprechung verneinten damals eine Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern mit dem Argument der Ausübung von Arbeitgeberbefugnissen.201 Diejenigen Ansichten, welche bei der Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern zwischen den verschiedenen Arten von Geschäftsführern differenzieren, haben sich erst Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre herausgebildet. Nur einige wenige Stimmen in der Literatur haben bereits in den 60er Jahren und damit vor Entstehung des Kündigungsschutzgesetzes von 1969 eine Arbeitnehmereigenschaft von Geschäftsführern einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung thematisiert.202 Eine Auseinandersetzung mit diesen Ansichten soll zeigen, ob der Gesetzgeber von 1969 schon eine Differenzierung von Fremdund Gesellschafter-Geschäftsführern vor Augen hatte oder er allgemein die Schutzbedürftigkeit von GmbH-Geschäftsführern ablehnte und damit auf diese Weise der Rechtsprechung und Literatur folgte, diese Beschäftigten nicht als Arbeitnehmer zu betrachten. (a) Kritische Auseinandersetzung mit der Mindermeinung Bereits im Jahre 1927 wurde von Molitor die rechtliche Qualifizierung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft als Nichtarbeitnehmer in Frage gestellt.203 Er vertrat die Auffassung, dass diese Organmitglieder durchaus abhängig 198 LAG Saarland Urteil v. 22. 09. 1965 – 2 Sa 45/64, BeckRS 1965, 31159293; OLG München NJW 1966, 1418 (1419). 199 BAG NJW 1961, 2085 (2085); BAG NJW 1967, 1982 (1982); OLG München NJW 1966, 1418 (1419); LAG Düsseldorf DB 1953, 192. 200 BAG NJW 1961, 2085 (2085); BAG NJW 1967, 1982 (1982); OLG München NJW 1966, 1418 (1419). 201 Auffarth/Müller, KSchG 1960, § 12 Anm. 1, 4 S. 205 f.; A. Hueck, KSchG 1954, § 12 Anm. 2 f. S. 129; A. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Erster Band, 7. Auflage 1963, S. 80 § 12; vgl. Gaul, DB 1961, 271 (272); Dersch, RdA 1951, 212 (216), Verneinung einer persönlichen Abhängigkeit; BGH NJW 1968, 396. 202 Vgl. Trinkhaus, DB 1968, 1756 (1758 f.); Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, 2. Auflage 1927, S. 35 f.; Carolsfeld, Arbeitsrecht, 2. Auflage 1954, S. 27 § 1. 203 Molitor, in: FS für Ehrenberg, S. 5 (24 ff.).
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Kap. 1: Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
sein könnten und sich somit als Arbeitnehmer bewerten ließen.204 Zur Begründung führte er an, dass eine Abhängigkeit aus den Weisungen resultiere, denen die Vorstandsmitglieder seitens der anderen Organe der Aktiengesellschaft unterliegen würden.205 Im Ergebnis rechnete Molitor die Vorstandsmitglieder zwar zu den Arbeitnehmern, konstatierte aber gleichzeitig, dass besondere Umstände des Einzelfalls nicht selten zu einer anderen Beurteilung führen würden und die Arbeitnehmereigenschaft dieser Beschäftigten aus diesem Grund verneint werden müsste.206 Welche Umstände dies waren, benannte der Autor nicht explizit.207 Er stellte darauf ab, dass es angesichts der unterschiedlichen Arbeitnehmerbegriffe in den verschiedenen Gesetzen nicht möglich sei, eine allgemeingültige Aussage zu treffen.208 In der Gesamtschau kann die Auffassung von Molitor nicht dazu beigetragen haben, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des Kündigungsschutzgesetzes von 1969 die Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern bejahte. Zum einen behandelte Molitor ausschließlich die Arbeitnehmereigenschaft von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft und gerade nicht die von Geschäftsführern einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Zum anderen erkannte Molitor selbst, dass in sehr vielen Fällen tatsächlich keine Abhängigkeit der Vorstandsmitglieder von der Aktiengesellschaft gegeben war, da sie nur in geringem Umfang an Weisungen gebunden waren.209 1968 bezweifelte vor allem Trinkhaus, dass alle Organmitglieder juristischer Personen nicht als Arbeitnehmer bewertet werden können. Als Begründung führte er an, dass die Wahrnehmung von Arbeitgeberbefugnissen durch die Geschäftsführer einer Arbeitnehmerstellung dieser Personengruppe im Innenverhältnis nicht entgegenstehen könne.210 Durch die Weisungen der Gesellschafterversammlung, denen die Geschäftsführer unterliegen würden, sei das Direktionsrecht so ausgestaltet, dass die Geschäftsführer auf ein Vollzugsorgan der Gesellschaft reduziert würden oder sie jedoch nicht die Möglichkeit hätten, ihre Arbeitsleistung selbstständig zu bestimmen.211 Nicht als Arbeitnehmer bewertete er allerdings die Gesellschafter-Geschäftsführer, wenn sie durch ihre Beteiligung am Stammkapital einen erheblichen Einfluss auf die Abläufe der Gesellschaft hatten, indem sie Geschäftsanteile in Höhe der Hälfte des Stammkapitals besaßen oder Beschlüsse nicht ohne ihre Zustimmung gefasst werden konnten.212 204
Molitor, in: FS für Ehrenberg, S. 5 (31 f.). Molitor, in: FS für Ehrenberg, S. 5 (30 f.). 206 Molitor, in: FS für Ehrenberg, S. 5 (32). 207 Vgl. Molitor, in: FS für Ehrenberg, S. 5 (31 f.), ein alleiniges Abstellen auf die überwiegende Kapitalbeteiligung sei nicht möglich. 208 Molitor, in: FS für Ehrenberg, S. 5 (33). 209 Molitor, in: FS für Ehrenberg, S. 5 (31). 210 Trinkhaus, DB 1968, 1756 (1758). 211 Trinkhaus, DB 1968, 1756 (1759). 212 Trinkhaus, DB 1968, 1756 (1759). 205
C. Stellungnahme
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Der Ansicht von Trinkhaus kann allein das Argument entnommen werden, dass für die Geschäftsführer ein arbeitsrechtliches Direktionsrecht gilt, weil sie durch die Weisungen der Gesellschafterversammlung zu einem reinen Vollzugsorgan werden oder über ihre Tätigkeit zumindest nicht selbst entscheiden können. Dem ist zum ersten entgegen zu halten, dass die Begründung, Geschäftsführer werden zu einem bloßen Vollzugsorgan, nicht überzeugt, weil die Gesellschafter nicht bei sämtlichen Handlungen der Geschäftsführer Weisungen erteilen und es zudem immer auch einen Zuständigkeitsbereich der Geschäftsführer gibt, bei dem sie an keinerlei Weisungen seitens der Gesellschafterversammlung gebunden sind.213 Zum zweiten ist nicht verständlich, wie das gesellschaftsrechtliche Weisungsrecht automatisch ein arbeitsrechtliches Direktionsrecht begründen soll. Alles in allem ließ Trinkhaus eine fundierte Auseinandersetzung mit der Problematik der Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern missen, so dass seiner Ansicht im Ergebnis nicht gefolgt werden konnte. Trinkhaus verwies in seinen Ausführungen auf drei weitere Literaturstimmen, die seiner Meinung nach ebenfalls eine Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern teilweise bejahten.214 Zunächst berief er sich auf die Ansicht von Nikisch. Hierbei ist jedoch festzustellen, dass Nikisch nicht die Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern anerkannte, sondern vielmehr nur die Anwendbarkeit einzelner arbeitsrechtlicher Vorschriften auf diese Beschäftigten problematisierte.215 Des Weiteren führte Trinkhaus die Auffassungen von Sinzheimer und Carolsfeld an, welche sich tatsächlich zur Arbeitnehmereigenschaft von gesetzlichen Vertretern juristischer Personen bekannten.216 Jedoch konnten auch diese Ansichten nicht überzeugen, da die Autoren keine Gründe für ihre Positionen nannten. (b) Schlussfolgerung In der Gesamtschau ist festzustellen, dass es zur Zeit der Schaffung des Kündigungsschutzgesetzes 1969 tatsächlich nur die Auffassungen von Trinkhaus, Sinzheimer und Carolsfeld gab, die eine Arbeitnehmereigenschaft von Geschäftsführern einer GmbH problematisierten und teilweise bejahten. Diese Tatsache sowie die Tatsache, dass die Ausführungen der Autoren keine aussagekräftigen Argumente enthielten, lassen letztlich erkennen, dass die Problematik der Arbeitnehmerstellung von Organmitgliedern juristischer Personen in den 60er Jahren noch nicht aktuell war und die Aufmerksamkeit erfahren hatte, wie dies später geschehen ist. Es kann somit 213 Dies galt schon in den 60er Jahren: Scholz, GmbHG 1960, § 37 Anm. 4 S. 416; siehe auch Brodmann, GmbHG 1930, § 37 Anm. 1 f. S. 153 f. 214 Vgl. Trinkhaus, DB 1968, 1756 (1757). 215 Vgl. Nikisch, Arbeitsrecht, I. Band, 3. Auflage 1961, S. 98 ff. 216 Vgl. Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, 2. Auflage 1927, S. 35 f.; Carolsfeld, Arbeitsrecht, 2. Auflage 1954, S. 27 § 1, grundsätzlich Bejahung eines Arbeitsverhältnisses bei gesetzlichen Vertretern, zu denen beispielsweise die Geschäftsführer einer GmbH zählten (vgl. S. 462 § 12).
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davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die vereinzelten Mindermeinungen bei der Schaffung des § 14 Abs. 2 KSchG nicht berücksichtigt hat. Er ist vielmehr der nahezu einhelligen Ansicht gefolgt, GmbH-Geschäftsführer aufgrund ihrer Ausübung von Arbeitgeberbefugnissen nicht als Arbeitnehmer zu qualifizieren. Folglich rechnete der Gesetzgeber die GmbH-Geschäftsführer bei der Gesetzesbegründung des Kündigungsschutzgesetzes 1969 nicht zu den leitenden Angestellten, die ihrerseits eine Arbeitnehmereigenschaft aufwiesen und aus diesem Grunde berechtigt waren, in den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes einbezogen zu werden. c) Ergebnis Gesetzgebungsgeschichte Der Gesetzesbegründung kann entnommen werden, dass der Gesetzgeber unter den Begriff „Geschäftsführer“ im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG andere Geschäftsführer verstanden wissen wollte, als solche einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Gesetzgebungsgeschichte bestätigt auf diese Weise die Systematik des Gesetzes und schließt auf ein Begriffsverständnis des Begriffs „Geschäftsführer“, welches von dem GmbH-Geschäftsführer unterschieden werden muss. 4. Sinn und Zweck Zu untersuchen ist schließlich, ob das durch die Entstehungsgeschichte gefolgerte Begriffsverständnis des § 14 Abs. 2 KSchG auch aus der Regelung der Interessenlage abgeleitet werden kann. Hierzu ist es notwendig, den Normzweck des § 14 KSchG zu ermitteln. Nach Ansicht des Gesetzgebers ist Sinn und Zweck des § 14 Abs. 2 KSchG die Gewährung von Kündigungsschutz für leitende Angestellte, da sie wie die übrigen Arbeitnehmer schutzbedürftig sind.217 Dennoch muss den Arbeitgebern aufgrund des zwischen ihnen und den leitenden Angestellten bestehenden Vertrauensverhältnisses eine Möglichkeit verbleiben, sich unter erleichterten Voraussetzungen von den leitenden Angestellten zu lösen und damit das Rechtsverhältnis zu beenden.218 Hintergrund dessen ist die Beschäftigung der von § 14 Abs. 2 KSchG erfassten Personen in einer sogenannten Schlüsselposition sowie ihre große Bedeutung für das Unternehmen. Gerade diese Bedeutung ist es, die es Arbeitgebern ermöglichen muss, sich von solchen Beschäftigten unter weniger strengen Voraussetzungen zu trennen, wenn sie das in ihnen gesteckte Vertrauen nicht mehr erfüllen, es vielleicht sogar missbrauchen. Leitende Angestellte fällen für das Unternehmen wichtige Entscheidungen, die auch maßgeblichen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung des Betriebes haben können, so dass eine erleichterte Lösung von dieser Personengruppe 217 218
BT-Drs. 05/3913 v. 24. 02. 1969, S. 9 zu Art. 1 Nr. 9. BT-Drs. 05/3913 v. 24. 02. 1969, S. 9 zu Art. 1 Nr. 9.
C. Stellungnahme
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letztlich dazu dient, die Richtung der Unternehmensleitung regulieren zu können und deren Handlungsfähigkeit sicherzustellen.219 Die Beantwortung der Frage, ob Geschäftsführer einer GmbH vom Sinn und Zweck des § 14 Abs. 2 KSchG erfasst werden, hängt entscheidend davon ab, ob diese schutzbedürftig sind. Dies ist vorliegend zu verneinen. Der Gesetzgeber wollte nur solche leitenden Angestellten als schutzbedürftig einstufen, die als Arbeitnehmer bewertet werden können. Geschäftsführer einer GmbH sind jedoch gerade keine Arbeitnehmer im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG. Diese Beschäftigten sind nach Ansicht des Gesetzgebers vielmehr Organe einer juristischen Person gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG. Sinn und Zweck dieser Norm ist es, solchen Organmitgliedern keinen Kündigungsschutz zu gewähren, die eines solchen, aufgrund fehlender Schutzbedürftigkeit, entbehren. Diesen Normzweck legte der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung zum Kündigungsschutzgesetz 1969 zwar nicht ausdrücklich fest. Aus dem Normzweck des § 14 Abs. 2 KSchG, schutzbedürftigen leitenden Angestellten einen partiellen Kündigungsschutz zukommen zu lassen, kann jedoch im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die in § 14 Abs. 1 KSchG genannten Beschäftigten gerade nicht als schutzbedürftig einzustufen sind, um in den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes einbezogen werden zu können. Der Gesetzgeber hat vielmehr Organe aus dem Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ausklammern wollen und sich insoweit für eine Zweiteilung der Vorschrift des § 14 KSchG entschieden. Sinn und Zweck des § 14 Abs. 2 KSchG verbieten es daher, unter den Begriff „Geschäftsführer“ solche einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu fassen. GmbH-Geschäftsführer wollte der Gesetzgeber durch § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG vom Kündigungsschutz ausschließen, da sie nicht als Arbeitnehmer qualifiziert werden können und somit nicht wie die übrigen Arbeitnehmer schutzbedürftig sind. 5. Ergebnis Zusammenfassend ist festzustellen, dass mit Geschäftsführern im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG nicht Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemeint sind. Zwar lässt der Wortlaut der Vorschrift keine klaren Ergebnisse zu, jedoch kann sowohl aus der Systematik des Gesetzes als auch der Entstehungsgeschichte sowie aus dem Sinn und Zweck der Norm auf ein Begriffsverständnis geschlussfolgert werden, welches besagt, dass von den Begriff „Geschäftsführer“ im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG andere Geschäftsführer erfasst sind als solche einer GmbH.
219
Schwab/Kaiser, AR-Blattei SD, 70.2 Rn. 34.
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Kap. 1: Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
IV. Ergebnis Stellungnahme Findet § 14 Abs. 2 KSchG auf GmbH-Geschäftsführer keine Anwendung, kommt die Regelung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG zum Tragen. Die gesetzlichen Vertreter im Sinne der §§ 6, 35 GmbHG sind damit vom Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ausgeschlossen, unabhängig davon, ob ihr Anstellungsvertrag ein Dienstvertrag oder ein Arbeitsvertrag ist. Die in der Literatur und der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortete Frage nach der Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern muss folglich nicht entschieden werden.
D. Gesamtergebnis Kapitel 1 Die Ausführungen des ersten Kapitels haben gezeigt, dass GmbH-Geschäftsführer aufgrund der Regelung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz genießen. Dies ist abgesehen davon der Fall, ob ihr Anstellungsverhältnis mit einem Großteil der Stimmen in der Rechtsprechung und Literatur als Dienstvertrag oder mit anderen Stimmen in der Literatur als Arbeitsvertrag zu bewerten ist. Entscheidend ist die Organstellung der Geschäftsführer, die sie durch die Bestellung zum Organmitglied erlangen. Als Ergebnis einer grammatikalischen, systematischen, historischen und teleologischen Auslegung findet § 14 Abs. 2 KSchG auf GmbH-Geschäftsführer keine Anwendung, so dass der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht für GmbH-Geschäftsführer eröffnet ist.
Kapitel 2
GmbH-Geschäftsführer als „kündigungsrechtliches Freiwild“ – Lösungsmöglichkeiten GmbH-Geschäftsführer genießen im Falle einer ordentlichen Kündigung keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Dies hat zur Folge, dass ihr Anstellungsverhältnis jederzeit, unter Beachtung der gesetzlichen Mindestkündigungsfristen, kündbar ist, ohne dass die Gesellschaft hierfür Gründe darlegen muss. Ein einfacher Satz wie: „Wir möchten mit Ihnen nicht länger zusammenarbeiten.“ genügt als Trennungsgrund.1 Da auch die Abberufung der Geschäftsführer als Organ gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich keine Gründe voraussetzt, werden GmbHGeschäftsführer nicht selten als „kündigungsrechtliches Freiwild“ bezeichnet.2 Um den fehlenden Kündigungsschutz der Geschäftsführer auszugleichen respektive abzumildern und somit ihre rechtliche Stellung zu verbessern, bedient man sich in der Praxis verschiedener vertraglicher Gestaltungsvarianten. Dabei ist zwischen zwei Konstellationen zu unterscheiden. Zum einen gibt es bei der Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes die Möglichkeit, den Anstellungsvertrag der Geschäftsführer so auszugestalten, dass sie im Falle einer Beendigung ihrer Geschäftsführertätigkeit nicht völlig schutzlos gestellt sind. Zum anderen existieren durchaus Fälle, bei denen, im Gegensatz zu dem im ersten Kapitel gefundenen Ergebnis, das Kündigungsschutzgesetz Geltung erlangt.
A. Vertragliche Gestaltungsvarianten zum Ausgleich des fehlenden Kündigungsschutzes Zur Abmilderung der Stellung des GmbH-Geschäftsführers als sogenanntes kündigungsschutzrechtliches Freiwild werden in der Praxis nicht selten Anstellungsverträge vereinbart, die dem Organmitglied einen gewissen Schutz gewähren sollen.
1 2
Diller, NZG 2011, 254 (254). Diller, NZG 2011, 254 (254).
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Kap. 2: GmbH-Geschäftsführer als „kündigungsrechtliches Freiwild“
I. Befristeter Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers Die erste Möglichkeit ist dabei die Vereinbarung eines befristeten Anstellungsverhältnisses zwischen der GmbH und dem Geschäftsführer.3 Hierbei wird der schuldrechtliche Vertrag, der Grundlage der Geschäftsführertätigkeit ist, befristet, mithin für einen ganz bestimmten Zeitraum abgeschlossen. Aus einem Umkehrschluss aus § 620 Abs. 2 BGB ergibt sich, dass dieser Vertrag während seiner Laufzeit nicht ordentlich kündbar ist.4 Dies bedeutet für den Geschäftsführer, dass er sich grundsätzlich von vornherein darauf einstellen kann, wie lange seine Geschäftsführertätigkeit dauern wird. Der Gesellschaft verbleibt nur die Beendigung des Anstellungsverhältnisses durch eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB, welche an strenge Voraussetzungen geknüpft ist.5 Die Vereinbarung eines befristeten Anstellungsvertrages ist ohne Weiteres möglich. Insbesondere ist kein sachlicher Grund erforderlich, welcher die Befristung rechtfertigen müsste, da das Teilzeit- und Befristungsgesetz auf Geschäftsführeranstellungsverträge keine Anwendung findet.6 Üblich ist in der Praxis oftmals der Abschluss von Drei- oder Fünfjahresverträgen.7 Bei einer paritätisch nicht mitbestimmten GmbH steht es den Parteien sogar frei, ein befristetes Vertragsverhältnis über die Dauer von fünf Jahren hinaus zu vereinbaren, da das GmbH-Recht keine dem § 84 Abs. 1 S. 5 AktG vergleichbare Vorschrift enthält, die den Parteien eine zeitliche Höchstgrenze vorschreiben würde.8
II. Vereinbarung längerer Kündigungsfristen Eine zweite Variante zur Verbesserung der kündigungsschutzrechtlichen Stellung von GmbH-Geschäftsführern ist die Vereinbarung längerer Kündigungsfristen.9 In diesem Fall schließen die GmbH und der Geschäftsführer einen unbefristeten An3 Fröhlich/Schelp, ArbRB 2010, 379 (379); Diller, NZG 2011, 254 (255); MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 399; Jaeger, DStR 2010, 2312 (2313). 4 Fröhlich/Schelp, ArbRB 2010, 379 (379); Diller, NZG 2011, 254 (255); Baumbach/ Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 242; Ascheid/Preis/Schmidt/Preis, Kündigungsrecht, Grundlagen F. Rn. 4; BAG NJW 1981, 246 (247); vgl. BGH NJW 1999, 3263 (3264). 5 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2313); MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 399. 6 Fröhlich/Schelp, ArbRB 2010, 379 (379); Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, S. 387 Rn. 14; siehe ebenso BGH NJW 2002, 3104 (3105), der eine Anwendbarkeit des Teilzeit- und Befristungsgesetzes mit der Begründung verneint, dass ein Geschäftsführer ohnehin keinen Kündigungsschutz innehabe und aufgrund dessen „hieraus auch keinen Bestandsschutz für seinen Anstellungsvertrag herleiten“ könne. 7 Vgl. Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (710). 8 MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 400; vgl. auch Fröhlich/Schelp, ArbRB 2010, 379 (379). 9 Fröhlich/Schelp, ArbRB 2010, 379 (379 f.); Diller, NZG 2011, 254 (255); Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (710).
A. Vertragliche Gestaltungsvarianten
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stellungsvertrag.10 Jedoch richtet sich die Kündigungsfrist nicht nach den gesetzlichen Vorschriften, sondern die Parteien sind frei darin zu bestimmen, wie lang die Kündigungsfrist tatsächlich sein soll. Möglich wäre beispielsweise eine sechs- oder neunmonatige Kündigungsfrist oder eine Bestimmung, die eine Frist bis zum Quartals- oder Jahresende vorsieht.11 Weiterhin denkbar ist eine Kündigungsfrist von 12, 18 oder 24 Monaten.12 Der Geschäftsführer erlangt in einer solchen Konstellation zwar keinen Bestandsschutz, aber doch eine gewisse Absicherung dahingehend, dass er innerhalb kürzester Zeit mit dem Ende seines Geschäftsführeranstellungsverhältnisses konfrontiert wird. In engem Zusammenhang hiermit steht die Alternative, die ordentliche Kündigung für einen bestimmten Zeitraum gänzlich auszuschließen.13 Dann vereinbaren die Parteien des unbefristeten Anstellungsverhältnisses, dass dieses beispielsweise für zwei Jahre nicht ordentlich, sondern nur außerordentlich kündbar ist.14 In einem solchen Fall erhält der GmbH-Geschäftsführer die Sicherheit, dass er für einen festgelegten Zeitraum seine schuldrechtlichen Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag definitiv geltend machen kann, auch wenn die Gesellschaft ihn zwischenzeitlich als Organ abberufen sollte.
III. Abfindung oder Übergangsgeld Abgesehen von den soeben geschilderten Varianten gibt es ferner die Möglichkeit, dass die Gesellschaft und der Geschäftsführer die Zahlung einer Abfindung oder eines Übergangsgeldes vereinbaren.15 Bei Ersterer enthält der Anstellungsvertrag einen Anspruch auf Zahlung einer einmaligen Abfindung.16 Im Falle einer Beendigung des Anstellungsverhältnisses durch ordentliche Kündigung kann der Geschäftsführer die Zahlung des im Vertrag vereinbarten Betrages geltend machen. Die Vereinbarung eines Übergangsgeldes bedeutet, dass der Geschäftsführer nach einer ordentlichen Kündigung für einen gewissen Zeitraum eine bestimmte, im Vertrag festgelegte Summe erhält.17 Sowohl eine einmalige Abfindung als auch die Zahlung eines Übergangsgeldes sichern nicht das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers in seinem Bestand, geben ihm jedoch eine gewisse finanzielle Sicherheit.18 Beachtet 10
Fröhlich/Schelp, ArbRB 2010, 379 (380). Fröhlich/Schelp, ArbRB 2010, 379 (380). 12 Diller, NZG 2011, 254 (255). 13 Vgl. Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (710); vgl. auch Rasmussen-Bonne/Raif, ArbRAktuell 2010, 309949. 14 Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (710). 15 Diller, NZG 2011, 254 (255); Jaeger, DStR 2010, 2312 (2313); Rasmussen-Bonne/Raif, ArbRAktuell 2010, 309949. 16 Rasmussen-Bonne/Raif, ArbRAktuell 2010, 309949. 17 Diller, NZG 2011, 254 (255); vgl. Rasmussen-Bonne/Raif, ArbRAktuell 2010, 309949. 18 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2313). 11
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Kap. 2: GmbH-Geschäftsführer als „kündigungsrechtliches Freiwild“
werden sollte, dass eine derartige Vertragsgestaltung in der Praxis oftmals daran geknüpft ist, dass das Anstellungsverhältnis aus Gründen endet, die der GmbHGeschäftsführer nicht zu vertreten hat.19
B. Fälle der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes Neben den vertraglichen Gestaltungsvarianten zur Abfederung der schlechten kündigungsrechtlichen Stellung der GmbH-Geschäftsführer gibt es in der Praxis auch Konstellationen, bei denen das Kündigungsschutzgesetz zur Anwendung gelangt.
I. Ruhen des Arbeitsverhältnisses In der GmbH ist es nicht selten, dass ein Beschäftigter, der bisher als Arbeitnehmer oder leitender Angestellter in der Gesellschaft tätig war, zum Geschäftsführer bestellt wird. Problematisch ist dabei häufig, welches Schicksal das ursprüngliche Arbeitsverhältnis nimmt, wenn die Parteien keine ausdrückliche Regelung getroffen haben. Hierbei kommen zwei Möglichkeiten in Betracht: Zum einen könnte der Arbeitsvertrag mit der Bestellung des Geschäftsführers als Organ enden, zum anderen könnte dieser jedoch auch neben der Geschäftsführertätigkeit fortbestehen. Bezüglich dieser Problematik ist die Entwicklung der Rechtsprechung näher zu beleuchten, welche ihren Ursprung in den 80er Jahren fand. 1985 vertrat das Bundesarbeitsgericht die Auffassung, im Zweifel ist anzunehmen, dass das Arbeitsverhältnis des Angestellten mit der Bestellung zum Geschäftsführer bei unveränderten Vertragsbedingungen suspendiert und damit nicht endgültig beendet wird.20 Im Falle der Abberufung des Beschäftigten als Geschäftsführer erhalte das Arbeitsverhältnis wieder seinen ursprünglichen Inhalt; werde ihm nun gekündigt, seien die Gerichte für Arbeitssachen zuständig.21 In einer späteren Entscheidung, ebenfalls aus dem Jahre 1985, konstatierte das Bundesarbeitsgericht weitergehend, dass das Arbeitsverhältnis bei nicht geänderten oder nicht wesentlich geänderten Vertragsbedingungen durch die Bestellung zum Geschäftsführer lediglich ruhend gestellt werde, mithin „sachlich fortbesteht“ und nach einer eventuellen Abberufung „wieder auflebt“.22 Die Annahme, der Angestellte wolle allein durch die Geschäftsführerbestellung, trotz unwesentlich veränderter Vertragsbedingungen, seine Rechte als Arbeitnehmer aufgeben, sei weder sach- noch 19
Jaeger, DStR 2010, 2312 (2313). BAG NZA 1986, 792 (794). 21 BAG NZA 1986, 792 (794). 22 BAG ZIP 1986, 1213 (1215 f.); bestätigt und fortgeführt durch BAG NZA 1987, 845 (845 ff.). 20
B. Fälle der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes
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interessengerecht; „Davon kann nur ausgegangen werden, wenn die Parteien ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben“.23 Das Kündigungsschutzgesetz finde dann im Falle einer Kündigung nach Abberufung des Geschäftsführers in vollem Umfang Anwendung.24 Diese Rechtsprechung änderte sich in der Folgezeit, da das Bundesarbeitsgericht die Vermutungsregelung in den kommenden Jahren immer weiter einschränkte.25 Im Jahr 2000 führte das Gericht bezüglich des Ruhens des Arbeitsverhältnisses in seinem Urteil umfassend aus, dass „im Zweifel, mit Abschluss des Geschäftsführerdienstvertrages das bisherige Arbeitsverhältnis aufgehoben“ werde; eine Vermutung lege nahe, dass die Parteien neben dem Geschäftsführeranstellungsvertrag kein Arbeitsverhältnis als ruhend fortbestehen lassen wollten, auch wenn sich die Geschäftsführerbezüge nur unwesentlich erhöht hätten.26 Dem Arbeitnehmer müsse grundsätzlich bewusst sein, dass er mit der Bestellung zum Geschäftsführer und dem damit verbundenen Abschluss eines Anstellungsvertrages auf seinen bisherigen sozialen Besitzschutz verzichte; dies sei vor allem dann anzunehmen, wenn der Geschäftsführer vorher als Angestellter in leitender Position tätig gewesen sei.27 Voraussetzung für die Vermutung von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei jedoch, dass der Geschäftsführeranstellungsvertrag gemäß § 623 BGB schriftlich abgeschlossen werde, um einen Verstoß gegen das Schriftformgebot zu vermeiden.28 Erfolge die Bestellung des Geschäftsführers nur durch eine formlose Abrede, ohne dass ein schriftlicher Anstellungsvertrag geschlossen werde, bestehe der ursprüngliche Arbeitsvertrag fort und ruhe während der Tätigkeit als Geschäftsführer.29 Dies sei ebenfalls der Fall, wenn der Geschäftsführer allein pro forma bestellt werde oder von vornherein eine Übertragung des Geschäftsführerpostens für eine kurze Zeit, bei gleichbleibenden Vertragsbedingungen, beabsichtigt sei.30 Bei allen Konstellationen kann der Angestellte nach seiner Abberufung Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vor den Arbeitsgerichten verfolgen.31
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(511).
BAG ZIP 1986, 1213 (1216). Vgl. BAG ZIP 1986, 1213 (1216). Vgl. BAG NZA 1994, 212 (212 ff.); BAG NZA 1996, 143 (143 f.); BAG NZA 1997, 509
26 BAG NZA 2000, 1013 (1015); bestätigt und fortgeführt durch BAG NZA 2003, 272 (273); BAG NZA 2006, 366 (368); BAG NZA 2006, 1154 (1155); BAG NZA 2007, 1095 (1095 f.); BAG NZA 2008, 1002 (1003); BAG NZA 2009, 669 (670). 27 BAG NZA 2000, 1013 (1015 f.). 28 BAG NZA 2007, 1095 (1097); BAG NZA 2008, 1002 (1003); BAG NZA 2009, 669 (670); BAG NZA 2011, 874 (875). 29 BAG MDR 2011, 1481 (1482); vgl. BAG NZA 2011, 874 (875). 30 BAG NZA 2006, 1154 (1155). 31 Vgl. ebenso BAG MDR 2011, 1481 (1482); BAG NZA 2011, 874 (875).
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Kap. 2: GmbH-Geschäftsführer als „kündigungsrechtliches Freiwild“
Die Auffassung der Rechtsprechung zum Ruhen des Arbeitsvertrages hat in der Literatur überwiegend Zustimmung gefunden.32 Mit Beginn der Rechtsprechung zur Aufgabe der Vermutungsregelung war zunächst zwar die Tatsache problematisch, dass die Gesellschafterversammlung den Anstellungsvertrag schließen kann, für die Änderung des Arbeitsvertrages durch einen Aufhebungsvertrag aber der Geschäftsführer zuständig ist.33 Fraglich war daher, ob die Gesellschafterversammlung durch Abschluss des Anstellungsvertrages gleichzeitig den Arbeitsvertrag des Geschäftsführers aufheben konnte. Das Bundesarbeitsgericht hatte bezüglich dieser Frage nie ausdrücklich Stellung bezogen. Aus seiner Rechtsprechung zum Schriftformgebot des § 623 BGB kann jedoch geschlussfolgert werden, dass die Gesellschafterversammlung kraft Annexkompetenz auch für den Aufhebungsvertrag zuständig ist.34 Zusammenfassend bedeutet die Bestellung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer, dass mit dem Abschluss eines schriftlichen Geschäftsführeranstellungsvertrages das ursprüngliche Arbeitsverhältnis beendet wird und nicht als ruhendes fortbesteht. Mithin kann der Beschäftigte nach seiner Abberufung als Organ keine Ansprüche aus seinem früheren Arbeitsvertrag geltend machen, sich insbesondere nicht auf das Kündigungsschutzgesetz berufen. Eine solche Möglichkeit hat der Angestellte nur dann, wenn nach seiner Abberufung als Geschäftsführer sein früheres Arbeitsverhältnis wieder auflebt, weil die Parteien im Zuge der Bestellung zum Organmitglied das Geschäftsführeranstellungsverhältnis nicht gemäß § 623 BGB schriftlich abgeschlossen oder ausdrücklich ein Ruhen des Arbeitsvertrages vereinbart haben. Sollte der Arbeitsvertrag des Beschäftigten in einem solchen Fall, nach seiner Abberufung, seitens der Gesellschaft gekündigt werden, kann der ehemalige Geschäftsführer den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes vollumfänglich in Anspruch nehmen.35 Beachtet werden muss jedoch, dass die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes in diesem Falle nicht dem Geschäftsführer in seiner Tätigkeit als solchen und damit als Organ zugutekommt, sondern er nur noch Arbeitnehmer ist. Letztlich genießt der GmbH-Geschäftsführer während seiner Geschäftsführertätigkeit keinen Kündigungsschutz. Die Vereinbarung des Ruhens des Arbeitsverhältnisses mit der GmbH beziehungsweise ein nicht schriftlich abgeschlossener Geschäftsführerdienstvertrag würde für den Geschäftsführer jedoch bedeuten, dass zumindest sein früheres Arbeitsverhältnis in seinem Bestand geschützt ist und er nach dem Ende der Organstellung wieder vollumfänglich vom Schutzbereich des Kündigungsschutzgesetzes erfasst wäre. 32 Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 173; Jaeger, NZA 1998, 961 (964); Sasse/Schnitger, BB 2007, 154 (156). 33 MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 289. 34 Altmeppen/Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 80; zustimmend Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (710); vgl. MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 289, der darauf abstellt, dass es der Gesellschafterversammlung, wenn sie für die Konditionen des Anstellungsvertrages zuständig ist, auch möglich sein müsse, ein vorhergehendes Arbeitsverhältnis aufzuheben. 35 Vgl. ebenso Jaeger, DStR 2010, 2312 (2312).
B. Fälle der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes
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II. Weiterbeschäftigung des Geschäftsführers nach Abberufung Ähnlich verhält sich die Situation, wenn der GmbH-Geschäftsführer nach seiner Abberufung als Organmitglied und der Beendigung seines Geschäftsführeranstellungsvertrages weiterhin in der Gesellschaft tätig ist. In einem solchen Fall könnte der Beschäftigte, sollte er vor seiner Geschäftsführertätigkeit bereits als Arbeitnehmer in der Gesellschaft angestellt gewesen sein und die Parteien dieses Arbeitsverhältnis nicht ruhend gestellt haben, wieder als Arbeitnehmer eingestellt werden.36 Eine automatische Umwandlung des Anstellungsvertrages in einen Arbeitsvertrag erfolgt nicht.37 Bei Wiedereinstellung stünde der ehemalige Geschäftsführer in einem Arbeitsverhältnis zur GmbH, welches durch das Kündigungsschutzgesetz in seinem Bestand geschützt würde.38 Ein derartiger Bestandsschutz könnte dem GmbH-Geschäftsführer auch zugutekommen, wenn er vor seiner Geschäftsführertätigkeit nicht bereits als Arbeitnehmer für die GmbH agiert hat, er jedoch mit der Gesellschaft übereinkommt, dass er auch nach seiner Abberufung weiterbeschäftigt wird.39 Hierbei erhält der Beschäftigte in der Regel die Stellung eines „normalen“ Arbeitnehmers oder die eines leitenden Angestellten. Alles in allem muss auch bei derartigen Konstellationen beachtet werden, dass das Kündigungsschutzgesetz nicht bereits während der Geschäftsführertätigkeit zur Anwendung gelangt, sondern der Beschäftigte erst als Arbeitnehmer seitens der Gesellschaft eingestellt werden müsste, um sein Beschäftigungsverhältnis in seinem Bestand zu schützen. Sollten die Parteien allerdings bereits im Geschäftsführeranstellungsvertrag vereinbaren, dass der Geschäftsführer nach seiner Abberufung weiterhin als Arbeitnehmer respektive auf einer Position unterhalb der Organebene für die GmbH tätig ist,40 würde er auf diese Weise einen Bestandsschutz dahingehend erlangen, nach Beendigung seiner Geschäftsführerposition in einem Arbeitsverhältnis weiter beschäftigt zu werden.
III. Zwei verschiedene Rechtsverhältnisse Von den soeben beschriebenen Sachverhalten sind solche zu unterscheiden, bei denen sich der GmbH-Geschäftsführer während seiner Tätigkeit als Organmitglied tatsächlich auf den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes berufen kann. Dies ist jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen möglich. Das Bundesarbeitsgericht 36
Vgl. Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (710). Jaeger, DStR 2010, 2312 (2312); Nägele, BB 2001, 305 (307); BAG NZA 1994, 905 (906); BAG NZA 1997, 1363 (1364); BAG NZA 2008, 1002 (1003). 38 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2313); Bauer, BB 1994, 855 (856 f.); vgl. BAG BB 1974, 934. 39 Vgl. Nägele, BB 2001, 305 (307). 40 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2313); Rasmussen-Bonne/Raif, ArbRAktuell 2010, 309949; Fröhlich/Schelp, ArbRB 2010, 379 (380); vgl. Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (710). 37
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Kap. 2: GmbH-Geschäftsführer als „kündigungsrechtliches Freiwild“
entschied bereits 1985, dass die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes „nur dann zu bejahen“ sei, „wenn zwischen dem Geschäftsführer und der GmbH zwei Rechtsverhältnisse bestehen, von denen eines ein dienstlich abgrenzbares Arbeitsverhältnis ist“.41 1. Drittanstellung Der wohl bekannteste und praxishäufigste Fall ist der der sogenannten Drittanstellung, bei welcher sich die Führungskraft zur GmbH als Obergesellschaft in einem Arbeitsverhältnis befindet und lediglich bei einer Tochtergesellschaft der GmbH zum Geschäftsführer bestellt wird.42 Hier steht § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG einer Anwendung des Kündigungsschutzes auf den Geschäftsführer nicht entgegen, weil zur Obergesellschaft gerade keine Organstellung gegeben ist.43 Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass sich das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers zur GmbH in der Tat als Arbeitsverhältnis qualifizieren lässt44 und während seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Tochtergesellschaft fortbesteht.45 Sollte die Obergesellschaft den Arbeitsvertrag des Geschäftsführers kündigen, kann er sich in diesem Rechtsverhältnis auf das Kündigungsschutzgesetz berufen.46 2. GmbH & Co. KG Von der sogenannten Drittanstellung muss die Beschäftigung des GmbH-Geschäftsführers bei einer GmbH & Co. KG differenziert werden, die in der Regel nicht zu zwei verschiedenen Rechtsverhältnissen führt.47 Bei der Rechtsform einer GmbH & Co. KG kann das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers sowohl mit der Komplementär-GmbH als auch mit der Kommanditgesellschaft eingegangen werden.48 Im ersten Fall ist das Vertragsverhältnis des Geschäftsführers rechtlich so zu
41
BAG ZIP 1986, 1213 (1215). BAG NZA 2008, 168 (169); BAG NZA 2000, 1013 (1014); BAG NZA 1996, 200 (201); Otte, GWR 2011, 313559; Freckmann, DStR 2008, 52 (55); vgl. auch Jaeger, DStR 2010, 2312 (2313); Diller, NZG 2011, 254 (255); MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 252 f.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 175; Nägele, BB 2001, 305 (308 f.); vgl. auch Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-Geschäftsführer, 1987, S. 12; ErfK/Kiel, § 14 KSchG Rn. 7; Bauer, BB 1994, 855 (857). 43 Otte, GWR 2011, 313559; Jaeger, DStR 2010, 2312 (2313). 44 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2313); Bauer, BB 1994, 855 (857); vgl. Nägele, BB 2001, 305 (309) und MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 253. 45 Freckmann, DStR 2008, 52 (55), m. w. N. bezüglich besonderer Fallvarianten. 46 Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, S. 437 Rn. 152. 47 Vgl. Freckmann, DStR 2008, 52 (54 f.). 48 Freckmann, DStR 2008, 52 (54); MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 294. 42
B. Fälle der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes
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bewerten, als wäre es mit einer reinen GmbH zustande gekommen.49 Bezüglich der zweiten Möglichkeit waren Rechtsprechung und Literatur früher der Ansicht, das Rechtsverhältnis zur Kommanditgesellschaft kann ein Arbeitsverhältnis sein, weil der Geschäftsführer nicht Organ der Kommanditgesellschaft ist; er sei zwar Organvertreter der Komplementär-GmbH, nicht jedoch der Kommanditgesellschaft, so dass § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG keine Anwendung finden könne.50 Aus diesem Grund sei es möglich, dass der Geschäftsführer durchaus Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Person sein könne, wenn sich dies durch eine weitergehende Prüfung feststellen ließe.51 Diese Auffassung änderte sich 2003, als das Gericht unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschied, dass § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG auch dann zur Anwendung gelange, wenn das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers mit der Kommanditgesellschaft abgeschlossen werde und er nur mittelbarer Organvertreter der Kommanditgesellschaft sei.52 Das Bundesarbeitsgericht stellte darauf ab, dass der Wortlaut der Vorschrift des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG nicht von unmittelbaren Vertretern spreche, die keine Arbeitnehmer sein können; entscheidend sei ausschließlich, dass die fragliche Person kraft Gesetzes zur Vertretung befugt sei, was bei einem Geschäftsführer der GmbH & Co. KG gemäß §§ 161 Abs. 2, 125, 170 HGB in Verbindung mit § 35 Abs. 1 GmbHG eindeutig stimme.53 Durch die Rechtsprechungsänderung des Bundesarbeitsgerichts hat der GmbHGeschäftsführer bei einem Vertragsverhältnis mit der Kommanditgesellschaft nun nicht mehr die Möglichkeit, unter Umständen als Arbeitnehmer angesehen zu werden und sich folglich, trotz seiner Geschäftsführertätigkeit, auf den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes zu berufen. Damit verbleibt allein die Vertragsvariante der Drittanstellung, um dem Geschäftsführer einer GmbH während seiner Tätigkeit als Organmitglied die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes zugutekommen zu lassen.
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MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 294; Freckmann, DStR 2008, 52 (54). BAG NJW 1981, 302 (303); vgl. auch BAG NZA 1995, 1070 (1070 f.), bei Vertragsschluss mit der Kommanditgesellschaft könne diese Rechtsbeziehung ein Arbeitsverhältnis sein, weil Geschäftsführer Gesamtprokurist bleibe, auch wenn er bei der GmbH zum Geschäftsführer bestellt werde; Jaeger, NZA 1998, 961 (966 f.); Reinecke, ZIP 1997, 1525 (1529); vgl. Grunsky, ArbGG, § 5 Rn. 24. 51 Vgl. BAG NJW 1981, 302 (303); vgl. BAG NJW 1983, 2405 (2406 f.), welches eine Anwendbarkeit des § 14 Abs. 1 Nr. 2 KSchG aufgrund der fehlenden unmittelbaren Organstellung des Geschäftsführers bei einer Kommanditgesellschaft verneint und in einer anschließenden Prüfung eine Arbeitnehmereigenschaft bejaht hatte. 52 BAG NZA 2003, 1108 (1109 f.). 53 BAG NZA 2003, 1108 (1110). 50
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Kap. 2: GmbH-Geschäftsführer als „kündigungsrechtliches Freiwild“
IV. Vereinbarung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes Durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2010 ist eine weitere Variante hinzugekommen, welche zu einer Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes auf GmbH-Geschäftsführer führt. Mit Urteil vom 10. 05. 2010 entschied der zweite Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, dass zwischen der GmbH und dem Geschäftsführer im Anstellungsvertrag die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes zugunsten des Organmitgliedes wirksam vereinbart werden kann.54 Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:55 Der Kläger stand zu der Beklagten in einem Geschäftsführerdienstverhältnis. Weil es im Kontext der Bestellung eines Mitgeschäftsführers Meinungsverschiedenheiten gab, wurde der Kläger vom Amt des Geschäftsführers abberufen sowie ihm fristlos hilfsweise fristgerecht gekündigt. Er war der Auffassung, dass sein Anstellungsverhältnis fortbestehen würde, da der Vertrag zwischen ihm und der GmbH folgende Klausel enthielt: „Für die Kündigung gelten im Übrigen zugunsten des Geschäftsführers die Bestimmungen des deutschen Kündigungsschutzrechts für Angestellte.“. Der Bundesgerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass eine privatautonome Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes zulässig sei und dadurch weder die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft beeinträchtigt werde, noch die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes selbst einer derartigen Abmachung entgegenstünden.56 Die Vertragsklausel des Anstellungsvertrages habe nach Wortlaut und Sinnzusammenhang das Ziel, dem Geschäftsführer bei einer ordentlichen Kündigung eine Rechtsposition zukommen zu lassen, „die darin besteht, die Wirksamkeit der Kündigung vom Erfordernis eines Kündigungsgrundes i.S. des § 1 II KSchG abhängig zu machen“.57 Den Rechtsstreit musste der Bundesgerichtshof mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen bezüglich des Kündigungsgrundes jedoch an das Berufungsgericht zurückverweisen.58 Im Ergebnis hat die Entscheidung des Bundesgerichtshofs eine für den GmbHGeschäftsführer vorteilhafte Möglichkeit zur Folge, sein Anstellungsverhältnis in seinem Bestand zu schützen und auf diese Weise während seiner Geschäftsführertätigkeit den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes in Anspruch zu nehmen. Die privatautonome Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes ist damit eine weitere vertragliche Gestaltungsvariante, um die Stellung des GmbH-Geschäftsführers als „kündigungsschutzrechtliches Freiwild“ abzumildern.
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BGH NJW 2010, 2343 (2343). Siehe hierzu und im Folgenden BGH NJW 2010, 2343 (2343). Vgl. BGH NJW 2010, 2343 (2344). BGH NJW 2010, 2343 (2344). Vgl. BGH NJW 2010, 2343 (2345).
C. Gesamtergebnis Kapitel 2
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C. Gesamtergebnis Kapitel 2 Genießen GmbH-Geschäftsführer keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz, können die GmbH und ihre Organmitglieder den fehlenden Kündigungsschutz durch vertragliche Gestaltungsvarianten ausgleichen. Sie können hierbei einen befristeten Anstellungsvertrag abschließen, der nicht ordentlich kündbar ist, lange Kündigungsfristen oder eine Abfindung beziehungsweise ein Übergangsgeld vereinbaren. Stand der gesetzliche Vertreter vor der Berufung zum Geschäftsführer bereits in einem Arbeitsverhältnis zur Gesellschaft, kann dieses durch ausdrückliche Bestimmung oder einen nur mündlich abgeschlossenen Anstellungsvertrag ruhend gestellt werden, so dass für das Organmitglied nach Beendigung seiner Organstellung das Kündigungsschutzgesetz gilt. Die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes wäre auch zu bejahen, wenn der Geschäftsführer nach seiner Geschäftsführertätigkeit in der GmbH weiter beschäftigt wird oder eine sogenannte Drittanstellung gegeben wäre. Keine Anwendung findet das Kündigungsschutzgesetz bei einer Anstellung des Geschäftsführers bei einer GmbH & Co. KG. Durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. 05. 2010 wurde für die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer aber die Möglichkeit eröffnet, die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes individualvertraglich herbeizuführen.
Kapitel 3
Privatautonome Vereinbarung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes für GmbH-Geschäftsführer – Kündigungsschutz im Falle der Beendigung der Anstellungsverhältnisse Vereinbaren die GmbH und ihre Geschäftsführer die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes privatautonom, genießen die gesetzlichen Vertreter im Falle der Beendigung der Anstellungsverhältnisse den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes.
A. Zulässigkeit der Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes Damit derartige Parteiabreden Gültigkeit erlangen, muss es der Gesellschaft und den Geschäftsführern zulässig sein, die Anstellungsverträge der Organmitglieder in ihrem Bestand zu schützen.
I. Der Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit der Vereinbarung Der Bundesgerichtshof erkannte in seinem Urteil vom 10. 05. 2010 die Zulässigkeit der Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes für Geschäftsführeranstellungsverträge an. 1. Kein Entgegenstehen gesellschaftsrechtlicher Grundsätze Er konstatierte diesbezüglich, dass die rechtliche Qualifizierung des Anstellungsvertrages als Dienstvertrag einer entsprechenden privatautonomen Vereinbarung nicht entgegenstünde.1 Aufgrund des Vorrangs der Organstellung gegenüber dem Anstellungsverhältnis sei jedoch erforderlich, dass derartige Abreden „nicht in die gesetzliche oder statutarische Ausgestaltung des Organverhältnisses eingreifen“;
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BGH NJW 2010, 2343 (2344).
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die Funktionstüchtigkeit der Gesellschaft müsse zwingend gewahrt bleiben.2 Nach Ansicht des Gerichts sei diese Grenze bei einer Vereinbarung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes gewahrt.3 Die Beschränkung des ordentlichen Kündigungsrechts tangiere die Bestellungsund Abberufungsfreiheit der Gesellschafterversammlung allein mittelbar, weil die Organstellung des Geschäftsführers von seinem Anstellungsvertrag zu trennen sei.4 Der Bundesgerichtshof erkannte zwar, dass die Gesellschaft durchaus wirtschaftlich belastet werden könnte, wenn sie im Falle frei widerruflicher Bestellung des Geschäftsführers hinnehmen muss, das Anstellungsverhältnis infolge einer ungerechtfertigten Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG fortzusetzen.5 Die sich hieraus ergebende mögliche Beeinflussung der Gesellschafterversammlung in ihrer Abberufungswahl stelle jedoch nur eine mittelbare Auswirkung dar, welche „wie der in § 38 I GmbHG ausdrücklich geregelte Vorbehalt zu Gunsten der sich aus bestehenden Verträgen ergebenden Entschädigungsansprüche zeigt, vom Gesetz grundsätzlich hingenommen“ werde.6 Eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft schloss der Bundesgerichtshof weitergehend mit dem Argument aus, dass anderenfalls die Zulässigkeit von länger befristeten oder auflösend bedingten Anstellungsverträgen fraglich wäre, deren Rechtmäßigkeit bisher jedoch grundsätzlich bejaht wurde.7 Für die Praxis würde hieraus die Notwendigkeit der Festlegung einer zeitlichen Grenze erwachsen, bis zu welcher es den Parteien des Anstellungsverhältnisses möglich wäre, dieses zu befristen; im Gegensatz zum Aktienrecht in § 84 Abs. 1 S. 5 AktG lässt sich dem GmbH-Recht jedoch keine gesetzliche Normierung der maximalen Laufzeit des Vertrages entnehmen.8 2. Kein Entgegenstehen kündigungsrechtlicher Grundsätze Der Bundesgerichtshof führte in seiner Entscheidung ferner aus, dass die Vereinbarung über die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nicht gegen Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes verstoße.9 Hierzu stellte das Gericht klar, dass die Vorschrift des § 1 KSchG zwar einseitig zwingendes Recht sei, von welchem eine Abweichung zum Nachteil des begünstigten Arbeitnehmers unzulässig wäre, konstatierte aber, dass eine Erweiterung des Kündigungsschutzes, be2 3 4 5 6 7 8 9
BGH NJW 2010, 2343 (2344). BGH NJW 2010, 2343 (2344). BGH NJW 2010, 2343 (2344). BGH NJW 2010, 2343 (2344). BGH NJW 2010, 2343 (2344). BGH NJW 2010, 2343 (2344). BGH NJW 2010, 2343 (2344). BGH NJW 2010, 2343 (2344).
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ruhend auf vertraglicher Basis, möglich sei.10 Aus dem Kündigungsschutzgesetz könnten keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer Parteiabrede abgeleitet werden, die eine Geltung der gesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen jenseits des gesetzlich normierten Anwendungsbereiches hätte.11 § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG könne ebenfalls kein Anhaltspunkt dafür entnommen werden, dass vertraglich, entgegen der Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, etwas anderes zugunsten des Geschäftsführers geregelt werden dürfe.12 3. Zusammenfassung Der Bundesgerichtshof gelangt in seiner Entscheidung damit zu dem Ergebnis, dass eine Klausel im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers einer GmbH, welche das Organmitglied berechtigt, sich auf das Kündigungsschutzgesetz zu berufen, weder gegen gesellschaftsrechtliche noch gegen kündigungsrechtliche Grundsätze verstößt und somit vollumfänglich wirksam ist.
II. Die Literatur zur Zulässigkeit der Vereinbarung In der Literatur wird die Zulässigkeit einer Parteiabrede über die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes unterschiedlich bewertet. 1. Ablehnende Auffassungen Dabei gibt es Stimmen, die nicht mit der Ansicht des Bundesgerichtshofs übereinstimmen. a) Bauer/Arnold Nach Bauer/Arnold komme es für die Zulässigkeit der Vereinbarung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes entscheidend darauf an, ob eine solche mit den Grundsätzen des Gesellschaftsrechts konform gehe, speziell das Recht der Gesellschafterversammlung, die Organstellung des Geschäftsführers jederzeit ohne Angaben von Gründen zu beenden, gewahrt bleibe.13 Ob sich eine entsprechende Parteiabrede in diesen Grenzen bewegt, stellen die Autoren durch einen Vergleich zur Aktiengesellschaft heraus und beleuchten zwei 10 11 12 13
BGH NJW 2010, 2343 (2344). BGH NJW 2010, 2343 (2344). BGH NJW 2010, 2343 (2344). Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (711 f.).
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Urteile der Rechtsprechung in Bezug auf Vorstandsmitglieder.14 Zunächst beziehen sich Bauer/Arnold auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1953.15 In diesem Jahr betrachtete das Gericht die Vereinbarung eines Übergangsgeldes in Höhe der Aktivbezüge für die Zeit nach der Vorstandsposition bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres als nicht rechtmäßig.16 Dem Aufsichtsrat solle es durch die gesetzliche Mindestdauer der Bestellung von fünf Jahren gemäß § 84 Abs. 1 AktG möglich sein, in regelmäßigen Zeitabständen über eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vorstandsmitglied zu urteilen.17 In dieser Entschließungsfreiheit würde der Aufsichtsrat beeinträchtigt, sofern das Vorstandsmitglied nach dem Ende der Ausübung seines Amtes fortwährend seine vollständige Vergütung bekommen solle.18 Die zweite Entscheidung, auf die Bauer/Arnold bei ihrer Argumentation Bezug nehmen, ist ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2009.19 Unter dem gleichen Aspekt, wie schon bei der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, hatte das Bundesarbeitsgericht eine Vereinbarung im Vorstandsvertrag, wonach dieser nach Beendigung der Position als Vorstandsmitglied als unverändertes Arbeitsverhältnis fortgeführt werden sollte, als nicht zulässig angesehen.20 § 84 Abs. 1 AktG stehe einer solchen Parteiabrede zwar nicht in Gänze entgegen; es sei jedoch nach Ansicht des Gerichts eine objektive Gesetzesumgehung gegeben, weil durch eine derartige Vereinbarung wirtschaftliche Zwänge entstünden, welche die Entschließungsfreiheit des Aufsichtsrates faktisch unmöglich machen könnten.21 Bauer/Arnold erkennen in ihren Ausführungen, dass die gesetzliche Ausgangslage der GmbH sich von der einer Aktiengesellschaft grundlegend unterscheidet.22 Schreibt § 84 Abs. 1 AktG nämlich vor, dass Vorstandsmitglieder für maximal fünf Jahre bestellt und damit angestellt werden können, erfolgt die Bestellung und Anstellung der GmbH-Geschäftsführer regelmäßig unbefristet.23 Zudem sei bei Geschäftsführeranstellungsverträgen gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG anerkannt, dass auch bei einem jederzeitigen Widerruf ohne Gründe Entschädigungsansprüche seitens des GmbH-Geschäftsführers erwachsen könnten; die finanziellen Folgen würden sich damit von der Organstellung losgelöst nach dem Anstellungsvertrag beurteilen.24 Weil das GmbH-Recht keine dem § 84 Abs. 1 AktG vergleichbare Vorschrift enthielte, könne nicht einfach der Schluss gezogen werden, eine entsprechende Par14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
Vgl. Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712). Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712). BGH NJW 1953, 740 (742). Vgl. BGH NJW 1953, 740 (742). BGH NJW 1953, 740 (742). Vgl. Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712). Vgl. BAG NZA 2009, 1205 (1207). BAG NZA 2009, 1205 (1207). Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712). Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712). Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712).
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teiabrede stehe nicht mit der „ungestörten Funktion des Organverhältnisses“ im Einklang.25 Die negativen finanziellen Folgen für die Gesellschaft seien nicht ausreichend, um die Parteivereinbarung als unwirksam anzusehen.26 Nach Ansicht von Bauer/Arnold kann man aus der Zulässigkeit der Vereinbarung eines Übergangsgeldes nach Beendigung des Anstellungsvertrages, welche für einen kurzen Zeitraum sogar bei einer Aktiengesellschaft wirksam ist, bei einer GmbH jedoch grundsätzlich keiner zeitlichen Einschränkung unterliegt, schlussfolgern, dass eine hohe finanzielle Belastung der GmbH nicht einer Organfunktion entgegensteht.27 Dies könne insbesondere mit dem Argument untermauert werden, dass die Gesellschafter einer GmbH gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG selber die Bedingungen des Anstellungsvertrages und damit die finanziellen Belastungen für die Gesellschaft bestimmen würden.28 Die mit einer Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes verbundenen eventuellen finanziellen Folgen seien somit nach Bauer/ Arnold nicht geeignet, zur Unwirksamkeit einer derartigen Parteivereinbarung zu führen.29 Nach Ansicht der Autoren ist eine Vereinbarung der Anwendbarkeit der Kündigungsschutzbestimmungen jedoch nicht mit der gesetzgeberischen Wertung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG in Einklang zu bringen.30 Die Organstellung der GmbHGeschäftsführer stehe einem allgemeinen Kündigungsschutz ihrer Anstellungsverträge entgegen; bei § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG handele es sich um eine zwingende Bestimmung, die in keinster Weise umgangen werden dürfe.31 Die gesetzgeberische Wertung erkläre sich unter dem Gesichtspunkt, dass die GmbH nicht abschätzen könne, wann der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers ein Ende finden würde – die Gesellschaft müsste damit umgehen, den Anstellungsvertrag des Geschäftsführers im Falle des Widerrufs seiner Organposition auf Dauer fortzuführen.32 Dies würde für die GmbH bedeuten, für nicht gewisse Zeit zwei Geschäftsführer entgeltlich zu entlohnen; in dieser dauerhaften Fortzahlung der Vergütung sehen Bauer/ Arnold eine nicht rechtmäßige Umgehung des Rechts der Gesellschafterversammlung aus § 38 Abs. 1 GmbHG.33 Die dem § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG zugrundeliegende Wertung macht es nach Ansicht der Autoren damit unmöglich, eine privatautonom vereinbarte Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes als wirksam zu betrachten.34 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34
Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712). Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712). Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712). Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712). Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712). Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712). Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712). Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712). Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712). Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (713).
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b) Rasmussen-Bonne/Raif Rasmussen-Bonne/Raif äußern sich nur knapp zur Zulässigkeit der Parteiabrede und sehen die Problematik der Vereinbarung der Geltung der Kündigungsschutzbestimmungen in der auf Dauer angelegten Fortzahlung der Vergütung.35 Eine solche könnte geeignet sein, in nicht zulässiger Weise in die Abberufungsfreiheit der Gesellschaft gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG einzugreifen: Die Gesellschaft könnte sich einer von § 38 GmbHG nicht beabsichtigten Zwangslage ausgesetzt sehen, wenn sie aufgrund fehlender Beendigungsmöglichkeit des Anstellungsvertrages von einer Abberufung des Geschäftsführers absehe.36 2. Zustimmende Ansichten Neben den ablehnenden Stimmen in der Literatur gibt es im Schrifttum Stimmen, welche die Wirksamkeit einer entsprechenden Klausel bejahen. a) Jaeger Jaeger betrachtet die Vereinbarung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes als zulässig.37 Zur Begründung führt er an, dass eine derartige Parteivereinbarung zunächst nicht zu der zwingenden Geltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes in Widerspruch stehe: Hiernach sei nur verboten, dass vom gesetzlichen Kündigungsschutz zum Nachteil der vom Geltungsbereich erfassten Personen abgewichen werde; zulässig sei es jedoch, wenn die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes auch auf solche Personen erweitert werde, die grundsätzlich keinen Kündigungsschutz genießen.38 Dies treffe auf die Geschäftsführer einer GmbH zu.39 Einer solchen Sichtweise steht nach Auffassung von Jaeger auch § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht entgegen, wonach Geschäftsführer als nicht schutzbedürftig betrachtet werden.40 Den Parteien des Anstellungsvertrages sei es damit möglich, die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zugunsten des GmbH-Geschäftsführers wirksam herbeizuführen.41 Weiterhin stimmt Jaeger mit der Argumentation des Bundesgerichtshofs zur Zulässigkeit einer entsprechenden Parteiabrede in Bezug auf gesellschaftsrechtliche
35
Rasmussen-Bonne/Raif, ArbRAktuell 2010, 309949. Rasmussen-Bonne/Raif, ArbRAktuell 2010, 309949. 37 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2314). 38 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2314). 39 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2314). 40 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2314), ohne Begründung. 41 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2314); zustimmend MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 405. 36
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Grundsätze überein.42 Insbesondere ist er der Auffassung, dass der Abschluss eines Fünf-Jahresvertrages und die sich hieraus ergebende mittelbare Beschränkung des Abberufungsrechts „wesentlich weitergeht“ als die Vereinbarung der Anwendbarkeit der Kündigungsschutzbestimmungen.43 Könne sich die Gesellschaft bei einem befristeten Vertrag nur durch eine außerordentliche Kündigung von dem GmbH-Geschäftsführer trennen, habe sie bei der Geltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes die Möglichkeit, das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers unter den weniger strengen Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung zu lösen.44 Es wäre somit nach Jaeger systemwidrig, den Abschluss eines befristeten Anstellungsvertrages als rechtmäßig zu erachten, die Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes hingegen aufgrund rechtswidriger Beeinträchtigung der Abberufungsfreiheit als unwirksam anzusehen.45 Dass die entsprechende Vereinbarung keine unzulässige Einschränkung der Abberufungsfreiheit der Gesellschaft gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG darstelle, ergebe sich ferner unmittelbar aus der Vorschrift des § 38 Abs. 1 GmbHG, die besagt, dass der GmbH zwar das Recht zur jederzeitigen Abberufung zustehe, gleichzeitig allerdings die Ansprüche des Geschäftsführers aus dem Anstellungsvertrag nicht beeinträchtigt werden dürfen.46 Die durch eine Parteivereinbarung entstehende mittelbare Beeinträchtigung der Abberufungsfreiheit sei damit im Ergebnis hinzunehmen.47 b) Thiessen Auch Thiessen vertritt die Auffassung, dass die Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes wirksam ist und in einer entsprechenden Parteiabrede keine Umgehung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG liegt.48 Die Bestimmung würde kein explizites Verbot einer weitergehenden Anwendung oder eine Nichtanwendbarkeit kraft Natur der Sache enthalten.49 Der Bundesgerichtshof führe durch seine Auffassung auch keine Analogie entgegen den Vorstellungen des Gesetzgebers herbei, vielmehr würden die Vertragsparteien ihr privates Recht setzen.50 Des Weiteren kommt Thiessen mit dem Bundesgerichtshof darin überein, dass kein Verstoß gegen zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht gegeben sei, dieser Schutz vielmehr in zulässiger Weise auf nicht geschützte Personen erweitert werden könne.51 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51
Vgl. Jaeger, DStR 2010, 2312 (2314). Jaeger, DStR 2010, 2312 (2314). Jaeger, DStR 2010, 2312 (2314). Jaeger, DStR 2010, 2312 (2314); MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 405. MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 405. MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 405. Thiessen, ZIP 2011, 1029 (1034). Thiessen, ZIP 2011, 1029 (1034). Thiessen, ZIP 2011, 1029 (1034). Thiessen, ZIP 2011, 1029 (1035).
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Die Tatsache, dass die Gesellschaft bei Zulässigkeit der fraglichen Parteivereinbarung unter Umständen gezwungen wäre, zwei Geschäftsführer zu entlohnen, könne die Richtigkeit der Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht entwerten.52 Einer derartigen Situation müsse sich die Gesellschaft bei Vereinbarung der Klausel mit dem GmbH-Geschäftsführer bewusst gewesen sein und sie folglich einkalkuliert haben.53 Wer die Kündigung des Anstellungsvertrages des Geschäftsführers von der Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung abhängig mache, müsse die erschwerte Kündbarkeit sowie die sich insoweit ergebenden Ansprüche hinnehmen.54 Die freie Abberufungsmöglichkeit schütze die GmbH nicht davor, sich an selbst eingegangene Verpflichtungen zu halten.55 Auch seien die gesellschaftsrechtlichen Grenzen der Organstellung gewahrt; das Kündigungsschutzgesetz und seine daraus resultierende Schutzwirkung würden sich ausschließlich auf das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers und gerade nicht auf seine Organstellung beziehen.56 Ein Verstoß gegen gesellschaftsrechtliche Grundsätze liegt bei der Vereinbarung der Anwendbarkeit von Kündigungsschutzbestimmungen nach Thiessen damit nicht vor.57
III. Bewertung der Ansichten Ausgangspunkt der Betrachtung der Problematik der Zulässigkeit einer Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes und der hierauf aufbauenden Argumentation ist, dass arbeitsrechtliche Regeln nur dann für das Anstellungsverhältnis eines GmbH-Geschäftsführers anwendbar gemacht werden können, wenn sowohl kündigungsrechtliche Rechtsgrundsätze als auch gesellschaftsrechtliche Rechtsgrundlagen gewahrt sind. Der Bundesgerichtshof entschied mit seinem Urteil vom 10. 05. 2010, wo die Grenze zwischen rechtmäßigen dienstvertraglichen Vereinbarungen einerseits und nicht zulässigen Eingriffen in das gesellschaftsrechtliche Organverhältnis bei Parteiabreden über die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes andererseits zu ziehen ist.58 Untersucht werden muss, ob der Bundesgerichtshof diese Grenzlinie in seiner Entscheidung richtig bestimmt hat.
52 53 54 55 56 57 58
Vgl. Thiessen, ZIP 2011, 1029 (1035). Thiessen, ZIP 2011, 1029 (1035). Thiessen, ZIP 2011, 1029 (1034). Thiessen, ZIP 2011, 1029 (1034). Thiessen, ZIP 2011, 1029 (1037). Thiessen, ZIP 2011, 1029 (1037). Stagat, NZA 2010, 975 (978).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
1. Kündigungsrechtliche Rechtsgrundlagen Die Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes zwischen der GmbH und ihrem Geschäftsführer darf nicht gegen kündigungsrechtliche Rechtsgrundlagen verstoßen. a) Auslegung des § 1 Abs. 1 KSchG Um feststellen zu können, ob ein solcher Verstoß bejaht werden muss, ist Ausgangspunkt § 1 Abs. 1 KSchG. aa) Wortlaut und Entstehungsgeschichte § 1 Abs. 1 KSchG normiert, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer rechtsunwirksam ist, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Die Vorschrift garantiert einen gesetzlichen Kündigungsschutz für Arbeitnehmer. Da überwiegend davon ausgegangen wird, dass GmbH-Geschäftsführer keine Arbeitnehmer sind,59 kann aus dem Wortlaut der Norm geschlussfolgert werden, dass GmbH-Geschäftsführern diese Garantie nicht zu Teil werden soll. Dies findet in der Entstehungsgeschichte seine Bestätigung, wenn Ziel des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Bereinigung arbeitsrechtlicher Vorschriften die Vereinheitlichung des Kündigungsschutzes für Arbeitnehmer war.60 Ihnen sollte unter den in § 1 KSchG normierten Voraussetzungen ein Kündigungsschutz zukommen.61 Die Entstehung des Kündigungsschutzgesetzes hat dabei gezeigt, dass GmbH-Geschäftsführer nicht als Arbeitnehmer angesehen wurden.62 Nicht entnehmen lässt sich den Gesetzesmateriealien sowie dem Wortlaut der Vorschrift hingegen, ob es § 1 KSchG ermöglicht, auch anderen Beschäftigten als Arbeitnehmern oder außerhalb des Anwendungsbereiches dieses Gesetzes stehenden Personen Kündigungsschutz zu gewähren. Eine grammatikalische und historische Auslegung der Norm des § 1 Abs. 1 KSchG gibt damit keine Auskunft darüber, inwiefern der privatautonomen Vereinbarung über die Geltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes der rechtliche Gehalt des § 1 KSchG entgegensteht. bb) Sinn und Zweck Zu fragen ist, ob sich den Wertungen des § 1 Abs. 1 KSchG ein Verbot dahingehend entnehmen lässt, dass die GmbH und ihr Geschäftsführer die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes privatautonom vereinbaren. Sinn und Zweck des § 1 59
Siehe unter Kap. 1 A. und B. I. BT-Drs. 05/3913 v. 24. 02. 1969, S. 8 zu I. Allgemeines; BR-Drs. 705/68 v. 30. 12. 1968, S. 8 zu I. Allgemeines. 61 Vgl. BT-Drs. 05/3913 v. 24. 02. 1969, S. 8 zu Art. 1 Nr. 1. 62 Siehe unter Kap. 1 C. III. 3. a) und b), insbesondere b) ee). 60
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KSchG ist die Geltung eines einheitlichen Kündigungsschutzes für Arbeitnehmer, sofern die Voraussetzungen der Bestimmung erfüllt sind.63 Bei § 1 Abs. 1 KSchG handelt es sich, wie der Bundesgerichtshof64 und auch Jaeger65 richtig festgestellt haben, um eine zwingende Bestimmung, von der weder individualvertraglich noch kollektivrechtlich zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden kann.66 Einigkeit besteht aber darin, dass § 1 Abs. 1 KSchG nur einseitig zugunsten des Arbeitnehmers zwingend wirkt und somit eine für den Arbeitnehmer vorteilhafte Modifizierung der Vorschrift möglich ist.67 So können Arbeitgeber und Arbeitnehmer beispielsweise vereinbaren, dass eine ordentliche Kündigung lediglich durch personen- und verhaltensbedingte Kündigungsgründe gerechtfertigt oder das ordentliche Kündigungsrecht ab einem bestimmten Lebensalter ganz ausgeschlossen ist.68 Ferner wird einheitlich die Auffassung vertreten, dass § 1 Abs. 1 KSchG auch auf solche Personen angewandt werden kann, die nicht dem Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes unterfallen.69 Möglich sind daher Vereinbarungen, die Arbeitsverhältnisse, welche noch nicht die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG erfüllen, dem Kündigungsschutz unterstellen70 oder auch Arbeitnehmer eines Kleinbetriebes (§ 23 KSchG) Kündigungsschutz zukommen lassen.71 Wenn § 1 Abs. 1 KSchG die Vereinbarung eines Kündigungsschutzes für außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes stehende Personen zulässt, kann die Vorschrift auch nicht einer Vereinbarung der Geltung des Gesetzes für GmbH-Geschäftsführer entgegenstehen. § 1 Abs. 1 KSchG enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien eines Anstellungsvertrages die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nicht privatautonom herbeiführen können. 63
Vgl. BT-Drs. 05/3913 v. 24. 02. 1969, S. 8 zu I. Allgemeines und zu Art. 1 Nr. 1. Siehe unter Kap. 3 A. I. 2. 65 Siehe unter Kap. 3 A. II. 2. a). 66 Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 4; v. Hoyningen-Huene/ Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 22; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 5; Fiebig/Gallner/Mestwerdt/Nägele/Mayer, KSchR, § 1 KSchG Rn. 6; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 15. 67 Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 6; Preis, NZA 1997, 1256 (1259); v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 24; Kittner/ Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 Rn. 5; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 15; Fiebig/ Gallner/Mestwerdt/Nägele/Mayer, KSchR, § 1 KSchG Rn. 6 f.; BAG DB 1987, 2575; BGH NJW 2010, 2343 (2344). 68 Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 6. 69 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2314); Preis, NZA 1997, 1256 (1259); vgl. Thiessen, ZIP 2011, 1029 (1035). 70 BAG NJW 1967, 1152; vgl. BAG DB 1987, 2575; Fiebig/Gallner/Mestwerdt/Nägele/ Mayer, KSchR, § 1 KSchG Rn. 7; Preis, NZA 1997, 1256 (1259); Ascheid/Preis/Schmidt/ Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 6; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/ Krause, KSchG, § 1 Rn. 24. 71 Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 6; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 24; Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, Einleitung Rn. 225; Preis, NZA 1997, 1256 (1259). 64
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
cc) Systematik Einzig aus der Systematik des Kündigungsschutzgesetzes könnte folgen, dass es der GmbH und ihrem Geschäftsführer nicht gestattet ist, Kündigungsschutzbestimmungen auf das Anstellungsverhältnis anwendbar zu machen. Die Vorschrift des § 1 KSchG muss diesbezüglich im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 14 KSchG betrachtet werden. Während § 1 Abs. 1 KSchG einen Kündigungsschutz für Arbeitnehmer vorsieht, ergibt sich aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG, dass dieser Schutz nicht für Organmitglieder gelten soll. Die systematische Stellung des § 1 KSchG könnte demnach der Zulässigkeit einer Parteiabrede über die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes für GmbH-Geschäftsführer entgegenstehen, wenn § 14 KSchG ein Verbot dahingehend enthält, dass die GmbH und ihr Geschäftsführer die Kündigungsschutzbestimmungen privatautonom vereinbaren dürfen. b) Auslegung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht für Organmitglieder juristischer Personen. Bezug nehmend auf die Argumentation im Kapitel 1 dieser Arbeit und den dortigen Feststellungen sind GmbH-Geschäftsführer von den Kündigungsschutzvorschriften ausgeschlossen.72 Es stellt sich aber die Frage, ob es sich bei dieser Bestimmung um eine zwingende Vorschrift handelt und eine Parteiabrede über die Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes damit unzulässig ist. aa) Systematik An die vorhergehenden Ausführungen anknüpfend, könnte die Systematik des Kündigungsschutzgesetzes gegen die Zulässigkeit der Vereinbarung über einen gesetzlichen Kündigungsschutz für Geschäftsführer sprechen. Beachtet werden muss aber, dass eine systematische Auslegung zwar Auskunft darüber gibt, in welchem Verhältnis §§ 1 und 14 KSchG zueinander stehen, nicht jedoch, ob § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG zwingend einer privatautonomen Parteiabrede entgegensteht. bb) Wortlaut Die Formulierung der Vorschrift könnte eine solche Interpretation zunächst nahe legen. Der Wortlaut der Norm besagt, dass die Vorschriften dieses Abschnittes nicht für die Mitglieder des Organs, welches zur gesetzlichen Vertretung berufen ist, gelten. Dies könnte darauf hindeuten, dass es der GmbH und ihrem Geschäftsführer untersagt ist, die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes individualvertraglich zu vereinbaren. Andererseits spricht § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht davon, dass die 72
Siehe unter Kap. 1 C. ff.
A. Zulässigkeit der Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes
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Vorschriften des Abschnittes nicht auf Organmitglieder Anwendung finden dürfen. Die Norm ist damit nicht im Sinne eines Verbotsgesetzes formuliert. Der Wortlaut der Norm könnte in der Folge auch für die Zulässigkeit einer Vereinbarung der Geltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes sprechen. Da somit beide Interpretationsvarianten möglich sind, bringt die Formulierung der Vorschrift kein klares Ergebnis. cc) Entstehungsgeschichte Die Gesetzesmaterialien treffen bezüglich dieser Problematik keine Aussage. Der Entstehungsgeschichte der Norm lässt sich zwar entnehmen, dass die Geschäftsführer im Unterschied zu den in § 14 Abs. 2 KSchG aufgeführten leitenden Angestellten sowie den übrigen Arbeitnehmern nicht schutzbedürftig sind und ihnen in der Folge kein Kündigungsschutz zukommen soll.73 Keine Auskunft gibt der Gesetzgeber hingegen dazu, ob die Formulierung der Vorschrift im Sinne eines Verbotes in Bezug auf die Geltung des Gesetzes für Geschäftsführer zu verstehen ist. dd) Sinn und Zweck Davon kann unter Berücksichtigung des Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht ausgegangen werden. Die Norm soll nicht schutzbedürftigen Organmitgliedern einen Kündigungsschutz verwehren.74 Auf diese Weise kann die Gesellschaft sich von Beschäftigten in besonderer Vertrauensstellung lösen, ohne den Anforderungen des Kündigungsschutzgesetzes unterliegen zu müssen. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG enthält aber, wie Thiessen75 richtig herausgestellt hat, kein Verbot dahingehend, dass sich die Gesellschaft freiwillig dazu bereit erklären kann, dem GmbH-Geschäftsführer privatautonom einen Kündigungsschutz zukommen zu lassen. Es muss der GmbH möglich sein, die Stellung des Geschäftsführers als schutzbedürftig zu bewerten und ihm in der Folge Kündigungsschutz zu gewähren. Wenn die GmbH aus freien Stücken auf den Schutz verzichten möchte, den ihr § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gewährt, bewegt sich dies im Rahmen zulässiger privatautonomer Vereinbarung. c) Ergebnis Aus Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 KSchG und § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ergibt sich im Wege einer Auslegung, dass bei einer Parteiabrede über die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes kein Verstoß gegen diese Vorschriften gegeben ist,
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BT-Drs. 05/3913 v. 24. 02. 1969, S. 9 zu Art. 1 Nr. 9. Vgl. BT-Drs. 05/3913 v. 24. 02. 1969, S. 9 zu Art. 1 Nr. 9. 75 Siehe unter Kap. 3 A. II. 2. b); vgl. auch Kap. 3 A. I. 2. (BGH) und Kap. 3 A. II. 2. a) (Jaeger). 74
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
sondern sich eine entsprechende Vereinbarung im Rahmen kündigungsrechtlicher Rechtsgrundlagen hält. 2. Gesellschaftsrechtliche Rechtsgrundlagen In einem zweiten Schritt muss gefragt werden, ob die vom Bundesgerichtshof als zulässig betrachtete privatautonome Vereinbarung auch gesellschaftsrechtliche Grenzen wahrt. Kernelemente des GmbH-Rechts sind beispielsweise die unbeschränkte Vertretungsmacht des GmbH-Geschäftsführers gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG, das grundsätzlich unbeschränkte Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG sowie ihre freie Abberufungsmöglichkeit gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG. Da die individualvertragliche Vereinbarung der Anwendbarkeit der Kündigungsschutzbestimmungen sowohl im Zusammenhang mit der Beendigung des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers als auch dem Ende seiner Organstellung betrachtet werden muss, kann von diesen Strukturprinzipien allein die freie Abberufungsmöglichkeit der Gesellschafterversammlung gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG verletzt sein. a) Verstoß gegen den Grundsatz vom Vorrang der Abberufungsmöglichkeit? Gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG ist die Bestellung des Geschäftsführers jederzeit widerruflich, unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen. Einigkeit besteht darüber, dass der Grundsatz der freien Widerruflichkeit nach § 38 Abs. 1 GmbHG Vorrang gegenüber davon abweichenden vertraglichen Abreden genießt.76 Zur Begründung kann die besondere Vertrauensstellung des Geschäftsführers angeführt werden, welche ihm aufgrund der Organfunktion verbunden mit einer regelmäßig unbeschränkten Vertretungsmacht zukommt.77 Der Gesellschafterversammlung als dem obersten Organ der GmbH muss die jederzeitige Trennung vom Geschäftsführer möglich sein, um nicht jemanden beschäftigen zu müssen, den sie kein Vertrauen mehr schenkt.78 Enthält der Anstellungsvertrag Regelungen über die Beendigung des Anstellungsverhältnisses, sind diese nicht auf die Abberufung übertragbar; dies folgt aus der unbestrittenen Trennung79 von Anstellung und Bestellung.80 Die Abberufungsfreiheit der Gesellschafterversammlung ist demnach
76 MünchKommGmbHG/Stephan/Tieves, § 38 Rn. 2; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 38 Rn. 13; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 38 Rn. 4. 77 MünchKommGmbHG/Stephan/Tieves, § 38 Rn. 2; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 38 Rn. 2. 78 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 38 Rn. 2. 79 Siehe unter Einleitung. 80 MünchKommGmbHG/Stephan/Tieves, § 38 Rn. 21.
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nicht durch schuldrechtliche Abreden einschränkbar,81 sondern kann zwingend nur durch gesellschaftsvertragliche Bestimmungen modifiziert werden.82 Eine Parteiabrede über die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes zugunsten des GmbH-Geschäftsführers dürfte die Abberufungsfreiheit der Gesellschaft nicht in unzulässiger Weise beschränken und damit zu einer Funktionsbeeinträchtigung der GmbH führen. aa) Beeinflussung der Abberufungsfreiheit Zuzustimmen ist dem Bundesgerichtshof83 in der unstreitigen Auffassung darüber, dass das Organverhältnis des GmbH-Geschäftsführers unabhängig von seinem Anstellungsvertrag betrachtet werden muss. Richtig ist ferner, dass es zu einer möglicherweise wirtschaftlichen Belastung der GmbH kommen kann, wenn die Gesellschaft berechtigt ist, den Geschäftsführer abzuberufen, er jedoch bei fehlender Rechtfertigung einer Kündigung seines Anstellungsvertrages weiterhin einen Anspruch auf Fortzahlung seiner Vergütung geltend machen kann.84 Die Gesellschaft könnte hierdurch dazu bewogen werden, so wie Rasmussen-Bonne/Raif85 in ähnlicher Weise herausgearbeitet haben, von einer Abberufung des Geschäftsführers abzusehen, um nicht einen weiteren Geschäftsführer, welcher die Funktionen gemäß §§ 35 ff. GmbHG übernimmt, einstellen und somit ein doppeltes Geschäftsführergehalt zahlen zu müssen. Hierin könnte ein Verstoß gegen den Grundsatz vom Vorrang der freien Abberufbarkeit gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG gegenüber davon abweichenden vertraglichen Regelungen liegen. bb) Nicht zulässige Funktionsbeeinträchtigung? – Auslegung des § 38 Abs. 1 GmbHG Eine Auslegung soll Aufschluss darüber geben, ob die Parteiabrede den Grundsatz vom Vorrang der freien Abberufbarkeit verletzt und damit eine nicht zulässige Funktionsbeeinträchtigung darstellt. (1) Wortlaut Gemäß dem Wortlaut der Norm ist die Bestellung des Geschäftsführers jederzeit widerruflich, unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen. Diese Formulierung beinhaltet zwei Regelungsgehalte. Zum einen besagt die Vorschrift, dass es der Gesellschaft möglich sein muss, die Organstellung des Geschäftsführers jederzeit zu beenden. Zum anderen beurteilen sich etwaige vertrag81 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 38 Rn. 21; vgl. auch Rowedder/SchmidtLeithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 38 Rn. 4. 82 MünchKommGmbHG/Stephan/Tieves, § 38 Rn. 21. 83 Siehe unter Kap. 3 A. I. 1. 84 Siehe unter Kap. 3 A. I. 1. 85 Siehe unter Kap. 3 A. II. 1. b).
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liche Entschädigungsansprüche unabhängig von einer solchen Organstellung. Die vorangegangen Ausführungen haben gezeigt, dass eine Vereinbarung über die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes zwischen der GmbH und ihrem Geschäftsführer die Gesellschaft in ihrer Abberufungsfreiheit beeinflussen könnte. Entgegen der Auffassung von Rasmussen-Bonne/Raif86 muss dem Bundesgerichtshof und auch Jaeger87 jedoch darin gefolgt werden, dass die Beeinflussung der Abberufungsmöglichkeit der Gesellschafterversammlung eine nur mittelbare und damit zulässige Beeinflussung darstellt. Dies ist zum einen damit zu begründen, dass die Gesellschaft rein tatsächlich weiterhin den GmbH-Geschäftsführer ohne Vorliegen von Gründen gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG abberufen kann. Die Abberufungsfreiheit wird durch eine entsprechende Parteivereinbarung über die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes nicht unmöglich gemacht. Wie schon Thiessen88 richtig ausgeführt hat, bezieht sich die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes und seine hieraus resultierende Schutzwirkung allein auf das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers; seine Organstellung hingegen bleibt hiervon gänzlich unberührt, so dass die GmbH auch weiterhin die Organstellung des Geschäftsführers jederzeit ohne Angabe von Gründen widerrufen kann. Demnach liegt keine unmittelbare Beeinträchtigung der Abberufungsfreiheit der Gesellschaft vor. Zum anderen kann dies mit dem Bundesgerichtshof und Jaeger89 damit erklärt werden, dass das Gesetz entsprechend dem Wortlaut in § 38 Abs. 1 GmbHG einen Vorbehalt enthält, wonach eine Abberufung des Geschäftsführers seine aus bestehenden Verträgen erwachsenden Entschädigungsansprüche nicht berührt. Hiermit bringt die Vorschrift zum Ausdruck, dass Anstellung und Abberufung voneinander zu trennen sind. Wird beispielsweise ein GmbH-Geschäftsführer vor dem Ablauf seines befristeten Anstellungsvertrages abberufen, besteht die Pflicht der Gesellschaft zur Zahlung der fortlaufenden Vergütung gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG „unbeschadet“ der sich ergebenden Auswirkungen für die Abberufungsentscheidung der GmbH.90 Finanzielle Folgen für die Gesellschaft richten sich damit von der Organstellung losgelöst allein nach dem Anstellungsvertrag. Der Regelungsgehalt des § 38 Abs. 1 GmbHG verdeutlicht, dass sich die Gesellschaft trotz ihrer freien Abberufungsfreiheit wirtschaftlichen Belastungen aussetzen kann. Voraussetzung ist hierbei immer, dass das Recht der Gesellschafterversammlung zum jederzeitigen Widerruf der Bestellung nicht in unzulässiger Weise individualvertraglich tangiert wird. Da es der Gesellschaft jedoch auch bei einer entsprechenden Parteiabrede weiterhin möglich ist, den GmbH-Geschäftsführer zu jeder Zeit abzuberufen, spricht § 38 Abs. 1 GmbHG nicht gegen eine Vereinbarung über die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes, sondern stellt vielmehr klar, dass zwischen dem Widerruf der Organstellung des Geschäftsführers einerseits und sich aus dem Anstellungsverhältnis möglicherweise 86 87 88 89 90
Siehe unter Kap. 3 A. II. 1. b). Vgl. Kap. 3 A. I. 1. (BGH) und Kap. 3 A. II. 2. a) (Jaeger). Siehe unter Kap. 3 A. II. 2. b). Vgl. Kap. 3 A. I. 1. (BGH) und Kap. 3 A. II. 2. a) (Jaeger). MünchKommGmbHG/Stephan/Tieves, § 38 Rn. 176.
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ergebenden finanziellen Ansprüchen andererseits zu trennen ist. Eine entsprechende Parteiabrede hält sich damit im Rahmen des Wortlautes des § 38 Abs. 1 GmbHG. (2) Systematik Durch einen Rückgriff auf die Systematik, mithin der Betrachtung des Verhältnisses von Variante eins zu Variante zwei des § 38 Abs. 1 GmbHG können die Aussagen, welche zur Wortlautauslegung angestellt wurden, bestätigt werden. Die erste Variante schreibt eine freie Widerruflichkeit der Bestellung des Geschäftsführers vor. Die zweite Variante bringt in Zusammenschau mit Variante eins die Trennung der Organstellung und dem zugrundeliegenden Anstellungsvertrag sowie etwaigen vertraglichen Ansprüchen zum Ausdruck. Eine Vereinbarung über die Anwendbarkeit des gesetzlichen Kündigungsschutzes, welche zu einer möglichen Beeinflussung der Gesellschafterversammlung in ihrem Recht aus § 38 Abs. 1 Var. 1 GmbHG führen kann, beachtet die Grenzen der inneren Systematik des § 38 Abs. 1 GmbHG. Es liegt kein Verstoß gegen die freie Widerruflichkeit vor, da eine mögliche finanzielle Belastung, die sich allein daraus ergeben kann, dass die Gesellschaft bei einer Abberufung, aber keiner gleichzeitigen Beendigungsmöglichkeit des Geschäftsführervertrages unter Umständen zwei Geschäftsführergehälter zahlen müsste, von der Organstellung losgelöst zu betrachten ist. Eine wirtschaftliche Belastung der GmbH kann damit nicht als Argument für die Begründung einer unzulässigen Einschränkung der Abberufungsfreiheit herangezogen werden. Folglich ist ein Verstoß gegen das Recht der freien Abberufbarkeit eines Geschäftsführers nicht zu begründen. In diesem Zusammenhang muss auch § 38 Abs. 2 GmbHG betrachtet werden. Danach kann im Gesellschaftsvertrag die Zulässigkeit des Widerrufs auf den Fall beschränkt werden, dass wichtige Gründe denselben notwendig machen. Das Gesetz bringt zum Ausdruck, dass die Organstellung des Geschäftsführers dahingehend gestärkt wird, dass unter Umständen die Gesellschaft nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes von ihrem Abberufungsrecht Gebrauch machen darf. Es gibt damit keine gänzliche Abberufungsfreiheit, sondern es ist durchaus möglich, das Recht der Gesellschaft aus § 38 Abs. 1 GmbHG in der Weise zu beschränken, dass sie die Organstellung des Geschäftsführers nur aufgrund eines wichtigen Grundes widerrufen kann. Dies zeigt, dass das Gesetz in § 38 Abs. 2 GmbHG selbst eine Beschränkung des Widerrufsrechts der Gesellschafterversammlung zulässt. Da vorhergehend jedoch festgestellt wurde, dass lediglich eine Beeinflussung aufgrund einer eventuell entstehenden finanziellen Belastung denkbar ist, diese aber zu keiner unzulässigen Beschränkung der Abberufungsfreiheit führt, zeigt auch das Verhältnis des § 38 Abs. 2 zu Abs. 1 GmbHG, dass eine entsprechende Parteiabrede keine Verletzung des § 38 Abs. 1 GmbHG bedeutet. Die innere Systematik des § 38 Abs. 1 GmbHG steht einer Parteiabrede über die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes nicht entgegen.
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(3) Entstehungsgeschichte Diese Ausführungen werden durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bekräftigt. Der Gesetzgeber positionierte sich zu dem Verhältnis des freien Widerrufsrechts aus § 38 Abs. 1 GmbHG und der Beschränkung der Abberufungsfreiheit aufgrund des Vorliegens eines wichtigen Grundes aus § 38 Abs. 2 GmbHG. Die Gesetzesmaterialien verdeutlichen, dass die Gesellschafter das Recht haben müssen, die Organstellung des Geschäftsführers jederzeit zu beenden.91 Dieser Grundsatz kann jedoch nicht ausnahmslos Geltung beanspruchen, da den Geschäftsführern unter bestimmten Umständen eine gewisse Selbstständigkeit und Unabhängigkeit in ihrer Stellung als Organ zukommen muss.92 Aus diesem Grund ist es möglich, die Abberufung an wichtige Gründe zu knüpfen.93 Diesbezüglich lässt sich ableiten, dass das Widerrufsrecht nicht schrankenlos gilt, sondern dieses eingeschränkt werden kann. Da eine Parteiabrede über die Geltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes für GmbH-Geschäftsführer die Gesellschaft jedoch nicht daran hindert, von ihrem jederzeitigen Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, führt eine solche zu keiner unrechtmäßigen Beschränkung des § 38 Abs. 1 GmbHG. Gegebenenfalls könnte die Gesellschaft aufgrund einer finanziellen Belastung von ihrer Abberufungsfreiheit absehen und dies insoweit eine faktische Beeinträchtigung darstellen. Eine faktische Beeinträchtigung ist jedoch nicht mit einer unzulässigen Beeinträchtigung gleichzusetzen. Die Entstehungsgeschichte der Norm spricht im Ergebnis nicht gegen eine individualvertraglich vereinbarte Parteiabrede über die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes. (4) Sinn und Zweck Der Sinn und Zweck des § 38 GmbHG leitet sich aus folgendem Gesichtspunkt ab: Die Geschäftsführer stellen das beauftragte Organ der Gesellschaft dar und sind „hinsichtlich des Umfanges und der Ausübung ihrer Funktionen von dem Willen (…) der Gesamtheit der Gesellschafter abhängig“.94 Ihre Organstellung muss seitens der Gesellschaft daher jederzeit beendet werden können, wenn ihnen nicht ausnahmsweise eine gewisse Schutzbedürftigkeit zugeschrieben werden kann. In einem solchen Fall kann das Recht der GmbH aus § 38 Abs. 1 GmbHG an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gebunden werden.95 Weiterhin ist der Sinn und Zweck des § 38 Abs. 1 GmbHG darin zu sehen, dass sich die freie Abberufungsmöglichkeit der 91
Entwurf eines § 35 – 40, S. 88. 92 Entwurf eines § 35 – 40, S. 88. 93 Entwurf eines § 35 – 40, S. 88. 94 Entwurf eines § 35 – 40, S. 88. 95 Entwurf eines § 35 – 40, S. 88.
Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung 1891, Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung 1891, Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung 1891, Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung 1891, Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung 1891,
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Gesellschafterversammlung von dem zugrundeliegenden Anstellungsvertrag und daraus resultierenden Ansprüchen unterscheidet und in der Folge unabhängig davon beurteilt. All diese Gesichtspunkte werden durch eine Vereinbarung über die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes jedoch nicht beeinträchtigt oder gar verletzt. Vielmehr wahrt eine entsprechende Parteiabrede die Unterscheidung zwischen der Organstellung einerseits und dem Anstellungsverhältnis andererseits und ist keine unzulässige Beschränkung des Rechts der Gesellschafter aus § 38 Abs. 1 Var. 1 GmbHG. (5) Ergebnis Eine Auslegung des § 38 Abs. 1 GmbHG hat damit ergeben, dass weder der Wortlaut der Norm noch die systematische Stellung der Vorschrift einer Parteiabrede über die Geltung der Kündigungsschutzbestimmungen für GmbH-Geschäftsführer entgegenstehen. Auch die Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck des § 38 Abs. 1 GmbHG führen zu keinem anderen Ergebnis. Vereinbaren die Gesellschaft und ihr GmbH-Geschäftsführer die Anwendbarkeit des gesetzlichen Kündigungsschutzes, stellt dies keine unzulässige Funktionsbeeinträchtigung der GmbH und folglich keinen Verstoß gegen den Vorrang der Abberufungsfreiheit gegenüber davon abweichenden vertraglichen Abreden dar. cc) Weitere Sachargumente Neben einer Auslegung können weitere Sachargumente angeführt werden, welche gegen die Unwirksamkeit einer entsprechenden Parteiabrede sprechen und in der Folge das Auslegungsergebnis bestätigen. (1) Vergleich zur Aktiengesellschaft sowie zur gesetzgeberischen Wertung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG Ein Vergleich zur Aktiengesellschaft zeigt, dass allein eine finanzielle Belastung für die GmbH keine Beeinträchtigung der Organfunktion bedeutet.96 Auch die Vereinbarung eines Übergangsgeldes belastet eine Gesellschaft finanziell, dennoch sind derartige Vertragsvarianten bei einer GmbH anerkannt.97 Es liegt, anders als unter Umständen bei einer Aktiengesellschaft, kein Eingriff in die Entschließungsfreiheit der Gesellschaft vor, weil das GmbH-Recht im Gegensatz zum Aktienrecht keine zeitliche Beschränkung der Bestellung und damit der Anstellung kennt.98 Richtig ist insbesondere, dass die Gesellschafter selbst die Bedingungen des Anstellungsvertrages und somit eine entsprechende Parteiabrede beschließen.99 Es 96 97 98 99
Vgl. schon oben Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (711 f.). Vgl. schon oben Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712). Vgl. schon oben Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712). Vgl. schon oben Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712).
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kann demnach darauf abgestellt werden, wie schon Thiessen100 richtig ausgeführt hat, dass sich die GmbH einer derartigen Situation, möglicherweise zwei Geschäftsführer zu entlohnen, bewusst gewesen sein und mit ihr folglich gerechnet haben muss. Die Gesellschaft kann sich bei einer freiwillig vereinbarten Geltung nicht darauf berufen, eine möglicherweise finanzielle Belastung nicht bedacht zu haben. Da die freie Abberufungsmöglichkeit die GmbH nicht davor schützt, selbst eingegangene Verpflichtungen einzuhalten, muss die Gesellschaft eventuelle Zahlungen hinnehmen. Die mit einer Vereinbarung über die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes eventuell verbundene finanzielle Belastung für die Gesellschaft kann eine solche im Ergebnis nicht unwirksam machen.101 Eine entsprechende Parteivereinbarung kann damit letztlich nicht mit dem Argument als unwirksam angesehen werden, dass eine dauerhafte Fortzahlung der Vergütung eine nicht zulässige Umgehung der Abberufungsmöglichkeit bedeute und folglich die dem § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG zugrundeliegende Wertung es verbiete, eine derartige Klausel als rechtmäßig anzusehen.102 Zum einen erschließt sich meines Erachtens nicht, warum eine finanzielle Belastung der Gesellschaft zu keiner Beeinträchtigung der Organfunktion führt, dann aber gerade in dieser finanziellen Belastung eine unzulässige Umgehung des § 38 Abs. 1 GmbHG zu sehen ist. Zum anderen ist nicht nachvollziehbar, warum die zugrundeliegende Wertung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG mit der jederzeitigen Abberufungsmöglichkeit der Gesellschafterversammlung begründet sowie konstatiert wird, dass es sich bei der Norm um eine zwingende Bestimmung handele, von der deshalb nicht abgewichen werden könne, weil es der GmbH nicht möglich sei abzuschätzen, wann die Anstellung des Geschäftsführers ende und sie damit im Falle einer Abberufung zwei Geschäftsführer vergüten müsste.103 Dieser Begründung muss entgegen gehalten werden, dass es nicht zulässig ist, die gesetzgeberische Wertung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG und damit einer kündigungsschutzrechtlichen Norm aus dem gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der jederzeitigen Abberufungsmöglichkeit der Gesellschafterversammlung gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG abzuleiten. Die gesetzgeberische Wertung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ist vielmehr darin zu sehen, dass sich die Gesellschaft, ohne besondere Anforderungen erfüllen zu müssen, von solchen Beschäftigten trennen können muss, die nicht schutzbedürftig sind.104 Wenn die Gesellschaft freiwillig eine entsprechende Verpflichtung eingeht, die Beendigung des Anstellungsvertrages von der Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung abhängig zu machen und auf diese Weise GmbH-Geschäftsführer als schutzbedürftig ansieht, verbietet § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG der GmbH dies nicht. Da die Vorschrift eine Schutzwirkung zugunsten der Gesellschaft enthält, steht es dieser im Rahmen privatautonomer Vereinbarung 100
Siehe unter Kap. 3 A. II. 2. b). Vgl. schon oben Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712). 102 So aber Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712 f.). 103 Vgl. Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 (712 f.). 104 Vgl. BT-Drs. 05/3913 v. 24. 02. 1969, S. 9 zu Art. 1 Nr. 9 (Umkehrschluss aus der Gesetzesbegründung). 101
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frei, aus freien Stücken auf den Schutz des § 14 KSchG zu verzichten und auf diese Weise ihrem Geschäftsführer Kündigungsschutz zu gewähren. Die aus einer Vereinbarung über die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes sich ergebende mögliche finanzielle Belastung der Gesellschaft stellt damit keine unzulässige Umgehung des § 38 Abs. 1 GmbHG dar. (2) Vergleich zu befristeten GmbH-Geschäftsführeranstellungsverträgen Weiterhin kann gegen die Annahme einer Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit der Gesellschaft, wie dies auch der Bundesgerichtshof105 getan hat, angebracht werden, dass befristete oder auflösend bedingte Anstellungsverträge von GmbH-Geschäftsführern zulässig sind. Es ist somit anerkannt, dass diese Verträge nicht mit einem einfachen Satz wie: „Wir möchten mit Ihnen nicht weiter zusammenarbeiten.“ beendet werden können, sondern nur außerordentlich unter den strengen Voraussetzungen des § 626 BGB kündbar sind. Dies bedeutet aber auch, dass eine längerfristige Bindung an den Geschäftsführer die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft nicht beeinträchtigt. Eine andere Bewertung würde, wie der Bundesgerichtshof106 richtig dargestellt hat, zu dem Ergebnis führen, dass eine zeitliche Grenze festgelegt werden müsste, bis wann Anstellungsverträge wirksam befristet werden können. Das Aktienrecht bringt mit der Vorschrift des § 84 Abs. 1 S. 5 AktG zum Ausdruck, dass Aktiengesellschaften die Anstellungsverträge ihrer Vorstandsmitglieder für fünf Jahre befristen können, ohne dass die Gesellschaft hierdurch in ihrer Funktionstüchtigkeit beeinträchtigt wird. Das GmbH-Recht sieht jedoch anders als das Aktienrecht in § 84 Abs. 1 S. 5 AktG gerade keine zeitliche Grenze für die Befristung des Anstellungsvertrages des GmbH-Geschäftsführers vor. Der Gesetzgeber hat auf diese Weise deutlich gemacht, dass es der Gesellschaft überlassen sein muss, für welchen Zeitraum sie befristete Anstellungsverträge abschließen möchte. Dann aber ist auch die Funktionstüchtigkeit der GmbH in dieser Zeit gewahrt. Wenn die Möglichkeit des Verhandelns von befristeten Rechtsverhältnissen keine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft bedeutet, folgt daraus, dass ebenso die privatautonome Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes die Grenzen der Funktionstüchtigkeit der GmbH nicht überschreitet. In diesem Zusammenhang kann ebenfalls die Argumentation von Jaeger107 angeführt werden, der in seiner Begründung richtig darauf abstellt, dass der Abschluss eines Fünf-Jahresvertrages und die daraus resultierende mittelbare Einschränkung der Abberufungsfreiheit wesentlich weiter geht als die Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes. Diese Ausführungen sind auf jede Befristung übertragbar. Während die Gesellschaft einen befristeten Vertrag nämlich nur durch eine außerordentliche Kündigung beenden kann, ermöglicht eine entsprechende Parteivereinbarung über die Anwendbarkeit der Kündigungsschutzvor105 106 107
Siehe unter Kap. 3 A. I. 1. Siehe unter Kap. 3 A. I. 1. Siehe unter Kap. 3 A. II. 2. a).
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schriften, der GmbH den Anstellungsvertrag des Geschäftsführers unter den weniger strengen Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung zu lösen. Ist demnach die Befristung von Anstellungsverträgen der GmbH-Geschäftsführer anerkannt, kann auch eine privatautonome Vereinbarung über die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nicht unzulässig sein. b) Ergebnis Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass das Recht der Gesellschafterversammlung zur freien Abberufung des GmbH-Geschäftsführers gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG durch die individualvertraglich vereinbarte Geltung des Kündigungsschutzgesetzes für den Anstellungsvertrag des Organmitgliedes nicht in unzulässiger Weise beschränkt respektive modifiziert wird. Der Vorrang der freien Abberufungsfreiheit ist gegenüber davon abweichenden schuldrechtlichen Abreden gewahrt. Da die GmbH durch eine entsprechende Parteivereinbarung mithin nicht in ihrer Funktionstüchtigkeit beeinträchtigt wird, ist ein Verstoß gegen gesellschaftsrechtliche Grundsätze zu verneinen. 3. Gesamtergebnis Als Gesamtergebnis kann festgehalten werden, dass durch eine privatautonome Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes für GmbH-Geschäftsführer weder kündigungsrechtliche noch gesellschaftsrechtliche Rechtsgrundlagen verletzt werden. Damit kann dem Bundesgerichtshof und denjenigen Stimmen in der Literatur, welche eine entsprechende Parteiabrede als zulässig ansehen, beigepflichtet werden. Der GmbH und ihren Geschäftsführern ist es somit rechtlich möglich, die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes auch auf Anstellungsverhältnisse der Organmitglieder anwendbar zu machen.
B. Exkurs: Ordentliche Kündigung der GmbH-Geschäftsführeranstellungsverhältnisse bei Nichtgeltung des Kündigungsschutzgesetzes Nachdem die Zulässigkeit einer Abrede zwischen der GmbH und ihren Geschäftsführern über die Geltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes bejaht werden konnte, stellt sich die Frage, was die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf Geschäftsführeranstellungsverträge in der Praxis bedeutet und wie sich diese im Falle der Beendigung der Rechtsverhältnisse konkret auswirkt. Zur Beantwortung dieser Frage muss die Situation betrachtet werden, wenn die Anstellungsverhältnisse der GmbH-Geschäftsführer ordentlich gekündigt werden, die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes aber nicht vereinbart ist. Auf diese Weise soll festgestellt
B. Ordentliche Kündigung bei Nichtgeltung des Kündigungsschutzgesetzes
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werden können, wie sich die kündigungsrechtliche Stellung der Geschäftsführer unter dem Gesichtspunkt der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes verändert. Ist die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zwischen der GmbH und ihren Geschäftsführern nicht vereinbart, unterliegen Organmitglieder gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keinem Kündigungsschutz. Die Beendigung ihrer Anstellungsverträge durch eine ordentliche Kündigung seitens der Gesellschaft bedarf keines rechtfertigenden Kündigungsgrundes gemäß § 1 Abs. 2 KSchG.108 Es gibt jedoch auch bei einer ordentlichen Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers Anforderungen, welche erfüllt sein müssen, um das Vertragsverhältnis zur GmbH wirksam beenden zu können.
I. Verhältnis zwischen Abberufung und Beendigung des Anstellungsvertrages Relevant ist in diesem Zusammenhang zunächst das Verhältnis zwischen dem Ende der Organstellung des Geschäftsführers und einer Beendigung seines Anstellungsvertrages. 1. Grundsatz: Trennungsprinzip Grundsatz für dieses Verhältnis ist das Trennungsprinzip, welches in § 38 Abs. 1 GmbHG einen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat.109 Danach sind Organstellung und Anstellung voneinander unabhängig und stehen rechtlich selbstständig nebeneinander.110 Dies bedeutet, dass eine Abberufung nicht automatisch zu einer Kündigung des schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses führt.111 Das Trennungsprinzip entspricht einhelliger Auffassung in Literatur und Rechtsprechung.112 108
BGH NZG 2004, 90 (91); Hillmann-Stadtfeld, GmbHR 2004, 1457 (1458). MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 391: Wortlaut des § 38 Abs. 1 GmbHG – Die Bestellung der Geschäftsführer ist jederzeit widerruflich, unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 35 Rn. 69. 110 Seel, JA 2009, 446 (447); Freckmann, DStR 2008, 52 (52); Nägele, BB 2001, 305 (305); Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 209; BAG NZA 2008, 168 (169); siehe auch schon unter Einleitung. 111 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 38 Rn. 44 f., m. w. N.; Seel, JA 2009, 446 (450); BAG NZA 1997, 509 (510); BAG NZA 1999, 839 (839); BGH NJWRR 1990, 1123 (1124); BGH NJW 1981, 757 (758), in Bezug auf Vorstandsmitglieder. 112 Schulze/Hintzen, ArbRAktuell 2012, 332810; Hümmerich, NJW 1995, 1177 (1177); Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 85 (86); Bauer, BB 1994, 855 (855); Stück, GmbHR 2006, 1009 (1011); Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 38 Rn. 25; Ulmer/Habersack/Löbbe/ Paefgen, GmbHG, § 38 Rn. 240; BAG NZA 1999, 987 (988); BAG NZA 2003, 1108 (1109); BGH NJW 2011, 920 (920). 109
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2. Ausnahme in Koppelungsfällen Eine Ausnahme von dem Trennungsgrundsatz bilden die sogenannten Koppelungsklauseln, bei denen Organstellung und Anstellung miteinander verbunden werden.113 Solche Koppelungsklauseln werden im Anstellungsvertrag des GmbHGeschäftsführers vereinbart.114 In der Praxis kommen dabei häufig Klauseln vor, nach denen der Widerruf der Organstellung des Organmitgliedes gleichzeitig eine Kündigung des Anstellungsvertrages zum nächst zulässigen Termin bedeutet; eine derartige Koppelung ist rechtlich nicht zu beanstanden, weil sie nur darauf abzielt, mit der Abberufung auch eine Kündigung zu fingieren.115 Der Geschäftsführer wird durch eine solche Vereinbarung nicht schlechter gestellt, da sein Anstellungsverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist endet, als ob gemäß dem Trennungsgrundsatz außer dem Widerruf eine individuelle Kündigung erfolgt wäre.116 Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn die Koppelungsklausel vorsieht, dass in der Abberufung eine Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages zum nächst zulässigen Zeitpunkt liegt, es sich allerdings um einen befristeten Vertrag handelt.117 In einem solchen Fall wäre eine entsprechende Klausel unwirksam, da ein befristeter Vertrag nur außerordentlich kündbar ist und folglich die Anforderungen des § 626 BGB erfüllt sein müssten.118 Angesichts der Tatsache, dass § 38 Abs. 1 GmbHG einen Widerruf der Bestellung jederzeit und ohne das Vorliegen von Gründen zulässt, würde eine Koppelungsklausel, wonach die Abberufung eine gleichzeitige Beendigung des Anstellungsvertrages darstellt, den Schutz des § 626 BGB jedoch aushöhlen.119 Ein anderes Ergebnis würde sich nur dann ergeben, wenn im Zeitpunkt der Abberufung tatsächlich ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB vorliegt.120 113 Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, GmbHG, § 38 Rn. 253; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 392; Michalski/Lenz, GmbHG, § 35 Rn. 160; vgl. Hillmann-Stadtfeld, GmbHR 2004, 1457 (1458); vgl. auch Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, GmbHG 2014, § 38 Rn. 36; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 44; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 211; BGH NJW 1990, 2622 (2624); BGH NJW-RR 1990, 1123 (1124); BGH NJW 1999, 3263 (3264); BGH NJW 1995, 2850 (2850); BGH NJW 1989, 2683 (2683 f.), in Bezug auf AG-Vorstandsmitglieder. 114 MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 392; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, GmbHG 2014, § 38 Rn. 36. 115 MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 393; Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, S. 408 Rn. 71 f.; Seel, JA 2009, 446 (450); vgl. auch Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 38 Rn. 44; Lohr, NZG 2001, 826 (832); vgl. Hillmann-Stadtfeld, GmbHR 2004, 1457 (1458). 116 MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 393. 117 BGH NJW 1999, 3263 (3264). 118 Vgl. BGH NJW 1999, 3263 (3264); allgemein zur Problematik „Koppelungsklauseln in befristeten Anstellungsverträgen“ siehe Hillmann-Stadtfeld, GmbHR 2004, 1457 (1459 f.). 119 MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 394, ohne Beschränkung auf einen befristeten Vertrag. 120 BGH NJW 1999, 3263 (3264).
B. Ordentliche Kündigung bei Nichtgeltung des Kündigungsschutzgesetzes
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Nicht zulässig ist weiterhin eine Koppelungsklausel, die mit der Abberufung eine sofortige Beendigung auch des Anstellungsvertrages des Geschäftsführers vorschreibt; eine solche Regelung könnte eine Umgehung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsregelungen sein.121 Erforderlich ist aber, dass die Koppelungsklausel nicht im Widerspruch zu den im Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers getroffenen Vereinbarungen, speziell hinsichtlich der individuell festgelegten Kündigungsfristen sowie den gesetzlichen Kündigungsfristen steht.122 Haben sich die Parteien beispielsweise auf eine lange Kündigungsfrist verständigt, würde eine Koppelungsklausel, wonach das Anstellungsverhältnis automatisch durch eine Abberufung beendet wird, zu einem einseitigen, nicht rechtmäßigen Lösungsrecht zugunsten der Gesellschaft führen; die entsprechende Klausel wäre wegen Verstoßes gegen den Anstellungsvertrag unwirksam.123 Weiterhin könnten auch bei einem unbefristeten Vertrag die Anforderungen des § 626 BGB umgangen werden.124 Rechtmäßig sind damit nur solche Klauseln, welche eine Kündigung des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers an seine Abberufung unter Wahrung der gesetzlichen oder individualvertraglich vereinbarten Kündigungsfristen sowie aller Kündigungsbestimmungen binden.
II. Formelle Voraussetzungen Zur Wirksamkeit der Kündigung des Anstellungsvertrages eines GmbH-Geschäftsführers muss diese formelle Voraussetzungen erfüllen. 1. Zuständigkeit Zuständig für eine Kündigung des Anstellungsverhältnisses des GmbHGeschäftsführers ist kraft Annexkompetenz das für die Bestellung und Anstellung zuständige Organ, mithin die Gesellschafterversammlung gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG.125 Folglich ist gemäß § 47 Abs. 1 GmbHG ein wirksam gefasster Gesellschafterbeschluss erforderlich. Möglich ist es aber, in dem Gesellschaftervertrag eine andere Stelle der GmbH zur Ausübung der Ermächtigung zu befä-
121 MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 394; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 44; BGH NJW 1990, 2622 (2624); BGH NJW 1998, 1480 (1480). 122 Vgl. BGH NJW 1989, 2683 (2684), in Bezug auf Vorstandsmitglieder; vgl. Michalski/ Tebben, GmbHG, § 6 Rn. 207; Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 85 (88). 123 MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 394. 124 BGH NJW 1998, 1480 (1480); MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 394. 125 Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 51; MünchKommGmbHG/ Jaeger, § 35 Rn. 415; Bauer/Krieger, ZIP 2004, 1247 (1247); BGH NJW 1991, 1680 (1681); BGH NJW 1995, 1750 (1751); BGH NJW 1998, 76; BGH NJW-RR 2007, 1632 (1633).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
higen.126 Erfolgt die Kündigung durch ein nicht zuständiges Organ der Gesellschaft, ist diese unwirksam.127 2. Form Grundsätzliche Einigkeit besteht darüber, dass § 623 BGB bei Geschäftsführeranstellungsverträgen nicht zur Anwendung gelangt, weil der Wortlaut der Vorschrift eine Geltung nur für Arbeitsverhältnisse zulässt.128 Die Kündigung des Anstellungsverhältnisses des GmbH-Geschäftsführers unterliegt damit keinem gesetzlichen Schriftformerfordernis; aus Rechtssicherheitsgründen wird in der Praxis allerdings oftmals individualvertraglich ein Schriftformgebot vereinbart.129 3. Frist Der Gesellschaft ist es nicht gestattet, das Geschäftsführeranstellungsverhältnis zu jeder Zeit zu kündigen. Vielmehr muss sie die Einhaltung einer Kündigungsfrist wahren. a) Ansichten in Literatur und Rechtsprechung Welche Frist maßgeblich ist, wird in der Literatur und der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. aa) Kündigungsfrist nach § 622 BGB Ein Teil der Lehre130 sowie ein Teil der Rechtsprechung131 vertreten die Auffassung, dass sich die Kündigungsfrist in entsprechender Anwendung nach dem für 126
BGH NJW 1984, 2528 (2528); BGH NJW 1997, 2055 (2055); vgl. BGH NJW 1999, 3263 (3264); zustimmend: Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 216; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 415. 127 MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 415; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt, GmbHG 2014, § 35 Rn. 428; OLG Köln, GmbHR 1993, 734 (736); OLG Köln, GmbHR 1991, 156 (158). 128 Staudinger/Oetker, BGB, § 623 Rn. 12; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 414; Bauer/Krieger, ZIP 2004, 1247 (1250); Lohr, NZG 2001, 826 (828); Scholz/Uwe H. Schneider/ Hohenstatt, GmbHG 2014, § 35 Rn. 431; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 52 und 47. 129 MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 414; Bauer/Krieger, ZIP 2004, 1247 (1250). 130 Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 53; Altmeppen/Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 123; vgl. auch Miller, ZIP 1981, 578 (578 ff.); Uhlenbruck/Hirte/Vallender/Berscheid, InsO, § 113 InsO Rn. 18. 131 BGH NJW 1984, 2528 (2528 f.); LAG Rheinland-Pfalz NZG 2009, 195 (196); LAG Hamm (Westfalen) Urteil v. 25. 10. 2000 – 4 Sa 363/00, juris Rn. 126; vgl. auch LAG Rhein-
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Arbeitnehmer geltenden § 622 BGB richtet. Zur Begründung stellen die Vertreter dieser Ansicht darauf ab, dass der Geschäftsführer, ähnlich einem Arbeitnehmer, der Gesellschaft seine Arbeitskraft hauptberuflich überlasse „und von ihr je nach der Höhe seines Gehalts mehr oder weniger wirtschaftlich abhängig ist“.132 Zudem benötige ein GmbH-Geschäftsführer im Falle der Beendigung seines Anstellungsverhältnisses Zeit, um eine andere Anstellung zu finden.133 Da auch die Gesellschaft Zeit für die Suche nach einem adäquaten Nachfolger brauche, spreche die Interessenlage „auf beiden Seiten für eine analoge Anwendung des § 622 BGB“.134 Dass GmbH-Geschäftsführer von der Vorschrift des § 622 BGB nicht ausdrücklich erfasst werden, beruhe allein auf einem Redaktionsversehen seitens des Gesetzgebers.135 Die Ansicht unterscheidet dabei nicht zwischen Fremd- und Gesellschafter-Geschäftsführern.136 Vielmehr würden bei den verschiedenen Arten von GmbH-Geschäftsführern dieselben Erwägungen gelten,137 wobei ein Teil der Literatur dies damit begründet, dass auch ein Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen einer Kündigung seines Anstellungsvertrages keinen beherrschenden Einfluss habe,138 der Bundesgerichtshof hingegen darauf abstellt, dass der Geschäftsführeranstellungsvertrag eines Unternehmergeschäftsführers nicht ohne seine Zustimmung beendet werden könne und der Frage nach einer entsprechenden Kündigungsfrist bei einem solchen Geschäftsführer folglich keine Bedeutung zukomme.139
land-Pfalz Urteil v. 17. 04. 2008 – 9 Sa 684/07, juris Rn. 24; BGH NJW 1981, 1270 (1270 f.), der aber beim Geschäftsführer, der zugleich als Gesellschafter maßgeblich an der GmbH beteiligt ist, wohl für eine Anwendung des § 621 BGB tendiert, dies aber nicht ausdrücklich entschieden hat. 132 BGH NJW 1984, 2528 (2528 f.); so auch BGH NJW 1981, 1270 (1270 f.); Altmeppen/ Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 123; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 53. 133 Altmeppen/Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 123; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 53; BGH NJW 1984, 2528 (2529); BGH NJW 1981, 1270 (1271). 134 Altmeppen/Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 123; so auch Lutter/Hommelhoff/ Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 53; BGH NJW 1984, 2528 (2529); BGH NJW 1981, 1270 (1271). 135 BGH NJW 1981, 1270 (1271); anders Miller, ZIP 1981, 578 (578 ff.), der ein Redaktionsversehen ablehnt und § 622 BGB wegen der Arbeitnehmereigenschaft von Fremdgeschäftsführern und minderheitlich beteiligten Geschäftsführern unmittelbar anwenden möchte. – Bei beherrschenden Gesellschaftern stelle sich die Problematik hingegen nicht, weil sie in der Lage seien, für sich genehme Kündigungsfristen zu vereinbaren oder eine entsprechende Kündigung aufgrund ihres Stimmrechts abzuweisen. 136 BGH NJW 1984, 2528 (2528 f.); LAG Rheinland-Pfalz NZG 2009, 195 (196); LAG Hamm (Westfalen) Urteil v. 25. 10. 2000 – 4 Sa 363/00, juris Rn. 126; Uhlenbruck/Hirte/ Vallender/Berscheid, InsO, § 113 InsO Rn. 18; vgl. Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 53; vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz Urteil v. 17. 04. 2008 – 9 Sa 684/07, juris Rn. 24. 137 BGH NJW 1984, 2528 (2528 f.). 138 Altmeppen/Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 124. 139 BGH NJW 1984, 2528 (2529).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
bb) Kündigungsfrist nach § 621 Nr. 3 BGB Andere Stimmen der Literatur halten eine Kündigungsfrist gemäß § 621 Nr. 3 BGB für maßgeblich, wenn der Geschäftsführer, wie in der Regel, feste Bezüge nach Monaten bemessen erhält.140 So lehnt beispielsweise Hümmerich ein erneutes Redaktionsversehen des Gesetzgebers im Jahre 1993, aufgrund der zuvor bestehenden Analogie-Rechtsprechung und der Eindeutigkeit des Arbeitnehmerbegriffs, ab und gelangt in Folge dessen zu einer Anwendung des § 621 Nr. 3 BGB.141 Wegen der seiner Ansicht nach bestehenden Schutzbedürftigkeit von GmbH-Geschäftsführern sei eine derartige Kündigungsfrist im Ergebnis jedoch nicht sachgerecht.142 Auch Zöllner/Noack bejahen eine Geltung des § 621 BGB, wollen aber wiederum § 622 Abs. 1 BGB anwenden, wenn der Anstellungsvertrag eigenständig neben der Organstellung steht und beides voneinander unabhängig ist.143 cc) Differenzierende Ansichten Eine differenzierende Ansicht unterscheidet nach dem Einfluss des Geschäftsführers und präferiert beim beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer eine Anwendung des § 621 Nr. 3 BGB, bei allen anderen Geschäftsführern, wie den Fremdgeschäftsführern und den Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführern eine analoge Anwendung des § 622 BGB.144 Ein Teil der Literatur dieser Auffassung stellt 140 Säcker, BB 1979, 1321 (1324), ohne Begründung; Hümmerich, NJW 1995, 1177 (1180); Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 243. 141 Hümmerich, NJW 1995, 1177 (1179 f.). 142 Hümmerich, NJW 1995, 1177 (1180). 143 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 243. 144 Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, GmbHG, § 38 Rn. 81; Priester/Mayer/Wicke/ Marsch-Barner/Diekmann, MünchHdbGesellR GmbH Band 3, § 43 Rn. 94; Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, 3. Auflage 2009, S. 445 Rn. 1219; Neu, Die Beendigung der Anstellungsverhältnisse von GmbH-Geschäftsführern, 2000, S. 60 ff.; Reiserer, DB 2006, 1787 (1788); Groß, Das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers im Zivil-, Arbeits-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht, 1987, S. 350; Michalski/Tebben, GmbHG, § 6 Rn. 219 f.; Lunk, ZIP 1999, 1777 (1780); MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 410 f.; Bauer/ Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, S. 407 Rn. 68; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 38 Rn. 42, die danach unterscheiden, ob der Geschäftsführer im Einzelfall durch seine gesellschaftliche Position einen erheblichen Einfluss auf die Kündigungsfrist oder die Kündigung selbst ausüben kann; Heyll, Die Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder, 1994, S. 209, bei Weisungsabhängigkeit; OLG Hamm NJW-RR 1993, 493 (493 f.); LAG Köln NZA-RR 1999, 300 (300); BGH NJW 1987, 2073 (2074), der für den Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH bei Abschluss des Anstellungsvertrages mit der KG § 622 BGB analog anwendet, beim herrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer aber eine Anwendung des § 621 Nr. 3 BGB bejaht; vgl. auch LAG Köln Urteil v. 29. 05. 2006 – 14 (5) Sa 1343/05, juris Rn. 76; vgl. ferner BAG NZA 1986, 792 (793), das eine analoge Anwendung für nicht am Kapital der Gesellschaft beteiligte Geschäftsführer bejaht, sich aber ansonsten nicht äußert; OLG Düsseldorf NZG 2000, 1044 (1045), welches eine analoge Anwendung des § 622 BGB auf Fremdgeschäftsführer und Gesellschafter-Geschäftsführer mit maßgeblicher Beteiligung bejaht, für den Unternehmer-
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darauf ab, dass dem Gesetzgeber bei der Schaffung der Norm des § 622 BGB ein Redaktionsversehen unterlaufen ist und somit eine planwidrige Regelungslücke vorliegt.145 Diese könne bei Fremdgeschäftsführern und minderheitlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern, aufgrund des Interesses dieser Beschäftigten sowie der Gesellschaft an einer gegenüber § 621 BGB verlängerten Kündigungsfrist, durch Analogie geschlossen werden.146 Beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer hingegen hätten genügend Einflussmöglichkeiten in der Gesellschafterversammlung, welche es nicht rechtfertigen würden, ihnen im Wege der Analogie die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 BGB zukommen zu lassen.147 Andere Stimmen dieser Auffassung wiederum verneinen ein Redaktionsversehen und wollen nur auf den Fremdgeschäftsführer angesichts seiner arbeitnehmerähnlichen Stellung die Kündigungsfrist des § 622 BGB anwenden.148 Sollten GmbHGeschäftsführer tatsächlich von der Kündigungsfrist des § 622 alte Fassung vor 1969 erfasst worden sein, der Gesetzgeber bei dem Ersten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz an sie aber nicht mehr gedacht haben, sei diesem kein Fehler bei der Formulierung des Gesetzestextes, sondern schon bei den Überlegungen zuvor unterlaufen, so dass für ein Redaktionsversehen keine Anhaltspunkte vorliegen würden.149 b) Stellungnahme Kommt es zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft zu Streitigkeiten über die Kündigungsfrist, ist in der Praxis die Ansicht der Rechtsprechung entscheidend. Da jedoch sowohl die ordentlichen Gerichte als auch die Arbeitsgerichtsbarkeit keine einheitliche Auffassung zu den für GmbH-Geschäftsführer geltenden Kündigungsfristen vertreten, besteht bezüglich dieser Problematik keine Rechtssicherheit. Offen ist daher, welche Frist sowohl für die Fremd- und minderGeschäftsführer aber offen lässt, ob § 621 Nr. 3 BGB gilt; LG Duisburg Urteil v. 18. 01. 2007 – 8 O 234/06, juris Rn. 15, welches eine analoge Anwendung des § 622 Abs. 2 BGB auf nicht am Kapital beteiligte Geschäftsführer bejaht, zu herrschenden Geschäftsführern aber keine Aussage trifft. 145 Neu, Die Beendigung der Anstellungsverhältnisse von GmbH-Geschäftsführern, 2000, S. 60 ff.; Lunk, ZIP 1999, 1777 (1780). 146 Neu, Die Beendigung der Anstellungsverhältnisse von GmbH-Geschäftsführern, 2000, S. 61. 147 Neu, Die Beendigung der Anstellungsverhältnisse von GmbH-Geschäftsführern, 2000, S. 61. 148 Vgl. Heyll, Die Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder, 1994, S. 85 und 208 f., der ebenfalls ein Redaktionsversehen verneint, aber im Wege der Analogie auf ähnlich einem Arbeitnehmer weisungsgebundene Organpersonen § 622 BGB anwenden will; Groß, Das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers im Zivil-, Arbeits-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht, 1987, S. 347 ff., der § 622 BGB auf Fremdgeschäftsführer und „Arbeitnehmer-Geschäftsführer mit Vermögensbeteiligung“ unmittelbar anwenden will und eine analoge Anwendung auf herrschende Gesellschafter-Geschäftsführer ablehnt. 149 Heyll, Die Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder, 1994, S. 85.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
heitlich beteiligten Geschäftsführer als auch für die Unternehmer-Geschäftsführer maßgeblich ist. aa) Auslegung der §§ 621 Nr. 3, 622 BGB Diesbezüglich müssen die §§ 621 Nr. 3, 622 BGB ausgelegt werden. (1) Wortlaut und Systematik Ausgangspunkt der Überlegungen ist der Wortlaut des § 621 Nr. 3 BGB, welcher eine Kündigung bei Dienstverhältnissen, die keine Arbeitsverhältnisse sind, bis zum 15. eines Monats für den Schluss des Kalendermonats zulässt. § 622 BGB hingegen bestimmt die Kündigungsfrist bei Arbeitsverhältnissen und normiert in seinem Abs. 1 eine vierwöchige Kündigungsfrist. Qualifiziert man das Anstellungsverhältnis der GmbH-Geschäftsführer mit einem Großteil der Literatur und Rechtsprechung als Dienstverhältnis,150 müsste nach dem Wortlaut der Vorschriften § 621 Nr. 3 BGB einschlägig sein. Eine solche Sichtweise bestätigt der systematische Zusammenhang des § 621 Nr. 3 zu § 622 BGB, wenn sich erstere Vorschrift auf Dienstverhältnisse, die zweite Regelung indessen auf Arbeitsverhältnisse bezieht. (2) Sinn und Zweck sowie Gesetzgebungsgeschichte Angesichts der bis 1969 bestandenen unterschiedlichen Regelungen zu den Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten, war Sinn und Zweck des Arbeitsrechtsbereinigungsgesetzes 1969 die Vereinheitlichung der Kündigungsfristen.151 Aus dieser Intention kann nicht abgeleitet werden, ob für GmbH-Geschäftsführer die Vorschrift des § 621 BGB oder die des § 622 BGB anwendbar sein sollte. Der Gesetzgeber wollte mit der Schaffung der §§ 621 Nr. 3 und 622 BGB durch das Erste Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz 1969 aber systematisch zwischen der ordentlichen Kündigung für Arbeitsverträge und der ordentlichen Kündigung für solche Dienstverträge, welche keine Arbeitsverhältnisse darstellten, differenzieren.152 „§ 621 BGB soll künftig die umfassende Regelung der ordentlichen Kündigung für solche Dienstverhältnisse enthalten, die keine Arbeitsverhältnisse sind. (…) Die Neufassung des § 622 BGB regelt unter Verdrängung des § 622 die allgemeinen Kündigungsfristen für Arbeitsverhältnisse.“153 Wie in Kapitel 1 der Arbeit festgestellt, hat der Gesetzgeber bei der Änderung des § 12 (heute § 14) KSchG im Jahre 1969 GmbH-Geschäftsführer nicht als schutzbedürftig angesehen und sie folglich nicht zu dem Kreis der Arbeitnehmer gerechnet.154 Überträgt man dieses Begriffs150 151 152 153 154
Siehe unter Kap. 1 A. und B. I. BT-Drs. 05/3913 v. 24.02.69, S. 10 zu Art. 2 Nr. 3 – 5. BT-Drs. 05/3913 v. 24.02.69, S. 10 zu Art. 2 Nr. 3 – 5. BT-Drs. 05/3913 v. 24.02.69, S. 10 zu Art. 2 Nr. 3 – 5. Siehe unter Kap. 1 C. III. 3. b) ee) (2) (b).
B. Ordentliche Kündigung bei Nichtgeltung des Kündigungsschutzgesetzes
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verständnis von der Rechtsstellung der Organmitglieder auf die Vorschriften der §§ 621, 622 BGB, spricht die Entstehung der Normen dafür, dass für GmbH-Geschäftsführer die Kündigungsfrist des § 621 Nr. 3 BGB gilt, § 622 BGB dagegen aufgrund eines fehlenden Arbeitsverhältnisses keine Anwendung finden kann. (3) Ergebnis Während dem Sinn und Zweck der §§ 621, 622 BGB nicht entnommen werden kann, welche Vorschrift vordergründig für Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gelten soll, lässt sich aus dem Wortlaut, der Systematik der Regelungen und aus der Entstehungsgeschichte schließen, dass sich die Kündigungsfrist für die Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrages grundsätzlich nach § 621 BGB richtet. bb) Analoge Anwendung des § 622 BGB auf GmbH-Geschäftsführer? Ein anderes Ergebnis kann sich allein aus einer analogen Anwendung des § 622 BGB auf GmbH-Geschäftsführer ergeben. Eine analoge Anwendung ist nur zulässig, wenn ein Sachverhalt, welcher regelungsbedürftig ist, nicht durch Gesetz geregelt wurde.155 In einem solchen Fall kann „ein für einen ähnlichen Sachverhalt in einer einzelnen Gesetzesvorschrift (…) enthaltener konkreter Gesetzeszweck auf den nicht geregelten Sachverhalt entsprechend angewandt“ werden.156 Nicht rechtens ist es, wenn die gesetzliche Bestimmung eine Ausnahmenorm oder eine Vorschrift darstellt, die erkennbar allein auf den ausdrücklich normierten Sachverhalt Anwendung finden soll.157 Voraussetzung ist demnach das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke sowie eine Vergleichbarkeit der GmbH-Geschäftsführer mit den von § 622 BGB erfassten Beschäftigten. (1) Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke Die Neuregelung des § 622 BGB durch das Erste Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz 1969 führte zu einer offenen Regelungslücke des Gesetzes. Darin stimmen die Vertreter der Ansicht, welche keine Unterscheidung zwischen den Geschäftsführerarten vornehmen sowie einige Vertreter der vermittelnden Ansicht überein.158 Obgleich § 622 BGB 1969 sich seinem Wortlaut nach nur auf Arbeitsverhältnisse bezog, lässt sich aus den Gesetzesmaterialien schließen, dass § 622 BGB neue Fassung alle Fälle des § 622 BGB alter Fassung übernehmen sollte.159 Von § 622 BGB alter Fassung wurden aber nach verbreiteter Auffassung die Anstellungsver155 156 157 158 159
Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2012, S. 94. Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2012, S. 94. LAG Köln NZA-RR 1999, 300 (301). Siehe unter Kap. 3 B. II. 3. a) aa) und cc). Vgl. BT-Drs. 05/3913 v. 24. 02. 1969, S. 10 zu Art. 2 Nr. 3 – 5.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
träge von Organmitgliedern und damit GmbH-Geschäftsführern erfasst.160 Mit der Änderung der Norm im Jahre 1969 war es nicht die Absicht des Gesetzgebers, die bislang unter § 622 BGB subsumierbaren Anstellungsverhältnisse anders zu beurteilen und schließlich dem § 621 BGB unterfallen zu lassen.161 Zweck des Ersten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetzes in Bezug auf die Kündigungsfristen war allein die Vereinheitlichung des Rechts der Kündigungen von Arbeitsverhältnissen.162 Der Gesetzgeber hatte nicht bedacht, dass die Geschäftsführer einer GmbH, die bislang von dem Angestelltenbegriff des § 622 BGB umfasst wurden, sich nicht als Arbeitnehmer qualifizieren ließen.163 Er hat sich damit nicht bewusst dafür entschieden, die Anstellungsverträge der GmbH-Geschäftsführer zukünftig nicht mehr als von § 622 BGB erfasst anzusehen.164 Es handelte sich stattdessen um ein Redaktionsversehen, welches es zulässig machte, die bis zum Inkrafttreten des § 622 BGB 1969 geltende Wertung für Anstellungsverträge der Organmitglieder weiterhin zugrunde zu legen und insoweit die Vorschrift analog auf GmbH-Geschäftsführer anzuwenden.165 Eine analoge Anwendung des § 622 BGB auf GmbH-Geschäftsführer führte in der Folgezeit auch die Rechtsprechung konsequent fort.166 Problematisch bei der Begründung eines Redaktionsversehens ist jedoch die Tatsache, dass der Gesetzgeber § 622 BGB im Jahre 1993 erneut einer Änderung unterzog und auch diesmal keine ausdrückliche Regelung in Bezug auf GmbHGeschäftsführer traf,167 obwohl ihm die Diskussion und insbesondere die Rechtsprechung über die Kündigungsfristen zu den Anstellungsverträgen von Organmitgliedern hätte bekannt gewesen sein müssen. Hinzu kommt, dass im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nicht unumstritten war, ob statt der Worte „eines Arbeiters oder eines Angestellten“ die Worte „eines Arbeitnehmers“ in § 622 BGB neue Fassung gewählt werden sollten, was ebenfalls gegen eine analoge Anwendung der Vorschrift auf Organmitglieder sprechen könnte.168
160 Vgl. Ganssmüller, NJW 1972, 1849; Ganssmüller, GmbHR 1977, 132 (133); Bauer, DB 1979, 2178 (2178 f.); Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-Geschäftsführer, 1987, S. 146 § 1; BGH NJW 1981, 1270 (1271), „zur Leistung von Diensten höherer Art Angestellten“; siehe auch BGH NJW 1954, 505 (506 f.), hier im konkreten Fall Bejahung des § 622 BGB bei einem AG-Vorstandsmitglied. 161 BGH NJW 1981, 1270 (1271). 162 BT-Drs. 05/3913 v. 24. 02. 1969, S. 10 zu Art. 2 Nr. 3 – 5. 163 BGH NJW 1981, 1270 (1271). 164 BGH NJW 1981, 1270 (1271). 165 BGH NJW 1981, 1270 (1271); Ganssmüller, NJW 1972, 1849; Bauer, DB 1979, 2178 (2178 f.). 166 Vgl. BGH NJW 1981, 1270 (1270 f.); BGH NJW 1984, 2528 (2528 f.); BGH NJW 1987, 2073 (2073 f.). 167 Vgl. BT-Drs. 12/5191 v. 21. 06. 1993, o. S. zu Art. 1 (§ 622 Abs. 1 BGB); BR-Drs. 310/ 93 v. 07. 05. 1993, o. S. 168 Vgl. BT-Drs. 12/5191 v. 21. 06. 1993, o. S. zu Art. 1 (§ 622 Abs. 1 BGB).
B. Ordentliche Kündigung bei Nichtgeltung des Kündigungsschutzgesetzes
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Dem muss entgegengehalten werden, dass der Streit um die Wortfassung allein dadurch bedingt war, dass durch eine Neuregelung der Kündigungsvorschriften fortan einheitliche Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte gelten sollten.169 „Vor diesem Hintergrund erschien die ausdrückliche Aufzählung beider Arbeitnehmergruppen nicht mehr erforderlich.“170 Hätte der Gesetzgeber gewollt, § 622 BGB zukünftig nicht mehr auf GmbH-Geschäftsführer anzuwenden, wäre dies mit großer Wahrscheinlichkeit im Gesetzgebungsverfahren thematisiert worden.171 Auch die Tatsache, dass eine eventuelle Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern nicht unumstritten war respektive ist, zeigt, dass die Rechtslage hinsichtlich des Arbeitnehmerbegriffs im Allgemeinen nicht so klar war, dass dem Gesetzgeber volle Kenntnis der gesamten Problematik unterstellt werden konnte.172 Zwar ist erkennbar, dass der Gesetzgeber ein großes Ausmaß an Sorgfalt hat missen lassen, nicht jedoch, dass er eine bewusst stillschweigende negative Regelung hat treffen wollen.173 Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber durch die Vereinheitlichung der Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte nichts ändern wollte.174 Die Problematik der GmbH-Geschäftsführer übersah er dabei und schuf eine planwidrige Lückenhaftigkeit der Vorschrift.175 (2) Vergleichbarkeit der GmbH-Geschäftsführer Eine Anwendung des § 621 Nr. 3 BGB erscheint für den Fremdgeschäftsführer und den minderheitlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer nicht interessengerecht. Wie die Vertreter der Ansicht, die auf Geschäftsführer einheitlich § 622 BGB entsprechend anwenden, richtigerweise konstatieren, sind diese Geschäftsführer ähnlich einem Arbeitnehmer wirtschaftlich abhängig und benötigen im Falle der Beendigung ihres Anstellungsverhältnisses Zeit, eine andere Beschäftigung zu finden.176 Ebenso braucht die Gesellschaft eine gewisse Zeitspanne zum Suchen eines adäquaten Nachfolgers. Die GmbH-Geschäftsführer nehmen zwar die Arbeitgeberfunktionen im Betrieb wahr, sie befinden sich im Verhältnis zur Gesellschaft aber in einem Rechtsverhältnis, welches ihnen die Verpflichtung von Diensten auferlegt, das kündbar ist und sie aufgrund ihres Gehaltsanspruchs gegenüber der
169 Vgl. BT-Drs. 12/5191 v. 21. 06. 1993, o. S. zu Art. 1 (§ 622 Abs. 1 BGB); BR-Drs. 310/ 93 v. 07. 05. 1993, S. 10. 170 LAG Köln NZA-RR 1999, 300 (301); siehe auch BT-Drs. 12/5191 v. 21. 06. 1993, o. S. zu Art. 1 (§ 622 Abs. 1 BGB). 171 LAG Köln NZA-RR 1999, 300 (301). 172 Vgl. ebenso Neu, Die Beendigung der Anstellungsverhältnisse von GmbH-Geschäftsführern, 2000, S. 62. 173 LAG Köln NZA-RR 1999, 300 (301). 174 LAG Köln NZA-RR 1999, 300 (301). 175 LAG Köln NZA-RR 1999, 300 (301); Neu, Die Beendigung der Anstellungsverhältnisse von GmbH-Geschäftsführern, 2000, S. 62. 176 Siehe unter Kap. 3 B. II. 3. a) aa).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
GmbH wirtschaftlich abhängig macht.177 Eine Vergleichbarkeit der Fremdgeschäftsführer und minderheitlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer mit den von § 622 BGB erfassten Beschäftigten kann aus diesen Gründen bejaht werden. Folglich muss für diese Personengruppe die Kündigungsfrist des § 622 BGB analog zur Anwendung kommen. Bei Gesellschafter-Geschäftsführern, das heißt solchen, die maßgeblich an der Gesellschaft beteiligt sind und aufgrund dessen einen erheblichen Einfluss auf die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung ausüben können, muss die Situation anders beurteilt werden. Derartige Geschäftsführer sind eher mit einem Unternehmer vergleichbar178 und haben eine Position inne, welche es ermöglicht, vor Abschluss eines Anstellungsvertrages ihnen genehme Kündigungsfristen zu vereinbaren oder einen Beschluss über eine entsprechende Beendigung ihres Geschäftsführeranstellungsvertrages mit ihrer Stimmenmehrheit abzuweisen.179 Zudem kann bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern oder Alleingesellschafter-Geschäftsführern übereinstimmend mit dem Oberlandesgericht Hamm180 keine wirtschaftliche Abhängigkeit angenommen werden, wenn sie aufgrund ihres Stimmrechts die Höhe der Vergütung sowie die Dauer des Anstellungsverhältnisses selbst bestimmen können. Eine Vergleichbarkeit derartiger Geschäftsführer mit den von § 622 BGB erfassten Beschäftigten muss im Ergebnis verneint werden, so dass eine analoge Anwendung des § 622 BGB nicht begründet werden kann. Rein tatsächlich bleibt es damit bei der Kündigungsfrist des § 621 Nr. 3 BGB, welche jedoch praktisch so gut wie nie zur Anwendung gelangen wird, wenn bei beherrschenden GesellschafterGeschäftsführern ihr Anstellungsverhältnis nur mit ihrer Übereinkunft beendet werden kann beziehungsweise sie ihnen entsprechende Kündigungsfristen festlegen können. (3) Schlussfolgerung Im Ergebnis findet bei Fremdgeschäftsführern und minderheitlich beteiligten Geschäftsführern § 622 BGB aufgrund einer planwidrigen Regelungslücke des Gesetzestextes und einer entsprechenden Vergleichbarkeit analog Anwendung, wohingegen sich die Kündigungsfrist bei Alleingesellschafter-Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern nach § 621 Nr. 3 BGB richtet. Vorrang gegenüber den gesetzlichen Kündigungsfristen hat eine zwischen den Parteien des Anstellungsvertrages in der Praxis sehr häufig vorkommende indivi177
BGH NJW 1981, 1270 (1271). OLG Hamm NJW-RR 1993, 493 (494). 179 Die Zuerkennung eines Stimmrechts des Gesellschafter-Geschäftsführers bei einem Beschluss über die Beendigung seines Anstellungsvertrages entspricht überwiegender Meinung in Literatur und Rechtsprechung: vgl. statt aller MünchKommGmbHG/Liebscher, § 46 Rn. 126 sowie MünchKommGmbHG/Drescher, § 47 Rn. 165 f., je m. w. N.; vgl. auch schon BGH NJW 1984, 2528 (2528). 180 OLG Hamm NJW-RR 1993, 493 (494). 178
B. Ordentliche Kündigung bei Nichtgeltung des Kündigungsschutzgesetzes
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dualvereinbarte Kündigungsfrist.181 Nach überwiegender Meinung müssen die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer aber beachten, dass diese Frist die Vier-WochenGrenze des § 622 V BGB analog nicht unterschreiten darf.182 cc) Ergebnis Eine Auslegung der §§ 621, 622 BGB hat ergeben, dass für GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich die Kündigungsfrist des § 621 Nr. 3 BGB maßgeblich ist. Dennoch kann angesichts einer planwidrigen Regelungslücke des § 622 BGB und einer Schutzbedürftigkeit § 622 BGB analog auf Fremdgeschäftsführer und minderheitlich beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer angewendet werden. Dies gilt wegen fehlender Vergleichbarkeit nicht für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer, deren Kündigungsfrist sich weiterhin nach § 621 Nr. 3 BGB beurteilt.
III. Bestehen eines Mindestkündigungsschutzes? Aufgrund der Möglichkeit der GmbH, das Anstellungsverhältnis ihrer Geschäftsführer ohne Vorliegen eines rechtfertigenden Kündigungsgrundes gemäß § 1 Abs. 2 KSchG zu beenden, stellt sich die Frage nach einem Mindestkündigungsschutz für Geschäftsführer, sollte die Gesellschaft den Anstellungsvertrag aus verwerflichen respektive rechtsmissbräuchlichen Gesichtspunkten kündigen. Ausgangspunkt der Überlegungen bildet § 13 Abs. 2 KSchG, wonach eine Kündigung gegen die guten Sitten verstoßen und damit unwirksam sein kann,183 wenn ihre Rechtsmissbräuchlichkeit gemäß § 13 Abs. 3 in Verbindung mit § 4 Satz 1 KSchG innerhalb der Dreiwochenfrist angegriffen wird.184 Dies trifft sowohl auf eine ordentliche als auch eine außerordentliche Kündigung zu.185 § 13 Abs. 2 KSchG erlangt dabei Geltung für alle Arbeitsverhältnisse, unabhängig davon, ob der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes im Einzelfall eröffnet ist oder nicht.186 Problematisch ist, dass § 14 Abs. 1 KSchG die Vorschriften des ersten 181 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 244; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 410; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 53; Altmeppen/ Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 121. 182 Michalski/Tebben, GmbHG, § 6 Rn. 222; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 53; Altmeppen/Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 121; a.A.: Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 244. 183 BAG NZA 1989, 962 (962); BAG NZA 2001, 833 (834 f.). 184 Ascheid/Preis/Schmidt/Biebl, Kündigungsrecht, § 13 KSchG Rn. 51; v. HoyningenHuene/Linck/Krause/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 13 Rn. 63; Kittner/Däubler/Zwanziger/ Däubler, KSchR, § 13 KSchG Rn. 19; Fiebig/Gallner/Mestwerdt/Nägele/Gieseler, KSchR, § 13 KSchG Rn. 57. 185 Ascheid/Preis/Schmidt/Biebl, Kündigungsrecht, § 13 KSchG Rn. 48; Fiebig/Gallner/ Mestwerdt/Nägele/Gieseler, KSchR, § 13 KSchG Rn. 48. 186 Ascheid/Preis/Schmidt/Biebl, Kündigungsrecht, § 13 KSchG Rn. 48.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Abschnitts und damit auch den § 13 Abs. 2 KSchG für GmbH-Geschäftsführer für nicht anwendbar erklärt. Offen ist daher, ob dennoch auch für diese Personengruppe ein Mindestkündigungsschutz besteht. 1. Grundsätzliche Überlegungen der Rechtsprechung Das Bundesverfassungsgericht hatte zum Kündigungsschutz außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes unter anderem in zwei Urteilen Stellung bezogen und folgendes konstatiert: Wo die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes nicht zur Anwendung gelangen, würden die zivilrechtlichen Generalklauseln dem Arbeitnehmer einen Schutz gegen die rechtsmissbräuchliche Ausübung des Kündigungsrechts durch den Arbeitgeber bieten.187 „Im Rahmen dieser Generalklauseln ist auch der objektive Gehalt der Grundrechte“, allen voran der des Art. 12 Abs. 1 GG „zu beachten“.188 Den genauen Umfang des Schutzes müssten die Arbeitsgerichte im Einzelnen feststellen; nicht möglich sei es, dass durch die Generalklauseln, die durch das Kündigungsschutzgesetz vorgegebenen Grundsätze der Sozialwidrigkeit auch für solche Rechtsverhältnisse gelten, die nicht vom Kündigungsschutzgesetz erfasst werden.189 Diesen Ausführungen stimmt das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung zu; erkennt eine Überprüfung einer Kündigung auf Rechtsmissbräuchlichkeit an und bejaht eine solche in besonders krassen Fällen.190 Das Kündigungsschutzgesetz habe zwar die Voraussetzungen des § 242 BGB hinsichtlich des Bestandsschutzes und damit dem Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung seines Arbeitsplatzes konkretisiert; wenn § 242 BGB im Bereich der Kündigung aber Auswirkungen entfalte, die sich nicht auf den Bestandsschutzgedanken beziehen, komme die allgemeine Regelung des § 242 BGB aufgrund fehlender Normierung im Kündigungsschutzgesetz zur Anwendung.191 Danach sei eine Kündigung rechtsmissbräuchlich, wenn sie „nicht mehr vom Recht gebilligt“ werde.192 Dieser Grundsatz komme für Kündigungen, die dem Kündigungsschutzgesetz unterliegen sowie für solche, bei denen das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, zum Tragen.193 Das Bundesarbeitsgericht hat ausdrücklich klargestellt, dass auch bei Rechtsverhältnissen, die nicht dem Kündigungsschutz187
BVerfG NJW 1998, 1475 (1476); BVerfG NZA 2006, 913 (913). BVerfG NJW 1998, 1475 (1476); siehe auch BVerfG NZA 2006, 913 (913). 189 BVerfG NJW 1998, 1475 (1476). 190 Vgl. BAG NJW 1961, 1085 (1085 f.); BAG NZA 2001, 833 (834 ff.); BAG NZA 1989, 962 (962 ff.); BAG NZA 1994, 1080 (1081). 191 BAG NJW 1961, 1085 (1086); BAG NZA 1989, 962 (964); BAG NZA 1994, 1080 (1081); BAG NZA 2001, 833 (835); BAG NJW 1960, 67 (69); Müller, DB 1960, 1037 (1041); vgl. Staudinger/Sack/Fischinger, BGB, § 138 Rn. 526; Preis, NZA 1997, 1256 (1264), der konstatiert, dass „die §§ 242, 138 BGB durch das Kündigungsschutzgesetz insoweit abschließend konkretisiert sind, wie der Schutzbereich dieses Gesetzes reicht“. 192 BAG NJW 1961, 1085 (1086). 193 BAG NJW 1961, 1085 (1086). 188
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gesetz unterfallen, keine gänzliche Kündigungsfreiheit bestehe.194 Der Grundsatz der Kündigungsfreiheit besage zwar, dass es dem Gericht nicht möglich sei, Gewicht und Angemessenheit des Kündigungsgrundes nach Bestandsschutzerwägungen zu überprüfen; nicht untersagt sei es dem Gericht aber, über solche Tatbestände zu urteilen, bei denen der Arbeitnehmer durch die Kündigung des Arbeitgebers einen Nachteil erleide, der weitergehende Wirkung als den Verlust des Arbeitsplatzes habe.195 Dies bedeute, dass eine Kündigung eines Beschäftigten, auf den das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, wegen Verstoßes gegen die §§ 134, 138 sowie 242 BGB unwirksam sein könne.196 Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit greife allerdings auch bei Arbeitnehmern, denen der Schutz des Kündigungsschutzgesetzes zukommt, nur in besonders krassen Fällen.197 Eine Sittenwidrigkeit sei nach der Rechtsprechung bei einer Kündigung zu bejahen, die aus verwerflichen Motiven oder anderen Gründen erfolge, die dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspreche.198 Das Bundesarbeitsgericht nimmt eine rechtsmissbräuchliche Kündigung beispielsweise dann an, wenn die Kündigung ausschließlich auf der politischen Beteiligung des Beschäftigten, etwa seiner Mitgliedschaft in einer politischen Partei beruhe; die hierdurch entstehende Benachteiligung des Arbeitnehmers stelle einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 GG, welches ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB sei, und somit eine nichtige Kündigung dar.199 Eine rechtsmissbräuchliche Kündigung liege zudem vor, wenn sie aus Rachsucht oder Vergeltung („für die Wahrnehmung berechtigter Interessen“, zum Beispiel Geltendmachung von Ansprüchen) erfolge,200 ferner wenn sie aufgrund der Weigerung des Arbeitnehmers, sich an strafbaren Handlungen zu beteiligen, ausgesprochen201 oder einem Arbeitnehmer in der Probezeit wegen seiner Homosexualität gekündigt werde.202
194
BAG NJW 1961, 1085 (1086). BAG NJW 1961, 1085 (1086). 196 BAG NJW 1973, 77 (77); BAG NZA 2001, 833 (834). 197 BAG NJW 1961, 1085 (1085); BAG NZA 2001, 833 (835); Müller, DB 1960, 1037 (1041). 198 BAG NZA 2001, 833 (835); BAGE 12, 60 (65); BAG NZA 1989, 962 (962); BAG NZA 2005, 637 (638); zustimmend ErfK/Kiel, § 13 KSchG Rn. 11; v. Hoyningen-Huene/Linck/ Krause/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 13 Rn. 57; vgl. auch Fiebig/Gallner/Mestwerdt/Nägele/Gieseler, KSchR, § 13 KSchG Rn. 49. 199 BAG NJW 1973, 77 (78). 200 BAG NZA 2005, 637 (638); siehe ebenso BAGE 12, 60 (65); BAGE 16, 21 (28); BAG NZA 1989, 962 (962); v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 13 Rn. 57. 201 ArbG Göttingen DB 1961, 1296. 202 BAG NZA 1994, 1080 (1082), Verstoß gegen § 242 BGB. 195
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2. Übertragbarkeit auf GmbH-Geschäftsführer? Nicht unproblematisch ist, ob die Ausführungen der Rechtsprechung auf GmbHGeschäftsführer übertragen werden können. a) Ansichten in Literatur und Rechtsprechung Im Bereich der Beendigung des Anstellungsverhältnisses des GmbH-Geschäftsführers muss eine Kündigung seitens der Gesellschaft nach einem Teil der Literatur die Voraussetzungen der Generalklauseln wahren.203 Der GmbH-Geschäftsführer könne nicht rechtlich schutzlos gestellt sein, wenn sein Anstellungsvertrag beispielsweise beendet werde, weil er eine vertragswidrige Weisung der Gesellschafterversammlung nicht ausgeführt habe.204 Es sei anerkannt, dass ein Geschäftsführer eine solche Weisung nicht zu befolgen habe, da er ansonsten sogar mit einer persönlichen Haftung konfrontiert sein könnte,205 so dass es widersinnig wäre, eine entsprechende Kündigung als rechtmäßig anzusehen.206 Unter dem Gesichtspunkt, dass § 138 BGB und damit ein Rechtsmissbrauchseinwand sehr hohen Anforderungen unterliege, könnten Befürchtungen, auf diesem Wege dem GmbHGeschäftsführer einen ihm originär nicht zustehenden Kündigungsschutz zu gewähren, nicht durchgreifen.207 Der Bundesgerichtshof wiederum hat in einem Urteil aus dem Jahre 2003 eine Anwendbarkeit des § 138 BGB auf den GmbH-Geschäftsführer im Falle der Kündigung seines Anstellungsverhältnisses verneint.208 Die Kündigung „trägt ihre Rechtfertigung in sich“ und müsse vom Geschäftsführer akzeptiert werden, unabhängig davon, auf welche Erwägungen sie sich stützen lässt.209 Daran könne auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der anderen Zivilgerichte nichts ändern, wenn die Gerichte nicht vom Kündigungsschutzgesetz umfassten Personen einen Mindestkündigungsschutz gemäß den zivilrechtlichen Generalklauseln ge203 Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, Praxishandbuch der GmbH-Geschäftsführung, § 13 Rn. 53; Reufels/Molle, NZA-RR 2011, 281 (282); MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 403; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 242; Stenslik/Zahn, DStR 2012, 1865 (1866); Thiessen, ZIP 2011, 1029 (1036); Däubler/Bertzbach/Schrader/Schubert, AGG, § 6 Rn. 32a; Ascheid/Preis/Schmidt/Preis, Kündigungsrecht, Grundlagen G. Rn. 6, der „jede Kündigung anhand der Maßstäbe der §§ 134, 138 und 242 BGB“ überprüfen will; Westphalen/ Thüsing/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 35. Ergänzungslieferung 2014, Geschäftsführerverträge Rn. 286. 204 MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 403. 205 Vgl. BGH NJW 1974, 1088 (1089); OLG Naumburg NJW-RR 1999, 1343; Baumbach/ Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 22 (ohne Haftung); Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 22. 206 MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 403. 207 MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 403. 208 BGH NZG 2004, 90 (91). 209 BGH NZG 2004, 90 (91).
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währen, weil es sich bei diesen Beschäftigten um Arbeitnehmer handele, der GmbHGeschäftsführer aufgrund seiner Leitungsfunktion hingegen nicht wie derartige Beschäftigte schutzbedürftig sei.210 Auch das Landgericht Magdeburg hatte eine Geltung der Grundsätze der Treue- und Sittenwidrigkeit bei der Kündigung eines Fremdgeschäftsführers im Jahre 2004 explizit verneint.211 b) Stellungnahme Da sich die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts sowie des Bundesverfassungsgerichts zum Bestehen eines Kündigungsschutzes außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes auf Arbeitnehmer, nicht aber auf Organmitglieder beziehen, der Bundesgerichtshof eine Anwendbarkeit des § 138 BGB auf GmbH-Geschäftsführer strikt abgelehnt hat und auch die Systematik des § 14 Abs. 1 in Verbindung mit § 13 Abs. 2 KSchG eine sittenwidrige Kündigung bei Organmitgliedern grundsätzlich nicht vorsieht, sprechen einige Anhaltspunkte gegen das Vorliegen eines Mindestkündigungsschutzes für Geschäftsführer einer GmbH. Andererseits hatte das Bundesarbeitsgericht zwar immer Fälle von Arbeitnehmern zu beurteilen, die nicht dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes unterfielen; hingegen hat es nie ausdrücklich Organmitgliedern einen Schutz durch die zivilrechtlichen Generalklauseln verwehrt, sondern stets konstatiert, dass auch Personen außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes durch die §§ 134, 138, 242 BGB Kündigungsschutz genießen. Es stellt sich ohnehin die Frage, warum für Arbeitnehmer, für die der Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes nicht eröffnet ist, ein Kündigungsschutz im Rahmen der Generalklauseln besteht, GmbH-Geschäftsführer, die ebenfalls nicht vom Kündigungsschutzgesetz erfasst werden, hingegen nicht gegen rechtsmissbräuchliche Kündigungen geschützt werden können. Diese Sichtweise wird durch die Rechtsprechung der erst- und zweitinstanzlichen Gerichte bestätigt. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hatte im Jahre 2008 die Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages eines Alleingesellschafter-Geschäftsführers zumindest kurz am Maßstab der §§ 138, 242 BGB geprüft.212 Ebenso beurteilte das Arbeitsgericht Mannheim die Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrages am Maßstab des § 138 BGB.213 Das Landgericht Frankfurt a.M. hat die Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers wegen seiner ethnischen Herkunft sogar als sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB gewertet und damit als unwirksam angesehen.214 Selbst der Bundesgerichtshof hat in einem neueren Urteil aus dem Jahre 2012 eine Überprüfung der Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers am Maßstab 210
BGH NZG 2004, 90 (91). LG Magdeburg Urteil v. 07. 05. 2004 – 5 O 2149/03, juris Rn. 77; siehe auch LAG Schleswig-Holstein Urteil v. 20. 02. 1985 – 4 Sa 605/84, juris: LS. 212 Vgl. LAG Rheinland-Pfalz NZG 2009, 195 (196). 213 ArbG Mannheim Urteil v. 22. 06. 2006 – 13 Ca 86/06, juris Rn. 69 bis 72. 214 LG Frankfurt a.M. NJW-RR 2001, 1113 (1114). 211
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
der Sittenwidrigkeit und des Grundsatzes von Treu und Glauben anerkannt.215 Dem steht der systematische Zusammenhang des § 14 in Verbindung mit § 13 KSchG nicht entgegen, weil es nicht möglich ist, aus der Systematik des Kündigungsschutzgesetzes auf die Anwendbarkeit beziehungsweise Nichtanwendbarkeit der §§ 134, 138, 242 BGB und damit BGB-rechtlicher Normen zu schließen. Aufgrund der Tatsache, dass eine sittenwidrige Kündigung sehr strengen Voraussetzungen unterliegt,216 ist ihr Vorliegen im kündigungsschutzfreien Raum äußerst selten,217 was insbesondere die kaum vorhandene Rechtsprechung zum Kündigungsschutz für GmbH-Geschäftsführer außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes zeigt. Der Geschäftsführer würde auf diese Weise keinen Kündigungsschutz bekommen, der ihm eigentlich nicht zusteht. Alles in allem ist kein Grund ersichtlich, warum GmbHGeschäftsführer keinen Kündigungsschutz haben können, so dass die Überlegungen der Rechtsprechung, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts hinsichtlich des Bestehens eines Mindestkündigungsschutzes, auf die Organmitglieder übertragen werden können.
IV. Gesamtergebnis Findet das Kündigungsschutzgesetz auf GmbH-Geschäftsführer bei einer Nichtvereinbarung keine Anwendung, muss eine ordentliche Kündigung der Anstellungsverträge dennoch gewisse Voraussetzungen erfüllen. Dabei ist zunächst zu beachten, dass eine Abberufung nur dann automatisch zu einer Beendigung des Anstellungsverhältnisses führt, wenn eine wirksame Koppelungsklausel gegeben ist. Kündigt die Gesellschaft das Geschäftsführeranstellungsverhältnis, ist die Kündigung von der Gesellschafterversammlung als dem zuständigen Organ auszusprechen. Eine Form ist erforderlich, wenn die Parteien eine entsprechende Formvorschrift vereinbart haben. Dagegen muss die Kündigung, bei Fehlen einer entsprechenden Abrede, bei einem Fremdgeschäftsführer und minderheitlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer die Kündigungsfrist des § 622 BGB analog, bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer und beherrschenden Geschäftsführer die Frist des § 621 Nr. 3 BGB einhalten. Des Weiteren ist erforderlich, dass die ordentliche Beendigung des Anstellungsvertrages die Grenzen der §§ 134, 138, 242 BGB wahrt.
215 216 217
BGH NJW 2012, 2346 (2348). Vgl. BAG NZA 1989, 962 (962). Vgl. Preis, NZA 1997, 1256 (1266), in Bezug auf Arbeitnehmer.
C. Kündigungsschutz gegen eine ordentliche Kündigung
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C. Kündigungsschutz gegen eine ordentliche Kündigung der Geschäftsführeranstellungsverträge bei Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes – Grundsätzliche Überlegungen Im Unterschied zu einer ordentlichen Kündigung bei Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes müssen bei einer Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und ihren Geschäftsführern über die Geltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes weitergehende Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Beendigung der Anstellungsverträge der Organmitglieder erfüllt sein.
I. Verhältnis zwischen Abberufung und Beendigung des Anstellungsvertrages Insofern ist zunächst das Verhältnis zwischen der Abberufung des Organmitgliedes und der Kündigung seines Anstellungsvertrages zu beleuchten. Grundsätzlich gilt auch bei einer Parteiabrede über die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zwischen der Gesellschaft und dem GmbH-Geschäftsführer das sogenannte Trennungsprinzip.218 Danach sind die Abberufung des gesetzlichen Vertreters als Organmitglied und die Beendigung seines Anstellungsverhältnisses voneinander unabhängig und rechtlich gesondert zu beurteilen.219 Der Widerruf der Bestellung führt nicht automatisch zu einer Kündigung des Anstellungsvertrages. Problemtisch ist, wenn die GmbH und ihr Geschäftsführer eine sogenannte Koppelungsklausel vereinbaren, die den organschaftlichen Akt der Abberufung mit der schuldrechtlichen Rechtshandlung einer Kündigung verbindet. Eine Klausel, die vorsehen würde, dass die Abberufung automatisch eine Kündigung zum nächst zulässigen Termin beinhaltet, würde zwar die gesetzlichen oder individualvereinbarten Kündigungsfristen wahren, nicht aber die Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes. Bei einer entsprechenden Parteiabrede über die Anwendbarkeit der Kündigungsschutzvorschriften muss eine Kündigung des Anstellungsvertrages des GmbH-Geschäftsführers durch einen personen-, verhaltensoder betriebsbedingten Kündigungsgrund gerechtfertigt sein. Dies wäre nicht gegeben, wenn eine Abberufung, welche gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG jederzeit ohne Vorliegen von Gründen zulässig ist, automatisch zu einer Kündigung führen würde, ohne dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG erfüllt wären. Eine derartige Koppelungsklausel stünde im Widerspruch zu der vereinbarten Geltung des Kündigungsschutzgesetzes. In einem solchen Fall müsste eine Auslegung des Anstellungsvertrages Aufschluss darüber geben, welche Regelung nach dem Parteiwillen 218 219
Siehe schon Kap. 3 B. I. 1. Siehe unter Kap. 3 B. I. 1.
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Vorrang haben soll.220 Würde die Auslegung ergeben, dass die entsprechende Parteiabrede über die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes Vorrang genießt, wäre eine Koppelung dergestalt, dass die Abberufung automatisch eine Beendigung des Anstellungsverhältnisses zum nächst zulässigen Termin zur Folge hätte, anders als bei Nichtvereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes, unangewendet zu lassen beziehungsweise so zu interpretieren, dass tatsächlich keine Vereinbarung einer Koppelungsklausel vorliegt. Ähnlich verhält es sich, wenn eine Klausel die sofortige Beendigung des Anstellungsvertrages durch den Widerruf der Bestellung vorschreibt.221 Grund hierfür ist, dass bei einer Geltung des Kündigungsschutzgesetzes einerseits und der Vereinbarung einer Koppelungsklausel andererseits sowohl die gesetzlichen oder die individualvertraglich vereinbarten Kündigungsfristen, als auch die materiell-rechtlichen Anforderungen des § 1 Abs. 2 KSchG nicht gewahrt wären. Der tatsächliche Wille der Parteien müsste bei einer solchen Koppelungsklausel wiederum im Wege der Auslegung ermittelt werden. Sollten die Gesellschaft und der GmbH-Geschäftsführer hingegen vereinbaren, dass eine Kündigung des Anstellungsvertrages des Organmitgliedes, welche gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch einen Kündigungsgrund gerechtfertigt sein muss, automatisch zu einem Widerruf der Organstellung führt, würde eine derartige Klausel neben der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes anwendbar bleiben, wenn das Recht der GmbH zum jederzeitigen Widerruf unberührt bliebe. Der Gesellschaft muss es demnach auch bei einer solchen Koppelung noch möglich sein, das Recht aus § 38 Abs. 1 GmbHG auszuüben, ihren GmbH-Geschäftsführer zu jeder Zeit ohne Vorliegen von Gründen abzuberufen. Wenn dieses Recht der Gesellschafterversammlung nicht eingeschränkt werden sollte, ist es den Parteien des Anstellungsvertrages möglich zu vereinbaren, dass eine Kündigung, unter Wahrung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG, auch einen automatischen Widerruf der Organstellung bedeutet. Erforderlich ist jedoch, dass in der Koppelungsklausel klar zum Ausdruck kommt, dass das Recht der Gesellschaft gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG nicht beeinträchtigt wird und vielmehr durch die Koppelung klargestellt wird, dass die Gesellschaft mit dem Ausspruch der Kündigung gleichzeitig von ihrem Recht aus § 38 Abs. 1 GmbHG Gebrauch macht.
II. Reichweite der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes Zur Bestimmung der zulässigen Reichweite der Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes ist Anknüpfungspunkt das Urteil des Bundesgerichtshofs.
220 221
Wahl/Schult, BB 2010, 2573 (2574). Vgl. Ausführungen unter Kap. 3 B. I. 2.
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1. Rechtliche Wertung der vom Bundesgerichtshof zu beurteilenden Klausel Das oberste Zivilgericht stellte in seiner Entscheidung vom 10. 05. 2010 ausdrücklich klar, dass „die Frage, in welchem Umfang und mit welchen inhaltlichen Modifikationen die jeweiligen Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes kraft der von den Parteien getroffenen Vertragsabrede angewandt werden sollen (…), vorrangig durch Auslegung der Vereinbarung zu beantworten“ ist.222 Im zu entscheidenden Fall lautete die zwischen den Parteien vereinbarte Klausel wie folgt: „Für die Kündigung gelten im Übrigen zu Gunsten des Geschäftsführers die Bestimmungen des deutschen Kündigungsschutzrechtes für Angestellte. Das Recht zur fristlosen Kündigung des Vertrages auf Grund zwingender gesetzlicher Vorschriften bleibt unberührt.“223
Der Begriff „Angestellter“ ist ein Oberbegriff und umfasst sowohl Arbeitnehmer als auch sonstige Dienstnehmer.224 Die Regelung ist damit nicht eindeutig, wenn sie sich allgemein auf Angestellte statt auf Arbeitnehmer bezieht, aber nur letztere ausschließlich vom persönlichen Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes erfasst werden.225 Der Wortlaut der Klausel „deutsches Kündigungsschutzrecht“ könnte sich einerseits auf das Kündigungsschutzgesetz beziehen, andererseits aber auch die Regelungen der §§ 620, 621, 624 – 628 BGB und damit das Kündigungsschutzrecht der Dienstnehmer allgemein in Verweis nehmen.226 Aufgrund der Tatsache, dass seit der Aufhebung des Gesetzes über Kündigungsfristen für Angestellte kein spezieller Kündigungsschutz für Angestellte mehr existiert, ist die entsprechende Parteiabrede jedoch dahingehend auslegungsfähig, dass die Gesellschaft und der Geschäftsführer die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes beabsichtigt haben.227 Der Bundesgerichtshof erkannte in seinem Urteil insoweit die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes für GmbH-Geschäftsführeranstellungsverträge, mithin das Erfordernis eines Kündigungsgrundes im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG für die Wirksamkeit einer Kündigung an. Er konstatierte weitergehend aber, dass die entsprechende Parteiabrede dahingehend auszulegen sei, „Der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien kann sich aber in der Weise auch auf die in §§ 14 II 2, 9 I 2, 10 KSchG geregelte Möglichkeit der Vertragsauflösung beziehen“, dass der Gesellschaft bei einer materiell nicht gerechtfertigten Kündigung das Recht zustehen solle, das Anstellungsverhältnis durch einseitige Erklärung gegen Zahlung einer ange222 223 224 225 226 227
BGH NJW 2010, 2343 (2344). BGH NJW 2010, 2343 (2343). Stagat, NZA-RR 2011, 617 (619). Stagat, NZA 2010, 975 (979). Stagat, NZA-RR 2011, 617 (619). Stagat, NZA 2010, 975 (979).
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messenen Abfindung zu lösen.228 Als Grund brachte das Gericht an, dass die Parteien bei einer Vereinbarung der Geltung der Kündigungsschutzbestimmungen nicht gewollt hätten, dem Geschäftsführer Schutzwirkungen zukommen zu lassen, die weit über das Kündigungsschutzgesetz hinausreichen und möglicherweise zu einer jahrzehntelangen Zahlungspflicht der GmbH führen.229 Zusammenfassend hat der Bundesgerichtshof die Klausel, welche die Geltung der Bestimmungen des deutschen Kündigungsschutzrechts für Angestellte vorschreibt, als Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes interpretiert, gleichzeitig der Gesellschaft aber auch das Recht aus §§ 9, 14 KSchG zugesprochen. Auf diese Weise wird der Kündigungsschutz des GmbH-Geschäftsführers beschränkt, wenn es der GmbH bei Nichtvorliegen eines Kündigungsgrundes möglich ist, das Anstellungsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, ohne einen entsprechenden Antrag begründen zu müssen. 2. Zulässigkeit der Vereinbarung der Gesamtheit des Kündigungsschutzgesetzes oder inhaltlicher Modifikationen Die Aussage des Bundesgerichtshofs, dass Umfang und inhaltliche Modifikationen der jeweiligen Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes individualvertraglich bestimmt werden könnten,230 eröffnet den Parteien des Anstellungsvertrages einen großen Gestaltungsspielraum bei der Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes. Möglich sind damit verschiedene Gestaltungsvarianten. Die Parteien können einerseits die gesamte Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, einschließlich des Rechts gemäß §§ 9, 14 KSchG festlegen. Die Gesellschaft und der GmbH-Geschäftsführer können andererseits die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes in modifizierter Weise vereinbaren und so einzelne Bestimmungen für nicht anwendbar erklären oder inhaltlich ändern.231 Aus diesem Grund ist es den Parteien des Anstellungsvertrages rechtlich gestattet, das der Gesellschaft gemäß §§ 9, 14 KSchG zustehende Recht privatautonom auszuschließen.232 Denkbar wäre demnach die Vereinbarung einer Klausel mit folgendem Wortlaut:
228
BGH NJW 2010, 2343 (2344 f.); zustimmend: MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 407. 229 BGH NJW 2010, 2343 (2345). 230 BGH NJW 2010, 2343 (2344). 231 Stagat, NZA-RR 2011, 617 (618); Rasmussen-Bonne/Raif, ArbRAktuell 2010, 309949. 232 Picker, GmbHR 2011, 629 (635); Stagat, NZA 2010, 975 (979); Rasmussen-Bonne/Raif, ArbRAktuell 2010, 309949.
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„Für die Kündigung gelten im Übrigen zu Gunsten des Geschäftsführers die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes mit Ausnahme von § 14 II 2 KSchG. § 14 II 2 KSchG soll auf das Anstellungsverhältnis keine entsprechende Anwendung finden.“233
Die Formulierung einer solchen Klausel ermöglicht es der GmbH und ihrem Geschäftsführer, die Kündigung des Anstellungsvertrages von der Rechtfertigung eines ordentlichen Kündigungsgrundes gemäß § 1 Abs. 2 KSchG abhängig zu machen, ohne dass die GmbH ihrerseits bei fehlender Rechtfertigung befugt ist, das Rechtsverhältnis zum Geschäftsführer gegen Zahlung einer angemessen Abfindung aufzuheben.234 Eine Kündigung des Anstellungsvertrages muss bei einer solchen Parteiabrede zwingend im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sein; andererseits müsste die Gesellschaft damit leben, das Anstellungsverhältnis fortzusetzen. Weiterhin ist es den Parteien gestattet, die Kündigung des schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses nur im Falle der Erkrankung des Geschäftsführers oder bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen von der sozialen Rechtfertigung gemäß § 1 KSchG abhängig zu machen.235 Der Dienstvertrag des Geschäftsführers könnte demnach folgende Klausel enthalten: „Beendet die Gesellschaft das Anstellungsverhältnis ihres GmbH-Geschäftsführers aus krankheitsbedingten Gründen, so finden insoweit die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung.“ Wird die Kündigung des Anstellungsvertrages hingegen auf andere Gründe, außer krankheitsbedingte Gründe gestützt, gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht.236 Das Recht der Gesellschaft aus § 626 BGB bleibt unberührt.
Entsprechende Klauseln können auch für den Fall einer verhaltens- oder betriebsbedingten Kündigung vereinbart werden, dergestalt, dass der GmbH-Geschäftsführer sich nur bei einer verhaltensbedingten oder einer betriebsbedingten Kündigung auf den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes, insbesondere des § 1 Abs. 2 KSchG berufen kann.237 Eine Klausel könnte wie folgt lauten: Beendet die Gesellschaft das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers aus Gründen, die in seinem Verhalten liegen, finden die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes insoweit entsprechende Anwendung. Wird die Kündigung des Anstellungsvertrages hingegen auf andere Gründe, außer verhaltensbedingte Gründe gestützt, gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht. Das Recht der Gesellschaft aus § 626 BGB bleibt unberührt.
oder Beendet die Gesellschaft das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers aus betriebsbedingten Gründen, finden die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes insoweit 233
Stagat, NZA 2010, 975 (979). Stagat, NZA 2010, 975 (979). 235 Stagat, NZA 2010, 975 (979); Picker, GmbHR 2011, 629 (635); Rasmussen-Bonne/Raif, ArbRAktuell 2010, 309949. 236 Stagat, NZA 2010, 975 (979). 237 Stagat, NZA 2010, 975 (979); vgl. auch Rasmussen-Bonne/Raif, ArbRAktuell 2010, 309949. 234
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entsprechende Anwendung. Wird die Kündigung des Anstellungsvertrages hingegen auf andere Gründe, außer betriebsbedingte Gründe gestützt, kommt das Kündigungsschutzgesetz nicht zur Anwendung. Das Recht zur fristlosen Kündigung gemäß § 626 BGB bleibt unberührt.
Der Gesellschaft und dem GmbH-Geschäftsführer ist es auf diese Weise möglich, diejenigen Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes zum Bestandteil des Dienstvertrages zu machen, die sie für wichtig erachten.238 Im Ergebnis bedeutet dies, dass das Kündigungsschutzgesetz nicht nur in seiner Gesamtheit Anwendung finden kann, sondern es zulässig ist, einzelne Bestimmungen des Gesetzes zur Geltung gelangen zu lassen.239 Es obliegt der Entscheidung der Gesellschaft und ihres Geschäftsführers, die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes „in toto“ oder vereinzelte Kündigungsschutzregelungen zu vereinbaren.240 Die Vertragsfreiheit erlaubt es den Parteien, verschiedene Gestaltungsvarianten hinsichtlich einer Abrede über die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes zu wählen.241 3. Ausdrückliche Vereinbarung Grundsatz bei etwaigen Vertragsgestaltungen ist immer, dass sich aus der Parteiabrede klar und deutlich ergibt, in welchem Umfang und mit welchen etwaigen Modifikationen das Kündigungsschutzgesetz anwendbar sein soll.242 Die Parteien des Anstellungsvertrages sollten bei der Wortwahl ihrer Formulierungen so präzise wie möglich sein, um vermeidbare Rechtsunsicherheiten von vornherein auszuschließen. Keine Probleme dürften bestehen, wenn sich die Gesellschaft und ihr Geschäftsführer für die vorangegangenen dargestellten Formulierungen entscheiden. Zu empfehlen ist beispielsweise auch eine Klausel, die wie folgt formuliert ist: Für die Kündigung des Anstellungsvertrages gelten zugunsten des GmbH-Geschäftsführers die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes entsprechend.243 Durch die Wortwahl einer solchen Klausel ist die „Reichweite der Verweisung klar bestimmt“; wegen fehlender einschränkender oder abweichender Bestimmungen findet das Kündigungsschutzgesetz insgesamt Anwendung.244 Um nicht Gefahr zu laufen, dass eine solche Klausel nach dem Bundesgerichtshof letztlich der Gesellschaft ein einseitiges Lösungsrecht gemäß §§ 14 Abs. 2 S. 2, 9 KSchG gewährt, sollten die 238 239 240 241 242 243 244
Stagat, NZA 2010, 975 (979). Rasmussen-Bonne/Raif, ArbRAktuell 2010, 309949. Rasmussen-Bonne/Raif, ArbRAktuell 2010, 309949. Rasmussen-Bonne/Raif, ArbRAktuell 2010, 309949. Stagat, NZA 2010, 975 (979). Stagat, NZA 2010, 975 (979). Stagat, NZA-RR 2011, 617 (618).
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Parteien jedoch auch ausdrücklich bezüglich der richterlichen Vertragsauflösung Stellung beziehen. Klar wäre ebenfalls eine Klausel, die folgende Formulierung enthält: Die ordentliche Kündigung ist allein unter den Voraussetzungen des § 1 KSchG zulässig. Diese Vorschrift findet auf das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers entsprechende Anwendung. Andere Normen des Kündigungsschutzgesetzes sollen nicht gelten. „Das Recht zur fristlosen Kündigung“ gemäß § 626 BGB „bleibt unberührt“.245
Auf diese Weise wird verdeutlicht, dass die Gesellschaft und der Geschäftsführer nur eine Norm des Kündigungsschutzgesetzes anwenden wollen und alle übrigen Regelungen keine Geltung im Geschäftsführeranstellungsvertrag erlangen sollen.
4. Konkludente Vereinbarung Problematischer gestaltet sich die Situation, wenn die Gesellschaft bei Abschluss des Geschäftsführeranstellungsvertrages nicht weiß, dass sie sich durch entsprechende Regelungen im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes bewegt.246 Dies ist dann anzunehmen, wenn die GmbH und ihr Geschäftsführer die Geltung der Kündigungsschutzbestimmungen nicht ausdrücklich vereinbaren, der Dienstvertrag des Beschäftigten aber Anhaltspunkte enthält, die einen Rückschluss auf einen entsprechenden Parteiwillen ermöglichen; eine Auslegung des Anstellungsvertrages wird dann Auskunft darüber geben, ob die Vertragsparteien den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes beabsichtigt hatten.247 Die Gesellschaft ist dadurch dem Risiko ausgesetzt, unbewusst und ungewollt den Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes in seiner Gesamtheit oder in Teilen unterliegen zu müssen.248 Es stellt sich nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Anerkennung der Zulässigkeit einer Parteiabrede über die Geltung der Kündigungsschutzbestimmungen für GmbH-Geschäftsführeranstellungsverträge beispielsweise die Frage, ob eine Bezeichnung der Vertragsparteien als „Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmer“ den Schluss zulässt, dass die GmbH und ihr Geschäftsführer diesen einem Arbeitnehmer gleichstellen und folglich das Kündigungsschutzgesetz zur Geltung gelangen lassen wollen.249 Auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf nahm in einer seiner Entscheidungen aus dem Jahre 2011 auf die vom Bundesgerichtshof anerkannte Zulässigkeit der Vereinbarung Bezug und schlussfolgerte, dass auf der Grundlage dieser Bundesgerichtshofsrechtsprechung Vertragsklauseln, welche häufig in Arbeitsverträgen zu finden seien, Indizien für den Willen der Parteien darstellen könnten, ein 245 246 247 248 249
Krolop, NJ 2010, 437 (438). Stagat, NZA-RR 2011, 617 (618). Stagat, NZA-RR 2011, 617 (618 f.). Stagat, NZA-RR 2011, 617 (619). Stagat, NZA-RR 2011, 617 (619).
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Arbeitsverhältnis zu begründen.250 Beide aufgezeigten Konstellationen könnten im Wege der Auslegung eine Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zur Konsequenz haben. Seit Anerkennung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes für die Anstellungsverträge der GmbH-Geschäftsführer ist insoweit das Risiko größer geworden, dass „jede Nachlässigkeit bei der Vertragsgestaltung auf Seiten der Gesellschaft“ zu einem möglichweise erfolgreichen Berufen des Geschäftsführers auf die Bestimmungen der Kündigungsschutzvorschriften führt.251 Mit einem besonderen Risiko behaftet dürften solche Klauseln sein, die im Falle einer Kündigung eine Verweisung auf die „allgemeinen Kündigungsschutzbestimmungen“ oder die „gesetzlichen Regelungen“ enthalten; hierbei ergibt sich nicht zweifelsfrei, welche gesetzlichen Bestimmungen genau umfasst sind.252 In Frage kommen die Normen des Kündigungsschutzgesetzes ebenso wie die des Bürgerlichen Gesetzbuches.253 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könnten die Klauseln dahingehend auszulegen sein, dass das Kündigungsschutzgesetz in diesem Vertragsverhältnis Anwendung finden soll. Um dies zu vermeiden, ist der Gesellschaft und dem GmbHGeschäftsführer zu raten, dass sie zukünftig klare Regelungen in Bezug auf eine etwaige Geltung der Kündigungsschutzbestimmungen treffen, unklare Formulierungen unterlassen sowie eindeutig herausstellen, wenn sie nur auf die allgemeinen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches zu den Kündigungsbestimmungen verweisen wollen. 5. Zusammenfassung Der Gesellschaft und ihren GmbH-Geschäftsführern ist es rechtlich möglich, die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes sowohl in seiner Gesamtheit als auch in Teilen sowie mit inhaltlichen Modifikationen zu vereinbaren. Dabei kann es nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch dann zu einer Geltung der Kündigungsschutzbestimmungen kommen, wenn die Vertragsparteien keine ausdrückliche Regelung zu dieser Problematik getroffen haben, sich jedoch konkludent, durch die Wahl nachlässiger Formulierungen, im Wege der Auslegung ergibt, dass die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes für das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers angewandt werden müssen. Aus diesem Grund sollten die GmbH und ihre gesetzlichen Vertreter sich bezüglich der Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf klare Regelungen verständigen.
250 251 252 253
LAG Düsseldorf Urteil v. 12. 01. 2011 – 12 Sa 1411/10, juris Rn. 55 f. Stagat, NZA-RR 2011, 617 (619). Stagat, NZA-RR 2011, 617 (619). Stagat, NZA-RR 2011, 617 (619).
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III. Formelle Voraussetzungen Ebenso wie die Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers, der sich nicht auf den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes berufen kann, muss eine Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers, dem der Schutz dieses Gesetzes zu Teil wird, bestimmte formelle Voraussetzungen zur ihrer Wirksamkeit erfüllen. 1. Zuständigkeit Hinsichtlich der Zuständigkeit kann auf die oben bereits dargestellten Ausführungen zu einer Kündigung ohne Geltung des Kündigungsschutzgesetzes verwiesen werden.254 Grundsätzlich ist eine Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung kraft Annexkompetenz gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG gegeben. Der Gesellschaftsvertrag kann aber auch eine andere Stelle zum Ausspruch der ordentlichen Kündigung des Anstellungsverhältnisses des GmbH-Geschäftsführers ermächtigen. Nicht möglich wäre es, wenn die Parteien im Anstellungsvertrag des Organmitgliedes eine entsprechende Zuständigkeit festlegen. 2. Form Das Kündigungsschutzgesetz selbst enthält keine Formvorschrift. Eine solche leitet sich vielmehr aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ab. Wenn die Gesellschaft und ihr Geschäftsführer allein das Kündigungsschutzgesetz vereinbart haben, findet § 623 BGB aufgrund seines eindeutigen Regelungsgehalts in Bezug auf Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres Anwendung.255 Anders ist dies zu beurteilen, wenn die Parteien nicht nur die Geltung der Kündigungsschutzbestimmungen individualvertraglich, sondern auch die Formvorschrift des § 623 BGB festlegen. Dann muss eine Kündigung zu ihrer Wirksamkeit schriftlich abgefasst sein.256 3. Frist Hinsichtlich der Frist ergeben sich keine Unterschiede zu einer ordentlichen Kündigung, welche keiner Rechtfertigung durch das Kündigungsschutzgesetz bedarf. Es gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen und damit für Fremdgeschäftsführer und minderheitlich beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer eine analoge Frist gemäß § 622 BGB, für die beherrschenden Unternehmer-Geschäftsführer hingegen die Frist des § 621 Nr. 3 BGB.257 Vorrang gegenüber den gesetzlich vorgegebenen Kündigungsfristen haben bei einer ordentlichen Kündigung unter der 254 255 256 257
Siehe unter Kap. 3 B. II. 1. Siehe unter Kap. 3 B. II. 2. Siehe unter Kap. 3 B. II. 2. Siehe unter Kap. 3 B. II. 3. b) cc).
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Voraussetzung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes die von der Gesellschaft und dem GmbH-Geschäftsführer individuell vereinbarten Fristen, solange sie den Anforderungen des § 622 Abs. 5 BGB genügen.258
IV. Anwendbarkeit der Präklusionswirkung der §§ 4 S. 1, 7 KSchG Gemäß § 7 KSchG gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam, wenn die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht wird (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6 KSchG). Die Rechtfertigung einer Kündigung, gemessen an den Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes, kann in einem solchen Fall nicht mehr festgestellt werden. Erhebt ein Arbeitnehmer insoweit gegen eine Kündigung seines Arbeitsvertrages nicht rechtzeitig Klage innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 S. 1 KSchG und kommt eine Ausnahme nach den §§ 5, 6 KSchG nicht zum Tragen, kann das Gericht die Kündigung nicht auf ihre Wirksamkeit prüfen. Die Kündigung ist im Sinne des § 7 KSchG vielmehr präkludiert und damit als von Anfang an wirksam anzusehen. Ob diese Vorschriften auch bei der Beendigung des Anstellungsvertrages eines GmbH-Geschäftsführers Anwendung finden können, wenn die Gesellschaft und ihr Organmitglied die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes vereinbaren, hängt davon ab, wie weit die Parteiabrede reicht. Es muss im Wege der Auslegung der Vereinbarung ermittelt werden, welche Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes die Parteien zur Anwendung gelangen lassen wollen. Vereinbaren die GmbH und ihr Geschäftsführer die gesamte Geltung des Kündigungsschutzgesetzes, ist eine solche Abrede dahingehend auslegungsfähig, dass alle Normen des Kündigungsschutzgesetzes entsprechend gelten sollen, einschließlich der §§ 4, 7 KSchG. Bei einer solchen Konstellation müssen die Regelungsgehalte der Vorschriften beachtet werden. Ein Geschäftsführer muss gemäß § 4 S. 1 KSchG innerhalb von drei Wochen Klage gegen die Kündigung seines Anstellungsvertrages erheben. Dabei spielt es keine Rolle, dass § 4 S. 1 KSchG eine Klageerhebung vor den Arbeitsgerichten voraussetzt. Findet die Vorschrift entsprechende Anwendung, ist sie in Bezug auf GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich so zu lesen, dass der Geschäftsführer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage bei einem ordentlichen Gericht auf Feststellung erheben muss, dass das Anstellungsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Da eine privatautonome Vereinbarung in der Regel nichts an der gesetzlichen Vertretungsmacht und der Organstellung des Geschäftsführers ändert, ist gemäß § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet, sondern das Organmitglied auf den Rechtsweg der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu verweisen. Die Kündigung eines gesetzlichen Vertreters kann nur insofern auf ihre Rechtfertigung anhand des Kündigungsschutzgesetzes geprüft werden, wenn der Geschäftsführer innerhalb einer dreiwöchigen Frist nach Zugang der Kündigung Klage auf Unwirksamkeit der Kündigung erhebt. Sind die §§ 5, 6 KSchG nicht einschlägig, gilt die Kündigung 258
Siehe unter Kap. 3 B. II. 3. b) bb) (3).
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anderenfalls als präkludiert im Sinne des § 7 KSchG. Vereinbaren die GmbH und ihr Geschäftsführer hingegen nicht die gesamte Geltung des Kündigungsschutzgesetzes, sondern nur einzelne Normen, kommt es darauf an, welche Vorschriften auf das Geschäftsführeranstellungsverhältnis anwendbar sein sollen. Möchten die Parteien beispielsweise allein die Geltung des § 1 Abs. 2 KSchG festlegen, können die §§ 4, 7 KSchG grundsätzlich keine Anwendung finden. Konsequenz hieraus wäre, dass ein Geschäftsführer bei der Geltendmachung der Unwirksamkeit seiner Kündigung grundsätzlich keinen zeitlichen Einschränkungen unterliegt, da außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes keine Normen existieren, welche eine Klageerhebungsfrist und eine Präklusionswirkung vorschreiben würden. Unter dem Gesichtspunkt einer hieraus folgenden Besserstellung der Geschäftsführer gegenüber Arbeitnehmern, welche zwingend die Dreiwochenfrist des § 4 S. 1 KSchG einhalten müssen, könnte zu erwägen sein, die Regelungsgehalte der §§ 4, 7 KSchG auf die Beendigung des Anstellungsvertrages eines Geschäftsführers zu erstrecken. Welchen Sinn und Zweck der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 4 S. 1 KSchG und der des § 7 KSchG verfolgte, kann der Gesetzgebungsgeschichte nicht entnommen werden. Die Gesetzesbegründung sagt in dieser Hinsicht nur, dass „Die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung (…) innerhalb einer Ausschlußfrist von 3 Wochen durch Feststellungsklage beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden“ muss.259 „Wird die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung hiernach nicht rechtzeitig geltend gemacht, so ist die Kündigung, (…) als von Anfang an rechtswirksam anzusehen.“260 Eine Zweckbestimmung muss demnach nach einem allgemeinen Verständnis vorgenommen werden. Verlangt der Gesetzgeber, dass sich ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung gegen eine solche wendet, ansonsten die Kündigung als von Anfang an wirksam gilt, kann das Ziel solcher Regelungen sein, dass der Arbeitnehmer nicht eine unverhältnismäßig lange Zeit warten darf, bis er die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung geltend macht. Auf diese Weise soll für den Arbeitgeber Rechtssicherheit geschaffen werden, dass nach Ablauf der dreiwöchigen Frist die Vertragsbeziehung zu dem gekündigten Arbeitnehmer endgültig beendet ist. Eine solche Intention muss ebenfalls bei einem GmbH-Geschäftsführer im Falle der Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes in Bezug auf die Anwendbarkeit des § 1 KSchG zum Tragen kommen. Auch wenn die Parteien die §§ 4, 7 KSchG nicht vereinbaren, müssen deren Regelungsgehalte dennoch für einen GmbH-Geschäftsführer und die Beendigung seines Anstellungsvertrages gelten.261 Die GmbH muss im Rahmen einer angemessenen Zeitspanne wissen, ob ihr Geschäftsführer sich gegen seine Kündigung wenden wird. Dies ist bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung insbesondere von Bedeutung, weil die Organstellung zwingend anderweitig besetzt werden muss und sich die Gesellschaft nicht mit zwei Anstellungsverträgen einer finanziellen Belastung aussetzen möchte. Ohnehin ist nicht ersichtlich, warum Arbeitnehmer nur innerhalb von drei Wochen die 259 260 261
BT-Drs. 01/2090 v. 27. 03. 1951, S. 13 zu §§ 3 – 6. BT-Drs. 01/2090 v. 27. 03. 1951, S. 13 zu §§ 3 – 6. Für eine Geltung des § 4 KSchG wohl auch Krolop, NJ 2010, 437 (438).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Rechtsunwirksamkeit ihrer Kündigung angreifen können, GmbH-Geschäftsführer, die in der Regel weniger schutzbedürftig sind, dagegen mehr Zeit haben sollen, eine Kündigung gerichtlich anzugreifen. Eine solche Sichtweise kann im Besonderen mit der bei GmbH-Geschäftsführern üblicherweise geltenden Verwirkung begründet werden. Möchten die gesetzlichen Vertreter die Unwirksamkeit einer Beendigung ihrer Anstellungsverhältnisse geltend machen, sind sie grundsätzlich an keinerlei Fristen gebunden.262 In jedem Fall gilt aber der Grundsatz der Verwirkung,263 wonach eine Kündigung dann nicht mehr gerichtlich verfolgt werden kann, „wenn sich ein Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt“.264 Entsprechend § 4 KSchG sollte aus den soeben aufgeführten Gründen eine dreiwöchige Frist eingehalten werden.265 Unabhängig davon, ob eine Auslegung der Parteiabrede über die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes ergibt, dass die Regelungen der §§ 4 S. 1, 7 KSchG entsprechend zur Anwendung kommen oder nicht, ist ein GmbH-Geschäftsführer an die Regelungsgehalte der §§ 4 S. 1, 7 KSchG gebunden. Bei einer Vereinbarung der Paragraphen folgt dies aus einer entsprechenden Geltung, während anderenfalls die Grenzen der §§ 4 S. 1, 7 KSchG im Wege der Verwirkung beachtet werden müssen. Ein GmbH-Geschäftsführer muss demnach bei einer privatautonomen Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes die §§ 4 S. 1, 7 KSchG einhalten. Eine Kündigung seines Anstellungsvertrages muss demnach innerhalb einer dreiwöchigen Frist nach § 4 S. 1 KSchG gerichtlich angegriffen werden, weil ansonsten die Kündigung gemäß § 7 KSchG als von Anfang an wirksam gilt. Eine Rechtfertigungsprüfung ist dann nicht mehr möglich. Die vorstehenden Ausführungen können grundsätzlich nicht zur Anwendung kommen, wenn der Geschäftsführer die Kündigung nicht als sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG ansieht, sondern sich gegen die Nichteinhaltung einer Formvorschrift oder einer Kündigungsfrist wendet. Für einen solchen Fall hat der Gesetzgeber die §§ 4, 7 KSchG nicht vorgesehen, wenn die Gesetzesbegründung davon spricht, dass die Kündigung als von Anfang an wirksam gilt, „soweit der Verstoß gegen die Vorschriften dieses Gesetzes in Betracht kommt“.266 Dennoch sollte die Dreiwochenfrist als Verwirkungsgrenze beachtet werden. Dies gilt ebenso, wenn sich ein Geschäftsführer gegen die Kündigung seines Anstellungsvertrages 262 Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann u. a./Hansen, Rechtsstellung der Führungskräfte, 2006, Abschnitt D Rn. 1025. 263 Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann u. a./Hansen, Rechtsstellung der Führungskräfte, 2006, Abschnitt D Rn. 1025; Freund, GmbHR 2010, 117 (122). 264 BGH NJW-RR 1992, 1240 (1241); so auch BGH NJW 1982, 1999 (1999). 265 So auch Bauer, BB 1994, 855 (858); vgl. ebenfalls Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann u. a./Hansen, Rechtsstellung der Führungskräfte, 2006, Abschnitt D Rn. 1025, „Die Klage sollte (…) zeitnah erhoben werden.“. 266 BT-Drs. 01/2090 v. 27. 03. 1951, S. 13 zu §§ 3 – 6.
C. Kündigungsschutz gegen eine ordentliche Kündigung
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wendet, das Kündigungsschutzgesetz aber keine Anwendung findet. Möchte ein GmbH-Geschäftsführer aber bei einer Vereinbarung des gesetzlichen Kündigungsschutzes die Kündigung seines Anstellungsvertrages als sozial ungerechtfertigt geltend machen, ist er zwingend an die Vorschriften der §§ 4 S. 1, 7 KSchG in entsprechender Anwendung gebunden.
V. Erforderlichkeit der Eröffnung des Kündigungsschutzgesetzes gemäß §§ 1 Abs. 1 und 23 Abs. 1 KSchG? Für eine Überprüfung der Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers ist erforderlich, dass sowohl der persönliche Anwendungsbereich gemäß § 1 Abs. 1 KSchG als auch der sachliche Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes gemäß § 23 Abs. 1 KSchG eröffnet ist. Danach ist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG stets zu prüfen, ob es sich bei dem Beschäftigten um einen Arbeitnehmer handelt, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate ohne Unterbrechung bestanden hat. Weiterhin setzt § 23 Abs. 1 S. 2 und 3 KSchG voraus, dass ein Angestellter nur dann Kündigungsschutz genießt, wenn in dem Unternehmen in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Ob der persönliche und sachliche Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes auch bei einem GmbH-Geschäftsführer eröffnet sein muss, wenn er mit der Gesellschaft die Geltung dieses Gesetzes vereinbart, lässt sich aus dessen Systematik beantworten. Das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 1 Abs. 1 und 23 Abs. 1 KSchG hat das Ziel, nur solchen Arbeitnehmern Kündigungsschutz zu gewähren, die der Gesetzgeber als entsprechend schutzbedürftig einstuft. Da GmbH-Geschäftsführer gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG von den Schutzvorschriften des Gesetzes ausgenommen sind, passen die Regelungen bezüglich des Geltungsbereiches nicht auf Organmitglieder. Die Systematik des Kündigungsschutzgesetzes verbietet es daher, bei einer entsprechenden individualvertraglich vereinbarten Geltung dieses Gesetzes für die Anstellungsverträge der GmbH-Geschäftsführer, die Anforderungen der §§ 1 Abs. 1 und 23 Abs. 1 KSchG zur Grundlage der Überprüfung einer ordentlichen Kündigung auf ihre Rechtfertigung hin zu machen. Das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 1, 23 KSchG wäre systemwidrig; wenn der Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes eröffnet wäre, müssten die Parteien eine entsprechende Anwendbarkeit nicht individualvertraglich herbeiführen. Dies sah auch der Bundesgerichthof in seiner Entscheidung vom 10. 05. 2010 so, als er konstatierte, dass die materiellen Kündigungsschutzregeln unabhängig von den gesetzlichen Anwendungsvoraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes gelten würden.267 Die Vorschrift des § 23 KSchG als auch die Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern hätten für den vereinbarten Kündigungsschutz keine Relevanz.268 Für die Kontrolle, ob die 267 268
BGH NJW 2010, 2343 (2344). BGH NJW 2010, 2342 (2344).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Beendigung des Geschäftsführeranstellungsverhältnisses durch einen ordentlichen Kündigungsgrund im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes gerechtfertigt ist, bedarf es mithin nicht des Vorliegens der Voraussetzungen des persönlichen und sachlichen Anwendungsbereiches des Gesetzes gemäß der §§ 1 Abs. 1 und 23 Abs. 1 KSchG. Bei einer entsprechenden Vereinbarung über die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes kann der GmbH-Geschäftsführer sich auf den Schutz der Kündigungsschutzvorschriften allein aufgrund der Parteiabrede berufen.
VI. Ergebnis Findet das Kündigungsschutzgesetz auf das Anstellungsverhältnis eines GmbHGeschäftsführers Anwendung, ändert dies nichts an der grundsätzlichen Trennung zwischen der Organstellung und dem schuldrechtlichen Rechtsverhältnis, es sei denn, dass eine wirksame Koppelungsklausel zwischen der GmbH und ihrem Organmitglied vereinbart wird. Bei einer gleichzeitigen Festlegung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes muss eine Auslegung Aufschluss darüber geben, was die Parteien bezwecken und welche Klausel möglicherweise Vorrang genießt. Die Reichweite der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ergibt sich aus der Formulierung der Vereinbarung. Die Gesellschaft und ihr Geschäftsführer können dabei die gesamte Geltung des Kündigungsschutzgesetzes oder nur einzelne Bestimmungen festlegen, sollten aber klare Regelungen treffen. Im Falle der Beendigung des Anstellungsvertrages muss diese grundsätzlich durch die Gesellschafterversammlung gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG erfolgen, die Kündigung je nach Vereinbarung unter Umständen schriftlich abgefasst sein und bei Fremdgeschäftsführern und minderheitsbeteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern die Frist des § 622 BGB analog, bei herrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern die Frist des § 621 Nr. 3 BGB wahren. Die Präklusionswirkung der §§ 4 S. 1, 7 KSchG gilt bei einer Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes unabhängig davon, ob die Vorschriften im Einzelfall von der Vereinbarung umfasst sein sollen oder nicht. Die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung kann demnach grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Geschäftsführer nicht innerhalb von drei Wochen die Kündigung gerichtlich angreift. Für eine Überprüfung der Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung muss hingegen nicht der persönliche und sachliche Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes eröffnet sein.
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung Die Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes, im Besonderen der Regelung des § 1 Abs. 2 KSchG zwischen der Gesellschaft und ihrem GmbH-Geschäftsführer bewirkt, dass die ordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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einen rechtfertigenden Kündigungsgrund gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG erfordert. Selbst für den Fall, dass die Parteien bei ihrer Vereinbarung nicht ausdrücklich das Recht der GmbH aus den §§ 9, 14 Abs. 2 KSchG ausschließen, wäre es für die Gesellschaft aufgrund des Umgehens einer möglicherweise zu gewährenden Abfindung vorteilhaft, wenn die Kündigung des GmbH-Geschäftsführers sozial gerechtfertigt ist. Basierend auf den grundlegenden Anforderungen, welche die Kündigung eines Arbeitnehmers erfüllen muss und im Laufe der Zeit, insbesondere durch die Rechtsprechung entwickelt wurden, sind die Voraussetzungen eines personenbedingten Grundes herauszuarbeiten, die bei einer Kündigung des Anstellungsvertrages eines Organmitgliedes einer GmbH vorliegen müssen. Die nachstehenden Ausführungen gelten dabei sowohl bei einem Fremdgeschäftsführer als auch einem Gesellschafter-Geschäftsführer; auf etwaige Unterschiede wird hingewiesen.
I. Allgemeine Ausführungen Ein personenbedingter Kündigungsgrund ist gegeben, wenn a) es dem Arbeitnehmer aufgrund mangelnder Eignung oder seiner persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften nicht mehr möglich ist, zukünftig seiner vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nachzugehen, b) die mangelnde Eignung respektive die fehlenden Fähigkeiten eine konkrete Störung betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen des Arbeitgebers zur Folge haben sowie c) eine „Interessenabwägung zulasten des Arbeitnehmers ausfällt“.269 Die einzelnen Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung sind ebenso für leitende Angestellte verbindlich, die eine gehobene Position bekleiden.270 Angesichts dieser Position im Unternehmen, welche ihnen Arbeitgeberbefugnisse einräumt, könnten die Voraussetzungen der Kündigung eines leitenden Angestellten auch solche sein, die bei der Beendigung der Anstellungsverhältnisse der GmbH-Geschäftsführer eingehalten werden müssen. Die Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes hat für GmbHGeschäftsführer den Sinn, dass diese bei einer Kündigung nicht schutzlos gestellt sind, sondern der Arbeitgeber nur dann berechtigt ist, das Anstellungsverhältnis der Organmitglieder zu beenden, wenn ein personen-, verhaltens- oder betriebsbedingter Kündigungsgrund gegeben ist. GmbH-Geschäftsführer sollen auf diese Weise einen annähernd gleichen Kündigungsschutz wie Arbeitnehmer erhalten. Folgerichtig muss die Rechtfertigung einer Kündigung ihres Anstellungsvertrages grundsätzlich 269
Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 1; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 124 bis 126. 270 Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 74 und 75 f.; Schipp, Die Stellung des leitenden Angestellten im Kündigungsschutzprozeß, 1992, S. 123; siehe auch Becker, ZIP 1981, 1168 (1171) und Martens, Das Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, 1982, S. 211, welche konstatieren, dass der Arbeitgeber an die in § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG normierte Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Kündigungsgründe gebunden ist. Die Spezialvorschrift des § 14 Abs. 2 S. 2 KSchG betreffe allein die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der Auflösungsgründe.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
in drei Schritten erfolgen. In diesem Zusammenhang muss jedoch beachtet werden, dass die soziale Rechtfertigung einer Kündigung nicht abstrakt-generell, sondern konkret-individuell zu bewerten ist.271 „Gegenstand eines Kündigungsschutzprozesses“ kann mithin „nicht irgendein Arbeitnehmer“ sein, sondern nur der Beschäftigte in seiner spezifischen Stellung im Unternehmen.272 Dementsprechend berücksichtigt das Bundesarbeitsgericht im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung, ob der Arbeitnehmer in einer Schlüsselposition arbeitet oder ein leicht ersetzbarer Mitarbeiter ist.273 Die Funktion des Geschäftsführers und seine damit einhergehende besondere Vertrauensstellung im Unternehmen müssen daher im Falle der Vereinbarkeit der Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes in der Regel maßgeblich gewürdigt werden: Die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes führt nicht dazu, dass aus einem Geschäftsführer ein „einfacher“ Arbeitnehmer wird.274 Infolge dessen können die arbeitsrechtlichen Maßstäbe zu einer Kündigung aus personenbedingten Gründen nur modifiziert übertragen werden, insbesondere muss die Stellung des Geschäftsführers, welche sich von der eines Arbeitnehmers unterscheidet, hinreichend beachtet werden.275
II. Krankheit Im Mittelpunkt der Kündigungsgründe steht zunächst eine Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen. Krankheit im medizinischen Sinne ist ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand, der eine notwendige Heilbehandlung erfordert,276 welche die Krankheit behebt, erträglich macht, ihre Folgen lindert oder eine drohende Verschlechterung abwendet.277 Der arbeitsrechtliche Krankheitsbegriff nimmt auf diese Begriffsbestimmung Bezug,278 so dass insoweit sowohl physische als auch psychosomatische Krankheiten und Suchterkrankungen zu einer krankheitsbedingten Kündigung führen könnten.279 Der Rechtfertigung einer or271
Picker, GmbHR 2011, 629 (635). Picker, GmbHR 2011, 629 (635). 273 Vgl. BAG NJW 1981, 298 (301). 274 Picker, GmbHR 2011, 629 (635). 275 Picker, GmbHR 2011, 629 (635). 276 BAG BB 1976, 933 (933); Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 135; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 362. 277 Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 135; ErfK/ Oetker, § 1 KSchG Rn. 112; Lepke, NZA-RR 1999, 57 (57). 278 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 319; Lepke, Kündigung bei Krankheit, 15. Auflage 2015, S. 71 Rn. 80; vgl. BAG Urteil v. 21. 06. 1981 – 6 AZR 940/78, juris Rn. 42, Begriffe sind nicht identisch, erst wenn Krankheit zur Arbeitsunfähigkeit führt, wird Krankheit relevant. 279 v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 362; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 319. 272
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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dentlichen Kündigung infolge Krankheit liegt eine dreistufige Prüfung zugrunde.280 Diese entspricht den bereits oben dargestellten Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer personenbedingten Kündigung, wobei die „fehlende Eignung“ durch das Vorliegen einer negativen Gesundheitsprognose spezifiziert wird.281 1. Häufige Kurzerkrankungen Eine meist enorme Belastung für Unternehmen sind die sogenannten häufigen Kurzerkrankungen. Unter dem Begriff „häufige Kurzerkrankungen“ fallen solche Fehlzeiten des Arbeitnehmers, die jedes Mal „von kürzerer Dauer sind und sich häufig wiederholen“, ohne dass die Ausfallzeiten im Vorhinein abschätzbar sind.282 a) Negative Gesundheitsprognose Zur Bejahung einer negativen Gesundheitsprognose ist bei derartigen Erkrankungen das Gegebensein objektiver Tatsachen entscheidend, welche die Besorgnis weiterer Erkrankungen erwarten lassen.283 aa) Kündigung eines Arbeitnehmers Fehlzeiten eines Arbeitnehmers in der Vergangenheit können als Indiz für zukünftige Erkrankungen dienen.284 Erforderlich ist eine hinreichend prognosefähige Zeitspanne, die nach allgemeinen Erfahrungen einen Rückschluss auf die künftige Entwicklung zulässt,285 starre Zeiträume werden nicht akzeptiert.286 In der Praxis erstreckt sich der Prognosezeitraum normalerweise auf die letzten zwei bis drei Jahre.287 Wesentlich ist dies jedoch nicht,288 auch der Betrachtung eines kürzeren Zeitraumes kann eine hinreichende Indizwirkung entnommen werden.289 280 BAG NZA 1991, 185 (186); BAG NZA 1993, 497 (498); BAG NZA 1999, 978 (980 f.); BAG NZA 2002, 1081 (1083); BAG NZA 2006, 665 (667); BAG NZA 2011, 39 (39). 281 Vgl. KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 323; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/ Krause, KSchG, § 1 Rn. 373; BAG NZA 1993, 497 (498); BAG NZA 1999, 978 (980 f.). 282 ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 138. 283 Ständige Rechtsprechung seit BAG NJW 1977, 2132 (2133); BAG NZA 1994, 67 (68); BAG Urteil v. 07. 11. 2002 – 2 AZR 599/01, juris Rn. 27; BAG NZA 2006, 655 (656); BAG NZA 2008, 593 (593). 284 BAG Urteil v. 07. 11. 2002 – 2 AZR 599/01, juris Rn. 27; BAG NZA 2006, 655 (656); BAG NZA 2008, 593 (593); BAG NZA 1994, 67 (68); Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 110; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 375; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 329. 285 BAG NZA 2006, 655 (657); Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 112. 286 BAG NZA 2006, 655 (657); Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 112. 287 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 35; BAG NZA 2006, 655 (657).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Beruhte der Arbeitsausfall des Arbeitnehmers auf einer chronischen Erkrankung (zum Beispiel einer Gastritis, Bronchitis) muss eine Wiederholungsgefahr bejaht werden.290 Anders sei dies zu beurteilen, wenn eine einmalige Unfallverletzung oder eine einmalige Erkrankung (Blinddarmoperation) zu den krankheitsbedingten Fehlzeiten geführt hat; solche Einzelereignisse könnten keine negative Prognose begründen.291 Auch einer in der Zwischenzeit ausgeheilten Krankheit könne keine Indizwirkung beigemessen werden.292 Haben die häufigeren Fehlzeiten eine Verkettung von Umständen zur Ursache (zum Beispiel neben einer Bronchitis einen Verkehrs- oder Sportunfall), sei es nicht möglich, diese Einzelerkrankungen bei einer negativen Gesundheitsprognose einzubeziehen.293 Ist ein Arbeitnehmer hingegen immer wieder wegen häufiger Sportverletzungen krank und ändert gleichwohl nichts an seiner Lebensführung, könnte daraus der Schluss gezogen werden, er werde auch zukünftig seine Arbeitsleistung wegen Sportunfällen oftmals nicht erbringen können.294 Nicht hinderlich bei der Feststellung einer negativen Prognose ist zudem, wenn die Fehlzeiten auf verschiedene prognosefähige Erkrankungen gestützt werden.295 Derartige unterschiedliche Krankheiten können auf eine gewisse Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers hindeuten und somit die Annahme einer negativen Prognose rechtfertigen.296 Dies ist insbesondere der Fall, wenn die bisherigen Krankheiten des Arbeitnehmers speziell auf wiederholten Erkältungs- oder Entzündungskrankheiten sowie Beschwerden des Bewegungsapparates beruhten, da die Häufigkeit der in der Vergangenheit aufgetretenen Erkältungs- und Entzündungskrankheiten eine bestimmte Neigung des Arbeitnehmers zu gewissen Krankheiten erkennen lassen.297 Bei solchen Erkrankungen ist eine Wiederholungsgefahr grundsätzlich naheliegend, auch wenn sie ausgeheilt sind.298 288
BAG NZA 2006, 655 (657). BAG NZA 2006, 655 (657). 290 ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 124. 291 ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 124; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 377; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 328; Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 2 Rn. 1259; BAG NZA 2006, 655 (657); BAG Urteil v. 07. 12. 1989 – 2 AZR 225/89, juris Rn. 43; BAG NZA 1994, 309 (310); BAG Urteil v. 02. 11. 1989 – 2 AZR 335/89, juris Rn. 40. 292 BAG NZA 1994, 67 (68); BAG Urteil v. 07. 11. 2002 – 2 AZR 599/01, juris Rn. 27; BAG NZA 2006, 655 (656); BAG NZA 2008, 593 (593); Lepke, Kündigung bei Krankheit, 15. Auflage 2015, S. 184 Rn. 177. 293 ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 124. 294 BAG Urteil v. 02. 11. 1989 – 2 AZR 335/89, juris Rn. 40; BAG Urteil v. 07. 12. 1989 – 2 AZR 225/89, juris Rn. 48. 295 BAG NZA 2006, 655 (657); Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 2 Rn. 1259. 296 BAG NZA 2006, 655 (657); BAG NZA 2000, 768 (770); LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 2006, 129 (130). 297 BAG NZA 2006, 655 (657). 298 BAG NZA 2006, 655 (657). 289
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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Bei leitenden Angestellten orientiere sich die Feststellung einer negativen Gesundheitsprognose an den Voraussetzungen für die Kündigung eines normalen Arbeitnehmers; es bestünden keine Unterschiede.299 Da auch andere Stimmen in der Literatur, die sich mit der Problematik der Kündigungsgründe bei leitenden Angestellten beschäftigten, die Anforderungen an eine negative Gesundheitsprognose, soweit ersichtlich, nicht thematisieren, Besonderheiten aber insbesondere bei den betrieblichen Beeinträchtigungen und der Interessenabwägung sehen, ist davon auszugehen, dass diese Ansichten hinsichtlich des Vorliegens einer negativen Prognose bei leitenden Angestellten ebenfalls dieselben Voraussetzungen zugrunde legen wie bei den übrigen Arbeitnehmern. bb) Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers Auch bei GmbH-Geschäftsführern müssen für eine negative Gesundheitsprognose objektive Tatsachen gegeben sein, welche die ernste Besorgnis weiterer Erkrankungen rechtfertigen. Fehlzeiten des Geschäftsführers in der Vergangenheit können indiziell auf weitere Erkrankungen hindeuten. In diesen beiden Punkten entspricht die Kündigung eines Geschäftsführers der eines Arbeitnehmers. (1) Prognosefähiger Zeitraum Während jedoch der Zeitraum, welcher bei Arbeitnehmern für das Feststellen einer hinreichenden Prognose gewählt wird, in der Regel bei zwei bis drei Jahren liegt, muss eine prognosefähige Zeitspanne von kürzerer Dauer bei GmbH-Geschäftsführern zulässig sein. Um dies begründen zu können, ist erforderlich, auf die Argumentation hinsichtlich der betrieblichen Beeinträchtigungen zurückzugreifen, welche grundsätzlich erst auf der zweiten Stufe zu problematisieren sind. Da die negative Gesundheitsprognose und die erheblichen Beeinträchtigungen der Interessen des Arbeitgebers sich bedingen, kommt man nicht umhin, die Voraussetzungen, welche an die negative Gesundheitsprognose zu stellen sind, mit einem Rückgriff auf die Betriebsbeeinträchtigungen zu ermitteln. Würde bei der Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers ein Prognosezeitraum von zwei bis drei Jahren zugrunde gelegt werden, wäre die Belastung für eine GmbH zu hoch, wenn sie über einen derart langen Zeitraum mit häufigen Kurzerkrankungen des Geschäftsführers umgehen und diese kompensieren müsste. Überbrückungsmaßnahmen sind, sofern solche überhaupt bestehen, einer Gesellschaft für einen solch langen Zeitraum nicht zuzumuten. Wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen zu den betrieblichen Beeinträchtigungen ergeben wird, kommt bei Geschäftsführern allenfalls eine Vertretung als Überbrückungsmaßnahme in Betracht. Vertreter kann dabei ein Stellvertreter gemäß § 44 GmbHG, der oder die anderen im Unternehmen beschäftigten Geschäftsführer oder ein Prokurist sein. Diese Vertre299 Schipp, Die Stellung des leitenden Angestellten im Kündigungsschutzprozeß, 1992, S. 124.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
tungsmöglichkeiten können nur in Maßen, zumindest aber nicht über einen längeren Zeitraum in gehäufter Form Verwendung finden. Entscheidend ist, wie die Gesellschaft jeweils aufgestellt ist und entsprechend krankheitsbedingte Fehlzeiten des GmbH-Geschäftsführers ausgleichen kann. Möglich wäre beispielsweise, dass eine Zeitspanne von einem Jahr oder eineinhalb Jahren zugrunde gelegt wird, wenn das Organmitglied innerhalb dieser Zeit acht oder zehn bis zwölf oder sogar vierzehn Mal für je eine Woche arbeitsunfähig ausfällt. Aber auch ein halbes Jahr könnte einen hinreichenden Prognosezeitraum darstellen, wenn der Geschäftsführer beispielsweise in dieser Zeit sechs Mal für je ein oder sogar zwei Wochen arbeitsunfähig erkrankt. Eine generalisierende Zeitspanne festzulegen ist nicht möglich. Selbst bei Arbeitnehmern gibt es keinen starren Prognosezeitraum; folglich kann ein solcher erst recht nicht bei GmbH-Geschäftsführern aufgestellt werden. Entscheidend ist, wie bei Arbeitnehmern, immer der Einzelfall. Auch ein längerer Zeitraum als ein Jahr oder eineinhalb Jahren kann als Prognosezeitraum dienen, sofern die Gesellschaft die Fehlzeiten des Geschäftsführers ausgleichen kann und sie damit einverstanden wäre, dass oftmals Überbrückungsmaßnahmen zur Wahrung des reibungslosen Betriebsablaufes gewählt werden. In der Praxis ist dies jedoch kaum vorstellbar, da häufige krankheitsbedingte Fehlzeiten des Geschäftsführers einer GmbH aufgrund seiner besonderen Funktion sowie Stellung im Unternehmen sehr viel früher als bei Arbeitnehmern zu erheblichen Beeinträchtigungen führen werden. (2) Wertung der einzelnen Erkrankungen Die Bestimmung einer negativen Prognose bei GmbH-Geschäftsführern unterscheidet sich weiterhin von der eines Arbeitnehmers hinsichtlich der Frage, welche Krankheiten bei einer negativen Gesundheitsprognose der Geschäftsführer zu berücksichtigen sind. Wie bei den Arbeitnehmern muss chronischen Erkrankungen, häufigen Sportverletzungen, die durch ein Fehlverhalten seitens des Geschäftsführers verursacht werden sowie häufigen Erkältungs- oder Entzündungskrankheiten eine Indizwirkung beigemessen werden. Nicht möglich ist es hingegen bei GmbHGeschäftsführern gewisse Erkrankungen, wie ausgeheilte oder einmalige Krankheiten, gänzlich unberücksichtigt zu lassen. Würde der GmbH-Geschäftsführer beispielsweise innerhalb eines Jahres einmal für ein oder zwei Wochen aufgrund einer Erkältung ausfallen, die er auskuriert hätte, zusätzlich aber noch einen Monat wegen einer Sportverletzung und einen weiteren Monat wegen einer Operation krankheitsbedingt fehlen, könnten diese einmaligen Erkrankungen bereits eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der GmbH bedeuten, so dass sie für eine negative Gesundheitsprognose herangezogen werden müssen. Auch solche Einzelereignisse, die entweder verhäuft oder innerhalb einer kurzen Zeitspanne vorkommen, können eine negative Prognose rechtfertigen. Bei GmbH-Geschäftsführern können damit nicht gewisse Erkrankungen aus einer negativen Gesundheitsprognose herausgenommen werden; vielmehr müssen alle Erkrankungen des Organmitgliedes betrachtet werden. Dabei wird häufigen Erkältungskrankheiten oder chronischen Erkrankungen eine starke Indizwirkung zukommen, einmaligen
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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oder ausgeheilten Krankheiten eine weniger starke. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, innerhalb welchen Zeitraumes wie viele Erkrankungen die Gesellschaft durch entsprechende Maßnahmen kompensieren muss. (3) Zwischenergebnis An die negative Gesundheitsprognose eines GmbH-Geschäftsführers ist im Ergebnis ein weniger strenger Maßstab zu stellen, das Vorliegen einer solchen in der Regel zu einem früheren Zeitpunkt zu bejahen als bei Arbeitnehmern. Hinsichtlich des Prognosezeitraumes gibt es keine starren Grenzen. Zulässig ist es aber, dass alle häufigen Kurzerkrankungen innerhalb eines Jahres oder sogar nur eines halben Jahres für eine negative Gesundheitsprognose indiziell herangezogen werden, so dass der Prognosezeitraum bei Organmitgliedern eine wesentlich kürzere Zeitspanne umfassen kann. b) Erhebliche Beeinträchtigungen betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen Neben dem Vorliegen einer negativen Gesundheitsprognose müssen die krankheitsbedingten Ausfälle des Arbeitnehmers und so auch die eines GmbH-Geschäftsführers eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers zur Folge haben.300 aa) Betriebliche Beeinträchtigungen Betriebliche Beeinträchtigungen sind zu bejahen, wenn es zu Betriebsstörungen kommt.301 Als schwerwiegende Beeinträchtigungen sind bei Arbeitnehmern der „Stillstand von Maschinen, Rückgang der Produktion wegen kurzfristig eingesetzten, erst einzuarbeitenden Ersatzpersonals, Überlastung des verbliebenen Personals oder Abzug von an sich benötigten Arbeitskräften aus anderen Arbeitsbereichen“ zu nennen.302 Bei leitenden Angestellten werden in der Regel Beeinträchtigungen angenommen, wenn es dem Arbeitgeber möglich sei, zu beweisen, dass bei Nichtbesetzung des Arbeitsplatzes sein Unternehmen oder Teile davon führungslos wären, da ein 300
In Bezug auf Arbeitnehmer: BAG NZA 1989, 923 (923); BAG NZA 1990, 434 (435); BAG NZA 1991, 185 (186); BAG NZA 1999, 978 (979); BAG NZA 2006, 655 (656). 301 BAG NZA 1989, 923 (923); BAG NZA 1990, 434 (435); BAG NZA 1994, 67 (68); Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 118; Ascheid/Preis/Schmidt/ Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 154 f.; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 338. 302 BAG NZA 1989, 923 (923); siehe auch BAG Urteil v. 07. 12. 1989 – 2 AZR 225/89, juris Rn. 67; Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 2 Rn. 1257; KRGriebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 338; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 155; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 140.
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Betrieb ohne seine Führungsorgane nicht funktionieren könne.303 Mit diesem Argument könnten auch bei GmbH-Geschäftsführern erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen durch den krankheitsbedingten Ausfall begründet werden.304 GmbHGeschäftsführer vertreten gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG die Gesellschaft nach außen. Hauptaufgabe der Organmitglieder ist in diesem Zusammenhang der Abschluss wichtiger Verträge sowie das Sicherstellen des reibungslosen Verlaufes der Arbeitsprozesse. Zudem sind sie für die Umsetzung der gefassten Gesellschafterbeschlüsse zuständig. Geschäftsführer sind damit essentiell für das Funktionieren der GmbH. Fallen sie krankheitsbedingt aus, können Betriebsstörungen darin bestehen, dass die Gesellschaft nicht voll handlungsfähig ist (vgl. § 35 Abs. 1 S. 1 und 2 GmbHG), Gesellschafterbeschlüsse nicht umgesetzt werden und auf diese Weise das Funktionieren der GmbH nicht sichergestellt ist.305 Diese Ausführungen lassen sich auch auf eine GmbH mit mehreren Geschäftsführern übertragen. Bei einer solchen läge eine betriebliche Beeinträchtigung bei Gesamtvertretungsbefugnis aller Geschäftsführer (vgl. § 35 Abs. 2 GmbHG) ebenfalls in einem nicht ordnungsgemäßen Vertretensein der GmbH und dadurch bedingt in der nicht vollständigen Handlungsfähigkeit der Gesellschaft.306 Sollte Einzelvertretungsmacht bestehen, ist in der Regel davon auszugehen, dass jeder Geschäftsführer in seinem Aufgabenbereich Vertretungsmacht besitzt, so dass bei einem krankheitsbedingten Fehlen eines Geschäftsführers die GmbH auch in diesem Bereich nicht wirksam handeln könnte. Sofern bei Einzelvertretungsmacht eines jeden Geschäftsführers die Handlungsfähigkeit der GmbH im Falle eines krankheitsbedingten Ausfalls eines Organmitgliedes weiterhin gewahrt wäre, weil der nicht erkrankte Geschäftsführer oder die nicht erkrankten Geschäftsführer die Gesellschaft wirksam umfassend vertreten könnten, wäre eine betriebliche Beeinträchtigung zu verneinen.307 In einem solchen Fall kann eine Betriebsstörung erst dann angenommen werden, wenn es aufgrund des krankheitsbedingten Ausfalls des Geschäftsführers zu Beeinträchtigungen im Arbeitsablauf des Unternehmens kommen würde. bb) Überbrückungsmaßnahmen als Kompensation? Die in Folge der Krankheit eines Beschäftigten entstehenden betrieblichen Beeinträchtigungen wären als nicht erheblich zu qualifizieren, wenn sie durch Überbrückungsmaßnahmen gar nicht erst zur Entstehung gelangen.308 Vor Ausspruch 303 Schipp, Die Stellung des leitenden Angestellten im Kündigungsschutzprozeß, 1992, S. 124 f. 304 Vgl. Hohlfeld, GmbHR 1986, 181 (181), wenn Geschäftsführerlosigkeit von bestimmter Dauer und Intensität ist. 305 So ähnlich Hohlfeld, GmbHR 1986, 181 (181), in anderem Zusammenhang. 306 Hohlfeld, GmbHR 1986, 181 (183), in anderem Zusammenhang. 307 Hohlfeld, GmbHR 1986, 181 (183), in anderem Zusammenhang. 308 BAG NZA 1990, 434 (435); KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 339; Ascheid/ Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 155.
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einer Beendigungskündigung ist der Arbeitgeber auch bei leitenden Angestellten verpflichtet, zu prüfen, ob Überbrückungsmaßnahmen existieren.309 Mögliche Überbrückungsmaßnahmen bei einem krankheitsbedingten Ausfall eines Arbeitnehmers sind eine eigene Personalreserve310 des Arbeitgebers, ein Springereinsatz, die Umorganisation der Arbeit oder die Neueinstellung einer Aushilfskraft.311 Beachtet werden muss in diesem Zusammenhang die Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen, da für Arbeitnehmer in Schlüsselpositionen und Fachkräfte im Vergleich zu Arbeitnehmern in untergeordneten Positionen nur schwer eine Vertretungskraft gefunden wird.312 (1) Vorhalten einer Personalreserve Das Vorhalten einer Personalreserve ist bei einem Geschäftsführer im Unterschied zu Arbeitnehmern unmöglich; eine solche kann es nicht geben. „Personalreserven sind (…) nur bei einer Mehrzahl von Arbeitsplätzen mit vergleichbarer Qualifikation zu halten.“313 Der Gesellschaft ist es schlicht nicht zumutbar, einen weiteren oder weitere Geschäftsführer anzustellen, um einen eventuellen Ausfall des berufenen Geschäftsführers überbrücken zu können. (2) Umorganisation Auch die Möglichkeit einer Umorganisation muss als Überbrückungsmaßnahme, wie bei den leitenden Angestellten,314 verneint werden. Eine solche Variante ist bei einer GmbH mit nur einem Geschäftsführer keinesfalls denkbar, da es die Position des Geschäftsführers zwingend geben muss und diese eine qualifizierte Besetzung erfordert, die allein durch eine entsprechende Auswahl seitens der Gesellschaft gewährleistet werden kann. Ebenso können bei einer GmbH mit mehreren Geschäftsführern die Aufgabenbereiche in der Regel nicht so umorganisiert werden, dass der Aufgabenbereich des kranken Arbeitnehmers von den anderen Geschäftsführern mit übernommen wird. Hat eine GmbH mehrere Geschäftsführer, ist dies oftmals dadurch bedingt, dass jeder Geschäftsführer für einen anderen Aufgabenbereich zuständig ist und speziell für einen spezifischen Bereich berufen wurde. Die 309 Schipp, Die Stellung des leitenden Angestellten im Kündigungsschutzprozeß, 1992, S. 125. 310 BAG NZA 1990, 434 (435); BAG Urteil v. 07. 12. 1989 – 2 AZR 225/89, juris Rn. 67; BAG Urteil v. 10. 05. 1990 – 2 AZR 580/89, juris Rn. 27; Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 2 Rn. 1257. 311 Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 155 und KRGriebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 339; BAG NZA 1989, 923 (923), in Bezug auf die Reserve sowie die Aushilfskraft. 312 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 338; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 155; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 140; v. Hoyningen-Huene/ Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 426. 313 Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 2 Rn. 1265. 314 Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 76.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Bestellung eines Geschäftsführers für einen bestimmten Tätigkeitsbereich ist mit seinen fachlichen Qualifikationen verknüpft. Eine Ausübung oder Übernahme der Aufgaben des kranken Organmitgliedes ist mithin nicht ohne Weiteres möglich. Zudem bestünde bei Zusammenlegung der Aufgabenbereiche die Gefahr der Überlastung der anderen Geschäftsführer. Eine Umorganisation scheidet damit als Überbrückungsmaßnahme aus. (3) Einstellen eines Aushilfsgeschäftsführers Die durch die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Geschäftsführers entstehenden betrieblichen Beeinträchtigungen lassen sich ebenso wenig durch das Einstellen einer Aushilfskraft überbrücken. Auch bei leitenden Angestellten wird der Einsatz von Springern oder das vorübergehende Beschäftigen von Aushilfskräften als Überbrückungsmaßnahme verneint, da ihre Einarbeitung zu viel Zeit beanspruchen würde, was sich nicht mit den Interessen des Betriebes vereinbaren ließe und es sehr schwierig wäre, innerhalb kürzester Zeit geeignete Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt zu gewinnen.315 Diese Ausführungen können auf einen GmbH-Geschäftsführer übertragen werden. Zum einen wird es unmöglich sein, einerseits einen qualifizierten Geschäftsführer zu finden, der sich anderseits dazu bereit erklärt, nachhaltig und intensiv nur für einen kurzen Zeitraum, aber in gehäufter Form die Aufgaben eines Geschäftsführers auszuüben.316 Kein Beschäftigter möchte lediglich für ein paar Wochen im Jahr die Funktion eines Geschäftsführers wahrnehmen. Jeder Geschäftsführer wird eine Festanstellung bevorzugen.317 Zum anderen würde die Einarbeitung sowie das Vertraut machen des „Aushilfs-Geschäftsführers“ zu viel Zeit beanspruchen, so dass es der Gesellschaft nicht zuzumuten wäre, eine „Aushilfskraft“ einzustellen. Ebenso wenig dürfte aus diesem Grund von der Gesellschaft zu fordern sein, einen „Interimsgeschäftsführer auf Abruf“ zu bestellen.318 Bei einem solchen Geschäftsführer würde die GmbH Gefahr laufen, dass er sich aufgrund seiner jederzeitigen Abberufungsmöglichkeit weniger intensiv für die Unternehmung einsetzt, insbesondere seine Aufgaben nicht nachhaltig genug wahrnimmt, weil er seine Geschäftsführung nicht auf langwierige Unternehmensziele „ausrichten kann“.319
315 Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 76; Schipp, Die Stellung des leitenden Angestellten im Kündigungsschutzprozeß, 1992, S. 125; Henssler, RdA 1992, 289 (296). 316 Picker, GmbHR 2011, 629 (633); vgl. auch v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 426, in Bezug auf qualifizierte Beschäftigte. 317 Picker, GmbHR 2011, 629 (633). 318 Picker, GmbHR 2011, 629 (633); vgl. auch Henssler, RdA 1992, 289 (296). 319 Picker, GmbHR 2011, 629 (633).
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(4) Vertretung des Geschäftsführers Bei leitenden Angestellten wird das Einsetzen von Vertretern sowie die zeitweise Nichtbesetzung der Stelle wegen der besonderen Relevanz der Beschäftigten für den Betriebsablauf verneint.320 Bestenfalls könne es eine betriebsinterne Vertretung, speziell durch einen etwaigen Stellvertreter des leitenden Angestellten, geben.321 Diese Variante sei aber wiederum nur bei Kurzerkrankungen möglich, nicht hingegen bei längerfristigen Erkrankungen, da die Position des leitenden Angestellten eine dauerhafte Besetzung seiner Stelle erforderlich mache.322 Ein zeitweises Nichtbesetzen des Geschäftsführerpostens ist ebenso wie bei leitenden Angestellten nicht denkbar. Die enorm wichtige Stellung des Organmitgliedes, insbesondere seine Vertretungsfunktion, erfordert zwingend eine Besetzung. Eine betriebsinterne Vertretung durch die im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer scheidet grundsätzlich bei GmbH-Geschäftsführern aus. Zu erwägen ist, ob ein Prokurist, ein Stellvertreter gemäß § 44 GmbHG, eventuell vorhandene andere Geschäftsführer der GmbH oder ein Notgeschäftsführer gemäß § 29 BGB analog den GmbH-Geschäftsführer wirksam vertreten können. (a) Bestellung eines Notgeschäftsführers gemäß § 29 BGB analog? Gemäß § 29 BGB sind die erforderlichen Mitglieder des Vorstandes, soweit sie fehlen, in dringenden Fällen bis zur Behebung des Mangels zu bestellen. Die Vorschrift gilt nach ihrem Wortlaut primär für den Vorstand eines Vereins. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass § 29 BGB auf die GmbH entsprechende Anwendung finden kann.323 Untersucht werden muss, ob eine analoge Anwendung der Norm ebenfalls im Falle häufiger Kurzerkrankungen des Geschäftsführers zu bejahen ist. Um diese Fragestellung beantworten zu können, sind vorab die Voraussetzungen des § 29 BGB darzustellen. Die Vorschrift setzt analog voraus, dass ein Geschäftsführer fehlt sowie die Bestellung eines Notgeschäftsführers erforderlich und dringlich ist. Ein Geschäftsführer fehlt, wenn er zum Beispiel infolge längerer Krankheit oder Abwesenheit nicht verfügbar ist.324 Die Bestellung eines Notgeschäftsführers ist im Sinne des § 29 BGB analog erforderlich, wenn anderenfalls die GmbH nicht vertreten wäre; es 320
Martens, Das Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, 1982, S. 212; Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 76; Schipp, Die Stellung des leitenden Angestellten im Kündigungsschutzprozeß, 1992, S. 118 und 125. 321 Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 76. 322 Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 76. 323 RGZ 138, 98 (101); BGH NJW 1983, 938 (939); BayObLG NJW-RR 1986, 523; BayObLG BB 1995, 2388 (2388); BayObLG NJW-RR 1999, 1259 (1260); OLG Frankfurt GmbHR 2001, 436 (436); OLG München BB 2007, 2311 (2312). 324 In Bezug auf einen Vorstand MünchKommBGB/Reuter, § 29 BGB Rn. 8; Bamberger/ Roth/Schöpflin, BGB, § 29 BGB Rn. 4; Jauernig/Mansel, BGB, § 29 BGB Rn. 1; Schulze/ Dörner, BGB, § 29 Rn. 1; Palandt/Ellenberger, BGB, § 29 BGB Rn. 2; Staudinger/Weick, BGB, § 29 Rn. 7.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
müsste eine tatsächliche oder rechtliche Verhinderung gegeben sein.325 Dies wäre dann nicht der Fall, wenn ausreichend andere Geschäftsführer die GmbH wirksam vertreten könnten.326 Weiterhin müsste die Bestellung eines Notgeschäftsführers dringlich sein. Eine Dringlichkeit kann nur bejaht werden, wenn die GmbH nicht die Möglichkeit besitzt, durch eigene Maßnahmen den führungslosen Zustand zu beheben beziehungsweise, wenn „der GmbH oder einem Beteiligten ohne die Notbestellung Schaden droht oder eine alsbald erforderliche Handlung nicht vorgenommen werden könnte“.327 Als Schaden muss nicht zwingend ein Vermögensschaden drohen, ausreichend ist jede faktische oder rechtliche Beeinträchtigung.328 Als eigene Maßnahme ist der GmbH insbesondere die rechtzeitige Bestellung eines Amtsnachfolgers auferlegt.329 (aa) Planwidrige Regelungslücke Um § 29 BGB in Bezug auf häufige Kurzerkrankungen des GmbH-Geschäftsführers entsprechend anwenden zu können, müsste eine Regelungslücke vorhanden sowie eine vergleichbare Interessenlage gegeben sein. Das Vorliegen einer Regelungslücke ist zu bejahen, wenn die Überbrückung des krankheitsbedingten Ausfalls des GmbH-Geschäftsführers aufgrund häufiger Kurzerkrankungen gesetzlich nicht geregelt wäre. Eine entsprechende Anwendung des § 29 BGB verfolgt das Ziel, die Handlungsfähigkeit einer GmbH im Falle des Fehlens eines Geschäftsführers wiederherzustellen. Kann ein GmbH-Geschäftsführer seiner Tätigkeit krankheitsbedingt nicht nachgehen, hat die Gesellschaft die Möglichkeit, einen Stellvertreter des Geschäftsführers gemäß § 44 GmbHG zu bestellen, der die gleichen Rechte und Pflichten besitzt wie ein ordentlicher Geschäftsführer. Bei einem krankheitsbedingten Ausfall kann die GmbH daher von ihrem Recht aus § 44 GmbHG Gebrauch machen. Der Regelung des § 29 BGB bedarf es mithin nicht. Eine andere Beurteilung dürfte nur dann zu erwägen sein, wenn etwaige Gläubiger der GmbH an der Bestellung eines GmbH-Geschäftsführers ein berechtigtes Interesse hätten. In einem solchen Fall würde die Vorschrift des § 44 GmbHG, welche nur der Gesellschaft ein entsprechendes Recht einräumt, nicht greifen, so dass eine Regelungslücke bejaht werden müsste. Da vorliegend das Vermeiden betrieblicher Beeinträchtigungen im Falle häufiger Kurzerkrankungen durch Überbrückungsmaßnahmen seitens der Gesellschaft untersucht wird und dieser mit der Vorschrift des § 44 GmbHG eine 325
In Bezug auf ein Vorstandsmitglied: Bamberger/Roth/Schöpflin, BGB, § 29 Rn. 3 f.; Vieweg/Otto, jurisPK-BGB, § 29 Rn. 5. 326 Vieweg/Otto, jurisPK-BGB, § 29 Rn. 5, in Bezug auf einen Vorstand. 327 BayObLG BB 1995, 2388 (2388); siehe auch BayObLG NJW-RR 1999, 1259 (1260); OLG Frankfurt GmbHR 2001, 436 (436); Staudinger/Weick, BGB, § 29 Rn. 7, in Bezug auf einen Vorstand. 328 MünchKommBGB/Reuter, § 29 BGB Rn. 11; BayObLG BB 1995, 2388 (2388). 329 BayObLG BB 1995, 2388 (2388); Vieweg/Otto, jurisPK-BGB, § 29 Rn. 8, in Bezug auf einen Vorstand; vgl. ebenfalls hinsichtlich eines Vorstandes Bamberger/Roth/Schöpflin, BGB, § 29 Rn. 6.
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Möglichkeit zusteht, die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft durch die Ernennung eines stellvertretenden Geschäftsführers zu wahren, muss eine Regelungslücke vorliegend grundsätzlich verneint werden. (bb) Fehlen einer vergleichbaren Interessenlage Zur Untermauerung dieser Ausführungen soll in einem zweiten Schritt gezeigt werden, dass auch eine vergleichbare Interessenlage nicht gegeben wäre. Eine entsprechende Anwendung des § 29 BGB auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung wurde durch die Rechtsprechung bereits kurz nach Schaffung der Norm im Jahre 1900 in zwei Entscheidungen bejaht.330 Diesbezüglich ging es in beiden Urteilen jedoch um die Bestellung eines Notliquidators, beantragt durch eine Gläubigerin der GmbH.331 Auch die Entwicklung der Rechtsprechung in den darauffolgenden Jahren bis heute zeigt, dass § 29 BGB nur im Falle des Fehlens eines Liquidators332 entsprechende Anwendung findet oder eine solche Anwendung bei Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern über die Person des Geschäftsführers problematisiert wird.333 Komme es in einer Zwei-Mann-GmbH mit einer hälftigen Beteiligung zu gravierenden Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern über die Geschäftsführerposition und in der Folge zu ständigen Abberufungen, könne von einer entsprechenden Geltung des § 29 BGB ausgegangen werden.334 Anders sei dies aufgrund fehlender Dringlichkeit beziehungsweise Erforderlichkeit im Sinne der Vorschrift zu beurteilen, wenn die Gesellschafter den bisherigen Geschäftsführer durch Einberufung einer Gesellschafterversammlung abberufen und einen anderen bestellen könnten.335 Es sei „nicht Aufgabe des Verfahrens nach § 29 BGB, gesellschaftsinterne Auseinandersetzungen zu lösen“336, so dass eine Bestellung regelmäßig ausscheide, nur weil sich die Gesellschafter nicht über die Person des Geschäftsführers einigen könnten.337
330
Vgl. Kammergericht Berlin 02. 12. 1901, in: Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, Dritter Band, S. 25 (28); Kammergericht Berlin 08. 04. 1907, in: Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, Achter Band, S. 267 (268). 331 Kammergericht Berlin 02. 12. 1901, in: Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, Dritter Band, S. 25 (30); Kammergericht Berlin 08. 04. 1907, in: Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, Achter Band, S. 267 (268). 332 Vgl. OLG Köln GmbHR 2008, 103 (103 f.); OLG München GmbHR 2005, 1431 (1431 ff.); BayObLG BB 1976, 998 (998 f.). 333 Vgl. BayObLG NJW-RR 1999, 1259 (1259 ff.); OLG Frankfurt NZG 2011, 1277 (1277 f.); Hanseatisches OLG Hamburg Beschluss v. 07. 06. 1977 – 2 W 61/77, juris. 334 Vgl. BayObLG NJW-RR 1999, 1259 (1259 ff.). 335 BayObLG BB 1995, 2388 (2388 f.); OLG Frankfurt GmbHR 2001, 436 (436 f.). 336 OLG München BB 2007, 2311 (2312); so auch OLG Frankfurt GmbHR 2001, 436 (436). 337 OLG München BB 2007, 2311 (2312).
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Die bisherigen zu § 29 BGB ergangenen Entscheidungen machen deutlich, dass die Vorschrift nicht auf den Fall häufiger Kurzerkrankungen passt. Es handelt sich dabei weder um die Notwendigkeit eines Liquidators noch sind gravierende Streitigkeiten über die Geschäftsführerposition denkbar. Ein Fehlen des Geschäftsführers wurde zwar in einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt bei lang anhaltender Krankheit bejaht,338 das Oberlandesgericht traf diesbezüglich jedoch keine weitergehenden Ausführungen. Soweit ersichtlich gibt es auch keine anderen Entscheidungen, die je eine entsprechende Anwendung des § 29 BGB bei lang anhaltender Krankheit problematisiert geschweige denn bejaht haben. Im Besonderen sind häufige Kurzerkrankungen das genaue Gegenteil von längerfristigen Erkrankungen. Zudem muss beachtet werden, dass eine Dringlichkeit im Sinne des § 29 BGB in der Regel zu verneinen ist, weil die Bestimmung der Gesellschaft vorrangig die Bestellung eines Amtsnachfolgers vorschreibt. Es ist nicht davon auszugehen, dass der GmbH die Bestellung eines Geschäftsführers im Falle eines krankheitsbedingten Ausfalls nicht möglich ist respektive erhebliche Streitigkeiten über die Person des Geschäftsführers entstehen werden. Erst wenn letzteres zu bejahen wäre, könnte eine analoge Anwendung erwogen werden. Auch ist von Belang, dass ein Gericht und nicht die Gesellschaft selbst darüber entscheidet, wer als Notgeschäftsführer bestellt werden soll.339 Die Bestellung eines Notgeschäftsführers bedeutet aus diesem Grund einen Eingriff in die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter, was eine restriktive Auslegung der Vorschrift geboten erscheinen lässt340 und bereits aus dem Wort „Notbestellung“ entnommen werden kann.341 Die besseren Gründe sprechen insoweit dafür, dass die Regelung im hier vorliegenden Fall der Überbrückung krankheitsbedingter Ausfallzeiten des GmbH-Geschäftsführers nicht passt. Die Vorschrift wurde nicht für die Fehlzeiten eines GmbH-Geschäftsführers aufgrund häufiger Kurzerkrankungen konzipiert. Die vorangegangenen Ausführungen haben verdeutlicht, dass keine vergleichbare Interessenlage gegeben ist. Die Variante der Bestellung eines Notgeschäftsführers gemäß § 29 BGB analog scheidet damit als Überbrückungsmaßnahme aus.342 (b) Stellvertretung durch die anderen Geschäftsführer? Einen kurzfristigen Ausfall eines GmbH-Geschäftsführers wegen Krankheit werden die verbleibenden Geschäftsführer durch Mehrarbeit respektive Erfüllung seiner Aufgaben für eine gewisse Zeitspanne überbrücken können. Häufen sich die Kurzerkrankungen eines gesetzlichen Vertreters jedoch, ist es schwierig, in der 338 OLG Frankfurt BB 1986, 1601, welches aber im konkreten Fall ein Fehlen wegen nur vorübergehender Verhinderung des Geschäftsführers verneint hat. 339 Hohlfeld, GmbHR 1986, 181 (182). 340 Hohlfeld, GmbHR 1986, 181 (182); OLG Zweibrücken NZG 2012, 424 (425 f.); OLG Frankfurt GmbHR 2001, 436 (436). 341 Hohlfeld, GmbHR 1986, 181 (182). 342 So auch Hohlfeld, GmbHR 1986, 181 (183); anders wohl Picker, GmbHR 2011, 629 (633), ohne weitere Ausführungen zu treffen.
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Stellvertretung der anderen Geschäftsführer eine längerfristige Überbrückungsmaßnahme zu sehen. Hat eine Gesellschaft mehrere Organmitglieder, ist dies oft darin begründet, dass es verschiedene Aufgabenbereiche gibt, die jeweils durch einen anderen Geschäftsführer aufgrund seiner spezifischen Qualifikation abgedeckt werden sollen. Eine häufige Stellvertretung, auch nur für kurze Zeit, gestaltet sich daher problematisch. Zudem muss beachtet werden, dass die Position eines Geschäftsführers eine ohnehin sehr belastende Tätigkeit sein kann, so dass es den übrigen gesetzlichen Vertretern nicht zuzumuten ist, zwar nur für kurze Zeit, aber in gehäufter Form, zusätzliche Aufgaben durch eine etwaige Stellvertretung des erkrankten Beschäftigten zu übernehmen. Diese Überlegungen gelten in gleicher Weise bei einer GmbH mit zwei Geschäftsführern und dem krankheitsbedingten Ausfall eines dieser Organmitglieder. Eine Stellvertretung durch die anderen im Unternehmen berufenen Geschäftsführer ist demnach als Überbrückungsmaßnahme mit der Einschränkung möglich, dass die GmbH ohnehin mehrere Geschäftsführer beschäftigt und diese nur für kurze Zeit mit der Stellvertretung betraut werden. Ein genauer Zeitraum kann an dieser Stelle nicht genannt werden, da es stark von den Gegebenheiten und den Hierarchiestrukturen der GmbH abhängt, inwiefern sie Überbrückungsmaßnahmen wählen kann. Erkrankt ein Geschäftsführer beispielsweise innerhalb eines halben Jahres sechs Mal für ein oder sogar zwei Wochen, könnte unter Umständen schon die Grenze des Zulässigen hinsichtlich einer Überbrückungsmaßnahme erreicht sein, wohingegen eine beispielsweise viermalige Erkrankung innerhalb eines Jahres für je eine Woche noch durch eine Stellvertretung der anderen Geschäftsführer kompensiert werden kann. Problematisch wäre eine Stellvertretung hingegen wiederum bei einer acht bis zehn und erst recht bei einer zehn bis vierzehn wöchigen auf ein Jahr verteilten Erkrankung, da es der GmbH sehr schwer fallen wird, eine derart häufige Zeit durch Überbrückungsmaßnahmen auszugleichen. Ebenso dürfte es sich verhalten, wenn das Organmitglied innerhalb eines halben Jahres drei Mal für je einen Monat oder innerhalb eines Jahres beispielsweise sechs Mal für je einen Monat krankheitsbedingt ausfällt. Letztlich kann kein genauer Zeitrahmen festgelegt werden, in welchem Überbrückungsmaßnahmen definitiv greifen beziehungsweise ab wann solche nicht mehr in Betracht kommen; entscheidend ist auch hier immer der Einzelfall. Aufgrund der besonderen Position eines GmbH-Geschäftsführers muss jedoch beachtet werden, dass eine Stellvertretung durch die anderen im Unternehmen berufenen ordentlichen Geschäftsführer zwar realisierbar ist, nicht aber in allzu gehäufter Form. Die Grenze ist an dem Punkt erreicht, an dem die anderen Geschäftsführer durch Mehrarbeit ihre Aufgaben nicht mehr in vollem Umfang ordnungsgemäß erfüllen können. (c) Berufen eines Stellvertreters gemäß § 44 GmbHG? Gemäß § 44 GmbHG sind die für Geschäftsführer gegebenen Vorschriften auch für Stellvertreter von Geschäftsführern verbindlich. Durch diese Bestimmung werden den Stellvertretern die gleichen Rechte und Pflichten zuerkannt wie den soge-
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nannten ordentlichen Geschäftsführern.343 Hierzu zählen insbesondere folgende Regelungen: § 35 Abs. 1, 2 GmbHG (Vertretung), § 37 GmbHG (Umfang der Vertretungsmacht), § 40 Abs. 1 GmbHG (Pflicht zur Einreichung aktueller Gesellschafterliste), § 41 GmbHG (Buchführungspflicht), § 264 HGB (Aufstellung des Jahresabschlusses), § 43 GmbHG (Sorgfaltspflicht und Haftung), § 49 GmbHG (Einberufung der Gesellschafterversammlung).344 Im Außenverhältnis stehen die stellvertretenden Geschäftsführer den ordentlichen gleich.345 Ihre Stellung im Innenverhältnis wird hingegen nicht einheitlich beurteilt. Einige Stimmen in der Literatur vertreten die Auffassung, dass der Stellvertreter des Geschäftsführers in der Regel kein Stellvertreter im Sinne eines Verhinderungsvertreters und kein Ersatzmitglied sei; ihm demnach nicht nur eine subsidiäre Stellung zukomme.346 Er sei stattdessen „Geschäftsführer mit allen Rechten und Pflichten“.347 Die Bestellung zum stellvertretenden Geschäftsführer bedeute nur eine Titelabstufung, aber keine Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis in der Weise, dass es dem Stellvertreter nur bei Verhinderung des ordentlichen Geschäftsführers möglich ist, an dessen Stelle zu agieren.348 Andere Stimmen wiederum sehen die Funktion des stellvertretenden Geschäftsführers auf eine alleinige Verhinderungsvertretung beschränkt.349 Eine Vertiefung dieses Streits ist an dieser Stelle nicht erforderlich, da alle Ansichten darüber einig sind, dass die Stellung des Stellvertreters im Innenverhältnis beschränkt und damit subsidiär in dem Sinne ausgestaltet sein kann, dass er nur untergeordnet oder bei Verhinderung eines ordentlichen Geschäftsführers Geschäftsführungsbefugnis besitzt.350 343
Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 44 Rn. 2. Michalski/Terlau, GmbHG, § 44 Rn. 3; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 44 Rn. 2; vgl. auch Ziemons/Jaeger/Ziemons, BeckOK GmbHG, § 44 Rn. 9. 345 BGH NJW 1998, 1071 (1071); Michalski/Terlau, GmbHG, § 44 Rn. 4; Altmeppen/ Roth/Altmeppen, GmbHG, § 44 Rn. 2; Wicke, GmbHG, § 44 Rn. 1. 346 Müller/Jegutidse, Der GmbH-Geschäftsführer, Rechte, Pflichten, Vermeidung von Haftungsrisiken, 2. Auflage 1995, S. 127; MünchKommGmbHG/Goette, § 44 Rn. 1 f.; Ziemons/Jaeger/Ziemons, BeckOK GmbHG, § 44 Rn. 1; Michalski/Terlau, GmbHG, § 44 Rn. 4; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 44 Rn. 2; offengelassen Altmeppen/Roth/Altmeppen, GmbHG, § 44 Rn. 4. 347 Ziemons/Jaeger/Ziemons, BeckOK GmbHG, § 44 Rn. 1; siehe auch Michalski/Terlau, GmbHG, § 44 Rn. 4; MünchKommGmbHG/Goette, § 44 Rn. 1 und 18; Müller/Jegutidse, Der GmbH-Geschäftsführer, Rechte, Pflichten, Vermeidung von Haftungsrisiken, 2. Auflage 1995, S. 127. 348 Ziemons/Jaeger/Ziemons, BeckOK GmbHG, § 44 Rn. 8; vgl. auch Lutter/Hommelhoff/ Kleindiek, GmbHG, § 44 Rn. 2. 349 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 44 Rn. 3 f.; Henssler/Strohn/Oetker, Gesellschaftsrecht, § 44 GmbHG Rn. 7; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 44 Rn. 3, sofern nichts anderes festgelegt ist. 350 Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 44 Rn. 3 f.; Henssler/Strohn/Oetker, Gesellschaftsrecht, § 44 GmbHG Rn. 7; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 44 Rn. 3; Müller/Jegutidse, Der GmbH-Geschäftsführer, Rechte, Pflichten, Vermeidung von Haftungsrisiken, 2. Auflage 1995, S. 127; Ziemons/Jaeger/Ziemons, BeckOK 344
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(aa) Möglichkeit der GmbH einen Stellvertreter zu bestellen Eine Vertretung durch einen stellvertretenden Geschäftsführer im Sinne des § 44 GmbHG bei einem krankheitsbedingten Ausfall des ordentlichen Geschäftsführers kann damit als Überbrückungsmaßnahme gewählt werden. Ein solcher Geschäftsführer könnte die häufigen krankheitsbedingten Fehlzeiten des GmbH-Geschäftsführers ausgleichen. Beachtet werden muss jedoch, dass eine GmbH nicht verpflichtet ist, einen stellvertretenden Geschäftsführer gemäß § 44 GmbHG zu berufen. Die Gesellschaften werden von ihrem Recht in der Regel nur dann Gebrauch machen, wenn die GmbH bereits einen Geschäftsführer oder einen leitenden Angestellten beschäftigt, der im Krankheitsfalle eines anderen Geschäftsführers dessen Ausfall überbrücken und auf diese Weise eine Verhinderungsfunktion erfüllen soll. Sollte die GmbH einen ihrer Beschäftigten nicht eine sogenannte Verhinderungsfunktion zugeschrieben haben, kann von ihr regelmäßig nicht verlangt werden, einen Stellvertreter einzusetzen, da die Stellvertretung eines Geschäftsführers oftmals mit einem entgeltlichen Dienstvertrag verbunden ist. Nur sofern die Gesellschaft beispielsweise aufgrund derselben Erkrankung des Geschäftsführers keine Entgeltfortzahlungen zu leisten hätte oder die im Anstellungsvertrag vereinbarte Zeitspanne hinsichtlich einer etwaigen Lohnfortzahlungspflicht abgelaufen wäre, könnte die GmbH gehalten sein, einen stellvertretenden Geschäftsführer gemäß § 44 GmbHG zu berufen, da eine wirtschaftliche Belastung für die Unternehmung auszuschließen wäre. Wenn die GmbH jedoch immer wieder zu Lohnfortzahlungen verpflichtet sein sollte, wird sie die krankheitsbedingten Fehlzeiten nicht durch den Einsatz eines stellvertretenden Geschäftsführers kompensieren können. Es bestünde in einem solchen Fall zwar die theoretische Möglichkeit des Berufens eines Stellvertreters, um betriebliche Beeinträchtigungen zu vermeiden; dann würde jedoch die finanzielle Belastung zu einer erheblichen wirtschaftlichen Beeinträchtigung führen. (bb) Betriebsinterne Person als Stellvertreter im Sinne des § 44 GmbHG Für den Fall, dass die Gesellschaft nicht bereits einen Verhinderungsvertreter beschäftigt, aber mangels wirtschaftlicher Belastungen von ihrem Recht aus § 44 GmbHG Gebrauch machen kann, ist als Stellvertreter oftmals nur eine betriebsinterne Person denkbar. Ein externer Beschäftigter wird sich nicht damit einverstanden erklären, die Position des Geschäftsführers lediglich im Falle der Arbeitsunfähigkeit des ordentlichen Geschäftsführers und damit für einige wenige Wochen gegebenenfalls Monate in einem Jahr zu übernehmen. Diesbezüglich gelten die gleichen Grundsätze wie bei dem Einsatz eines Aushilfsgeschäftsführers.351 Ein externer Stellvertreter im Sinne des § 44 GmbHG wäre letztlich nichts anderes als ein sogenannter Aushilfsgeschäftsführer. Es ist somit auch der GmbH nicht zuzumuten, den Ausfall durch einen externen Stellvertreter zu überbrücken, wenn das ordentliche GmbHG, § 44 Rn. 9; Michalski/Terlau, GmbHG, § 44 Rn. 4; MünchKommGmbHG/Goette, § 44 Rn. 2 und 19; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 44 Rn. 2. 351 Siehe unter Kap. 3 D. II. 1. b) bb) (3).
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Organmitglied beispielsweise innerhalb eines Jahres mehrmals für je ein oder zwei Wochen erkrankt. Selbst wenn man annehmen würde, dass die Gesellschaft den Stellvertreter nicht nur für die Zeit des Fehlens des Geschäftsführers anstellt, sondern darüber hinaus unterhalb der Organebene weiterbeschäftigt, wäre dies in der Praxis nicht vorstellbar. Die Gesellschaft wäre dann nämlich gehalten, einen zusätzlichen Mitarbeiter in Form des Stellvertreters zu beschäftigen, was jedoch, um den krankheitsbedingten Ausfall ihres gesetzlichen Vertreters auffangen zu können, nicht von ihr verlangt werden kann. Die Bestellung eines Stellvertreters wird daher nur durch das Einsetzen eines betriebsinternen Mitarbeiters in Betracht kommen. Da jedoch nicht jeder Beschäftigte in der Gesellschaft die Fähigkeiten und Qualifikationen zur Ausübung der Aufgaben eines Geschäftsführers besitzt, wird in der Praxis regelmäßig nur ein qualifizierter Arbeitnehmer, ein leitender Angestellter oder ein bereits berufener Geschäftsführer nach § 44 GmbHG, dessen Stellung im Innenverhältnis bisher nicht auf eine Verhinderungsvertretung beschränkt war, als Stellvertreter berufen werden können. Eine GmbH mit nur einem Geschäftsführer kann einen krankheitsbedingten Ausfall ihres gesetzlichen Vertreters folglich nur schwer ausgleichen, insbesondere besteht, wie oben ausgeführt,352 keine Möglichkeit einer Übernahme der Geschäftsführeraufgaben durch andere Geschäftsführer im Betrieb. Da jedoch auch der Geschäftsführer einer kleinen Gesellschaft einmal krankheitsbedingt ausfällt und dies, bei Nichtvereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes, nicht gleich eine Beendigung seiner Organstellung respektive Kündigung seines Anstellungsverhältnisses zur Folge hat, muss es eine Möglichkeit geben, auf welche Weise die Gesellschaft für diese Zeit vertreten wird. In der Praxis werden die Fehlzeiten des Geschäftsführers in der Regel durch einen ihm hierarchisch nachgeordneten Prokuristen kompensiert.353 Dieser kann die Gesellschaft im Rechtsverkehr gemäß §§ 48 ff. HGB wirksam vertreten. Ein kurzfristiger Ausfall des GmbH-Geschäftsführers lässt sich auf diese Weise überbrücken. Beachtet werden muss, dass ein Prokurist kein GmbH-Geschäftsführer ist. Er hat zwar entsprechende Vertretungsbefugnisse, nicht aber kann ihm die Funktion eines Geschäftsführers zugeschrieben werden. Eine Vertretung ist daher für einen kurzen Zeitraum, jedoch nicht in allzu gehäufter Form möglich. Hinsichtlich des Zeitrahmens kann auf die Ausführungen bezüglich der Vertretung durch die anderen im Unternehmen berufenen Geschäftsführer verwiesen werden; es müssen die gleichen Maßstäbe zugrunde gelegt werden.354 Eine kleine GmbH kann im Vergleich zu einer größeren Gesellschaft die krankheitsbedingten Fehlzeiten ihres gesetzlichen Vertreters demnach regelmäßig schwerer überbrücken.
352
Siehe unter Kap. 3 D. II. 1. b) bb) (4) (b). Haase, GmbHR 2005, 338 (340); Sudhoff/Sudhoff, Rechte und Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH und einer GmbH & Co., 14. Auflage 1994, S. 29. 354 Siehe unter Kap. 3 D. II. 1. b) bb) (4) (b). 353
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(cc) Zeitraum der Stellvertretung Aber auch bei einer GmbH, bei der ein Stellvertreter die häufigen Ausfälle des Geschäftsführers ausgleichen könnte, ist zu beachten, dass es eine Grenze geben muss, bis wann eine Stellvertretung gemäß § 44 GmbHG als Überbrückungsmaßnahme greift. Ein ordentlicher Geschäftsführer kann sich nicht für einen enorm langen Zeitraum darauf berufen, dass ein Stellvertreter seine Aufgaben wahrnimmt und somit seine häufigen Fehlzeiten keine Beeinträchtigung für die GmbH bedeuten. Die Gesellschaft hat bewusst den erkrankten Geschäftsführer zu einem solchen berufen, so dass ihr das Recht zugestanden werden muss, darauf zu bestehen, dass die entsprechenden Aufgaben durch dieses Organmitglied ausgeübt werden. Häufige Kurzerkrankungen innerhalb eines Zeitrahmens von einem halben Jahr bis maximal eineinhalb Jahren, je nachdem wie oft der Geschäftsführer erkrankt und je nachdem, ob die GmbH von Anfang an einen Verhinderungsvertreter beschäftigt oder erst im Krankheitsfalle einem Beschäftigten die Funktion des Stellvertreters zukommen lässt, könnten durch den Einsatz eines Stellvertreters gemäß § 44 GmbHG aufgefangen werden. Ein darüber hinausgehender Zeitraum wird höchstwahrscheinlich nicht überbrückt werden können, es sei denn die Gesellschaft wäre mit einer entsprechenden Überbrückungsmaßnahme einverstanden. Aber auch dann muss beachtet werden, dass die Vertragspartner der Gesellschaft unter Umständen ein berechtigtes Interesse daran haben, nicht im Falle häufiger Kurzerkrankungen mit ständig wechselnden Ansprechpartnern zu korrespondieren. Vielmehr werden sie Wert darauf legen, längerfristig gesehen mit dem ordentlichen Geschäftsführer und nicht seinem Stellvertreter Vertragsverhandlungen zu führen respektive zusammen zu arbeiten. Entsprechende Beschwerden der Gläubiger wird die Gesellschaft jedoch berücksichtigen und zur Wahrung ihrer Unternehmung Konsequenzen treffen. Ein über eineinhalb Jahren liegender Zeitraum wird die GmbH in der Praxis bei häufigen Ausfällen ihres Geschäftsführers folglich nur sehr schwer überbrücken können. (dd) Ergebnis Alles in allem ist eine Stellvertretung im Sinne des § 44 GmbHG eine geeignete Überbrückungsmaßnahme zur Verhinderung von erheblichen Betriebsstörungen, sofern eine Gesellschaft in der Lage ist, einen stellvertretenden Geschäftsführer zu berufen. Kleineren GmbHs, insbesondere mit nur einem Geschäftsführer, wird es regelmäßig schwerer fallen, die Fehlzeiten durch einen Stellvertreter zu überbrücken, während eine größere Gesellschaft unter Umständen mehr Möglichkeiten besitzt, einen Stellvertreter zu bestellen. Aber auch dann kann der erkrankte Geschäftsführer nicht geltend machen, eine Gesellschaft müsse seine Fehlzeiten ständig durch einen Stellvertreter ausgleichen. Eine Grenze dürfte an der Stelle zu ziehen sein, bis wann die GmbH damit einverstanden ist, die häufigen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Geschäftsführers durch einen Stellvertreter zu kompensieren. Hierbei muss die GmbH natürlich willkürfrei agieren. Aus diesem Grund dürfte es der Gesellschaft für einen Zeitraum von einem halben bis einem Jahr, gegebenenfalls auch für eineinhalb Jahre zuzumuten sein, die Ausfälle des erkrankten Geschäfts-
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führers aufzufangen. Es können jedoch keine starren Zeiträume festgelegt werden, sondern entscheidend ist der Einzelfall. Ein darüber hinaus gehender Zeitraum ist denkbar, wenn die Gesellschaft damit einverstanden wäre und keine berechtigten Gläubigerinteressen entgegenstünden. Eine Zeitspanne von zwei oder sogar drei Jahren, wie sie bei Arbeitnehmern durchaus üblich ist, wird bei GmbH-Geschäftsführern aufgrund ihrer besonderen Stellung im Unternehmen für Überbrückungsmaßnahmen hingegen nicht gewählt werden können, da anderenfalls die Funktion des ordentlichen Geschäftsführers nicht mehr gewahrt wäre, wenn er seine Aufgaben durch häufige Kurzerkrankungen nicht in dem Umfang ausüben kann, wie es seine Geschäftsführerposition eigentlich erfordert. (5) Zusammenfassung Die vorangegangen Ausführungen haben ergeben, dass es bei Geschäftsführern einer GmbH im Falle eines krankheitsbedingten Ausfalls eines Organmitgliedes Überbrückungsmaßnahmen gibt. Jedoch beschränken sich diese im Vergleich zu Arbeitnehmern auf eine Stellvertretung. Nicht möglich sind das Vorhalten einer Personalreserve, eine Umorganisation sowie grundsätzlich das Einstellen einer Aushilfskraft. Im Rahmen der Untersuchung einer etwaigen Stellvertretung wurde festgestellt, dass ebenso wenig die Bestellung eines Notgeschäftsführers gemäß § 29 BGB analog bei einer GmbH in Betracht kommt. Auch eine Stellvertretung durch die anderen im Unternehmen bestellten Geschäftsführer scheidet bei einer Gesellschaft mit nur einem Geschäftsführer aus, wohingegen sie bei einer solchen mit mehreren Organmitgliedern für einen gewissen Zeitraum möglich ist. Diese Zeitspanne dürfte in der Praxis regelmäßig nicht weit über einem Jahr liegen, wobei der Einzelfall entscheidend ist. Beschäftigt die GmbH einen stellvertretenden Geschäftsführer im Sinne des § 44 GmbHG, stellt dies eine Überbrückungsmaßnahme dar, die am ehesten geeignet ist, Betriebsablaufstörungen zu verhindern. Beachtet werden muss, dass eine GmbH, sofern sie nicht von Anfang an einen Verhinderungsvertreter beschäftigt, erst gehalten ist, einen solchen Stellvertreter zu bestellen, wenn eine wirtschaftliche Belastung aufgrund doppelter Lohnzahlungen auszuschließen ist. Ferner findet der Einsatz als Vertretungskraft dort seine Grenze, wo die Funktion des Geschäftsführerpostens wegen der häufigen Fehlzeiten des erkrankten Organmitgliedes nicht mehr gewahrt ist. Eine GmbH mit nur einem Geschäftsführer wird die krankheitsbedingten Fehlzeiten regelmäßig nur mittels der Vertretung durch die dem Organmitglied hierarchisch nachgeordneten Prokuristen überbrücken können. Hieraus ergibt sich, dass es größeren Betrieben mit mehreren Geschäftsführern oder stellvertretenden Geschäftsführern gemäß § 44 GmbHG regelmäßig leichter fallen wird, entsprechende Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen als kleineren GmbHs, die nur einen Geschäftsführer und keinen Stellvertreter beschäftigen.355 Alles in allem ist das Finden 355 So auch in Bezug auf die Kündigung eines Arbeitnehmers: Stahlhacke/Preis/Vossen/ Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 2 Rn. 1257; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 141.
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einer Übergangslösung bei GmbH-Geschäftsführern sehr viel schwieriger als bei Arbeitnehmern. Die Erkrankungen eines Organmitgliedes und auch die eines leitenden Angestellten356 haben wesentlich schneller betriebliche Beeinträchtigungen zur Folge als die eines anderen Arbeitnehmers. Bei einer gehobenen Position können daher gegebenenfalls bereits wenige Fehlzeiten eine Kündigung legitimieren.357 cc) Wirtschaftliche Belastungen Neben den betrieblichen Beeinträchtigungen können auch solche wirtschaftlicher Art die Annahme eines Kündigungsgrundes begründen.358 Hierzu sind vordergründig die Kosten der Entgeltfortzahlung359 sowie die Kosten einer Personalreserve zu rechnen.360 In diesem Zusammenhang ist zwar umstritten,361 inwiefern die Entgeltfortzahlungskosten zu einer eventuellen wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen können.362 Das Bundesarbeitsgericht wertet jedoch eine Entgeltfortzahlung für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen im Jahr als kündigungserheblich.363 Lohnfortzahlungskosten sowie hohe Kosten für das Vorhalten einer Personalreserve könnten für den Arbeitgeber wirtschaftlich unzumutbar sein, ohne
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Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 76. KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 338; Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 80; Dörsam, BC 2000, 90 (92). 358 BAG NZA 1990, 307 (308); BAG NZA 1994, 67 (68); BAG NZA 2008, 593 (593); BAG NZA 2010, 398 (399); Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 121; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 39. 359 BAG NJW 1984, 1836 (1837); BAG NZA 1989, 923 (923); BAG NZA 1994, 67 (68); BAG NZA 2006, 655 (657); BAG NZA 2010, 398 (399); KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 341; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 40; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 141 und 144; Lepke, Kündigung bei Krankheit, 15. Auflage 2015, S. 174 Rn. 171. 360 BAG NZA 1990, 307 (308); BAG NZA 1989, 923 (924) (Kosten für Aushilfskräfte); Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 40 und v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 404, „Kosten für die Beschäftigung von Aushilfskräften“. 361 Vgl. Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 121 ff. sowie Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 158 ff., je m. w. N. 362 Ablehnend Stein, BB 1985, 605 (606 ff.); Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 124: Nicht die Lohnfortzahlungskosten seien als wirtschaftliche Belastung anzusehen, sondern eventuelle Mindereinnahmen (oder Kosten zur Vermeidung des Einnahmeverlustes). Die Entgeltfortzahlungskosten seien in jedem Falle vom Arbeitgeber zu entrichten, die Nichterbringung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer stelle aber erst dann einen Schaden dar, wenn es in der Folge zu einem Produktionsausfall komme. Einschränkend Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, 4. Auflage 2005, § 4 Rn. 75 ff., m. w. N.; anders hingegen BAG NZA 1989, 923 (925 ff.), mit ausführlicher Begründung, warum Entgeltfortzahlungskosten eine wirtschaftliche Belastung sein können. 363 BAG NZA 1991, 185 (187); BAG NZA 1994, 67 (68); BAG NZA 2000, 768 (770); BAG NZA 2006, 655 (657); BAG NZA 2008, 593 (593); BAG NZA 2010, 398 (399); zustimmend: Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 40; vgl. ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 131 und 144. 357
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dass daneben Betriebsablaufstörungen gegeben sein müssten.364 In Ausnahmefällen bejaht die Rechtsprechung erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen auch dann, wenn der Arbeitgeber Störungen im Betriebsablauf nicht nachweist und auch eine Personalreserve nicht existiert.365 Kommt es jedoch aufgrund der krankheitsbedingten Fehlzeiten des Arbeitnehmers zusätzlich zu Störungen des Betriebsablaufes, könnten sogar jährlich Ausfallzeiten von weniger als sechs Wochen erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen bedingen.366 (1) Regelung des § 616 S. 1 BGB Kosten für eine Personalreserve bei krankheitsbedingten Fehlzeiten des Geschäftsführers scheiden als wirtschaftliche Belastungen aus, weil es eine solche bei einer GmbH in Bezug auf Geschäftsführer nicht geben kann.367 Offen ist aber, ob die Zahlungen der Entgeltfortzahlungskosten im Krankheitsfall bei einem GmbH-Geschäftsführer eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung der Gesellschaft zur Folge haben können. Bei leitenden Angestellten könnten wirtschaftliche Beeinträchtigungen wegen häufiger Kurzerkrankungen in der Regel nur sehr schwer angenommen werden, da eine Gehaltsfortzahlung über sechs Wochen hinaus bei Erkrankungen, die alle dieselbe Ursache haben, nur möglich sei, wenn der leitende Angestellte in der Zwischenzeit sechs Monate habe arbeiten können.368 Voraussetzung einer wirtschaftlichen Belastung der GmbH wäre, dass die Gesellschaft bei einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit tatsächlich Lohnfortzahlungskosten leisten müsste. Das Entgeltfortzahlungsgesetz findet auf GmbH-Geschäftsführer nach allgemeiner Ansicht keine Anwendung.369 Für GmbH-Geschäftsführer gilt die Regelung des § 616 S. 1 BGB,370 sofern der Anstellungsvertrag keine spezielleren 364 BAG Urteil v. 02. 11. 1989 – 2 AZR 366/89, juris Rn. 65; BAG NZA 1990, 434 (435); BAG NZA 1990, 307 (308); BAG NZA 1991, 185 (188). 365 BAG NZA 1994, 67 (68 f.). 366 BAG NZA 1990, 434 (436); BAG Urteil v. 07. 12. 1989 – 2 AZR 225/89, juris Rn. 65; BAG Urteil v. 29. 08. 1991 – 2 AZR 220/91 (A), juris Rn. 45; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 144. 367 Siehe unter Kap. 3 D. II. 1. b) bb) (1). 368 Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 77. 369 Michalski/Tebben, GmbHG, § 6 Rn. 173; Schaub, WiB 1994 , 637 (637); Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, 4. Auflage 2012, S. 204; Haase, GmbHR 2005, 1260 (1262); Priester/ Mayer/Wicke/Marsch-Barner/Diekmann, MünchHdbGesellR GmbH Band 3, § 43 Rn. 35; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 326; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 41; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 177; Bauer, GWR 2010, 310965; Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, S. 457 Rn. 199; Reiserer/Heß-Emmerich/Peters, Der GmbH-Geschäftsführer, 3. Auflage 2008, S. 69; differenzierend danach, ob bei dem GmbH-Geschäftsführer eine dem Arbeitnehmer vergleichbare Abhängigkeit gegeben ist: Schmitt, EFZG, § 1 EFZG Rn. 22 f.; Kaiser/Dunkl/ Hold/Kleinsorge/Kleinsorge, EFZG, § 1 EFZG Rn. 57 f.; Kunz/Wedde, EFZR, § 1 EFZG Rn. 30 f.; Feichtinger/Malkmus/Malkmus, EFZR, § 1 EFZG Rn. 56. 370 Staudinger/Oetker, BGB, § 616 Rn. 30; Bauer, GWR 2010, 310965; Bauer/Krieger/ Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, S. 457 Rn. 199; MünchKommBGB/Henssler, § 616 BGB Rn. 11; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 326; Ro-
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Vorschriften enthält.371 Oftmals wird den Organmitgliedern im Anstellungsvertrag eine Entgeltfortzahlung für sechs Wochen, teilweise sogar für einen Zeitraum von drei oder sechs Monaten garantiert.372 Lässt sich dem Dienstvertrag der GmbHGeschäftsführer keine derartige Bestimmung entnehmen, können sie nur auf der Grundlage der §§ 611, 616 S. 1 BGB Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle verlangen. Nach § 616 S. 1 BGB wird der Dienstleistungsverpflichtete seines Anspruchs auf Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert ist. Problematisch ist in diesem Zusammenhang jedoch oftmals die Frage, was unter einer „nicht verhältnismäßig erheblichen Zeit“ zu verstehen ist.373 Der Gesetzgeber unterließ eine Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs aufgrund der Verschiedenheit der möglichen Verhinderungsgründe.374 Eine Präzisierung muss daher aus den Auffassungen der Rechtsprechung und Literatur abgeleitet werden. Eine nicht verhältnismäßig erhebliche Zeit kann bei einer Fehlzeit von ein paar Tagen auf jeden Fall bejaht werden.375 Teilweise wird nach der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses unterschieden und bei einer drei- bis sechsmonatigen Beschäftigung drei Tage, bei einer zwölfmonatigen und über zwölfmonatigen Beschäftigung eine Woche beziehungsweise zwei Wochen als verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit angesehen.376 Bei Dienstverpflichteten dürfte eine Arbeitsunfähigkeit von bis zu sechs Wochen eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit bedeuten;377 nicht mehr verhältnismäßig ist ein Zeitraum von mehr als sechs Wochen sowie ein Zeitraum von acht Wochen.378 wedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 35 Rn 92; Michalski/Tebben, GmbHG, § 6 Rn. 173; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 41; Jehle/Láng/ Meier-Rudolph, Check Book für GmbH-Geschäftsführer, 6. Auflage 2009, S. 198; Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, 4. Auflage 2012, S. 204, einschränkend für den Geschäftsführer, der nicht wesentlich beteiligt ist an der GmbH; vgl. ErfK/Preis, § 616 BGB Rn. 2. 371 Haase, GmbHR 2005, 1260 (1264); Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 35 Rn. 92; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 326. 372 Jehle/Láng/Meier-Rudolph, Check Book für GmbH-Geschäftsführer, 6. Auflage 2009, S. 198; Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, 4. Auflage 2012, S. 204; Bauer, GWR 2010, 310965; Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, S. 456 Rn. 198. 373 Staudinger/Oetker, BGB, § 616 Rn. 95 sowie Bamberger/Roth/Fuchs, BeckOK BGB, § 616 Rn. 45 ff., je m. w. N. bezüglich der Ansichten in Rechtsprechung und Literatur zur Errechnung einer „verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit“. 374 Mugdan, Die gesamtem Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, 1979, § 616 BGB S. 258. 375 BAG BB 1979, 1452 (1452): 5 Tage; MünchKommBGB/Henssler, § 616 BGB Rn. 60; Staudinger/Oetker, BGB, § 616 Rn. 97. 376 Erman/Belling, BGB, § 616 BGB Rn. 48. 377 ErfK/Preis, § 616 BGB Rn. 10a; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 97 Rn. 18; Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, 4. Auflage 2012, S. 204; MünchKommBGB/Henssler, § 616 BGB Rn. 60: sechs Wochen als Höchstgrenze; a.A.: Staudinger/Oetker, BGB, § 616 Rn. 98; Haase, GmbHR 2005, 1260 (1266); Schaub, WiB 1994 , 637 (637).
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Eine wirtschaftliche Belastung kann sich für die Gesellschaft daraus ergeben, dass sie bei wiederkehrenden krankheitsbedingten Fehlzeiten des Geschäftsführers immer wieder zur Lohnfortzahlung verpflichtet bleibt. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Erkrankungen des Organmitgliedes jeweils auf einem anderen Grund beruhen; die Lohnfortzahlungspflicht entsteht in einem solchen Fall jedes Mal von neuem, auch wenn die Gesamtdauer insgesamt nicht mehr als verhältnismäßige Zeit gewertet werden kann.379 Fällt der GmbH-Geschäftsführer in der Folge häufig krankheitsbedingt aus und muss die Gesellschaft auf der Grundlage der §§ 611, 616 S. 1 BGB wiederkehrende Lohnfortzahlungen leisten, insbesondere weil die Erkrankungen jeweils den Maximalzeitraum von sechs Wochen nicht überschreiten, kann darin eine nicht mehr zumutbare wirtschaftliche Belastung liegen. Ab welchem Zeitpunkt eine nicht mehr zumutbare Belastung angenommen werden kann, ist im Einzelnen schwierig zu beantworten und einzelfallabhängig. Da durch die Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes für GmbH-Geschäftsführer einem Arbeitnehmer annähernder Schutz geschaffen werden soll, wird es zulässig sein, bei einer über sechswöchigen Lohnfortzahlungspflicht von einer wirtschaftlichen Belastung auszugehen, besonders weil bei einem krankheitsbedingten Ausfall eines Geschäftsführers in der Regel immer Betriebsstörungen gegeben sein werden. Kann die Gesellschaft die Fehlzeiten des Geschäftsführers allein durch die Berufung eines Stellvertreters überbrücken, besteht gleichzeitig aber eine Lohnfortzahlungspflicht für das erkrankte Organmitglied und damit eine doppelte Lohnzahlungsverpflichtung, ist die Gesellschaft ebenso wirtschaftlich belastet. Keine wirtschaftliche Belastung mangels bestehender Lohnzahlungspflicht seitens der GmbH liegt vor, wenn der Geschäftsführer aufgrund derselben Erkrankung häufig ausfällt. (2) Regelung im Anstellungsvertrag Sollte die Vorschrift des § 616 S. 1 BGB wegen einer vorrangigen Regelung im Anstellungsvertrag nicht zur Anwendung gelangen, ist entscheidend, inwiefern dieser eine Lohnfortzahlungspflicht im Krankheitsfalle seitens der Gesellschaft vorsieht. Enthält der Vertrag eine Verpflichtung zur Leistung einer sechswöchigen oder unter Umständen sogar sechsmonatigen Lohnfortzahlung, ergibt sich daraus zunächst keine wirtschaftliche Beeinträchtigung für die GmbH. Sie hat sich vielmehr privatautonom dafür entschieden, Lohnfortzahlungskosten zu erbringen, so dass sie hieraus keine wirtschaftliche Belastung herleiten kann. Etwas anderes würde jedoch dann zum Tragen kommen, wenn die Gesellschaft bei Überschreitung dieses Zeitrahmens zu immer wiederkehrenden Zahlungen verpflichtet wäre. In einem solchen Fall könnte die GmbH bei häufigen Kurzerkrankungen ihres Organmitgliedes durchaus wirtschaftlich belastet werden. 378
BAG BB 1977, 1651 (1651). Vgl. allgemein RAG ARS 25, 197 (200); RAG ARS 42, 439 (443); Richardi/Wlotzke/ Wißmann/Oetker/Boewer, MünchHdbArbR Band 1, § 70 Rn. 20; Schulze/Schreiber, BGB, § 616 Rn. 5; Staudinger/Oetker, BGB, § 616 Rn. 101. 379
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dd) Mildere Mittel Im Rahmen der Prüfung, ob die krankheitsbedingten Fehlzeiten eines Arbeitnehmers erhebliche betriebliche oder wirtschaftliche Beeinträchtigungen bedingen, ist stets zu prüfen, ob mildere Mittel eine Kündigung vermeiden können.380 Hierbei stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz, gegebenenfalls nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen, weiter beschäftigt werden kann, bei dem zukünftig keine krankheitsbedingten Fehlzeiten erwartet werden.381 Existiert eine Umsetzungsmöglichkeit, wäre eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen zu verneinen.382 Als Arbeitsplätze sind solche zu berücksichtigen, die gleichwertig383 zu der bisherigen Tätigkeit des Arbeitnehmers oder geringwertiger sind,384 nicht aber höherwertiger.385 Es ist dem Arbeitgeber sogar zumutbar, durch Ausübung seines Direktionsrechts gemäß § 106 GewO einen freien Arbeitsplatz zu schaffen, sofern ihm dies möglich ist386 und er die eventuell notwendige Zustimmung seitens des Betriebsrates einholt.387 Dem Arbeitgeber ist es auch bei einem leitenden Angestellten verwehrt, diesem ordentlich zu kündigen, wenn er auf einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb weiterbeschäftigt werden könnte.388 Als adäquate Arbeitsplätze sind solche denkbar, die an die
380
BAG NZA 1991, 185 (187); BAG Urteil v. 02. 11. 1989 – 2 AZR 366/89, juris Rn. 82; BAG NZA 2008, 173 (175); BAG NZA 2010, 1234 (1234); Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 128; Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 2 Rn. 1250 und 1261. 381 BAG NZA 2008, 173 (175); BAG NZA 2010, 398 (399); BAG NZA 2006, 665 (667); BAG NZA 2007, 1041 (1042); BAG Urteil v. 05. 08. 1976 – 3 AZR 110/75, juris Rn. 19; BAG NJW 1981, 298 (300); BAG NZA 1991, 806 (806 f.); BAG NZA 1997, 709 (710); KR-Griebeling, KSchG § 1 KSchG Rn. 346; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 365; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 167. 382 BAG NZA 1991, 185 (187); BAG NZA 2006, 665 (667); BAG NZA 2007, 1041 (1043); BAG NZA 2010, 1234 (1234). 383 BAG NZA 2008, 173 (175); BAG NZA 2007, 1041 (1043); BAG NZA 1999, 377 (379 f.); ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 106; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 33. 384 BAG NZA 2007, 1041 (1043); BAG Urteil v. 05. 08. 1976 – 3 AZR 110/75, juris Rn. 19; BAG NJW 1981, 298 (300); ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 106; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 33. 385 BAG NZA 2007, 1041 (1043). 386 BAG NZA 2008, 173 (175); BAG NZA 2011, 39 (40); BAG NZA 1997, 709 (710); BAG NZA 1999, 377 (379 f.); Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 167; kritisch hingegen: Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 2 Rn. 1250. 387 BAG NZA 1999, 377 (379); BAG NZA 1997, 709 (711). 388 Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 66 f. und 76 f., die eine Versetzung aber sehr selten als möglich ansieht; Martens, Das Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, 1982, S. 212 f., ein gleichwertiger Arbeitsplatz werde aufgrund der geringen Zahl geeigneter Führungspositionen aber kaum in Betracht kommen; siehe auch Schwab/Kaiser, AR-Blattei SD, 70.2 Rn. 86, im Zusammenhang einer betriebsbedingten Kündigung.
150
Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Leistungsfähigkeit des leitenden Angestellten geringere Anforderungen stellen, „mit geringerer Verantwortung verbunden und schlechter bezahlt sind“.389 (1) Versetzung auf einen gleichwertigen oder geringwertigeren Arbeitsplatz? Offen ist, ob einem GmbH-Geschäftsführer eine gleichwertige oder geringwertigere Tätigkeit zugewiesen werden kann. Eine gleichwertige Tätigkeit wird es in der GmbH nicht geben; hierbei wäre nur ein anderer Geschäftsführerposten in Erwägung zu ziehen, sofern die Gesellschaft überhaupt mindestens zwei Geschäftsführer beschäftigt. Aber auch wenn dies bejaht werden könnte, bestünde die Gefahr, dass es bei einer Versetzung des Geschäftsführers zu weiteren Fehlzeiten kommen wird, da die vergangenen Fehlzeiten in der Regel nicht betriebsbedingt gewesen sein werden. War der Geschäftsführer wegen psychischer Probleme, beispielsweise durch Arbeitsüberlastung, wegen Erkältungskrankheiten oder einem gefahrgeneigten Hobby krankheitsbedingt arbeitsunfähig, wird nicht auszuschließen sein, dass diese Erkrankungen auf einem „neuen“ Geschäftsführerposten nicht ebenso auftreten. Zudem wäre eine Versetzung aus dem Grund problematisch, dass dem Geschäftsführer bewusst ein spezifischer Aufgabenbereich zugewiesen wurde, eine Umsetzung demnach nicht zweckmäßig sein könnte, insbesondere im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ein gleichwertiger Arbeitsplatz nicht unbesetzt und damit frei390 sein wird. Alles in allem kann ein erkrankter GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich nicht auf einem gleichwertigen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden. Eine Versetzung auf einen geringwertigeren Arbeitsplatz als milderes Mittel ist bei einer GmbH ebenfalls schwierig. Hierbei stellt sich zunächst die Frage, ob ein Gesellschafter der GmbH sich zu dieser überhaupt gleichzeitig in einem Beschäftigungsverhältnis befinden kann. Dies ist grundsätzlich zu bejahen.391 „Ein GmbHGesellschafter, der in der GmbH angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschaftsrechte nicht die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben oder abzuschwächen. Vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH nämlich Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung (…).“392 Der in der Gesellschaft arbeitende Gesellschafter unterliegt in der Folge regelmäßig den Weisungen des Geschäftsführers.393 Dies gilt allerdings nur für Minderheitsgesellschafter und solche, „die auf Grund des Gesellschafts389 Schwab/Kaiser, AR-Blattei SD, 70.2 Rn. 87, im Zusammenhang einer betriebsbedingten Kündigung. 390 In Bezug auf die Kündigung eines Arbeitnehmers: BAG NZA 1991, 806 (807). 391 BSG Urteil v. 25. 01. 2006 – B 12 KR 30/04 R, juris Rn. 23; LSG Baden-Württemberg Urteil v. 11. 06. 2014 – L 5 KR 2911/13, juris Rn. 31. 392 BSG Urteil v. 17. 05. 2001 – B 12 KR 34/00 R, juris Rn. 15; LSG Baden-Württemberg Urteil v. 11. 06. 2014 – L 5 KR 2911/13, juris Rn. 31; siehe so schon BSG Urteil v. 23. 06. 1994 – 12 RK 72/92, juris Rn. 15. 393 LSG Baden-Württemberg Urteil v. 11. 06. 2014 – L 5 KR 2911/13, juris Rn. 31.
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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vertrages Beschlüsse der Gesellschafterversammlung nicht selbst herbeiführen können“.394 Ausgenommen sind Alleingesellschafter, welche zu jeder Zeit einen ändernden Mehrheitsbeschluss fassen und insoweit ihre Abhängigkeit beenden können.395 Ebenfalls nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis dürften mithin Mehrheitsgesellschafter stehen. Obliegen die arbeitsrechtlichen Weisungen zwar nicht der Gesellschafterversammlung sondern dem Geschäftsführer, besteht bei Mehrheitsgesellschaftern dennoch die Möglichkeit, Gesellschafterbeschlüsse zu verhindern und auf diese Weise den Geschäftsführer „zu einem bestimmten Verhalten als Arbeitgeberin zu bewegen“.396 Eine Versetzung auf einen geringwertigeren Arbeitsplatz ist damit rechtlich zulässig bei Personen, denen als Fremdgeschäftsführer gekündigt wurde oder die Gesellschafter der GmbH sind, aber eine Minderheitsbeteiligung haben beziehungsweise keinen entscheidenden Einfluss auf Gesellschafterbeschlüsse ausüben können. Sofern der Geschäftsführer mit der Möglichkeit einer solchen Versetzung aber überhaupt einverstanden sein sollte, wird es kaum einen freien Arbeitsplatz im Unternehmen geben. Hierbei ist es der Gesellschaft nicht zumutbar sowie rechtlich nicht möglich, durch Ausübung ihres Direktionsrechts, in dem Sinne einen geeigneten Platz zu schaffen, dass die GmbH den Posten des Geschäftsführers einem bisherigen Arbeitnehmer zuweist, damit der bisherige Geschäftsführer die Stelle eines Arbeitnehmers bekommt. Die GmbH kann zur Ausübung ihres Direktionsrechts derart nicht verpflichtet werden, sofern sie sich nicht freiwillig dazu bereit erklärt, einen bisherigen Arbeitnehmer zum Geschäftsführer zu bestellen, um auf diese Weise einen freien Arbeitsplatz zu schaffen. Aber auch dann kann die Gesellschaft in der Regel mangels Bestehens eines Direktionsrechts gegenüber ihrem Geschäftsführer diesem nicht eine andere Tätigkeit zuweisen. In einem solchen Fall wird eine Versetzung nur im Wege einer Änderungskündigung verwirklicht werden können,397 es sei denn, die Stellung des Geschäftsführers ist in der Praxis ähnlich einem Arbeitnehmer ausgestaltet, so dass das Organmitglied tatsächlich einem arbeitsrechtlichen Weisungsrecht unterliegt oder bei Abschluss des Anstellungsvertrages ein Versetzungsrecht vereinbart wurde398. Nur wenn es tatsächlich einen freien Arbeitsplatz im Unternehmen, beispielsweise im Falle einer rechtmäßigen Kündigung eines Arbeitnehmers geben sollte, kommt eine Versetzung des erkrankten Geschäftsführers in Betracht. Aus prozesstaktischen Gründen wird dem gesetzlichen Vertreter immer geraten werden müssen, sich auf eine möglicherweise bestehende Weiterbeschäftigung, auch unterhalb der Organebene, zu berufen, um auf diese 394
BSG Urteil v. 25. 01. 2006 – B 12 KR 30/04 R, juris Rn. 23. BSG Urteil v. 25. 01. 2006 – B 12 KR 30/04 R, juris Rn. 23; LSG Berlin-Brandenburg Urteil v. 09. 05. 2014 – L 1 KR 17/13, juris Rn. 95. 396 BSG Urteil v. 23. 06. 1994 – 12 RK 72/92, juris Rn. 18. 397 Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 68, in Bezug auf leitende Angestellte im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG. 398 Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 68, in Bezug auf leitende Angestellte im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG. 395
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Weise die Rechtfertigung einer Beendigungskündigung rechtlich anzugreifen.399 So wird der Geschäftsführer unter Umständen eine gute Position bei einer Abfindungsverhandlung erlangen können.400 Auch wenn die Möglichkeit bestünde, durch Änderung der Arbeitsbedingungen des bisherigen Arbeitsplatzes künftig eine Arbeitsunfähigkeit des Geschäftsführers zu vermeiden, muss diese Maßnahme als milderes Mittel Vorrang gegenüber einer Beendigungskündigung haben. Inwiefern eine Änderung der Arbeitsbedingungen realisierbar ist, ist im Einzelnen schwierig zu beantworten. In Erwägung zu ziehen wäre beispielsweise eine Reduzierung der Arbeitszeit des Geschäftsführers und die Einstellung eines weiteren Geschäftsführers. Problematisch könnte in der Praxis jedoch sein, dass eine solche Umgestaltung des Geschäftsführerpostens nicht zweckmäßig und daher nur sehr schwer oder gar nicht umsetzbar ist. Alles in allem ist die Versetzung eines GmbH-Geschäftsführers als milderes Mittel nicht unproblematisch. Eine Weiterbeschäftigung auf einem gleichwertigen Arbeitsplatz ist regelmäßig nicht möglich, während eine solche auf einem geringwertigeren Arbeitsplatz oder die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsplatzes in Ausnahmefällen denkbar ist. (2) Erfordernis eines betrieblichen Eingliederungsmanagements? Gemäß § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX ist der Arbeitgeber bei ununterbrochener oder wiederholter Arbeitsunfähigkeit des Beschäftigten von mehr als sechs Wochen innerhalb eines Jahres zur Durchführung eines sogenannten betrieblichen Eingliederungsmanagements gehalten. Dabei klärt er mit den in dieser Vorschrift genannten Stellen, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (vgl. § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX). Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung, sie ist aber auch kein bloßer Programmsatz oder eine reine Ordnungsvorschrift, deren Nichtbeachtung keine Folgen nach sich ziehen würde.401 § 84 Abs. 2 SGB IX „stellt eine Konkretisierung des dem gesamten Kündigungsschutzrecht innewohnenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar“: Eine Kündigung ist nur gerechtfertigt, wenn sie sich nicht durch mildere Mittel vermeiden lässt; auch wenn es sich bei einem betrieblichen Eingliederungsmanagement um kein milderes Mittel handelt, können solche durch das betriebliche Eingliederungsmanagement „erkannt und entwickelt werden“.402 Hat es der Arbeitgeber unterlassen, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen, kann er nicht pauschal vortragen, es gebe keine alternativen Einsatzmöglichkeiten 399 400 401 402
Jaeger, DStR 2010, 2312 (2316). Jaeger, DStR 2010, 2312 (2316 f.). BAG NZA 2008, 173 (175 f.). BAG NZA 2008, 173 (176); siehe auch BAG NZA-RR 2008, 515 (517).
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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für den erkrankten Beschäftigten oder es existiere kein freier Arbeitsplatz; er muss vielmehr in einem umfassenden Sachvortrag konkret darlegen, warum eine Weiterbeschäftigung durch Übernahme eines anderen Arbeitsplatzes oder die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsplatzes in dem Unternehmen nicht in Betracht kommen.403 Diese Pflicht besteht nur dann nicht, wenn auch die Vornahme eines betrieblichen Eingliederungsmanagements die Kündigung aufgrund fehlender Möglichkeiten einer alternativen Beschäftigung nicht hätte vermeiden können.404 Ob bei GmbH-Geschäftsführern ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen ist, muss durch eine Auslegung des § 84 Abs. 2 SGB IX beantwortet werden. Es war lange Zeit umstritten, welche Personen als Beschäftigte im Sinne des § 84 Abs. 2 SGB IX angesehen werden können. Hierzu wurde überwiegend die Auffassung vertreten, dass die Vorschrift des § 84 Abs. 2 SGB IX auch für nicht schwerbehinderte Beschäftigte gelte.405 Dies könne sowohl der Entstehungsgeschichte als auch dem Sinn und Zweck der Regelung entnommen werden; zudem spreche der Wortlaut „bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung“ dafür, dass von § 84 Abs. 2 SGB IX nicht nur schwerbehinderte Beschäftigte erfasst werden sollen.406 Das Bundesarbeitsgericht schloss sich dieser Ansicht an, indem es konstatierte, dass es das betriebliche Eingliederungsmanagement für alle Arbeitnehmer und nicht nur für behinderte Menschen gäbe.407 Es führte die gleichen Argumente an wie diejenigen Stimmen in der Literatur, die alle Arbeitnehmer von § 84 Abs. 2 SGB IX als erfasst ansehen und entschied diesen Streit höchstrichterlich.408 Problematisch ist jedoch, ob unter den Begriff Beschäftigte im Sinne der Vorschrift auch GmbH-Geschäftsführer fallen. „Beschäftigte sind Arbeitnehmer, Auszubildende, sonstige zu ihrer beruflichen Bildung beschäftigte sowie in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehende Personen (…).“409 GmbHGeschäftsführer könnten zu den sonstigen zu ihrer beruflichen Bildung Beschäftigten zählen, so dass sie vom Wortlaut der Vorschrift umfasst wären. Dieses Ergebnis scheint der systematische Zusammenhang des § 84 SGB IX im 3. Kapitel des SGB IX zu bestätigen. Während § 84 Abs. 1 SGB IX dem Arbeitgeber die Pflicht auf403
BAG NZA 2008, 173 (177); BAG NZA-RR 2008, 515 (517). BAG NZA 2008, 173 (176); BAG NZA-RR 2008, 515 (517); dieser Rechtsprechung zustimmend: Lachwitz/Schellhorn/Welti/Trenk-Hinterberger, HK-SGB IX, § 84 Rn. 69 und Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 8 f. 405 Cramer, NZA 2004, 698 (703); Feldes/Kossack, AiB 2004, 453 (456); Löw, MDR 2005, 608 (609); vgl. Gagel, NZA 2004, 1359 (1359); verneinend: Balders/Lepping, NZA 2005, 854 (854). 406 Dau/Düwell/Joussen/Düwell, SGB IX, § 84 Rn. 59, m. w. N.; Cramer/Fuchs/Hirsch/ Ritz/Ritz/Schian, SGB IX, § 84 SGB IX Rn. 19; Kossens/Heide/Maaß/Kossens, SGB IX, § 84 SGB IX Rn. 19. 407 BAG NZA 2008, 173 (175). 408 Vgl. BAG NZA 2008, 173 (175), m. w. N. 409 Lachwitz/Schellhorn/Welti/Trenk-Hinterberger, HK-SGB IX, § 84 Rn. 29. 404
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
erlegt, bei Schwierigkeiten in Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnissen die Schwerbehindertenvertretung einzuschalten, spricht § 84 Abs. 2 SGB IX von Beschäftigten, ohne auf den Arbeitnehmerbegriff abzustellen. Einer Erweiterung der Schutzwirkung des § 84 Abs. 2 SGB IX auf GmbH-Geschäftsführer steht jedoch die Entstehungsgeschichte der Norm entgegen. In den Gesetzesmaterialien heißt es: Ziel der Regelung ist die Klärung, „wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann und welche Leistungen und Hilfen zur Unterstützung des Arbeitnehmers erforderlich sind“.410 Es „soll ein betriebliches Eingliederungsmanagement geschaffen werden, das durch geeignete Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft sichert“.411 Aus den Gesetzgebungsmaterialien kann demnach abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der Norm vordergründig Arbeitnehmer im Blick hatte. Da zu dieser Zeit (2003) die Diskussion um eine mögliche Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern weit verbreitet war, kann unterstellt werden, dass der Gesetzgeber, sofern er die gesetzlichen Vertreter in den Schutzbereich einbeziehen wollte, Stellung bezogen hätte. Da er dies nicht getan hat, spricht die Gesetzgebungsgeschichte gegen die Einbeziehung der GmbH-Geschäftsführer. Etwas anderes kann auch nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift entnommen werden, weil dieser in einer Gesundheitsprävention zum Schutz des Arbeitsverhältnisses besteht. Die historische und teleologische Auslegung des § 84 SGB IX ergibt damit eine Nichterfassung von GmbH-Geschäftsführern. Dies findet seine Bestätigung in der späteren Rechtsprechung, die als Beschäftigte „alle Arbeitnehmer“ qualifizierte.412 Zudem muss beachtet werden, dass die vorliegende Problematik noch keine Relevanz in der Praxis aufwies, da § 84 Abs. 2 SGB IX eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist, den es jedoch nur bei Kündigungen im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes geben kann. – Dies wiederum lässt sich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entnehmen, die § 84 Abs. 2 SGB IX bei Arbeitsverhältnissen, welche die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG noch nicht erfüllt haben, keine kündigungsrechtlichen Folgen beimisst.413 Angesichts der generellen Unanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes war es bisher nicht von Bedeutung, ob mit dem Begriff Beschäftigte auch GmbHGeschäftsführer gemeint sind. Da die Gesetzesbegründung der Norm nur auf Arbeitnehmer abstellt, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber GmbH-Geschäftsführer nicht als erfasst ansehen wollte. Die GmbH ist in der Konsequenz nicht zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements verpflichtet. Eine solche Pflicht wird in der Praxis schon ferner deshalb nicht bestehen, weil es bei einem GmbH-Geschäftsführer nur ausnahmsweise eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit geben wird.
410 411 412 413
BT-Drs. 15/1783 v. 21. 10. 2003, S. 15 zu Nr. 20 (§ 84). BT-Drs. 15/1783 v. 21. 10. 2003, S. 16 zu Nr. 20 (§ 84). Siehe BAG NZA 2008, 173 (175). BAG NZA 2007, 1049 (1053) sowie BAG NZA-RR 2008, 405 (407), je m. w. N.
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ee) Ergebnis erhebliche Beeinträchtigungen Erkrankt ein GmbH-Geschäftsführer und kann infolge dessen nicht arbeiten, hat die GmbH in aller Regel Betriebsstörungen zu verzeichnen, weil sie ohne gesetzlichen Vertreter nicht vollständig handlungsfähig ist. Solche Beeinträchtigungen können unter Umständen für eine gewisse Zeit durch eine Stellvertretung nach § 44 GmbHG, durch andere Geschäftsführer im Unternehmen oder einen Prokuristen vermieden werden. Keine Überbrückungsmaßnahmen sind eine Personalreserve, eine Umorganisation, das Einstellen einer Aushilfskraft oder die Bestellung eines Notgeschäftsführers gemäß § 29 BGB analog. Daneben können bei einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Geschäftsführers wirtschaftliche Belastungen für die GmbH entstehen, wenn sie aufgrund der Regelung der §§ 611, 616 S. 1 BGB bei neuen Krankheiten immer wieder zur Lohnfortzahlung verpflichtet bleibt oder sie gemäß dem Anstellungsvertrag wiederkehrende Entgeltzahlungen leisten muss. Mildere Mittel als eine Kündigung, etwa die Versetzung eines Organmitgliedes, sind bei einer GmbH sehr schwierig, sie ist insbesondere nicht gehalten, ein betriebliches Eingliederungsmanagement zu organisieren. c) Interessenabwägung Nicht unproblematisch ist die Beantwortung der Frage, ob die Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages des GmbH-Geschäftsführers, wie bei Arbeitnehmern,414 in einem dritten Schritt eine Interessenabwägung voraussetzt. aa) Arbeitnehmer und leitende Angestellte Auf Seiten des Arbeitnehmers sind bei einer Interessenabwägung folgende Gesichtspunkte zu beachten: das hohe Alter des Arbeitnehmers,415 eine lange Betriebszugehörigkeit416 sowie ein bisheriger positiver Verlauf des Arbeitsverhältnisses wirken sich zugunsten des Arbeitnehmers aus.417 Ebenso muss eine durchschnittliche Ausfallquote berechnet werden; hierbei sind die Fehlzeiten von Arbeitnehmern mit vergleichbaren Tätigkeiten und ähnlichen Arbeitsbedingungen mit den Fehlzeiten 414
BAG NZA 1994, 67 (68); BAG NZA 1995, 1051 (1052); BAG NZA 2000, 768 (770); BAG NZA 2008, 593 (593); BAG NZA 2010, 398 (400); KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 347; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 168 f. 415 Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 179; Kittner/ Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 134; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 355; BAG NZA 1990, 434 (437); BAG NZA 1991, 185 (188); BAG NZA 1994, 67 (68). 416 BAG NJW 1977, 2132 (2133); BAG NJW 1981, 298 (301); BAG NZA 1990, 434 (436). 417 ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 148; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 353; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 178; BAG NZA 1991, 185 (188); BAG NZA 1994, 67 (68); BAG NZA 2006, 655 (656); BAG NZA 2008, 593 (593 f.).
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des erkrankten Arbeitnehmers ins Verhältnis zu setzen.418 Weisen auch andere Arbeitnehmer hohe krankheitsbedingte Ausfälle auf, ist dieser Umstand zugunsten des erkrankten Arbeitnehmers zu würdigen.419 Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt ist die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb.420 Je leichter die Ersetzbarkeit eines Angestellten ist, umso mehr muss der Arbeitgeber sich um entsprechende Überbrückungsmaßnahmen bemühen; bei Beschäftigten in Schlüsselpositionen kann eine Kündigung aufgrund ihrer schwierigen Ersetzbarkeit dagegen zu einem früheren Zeitpunkt gerechtfertigt sein.421 Eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers,422 etwaige Unterhaltspflichten,423 eine schwierige Arbeitsmarktlage424 sowie betriebliche Ursachen der Krankheit425 sind zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, wohingegen sich ein mögliches Verschulden zu seinen Lasten auswirkt.426 Auf Seiten des Arbeitgebers muss in die Abwägung einfließen, ob die Beeinträchtigungen, die allein aus der Zahlung der Entgeltfortzahlungskosten resultieren, außergewöhnlich hoch sind.427 Auch ist im Rahmen der Abwägung die wirtschaftliche Lage des Unternehmens428 von Relevanz sowie, ob und in welchem Umfang der Arbeitgeber 418
BAG NZA 1984, 86 (87); KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 361. KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 361; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 183; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 147; BAG NZA 1984, 86 (87); vgl. BAG NZA 1991, 185 (188). 420 Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 134; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 360; BAG NJW 1981, 298 (301). 421 Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 134; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 360; BAG NJW 1981, 298 (301), „Schlüsselposition oder leicht ersetzbarer Tätigkeitsbereich“. 422 BAG NZA 2000, 768 (771); BAG NZA 2006, 655 (656); BAG NZA 2008, 593 (594); Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 177a. 423 BAG NZA 2000, 768 (770); BAG NZA 2008, 593 (594); BAG NZA 1991, 185 (188); Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 180; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 356; Lingemann, BB 2000, 1835 (1837), wobei diese nur „als Zünglein an der Waage“ berücksichtigt werden sollen; ganz ablehnend hingegen: Stahlhacke/ Preis/Vossen/Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 2 Rn. 1264. 424 Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 134; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 358; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 181; BAG NJW 1981, 298 (301). 425 Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 2 Rn. 1264; KRGriebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 348; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 413; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 151; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 174; BAG NZA 1990, 305 (306); BAG NZA 1991, 185 (187); BAG NZA 2008, 593 (593 f.). 426 Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 176 f.; Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 2 Rn. 1265; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 351. 427 BAG NZA 1991, 185 (187): voraussichtliche Lohnfortzahlungskosten von 60 Arbeitstagen im Jahr = außergewöhnlich hoch. 428 BAG NJW 1981, 298 (301); BAG NJW 1977, 2132 (2133), „Grad der wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers“; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 182. 419
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eine Personalreserve vorhält429 und inwiefern ihm weitere Überbrückungsmaßnahmen zumutbar sind.430 Hinsichtlich der Kündigung eines leitenden Angestellten sei die Vornahme einer Interessenabwägung ebenso erforderlich.431 Bei einer solchen könnten sich sowohl der Arbeitgeber als auch der leitende Angestellte auf starke Argumente berufen.432 Aus diesem Grund sei die Gefahr groß, dass eine Interessenabwägung zu keinem eindeutigen Ergebnis zugunsten des Arbeitgebers oder des leitenden Angestellten führt und auch mildere Mittel nicht in Betracht kommen.433 Bei einer solchen Konstellation müsse dem Arbeitgeber ein Kündigungsrecht zugebilligt werden, wenn eine Interessenabwägung nicht klar zugunsten des leitenden Angestellten ausfällt.434 Auch müsse im Rahmen der Interessenabwägung entsprechend gewürdigt werden, dass eine erhebliche Störung betrieblicher Interessen bei häufigen Kurzerkrankungen sowie bei lang andauernden Erkrankungen leitender Angestellter eher zu bejahen sein könne als bei der restlichen Belegschaft,435 weil sich eine Ersetzung angesichts ihrer Spezialisierung oft als sehr schwierig gestalten wird.436 bb) GmbH-Geschäftsführer An die vorhergehenden Ausführungen anknüpfend, stellt sich in Bezug auf GmbH-Geschäftsführer die Frage, ob die Vornahme einer Interessenabwägung bei Bejahung einer negativen Gesundheitsprognose und einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen noch etwas an dem Ergebnis des Vorliegens eines Kündigungsgrundes ändern kann. Hierbei spielt wiederum die Funktion des Geschäftsführers und seine damit verbundene Stellung im Unterneh429
Zugunsten des Arbeitgebers zu berücksichtigen: BAG NZA 1989, 923 (924); BAG NZA 1991, 185 (188); BAG NZA 1994, 67 (68), Personalreserven sind nur zugunsten des Arbeitgebers zu berücksichtigen, er ist zum Vorhalten nicht verpflichtet; BAG Urteil v. 06. 09. 1989 – 2 AZR 118/89, juris Rn. 46; vgl. auch BAG NZA 2006, 655 (656); Stahlhacke/Preis/Vossen/ Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 2 Rn. 1265; Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 120. 430 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 359; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 182, m. w. N.; BAG NZA 1989, 923 (924); BAG Urteil v. 06. 09. 1989 – 2 AZR 118/89, juris Rn. 45. 431 Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 77. 432 Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 77. 433 Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 77 f. 434 Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 78. 435 Leese, Die Abgrenzung der leitenden Angestellten, 2000, S. 33; Fiebig/Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, KSchR, § 14 KSchG Rn. 32; KR-Rost, KSchG, § 14 KSchG Rn. 43; Becker, ZIP 1981, 1168 (1172); Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 108. 436 Leese, Die Abgrenzung der leitenden Angestellten, 2000, S. 33; Fiebig/Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, KSchR, § 14 KSchG Rn. 32; KR-Rost, KSchG, § 14 KSchG Rn. 43; vgl. Becker, ZIP 1981, 1168 (1172) sowie Schwab/Kaiser, AR-Blattei SD, 70.2 Rn. 84; Kittner/ Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 108.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
men eine große Rolle. Wenn der Geschäftsführer auch in der Zukunft krankheitsbedingt erhebliche Fehlzeiten aufweisen wird und es der Gesellschaft durch Überbrückungsmaßnahmen nicht mehr möglich ist, die dadurch entstehenden betrieblichen Beeinträchtigungen zu kompensieren, müssen die Interessen der Gesellschaft an der Beendigung des Anstellungsverhältnisses grundsätzlich Vorrang gegenüber den Interessen des Organmitgliedes haben. Bei Betrachtung der einzelnen Abwägungskriterien, welche bei einer Interessenabwägung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern herangezogen werden, ergibt sich, dass diese in der Form nicht auf eine Abwägung zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer übertragen werden können. Kann eine Gesellschaft die krankheitsbedingten Fehlzeiten ihres Geschäftsführers nicht mehr auffangen und wird in Folge dessen teilweise handlungsunfähig, kann das Alter des Geschäftsführers, ob und inwiefern er Unterhaltspflichten zu leisten hat437 oder wie sich seine Situation auf dem Arbeitsmarkt darstellt, grundsätzlich eine Interessenabwägung nicht mehr zu seinen Gunsten ausfallen lassen. Derartige Kriterien können in der Regel zu keiner Änderung des vorgefundenen Ergebnisses führen. Dies gilt auch für das Merkmal des bisherigen Verlaufs des Anstellungsverhältnisses; entscheidend ist allein die Situation im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung.438 Ist der Gesellschaft eine Fortbeschäftigung des Geschäftsführers nicht mehr zumutbar, muss regelmäßig außen vor bleiben, ob das Anstellungsverhältnis bisher positiv verlaufen ist. Auch der Gesichtspunkt des Verschuldens spielt bei GmbH-Geschäftsführern keine Rolle, da betriebliche Ursachen, die eventuell zugunsten des Geschäftsführers zu berücksichtigen wären, regelmäßig nicht denkbar sind.439 Ebenso kann es grundsätzlich keinen Vergleich der Fehlzeiten des GmbH-Geschäftsführers mit anderen Geschäftsführern im Betrieb geben. In der Regel kann allein eine Schwerbehinderung des Geschäftsführers eine Interessenabwägung zulasten der GmbH ausfallen lassen. Einer Gesellschaft ist es in einem solchen Fall zuzumuten, mehr Erkrankungen des Organmitgliedes zu dulden, wenn diese im Zusammenhang mit der Behinderung des Geschäftsführers stehen beziehungsweise sich auf diese Behinderung zurückführen lassen. Dieser restriktiven Handhabung der Abwägungskriterien steht auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entgegen. Zwar hat das Gericht in zwei Fällen im Rahmen einer Interessenabwägung den bisherigen reibungslosen Verlauf des Anstellungsverhältnisses, die Verdienste des Geschäftsführers um die Gesellschaft sowie sein hohes Alter entsprechend berücksichtigt.440 Diese Entscheidungen bezogen sich jedoch auf die außerordentliche Beendigung des An437 Vgl. auch Picker, GmbHR 2011, 629 (637), in Bezug auf die Notwendigkeit einer Interessenabwägung bei einer außerordentlichen Kündigung des GmbH-Geschäftsführers. 438 Dieser Zeitpunkt ist für die Wirksamkeit einer Kündigung maßgeblich: BAG NZA 2011, 1084 (1085); Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 130 Rn. 34; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 70; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 91. 439 Vgl. im Zusammenhang mit den milderen Mitteln Kap. 3 D. II. 1. b) dd) (1). 440 Vgl. BGH WM 1976, 77 (78 f.); siehe auch BGH Urteil v. 21. 09. 1970 – II ZR 13/69, juris Rn. 34, in Bezug auf ein Vorstandsmitglied.
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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stellungsvertrages wegen vorsätzlicher Pflichtverletzung des Geschäftsführers; die diesbezüglichen Erwägungen können daher nicht auf die ordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses aufgrund häufiger Kurzerkrankungen übertragen werden.441 Zudem soll nicht ausgeschlossen werden, dass die entsprechenden Abwägungskriterien auch im Rahmen der Interessenabwägung bei einem GmbH-Geschäftsführer berücksichtigt werden. Eine Interessenabwägung wird aber, ähnlich wie bei leitenden Angestellten, nur in besonderen Ausnahmefällen zugunsten des Geschäftsführers ausfallen können. Anderenfalls überwiegen die Interessen der GmbH an einer zwingenden Besetzung des Geschäftsführerpostens und damit einhergehend einem ordnungsgemäßen Betriebs- und Arbeitsablaufes. d) Ergebnis häufige Kurzerkrankungen Kann der Geschäftsführer einer GmbH wegen häufiger Kurzerkrankungen seiner Tätigkeit nicht nachgehen, ist die Gesellschaft berechtigt, das Anstellungsverhältnis ordentlich zu kündigen, wenn eine negative Gesundheitsprognose sowie eine erhebliche betriebliche oder wirtschaftliche Beeinträchtigung gegeben ist und eine Interessenabwägung zugunsten der Gesellschaft ausfällt. An das Vorliegen einer negativen Prognose sind im Vergleich zu Arbeitnehmern geringere Anforderungen zu stellen, da alle Erkrankungen des Organmitgliedes innerhalb eines Zeitrahmens von grundsätzlich sechs Monaten bis zu eineinhalb Jahren indiziell herangezogen werden können. Auch eine Beeinträchtigung erheblicher wirtschaftlicher oder betrieblicher Interessen kann bei dem krankheitsbedingten Ausfall eines Geschäftsführers eher bejaht werden. Seine Fehlzeiten und die damit einhergehende teilweise Handlungsunfähigkeit der GmbH können zwar durch das Einsetzen eines Stellvertreters gemäß § 44 GmbHG, durch den oder die anderen Geschäftsführer oder einen Prokuristen überbrückt werden, nicht jedoch über einen längeren Zeitraum in allzu gehäufter Form. Bei bestehender Lohnfortzahlungspflicht seitens der Gesellschaft gemäß §§ 611, 616 S. 1 BGB oder gemäß dem Anstellungsvertrag kann sich auch eine wirtschaftliche Belastung für die GmbH ergeben. Mildere Mittel wie eine Versetzung des Organmitgliedes sowie eine Änderung seiner Arbeitsbedingungen gestalten sich sehr schwierig, insbesondere ist die GmbH nicht zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements verpflichtet. Schließlich sind die Anforderungen an eine Interessenabwägung wesentlich geringer als bei Arbeitnehmern, da bei Geschäftsführern in der Regel allein der Gesichtspunkt einer Schwerbehinderung eine Abwägung zugunsten des Geschäftsführers bewirken kann. Eine Beendigung des Anstellungsvertrages des GmbH-Geschäftsführers unterliegt im Ergebnis geringeren Anforderungen als die Kündigung eines Arbeitnehmers und kann folglich zu einem früheren Zeitpunkt gerechtfertigt sein.
441
Vgl. Picker, GmbHR 2011, 629 (637).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
2. Dauernde Leistungsunfähigkeit Von den häufigen Kurzerkrankungen ist die dauernde Leistungsunfähigkeit zu unterscheiden. Von einer dauernden Leistungsunfähigkeit ist auszugehen, wenn der Beschäftigte zukünftig nicht mehr in der Lage ist, seine arbeitsvertragliche Tätigkeit zu erfüllen442 und auch eine andere Beschäftigungsmöglichkeit im Unternehmen nicht ausüben kann.443 Dies wäre, bei einer feststehenden Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit des Arbeitnehmers zu bejahen.444 a) Arbeitnehmer Die feststehende dauernde Leistungsunfähigkeit begründet eine negative Gesundheitsprognose,445 ohne dass an eine solche weitergehende Anforderungen gestellt werden. Darüber hinaus ist der Arbeitgeber nicht gehalten, eine erhebliche Beeinträchtigung seiner betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen nachzuweisen.446 Bereits das Feststehen der dauernden Leistungsunfähigkeit führt zu einer erheblichen Störung des Arbeitsverhältnisses447 und somit zu einer erheblichen Störung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung.448 Eine andere Beurteilung kommt in einem solchen Fall unter Umständen nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer beweisen könnte, dass die Arbeitsleistung für den Arbeitgeber überflüssig ist; dann wäre eine betriebliche Beeinträchtigung zu verneinen.449 In der Praxis ist eine derartige Fallkonstellation jedoch kaum vorstellbar.450 Ebenso kann die Interessenabwägung nur in sehr seltenen Ausnahmefällen zugunsten des Arbeitnehmers ausfallen.451 442
BAG NZA 1987, 555 (556). Vgl. allgemein zur genauen Prüfung einer Weiterbeschäftigung: BAG NZA 1987, 555 (557); BAG NZA 1999, 377 (379); v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 433; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 376; Kock, BB 2006, 1906 (1908). 444 ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 128; LAG Hamm Urteil v. 11. 07. 1996 – 4 Sa 53/96, juris: LS, wobei jedoch herausgestellt wird, dass bei der Berufsunfähigkeit im Unterschied zur Erwerbsunfähigkeit unter Umständen noch andere Beschäftigungsmöglichkeiten möglich wären. 445 BAG NZA 2008, 173 (174); BAG Urteil v. 18. 01. 2007 – 2 AZR 759/05, juris Rn. 23. 446 BAG NZA 1987, 555 (556); BAG Urteil v. 18. 01. 2007 – 2 AZR 759/05, juris Rn. 23; BAG NZA 2007, 1041 (1042); BAG NZA 2008, 173 (175); v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/ Krause, KSchG, § 1 Rn. 431; Kock, BB 2006, 1906 (1908). 447 BAG NZA 1987, 555 (556); Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 192; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 431; KRGriebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 375. 448 BAG NZA 2010, 1234 (1234); BAG NZA 2006, 486 (487); Greiner, RdA 2007, 22 (27). 449 BAG NZA 1987, 555 (557); BAG NZA 1999, 377 (379); v. Hoyningen-Huene/Linck/ Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 431; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 376; Lepke, Kündigung bei Krankheit, 15. Auflage 2015, S. 167 Rn. 165. 450 Lepke, Kündigung bei Krankheit, 15. Auflage 2015, S. 167 Rn. 165. 451 BAG Urteil v. 18. 01. 2007 – 2 AZR 759/05, juris Rn. 23; BAG Urteil v. 21. 02. 1985 – 2 AZR 72/84, juris Rn. 32. 443
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b) GmbH-Geschäftsführer Möchte die GmbH das Anstellungsverhältnis ihres Geschäftsführers wegen einer feststehenden dauernden Leistungsunfähigkeit beenden, bestehen im Vergleich zu Arbeitnehmern grundsätzlich keine Unterschiede darin, welche Anforderungen eine solche Kündigung erfüllen muss.452 Eine negative Gesundheitsprognose muss auch bei GmbH-Geschäftsführern nicht gesondert begründet werden, wenn feststeht, dass die Führungskraft dauerhaft nicht mehr leistungsfähig sein wird. In einem solchen Fall ist eine negative Prognose indiziert. Weiterhin ist nicht erforderlich, dass die GmbH eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen darlegt; insbesondere ist die Position des Geschäftsführers bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung niemals überflüssig. Eine Abweichung zur Kündigung eines Arbeitnehmers besteht lediglich auf der dritten Stufe der Rechtfertigungsprüfung. Eine Interessenabwägung ist bei GmbH-Geschäftsführern im Falle einer dauerhaften Leistungsunfähigkeit nicht vorzunehmen. Wenn bereits bei häufigen Kurzerkrankungen eine Interessenabwägung nur sehr selten zugunsten des Organmitgliedes ausfallen kann, muss eine solche bei feststehender dauernder Arbeitsunfähigkeit gänzlich entbehrlich sein. Die dauernde Unfähigkeit des Geschäftsführers zur Arbeitsleistung berechtigt die GmbH, das Anstellungsverhältnis wirksam ordentlich zu kündigen.453 3. Lang andauernde Krankheiten Ist ein Beschäftigter längere Zeit in zusammenhängender Zeitfolge krank und kann aus diesem Grund seine Arbeitsleistung nicht erfüllen, kann eine ordentliche Kündigung auch dann rechtmäßig sein, wenn eine Gesundung nicht unmöglich ist.454 In einem solchen Fall spricht man von einer langanhaltenden Krankheit.455 a) Negative Gesundheitsprognose Eine Kündigung wegen langanhaltender Krankheit setzt voraus, dass der Arbeitnehmer beim Zugang der Kündigung arbeitsunfähig krank ist.456 Nicht unumstritten ist in diesem Zusammenhang, wie lange der Arbeitnehmer schon erkrankt sein muss, um überhaupt die Dauer künftiger Fehlzeiten prognostizieren zu kön452
Siehe soeben Kap. 3 D. II. 2. a). Vgl. auch OLG Zweibrücken NZG 2003, 931 (932), das eine dauerhafte Erkrankung aufgrund einer feststehenden Berufsunfähigkeit des Geschäftsführers als einen sachlichen Grund zur Abberufung gemäß § 38 GmbHG ansieht. 454 ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 129. 455 ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 129. 456 BAG NJW 1983, 2897 (2898); BAG Urteil v. 06. 02. 1992 – 2 AZR 364/91, juris Rn. 32; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 419; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 366; Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 136. 453
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
nen.457 Das Bundesarbeitsgericht erachtet einen Zeitraum von acht Monaten als ausreichend,458 wohingegen einige Stimmen in der Literatur der Dauer der bisherigen Arbeitsunfähigkeit des Beschäftigten keine Bedeutung beimessen.459 Weiterhin ist für die Annahme einer negativen Gesundheitsprognose erforderlich, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht abschätzbar ist, ob der erkrankte Arbeitnehmer in absehbarer Zeit wieder arbeitsfähig sein werde.460 Eine negative Gesundheitsprognose ist zu verneinen, wenn im Zeitpunkt der Kündigung objektive Umstände vorliegen, die entgegen der Ansicht des behandelnden Arztes darauf hindeuten, dass die Wiederherstellung der Arbeitskraft „in absehbarer Zeit sicher oder zumindest möglich ist“.461 Könnte eine Diagnose erst nach einer Heilbehandlung oder Kurmaßnahme gestellt werden, sollte der Arbeitgeber das Resultat einer derartigen Maßnahme abwarten, bevor er dem Arbeitnehmer krankheitsbedingt kündigt.462 Ist der Arzt der Auffassung, es werde auch zukünftig zu krankheitsbedingten Leistungsstörungen des Arbeitnehmers kommen, ist eine negative Gesundheitsprognose zu bejahen.463 aa) Ermittlung eines Prognosezeitraumes bei GmbH-Geschäftsführern Ob eine negative Gesundheitsprognose bei GmbH-Geschäftsführern zu bejahen ist, hängt davon ab, ob im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung feststeht, dass der Geschäftsführer auch zukünftig wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann. Hierbei muss zunächst, wie bei Arbeitnehmern, der Geschäftsführer erkrankt sein. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, wie 457
Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 137, m. w. N. BAG NZA 1999, 978 (979), das obendrein konstatiert, dass keine starren Grenzen existieren, ab wann „eine Krankheit als langandauernd zu gelten habe“; Stahlhacke/Preis/ Vossen/Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 2 Rn. 1272: Eine Krankheit, die länger als 6 Wochen andauert, sei langanhaltend. 459 Lepke, Kündigung bei Krankheit, 15. Auflage 2015, S. 153 Rn. 156; v. HoyningenHuene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 419; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 366. 460 BAG NZA 1985, 357 (358); BAG Urteil v. 06. 02. 1992 – 2 AZR 364/91, juris Rn. 32; BAG NJW 1983, 2897 (2898); BAG NZA 1993, 497 (498); v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/ Krause, KSchG, § 1 Rn. 421; Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 139; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 366 – Lepke, Kündigung bei Krankheit, 15. Auflage 2015, S. 161 f. Rn. 162: langanhaltend bei einer weiteren Krankheitsdauer ab dem Kündigungszeitpunkt von mehr als sechs Wochen – dies ablehnend Däubler, Das Arbeitsrecht 2, 12. Auflage 2009, S. 578 Rn. 1025, stattdessen verlangt er einen Zeitraum von sechs Monaten. 461 Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 189, im Zusammenhang einer dauernden Leistungsunfähigkeit; siehe auch BAG NZA 2001, 1071 (1072); LAG Köln Urteil v. 28. 11. 2008 – 10 Sa 739/08, juris Rn. 34. 462 ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 119; Lepke, Kündigung bei Krankheit, 15. Auflage 2015, S. 159 Rn. 159. 463 ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 120. 458
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lange die Erkrankung des Organmitgliedes bereits andauern muss. Diese Frage wird bei Arbeitnehmern in der Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet.464 Für GmbH-Geschäftsführer einen Zeitraum von acht Monaten zu fordern, wie dies das Bundesarbeitsgericht bei Arbeitnehmern verlangt,465 erscheint bei den gesetzlichen Vertretern nicht angemessen. Beachtet werden muss nämlich, dass zweite Voraussetzung der negativen Gesundheitsprognose auch bei GmbH-Geschäftsführern ist, dass nicht absehbar ist, wie lange die Erkrankung noch andauern wird. Würde man bereits bei der ersten Voraussetzung einen Zeitraum von acht Monaten fordern und darüber hinaus noch einen weiteren Zeitraum, könnte dies nicht mit der besonderen Position des Geschäftsführers im Unternehmen in Einklang zu bringen sein. Für die Gesellschaft entstünde auf diese Weise ein Zustand, der für sie schlechthin nicht tragbar wäre: Sie wäre im Unklaren darüber, wie lange sie noch ohne Führungsspitze auskommen müsste, was in der Regel zwingend eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer betrieblichen Interessen zur Folge hätte.466 Aufgrund der Schwierigkeit einen Zeitrahmen festzulegen, wie lange der GmbH-Geschäftsführer im Kündigungszeitpunkt bereits arbeitsunfähig erkrankt sein muss, ist gegebenenfalls die zurückliegende Zeit der Erkrankung im Zusammenhang mit der Zeit zu betrachten, in der ungewiss ist, wie lange der Geschäftsführer noch krank sein wird. Zur Verdeutlichung dieser Ausführungen soll zunächst ein Beispiel vorangestellt werden. Würde für eine lang andauernde Erkrankung eine Zeitspanne von sechs Monaten verlangt werden, könnte eine negative Gesundheitsprognose bejaht werden, wenn der Geschäftsführer bereits einen Monat oder vier Monate krank war und zu erwarten ist, dass er noch über fünf beziehungsweise über zwei Monate hinaus ausfällt. Zur Ermittlung des Zeitrahmens wäre demnach eine Orientierung an den jeweiligen Regelungen im Anstellungsvertrag hinsichtlich einer etwaigen Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle in Erwägung zu ziehen.467 Hierbei ist jedoch problematisch, dass es Anstellungsverträge gibt, die keine Regelung zur Lohnfortzahlung treffen oder die Regelungen von Anstellungsvertrag zu Anstellungsvertrag differieren. Es ist daher nicht möglich, eine eventuelle Bestimmung obligatorisch zur Bestimmung des Zeitrahmens heranzuziehen. Wenn ein Anstellungsvertrag jedoch eine Lohnfortzahlungspflicht seitens der Gesellschaft für drei oder sogar sechs Monate vorsieht, könnte dies zumindest einen Anhaltspunkt dafür darstellen, dass die Gesellschaft einen solchen Zeitraum durch Überbrückungsmaßnahmen ausgleichen kann. Wie sich durch die Ausführungen zu den betrieblichen Beeinträchtigungen zeigen wird, kann ein langer krankheitsbedingter Ausfall bei GmbH-Geschäftsführern, mangels fehlender Lohnfortzahlungspflicht seitens der Gesellschaft, durch die Ausübung der Aufgaben durch einen Stellvertreter, insbesondere einen stellvertre464
Siehe soeben Kap. 3 D. II. 3. a). Siehe soeben Kap. 3 D. II. 3. a). 466 Vgl. Picker, GmbHR 2011, 629 (633), im Zusammenhang einer außerordentlichen Kündigung. 467 Vgl. die Ausführungen zu einer wirtschaftlichen Belastung Kap. 3 D. II. 1. b) cc) (1). 465
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
tenden Geschäftsführer gemäß § 44 GmbHG kompensiert werden. Daraus folgt, dass eine Zeitspanne von insgesamt mehr als sechs Monaten, das heißt von gegebenenfalls acht bis unter Umständen sogar zwölf Monaten, abhängig davon, inwiefern die Gesellschaft die krankheitsbedingten Fehlzeiten ihres Geschäftsführers überbrücken kann, zugrunde gelegt werden sollte und erst bei Überschreitung dieses Zeitrahmens von dem Vorliegen einer negativen Gesundheitsprognose ausgegangen werden kann.468 Da jedoch auch die Stellvertretung einer Grenze unterliegen muss, kann ein weit über zwölf Monate hinausreichender Zeitrahmen grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Erst recht kann deshalb eine langanhaltende Erkrankung mit der Rechtsprechung in Bezug auf eine Kündigung eines Arbeitnehmers bejaht werden, wenn der Geschäftsführer bereits circa eineinhalb Jahre krank und ein Ende der Krankheit nicht in Sicht ist469 sowie, wenn bei einem erkrankten Geschäftsführer mit einer Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit in den kommenden 24 Monaten nicht gerechnet werden kann.470 bb) Zugrundelegung eines einheitlichen Zeitrahmens Insgesamt muss festgehalten werden, dass nicht jeweils separat voneinander bestimmt werden kann, wie lange der Geschäftsführer im Kündigungszeitpunkt bereits erkrankt sein muss und wie lange die Erkrankung des Organmitgliedes noch andauern wird. Es ist daher ratsam, die Zeitspanne aus einer Zusammenschau der zurückliegenden Krankheitszeit des Geschäftsführers mit der noch zu erwartenden Krankheitszeit zu bestimmen. Demnach sollte ein einheitlicher Zeitrahmen von beispielsweise acht bis möglicherweise zwölf Monaten zugrunde gelegt werden, so dass nicht entscheidend ist, ob der Geschäftsführer schon seit fünf Monaten krank ist und eine weitere Krankheitszeit von drei Monaten respektive sieben Monaten zu erwarten ist oder ob der Geschäftsführer erst seit zwei Monaten nicht arbeiten kann und auch in den nächsten sechs beziehungsweise zehn Monaten nicht arbeitsfähig sein wird. Ebenso verhält es sich, wenn der gesetzliche Vertreter noch keine zurückliegende Krankheitszeit aufweist, im Zeitpunkt der Erkrankung aber feststeht, dass er für die kommenden acht beziehungsweise zwölf Monate nicht arbeiten kann. Damit ist diese Ansicht mit denjenigen Stimmen in der Literatur vergleichbar, die die
468 Vgl. ähnlich Picker, GmbHR 2011, 629 (634), der eine negative Prognose bejaht, „wenn die Krankheit bereits über sechs Monate andauert und keine Anzeichen dafür bestehen, dass mit einer baldigen Besserung seines Gesundheitszustandes zu rechnen ist“; vgl. auch OLG Zweibrücken NZG 2003, 931 (932), das eine fünfeinhalbmonatige Arbeitsunfähigkeit des Geschäftsführers als wichtigen Grund zur Abberufung im Sinne des § 38 Abs. 2 GmbHG angesehen hat. 469 BAG NZA 1993, 497 (498 f.). 470 BAG NZA 1999, 978 (980); BAG NZA 2002, 1081 (1083); BAG NZA 2007, 1041 (1042); BAG NZA 2008, 173 (174); BAG NZA 2011, 39 (39 f.); sehr kritisch dieser Ansicht demgegenüber v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 423 f. sowie Lepke, Kündigung bei Krankheit, 15. Auflage 2015, S. 171 f. Rn. 167.
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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bisherige Krankheitsdauer des Arbeitnehmers als irrelevant betrachten.471 Sofern demnach mit einem krankheitsbedingten Ausfall des Geschäftsführers von acht oder mehr Monaten zu rechnen ist, kann eine lang andauernde Erkrankung angenommen werden. Das Resultat einer Heilbehandlung oder Kurmaßnahme muss der Arbeitgeber dann abwarten, wenn eine solche Maßnahme in den zugrundeliegenden Berechnungszeitraum fällt. Entscheidend ist die Feststellung, dass der Zeitrahmen für eine lang andauernde Erkrankung bei GmbH-Geschäftsführern im Vergleich zu Arbeitnehmern kürzer sein muss, was insbesondere aus der enorm wichtigen Stellung der Organmitglieder im Unternehmen und einer damit einhergehenden Schwierigkeit von Überbrückungsmaßnahmen resultiert.472 b) Erhebliche Beeinträchtigungen betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen Weitere Voraussetzung einer lang andauernden Erkrankung ist bei GmbH-Geschäftsführern, dass die krankheitsbedingten Fehlzeiten der gesetzlichen Vertreter eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft bedingen.473 Wie schon bei den häufigen Kurzerkrankungen kann es sich hierbei einerseits um Betriebsstörungen oder andererseits um wirtschaftliche Belastungen handeln. aa) Betriebliche Beeinträchtigungen Als betriebliche Beeinträchtigungen sind solche zu nennen, die bereits bei den häufigen Kurzerkrankungen aufgezeigt wurden.474 Fällt der Geschäftsführer einer GmbH krankheitsbedingt längere Zeit aus, kann das zu einer partiellen Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft und daraus resultierend zu erheblichen Schwierigkeiten im Arbeits- und Produktionsablauf des Unternehmens führen. bb) Überbrückungsmaßnahmen als Kompensation? Dies wäre nur dann zu verneinen, wenn der Gesellschaft Überbrückungsmaßnahmen zur Kompensation zur Verfügung stünden. Möglich wäre bei lang andauernden Erkrankungen eine etwaige Stellvertretung durch die anderen im Unternehmen berufenen Geschäftsführer oder einen stellvertretenden Geschäftsführer gemäß § 44 GmbHG. Überbrückungsmaßnahmen wie das Vorhalten einer Personalreserve oder eine Umorganisation kommen nicht in Betracht.475 471 472 473 474 475
Siehe unter Kap. 3 D. II. 3. a). Jaeger, DStR 2010, 2312 (2315). In Bezug auf Arbeitnehmer: Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 1. Siehe unter Kap. 3 D. II. 1. b) aa). Siehe unter Kap. 3 D. II. 1. b) bb) (1) und (2).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
(1) Bestellung eines Notgeschäftsführers gemäß § 29 BGB analog? Ebenso scheidet die Bestellung eines Notgeschäftsführers gemäß § 29 BGB analog aus. Zum einen fehlt es meines Erachtens bereits an einer planwidrigen Regelungslücke, da die Gesellschaft mit der Vorschrift des § 44 GmbHG eine Möglichkeit besitzt, einen Stellvertreter für den krankheitsbedingt fehlenden Geschäftsführer zu bestellen und aus diesem Grund nicht auf eine Bestellung durch ein Gericht angewiesen ist.476 Zum anderen wäre die Erforderlichkeit respektive Dringlichkeit im Sinne des § 29 BGB nicht gegeben, wenn die Gesellschaft in der Lage ist, eigene Maßnahmen zur Verhinderung der Führungslosigkeit der GmbH zu ergreifen. Dem kann auch nicht mit dem Argument begegnet werden, dass die GmbH unter Umständen keine Person finden wird, die sich dazu bereit erklärt, für einen bestimmten Zeitraum die Aufgaben des ordentlichen Geschäftsführers zu übernehmen. Eine solche Schwierigkeit bestünde ebenso bei einem vom Gericht zu bestimmenden Geschäftsführer. Obendrein wird die Gesellschaft kein Interesse daran haben, dass nicht ihre Gesellschafter selbst entscheiden, sondern ein Gericht über einen etwaigen Stellvertreter ihres erkrankten Organmitgliedes bestimmt. Aufgrund Fehlens einer planwidrigen Regelungslücke sowie einer vergleichbaren Interessenlage kann § 29 BGB folglich keine analoge Anwendung finden. (2) Einstellen eines Aushilfsgeschäftsführers Auch das Einstellen eines Aushilfsgeschäftsführers erweist sich als sehr schwierig. Die Position eines Geschäftsführers ist eine besonders wichtige und damit prestigeträchtige Stellung im Unternehmen, so dass sich ein Geschäftsführer höchstwahrscheinlich nicht zufrieden geben würde, nur als Aushilfsgeschäftsführer berufen zu werden.477 Sollte die Gesellschaft entgegen diesen Ausführungen dennoch jemanden finden, der auch nur für eine gewisse Zeit die Stellung eines Geschäftsführers einnehmen möchte, ist es der GmbH in einem solchen Fall selbstverständlich nicht verwehrt, den krankheitsbedingten Ausfall ihres ordentlichen Geschäftsführers durch einen Aushilfsgeschäftsführer zu überbrücken. (3) Stellvertretung durch die anderen Geschäftsführer oder einen Stellvertreter gemäß § 44 GmbHG Krankheitsbedingte Fehlzeiten können am ehesten durch eine Stellvertretung der anderen im Unternehmen berufenen Geschäftsführer oder eine solche nach § 44 GmbHG kompensiert werden. In diesem Zusammenhang muss aber festgestellt werden, dass eine Vertretung durch die anderen im Unternehmen tätigen Geschäftsführer für einen Zeitraum von acht oder unter Umständen sogar zwölf Monaten478 nicht möglich ist. Ihnen ist es schlicht nicht zuzumuten, über einen derart 476 477 478
Siehe schon oben unter Kap. 3 D. II. 1. b) bb) (4) (a) (aa). Vgl. schon Kap. 3 D. II. 1. b) bb) (3). Vgl. Kap. 3 D. II. 3. a) aa).
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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langen Zeitraum die Fehlzeiten des erkrankten Geschäftsführers durch Mehrarbeit aufzufangen. Sie könnten grundsätzlich für einen Monat maximal zwei Monate als Überbrückung eingesetzt werden, nicht jedoch für eine darüber hinausgehende Zeitspanne. Anders verhält sich dies bei einem Stellvertreter gemäß § 44 GmbHG. Ein solcher kann auch einen Zeitrahmen von acht oder mehr Monaten überbrücken. Daher gibt es bei GmbH-Geschäftsführern im Unterschied zu leitenden Angestellten, bei welchen der Einsatz von Vertretern im Falle lang andauernder Krankheit verneint wird,479 Überbrückungsmaßnahmen. Die Möglichkeit, einen stellvertretenden Geschäftsführer zu berufen, besteht dabei sowohl bei einer kleinen als auch einer großen GmbH. Da diese im Falle langanhaltender Krankheit nicht zur Lohnfortzahlung verpflichtet bleibt, hätte eine entgeltliche Entlohnung eines Stellvertreters keine wirtschaftliche Belastung zur Folge. Beachtet werden muss jedoch, dass einer kleinen GmbH mit einem Geschäftsführer eine Stellvertretung nur dann über einen Zeitraum von acht oder sogar zwölf Monaten zuzumuten ist, wenn sich ein externer Beschäftigter für die Übernahme des Postens des Stellvertreters bereit erklärt. Anderenfalls wird es der GmbH im Unterschied zu einer großen GmbH, insbesondere mit mehreren Geschäftsführern, eventuell schwerer fallen, einen solch langen Zeitraum durch einen betriebsinternen Stellvertreter zu überbrücken.480 Aber auch bei einer großen GmbH ist eine Überbrückung für einen Zeitrahmen von acht bis zwölf Monaten nur dann denkbar, wenn die Gesellschaft von vornherein einen Verhinderungsvertreter beschäftigt oder einen externen Angestellten findet. Ansonsten könnte es nämlich auch für eine große GmbH schwierig sein, eine lang andauernde Erkrankung durch betriebsinterne Mitarbeiter zu überbrücken. In der Folge kann aufgrund der Schwierigkeit, Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, ein über zwölf Monate hinausgehender Zeitrahmen bei GmbH-Geschäftsführern grundsätzlich nicht akzeptiert werden. cc) Wirtschaftliche Belastungen Bei lang anhaltenden Erkrankungen eines Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber in der Regel nicht zur Lohnfortzahlung gemäß § 3 EFZG verpflichtet, so dass er aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz keine kündigungserheblichen Belastungen herleiten kann.481 Ebenso wie bei Arbeitnehmern können der Gesellschaft aus dem krankheitsbedingten längerfristigen Ausfall ihres Geschäftsführers keine wirtschaftlichen Beeinträchtigungen erwachsen. Erkrankt der Geschäftsführer für eine längere als eine verhältnismäßige Zeit im Sinne der Vorschrift des § 616 S. 1 BGB, ist eine wirtschaftliche Belastung zu verneinen. In einem solchen Fall kann er keine Lohnfortzahlung verlangen, da ein Arbeitsausfall, der den Zeitrahmen des § 616 479
Siehe unter Kap. 3 D. II. 1. b) bb) (4). Vgl. auch Jaeger, DStR 2010, 2312 (2315). 481 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 373; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 163; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 130a. 480
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
BGB überschreitet, zu einem vollständigen Entfallen des Lohnfortzahlungsanspruches führt.482 Hat sich die Gesellschaft im Anstellungsvertrag privatautonom zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle verpflichtet, kann sie für diesen Zeitraum keine wirtschaftlichen Belastungen geltend machen. Da über diesen Zeitrahmen hinaus keine Zahlungsverpflichtung seitens der Gesellschaft besteht, kann diese wirtschaftlich nicht belastet sein. Im Falle der Erkrankung des GmbH-Geschäftsführers über eine längere Zeit wird eine Gesellschaft, wie bei einem krankheitsbedingten Ausfall eines Arbeitnehmers, demnach wirtschaftlich nicht belastet. dd) Mildere Mittel Eine Versetzung des Geschäftsführers auf einen anderen Arbeitsplatz oder die Änderung seiner Arbeitsbedingungen als mildere Mittel sind unter Umständen in Erwägung zu ziehen, gestalten sich aber sehr schwierig. Diesbezüglich kann vollumfänglich auf die Ausführungen hinsichtlich einer Beendigung des Anstellungsverhältnisses aufgrund häufiger Kurzerkrankungen verwiesen werden.483 ee) Ergebnis erhebliche Beeinträchtigungen Erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen sind bei einem langen krankheitsbedingten Ausfall eines GmbH-Geschäftsführers darin zu sehen, dass die Gesellschaft ohne gesetzlichen Vertreter nicht voll handlungsfähig ist. Dieser Umstand kann für eine gewisse Zeitspanne durch eine Stellvertretung behoben werden. Zu einer wirtschaftlichen Belastung der Gesellschaft kann es bei einer lang andauernden Erkrankung hingegen nicht kommen. Mildere Mittel als eine Kündigung sind zumindest bei einem Fremdgeschäftsführer und minderheitsbeteiligten GesellschafterGeschäftsführer rein theoretisch möglich, in der Praxis aber schwer umsetzbar. c) Interessenabwägung In einem dritten Prüfungsschritt stellt sich die Frage, ob im Falle einer Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung eine Interessenabwägung vorzunehmen ist. Auch in dieser Hinsicht gelten die gleichen Grundsätze wie bei einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen.484 Ist eine negative Gesundheitsprognose sowie eine erhebliche betriebliche Beeinträchtigung zu bejahen, die nicht mehr durch Überbrückungsmaßnahmen kompensiert werden kann, muss eine Interessenabwä482
Vgl. Grundlegende Entscheidung BAG NJW 1960, 741 (741 ff.); BGH NJW 1979, 422 (425); MünchKommBGB/Henssler, § 616 BGB Rn. 61; Bamberger/Roth/Fuchs, BeckOK BGB, § 616 Rn. 45; ErfK/Preis, § 616 BGB Rn. 10; Haase, GmbHR 2005, 1260 (1266). 483 Siehe unter Kap. 3 D. II. 1. b) dd). 484 Siehe unter Kap. 3 D. II. 1. c) bb).
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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gung in der Regel zugunsten der Gesellschaft ausfallen. Einzig die entsprechende Würdigung einer Schwerbehinderung des Geschäftsführers kann eine Kündigung als sozial ungerechtfertigt erscheinen lassen. d) Ergebnis lang andauernder Krankheiten Die Kündigung des Anstellungsvertrages eines GmbH-Geschäftsführers wegen einer lang andauernden Erkrankung unterliegt grundsätzlich einer dreistufigen Prüfung. Eine negative Gesundheitsprognose kann bejaht werden, wenn der Geschäftsführer für einen Zeitraum von acht bis unter Umständen zwölf Monaten arbeitsunfähig erkrankt ist. Diese Zeitspanne umfasst sowohl die bisherige Arbeitsunfähigkeit als auch die Zeit, in welcher der Geschäftsführer zukünftig noch krankheitsbedingt fehlen wird. Eine Überbrückung der Betriebsstörungen in Form der teilweisen Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft ist dieser durch den Einsatz eines Stellvertreters möglich. Hierbei können die anderen Geschäftsführer im Betrieb sowie ein stellvertretender Geschäftsführer gemäß § 44 GmbHG die Fehlzeiten kompensieren, wobei Letzterem eine Überbrückung für einen längeren Zeitraum zuzumuten ist. Eine Versetzung oder die Änderung der Arbeitsbedingungen ist, wie bei häufigen Kurzerkrankungen, sehr schwierig, so dass betriebliche Beeinträchtigungen früher zu bejahen sein werden als bei der Kündigung eines Arbeitnehmers. Da auch eine Interessenabwägung nur in seltenen Fällen zugunsten des Geschäftsführers ausfallen kann, wird eine Kündigung aufgrund lang andauernder Erkrankung des Organmitgliedes eher gerechtfertigt sein als bei anderen Beschäftigten im Betrieb. 4. Gesamtergebnis Krankheit Die Übertragung der Anforderungen einer personenbedingten Kündigung eines Arbeitnehmers aus krankheitsbedingten Gründen auf die Beendigung des Anstellungsvertrages eines GmbH-Geschäftsführers ist im Einzelnen sehr schwierig. Zwar kann es auch bei Organmitgliedern häufige Kurzerkrankungen, eine dauerhafte Erkrankung sowie lang andauernde Erkrankungen geben. Auch wird die Rechtfertigung einer Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 1 KSchG wegen häufiger Kurzerkrankungen oder einer lang andauernden Erkrankung grundsätzlich in drei Stufen geprüft. Eine strikte Trennung zwischen den einzelnen Stufen ist dabei aber in der Regel nicht möglich. Eine negative Gesundheitsprognose als erste Voraussetzung kann oftmals nicht ohne einen Rückgriff auf die Betrachtung der erheblichen betrieblichen oder wirtschaftlichen Beeinträchtigungen erfolgen, welche eigentlich erst in einem zweiten Schritt zu prüfen sind. Für die Rechtfertigung einer Kündigung aufgrund häufiger Kurzerkrankungen eines GmbH-Geschäftsführers ergibt sich daher für die Bejahung einer negativen Prognose, dass alle Erkrankungen eines Organmitgliedes innerhalb eines halben Jahres bis in der Regel maximal eineinhalb Jahren indiziell herangezogen werden können. Bei einer lang andauernden Er-
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
krankung kann eine negative Prognose angenommen werden, wenn der Geschäftsführer für acht bis zwölf Monate arbeitsunfähig erkrankt. Die in Folge des Ausfalls des gesetzlichen Vertreters entstehende partielle Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft kann diese bei häufigen Kurzerkrankungen schwerer überbrücken als bei einer lang andauernden Krankheit des Organmitgliedes. Bei beiden Krankheitsformen kommt eine Stellvertretung gemäß § 44 GmbHG, eine solche durch die anderen Geschäftsführer im Betrieb oder einen Prokuristen in Betracht. Angesichts des zeitlichen Aspektes und der Gegebenheiten einer GmbH, insbesondere wegen der bei häufigen Kurzerkrankungen oftmals bestehenden Lohnfortzahlungsverpflichtung seitens der Gesellschaft gemäß §§ 611, 616 S. 1 BGB oder des Anstellungsvertrages, ist die Überbrückung bei zahlreichen kurzen Erkrankungen schwieriger als bei lang andauernden Erkrankungen. Auch können kleinere GmbHs im Vergleich zu größeren Unternehmen einen krankheitsbedingten Ausfall ihres Geschäftsführers weniger gut kompensieren. Mildere Mittel zur Vermeidung einer Kündigung, beispielsweise durch eine Versetzung des Organmitgliedes auf einen gleichwertigen oder einen geringwertigeren Arbeitsplatz, gestalten sich in der Regel problematisch; bei Gesellschafter-Geschäftsführern und herrschenden Gesellschaftern scheidet eine Weiterbeschäftigung unterhalb der Organebene von vornherein aus. Ebenso ist eine Änderung der Arbeitsbedingungen eher weniger denkbar. Bei häufigen Kurzerkrankungen ist eine GmbH ferner nicht verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX durchzuführen. Eine Interessenabwägung kann sowohl bei häufigen Kurzerkrankungen als auch bei lang andauernden Erkrankungen grundsätzlich, bei Gegebensein einer negativen Gesundheitsprognose und erheblicher betrieblicher oder wirtschaftlicher Beeinträchtigungen, nicht mehr zugunsten des Geschäftsführers ausfallen, es sei denn, dass eine etwaige Schwerbehinderung des gesetzlichen Vertreters maßgebend berücksichtigt werden muss. Alles in allem ist die Beendigung des Anstellungsvertrages eines GmbH-Geschäftsführers, ähnlich wie bei leitenden Angestellten, im Gegensatz zu der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines normalen Arbeitnehmers regelmäßig zu einem früheren Zeitpunkt gerechtfertigt. Dies ist speziell durch die besondere Position eines Geschäftsführers und seine damit einhergehende schwierige Ersetzbarkeit bedingt. Eine Kündigung wegen dauernder Leistungsunfähigkeit ist dagegen grundsätzlich, wie bei Arbeitnehmern auch, bereits dann sozial rechtmäßig im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 1 KSchG, wenn eine dauernde Leistungsunfähigkeit des Beschäftigten feststeht. Die Gesellschaft muss in einem solchen Fall keine weiteren Anforderungen einer Kündigung beachten.
III. Aids Erkrankt ein GmbH-Geschäftsführer an Aids, kann die Gesellschaft nur unter besonderen Umständen eine personenbedingte Kündigung aussprechen.
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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Bei Arbeitnehmern, die dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes unterfallen, ist eine Kündigung aufgrund einer HIV-Infektion regelmäßig nicht sozial gerechtfertigt, da es allein durch die Erkrankung grundsätzlich nicht zu einer Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses kommt.485 Etwas anderes gilt dann, wenn mit der Infektion durch die Tätigkeit des Arbeitnehmers gesteigerte Gefahren für Dritte einhergehen.486 In einem solchen Fall kann eine Kündigung rechtmäßig sein, wenn keine Umsetzungsmöglichkeiten existieren, bei der sich Gefahren für andere nicht ergeben.487 Ist die Krankheit ausgebrochen und führt in der Folge zu einem krankheitsbedingten Ausfall des Beschäftigten, wäre eine Kündigung unter den Voraussetzungen möglich, die bei einer personenbedingten Kündigung wegen Krankheit verbindlich sind.488 Diese Erwägungen können auf die Kündigung des Anstellungsverhältnisses eines GmbH-Geschäftsführers übertragen werden. Vereinbaren die Gesellschaft und ihr Geschäftsführer die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes privatautonom, kann eine Erkrankung des Organmitgliedes an Aids den Anstellungsvertrag nicht rechtmäßig beenden. In der Regel ist nicht davon auszugehen, dass es aufgrund der Erkrankung zu Beeinträchtigungen des Rechtsverhältnisses kommen wird, solange der Geschäftsführer in der Lage ist, seiner Tätigkeit und seinen damit einhergehenden Aufgaben in vollem Umfang ordnungsgemäß nachzugehen. Erst wenn dies nicht mehr gewährleistet ist, wäre eine Kündigung denkbar, die sich nach den Voraussetzungen für eine Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen richten würde. Wird der Geschäftsführer demnach aufgrund seiner HIV-Infektion arbeitsunfähig, ist eine Beendigung seines Anstellungsverhältnisses zu dem Zeitpunkt gerechtfertigt, zu dem die oben erläuterten Voraussetzungen erfüllt sind.489 Da aus der Tätigkeit eines Geschäftsführers grundsätzlich keine gesteigerten Gefahren für Dritte resultieren, ist eine Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt, das heißt bevor das Organmitglied wegen seiner Infektion arbeitsunfähig ausfällt, in der Regel nicht möglich.
IV. Alkohol und Drogensucht Wird ein Arbeitnehmer alkohol- oder drogenkrank und kann dieser Sucht ein medizinischer Krankheitswert beigemessen werden, gelten für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses diejenigen Grundsätze, die bei einer krankheitsbedingten Kün485 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 16; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 152; Löwisch, DB 1987, 936 (941). 486 Richardi, NZA 1988, 73 (78). 487 Richardi, NZA 1988, 73 (78); ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 152; Schaub/Linck, ArbRHdb., § 131 Rn. 16; Fiebig/Gallner/Mestwerdt/Nägele/Gallner, KSchR, § 1 KSchG Rn. 497. 488 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 16; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 152; Lepke, DB 1987, 1299 (1300); Lepke, RdA 2000, 87 (89); Richardi, NZA 1988, 73 (79); Löwisch, DB 1987, 936 (942); v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 317. 489 Siehe zu den Ausführungen einer krankheitsbedingten Kündigung Kap. 3 D. II. ff.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
digung Anwendung finden.490 Ein medizinischer Krankheitswert kann angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer sowohl physisch als auch psychisch vom Alkohol abhängig ist und somit die Fähigkeit zur Selbstkontrolle verloren hat.491 Angesichts des Verlustes der Selbstkontrolle handelt es sich bei einer Kündigung um eine personenbedingte und nicht um eine verhaltensbedingte Kündigung.492 Von einer negativen Prognose bei einer Alkoholabhängigkeit des Arbeitnehmers ist auszugehen, wenn dieser keine Therapiebereitschaft zeigt.493 Das Verheimlichen der Sucht erlaubt die Schlussfolgerung, „dass der Arbeitnehmer bis zur Kündigung nicht therapiebereit war“.494 Hat der Beschäftigte bereits Therapien abgeschlossen, erleidet danach aber jeweils einen Rückfall, ist die Annahme berechtigt, dass sich die Sucht und damit der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers grundsätzlich auch zukünftig nicht verändert.495 Bevor der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis rechtmäßig wegen Alkoholsucht kündigen kann, ist er jedoch grundsätzlich bei Kenntnis über die Erkrankung des Arbeitnehmers dazu verpflichtet, diesen zur Durchführung einer Entziehungskur aufzufordern.496 Erklärt sich der Arbeitnehmer mit einer Therapie einverstanden, muss der Arbeitgeber in der Regel deren Erfolg abwarten.497 Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer bereits Therapieversuche unternommen hat und der Arbeitgeber ihm in der Vergangenheit verdeutlicht hat, dass eine Fortsetzung seiner Trunksucht eine Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zur Folge haben wird.498 Die vorstehenden Grundsätze sind bei einer Drogenabhängigkeit entsprechend anzuwenden.499 490 v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 320; Schaub/Linck, ArbRHdb., § 131 Rn. 17; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 153; Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 157 und 175; Lepke, Kündigung bei Krankheit, 15. Auflage 2015, S. 399 Rn. 368; BAG NZA 1987, 811 (811 f.); BAG NZA 1995, 517 (518); BAG Urteil v. 13. 12. 1990 – 2 AZR 336/90, juris Rn. 16. 491 v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 320; Ascheid/Preis/ Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 228; BAG NZA 1995, 517 (518). 492 v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 323. 493 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 17; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 153; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 286; BAG NZA 1987, 811 (813). 494 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 18; BAG NZA 1999, 1328 (1330). 495 v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 322; Schaub/Linck, ArbRHdb., § 131 Rn. 17; BAG NZA 2000, 141 (143). 496 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 286; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 18; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 324; Fiebig/Gallner/Mestwerdt/ Nägele/Gallner, KSchR, § 1 KSchG Rn. 503; Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 159; BAG NZA 1999, 1328 (1330); einschränkend Lepke, Kündigung bei Krankheit, 15. Auflage 2015, S. 416 ff. Rn. 379. 497 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 18; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 153; Fiebig/ Gallner/Mestwerdt/Nägele/Gallner, KSchR, § 1 KSchG Rn. 503. 498 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 18; vgl. BAG Urteil v. 13. 12. 1990 – 2 AZR 336/ 90, juris Rn. 20. 499 ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 153; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 328; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 18; Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 175.
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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Auch bei GmbH-Geschäftsführern müssen im Falle der Beendigung ihres Anstellungsverhältnisses wegen Alkohol- oder Drogensucht die zur Beendigung des Anstellungsvertrages aus krankheitsbedingten Gründen entwickelten Grundsätze entsprechend zur Anwendung gelangen.500 Das Vorliegen einer negativen Prognose kann, wie bei Arbeitnehmern, bejaht werden, wenn der Geschäftsführer seine Sucht verheimlicht, nicht bereit ist, sich einer Entziehungskur zu unterziehen oder er nach einer bereits absolvierten Therapie einen Rückfall erleidet. Dabei dürfte im Unterschied zu Arbeitnehmern der einmalige erfolglose Versuch einer Therapie genügen. Ob die Gesellschaft bei einem GmbH-Geschäftsführer verpflichtet ist, diesen vor Ausspruch einer Kündigung zur Durchführung einer Entziehungskur aufzufordern, muss differenziert betrachtet werden. Hierbei ist der Einzelfall entscheidend: Ist der Geschäftsführer erst seit einer kurzen Zeit alkohol- oder drogenabhängig und hat diese Sucht bislang noch zu keinen oder nur minimalen Beeinträchtigungen der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft geführt, kann die GmbH unter Umständen gehalten sein, ihrem gesetzlichen Vertreter das Absolvieren einer erfolgreichen Entziehungskur als Voraussetzung für die Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses anzubieten, wenn sie diesen Zeitraum überbrücken kann. Ist es hingegen bereits zu erheblichen Betriebsstörungen oder wirtschaftlichen Beeinträchtigungen gekommen, ist eine GmbH zur Aufforderung des Durchführens einer Entziehungskur nicht verpflichtet. Eine solche Sichtweise kann mit der besonderen Funktion und Stellung eines Geschäftsführers im Unternehmen begründet werden. Hat die Alkohol- oder Drogensucht des Geschäftsführers erhebliche Störungen des Betriebsablaufes durch ein nicht oder nicht ordnungsgemäßes Vertretensein der Gesellschaft oder eine Schädigung des Ansehens des Unternehmens zur Folge, ist der GmbH eine Weiterbeschäftigung des Organmitgliedes in der Regel nicht zumutbar. Ein solcher Geschäftsführer ist für einen Betrieb nicht tragbar. Die Betrachtung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Beeinträchtigungen im Rahmen der Feststellung einer negativen Prognose zeigt, dass es auch an dieser Stelle nicht möglich ist,501 strikt zwischen den einzelnen Prüfungsschritten zu trennen, diese vielmehr ineinander übergehen können. Je stärker die GmbH Störungen zu verzeichnen hat, umso eher kann eine negative Gesundheitsprognose angenommen werden. Möchte der Geschäftsführer zur Bekämpfung seiner Erkrankung eine Therapie durchführen, muss die GmbH das Ergebnis einer solchen nur dann abwarten, wenn es bisher zu keinen größeren Beeinträchtigungen der Interessen der Gesellschaft kam. An das Vorliegen einer negativen Gesundheitsprognose bei einer Alkohol- oder Drogensucht des Geschäftsführers werden folglich in der Regel geringere Anforderungen als bei einer anderen Erkrankung gestellt. Auch können erhebliche Störungen betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen zu einem früheren Zeitpunkt eintreten. Regelmäßig wird die GmbH bei einer Arbeitsunfähigkeit des Geschäftsführers nicht umfassend vertreten sein. Eine solche Beeinträchtigung ließe sich unter Umständen für einen bestimmten Zeitraum durch Überbrückungsmaßnahmen in Form einer 500 501
Vgl. die Ausführungen zu einer krankheitsbedingten Kündigung Kap. 3 D. II. ff. Vgl. schon unter Kap. 3 D. II. 4.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Stellvertretung502 kompensieren. Hierbei ergeben sich keine relevanten Unterschiede zu einer krankheitsbedingten Kündigung. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Geschäftsführer, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Süchtige oftmals nicht die Einsichtsfähigkeit besitzen, dass sie krank sind, weiterhin seinen Aufgaben als Geschäftsführer nachgehen wird, diese aber nicht mehr in dem Umfang ordnungsgemäß erfüllen kann, wie es seine Position erfordert. Auch hierin liegt eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Gesellschaft. Ebenso kann eine wirtschaftliche Belastung angenommen werden, wenn die Gesellschaft die Vergütung vertragsgemäß entrichtet, dieser jedoch keine adäquate Arbeitsleistung des Geschäftsführers gegenüber steht. Zudem besteht die Gefahr, dass ein alkoholoder drogenabhängiger Geschäftsführer, der weiterhin für die GmbH tätig ist, deren Ansehen gegenüber Dritten, insbesondere gegenüber Vertragspartnern massiv schädigt. Solche Beeinträchtigungen lassen sich nicht durch Überbrückungsmaßnahmen vermeiden. Sind in einem solchen Fall eine negative Prognose sowie erhebliche Beeinträchtigungen gegeben und kommen Überbrückungsmaßnahmen sowie eine eventuelle Versetzung503 nicht in Betracht, kann eine Interessenabwägung grundsätzlich nicht mehr zugunsten des Geschäftsführers ausfallen. Im Unterschied zu einer krankheitsbedingten Kündigung, welche bei einem schwerbehinderten Geschäftsführer im Rahmen einer Abwägung zu seinen Gunsten berücksichtigen muss,504 wenn die Erkrankungen auf die Schwerbehinderung zurückzuführen sind, kann diese Tatsache bei einer Alkohol- oder Drogenabhängigkeit keine ausschlaggebende Bedeutung haben. Selbst sofern nicht auszuschließen ist, dass der Geschäftsführer wegen des Nichtbewältigens seiner Schwerbehinderung alkohol- oder drogenabhängig wird, kann diesem Umstand aufgrund der mit einem Geschäftsführerposten verbundenen besonderen Funktion sowie der schwierigen Heilungschancen bei einer Suchterkrankung keine solche Relevanz beigemessen werden, dass eine Kündigung ungerechtfertigt wäre. Sind eine negative Prognose, insbesondere vor dem Hintergrund einer fehlenden Therapiebereitschaft des Organmitgliedes sowie erhebliche Beeinträchtigungen der Interessen der Gesellschaft zu bejahen, kann die Ursache der Alkohol- oder Drogenerkrankung des Geschäftsführers eine Kündigung in der Regel nicht mehr unwirksam machen; die GmbH wird vielmehr zum Ausspruch einer personenbedingten Kündigung berechtigt sein.
502 Siehe unter Kap. 3 D. II. 1. b) bb) (4) (b) und (c) (bb) sowie D. II. 3. b) bb) (3) (Stellvertretung gemäß § 44 GmbHG, durch die anderen Geschäftsführer oder einen Prokuristen). 503 Eine Versetzung ist ohnehin schwierig. Sofern eine solche überhaupt rechtlich zulässig ist, werden auch auf einem neuen Arbeitsplatz Beeinträchtigungen nicht ausgeschlossen werden können; siehe hierzu schon die Ausführungen unter Kap. 3 D. II. 1. b) dd) (1). 504 Siehe unter Kap. 3 D. II. 1. c) bb).
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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V. Schwangerschaft Durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 11. 11. 2010 in der Rechtssache Danosa ist die Kündigung einer schwangeren Geschäftsführerin stark in den Mittelpunkt gelangt. Nach deutschem Recht wäre eine solche Beendigung von Arbeitsverhältnissen gemäß § 9 MuSchG unwirksam, welcher ein eigenständiges, vom Kündigungsschutzgesetz losgelöstes Kündigungsverbot statuiert.505 1. Anwendbarkeit des Mutterschutzgesetzes? Gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft unzulässig. Dieser Kündigungsschutz gilt nach § 1 MuSchG für Arbeitnehmerinnen und in Heimarbeit beschäftigte und ihnen gleichgestellte Frauen. Für GmbH-Geschäftsführerinnen wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass ihnen der Schutz des Mutterschutzgesetzes grundsätzlich nicht zu Teil wird.506 Auch eine analoge Anwendung, welche in Erwägung gezogen wird,507 ist in der Regel zu verneinen.508 Der Gesetzgeber hat neben den Arbeitnehmerinnen den Schutzbereich des Mutterschutzgesetzes auf die in Heimarbeit Beschäftigten und ihnen Gleichgestellten, welche keiner persönlichen sondern nur einer wirtschaftlichen Abhängigkeit unterliegen,509 erweitert.510 Er hat auf diese Weise den geschützten Personenkreis definiert.511 Wäre die Intention des Gesetzgebers darauf gerichtet gewesen, auch GmbH-Geschäftsführerinnen in den Anwendungsbereich des Mutterschutzgesetzes einzubeziehen, hätte er dies, ähnlich wie bei den in Heimarbeit beschäftigten Frauen, herausgestellt.512 Es liegt damit im Ergebnis keine planwidrige Re-
505 Vgl. Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching/Leopold, BeckOK MuSchG, § 9 Rn. 3; Buchner/Becker, MuSchG, Vorbemerkung zu §§ 9 und 10 MuSchG Rn. 6. 506 Willikonsky, MuSchG, § 1 MuSchG Rn. 12; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, Praxishandbuch der GmbH-Geschäftsführung, § 13 Rn. 17; ErfK/Schlachter, § 1 MuSchG Rn. 3; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 166 Rn. 8; Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (706); Steinau-Steinrück/Mosch, NJW-Spezial 2011, 178 (178); Schiefer/Worzalla, ZfA 2013, 41 (66 f.). 507 Henssler, RdA 1992, 289 (296), Grenze bei Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft. 508 Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (707); Schiefer/Worzalla, ZfA 2013, 41 (67); SteinauSteinrück/Mosch, NJW-Spezial 2011, 178 (178); Buchner/Becker, MuSchG, § 1 MuSchG Rn. 96. 509 Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (707). 510 Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (707); Steinau-Steinrück/Mosch, NJW-Spezial 2011, 178 (178). 511 Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (707); Steinau-Steinrück/Mosch, NJW-Spezial 2011, 178 (178). 512 Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (707); Buchner/Becker, MuSchG, § 1 MuSchG Rn. 96.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
gelungslücke vor, welche für eine analoge Anwendung des Mutterschutzgesetzes und des § 9 MuSchG erforderlich wäre.513 2. Auswirkungen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 11. 11. 2010 in der Rechtssache Danosa? Ob § 9 MuSchG dennoch auf Geschäftsführerinnen einer GmbH Anwendung findet, ist unter Betrachtung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs zur Rechtssache Danosa zu erörtern.514 In der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs wurde Frau Danosa als Geschäftsführerin einer lettischen Gesellschaft, welche mit einer deutschen GmbH vergleichbar ist,515 abberufen, obwohl sie zum Zeitpunkt der Kündigung schwanger war.516 Der Gerichtshof prüfte in der Folge einen Verstoß gegen Art. 10 der Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG sowie eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne der Art. 2 Abs. 1 und 7 und 3 Abs. 1c der Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/ EWG517 und beantwortete im Zuge dessen zwei Vorabentscheidungsfragen. Die erste Frage befasste sich mit der Problematik, ob die Mitglieder eines Leitungsorgans einer Kapitalgesellschaft von dem Arbeitnehmerbegriff im Sinne der Richtlinie 92/85/ EWG erfasst werden518, welche in Art. 10 ein Kündigungsverbot für schwangere Arbeitnehmerinnen vorsieht. Der Europäische Gerichtshof konstatierte, dass es sich bei der Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der Richtlinie um einen unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff handele, der dann erfüllt sei, wenn „eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisungen Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält“.519 Bei Gegebensein dieser Voraussetzungen sei die Art des Rechtsverhältnisses nicht entscheidend, so dass nicht maßgebend sei, ob ein Arbeitsvertrag vorliege oder nicht.520 Es komme vielmehr auf ein Unterordnungsverhältnis an.521 Ein Mitglied der Unternehmensleitung könne dann als Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie 92/85/EWG angesehen werden, wenn es bei der Ausübung seiner Leistungen gegen Entgelt in die Gesellschaft eingegliedert sei und damit seine Tätigkeit für einen gewissen Zeitraum nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs der Gesellschaft erbringe sowie zu
513 Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (707); Steinau-Steinrück/Mosch, NJW-Spezial 2011, 178 (178); vgl. auch Schiefer/Worzalla, ZfA 2013, 41 (67). 514 EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa. 515 Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (33); Lunk/Rodenbusch, GmbHR 2012, 188 (190). 516 EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 23, 25. 517 EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 57 ff. 518 EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 38. 519 EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 39 f. 520 EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 40, 42. 521 EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 46.
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jeder Zeit ohne Grund von seinem Amt abberufen werden könne.522 Ob die Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt waren, hatte der Europäische Gerichtshof nicht entschieden, sondern dem vorlegenden Gericht überlassen, die entsprechenden Tatsachenprüfungen vorzunehmen.523 Bezüglich der zweiten Vorabentscheidungsfrage stellte der Europäische Gerichtshof fest, dass Art. 10 der Richtlinie 92/85/EWG dahingehend auszulegen sei, dass er nicht mit einer nationalen Bestimmung in Einklang gebracht werden könne, nach der ein Mitglied der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft jederzeit ohne Gründe und speziell ohne Berücksichtigung der Schwangerschaft abberufen werden kann.524 Ziel des Kündigungsverbotes des Art. 10 der Richtlinie 92/85/EWG sei, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz schwangerer Arbeitnehmerinnen zu optimieren.525 Das Kündigungsverbot stelle einen besonderen Schutz für Schwangere dar, insbesondere weil eine Entlassung eine Gefahr für ihre physische und psychische Verfassung sein könne.526 Sollte sich Frau Danosa als Arbeitnehmerin im Sinne der Richtlinie qualifizieren lassen und ihre Abberufung allein aufgrund der Schwangerschaft erfolgt sein, wäre eine solche wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot des Art. 10 unwirksam.527 Sofern Frau Danosa nicht unter den Schutzbereich der Richtlinie 92/85/EWG fallen würde, wäre eine Abberufung, die ausschließlich auf der Schwangerschaft einer Erwerbstätigen beruht, ein Verstoß gegen die Art. 2 Abs. 1 und 7 und 3 Abs. 1c der Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EWG.528 Da nur Frauen schwanger werden könnten und folglich nur ihnen aus diesem Grund gekündigt werden könnte, bedeute eine solche Entlassung eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne der Richtlinie.529 Dies gelte gemäß Art. 1 der Richtlinie 86/613/EWG in Verbindung mit der Richtlinie 76/207/EWG selbst dann, wenn Frau Danosa eine selbstständige Beschäftige wäre.530 a) Übertragbarkeit auf deutsches Recht? Inwiefern die vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Grundsätze in Bezug auf eine lettische Geschäftsführerin für deutsches Recht Geltung erlangen und auf GmbH-Geschäftsführerinnen im Sinne des § 6 GmbHG übertragen werden können, lässt sich nicht ohne Weiteres beantworten.
522 523 524 525 526 527 528 529 530
EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 51, 56. EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 56. EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 74. EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 58. EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 60. EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 62. EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 67, 74. EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 66. EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 70.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
aa) Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG Entsprechend dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs muss zuerst untersucht werden, ob GmbH-Geschäftsführerinnen vom Schutzbereich der Mutterschutzrichtlinie erfasst werden. (1) Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der Mutterschutzrichtlinie Dies setzt voraus, dass GmbH-Geschäftsführerinnen Arbeitnehmerinnen im Sinne der Richtlinie 92/85/EWG sind. Obwohl der Europäische Gerichtshof die Arbeitnehmereigenschaft von Frau Danosa in seiner Entscheidung nicht bejaht hat, deuten seine Ausführungen darauf hin, dass die Geschäftsführerin unter den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff zu fassen ist. Frau Danosa musste mit einem Aufsichtsrat zusammenarbeiten und war ihm gegenüber zur Rechenschaft über ihre Geschäftsführung verpflichtet.531 Die Abberufung erfolgte somit, so der Europäische Gerichtshof, durch ein Organ, welches nicht ihrer Kontrolle unterlag und das zu jeder Zeit entgegen ihrem Willen bestimmen konnte.532 Es wird daher anzunehmen sein, dass Frau Danosa im Falle einer entgeltlichen Tätigkeit als Arbeitnehmerin im Sinne der Richtlinie 92/85/EWG anzusehen ist,533 weil sie als weisungsabhängig klassifiziert werden kann oder aber in jedem Fall unter der Aufsicht eines anderen Organs agiert. Angesichts der Ähnlichkeit des lettischen und des deutschen Rechts werden zukünftig auch Geschäftsführerinnen einer GmbH unter Umständen als Arbeitnehmerinnen gelten. Das lettische Recht kennt nicht nur, wie das deutsche Recht, eine Trennung zwischen der Anstellung und der gesellschaftsrechtlichen Bestellung von Geschäftsführern (vgl. Art. 44 Abs. 3 Arbeitsgesetzbuch und Art. 224 Handelsgesetzbuch)534.535 Es sieht ebenso eine freie Widerruflichkeit der Geschäftsführerstellung vor (Art. 224 Abs. 4, 6 Handelsgesetzbuch) und verbietet eine Kündigung von Arbeitnehmerinnen, die allein auf einer Schwangerschaft beruht (Art. 109 Abs. 1 Arbeitsgesetzbuch).536 Bei einer nicht mitbestimmten GmbH ist ein Aufsichtsrat zwar kein Organ der Gesellschaft (§ 6 MitbestG), die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs sind aber bei einer Gesellschafterversammlung nicht anders zu interpretieren.537 Eine GmbH-Geschäftsführerin könnte daher bei der Zugrundelegung der Definition des Europäischen Gerichtshofs als Arbeitnehmerin im unionsrechtlichen Sinne bewertet werden. Für die Erfüllung des Merkmals der Eingliederung sollte 531
EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 49. EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 50. 533 Ebenso Junker, NZA 2011, 950 (951). 534 Abgedruckt bei EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 15 ff. 535 Oberthür, NZA 2011, 253 (257); Schelp, GmbH-Stpr. 2011, 265 (266). 536 Siehe ebenso Schelp, GmbH-Stpr. 2011, 265 (266). 537 Leopold, ZESAR 2011, 362 (365); Wank, EWiR 2011, 27 (28). 532
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genügen, dass die Geschäftsführerin bei der Ausübung ihrer Tätigkeit die personellen, sachlichen und immateriellen Ressourcen der Gesellschaft nutzt.538 Es ist nicht eindeutig, ob der Europäische Gerichtshof eine Eingliederung überhaupt als eigenständiges Kriterium für eine Arbeitnehmereigenschaft einstuft.539 Entscheidendes Merkmal ist eine Weisungsabhängigkeit oder die Aufsicht eines Organs sowie eine jederzeitige Abberufungsmöglichkeit. Eine GmbH-Geschäftsführerin agiert nicht bereits dann nach Weisung oder unter Aufsicht eines anderen Organs, wenn sie Rechenschaft abzulegen hat.540 Solche Pflichten folgen beispielsweise aus den §§ 41 und 51a Abs. 1 GmbHG sowie aus den allgemeinen Regelungen der §§ 675 Abs. 1, 666 BGB und obliegen damit jedem Geschäftsführer einer deutschen GmbH.541 Da der Europäische Gerichtshof für eine Arbeitnehmereigenschaft aber die Weisung eines anderes Organs der Gesellschaft genügen lässt, könnten diese Voraussetzungen bei einer gesellschaftsrechtlichen Weisungsbefugnis und somit bei einer GmbH-Geschäftsführerin erfüllt sein.542 Dabei spielt es keine Rolle, dass die gesellschaftsrechtliche Weisungsbefugnis in der Organstellung wurzelt und von der arbeitsrechtlichen zu unterscheiden ist, weil der Europäische Gerichtshof letztere für den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff gerade nicht fordert.543 In jedem Fall unterliegt eine deutsche Geschäftsführerin gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG Weisungen der Gesellschafterversammlung und kann gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG jederzeit ohne Einschränkung abberufen werden, was ein Unterordnungsverhältnis im Sinne des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs begründen könnte. Eine solche Sichtweise ist zumindest bei Fremdgeschäftsführerinnen und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführerinnen zu bejahen.544 Dies bestätigte mittlerweile auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 09. 07. 2015 in Bezug auf die Vereinbarkeit des Regelungsgehalts des § 17 KSchG mit der Massenentlassungsrichtlinie (Art. 1 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. 07. 1998), in dem er einen nicht an der Gesellschaft beteiligten und somit Fremdgeschäftsführer wegen eines zu bejahenden Unterordnungsverhältnisses als Arbeitnehmer im unionsrechtlichen Sinne bewer538
Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (41); a.A. Kort, NZG 2013, 601 (604). Vgl. EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 56. 540 Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (41 f.). 541 Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (42). 542 Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (42); Leopold, ZESAR 2011, 362 (365); ErfK/Schlachter, § 1 MuSchG Rn. 3; Junker, NZA 2011, 950 (951); Kempermann, NJW-Spezial 2013, 655 (655). 543 Vgl. Schubert, ZESAR 2013, 5 (8). 544 Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen, 2014, S. 67 und 71 f.; Schubert, ZESAR 2013, 5 (8); Lunk/Rodenbusch, GmbHR 2012, 188 (190); Kempermann, NJW-Spezial 2013, 655 (655); Bauer/Arnold, ZIP 2012, 597 (598); Reiserer, DB 2011, 2262 (2265); Reinhard/Bitsch, ArbRB 2011, 241 (242 f.), wobei jedoch das Abstellen auf eine bloß gesellschaftsrechtliche Weisungsbefugnis kritisch gesehen wird und stattdessen eine erhebliche Weisungsabhängigkeit gefordert wird; Fischer, NJW 2011, 2329 (2331), in Bezug auf Fremdgeschäftsführer – ebenso Bauer, GWR 2010, 310965 und Medem, ArbRAktuell 2010, 312347; Oberthür, NZA 2011, 253 (254), entscheidend sei, dass der Geschäftsführer nicht maßgeblich an der GmbH beteiligt ist. 539
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
tete.545 Werden maßgeblich für die Feststellung eines Unterordnungsverhältnisses die Kriterien der Weisungsabhängigkeit und jederzeitigen Abberufbarkeit herangezogen, kann ebenfalls eine Gesellschafter-Geschäftsführerin als Arbeitnehmerin eingestuft werden, wenn sie keinen bestimmenden Einfluss auf die Gesellschafterversammlung ausübt.546 Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführerinnen hingegen können in der Regel nicht als Arbeitnehmerinnen im unionsrechtlichen Sinne angesehen werden,547 weil sie als Teil der Gesellschafterversammlung und aufgrund ihrer Mehrheitsstimmen selbst in der Lage sind, die entscheidenden Weisungen zu erteilen. (2) Richtlinienkonforme Auslegbarkeit des § 1 Nr. 1 MuSchG Erkennt man die unionsrechtliche Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführerinnen, zumindest der Fremd- und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführerinnen sowie der Geschäftsführerinnen ohne maßgeblichen Einfluss im Sinne der Richtlinie 92/85/EWG an, muss diese innerstaatlich Wirkung entfalten. Eine unmittelbare Wirkung im Verhältnis zwischen Privaten kann es bei Richtlinien als sekundären Rechtsakten grundsätzlich nicht geben (Verbot der „echten“ horizontalen Direktwirkung).548 In Deutschland ist der Regelungsgehalt der Richtlinie durch das Mutterschutzgesetz verwirklicht.549 Angesichts der Fassung der GmbHGeschäftsführerinnen unter den Geltungsbereich der Richtlinie 92/85/EWG ist zu untersuchen, inwiefern eine richtlinienkonforme Auslegung des § 1 Nr. 1 MuSchG realisierbar ist.550 Nach dem Europäischen Gerichtshof ist gemäß Art. 10 und Art. 288 Abs. 3 AEUVeine „Auslegung soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie“ auszurichten.551 Grenzen hierbei bilden die Auslegungsregeln des 545 EuGH, NZA 2015, 861 (862 f.), Balkaya, welcher jedoch konstatiert, dass ein Unterordnungsverhältnis in jedem Einzelfall geprüft werden müsse; siehe hierzu auch Lunk, NZA 2015, 917 (918 ff.). 546 Schubert, ZESAR 2013, 5 (8). 547 Schubert, ZESAR 2013, 5 (8); Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen, 2014, S. 71. 548 Riesenhuber/Roth/Jopen, Europäische Methodenlehre, § 13 Rn. 12 ff. und Riesenhuber/ Köndgen, Europäische Methodenlehre, § 6 Rn. 45; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 9. Auflage 2014, S. 173 f. Rn. 394; Thüsing, Europäisches Arbeitsrecht, 2. Auflage 2011, § 1 Rn. 29; Piekenbrock/Schulze, WM 2002, 521 (523); Herrmann, Richtlinienumsetzung durch die Rechtsprechung, 2003, S. 61 f.; Däubler/Bertzbach/Däubler, AGG, Einleitung Rn. 94; Schelp, GmbH-Stpr. 2011, 265 (267); EuGH NJW 1986, 2178 (2180); EuGH v. 14. 07. 1994 – Rs. C-91/92, Slg. 1994, I-3325 – 3360, Dori/Recreb, Rn. 22 – 25; EuGH v. 05. 10. 2004 – Rs. C397/01, Slg. 2004, I-8878, Pfeiffer, Rn. 108; EuGH v. 16. 07. 2009 – Rs. C-12/08, Slg. I-6653 – 6717, Mono Car Styling, Rn. 59; Classen, EuZW 1993, 83 (84). 549 Buchner/Becker, MuSchG, Vorbemerkung zu §§ 9 und 10 MuSchG Rn. 3. 550 Schelp, GmbH-Stpr. 2011, 265 (267); Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (52); Schubert, ZESAR 2013, 5 (10). 551 EuGH NJW 1994, 2473 (2474); siehe auch EuGH v. 05. 10. 2004 – Rs. C-397/01, Slg. 2004, I-8878, Pfeiffer, Rn. 113; EuGH v. 05. 07. 2007 – Rs. C-321/05, Slg. 2007, I-5818, Kofoed, Rn. 45; EuGH v. 04. 07. 2006 – Rs. C-212/04, Slg. 2006, I-6091, Adeneler, Rn. 108;
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nationalen Rechts.552 Wortlaut, Systematik und Zweck und Entstehungsgeschichte553 der nationalen Bestimmungen müssen eine Interpretation gemäß den europarechtlichen Vorgaben erlauben.554 Die Auslegung darf „nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen“.555 Diesbezüglich müsste die Vorschrift ein „Einfallstor“ für eine richtlinienkonforme Auslegung haben,556 der Begriff des Arbeitnehmers auslegungsfähig und auslegungsbedürftig557 sein.558 (a) Verneinung einer richtlinienkonformen Auslegung durch einen Teil der Literatur Einerseits wird die Auffassung vertreten, die Vorschrift des § 1 Nr. 1 MuSchG sei einer Auslegung nicht zugänglich, wenn sie den Geltungsbereich allein für Arbeitnehmerinnen eröffnet.559 Es gäbe schon kein passendes „Einfallstor“.560 Der Wortlaut sei eindeutig und mithin eine Auslegung nicht möglich.561 Der Begriff des Arbeitsverhältnisses werde seitens der Rechtsprechung definiert.562 Methodologisch komme eine richtlinienkonforme Auslegung nicht nur bei klarem entgegenstehenEuGH v. 19. 01. 2010 – Rs. C-555/07, Slg. 2010, I-393, Kücükdeveci, Rn. 48; EuGH v. 16. 07. 2009 – Rs. C-12/08, Slg. I-6653 – 6717, Mono Car Styling, Rn. 60; EuGH v. 13. 11. 1990 – Rs. C-106/89, Slg. 1990, I-4135 – 4161, Marleasing, Rn. 8. 552 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 9. Auflage 2014, S. 178 Rn. 402; Thüsing, Europäisches Arbeitsrecht, 2. Auflage 2011, § 1 Rn. 42; Oberthür, NZA 2011, 253 (256); Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (715); BAG NZA 2003, 742 (747); EuGH v. 04. 07. 2006 – Rs. C-212/ 04, Slg. 2006, I-6091, Adeneler, Rn. 111; EuGH v. 05. 10. 2004 – Rs. C-397/01, Slg. 2004, I8878, Pfeiffer, Rn. 116. 553 Riesenhuber/Roth/Jopen, Europäische Methodenlehre, § 13 Rn. 41; Herrmann, Richtlinienumsetzung durch die Rechtsprechung, 2003, S. 135; BAG NZA 2003, 742 (747). 554 Lunk/Rodenbusch, GmbHR 2012, 188 (191); Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (715); Bauer/Arnold, NJW 2009, 631 (633). 555 EuGH v. 04. 07. 2006 – Rs. C-212/04, Slg. 2006, I-6091, Adeneler, Rn. 110; EuGH v. 15. 04. 2008 – Rs. C-268/06, Slg. 2008, I-2533, Impact, Rn. 100; siehe auch Thüsing, Europäisches Arbeitsrecht, 2. Auflage 2011, § 1 Rn. 42; Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (52). 556 Vgl. Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (716). 557 Dies ist aus wissenschaftlich-theoretischer Perspektive ungenau. Grundsätzlich ist jeder Begriff auslegungsfähig und auslegungsbedürftig – vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 8. Auflage 2015, § 22 Rn. 731 ff. Im Kontext des Europarechts ist zur Feststellung einer richtlinienkonformen Auslegung aber danach zu fragen, ob das deutsche Recht bereits abschließend determiniert ist und damit ein abgeschlossenes Regelungskonzept vorliegt, so dass das deutsche Recht einer Auslegung im Sinne des Europarechts nicht zugänglich ist. Nationales Recht kann nur insoweit richtlinienkonform ausgelegt werden, wie es hierzu einen Spielraum belässt – Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 9. Auflage 2014, S. 177 Rn. 402. 558 Oberthür, NZA 2011, 253 (256); allgemein für eine Auslegungsfähigkeit Herrmann, Richtlinienumsetzung durch die Rechtsprechung, 2003, S. 93. 559 Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (716). 560 Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (716). 561 Medem, ArbRAktuell 2010, 312347, welcher für eine unionsrechtskonforme Auslegung der §§ 138, 242 BGB tendiert. 562 Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (716).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
dem Gesetzesrecht nicht in Betracht, sondern auch dann, wenn ein Begriff durch die nationalen Gerichte eindeutige Konturen bekommen hat, insbesondere die höchstrichterliche Auslegung im erkennbaren Willen des Gesetzgebers liege.563 Dieser habe die Interpretation des Arbeitnehmerbegriffs seitens der Gerichte anerkannt „und legt sie seinen Gesetzesvorhaben zugrunde“.564 Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 1 Nr. 1 MuSchG, welche nicht diesem Verständnis entspreche, wäre nicht rechtmäßig; das Anstellungsverhältnis einer GmbH-Geschäftsführerin könne nach deutschem Rechtsverständnis nicht als Arbeitsverhältnis definiert werden.565 Es bestünden keine mehreren Auslegungsmöglichkeiten, „deren eine oder andere der europarechtlichen Maßgabe entsprechen könnte“.566 (b) Stellungnahme Entgegen der vorstehenden Ansicht ist eine richtlinienkonforme Auslegung des § 1 Nr. 1 MuSchG mit den überwiegenden Stimmen in der Literatur zu bejahen.567 Der Begriff des Arbeitnehmers im Sinne des § 1 Nr. 1 MuSchG ist auslegungsfähig sowie auslegungsbedürftig,568 weil er nicht gesetzlich bestimmt ist.569 Dies wird insbesondere durch die jahrelangen Versuche der Literatur und Rechtsprechung, praktikable Abgrenzungskriterien zu schaffen, deutlich570 und zeigt bereits die differenzierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs.571 Der Arbeitnehmerbegriff ist nicht starr und unveränderlich.572 Auch wenn das Bundesarbeitsgericht den Arbeitnehmerbegriff konturiert hat,573 ist eine abweichende Auslegung im Sinne des Unionsrechts nicht ausgeschlossen;574 eine gefestigte nationale Rechtsprechung kann ebenso richtlinienkonform ausgelegt werden.575 563
Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (716). Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (716). 565 Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (716). 566 Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (716). 567 Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen, 2014, S. 132; Schelp, GmbH-Stpr. 2011, 265 (267); Oberthür, NZA 2011, 253 (256); Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (55); Leopold, ZESAR 2011, 362 (366); Reiserer, DB 2011, 2262 (2266); Kempermann, NJW-Spezial 2013, 655 (656), ohne Begründung; Junker, NZA 2011, 950 (951), ohne Begründung. 568 Schelp, GmbH-Stpr. 2011, 265 (267 f.); Oberthür, NZA 2011, 253 (256); Reiserer, DB 2011, 2262 (2266); Eigentlich gemeint ist, dass das nationale Recht einen Spielraum zur Auslegung des § 1 Nr. 1 MuSchG belässt. 569 Leopold, ZESAR 2011, 362 (366); Oberthür, NZA 2011, 253 (256); Reiserer, DB 2011, 2262 (2266); vgl. Lunk/Rodenbusch, GmbHR 2012, 188 (191). 570 Oberthür, NZA 2011, 253 (256). 571 Reiserer, DB 2011, 2262 (2266); Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen, 2014, S. 130 f.; vgl. auch Kap. 1 A. I. und II. 572 Schelp, GmbH-Stpr. 2011, 265 (268). 573 Oberthür, NZA 2011, 253 (256); Lunk/Rodenbusch, GmbHR 2012, 188 (191); Reiserer, DB 2011, 2262 (2266). 574 Oberthür, NZA 2011, 253 (256); Reiserer, DB 2011, 2262 (2266). 564
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Dass auch ein Organmitglied sich im Einzelfall als Arbeitnehmer bewerten lässt, wird überdies nicht nur von der Literatur und Rechtsprechung bejaht, sondern liegt erkennbar im Willen des Gesetzgebers, was insbesondere die ansonsten nicht notwendigen Fiktionsregelungen in § 14 Abs. 1 KSchG, § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG verdeutlichen.576 Der Gesetzgeber hat zu keiner Zeit ausgeschlossen, dass Geschäftsführerinnen als Arbeitnehmerinnen gelten können.577 Insbesondere das Bundesarbeitsgericht hat bereits konstatiert, dass der GmbH-Geschäftsführer unter Umständen als Arbeitnehmer qualifiziert werden kann.578 Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die ständige Rechtsprechung den Anstellungsvertrag bisher nicht als Arbeitsvertrag eingestuft hat.579 Obliegt dem nationalen Gesetzgeber nach Art. 288 AEUV die Anpassung des innerstaatlichen Rechts an die Vorgaben des Unionsrechts, muss dies umso mehr für eine Angleichung der Rechtsprechung der Gerichte Geltung erlangen; auch sie sind zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts verpflichtet.580 Obendrein sind höchstrichterliche Entscheidungen nicht als Gesetzesrecht zu klassifizieren, so dass sie auch nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht vergleichbar rechtlich bindend sind.581 Den obersten Gerichten ist eine Abweichung von ihren bisherigen Rechtsprechungen, insbesondere unter der Wahrung des Art. 20 Abs. 3 GG, rechtlich möglich.582 Die contra legemGrenze ist nicht beeinträchtigt.583 Dem steht nicht die Bedeutung des höchstrichterlichen Rechts entgegen.584 Spricht man einer gefestigten Rechtsprechung nicht diese „methodologische Bedeutung“ zu, kommen mehrere Auslegungsmöglichkeiten in Betracht, von denen diejenige zu wählen ist, durch welche der mit der Richtlinie verfolgte Zweck am effektivsten umgesetzt werden kann.585
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EuGH v. 13. 07. 2000 – Rs. C-456/98, Slg. 2000, I-6007, Centrossteel, Rn. 17. Oberthür, NZA 2011, 253 (256); Schelp, GmbH-Stpr. 2011, 265 (268); Schubert, ZESAR 2013, 5 (11). 577 Schelp, GmbH-Stpr. 2011, 265 (268). 578 Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (53). 579 Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (53 f.). 580 EuGH NJW 1994, 2473 (2474); EuGH v. 13. 11. 1990 – Rs. C-106/89, Slg. 1990, I-4135 – 4161, Marleasing, Rn. 8; EuGH v. 10. 04. 1984 – Rs. 14/83, Slg. 1984, 1891 – 1920, von Colson, Rn. 26; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 9. Auflage 2014, S. 176 Rn. 399; Riesenhuber/Roth/Jopen, Europäische Methodenlehre, § 13 Rn. 5; Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (54). 581 BVerfGE 84, 212 (227); BVerfGE 122, 248 (277); zustimmend: Herrmann, Richtlinienumsetzung durch die Rechtsprechung, 2003, S. 192; vgl. auch Oberthür, NZA 2011, 253 (256), Richterrecht sei „ein irrtumsanfälliger Akt der Rechtserkenntnis“. 582 BVerfGE 84, 212 (227); BVerfGE 122, 248 (277). 583 Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (54). 584 Anders vielleicht Lunk/Rodenbusch, GmbHR 2012, 188 (191). 585 Lunk/Rodenbusch, GmbHR 2012, 188 (192); Oberthür, NZA 2011, 253 (256). 576
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Eine richtlinienkonforme Auslegung kann ferner nicht mit dem Argument abgelehnt werden, der Anwendungsbereich des § 1 MuSchG sei abschließend geregelt worden,586 als der Gesetzgeber diesen auf in Heimarbeit beschäftigte Frauen erstreckte.587 Einer Aufzählung kann kein Aussagegehalt über den Arbeitnehmerbegriff des § 1 Nr. 1 MuSchG entnommen werden.588 Als das Gesetz 1996 geändert wurde, war die Zugrundelegung eines unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs im Sinne des § 1 Nr. 1 MuSchG nicht voraussehbar.589 War dem Gesetzgeber insoweit die vorliegende Problematik nicht bekannt, kann ihm nicht unterstellt werden, Geschäftsführer wissentlich und willentlich nicht in den Anwendungsbereich aufgenommen zu haben.590 Entscheidend ist, dass der Arbeitnehmerbegriff nicht gesetzlich definiert ist, vielmehr eine Arbeitnehmereigenschaft sowohl durch den Gesetzgeber als auch die Rechtsprechung und Literatur nicht ausgeschlossen wird. Es liegt damit keine „eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers für eine richtlinienwidrige Ausnahme aller Geschäftsführerinnen vom Anwendungsbereich des Mutterschutzgesetzes“ vor.591 Bedingt durch die Mutterschutzrichtlinie müssen GmbH-Geschäftsführerinnen, die sich unionsrechtlich als Arbeitnehmerinnen einstufen lassen, im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung des § 1 Nr. 1 MuSchG vom Geltungsbereich des Gesetzes erfasst werden.592 GmbH-Geschäftsführerinnen könnten sich dann auf den Schutz der Rechte des Mutterschutzgesetzes berufen.593 (c) Ergebnis Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 1 Nr. 1 MuSchG ist zu bejahen, mit der Folge, dass für Geschäftsführerinnen, die unionsrechtlich Arbeitnehmerinnen sind, das Kündigungsverbot des § 9 Abs. 1 MuSchG im Falle einer Schwangerschaft gilt. (3) Reichweite des Kündigungsverbotes des Art. 10 der Richtlinie 92/85/EWG – Erfassung der Abberufung? Offen ist, inwiefern GmbH-Geschäftsführerinnen in Bezug auf die Beendigung ihrer Organstellung im Falle einer Schwangerschaft geschützt sind.594 Die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs zu dem sich aus Art. 10 der Richtlinie 92/85/ EWG ergebenden Verbot, schwangeren Arbeitnehmerinnen zu kündigen, beziehen
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So aber Schubert, EuZA 2011, 362 (369). Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (54). 588 Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (54). 589 Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (54 f.). 590 So auch Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen, 2014, S. 131. 591 Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (55). 592 Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (55); Schelp, GmbH-Stpr. 2011, 265 (268). 593 Lunk/Rodenbusch, GmbHR 2012, 188 (192); Oberthür, NZA 2011, 253 (257). 594 Schelp, GmbH-Stpr. 2011, 265 (268). 587
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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sich überwiegend auf die Abberufung, auch wenn der Gerichtshof teilweise auf das der Bestellung zugrundeliegende Rechtsverhältnis abstellt.595 (a) Verneinende Ansichten Einige Stimmen vertreten die Auffassung, dass das Kündigungsverbot der Richtlinie 92/85/EWG nicht die Abberufung eines Geschäftsführers umfasst.596 Maßgebliche Aufgabe eines Organmitgliedes sei die Vertretung, deren Entzug infolge des Widerrufs der Organstellung nicht mit einer Entlassung im Sinne der Richtlinie gleichgesetzt werden könne.597 Der Anstellungsvertrag allein gewähre eine soziale Absicherung, so dass der Kündigungsschutz nicht auf die Organstellung erstreckt werden brauche.598 Dies gebiete auch Art. 10 der Richtlinie 92/85/EWG, welcher nur vor Kündigungen schützen solle.599 Im Hinblick auf finanzielle Aspekte sei eine Fortsetzung des Anstellungsvertrages demnach verständlich, während dies nicht für das Organverhältnis gelten könne.600 Somit müsse der Organisationsbefugnis der Gesellschafterversammlung Vorrang zukommen und Mutterschutz allein für das zivilrechtliche Rechtsverhältnis gewährt werden.601 Allenfalls dann, wenn das Ende der Vertretungsbefugnis Auswirkungen auf das Anstellungsverhältnis dahingehend habe, dass dieses beispielsweise wegen einer rechtlichen Verknüpfung ebenfalls beendet werde, beinhalte die Mutterschutzrichtlinie ein Abberufungsverbot.602 (b) Zustimmende Ansichten Andererseits wird die Auffassung vertreten, die jederzeitige Abberufbarkeit eines Geschäftsführers gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG stehe nicht mit der Richtlinie 92/85/ EWG im Einklang.603 Weil Streitgegenstand des Vorabentscheidungsverfahrens der Gesellschafterbeschluss zur Abberufung einer lettischen Geschäftsführerin war, Frau Danosa „die Abberufung von ihrem Amt für rechtswidrig hielt“,604 betreffe das Kündigungsverbot sowohl das Geschäftsführerdienstverhältnis als auch die Abbe595 Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (37) und EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 67. 596 Schiefer/Worzalla, ZfA 2013, 41 (44); Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (39); Reinhard/ Bitsch, ArbRB 2011, 241 (244); Baeck/Winzer, NZG 2011, 101; Bauer, GWR 2010, 310965; wohl auch Junker, NZA 2011, 950 (951), der eine Erstreckung zumindest kritisch betrachtet. 597 Schiefer/Worzalla, ZfA 2013, 41 (44). 598 Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (39). 599 Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (39). 600 Reinhard/Bitsch, ArbRB 2011, 241 (244). 601 Reinhard/Bitsch, ArbRB 2011, 241 (244); Baeck/Winzer, NZG 2011, 101; Bauer, GWR 2010, 310965. 602 Schiefer/Worzalla, ZfA 2013, 41 (44); Schubert, ZESAR 2013, 5 (9); Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (39). 603 Schelp, GmbH-Stpr. 2011, 265 (268). 604 Oberthür, NZA 2011, 253 (257).
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rufungsentscheidung.605 Dies ließe sich direkt aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ableiten, welche die Abberufung einer lettischen Geschäftsführerin problematisierte, obwohl das lettische Recht ebenso eine Trennung zwischen der Organstellung und dem Anstellungsvertrag vorsehe.606 Dem könne auch nicht mit dem Argument begegnet werden, die Richtlinie würde auf diese Weise weitreichend das Organisationsrecht der Gesellschaft beeinträchtigen, da die Aussagen des Europäischen Gerichtshofs insoweit eindeutig wären.607 Die Vorschrift des § 38 Abs. 1 GmbHG habe für schwangere GmbH-Geschäftsführerinnen zu weitgehende Konsequenzen.608 Die Mutterschutzrichtlinie verbiete die Abberufung einer Geschäftsführerin aufgrund der Schwangerschaft, was zu einer Unanwendbarkeit des § 38 Abs. 1 GmbHG führen müsse.609 (c) Stellungnahme Ziel der Mutterschutzrichtlinie ist der Schutz der Arbeitnehmerinnen vor Entlassung.610 Die Richtlinie definiert den Begriff der Entlassung nicht.611 Nach dem 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 92/85/EWG ist es aber notwendig, die Kündigung schwangerer Arbeitnehmerinnen zu verbieten.612 Als Entlassung im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie gilt die Kündigung des Arbeitsverhältnisses.613 Transformiert man diese Auffassung auf die Mutterschutzrichtlinie, könnte sich das Kündigungsverbot allein auf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses beziehen.614 Bei Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen wird hingegen anzunehmen sein, dass bei Schaffung der Richtlinie die Parallelität des Anstellungs- und Organverhältnisses nicht bedacht wurde.615 Demnach ist entscheidend, inwiefern der Zweck der Regelung des Kündigungsverbotes eine Berücksichtigung der Abberufung ermöglicht.616 Die Intention des Kündigungsverbotes zielt auf den Schutz schwangerer Frauen vor Beeinträchtigungen ihrer physischen und psychischen Verfassung, welche sich aus dem drohenden Verlust der Beschäftigung ergeben können.617 Führt 605
Oberthür, NZA 2011, 253 (257). Schelp, GmbH-Stpr. 2011, 265 (268). 607 Schelp, GmbH-Stpr. 2011, 265 (268). 608 Schelp, GmbH-Stpr. 2011, 265 (268). 609 Oberthür, NZA 2011, 253 (257); Schelp, GmbH-Stpr. 2011, 265 (268); so auch Lunk/ Rodenbusch, GmbHR 2012, 188 (192); Steinau-Steinrück/Mosch, NJW-Spezial 2011, 178 (179). 610 ABl. Nr. L 348 v. 28. 11. 1992, S. 3 (Erwägungsgrund 15 der RL 92/85/EWG). 611 Schubert, ZESAR 2013, 5 (9). 612 ABl. Nr. L 348 v. 28. 11. 1992, S. 3 (Erwägungsgrund 15 der RL 92/85/EWG). 613 So wohl EuGH v. 27. 01. 2005 – Rs. C-188/03, Slg. 2005, I-903, Junk, Rn. 31 f., 36 f., 39. 614 Schubert, ZESAR 2013, 5 (9). 615 Schubert, ZESAR 2013, 5 (9). 616 Schubert, ZESAR 2013, 5 (9). 617 Schubert, ZESAR 2013, 5 (9); EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 58, 60. 606
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der Widerruf der Bestellung einer Geschäftsführerin nicht zu einer Beendigung des Anstellungsvertrages, sondern hat er nur das Ende der Organstellung zur Folge,618 könnten physische und psychische Beeinträchtigungen ausgeschlossen sein.619 Wird durch eine wirksame Koppelungsklausel aber nicht nur das Anstellungsverhältnis, sondern auch das Organverhältnis automatisch beendet oder hat bei Nichtbestehen einer solchen Klausel die Kündigung des Anstellungsvertrages dennoch gleichzeitig die Beendigung der Abberufung zur Konsequenz, liegt ein ähnlich physischer und psychischer Druck wie bei einer Kündigung vor.620 Selbst wenn Abberufung und Kündigung voneinander zu unterscheiden sind und nur die Organstellung der Geschäftsführerin beendet werden sollte, könnte die gesetzliche Vertreterin in ihrer physischen und psychischen Verfassung beeinträchtigt sein, sofern die eigentliche Beschäftigung bei einem Organmitglied in der Ausübung der Organfunktion gesehen wird, bei welcher der Anstellungsvertrag nur den schuldrechtlichen Rahmen bildet. Meines Erachtens müssen der Widerruf der Organstellung und die Beendigung des Anstellungsvertrages, auch wenn sie voneinander zu unterscheiden sind, zusammen betrachtet werden, da die Organfunktion einem Geschäftsführer nur dann eine sichere Beschäftigung bietet, wenn auch der Anstellungsvertrag die schuldrechtlichen Rechte und Pflichten normiert und umgedreht das Anstellungsverhältnis nichts ohne die eigentliche Beschäftigung der Ausübung der Organstellung wäre. Sowohl bei einer Koppelung von Organfunktion und Anstellungsvertrag als auch bei einer Trennung wird der Schutzzweck der Mutterschutzrichtlinie insoweit eine Ausdehnung des Verbotes auf die Abberufung gebieten, da anderenfalls der notwendige Schutz nicht realisiert werden kann. Eine Unterscheidung danach, ob eine Koppelungsklausel und damit eine Verbindung zwischen der Kündigung und dem Widerruf gegeben ist oder nicht, wird auch bei Zugrundelegung der EuGH-Entscheidung nicht zu treffen sein. Die Ausführungen des Gerichtshofs in Bezug auf die Abberufung sind klar,621 zumal ein Abberufungsverbot sich im Tenor der Entscheidung findet und das lettische Recht hinsichtlich der Abberufungsfreiheit der Gesellschafterversammlung dem deutschen Recht ähnelt. Dem kann meines Erachtens nicht mit dem Argument begegnet werden, der Europäische Gerichtshof habe ein Abberufungsverbot nur deshalb bejaht, weil im zugrunde liegenden Fall ein Anstellungsverhältnis zwischen der Gesellschaft und Frau Danosa verneint worden sei und es somit kein Rechtsverhältnis mehr gegeben hätte, durch welches die Rechte der Richtlinie hätten gewährt werden können.622 Wäre dies Intention des Europäischen Gerichtshofs gewesen, hätte er eine solche Sichtweise mit an Sicherheit grenzender Wahrschein618 Dies ist in der Regel bei einer wirksam vereinbarten Geltung des Kündigungsschutzgesetzes der Fall – siehe unter Kap. 3 C. I. 619 Schubert, ZESAR 2013, 5 (9); weitergehend sogar Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen, 2014, S. 138 ff. 620 Schubert, ZESAR 2013, 5 (9). 621 Reiserer, DB 2011, 2262 (2267). 622 Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen, 2014, S. 138.
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lichkeit so herausgestellt. Solange der Europäische Gerichtshof keine gegenteiligen Aussagen zur Erstreckung des Kündigungsverbotes auf die Abberufung eines Organmitgliedes trifft, wird anzunehmen sein, dass GmbH-Geschäftsführerinnen auch im Falle ihrer Abberufung wegen einer Schwangerschaft vor der Beendigung ihres Organverhältnisses geschützt sind. Schwierig ist die Beantwortung der Frage, wie neben einem Kündigungsverbot ein Abberufungsschutz innerstaatlich verwirklicht werden kann. Ob die Richtlinie eine Unanwendbarkeit des § 38 Abs. 1 GmbHG bewirkt, ist grundsätzlich zu verneinen.623 Angesichts der Tatsache, dass Richtlinien keine unmittelbare Wirkung zukommt, können sie im horizontalen Verhältnis zwischen Individuen insoweit keinen Anwendungsvorrang haben.624 Offen ist, ob § 38 GmbHG richtlinienkonform ausgelegt werden kann. Grenze hierbei bilden Auslegungsregeln des nationalen Rechts.625 Gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG ist die Bestellung des Geschäftsführers jederzeit widerruflich. An den Wortlaut anknüpfend, lässt die Bestimmung in der Regel keine Beschränkung des Widerrufs durch wichtige Gründe und damit durch eine Schwangerschaft zu. Dies entspricht grundsätzlich der Intention des Gesetzgebers die Bestellung der Organstellung frei widerruflich auszugestalten.626 Allerdings hat auch der Gesetzgeber erkannt, dass die Geschäftsführer in gewissem Umfang selbstständig und unabhängig sein müssen, so dass er die Norm des § 38 Abs. 2 GmbHG geschaffen hat, welche es zulässt, den Widerruf auf den Fall zu beschränken, dass wichtige Gründe denselben notwendig machen.627 Daraus könnte geschlussfolgert werden, der Wortlaut und Sinn und Zweck der Vorschrift des § 38 GmbHG stehen einer richtlinienkonformen Auslegung insoweit nicht entgegen, die Abberufung an das Vorliegen wichtiger Gründe zu knüpfen und die Schwangerschaft einer Geschäftsführerin darf gerade keinen wichtigen Grund darstellen. Allerdings muss beachtet werden, dass § 38 Abs. 2 GmbHG eine Beschränkung des Widerrufsrechts nur zulässt, wie der Gesellschaftsvertrag eine solche auferlegt. Nichtsdestotrotz könnte der Regelungsgehalt des § 38 GmbHG für die Zulässigkeit einer richtlinienkonformen Auslegung sprechen. Selbst für den Fall der Verneinung einer solchen Auslegung der nationalen Bestimmung ist eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung durch die mitgliedstaatlichen Gerichte zu bedenken.628 Dies folgt aus der Verpflichtung der nationalen Gerichte, den ihnen zukommenden Beurtei-
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Siehe allgemein Riesenhuber/Köndgen, Europäische Methodenlehre, § 6 Rn. 46. Riesenhuber/Roth/Jopen, Europäische Methodenlehre, § 13 Rn. 13; Piekenbrock/ Schulze, WM 2002, 521 (523); Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 9. Auflage 2014, S. 177 Rn. 400; Classen, EuZW 1993, 83 (87). 625 Siehe unter Kap. 3 D. V. 2. a) aa) (2). 626 Siehe unter Kap. 3 A. III. 2. a) bb) (3). 627 Siehe unter Kap. 3 A. III. 2. a) bb) (3). 628 Riesenhuber/Roth/Jopen, Europäische Methodenlehre, § 13 Rn. 48; Haratsch/Koenig/ Pechstein, Europarecht, 9. Auflage 2014, S. 178 Rn. 402; Piekenbrock/Schulze, WM 2002, 521 (526). 624
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lungsspielraum „soweit wie möglich auszuschöpfen“.629 Grenze einer Rechtsfortbildung ist „der im Wortlaut und Sinn einer Norm eindeutig zum Ausdruck gelangende Wille des Gesetzgebers“.630 Legitimationsbasis für eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung bildet die nach der Entstehung des § 38 GmbHG erlassene Richtlinie.631 Instrumente einer Rechtsfortbildung können eine teleologische Extension, eine teleologische Reduktion, eine Analogie oder die Ausbildung einer Fallnorm sein.632 Zu erwägen wäre vorliegend eine teleologische Reduktion des § 38 Abs. 1 GmbHG in der Weise, dass § 38 Abs. 1 GmbHG keine Anwendung finden kann, ein Widerruf ohne Gründe damit unzulässig ist, wenn ein solcher auf die Schwangerschaft einer Geschäftsführerin gestützt wird. Mit Urteil zur Rechtssache Pfeiffer hat der Europäische Gerichtshof weitergehend konstatiert: „Ermöglicht es das nationale Recht durch die Anwendung seiner Auslegungsmethoden, eine innerstaatliche Bestimmung unter bestimmten Umständen so auszulegen, dass eine Kollision mit einer anderen Norm innerstaatlichen Rechts vermieden wird, oder die Reichweite dieser Bestimmung zu diesem Zweck einzuschränken und sie nur insoweit anzuwenden, als sie mit dieser Norm vereinbar ist, so ist das nationale Gericht verpflichtet, die gleichen Methoden anzuwenden, um das von der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen“.633 Diese Ausführungen bekräftigte der Gerichtshof in seinem Urteil Mono Car Styling.634 Findet demnach eine Richtlinie keine unmittelbare Anwendung und steht im Widerspruch zu einer nationalen Bestimmung, kann entsprechend dem lex posterior-Satz das vor der Richtlinie erlassene entgegenstehende Gesetzesrecht unangewendet bleiben.635 Es wird abzuwarten bleiben, welche Linie der Europäische Gerichtshof im Hinblick auf Richtlinien und ihre Wirkung im innerstaatlichen Recht zukünftig verfolgen wird. In jedem Fall dürfte bei der gegenwärtigen Auffassung des Europäischen Gerichtshofs eine teleologische Reduktion des § 38 GmbHG im Wege einer Rechtsfortbildung nicht am eigentlich nicht möglichen Anwendungsvorrang von Richtlinien scheitern. (d) Geltung eines unbeschränkten Abberufungsschutzes? Problematisch ist die Konstellation, dass der Widerruf der Bestellung auf einem anderen Grund als der Schwangerschaft beruht und eine Kündigung daher gemäß Art. 10 Abs. 1 Alt. 2 der Richtlinie 92/85/EWG rechtmäßig wäre. In diesem Zu629
Riesenhuber/Roth/Jopen, Europäische Methodenlehre, § 13 Rn. 48. Riesenhuber/Roth/Jopen, Europäische Methodenlehre, § 13 Rn. 55; so auch BVerfGE 59, 330 (334); siehe ebenfalls BVerfGE 71, 81 (105), in Bezug auf eine verfassungskonforme Auslegung. 631 Allgemein Riesenhuber/Roth/Jopen, Europäische Methodenlehre, § 13 Rn. 51. 632 Riesenhuber/Roth/Jopen, Europäische Methodenlehre, § 13 Rn. 54, m. w. N.; Haratsch/ Koenig/Pechstein, Europarecht, 9. Auflage 2014, S. 178 Rn. 402. 633 EuGH v. 05. 10. 2004 – Rs. C-397/01, Slg. 2004, I-8878, Pfeiffer, Rn. 116. 634 EuGH v. 16. 07. 2009 – Rs. C-12/08, Slg. I-6653 – 6717, Mono Car Styling, Rn. 63. 635 Riesenhuber/Roth/Jopen, Europäische Methodenlehre, § 13 Rn. 63. 630
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
sammenhang stellt sich die Frage, wie weit ein Abberufungsschutz greift. Eine Ausnahmevorschrift wie sie die Richtlinie fordert und wie sie für die Kündigung in § 9 Abs. 3 MuSchG verwirklicht wurde, kann aus § 38 GmbHG nicht abgeleitet werden.636 Aufgrund des klaren Wortlautes des § 38 Abs. 1 GmbHG sei somit offen, ob es möglich sei, im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung eine derartige Ausnahmebestimmung hineinzulesen.637 Für den Zeitraum der Schwangerschaft und den Mutterschutz gelte nach einer Ansicht wohl ein unbeschränktes Abberufungsverbot, zumindest sei eine Abberufung, welche mit einer Schwangerschaft im Zusammenhang stehe, unwirksam.638 Nach anderen Stimmen in der Literatur sei ein Widerruf der Bestellung zulässig, sofern er auf einem Beweggrund beruhe, der keine Verbindung zur Schwangerschaft habe.639 Aus dem Umstand, dass § 38 GmbHG keine Ausnahmebestimmung wie § 9 Abs. 1 MuSchG enthalte, könne kein umfassendes Abberufungsverbot resultieren. § 38 Abs. 1 GmbHG sei nur insofern richtlinienkonform auszulegen, wie Sinn und Zweck der Richtlinie es erfordern.640 Ein nicht auf der Schwangerschaft gestützter Grund könne daher nicht dazu führen, dass die Abberufung der Geschäftsführerin unwirksam sei.641 Teilweise wird weitergehend vertreten, dass nur aus „berechtigten Gründen“, wie sie denen des § 9 Abs. 3 MuSchG entsprechen, abberufen werden könne.642 Auf diese Weise werde vermieden, dass die Gesellschaft fadenscheinige Gründe für den Widerruf der Organstellung anführt, um so die unrechtmäßige Abberufung aufgrund der Schwangerschaft zu unterlaufen.643 Erkennt man ein vollumfängliches Abberufungsverbot an, wären schwangere Geschäftsführerinnen stärker geschützt als Art. 10 der Richtlinie 92/85/EWG für Kündigungen voraussetzt. Ein solches Abberufungsverbot würde mithin weiter gehen als der Schutzzweck der Mutterschutzrichtlinie, welcher eine Kündigung des Arbeitsvertrages aus Gründen ermöglicht, die nicht auf der Schwangerschaft der Beschäftigten beruhen.644 Die Erstreckung des Kündigungsverbotes des Art. 10 der Richtlinie auf Abberufungen findet damit seine Grenze in dem Vorliegen eines Grundes, der keinerlei Verbindung zur Schwangerschaft hat und nicht fadenscheinig ist. Auf diese Weise wird die Organisationsbefugnis der Gesellschafterversammlung „nicht über Gebühr beeinträchtigt“, weil das Gesetz selbst in § 38 Abs. 2 GmbHG 636
(179). 637
Oberthür, NZA 2011, 253 (257); Steinau-Steinrück/Mosch, NJW-Spezial 2011, 178
Oberthür, NZA 2011, 253 (257). Oberthür, NZA 2011, 253 (257). 639 Steinau-Steinrück/Mosch, NJW-Spezial 2011, 178 (178); Lunk/Rodenbusch, GmbHR 2012, 188 (192). 640 Steinau-Steinrück/Mosch, NJW-Spezial 2011, 178 (179). 641 Steinau-Steinrück/Mosch, NJW-Spezial 2011, 178 (179). 642 Schelp, GmbH-Stpr. 2011, 265 (268). 643 Schelp, GmbH-Stpr. 2011, 265 (268). 644 Schelp, GmbH-Stpr. 2011, 265 (268). 638
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zulässt, die Abberufung von dem Gegebensein eines wichtigen Grundes abhängig zu machen.645 Eine andere Sichtweise kann auch methodisch nicht begründet werden. (4) Ergebnis Sind GmbH-Geschäftsführerinnen, insbesondere Fremd- und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführerinnen sowie solche ohne herrschenden Einfluss unionsrechtlich Arbeitnehmerinnen und wird § 1 Nr. 1 MuSchG richtlinienkonform ausgelegt, ist Ergebnis einer solchen Auslegung die Geltung des Mutterschutzgesetzes für Organmitgliederinnen. Anwendung findet damit insbesondere das Kündigungsverbot des § 9 Abs. 1 MuSchG.646 Ob auch die übrigen Regelungen des Mutterschutzgesetzes anwendbar sind, welche über die Vorgaben der Richtlinie 92/ 85/EWG hinausgehen, muss vorliegend nicht entschieden werden.647 Maßgeblich ist die Feststellung, dass eine Kündigung einer schwangeren Geschäftsführerin auf Grundlage dieses Umstandes gegen § 9 Abs. 1 MuSchG verstößt und folglich unwirksam ist. Ebenso muss es sich im Hinblick auf die Abberufung einer schwangeren Beschäftigten verhalten; ein solches Ergebnis kann entweder aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 38 Abs. 1 GmbHG oder aus einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung des § 38 Abs. 1 GmbHG in Verbindung mit Art. 10 der Richtlinie 92/85/EWG geschlussfolgert werden. Nicht erweitert werden kann das Kündigungsund Abberufungsverbot auf Gründe, die in keinerlei Zusammenhang mit der Schwangerschaft stehen. bb) Diskriminierungsrichtlinien 76/207/EWG und 86/613/EWG Sofern GmbH-Geschäftsführerinnen keine Arbeitnehmerinnen im Sinne der Mutterschutzrichtlinie und damit im Sinne des § 1 MuSchG sind, sie aber dennoch aufgrund ihrer Schwangerschaft abberufen werden, liegt übereinstimmend mit dem Europäischen Gerichtshof eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne der Diskriminierungsrichtlinien vor. (1) Erwerbstätigen- oder Selbstständigenrichtlinie Ob die Richtlinie 76/207/EWG oder die Richtlinie 86/613/EWG einschlägig ist, hängt davon ab, ob sich Geschäftsführerinnen als selbstständige oder unselbstständige Erwerbstätige einstufen lassen. Als selbstständige Erwerbstätige ist jede Person anzusehen, „die zu den Bedingungen des einzelstaatlichen Rechts eine Erwerbstätigkeit für eigene Rechnung ausübt“ (Art. 2a der Richtlinie 86/613/EWG).648 Ent645
Schelp, GmbH-Stpr. 2011, 265 (268). Schubert, ZESAR 2013, 5 (11); Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (55). 647 Für eine Anwendbarkeit: Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen, 2014, S. 133 ff.; Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (55); Schubert, ZESAR 2013, 5 (11); Oberthür, NZA 2011, 253 (257). 648 Abgebildet bei EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 7. 646
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scheidend ist, dass dem Erwerbstätigen der direkte wirtschaftliche Erfolg der Beschäftigung gebührt, ihm das Erfolgsrisiko obliegt.649 Die Richtlinie 76/207/EWG schützt, im Unterschied zu der Gleichbehandlungsrichtlinie der Selbstständigen 86/ 613/EWG, Arbeitnehmer, was im Vortext der Richtlinie („Die Gleichbehandlung von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern stellt eines der Ziele der Gemeinschaft dar …“) sowie in den Art. 7 und 8 durch eine direkte Erwähnung der Arbeitnehmer zum Ausdruck kommt.650 Auch wenn der Europäische Gerichtshof in der Danosa-Entscheidung keine Aussage dazu trifft, welches Begriffsverständnis dem Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie 76/207/EWG zugrunde liegt, muss diesbezüglich auf einen unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff abgestellt werden,651 insbesondere weil die Richtlinie keinen Verweis auf den innerstaatlichen Arbeitnehmerbegriff enthält.652 Entsprechend der Danosa-Entscheidung ist ein Mitglied der Unternehmensleitung als Arbeitnehmerin anzusehen, wenn es bei der Ausübung seiner Leistungen gegen Entgelt in die Gesellschaft eingegliedert ist und damit seine Tätigkeit für einen gewissen Zeitraum nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs der Gesellschaft erbringt sowie zu jeder Zeit ohne Grund von seinem Amt abberufen werden kann.653 Angesichts einer organschaftlichen Weisungsabhängigkeit und einer jederzeitigen Widerruflichkeit werden in der Regel Fremd- und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführerinnen sowie Geschäftsführerinnen ohne beherrschenden Einfluss in der GmbH als unionsrechtliche Arbeitnehmerinnen eingestuft werden können.654 Eine solche Sichtweise bestätigt ein Rückgriff auf die Definition eines selbstständigen Erwerbstätigen. Die Geschäftsführerin als gesetzliche Vertreterin der Gesellschaft schließt Verträge im fremden Namen.655 Hierdurch wird die GmbH verpflichtet, welche die Rechtsfolgen des Handelns trifft; die Geschäftsführerin agiert somit für Rechnung der Gesellschaft.656 Aus diesem Grund sind Fremdgeschäftsführerinnen und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführerinnen nicht als selbstständige Erwerbstätige aufzufassen.657 MehrheitsgesellschafterGeschäftsführerinnen hingegen können als selbstständig im Sinne der Richtlinie 649
Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (714); siehe auch Rebhahn, RdA 2009, 154 (168). Vgl. ABl. Nr. L 39 v. 14. 02. 1976, S. 40 – 42 (RL 76/207/EWG). 651 Vgl. die Literaturstimmen, die annehmen, dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz liegt ein unionsrechtlicher Arbeitnehmerbegriff zugrunde: Schubert, ZESAR 2013, 5 (12); Lunk, RdA 2013, 110 (112); Bauer/Arnold, ZIP 2012, 597 (598); Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (48 f.); Lunk/Rodenbusch, GmbHR 2012, 188 (193); Schubert, ZIP 2013, 289 (290); Reufels/ Molle, NZA-RR 2011, 281 (283). 652 Vgl. Kempermann, NJW-Spezial 2013, 655 (655); Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, S. 385 Rn. 10; EuGH v. 14. 10. 2010 – Rs. C-428/09, Slg 2010, I-9961 – 9988, Union syndicale Solidaires Isère, Rn. 27 f. 653 Siehe unter Kap. 3 D. V. 2. 654 Kort, NZG 2013, 601 (607); Hoefs/Rentsch, DB 2012, 2733 (2738); vgl. auch schon vor der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Danosa Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993 (995). 655 Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (714). 656 Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (714). 657 Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (714 f.). 650
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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86/613/EWG bewertet werden, da ihnen über die Gesamtheit respektive die Mehrheit der Geschäftsanteile der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens zukommt, sie sich letztendlich selbst verpflichten.658 Während Fremd- und MinderheitsgesellschafterGeschäftsführerinnen folglich grundsätzlich unter die Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EWG fallen, erlangen Gesellschafter-Geschäftsführerinnen in aller Regel den Schutz der Richtlinie für Selbstständige 86/613/EWG. (2) Innerstaatliche Geltung der Richtlinie 76/207/EWG Weitaus komplexer sind die Antworten auf die Fragestellung, welche Wirkung die Diskriminierungsrichtlinien und ein damit möglicherweise einhergehendes Verbot, schwangere Geschäftsführerinnen zu kündigen, innerstaatlich entfalten. Diesbezüglich müssen die Richtlinien 76/207/EWG für abhängig Beschäftigte und 86/613/ EWG für selbstständig Beschäftigte differenziert voneinander betrachtet werden. In Deutschland werden die Gleichbehandlungsrichtlinien 2000/43/EG, 2000/78/ EG, 2002/73/EG (zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG) und 2004/113/EG durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz umgesetzt.659 Dessen § 6 Abs. 1 Nr. 1 AGG schützt Arbeitnehmer vor Diskriminierungen. Gemäß § 6 Abs. 3 AGG gelten die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes entsprechend für Organmitglieder insbesondere Geschäftsführer soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft. Nicht beinhaltet sind die Beschäftigungsbedingungen und das Ende der Erwerbstätigkeit, mithin die Kündigung oder Abberufung eines gesetzlichen Vertreters.660 In dieser Hinsicht setzt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz für Geschäftsführerinnen, die von der Richtlinie 76/207/EWG erfasst werden, die Richtlinienvorgaben nur unzureichend um, weshalb eine richtlinienkonforme Auslegung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes in Erwägung gezogen werden muss.661 Eine Grenze bilden wiederum die Auslegungsregeln des nationalen Rechts.662 Schwierigkeiten bereitet die Frage, welche Norm des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
658
Lunk, in: FS für Bauer, S. 705 (714). BT-Drs. 16/1780 v. 08. 06. 2006, S. 20 Allgemeiner Teil und S. 30 zu Art. 1 (§ 1); siehe auch schon BT-Drs. 15/4538 v. 16. 12. 2004, S. 17 Allgemeiner Teil und S. 27 zu Art. 1 (§ 1). 660 Bestätigt durch BGH NJW 2012, 2346 (2348); zustimmend: Schubert, ZESAR 2013, 5 (12); Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993 (999); Däubler/Bertzbach/Schrader/Schubert, AGG, § 6 Rn. 32a; Adomeit/Mohr, AGG, § 2 Rn. 15; Eßer/Baluch, NZG 2007, 321 (329); Reufels/Molle, NZA-RR 2011, 281 (282); Krause, AG 2007, 392 (394); Willemsen/Schweibert, NJW 2006, 2583 (2584); eine Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereiches kritisiert Schubert, ZIP 2013, 289 (291 f. m. w. N.) stark und stützt sich dabei insbesondere auf den Anwendungsbereich der Diskriminierungsrichtlinien, welcher Selbstständige ebenfalls in Bezug auf Beschäftigungs- und Entlassungsbedingungen schützen wolle; vgl. auch Wendeling-Schröder/Stein/ Stein, AGG, § 6 Rn. 30. 661 Schubert, ZESAR 2013, 5 (12). 662 Siehe unter Kap. 3 D. V. 2. a) aa) (2). 659
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
richtlinienkonform auszulegen ist. In Betracht kommt § 6 Abs. 1 oder § 6 Abs. 3 AGG. Die Stimmen in der Literatur sind nicht einheitlich. (a) Richtlinienkonforme Auslegung des § 6 Abs. 1 AGG Näher liegt unter Umständen, nach der Danosa-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, eine richtlinienkonforme Auslegung des § 6 Abs. 1 AGG.663 Der Arbeitnehmerbegriff des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist unionsrechtskonform auszulegen.664 Eine Einstufung der GmbH-Geschäftsführinnen als Arbeitnehmerinnen im unionsrechtlichen Sinne gemäß der Mutterschutzrichtlinie könnte dazu führen, sie auch im Sinne des § 6 Abs. 1 AGG als Arbeitnehmerinnen anzusehen. Problematisch ist aber, ob die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs überhaupt eine diesbezügliche Deutung zulassen. Es könnte darauf abgestellt werden, dass kein Unterschied zur Mutterschutzrichtlinie bestünde, wenn dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ein unionsrechtlicher Arbeitnehmerbegriff zugrunde liegt und GmbH-Geschäftsführerinnen insoweit im Falle der Schwangerschaft Diskriminierungsschutz nach § 6 Abs. 1 AGG genießen, obwohl die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs darauf hindeuten, dass die Gleichbehandlungsrichtlinie erst anwendbar sein soll, wenn sich Geschäftsführerinnen nicht als Arbeitnehmerinnen im Sinne der Mutterschutzrichtlinie einstufen lassen.665 Andererseits hat der Europäische Gerichtshof ebenso konstatiert, dass es nicht entscheidend sei, ob Frau Danosa unter die Richtlinie 92/85/EWG, die Richtlinie 76/207/EWG oder die Richtlinie 86/613/EWG falle,666 was darauf hindeuten könnte, dass der Diskriminierungsschutz doch nicht erst greifen soll, wenn die Mutterschutzrichtlinie nicht einschlägig ist. Möglicherweise hilft die einzige bisher nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23. 04. 2012, in Bezug auf die Anwendbarkeit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes mit den damit einhergehenden Geltungsschwierigkeiten auf GmbH-Geschäftsführer, weiter.667 Gegenstand des Verfahrens war ein Beschluss des Aufsichtsrates einer GmbH, den befristeten Anstellungsvertrag des Geschäftsführers, welcher mit dem 62. Lebensjahr enden sollte, nicht weiter fortzusetzen.668 Der Aufsichtsrat bestellte einen 41-jährigen Mitbewerber zum neuen Geschäftsführer.669 Der bisherige gesetzliche Vertreter sah in der Nichtverlängerung seines Vertrages sowie der Verweigerung 663 Für eine richtlinienkonforme Auslegung sprechen sich folgende Stimmen aus: Reufels/ Molle, NZA-RR 2011, 281 (283); Kort, NZG 2013, 601 (607); Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (60 f.); Stenslik/Zahn, DStR 2012, 1865 (1869); Lunk/Rodenbusch, GmbHR 2012, 188 (192 f.). 664 Siehe soeben unter Kap. 3 D. V. 2. a) bb) (1). 665 Vgl. EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 64, 74. 666 EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 70. 667 BGH NJW 2012, 2346 (2346 ff.). 668 BGH NJW 2012, 2346 (2346 f.). 669 BGH NJW 2012, 2346 (2347).
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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einer erneuten Bestellung zum Organmitglied eine unzulässige Diskriminierung wegen seines Alters.670 Der Bundesgerichtshof stimmte grundsätzlich mit dem Geschäftsführer überein, verwies die Entscheidung jedoch zur weiteren Sachverhaltsfeststellung hinsichtlich etwaiger Kausalitätsfragen und einer Entschädigungssumme an das Berufungsgericht zurück.671 Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hätte der Bundesgerichtshof die Entscheidung zum Anlass nehmen können, sich zu einer eventuellen unionsrechtlichen Arbeitnehmereigenschaft von Organmitgliedern und einer daraus resultierenden gesamten Geltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu positionieren. Stattdessen hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass die Frage, ob der Kläger als Geschäftsführer durch Auslegung des § 6 Abs. 1 AGG vom Arbeitnehmerbegriff erfasst sein könnte, nicht entschieden werde müsse, weil § 6 Abs. 3 AGG Anwendung finde.672 Die Passage des Urteils deutet möglicherweise darauf hin, dass der Bundesgerichtshof von einer richtlinienkonformen Auslegung des § 6 Abs. 1 AGG ausgeht, sofern eine Diskriminierung im Raum steht. In Bezug auf GmbH-Geschäftsführerinnen, die Arbeitnehmerinnen im Sinne der Richtlinie 76/207/EWG sind, soll daher zunächst eine richtlinienkonforme Auslegbarkeit des § 6 Abs. 1 AGG geprüft werden. (aa) Auslegungsfähigkeit des § 6 Abs. 1 AGG673 Präferiert man eine richtlinienkonforme Auslegung des § 6 Abs. 1 AGG, müsste die Vorschrift einer solchen zugänglich sein. Voraussetzung diesbezüglich ist eine Auslegbarkeit des Arbeitnehmerbegriffs im Sinne der Norm. Insofern kann auf die obigen Ausführungen verwiesen und eine Auslegungsfähigkeit angenommen werden.674 Dem steht § 6 Abs. 3 AGG nicht entgegen, wenn er für Organmitglieder den Anwendungsbereich des Gesetzes nur für Zugangs- und Aufstiegsbedingungen eröffnet.675 Keine direkte Auskunft gibt § 6 Abs. 3 AGG nämlich darüber, wer als Arbeitnehmer einzustufen ist und wer nicht.676 Aus der Vorschrift kann nicht zwingend abgeleitet werden, dass Geschäftsführer nicht als Arbeitnehmer klassifiziert werden können.677 Vordergründiges Ziel ist vielmehr eine unionsrechtlich gebotene Erstreckung des Diskriminierungsschutzes auf Organmitglieder.678 § 6 Abs. 3 670
BGH NJW 2012, 2346 (2347). BGH NJW 2012, 2346 (2347 ff.). 672 BGH NJW 2012, 2346 (2347). 673 Im Kontext des Europarechts einer richtlinienkonformen Auslegung wird danach gefragt, ob das deutsche Recht abschließend determiniert ist. 674 Siehe unter Kap. 3 D. V. 2. a) aa) (2) (b). 675 Schubert, ZIP 2013, 289 (291); Reufels/Molle, NZA-RR 2011, 281 (283); siehe auch Eßer/Baluch, NZG 2007, 321 (323 f.). 676 Schubert, ZESAR 2013, 5 (11). 677 Schubert, ZESAR 2013, 5 (11). 678 Schubert, ZESAR 2013, 5 (11). 671
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
AGG gilt ausschließlich für Organmitglieder, die keine Arbeitnehmer sind. Wenn Geschäftsführer aber im Einzelfall als Arbeitnehmer zu bewerten sind, werden sie nicht von § 6 Abs. 3 AGG sondern von § 6 Abs. 1 AGG erfasst. Es wäre zu weitgehend anzunehmen, § 6 Abs. 3 AGG würde automatisch ausschließen, dass Organmitglieder unter Umständen Arbeitnehmer sein können. Lässt sich § 6 Abs. 1 AGG im Ergebnis richtlinienkonform auslegen, können sich GmbH-Geschäftsführerinnen, die unionsrechtlich als Arbeitnehmerinnen gelten, auf den Schutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, insbesondere vor benachteiligenden Arbeits- und Entlassungsbedingungen berufen.679 GmbH-Geschäftsführerinnen dürften dann nicht wegen ihrer Schwangerschaft diskriminiert werden. (bb) Erstreckung des Diskriminierungsschutzes auf die Abberufung? Unklar ist, ob der durch § 6 Abs. 1 AGG für Arbeitnehmerinnen im unionsrechtlichen Sinne garantierte Schutz auch auf das gesellschaftsrechtliche Organverhältnis anwendbar ist. Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil vom 23. 04. 2012 geklärt, dass der Schutz des § 6 Abs. 3 AGG für den zivilrechtlichen Anstellungsvertrag sowie den gesellschaftsrechtlichen Akt der Bestellung gilt.680 Kann die Arbeitnehmereigenschaft von Fremdgeschäftsführerinnen und nicht herrschenden Gesellschafter-Geschäftsführerinnen im Sinne des § 6 Abs. 1 AGG bejaht werden, genießen diese grundsätzlich Schutz vor Entlassungsbedingungen und müssten sich somit auch im Falle einer Abberufung auf den Schutzgehalt des § 6 Abs. 1 AGG berufen können. Eine Entscheidung diesbezüglich muss jedoch nicht abschließend getroffen werden, wenn bei der Bejahung einer Arbeitnehmereigenschaft die Mutterschutzrichtlinie wohl Vorrang genießt. (b) Geltung des § 2 Abs. 4 AGG – Rechtsfolge einer unzulässigen Diskriminierung? Offen ist, welche Rechtsfolge ein durch § 6 Abs. 1 AGG garantierter Diskriminierungsschutz auslöst. Nach den Aussagen des Europäischen Gerichtshofs müsste eine Abberufung respektive Kündigung wegen Schwangerschaft unzulässig sein.681 (aa) Rechtsfolge bei einer unzulässigen Kündigung § 2 Abs. 4 AGG bestimmt, dass in Bezug auf Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz Anwendung finden. Diese unionsrechtlich problematische Regelung rettete das Bundesarbeitsgericht, indem es Diskriminierungsverbote bei der Sozialwidrigkeit konkretisierend 679
Schubert, ZESAR 2013, 5 (12); Reufels/Molle, NZA-RR 2011, 281 (283). BGH NJW 2012, 2346 (2347); zustimmend: Kort, NZG 2013, 601 (605); Lunk, RdA 2013, 110 (112); ablehnend: Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (65 f.); Schiefer/Worzalla, ZfA 2013, 41 (46); Bauer/Arnold, NZG 2012, 921 (922). 681 Vgl. EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 62. 680
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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berücksichtigt.682 Die Kündigung könnte bei einer Verletzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sozialwidrig sein.683 Findet das Kündigungsschutzgesetz, beispielsweise wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen der §§ 1 Abs. 1, 23 KSchG keine Anwendung, sind die Diskriminierungsverbote im Rahmen der Generalklauseln §§ 138 Abs. 1, 242 BGB in Verbindung mit den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes konkretisierend zu beachten.684 Da GmbH-Geschäftsführer nach nationalem Recht grundsätzlich keinen Kündigungsschutz genießen (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG), wird die Auffassung vertreten, dass der vom Europäischen Gerichtshof vorgegebene Schutz durch das nationale Recht gegenwärtig nicht garantiert sei.685 Zur Erreichung eines Schutzes vor diskriminierenden Kündigungen solle die Norm des § 2 Abs. 4 AGG jedenfalls für Fremdgeschäftsführer unangewendet bleiben müssen.686 Andere Stimmen vertreten hingegen die Auffassung, bei Organmitgliedern könnten die Benachteiligungsverbote im Hinblick auf Kündigungen allenfalls über die §§ 138, 242 BGB berücksichtigt werden.687 Diesbezüglich müssten die zivilrechtlichen Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB richtlinienkonform ausgelegt werden.688 Eine Kündigung, die sich benachteiligend auswirke, sei im Sinne dieser Vorschriften nichtig.689 Vorliegend muss beachtet werden, dass bei einer Vereinbarung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes die Kündigung des Anstellungsvertrages eines GmbH-Geschäftsführers den Anforderungen des § 1 Abs. 2 KSchG genügen muss. Sind die Benachteiligungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes hinsichtlich einer Kündigung bei dem Merkmal der Sozialwidrigkeit aus § 1 Abs. 2 KSchG entsprechend zu berücksichtigen, sollte dies auch für GmbH-Geschäftsführer gelten. Im Falle der Vereinbarung ist eine geschlechtsbezogene Diskriminierung aufgrund der Schwangerschaft damit im Rahmen des § 1 Abs. 2 KSchG eines personenbedingten Kündigungsgrundes so zu würdigen, dass ein wirksamer Kündigungsgrund nicht gegeben ist. Die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes für Geschäftsführer hat mithin zur Folge, dass die Kündigung, gestützt auf die Schwangerschaft einer Geschäftsführerin, gemäß § 1 Abs. 2 KSchG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 AGG unwirksam ist. Selbst bei einer Unanwendbarkeit des gesetzlichen 682
BAG NZA 2009, 361 (363 ff.); BAG NZA 2010, 280 (281); BAG NZA 2010, 457 (458 f.); BAG NZA 2012, 1044 (1048). 683 BAG NZA 2010, 280 (281); BAG NZA 2010, 457 (458 f.); BAG NZA 2012, 1044 (1048). 684 BAG NZA 2014, 372 (374 ff.). 685 Lunk/Rodenbusch, GmbHR 2012, 188 (194); Lunk, RdA 2013, 110 (112). 686 Lunk, RdA 2013, 110 (112); vgl. auch Sagan, NZA 2006, 1257 (1259), welcher sich für eine allgemeine Unanwendbarkeit des § 2 Abs. 4 AGG bei Arbeitsverhältnissen zwischen Privaten ausspricht. 687 Schubert, ZIP 2013, 289 (293), welche eine benachteiligende Kündigung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes als nichtig ansieht. 688 Schubert, ZESAR 2013, 5 (12). 689 Schubert, ZESAR 2013, 5 (12).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Kündigungsschutzes sollten Diskriminierungen über die §§ 138, 242 BGB entsprechend gewürdigt werden, da nicht ersichtlich ist, warum für GmbH-Geschäftsführerinnen etwas anderes zum Tragen kommen sollte als für Arbeitnehmerinnen, die nicht dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes unterliegen. (bb) Rechtsfolge bei einer unzulässigen Abberufung Ob § 2 Abs. 4 AGG auch der Unwirksamkeit einer Abberufung entgegensteht, ist ebenfalls problematisch. Einerseits wird darauf abgestellt, § 2 Abs. 4 AGG finde auf den gesellschaftsrechtlichen Akt des Widerrufs der Bestellung keine Anwendung, weil er keinen Aussagegehalt hinsichtlich einer Abberufung enthalte690 beziehungsweise die Norm sich ausschließlich auf Kündigungen beziehe.691 Daraus müsse theoretisch geschlossen werden, dass die Abberufung unwirksam sei.692 Andererseits wird vertreten, eine gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßende Abberufung des Geschäftsführers könne nicht unwirksam sein, sondern gemäß § 15 Abs. 6 AGG nur Sekundäransprüche auslösen.693 Letztere Auffassung geht jedoch nicht mit dem Europäischen Gerichtshof überein, wenn er konstatiert, dass eine Abberufung nicht möglich sein dürfe. Der Widerruf der Organstellung einer schwangeren Geschäftsführerin dürfte demnach über die §§ 7, 6 Abs. 1 AGG unwirksam sein. § 2 Abs. 4 AGG kann grundsätzlich nicht entgegenstehen, weil er sich allein auf Kündigungen bezieht, da bereits die Beschlussempfehlung ausschließlich von Kündigungen spricht.694 Die Intention des Gesetzgebers lag in der „Klarstellung, dass die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes unberührt bleiben. Sie soll für die Praxis zugleich verdeutlichen, dass Rechtsstreitigkeiten bei Kündigungen auch in Zukunft vorwiegend nach dem Kündigungsschutzgesetz zu entscheiden sein werden,“695 weshalb die Zielrichtungen in der Regel nicht auf eine Abberufung übertragen werden können. (c) Ergebnis Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 6 Abs. 1 AGG hat für Geschäftsführer als Arbeitnehmer im unionsrechtlichen Sinne zur Folge, dass sie gemäß dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geschützt werden, insbesondere Schutz vor diskriminierenden Entlassungsbedingungen genießen. Dieser Schutz bezieht sich 690
Schubert, ZIP 2013, 289 (293). Schubert, ZESAR 2013, 5 (12). 692 Schubert, ZIP 2013, 289 (293), welche jedoch wiederum auf den S. 295 ff. dennoch zu einer Wirksamkeit der Abberufung kommt, weil eine Nichtigkeit gemäß § 7 Abs. 1 AGG, §§ 138, 242 BGB nicht mit der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 AEUV in Einklang zu bringen sei. Lediglich die Kündigung sei nach den zivilrechtlichen Generalklauseln nichtig. 693 Schiefer/Worzalla, ZfA 2013, 41 (46). 694 Vgl. BT-Drs. 16/2022 v. 28. 06. 2006, S. 12 zu I. (zu Nr. 1) – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses. 695 BT-Drs. 16/1780 v. 08. 06. 2006, S. 32 zu Abs. 4. 691
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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auf das Anstellungsverhältnis und wohl auf das gesellschaftsrechtliche Organverhältnis. Die Abberufung einer schwangeren Geschäftsführerin könnte möglicherweise nach § 7 AGG unwirksam sein, während eine Kündigung wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 KSchG in Verbindung mit §§ 6 Abs. 1, 2 Abs. 4 AGG unrechtmäßig wäre. Der Europäische Gerichtshof sieht einen Entlassungsschutz wohl sogar in dem sich aus Art. 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergebenden Grundsatz der Gleichheit von Frauen und Männern „bestätigt“, was die Schlussfolgerung zulassen könnte, dass ein Diskriminierungsschutz überdies primärrechtlich verankert ist.696 Es bleibt abzuwarten, wie sich der Europäische Gerichtshof zukünftig zu dieser Problemstellung positionieren wird. (d) Richtlinienkonforme Auslegung des § 6 Abs. 3 AGG Darf nicht schon § 6 Abs. 1 AGG richtlinienkonform ausgelegt werden, weil die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs so zu verstehen sind, dass er der Mutterschutzrichtlinie insofern einen Anwendungsvorrang einräumt, wäre eine richtlinienkonforme Auslegung des § 6 Abs. 3 AGG zu erwägen.697 Geprüft werden müsste demnach, ob der Geltungsbereich des § 6 Abs. 3 AGG in Bezug auf den Schutz vor Zugangs- und Aufstiegsbedingungen auf den Schutz vor Entlassungsbedingungen erweitert werden kann, der Wortlaut diesbezüglich einer richtlinienkonformen Auslegung zugänglich ist. Wäre dies zu bejahen, hätten alle Geschäftsführer, unabhängig davon, ob sie im Sinne des Unionsrechts Arbeitnehmer sind oder nicht, umfassenden Diskriminierungsschutz. „§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 3 AGG sind bewusst aufeinander abgestimmte Regelungen“, welche eine Auslegungsmöglichkeit698 nicht eröffnen.699 Auch wenn die Gesetzesbegründung davon spricht, „dass sich Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer auf den Schutz gegen Benachteiligungen berufen können, soweit es um Sachverhalte wie etwa den Zugang zur Tätigkeit als Organmitglied oder das Fortkommen in dieser Tätigkeit geht“,700 kann aus dieser misslichen Formulierung nicht geschlussfolgert werden, der Gesetzgeber wollte den Schutz auch auf andere Sachverhalte wie beispielsweise die Entlassung erweitern.
696
EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 71. So Leopold, ZESAR 2011, 362 (367), der § 6 Abs. 3 AGG auch dann richtlinienkonform auslegen will, wenn die Geschäftsführerinnen nicht als Arbeitnehmerinnen klassifiziert werden; ablehnend: Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (60 f.); Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, S. 387 Rn. 13; Bauer/Arnold, ZIP 2012, 597 (599), welche eine Auslegung für nicht möglich halten. 698 Gemeint ist auch hier wieder, ob ein abgeschlossenes Regelungskonzept vorliegt. 699 Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993 (996); vgl. auch Schubert, ZIP 2013, 289 (293) und Bauer/ Krieger, AGG, § 6 Rn. 35a, welche eine Auslegung des § 6 Abs. 3 AGG für nicht möglich halten. 700 BT-Drs. 16/1780 v. 08. 06. 2006, S. 34 zu § 6 (zu Abs. 3). 697
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Die Normierung des Anwendungsbereiches der Nr. 1 bis 3 des § 2 Abs. 1 AGG gleicht den in Art. 3 Abs. 1 lit. a bis c der Gleichbehandlungsrichtlinien.701 Das Benachteiligungsverbot findet damit sowohl nach europäischen als auch deutschen Vorgaben im Falle einer selbstständigen Erwerbstätigkeit auf den Zugang zu dieser Tätigkeit und bei Arbeitnehmern weitergehend bei Entlassungen Anwendung.702 Der deutsche Gesetzgeber hat mit der Differenzierung des § 6 Abs. 1 und 3 AGG allein europarechtliche Vorgaben umgesetzt.703 Die in Art. 3 Abs. 1 lit. a bis c der Richtlinie 76/207/EWG vorgenommene Abstufung zeigt, dass eine Erstreckung des Diskriminierungsschutzes auf Entlassungen von selbstständig Tätigen nicht Intention der Gleichbehandlungsrichtlinie ist.704 Die Beschränkung des Anwendungsbereiches für selbstständige Erwerbstätige ausschließlich auf Zugangs- und Aufstiegsbedingungen erlaubt den Umkehrschluss einer Geltung des Diskriminierungsschutzes für Arbeitsbedingungen allein für abhängig Beschäftigte.705 Die Tatsache, dass der Gesetzgeber den sachlichen Anwendungsbereich des § 2 AGG entsprechend den Vorgaben der europäischen Richtlinien 2000/43/EG, 2000/ 78/EG und 76/207/EWG ausgestaltet hat,706 verdeutlicht, dass er sich bewusst für eine Nichtgeltung des Diskriminierungsschutzes für GmbH-Geschäftsführer in Bezug auf Entlassungsbedingungen entschieden hat. § 6 Abs. 3 AGG ist folglich einer richtlinienkonformen Auslegung nicht zugänglich. Dem steht auch nicht die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs entgegen, wenn er Geschäftsführerinnen vom Schutzbereich der Gleichbehandlungsrichtlinie hinsichtlich Entlassungen als erfasst ansieht. Dies soll nur dann gelten, wenn sich die Organmitglieder als Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts einstufen lassen und insoweit eine unselbstständige Erwerbstätigkeit ausüben. (e) Ergebnis Kommt eine richtlinienkonforme Auslegung des § 6 Abs. 3 AGG nicht in Betracht, bleibt für GmbH-Geschäftsführerinnen, die unionsrechtlich Arbeitnehmerinnen sind, ein Rückgriff auf § 6 Abs. 1 AGG. Durch eine richtlinienkonforme Anwendung dieser Norm eröffnet sich für Geschäftsführerinnen und damit grundsätzlich für Fremd- und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführerinnen sowie solche ohne beherrschenden Einfluss die gesamte Geltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, einschließlich des Schutzes vor benachteiligenden Entlassungsbedingungen. Sie werden auf diese Weise zukünftig vor Diskriminierungen aufgrund einer Schwangerschaft geschützt. 701 BT-Drs. 15/4583 v. 16. 12. 2004, S. 28 zu § 2 (zu Abs. 1); BT-Drs. 16/1780 v. 08. 06. 2006, S. 31 zu § 2 (zu Abs. 1). 702 Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (63). 703 Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (63 f.). 704 Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (64). 705 Bauer/Arnold, ZIP 2012, 597 (598). 706 BT-Drs. 16/1780 v. 08. 06. 2006, S. 31 zu § 2 (zu Abs. 1).
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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(3) Innerstaatliche Geltung der Richtlinie 86/613/EWG Nachdem der Europäische Gerichtshof dargestellt hat, dass es nicht entscheidend darauf ankomme, welche Richtlinie einschlägig sei, konstatierte er, „unabhängig davon, welche Richtlinie Anwendung findet, kommt es darauf an, der Betroffenen den Schutz zu gewährleisten, den das Unionsrecht Schwangeren für den Fall gewährt, dass das Rechtsverhältnis, dass sie mit einer anderen Person verbindet, wegen ihrer Schwangerschaft beendet wurde“.707 Weitere Ausführungen können der Entscheidung zur Richtlinie 86/613/EWG nicht entnommen werden. In welchem Umfang Selbstständige von der Gleichbehandlungsrichtlinie erfasst sind, lässt der Europäische Gerichtshof offen.708 Seine Ausführungen könnten aber unter Umständen darauf hindeuten, dass der Gerichtshof schwangeren selbstständigen Geschäftsführerinnen aus der Richtlinie 86/613/EWG Kündigungsschutz zukommen lassen will, zumal er einen solchen Schutz wohl auch in dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert sieht.709 Der Richtlinie selbst kann ein solcher Schutz grundsätzlich nicht entnommen werden. Art 8 der Richtlinie besagt: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich zu prüfen, ob und unter welchen Bedingungen die selbständigen erwerbstätigen Frauen (…) während der Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft – Zugang zu Vertretungsdiensten oder zu sozialen Diensten (…) erhalten können“.710 Aus dem Artikel resultiert nicht einmal ein Anspruch für selbstständig Erwerbstätige auf Vertretungsmöglichkeiten oder soziale Dienste, weil den Mitgliedstaaten keine Verpflichtung in dem Sinne obliegt.711 Auch aus der Nachfolgerichtlinie des 86/613/EWG, der Richtlinie 2010/41/EU kann kein Anspruch auf Kündigungsschutz abgeleitet werden.712 Diese Richtlinie enthält in Art. 8 einen Anspruch auf Mutterschaftsleistungen,713 die eine Unterbrechung ihrer Tätigkeit ermöglichen.714 Ein Kündigungsschutz wird nicht normiert, was folgerichtig ist, da Selbstständige von niemanden gekündigt werden können, sie vielmehr ihr „eigener Herr sind“. Eine solche Sichtweise gilt auch für Gesellschafter-Geschäftsführerinnen mit beherrschenden Einfluss, welche nicht als unionsrechtliche Arbeitnehmerinnen anzusehen sind. Sie entscheiden über die Beendigung ihrer Anstellungsverhältnisse maßgeblich durch ihre Stimmenmehrheit oder ihren bestimmenden Einfluss mit. Sie können demnach eine Kündigung ihrer Rechtsverhältnisse aufgrund Schwangerschaft verhindern, da sie insbesondere keinem
707 708 709 710 711 712 713 714
EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa, Rn. 70. Kort, NZG 2013, 601 (605). Siehe unter Kap. 3 D. V. 2. a) bb) (2) (c). ABl. Nr. L 359 v. 19. 12. 1986, S. 57 Art. 8 der RL 86/613/EWG. Knigge, ZESAR 2013, 24 (27). Vgl. ABl. Nr. L 180 v. 15. 07. 2010, S. 1 ff. Knigge, ZESAR 2013, 24 (28). ABl. Nr. L 180 v. 15. 07. 2010, S. 4 Artikel 8.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Stimmverbot nach § 47 Abs. 4 GmbHG unterliegen.715 Die für einen wirksamen Gesellschafterbeschluss erforderliche einfache Mehrheit von 51 % kann nicht, unabhängig davon wie viele weitere Gesellschafter es gibt, ohne die Mitwirkung der Geschäftsführerinnen selbst zustande kommen. Die Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführerinnen haben entsprechend ihrer Kapitalbeteiligung einen so erheblichen Einfluss auf die Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung, dass sie jede für sie negative und eventuell zu einer Beendigung ihrer Anstellungsverhältnisse führende Entscheidung verhindern können. Ein Kündigungsschutz im Falle einer Schwangerschaft ist für GesellschafterGeschäftsführerinnen mithin nicht erforderlich. Insbesondere kann ein solcher Schutz nicht der Richtlinie 86/613/EWG und der Nachfolgerichtlinie 2010/41/EU entnommen werden.716 Aus diesem Grund ist es für die vorliegende Untersuchung nicht relevant, inwiefern die Richtlinie 2010/41/EU bereits in das nationale Recht umgesetzt wurde.717 GmbH-Geschäftsführerinnen, die unionsrechtlich als Arbeitnehmerinnen klassifiziert werden, sind bei einer Schwangerschaft nicht auf Kündigungsschutz angewiesen, wohl aber sollten ihnen die Mutterschaftsleistungen gewährt werden. b) Gesamtergebnis Es wird anzunehmen sein, dass die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Danosa auch für das deutsche Recht weitreichende Konsequenzen haben wird. Angesichts der Ähnlichkeit der lettischen Regelungen zu den deutschen Vorschriften über Geschäftsführer und eine Kündigung im Falle einer Schwangerschaft lassen sich die Ausführungen des Gerichtshofs auf das deutsche Recht übertragen. Fremd- und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführerinnen und solche ohne beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft werden nach der Definition des Europäischen Gerichtshofs unionsrechtlich als Arbeitnehmerinnen im Sinne der Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG angesehen werden können, mit der Folge der Notwendigkeit einer richtlinienkonformen Auslegung des § 1 Nr. 1 MuSchG. Da eine solche angesichts der „Auslegungsfähigkeit“ des deutschen Arbeitnehmerbegriffs möglich ist, muss das Mutterschutzgesetz, insbesondere das aus § 9 Abs. 1 MuSchG folgende Kündigungsverbot für GmbH-Geschäftsführerinnen Anwendung finden. Ebenso wird es der Schutzzweck der Mutterschutzrichtlinie gebieten, die Abberufung einer Geschäftsführerin aufgrund der Schwangerschaft vom Verbot zu umfassen, so dass zukünftig weder die Beendigung des Anstellungsvertrages noch der Widerruf der Organstellung im Falle einer Schwangerschaft rechtmäßig sein werden. 715
Siehe unter Kap. 2 B. II. 3. b) bb) (2). Für ein entsprechendes Kündigungsverbot von selbstständigen Organmitgliedern Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen, 2014, S. 149 ff. 717 Vgl. hierzu BT-Drs. 17/9615 v. 11. 05. 2012, S. 53 f. zu Nr. 67 und 68; Knigge, ZESAR 2013, 24 (29). 716
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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Auch die Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EWG geht von einem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff aus. Folglich werden Fremd- und GesellschafterGeschäftsführerinnen ohne maßgebliche Beteiligung ebenfalls von dieser erfasst. Durch eine richtlinienkonforme Auslegung des § 6 Abs. 1 AGG, nicht des § 6 Abs. 3 AGG, können sich GmbH-Geschäftsführerinnen auf den Schutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes berufen. Eine Kündigung und möglicherweise eine Abberufung wegen Schwangerschaft der gesetzlichen Vertreterinnen wären eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts und in der Konsequenz ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Die Unwirksamkeit einer Kündigung ergibt sich jedoch wegen der Regelung des § 2 Abs. 4 AGG, bei einer Geltung des Kündigungsschutzgesetzes für GmbH-Geschäftsführer, aus einer konkretisierenden Berücksichtigung des Benachteiligungsverbotes im Rahmen der Sozialwidrigkeit nach § 1 Abs. 2 KSchG. Die Abberufung schwangerer Geschäftsführerinnen könnte nach § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 AGG unwirksam sein, weil angesichts des Wortlautes und der Gesetzesbegründung des § 2 Abs. 4 AGG diese Norm nicht für den gesellschaftsrechtlichen Rechtsakt des Widerrufs gelten kann. Bei einer Qualifizierung der GmbH-Geschäftsführerinnen als unionsrechtliche Arbeitnehmerinnen sollte nichtsdestotrotz eine richtlinienkonforme Auslegung des § 1 Nr. 1 MuSchG gegenüber einer solchen nach § 6 Abs. 1 AGG präferiert werden, da § 9 Abs. 1 MuSchG als speziellere Regelung, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Schwierigkeiten bei den Rechtsfolgen einer unzulässigen Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, Vorrang hat. Weitergehend sieht der Europäische Gerichtshof einen Diskriminierungsschutz wohl in dem sich aus Art. 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergebenden Grundsatz der Gleichheit von Frauen und Männern „bestätigt“, was die Schlussfolgerung zulassen könnte, dass ein Diskriminierungsschutz sogar primärrechtlich verankert ist. GmbH-Geschäftsführerinnen, die nicht unter den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff subsumiert werden können, genießen grundsätzlich keinen Kündigungsschutz. Ein solcher kann der Richtlinie 86/613/EWG und auch der Nachfolgerichtlinie 2010/41/EU regelmäßig nicht entnommen werden. Gesellschafter-Geschäftsführerinnen mit Mehrheitsbeteiligung haben die Möglichkeit, die Kündigung ihrer Anstellungsverträge durch Ausübung ihres Stimmrechts zu verhindern, so dass sie in der Regel nicht auf Kündigungsschutz angewiesen sind.
VI. Alter Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Danosa vom 11. 11. 2010 hat über das Kündigungsverbot einer schwangeren Geschäftsführerin hinaus weitergehende Wirkung.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Ob die Anstellungsverhältnisse der GmbH-Geschäftsführer aufgrund Erreichens einer bestimmten Altersgrenze oder Vollendung des 65. Lebensjahres, anders als bei Arbeitnehmern718 und leitenden Angestellten719, beendet werden können, ist unter Heranziehung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu beurteilen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schützt Beschäftigte vor unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierungen, unter anderem wegen des Alters (vgl. § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 AGG). Die Kündigung eines Arbeitnehmers aufgrund seines Alters stellt eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 1 Abs. 1 AGG dar, welche insoweit, angesichts der Regelung des § 2 Abs. 4 AGG, konkretisierend im Rahmen der Sozialwidrigkeit einer Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG zu berücksichtigen ist und eine solche grundsätzlich sozial ungerechtfertigt macht.720 Gemäß § 6 Abs. 3 AGG werden Organmitglieder und damit GmbH-Geschäftsführer vom Geltungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erfasst. Kein Schutz für diese Beschäftigten besteht in Bezug auf Entlassungsbedingungen, so dass einer altersbedingten Kündigung das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz grundsätzlich nicht entgegensteht.721 Eine andere Bewertung ergibt sich, wenn das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz im Lichte des Europarechts richtlinienkonform ausgelegt werden muss. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz setzt die europäischen Diskriminierungsrichtlinien um.722 So wird auch die Richtlinie 2000/78/EG, welche Benachteiligungen wegen des Alters in Beschäftigung und Beruf verbietet,723 durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz innerstaatlich verwirklicht.724 Stuft man Fremdgeschäftsführer und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer vor dem Hintergrund der Danosa-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 11. 11. 2010725 als Arbeitnehmer im unionsrechtlichen Sinne ein,726 kann durch eine richtlinienkonforme Auslegung des § 6 Abs. 1 AGG der gesamte Schutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf GmbH718 BAG NJW 1962, 73 (73); BAG NJW 1971, 1629 (1631); BAG Urteil v. 20. 12. 1984 – 2 AZR 3/84, juris Rn. 40; BAG NZA 1988, 617 (619), das aber die Festlegung einer Altersgrenze von 65 Jahren in einer Betriebsvereinbarung als zulässig ansieht; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 19; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 154; Löwisch/Spinner/Wertheimer/Löwisch, KSchG, § 1 Rn. 259; Säcker, RdA 1976, 91 (92); Hanau, RdA 1976, 24 (26); a.A.: Nikisch, Arbeitsrecht, I. Band, 3. Auflage 1961, S. 760; Schimana, RdA 1970, 1138 (1141). 719 Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 80 f.; Schwab/Kaiser, AR-Blattei SD, 70.2 Rn. 83; Schipp, Die Stellung des leitenden Angestellten im Kündigungsschutzprozeß, 1992, S. 127; KR-Rost, KSchG, § 14 KSchG Rn. 44; Becker, ZIP 1981, 1168 (1172). 720 Vgl. zu den Rechtsfolgen auch schon unter Kap. 3 D. V. 2. a) bb) (2) (b) (aa). 721 Bauer/Krieger, AGG, § 6 Rn. 36; Reufels/Molle, NZA-RR 2011, 281 (284); Bauer/ Arnold, ZIP 2008, 993 (1000). 722 Siehe unter Kap. 3 D. V. 2. a) bb) (2). 723 ABl. Nr. L 303 v. 02. 12. 2000, S. 18 zu Art. 1 und 2 (RL 2000/78/EG v. 27. 11. 2000). 724 Siehe unter Kap. 3 D. V. 2. a) bb) (2). 725 EuGH v. 11. 11. 2010 – Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11435, Danosa. 726 Siehe unter Kap. 3 D. V. 2. a) bb) (2).
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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Geschäftsführer erweitert werden.727 In der Folge wären GmbH-Geschäftsführer in Bezug auf Entlassungsbedingungen geschützt.728 Eine Kündigung, gestützt auf das Alter des Organmitgliedes, wäre eine Benachteiligung im Sinne des § 3 AGG und im Falle der Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes bei der Sozialwidrigkeit des § 1 Abs. 2 KSchG konkretisierend zu berücksichtigen.729 Die Rechtfertigung einer Kündigung würde in aller Regel scheitern. Eine entsprechende Erstreckung des Schutzes des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf Gesellschafter-Geschäftsführer wird regelmäßig unter Zugrundelegung der EuGH-Entscheidung vom 11. 11. 2010 nicht geboten und möglich sein. Da sie sich nicht als Arbeitnehmer im unionsrechtlichen Sinne einstufen lassen und in der Folge § 6 Abs. 1 AGG nicht richtlinienkonform ausgelegt werden kann, kann eine altersbedingte Kündigung solcher Geschäftsführer nicht an den Voraussetzungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gemessen werden. Es wird demnach nicht auszuschließen sein, dass die Beendigung der Anstellungsverhältnisse aus altersbedingten Gründen gerechtfertigt ist, wobei für eine personenbedingte Kündigung auch in einem solchen Fall eine negative Prognose gegeben sein muss, wonach eine Minderung der Arbeitsleistung mit einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen einhergeht. Letztlich kann jedoch darauf abgestellt werden, dass Geschäftsführeranstellungsverträge ohne die Mitwirkung der Gesellschafter-Geschäftsführer selbst nicht gekündigt werden können, wenn die gesetzlichen Vertreter keinem Stimmverbot nach § 47 Abs. 4 GmbHG unterliegen.730 Auf die Frage, ob die Kündigung von Gesellschafter-Geschäftsführern wegen ihres Alters rechtmäßig wäre, kommt es insoweit nicht entscheidend an. Während die EuGH-Entscheidung für Fremdgeschäftsführer und minderheitlich beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer über das Kündigungsverbot einer schwangeren Geschäftsführerin hinaus weitergehende Rechtswirkungen in Bezug auf eine altersbedingte Kündigung entfaltet und eine solche nicht den Anforderungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes standhält, kann das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nicht für mehrheitsbeteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer gelten. Ein Bestandsschutz ihres Anstellungsverhältnisses ergibt sich aber aus ihrer Stellung als beherrschende Gesellschafter.
VII. Abberufung als Geschäftsführer Kein Kündigungsgrund ist der Widerruf der Organstellung eines Geschäftsführers. Dies hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich entschieden und kann im Be727 728 729 730
Siehe unter Kap. 3 D. V. 2. a) bb) (2) (c). Lunk, RdA 2013, 110 (114). Vgl. auch schon zu den Rechtsfolgen Kap. 3 D. V. 2. a) bb) (2) (b) (aa). Siehe unter Kap. 2 B. II. 3. b) bb) (2).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
sonderen aus Sinn und Zweck der Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes abgeleitet werden.731 Legen die GmbH und ihr Geschäftsführer die Anwendbarkeit der gesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen fest, möchten sie den Anstellungsvertrag in seinem Bestand schützen und eine Beendigung von dem Vorliegen eines Kündigungsgrundes abhängig machen.732 Dies stünde im Widerspruch zu einer grundsätzlichen sofortigen Abberufung als Geschäftsführer.733 Eine Beendigung der Organstellung kann insofern nicht als personenbedingter Kündigungsgrund seitens der Gesellschaft geltend gemacht werden.734
VIII. Arbeits- und Berufsausübungserlaubnis Bekommt ein ausländischer Arbeitnehmer keine notwendige Arbeitsgenehmigung oder wird ihm eine solche rechtskräftig entzogen, rechtfertigt dieser Umstand eine personenbedingte Kündigung, weil der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung dauerhaft nicht mehr erbringen kann.735 Ist eine rechtskräftige Entscheidung über die Arbeitserlaubnis des Beschäftigten noch nicht ergangen, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wirksam kündigen, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die „Erteilung“ der Genehmigung in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist und der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers aufgrund erheblicher betrieblicher Beeinträchtigungen nicht frei gehalten werden kann.736 Es sind die zu einer Kündigung wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers aufgestellten Maßstäbe verbindlich.737 Die vorstehenden Grundsätze müssen auch bei einem GmbH-Geschäftsführer Anwendung finden.738 Hat dieser keine Arbeits- oder Berufsausübungserlaubnis, ist die GmbH berechtigt, sein Anstellungsverhältnis wirksam zu beenden. In einem solchen Fall kann der Geschäftsführer zukünftig seiner vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht mehr nachgehen, was eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Gesellschaft zur Folge hat und eine Interessenabwägung zwingend zulasten des Geschäftsführers ausfallen lässt. Das gleiche gilt, wenn eine Entscheidung über die Erteilung einer Erlaubnis noch aussteht, mit einer solchen in 731
BGH NJW 2010, 2343 (2345). Jaeger, DStR 2010, 2312 (2315). 733 BGH NJW 2010, 2343 (2345); Jaeger, DStR 2010, 2312 (2315). 734 So auch Jaeger, DStR 2010, 2312 (2315). 735 BAG NZA 1991, 341 (343); Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 20; v. HoyningenHuene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 334; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 155. 736 BAG NZA 1991, 341 (343); Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 20. 737 BAG NZA 1991, 341 (343), welches jedoch nicht eindeutig herausstellt, ob die Grundsätze einer dauernden Erkrankung oder einer langanhaltenden Erkrankung anzuwenden sind. 738 Vgl. in Bezug auf leitende Angestellte Schipp, Die Stellung des leitenden Angestellten im Kündigungsschutzprozeß, 1992, S. 118. 732
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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absehbarer Zeit jedoch nicht gerechnet werden kann. Der GmbH ist es nicht möglich, die Stelle des Geschäftsführers offen zu halten; allenfalls wäre eine vorübergehende Besetzung, beispielsweise durch eine Stellvertretung, zu erwägen. Eine Pflicht hierzu muss jedoch insbesondere unter dem Aspekt verneint werden, dass es der Gesellschaft nicht zuzumuten ist, auf nicht absehbare Zeit die Position des Geschäftsführers anderweitig zu besetzen. Das Fehlen oder Versagen einer Berufsausübungserlaubnis rechtfertigt auch bei GmbH-Geschäftsführern eine personenbedingte Beendigung ihres Anstellungsverhältnisses.
IX. Außerdienstliches Verhalten Bei Arbeitnehmern kann aufgrund ihres außerdienstlichen Verhaltens ausnahmsweise eine personenbedingte Kündigung gerechtfertigt sein, wenn das Verhalten auf eine mangelnde persönliche Eignung des Arbeitnehmers hindeutet.739 1. Straftaten Dies wird etwa bei Straftaten in Betracht gezogen, die keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweisen.740 Straftaten im dienstlichen Bereich, zum Beispiel der Diebstahl von Firmeneigentum, stellen eine Arbeitspflichtverletzung dar und können zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen.741 Eine mangelnde Eignung des Arbeitnehmers wird bei folgenden außerdienstlichen Straftaten angenommen: Verurteilung eines Erziehers oder Lehrers wegen vorsätzlicher Körperverletzung zulasten eines Kindes,742 Verursachung eines Unfalls durch einen Kfz-Sachverständigen mit 1,9 Promille sowie Begehung von Fahrerflucht mit anschließendem Führerscheinentzug743 und erhebliche Steuerhinterziehung durch einen Angestellten der Finanzbehörde.744 a) Begehung einer Straftat durch den Geschäftsführer Straftaten durch einen Geschäftsführer, die einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz darstellen oder als sexuelle Delikte und damit als schwerwiegend zu qualifizieren sind sowie andere schwere Taten, beispielsweise Hehlerei (§§ 259 ff. StGB (Strafgesetzbuch)), Steuerhinterziehung (§ 370 AO (Abgabenordnung), § 261 739 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 23; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 336 und 458. 740 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 390. 741 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 390. 742 LAGE § 626 BGB Nr. 45 S. 2. 743 LAGE § 626 BGB Nr. 34 S. 4. 744 BAG NZA 2002, 1030 (1031): Bejahung einer außerordentlichen Kündigung.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
StGB), Betrug (§§ 263 ff. StGB) oder Bankrott (§§ 283 ff. StGB) können sich dann negativ auf das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers auswirken, wenn sie geeignet sind, sein Ansehen als Führungskraft zu schädigen. Dies ist zum einen anzunehmen, sofern Vertragspartner, Kunden oder Kreditgeber der GmbH von der Straftat des Geschäftsführers Kenntnis erlangen und aufgrund des Vertrauensverlustes entsprechende Konsequenzen in Bezug auf eine weitere Zusammenarbeit mit der Gesellschaft ziehen745 oder zumindest die begründete Gefahr besteht, dass Geschäftspartner von einer weiteren Zusammenarbeit mit der GmbH absehen. Zum anderen können diese Straftaten das Vertrauen der Gesellschaft in ihren Geschäftsführer entfallen lassen. Wer als Inhaber von Arbeitgeberfunktionen und als Verwalter fremden Vermögens746 sich wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz, sexueller Delikte, Steuerhinterziehung, Hehlerei oder ähnlich schwerer Delikte, insbesondere Vermögensdelikten strafbar macht, kann nicht mehr als vertrauenswürdig angesehen werden. Es besteht die berechtigte Gefahr bei einem Geschäftsführer, der die Rechtsordnung nicht wahrt, dass er auch die Interessen der Gesellschaft nicht wahrt. Da die Position eines gesetzlichen Vertreters jedoch mit einer besonders vertrauensvollen Stellung im Unternehmen verbunden ist, können schwere Straftaten im außerdienstlichen Bereich zum Wegfall der Eignung des Organmitgliedes und insoweit, angesichts negativer Auswirkungen auf das Vertragsverhältnis, zu einer personenbedingten Kündigung führen. Auch können im Rahmen einer Interessenabwägung das Alter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, etwaige Unterhaltspflichten oder eine Schwerbehinderung747 des Geschäftsführers keine ausschlaggebende Bedeutung haben, wenn feststeht, dass er eine schwere außerdienstliche Straftat begangen hat, die ihn nicht mehr als vertrauenswürdig erscheinen lässt. Die Stellung des Geschäftsführers sowie die Umstände seiner Tat werden bereits im Rahmen der Prüfung einer mangelnden Eignung des Organmitgliedes entsprechend gewürdigt, so dass eine Interessenabwägung grundsätzlich zugunsten der Gesellschaft ausfallen wird. Diese Ausführungen finden in § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG eine Bestätigung, wonach Geschäftsführer nicht sein kann, wer wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten verurteilt worden ist (zum Beispiel §§ 263 ff. StGB (Betrug), §§ 283 ff. StGB (Bankrott, Insolvenzverschleppung)). Damit bringt die Vorschrift zum Ausdruck, dass die Position eines Geschäftsführers und die gleichzeitige Begehung schwerer Straftaten sich ausschließen. Voraussetzung einer personenbedingten Kündigung muss aber stets sein, dass die Verletzung der Strafrechtsordnung durch den Geschäftsführer erwiesen ist, indem er wegen dieser verurteilt wurde. Ist dies der Fall, kann die GmbH das Anstellungsverhältnis bei Vorliegen der soeben aufgeführten Voraussetzungen wirksam im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 1 KSchG kündigen. Die vorstehenden Ausfüh745
Vgl. OLG Stuttgart GmbHR 2006, 1258 (1259). Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 18; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 86; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 39; siehe auch BGH NJW 1995, 1290 (1291). 747 Vgl. schon die Ausführungen unter Kap. 3 D. II. 1. c) bb). 746
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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rungen gelten hingegen nicht bei Vergehen oder leichteren Delikten, wie beispielsweise einer fahrlässigen Körperverletzung oder einer Sachbeschädigung, welche die Eignung des Geschäftsführers grundsätzlich nicht berühren. b) Straf- und Untersuchungshaft Setzt man bei einer Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers wegen mangelnder Eignung infolge der Begehung einer schweren Straftat voraus, dass der gesetzliche Vertreter rechtskräftig verurteilt wurde, ist eng verbunden mit diesen Ausführungen die Anordnung einer Straf- oder Untersuchungshaft als Kündigungsgrund. aa) Arbeitnehmer Wird ein Arbeitnehmer zu einer Gefängnisstrafe verurteilt oder sitzt in Untersuchungshaft, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis unter Umständen personenbedingt beenden, wenn die Straftat keinen Bezug zu seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit hat.748 Ein Bezug der Straftat zu dem Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers kann nur eine verhaltensbedingte Kündigung bedingen.749 Hinsichtlich einer personenbedingten Kündigung sind die für eine Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen entwickelten Maßstäbe entsprechend zu übertragen.750 Voraussetzung für die wirksame Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist, dass es dem Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht möglich ist, seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung nachzugehen.751 Grundlage für eine negative Prognose muss dabei nicht zwingend eine rechtskräftige Verurteilung bilden; die Annahme, der Arbeitnehmer werde für eine längere Zeit seine Arbeitsleistung nicht erbringen können, kann auch bei einer Untersuchungshaft des Arbeitnehmers angenommen werden.752 Entscheidend ist in einem solchen Fall, ob die der Untersuchungshaft „zu Grunde liegenden Umstände bei objektiver Betrachtung mit hinreichender Sicherheit eine solche Prognose rechtfertigen“.753 Da nicht auszuschließen ist, dass der Arbeitnehmer unschuldig in Untersuchungshaft sitzt, ist der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung gehalten, alle zumutbaren Anstrengungen zur Sachverhaltsaufklärung zu unternehmen, speziell den Arbeitnehmer anzuhören.754 Weiterhin muss die Nichterfüllung der Arbeitspflicht mit nachteiligen 748 BAG NZA 2011, 686 (687); BAG NZA 2011, 1084 (1084); BAG NZA 1995, 119 (119); BAG NZA 2013, 1211 (1212). 749 v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 455; BAG NZA 2011, 686 (687); BAG NZA 2011, 1084 (1084); BAG NZA 2013, 1211 (1212). 750 BAG NZA 1995, 119 (120). 751 BAG NZA 2011, 686 (687); BAG NZA 2011, 1084 (1085); BAG NZA 1995, 777 (778). 752 BAG NZA 2013, 1211 (1212). 753 BAG NZA 2013, 1211 (1212). 754 BAG NZA 2013, 1211 (1212).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis verbunden sein.755 In diesem Zusammenhang sind die Dauer sowie Art und Ausmaß der betrieblichen Auswirkungen relevant,756 weil wirtschaftliche Beeinträchtigungen wegen einer fehlenden Lohnfortzahlungspflicht seitens der Gesellschaft nicht in Betracht kommen.757 Die an den Arbeitgeber gestellten Anforderungen bezüglich des Einsatzes von Überbrückungsmaßnahmen sind im Vergleich zu einer krankheitsbedingten Kündigung geringer, da Berücksichtigung finden muss, dass der Arbeitnehmer seine Verhinderung regelmäßig zu vertreten hat.758 Je länger der Arbeitnehmer seiner Arbeitsleistung nicht nachgehen kann, umso weniger muss der Arbeitgeber Überbrückungsmaßnahmen ergreifen; eine Grenze ist spätestens bei einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren erreicht.759 Schließlich ist bei einer Kündigung eines Arbeitnehmers erforderlich, dass in einem dritten Schritt auch die Interessenabwägung zulasten des Arbeitnehmers ausfällt.760 bb) GmbH-Geschäftsführer – Haftstrafe Steht im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung fest, dass gegen den Geschäftsführer einer GmbH eine Gefängnisstrafe verhängt wurde, die keinen Bezug zu seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit aufweist, ist die GmbH berechtigt, den Anstellungsvertrag aus einem personenbedingten Kündigungsgrund zu beenden. Eine negative Prognose, dass der Geschäftsführer auf nicht absehbare Zeit seine Aufgaben nicht wahrnehmen kann, muss in diesem Zusammenhang zu einem frühen Zeitpunkt bejaht werden. Allein die Tatsache, dass der Geschäftsführer zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird, rechtfertigt bei einer GmbH bereits eine negative Prognose. Dies kann mit der besonderen Stellung des Geschäftsführers und seiner damit einhergehenden besonderen Funktion für das Unternehmen begründet werden. Das Verhängen einer Haftstrafe gegen den Geschäftsführer kann das Vertrauen der GmbH in die Zuverlässigkeit und insbesondere in die Wahrung der Rechtsordnung des Organmitgliedes so stark erschüttern, dass es dieser schlicht nicht zuzumuten ist, ihn weiter zu beschäftigen. Die Geschäftsführerfunktion ist eine so vertrauensvolle Position, welche die GmbH berechtigt, keinen Geschäftsführer zu beschäftigen, in den sie das Vertrauen in seine Person verloren hat oder welches zumindest stark 755 BAG NZA 2011, 686 (687); BAG NZA 2011, 1084 (1085); BAG NZA 2013, 1211 (1212); BAG NZA 1995, 777 (778): Bejahung einer außerordentlichen Kündigung bei 2,5 Jahren Freiheitsstrafe. 756 BAG NZA 2011, 686 (687); BAG NZA 2013, 1211 (1212); BAG NZA 1995, 119 (120): Bejahung bei 7,5 Monaten; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 243. 757 BAG NZA 2011, 686 (687); BAG NZA 2011, 1084 (1085); BAG NZA 2013, 1211 (1212); Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 243. 758 BAG NZA 2011, 686 (687); BAG NZA 1995, 777 (778). 759 BAG NZA 2011, 686 (688) und BAG NZA 2011, 1084 (1085). 760 BAG NZA 2011, 686 (687); BAG NZA 2011, 1084 (1085); vgl. auch BAG NZA 1995, 119 (120).
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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eingeschränkt ist. Eine GmbH muss sich darauf verlassen können, dass der Geschäftsführer ausschließlich im Interesse der Gesellschaft agiert und seine Aufgaben im Rahmen der Rechtsordnung wahrnimmt. Dieses Vertrauen kann bei der Verhängung einer Haftstrafe gegenüber dem Organmitglied massiv beeinträchtigt sein. Obendrein ist von Relevanz, dass der Geschäftsführer durch seine Vertretungsbefugnis eine Repräsentationsfunktion innehat761 und in der Folge das Ansehen der Gesellschaft erheblich geschädigt werden könnte, wenn das Organmitglied aufgrund der Begehung einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird. Allein das Verbüßen einer Gefängnisstrafe hat zur Konsequenz, dass eine negative Prognose angenommen werden kann. Sofern die Verurteilung des Geschäftsführers eine längere Zeit, beispielsweise ein Jahr, zwei Jahre oder einen darüber hinausgehenden Zeitraum umfasst, wäre überdies die Verwirklichung des Vertragszwecks in Frage gestellt,762 wenn eine mehrjährige Nichtausübung der Tätigkeit des Geschäftsführers oftmals mit einer Lockerung seiner Bindungen an das Unternehmen und die übrigen Beschäftigten sowie mit dem Verlust des sich aus der täglichen Routine ergebenden Erfahrungswissens verbunden ist.763 An eine negative Prognose hinsichtlich einer künftigen Arbeitsverhinderung sind bei GmbH-Geschäftsführern demnach keine hohen Anforderungen zu stellen. Dies könnte unter Umständen nur dann anders zu beurteilen sein, wenn die Straftat nicht derart schwerwiegend ist, dass sie das Vertrauen der Gesellschaft in ihren Geschäftsführer nicht erschüttern konnte. Als Beispiel ließe sich die Verbüßung einer dreimonatigen Haftstrafe, etwa aufgrund einer Sachbeschädigung oder einer fahrlässig herbeigeführten Körperverletzung, anführen. Da jedoch in der Praxis die Verhängung einer Haftstrafe für eine Sachbeschädigung, die keinen schweren Wert hat und eine Körperverletzung, die fahrlässig herbeigeführt wurde, bei einem nicht vorbestraften Täter regelmäßig nicht verhängt wird, kommt eine solche Konstellation grundsätzlich nicht in Betracht. Wäre ein solcher Fall dennoch einmal zu bejahen, würden die Umstände des Einzelfalles entscheiden, ob eine negative Prognose gegeben ist. Angesichts der Tatsache, dass an eine negative Prognose nur geringe Anforderungen gestellt werden, sind auch die Voraussetzungen für die Annahme betrieblicher Beeinträchtigungen gering. Wie bei Arbeitnehmern sind wirtschaftliche Belastungen wegen einer nicht bestehenden Lohnfortzahlungspflicht seitens der Gesellschaft nicht denkbar. Das Verbüßen einer Haftstrafe hätte zur Folge, dass die Gesellschaft diesen Zeitraum durch einen Stellvertreter überbrücken müsste. Aufgrund der Schwierigkeit des Einsatzes von Überbrückungsmaßnahmen aus den soeben aufgeführten Gründen sowie der besonderen Stellung eines Geschäftsführers764 ist der Gesellschaft eine Überbrückung unzumutbar. Die GmbH ist daher nicht 761
Siehe Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 87a. In Bezug auf Arbeitnehmer bei einer Haftstrafe von mehr als zwei Jahren: BAG NZA 2011, 686 (689); BAG NZA 2011, 1084 (1085 f.); BAG NZA 2013, 1211 (1213). 763 In Bezug auf Arbeitnehmer: BAG NZA 2011, 686 (689); BAG NZA 2011, 1084 (1086); BAG NZA 2013, 1211 (1213). 764 Siehe unter Kap. 3 D. II. 1. b) bb) ff. 762
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
gehalten, darzulegen, inwiefern sie in der Lage ist, Überbrückungsmaßnahmen zu wählen. Kann eine negative Prognose bejaht werden, muss dies auch für das Vorliegen erheblicher betrieblicher Beeinträchtigungen gelten. Eine bei Arbeitnehmern vorzunehmende Interessenabwägung kann bei GmbH-Geschäftsführern nicht mehr zu ihren Gunsten ausfallen, auch wenn beispielsweise ein hohes Alter oder eine Schwerbehinderung des Geschäftsführers berücksichtigt werden. Da auch ältere und schwerbehinderte Menschen die Rechtsordnung wahren müssen, wird die Kündigung des Anstellungsverhältnisses eines Geschäftsführers bei Vorliegen einer negativen Prognose sowie betrieblichen Beeinträchtigungen gerechtfertigt sein. Insbesondere kommt die Regelung des § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG wiederum zum Tragen, wonach Geschäftsführer nicht sein kann, wer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten verurteilt wird. Eine solche Verurteilung muss zum Verlust der Organstellung als Geschäftsführer führen,765 mithin auch die Kündigung des schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses rechtmäßig sein. cc) GmbH-Geschäftsführer – Untersuchungshaft Möchte die Gesellschaft das Anstellungsverhältnis beenden, weil ihr Geschäftsführer in Untersuchungshaft sitzt, ist für eine negative Prognose relevant, ob die der Untersuchungshaft zugrunde liegenden Umstände „bei objektiver Betrachtung mit hinreichender Sicherheit eine solche Prognose rechtfertigen“.766 In diesem Zusammenhang muss die GmbH alle möglichen Anstrengungen unternehmen, den Sachverhalt aufzuklären und dem Geschäftsführer die Möglichkeit geben, in vollem Umfang Stellung zu nehmen. Kommt die GmbH aufgrund dessen und angesichts der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem Entschluss, dass eine Verurteilung des Geschäftsführers wahrscheinlicher als ein Freispruch ist, kann eine negative Prognose bejaht werden. Weitere Voraussetzung wäre jedoch die Annahme erheblicher betrieblicher Beeinträchtigungen. Hierbei gilt im Vergleich zu einer bereits rechtskräftig ergangenen Verurteilung folgende Besonderheit: Ist mit einem baldigen Strafverfahren zu rechnen, ist der Gesellschaft regelmäßig eine Überbrückung in Form einer Stellvertretung sowie das Abwarten des Urteils des bevorstehenden Verfahrens, insbesondere unter dem Aspekt der im Strafrecht geltenden Unschuldsvermutung, zuzumuten. Es sind zwar die Gegebenheiten der GmbH, inwiefern sie Überbrückungsmaßnahmen ergreifen kann, entscheidend; einen kurzen Zeitraum wird die Gesellschaft aber kompensieren können. Ist die Zeit bis zu Beginn des Strafverfahrens hingegen nicht abschätzbar, ist es schwierig zu beurteilen, ob der GmbH wegen der Ungewissheit der Rückkehr des Geschäftsführers auferlegt werden kann, entsprechende Stellvertretungsmaßnahmen zu ergreifen. Bei einer solchen Konstellation wird es stark auf die Gegebenheiten des Einzelfalls sowie auf die dem Geschäftsführer zur Last gelegten Tat und die Gewichtigkeit der Verdachtsmomente ankommen. 765 766
OLG Stuttgart GmbHR 2006, 1258 (1259). Siehe unter Kap. 3 D. IX. 1. b) aa).
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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2. Verschuldung Die Verschuldung eines Arbeitnehmers begründet regelmäßig keine wirksame Kündigung seines Arbeitsverhältnisses, da die finanzielle Situation von seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit unabhängig ist.767 Die persönliche Eignung eines Arbeitnehmers kann jedoch wegfallen, wenn er eine vertrauensvolle Position bekleidet und ohne eine Notlage durch mehrfache Lohnpfändungen in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt.768 Bei einem direkten oder indirekten Zugriff auf das Vermögen des Arbeitgebers darf dieser geordnete wirtschaftliche Verhältnisse zur Voraussetzung der Ausübung der Tätigkeit des Arbeitnehmers machen.769 So ist beispielsweise die hohe Verschuldung eines Einkäufers, die mehrere Lohnpfändungen zur Folge hatte, geeignet, die Eignung des Arbeitnehmers für die Tätigkeit in Frage zu stellen; es könnte die begründete Gefahr bestehen, dass der Arbeitnehmer Bestechlichkeiten (seitens von Zulieferern) respektive finanziellen Manipulationen zugänglich ist.770 Mit diesem Argument wird auch bei leitenden Angestellten die Auffassung vertreten, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, das Arbeitsverhältnis ordentlich zu beenden, wenn angesichts der privaten Lebensführung des leitenden Angestellten enorme Zweifel an der Zuverlässigkeit hinsichtlich seiner dienstlichen Tätigkeit entstehen.771 Es handelt sich in einem solchen Fall um eine personenbedingte Kündigung, weil es keine arbeitsvertragliche Pflicht zu ordnungsgemäßer Lebensführung gibt.772 Macht die Rechtsprechung bei Arbeitnehmern mit einer vertrauensvollen Position zur Voraussetzung, dass diese nicht in untergeordneten wirtschaftlichen Verhältnissen leben, müssten diese Erwägungen erst recht auf GmbH-Geschäftsführer übertragen werden, die eine besonders vertrauensvolle Position inne haben. Gerät ein Geschäftsführer in eine wirtschaftliche Notlage, ist entscheidend, welche Gründe hierfür ursächlich waren. Ist er beispielsweise unverschuldet, durch Zahlung einer sehr teuren, aber notwendigen Operation für sich oder eines seiner Familienmitglieder in finanzielle Schwierigkeiten geraten, kann diese Tatsache keine personenbedingte Beendigung des Anstellungsverhältnisses des GmbH-Geschäftsführers bedingen. Nur wenn das Verhalten des Geschäftsführers durch sein Verschulden, beispielsweise der fehlenden Fähigkeit mit Geld umzugehen, zu einer finanziellen Schieflage geführt hat, könnte dieser Umstand auf eine mangelnde Eignung hindeuten. Als gesetzlicher Vertreter und Führungskraft des Unternehmens muss ein 767
v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 484. BAG Urteil v. 15. 10. 1992 – 2 AZR 188/92, juris Rn. 30; vgl. Ascheid/Preis/Schmidt/ Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 246b; dies ablehnend: Kittner/Däubler/ Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 210. 769 v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 485. 770 v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 485; anders bei einer Sekretärin: BAG Urteil v. 15. 10. 1992 – 2 AZR 188/92, juris Rn. 31. 771 Schwab/Kaiser, AR-Blattei SD, 70.2 Rn. 245. 772 Schwab/Kaiser, AR-Blattei SD, 70.2 Rn. 245. 768
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Organmitglied Geld verwalten können, insbesondere da es für die finanziellen Geschicke der GmbH verantwortlich ist.773 Ob die Gesellschaft beispielsweise mehrfache Lohnpfändungen insoweit als Anknüpfungspunkt für eine personenbedingte Kündigung nehmen kann, ist meines Erachtens aber fraglich. Sehr schwierig ist nämlich die Feststellung erheblicher betrieblicher Beeinträchtigungen. Diese könnten darin bestehen, dass die Gesellschaft nicht ausschließen kann, dass ihr Geschäftsführer finanziellen Manipulationen zugänglich ist, in der Folge ausschließlich im Interesse der GmbH agiert und die von ihm getroffenen Entscheidungen wirtschaftlich sinnvoll sind. Zweifelhaft ist aber, ob Lohnpfändungen solche massiven Auswirkungen haben können, dass sie zu einem Entfallen der Eignung des Geschäftsführers und damit einhergehenden negativen betrieblichen Beeinträchtigungen führen können. Hierbei wird es entscheidend darauf ankommen, ob der Geschäftsführer seine Aufgaben als Organmitglied ordnungsgemäß wahrnimmt. Ist dies zu bejahen, kann die Eignung des gesetzlichen Vertreters grundsätzlich nicht in Frage stehen. Alles in allem ist es daher sehr schwierig, private Lohnpfändungen eines Geschäftsführers als einen Kündigungsgrund für sein Anstellungsverhältnis zu werten.
X. Gewissenskonflikt Sehen sich Arbeitnehmer wegen einer Gewissensentscheidung nicht der Lage, die vertraglich geschuldete Leistung zu erfüllen, kann Konsequenz eine personenbedingte Kündigung sein.774 Stets zu prüfen ist in diesem Zusammenhang, ob der Arbeitnehmer bei Respektierung seiner Überzeugung auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann.775 Muss dies verneint werden, ist der Arbeitgeber berechtigt, zu kündigen.776 Hat der Arbeitnehmer bei Abschluss des Vertrages Kenntnis darüber, welchen Aufgaben er nachzugehen haben wird, kann er grundsätzlich nicht von einem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch machen.777 Da der Tätigkeits- und Aufgabenbereich bei GmbH-Geschäftsführern von vornherein klar abgesteckt ist, wird es in der Praxis eher selten vorkommen, dass ein Geschäftsführer erst im Laufe des Vertragsverhältnisses feststellt, dass er die vertraglich geschuldete Leistung aufgrund einer Gewissensentscheidung nicht erbringen kann. Im Unterschied zu Arbeitnehmern sind die Aufgaben eines Geschäftsführers nicht rahmen773
Siehe unter Kap. 3 D. IX. 1. a). BAG NZA 2011, 1087 (1091); vgl. BAG NZA 1990, 144 (145); Ascheid/Preis/Schmidt/ Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 241. 775 BAG NZA 2011, 1087 (1091); BAG NZA 1990, 144 (147); Ascheid/Preis/Schmidt/ Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 241. 776 BAG NZA 2011, 1087 (1091). 777 Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 241; KRGriebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 316; vgl. BAG NZA 1986, 21 (22); BAG NZA 2011, 1087 (1090). 774
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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mäßig nach Ort, Zeit und Inhalt umschrieben,778 sondern der Tätigkeitsbereich und insbesondere die spezifisch zu erfüllenden Aufgaben sind im Anstellungsvertrag sowie im GmbH-Gesetz regelmäßig bestimmt. Weiß das Organmitglied bei Abschluss des Geschäftsführervertrages, welche Tätigkeiten er als Geschäftsführer wahrzunehmen hat, ist es ihm verwehrt, sich später darauf zu berufen, er könne seine vertragliche Pflicht aus seinem Gewissen heraus nicht erfüllen. Der Geschäftsführer eines Brauerei-Konzerns kann während des Vollzuges des Vertragsverhältnisses nicht angeben, ihm sei der Umgang mit alkoholhaltigen Produkten angesichts eines Glaubenskonflikts nicht möglich. Beruft er sich dennoch auf ein Leistungsverweigerungsrecht, könnte die GmbH das Anstellungsverhältnis verhaltensbedingt kündigen.779 Zum Ausspruch einer personenbedingten Kündigung wäre die Gesellschaft berechtigt, wenn der Geschäftsführer tatsächlich erst während des Vollzuges des Anstellungsverhältnisses wegen eines zu respektierenden Gewissenskonflikts seine Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, da sich insbesondere eine Umsetzungsmöglichkeit bei Geschäftsführern sehr schwierig gestaltet.780
XI. Schlechtleistung Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, wenn die GmbH das Anstellungsverhältnis ihres Geschäftsführers personenbedingt kündigen möchte, weil seine Arbeitsleistung nicht oder nicht mehr den Erwartungen der Gesellschaft entspricht, ist nicht einfach festzustellen. Ist ein Arbeitnehmer nur noch vermindert leistungsfähig, kann dies eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen.781 In Abgrenzung zu einer verhaltensbedingten Kündigung darf dem Arbeitnehmer die Minderleistung nicht vorwerfbar sein respektive auf einem steuerbaren Verhalten seinerseits beruhen.782 Wann von einer Minderleistung ausgegangen werden kann, ist schwierig zu beantworten. Das Bundesarbeitsgericht hat diesbezüglich folgendes konstatiert: „Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann.“783 Ein graduelles Leistungsdefizit, welches kündigungsrechtlich relevant ist, liegt vor, wenn sich die individuelle Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers signifikant von dem Leistungsniveau anderer, unter dem Durchschnitt liegender, aber noch hinreichend leistungsfähiger ver778
In Bezug auf Arbeitnehmer: BAG NZA 1990, 144 (145); BAG NZA 1986, 21 (22). In Bezug auf Arbeitnehmer: Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 241. 780 Siehe unter Kap. 3 D. II. 1. b) dd) (1). 781 Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 199; v. Hoyningen-Huene/ Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 448; BAG NZA 2004, 1380 (1382). 782 v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 448; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 384; BAG NZA 2004, 1380 (1382). 783 BAG NZA 2004, 784 (786), beim Punkt verhaltensbedingte Kündigung. 779
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
gleichbarer Mitarbeiter unterscheidet.784 Entscheidend ist, dass „die Arbeitsleistung die berechtigte Gleichwertigkeitserwartung des Arbeitgebers in einem Maße unterschreitet, dass ihm ein Festhalten an dem (unveränderten) Arbeitsvertrag unzumutbar wird“.785 Nicht möglich ist es hingegen eine Faustregel aufzustellen, unter welchen Voraussetzungen „eine Äquivalenzstörung bei qualitativen Minderleistungen“ definitiv angenommen werden kann.786 Die Minderleistung muss aber über einen gewissen Zeitraum bestehen, um sie als kündigungsrechtlich relevant ansehen zu können.787 1. Altersbedingte Schlechtleistung Eine Ursache für den Leistungsabbau des Arbeitnehmers kann das fortgeschrittene Alter des Beschäftigten darstellen. Die Rechtfertigung einer Kündigung wegen einer altersbedingten Leistungsminderung muss jedoch grundsätzlich verneint werden; es liegt anderenfalls eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters nach der Richtlinie 2000/78/EG vor.788 Übersteigt die Leistungsminderung des Arbeitnehmers aber das Maß des normalen altersbedingten Leistungsabfalls, kann eine Kündigung nach den allgemeinen Grundsätzen in Betracht kommen.789 Dann ist tatsächlich keine altersbedinge Leistungsminderung, sondern eine allgemeine Schlechtleistung gegeben, die nur ab einem bestimmten Alter eingetreten ist.790 An eine Interessenabwägung sind in einem solchen Fall zugunsten des Arbeitnehmers besonders strenge Maßstäbe zu stellen, insbesondere müssen alle Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen in Erwägung gezogen werden.791 Die vorstehenden Ausführungen auf GmbH-Geschäftsführer zu übertragen, ist sehr schwierig. Nicht leicht zu beantworten ist nämlich die Frage, wann ein Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung schlecht leistet. Bei einer GmbH mit mehreren Geschäftsführern könnte die Arbeitsleistung des Organmitgliedes mit der Arbeitsleistung des anderen Geschäftsführers oder der anderen Geschäftsführer verglichen werden. Weicht die Arbeitsfähigkeit des Ge784 Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 248; ErfK/ Oetker, § 1 KSchG Rn. 167; Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 199; vgl. auch Richardi/Wlotzke/Wißmann/Oetker/Berkowsky, MünchHdbArbR Band 1, § 114 Rn. 73 f. 785 BAG NZA 2004, 784 (788); Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 248. 786 Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 199. 787 Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 199. 788 Siehe unter Kap. 3 D. VI. 789 Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 202; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 388; vgl. Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 251/252; Peter, AuA 1993, 384 (387). 790 Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 202. 791 Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 202.
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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schäftsführers signifikant von der anderer gesetzlicher Vertreter ab, kann eine Schlechtleistung des Organmitgliedes bejaht werden. Ist diese Schlechtleistung auf das zunehmende Alter des Geschäftsführers und einen damit einhergehenden Leistungsabbau zurückzuführen, ist entscheidend, ob auch andere Geschäftsführer in einem vergleichbaren Alter geringere Leistungen erbringen oder nur der in Frage stehende Geschäftsführer schlechtere Leistungen erbringt. Letzteres könnte die GmbH unter Umständen berechtigen, das Anstellungsverhältnis des Organmitgliedes wirksam zu beenden. Ein solcher Vergleich wird in der Praxis jedoch regelmäßig nicht leicht zu führen sein, wenn bei einer GmbH mit mehreren Geschäftsführern diese nicht ein vergleichbares Alter aufweisen und zudem für unterschiedliche Geschäftsbereiche mit damit verbundenen verschiedenen Aufgaben zuständig sind. In einem solchen Fall ist relevant, wie viel Prozent der Geschäftsführer noch leisten kann. In diesem Zusammenhang muss seine frühere Arbeitsleistung betrachtet und ein Vergleich zu seiner jetzigen Leistung gezogen werden. Liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die gegenwärtige Arbeitsleistung des Organmitgliedes signifikant, das heißt in erheblichem Maße und somit in nicht üblicher Weise von der bisherigen Leistungsfähigkeit abweicht, kann eine mangelnde Eignung des Geschäftsführers angenommen werden. Hat diese in der Folge erhebliche Auswirkungen auf die betrieblichen oder wirtschaftlichen Belange der Gesellschaft, beispielsweise in einem nicht oder nicht ordnungsgemäßen Vertretensein der GmbH, könnte die Gesellschaft berechtigt sein, das Anstellungsverhältnis personenbedingt zu beenden. Hat eine GmbH hingegen nur einen Geschäftsführer, ist es schlicht nicht möglich, seine Leistungsfähigkeit mit dem Leistungsniveau anderer Geschäftsführer zu vergleichen. Bei einer derartigen Konstellation muss wiederum die gegenwärtige Arbeitsleistung mit der bisher erbrachten Leistung des Geschäftsführers verglichen werden. Ist hierbei eine erhebliche Divergenz über einen längeren Zeitraum festzustellen, kann dieser Umstand die Eignung des Geschäftsführers entfallen lassen und insoweit eine personenbedingte Kündigung zur Folge haben. Die Gesellschaft sollte bei der Feststellung einer nicht vertragsgemäßen Leistung des Organmitgliedes eine Abmahnung aussprechen, wenn sie die Gründe der Schlechtleistung nicht sicher kennt. Alles in allem wird es in der Praxis sehr schwierig sein, eine altersbedingte Schlechtleistung der Geschäftsführer überhaupt ermitteln zu können. Sie werden in erster Linie nach ihrem wirtschaftlichen Erfolg für das Unternehmen und damit ihrem erzielten Umsatzgewinn beurteilt. Ein nicht den Erwartungen der Gesellschafter entsprechender Umsatzerfolg kann verschiedene Ursachen haben, insbesondere durch einen Auftragsrückgang bedingt sein, welcher in keinerlei Zusammenhang mit dem Alter der Geschäftsführer oder ihrer Arbeitsleistung steht.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
2. Krankheitsbedingte Schlechtleistung Eine verminderte Leistungsfähigkeit kann ebenso auf einer Erkrankung eines Arbeitnehmers basieren.792 Diesbezüglich gelten hinsichtlich der Rechtswirksamkeit einer Kündigung dieselben Voraussetzungen wie bei einer krankheitsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses.793 Beachtet werden muss jedoch, dass geringe Leistungsminderungen keinen Kündigungsgrund darstellen.794 Erst bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit kann von einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers ausgegangen werden, weil dieser für die von ihm zu entrichtende Vergütung keine adäquate Arbeitsleistung erhält.795 Das Bundesarbeitsgericht hat eine Kündigung wegen krankheitsbedingter Leistungsminderung bei einer schwerbehinderten Arbeitnehmerin als rechtmäßig angesehen, die ihre Normleistung dauerhaft um ein Drittel unterschreitet.796 Hinsichtlich der Übertragbarkeit dieser Ausführungen auf einen GmbH-Geschäftsführer muss zwischen zwei Fallkonstellationen unterschieden werden: Beruht die verminderte Leistungsfähigkeit des Geschäftsführers auf einer Arbeitsunfähigkeit, finden bezüglich des Vorliegens eines personenbedingten Kündigungsgrundes diejenigen Voraussetzungen Anwendung, die an eine Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen zu stellen sind.797 Hat die krankheitsbedingte Leistungsminderung ihre Ursache hingegen darin, dass der Geschäftsführer nicht arbeitsunfähig ausfällt, sondern trotz einer Erkrankung arbeitet, hierbei aber nicht seine volle Leistung erbringen kann, können die Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung nur bedingt angewandt werden. Entscheidend ist in einem solchen Zusammenhang, innerhalb welchen Zeitraumes der Geschäftsführer wie häufig erkrankt und angesichts dessen seiner Arbeitsleistung nicht voll nachgehen kann. Hinsichtlich dieses Zeitrahmens kann auf die Anforderungen einer krankheitsbedingten Kündigung verwiesen werden.798 Relevant ist jedoch auch, in welchem Umfang die krankheitsbedingte Minderleistung von der bisherigen Leistungsfähigkeit des Geschäftsführers abweicht. Ist dieser Umfang erheblich, kann von einer mangelnden Eignung des Geschäftsführers ausgegangen werden. Führt diese in der Folge zu einer massiven Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft, weil der Geschäftsführer seine Aufgaben nicht ordnungsgemäß wahrnehmen, diese nicht rechtzeitig erfüllen kann und der Lohnzah792
BAG NZA 1992, 1073 (1075). BAG NZA 1992, 1073 (1076); Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 203; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 379. 794 Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 249; vgl. ebenso Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 203. 795 BAG NZA 1992, 1073 (1076); Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 249; Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 203. 796 Vgl. BAG NZA 1992, 1072 (1076). 797 Siehe unter Kap. 3 D. II. ff. 798 Siehe unter Kap. 3 D. II. 1. a) bb) (1) und D. II. 3. a) aa) und bb). 793
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
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lung seitens der GmbH insoweit keine adäquate Arbeitsleistung gegenüber steht, könnte eine Kündigung in Erwägung zu ziehen sein. Besonders berücksichtigt werden muss jedoch das große Engagement des Geschäftsführers, trotz Erkrankung zu arbeiten. Eine Kündigung kann daher erst dann Erfolg haben, wenn der Geschäftsführer aufgrund zahlreicher Erkrankungen schlecht leistet. 3. Mangelnde Eignung Möglich ist ferner, dass Ursache einer Schlechtleistung eine mangelnde Eignung des Beschäftigten für den Geschäftsführerposten ist. a) Arbeitnehmer Zu einer Kündigung eines Arbeitnehmers ist anerkannt, dass eine fehlende Eignung, fachlicher oder persönlicher (körperlicher oder geistiger) Art, grundsätzlich eine personenbedingte Kündigung begründen kann,799 wenn die Ungeeignetheit nicht durch ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers bedingt ist.800 Als fehlende Eignung kommen die mangelnde fachliche Qualifikation wie das Nichtvorhandensein beruflicher Qualifikationsmerkmale, das Nichtbestehen von Prüfungen sowie mangelnde Kenntnisse und Fähigkeiten, zum Beispiel „nicht behebbare fachliche Mängel im künstlerischen Bereich“, „mangelnde Fähigkeit zur Menschenführung“801 in Betracht.802 Zusätzlich ist eine persönliche Ungeeignetheit aus gesundheitlichen oder charakterlichen Gründen als Kündigungsgrund denkbar.803 Bei behebbaren Mängeln ist der Arbeitgeber gehalten, den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Beendigungskündigung zur Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen aufzufordern.804 Entspricht der Arbeitnehmer dieser Aufforderung nicht, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis verhaltensbedingt ordentlich kündigen.805 Genau untersucht werden muss, ob die Eignung, die der Arbeitnehmer aufweisen muss, 799 LAG Schleswig-Holstein Urteil v. 27. 11. 2008 – 5 Sa 292/08, juris Rn. 69; BAG NZA 2010 625 (626); ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 162; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 27; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 350; Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 2 Rn. 1240. 800 LAG Schleswig-Holstein Urteil v. 27. 11. 2008 – 5 Sa 292/08, juris Rn. 69 f., anderenfalls wäre nur eine verhaltensbedingte Kündigung denkbar; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 162; Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 2 Rn. 1243. 801 Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 2 Rn. 1243. 802 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 27; Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 303. 803 LAG Schleswig-Holstein Urteil v. 27. 11. 2008 – 5 Sa 292/08, juris Rn. 69; Kittner/ Däubler/Zwanziger/Deinert, KSchR, § 1 KSchG Rn. 303; Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 2 Rn. 1240. 804 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 131 Rn. 27; vgl. Hunold, NZA 2000, 802 (806). 805 ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 162; Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Kündigung, Zweiter Abschnitt § 2 Rn. 1243; vgl. Hunold, NZA 2000, 802 (806).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
noch von dem umfasst ist, was ihm sein Dienstvertrag auferlegt.806 Nimmt der Arbeitnehmer seine Arbeitsaufgaben entsprechend seinem Arbeitsvertrag ordnungsgemäß war und konstituiert der Arbeitgeber erst im Laufe des Vertragsverhältnisses bestimmte Qualifikationsanforderungen, kann das Nichtgegebensein der nunmehr geforderten Eignung keinen personenbedingten Kündigungsgrund darstellen; entscheidend ist allein, dass der Arbeitnehmer die Leistungen vertragsgemäß erbringt.807 Es käme insofern eine betriebsbedingte Kündigung in Frage, wenn der Arbeitgeber eine Unternehmensentscheidung dahingehend trifft, dass der Bedarf für solche Beschäftigte entfällt, die die neuen Anforderungen nicht mehr erfüllen können.808 b) GmbH-Geschäftsführer Auch für GmbH-Geschäftsführer muss gelten, dass eine personenbedingte Kündigung gerechtfertigt ist, wenn sich im Laufe des Vertragsverhältnisses herausstellt, dass der Beschäftigte für die Position des Geschäftsführers keine ausreichenden fachlichen Qualifikationen besitzt oder wegen seiner persönlichen Eigenschaften nicht für die Ausübung der Geschäftsführerstellung geeignet ist.809 Voraussetzung hierfür ist, wie bei Arbeitnehmern, dass die mangelnden Qualifikationen in der Person des Beschäftigten wurzeln und sich nicht auf ein steuerbares Verhalten seinerseits zurückführen lassen. Bei einem GmbH-Geschäftsführer könnte es beispielsweise sein, dass ihm, entgegen des Wissens der Gesellschaft zu Einstellungsbeginn, die für die Ausübung des Geschäftsführerpostens erforderlichen fachlichen Kenntnisse oder Führungskompetenzen fehlen. Denkbar wäre auch, dass der Geschäftsführer, aufgrund seiner cholerischen Persönlichkeit und eines damit einhergehenden schwierigen Umgangs mit der Belegschaft und den Vertragspartnern der Gesellschaft, sich nicht als Führungskraft eignet. Zwar wird eine Gesellschaft einen Geschäftsführer nur dann anstellen, wenn dieser entsprechende Qualifikationen und Kenntnisse bei den Vertragsverhandlungen zu Einstellungsbeginn nachweist. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass sich eine Ungeeignetheit des Geschäftsführers, insbesondere aus persönlichen Gründen, erst im Laufe des Vertragsverhältnisses herausstellt. Kann der Geschäftsführer seine fehlende Eignung nicht durch sein Verhalten beheben, ist für eine personenbedingte Kündigung weiterhin Voraussetzung, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft kommt. Diesbezüglich ist ausreichend, wenn die GmbH nicht in vollem Umfang ordnungsgemäß vertreten werden kann, weil das Organmitglied beispielsweise erforderliche Verträge wegen mangelnder Kenntnisse über deren Notwendigkeit nicht abschließt oder Verträge abschließt, die für die Unternehmung nicht erforderlich gewesen wären. Weiterhin 806
ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 163. ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 163. 808 v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 352; Hunold, NZA 2000, 802 (806); BAG NZA 2005, 761 (764); vgl. BAG NZA 2009, 312 (314 f.). 809 In Bezug auf leitende Angestellte vgl. Schwab/Kaiser, AR-Blattei SD, 70.2 Rn. 83. 807
D. Materielle Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
221
könnten durch fehlende Qualifikationen Bilanzen nicht korrekt erstellt oder Gesellschafterbeschlüsse nicht ordnungsgemäß umgesetzt werden. Auch ist möglich, dass der reibungslose Betriebs- und Arbeitsablauf angesichts mangelnder Führungskompetenzen des Geschäftsführers nicht gewährleistet ist. Sind derartige betriebliche Beeinträchtigungen feststellbar, müsste ferner geprüft werden, ob diese Beeinträchtigungen nicht vermieden werden können. Überbrückungsmaßnahmen scheiden dabei von vornherein aus. In Erwägung zu ziehen wäre allenfalls, dass die Gesellschaft gehalten sein könnte, dem Geschäftsführer vor Beendigung seines Anstellungsverhältnisses entsprechende Fortbildungsmaßnahmen zur Erlangung der erforderlichen Qualifikationen anzubieten. Dies wäre bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung jedoch nur dann zu bejahen, wenn der Geschäftsführer Qualifikationen nicht aufweist, die nur einen geringen Teil seiner Tätigkeit ausmachen, sich durch Fortbildungsmaßnahmen innerhalb kürzester Zeit auf leichte Weise beheben lassen810 und zu keinen betrieblichen Beeinträchtigungen der Gesellschaft führen. Anderenfalls wäre es einer GmbH nicht zuzumuten, über einen längeren Zeitraum den Ausfall ihres ordentlichen Geschäftsführers durch eine Stellvertretung zu überbrücken, damit sich das Organmitglied die für die Ausübung des Geschäftsführerpostens notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten durch entsprechende Maßnahmen aneignet. Ohnehin erfordert die Position des Geschäftsführers eine qualifizierte Besetzung, deren Eigenschaften der Geschäftsführer mit Beginn seiner Tätigkeit mitbringen muss. Weist er gravierende Mängel in seinen fachlichen oder persönlichen Fähigkeiten auf, ist die Gesellschaft nicht verpflichtet, Fortbildungsmaßnahmen abzuwarten. Zum Aneignen fehlender Qualifikationen ist der Geschäftsführer demnach nur ganz ausnahmsweise berechtigt. In der Regel wird die Gesellschaft bei feststehenden mangelnden Kenntnissen des Geschäftsführers und einer damit einhergehenden Beeinträchtigung ihrer betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen befugt sein, das Anstellungsverhältnis wirksam ordentlich zu kündigen. Eine bei Arbeitnehmern stets vorzunehmende Interessenabwägung kann bei GmbH-Geschäftsführern in der Regel nicht mehr zugunsten des Geschäftsführers ausfallen.811 Beachtet werden muss, dass die vorstehenden Ausführungen keine Anwendung finden, wenn die Gesellschaft erst im Laufe des Vertragsverhältnisses bestimmte Qualifikationen an den Geschäftsführer stellt, die dieser nicht erfüllen kann. Erbringt er seine Arbeitsleistung vertragsgemäß, kann ihm grundsätzlich nicht ordentlich personenbedingt gekündigt werden. In einem solchen Fall wäre eine betriebsbedingte Kündigung in Erwägung zu ziehen. Die Beendigung des Anstellungsverhältnisses aus einem personenbedingten Kündigungsgrund setzt daher voraus, dass dem GmbH-Geschäftsführer die vertraglich vereinbarten Fähigkeiten und Kenntnisse fehlen. 810 Vgl. auch BAG Urteil v. 29. 07. 1976 – 3 AZR 11/75, juris Rn. 14; Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 71. 811 Siehe unter Kap. 3 D. II. 1. c) bb).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
XII. Gesamtergebnis personenbedingte Kündigung Es gibt verschiedene Kündigungsgründe, welche eine personenbedingte Kündigung der Anstellungsverhältnisse der GmbH-Geschäftsführer im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 1 KSchG rechtfertigen können. Die Übertragbarkeit der Grundsätze einer Kündigung eines Arbeitnehmers zur Feststellung des Vorliegens eines solchen Grundes ist bei Organmitgliedern teilweise sehr schwierig. Insbesondere wird in der Praxis nicht immer strikt zwischen den einzelnen Prüfungsschritten getrennt werden können, so dass nicht selten der Einzelfall entscheidet, ob ein personenbedingter Kündigungsgrund bei GmbH-Geschäftsführern gegeben ist oder nicht. Dies zeigt sich speziell bei einer Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen. Ähnliche Anforderungen sind auch an eine Kündigung wegen Aids oder einer Alkohol- und Drogensucht der Geschäftsführer zu stellen. Erkenntnisse in Bezug auf eine Beendigung der Anstellungsverhältnisse wegen einer Schwangerschaft von GmbH-Geschäftsführerinnen können dank eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Danosa vom 11. 11. 2010 gewonnen werden, wonach die Gesellschaft diesen Umstand nicht zum Anlass einer Kündigung nehmen darf. Weiterhin können dieser Entscheidung bedeutende Ausführungen zur Anwendbarkeit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf GmbH-Geschäftsführer und damit einhergehend in Bezug auf eine altersbedingte Kündigung abgeleitet werden. Die Kündigung eines Arbeitnehmers entspricht der Kündigung eines Organmitgliedes weitestgehend, wenn ein Kündigungsgrund wegen fehlender Arbeits- und Berufsausübungserlaubnis oder einer Gewissensentscheidung vorliegt. Die Begehung von außerdienstlichen Straftaten durch die Geschäftsführer kann dann eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn sie sie für den Posten des Geschäftsführers nicht mehr als geeignet erscheinen lassen. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn die Geschäftsführer wegen einer schweren Straftat verurteilt werden (vgl. § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG). In engem Zusammenhang hiermit steht die Anordnung einer Strafoder Untersuchungshaft der Organmitglieder. Müssen die Geschäftsführer aufgrund der Begehung einer Straftat für eine gewisse Zeit ins Gefängnis, kann die Gesellschaft auf diesen Umstand eine personenbedingte Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 1 KSchG stützen. Eine Beendigung der Anstellungsverträge infolge einer Untersuchungshaft der gesetzlichen Vertreter ist im Vergleich zu einer bereits verhängten Gefängnisstrafe nur unter strengeren Voraussetzungen möglich. Mit einer privaten schlechten wirtschaftlichen Lage der Geschäftsführer wird eine GmbH eine Kündigung nur sehr schwer begründen können. Auch ist eine altersbedingte Schlechtleistung nicht leicht feststellbar. Beruht die Schlechtleistung hingegen auf einer Erkrankung der Geschäftsführer oder einer mangelnden Eignung, kann eine Kündigung bei Gegebensein der entsprechenden Voraussetzungen gerechtfertigt sein. Alles in allem werden die Anforderungen, die an eine Beendigung der Anstellungsverträge der GmbH-Geschäftsführer gestellt werden, im Vergleich zu der Kündigung von Arbeitnehmern früher erfüllt und insoweit eine Kündigung unter erleichterten Voraussetzungen möglich sein.
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung Vereinbaren die GmbH und ihr Geschäftsführer individualvertraglich die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, kann die Gesellschaft das Anstellungsverhältnis des Organmitgliedes, ungeachtet des Vorliegens eines personenbedingten Kündigungsgrundes, wirksam beenden, wenn die Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 2 KSchG durch einen Grund in dem Verhalten des Beschäftigten bedingt ist. Basierend auf den grundlegenden Anforderungen, welche an eine Kündigung eines Arbeitnehmers gestellt werden, sind die Kriterien herauszuarbeiten, welche für die wirksame Kündigung wegen eines verhaltensbedingten Kündigungsgrundes eines GmbH-Geschäftsführers Geltung beanspruchen.
I. Allgemeine Ausführungen Auch bei einer verhaltensbedingten Kündigung eines Arbeitnehmers ist grundsätzlich in drei Stufen zu prüfen, ob eine solche gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 2 KSchG gerechtfertigt ist.812 Erste Voraussetzung ist dabei die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten in Form einer Hauptleistungs- oder Nebenpflichtverletzung.813 Der Arbeitnehmer muss in der Regel schuldhaft, das heißt vorsätzlich oder fahrlässig (§ 276 BGB) handeln.814 Weiterhin ist das Vorliegen einer negativen Prognose erforderlich, mithin die objektiv begründete Gefahr im Kündigungszeitpunkt, dass auch zukünftig weitere Vertragsverletzungen und sich daraus ergebende Vertragsstörungen zu erwarten sind.815 Grundsätzlich sind diese Anforderungen gegeben, sofern der Arbeitnehmer trotz einer Abmahnung seines pflichtwidrigen Verhaltens dieses nicht
812
KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 404; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 133 Rn. 2. Richardi/Wlotzke/Wißmann/Oetker/Berkowsky, MünchHdbArbR Band 1, § 114 Rn. 9; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 189; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 489; BAG NZA-RR 2012, 12 (14); BAG NZA 2012, 443 (445); BAG NZA 2012, 607 (608); BAG NZA 2011, 112 (113). 814 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 133 Rn. 6; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 191; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 395 und 400; BAG NZA 2004, 427 (428); BAG NZA 1997, 487 (489); grundsätzlich bejahend BAG NZA 2012, 607 (608), aber ob Vorwerfbarkeit zwingend erforderlich ist, wurde offengelassen; siehe ebenso BAG NZA 1999, 863 (864 f.), das ein Verschulden nicht zwingend als Voraussetzung ansieht. 815 v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 498; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 196; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 405; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/ Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 272a; Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 234; BAG NZA 2006, 980 (984); BAG NZA 2008, 589 (592); BAG NZA 2009, 1198 (1201); BAG NZA 2010, 823 (823); BAG NZA 1989, 633 (635); BAG NZA 1995, 517 (520). 813
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
unterlässt.816 Die erfolglose Abmahnung „objektiviert dabei die Prognose, sie indiziert die Wiederholungsgefahr“.817 Darüber hinausgehend muss der Arbeitgeber keine Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen darlegen; solche wären allein bei einer Interessenabwägung zu würdigen.818 Eine Leistungsstörung ist schon bei einer schuldhaften Verletzung vertraglicher Pflichten des Arbeitnehmers anzunehmen.819 Hingegen ist das Erfordernis einer fehlenden Umsetzungs- oder Versetzungsmöglichkeit als Voraussetzung einer wirksamen Kündigung auch für eine solche verbindlich, welche durch ein Verhalten des Arbeitnehmers verursacht ist.820 Anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten kommen daher bei einer verhaltensbedingten Kündigung in Betracht,821 wobei derartige Varianten vordergründig bei Schlechtleistungen erwogen werden können, während sie bei Störungen im Vertrauensbereich oder bei Verstößen gegen die betriebliche Ordnung regelmäßig nicht geboten sind.822 In einem dritten Prüfungsschritt ist bei einer Kündigung eines Arbeitnehmers eine umfassende Interessenabwägung anzustellen.823 Hierbei muss festgestellt werden, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zugemutet werden kann.824 Die Anforderungen diesbezüglich sind im Vergleich zu einer personenbedingten Kündigung nicht so hoch, da der Arbeitnehmer durch sein steuerbares und damit ihm zurechenbares Verhalten selbst für den Kündigungsgrund verantwortlich ist.825 Abwägungsrelevant können folgende Gesichtspunkte sein: Intensität und
816
BAG NZA 1989, 633 (635); BAG NZA 1995, 517 (520); BAG NZA 2006, 980 (984); BAG NZA-RR 2007, 571 (576); BAG NZA 2010, 823 (823). 817 Küttner/Röller/Eisemann, Personalbuch, Kündigung, verhaltensbedingte Rn. 1; siehe auch BAG NZA 2006, 917 (921); BAG NZA 2008, 589 (592); BAG NZA 2009, 1198 (1201 f.); BAG NZA 2010, 823 (823). 818 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 410; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/ Krause, KSchG, § 1 Rn. 499; Küttner/Röller/Eisemann, Personalbuch, Kündigung, verhaltensbedingte Rn. 12; BAG NZA 1989, 261 (262); BAG NZA 1991, 557 (559); BAG NZA 2005, 158 (160); BAG NZA 1993, 17 (19). 819 BAG NZA 1991, 557 (559). 820 v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 500. 821 v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 500; Ascheid/Preis/ Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 273; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 406; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 195; BAG NJW 1983, 700 (700); BAG NZA 2006, 431 (433); BAG NZA 2012, 443 (445). 822 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 133 Rn. 8; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 500. 823 MünchKommBGB/Hergenröder, § 1 KSchG Rn. 214; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 409; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 501; Kittner/ Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 245; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 201 ff.; BAG NZA 2005, 158 (160). 824 v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 501. 825 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 133 Rn. 9.
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
225
Beharrlichkeit der Pflichtverletzung,826 vergangene Pflichtwidrigkeiten des Arbeitnehmers, Maß des Verschuldens827,828 betriebliche Beeinträchtigungen beispielsweise Betriebsablaufstörungen, Vermögenseinbußen, Rufschädigungen,829 Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers830 sowie ein etwaiges Mitverschulden des Arbeitgebers.831 Das Lebensalter des Beschäftigten ist nur untergeordnet zu berücksichtigen.832 Auch spielen Unterhaltspflichten bei einer Abwägung keine Rolle, es sei denn, dass sie mit dem verhaltensbedingten Kündigungsgrund zusammen hängen.833 Die Dreistufigkeit der Prüfung muss grundsätzlich ebenfalls bei der Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers beachtet werden. Da durch die Vereinbarung der Geltung der Kündigungsschutzbestimmungen ein Arbeitnehmern annähernder Schutz geschaffen werden soll, dürfen an die Rechtfertigung einer Kündigung in der Regel keine anderen Voraussetzungen gestellt werden. Besondere Berücksichtigung muss aber wiederum die Vertrauensstellung und herausgehobene Funktion eines GmbH-Geschäftsführers finden.834 Die nachfolgenden Ausführungen sind dabei sowohl bei einem Fremdgeschäftsführer als auch einem Gesellschafter-Geschäftsführer anwendbar, es sei denn es wird explizit auf Unterschiede hingewiesen.
826 BAG NZA 2006, 98 (101); Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 133 Rn. 9; v. HoyningenHuene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 502. 827 Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 246 f.; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 133 Rn. 9; BAG NZA 1999, 863 (864). 828 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 411; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/ Krause, KSchG, § 1 Rn. 502. 829 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 411; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/ Krause, KSchG, § 1 Rn. 502; Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 247 (Beeinträchtigungen durch Rufschädigungen); BAG NZA 1991, 557 (559). 830 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 133 Rn. 9; Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 246; BAG NZA 2006, 980 (985); BAG NZA 2006, 98 (101); BAG NZA 1997, 761 (761); im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung: BAG NZA 1985, 288 und BAG NZA 2006, 1033 (1034). 831 v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 503; Kittner/Däubler/ Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 246; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 133 Rn. 9. 832 BAG NZA 2001, 954 (957), in Bezug auf eine außerordentliche Kündigung; Schaub/ Linck, ArbR-Hdb., § 133 Rn. 9; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 203; anders: KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 411; Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 246, wenn das höhere Alter zu schlechteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt führt; BAG NZA 2006, 980 (985). 833 ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 203; für eine teilweise Würdigung vgl. BAG NZA 2001, 954 (957), in Bezug auf eine außerordentliche Kündigung; BAG NZA 2006, 1033 (1034), ebenfalls in Bezug auf eine außerordentliche Kündigung; für eine Berücksichtigung hingegen: BAG NZA 1997, 761 (761 f.); Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 246 und KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 411. 834 Vgl. hierzu schon die Ausführungen unter Kap. 3 D. I.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
II. Problematik des Abmahnungserfordernisses Bei Arbeitnehmern gilt, dass eine verhaltensbedingte Kündigung in der Regel das Erfordernis einer Abmahnung zur Voraussetzung hat, sofern eine solche, beispielsweise aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung, nicht ausnahmsweise entbehrlich ist.835 Eine Abmahnung ist gegeben, wenn der Arbeitgeber das Verhalten des Arbeitnehmers in einer für ihn hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise beanstandet (Dokumentationsfunktion) und auf diese Weise erkennbar den Hinweis erteilt, dass eine Wiederholung des gerügten Verhaltens zu einer Gefährdung des Inhaltes oder des Bestandes des Arbeitsverhältnisses führt (Warnfunktion).836 Die Notwendigkeit einer Abmahnung ergibt sich nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts aus dem des gesamten Kündigungsschutzrechts innewohnenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit837 und findet in der Norm des § 314 Abs. 2 BGB seine Bestätigung.838 Ob auch eine GmbH, bei Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes für ihren GmbH-Geschäftsführer, vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung abmahnen muss oder dieses Gebot bei der Kündigung eines Organmitgliedes nicht zum Tragen kommen kann, ist umstritten. 1. Bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Der Bundesgerichtshof erachtete in seinen bisherigen Entscheidungen das Institut der Abmahnung bei der Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers regelmäßig für entbehrlich.839 Die Abmahnung sei im Arbeitsrecht zum Schutz abhängig Beschäftigter konstruiert worden.840 „Dieser Schutzgesichtspunkt kann bei Leitungsorganen von Kapitalgesellschaften nicht ausschlaggebend sein.“841 Diese Angestellten hätten Kenntnis darüber, welche Pflichten sie haben und seien sich über das Ausmaß eventueller Pflichtverstöße auch ohne gesonderte Hinweise und Ermah-
835 BAG NZA 2006, 980 (984); BAG NZA-RR 2007, 571 (576); BAG NZA 1995, 517 (520); BAG NZA 1985, 124 (124); Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 239; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 402. 836 BAG NZA 1995, 517 (519 f.); BAG NZA 1994, 656 (656); BAG NZA 2002, 965 (966); BAG NZA 2009, 1011 (1011); BAG NZA 1986, 421 (421); Brox/Rüthers/Henssler, Arbeitsrecht, 18. Auflage 2011, S. 177 Rn. 488, die aber von drei Funktionen der Abmahnung ausgehen: Hinweis-, Ermahnungs- und Warnfunktion; ebenso Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/ Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 348. 837 BAG NZA 1991, 557 (558); BAG NZA 2009, 1198 (1202); BAG NZA 2006, 980 (984); BAG NZA 2006, 917 (921); BAG NZA 1995, 517 (519). 838 BAG NZA 2006, 980 (984); BAG NZA 2006, 917 (921); BAG NZA-RR 2007, 571 (576); BAG NZA 2009, 1198 (1202); zustimmend Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 239. 839 BGH NJW 2000, 1638 (1639); BGH NJW-RR 2002, 173 (173 f.). 840 BGH NJW 2000, 1638 (1639). 841 BGH NJW 2000, 1638 (1639).
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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nungen bewusst.842 Nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes kamen Bedenken auf, ob diese Rechtsprechung mit der Bestimmung des § 314 Abs. 2 BGB in Einklang zu bringen sei.843 Der Bundesgerichtshof verwarf diese Bedenken und erblickte in der Ausübung von Arbeitgeberfunktionen durch einen organschaftlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft einen besonderen Umstand im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB, der von § 314 Abs. 2 S. 2 BGB in Bezug genommen werde und folglich nichts an dem Umstand ändere, dass die Kündigung eines Geschäftsführers keiner Abmahnung bedürfe.844 Diese Ausführungen finden in der Literatur überwiegend Zustimmung.845 Allerdings muss berücksichtigt werden, dass auch die Rechtsprechung in Bezug auf eine fristlose Beendigung des Anstellungsverhältnisses eines Geschäftsführers bereits ein Abmahnungserfordernis nicht ausgeschlossen, sondern ein solches vielmehr in Erwägung gezogen hat.846 2. Literaturansichten Ein Teil der Literatur vertritt die Auffassung, dass mit der Vereinbarung des gesetzlichen Kündigungsschutzes die Notwendigkeit einer vorherigen Abmahnung einhergeht, wenn die Gesellschaft das Anstellungsverhältnis verhaltensbedingt kündigen möchte.847 Das Abmahnungserfordernis sei Ausdruck des tragenden Grundsatzes des sich aus dem Kündigungsschutzgesetz ergebenden ultima-ratioPrinzips; es wäre daher widersprüchlich, wenn die GmbH und ihr Geschäftsführer einerseits die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes vereinbaren, andererseits dem Geschäftsführer einen bedeutenden Teil dieses Schutzes, welcher aus der vereinbarten Geltung der Kündigungsschutzregelungen resultiere, in Bezug auf die Kündigung aufgrund einer Pflichtverletzung verwehren würden.848 Es ergebe sich vielmehr aus Sinn und Zweck der Vereinbarung über die materiell-rechtlichen Kündigungsschutzbestimmungen, dass die Parteien die Herstellung desjenigen Schutzes erreichen wollten, welcher durch jeden der drei Kündigungsgründe beinhaltet sei.849 Bezweckt sei damit auch die Geltung des Abmahnungserfordernisses, 842
BGH NJW 2000, 1638 (1639); BGH NJW-RR 2002, 173 (173 f.). Schuhmacher-Mohr, DB 2002, 1606 (1608). 844 BGH NJW-RR 2007, 1520 (1520). 845 Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 61a; MünchKommGmbHG/ Jaeger, § 35 Rn. 427; Altmeppen/Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 134; Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 221, die aber bei leichten Pflichtverletzungen zu einer Abmahnung tendieren; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 132 Rn. 4, 5; a.A. Ascheid/Preis/Schmidt/ Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 344a. 846 Vgl. BGH NJW 1993, 463 (464); OLG Celle NZG 2004, 475 (478), das bei einer leichten Pflichtverletzung für ein Abmahnungserfordernis tendiert. 847 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2316); MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 406; Thiessen, ZIP 2011, 1029 (1036). 848 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2316); vgl. MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 406. 849 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2316). 843
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
da dieses eine notwendige Kündigungsschranke bei den verhaltensbedingten Gründen bedeute.850 Für die Kündigung des Anstellungsverhältnisses des GmbHGeschäftsführers wegen eines verhaltensbedingten Kündigungsgrundes folge daraus das Erfordernis einer vorherigen Abmahnung.851 Nach anderer Ansicht in der Literatur besteht trotz Vereinbarung der Geltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes kein Abmahnungserfordernis auf Seiten der Gesellschaft.852 Die Notwendigkeit einer Abmahnung sei nicht im Kündigungsschutzgesetz verankert, sondern ergebe sich aus dem ultima-ratio-Prinzip und damit aus einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, den die Parteien bei ihrer Abrede nicht vereinbaren.853 Hinzu komme, dass der angestellte Geschäftsführer als Organ an strengere Sorgfaltspflichten gebunden sei als ein Arbeitnehmer.854 Der Grundsatz einer Abmahnung „würde die Konzeption dieses Haftungsregimes deshalb aufweichen und zu einer Einschränkung der mit der persönlichen Haftung verbundenen Verantwortlichkeit des Geschäftsführers führen“.855 Dies würde einen Verstoß gegen die organisationsrechtliche Binnenstruktur der Gesellschaft darstellen.856 Der Vorrang des Gesellschaftsrechts vor dem Arbeitsrecht verbiete daher, den Geschäftsführer einer GmbH vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung abzumahnen.857 3. Stellungnahme Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abmahnungsvoraussetzung bei einem GmbH-Geschäftsführer bezog sich bisher allein auf die Beendigung des Anstellungsverhältnisses durch eine außerordentliche Kündigung. Sie kann daher nicht ohne Weiteres auf die ordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages übertragen werden, die einer Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG bedarf, wenn die Vertragsparteien die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes vereinbart haben. Zur Beurteilung der Problematik ist zunächst auf die Vorschrift des § 314 Abs. 2 BGB und die sich daraus ergebende Verweisung auf § 323 Abs. 2 BGB abzustellen. Danach ist eine Abmahnung gemäß §§ 314 Abs. 2 S. 2, 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt respektive die sofortige Kündigung rechtfertigen. Die Rechtsprechung hat das Erfordernis einer Abmahnung aufgrund fehlender Schutzbedürftigkeit von Leitungsorganen wegen ihrer Kenntnis über die 850 851 852 853 854 855 856 857
MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 406. Jaeger, DStR 2010, 2312 (2316). Stagat, NZA-RR 2011, 617 (620). Stagat, NZA-RR 2011, 617 (620). Stagat, NZA-RR 2011, 617 (620). Stagat, NZA-RR 2011, 617 (620). Stagat, NZA-RR 2011, 617 (620). Stagat, NZA-RR 2011, 617 (620).
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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Folgen pflichtwidrigen Verhaltens bereits vor der Schuldrechtsnovelle als entbehrlich angesehen.858 Den Bundestagsdrucksachen zu § 314 Abs. 2 BGB kann entnommen werden, dass bezüglich der Entbehrlichkeit einer Abmahnung „die bisherige Rechtsprechung in das Gesetz übernommen“ wurde.859 Dies lässt darauf schließen, dass der Gesetzgeber der Ansicht der Rechtsprechung hinsichtlich der Nichtnotwendigkeit einer Abmahnung bei GmbH-Geschäftsführern gefolgt ist. Die Rechtsprechung nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes stützte ihre Auffassung hierbei auf die Wahrnehmung von Arbeitgeberfunktionen durch GmbH-Geschäftsführer als besonderen Umstand im Sinne des § 323 Abs. 2 BGB. Dem muss im Ergebnis und in der Begründung gefolgt werden. Nicht möglich ist es, als besonderen Umstand auf die Schwere der Pflichtverletzung abzustellen, da sich diesbezüglich kein Unterschied zu einer Kündigung eines Arbeitnehmers ergeben würde. Bei Arbeitnehmern ist anerkannt,860 dass eine Abmahnung entbehrlich ist, wenn eine solche wegen der Schwere der Pflichtverletzung keinen Erfolg verspricht. Wäre bei GmbH-Geschäftsführern ebenfalls nur im Falle einer schwerwiegenden Vertragsverletzung eine Abmahnung entbehrlich, bedürfte es keiner besonderen Rechtsprechung für Organmitglieder. Aus der Gesetzgebungsgeschichte in Verbindung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann demnach geschlussfolgert werden, dass die außerordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses eines GmbH-Geschäftsführers kein Abmahnungserfordernis gemäß §§ 314 Abs. 2 S. 2, 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB voraussetzt. Anders ist dies hingegen zu beurteilen, wenn durch eine individualvertragliche Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und ihrem Geschäftsführer das Kündigungsschutzgesetz zur Anwendung gelangt. Insoweit können die Gesetzgebungsgeschichte und die Ausführungen der Rechtsprechung keine Geltung beanspruchen, wenn sie sich ausschließlich auf eine außerordentliche Kündigung beschränken. Bei einer Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes muss im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung das Erfordernis einer Abmahnung gegeben sein, sofern eine solche aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung nicht ausnahmsweise entbehrlich ist. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Parteiabrede. Vereinbaren die GmbH und ihr Geschäftsführer die Geltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes, wollen sie die Beendigung des Anstellungsvertrages von der Rechtfertigung eines Kündigungsgrundes beziehungsweise seiner Voraussetzungen abhängig machen. Wesentlicher Teil eines verhaltensbedingten Grundes ist dabei die Notwendigkeit einer Abmahnung. Auch wenn die Parteien in ihrer Abrede nur das Kündigungsschutzgesetz als solches in Bezug nehmen, bedeutet dies nicht, dass nicht automatisch auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz von der Vereinbarung umfasst sein soll. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und damit das ultima-ratio-Prinzip, mithin das Abmahnungserfordernis bei einer verhaltensbedingten Kündigung sind dem 858
Siehe soeben Kap. 3 E. II. 1. BT-Drs. 14/6040 v. 14. 05. 2001, S. 178 zu Abs. 2 (§ 314 – ergibt sich aus 2 Seiten zuvor). 860 Siehe unter Kap. 3 E. II. 859
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Kündigungsschutzgesetz vielmehr immanent. Dem pflichtet auch das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung bei,861 so dass bei einer Abrede über die Geltung der Kündigungsschutzregelungen zugleich der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkludent mitvereinbart wird. Es kann in diesem Zusammenhang nicht darauf abgestellt werden, die Kündigung eines Geschäftsführers bedarf grundsätzlich keiner Abmahnung, weil die ordentliche Beendigung des Anstellungsverhältnisses in der Regel ebenfalls nicht gerechtfertigt sein muss. Vereinbaren die Parteien die Geltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes, vereinbaren sie gleichzeitig den sich aus dem Kündigungsschutzgesetz ergebenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, auf diese Weise das ultima-ratio-Prinzip sowie das bei einer verhaltensbedingten Kündigung erforderliche Abmahnungserfordernis. Dem steht nicht das Argument entgegen, dass die Geschäftsführer über genügend Einsichts- und Urteilsfähigkeit verfügen; ist die Abmahnung Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips, ist nur relevant, ob durch sie ein störungsfreies Rechtsverhältnis wieder hergestellt werden kann.862 Durch diese Sichtweise wird nicht in Abrede gestellt, dass der Geschäftsführer als Organ im Vergleich zu Arbeitnehmern an strengere Sorgfaltspflichten gebunden ist, da seine Kündigung trotzdem zu einem früheren Zeitpunkt gerechtfertigt sein kann als die eines Arbeitnehmers. Nicht möglich ist es ferner, einen Verstoß gegen die organisationsrechtliche Binnenstruktur der Gesellschaft anzunehmen. Insbesondere kann nicht darauf abgestellt werden, der Vorrang des Gesellschaftsrechts vor dem Arbeitsrecht verbiete, den Geschäftsführer abzumahnen,863 da nicht begründet wird, auf welcher Legitimationsgrundlage dieser Vorrang beruht. Ebenso wenig wird begründet, warum der Grundsatz einer Abmahnung zu einer ungewollten Aufweichung der Konzeption des Haftungsregimes „und zu einer Einschränkung der mit der persönlichen Haftung verbundenen Verantwortlichkeit des Geschäftsführers führen“ soll.864 Vereinbaren die Gesellschaft und ihr Geschäftsführer die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, ist der Umstand der Geltung eines Kündigungsschutzerfordernisses von den Parteien bezweckt. Die Beendigung des Anstellungsverhältnisses des GmbH-Geschäftsführers, welche gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch einen Kündigungsgrund gerechtfertigt sein muss, bedarf folglich bei einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen einer vorherigen Abmahnung, es sei denn, dass eine solche aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung im Einzelfall entbehrlich ist. Die besondere Stellung eines GmbHGeschäftsführers mit seiner damit einhergehenden speziellen Funktion in der Gesellschaft, insbesondere sein zu unterstellendes Wissen über seine Vertragspflichten und die Folgen eines Verstoßes, lassen die Annahme zu, dass in der Regel eine Abmahnung zur Veranschaulichung seines Fehlverhaltens und der sich daraus ergebenden Konsequenzen ausreichend sein dürfte. Bei den gesetzlichen Vertretern ist 861
Siehe unter Kap. 3 E. II. Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 66, in Bezug auf leitende Angestellte. 863 Siehe unter Kap. 3 E. II. 2. 864 Siehe unter Kap. 3 E. II. 2. 862
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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eine Gesellschaft daher grundsätzlich nicht zum Ausspruch mehrfacher Abmahnungen verpflichtet. Vielmehr wird eine Abmahnung genügen, das Fehlverhalten des Geschäftsführers zu verdeutlichen, ihn insbesondere zu vertragstreuen Verhalten anzuhalten. Dennoch wird das Erfordernis mehrerer Abmahnungen zur Bejahung einer negativen Prognose nicht gänzlich ausgeschlossen werden können, auch wenn es sich hierbei um Einzelfälle handeln dürfte. Zu den Anforderungen, die an eine Abmahnung zu stellen sind, wird auf die Darstellungen der hierzu einschlägigen Literatur verwiesen.865 Abmahnungsberechtigt ist bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Gesellschafterversammlung, da sie kündigungsberechtigt ist.866
III. Kündigungsgründe Im Hinblick auf eine verhaltensbedingte Kündigung kommen zahlreiche Kündigungsgründe in Betracht. Es ist hierbei zwischen allgemeinen sowie speziellen Kündigungsgründen zu differenzieren, die bei GmbH-Geschäftsführern am ehesten möglich sind. Von entscheidender Bedeutung ist die Rechtsprechung zur außerordentlichen Beendigung eines Geschäftsführeranstellungsverhältnisses gemäß § 626 BGB. 1. Allgemeine Kündigungsgründe Allgemeine Kündigungsgründe sind solche, die bei Arbeitnehmern typisch sind und deren Übertragbarkeit auf GmbH-Geschäftsführer geprüft werden muss. a) Abwerben anderer Beschäftigte des Unternehmens Bei der Kündigung eines Arbeitnehmers ist anerkannt, dass ein in unrechtmäßiger oder schuldhafter Weise versuchtes oder erfolgtes Abwerben eines Beschäftigten des Unternehmens einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund begründen kann.867 Von einer Abwerbung wird gesprochen, wenn ein Arbeitnehmer einen anderen Mitarbeiter des Betriebes dazu verleitet, seinen bisherigen Arbeitsvertrag zu kündigen.868 865 Siehe Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 349 ff. und Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 132 Rn. 8 ff., je m. w. N. 866 Vgl. in Bezug auf Arbeitnehmer: Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 408. 867 Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 257; v. HoyningenHuene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 572; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 418. 868 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 418; Gierke, RdA 1972, 17 (17); Klaas, NZA 1984, 313 (313), entscheidend sei das Verleiten zum Vertragsbruch; v. Hoyningen-Huene/ Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 572.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Kein Abwerben ist gegeben, wenn die Beschäftigten eines Unternehmens über berufliche Aussichten und einen eventuellen Arbeitsplatzwechsel sprechen.869 Das Abwerben des GmbH-Geschäftsführers einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters für das eigene Unternehmen ist ein Grund für eine ordentliche, sogar für eine außerordentliche Kündigung.870 Versucht der Geschäftsführer mehrfach, eine Beschäftigte der GmbH abzuwerben, um sie für sein Unternehmen, welches in Konkurrenz zu der Tätigkeit der GmbH steht, gewinnen zu können, ist ein solches Verhalten nach richtiger Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf im höchsten Maße illoyal und folglich geeignet, die Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien entfallen zu lassen.871 Das wiederholte Ansprechen der Mitarbeiterin, unter Vorlegung eines neuen Arbeitsvertrages, und das mehrfache sowie beharrliche Erfragen, die jetzige Arbeitsstelle aufzugeben und bei der Konkurrenzgesellschaft tätig zu werden, kann als ein Abwerben und damit als ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB qualifiziert werden.872 In einem solchen Fall muss umso mehr eine ordentliche Kündigung möglich sein, welche wegen der Schwere der Pflichtverletzung kein Abmahnungserfordernis voraussetzt. Selbst wenn kein solchermaßen intensives Abwerben des Geschäftsführers gegeben wäre, stellt die Tatsache, dass der Geschäftsführer massiv den Interessen der Gesellschaft entgegentritt und ein Abwerben bei GmbH-Geschäftsführern, speziell bei Gesellschafter-Geschäftsführern, oftmals mit dem Ziel der Gründung einer Konkurrenzfirma verbunden ist, in der Regel einen schweren Pflichtverstoß dar, welcher eine Abmahnung grundsätzlich entbehrlich macht. Dem Geschäftsführer obliegt gegenüber der GmbH, bedingt durch seine besondere Stellung und seine weitreichenden Befugnisse, insbesondere als Verwalter fremden Vermögens, eine Treue- und Fürsorgepflicht, welche ihn verpflichtet, auf die Interessen der Gesellschaft Rücksicht zu nehmen sowie diese zu schützen.873 Diese Treuepflicht ist bei Beschäftigten in vertrauensvollen Positionen strenger als die sich aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ergebende Pflicht für Arbeitnehmer.874 Unabhängig davon, ob die Treue- und Fürsorgepflicht aus der
869 870
(977). 871
KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 418; Gierke, RdA 1972, 17 (19). Vgl. in Bezug auf eine außerordentliche Kündigung OLG Düsseldorf NZG 2003, 975
OLG Düsseldorf NZG 2003, 975 (977). OLG Düsseldorf NZG 2003, 975 (977). 873 BGH NJW 1968, 396 (Treue- und Fürsorgepflicht); BGH NJW 1986, 585 (586) (Treueund Fürsorgepflicht); Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 86; MünchKommGmbHG/ Fleischer, § 43 Rn. 152 f. und MünchKommGmbHG/Stephan/Tieves, § 35 Rn. 86; Priester/ Mayer/Wicke/Diekmann/Marsch-Barner, MünchHdbGesellR GmbH Band 3, § 45 Rn. 2; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 18; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 39; Scholz/Uwe H. Schneider, GmbHG 2014, § 43 Rn. 198. 874 MünchKommGmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 154; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 86; Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 83; Fiebig/Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, KSchR, § 14 KSchG Rn. 33; Schwab/Kaiser, AR-Blattei SD, 70.2 Rn. 243; vgl. auch Becker, ZIP 1981, 1168 (1172); Diringer, BuW 2004, 342 (346); Leese, 872
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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Organstellung resultiert875 oder eine schuldrechtliche Pflicht ist, muss eine Verletzung dieser Pflicht in jedem Fall auf das Anstellungsverhältnis eines Geschäftsführers durchschlagen, sich damit auf das Vertragsverhältnis negativ auswirken.876 Aus dem Anstellungsvertrag ergibt sich die Pflicht des Geschäftsführers, „die mit der Organstellung verbundenen Aufgaben sorgfältig wahrzunehmen“.877 Ohnehin ist es möglich, dass der Vertrag Vorschriften zum Organverhältnis beinhaltet beziehungsweise vereinbart wird, dass Pflichten aus der Organstellung auch für das Anstellungsverhältnis gelten.878 Da das Organmitglied im Falle des Abwerbens konträr zu den Interessen der Gesellschaft agiert, diese mithin nicht wahrt, bedeutet ein solches Fehlverhalten einen schweren Verstoß gegen die Treue- und Fürsorgepflicht eines Geschäftsführers und zudem eine Verletzung des aus der Treuepflicht abzuleitenden Wettbewerbsverbots.879 Eine negative Prognose, dass sich der gesetzliche Vertreter auch in Zukunft nicht vertragstreu verhält, kann zu einem frühen Zeitpunkt bejaht werden. Im Rahmen einer Interessenabwägung bei einem verhaltensbedingten Kündigungsgrund ist, wie bei einem Arbeitnehmer,880 beispielsweise zu würdigen, als wie intensiv die Pflichtverletzung bewertet werden kann, ob sich der Geschäftsführer schon einmal etwas zuschulden kommen lassen hat, ob betriebliche Beeinträchtigungen angenommen werden können, wie lange der Geschäftsführer bereits für das Unternehmen arbeitet und inwiefern den Arbeitgeber ein Mitverschulden trifft. Beachtet werden muss, dass, ähnlich wie bei einem personenbedingten Kündigungsgrund, bei Feststehen einer Pflichtverletzung sowie einer negativen Prognose eine Interessenabwägung oftmals zugunsten der Gesellschaft ausfallen wird.881 Im Besonderen werden bei einem GmbH-Geschäftsführer bereits bei der Feststellung einer negativen Prognose Kriterien eine Rolle spielen, die unter Umständen erst bei einer Interessenabwägung zu würdigen sind. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte wird eine Interessenabwägung im Falle des Abwerbens nur sehr selten Die Abgrenzung der leitenden Angestellten, 2000, S. 33: höhere Anforderungen an Nebenpflichten. 875 MünchKommGmbHG/Stephan/Tieves, § 35 Rn. 86; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 86; Priester/Mayer/Wicke/Diekmann/Marsch-Barner, MünchHdbGesellR GmbH Band 3, § 45 Rn. 1. 876 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2316). 877 Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 144. 878 BGH NJW 2002, 3777 (3778); Michalski/Tebben, GmbHG, § 6 Rn. 153 f.; vgl. auch Priester/Mayer/Wicke/Marsch-Barner/Diekmann, MünchHdbGesellR GmbH Band 3, § 43 Rn. 80. 879 Vgl. Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 97, m. w. N.; Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 41; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 43 Rn. 19; Priester/Mayer/Wicke/Marsch-Barner/Diekmann, MünchHdbGesellR GmbH Band 3, § 43 Rn. 63; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 360 und MünchKommGmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 152; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 19. 880 Siehe unter Kap. 3 E. I. 881 Vgl. die Ausführungen unter Kap. 3 D. II. 1. c) bb).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
zugunsten des Geschäftsführers ausfallen können, da von großer Bedeutung ist, dass eine Gesellschaft einem Geschäftsführer, welcher mit der Unternehmenspolitik nicht mehr übereinstimmt, weil er eine Konkurrenzfirma gründen und zu diesem Zwecke qualifizierte Mitarbeiter gewinnen möchte, schlichtweg kein Vertrauen mehr schenken kann, insbesondere eine ohnehin kaum in Betracht kommende Umsetzung882 des Geschäftsführers nicht zu einer Wiederherstellung des Vertrauens führen würde. b) Alkohol In der Regel ist bei einer auf Alkohol gestützten Kündigung ein personenbedingter Kündigungsgrund gegeben. Dies ist ausnahmsweise anders zu beurteilen, wenn der Beschäftigte nicht alkoholabhängig ist, der Abhängigkeit damit kein Krankheitswert beigemessen werden kann.883 Eine verhaltensbedingte Kündigung ist folglich nur denkbar, wenn ein nicht alkoholkranker Arbeitnehmer das Bestehen eines betrieblichen Alkoholverbotes missachtet884 oder bei Nichtexistenz eines Verbotes, vor der Arbeit oder währenddessen Alkohol zu sich nimmt und in der Folge seine Arbeitsleistung beeinträchtigt wird.885 Regelmäßig wird bei einem solchen Verhalten eine Abmahnung Voraussetzung einer verhaltensbedingten Kündigung sein, ein einmaliger Verstoß nicht genügen.886 Auch bei GmbH-Geschäftsführern ist anzunehmen, dass ein einmaliger Verstoß gegen ein betriebliches Alkoholverbot oder das einmalige Erscheinen zur Arbeit in alkoholisiertem Zustand beziehungsweise die Zunahme von Alkohol im Unternehmen nicht unmittelbar eine verhaltensbedingte Kündigung bewirken kann, wenn es sich um eine sehr geringe Menge Alkohol handelt. Grundsätzlich ist der Geschäftsführer zur Wahrung der Beachtung des Alkoholverbotes durch die Arbeitnehmer des Betriebes verpflichtet, insbesondere darf er nicht selbst gegen das Verbot verstoßen oder bei Nichtbestehen eines Verbotes alkoholisiert zur Arbeit erscheinen.887 Daher wird es gerechtfertigt sein, allenfalls bei einer sehr geringen Menge Alkohol eine Pflichtverletzung zu bejahen, die noch eine Abmahnung voraussetzt. Aufgrund der mit der Vereinbarung über die Geltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes bezweckten Schutzwirkung ist grundsätzlich davon auszugehen, dass erforderlich ist, den Geschäftsführer auf 882
Siehe unter Kap. 3 D. II. 1. b) dd) (1). BAG NZA 1995, 517 (518); siehe auch schon unter Kap. 3 D. IV. 884 BAG BB 1983, 834 (835); vgl. BAG NZA 1997, 1281 (1283); Kittner/Däubler/ Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 258; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 424. 885 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 424; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/ Krause, KSchG, § 1 Rn. 573 und 575; Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 259; BAG NZA 1995, 517 (518 f.). 886 BAG NZA 1995, 517 (518 f.); vgl. BAG BB 1983, 834 (835). 887 Vgl. in Bezug auf leitende Angestellte: Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 83; siehe ebenfalls Vogel, NZA 2002, 313 (315), im Zusammenhang eines Internetverbotes. 883
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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seinen Pflichtverstoß hinzuweisen. Erst bei einem erneuten Fehlverhalten in der Zukunft kann die Gesellschaft sein Verhalten zum Anlass einer sofortigen verhaltensbedingten Kündigung nehmen. Sie ist insbesondere nicht zum Ausspruch einer nochmaligen Abmahnung verpflichtet. In diesem Zusammenhang kommt zum Tragen, dass die Anforderungen an einen Geschäftsführer sich vertragstreu zu verhalten, aufgrund seiner Position im Vergleich zu Arbeitnehmern noch höher zu bewerten sind. Eine einmalige Abmahnung muss ausreichende Hinweis- und Warnfunktion für den Geschäftsführer haben. Keine Abmahnung wäre insbesondere erforderlich, wenn die Pflichtverletzung von Anfang an als schwerwiegend qualifiziert werden kann, beispielsweise weil der Geschäftsführer sich in Folge des Alkoholgenusses unangemessen aufgeführt hat, Geschäftspartner den Vorfall mitbekommen haben oder es zu sonstigen schweren Störungen im Betriebsablauf der GmbH gekommen ist.888 Auch wird sich bei einer großen Menge Alkohol oder der mehrmaligen Zunahme von Alkohol die Schwere der Pflichtverletzung erhöhen, zumindest jedoch die Gefahr, dass der Alkoholkonsum negative Auswirkungen auf die Interessen der Gesellschaft hat. Bei solchen Konstellationen kann dem Geschäftsführer gewöhnlich, unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte889, ohne Abmahnung verhaltensbedingt gekündigt werden. Insbesondere ist in der Regel keine Versetzung des Geschäftsführers denkbar. Eine solche, welche bei einem Organmitglied ohnehin in der Praxis schwer zu realisieren ist, wird der Gesellschaft regelmäßig nicht zuzumuten sein, zumal die Gesellschaft berechtigt ist, höhere Anforderungen an die Verhaltensweise des gesetzlichen Vertreters zu stellen. Zudem ist nicht vorstellbar, dass der Geschäftsführer sich auf einem anderen Arbeitsplatz vertragstreu verhalten wird, so dass eine Versetzung grundsätzlich nicht als milderes Mittel in Betracht kommt. c) Anzeige durch den Geschäftsführer Die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte im Strafverfahren ist grundsätzlich nicht geeignet, aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.890 Eine Pflichtverletzung ist jedoch anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber anzeigt und hierbei wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben macht891 oder gezielt falsche Informationen an die Presse gegeben werden.892 888 Vgl. im Zusammenhang mit Arbeitnehmern v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 576. 889 Siehe unter Kap. 3 E. III. 1. a). 890 BVerfG NJW 2001, 3474 (3476); BAG NZA 2004, 427 (429); so auch schon BVerfG NJW 1987, 1929 (1929); vgl. BAG NZA 2007, 502 (503). 891 BAG NZA 2004, 427 (429); BVerfG NJW 2001, 3474 (3476); BVerfG NJW 1987, 1929 (1929); Stein, BB 2004, 1961 (1963); v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 591; Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 265. 892 BAG NJW 1970, 827 (828).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Keine außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages eines GmbH-Geschäftsführers kann nach Ansicht des Gerichts bejaht werden, wenn der Geschäftsführer während der Verhandlungen über eine Abfindung damit droht, er werde belastendes Material über die Gesellschaft der Staatsanwaltschaft, der BaFin und den Medien übergeben, sofern sie sich nicht über eine Abfindung gemäß seinen Vorstellungen entsprechend einigen können.893 Die Androhungen in Bezug auf die Staatsanwaltschaft und die BaFin können nicht als Pflichtverletzungen gewertet werden.894 „Die Anrufung der Aufsichts- bzw. Strafverfolgungsbehörden ist das selbstverständliche Recht eines jeden Staatsbürgers, der meint, dass ein Sachverhalt vorliegt, der behördliches Einschreiten rechtfertigt.“895 Dies muss ebenso für eine Drohung Geltung beanspruchen können.896 Bei Verneinung einer Pflichtverletzung ist ebenso wenig eine ordentliche Kündigung möglich. Nur im Einzelfall kann ein Geschäftsführer, ähnlich einem Arbeitnehmer, einmal gehalten sein, vor Erstattung einer Strafanzeige oder der Anrufung einer Ermittlungsbehörde, auf eine innerbetriebliche Klärung hinzuwirken und zu versuchen, den Arbeitgeber oder andere Mitarbeiter von strafbaren Handlungen abzuhalten oder diese zumindest auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen.897 Bezüglich des Verhaltens des Geschäftsführers im Hinblick auf die Presse ist ein Pflichtverstoß zu bejahen, weil den Pflichten eines Geschäftsführers immanent ist, interne Angelegenheiten der Gesellschaft nicht der Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder mit einer solchen Vorgehensweise zu drohen.898 Das Gericht hat eine fristlose Kündigung jedoch deshalb als nicht gerechtfertigt angesehen, weil der Geschäftsführer in einer existenziellen Ausnahmesituation nur Drohungen ausgesprochen habe und das befristete Anstellungsverhältnis in absehbarer Zeit geendet hätte.899 Ob das Verhalten des Geschäftsführers im Falle der Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes und einer ordentlichen Kündigung eine solche begründen könnte, hatte das Gericht nicht zu entscheiden und ließe sich erst nach einer umfassenden Interessenabwägung beantworten, in der insbesondere berücksichtigt werden müsste, welche Umstände das Organmitglied zum Ausspruch der Drohungen veranlasst haben und wie lange das Vertragsverhältnis noch fortdauern würde. Eindeutig wäre die Situation zu bewerten, wenn der Geschäftsführer einer GmbH einen Gesellschafter oder die Gesellschafter aufgrund bewusst falscher oder leichtfertig unrichtiger Angaben anzeigt. Ein solches Verhalten ist geeignet, das Vertrauen in das Organmitglied gänzlich entfallen zu lassen, insbesondere, weil bei einer wissentlich falschen Anzeigenerstattung naheliegend ist, dass der Geschäfts893
OLG München GmbHR 2012, 852 (854). OLG München GmbHR 2012, 852 (854). 895 OLG München GmbHR 2012, 852 (854). 896 OLG München GmbHR 2012, 852 (854). 897 In Bezug auf Arbeitnehmer: BAG NZA 2004, 427 (430); v. Hoyningen-Huene/Linck/ Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 588. 898 OLG München GmbHR 2012, 852 (854). 899 OLG München GmbHR 2012, 852 (854). 894
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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führer die Absicht hat, dem Gesellschafter oder den Gesellschaftern zu schaden. Eine solche Pflichtverletzung rechtfertigt in der Regel eine sofortige ordentliche Kündigung, ohne dass eine Abmahnung erforderlich wäre. In einem solchen Fall handelt es sich um einen schweren Verstoß gegen die Treue- und Fürsorgepflicht eines Geschäftsführers, allein zum Wohl des Unternehmens zu agieren. Zudem ist der Straftatbestand des § 164 StGB (falsche Verdächtigung) bei einer wissentlich falschen Anzeigenerstattung erfüllt. Eine Interessenabwägung wird bei einem derart schweren Vertrauensbruch, nach Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände900, grundsätzlich zugunsten der GmbH ausfallen, insbesondere scheidet eine Versetzung aus. d) Arbeitsverweigerung und Arbeitsversäumnis Bei Arbeitnehmern ist denkbar, dass ihr Arbeitsverhältnis wegen der schuldhaften Nichtausübung ihrer Arbeitsleistung nach vorheriger Abmahnung verhaltensbedingt kündbar ist.901 Dies muss uneingeschränkt auch für einen GmbH-Geschäftsführer gelten. Verweigert dieser seine Arbeitsleistung unberechtigterweise, kann sein Anstellungsverhältnis durch eine ordentliche Kündigung beendet werden. Angesichts der mit einer Vereinbarung über die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes bezweckten Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers sowie der berechtigten Erwartung der Wiederherstellung des Vertrauens ist die GmbH regelmäßig verpflichtet, das nicht vertragsgemäße Verhalten ihres gesetzlichen Vertreters abzumahnen und ihn unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass eine weitere Verweigerung der Arbeitsausübung eine verhaltensbedingte Kündigung zur Konsequenz haben wird. Kommt der Geschäftsführer daraufhin seinen Arbeitsaufgaben nicht nach, kann sein Verhalten in der Regel eine verhaltensbedingte Kündigung bedingen. Im Rahmen einer Interessenabwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, warum der Geschäftsführer die Erbringung seiner Arbeitsleistung verweigert und welche negativen Auswirkungen dies auf die betrieblichen Interessen der Gesellschaft hat. Einem Arbeitnehmer kann zudem verhaltensbedingt gekündigt werden, wenn er ungeachtet etwaiger Abmahnungen mehrfach seinen Arbeitsplatz frühzeitig verlässt,902 wiederholt unentschuldigt auf seinem Arbeitsplatz nicht erscheint903 oder 900
Siehe unter Kap. 3 E. III. 1. a). KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 433 ff., m. w. N.; Kittner/Däubler/Zwanziger/ Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 272; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 282; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 608; BAG NZA 1997, 487 (489); BAG Urteil v. 31. 01. 1985 – 2 AZR 486/83, juris Rn. 22 – 24, in Bezug auf eine außerordentliche Kündigung; vgl. auch BAG Urteil v. 13. 03. 2008 – 2 AZR 88/ 07, juris Rn. 35 – 37. 902 Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 276; LAG Bremen BB 1962, 599; LAG Düsseldorf DB 1961, 1264; vgl. LAG Baden-Württemberg/Stuttgart BB 1967, 1294. 903 BAG NZA 1991, 557 (558); KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 438 f.; Kittner/ Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 276; vgl. LAG Baden-Württemberg DB 901
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
sich mehrfach verspätet.904 Auf GmbH-Geschäftsführer lassen sich diese Ausführungen grundsätzlich nicht übertragen. Sie sind regelmäßig nicht an eine feste Arbeitszeit gebunden,905 sondern können sich diese frei einteilen. Der Vorwurf des unbefugten Verlassens des Arbeitsplatzes oder wiederholter Verspätungen kann ihnen daher grundsätzlich nicht gemacht werden. Eine andere Beurteilung wäre zu erwägen, wenn der Geschäftsführer mehrfach einer einberufenen Gesellschafterversammlung fernbleibt oder andere wichtige Termine, zu denen er verpflichtet ist, nicht wahrnimmt respektive sich verspätet. Solche Verhaltensweisen können nach einer einschlägigen Abmahnung, gegebenenfalls auch nach zwei Abmahnungen eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Entscheidend ist die Schwere der Pflichtverletzung, speziell welchen Termin der Geschäftsführer versäumt hat, welche Auswirkungen hieraus für die Gesellschaft resultieren sowie welche Gründe für seine Verspätung oder sein Nichterscheinen maßgeblich waren. e) Beleidigungen Beleidigt ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber oder seine Arbeitskollegen in grober Weise, kann sein Verhalten zu einer ordentlichen Kündigung führen.906 Im Rahmen einer Interessenabwägung müssen jedoch folgende Gesichtspunkte Berücksichtigung finden: gewöhnlicher Umgangston im Unternehmen, „Bildungsgrad und psychischer Zustand des Arbeitnehmers, Gesprächssituation (zB Anwesenheit von Dritten, Ernsthaftigkeit der beleidigenden Äußerung, Provokation durch Arbeitgeber) (…) sowie Ort und Zeitpunkt des Geschehens“.907 Von einer beleidigenden oder ehrverletzenden Äußerung sind solche Aussagen zu unterscheiden, die als sachliche Kritik bewertet werden müssen und insoweit keinen Kündigungsgrund bedeuten.908 Beleidigt der Geschäftsführer einer GmbH den Alleingesellschafter des Unternehmens als „Wurzel allen Übels“, tituliert ihn als „ganz einfachen Mann, nicht besonders gebildet“ und charakterisiert ihn gegenüber Dritten als „Choleriker“, stellt 1964, 1032; ArbG Marburg/Lahn BB 1964, 86, Fernbleiben der Arbeit; LAG Düsseldorf DB 1978, 1698. 904 BAG NZA 1987, 518 (519); BAG NZA 1989, 261 (263); BAG NZA 1997, 761 (761); BAG NZA 2005, 459 (460). 905 Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 92; Goette, DStR 1998, 1137 (1139); Konzen, NJW 1989, 2977 (2978), „Arbeitszeit beim Geschäftsführer auch nicht schlechthin fremdbestimmt“. 906 Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 289; BAG Urteil v. 11. 07. 1991 – 2 AZR 633/90, juris Rn. 57; BAG NZA 1999, 863 (864); BAG Urteil v. 06. 11. 2003 – 2 AZR 177/02, juris Rn. 42; BAG NZA 2006, 917 (920); BAG NZA 2010, 698 (699); BAG Urteil v. 10. 10. 2002 – 2 AZR 418/01, juris Rn. 23. 907 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 463; siehe auch Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 296; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 628 f. 908 BAG NZA 2006, 917 (921); BAG Urteil v. 17. 02. 2000 – 2 AZR 927/98, juris Rn. 14.
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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sein Verhalten einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB dar.909 Diese Aussagen bringen die abfällige Meinung des Geschäftsführers gegenüber dem Gesellschafter auf illoyale Weise zum Ausdruck und können einen Vertrauensverlust in eine gute und ordnungsgemäße Zusammenarbeit bewirken.910 Nicht erforderlich ist, dass die Geschäftsinteressen der Gesellschaft durch die Beleidigungen beeinträchtigt werden, sofern die persönlichen Wertungen unangebracht und ehrverletzend sind sowie nicht auf einem sachlichen Grund beruhen.911 Ist die Beleidigung eines Geschäftsführers als üble Nachrede gemäß § 186 BGB zu klassifizieren, kann diese ferner ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB sein, weil ein solches Verhalten als nicht mehr zumutbar einzustufen ist.912 Für eine ordentliche Kündigung im Falle der Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes kann aus den vorstehenden Entscheidungen geschlussfolgert werden, dass eine solche unter folgenden Voraussetzungen möglich ist: Macht sich der Geschäftsführer wegen seiner beleidigenden Äußerung gemäß den §§ 186 ff. StGB strafbar oder spricht mehrfache Beleidigungen aus, kann sein Verhalten ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 2 KSchG sein und aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung eine sofortige Kündigung ohne Abmahnungserfordernis, unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte913, rechtfertigen. Hintergrund ist, wie bei einer außerordentlichen Kündigung, dass das Verhalten des Geschäftsführers eine ordnungsgemäße Zusammenarbeit zwischen den Organen wegen des eingetretenen Vertrauensverlustes ausschließt. Hierin ändert auch die Tatsache nichts, dass der Geschäftsführer auf einen anderen Arbeitsplatz versetzt werden könnte, zumal eine solche Möglichkeit bei GmbH-Geschäftsführern regelmäßig nicht besteht.914 Ob eine nur einmalige Beleidigung, mit welcher nicht gegen §§ 186 ff. StGB verstoßen wird, zur Bejahung einer negativen Prognose ausreicht und damit eine Abmahnung entbehrlich machen kann, ist schwer zu beantworten. Einerseits kann darauf abgestellt werden, dass es sich für einen Geschäftsführer nicht gehört, Beleidigungen auszusprechen. Er muss vielmehr wegen seines Bildungsgrades sowie seiner besonderen Stellung im Unternehmen auf seine Wortwahl achten und sich angemessen artikulieren. Andererseits ist es menschlich, sich einmal misslich auszudrücken. Entscheidend werden demnach alle relevanten Umstände des Einzelfalles sein,915 insbesondere ob Geschäftspartner oder Kunden des Unternehmens die Beleidigung mitbekommen haben oder sie in einem Kreis getätigt wurde, in dem sie nicht nach außen dringen konnte. Keine Pflichtverletzung und kündigungsrelevantes Verhalten ist, ähnlich wie bei 909 910 911 912 913 914 915
BGH NJW 2000, 1638 (1638). BGH NJW 2000, 1638 (1639). BGH NJW 2000, 1638 (1639). BGH NJW 1998, 3274 (3276). Siehe unter Kap. 3 E. III. 1. a). Siehe unter Kap. 3 D. II. 1. b) dd) (1). Siehe soeben in Bezug auf Arbeitnehmer Kap. 3 E. III. 1. e).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Arbeitnehmern916 gegeben, wenn der Geschäftsführer sachliche Kritik übt oder unwahre oder beleidigende Aussagen über andere Beschäftigte des Unternehmens im Gesellschafterkreis tätigt und berechtigterweise davon ausgehen konnte, sie würden diesen Kreis nicht verlassen. Dies gilt grundsätzlich nicht, sofern der Geschäftsführer im Kreise der übrigen Beschäftigten den Gesellschafter oder die Gesellschafter der GmbH beleidigt. Der gesetzliche Vertreter hat als Repräsentationsfigur917 Vorbildfunktion sowie in gewisser Weise eine Einheit mit den Gesellschaftern zu bilden. Eine nicht sachgemäße Äußerung durch den Geschäftsführer ist in der Folge eine Pflichtverletzung, welche eine ordentliche Kündigung legitimieren kann. f) Handgreiflichkeiten Wird ein Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber oder gegenüber Arbeitskollegen handgreiflich, kann ein solches Verhalten einen außerordentlichen und erst recht einen ordentlichen Kündigungsgrund bedingen.918 Macht sich ein GmbH-Geschäftsführer mehrfach sowie in Anwesenheit von Betriebsangehörigen Handgreiflichkeiten schuldig, kann Konsequenz seines Verhaltens eine außerordentliche Kündigung sein.919 Es handelt sich hierbei um schwere Vergehen „gegen die grundlegenden Verhaltensnormen eines Geschäftsführers“.920 Geprüft werden muss, ob das Verhalten in der Persönlichkeit des Geschäftsführers wurzelt oder eine einmalige Verfehlung darstellt, die das Organmitglied steuern kann. Ist der Geschäftsführer nicht in der Lage, seine Tätlichkeiten zu kontrollieren, weil seine aggressive Handlungsweise seiner Persönlichkeit immanent ist, kann ihm nicht verhaltensbedingt gekündigt werden, sondern es liegt dann ein personenbedingter Kündigungsgrund vor.921 Kann das Organmitglied sein Verhalten hingegen beeinflussen, ist es der Gesellschaft gestattet, eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung auszusprechen. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Geschäftsführer, wie in der soeben beschriebenen Konstellation, mehrfach handgreiflich wird. In einem solchen Fall ist nicht nur eine fristlose Kündigung, sondern umso mehr eine sofortige ordentliche Kündigung berechtigt. Auch eine einmalige Verfehlung des Geschäftsführers könnte bereits ausreichen, um sein Anstellungsver916
v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 637; BAG BB 1966, 124; BAG WM 1973, 471; BAG Urteil v. 10. 10. 2002 – 2 AZR 418/01, juris Rn. 26; BAG NZA 2010, 698 (699). 917 Siehe unter Kap. 3 D. IX. 1. b) bb). 918 BAG NZA 2006, 431 (432); Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 302; Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 291. 919 OLG Stuttgart NJW-RR 1995, 295 (296 f.); vgl. auch in Bezug auf einen wichtigen Grund zur Abberufung (§ 38 GmbHG) BGH Beschluss v. 24. 10. 1994 – II ZR 91/94, juris: LS. 920 OLG Stuttgart NJW-RR 1995, 295 (296). 921 In einem solchen Fall fehlt es am Merkmal der schuldhaften Handlungsweise – siehe unter Kap. 3 E. I.
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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hältnis zu beenden. Entscheidend ist, welche Art und Schwere der Pflichtverletzung gegeben ist. Hat der gesetzliche Vertreter einen Beschäftigten des Unternehmens, sei es einen weiteren Geschäftsführer, einen Gesellschafter, einen Arbeitnehmer oder aber einen Kunden beispielsweise durch einen Fausthieb geschlagen, liegt hierin nicht nur eine tatbestandliche Körperverletzung gemäß § 223 StGB, sondern auch eine schwere Entgleisung, die eine sofortige Kündigung ohne Abmahnung rechtfertigen kann. Ob dies auch gilt, wenn es sich bei der Tätlichkeit des Organmitgliedes „nur um einen Stoß“ eines Mitarbeiters oder Kunden handelt, ist sehr schwer zu beantworten. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Geschäftsführer aufgrund seiner Repräsentations- und Vorbildfunktion,922 insbesondere seiner sowohl gegenüber der Gesellschaft923 als auch gegenüber den Beschäftigten des Unternehmens bestehenden Treue- und Fürsorgepflicht924, sich keinerlei Verfehlungen im Sinne von Handgreiflichkeiten zu schulden kommen lassen darf. Entscheidend werden in diesem Zusammenhang alle Umstände sein, welche zu dem Pflichtverstoß des Geschäftsführers geführt haben. Insbesondere muss entsprechend gewürdigt werden, ob der Geschäftsführer provoziert oder ohne jeglichen Anlass handgreiflich wurde. Insoweit wird auch an dieser Stelle deutlich, dass eine strikte Trennung zwischen den einzelnen Prüfungspunkten nicht möglich ist, weil ein Abmahnungserfordernis oder eine negative Prognose teilweise nicht beurteilt werden können, wenn nicht schon auf zweiter Prüfungsebene relevante Abwägungsinteressen ansatzweise berücksichtigt werden.925 In der Regel wird ein Pflichtverstoß, welcher als Handgreiflichkeit qualifiziert werden kann, nur ausnahmsweise eine Wiederherstellung des Vertrauens erwarten lassen. Grundsätzlich wird die Gesellschaft die Pflichtverletzung des Geschäftsführers, unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte926, zum Anlass einer verhaltensbedingten Kündigung nehmen können. Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung wird im Besonderen eine Versetzung des Geschäftsführers ausscheiden. g) Krankheit – Erfüllung der Nebenpflichten Fällt ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig aus, ist er an einige vertragliche Nebenpflichten im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes gebunden, welche bei einer Verletzung eine verhaltensbedingte Kündigung legitimieren können.927 Gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG obliegt dem Arbeitnehmer eine unverzügliche Anzeigepflicht seiner Erkrankung sowie gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG die Pflicht der
922 923 924 925 926 927
Siehe unter Kap. 3 D. IX. 1. b) bb). Siehe unter Kap. 3 E. III. 1. a). Diese folgt aus der Ausübung der Arbeitgeberfunktionen durch den Geschäftsführer. Siehe auch schon unter Kap. 3 D. II. 4. Siehe unter Kap. 3 E. III. 1. a). KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 475; LAG Hamm BB 1983, 1601 (1602).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Abgabe einer ärztlichen Bescheinigung.928 Befolgt der Arbeitnehmer diese Pflichten trotz entsprechender Abmahnungen nicht, können seine Pflichtverstöße eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.929 Eine ordentliche Kündigung kann ferner bejaht werden, wenn der Beschäftigte durch genesungswidriges Verhalten den Heilungsprozess entschieden beeinträchtigt930 oder nach dem Ende seiner Krankschreibung nicht wieder zur Arbeit erscheint.931 Eine schwere Pflichtverletzung ist zudem gegeben, wenn der Arbeitnehmer, weil der Arbeitgeber einem bestimmten Urlaubswunsch nicht nachkommt, über seine Arbeitsunfähigkeit täuscht, eine solche in Wahrheit nicht vorliegt932 oder er mit einer Krankschreibung droht, sollte der Arbeitgeber einem bestimmten Urlaubswunsch nicht nachkommen.933 Das Erfordernis einer Abmahnung wird bei solchen Konstellationen regelmäßig entbehrlich sein.934 Das Entgeltfortzahlungsgesetz findet nach allgemeiner Ansicht auf GmbH-Geschäftsführer keine Anwendung.935 Eine Lohnfortzahlungspflicht seitens der Gesellschaft kann sich entweder aus einer anstellungsvertraglichen Vereinbarung oder der Vorschrift des § 616 S. 1 BGB ergeben.936 Vertragliche Nebenpflichten bei einer Arbeitsunfähigkeit resultieren damit nicht unmittelbar aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz. Es ist jedoch anerkannt, dass ein GmbH-Geschäftsführer wegen seiner besonderen Stellung im Unternehmen, insbesondere aufgrund seiner weitreichenden 928 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 476 und 479; v. Hoyningen-Huene/Linck/ Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 596. 929 Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 317 und 319; Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 309 f.; BAG NZA 1990, 433 (433 f.); in Bezug auf die Anzeigepflicht: BAG Urteil v. 07. 12. 1988 – 7 AZR 122/88, juris Rn. 36 – 38; BAG Urteil v. 23. 09. 1992 – 2 AZR 199/92, juris Rn. 27; BAG NZA 1993, 17 (18); in Bezug auf die Nachweispflicht: LAG Hamm BB 1983, 1601 (1602); BAG NZA 1987, 93 (93 f.); BAG NZA 1990, 433 (433 f.). 930 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 482; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 321; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 602; BAG NJW 1980, 1917 (1917 f.); BAG NZA-RR 2006, 636 (638 f.); LAG Düsseldorf BB 1978, 1264 (1265); vgl. LAG Frankfurt a.M. BB 1982, 1857 (1857). 931 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 480; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/ Krause, KSchG, § 1 Rn. 601; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 320; BAG NZA 2000, 1332 (1333), sogar Bejahung einer fristlosen Kündigung. 932 BAG NZA-RR 2009, 622 (623); BAG NZA 2004, 564 (566); BAG NZA 1994, 63 (64); Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 322a; Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 308; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/ Krause, KSchG, § 1 Rn. 606. 933 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 485; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/ Krause, KSchG, § 1 Rn. 605; BAG NZA 1993, 308 (310); BAG NZA 2004, 564 (565). 934 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 485 und v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/ Krause, KSchG, § 1 Rn. 605 f.; BAG NZA 1993, 308 (311) (Androhen); vgl. Ascheid/Preis/ Schmidt/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rn. 322a (Täuschen). 935 Siehe unter Kap. 3 D. II. 1. b) cc) (1). 936 Siehe unter Kap. 3 D. II. 1. b) cc) (1).
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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Befugnisse gegenüber der GmbH einer Treue- und Fürsorgepflicht unterliegt.937 Eine solche verpflichtet das Organmitglied auf die Interessen der Gesellschaft Rücksicht zu nehmen und diese zu schützen.938 Auf diese Weise ist der Geschäftsführer einer GmbH an die vorstehenden Plichten im Falle einer Arbeitsunfähigkeit gebunden. Diese Pflichten obliegen dem Organmitglied angesichts seiner Treue- und Fürsorgepflicht, sofern sie zwischen den Vertragsparteien nicht bereits individuell vereinbart werden. Der gesetzliche Vertreter muss seinen Arbeitsausfall daher unverzüglich anzeigen, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen, sofern möglich, die Gesellschafter darüber informieren, wer seine Aufgaben während seiner Abwesenheit übernehmen soll939, jedwedes gesundheitsbeeinträchtigende Verhalten unterlassen und nach dem Ende seiner Erkrankung die Arbeit wieder aufnehmen. Verletzt der Geschäftsführer eine dieser Pflichten, kann sein Anstellungsvertrag in der Regel nach dem Ausspruch einer erfolglosen Abmahnung verhaltensbedingt gekündigt werden. Der durch die Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes bezweckte Schutz des Geschäftsführers erfordert grundsätzlich eine Abmahnung, insbesondere weil berechtigterweise grundsätzlich eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann. Dies ist, ähnlich wie bei Arbeitnehmern, anders zu beurteilen, wenn das Organmitglied über seine Arbeitsunfähigkeit täuscht oder mit einer Krankschreibung droht, sollte der Arbeitgeber seinem Urlaubswunsch nicht entsprechen. In einem solchen Fall wird die Gesellschaft wegen der Schwere der Pflichtverletzung und dem damit einhergehenden Vertrauensverlust zur sofortigen ordentlichen Kündigung berechtigt sein. h) Private Internet- und Telefonnutzung Ob einem GmbH-Geschäftsführer die private Nutzung des Internets untersagt und damit eine Kündigung wie bei Arbeitnehmern940 möglich ist, ist fraglich, wenn keine ausdrückliche Regelung die Nutzung verbietet.941 Ein Fehlverhalten des Geschäftsführers wird nicht anzunehmen sein, wenn die Nutzung keine zusätzlichen Kosten für die GmbH verursacht, weil eine Flatrate besteht.942 Ohnehin muss bei einem GmbH-Geschäftsführer beachtet werden, dass er regelmäßig an keine festen Arbeitszeiten gebunden ist,943 so dass es schwer nachweisbar sein wird, ob er seinen 937
Siehe unter Kap. 3 E. III. 1. a). Siehe unter Kap. 3 E. III. 1. a). 939 In Bezug auf Beschäftigte in verantwortlicher Position: KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 478; in Bezug auf leitende Angestellte KR-Rost, KSchG, § 14 KSchG Rn. 45; Dörsam, BC 2000, 90 (92). 940 v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 652 f.; Kramer, NZA 2006, 194 (196 f.); Mengel, NZA 2005, 752 (753); BAG NZA 2006, 977 (978); BAG NZA 2007, 922 (924); BAG NZA 2006, 98 (99 f.); Müller-Thele, MDR 2006, 428 (429 f.). 941 Vgl. LAG Rheinland-Pfalz Urteil v. 18. 05. 2006 – 6 Sa 787/05, juris Rn. 47. 942 LAG Rheinland-Pfalz Urteil v. 18. 05. 2006 – 6 Sa 787/05, juris Rn. 48. 943 Siehe unter Kap. 3 E. III. 1. d). 938
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Computer während seiner Dienstzeit für private Angelegenheiten nutzt. Insbesondere ist ein Arbeitszeitbetrug zu verneinen, sofern der Geschäftsführer über Umfang und Lage seiner Arbeitszeiten selbstständig bestimmen und entscheiden kann, innerhalb welchen Zeitrahmens er seine Arbeitsleistung erbringt.944 Nutzt der Geschäftsführer seinen Dienstcomputer hingegen zur Speicherung pornographischer Bilder oder Dateien, können diese Pflichtverletzungen eine ordentliche Kündigung rechtfertigen.945 Die Speicherung oder Verbreitung pornographischer Darstellungen stellt eine schwere Vertragsverletzung dar, welche die Gesellschaft in der Regel zum sofortigen Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung berechtigt, ohne ein Abmahnungserfordernis zu erfüllen. Dies gilt insbesondere, wenn der Geschäftsführer gegen § 184b StGB verstößt. In Bezug auf Arbeitnehmer kann eine Kündigung ihrer Arbeitsverhältnisse auch gerechtfertigt sein, wenn sie unbefugt und heimlich auf Kosten des Arbeitgebers telefonieren.946 Für einen GmbH-Geschäftsführer kann dieser Grundsatz nicht ohne Weiteres gelten.947 In der Regel ist es in einer solchen Position eher sozialtypisch, dass ein Geschäftsführer sein Firmenhandy auch privat nutzen darf; ohne ein ausdrückliches Untersagen der Nutzung zu privat veranlassten Telefonaten seitens der Gesellschaft wird nicht anzunehmen sein, dass ihm das private Gebrauchen des Handys nicht erlaubt ist.948 Nur wenn dem Geschäftsführer eine solche Nutzung ausdrücklich verboten ist, kann ein Verstoß diesbezüglich zu einer ordentlichen Kündigung führen.949 Aber auch in einem solchen Fall wird regelmäßig das Erfordernis einer Abmahnung bestehen, bevor die Gesellschaft verhaltensbedingt kündigen kann. Insbesondere wird zu prüfen sein, ob nicht mildere Mittel als eine Kündigung, beispielsweise in Form einer Rückerstattung der der Gesellschaft entstandenen Kosten, zu erwägen sind.950 i) Sexuelle Belästigung Macht sich der Geschäftsführer einer GmbH einer sexuellen Belästigung einer Beschäftigten des Unternehmens in Form von mehrfachen sexuell geprägten Aussagen sowie mehrfachen sexuell geprägten körperlichen Berührungen schuldig, kann
944 LAG Rheinland-Pfalz Urteil v. 18. 05. 2006 – 6 Sa 787/05, juris Rn. 49; vgl. auch Diringer, BuW 2004, 342 (346), der in Bezug auf leitende Angestellte ebenfalls einen Arbeitszeitbetrug verneint und insgesamt grundsätzlich eine Internetnutzung nicht als Pflichtverletzung ansieht. 945 Vgl. LAG Rheinland-Pfalz Urteil v. 23. 10. 2008 – 10 Sa 787/05, juris Rn. 62 ff.: hier aber Verneinung dieser Pflichtverletzungen. 946 BAG NZA 2004, 717 (719). 947 LAG Rheinland-Pfalz Urteil v. 23. 10. 2008 – 10 Sa 787/05, juris Rn. 74 f. 948 LAG Rheinland-Pfalz Urteil v. 23. 10. 2008 – 10 Sa 787/05, juris Rn. 75. 949 LAG Rheinland-Pfalz Urteil v. 23. 10. 2008 – 10 Sa 787/05, juris Rn. 75. 950 LAG Rheinland-Pfalz Urteil v. 23. 10. 2008 – 10 Sa 787/05, juris Rn. 77.
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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ihm fristlos gekündigt werden.951 In einem solchen Fall muss erst recht eine ordentliche Kündigung berechtigt sein, wenn der Geschäftsführer in schuldhafter Weise wiederholt gegen § 2 Abs. 2 S. 1 BSchG (Beschäftigtenschutzgesetz)952 verstößt. Problematisch ist, ob bei einer einmaligen sexuellen Belästigung durch den Geschäftsführer eine Abmahnung erforderlich ist oder der einmalige Pflichtverstoß eine negative Prognose begründet. Entscheidend diesbezüglich muss sein, ob es sich bei der sexuellen Belästigung um eine Äußerung oder einen sexuellen Kontakt handelt. Der Geschäftsführer nimmt Arbeitgeberfunktionen wahr, hat demnach gegenüber den anderen Beschäftigten des Unternehmens eine Fürsorgepflicht,953 die ihn in besonderer Weise dazu verpflichtet, sich nicht gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 BSchG strafbar zu machen. Ein sexueller Kontakt muss eine sofortige verhaltensbedingte Kündigung legitimieren. Ein solcher ist gegenüber einer sexuellen Äußerung schwerwiegender und intensiver, rechtfertigt demnach eine negative Prognose und lässt eine Interessenabwägung grundsätzlich zulasten des Geschäftsführers ausfallen. Ob eine einmalige sexuelle Äußerung zu einer ordentlichen Kündigung befugt, ist sehr schwer zu beantworten und stark einzelfallabhängig. Grundsätzlich muss die dem Geschäftsführer obliegende Fürsorgepflicht gegenüber der übrigen Belegschaft bewirken, dass jegliche Verletzung des § 2 Abs. 2 S. 1 BSchG eine schwere Pflichtverletzung ist. Maßgeblich muss jedoch auch berücksichtigt werden, welchen Ausdruck der Geschäftsführer gewählt hat sowie in welcher eventuellen Beziehung er zu dem Opfer steht. Hat der Geschäftsführer eine sexuelle Äußerung getätigt, weil er in die Arbeitnehmerin verliebt gewesen ist, könnte ein solcher Umstand ausnahmsweise zu seinen Gunsten Berücksichtigung finden954 und unter Umständen eine Abmahnung voraussetzen. Es können diesbezüglich keine festen Grundsätze aufgestellt werden. Entscheidend sind der Einzelfall und alle Umstände, die mit der Pflichtverletzung zusammen hängen. In der Regel wird jedoch aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung bei einem Verstoß gegen § 2 BSchG eine sofortige verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein. Weitergehend kann einem Geschäftsführer unter Umständen fristlos gekündigt werden, wenn nicht er eine sexuelle Belästigung begeht, sondern gegen eine solche durch einen anderen Beschäftigten der Gesellschaft nichts unternimmt.955 Erlangt der Geschäftsführer Kenntnis über die Begehung einer sexuellen Belästigung, muss er aktiv dagegen vorgehen und diesbezügliche Beschwerden auf ihre Richtigkeit überprüfen.956 Dies ist insbesondere der Fall, sofern Auszubildende mögliche Opfer sind.957 Maßgeblich bei einer Interessenabwägung, aber auch schon bei der Fest951 952 953 954 955 956 957
OLG Frankfurt GmbHR 2009, 488 (489). Vgl. Abbildung bei OLG Frankfurt GmbHR 2009, 488 (489). Siehe unter Kap. 3 E. III. 1. f). Vgl. in Bezug auf die Kündigung eines Arbeitnehmers BAG NZA 2004, 1214 (1216). OLG Hamm GmbHR 2007, 823 (823). OLG Hamm GmbHR 2007, 823 (823). OLG Hamm GmbHR 2007, 823 (823).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
stellung einer negativen Prognose ist zu berücksichtigen, ob ein einmaliges Vergehen oder mehrfache in Frage stehen, ob dem Geschäftsführer oder mit seinem Wissen einem anderen Gesellschafter eine Beschwerde zugegangen ist, ob tatsächlich eine sexuelle Belästigung vorliegt, bei welcher der Geschäftsführer ein Vorgehen für notwendig halten musste sowie welche Möglichkeiten zum Einschreiten gegeben waren.958 Unter Berücksichtigung der vorstehenden Abwägungskriterien kann eine sofortige ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein, wenn der Geschäftsführer von einer tatsächlich stattgefundenen sexuellen Belästigung, insbesondere in Form von sexuellen Handlungen, Kenntnis erhält, diesbezüglich aber keinerlei Gegenmaßnahmen einleitet beziehungsweise ergreift. Hierzu würde ihn seine Fürsorgepflicht verpflichten, so dass ein Unterlassen in der Regel eine schwere Pflichtverletzung darstellt, welche eine sofortige Beendigung seines Anstellungsverhältnisses zur Folge haben kann. j) Unberechtigter Urlaubsantritt und unberechtigte Urlaubsverlängerung Ähnlich wie bei Arbeitnehmern ist bei GmbH-Geschäftsführern ihr Anstellungsverhältnis wegen eines unberechtigten Urlaubsantrittes kündbar.959 Die Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes finden nach allgemeiner Ansicht zwar auf Geschäftsführer keine Anwendung.960 Ein Urlaubsanspruch des Geschäftsführers kann in der Praxis jedoch im Anstellungsvertrag des Organmitgliedes individualvertraglich vereinbart werden.961 Ferner ist es möglich, dass die Parteien die Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes ganz, teilweise oder modifiziert in Bezug nehmen.962 Treffen die GmbH und ihr Geschäftsführer keine derartige Regelung, resultiert ein Anspruch des gesetzlichen Vertreters auf Urlaub aus der Treue- und Fürsorgepflicht der Gesellschaft.963 Grund hierfür ist die Tatsache, dass der Ge958
OLG Hamm GmbHR 2007, 823 (823). In Bezug auf Arbeitnehmer siehe KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 440; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 647; BAG NZA 1994, 548 (550); BAG NZA 1998, 708 (709); BAG NZA 2000, 1332 (1334). 960 Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, § 2 BUrlG Rn. 37; Michalski/Tebben, GmbHG, § 6 Rn. 198; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 327; Priester/Mayer/Wicke/Marsch-Barner/ Diekmann, MünchHdbGesellR GmbH Band 3, § 43 Rn. 58; Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 472; Hohmeister/Oppermann/Hohmeister, BUrlG, § 2 BUrlG Rn. 12, Fremdgeschäftsführer können im Einzelfall aber arbeitnehmerähnliche Personen sein; Schelp/ Herbst, BUrlG, § 2 Rn. 16; Haase, GmbHR 2005, 338 (345); Arnold/Tillmanns/Tillmanns, BUrlG, § 2 BUrlG Rn. 19: unter Umständen Bejahung der Anwendbarkeit bei Fremdgeschäftsführern, wenn diese Arbeitnehmer sind; LAG Rheinland-Pfalz NZG 2009, 195 (196). 961 Haase, GmbHR 2005, 338 (339); MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 327; Sudhoff/ Sudhoff, Rechte und Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH und einer GmbH & Co., 14. Auflage 1994, S. 29. 962 Haase, GmbHR 2005, 338 (342). 963 Haase, GmbHR 2005, 338 (343); Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 472; Michalski/Tebben, GmbHG, § 6 Rn. 198; Priester/Mayer/Wicke/Marsch-Barner/ 959
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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schäftsführer der Gesellschaft seine Arbeitskraft über einen längeren Zeitraum zur Verfügung stellt sowie ihr gegenüber maßgeblich verantwortlich ist, so dass die GmbH ihrerseits zur Treue und Fürsorge verpflichtet ist.964 Andererseits ist der Geschäftsführer in der Regel gehalten, nicht willkürlich und nach freiem Belieben Urlaub zu nehmen, sondern diesen anzumelden und genehmigen zu lassen.965 Empfehlenswert wäre diesbezüglich eine Normierung im Anstellungsvertrag, wer den Urlaub des Geschäftsführers bewilligen muss.966 Fehlt eine solche Bestimmung, ergibt sich aus der Treue- und Fürsorgepflicht des Geschäftsführers gegenüber seiner Gesellschaft, dass er nicht ohne Vorankündigung Urlaub nehmen kann, sondern diesen vielmehr mit den anderen Geschäftsführern oder den Gesellschaftern abstimmen muss.967 Tritt ein Geschäftsführer seinen Urlaub an, obwohl die Gesellschafter ihre Genehmigung hierzu, beispielsweise wegen des Bevorstehens einer Gesellschafterversammlung oder eines ähnlich wichtigen Ereignisses verweigerten oder überhaupt keine Kenntnis von dem Urlaubswunsch ihres Organmitgliedes hatten, verletzt er seine Pflichten des Anstellungsvertrages respektive seine Treueund Fürsorgepflichten. Ob auch eine negative Prognose im Hinblick auf die Frage eines in der Zukunft zu erwartenden erneuten Pflichtverstoßes zu bejahen ist, hängt davon ab, ob eine Abmahnung erforderlich oder aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung entbehrlich ist. Dies ist wiederum stark einzelfallabhängig. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat in einer dreitägigen Abwesenheit eines Geschäftsführers keine willkürliche und nachhaltige Arbeitsverweigerung gesehen, welche eine Wiederholungsgefahr begründen könnte und somit eine fristlose Kündigung verneint.968 Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass das dreitägige Nichterscheinen des gesetzlichen Vertreters auch in der Zukunft belastende Auswirkungen auf das Anstellungsverhältnis hat, insbesondere weil die Unklarheiten über eine Urlaubsgewährung auf Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Anspruchsentstehung beruhten.969 Wenn das Oberlandesgericht eine belastende Auswirkung verneint, müsste hieraus geschlussfolgert werden, dass nicht nur eine fristlose, sondern auch eine ordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt wäre. Umfasst die Zeit der unberechtigten Urlaubsnahme folglich ein verlängertes WochenDiekmann, MünchHdbGesellR GmbH Band 3, § 43 Rn. 58; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 327; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 29; Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 50; Altmeppen/Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 112. 964 Haase, GmbHR 2005, 338 (342); vgl. Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 28. 965 Haase, GmbHR 2005, 338 (340). 966 Haase, GmbHR 2005, 338 (340). 967 Haase, GmbHR 2005, 338 (344). 968 OLG Oldenburg Urteil v. 03. 03. 2000 – 6 U 10/97, juris Rn. 16 – 18; vgl. auch BGH NJW 1999, 3263 (3263 f.) als Revisionsinstanz und anschließender Zurückverweisung an OLG. 969 OLG Oldenburg Urteil v. 03. 03. 2000 – 6 U 10/97, juris Rn. 17 f.: Die Gesellschaft wollte dem Geschäftsführer allein deshalb keinen Urlaub gewähren, den dieser mit dem anderen Geschäftsführer abgesprochen und in den Wandkalender der Chef-Sekretärin vermerkt hatte, weil sie der Meinung war, ihm würden keine Urlaubstage mehr zustehen.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
ende oder ein paar Tage, könnte die Gesellschaft unter Umständen gehalten sein, ein solches Verhalten abzumahnen, bevor sie diesen Pflichtverstoß zum Anlass einer verhaltensbedingten Kündigung nimmt. Erst wenn der Geschäftsführer daraufhin erneut ohne Zustimmung der Gesellschafter Urlaub macht, kann sein Verhalten eine negative Prognose stützen. Im Rahmen einer Interessenabwägung, speziell aber bereits im Rahmen der Feststellung einer negativen Prognose ist von Relevanz, ob dem Urlaubsverlangen des Geschäftsführers eine bestimmte Ursache zugrunde lag, ob die Gesellschafter gar keine Kenntnis hatten oder den Urlaub nicht genehmigen wollten, ob die Gesellschaft dem Urlaubswunsch hätte nachkommen müssen970 oder diesem dringende betriebliche Gründe entgegenstanden,971 speziell weil eine ausreichende Vertretung der Gesellschaft nicht sichergestellt war972 oder es zu Störungen im Betriebsablauf des Unternehmens gekommen wäre. Anders ist die Problematik des Abmahnungserfordernisses in der Regel zu beurteilen, wenn die unberechtigte Urlaubsdauer einen Zeitraum von einer Woche überschreitet. Eine solche Pflichtverletzung kann schon als gravierend bezeichnet werden, sofern die Gesellschafter das Vertrauen in die Zuverlässigkeit ihres Geschäftsführers verlieren oder dieses zumindest stark eingeschränkt wird. Maßgeblich ist in einem solchen Zusammenhang, ob die Gesellschafter überhaupt nichts von dem Urlaubswunsch ihres Organmitgliedes wussten oder diesem nicht entsprechen wollten, ferner ob der eigenmächtige Urlaub dazu geführt hat, dass wichtige Ereignisse nicht stattfinden oder wahrgenommen werden konnten. Kein Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung ist gegeben, wenn der Geschäftsführer Urlaub nimmt, seinen Urlaubswunsch trotz des Stattfindens einer Gesellschafterversammlung aber mit seinem Mitgeschäftsführer abgestimmt und den Aufsichtsratsvorsitzenden informiert hat, im Besonderen weil eine ausreichende Vertretung der GmbH in der Gesellschafterversammlung gewährleistet war.973 Es fehlt in einem solchen Fall an einer Pflichtverletzung, welche einen verhaltensbedingten Grund bedingen könnte. k) Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Ein Arbeitnehmer unterliegt einer Verschwiegenheitspflicht, welche ihm die unbefugte Übermittlung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen an Dritte, insbesondere Konkurrenzunternehmen verbietet.974 Verletzt er diese Pflicht in rechtswidriger Weise, kann ihm außerordentlich, zumindest aber ordentlich gekündigt 970
Vgl. in Bezug auf Arbeitnehmer BAG NZA 1994, 548 (550); BAG NZA 1998, 708 (710). Vgl. Haase, GmbHR 2005, 338 (340). 972 Vgl. Haase, GmbHR 2005, 338 (344); Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 29; Michalski/Tebben, GmbHG, § 6 Rn. 198; Priester/Mayer/Wicke/Marsch-Barner/ Diekmann, MünchHdbGesellR GmbH Band 3, § 43 Rn. 58; Sudhoff/Sudhoff, Rechte und Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH und einer GmbH & Co., 14. Auflage 1994, S. 29. 973 KG (LG Berlin) NZG 2000, 101 (102). 974 BAG Urteil v. 26. 09. 1990 – 2 AZR 602/89, juris Rn. 27/28; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 494. 971
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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werden.975 Dies muss umso mehr für einen GmbH-Geschäftsführer gelten. Gibt er unberechtigterweise Geschäfts- und/oder Betriebsgeheimnisse an dritte Personen weiter, kann sein Verhalten eine sofortige ordentliche Kündigung rechtfertigen, ohne dass hierbei eine erfolglose Abmahnung erforderlich wäre. Eine solche Sichtweise ist bereits daraus zu folgern, dass Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse durch § 85 GmbHG geschützt sind, ein Geschäftsführer sich mithin strafbar machen kann.976 Bei einem Verrat von vertraulichen Unterlagen muss die Gesellschaft zudem davon ausgehen, dass der gesetzliche Vertreter, insbesondere der Gesellschafter-Geschäftsführer, in schwerer Weise in Schädigungsabsicht der Gesellschaft handelt. Ein solches Verhalten stellt eine derart schwere Pflichtverletzung, speziell einen Verstoß gegen die aus der Treuepflicht resultierende Verschwiegenheitspflicht des Geschäftsführers dar,977 dass die Gesellschaft auch in Zukunft befürchten muss, dass sich der Geschäftsführer nicht vertragstreu verhalten wird. Das Handeln des Organmitgliedes zeigt vielmehr, dass er in massiver Weise zum Nachteil des Unternehmens agiert statt allein zu dessen Nutzen, so dass eine Interessenabwägung in aller Regel zugunsten der GmbH ausfallen und diese berechtigt sein wird, das Rechtsverhältnis verhaltensbedingt zu kündigen. Ist eine Weitergabe von Betriebsoder Geschäftsgeheimnissen durch den Geschäftsführer nicht erwiesen, finden insoweit die Grundsätze einer Verdachtskündigung Anwendung.978 l) Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot Wie bei Arbeitnehmern979 ist es möglich, auch dem Geschäftsführer einer GmbH verhaltensbedingt zu kündigen, wenn er sich wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot schuldig macht. Das Wettbewerbsverbot ergibt sich aus der dem Geschäftsführer obliegenden Treuepflicht und verpflichtet ihn, seine Organstellung nicht zum Nachteil der Gesellschaft einzusetzen.980 975 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 494; Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, § 1 KSchG Rn. 326; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/Krause, KSchG, § 1 Rn. 642. 976 Michalski/Dannecker, GmbHG, § 85 Rn. 4. 977 Vgl. Priester/Mayer/Wicke/Diekmann/Marsch-Barner, MünchHdbGesellR GmbH Band 3, § 45 Rn. 4; MünchKommGmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 199; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 127; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 40; Rowedder/ Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 43 Rn. 21. 978 Zu den Voraussetzungen einer Verdachtskündigung bei GmbH-Geschäftsführern vgl. OLG Celle NZG 2003, 820 (820 f.); BGH GmbHR 1985, 112 (112 f.); BGH NJW 1996, 1403 (1403 f.). 979 Vgl. BAG NJW 1988, 438 (438). 980 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 41; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 20 und § 43 Rn. 19; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 97, m. w. N.; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 43 Rn 19; Priester/Mayer/Wicke/Marsch-Barner/Diekmann, MünchHdbGesellR GmbH Band 3, § 43 Rn. 63 und 65; Scholz/Uwe H. Schneider, GmbHG 2014, § 43 Rn. 153; MünchKommGmbHG/ Jaeger, § 35 Rn. 360 f.; Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 82.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB in einem massiven Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot durch die Gründung einer Parallelgesellschaft bejaht.981 Auf diese Weise kann die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens erheblich beeinträchtigt werden,982 was einen Geschäftsführer nicht länger tragbar macht. Ebenfalls ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot liegt vor, wenn der Geschäftsführer bei einer anderen Gesellschaft die gleiche Tätigkeit wahrnimmt wie zuvor bei der GmbH.983 Dieser Umstand rechtfertigt eine außerordentliche Kündigung, ohne dass eine Abmahnung erforderlich wäre.984 Bewirken solche Verhaltensweisen eine fristlose Kündigung, muss dies ebenso, auch unter Berücksichtigung der erhöhten Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers, für eine ordentliche Kündigung gelten. Eine Abmahnung ist bei solchen Konstellationen in der Regel entbehrlich, da die Pflichtverletzung zu schwer wiegt, wenn das Organmitglied allein seinen eigenen Vorteil verfolgt. Handelt der Geschäftsführer in der vorstehenden Weise, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er auch nur ansatzweise gewillt ist, die Interessen der Gesellschaft weiterhin zu vertreten sowie ausschließlich zu ihrem Wohl zu agieren. Im Rahmen einer Interessenabwägung sind zwar die konkreten Umstände des Verstoßes zu berücksichtigen, speziell Dauer, Umfang und Intensität,985 wobei diese Gesichtspunkte unter Umständen auch schon bei der Feststellung einer negativen Prognose herangezogen werden müssen. In der Regel wird eine Interessenabwägung aber nicht mehr zugunsten des Geschäftsführers ausfallen können, wenn das Verhalten des Geschäftsführers nicht mehr erkennen lässt, dass er zukünftig seine Organstellung nicht zum Nachteil der Gesellschaft ausnutzt. Kein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot ist hingegen bei bloßen Vorbereitungshandlungen gegeben.986 In einem solchen Fall kann eine verhaltensbedingte Kündigung aufgrund Nichtvorliegens einer Pflichtverletzung nicht gerechtfertigt sein.
981
OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 1050 (1054). OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 1050 (1054). 983 LG Bielefeld Urteil v. 23. 11. 2010 – 15 O 86/10, juris Rn. 41. 984 LG Bielefeld Urteil v. 23. 11. 2010 – 15 O 86/10, juris Rn. 44. 985 Vgl. in Bezug auf eine fristlose Kündigung OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 1050 (1054). 986 OLG Celle GmbHR 2005, 541 (542): „Die Grenze ist dort zu ziehen, wo die bloße Vorbereitung einschließlich der Beschaffung der sachlichen Voraussetzungen in den Beginn der aktiven Geschäftstätigkeit übergeht, wie etwa bei der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen (…).“; anders Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 103; siehe auch BGH DStR 1995, 1359 (1360), auf den Haas/Ziemons Bezug nehmen – meines Erachtens hat der Bundesgerichtshof die Kündigung deshalb als gerechtfertigt angesehen, weil keine Vorbereitungshandlungen mehr gegeben waren, sondern der Geschäftsführer einen sukzessiven Aufbau eines Konkurrenzunternehmens betrieb. 982
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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2. Spezielle Kündigungsgründe Angesichts der spezifischen Stellung sowie den damit einhergehenden Aufgaben eines GmbH-Geschäftsführers gibt es Kündigungsgründe, die in der Regel nur bei einem Organmitglied vorkommen können beziehungsweise für dieses typisch sind. a) Fehlverhalten bei der Wahrnehmung der Aufgaben des Geschäftsführers Der Geschäftsführer einer GmbH kann sich bei der Wahrnehmung seiner Geschäftsführeraufgaben falsch verhalten, mithin seine ihm gemäß dem GmbH-Gesetz obliegenden Pflichten verletzen. In einem solchen Fall liegt unter Umständen eine Schlechtleistung vor, die ähnlich wie bei Arbeitnehmern987, regelmäßig eine verhaltensbedingte Kündigung zur Konsequenz hat. aa) § 41 GmbHG – Verletzung der Buchführungspflichten Ein Fehlverhalten seitens des Geschäftsführers, welches eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann, ist ein Verstoß des Organmitgliedes gegen seine Buchführungspflichten aus § 41 GmbHG.988 Ist es dem Geschäftsführer nicht möglich, das Kassenbuch beizubringen oder dessen Verbleib glaubhaft zu erklären, liegt hierin ein Verstoß gegen § 41 GmbHG.989 Die Schwere der Pflichtverletzung resultiere nach dem Oberlandesgericht Rostock speziell daraus, dass eine falsche oder unvollständige Buchführung im zu entscheidenden Fall gegeben war sowie über längere Zeit gar kein Buchführungsnachweis erbracht wurde.990 Eine richtige Buchführung ist „aus Gründen der Transparenz wie auch zur Wirtschaftlichkeitskontrolle und letztlich zur Überprüfung der Geschäftsführung“ besonders bedeutsam.991 Eine nicht korrekte Buchführung muss folglich ebenso eine ordentliche Kündigung rechtfertigen können. Stellt die Gesellschaft erst nach einiger Zeit fest, dass der Geschäftsführer die Bücher in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum nicht oder nicht richtig geführt hat, kann sie sein Anstellungsverhältnis ohne Abmahnung kündigen. Es handelt sich in einem solchen Fall um eine schwere Pflichtverletzung, was insbesondere dadurch zum Ausdruck kommt, dass eine Verletzung der Buchführungspflicht gemäß § 283b StGB unter Strafe gestellt ist. Bemerken die Gesellschafter hingegen im Laufe des Vollzuges des Vertragsver987 Vgl. BAG NZA 1992, 1028 (1029): Minderleistung; BAG NZA 2008, 693 (694): Schlechtleistung; vgl. auch BAG NZA 2004, 784 (786) – Schlechtleistung nicht eindeutig, ob personen- oder verhaltensbedingt. 988 OLG Rostock NZG 1999, 216 (217); zustimmend Rowedder/Schmidt-Leithoff/Tiedchen, GmbHG, § 41 Rn. 17; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 41 Rn. 4. 989 OLG Rostock NZG 1999, 216 (217). 990 OLG Rostock NZG 1999, 216 (217). 991 OLG Rostock NZG 1999, 216 (217).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
hältnisses Unstimmigkeiten in Bezug auf die Buchführungspflicht des Geschäftsführers, können sie diese nicht unbeanstandet lassen. Sie müssen den Geschäftsführer in Form einer Abmahnung vielmehr darauf hinweisen, dass er seine Pflichten gemäß § 41 GmbHG ordnungsgemäß zu erfüllen hat, anderenfalls sein Anstellungsverhältnis beendet wird. Ebenso ist die Gesellschafterversammlung zur Erteilung einer rechtmäßigen Weisung hinsichtlich der Wahrnehmung der Buchführungspflichten seitens des Geschäftsführers berechtigt.992 Erst wenn der Geschäftsführer hieran anschließend seinen Pflichten nicht ordnungsgemäß nachkommt, kann die Gesellschaft auf dieses Verhalten eine ordentliche Kündigung stützen. Da eine ordnungsgemäße Buchführung von besonderer Bedeutung ist, begründet ein Verstoß, insbesondere ein wiederholter Verstoß, eine schwere Pflichtverletzung, welche eine Interessenabwägung in der Regel zugunsten der Gesellschaft ausfallen lässt. bb) § 42a GmbHG – Falsches Verhalten bei Erstellung des Jahresabschlusses Gemäß § 42a Abs. 1 S. 1 GmbHG haben die Geschäftsführer den Jahresabschluss unverzüglich nach der Aufstellung den Gesellschaftern zum Zwecke der Feststellung des Jahresabschlusses vorzulegen. Aufgabe eines Geschäftsführers ist damit die Erstellung des Jahresabschlusses. Bewirkt ein Verhalten des Organmitgliedes hierbei einen Ausweis eines um 650.000,00 Euro (1,3 Millionen DM) überhöhten Ergebnisses, weil er bei der Vorbereitung der Aufstellung extrem nachlässig agiert hat, rechtfertigt dieser Umstand eine fristlose Kündigung.993 Entsteht der Gesellschaft hierdurch ein erheblicher Schaden, sowohl in steuerlicher Hinsicht als auch „im Hinblick auf den gewinnabhängigen Tantiemenanspruch“ des Geschäftsführers, hat dies einen Vertrauensverlust der Gesellschaft in ihren gesetzlichen Vertreter zur Folge, was es ihr unmöglich macht, den Geschäftsführer weiter zu beschäftigen.994 Im Hinblick auf die Bedeutung dieser Ausführungen für eine ordentliche Kündigung muss differenziert werden: Kommt es aufgrund eines sehr fahrlässigen und im Grunde vermeidbaren Verhaltens des Geschäftsführers zu einem, wie im soeben geschilderten Fall, sehr überhöhten Ergebnis des Jahresabschlusses, muss bei Bejahung einer fristlosen Kündigung auch eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein. Es muss der Gesellschaft zugestanden werden, bei einer solchen Verfehlung kein ausreichendes Vertrauen mehr in ihren Vertreter, insbesondere seine Fähigkeiten als Geschäftsführer zu haben, so dass ihr eine Weiterbeschäftigung nicht zumutbar ist. Anders wäre der Fall möglicherweise zu beurteilen, wenn dem Geschäftsführer zwar ein Fehlverhalten bei der Erstellung des Jahresabschlusses und damit eine Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann, es aber zu keinem extrem 992 Priester/Mayer/Wicke/Diekmann/Marsch-Barner, MünchHdbGesellR GmbH Band 3, § 45 Rn. 15. 993 OLG Bremen NJW-RR 1998, 468 (469). 994 OLG Bremen NJW-RR 1998, 468 (469).
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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überhöhten Ausweis des Ergebnisses gekommen ist. Liegt beispielsweise lediglich eine Überhöhung um einige Hundert Euro oder vielleicht einige wenige Tausend Euro vor, könnte eine ordentliche Kündigung unter Umständen erst nach einer erfolglosen Abmahnung zulässig sein. Der Geschäftsführer müsste auf sein Fehlverhalten hingewiesen und im Falle der Wiederholung entsprechende Konsequenzen für die Zukunft verdeutlicht werden. Kann dem Geschäftsführer daraufhin bei der nächsten Erstellung des Jahresabschlusses ein erneuter fahrlässiger Sorgfaltsverstoß zur Last gelegt werden, kann die Gesellschaft, bei Abwägung aller maßgeblichen Umstände995, das Anstellungsverhältnis verhaltensbedingt kündigen. cc) § 43 Abs. 1 GmbHG – Verstoß gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes Der Geschäftsführer ist für die Unternehmens- und Geschäftsführung verantwortlich.996 Aus § 43 Abs. 1 GmbHG folgt die Pflicht, in Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Der Geschäftsführer muss diesbezüglich ausschließlich den Vorteil der Gesellschaft und nicht seinen eigenen oder derer anderer verfolgen.997 Oberste Maxime einer ordnungsgemäßen Unternehmensführung ist, unter Beachtung der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages und der Gesellschafterbeschlüsse, zum Vorteil der Gesellschaft zu agieren und Schaden von ihr fernzuhalten.998 Zweckwidrige Verwendungen des Vermögens der Gesellschaft durch unberechtigte Zuwendungen an einzelne Mitarbeiter, zum Beispiel in Form der Gewährung eines Notebooks oder eines DVD-Players, entsprechen nicht einer sorgfaltsgemäßen Geschäftsführung.999 Sie sind daher geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses zu rechtfertigen.1000 Relevant ist insbesondere, wenn der Geschäftsführer wiederholt und wissentlich die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes nicht beachtet.1001 In einem solchen Fall muss der Gesellschaft ebenfalls der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung möglich sein, die aufgrund der mehrfachen und daher schweren Pflichtverletzungen keiner Abmahnung bedarf. Handelt es sich um eine einmalige Zuwendung seitens des Geschäftsführers, ist in 995
Siehe unter Kap. 3 E. III. 1. a). OLG Zweibrücken NZG 1999, 506 (507). 997 OLG Koblenz Urteil v. 31. 05. 2012 – 6 U 350/12, juris Rn. 30; BGH NJW 1986, 585 (585 f.). 998 OLG Zweibrücken NZG 1999, 506 (507). 999 OLG Hamm GmbHR 2010, 477 (479); so ähnlich auch OLG Koblenz Urteil v. 31. 05. 2012 – 6 U 350/12, juris Rn. 31/34/46: Zahlung von Nachhilfeunterricht für eine Mitarbeiterin ohne ein betrieblich veranlasstes Interesse aus dem Vermögen der Gesellschaft; siehe ebenso OLG Düsseldorf Urteil v. 24. 06. 1999 – 6 U 144/97, juris Rn. 134: zweckwidrige Verwendung, der für Baukosten bestimmten Geldbeträge. 1000 OLG Hamm GmbHR 2010, 477 (480). 1001 OLG Hamm GmbHR 2010, 477 (480). 996
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Bezug auf das Erfordernis einer Abmahnung die Art sowie der Grund der Zuwendung und der dadurch entstehende Vermögensschaden für die Gesellschaft entscheidend. Hat der gesetzliche Vertreter einem Mitarbeiter eine unberechtigte Vergünstigung in Höhe von mehreren Tausend Euro oder darüber hinausgehend zukommen lassen, muss der Gesellschaft grundsätzlich zugestanden werden, ohne Ausspruch einer Abmahnung das Anstellungsverhältnis zu beenden. Es entspricht nicht der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes das Vermögen der GmbH zweckwidrig zu verwenden. Insbesondere ein hoher Betrag verdeutlicht in besonderer Weise, dass der Geschäftsführer nicht das Wohl der Gesellschaft, sondern ausschließlich das Wohl eines anderen Beschäftigten verfolgt. Es liegt dann ein schwerer Verstoß gegen § 43 Abs. 1 GmbHG vor, so dass bereits die einmalige Pflichtverletzung eine negative Prognose stützt. Umfasst der Wert der Zuwendung hingegen einen sehr geringen Betrag (zum Beispiel unter 100 Euro), ist die Gesellschaft regelmäßig gehalten, den Geschäftsführer für sein einmaliges Fehlverhalten abzumahnen. Dies gebietet der mit der Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes bezweckte Schutz und ist insbesondere der Fall, wenn der Geschäftsführer fälschlicherweise davon ausging, der Beschäftigte habe einen Anspruch auf die Leistung. In einem solchen Fall ist anzunehmen, dass eine Abmahnung eine Wiederherstellung des Vertrauens bewirken kann. Erst wenn das Organmitglied sich in der Folge eines erneuten Pflichtverstoßes schuldig macht, wären die Gesellschafter, unter angemessener Berücksichtigung aller relevanten Belange des Geschäftsführers1002, zu einer verhaltensbedingten Beendigung berechtigt. Ein Verstoß gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, mithin eine gerechtfertigte fristlose Kündigung ist ferner gegeben, wenn der Geschäftsführer für die Gesellschaft nachteilhafte Verträge abschließt oder Geschäfte tätigt.1003 Diese können einen erheblichen finanziellen Schaden für das Unternehmen und eine immense Beeinträchtigung der Vermögensinteressen bedeuten.1004 Insbesondere „Geschäfte mit erheblichem wirtschaftlichen Gewicht (…) bedürfen einer besonderen Aufmerksamkeit des Geschäftsführers“.1005 Ob der Abschluss eines nachteiligen Vertrages oder erst die mehrmalige Vornahme eines ungünstigen Geschäftes für die Gesellschaft eine verhaltensbedingte Kündigung des gesetzlichen Vertreters legitimieren kann, ist einzelfallabhängig. Entscheidend sind alle Umstände, die mit der Pflichtverletzung des Geschäftsführers zusammen hängen, speziell, um welche Art von Geschäft es sich handelt und wie schwer der Vermögensschaden für die Gesellschaft wiegt. Allein der Umstand, dass das Organmitglied entgegen seiner Sorgfaltspflicht aus § 43 Abs. 1 GmbHG zum Nachteil der GmbH agiert, statt ausschließlich ihr Wohl zu verfolgen, zeigt ein erhebliches Fehlverhalten. Besondere 1002
Siehe unter Kap. 3 E. III. 1. a). LG Berlin GmbHR 2004, 741 (741 ff.): zwei Pflichtverstöße; vgl. auch OLG Stuttgart GmbHR 2003, 835 (836 f.): einmaliger Verstoß im Rahmen der Prüfung eines Schadensersatzanspruches aus § 43 Abs. 2 GmbHG. 1004 LG Berlin GmbHR 2004, 741 (742 f.). 1005 OLG Stuttgart GmbHR 2003, 835 (836). 1003
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Berücksichtigung muss jedoch finden, ob der Geschäftsführer bewusst nachteilige Geschäfte getätigt oder nur ein besonderes nachteiliges Risiko in Kauf genommen hat. Eine umfassende Abwägung aller relevanten Gesichtspunkte1006 wird zeigen, ob eine negative Prognose und eine Interessenabwägung bejaht werden können. dd) § 49 GmbHG – Weigerung der Einberufung der Gesellschafterversammlung Eine wichtige Aufgabe der Geschäftsführer ist die Einberufung der Gesellschafterversammlung in den ausdrücklich bestimmten Fällen sowie, wenn es im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint, § 49 Abs. 1 und 2 GmbHG. Weigert sich das Organmitglied, dieser Pflicht nachzukommen und hält sich nicht an eine nochmalige Aufforderung seitens der Gesellschafter zur Einberufung, sind das erhebliche Pflichtverstöße, welche einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen können.1007 Zur Frage der Rechtmäßigkeit einer ordentlichen Kündigung ist festzustellen, dass ein einmaliges Nichtbefolgen der Aufforderung zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung in der Regel kein verhaltensbedingter Kündigungsgrund ist. Ein solches Fehlverhalten wiegt nicht so schwer, dass es geeignet ist, das Vertrauensverhältnis zwischen dem Geschäftsführer und der GmbH dauerhaft zu zerstören. Die mit einer Vereinbarung über die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes bezweckte Schutzwirkung bedeutet vielmehr, dass mit der erstmaligen Nichtbefolgung regelmäßig eine Abmahnung einhergeht, welche verdeutlicht, eine weitere Weigerung würde die Kündigung des Anstellungsverhältnisses zur Folge haben. Verstößt das Organmitglied daraufhin erneut gegen seine sich aus § 49 Abs. 1 GmbHG resultierende Pflicht, rechtfertigt sein Verhalten, nach Abwägung aller relevanten Belange1008, in der Regel eine ordentliche Kündigung. ee) § 51a GmbHG – Auskunftsverweigerung Gemäß § 51a Abs. 1 GmbHG haben die Geschäftsführer jedem Gesellschafter auf Verlangen unverzüglich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat eine nachhaltige Weigerung des Geschäftsführers, seine Auskunftspflicht im Hinblick auf die Frage nach dem Anlass der Abhebung eines sehr hohen Geldbetrages (hier: 90.761,76 DM) zu er-
1006 Vgl. die Ausführungen in Bezug auf eine Art Vorwegnahme der Interessenabwägung bei der negativen Prognose unter Kap. 3 D. II. 4. sowie die Anforderungen einer Interessenabwägung Kap. 3 E. III. 1. a). 1007 So wohl BGH NJW 1998, 3274 (3276), (wobei nicht eindeutig wird, ob bereits die beiden Pflichtverletzungen eine fristlose Kündigung rechtfertigen können, da auch noch eine üble Nachrede gegeben war). 1008 Siehe unter Kap. 3 E. III. 1. a).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
füllen, als Grund für eine fristlose Kündigung gesehen.1009 § 51a Abs. 1 GmbHG hat einen hohen Stellenwert, was in § 51a Abs. 2 und 3 GmbHG zum Ausdruck kommt.1010 Das umfassende und ohne schuldhafte Zögern einzuräumende Auskunftsrecht bildet eine gewisse Kompensation für die Tatsache, dass die gesetzlichen Vertreter „erhebliche Dispositionen zu Lasten der Gesellschaft treffen können“.1011 Die beharrliche Weigerung der Auskunft ist eine massive Pflichtverletzung, insbesondere aufgrund des Umstandes, dass der Geschäftsführer in ausreichender Weise abgemahnt wurde.1012 Die Gesellschaft wäre diesbezüglich umso mehr zum Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung berechtigt. Bei einem einmaligen Verstoß gegen die Pflicht des Geschäftsführers aus § 51a Abs. 1 GmbHG ist hingegen zur Bejahung einer negativen Prognose grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich. Ein einmaliger Pflichtverstoß kann regelmäßig keinen verhaltensbedingten Kündigungsgrund bedingen, weil die Pflichtverletzung nicht so schwer wiegt, dass die Gesellschaft jedwedes Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Ordnungsgemäßheit des Organmitgliedes verloren hat. Weigert sich der Geschäftsführer jedoch erneut, seiner Auskunftspflicht nachzukommen, kann sein Verhalten, nach Abwägung aller relevanten Belange1013, eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.1014 ff) § 64 S. 1 GmbHG in Verbindung mit § 15a Abs. 1 InsO – Insolvenzverschleppung Gemäß § 64 S. 1 GmbHG in Verbindung mit § 15a Abs. 1 InsO sind die Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Aus § 15a Abs. 1 InsO leitet sich eine Konkursantragspflicht für GmbH-Geschäftsführer ab.1015 Eine Insolvenzverschleppung durch den gesetzlichen Vertreter der GmbH bedeutet demnach eine Verletzung des § 64 GmbHG und kann eine fristlose Kündigung seines Anstellungsverhältnisses rechtfertigen.1016 Begründet dieser Umstand eine außerordentliche Beendigung, muss dies ebenso für eine verhaltensbedingte Kündigung gelten. Insbesondere ist bei einer 1009 OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1994, 498 (499); ebenso OLG Düsseldorf Urteil v. 24. 06. 1999 – 6 U 144/97, juris Rn. 112/123/125: Pflichtverletzung bei Weigerung der Auskunft über die Verwendung von Geldern der Gesellschaft. 1010 OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1994, 498 (499). 1011 OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1994, 498 (499). 1012 OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1994, 498 (499 f.). 1013 Siehe unter Kap. 3 E. III. 1. a). 1014 Vgl. auch bei einem Verstoß für die Zulässigkeit einer Kündigung Michalski/Römermann, GmbHG, § 51a Rn. 240; Scholz/Schmidt, GmbHG 2014, § 51a Rn. 48; Rowedder/ Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 51a Rn. 29. 1015 MünchKommGmbHG/Müller, § 64 Rn. 2. 1016 BGH NJW 2005, 3069 (3070 f.); vgl. BGH NZG 2008, 148 (149).
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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solchen Pflichtverletzung eine Abmahnung aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung und angesichts fehlender Zweckmäßigkeit entbehrlich. b) Missachtung der Kompetenzordnung Die Geschäftsführer vertreten die Gesellschaft gemäß § 35 Abs. 1 GmbHG nach außen. Hierbei handelt es sich in Bezug auf dritte Personen um eine unbeschränkte Vertretungsmacht – § 35 Abs. 1, § 37 Abs. 2 S. 1 GmbHG. Im Innenverhältnis hingegen kann die Befugnis der Geschäftsführer zur Führung der Geschäfte begrenzt werden. Beschränkungen ihrer Vertretungsbefugnis können sich gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG aus dem Gesellschaftsvertrag oder aus den Gesellschafterbeschlüssen ergeben.1017 Es ist insbesondere möglich, die Vertretung der Geschäftsführer nur für gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften zuzulassen oder die Zustimmung der Gesellschafter für einzelne Geschäfte zu verlangen, vgl. § 37 Abs. 2 S. 2 GmbHG. Eine Missachtung der Kompetenzordnung seitens des Geschäftsführers stellt eine Pflichtverletzung dar. Die Rechtsprechung hat in dieser Hinsicht bereits einige Kompetenzüberschreitungen als einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB angesehen. Eine fristlose Kündigung ist gerechtfertigt, wenn der Geschäftsführer mehrfach seine Kompetenzen durch die Tätigung außergewöhnlicher Geschäfte überschreitet, ohne sich zuvor der Zustimmung der Gesellschafter zu versichern.1018 Auch der einmalige Verstoß gegen die Kompetenzordnung durch den Abschluss eines Rechtsgeschäftes, welches sich nicht im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes der Gesellschaft hält und für welches keine Zustimmung seitens der Gesellschafterversammlung gegeben ist, kann eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung bewirken.1019 Ebenso urteilte das Gericht in einem Fall, in dem der Geschäftsführer ein sehr teures Auto kaufte, welches nicht mehr vom Unternehmensgegenstand gedeckt war, folglich ein Verstoß gegen die Geschäftsführungs-
1017 Vgl. OLG Naumburg GmbHR 2005, 757 (760): „Die Geschäftsführungsbefugnis (…) kann generell durch den Anstellungsvertrag (a) und die Satzung der Gesellschaft (b) oder durch wirksame Einzelanweisung der Gesellschafter (c) eingeschränkt werden.“. 1018 BGH NJW-RR 2002, 173 (173); vgl. auch in Bezug auf einen Abberufungsgrund bei mehrfacher Kompetenzüberschreitung OLG Düsseldorf Urteil v. 23. 02. 2012 – I-6 U 135/10, 6 U 135/10, juris Rn. 61, 64. 1019 LG Düsseldorf Urteil v. 02. 11. 2010 – 35 O 28/09, juris Rn. 33 f. und 37; vgl. BGH NJW 1991, 1681 (1682), Änderung der Grundlagen der Geschäftspolitik könnten eine fristlose Kündigung bedingen. – Zurückverweisung an LAG; BGH NJW-RR 1995, 669 (669 ff.), Abschluss eines langfristigen Vertrages inklusive Schuldbeitritt kann ein wichtiger Grund (§ 626 BGB) sein – Zurückverweisung; siehe auch OLG Köln NZG 2011, 307 (308), Kompetenzüberschreitung durch Abschluss eines Darlehensvertrages – aber keine fristlose Kündigung thematisiert, sondern der Geschäftsführer muss aufgrund seiner Pflichtverletzung die Zustimmung zu seiner Abberufung als Geschäftsführer geben; KG Berlin GmbHR 2005, 477 (478), Bejahung einer Pflichtverletzung durch Abschluss eines Vertrages ohne Zustimmung, jedoch stand keine Kündigung in Frage, sondern ein Schadensersatzanspruch seitens der Gesellschaft.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
befugnis des Organmitgliedes, mithin gegen § 37 Abs. 1 GmbHG war.1020 Solche Handlungen sind nicht vom Geschäftsführungsbereich des Geschäftsführers, sondern vom Zuständigkeitsbereich der Gesellschafter umfasst.1021 Maßgebend ist insbesondere, ob eine nicht unerhebliche Belastung des Vermögens der Gesellschaft gegeben ist.1022 Missachtet ein Geschäftsführer die Kompetenzordnung in der vorgehenden Weise, besteht die begründete Gefahr, dass er auch zukünftig die Interessen der Gesellschaft und die Belange der Mitgesellschafter bei seiner Geschäftsführung nicht in ausreichendem Maße achtet, vielmehr vordergründig auf seine eigenen Interessen bedacht ist.1023 Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass er entscheidend zu dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beigetragen hat.1024 In der Regel werden die vorstehenden Konstellationen, bei Bejahung einer fristlosen Kündigung durch die Rechtsprechung, ebenso eine verhaltensbedingte Kündigung, auch unter Berücksichtigung der erweiterten Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers, begründen können. Ob eine Abmahnung Voraussetzung einer solchen Beendigung ist, ist einzelfallabhängig. Relevant ist dabei insbesondere die Art und Schwere der Pflichtverletzung. Tätigt der Geschäftsführer beispielsweise ein Rechtsgeschäft mit einem Wert von über 100.000 Euro, ist eine schwere Pflichtverletzung zu bejahen, während die Kündigung eines Vertrages, auf welchen die Gesellschaft nicht zwingend angewiesen ist, unter Umständen eine Abmahnung erforderlich machen kann. Dass eine solche denkbar ist, zeigt der Fall des Oberlandesgerichts Düsseldorf, in dem die Gesellschafter bei der Vornahme von Rechtsgeschäften durch den Geschäftsführer über 100.000 Euro ohne ihr Einverständnis keine fristlose Kündigung erklärten, sondern den Geschäftsführer abmahnten.1025 Selbstverständlich kann eine Gesellschaft nicht verpflichtet werden, einen meines Erachtens solch schweren Pflichtverstoß abzumahnen. Dennoch bringt der Fall zum Ausdruck, dass eine Abmahnung auch bei einer Überschreitung der Kompetenzen eines Geschäftsführers im Einzelfall möglich ist. Kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung ist der Abschluss eines Geschäftes durch den Geschäftsführer (hier: Risikogeschäft), welches den Rahmen wahrt, „in dem die Gesellschafter (…) zuvor dem Geschäftsführer getätigte Geschäfte genehmigt oder jedenfalls geduldet haben“.1026 In einem solchen Fall ist kein außergewöhnliches Geschäft gegeben, bei dessen Tätigung der Geschäftsführer ohne die Einholung der Zustimmung der Gesellschafter die Kompetenzordnung missachtet.1027 Dies ist ähnlich zu beurteilen, wenn der Geschäftsführer ohne die Zu1020 1021 1022 1023 1024 1025 1026 1027
OLG München Urteil v. 29. 03. 2012 – 23 U 4344/11, juris Rn. 10/11 und 25. OLG München Urteil v. 29. 03. 2012 – 23 U 4344/11, juris Rn. 11. OLG München Urteil v. 29. 03. 2012 – 23 U 4344/11, juris Rn. 12. OLG München Urteil v. 29. 03. 2012 – 23 U 4344/11, juris Rn. 14. OLG München Urteil v. 29. 03. 2012 – 23 U 4344/11, juris Rn. 14. Siehe OLG Düsseldorf Urteil v. 23. 02. 2012 – I-6 U 135/10, 6 U 135/10, juris Rn. 61. OLG Naumburg GmbHR 2005, 757 (761). Vgl. OLG Naumburg GmbHR 2005, 757 (761 f.).
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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stimmung der Gesellschafter Geschäfte abschließt, die gegen die Satzung verstoßen, er aber berechtigterweise annehmen durfte, dass diese mit dem Willen der Gesellschafter übereinstimmen; eine fristlose Kündigung ist dann nicht gerechtfertigt.1028 Die Gesellschaft kann die Vornahme solcher Geschäfte auch nicht zum Anlass einer verhaltensbedingten Kündigung nehmen. Der Geschäftsführer hat bereits keine Pflichtverletzung begangen, die zu einer ordentlichen Kündigung führen kann, wenn er davon ausgehen durfte, dass die Gesellschafter auch diesmal mit seinem Handeln einverstanden sind. Sollten die Gesellschafter, entgegen der berechtigten Erwartung des Geschäftsführers, etwas gegen die Tätigkeit ihres Organmitgliedes einzuwenden haben, müssen sie das offen kundtun, damit der Geschäftsführer weiß, dass er in Zukunft bei gleichgelagerten Geschäften nicht mehr mit dem Einverständnis der Gesellschafterversammlung agiert, er vielmehr solche Geschäfte zu unterlassen hat, um die Beendigung seines Anstellungsverhältnisses zu vermeiden. Wenn er zu einem späteren Zeitpunkt ein Geschäft abschließt, von dem er wissen musste, dass er hierbei ohne Zustimmung der Gesellschafter handelt und auf diese Weise die Kompetenzen missachtet, kann sein Verhalten in der Regel eine ordentliche Kündigung bedingen. Es liegt eine Pflichtverletzung sowie aufgrund des vorangegangenen Hinweises eine negative Prognose vor. Auch wenn der Hinweis keine negative Prognose begründet, weil er nicht als Abmahnung gewertet werden kann, wird unter Umständen wegen der Schwere der Pflichtverletzung eine negative Prognose bejaht werden können. Es müsste in diesem Zusammenhang insbesondere berücksichtigt werden, welche Art von Geschäft gegeben ist und welches Ausmaß dieses für die Gesellschaft hat. Es wird nur ausnahmsweise angenommen werden können, dass die Überschreitung der Kompetenzordnung durch den Geschäftsführer eine Abmahnung voraussetzt. Ist dies nicht der Fall, wird die Gesellschaft, auch unter Berücksichtigung aller Abwägungsgesichtspunkte1029, eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen können. c) Nichtbefolgung von Weisungen Zentrales Recht der Gesellschafter gegenüber einem Geschäftsführer ist die Erteilung von Weisungen. Dies findet in § 37 GmbHG seinen Ausdruck.1030 Befolgt der Geschäftsführer solche Weisungen nicht, ist sein Verhalten eine Vertragsverletzung, welche die Gesellschaft zu einer verhaltensbedingten Kündigung berechtigt. Diese Gesichtspunkte gelten hingegen nicht bei einem beherrschenden GesellschafterGeschäftsführer. Einem solchen können keine Weisungen entgegen seinem Willen erteilt werden, so dass eine Nichtbefolgung von Weisungen bei einem solchen Geschäftsführer kein Kündigungsgrund sein kann. In der Rechtsprechung wurden folgende Fälle einer Missachtung von Weisungen als geeignet angesehen, eine fristlose Beendigung des Anstellungsverhältnisses zu 1028 1029 1030
BGH NJW-RR 2008, 774 (774 f.). Siehe unter Kap. 3 E. III. 1. a). Siehe unter Kap. 3 A. III. 2.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
rechtfertigen: definitive Weigerung der Umsetzung einer Unterschriftsanweisung,1031 mehrfache Nichtbefolgung einer Weisung unter anderem zur Herausgabe eines Schlüssels,1032 Ablehnung der Übernahme von Aufgaben durch einen zeitlich nicht ausgelasteten Geschäftsführer,1033 widersetzliche Haltung des Geschäftsführers gegen Weisungen des Bevollmächtigten des Alleingesellschafters.1034 Derartige Verhaltensweisen können eine außerordentliche Kündigung zur Folge haben, wenn die Weisungen rechtmäßig erteilt und somit für den Geschäftsführer bindend sind.1035 Dies ist nicht gegeben, wenn die Gesellschaft den gesetzlichen Vertreter dazu anweist, keine Sozialversicherungsbeiträge mehr abzuführen, da hierin ein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften liegt; eine solche Weisung muss und darf der Geschäftsführer nicht befolgen.1036 In der Konsequenz kann die Gesellschaft sein Verhalten nicht zum Anlass einer Kündigung nehmen. Setzt der Geschäftsführer rechtmäßige Weisungen der Gesellschafter nicht um oder missachtet diese vollständig, ist für die Frage, ob eine negative Prognose bejaht werden kann und somit auch für die Zukunft die Gefahr einer erneuten Pflichtverletzung besteht, entscheidend, ob eine Abmahnung erforderlich ist. Kommt das Organmitglied einer erteilten Weisung nicht nach, kann ein einmaliges Befolgen in der Regel noch keine ordentliche Kündigung rechtfertigen. Es ist nicht davon auszugehen, dass ein einmaliges Fehlverhalten das für eine weitere Zusammenarbeit erforderliche Vertrauen vollständig zerstören kann. In einem solchen Fall müsste der Geschäftsführer abgemahnt werden, dass er die Weisung zu befolgen hat, anderenfalls eine Kündigung droht. Weigert er sich daraufhin weiterhin, der Anweisung der Gesellschaft Folge zu leisten, stellt sein Verhalten einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund dar, weil das Organmitglied endgültig den geschäftlichen Gestaltungswillen der Gesellschaft nicht umsetzen möchte.1037 Eine Interessenabwägung wird in der Regel zugunsten der Gesellschaft ausfallen. d) Strafbare Handlungen Macht sich ein Arbeitnehmer vorsätzlich einer Straftat gegen das Vermögen des Arbeitgebers bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit schuldig, ist sein Verhalten eine schwere Verletzung der Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB und folglich ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB.1038 Dies gilt 1031
OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1997, 736 (736). OLG Köln Urteil v. 14. 01. 1992 – 25 U 9/91, juris Rn. 37. 1033 OLG Nürnberg NZG 2000, 154 (155). 1034 OLG Düsseldorf ZIP 1984, 1476 (1478 ff.). 1035 OLG Naumburg NJW-RR 1999, 1343. 1036 OLG Naumburg NJW-RR 1999, 1343. 1037 Vgl. OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1997, 736 (736). 1038 BAG NZA 2010, 1227 (1229 f.); BAG NZA 2008, 1008 (1009); BAG NZA 2000, 421 (423); BAG NZA 1999, 708 (709). 1032
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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unabhängig davon, ob und wenn ja, in welcher Höhe der Arbeitgeber einen Vermögensschaden zu verzeichnen hat1039 oder ob tatsächlich ein strafrechtlicher Tatbestand im Sinne des Strafgesetzbuches verwirklicht wurde.1040 Eine Verletzung von Eigentum und Integrität des Vermögens des Arbeitgebers hat eine Erschütterung der Vertrauensbeziehung zur Konsequenz, kann mithin die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in Zweifel ziehen.1041 Dennoch kann unter Umständen eine Abmahnung als milderes Mittel zu erwägen und eine außerordentliche Kündigung nicht legitimiert sein.1042 Inwiefern diese Ausführungen auf den Geschäftsführer einer GmbH übertragen werden können, ist regelmäßig nicht unproblematisch. aa) Nutzung der Firmenkreditkarte Die Nutzung der Firmenkreditkarte zu privaten Zwecken und keine zeitnahe oder überhaupt keine Erstattung der finanziellen Einbußen durch den Geschäftsführer rechtfertigen eine außerordentliche Kündigung, da es sich bei diesem Verhalten um nicht genehmigte Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen handelt, welche das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstören können.1043 Bei einer Aufforderung seitens der Gesellschaft zur Herausgabe der unberechtigten Entnahmen, im Falle der Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzes, sollte die Gesellschaft die Herausgabe mit einer Abmahnung verbinden. Der Geschäftsführer weiß dann, dass die Gesellschaft nicht mit seinem Verhalten einverstanden ist und er die finanziellen Einbußen zu erstatten hat. Verweigert der Geschäftsführer die Erstattung der Beträge, kann sein Verhalten eine ordentliche Kündigung rechtfertigen. Kommt der Geschäftsführer der Aufforderung der Gesellschaft nach, bewirkt ein erneuter Verstoß zu einem späteren Zeitpunkt eine verhaltensbedingte Kündigung, ohne dass eine solche eine Abmahnung voraussetzen würde. Der Grund hierfür liegt darin, dass der Geschäftsführer durch den vorhergehenden Vorfall in besonderer Weise Kenntnis darüber hatte, dass sein Verhalten pflichtwidrig war und in Zukunft zu unterbinden gewesen wäre. Inwiefern eine verhaltensbedingte Kündigung des Geschäftsführeranstellungsverhältnisses wegen der unberechtigten Nutzung der Firmenkreditkarte, ohne dass die Gesellschaft eine Erstattung der finanziellen Einbußen verlangt, eine Abmahnung voraussetzt, ist schwierig zu beantworten. Das Oberlandesgericht Celle hat in einem weiteren Fall eine Kündigung gemäß § 626 BGB trotz der Nutzung der 1039
BAG NZA 1985, 91 (92); BAG NZA 2010, 1227 (1230); BAG NZA 2008, 1008 (1009). BAG NZA 2010, 1227 (1230). 1041 BAG NZA 2010, 1227 (1230). 1042 BAG NZA 2010, 1227 (1231); anders hingegen BAG NZA 1999, 708 (708 ff.): Bejahung einer fristlosen Kündigung aufgrund des unberechtigten Verkaufes von Schrott für 200 DM durch einen Schlosser; siehe auch BAG Urteil v. 20. 09. 1984 – 2 AZR 633/82, juris, welches eine ordentliche Kündigung einer Sachbearbeiterin (des Suchdienstes im Versandhaus) mit der Berechtigung in Warenhäusern mit Personalrabatt einzukaufen, aufgrund der Entwendung dreier Kiwi Früchte (2,97 DM), wohl bejahen möchte – Zurückweisung an LAG. 1043 OLG Brandenburg GmbHR 2007, 874 (875 f.). 1040
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Firmenkreditkarte für private Ausgaben seitens des Geschäftsführers aufgrund der Einmaligkeit des Vorganges und der Geringfügigkeit des Betrages verneint.1044 Zu der Frage, ob der Sachverhalt eine ordentliche Kündigung rechtfertigen kann, hat das Oberlandesgericht keine Feststellungen getroffen. Wird die Rechtsprechung zur Kündigung eines Arbeitnehmers bezüglich des Diebstahls von im Eigentum des Arbeitgebers stehenden Sachen zugrunde gelegt, könnte anzunehmen sein, dass bei einer Nutzung der Firmenkreditkarte zu einem geringen Wert die Verfehlung unter Umständen nicht so schwer wiegt. Wie bei Arbeitnehmern könnte eine Abmahnung der Beendigung des Anstellungsverhältnisses eines Geschäftsführers voraus gehen. Der Grund liegt darin, dass durch die Parteivereinbarung ein dem Arbeitnehmern ähnlicher Schutz hergestellt werden soll. Andererseits ist ein Geschäftsführer, dem das Vermögen der Gesellschaft anvertraut ist, im besonderen Maße zur Wahrung der Vermögensinteressen der Gesellschaft sowie seiner gegenüber der GmbH bestehenden Treuepflicht verpflichtet.1045 Ein Verstoß hiergegen kann allein aufgrund dessen besonders schwer wiegen. Obendrein wird von einem GmbH-Geschäftsführer, der in einer Gesellschaft gegenüber der restlichen Belegschaft eine herausgehobene Funktion durch die Ausübung von Arbeitgeberbefugnissen wahrnimmt, in erhöhtem Maße erwartet, dass er sich vertragstreu verhält, insbesondere nicht gegen die Rechtsordnung (hier: § 263 StGB)1046 verstößt. Eine bei Arbeitnehmern zu bewertende Pflichtverletzung, welche eine Abmahnung erfordert, kann bei GmbHGeschäftsführern, auch unter dem Aspekt, dass § 6 GmbHG die Innehabung einer Organfunktion und die gleichzeitige Begehung von Straftaten ausschließt, bereits als schwerwiegend angesehen werden. Ebenso zeigt ein Vergleich zu leitenden Angestellten, dass bei Beschäftigten in einer besonderen Position Sachverhalte, welche bei Arbeitnehmern eine Abmahnung voraussetzen, bei leitenden Angestellten zu einer Kündigung führen können.1047 Die Nutzung der Firmenkreditkarte zu privaten Zwecken könnte die Gesellschaft, auch bei einem einmaligen Pflichtverstoß, folglich zu einer ordentlichen Kündigung berechtigen. Besondere Beachtung muss in diesem Zusammenhang die Tatsache finden, dass dem Geschäftsführer, insbesondere dem Gesellschafter-Geschäftsführer gegebenenfalls der Gebrauch der Kreditkarte (zum Beispiel für die Abrechnung privater Reisen) in einem gewissen Umfang erlaubt ist. Wäre dies zu bejahen, liegt in der Nutzung der Kreditkarte keine Pflichtverletzung und folglich kein verhaltensbedingter Kündigungsgrund. Ist zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft streitig, ob die Nutzung durch den Geschäftsführer von der Zustimmung der GmbH umfasst war oder ist der Geschäftsführer irrtümlicherweise von einer berechtigten Nutzung ausgegangen, muss dieser Umstand zugunsten des Organmitgliedes berücksichtigt werden. In einem solchen Fall ist die Gesellschaft in der Regel gehalten, das Fehlverhalten des gesetzlichen Ver1044
OLG Celle Urteil v. 05. 03. 2003 – 9 U 172/02, juris Rn. 37. Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 39. 1046 Siehe zur strafrechtlichen Beurteilung Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 266b Rn. 7 ff. und MünchKommStGB/Radtke, § 266b Rn. 4 ff. 1047 Vogel, NZA 2002, 313 (315); siehe auch Diringer, BuW 2004, 342 (346). 1045
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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treters abzumahnen und erst bei einem erneuten Verstoß das Anstellungsverhältnis zu kündigen. Alles in allem kann die GmbH bei einem einmaligen Vorgang und einem geringfügigen Betrag grundsätzlich ohne ein Abmahnungserfordernis das Anstellungsverhältnis beenden. Nur ausnahmsweise wird eine solche Pflichtverletzung nicht bereits eine negative Prognose stützen können, mithin eine Abmahnung voraussetzen. Ob letztlich eine Interessenabwägung zulasten des Geschäftsführers ausfällt, ist in jedem Einzelfall zu entscheiden. Relevant sind insbesondere die Betriebszugehörigkeit des Geschäftsführers sowie seine bisherigen Verdienste für die GmbH.1048 Gebraucht der Geschäftsführer die Firmenkreditkarte für private Zwecke mehrfach, stellt sich die vorhergehende Problematik eines Abmahnungserfordernisses in der Regel nicht. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, dass auch zukünftig die Gefahr weiterer Pflichtverstöße durch das Organmitglied besteht. Die GmbH wäre grundsätzlich zum sofortigen Ausspruch einer ordentlichen Kündigung befugt. bb) Unberechtigte Spesenabrechnungen Eine fristlose Kündigung hat die Rechtsprechung ferner als gerechtfertigt angesehen, wenn dem Geschäftsführer unberechtigte Spesenabrechnungen vorwerfbar sind.1049 Einem Geschäftsführer, der in unberechtigter Weise für rein privat veranlasste Tankvorgänge wiederholt Spesen abrechnet, kann fristlos gekündigt werden.1050 Ein solcher Geschäftsführer missbraucht seine Stellung dafür, zum Nachteil der Gesellschaft einen privaten wirtschaftlichen Nutzen zu erlangen; er bringt auf diese Weise zum Ausdruck, dass er gewillt ist, das Vermögen der GmbH zu seinem eigenen privaten Vorteil zu gebrauchen.1051 „Dies offenbart ein derart grobes Missverständnis seiner Pflichten als GF, die ihm eine strikte Trennung beruflicher und privater Interessen auferlegen.“1052 Der dadurch entstehende Vertrauensbruch macht eine Abmahnung entbehrlich und rechtfertigt eine außerordentliche Beendigung seines Anstellungsvertrages.1053 Das Oberlandesgericht Celle hat ebenso eine fristlose Kündigung bei einer vorsätzlichen Falschabrechnung zu erstattender Auslagen bejaht, auch wenn diese nur einen geringfügigen Betrag umfassen.1054 Auch das Oberlandesgericht Rostock hat in der unberechtigten Spesenabrechnung des Geschäftsführers für eine privat veranlasste Urlaubsreise zu Beginn seines Anstel1048
Vgl. Kap. 3 E. III. 1. a). Vgl. KG Berlin NZG 2001, 325 (326 f.); OLG Celle NZA-RR 2010, 299 (300); OLG Rostock Urteil v. 14. 03. 2001 – 6 U 65/99, juris Rn. 60 und 64. 1050 KG Berlin NZG 2001, 325 (327). 1051 KG Berlin NZG 2001, 325 (327). 1052 KG Berlin NZG 2001, 325 (327). 1053 KG Berlin NZG 2001, 325 (327). 1054 OLG Celle NZA-RR 2010, 299 (300). 1049
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
lungsverhältnisses einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB gesehen.1055 Aus dieser Rechtsprechung lässt sich schließen, dass bereits eine einmalige unberechtigte Spesenabrechnung Grund einer sofortigen verhaltensbedingten Kündigung sein kann.1056 Es kann in diesem Zusammenhang nichts anderes zum Tragen kommen, als wenn der Geschäftsführer die Firmenkreditkarte zu privaten Zwecken gebraucht.1057 In beiden Konstellationen liegt eine unberechtigte Nutzung des Vermögens der Gesellschaft vor, was die Pflichtverletzung des gesetzlichen Vertreters als dem Verwalter des Vermögens in der Regel schwerwiegend macht. Da unberechtigte Spesenabrechnungen als Betrug zu werten sind, muss die Gesellschaft berechtigt sein, das Anstellungsverhältnis verhaltensbedingt zu kündigen, ohne den Geschäftsführer vorher abzumahnen. Dies gilt grundsätzlich auch, sofern die unberechtigte Spesenabrechnung nur einen einmaligen Pflichtverstoß und einen geringen Betrag darstellt. Anders wäre die Situation zu beurteilen, wenn der Geschäftsführer Belege einreicht beziehungsweise Spesen abrechnet, die die Gesellschaft als nicht erstattungsfähig ansieht, der Geschäftsführer aber offen legt, was er abrechnen möchte.1058 Ein solches Verhalten kann nicht zu einer fristlosen Kündigung führen, wenn das Organmitglied nicht mit Verdeckungsabsicht agiert, sondern seine offene Abrechnungsweise die Gesellschaft in die Lage versetzt, eventuelle Unregelmäßigkeiten aufzudecken.1059 Ähnlich ist der Fall bei einer doppelten Spesenabrechnung des Geschäftsführers zu bewerten, die aber wegen einer langjährig praktizierten Abrechnungspraxis, welche sicherstellt, dass es zu keinen unzulässigen Doppelauszahlungen kommt, in Kenntnis der Gesellschafter erfolgt.1060 Eine fristlose Kündigung ist dann als nicht gerechtfertigt anzusehen.1061 Eine ordentliche Kündigung ist aufgrund fehlender Pflichtverletzung ebenfalls zu verneinen. Möchte die Gesellschaft ein derartiges Verhalten zum Anlass einer verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung nehmen, setzt eine solche zunächst einen eindeutigen Hinweis voraus, der dem Geschäftsführer verdeutlicht, dass die Gesellschaft nicht mit seiner Abrechnungsweise einverstanden ist. Es müsste in einem solchen Fall ein Konsens gefunden werden, wie die Abrechnung zukünftig zu handhaben ist. Sollte der Geschäftsführer in der Zukunft dagegen verstoßen, könnte sein Verhalten, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles1062, eine ordentliche Kündigung rechtfertigen. 1055
OLG Rostock Urteil v. 14. 03. 2001 – 6 U 65/99, juris Rn. 60 und 64. Vgl. auch in Bezug auf einen leitenden Angestellten Dörsam, BC 2000, 90 (92); BAG DB 1963, 1155. 1057 Siehe unter Kap. 3 E. III. 2. d) aa). 1058 BGH NJW 2003, 431 (431 f.), welcher das Urteil des KG (KG Berlin NZG 2001, 325) aufgehoben hat. 1059 BGH NJW 2003, 431 (432). 1060 LAG Köln Urteil v. 21. 04. 2004 – 8 (13) Sa 136/03, juris Rn. 123 f. 1061 LAG Köln Urteil v. 21. 04. 2004 – 8 (13) Sa 136/03, juris Rn. 125. 1062 Siehe unter Kap. 3 E. III. 1. a). 1056
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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cc) Unberechtigte Barabhebungen/Auszahlung einer Tantieme Eine Pflichtverletzung, welche ferner eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann, ist in der unberechtigten Barabhebung beziehungsweise Entnahme eines Geldbetrages in Höhe von 30.000 DM1063 oder von fünf bis sechs Monatsgehältern1064 aus dem Vermögen der Gesellschaft zu sehen.1065 Hatte der Geschäftsführer dabei die Absicht, dieses Geld der Gesellschaft zu entziehen und es für eigene Zwecke zu gebrauchen, liegt hierin ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB.1066 Handelt es sich um einen derart hohen Geldbetrag, ist umso mehr eine gleichzeitige ordentliche Kündigung gerechtfertigt. Selbst wenn der Betrag gering ist, rechtfertigt das Verhalten des Geschäftsführers in der Regel eine verhaltensbedingte Kündigung, da ein schwerer Vertrauensbruch angenommen werden muss, wenn der Geschäftsführer in unberechtigter Weise Geld vom Konto der Gesellschaft abhebt, um es in sein Privatvermögen zu überführen. Es müssen die gleichen Grundsätze wie bei einer unberechtigten Nutzung der Firmenkreditkarte anwendbar sein: Eine Abmahnung ist in einem solchen Fall grundsätzlich entbehrlich und auch eine Interessenabwägung wird regelmäßig zugunsten der Gesellschaft ausfallen.1067 In einem anderen Fall hat der Bundesgerichtshof die eigenmächtige Auszahlung einer Tantieme durch den Geschäftsführer als nicht geeignet angesehen, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen, sondern den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.1068 Dieses habe nämlich nicht berücksichtigt, dass der Geschäftsführer die Auszahlung nicht verheimlicht hatte, sondern vielmehr dachte, einen Anspruch auf den Bonus zu haben, da er sich im Jahr zuvor ebenfalls eigenständig eine Tantieme zahlen durfte.1069 „Es erscheint“, so der Bundesgerichtshof, „nicht ausgeschlossen“, dass der Gesellschaft, wenn sie mit dem Handeln des Geschäftsführers nicht einverstanden war, „unter Abmahnung für die Zukunft die weitere Zusammenarbeit mit ihm zuzumuten war“.1070 Aus diesen Ausführungen kann geschlossen werden, dass es der GmbH bei Verneinung einer außerordentlichen Kündigung ebenso wenig möglich ist, das Fehlverhalten des Geschäftsführers zur Begründung einer ordentlichen Kündigung heranzuziehen. Vielmehr wäre die Gesellschaft gehalten, den Geschäftsführer in eindeutiger Weise darauf hinzuweisen, dass sie nicht mit seinem Verhalten einverstanden ist, um auf diese Weise sicher1063
Vgl. OLG Düsseldorf Urteil v. 22. 10. 1998 – 6 U 78/97, juris Rn. 69 und 72, Bejahung einer Ausschlussklage eines Gesellschafters aus der Gesellschaft. 1064 OLG Köln GmbHR 1996, 290 (290): LS. 1065 Vgl. auch OLG Rostock NZG 1999, 216 (217): Pflichtverletzung aufgrund von Barabhebungen ohne glaubhaften Verwendungsnachweis. 1066 Vgl. OLG Düsseldorf Urteil v. 22. 10. 1998 – 6 U 78/97, juris Rn. 72 und 75, in Bezug auf die Ausschließung eines Gesellschafters. 1067 Siehe unter Kap. 3 E. III. 2. d) aa). 1068 BGH NJW 1993, 463 (464 f.). 1069 BGH NJW 1993, 463 (464). 1070 BGH NJW 1993, 463 (464).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
zustellen, dass der Geschäftsführer zukünftig eine etwaige Bonuszahlung von der Zustimmung der Gesellschafter abhängig macht. Erst wenn er entgegen dieser Anweisung respektive Abmahnung erneut gegen seine Vertragspflichten verstößt, kann eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein. Anders wäre die Situation in Übereinstimmung mit dem Bundesgerichtshof zu beurteilen, wenn der Geschäftsführer bewirkt, dass ihm durch einen anderen Beschäftigten ohne vertraglichen Anspruch eine Tantieme gezahlt wird.1071 Legitimiert ein solcher Sachverhalt eine fristlose Kündigung, muss dies erst recht, auch im Falle der Vereinbarung der Geltung der gesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen, bei einer ordentlichen Kündigung so sein. Ein Geschäftsführer, der in vorbezeichneter Weise einen Pflichtverstoß begeht, kann grundsätzlich nicht länger für die GmbH tätig werden. Insbesondere ist die Pflichtverletzung als schwerwiegend einzustufen, weil der Geschäftsführer dadurch zum Ausdruck bringt, dass ihm sein eigener privater Vorteil wichtiger ist als die Belange der Gesellschaft. Eine Abmahnung wäre bei einer solchen Konstellation entbehrlich und eine Kündigung in aller Regel gerechtfertigt. e) Schmiergelder Ist das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers bei der Entgegennahme von Schmiergeldern durch diesen außerordentlich kündbar,1072 muss dies ebenso für das Anstellungsverhältnis eines GmbH-Geschäftsführers gelten. Aus seiner Pflicht zu loyalem Verhalten und damit seiner Treuepflicht folgt, dass er aus den Rechtsgeschäften der GmbH keinen persönlichen Nutzen für sich ziehen darf.1073 Speziell ist es ihm verboten, bei der Vornahme von Geschäften zwischen der GmbH und Dritten Provisionen zu vereinbaren oder Schmiergelder zu erhalten,1074 sofern die Gesellschafter dem Geschäftsführer nicht der Entgegennahme von Sonderzahlungen seitens des Geschäftspartners zustimmen.1075 Verletzt ein Organmitglied seine Pflicht zu loyalem Verhalten über fast sechs Jahre durch die Annahme unrechtmäßiger Provisionen und beträgt der Schaden für die Gesellschaft mehr als 2 Millionen Euro (4 Millionen DM),1076 muss dieses Verhalten geeignet sein, eine sofortige ordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Bei der Annahme von Schmiergeldern oder unberechtigten Provisionen kann in der Regel immer davon ausgegangen werden, dass eine schwere Pflichtverletzung vorliegt, welche ein Abmahnungserfordernis ent1071
BGH DStR 1995, 1120 (1120): LS. BAG NZA 1996, 419 (422); BAG Urteil v. 21. 06. 2001 – 2 AZR 30/00, juris Rn. 41; wohl auch BAG NZA 2006, 101 (104), Zurückweisung an LAG. 1073 OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 666 (669); Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 39. 1074 OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 666 (669); Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 115; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 39. 1075 OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 666 (669). 1076 OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 666 (671). 1072
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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behrlich macht. Ein solches Verhalten verdeutlicht, dass der Geschäftsführer vordergründig auf seinen eigenen Nutzen bedacht ist und diesen über die Interessen der Gesellschaft stellt. Dies gilt in der Regel auch, wenn die Pflichtverletzung einmalig wäre und die Provisions- oder Schmiergeldzahlung einen nur geringen Betrag umfassen würde.1077 Einem Geschäftsführer, der durch die Annahme von Schmiergeldern oder unberechtigten Provisionen zu erkennen gibt, dass er in erster Linie seinen eigenen Vorteil verfolgt, statt die Interessen der Gesellschaft im bestmöglichen Maße wahrzunehmen, kann die Gesellschaft kein ausreichendes Vertrauen mehr schenken. Erfüllt das Verhalten des gesetzlichen Vertreters obendrein den Straftatbestand des § 299 StGB, steht einer Weiterbeschäftigung als Organmitglied bereits § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG entgegen.1078 Eine Interessenabwägung wird in einem solchen Fall regelmäßig zugunsten der Gesellschaft ausfallen, so dass sie berechtigt sein dürfte, das Anstellungsverhältnis verhaltensbedingt zu kündigen. f) Unberechtigte Erlangung von Vorteilen Ein wichtiger Grund für eine Kündigung im Sinne des § 626 BGB ist gegeben, wenn der Geschäftsführer einer GmbH, der Inhaber eines eigenen Unternehmens ist, dieses mit der Verrichtung einer Tätigkeit für die GmbH beauftragt, ohne im Vorhinein die Zustimmung der Gesellschafter einzuholen.1079 Erlangt der Inhaber einer Vertrauensstellung für seinen Betrieb finanzielle Leistungen, welche die GmbH letztlich finanzieren muss und agiert somit zu seinem Nutzen, hätte der Geschäftsführer das Einverständnis der Gesellschafter erwirken müssen; nicht entscheidend ist dabei, ob die GmbH einen Schaden erlitten hat.1080 Auch in einem ähnlichen gelagerten Fall hat die Rechtsprechung eine fristlose Kündigung als gerechtfertigt bewertet, weil der Geschäftsführer für die Gesellschaft wirtschaftlich nachteilige Verträge mit einem Unternehmen abgeschlossen hat, deren Alleingesellschafterin seine Ehefrau war und die ausschließlich für sie vorteilhaft waren.1081 Ebenso kann ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bei einem GmbH-Geschäftsführer darin liegen, dass er in großem Umfang Arbeitskräfte der Gesellschaft für den Bau seines privaten Hauses in Anspruch nimmt und diesbezüglich Materialien der GmbH gebraucht.1082 Auch bejaht der Bundesgerichtshof eine fristlose Kündigung, sofern der Geschäftsführer Erwerbschancen der Gesellschaft missbräuchlich für sich ausnutzt.1083 Diesbezüglich hat der Oberste Gerichtshof in einem anderen Urteil 1077 Zustimmend in Bezug auf leitende Angestellte Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 83. 1078 Siehe unter Kap. 3 D. IX. 1. a). 1079 OLG Karlsruhe NJW-RR 1988, 1497. 1080 OLG Karlsruhe NJW-RR 1988, 1497. 1081 OLG Brandenburg NZG 2000, 143 (144 f.). 1082 BGH DStR 1997, 1338 (1338). 1083 Vgl. BGH NJW 1995, 1358 (1359): hier aber § 626 BGB verneint, weil Geschäfte nicht vom Unternehmensgegenstand der Gesellschaft umfasst waren.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
einen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft angenommen, wenn das Organmitglied den Erwerb eines Grundstückes durch ein anderes Unternehmen ermöglicht, an dessen Gewinn er beteiligt ist, um anschließend den Grund und Boden zu einem unverhältnismäßig höheren Preis von diesem Betrieb für die von ihm geführte Firma zu kaufen.1084 Grund hierfür ist die Tatsache, dass er allein einen privaten Nutzen aus diesem Geschäft ziehen wollte, ohne an das Wohl des Unternehmens zu denken.1085 Auch wenn der Bundesgerichtshof keine Ausführungen zu einer außerordentlichen Kündigung angestellt hat, muss eine solche bei einer derartigen Fallkonstellation bejaht werden. Zumindest rechtfertigt ein solcher Sachverhalt das Vorliegen einer ordentlichen Kündigung. Dies gilt auch für alle drei zuvor dargestellten Entscheidungen. Insbesondere ist angesichts der gravierenden Pflichtverletzungen, ebenso unter dem Gesichtspunkt der erweiterten Schutzbedürftigkeit, keine Abmahnung erforderlich. Der Geschäftsführer einer GmbH hat in allen Angelegenheiten der Gesellschaft allein deren Wohl zu beachten, statt seinen eigenen Nutzen zu verfolgen; er muss auf diese Weise seiner Treue- und Fürsorgepflicht gerecht werden.1086 Handelt der Geschäftsführer in der vorstehenden Weise, tätigt insbesondere ein Geschäft nicht, welches für die Gesellschaft jedoch erforderlich oder günstig gewesen wäre oder nutzt Geschäftschancen der Gesellschaft missbräuchlich für sich persönlich,1087 besteht die begründete Gefahr, dass er auch zukünftig nicht im Sinne der Gesellschaft agiert, sondern ausschließlich auf seinen eigenen wirtschaftlichen Vorteil bedacht ist. Die Gesellschaft muss sich von einem solchen Geschäftsführer trennen können, folglich zum Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung berechtigt sein. Eine außerordentliche Kündigung aufgrund der Gewinnung persönlicher Vorteile durch den Geschäftsführer ist ferner anzunehmen, wenn er einen Auftrag ohne Kenntnis der Gesellschafter nutzt, persönliche Vorteile zu erlangen, die ihm anderenfalls nicht zugutegekommen wären.1088 Dass der Geschäftsführer seine Stellung dazu gebraucht, heimlich, mithin ohne Wissen der Gesellschaft für eigene Rechnung und zum eigenen Nutzen Geschäfte zu machen, bedeutet einen schweren Vertrauensbruch.1089 Grund ist die berechtigte Erwartung der Gesellschaft, dass der Geschäftsführer bei der Ausübung seiner Tätigkeit ausschließlich zum Wohl des Unternehmens und nicht zu seinem eigenen wirtschaftlichen Vorteil tätig wird.1090 Ob bei einer Geltung des Kündigungsschutzgesetzes ein solcher Sachverhalt eine sofortige ordentliche Kündigung rechtfertigt oder der Gesellschaft der Ausspruch einer 1084
BGH NJW-RR 1989, 1255 (1257). BGH NJW-RR 1989, 1255 (1256). 1086 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 42. 1087 Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 42; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 116; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 361, als Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 19. 1088 BGH GmbHR 1968, 141 – hier Erwerb eines Baugeländes Rn. 6 und 11 f. 1089 BGH GmbHR 1968, 141. 1090 BGH GmbHR 1968, 141. 1085
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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Abmahnung auferlegt ist, hängt zwar von der Schwere der Pflichtverletzung ab. Da die vorliegende Konstellation jedoch der Entgegennahme von Schmiergeldern ähnelt, ein Pflichtverstoß demnach gravierend ist, wird die Gesellschaft in der Regel sofort verhaltensbedingt kündigen können. g) Unberechtigte Amtsniederlegung Eine unberechtigte Amtsniederlegung durch den Geschäftsführer einer GmbH kann eine außerordentliche Kündigung zur Folge haben, weil es dem Geschäftsführer in einem solchen Fall nicht mehr möglich ist, die Gesellschaft zu vertreten und er damit ihren rechtsgeschäftlichen Handlungsbereich in nicht hinnehmbarer Weise beschränkt.1091 Eine negative Entwicklung der Gesellschaft könne das Organmitglied, so das Oberlandesgericht Celle, nicht als Grund für seine Amtsniederlegung geltend machen.1092 Es wäre vielmehr verpflichtet geblieben, auch weiterhin seinen Aufgaben gemäß der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes nachzukommen, insbesondere im Falle der Zahlungsunfähigkeit einer Gesellschaft einen Insolvenzantrag gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG zu stellen.1093 Komme hinzu, dass der Geschäftsführer durch seine Amtsniederlegung eine verbindliche Weisung der Gesellschafterversammlung nicht umsetzt, mithin zeige, dass er die Geschäftspolitik der GmbH nicht weiter vertrete, sei keine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien mehr gewährleistet.1094 Auch in einem ähnlich gelagerten Fall hat das Gericht eine Amtsniederlegung als wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung gewertet.1095 Der Geschäftsführer erblickte in der Umsetzung eines Gesellschafterbeschlusses eine existenzbedrohende Entscheidung der GmbH, so dass er sein Amt niederlegte, aber weiterhin seine Dienste anbot.1096 Hierin sah das Gericht eine Verweigerung seiner vertraglichen Pflichten, mithin einen schweren Pflichtverstoß, zumal der Geschäftsführer die Nichtumsetzung der Beschlüsse auch ohne Amtsniederlegung hätte bewirken können.1097 Aus den vorgenannten Entscheidungen kann geschlossen werden, dass eine unberechtigte Amtsniederlegung, bei Begründung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB, grundsätzlich auch ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund sein muss. Bei einer Vereinbarung über die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes für das Geschäftsführeranstellungsverhältnis ist es aber Ziel, dem Organmitglied einen Schutz zu gewähren, der ihm sonst nicht zuteil wird. Für den Fall einer 1091 OLG Celle NZG 2004, 475 (477); siehe auch Beschluss des BGH DStR 1995, 1359 (1359): LS. 1092 OLG Celle NZG 2004, 475 (477). 1093 OLG Celle NZG 2004, 475 (477). 1094 OLG Celle NZG 2004, 475 (477). 1095 LG Hildesheim Urteil v. 02. 09. 2003 – 10 O 70/03, juris Rn. 6/27. 1096 LG Hildesheim Urteil v. 02. 09. 2003 – 10 O 70/03, juris Rn. 5/6. 1097 LG Hildesheim Urteil v. 02. 09. 2003 – 10 O 70/03, juris Rn. 27.
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
unberechtigten Amtsniederlegung bedeutet dies, dass grundsätzlich ein Abmahnungserfordernis Voraussetzung einer verhaltensbedingten Kündigung ist, welches nur ausnahmsweise entbehrlich sein kann. Die Gesellschaft ist daher zumindest daran gehalten, den Geschäftsführer, bei einer noch nicht erfolgten Handelsregistereintragung, zur Wiederaufnahme seines Amtes in Form einer Abmahnung aufzufordern, weil eine Wiederherstellung des Vertrauens nicht auszuschließen ist. Sollte er sich daraufhin weigern, dieser Aufforderung nachzukommen, sind die Gesellschafter zum Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung berechtigt, da der Geschäftsführer auf diese Weise verdeutlicht, dass er mit der Geschäftspolitik der Gesellschaft nicht mehr konform geht. h) Zerwürfnis beziehungsweise Streitigkeiten Der Bundesgerichtshof entschied bereits 1983, dass große Streitigkeiten zwischen den Geschäftsführern einer GmbH einhergehend mit Beleidigungen (Verbrecher/Betrüger) einen Grund zur Abberufung desjenigen Geschäftsführers darstellen, der zu diesem Zerwürfnis beigetragen hat.1098 In einem solchen Fall ist eine weitere Zusammenarbeit unter den Geschäftsführern ausgeschlossen und das Geschäftsinteresse der Gesellschaft in erheblichem Umfang belastet.1099 Das Landgericht Karlsruhe nahm ein tiefgreifendes Zerwürfnis zwischen den Geschäftsführern zum Anlass einer fristlosen Kündigung desjenigen Geschäftsführers, welcher die Streitigkeiten erheblich mit verursacht hat.1100 Diese Grundsätze sind sowohl bei der Beendigung des Anstellungsverhältnisses eines Fremdgeschäftsführers als auch bei der Kündigung eines Gesellschafter-Geschäftsführers, speziell in einer Zwei-Personen-GmbH verbindlich.1101 Der Bundesgerichtshof wiederum hat in einem anderen Fall ein tiefes Zerwürfnis zwischen den Geschäftsführern als nicht ausreichend für eine außerordentliche Beendigung des Anstellungsverhältnisses angesehen, sondern vielmehr festgestellt, dass eine ausführliche Begründung sowie eine umfassende Interessenabwägung erforderlich seien, insbesondere bedeutend sei, ob eine zeitnahe ordentliche Kündigung in Frage komme.1102 Auch das Oberlandesgericht Karlsruhe hat zwar eine vollständige Entfremdung der Gesellschafter und somit eine vollständige Zerrüttung ihres Verhältnisses, speziell durch einen Brief des Geschäftsführers an eine Beschäftigte des Unternehmens bejaht.1103 Dieser Brief sei eine nachhaltige Ehrverletzung und sexuelle Belästigung der Kollegin gewesen.1104 Dennoch hat das Gericht eine außerordentliche Kündigung nach einer Interessenabwägung aufgrund der einmaligen Entgleisung verneint und eine Weiterbeschäf1098 1099 1100 1101 1102 1103 1104
BGH WM 1984, 29 (29 f.); bestätigt durch BGH NJW-RR 1992, 993 (994). BGH WM 1984, 29 (29). LG Karlsruhe NZG 1998, 512 (512 f.). LG Karlsruhe NZG 1998, 512 (513), m. w. N. BGH NJW-RR 1996, 156. OLG Karlsruhe Urteil v. 10. 08. 2006 – 9 U 171/05, juris Rn. 29. OLG Karlsruhe Urteil v. 10. 08. 2006 – 9 U 171/05, juris Rn. 30.
E. Materielle Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
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tigung des Geschäftsführers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist als zumutbar betrachtet.1105 Kommt es zwischen den Geschäftsführern einer GmbH oder dem Geschäftsführer und einem Gesellschafter zu einem Streit oder einer Auseinandersetzung, kann dieser Vorfall allein keine ordentliche Kündigung rechtfertigen. Unstimmigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten, die in einen Streit münden, sind auch bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nichts ungewöhnliches, sondern können vorkommen. Häufen sich diese Auseinandersetzungen hingegen und haben ein schweres Zerwürfnis zwischen den Organen der Gesellschaft zur Folge, kann dieser Umstand einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 2 KSchG bedingen.1106 Inwiefern eine solche Kündigung eine Abmahnung zur Voraussetzung hat, ist schwierig zu beantworten und einzelfallabhängig. Baut sich eine tiefgreifende Zerstrittenheit während des Vollzuges des Rechtsverhältnisses langsam auf, könnte die Gesellschaft unter Umständen verpflichtet sein, den Geschäftsführer zwischendurch abzumahnen beziehungsweise ihn auf sein nicht korrektes Verhalten hinzuweisen, um einen Konsens mit den übrigen Beschäftigten zu schaffen und auf diese Weise eine gute Zusammenarbeit zu ermöglichen. Ist ein einmaliger Vorfall für ein schwerwiegendes Zerwürfnis der Beteiligten verantwortlich, welches zu erheblichen Beeinträchtigungen der Geschäftsinteressen der GmbH führt, dadurch eine weitere Zusammenarbeit ausschließt und hat der zu kündigende Geschäftsführer hierzu maßgeblich beigetragen, wäre eine Abmahnung regelmäßig entbehrlich. Beachtet werden muss jedoch, dass der Gesellschaft vordergründig auferlegt ist, auf eine Übereinstimmung der Geschäftsführer oder Gesellschafter hinzuwirken, um eine Kündigung gänzlich zu vermeiden.
IV. Gesamtergebnis verhaltensbedingte Kündigung Es gibt zahlreiche Kündigungsgründe, die bei GmbH-Geschäftsführern für eine verhaltensbedingte Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 2 KSchG in Betracht kommen. Neben den für Arbeitnehmer denkbaren Gründen wurden bei den gesetzlichen Vertretern, aufgrund ihrer besonderen Position mit den damit verbundenen Aufgabenstellungen, spezielle Kündigungsgründe aufgezeigt. Grundsätzlich ist auch bei GmbH-Geschäftsführern in drei Stufen zu prüfen, ob ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund gegeben ist. Im Besonderen ist das Erfordernis einer Abmahnung nicht von vornherein ausgeschlossen. Dennoch ist eine Anwendbarkeit der verhaltensbedingten Gründe auf Organmitglieder schwierig. Es muss in jedem Einzelfall entschieden werden, ob die Kündigung der Anstellungsverhältnisse gerechtfertigt ist. Insbesondere wird eine strikte Trennung zwischen den einzelnen 1105
Vgl. OLG Karlsruhe Urteil v. 10. 08. 2006 – 9 U 171/05, juris Rn. 33. Vgl. LG Karlsruhe NZG 1998, 512 (513); BGH NJW-RR 1996, 156; OLG Karlsruhe Urteil v. 10. 08. 2006 – 9 U 171/05, juris Rn. 33. 1106
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Prüfungsschritten nicht immer möglich sein. So wird bei vielen Kündigungsgründen nicht konsequent zwischen der Feststellung einer negativen Prognose und der Durchführung einer Interessenabwägung getrennt werden können. Das Abwerben anderer Beschäftigter rechtfertigt in der Regel, angesichts der Schwere der Pflichtverletzung, ohne das Erfordernis einer Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung. Bei einer auf Alkohol gestützten Kündigung wird es hingegen maßgeblich darauf ankommen, welche Auswirkungen die Pflichtverletzung für das Vertragsverhältnis und die betrieblichen Belange der Gesellschaft hat. Erstatten die Geschäftsführer gegen einen anderen Geschäftsführer oder einen Gesellschafter Anzeige, ist relevant, ob eine solche Anzeige berechtigt oder unberechtigt erfolgte. Beleidigungen oder Handgreiflichkeiten der Organmitglieder können ebenfalls bei Gegebensein der entsprechenden Voraussetzungen eine verhaltensbedingte Kündigung begründen. Ebenso verhält es sich, wenn die Geschäftsführer während einer Krankheitsphase ihre aus den Anstellungsverträgen oder aus der Treue- und Fürsorgepflicht folgenden Nachweispflichten nicht erfüllen. Kein Kündigungsgrund kann grundsätzlich in einer privaten Internet- oder Telefonnutzung der gesetzlichen Vertreter gesehen werden, es sei denn, dass ihnen eine solche ausdrücklich untersagt ist oder sie sich strafbar machen würden. Bei einer sexuellen Belästigung muss für das Vorliegen der Voraussetzungen der Rechtfertigung einer Kündigung danach unterschieden werden, ob die Geschäftsführer selbst gegen § 2 Abs. 2 S. 1 BSchG verstoßen oder gegen eine sexuelle Belästigung durch andere Mitarbeiter nichts unternommen haben. Treten die Organmitglieder unberechtigterweise Urlaub an, obwohl beispielsweise die Gesellschafter keinerlei Kenntnis darüber hatten, kann Folge unter Umständen eine verhaltensbedingte Kündigung sein. Eine sofortige ordentliche Kündigung ist in der Regel gerechtfertigt, wenn die Geschäftsführer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verraten oder gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen. Eine Schlechtleistung kann bei GmbH-Geschäftsführern insbesondere in einem Fehlverhalten bei der Wahrnehmung der Aufgaben eines Geschäftsführers liegen. Mögliche Verstöße sind hierbei eine Verletzung der Buchführungspflichten nach § 41 GmbHG, ein falsches Verhalten bei der Erstellung des Jahresabschlusses gemäß § 42a GmbHG, die Nichteinhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes im Sinne des § 43 Abs. 1 GmbHG, die Weigerung der Einberufung der Gesellschafterversammlung nach § 49 GmbHG, eine Auskunftsverweigerung nach § 51a GmbHG oder eine Insolvenzverschleppung gemäß § 64 S. 1 GmbHG in Verbindung mit § 15a Abs. 1 InsO. Eine Missachtung der Kompetenzordnung, mithin ein Nichtbeachten der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Geschäftsführern und den Gesellschaftern kann oftmals eine verhaltensbedingte Kündigung legitimieren, ohne dass eine erfolglose Abmahnung Voraussetzung ist. Eine Nichtbefolgung von Weisungen kann ebenfalls einen Kündigungsgrund darstellen, erfordert regelmäßig aber den Ausspruch einer Abmahnung. Strafbare Handlungen von Geschäftsführern bestehen vor allem in einer unberechtigten Nutzung der Firmenkreditkarte sowie bei unbefugten Spesenabrechnungen oder Barabhebungen. Stets geprüft werden muss in diesem Zusammenhang, ob den ge-
F. Materielle Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung
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setzlichen Vertretern die Handlungsweisen ausnahmsweise gestattet sind. Insbesondere bei Gesellschafter-Geschäftsführern und solchen die maßgeblichen Einfluss auf die GmbH haben, wird nicht auszuschließen sein, dass sie beispielsweise Barabhebungen tätigen, die Firmenkreditkarte zum privaten Gebrauch einsetzen oder in größerem Umfang Spesen abrechnen dürfen. Auch ist zu beachten, dass manche Kündigungsgründe bei solchen Geschäftsführern schwer vorstellbar sind. So ist eher weniger denkbar, dass ein Geschäftsführer, der zugleich Gesellschafter der GmbH ist, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verrät oder gegen das Wettbewerbsverbot verstößt. Auf diese Weise schadet der Geschäftsführer nicht nur der Gesellschaft sondern letztlich sich selbst als Gesellschafter. Sollten dennoch einmal solche Pflichtverstöße zu bejahen sein, werden diese umso schwerer wiegen als der Geschäftsführer dadurch zum Ausdruck bringt, der Gesellschaft im höchsten Maße Schaden zufügen zu wollen. Auch die Entgegennahme von Schmiergeldern und die unberechtigte Erlangung von Vorteilen, oftmals in Form von Geldleistungen, wird die Gesellschaft zum Beenden der Anstellungsverhältnisse der Geschäftsführer ermächtigen. Insgesamt schließt bereits § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG die Begehung von Straftaten und die gleichzeitige Innehabung einer Organstellung aus, so dass solche Pflichtverletzungen in der Regel immer als schwerwiegend eingestuft werden und in der Folge zur Beendigung der Anstellungsverträge führen können. Eine unberechtigte Amtsniederlegung ist spätestens dann ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund, wenn die Organmitglieder nach einer Abmahnung seitens der Gesellschaft ihr Amt nicht wieder aufnehmen. Streitigkeiten zwischen den Geschäftsführern einer GmbH oder unter einem Geschäftsführer und den Gesellschaftern können eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen, sofern ein schweres Zerwürfnis eine weitere Zusammenarbeit unter den Organen ausschließt. Alles in allem sind die Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung bei GmbHGeschäftsführern geringer als bei der Kündigung von Arbeitnehmern. Dies zeigt insbesondere die Tatsache, dass eine negative Prognose entweder unmittelbar durch die erstmalige Pflichtverletzung der Geschäftsführer oder aber nach einer einmaligen Abmahnung bejaht werden kann. Die besondere Position und die damit einhergehende herausgehobene Funktion der GmbH-Geschäftsführer kann die Gesellschaft insoweit früher zum Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung berechtigen als bei Arbeitnehmern.
F. Materielle Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung Dritter Kündigungsgrund gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 3 in Verbindung mit Abs. 3 KSchG ist ein betriebsbedingter. Eine Kündigung ist sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Geschäftsführers in diesem Betrieb entgegenstehen, bestimmt ist. Basierend auf den Anforderungen einer Kündigung eines Arbeitnehmers sind diejenigen Voraus-
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
setzungen herauszuarbeiten, welche erfüllt sein müssen, um das Anstellungsverhältnis eines GmbH-Geschäftsführers betriebsbedingt kündigen zu können.
I. Allgemeine Ausführungen Das Vorliegen eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes bei Arbeitnehmern ist ebenfalls in drei Stufen zu prüfen:1107 Es muss das Beschäftigungsbedürfnis für einen oder mehrere Angestellte dauerhaft entfallen.1108 Es dürfte keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Unternehmen bestehen.1109 In einem dritten Schritt sind im Rahmen einer sozialen Auswahl bei mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern, die in § 1 Abs. 3 S. 1 HS. 1 KSchG genannten Kriterien angemessen zu berücksichtigen.1110 Im Unterschied zu einer personen- und verhaltensbedingten Kündigung ist bei einer betriebsbedingten Kündigung keine Interessenabwägung vorzunehmen.1111 Grund hierfür ist die nur beschränkt nachprüfbare Unternehmerentscheidung seitens der Gerichte.1112 Die Arbeitsgerichte dürfen nicht darüber urteilen, ob die unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers wirtschaftlich zweckmäßig ist.1113 Sie sind darauf beschränkt, eine evidente unsachliche oder willkürliche Maßnahme festzustellen,1114 weil es ihnen nicht obliegt, dem Arbeitgeber eine betriebliche oder unternehmerische Struktur seines Betriebes vorzuschreiben.1115 Die Schutzbedürftigkeit eines Arbeitnehmers ist bei der sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG angemessen zu würdigen.1116
1107 1108
(763). 1109
Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 2. BAG NZA 1999, 1095 (1097); BAG NZA 2004, 1268 (1270); BAG NZA 2005, 761
BAG NJW 1979, 1902 (1902). Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 1 und 2. 1111 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 30; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 236; für die Vornahme einer Interessenabwägung in besonderen Fällen: KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 549 und BAG NZA 1987, 776 (777 f.); siehe auch Küttner/Röller/Eisemann, Personalbuch, Kündigung, betriebsbedingte Rn. 24 f., m. w. N. 1112 MünchKommBGB/Hergenröder, § 1 KSchG Rn. 311; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 30. 1113 BAG NZA 1987, 776 (776); BAG NZA 1997, 202 (203); BAG NZA 2011, 505 (506); Meisel, BB 1963, 1058 (1059); ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 240a; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 522; Monjau, BB 1967, 1211 (1213 f.). 1114 BAG NZA 1987, 776 (776); BAG NZA 1997, 202 (203); BAG NZA 2003, 549 (550); BAG NZA 2007, 552 (555); BAG NZA 2009, 312 (314); BAG NZA 2011, 505 (506); ErfK/ Oetker, § 1 KSchG Rn. 240a; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 522. 1115 BAG NZA 2003, 549 (550); LAG Hamm NZA-RR 2008, 239 (240). 1116 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 30. 1110
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Die Anforderung, dass die betrieblichen Erfordernisse dringend sein müssen, ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.1117 Eine Dringlichkeit ist zu bejahen, wenn die Kündigung nicht vermeidbar ist.1118 Der Arbeitgeber darf wegen seiner betrieblichen Verhältnisse nicht in der Lage sein, die Unternehmerentscheidung durch andere Mittel als eine Kündigung auf technischem, wirtschaftlichem oder organisatorischem Gebiet zu verwirklichen.1119 Dabei ist grundsätzlich die Einführung von Kurzarbeit nicht als milderes Mittel anzusehen, weil Kurzarbeit in der Regel einen temporären Arbeitsmangel ausgleichen soll, während ein betriebsbedingter Kündigungsgrund nur bei einem anhaltenden Entfallen von Beschäftigungsmöglichkeiten gegeben ist.1120 Sofern es sich bei dem Arbeitsmangel nur um einen vorübergehenden handelt, geht die Einführung von Kurzarbeit der Beendigungskündigung als milderes Mittel vor.1121 Auch in Bezug auf GmbH-Geschäftsführer gilt wiederum, dass bei einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich in drei Schritten zu beurteilen ist, ob eine solche gerechtfertigt ist oder nicht. Abweichungen und Besonderheiten können sich dabei insbesondere aus der herausgehobenen Position und besonderen Vertrauensstellung eines gesetzlichen Vertreters ergeben.1122 Die nachfolgenden Ausführungen sind hierbei sowohl bei einem Fremdgeschäftsführer als auch bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer anwendbar, es sei denn, dass ausdrücklich auf Differenzierungen hingewiesen wird.
II. Einzelne mögliche betriebsbedingte Kündigungsgründe – Übertragbarkeit auf GmbH-Geschäftsführer? In der Praxis gibt es verschiedene Sachverhalte, die einen betriebsbedingten Kündigungsgrund stützen können. Diesbezüglich wird zwischen innerbetrieblichen und außerbetrieblichen Gründen unterschieden.1123 Als ein innerbetrieblicher Grund ist die unternehmerische Entscheidung eines Arbeitgebers anzusehen, eine be1117 Küttner/Röller/Eisemann, Personalbuch, Kündigung, betriebsbedingte Rn. 11; ErfK/ Oetker, § 1 KSchG Rn. 235. 1118 Küttner/Röller/Eisemann, Personalbuch, Kündigung, betriebsbedingte Rn. 11; KRGriebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 528; BAG NJW 1979, 1902 (1902); BAG NZA 2003, 549 (550). 1119 BAG NJW 1979, 1902 (1902); BAG NZA 2003, 549 (550); Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 13; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 528. 1120 Vgl. BAG NZA 1990, 65 (66). 1121 ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 287 f.; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 531, m. w. N. zu der umstrittenen Problematik. 1122 Siehe unter Kap. 3 D. I. 1123 BAG NZA 1987, 776 (776); BAG NZA 1997, 202 (202); BAG NZA 1999, 1095 (1096); BAG NZA 2007, 552 (555); BAG NZA 2011, 505 (505); Küttner/Röller/Eisemann, Personalbuch, Kündigung, betriebsbedingte Rn. 2; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 4 f.
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stimmte organisatorische Maßnahme zu verwirklichen, in deren Folge kein Beschäftigungsbedürfnis mehr für einen oder mehrere Arbeitnehmer besteht.1124 Hiervon zu differenzieren ist ein außerbetrieblicher Grund, zu dem speziell Auftragsmängel, Umsatzeinbußen, Drittmittelkürzungen oder Rohstoffmängel zählen.1125 1. Auftragsmängel und Umsatzrückgang Nicht selten nimmt ein Arbeitgeber einen Umsatzrückgang und Auftragsmängel seines Betriebes durch Änderungen von Organisationsformen oder des Produktionsablaufes als Grundlage für eine betriebsbedingte Kündigung.1126 Die Unternehmerentscheidung des Arbeitgebers bildet den Kündigungsgrund.1127 Absatzschwierigkeiten und Auftragsmängel allein können als sogenannte außerbetriebliche Gründe in der Regel eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen.1128 Dies ist ausnahmsweise nur dann anders zu beurteilen, wenn ein Auftrags- oder Umsatzrückgang eine Abnahme eines gewissen Arbeitsvolumens zur Folge hat und der Arbeitgeber die Zahl der notwendigen Beschäftigten direkt an die aktuelle Arbeitsmenge anpassen möchte.1129 Hat eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nur einen Geschäftsführer, ist es bei einem dauerhaften Umsatzrückgang nicht möglich, den Geschäftsführerposten an die Umsatzhöhe zu knüpfen. Ein Geschäftsführer ist gemäß § 6 Abs. 1 GmbHG zwingendes Organ einer Gesellschaft, so dass die GmbH die Stelle des gesetzlichen Vertreters nicht weg rationalisieren darf. Beschäftigt eine Gesellschaft mehrere Geschäftsführer, steht es in ihrem freien Ermessen, im Falle eines Umsatzeinbruches eine Unternehmerentscheidung dahingehend zu treffen, dass es künftig beispielsweise nur noch einen, zwei oder drei Geschäftsführerposten statt vier Ressorts gibt.1130 Ein ständiger Umsatzrückgang kann dann ein betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG darstellen,1131 wenn eine Kündigung unvermeidbar und nicht durch andere organisatorische oder wirtschaftliche Maßnahmen zu verhindern ist. Eine Einführung von Kurzarbeit ist in der Regel in Bezug 1124 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 519; BAG NZA 1997, 202 (202); BAG NZA 2007, 552 (555); BAG NZA 2009, 312 (314); BAG NZA 2011, 505 (505 f.). 1125 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 4; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 517; BAG NZA 2007, 798 (799). 1126 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 33, 34; vgl. KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 568. 1127 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 33, 34. 1128 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 33, 34 und 4; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 518. 1129 BAG Urteil v. 18. 05. 2006 – 2 AZR 412/05, juris Rn. 17; BAG NJW 1979, 1902 (1902); Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 4; vgl. BAG NZA 1990, 65 (65 f.); vgl. auch ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 271 f. 1130 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2316). 1131 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2316).
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auf einen Geschäftsführerposten eher unüblich, zumal eine solche bei einem dauerhaften Umsatzrückgang kein milderes Mittel sein kann. Zu beachten ist, dass die Organisationsstruktur oder der Produktionsablauf nicht so verändert werden können, dass die Position des Geschäftsführers insgesamt wegfällt. 2. Änderung des Anforderungsprofils Der Arbeitgeber eines Betriebes ist in der Regel frei in seiner Entscheidung, welche Anforderungen an eine bestimmte Stelle gestellt werden.1132 Verändert er diese Anforderungen für einen Arbeitsplatz, welcher seit langer Zeit durch ein und denselben Arbeitnehmer eingenommen wird, durch die Voraussetzung einer weiteren Qualifikation, muss er plausibel erläutern, dass es keine „wünschenswerten Voraussetzungen“, sondern erforderliche arbeitsplatzbezogene Spezifika sind.1133 Notwendig ist das Gegebensein eines betrieblichen Anlasses.1134 Kann der Arbeitnehmer die berechtigten veränderten Anforderungen nicht erfüllen, ist ein betriebsbedingter Kündigungsgrund begründet.1135 Bei GmbH-Geschäftsführern wird es schwierig sein, ein geändertes Anforderungsprofil zum Anlass einer betriebsbedingten Kündigung zu nehmen. Es ist eher unüblich, dass sich die Anforderungen an eine Geschäftsführerposition derart verändern, dass das Organmitglied diesen nicht mehr gerecht wird. Sofern die Gesellschaft dennoch berechtigterweise eine Qualifikation verlangt, welche der bisherige Geschäftsführer nicht nachweisen kann, ist zu prüfen, ob sich der Geschäftsführer durch zumutbare Fortbildungsmaßnahmen1136 die entsprechenden Qualifikationen aneignen kann. Bei einem Geschäftsführer, welcher ohnehin hohe Anforderungen für die Ausübung seines Postens erfüllen muss, ist nicht auszuschließen, dass es ihm möglich ist, innerhalb kurzer Zeit die geforderten Voraussetzungen zu erlernen. Fortbildungsmaßnahmen gemäß § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG sind dann mildere Mittel als eine Kündigung. Erst wenn solche ausgeschlossen wären, ist die Änderung des Anforderungsprofils des Geschäftsführerpostens gegebenenfalls ein betriebsbedingter Kündigungsgrund.
1132 BAG NZA 2009, 312 (314); BAG NZA 2005, 761 (764); Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 36. 1133 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 36; BAG NZA 2009, 312 (314 f.); BAG NZA 2006, 266 (268 f.). 1134 BAG NZA 2009, 312 (315). 1135 ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 266; für eine personenbedingte Kündigung KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 563. 1136 In Bezug auf Arbeitnehmer BAG NZA 2006, 266 (269); KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 563; Mauer/Holthausen, NZA 2003, 1370 (1373).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
3. Auftragsvergabe an Dritte/Auslagerung von Tätigkeitsbereichen Als ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 3 KSchG kann die Übertragung von bislang im Unternehmen ausgeführten Tätigkeiten an eine andere Firma angesehen werden.1137 Entscheidet sich ein Krankenhausträger beispielsweise, das eigene Labor nicht weiter zu betreiben und die bis dahin im Krankenhaus wahrgenommenen Arbeiten durch ein Fremdlabor ausführen zu lassen, stellt dieser Entschluss eine wirksame Unternehmerentscheidung dar, welche die Beschäftigungsmöglichkeit für die Arbeitnehmer des eigenen Labors wegfallen lässt.1138 Notwendige Voraussetzung der Anerkennung eines betrieblichen Grundes ist die Auftragsvergabe an unternehmerisch selbstständig tätige Personen.1139 Der Arbeitgeber darf nicht weiterhin die Möglichkeit haben, verbindliche Weisungen zu erteilen und dadurch das Direktionsrecht in Bezug auf die Erledigung der Aufgaben auszuüben.1140 Anderenfalls wäre eine nicht zulässige Austauschkündigung gegeben.1141 Bei GmbH-Geschäftsführern kommt ein betrieblicher Kündigungsgrund durch die Vergabe seiner bisher wahrgenommenen Aufgaben auf eine selbstständig tätige Person nicht in Betracht. Eine solche Vorgehensweise der Auslagerung der Geschäftsführeraufgaben ist mit der Konzeption des GmbH-Gesetzes und folglich mit der einer GmbH nicht zu vereinbaren. § 6 Abs. 1 GmbHG schreibt das Vorhandensein eines Geschäftsführers als Organ zwingend vor. Derjenige, welcher die Organstellung eines Geschäftsführers innehat, muss Teil der Gesellschaft sein, insbesondere müssen die Gesellschafter dem Geschäftsführer gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG verbindliche Weisungen erteilen können. Auch wenn diese von arbeitsrechtlichen Weisungen zu unterscheiden sind und gerade solche ein Arbeitgeber nicht mehr geben darf,1142 bedeutet die Erteilung gesellschaftsrechtlicher Weisungen im Sinne des § 37 Abs. 1 GmbHG eine gewisse Abhängigkeit zwischen der Gesellschaft und dem gesetzlichen Vertreter. Eine solche kann nicht mit der bei einer Auftragsvergabe geforderten Selbstständigkeit in Einklang gebracht werden. Es ist daher nicht machbar, die Aufgaben eines GmbH-Geschäftsführers auf selbstständig 1137 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 38; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 273; Küttner/ Röller/Eisemann, Personalbuch, Kündigung, betriebsbedingte Rn. 7; BAG NZA 1997, 202 (203); BAG NZA 1999, 1095 (1097); BAG NZA 2005, 761 (763); BAG Urteil v. 09. 09. 2010 – 2 AZR 493/09, juris Rn. 17. 1138 BAG Urteil v. 27. 06. 2002 – 2 AZR 489/01, juris Rn. 18. 1139 ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 273; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 41; Schrader/ Schubert, NZA-RR 2004, 393 (398); Küttner/Röller/Eisemann, Personalbuch, Kündigung, betriebsbedingte Rn. 48; BAG NZA 2005, 761 (763); BAG NZA 1997, 202 (203). 1140 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 41; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 275; KRGriebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 598; BAG NZA 2008, 878 (880); vgl. BAG NZA 1997, 202 (203). 1141 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 38; BAG NZA 2005, 761 (763). 1142 Vgl. BAG NZA 1997, 202 (203).
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tätige Dritte zu übertragen, um auf diese Weise einen betrieblichen Kündigungsgrund herbeizuführen. Ohnehin wird eine Gesellschaft an einer solchen Vorgehensweise kaum ein Interesse haben. Mit dieser Argumentation ist es ebenso wenig möglich, ein dringendes betriebliches Erfordernis durch die Auftragsübertragung auf Leiharbeitnehmer zu begründen.1143 Die Geschäftsführertätigkeit lässt sich weder durch einen selbstständigen Geschäftsführer noch durch einen Leihgeschäftsführer wahrnehmen. Eine Übertragung des Geschäftsführerpostens auf einen selbstständigen Dritten als ein betriebliches Erfordernis kann es bei einem GmbH-Geschäftsführer insoweit nicht geben. 4. Stilllegung des Betriebes Eine Betriebsstilllegung ist „die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft (…), die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, daß der Arbeitgeber die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiterzuverfolgen“.1144 Die Betriebsstilllegung muss seitens des Arbeitgebers ernsthaft und endgültig beschlossen worden sein.1145 Ein solcher Beschluss folgt aus einer unmissverständlichen Erklärung des Arbeitgebers, den Betrieb still zu legen; ferner kommt er dadurch zum Ausdruck, dass alle Arbeitsverhältnisse gekündigt, entsprechende Mietverträge aufgelöst, Betriebsmittel verkauft werden und die Betriebstätigkeit umfassend aufgegeben wird.1146 Keine Stilllegungsabsicht oder Stilllegung kann bei einem Verkauf des Unternehmens angenommen werden,1147 weil es sich hierbei um einen Betriebsübergang handelt.1148 Beabsichtigt der Arbeitgeber den gesamten Betrieb zu schließen, so dass alle Arbeitsverhältnisse zur gleichen Zeit gekündigt werden, ist eine soziale Auswahl im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG keine Voraussetzung einer 1143
In Bezug auf Arbeitnehmer zustimmend: BAG NZA 1997, 202 (203); LAG Bremen ZIP 1998, 572 (575); LAG Hamm NZA-RR 2008, 239 (240 f.); LAG Hamm BB 2007, 2462 (2463); MünchKommBGB/Hergenröder, § 1 KSchG Rn. 328; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 275; KRGriebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 528 und 598a; Hamann, NZA 2010, 1211 (1218); Moll/ Ittmann, RdA 2008, 321 (330); anders hingegen Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 55. 1144 BAG NZA 1998, 879 (880); siehe auch BAG NZA 2004, 477 (478); BAG NZA 2009, 1267 (1268); BAG NZA-RR 2012, 465 (468). 1145 Küttner/Röller/Eisemann, Personalbuch, Kündigung, betriebsbedingte Rn. 21; ErfK/ Oetker, § 1 KSchG Rn. 277; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 579; BAG NZA 2007, 1287 (1290); BAG NZA 2001, 719 (719); BAG NZA 2004, 375 (377); BAG NZA-RR 2012, 465 (468). 1146 BAG NZA-RR 2012 465 (468); BAG NZA 2009, 1267 (1268 f.); BAG NZA 2007, 1287 (1290). 1147 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 43; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 579b. 1148 BAG NZA 2009, 1267 (1269); BAG NZA 2007, 1287 (1290).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
betriebsbedingten Kündigung mehr.1149 Aufgrund der Tatsache, dass eine komplette Stilllegung des Betriebes alle Beschäftigungsverhältnisse, mithin auch das Anstellungsverhältnis eines GmbH-Geschäftsführers betrifft, kann eine vom Arbeitgeber beabsichtigte Betriebseinstellung auch bei gesetzlichen Vertretern ein Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 3 KSchG sein.1150 Erforderlich ist die ernstliche Absicht der GmbH, die Gesellschaft nicht weiter zu betreiben. Diese Absicht kann sich beispielsweise durch einen entsprechenden Stilllegungsbeschluss der Gesellschafterversammlung1151 oder durch die bei Arbeitnehmern in Betracht kommenden Möglichkeiten manifestieren. Betrifft die Betriebseinstellung alle Dienstverhältnisse des Unternehmens, ist auch bei einem GmbH-Geschäftsführer eine soziale Auswahl entbehrlich. Da alle Beschäftigten gleichermaßen von der Unternehmensentscheidung betroffen sind, kann das Erfordernis einer Sozialauswahl keine Wirkung erzielen. Die Gesellschaft wäre dazu berechtigt, das Anstellungsverhältnis des Organmitgliedes gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 3 KSchG betriebsbedingt zu kündigen. Es sind insbesondere keine milderen Mittel in Form einer Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen denkbar. Wird eine GmbH nur teilweise stillgelegt, ist entscheidend, ob die Gesellschaft nur einen Geschäftsführer beschäftigt. In einem solchen Fall kann die Position des Geschäftsführers nicht wegfallen, weil eine GmbH zwingend einen gesetzlichen Vertreter braucht (§ 6 GmbHG).1152 Gibt es mehrere Geschäftsführer und sind diese für unterschiedliche Bereiche zuständig, kann eine Betriebsstilllegung bei demjenigen Geschäftsführer, dessen Bereich geschlossen wird, ein betriebliches Erfordernis sein. In einem solchen Fall müsste unter Umständen eine soziale Auswahl vorgenommen werden. 5. Betriebsübergang Gemäß § 613a Abs. 4 S. 1 BGB ist die Kündigung eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebes oder eines Betriebsteils unwirksam. Die Regelung statuiert ein eigenständiges Kündigungsverbot.1153 Ungerechtfertigt ist eine Kündigung, die allein aufgrund des Betriebsüberganges erfolgt.1154 Kein Verstoß gegen § 613a Abs. 4 BGB liegt vor, wenn eine Kündigung Konsequenz von Rationalisierungsmaßnahmen 1149
Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 44; Küttner/Röller/Eisemann, Personalbuch, Kündigung, betriebsbedingte Rn. 26; vgl. BAG NZA 2004, 375 (377). 1150 Vgl. BGH NJW 2003, 431 (433); BGH WM 1975, 761 (761). 1151 BAG NZA 2009, 1267 (1269); ein solcher ist jedoch nicht zwingend erforderlich BAG NZA 1998, 879 (880); ebenso ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 277 sowie KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 579. 1152 Siehe unter Kap. 3 F. II. 1. 1153 Staudinger/Annuß, BGB, § 613a Rn. 373; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 573; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 47; BAG NZA 1997, 148 (149). 1154 BAG NZA 2006, 668 (672); BAG NZA 2003, 1027 (1028); Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 48; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 573.
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ist.1155 Eine solche Maßnahme ist bei einem „verbindlichen Konzept oder einem Sanierungsplan des Erwerbers“ zu bejahen, dessen Umsetzung im Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung schon „greifbare Formen angenommen hat“.1156 Nicht maßgeblich ist dabei, ob das Erwerberkonzept ebenso bei dem Veräußerer des Betriebes hätte verwirklicht werden können.1157 Eine Übertragung der vorstehenden Ausführungen auf GmbH-Geschäftsführer ist schwierig. a) Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers auf Grundlage eines Sanierungsplanes Unproblematisch gestalten sich Überlegungen zu einem Sanierungsplan. Beschließen die Gesellschafter einer GmbH oder die neuen Gesellschafter einen Sanierungsplan, ist in Bezug auf die Geschäftsführerposition denkbar, dass das Konzept bei mehreren Geschäftsführerstellen eine Streichung dieser Stellen bis maximal auf einen Posten vorsieht. Ist ein solcher Sanierungsplan gegeben und bereits soweit durchdacht, dass er unmittelbar umgesetzt werden könnte, kann die Gesellschaft hieraus ein betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG herleiten. b) Anwendbarkeit des § 613a Abs. 4 BGB auf GmbH-Geschäftsführer? Weitaus problematischer ist die Frage, ob Geschäftsführer auch den Schutz des § 613a Abs. 4 BGB geltend machen können. aa) Auslegung des § 613a Abs. 4 BGB Diesbezüglich ist § 613a Abs. 4 BGB auszulegen. (1) Wortlaut Nach der Regelung des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers wegen eines Betriebsüberganges unwirksam. Der Wortlaut der Norm deutet darauf hin, dass Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung grundsätzlich nicht vom Schutzbereich der Vorschrift erfasst werden sollen, wenn ihre Anstellungsverträge überwiegend als Dienstverträge qualifiziert werden.1158 1155
BAG NJW 1984, 627 (629). Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 49; so auch Annuß/Stamer, NZA 2003, 1247 (1248); KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 577; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 282; BAG NZA 2003, 1027 (1028 f.); BAG NZA 1997, 148 (149 f.); BAG NJW 1984, 627 (629); BAG NZA 2007, 387 (388 f.). 1157 BAG NZA 2003, 1027 (1029); BAG NZA 2007, 387 (389); ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 282. 1158 Siehe unter Kap. 1 A. I. und II. sowie B. I. 1156
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
(2) Systematik Die systematische Stellung des § 613a Abs. 4 BGB im achten Abschnitt des Bürgerlichen Gesetzbuches unter Titel 8 „Dienstvertrag und ähnliche Verträge“ erlaubt keinen Rückschluss auf die Frage, ob GmbH-Geschäftsführer sich auf das Kündigungsverbot berufen können. § 611 BGB sowie § 612 BGB sind allgemein für Dienstverträge geltende Vorschriften. § 612a BGB gilt zwar ausschließlich für Dienstverträge als Arbeitsverträge, aber schon § 613 BGB und auch die §§ 614 ff. BGB sind allgemeine Regelungen in Bezug auf Dienstverhältnisse. § 613a BGB, welcher allein auf Arbeitsverhältnisse verweist, steht somit in einem Gefüge aus Normen, die sich teilweise allein auf Arbeitsverträge, aber andererseits überwiegend auf Dienstverträge beziehen. Die Systematik ist damit offen, so dass aus ihr kein Aussagegehalt für die Geltung des § 613a Abs. 4 BGB abgeleitet werden kann. (3) Entstehungsgeschichte § 613a BGB ist im Jahre 1979 seitens des Gesetzgebers geschaffen worden.1159 Die Norm, welche den Schutzgehalt des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie vom 14. 02. 1977 umsetzt, soll verdeutlichen, dass „wegen des Betriebsübergangs eine Kündigung nicht zulässig ist, wodurch jedoch eine Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen nicht ausgeschlossen wird“.1160 Die Gesetzesbegründung sagt nicht ausdrücklich, dass die Vorschrift allein für Arbeitnehmer Geltung erlangen soll. Der fehlende Bezug auf den Arbeitnehmerbegriff kann aber grundsätzlich nicht dazu führen, dass der Gesetzgeber auch GmbH-Geschäftsführern den Schutz des § 613a Abs. 4 BGB zukommen lassen wollte. Die Richtlinie 77/187/EWG, auf welche § 613a Abs. 4 BGB zurückgeht, bezweckt einen Kündigungsschutz für Arbeitnehmer und sieht als Arbeitnehmer solche Personen an, die nach den Rechtsvorschriften oder der Praxis der Mitgliedstaaten Arbeitnehmer sind.1161 1979 wurden GmbHGeschäftsführer in aller Regel noch nicht als Arbeitnehmer beurteilt, zumindest entstand die eigentliche Diskussion um eine eventuelle Arbeitnehmereigenschaft erst Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre.1162 Es ist somit nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber im Zeitpunkt der Entstehung der Norm Geschäftsführer als Arbeitnehmer einstufte und sie vom Schutzgehalt des § 613a Abs. 4 BGB als umfasst ansehen wollte. (4) Sinn und Zweck Eine solche Sichtweise wird insbesondere durch den Sinn und Zweck der Regelung bestätigt. Der Gesetzgeber verwies in seiner Begründung nämlich auf die 1159 1160 1161
1977). 1162
Vgl. BT-Drs. 8/3317 v. 06. 11. 1979, S. 4 f. zu Art. 1 (§ 613a). BT-Drs. 8/3317 v. 06. 11. 1979, S. 11 zu Nr. 4 Buchstabe b. ABl. Nr. L 61 v. 05. 03. 1977, S. 26 f. zu Art. 2 und Art. 3 (RL 77/187/EWG v. 14. 02. Siehe unter Kap. 1 C. III. 3. b) ee) (2).
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Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach die Nichtzulässigkeit einer Kündigung bereits aus dem Zweck des § 613a BGB folge.1163 In einer explizit vom Gesetzgeber aufgeführten Bundesarbeitsgerichtsentscheidung konstatierte das Gericht, dass Sinn und Zweck des § 613a BGB die Sicherung des Bestandes der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer sei.1164 Dies hat das Bundesarbeitsgericht schon 1974, zu einer Zeit entschieden, wo es nur sehr vereinzelte Stimmen gab, welche die Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern in Erwägung zogen.1165 Der Schutzzweck der Norm, Arbeitsverhältnisse zu sichern, kann demnach nur erfüllt werden, wenn es sich um Arbeitnehmer handelt, wozu die Geschäftsführer nicht zählten. Sie waren nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG vielmehr vom Schutz des Kündigungsschutzgesetzes ausgeschlossen, so dass in der Konsequenz § 613a Abs. 4 BGB für diese Beschäftigtengruppe keine Wirkung erzielen würde. GmbH-Geschäftsführer sind damit nicht vom Schutzbereich der Vorschrift erfasst. (5) Ergebnis Während die systematische Stellung des § 613a BGB keine Schlussfolgerung auf eine Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit des § 613a Abs. 4 BGB auf GmbHGeschäftsführer zulässt, ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm, insbesondere aber aus der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der Bestimmung, dass § 613a Abs. 4 BGB nicht für Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gilt. bb) Analoge Anwendung des § 613a Abs. 4 BGB? Das Ergebnis der Auslegung des § 613a BGB wird durch die überwiegende Rechtsprechung und Literatur bekräftigt, welche insbesondere eine analoge Anwendung der Vorschrift auf GmbH-Geschäftsführer verneinen.1166 Eine entsprechende Anwendbarkeit des § 613a BGB auf Geschäftsführer einer GmbH würde eine planwidrige Regelungslücke sowie eine Vergleichbarkeit voraussetzen.1167 § 613a BGB kann jedoch keine Lückenhaftigkeit in Bezug auf Dienstverhältnisse eines gesetzlichen Vertreters entnommen werden.1168 Die Norm wurde seit ihrer Einfüh1163
BT-Drs. 8/3317 v. 06. 11. 1979, S. 11 zu Nr. 4 Buchstabe b. BAG NJW 1975, 1378 (1379). 1165 Vgl. Kap. 1 C. III. 3. b) ee) (2) (a). 1166 BAG NZA 2003, 552 (554); BAG NZA 2003, 854 (856); LAG Hamm ZInsO 2001, 282 (285 f.); OLG Hamm GmbHR 1991, 466 (467); Palandt/Weidenkaff, BGB, § 613a Rn. 5; ErfK/ Preis, § 613a BGB Rn. 67; Bamberger/Roth/Fuchs, BGB, § 613a BGB Rn. 28; Erman/ Edenfeld, BGB, § 613a BGB Rn. 42, Verneinung einer Anwendung des § 613a BGB; Jauernig/ Mansel, BGB, § 613a BGB Rn. 2, Verneinung einer direkten Anwendung; siehe auch MünchKommBGB/Müller-Glöge, § 613a BGB Rn. 82, der jedoch differenziert und § 613a bei persönlicher Abhängigkeit auf Fremdgeschäftsführer anwenden will. 1167 BAG NZA 2003, 552 (554). 1168 BAG NZA 2003, 552 (554). 1164
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rung am 15. 01. 1972 zweimal geändert, ohne dass der persönliche Geltungsbereich anders gefasst wurde.1169 Vielmehr hat der Gesetzgeber die ausschließliche Geltung der Vorschrift für Arbeitsverhältnisse klar festgelegt.1170 Auch ist der Sinn und Zweck des § 613a BGB darauf gerichtet, eine Lücke im Kündigungsschutzrecht bei Arbeitsverhältnissen zu beheben.1171 Da Geschäftsführer gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keinen Kündigungsschutz haben, kann die Regelung des § 613a BGB ihren Zweck nicht erfüllen, sondern würde erst einen Schutz schaffen, der grundsätzlich nicht beabsichtigt ist.1172 Dem steht nicht die Tatsache entgegen, dass auch nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterliegenden Arbeitsverhältnissen der Schutz des § 613a BGB zu Teil wird.1173 Eine solche Schutzwirkung ist durch das Gemeinschaftsrecht zwingend geboten, da die Richtlinie, welche durch § 613a BGB umgesetzt wird, als Arbeitnehmer jede Person ansieht, die nach nationalem Recht Arbeitnehmer ist.1174 Eine analoge Anwendung des § 613a BGB auf Geschäftsführer, deren Anstellungsverträge keine Arbeitsverträge sind, kann überdies nicht auf Art. 3 Abs. 1 GG gestützt werden.1175 Organmitglieder sind durch die §§ 134, 138, 242 BGB vor willkürlichen Kündigungen geschützt.1176 Zudem muss beachtet werden, dass die Beziehung zwischen einem Geschäftsführer und den Gesellschaftern durch ein enges Vertrauensverhältnis geprägt ist; es kann dem Betriebserwerber mithin nicht zugemutet werden, an die vorhandenen Organe „gebunden zu sein“ und nicht eine ihm beliebige Person einzusetzen.1177 Alles in allem enthält § 613a BGB keine planwidrige Regelungslücke in Bezug auf die Dienstverhältnisse von GmbH-Geschäftsführern. An diesem Ergebnis ändert sich grundsätzlich auch dann nichts, wenn die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer ausnahmsweise die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes vereinbaren. Hierdurch lässt sich eine Regelungslücke nicht begründen. Der Gesetzgeber hat die Geltung des § 613a BGB auf Arbeitsverhältnisse beschränkt.1178 Die Richtlinie bezweckt den Schutz von Arbeitnehmern, die in dem jeweiligen Mitgliedstaat durch einzelstaatliches Arbeitsrecht geschützt sind.1179 Die Begriffsbestimmung des Arbeitsvertrages oder des Arbeitsverhältnisses bleibt dabei 1169 BAG NZA 2003, 552 (554); § 613a BGB wurde seither einmal geändert, ohne dass der Anwendungsbereich anders definiert wurde – vgl. BGBl. v. 23. 03. 2002 Nr. 21, Teil I, S. 1667 f. zu Art. 4. 1170 BAG NZA 2003, 552 (554). 1171 BAG NZA 2003, 552 (554). 1172 BAG NZA 2003, 552 (554). 1173 BAG NZA 2003, 552 (554). 1174 BAG NZA 2003, 552 (554). 1175 BAG NZA 2003, 552 (554). 1176 BAG NZA 2003, 552 (554) und siehe unter Kap. 3 B. III. 2. b). 1177 BAG NZA 2003, 552 (554). 1178 Siehe unter Kap. 3 F. II. 5. b) aa) (3) und (4). 1179 ABl. Nr. L 82 v. 22. 03. 2001, S. 17 zu Art. 2 1.d) (RL 2001/23/EG v. 12. 03. 2001).
F. Materielle Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung
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den Mitgliedstaaten überlassen.1180 Auch wenn Geschäftsführer aufgrund einer individuellen Vereinbarung gesetzlichen Kündigungsschutz genießen, kann nicht angenommen werden, dass sie in den Schutzbereich des § 613a BGB einbezogen werden sollen. Selbst wenn sie auf diese Weise die Voraussetzungen eines innerstaatlichen Kündigungsschutzes erfüllen, sind sie nicht als Arbeitnehmer anzusehen. Sofern sich GmbH-Geschäftsführer im Einzelfall nicht ausnahmsweise als Arbeitnehmer bewerten lassen, kann § 613a BGB auf diese Personengruppe keine Anwendung finden. In der Folge sind sie nicht vom Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB geschützt. cc) Ergebnis Im Ergebnis ist nicht ausgeschlossen, dass ein Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB bei GmbH-Geschäftsführern ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 3 KSchG darstellt, wenn die Kündigungen der Anstellungsverträge nicht durch andere Maßnahmen vermeidbar sind. Nur wenn ein gesetzlicher Vertreter ausnahmsweise als Arbeitnehmer im Sinne des innerstaatlichen Rechts qualifiziert werden kann, würde § 613a BGB Anwendung finden. 6. Insolvenzverfahren Die Insolvenz eines Unternehmens ist bei Arbeitnehmern kein betrieblicher Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 3 KSchG.1181 Eine solche Sichtweise ergibt sich aus § 108 Abs. 1 S. 1 InsO, welcher das Fortbestehen der Arbeitsverhältnisse für die Insolvenzmasse anordnet.1182 Der Insolvenzverwalter ist gemäß § 113 S. 1 InsO jedoch zur Kündigung der Dienstverhältnisse berechtigt. Da § 113 InsO keinen eigenständigen Kündigungsgrund beinhaltet, müssen insofern dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 3 KSchG gegeben sein.1183 Vereinbaren die GmbH und ihr Geschäftsführer die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, sind diese Ausführungen grundsätzlich ebenso für einen gesetzlichen Vertreter verbindlich. Gemäß § 108 Abs. 1 S. 1 InsO bestehen auch die Anstellungsverhältnisse als Dienstverträge von GmbH-Geschäftsführern im Falle einer Insolvenz fort.1184 Der Insolvenzverwalter ist gemäß § 113 S. 1 InsO zwar zu einer Kündigung der Dienstverhältnisse berechtigt.1185 Er muss bei einer Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes für einen GmbH-Geschäftsführer aber 1180
ABl. Nr. L 82 v. 22. 03. 2001, S. 17 zu Art. 2 2. (RL 2001/23/EG v. 12. 03. 2001). KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 589. 1182 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 589. 1183 BAG NZA 2006, 720 (722); BAG NJW 1983, 1341 (1341). 1184 MünchKommGmbHG/Müller, § 64 Rn. 83; BGH NJW 2005, 3069 (3070); vgl. auch BGH NJW 1980, 595 (595) (im Falle des Konkurses). 1185 BGH NJW 2005, 3069 (3070); MünchKommGmbHG/Müller, § 64 Rn. 84. 1181
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 3 KSchG beachten.1186 Normalerweise obliegt ihm eine solche Pflicht nicht, wenn einem Geschäftsführer jederzeit unter Beachtung der entsprechenden Kündigungsfristen ohne Vorliegen eines Kündigungsgrundes gekündigt werden kann. In einem solchen Fall ist es dann ohnehin nicht möglich, einen Kündigungsgrund nach dem Kündigungsschutzgesetz zu fordern. Genießt ein Organmitglied hingegen den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes, müssen für ihn grundsätzlich die gleichen Anforderungen gelten wie bei einer Kündigung eines Arbeitnehmers. Auch wenn die Rechtsprechung davon ausgeht, dass eine Kündigung nach § 113 InsO die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG wahren muss, falls der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes eröffnet ist,1187 kann dann nichts anderes zum Tragen kommen für den Fall, dass die Vertragsparteien die Anwendbarkeit der gesetzlichen Kündigungsbestimmungen individualvertraglich herbeiführen. 7. Ergebnis Bei GmbH-Geschäftsführern kann eine auf Auftragsmängel und Umsatzrückgänge gestützte unternehmerische Entscheidung nur insoweit ein dringendes betriebliches Erfordernis sein, sofern eine GmbH mehr als einen Geschäftsführer beschäftigt und zukünftig die Zahl der Geschäftsführerposten auf nicht weniger als eine Stelle begrenzt wird. Eine berechtigte Änderung des Anforderungsprofils bewirkt ein betriebliches Erfordernis, wenn die Geschäftsführer nicht in der Lage sind, die geänderten Qualifikationen zu erwerben. Ebenso kann eine Betriebsstilllegung zu einem Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 3 KSchG führen. Im Unterschied zu Arbeitnehmern findet § 613a Abs. 4 BGB auf Geschäftsführer keine Anwendung, so dass eine GmbH eine Kündigung ferner auf einen Betriebsübergang stützen kann. Die Gesellschaft kann sich hingegen nicht durch Übertragung des Geschäftsführerpostens auf eine selbstständige Person auf ein dringendes betriebliches Erfordernis berufen. Auch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens allein stellt keinen betriebsbedingten Kündigungsgrund dar. Vielmehr ist der Insolvenzverwalter unter den Voraussetzungen der § 113 InsO, § 1 Abs. 2 KSchG zum Ausspruch einer Kündigung berechtigt.
III. Fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit Zweite Voraussetzung einer betriebsbedingten Kündigung ist das Nichtvorhandensein einer (Weiter)beschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz in
1186 Siehe auch BGH NJW 2005, 3069 (3070), wonach ebenfalls bei einer Nichtvereinbarung ein Kündigungsgrund gegeben sein muss (hier: wichtiger Grund). 1187 BAG NZA 2006, 720 (722).
F. Materielle Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung
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demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens.1188 Diese Anforderung ist bereits dem § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG, welcher eine fehlende Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers fordert, immanent.1189 Es darf dem Arbeitgeber nicht möglich sein, den Arbeitnehmer auf einem anderen freien, das heißt unbesetzten oder mit Sicherheit frei werdenden1190, gleichwertigen oder geringwertigeren Arbeitsplatz, gegebenenfalls nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen1191, weiter zu beschäftigen.1192 Die §§ 1 Abs. 2 S. 2 und 3 KSchG kommen auch ohne Widerspruch des Betriebsrates zur Anwendung, ein Arbeitnehmer kann sich mithin auch dann auf eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit berufen, wenn der Betriebsrat nicht widersprochen hat oder ein solcher nicht existiert.1193 Ebenfalls muss kein Verstoß gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes (§ 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 KSchG) gegeben sein, da eine Weiterbeschäftigung als milderes Mittel im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes immer in Betracht gezogen werden muss.1194 Übertragen auf GmbH-Geschäftsführer bedeuten die vorangegangenen Ausführungen, dass bei Vorliegen eines betrieblichen Erfordernisses, beispielsweise durch Streichung eines Geschäftsführerpostens bei mehreren vorhandenen Stellen, für denjenigen Geschäftsführer, dessen Posten wegfällt, keine andere Beschäftigungsmöglichkeit in der GmbH bestehen darf.1195 Eine gleichwertige Tätigkeit scheidet dabei in aller Regel aus. Als eine solche wäre nur ein anderer Geschäftsführerposten zu erwägen. Ein solcher wird jedoch regelmäßig nicht frei sein oder mit Sicherheit frei werden.1196 Dies gilt grundsätzlich auch für einen geringwertigeren Arbeitsplatz, auf welchen ein Mehrheits- oder Alleingesellschafter-Geschäftsführer von vornherein nicht versetzt werden kann. Es ist schon fraglich, ob ein Geschäftsführer mit einer Versetzung einverstanden wäre.1197 In jedem Fall wird es, insbesondere mangels 1188 BAG NZA 1992, 644 (645); BAG NZA 1985, 489 (491); BAG NZA 2004, 1268 (1270); BAG NZA 2007, 431 (434); BAG Urteil v. 09. 09. 2010 – 2 AZR 493/09, juris Rn. 20; BAG NZA 1987, 776 (776); Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 16 f.; Küttner/Röller/Eisemann, Personalbuch, Kündigung, betriebsbedingte Rn. 12 und 14; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 545. 1189 BAG NZA 1992, 644 (645); BAG NZA 1985, 489 (491 f.). 1190 BAG NZA 1991, 181 (182); BAG Urteil v. 01. 03. 2007 – 2 AZR 650/05, juris Rn. 24; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 250. 1191 Küttner/Röller/Eisemann, Personalbuch, Kündigung, betriebsbedingte Rn. 15. 1192 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 134 Rn. 16; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 252; BAG NZA 1991, 181 (182); BAG NZA 2003, 605 (606); BAG NZA 2004, 1268 (1270). 1193 BAG Urteil v. 13. 09. 1973 – 2 AZR 601/72, juris Rn. 8 – 35, mit ausführlicher Begründung und w. N.; BAG NZA 1985, 489 (492); BAG NZA 1992, 644 (645); BAG NZA 2004, 1268 (1270); BAG NZA 2003, 605 (606); ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 376. 1194 Vgl. BAG NZA 1992, 644 (645). 1195 Vgl. Jaeger, DStR 2010, 2312 (2316), Vorrang der Änderungs- vor der Beendigungskündigung. 1196 Siehe unter Kap. 3 D. II. 1. b) dd) (1). 1197 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2316).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
eines bestehenden Direktionsrechts, schwierig sein, den Fremdgeschäftsführer oder minderheitsbeteiligten Geschäftsführer auf einen freien Arbeitsplatz versetzen zu können.1198
IV. Soziale Auswahl § 1 Abs. 3 KSchG Gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 HS. 1 KSchG ist der Arbeitgeber trotz des Vorliegens betrieblicher Erfordernisse verpflichtet, eine soziale Auswahl durchzuführen, welche die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des gekündigten Arbeitnehmers ausreichend berücksichtigt. Diese Voraussetzung muss grundsätzlich auch bei einem GmbH-Geschäftsführer gelten.1199 Eine Übertragbarkeit der Grundsätze der Sozialauswahl auf die Beendigung des Anstellungsverhältnisses eines GmbH-Geschäftsführers gestaltet sich jedoch schwierig. 1. Kündigung eines Arbeitnehmers Voraussetzung einer Sozialauswahl im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 1 HS. 1 KSchG ist eine Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer.1200 Diesbezüglich sind nach allgemeiner Auffassung nur Arbeitnehmer eines Beschäftigungsbetriebes einzubeziehen, unabhängig davon, ob Betriebsabteilungen oder Betriebsteile räumlich weit voneinander entfernt sind.1201 Nicht zu berücksichtigen sind Arbeitnehmer anderer Betriebe des Unternehmens oder eines Konzerns.1202 Relevant für die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer ist ihre bisherige im Unternehmen wahrgenommene Tätigkeit.1203 Eine Vergleichbarkeit ist bei allen Beschäftigten gegeben, die ausgetauscht werden können.1204 Sie ist in jedem Fall bei einer vollkommenen Identität der Aufgaben-
1198
Vgl. die Ausführungen unter Kap. 3 D. II. 1. b) dd) (1). Jaeger, DStR 2010, 2312 (2317). 1200 BAG NZA 1991, 181 (184); BAG NZA 2005, 285 (288); KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 614. 1201 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 608 f.; Müller, MDR 2002, 491 (492); ErfK/ Oetker, § 1 KSchG Rn. 318 f.; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 135 Rn. 3; BAG NZA 2005, 285 (288); BAG NZA 2005, 175 (176 f.); LAG Sachsen-Anhalt NZA-RR 2001, 81 (82). 1202 Küttner/Röller/Eisemann, Personalbuch, Kündigung, betriebsbedingte Rn. 30; Schiefer, NZA-RR 2002, 169 (170); BAG NZA 2005, 1175 (1176). 1203 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 614; Küttner/Röller/Eisemann, Personalbuch, Kündigung, betriebsbedingte Rn. 31; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 135 Rn. 11; BAG NZA 1986, 64 (65); BAG NZA 1991, 181 (184); BAG NZA 2005, 285 (289); BAG NZA 2005, 175 (177). 1204 Küttner/Röller/Eisemann, Personalbuch, Kündigung, betriebsbedingte Rn. 31; ErfK/ Oetker, § 1 KSchG Rn. 323; BAG NZA 1991, 181 (184); BAG NZA 2005, 285 (289). 1199
F. Materielle Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung
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gebiete zu bejahen.1205 Bei einer teilweisen Identität muss festgestellt werden, ob der Arbeitnehmer, der vom Arbeitsplatzwegfall betroffen ist, aufgrund seiner beruflichen Erfahrung und seiner Kenntnisse die Arbeitsleistung, unter Umständen nach einer kurzen Einarbeitungsphase, derjenigen Arbeitnehmer erbringen könnte, die in der Auswahl zu berücksichtigen sein sollen.1206 Es muss dem Arbeitgeber hierbei möglich sein, dem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz betriebsbedingt wegfällt, durch die Ausübung seines Direktionsrechts einen anderen Arbeitsplatz zuzuweisen.1207 Keine Vergleichbarkeit ist bei Arbeitnehmern unterschiedlicher Hierarchieebenen anzunehmen; es können nur Arbeitnehmer derselben Ebene miteinander verglichen werden (horizontale Vergleichbarkeit).1208 Nach § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG sind Arbeitnehmer nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Wortlaut der Norm deutet darauf hin, dass solche Beschäftigte von vornherein nicht zu den vergleichbaren Arbeitnehmern zu zählen sind.1209 Die Rechtsprechung hingegen vertritt die Ansicht, das „Interesse des sozial schwächeren Arbeitnehmers ist im Rahmen des § 1 III 2 KSchG a.F. gegen das betriebliche Interesse an der Herausnahme des Leistungsträgers abzuwägen: Je schwerer dabei das soziale Interesse wiegt, umso gewichtiger müssen die Gründe für die Ausklammerung des „Leistungsträgers“ sein“.1210 Die Tatsache, dass der Gesetzgeber ein berechtigtes betriebliches Interesse verlange, deute darauf hin, dass ein betriebliches Interesse auch nicht berechtigt sein könne.1211 Besondere Kenntnisse umfassen in der Ausbildung, durch die berufliche Tätigkeit oder durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen erworbenes Wissen (zum Beispiel 1205 BAG NZA 1991, 181 (184); BAG NZA 2005, 986 (990); KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 618. 1206 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 618; Küttner/Röller/Eisemann, Personalbuch, Kündigung, betriebsbedingte Rn. 31; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 135 Rn. 11 f.; Weng, DB 1978, 884 (885); Meisel, BB 1963, 1058 (1060); BAG NZA 1990, 226 (226); BAG NZA 2005, 986 (990); BAG NZA 2006, 207 (209); BAG NZA 2008, 1120 (1122); BAG NZA 1999, 431 (432). 1207 Schiefer, NZA-RR 2002, 169 (172); ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 323; KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 621; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 135 Rn. 8; BAG NZA 2000, 822 (823); BAG NZA 2005, 285 (289); BAG NZA 2005, 175 (177); BAG NZA 2006, 207 (209 f.); BAG NZA 2008, 1120 (1122). 1208 Horcher, NZA-RR 2006, 393 (394); KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 623; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 135 Rn. 7; Küttner/Röller/Eisemann, Personalbuch, Kündigung, betriebsbedingte Rn. 33; BAG NZA 1991, 181 (184); BAG NZA 1993, 795 (798); BAG NZA 2001, 437 (443); BAG NZA 2005, 175 (177). 1209 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 135 Rn. 45; zustimmend: Bader, NZA 2004, 65 (73). 1210 BAG NZA 2003, 42 (43); so auch BAG NZA 2007, 1362 (1363); BAG NZA 2013, 86 (90); BAG NZA 2012, 1040 (1042); ablehnend: Willemsen/Annuß, NJW 2004, 177 (179); Thüsing/Stelljes, BB 2003, 1673 (1675). 1211 BAG NZA 2003, 42 (43); BAG NZA 2008, 1120 (1122); BAG NZA 2013, 86 (90); BAG NZA 2007, 1362 (1363); zustimmend: Preis, NZA 1997, 1073 (1086).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Sprachkenntnisse, besondere Fachkenntnisse).1212 Fähigkeiten meinen Eigenschaften des Arbeitnehmers, welche unabhängig von den erlangten Kenntnissen existieren (Führungsqualitäten, Verkaufstalent).1213 Besondere Leistungen sind bei einem sehr leistungsstarken Arbeitnehmer zu bejahen.1214 Die Herausnahme der Arbeitnehmer liegt im berechtigten betrieblichen Interesse, wenn bei einer Einbeziehung in die soziale Auswahl anderenfalls konkrete Nachteile für den Arbeitgeber respektive das Unternehmen entstehen1215 oder wenn die Interessen dem Unternehmenszweck dienen beziehungsweise für das Unternehmen einen immensen Vorteil bedeuten.1216 2. Soziale Auswahl bei GmbH-Geschäftsführern? Ausgangspunkt der Problematik einer Anwendbarkeit des § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG im Falle einer betriebsbedingten Kündigung eines Geschäftsführers im Sinne des § 6 GmbHG ist die Feststellung, dass eine Sozialauswahl ohnehin allein bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung in Frage kommt, welche mehr als einen Geschäftsführer beschäftigen. Einem Geschäftsführer kann, wie bereits festgestellt, nämlich nicht betriebsbedingt gekündigt werden.1217 Hinzu kommt, sofern eine GmbH lediglich ein Organmitglied hat, dieses nicht mit den anderen Angestellten des Unternehmens vergleichbar ist. Einer solchen Vorgehensweise steht schon das Verbot einer vertikalen Vergleichbarkeit entgegen.1218 Es kann nicht ein Geschäftsführer auf der höchsten Ebene der Hierarchie mit einem Beschäftigten verglichen werden, der nicht auf derselben Ebene tätig ist. Zudem kann der Arbeitgeber im Rahmen der Ausübung seines Direktionsrechts, einem Geschäftsführer nicht eine geringwertigere Tätigkeit und umgedreht einem Arbeitnehmer die Position eines Geschäftsführers zuweisen. Eine solche Möglichkeit scheidet bereits deshalb aus, weil ein Geschäftsführer in der Regel keinem arbeitsrechtlichen Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung unterliegt.1219 Da an die Tätigkeit eines Geschäftsführers erhöhte Anforderungen gestellt werden als an eine andere Position im Unternehmen, ist das Organmitglied ferner aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mit anderen Beschäftigten, die keine Geschäftsführer sind, vergleichbar.1220 1212
KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 635a; Ascheid, RdA 1997, 333 (338). Ascheid, RdA 1997, 333 (338). 1214 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 638. 1215 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 135 Rn. 48; Willemsen/Annuß, NJW 2004, 177 (179). 1216 KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 630; Küttner/Röller/Eisemann, Personalbuch, Kündigung, betriebsbedingte Rn. 38; Willemsen/Annuß, NJW 2004, 177 (179); Fischermeier, NZA 1997, 1089 (1092); Bader, NZA 2004, 65 (73 f.), nachvollziehbarer Vorteil; vgl. Löwisch, BB 2004, 154 (155), Nichteinbeziehung muss aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers erforderlich sein; Preis, NZA 1997, 1073 (1087), notwendig seien sachliche Gründe. 1217 Siehe unter Kap. 3 F. II. 1. 1218 Siehe unter Kap. 3 F. IV. 1. 1219 Vgl. zum Meinungsstand Kap. 1 B. I. 1220 Vgl. KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 634. 1213
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Angesichts einer nicht gegebenen Austauschbarkeit ist es nicht möglich, Geschäftsführer und Arbeitnehmer gleichermaßen in die soziale Auswahl einzubeziehen. Eine Auswahl ist daher von vornherein nur bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung denkbar, bei der mehrere Geschäftsführer angestellt sind. Dies ist unter Umständen bei einer großen GmbH der Fall oder wenn es für einen Betrieb mit mehreren Betriebsabteilungen nicht nur einen Geschäftsführer gibt. Zu dem Kreis der vergleichbaren Beschäftigten gehören dann alle Geschäftsführer.1221 Nicht zu berücksichtigen sind die gesetzlichen Vertreter eines anderen Betriebes oder Unternehmens. Problematisch ist es, wenn ein Unternehmen zwar mehr als einen Geschäftsführer beschäftigt, aber lediglich mit einem Organmitglied die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes vereinbart wurde. Wird auch der Geschäftsführer oder werden die Geschäftsführer, die keinen Kündigungsschutz genießen in die Sozialauswahl einbezogen, bekämen sie einen zusätzlichen Schutz, sofern die Auswahl zu ihren Gunsten ausfällt. Für den gesetzlichen Vertreter, mit dem die Geltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes vereinbart ist, wäre ein solches Ergebnis unter Umständen ungerecht. Arbeitnehmer, denen kein Kündigungsschutz zu Teil wird, weil sie die Voraussetzungen der §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG nicht erfüllen, werden nicht in der Sozialauswahl berücksichtigt.1222 Auf Geschäftsführer übertragen, dürften diese aufgrund der Regelung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG und dem damit einhergehenden Ausschluss eines Kündigungsschutzes nicht in die soziale Auswahl einbezogen werden. Die Voraussetzung des § 1 Abs. 3 S. 1 HS. 1 KSchG kann damit nur zur Anwendung kommen, wenn eine GmbH mehr als einen Geschäftsführer hat und mit allen die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes individualvertraglich vereinbart ist. Aber selbst in einem solchen Fall könnte einem Vergleich der jeweiligen Organmitglieder die tätigkeitsbezogene Vergleichbarkeit, folglich die nicht mögliche Austauschbarkeit der Geschäftsführer entgegenstehen.1223 Ein für das Verwaltungsressort zuständiger Geschäftsführer, dessen Stelle nicht bestehen bleiben soll, kann unter Umständen nicht geltend machen, er könne den Geschäftsführerposten Technik und Entwicklung übernehmen.1224 Zur Ausübung dieser Position kann das Organmitglied gegebenenfalls aufgrund seiner fehlenden jedoch hierfür notwendigen Qualifikationen nicht in der Lage sein.1225 Die Voraussetzung der tätigkeitsbezogenen Vergleichbarkeit wird in der Praxis daher nicht selten dazu führen, dass eine Sozialauswahl nicht vorgenommen werden
1221
Jaeger, DStR 2010, 2312 (2317). BAG NZA 1986, 64 (66); BAG NZA 2001, 321 (323); KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 662; Küttner/Röller/Eisemann, Personalbuch, Kündigung, betriebsbedingte Rn. 28; Schiefer, NZA-RR 2002, 169 (176 f.); Horcher, NZA-RR 2006, 393 (394 f.); a.A. Müller, MDR 2002, 491 (494). 1223 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2317). 1224 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2317). 1225 Jaeger, DStR 2010, 2312 (2317). 1222
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kann.1226 Nur wenn der Geschäftsführer des Verwaltungsressorts, wegen seiner beruflichen Erfahrung sowie seiner Kenntnisse, die Arbeitsleistung des Geschäftsführers des Technik- und Entwicklungsbereiches, unter Umständen nach einer kurzen Einarbeitungsphase, erbringen könnte, kann eine tätigkeitsbezogene Vergleichbarkeit, mithin eine Austauschbarkeit bejaht und in der Folge eine soziale Auswahl durchgeführt werden. Die Gesellschafter müssten dann die Betriebszugehörigkeitsdauer, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und eine etwaige Schwerbehinderung der Geschäftsführer in ausreichendem Maße berücksichtigen, um feststellen zu können, welches Anstellungsverhältnis aufgrund geringerer Schutzbedürftigkeit betriebsbedingt gekündigt werden kann.1227 Beachtet werden muss in diesem Zusammenhang, dass es der Gesellschaft auch bei der Beendigung des Anstellungsvertrages eines GmbH-Geschäftsführers möglich sein muss, sich auf § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG zu berufen und auf diese Weise Geschäftsführer mit besonderen Kenntnissen und Fähigkeiten aus der sozialen Auswahl herauszunehmen. Bei Geschäftsführern könnte sich die Feststellung der besonderen Eigenschaften als schwierig erweisen, weil die Position eines gesetzlichen Vertreters bereits mit einer besonderen Qualifikation einhergeht. Denkbar wäre gegebenenfalls, dass ein Geschäftsführer bessere Führungsqualitäten besitzt oder das bessere Verkaufstalent als ein anderes Organmitglied ist, seine Anstellung der Gesellschaft auf diese Weise einen erheblichen Vorteil beziehungsweise Nutzen bringt. Gibt es mehrere Geschäftsführer, die besondere Kenntnisse und Fähigkeiten aufweisen, findet § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG entsprechende Anwendung; die Gesellschafterversammlung muss unter den in Betracht kommenden Beschäftigten eine soziale Auswahl vornehmen.1228 Ob bei Bejahung besonderer Kenntnisse oder Fähigkeiten eines Geschäftsführers dieser bereits nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen ist oder erst im Anschluss an die Vornahme einer Sozialauswahl wieder aus dem Kreis der vergleichbaren Beschäftigten herausfällt, kann vorliegend dahin gestellt bleiben. Es ist grundsätzlich nicht vorstellbar, dass eine GmbH in der Praxis überhaupt mehrere Geschäftsführer beschäftigt, denen allesamt der Schutz des Kündigungsschutzgesetzes zukommen soll und unter anderem ein Geschäftsführer oder beispielsweise zwei Geschäftsführer besondere Kenntnisse und Fähigkeiten aufweisen. Selbst wenn es eine solche Konstellation ausnahmsweise einmal geben sollte, wird die Prüfungsreihenfolge des § 1 Abs. 3 KSchG nicht entscheidend sein, da es bei einer GmbH grundsätzlich keinen Unterschied macht, ob ein Geschäftsführer, der die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 S. 2 Var. 2 KSchG erfüllt, erst im Anschluss an eine Sozialauswahl wieder herausfällt oder von vornherein nicht in die Auswahl einbezogen wird. Es wird im Ergebnis demjenigen Geschäftsführer gekündigt, der am wenigsten schutzbedürftig ist. 1226
Jaeger, DStR 2010, 2312 (2317). Jaeger, DStR 2010, 2312 (2317). 1228 In Bezug auf Arbeitnehmer KR-Griebeling, KSchG, § 1 KSchG Rn. 637; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 349. 1227
F. Materielle Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung
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3. Zusammenfassung Die Vornahme einer sozialen Auswahl im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG kann bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung problematisch sein.1229 Sie ist bei einer GmbH mit nur einem Geschäftsführer mangels betriebsbedingter Unkündbarkeit sowie Vergleichbarkeit der Beschäftigten von vornherein ausgeschlossen. Aber auch bei einer GmbH mit mehreren Geschäftsführern kann einer Sozialauswahl die Tatsache entgegenstehen, dass nicht mit allen Geschäftsführern die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes vereinbart ist oder die Geschäftsführer untereinander aufgrund unterschiedlicher Qualifikationen nicht austauschbar und vergleichbar sind. Soll in einem solchen Fall einem Geschäftsführer betriebsbedingt gekündigt werden, ist die Gesellschaft bei Vorliegen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses und einer fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ohne die Vornahme einer sozialen Auswahl zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses berechtigt. Erfüllen die Geschäftsführer hingegen die tätigkeitsbezogene Vergleichbarkeit und genießen allesamt den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes, ist die Vornahme einer sozialen Auswahl im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG Voraussetzung einer betriebsbedingten Kündigung, wenn nicht § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG zum Tragen kommt, so dass letztlich nur ein Geschäftsführer für die Sozialauswahl verbleibt. Die Gesellschaft hat dann die in § 1 Abs. 3 S. 1 HS. 1 KSchG genannten Kriterien in ausreichendem Maße zu berücksichtigen.
V. Gesamtergebnis betriebsbedingte Kündigung Auch bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gibt es betriebliche Erfordernisse, welche die GmbH zum Anlass einer betriebsbedingten Kündigung der Anstellungsverhältnisse ihrer Geschäftsführer nehmen kann, sofern eine Weiterbeschäftigung der Organmitglieder, wie dies oftmals zu bejahen sein wird, aufgrund eines fehlenden freien Arbeitsplatzes im Unternehmen nicht in Betracht kommt. Eine auf Auftragsmängel und Umsatzrückgänge gestützte unternehmerische Entscheidung kann ein dringendes betriebliches Erfordernis sein, wenn die GmbH mehr als einen Geschäftsführer beschäftigt und zumindest eine Stelle bestehen bleibt. Auch die Änderung des Anforderungsprofils eines Geschäftsführerpostens ist als betriebliches Erfordernis denkbar, während eine Auslagerung der Geschäftsführertätigkeit nicht möglich ist. Eine Betriebsstilllegung und ein Betriebsübergang, auch ein Insolvenzverfahren in Verbindung mit den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG, können wiederum ein betriebliches Erfordernis darstellen. Die Durchführung einer 1229 So auch in Bezug auf leitende Angestellte, die eine Vornahme bei solchen Beschäftigten als sehr schwierig ansehen: Rumler, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, 1990, S. 89 ff.; Leese, Die Abgrenzung der leitenden Angestellten, 2000, S. 34; Fiebig/Gallner/ Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, KSchR, § 14 KSchG Rn. 34; KR-Rost, KSchG, § 14 KSchG Rn. 47; Vogel, NZA 2002, 313 (315 f.); Diringer, BuW 2004, 342 (346); Becker, ZIP 1981, 1168 (1173).
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Kap. 3: Privatautonome Vereinbarung für GmbH-Geschäftsführer
Sozialauswahl ist nur bei einer Gesellschaft vorzunehmen, bei der mindestens zwei Geschäftsführer angestellt sind, die den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes genießen, deren Tätigkeiten vergleichbar sind und die keine besonderen Kenntnisse aufweisen, so dass § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG nicht entgegenstehen kann. Die §§ 1 Abs. 4 und 5 KSchG finden bei der Beendigung der Anstellungsverhältnisse von GmbHGeschäftsführern keine Anwendung. Die GmbH und ihre Geschäftsführer sind aber an die sich aus § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG und § 1 Abs. 3 S. 3 KSchG ergebenden Darlegungs- und Beweislasten gebunden.
G. Gesamtergebnis Kapitel 3 Die Ausführungen des dritten Kapitels haben ergeben, dass die GmbH und ihre Geschäftsführer die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes rechtlich vereinbaren können, sie hierdurch weder gegen kündigungsrechtliche noch gegen gesellschaftsrechtliche Rechtsgrundlagen verstoßen. Ein Exkurs zur Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung, welche nicht die Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes erfüllen muss, verdeutlichte, dass eine Beendigung des Anstellungsvertrages neben dem Gegebensein der formellen Voraussetzungen die Grenzen der zivilrechtlichen Generalklauseln der §§ 134, 138, 242 BGB wahren muss. Im Unterschied hierzu bedarf eine ordentliche Kündigung bei Vereinbarung der Geltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes neben dem Vorliegen der formellen Voraussetzungen eines rechtfertigenden Kündigungsgrundes im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG. Die Kündigung muss demnach durch einen personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Kündigungsgrund gerechtfertigt sein. In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass die Anforderungen, welche an die Kündigung von Arbeitnehmern gestellt werden, nur unter Berücksichtigung der speziellen Funktion mit der damit einhergehenden besonderen Vertrauensstellung der Geschäftsführer übertragen werden können. Die Kündigung ist grundsätzlich ebenfalls in drei Stufen zu prüfen, wird aber in der Regel, ähnlich wie bei leitenden Angestellten, zu einem früheren Zeitpunkt gerechtfertigt sein.
Kapitel 4
Rechtsschutzmöglichkeiten der GmbH-Geschäftsführer gegen eine ordentliche Kündigung Kündigt die GmbH die Anstellungsverhältnisse ihrer Geschäftsführer, muss es diesen möglich sein, sich hiergegen gerichtlich zur Wehr zu setzen. Ob für Klagen der GmbH-Geschäftsführer die ordentlichen Gerichte oder die Arbeitsgerichte zuständig sind und mit welcher Klageart die Organmitglieder die Kündigung ihrer Anstellungsverträge angreifen können, ist für die verschiedenen vertraglichen Gestaltungsvarianten, welche bei der Ausgestaltung der zivilrechtlichen Rechtsverhältnisse gewählt werden können, unterschiedlich zu beantworten.
A. Allgemeines § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) ArbGG eröffnet die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Gemäß § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG gelten als Arbeitnehmer nicht in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrages allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind. Für Rechtsstreitigkeiten solcher Personen besteht keine Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen, sondern sie müssen ihr Klagebegehren vor den ordentlichen Gerichten verfolgen.1 Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung können angesichts ihrer aus § 35 Abs. 1 GmbHG folgenden Vertretungsbefugnis damit grundsätzlich nicht vor den Arbeitsgerichten klagen.2 Sachlich zuständig für „Streitigkeiten“ aus dem Anstellungsvertrag und der Organstellung sind die ordentlichen Gerichte.3 Da § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG eine gesetzliche Fiktion enthält, ist der Rechtsweg zu der ordentlichen Gerichtsbarkeit auch dann zu wählen, wenn das
1 Schwab/Weth/Kliemt, ArbGG, § 5 Rn. 270; Germelmann/Künzl/Matthes u. a./MüllerGlöge, ArbGG, § 5 Rn. 45; Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (29). 2 Schwab/Weth/Kliemt, ArbGG, § 5 Rn. 287 f.; Natter/Groß/Perschke, ArbGG, § 5 Rn. 51; Hauck/Helml/Biebl/Helml, ArbGG, § 5 Rn. 22; Germelmann/Künzl/Matthes u. a./MüllerGlöge, ArbGG, § 5 Rn. 46a; BAG NZA 2003, 1108 (1109); BAG NZA 2011, 874 (875). 3 Reiserer, DB 2011, 2262 (2267); Schwab/Weth/Kliemt, ArbGG, § 5 Rn. 270.
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Kap. 4: Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine ordentliche Kündigung
der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich kein freier Dienstvertrag, sondern tatsächlich ein Arbeitsvertrag ist.4 Während das Bundesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang früher jedoch noch vertreten hatte, ein GmbH-Geschäftsführer könne nicht zu seinen Gunsten die sogenannte sic-non-Rechtsprechung ins Feld führen,5 hat es diese Sichtweise mit Beschluss vom 22. 10. 2014 sowie vom 03. 12. 2014 nunmehr eingeschränkt.6 In seinen Entscheidungen führte das Bundesarbeitsgericht zutreffend aus, dass nach der Beendigung der Organstellung durch eine Abberufung oder eine Amtsniederlegung und in der Folge einer Unanwendbarkeit der Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit der Rechtsweg zu der Arbeitsgerichtsbarkeit eröffnet ist, sofern mit der Klage allein Klageanträge geltend gemacht werden, die zu ihrer Begründung eine Einstufung des Anstellungsverhältnisses als Arbeitsverhältnis erfordern, welches nach wirksamer Abberufung eines Geschäftsführers fortbesteht oder wieder auflebt.7 Mit dieser Auffassung weicht das Bundesarbeitsgericht nun von seiner vorhergehenden Ansicht, die Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG greife stets dann ein, wenn die Organstellung eines Geschäftsführers im Zeitpunkt einer Klageerhebung noch nicht wirksam beendet gewesen sei, ab.8 Zwar sind, so das Bundesarbeitsgericht, für die Entscheidung über den zulässigen Rechtsweg nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die tatsächlichen Umstände im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit entscheidend, welche auch bei einer nachträglichen Änderung maßgeblich bleiben.9 Dieser sogenannte perpetuatio fori Grundsatz sei allerdings nur im Rahmen der Rechtswegerhaltung bestimmend, so dass alle bis zur letzten Tatsachenverhandlung eintretenden Umstände, die einen zunächst nicht gegebenen Rechtsweg nunmehr eröffnen, berücksichtigt werden müssten, wenn nicht zuvor ein rechtskräftiger Verweisungsbeschluss gefasst wurde oder bei einer Vorabentschei4 Hauck/Helml/Biebl/Helml, ArbGG, § 5 Rn. 28; Natter/Groß/Perschke, ArbGG, § 5 Rn. 52; Schwab/Weth/Kliemt, ArbGG, § 5 Rn. 271; ErfK/Koch, § 5 ArbGG Rn. 6; Germelmann/Künzl/Matthes u. a./Müller-Glöge, ArbGG, § 5 Rn. 45; Schulze/Hintzen, ArbRAktuell 2012, 332810; BAG NZA 1986, 792 (792); BAG NZA 1999, 839 (840); BAG NZA 2002, 52 (53); BAG NZA 2003, 1108 (1109); BAG NZA 2011, 874 (874 f.); BAG NZA 2013, 54 (55); BAG NZA 2015, 60 (61). 5 BAG NZA 1999, 839 (840); BAG NZA 1997, 1363 (1365); BAG MDR 2011, 1481 (1482); BAG NZA 2013, 54 (55); BAG NZA 2013, 397 (398). 6 BAG NZA 2015, 60 (60 ff.); BAG NZA 2015, 180 (180 ff.); zustimmend: Haase, GmbHR 2015, 253 (255); Lunk, NJW 2015, 528 (529); kritisch demgegenüber Geck/Fiedler, BB 2015, 1077 (1078 ff.); Graef/Heilemann, GmbHR 2015, 225 (229 f.); Grimm, jM 2015, 329 (331), welcher den Gesellschaftern in diesem Zusammenhang rät, die Geltung arbeitsrechtlicher Regelungen dadurch auszuschließen, einen vor der Begründung der Organstellung existenten Arbeitsvertrag ausdrücklich aufzuheben und bei einer erstmaligen Beschäftigung sich eindeutig auf den Abschluss eines Dienstvertrages zu verständigen. 7 BAG NZA 2015, 60 (61); BAG NZA 2015, 180 (181). 8 BAG NZA 2015, 60 (61 f.); BAG NZA 2015, 180 (181 f.). 9 BAG NZA 2015, 60 (61); BAG NZA 2015, 180 (181); so auch Haase, GmbHR 2015, 253 (254).
A. Allgemeines
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dung über die Rechtswegzuständigkeit gemäß § 17a Abs. 3 GVG spätere zuständigkeitsbegründende Änderungen im Wege eines Beschwerdeverfahrens nach § 17a Abs. 4 GVG wirksam eingeführt werden könnten und einen ursprünglich begründeten Verweisungsbeschluss unbegründet machen.10 Nachträglich entstehende Umstände in Bezug auf die Zuständigkeit müssen demnach auch dann beachtet werden, sofern ein Geschäftsführer, dessen Organstellung im Zeitpunkt der Erhebung der Klage vor dem Arbeitsgericht noch nicht beendet gewesen ist, vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit abberufen wird oder sein Amt niederlegt.11 Hierbei konstatiert das Bundesarbeitsgericht, dass einer Eintragung der Abberufung im Handelsregister nur deklaratorische Bedeutung zukomme und für die Wirkung der Abberufung allein der Zugang derselben bei dem Geschäftsführer entscheidend sei.12 Auf diese Weise soll insbesondere möglichen Manipulationen seitens der Gesellschaft, eine Abberufung nur aufgrund des dadurch bewirkten Ausschlusses der Arbeitsgerichtsbarkeit zu unterlassen beziehungsweise hinauszuschieben, entgegengewirkt werden.13 Zu beachten gilt jedoch, dass die bloße Behauptung, der Anstellungsvertrag sei ein Arbeitsvertrag, nur dann genügt, wenn der Geschäftsführer mit seiner Klage allein Ansprüche verfolgt, welche ausschließlich Arbeitnehmern zustehen.14 Hierin wird zukünftig möglicherweise aber gerade auch die Gefahr liegen, dass der Geschäftsführer, welcher darauf bedacht ist, einen Rechtsstreit vor der Arbeitsgerichtsbarkeit zu führen, nunmehr behaupten wird, bei seinem Anstellungsvertrag handele es sich um einen Arbeitsvertrag, um auf diese Weise die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zu begründen. Eine bloße Behauptung bedingt zwar in einem solchen Fall nicht eine automatische Geltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, wenn das Arbeitsgericht individuell entscheiden wird, ob ein GmbH-Geschäftsführer den Schutz dieser Regelungen genießt oder nicht.15 Da es sich bei einem Verfahren vor den Arbeitsgerichten im Vergleich zu einem solchen vor den ordentlichen Gerichten aber in der Regel um ein kostengünstigeres und schnelleres Verfahren handelt,16 könnte die Aussicht hierauf zur Folge haben, dass GmbH-Geschäftsführer auch dann behaupten, ihr Anstellungsvertrag sei ein Arbeitsvertrag, obgleich sie genau wissen, dass ihr Rechtsverhältnis zur GmbH als Dienstverhältnis zu qualifizieren ist.17 Ob das Bundesarbeitsgericht tatsächlich eine so weitreichende Wende in Bezug auf die Problematik der Rechtswegzuständigkeit bei Klagen eines GmbH-Geschäftsführers einleiten wollte,
10 11 12 13 14 15 16 17
BAG NZA 2015, 60 (61 f.); BAG NZA 2015, 180 (181). BAG NZA 2015, 60 (61); BAG NZA 2015, 180 (181). BAG NZA 2015, 60 (62). BAG NZA 2015, 60 (62); BAG NZA 2015, 180 (182); Haase, GmbHR 2015, 253 (255). BAG NZA 2015, 60 (61). Lunk, NJW 2015, 528 (529). Siehe auch Graef/Heilemann, GmbHR 2015, 225 (227). Lunk, NJW 2015, 528 (529).
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Kap. 4: Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine ordentliche Kündigung
ist offen.18 Berücksichtigt man den dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Sachverhalt, bei welchem ein Geschäftsführer zunächst nicht als solcher von der Gesellschaft eingestellt wurde und beachtet, dass das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 22. 10. 2014 ausführte, die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG entfalle dann, wenn die Organstellung vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit geendet habe, sofern mit der Klage allein Klageanträge geltend gemacht werden würden, die zu ihrer Begründung eine Einstufung des Anstellungsverhältnisses als Arbeitsverhältnis erfordern, welches nach wirksamer Abberufung eines Geschäftsführers fortbestehe oder wieder auflebe, könnten die neuen Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts auf die Gestaltungsvariante des ruhend gestellten und sodann wieder aufgelebten Arbeitsverhältnisses beschränkt sein. In der Praxis wird daher höchstwahrscheinlich die alleinige Behauptung des Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses nicht genügen, wenn der Geschäftsführer nicht gleichzeitig Tatsachen vorträgt, welche darauf hindeuten, dass er sich tatsächlich früher oder zu einem Zeitpunkt nach Beendigung seiner Organstellung in einem Arbeitsverhältnis befunden hat respektive befindet. Macht der gesetzliche Vertreter neben arbeitsrechtlichen Ansprüchen ausdrücklich auch Ansprüche geltend, die sowohl bei Bestehen eines Arbeitsverhältnisses als auch eines Dienstverhältnisses Erfolg haben können, schadet dies grundsätzlich nicht.19 Voraussetzung hierfür ist aber eine hilfsweise Geltendmachung dieser Forderungen, da sich bei Rechtshängigkeit des Hauptantrages die Zuständigkeit der gesamten Klage nur nach diesem richtet.20 Bei einer Entscheidung über den Hilfsantrag muss erneut über die Zulässigkeit des Rechtsweges befunden werden, weil einer vorhergehenden Entscheidung insofern keine Bindungswirkung zukommt.21
I. Vertragliche Gestaltungsvarianten zum Ausgleich des fehlenden Kündigungsschutzes Grundsätzlich keine Besonderheiten in Bezug auf den Rechtsweg bestehen, wenn die Gesellschaft und ihr Geschäftsführer einen befristeten Anstellungsvertrag abschließen oder längere Kündigungsfristen vereinbaren. Kommt es noch vor Ablauf der Befristung zu einer ordentlichen Beendigung des Dienstverhältnisses oder hält die GmbH die verlängerten Kündigungsfristen nicht ein, muss der Geschäftsführer eine hiergegen gerichtete Feststellungklage auf Unwirksamkeit der Kündigung
18
Siehe hierzu auch Stagat, NZA 2015, 193 (198), welcher die Ansicht vertritt, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gilt für aufgestiegene Geschäftsführer und originäre Fremdgeschäftsführer. 19 BAG NZA 2015, 180 (181). 20 BAG NZA 2015, 180 (181). 21 BAG NZA 2015, 180 (181).
A. Allgemeines
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gemäß § 256 ZPO22 vor den ordentlichen Gerichten erheben. Aufgrund seiner gesetzlichen Vertretungsmacht ist ihm der Rechtsweg zu einem Arbeitsgericht gemäß § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG verschlossen. Die Frage, ob der Geschäftsführer die Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG wahren muss, ist zu verneinen,23 weil die Regelungen des ersten Abschnittes des Gesetzes und damit § 4 und § 13 KSchG auf Organmitglieder nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keine Anwendung finden.24 Da auch keine anderen einschlägigen Vorschriften über Kündigungsfristen existieren, ist Grenze einer Klageerhebung grundsätzlich die Verwirkung.25 Entsprechend § 4 KSchG sollte dabei jedoch eine dreiwöchige Frist eingehalten werden.26 Haben die Gesellschaft und das Organmitglied im Falle der ordentlichen Beendigung die Zahlung einer Abfindung oder eines Übergangsgeldes vereinbart und verweigert die GmbH die Zahlung, muss der Geschäftsführer im Wege einer Leistungsklage27 vor den ordentlichen Gerichten sein Zahlungsbegehren verfolgen. Auch hier ist wegen § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG der Weg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet. Nach den Beschlüssen des Bundesarbeitsgerichts vom 22. 10. 2014 und 03. 12. 2014 könnte nunmehr für den GmbH-Geschäftsführer aber die Möglichkeit gegeben sein, durch eine bloße Behauptung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit zu begründen, auch wenn in einem etwaigen Rechtsstreit das Gericht bei tatsächlichem Bestehen eines Dienstvertrages zu einer Beurteilung des Rechtsstreits allein nach gesellschaftsrechtlichen Maßstäben kommen wird. Ob das Bundesarbeitsgericht eine solche Vorgehensweise tatsächlich beabsichtigen wollte und auch künftig tolerieren wird, bleibt abzuwarten, wird aber eher zu verneinen sein.28
II. Fälle der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes Etwas anderes könnte sich in den Fällen der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes ergeben.
22 Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann u. a./Hansen, Rechtsstellung der Führungskräfte, 2006, Abschnitt D Rn. 1020; Freund, GmbHR 2010, 117 (122), in Bezug auf eine außerordentliche Kündigung; vgl. Zöller/Greger, ZPO, § 256 ZPO Rn. 4; MünchKommZPO/BeckerEberhard, § 256 ZPO Rn. 11. 23 Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 161 (167); vgl. Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann u. a./ Hansen, Rechtsstellung der Führungskräfte, 2006, Abschnitt D Rn. 1025. 24 Ascheid/Preis/Schmidt/Biebl, Kündigungsrecht, § 13 KSchG Rn. 10; Fiebig/Gallner/ Mestwerdt/Nägele/Gieseler, KSchR, § 13 KSchG Rn. 16; ErfK/Kiel, § 13 KSchG Rn. 2; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 13 Rn. 26. 25 Siehe unter Kap. 3 C. IV. 26 Siehe unter Kap. 3 C. IV. 27 Nicht normiert siehe MünchKommZPO/Becker-Eberhardt, Vor §§ 253 ff. ZPO Rn. 22 f. 28 Siehe soeben Kap. 4 A.
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Kap. 4: Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine ordentliche Kündigung
1. Ruhen des Arbeitsverhältnisses Wird ein Beschäftigter zum Geschäftsführer bestellt, der zuvor in einem Arbeitsverhältnis zur Gesellschaft stand, ist für die Eröffnung des Rechtswegs relevant, ob der Arbeitsvertrag als ruhend fortbestehen sollte oder mit der Bestellung aufgehoben wurde und welche konkreten Ansprüche der gesetzliche Vertreter geltend macht. Wendet sich der Geschäftsführer gegen die ordentliche Kündigung des seiner Organstellung zugrundeliegenden Anstellungsvertrages, muss er sein Klagebegehren durch Erhebung einer Feststellungklage nach § 256 ZPO vor den ordentlichen Gerichten verfolgen,29 unabhängig davon, ob daneben ein ruhendes Arbeitsverhältnis fortbesteht oder nicht.30 Dies ergibt sich aus der Geltung der Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG. An dieser Rechtslage dürfte sich grundsätzlich auch nach den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 22. 10. 2014 und 03. 12. 2014 nichts geändert haben. Ausschlaggebend ist in diesem Zusammenhang, dass die Klage in einem solchen Fall keine Anträge enthält, welche ausschließlich nur bei Gegebensein einer Arbeitnehmereigenschaft Erfolg haben können. Ebenso wenig kann der Geschäftsführer Ansprüche vor den Gerichten für Arbeitssachen geltend machen, wenn der frühere Arbeitsvertrag durch den schriftlichen Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrages aufgehoben wurde. Auch in einem solchen Fall verfolgt der Geschäftsführer mit einer Klage keine Forderungen, die nur bei Bejahung einer Arbeitnehmereigenschaft begründet wären. Allerdings muss die künftige Entwicklung in der Rechtsprechung abgewartet werden, ob möglicherweise die bloße Behauptung des Geschäftsführers, sein Anstellungsvertrag sei ein Arbeitsvertrag, ausreichend ist, den Rechtsweg der Arbeitsgerichtsbarkeit zu begründen, wenn er eigentlich die Beendigung des seiner Organstellung zugrundeliegenden Anstellungsvertrages angreifen möchte.31 Besteht der Arbeitsvertrag hingegen als ruhend fort, gilt die Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG nicht, wenn der Geschäftsführer nach Beendigung seiner Organstellung und einem damit verbundenen Wiederaufleben des Arbeitsverhältnisses Ansprüche aus diesem Rechtsverhältnis ausüben möchte, sich insbesondere gegen eine Kündigung seines Arbeitsvertrages wendet.32 In einem solchen Fall ist der Rechtsweg zu 29
Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 518. Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 518; anders unzutreffend Schwab/ Weth/Kliemt, ArbGG, § 5 Rn. 280, der bei einer Geschäftsführertätigkeit auf Grundlage eines mündlich geschlossenen Vertrages und einem daneben bestehenden Arbeitsvertrag die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte bejaht; siehe ebenso unzutreffend LAG Bremen NZA-RR 2006, 321 (321 f.), welches die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte bejaht hat – Geschäftsführer war auf Grundlage eines Anstellungsvertrages als kaufmännischer Leiter tätig, wurde dann zum Geschäftsführer bestellt und der Anstellungsvertrag nicht aufgehoben, (sondern dieser diente wohl als Grundlage für Geschäftsführertätigkeit) – Geschäftsführer wandte sich gegen die Kündigung seines Anstellungsvertrages. 31 Wohl zu verneinen – siehe unter Kap. 4 A. 32 Vgl. ErfK/Koch, § 5 ArbGG Rn. 7; Natter/Groß/Perschke, ArbGG, § 5 Rn. 53 f.; Schwab/Weth/Kliemt, ArbGG, § 5 Rn. 280; BAG NZA 1986, 792 (794); BAG NZA 1997, 1363 30
A. Allgemeines
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den Arbeitsgerichten nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 b) ArbGG eröffnet,33 weil der Beschäftigte keine gesetzliche Vertretungsmacht mehr hat. Die Eröffnung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten „gilt auch für die während der Zeit der Geschäftsführerbestellung auf dieser arbeitsvertraglichen Basis entstandenen Ansprüche“.34 Hierbei wird insbesondere die neuste Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts relevant, wonach der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten auch dann gegeben sein kann, wenn der Geschäftsführer im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abberufen war, aber seine Organstellung vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit, entweder durch Abberufung oder durch Amtsniederlegung, beendet wird und der Geschäftsführer Ansprüche aus einem aufgelebten Arbeitsverhältnis geltend machen möchte.35 Dem ehemaligen Geschäftsführer ist es möglich, durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage innerhalb der Dreiwochenfrist36 nach § 4 KSchG die Unwirksamkeit der Kündigung gerichtlich anzugreifen;37 darüber hinaus kann er die Klage unter Umständen mit einer allgemeinen Feststellungklage nach § 256 ZPO verbinden und Feststellung beantragen, dass die Kündigung nicht nur unwirksam ist, sondern das Arbeitsverhältnis über den Kündigungstermin hinaus fortbesteht.38 Gibt es zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer Streit darüber, ob das vormalige Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Geschäftsführerbestellung geendet hat oder ruhend fortbestehen sollte, kommt wiederum die sogenannte sic-non-Rechtsprechung zum Tragen, wonach der Beschäftigte allein behaupten muss, dass sein Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist.39
(1364); BAG NZA 1999, 839 (840); BAG MDR 2011, 1481 (1482); BAG NZA 2013, 54 (55 f.); BAG NZA 2013, 397 (398 f.); BAG GmbHR 2013, 253 (254). 33 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 179; Germelmann/Künzl/Matthes u. a./Müller-Glöge, ArbGG, § 5 Rn. 45 f.; Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 518; BAG NZA 1997, 1363 (1364); BAG MDR 2011, 1481 (1482); BAG NZA 2013, 54 (55 f.); BAG NZA 2013, 397 (398 f.); BAG GmbHR 2013, 253 (254). 34 BAG NZA 2013, 54 (56); BAG NZA 2013, 397 (398 f.); BAG MDR 2011, 1481 (1482); so auch Natter/Groß/Perschke, ArbGG, § 5 Rn. 54. 35 Siehe soeben unter Kap. 4 A. 36 Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, S. 437 Rn. 151. 37 Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, S. 437 Rn. 151; Lunk, ZIP 1999, 1777 (1783). 38 BAG NZA 1988, 651 (653); BAG NZA 2003, 684 (685); BAG NZA 1991, 141 (141); BAG NZA 2005, 1259 (1260); BAG NZA 1994, 812 (813); BAG NZA 1997, 844 (845); v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 4 Rn. 123 f.; Zöller/Greger, ZPO, § 256 ZPO Rn. 11a; MünchKommZPO/Becker-Eberhard, § 256 ZPO Rn. 16; Fiebig/ Gallner/Mestwerdt/Nägele/Gallner, KSchR, § 4 KSchG Rn. 59; Saenger/Saenger, ZPO, § 256 ZPO Rn. 15; Ascheid/Preis/Schmidt/Hesse, Kündigungsrecht, § 4 KSchG Rn. 138 und 140. 39 BAG NZA 1997, 1363 (1364 f.); BAG NZA 1999, 509 (511); BAG NZA 1999, 839 (840); BAG NZA 2013, 54 (56); BAG GmbHR 2013, 253 (255); Natter/Groß/Perschke, ArbGG, § 5 Rn. 54; vgl. Lunk, ZIP 1999, 1777 (1785); offen gelassen noch BAG NZA 1997, 674 (676).
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Kap. 4: Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine ordentliche Kündigung
2. Weiterbeschäftigung des Geschäftsführers nach Abberufung Wird ein Geschäftsführer nach seiner Abberufung als Arbeitnehmer weiterbeschäftigt beziehungsweise als solcher eingestellt, kann er bei Streitigkeiten aus diesem Rechtsverhältnis, insbesondere im Falle einer Beendigung des Arbeitsvertrages, seine Ansprüche vor den Arbeitsgerichten verfolgen.40 § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG findet keine Anwendung,41 weil der Beschäftigte kein Organ der Gesellschaft ist und ihm in der Folge keine gesetzliche Vertretungsmacht mehr obliegt. Ihm ist es insbesondere möglich, sich auf das Kündigungsschutzgesetz zu berufen42 und auf diese Weise Kündigungsschutzklage gemäß § 4 S. 1 KSchG innerhalb der Dreiwochenfrist, unter Umständen in Verbindung mit einer Feststellungklage gemäß § 256 ZPO, zu erheben. Verändern sich die Aufgaben des früheren Geschäftsführers nur geringfügig, kann grundsätzlich ohne andere Vereinbarungen der Parteiwille so gedeutet werden, „die Beschäftigungszeit als Geschäftsführer auf das neu begründete Arbeitsverhältnis anzurechnen“.43 3. Zwei verschiedene Rechtsverhältnisse Bestehen zwischen der GmbH und ihrem Geschäftsführer zwei verschiedene Rechtsverhältnisse, von denen eines ein dienstlich abgrenzbares Arbeitsverhältnis ist, muss der Rechtsweg immer in Bezug auf das konkrete Rechtsverhältnis beurteilt werden. a) Drittanstellung Zwei voneinander zu unterscheidende Rechtsverhältnisse sind bei einer sogenannten Drittanstellung anzunehmen, bei welcher die Führungskraft zur GmbH als Obergesellschaft in einem Arbeitsverhältnis steht und lediglich bei einer Tochtergesellschaft der GmbH zum Geschäftsführer bestellt wird.44 Wendet sich der Beschäftigte gegen die Kündigung seines Geschäftsführeranstellungsvertrages, sind entsprechend § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG angesichts der gesetzlichen Vertretungsbefugnis in der Regel die ordentlichen Gerichte zuständig, sofern der Geschäftsführer nicht wahrheitswidrig behauptet, er sei in Wirklichkeit Arbeitnehmer und das 40 Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 517; vgl. Schwab/Weth/Kliemt, ArbGG, § 5 Rn. 286; ErfK/Koch, § 5 ArbGG Rn. 7; Natter/Groß/Perschke, ArbGG, § 5 Rn. 53; Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, S. 438 f. Rn. 155; Bauer, BB 1994, 855 (857); Schulze/Hintzen, ArbRAktuell 2012, 332810; vgl. BAG NZA 1997, 674 (675); BAG NZA 1997, 1363 (1364); BAG GmbHR 2013, 253 (254); BAG NZA 2013, 54 (55); BAG NZA 2013, 397 (398). 41 BAG NZA 1997, 1363 (1364); BAG NZA 2013, 54 (55); BAG NZA 2013, 397 (398). 42 Siehe unter Kap. 2 B. II. 43 BAG NZA 2006, 366 (368 f.), in Bezug auf eine GmbH & Co. KG; Schwab/Weth/Kliemt, ArbGG, § 5 Rn. 286. 44 Siehe unter Kap. 2 B. III. 1.
A. Allgemeines
303
Bundesarbeitsgericht, was nicht anzunehmen sein wird, eine solche Behauptung ohne fundierte Grundlage genügen lässt.45 Klageart bei der Rechtswegeröffnung eines ordentlichen Gerichts ist wiederum eine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO. Sollte die Obergesellschaft hingegen den Arbeitsvertrag des Geschäftsführers kündigen, kann er sich in diesem Rechtsverhältnis auf das Kündigungsschutzgesetz berufen.46 Eine entsprechende Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG, gegebenenfalls eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO, wäre gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 b) ArbGG in Verbindung mit § 13 GVG vor den Gerichten für Arbeitssachen zu erheben,47 wobei die bloße Behauptung des Klägers gemäß der sic-non-Rechtsprechung, neben seiner Geschäftsführertätigkeit Arbeitnehmer zu sein, ausreichend ist.48 § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG steht dem nicht entgegen,49 weil der Beschäftigte in Bezug auf das von der Geschäftsführerstellung zu trennende Arbeitsverhältnis gerade keine Organfunktion beziehungsweise gesetzliche Vertretungsmacht ausübt.50 Ebenso soll es sich verhalten, wenn die Kündigung auf Gründe gestützt wird, die aus der Beschäftigung als Geschäftsführer der Tochter-GmbH resultieren.51 b) GmbH & Co. KG Von der sogenannten Drittanstellung ist die Anstellung des Geschäftsführers bei einer GmbH & Co. KG zu unterscheiden. Diesbezüglich hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung im Jahr 2003 dahingehend geändert, dass sowohl beim Abschluss des Anstellungsvertrages mit der Komplementär-GmbH als auch mit der Kommanditgesellschaft § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG Anwendung findet. Die Tatsache, dass der Geschäftsführer bei einem Anstellungsverhältnis mit der Kommanditgesellschaft nur mittelbarer Organvertreter ist, kann der Geltung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG nicht entgegenstehen. Entscheidend ist allein das Vorliegen der gesetzlichen Vertretungsbefugnis.52 Eine Beendigung des Anstellungsverhältnisses muss der Geschäftsführer folglich bei einem Vertragsverhältnis mit der GmbH oder der Kommanditgesellschaft im Wege einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO vor den ordentlichen Gerichten geltend machen. Diese Sichtweise dürfte sich 45
Vgl. die diesbezüglichen Ausführungen unter Kap. 4 A. Siehe unter Kap. 2 B. III. 1. 47 So in Bezug auf die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte: Schwab/Weth/Kliemt, ArbGG, § 5 Rn. 274; ErfK/Koch, § 5 ArbGG Rn. 7; BAG NZA 1997, 1363 (1365); vgl. BAG NZA 1997, 674 (675); vgl. allgemein im Zusammenhang bei zwei verschiedenen Rechtsverhältnissen: BAG NZA 1999, 839 (840) und BAG NZA 2002, 52 (53). 48 BAG NZA 1999, 839 (840); siehe nunmehr auch BAG NZA 2015, 60 (60 ff.); BAG NZA 2015, 180 (180 ff.). 49 BAG NZA 1997, 1363 (1365); BAG NZA 1999, 839 (840); Natter/Groß/Perschke, ArbGG, § 5 Rn. 49. 50 Vgl. Natter/Groß/Perschke, ArbGG, § 5 Rn. 49. 51 Schwab/Weth/Kliemt, ArbGG, § 5 Rn. 274; BAG DB 1974, 1243. 52 Vgl. insgesamt zu den Ausführungen Kap. 2 B. III. 2. 46
304
Kap. 4: Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine ordentliche Kündigung
auch unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu der Rechtswegeröffnung im Falle einer Klageerhebung durch einen Geschäftsführer nicht ändern, sofern die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts dahingehend verstanden werden, nunmehr nicht jedem Geschäftsführer mit der bloßen Behauptung einer Arbeitnehmereigenschaft den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zu ebnen.53 Bei einem Anstellungsverhältnis mit einer GmbH & Co. KG, welches als Dienstvertrag zu qualifizieren ist, stehen nicht nur ausschließlich Ansprüche in Streit, welche eine Arbeitnehmereigenschaft zur Voraussetzung haben. 4. Vereinbarung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes Vereinbaren die GmbH und ihr Geschäftsführer die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes individualvertraglich und genießt der gesetzliche Vertreter in der Folge Kündigungsschutz im Falle der Beendigung einer ordentlichen Kündigung, muss er sich gegen eine solche grundsätzlich dennoch vor den ordentlichen Gerichten zur Wehr setzen. Die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes ändert in der Regel nichts an der Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG.54 Der Geschäftsführer ist Organ der Gesellschaft und besitzt gesetzliche Vertretungsmacht, was eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit ausschließt. Dies ist selbst dann der Fall, wenn der Geschäftsführer zunächst abberufen und ihm anschließend gekündigt wird; greift er die Beendigung seines Anstellungsverhältnisses an, welches Grundlage der Organstellung war, müssen hierüber die ordentlichen Gerichte urteilen.55 Möglicherweise könnte sich unter Zugrundelegung der neusten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts aber eine andere Beurteilung der Rechtswegfrage ergeben. Bei Geltung der erst kürzlich aufgestellten Grundsätze könnte eine Organstellung für die Herbeiführung des Ausschlusses der Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG auch noch nach Klageerhebung und vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit beendet werden. Voraussetzung hierfür ist nach dem Bundesarbeitsgericht allerdings die Verfolgung von Ansprüchen, die ausschließlich Arbeitnehmern zustehen.56 Vereinbaren nun der GmbH-Geschäftsführer und seine Gesellschaft die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes privatautonom, handelt es sich zwar bei der Überprüfung einer Kündigung auf ihre Wirksamkeit anhand des Kündigungsschutzgesetzes um ein Gesetz, welches grundsätzlich nur für Arbeitnehmer gilt. Der eigentlich angegriffene Anstellungsvertrag wird aber nicht zu einem Arbeitsverhältnis, sondern bleibt ein Dienstvertrag. Es wird insofern kein Klageantrag im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verfolgt, welcher nur bei einer Einordnung des Rechtsverhältnisses als Arbeitsverhältnis begründet sein kann, sondern vielmehr dann, sofern die Parteien die Anwendbarkeit des Kündi53 54 55 56
Siehe unter Kap. 4 A. Siehe auch Germelmann/Künzl/Matthes u. a./Müller-Glöge, ArbGG, § 5 Rn. 45a. BAG NZA 1986, 792 (793). BAG NZA 2015, 60 (61 f.); BAG NZA 2015, 180 (181).
A. Allgemeines
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gungsschutzgesetzes wirksam vereinbart haben und eine Beendigung des Anstellungsvertrages des GmbH-Geschäftsführers nicht dessen Anforderungen genügt. In einem solchen Fall ist fraglich, ob die Grundsätze der Rechtsprechung aus den Beschlüssen vom 22. 10. 2014 und 03. 12. 2014 übertragen werden können. Aufgrund der Tatsache, dass ein Geschäftsführer durch die individualvertragliche Festlegung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes nicht zu einem Arbeitnehmer und sein Anstellungsvertrag nicht zu einem Arbeitsvertrag wird, könnte dieser Gesichtspunkt einer Rechtswegeröffnung vor den Arbeitsgerichten entgegenstehen. Eine abschließende Aussage, ob ein GmbH-Geschäftsführer auch bei einer Vereinbarung der Anwendung der Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes vor den Arbeitsgerichten klagen kann oder nicht, lässt sich vorliegend nicht treffen. In diesem Zusammenhang wird vielmehr die künftige Entwicklung in der Rechtsprechung abgewartet werden müssen. Auch wenn hiernach der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet sein wird, muss dennoch § 4 S. 1 KSchG anwendbar sein und der Geschäftsführer sich innerhalb von drei Wochen gegen die Beendigung seines Anstellungsvertrages wehren. Dies gilt sowohl, wenn die Geltung des § 4 KSchG vereinbart ist als auch dann, im Wege der Verwirkung, wenn die Parteien keine ausdrückliche Regelung in Bezug auf die Vorschrift treffen.57 Ob der Geschäftsführer eine Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG erheben kann oder auf die allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO zu verweisen ist, hängt davon ab, wie die Parteiabrede über die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes auszulegen ist. Bei einer Vereinbarung der gesamten Geltung des Kündigungsschutzgesetzes ist auch die Geltung des § 4 KSchG mit umfasst, mithin die Möglichkeit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage. § 4 S. 1 KSchG findet, sofern ein Rechtsweg vor den Arbeitsgerichten nicht eröffnet ist, in einem solchen Fall mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass der Geschäftsführer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage bei einem ordentlichen Gericht auf Feststellung erheben muss, dass das Anstellungsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Wollen die GmbH und ihr Geschäftsführer hingegen nicht die gesamte Geltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes festlegen, sondern beispielsweise nur § 1 KSchG anwenden, wird eine Auslegung ergeben, dass § 4 KSchG nicht gelten soll. Der Geschäftsführer kann insoweit keine Kündigungsschutzklage, aber eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO erheben. Für eine entsprechende Anwendung des § 4 S. 1 KSchG in Bezug auf die Klageart, ähnlich wie bei einer entsprechenden Erstreckung der Klagefrist bei Nichtgeltung des § 4 KSchG, gibt es keine Anhaltspunkte.
57
Siehe unter Kap. 3 C. IV.
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Kap. 4: Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine ordentliche Kündigung
III. Vereinbarkeit der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit gemäß § 2 Abs. 4 ArbGG Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten wäre nicht eröffnet, wenn § 2 Abs. 4 ArbGG Geltung erlangen würde. Die Vorschrift ermöglicht juristischen Personen des Privatrechts und ihren gesetzlichen Vertretern, bürgerlich rechtliche Streitigkeiten vor die Gerichte für Arbeitssachen zu bringen. Ein Geschäftsführer und die GmbH können auf diese Weise, entgegen § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG, die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte durch Vereinbarung herbeiführen.58 Nicht notwendig ist dabei das Gegebensein der Voraussetzungen des § 38 ZPO.59 Die Parteien können ausdrücklich oder konkludent, mündlich oder schriftlich60 den Rechtsweg der Arbeitsgerichtsbarkeit begründen.61 Eine rügelose Einlassung nach § 39 ZPO ist wegen Unanwendbarkeit der Norm nicht genügend,62 kann aber unter Umständen als konkludente Vereinbarung gewertet werden.63 Die Möglichkeit des § 2 Abs. 4 ArbGG sollte unter Umständen bei der privatautonomen Festlegung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes in Betracht gezogen werden,64 sofern der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht bereits über die entsprechende Anwendung der Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts gemäß seinen Entscheidungen vom 22. 10. 2014 sowie 03. 12. 2014 eröffnet wäre. Über eine Kündigungsschutzklage würden dann die Gerichte entscheiden, die sich grundsätzlich mit Kündigungsschutzstreitigkeiten befassen.65 Problematisch könnte allein sein, dass die Arbeitsgerichte nicht so viel Erfahrung im Umgang mit rechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit GmbH-Geschäftsführern haben, die ordentlichen Gerichte hierin routinierter sind. Diese wiederum entscheiden nicht tagtäglich über Kündigungsschutzklagen, so dass es schwierig ist, eine generelle Empfehlung zu geben, ob die Parteien die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gemäß § 2 Abs. 4 ArbGG vereinbaren sollten oder nicht.
58
Schwab/Weth/Walker, ArbGG, § 2 Rn. 217; Germelmann/Künzl/Matthes u. a./Schlewing, ArbGG, § 2 Rn. 132 f. 59 ErfK/Koch, § 2 ArbGG Rn. 35; Germelmann/Künzl/Matthes u. a./Schlewing, ArbGG, § 2 Rn. 135; Lunk, ZIP 1999, 1777 (1785); anders wohl: Bauer, BB 1994, 855 (857). 60 In Bezug auf mündlich oder schriftlich: ErfK/Koch, § 2 ArbGG Rn. 35; Natter/Groß/ Rieker, ArbGG, § 2 Rn. 71; Germelmann/Künzl/Matthes u. a./Schlewing, ArbGG, § 2 Rn. 135; Lunk, ZIP 1999, 1777 (1785). 61 Schwab/Weth/Walker, ArbGG, § 2 Rn. 219. 62 ErfK/Koch, § 2 ArbGG Rn. 35; Schwab/Weth/Walker, ArbGG, § 2 Rn. 219; Germelmann/Künzl/Matthes u. a./Schlewing, ArbGG, § 2 Rn. 135; Natter/Groß/Rieker, ArbGG, § 2 Rn. 71; anders: Bauer, BB 1994, 855 (857); Lunk, ZIP 1999, 1777 (1785); Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 179. 63 Schwab/Weth/Walker, ArbGG, § 2 Rn. 219; Natter/Groß/Rieker, ArbGG, § 2 Rn. 71. 64 Für eine solche Vereinbarung: Thiessen, ZIP 2011, 1029 (1039); Stagat, NZA 2010, 975 (979). 65 Stagat, NZA 2010, 975 (979).
C. Gesamtergebnis Kapitel 4
307
B. Rechtswidrige Rechtswegverweisung Verweist ein ordentliches Gericht in fehlerhafter Weise den Rechtsstreit zwischen einem GmbH-Geschäftsführer und der Gesellschaft an ein Arbeitsgericht, wäre dieses gemäß § 17a Abs. 2 S. 3 GVG, § 48 Abs. 1 ArbGG grundsätzlich an die Verweisung gebunden.66 Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch entschieden, dass eine solche Rechtswegverweisung dann unwirksam sein soll, wenn § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG durch das Gericht überhaupt nicht beachtet wurde und folglich ein immenser Verstoß gegen die gesetzliche Zuständigkeitsordnung gegeben ist.67 Anders sei die Situation wiederum zu bewerten, sofern ein Landesarbeitsgericht die Zuständigkeit nicht richtig beurteilt habe; hiergegen kann das Bundesarbeitsgericht gemäß § 17a Abs. 5 GVG keine Einwände erheben, so dass dieses unter Umständen über einen Arbeitnehmerstatus urteilen müsste.68
C. Gesamtergebnis Kapitel 4 Werden die Anstellungsverhältnisse der GmbH-Geschäftsführer ordentlich gekündigt, können sich die Organmitglieder hiergegen gerichtlich zur Wehr setzen. Welcher Rechtsweg eröffnet und welche Klageart gegeben ist, hängt davon ab, welche vertragliche Gestaltungsvariante den Anstellungsverträgen der gesetzlichen Vertreter zugrunde liegt. Bei einer vorzeitigen Beendigung der befristeten Anstellungsverträge oder der Nichteinhaltung vereinbarter langer Kündigungsfristen können die Geschäftsführer eine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO vor den ordentlichen Gerichten erheben. Auf diese Klageart vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit sind die Organmitglieder in der Regel ferner zu verweisen, wenn sie bei einem ruhend gestellten Arbeitsvertrag nicht diesen, sondern die Kündigung ihrer Anstellungsverhältnisse angreifen, bei einer Drittanstellung sich gegen die Kündigung ihrer Anstellungsverträge zur Tochtergesellschaft der GmbH wenden oder ihr schuldrechtliches Rechtsverhältnis zur GmbH oder der Kommanditgesellschaft beendet wird. § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG schließt bei solchen Konstellationen, angesichts der gesetzlichen Vertretungsmacht der Geschäftsführer, den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten aus. Die Arbeitsgerichte sind hingegen zuständig, wenn die Geschäftsführer die Beendigung eines ruhend gestellten und nach dem Ende der Organstellung wieder aufgelebten Arbeitsvertrages geltend machen möchten, nach einer Weiterbeschäftigung der gesetzlichen Vertreter als Arbeitnehmer ihr Arbeitsverhältnis gekündigt wird oder bei einer Drittanstellung die GmbH als Obergesellschaft den Arbeitsvertrag der Beschäftigten beendet. In solchen Fällen können 66
Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (29); Schwab/Weth/Kliemt, ArbGG, § 5 Rn. 306c. BAG NZA 2006, 1004 (bei einer Zahlungsklage eines GmbH-Geschäftsführers); anders noch BGH NJW-RR 2004, 645 (645 f.). 68 BAG NZA 1999, 987 (988); Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (30). 67
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Kap. 4: Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine ordentliche Kündigung
die Geschäftsführer Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG, gegebenenfalls in Verbindung mit einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO erheben. In diesem Zusammenhang muss insbesondere die neuste Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beachtet werden, wonach die Geschäftsführer eine Beendigung ihrer Rechtsverhältnisse auch dann vor den Arbeitsgerichten angreifen können, wenn sie im Zeitpunkt der Klageerhebung noch weiterhin als Organ der Gesellschaft berufen sind, sie aber vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit abberufen werden oder ihr Amt niederlegen. Voraussetzung hierfür ist nach dem Bundesarbeitsgericht allein die bloße Behauptung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses gemäß der sogenannten sic-non-Grundsätze, sofern mit der Klage Klageanträge geltend gemacht werden, die zu ihrer Begründung eine Einstufung des Anstellungsverhältnisses als Arbeitsverhältnis erfordern, welches nach wirksamer Abberufung eines Geschäftsführers fortbesteht oder wieder auflebt. Inwiefern das Bundesarbeitsgericht seine mit Beschluss vom 22. 10. 2014 und 03. 12. 2014 aufgestellten Maßstäbe auf die Konstellation eines ruhend gestellten Arbeitsverhältnisses beschränken wollte oder ob es darüber hinaus nunmehr jedem Geschäftsführer die Möglichkeit eröffnet, durch die bloße Behauptung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses, obwohl ein solches tatsächlich nicht gegeben ist, eine Klage vor die Arbeitsgerichte zu bringen, bleibt abzuwarten, wird aber wohl zu verneinen sein. Die individualvertragliche Vereinbarung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf die Anstellungsverhältnisse der Organmitglieder ändert grundsätzlich nichts an der Geltung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG und damit an der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Etwas anderes würde gelten, wenn die GmbH und ihre Geschäftsführer den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten durch Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 4 ArbGG herbeiführen. In jedem Fall müssen die Geschäftsführer eine ordentliche Kündigung innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 S. 1 KSchG angreifen, unabhängig davon, ob die Regelung von der Parteiabrede umfasst ist oder nicht. Eine Kündigungsschutzklage können die Organmitglieder aber nur dann erheben, wenn im Wege der Auslegung die Geltung des § 4 KSchG zu bejahen ist; anderenfalls sind die gesetzlichen Vertreter auf eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO zu verweisen.
Schlussteil I. Unanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz genießen GmbH-Geschäftsführer nur dann, wenn die Geltung dieses Gesetzes zwischen der GmbH und ihren gesetzlichen Vertretern individualvertraglich vereinbart wird. Anderenfalls können die Kündigungsschutzbestimmungen aufgrund der Regelung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG, welche Organmitglieder vom Kündigungsschutz ausnimmt, nicht zur Anwendung gelangen. Dabei spielt es keine Rolle, ob GmbH-Geschäftsführer im Einzelfall Arbeitnehmer sind oder nicht. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG enthält eine gesetzliche Fiktion, die unabhängig davon zum Tragen kommt, ob das Anstellungsverhältnis der gesetzlichen Vertreter ein Arbeitsvertrag oder ein freier Dienstvertrag ist.1 Dem steht nicht entgegen, dass § 14 Abs. 2 KSchG eine teilweise Geltung der Kündigungsschutzvorschriften für Geschäftsführer anordnet. Eine umfassende Auslegung des § 14 Abs. 2 KSchG hat gezeigt, dass diese Regelung nicht Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung erfasst, was sich insbesondere aus der Systematik, der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der Bestimmung ergibt.2
II. Lösungsmöglichkeiten zur Überwindung des fehlenden Kündigungsschutzes Durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. 05. 2010 ist es der Gesellschaft und ihren Geschäftsführern nunmehr aber möglich, die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes privatautonom herbeizuführen, um auf diese Weise die Anstellungsverhältnisse der GmbH-Geschäftsführer in ihrem Bestand zu sichern.3 Damit ist eine weitere Variante hinzugekommen, den fehlenden Kündigungsschutz beziehungsweise die Stellung der Geschäftsführer als „kündigungsschutzrechtliches Freiwild“ auszugleichen. Die GmbH und ihre Organmitglieder sind nicht mehr nur auf die Vereinbarung eines befristeten Anstellungsvertrages, langer Kündigungsfristen oder einer Abfindung beziehungsweise eines Übergangsgeldes beschränkt.4 Im Gegensatz zur Fallkonstellation des Ruhens eines 1 2 3 4
Siehe unter Kap. 1 C. I. Siehe unter Kap. 1 C. III. ff. Siehe unter Kap. 2 B. IV. Siehe unter Kap. 2 A. ff.
310
Schlussteil
Arbeitsvertrages oder einer Weiterbeschäftigung der gesetzlichen Vertreter als Arbeitnehmer gelten die Kündigungsschutzbestimmungen bei einer individualvertraglichen Vereinbarung weitergehend nicht erst nach dem Ende der Organstellung, sondern schützen die Geschäftsführer in ihrer Funktion als solche.5
III. Rechtliche Zulässigkeit und praktische Umsetzung der Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes Eine Auslegung der §§ 1, 14 KSchG, § 38 GmbHG hat ergeben, dass die Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes rechtlich zulässig ist. Die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer verstoßen weder gegen kündigungsrechtliche noch gegen gesellschaftsrechtliche Rechtsgrundlagen.6 Im Unterschied zu einer ordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages bei Nichtgeltung des Kündigungsschutzgesetzes muss eine solche bei Anwendbarkeit der gesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen, neben der Erfüllung der formellen Voraussetzungen, durch einen Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG gerechtfertigt sein.7 Für die Rechtmäßigkeit der ordentlichen Beendigung des Anstellungsvertrages ist damit das Vorliegen eines personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Kündigungsgrundes gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG erforderlich, sofern die Geltung der Kündigungsschutzvorschriften nicht nur modifiziert vereinbart wird. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs erlaubt es den Parteien des Anstellungsvertrages nämlich nicht allein die Gesamtheit des Kündigungsschutzgesetzes, sondern auch einzelne Bestimmungen oder inhaltliche Modifikationen zu vereinbaren.8 Dabei ist in der Praxis Vorsicht geboten, wenn die GmbH und ihre Geschäftsführer einerseits die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes, andererseits eine Koppelungsklausel festlegen, welche die Kündigung mit einer Abberufung dergestalt verbindet, dass der jederzeitige Widerruf der Organstellung eine gleichzeitige Beendigung des schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses zur Folge hat. Eine Auslegung der Klauseln müsste dann Aufschluss darüber geben, ob die Parteien eine Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes oder die Geltung einer Koppelungsklausel beabsichtigten.9 Sollen die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes Vorrang genießen, müsste eine ordentliche Kündigung grundsätzlich die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG erfüllen. Etwas anderes würde sich wiederum ergeben, wenn eine ordentliche Kündigung durch die Geschäftsführer nicht innerhalb der Dreiwo-
5 6 7 8 9
Siehe unter Kap. 2 B. ff. Siehe unter Kap. 3 A. ff. Siehe unter Kap. 3 B. und Kap. 3 C. III. und D. Siehe unter Kap. 3 C. II. Siehe unter Kap. 3 C. I.
Schlussteil
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chenfrist des § 4 S. 1 KSchG gerichtlich angegriffen wird und somit die Präklusionswirkung des § 7 KSchG eintritt.10
1. Personenbedingte Kündigungsgründe11 Erster Kündigungsgrund, welcher umfassend geprüft wurde, ist ein personenbedingter gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 1 KSchG. Hierbei wurde aufgezeigt, dass zahlreiche personenbedingte Kündigungsgründe auch bei GmbH-Geschäftsführern in Betracht kommen. Die Rechtfertigungsprüfung ist, wie bei Arbeitnehmern, grundsätzlich in drei Stufen vorzunehmen. An erster Stelle muss eine negative Prognose vorliegen, dass die Geschäftsführer aufgrund mangelnder Eignung oder ihrer persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften zukünftig nicht mehr ihrer vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nachgehen können. Die mangelnde Eignung respektive die fehlenden Fähigkeiten müssen in einem zweiten Schritt eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen des Arbeitgebers zur Folge haben sowie auf dritter Stufe eine Interessenabwägung zulasten der Geschäftsführer ausfallen lassen. Eine Prüfung der Übertragbarkeit der für Arbeitnehmer geltenden Anforderungen hat dabei verdeutlicht, dass bei GmbH-Geschäftsführern nicht strikt zwischen den einzelnen Stufen getrennt werden kann, diese vielmehr ineinander übergehen können. Es ist teilweise nicht möglich, eine negative Prognose ohne die Betrachtung der entstandenen betrieblichen und wirtschaftlichen Beeinträchtigungen zu ermitteln. Ebenso wird eine Interessenabwägung, bei Bejahung der beiden ersten Voraussetzungen, nur noch selten zugunsten der gesetzlichen Vertreter ausfallen können. Die Wahl milderer Mittel als eine Kündigung, beispielsweise in Form einer Versetzung auf einen gleichwertigen oder geringwertigeren Arbeitsplatz, wird sich in der Praxis sehr schwierig gestalten, weil oftmals kein freier Arbeitsplatz zur Verfügung stehen wird, eine Versetzung sich nur durch eine Änderungskündigung realisieren lässt oder eine solche Möglichkeit im Falle einer geringwertigeren Beschäftigung bei Alleingesellschafter-Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern ohnehin rechtlich nicht zulässig ist. Diese Besonderheiten folgen aus der Funktion der Geschäftsführer als Organ mit ihrer damit einhergehenden speziellen Vertrauensstellung gegenüber der Gesellschaft. Eine Kündigung, gestützt auf einen personenbedingten Kündigungsgrund, wird daher bei GmbH-Geschäftsführern, ähnlich wie bei leitenden Angestellten, angesichts ihrer gehobenen Position zu einem früheren Zeitpunkt gerechtfertigt sein als bei „normalen“ Arbeitnehmern. Entscheidend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 1 KSchG sind dabei in der Praxis im Besonderen die Umstände des Einzelfalls. Große Bedeutung für die Rechtsstellung der GmbH-Geschäftsführer, allen voran der schwangeren GmbH-Geschäftsführerinnen, erlangt ein Urteil des Europäischen 10 11
Siehe unter Kap. 3 C. IV. Siehe unter Kap. 3 D. ff.
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Schlussteil
Gerichtshofs vom 11. 11. 2010 in der Rechtssache Danosa. Der Gerichtshof entschied, dass schwangere Geschäftsführerinnen einer lettischen Gesellschaft aufgrund ihrer Schwangerschaft nicht von ihrem Amt abberufen werden können und ihnen nicht gekündigt werden kann. Dies folge aus der Mutterschutzrichtlinie 92/85/ EWG oder der Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EWG. Übertragen auf deutsches Recht, bedeuten die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs, dass Fremd- oder Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführerinnen, welche sich als Arbeitnehmerinnen im unionsrechtlichen Sinne einstufen lassen, durch eine richtlinienkonforme Auslegung des § 1 Nr. 1 MuSchG Kündigungsschutz dahingehend erlangen, dass ihre Organstellungen und ihre Anstellungsverhältnisse nicht aufgrund der Schwangerschaft beendet werden können. Beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführerinnen hingegen haben wegen ihrer Stimmanteile selbst die Möglichkeit, eine Kündigung ihrer Anstellungsverträge zu verhindern, weil sie keinem Stimmverbot gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG unterliegen. Dass die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs für sie insoweit keine Geltung erlangen, stellt in der Praxis folglich kein Problem dar. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs hat über ein Kündigungsverbot schwangerer Geschäftsführerinnen hinaus Auswirkungen auf die Anwendbarkeit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes in Bezug auf Organmitglieder. Legt man § 6 Abs. 1 AGG richtlinienkonform aus, können Geschäftsführer, die unionsrechtlich Arbeitnehmer sind, den gesamten Schutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes geltend machen. Eine Kündigung ihres Anstellungsvertrages wegen des Erreichens einer bestimmten Altersgrenze dürfte dann in aller Regel an den Voraussetzungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes scheitern. 2. Verhaltensbedingte Kündigungsgründe12 Bei Vereinbarung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes kann die Gesellschaft das Anstellungsverhältnis ihrer Geschäftsführer ferner kündigen, wenn ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 2 KSchG gegeben ist. Grundsätzlich muss auch hierbei in drei Stufen geprüft werden, ob die Anforderungen eines verhaltensbedingten Grundes erfüllt sind. Erste Voraussetzung ist die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten in Form einer Hauptleistungs- oder Nebenpflichtverletzung. Weiterhin ist das Vorliegen einer negativen Prognose erforderlich, mithin die objektiv begründete Gefahr im Kündigungszeitpunkt, dass zukünftig weitere Vertragsverletzungen und sich daraus ergebende Vertragsstörungen zu erwarten sind. In diesem Zusammenhang wurde herausgearbeitet, dass auch bei GmbH-Geschäftsführern eine Abmahnung als milderes Mittel zu wählen ist, wenn die Schwere der Pflichtverletzung, beispielsweise bei der Begehung von Straftaten, nicht ausnahmsweise eine sofortige negative Prognose begründet. In einem dritten Prüfungsschritt müsste eine Interessenabwägung wiederum zugunsten 12
Siehe unter Kap. 3 E. ff.
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der Gesellschaft ausfallen. Es wurde aufgezeigt, dass es bei GmbH-Geschäftsführern sowohl allgemeine Kündigungsgründe geben kann, welche bei Arbeitnehmern typisch sind, als auch besondere Kündigungsgründe, die in der Regel angesichts ihrer Funktion nur bei Organmitgliedern vorkommen. Eine strikte Trennung zwischen den einzelnen Prüfungspunkten zur Feststellung eines verhaltensbedingten Kündigungsgrundes ist, wie schon bei einem personenbedingten Kündigungsgrund, nicht möglich. Die einzelnen Voraussetzungen, speziell die Beurteilung einer negativen Prognose und die Vornahme einer Interessenabwägung, können vielmehr ineinander übergehen. Entscheidend werden in der Praxis daher nicht selten die Umstände des Einzelfalls sein. Festgestellt werden konnte aber, dass die Kündigung der GmbHGeschäftsführer, ähnlich wie bei leitenden Angestellten, unter erleichterten Voraussetzungen und damit zu einem früheren Zeitpunkt gerechtfertigt sein kann als die Kündigung von Arbeitnehmern, die keine leitende Position bekleiden. 3. Betriebsbedingte Kündigungsgründe13 Eine Trennung zwischen den einzelnen Prüfungsschritten ist am ehesten bei einer Kündigung des Anstellungsvertrages denkbar, die auf einen betriebsbedingten Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 3 KSchG gestützt wird. Bei Arbeitnehmern wird auch hier in drei Stufen das Vorliegen eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes geprüft. Es muss das Beschäftigungsbedürfnis für einen Beschäftigten oder mehrere Beschäftigte dauerhaft entfallen. Es darf keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Unternehmen bestehen. In einem dritten Schritt sind im Rahmen einer sozialen Auswahl bei mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern, die in § 1 Abs. 3 S. 1 HS. 1 KSchG genannten Kriterien angemessen zu berücksichtigen. Bei GmbH-Geschäftsführern gibt es, ähnlich wie bei Arbeitnehmern, verschiedene Sachverhalte, die ein betriebliches Erfordernis darstellen können. Nicht als betriebliches Erfordernis kommt bei gesetzlichen Vertretern, im Gegensatz zu Arbeitnehmern, eine Auslagerung der Geschäftsführertätigkeit in Betracht, während GmbH-Geschäftsführer, anders als Arbeitnehmer, regelmäßig nicht gegen eine Kündigung wegen Betriebsüberganges gemäß § 613a Abs. 4 BGB geschützt sind. Am ehesten eignet sich für die Gesellschaft eine Umstrukturierung als betriebsbedingter Kündigungsgrund, um die Anstellungsverhältnisse ihrer Geschäftsführer ohne größere Schwierigkeiten ordentlich kündigen zu können, wenn die GmbH mehrere Geschäftsführer beschäftigt und die Position der Organmitglieder nicht auf weniger als eine rationalisiert wird.14 Dies ist insbesondere unter dem Aspekt der Fall, dass die Unternehmensentscheidung der Gesellschaft seitens der Gerichte nur beschränkt nachprüfbar ist.15 In diesem Zusammenhang kommt ebenfalls zum Tragen, dass eine Sozialauswahl im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 1 HS. 1 KSchG bei 13 14
(346). 15
Siehe unter Kap. 3 F. ff. So auch in Bezug auf die Position eines leitenden Angestellten Diringer, BuW 2004, 342 Diringer, BuW 2004, 342 (346).
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Geschäftsführern einer GmbH allein dann vorzunehmen ist, wenn die Gesellschaft mit mehr als einem Organmitglied die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes vereinbart hat und § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG sowie eine fehlende tätigkeitsbezogene Vergleichbarkeit nicht entgegenstehen. Die dritte Voraussetzung einer betriebsbedingten Kündigung wird daher in der Praxis in aller Regel nur sehr schwer zu verwirklichen sein. Grundsätzlich kann einem Geschäftsführer sodann bei Vorliegen eines betrieblichen Erfordernisses und einer oftmals gegebenen mangelnden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit betriebsbedingt gekündigt werden. 4. Unwirksamkeit einer ordentlichen Kündigung Auch wenn die Arbeit keine Ausführungen dazu enthält, welche Voraussetzungen eine Gesellschaft im Falle der Unwirksamkeit einer ordentlichen Kündigung erfüllen muss, wenn sie einen Auflösungsantrag gemäß §§ 9, 14 Abs. 2 KSchG stellen darf und möchte oder die Geschäftsführer einen Weiterbeschäftigungsanspruch unterhalb der Organebene geltend machen, soll an dieser Stelle in aller Kürze darauf verwiesen werden, dass bezüglich beider Fragestellungen eine Regelung im Anstellungsvertrag getroffen werden sollte.16 Auf diese Weise werden vermeidbare Rechtsunsicherheiten nach Beendigung der Organstellung, aber einer gleichzeitigen Unrechtmäßigkeit der Kündigung ausgeschlossen.
IV. Rechtsschutz gegen eine ordentliche Kündigung der Anstellungsverträge17 Genießen die Geschäftsführer durch eine privatautonome Vereinbarung der Anwendbarkeit der gesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen Kündigungsschutz im Falle der Beendigung einer ordentlichen Kündigung, müssen sie sich gegen eine solche, ähnlich wie bei den Gestaltungsvarianten der Vereinbarung eines befristeten Anstellungsvertrages, langer Kündigungsfristen oder einer Abfindung beziehungsweise eines Übergangsgeldes, in der Regel dennoch vor den ordentlichen Gerichten zur Wehr setzen. Die vertragliche Geltung des Kündigungsschutzgesetzes ändert nichts an der Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG. Die Geschäftsführer sind Organe der Gesellschaft und besitzen gesetzliche Vertretungsmacht, was eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit ausschließt. An diesem Ergebnis dürfte sich auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 22. 10. 2014 und 03. 12. 2014 nichts ändern, wenn davon ausgegangen wird, dass die dort aufgestellten Maßstäbe in Bezug auf den relevanten Zeitpunkt der Beendigung 16
So auch Joost, EWiR 2010, 613 (614); für die Vereinbarung der Geltung des gesamten Kündigungsschutzgesetzes inklusive der §§ 9, 14 Abs. 2 KSchG Wahl/Schult, BB 2010, 2573 (2574). 17 Siehe unter Kap. 4.
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der Organstellung und der damit einhergehenden Möglichkeit der Anwendung der sogenannten sic-non-Grundsätze bei einer individualvertraglichen Vereinbarung des Kündigungsschutzgesetzes im Rahmen des Bestehens eines Anstellungsvertrages als Dienstvertrag nicht gelten. Rechtlich zulässig ist es aber, wenn die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gemäß § 2 Abs. 4 ArbGG durch vertragliche Vereinbarung herbeiführen. Zudem ist es den gesetzlichen Vertretern durch eine entsprechende Anwendbarkeit des § 4 S. 1 KSchG bei Vereinbarung dieser Vorschrift oder der gesamten Geltung des Kündigungsschutzgesetzes möglich, Kündigungsschutzklage zu erheben. Sie sind in einem solchen Fall nicht darauf verwiesen, die Beendigung ihrer Anstellungsverträge wie üblich im Wege einer allgemeinen Feststellungklage nach § 256 ZPO anzugreifen.
V. Fazit Alles in allem hat die vorliegende Arbeit ergeben, dass es rechtlich zulässig ist, die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes privatautonom zu vereinbaren, um auf diese Weise den ansonsten fehlenden Kündigungsschutz der GmbH-Geschäftsführer auszugleichen. Festgestellt wurde aber auch, dass die Anforderungen, welche an die einzelnen Kündigungsgründe im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG bei der Kündigung eines Arbeitnehmers gestellt werden, nicht ohne Weiteres auf die Kündigung der gesetzlichen Vertreter übertragen werden können. Zwar ist grundsätzlich auch bei Geschäftsführern in drei Stufen zu prüfen, ob ein personen-, verhaltens- oder betriebsbedingter Kündigungsgrund gegeben ist. Die Stufen können aber ineinander übergehen: Insbesondere können sich die Kündigungsvoraussetzungen aufgrund der besonderen Position eines Geschäftsführers mit seinen damit verbundenen speziellen Aufgaben zu einem frühen Zeitpunkt bejahen lassen. Weil die Anforderungen der Kündigungsgründe nicht für GmbH-Geschäftsführer konzipiert wurden, passen sie grundsätzlich nicht für diese Personengruppe.18 Dennoch konnte gezeigt werden, dass eine Beendigung der Anstellungsverträge im Einzelfall nach § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sein kann. Für Geschäftsführer, die normalerweise keinen Bestandsschutz ihrer Anstellungsverhältnisse gemäß dem Kündigungsschutzgesetz geltend machen können und auch sonst nicht in ausreichendem Maße gegen eine ordentliche Kündigung geschützt sind, stellt die Vereinbarung der Geltung der Kündigungsschutzbestimmungen eine vorteilhafte Möglichkeit dar, Kündigungsschutz zu erlangen. Dies gilt grundsätzlich nicht bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern, die angesichts ihrer Stimmenanteile gemäß § 47 GmbHG die Beendigung ihrer Geschäftsführeranstellungsverträge selbst verhindern können. Die Ausführungen bezüglich der einzelnen Kündigungsgründe erlangen daher bei solchen Geschäftsführern keine große Bedeutung, wenn unabhängig davon, ob sie ihrer Arbeitsleistung nicht mehr nachgehen können, eine Pflichtverletzung begangen haben oder ein betriebliches Erfordernis zum Wegfall ihres Be18
So auch Stagat, NZA-RR 2011, 617 (620).
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schäftigungsbedürfnisses führt, ihr Anstellungsvertrag nicht ohne ihre Zustimmung gekündigt werden kann.
VI. Ausblick Ob den Gesellschaften zu raten ist, von ihrer durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. 05. 2010 eröffneten Möglichkeit, das Kündigungsschutzgesetz zur Anwendung zu bringen, Gebrauch zu machen, ist schwer zu beantworten. Die Feststellung des Vorliegens eines rechtmäßigen Kündigungsgrundes wird in der Praxis sehr schwierig sein. Die Wahl einer solchen Gestaltungsvariante kann der GmbH grundsätzlich nur empfohlen werden, wenn sie eine bestimmte Person für den Geschäftsführerposten gewinnen möchte.19 Insbesondere wird unter Umständen ein bisher als Arbeitnehmer tätiger Beschäftigter geltend machen können, seinen bisherigen Bestandsschutz durch die Berufung zur Organstellung nicht aufgeben zu wollen.20 Anderenfalls sollte mit einer derartigen Gestaltungsvariante zurückhaltend umgegangen werden.21 Insbesondere sollte die GmbH mit etwaigen Formulierungen, die auf einen eventuellen Kündigungsschutz hindeuten, vorsichtig sein, wenn sie die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes nicht ausdrücklich vereinbaren will. Möchten GmbH-Geschäftsführer, speziell nicht beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer hingegen in den Genuss des Kündigungsschutzgesetzes kommen, ist die Geltung dieses Gesetzes für sie vorteilhaft, so dass sie die Herbeiführung einer entsprechenden Vereinbarung verfolgen sollten.
19 20 21
So auch Stagat, NZA 2010, 975 (980). Stagat, NZA 2010, 975 (980); Stagat, NZA-RR 2011, 617 (620). Otte, GWR 2011, 313559, welche von einer Vereinbarung abrät.
Ergebnisse in Thesen Die Nummerierungen der thesenhaften Zusammenfassung der Ergebnisse entsprechen den Gliederungspunkten. 1. Das Kündigungsschutzgesetz findet auf GmbH-Geschäftsführer gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keine Anwendung. Dies gilt unabhängig davon, ob das Anstellungsverhältnis der gesetzlichen Vertreter als Dienstvertrag oder als Arbeitsvertrag zu qualifizieren ist. § 14 Abs. 2 KSchG umfasst mit Geschäftsführern nicht solche einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. 2. Um den fehlenden Kündigungsschutz der GmbH-Geschäftsführer auszugleichen, können die Gesellschaften und ihre Organmitglieder verschiedene Gestaltungsvarianten wählen. Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. 05. 2010 ist es den Parteien des Anstellungsvertrages ferner möglich, die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes individualvertraglich herbeizuführen. 3. Eine solche Vereinbarung verstößt weder gegen kündigungsrechtliche noch gegen gesellschaftsrechtliche Rechtsgrundlagen und ist somit rechtlich zulässig. Die GmbH und ihre Geschäftsführer können die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes in seiner Gesamtheit, in Teilen oder in modifizierter Weise vereinbaren. Soll insbesondere die Norm des § 1 KSchG gelten, bedarf eine Beendigung der Anstellungsverträge der GmbH-Geschäftsführer, im Unterschied zu einer ordentlichen Kündigung bei Nichtgeltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes, neben dem Vorliegen der formellen Voraussetzungen eines rechtfertigenden Kündigungsgrundes. In Betracht kommt ein personen-, verhaltens-, oder betriebsbedingter Grund im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG. Die Anforderungen einer Kündigung eines Arbeitnehmers können dabei nur unter Berücksichtigung der speziellen Funktion eines Geschäftsführers mit seiner damit verbundenen besonderen Vertrauensstellung übertragen werden. Die Kündigung der GmbH-Geschäftsführer wird daher nicht selten zu einem frühen Zeitpunkt gerechtfertigt sein. 4. Die Rechtsschutzmöglichkeiten von GmbH-Geschäftsführern gegen eine Beendigung ihrer Anstellungsverträge beurteilen sich danach, welche vertragliche Gestaltungsvariante dem schuldrechtlichen Rechtsverhältnis zugrunde liegt. Bei einer Vereinbarung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, speziell des § 4 KSchG, können sich die Geschäftsführer gegen eine Kündigung vor den ordentlichen Gerichten innerhalb einer Dreiwochenfrist im Wege einer Kündigungsschutzklage gemäß § 4 KSchG zur Wehr setzen. Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte erreichen die Parteien, wenn sie eine solche entsprechend § 2 Abs. 4 ArbGG festlegen.
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Stichwortverzeichnis Abberufung 23, 61, 64 – 67, 77 f., 84 – 88, 90, 92 – 95, 110 – 112, 137, 177 f., 184 – 193, 196, 198 f., 202 f., 205 f., 270, 296 – 298, 301 f., 308, 310 Abfindung 49, 63, 71, 114 f., 125, 236, 299, 309, 314 Abmahnung 217, 223 f., 226 – 232, 234 f., 237 – 239, 241 – 245, 247 – 266, 268 – 273, 312 Abwerben 231 – 233, 272 Aids 170 f., 222 Aktiengesellschaft 55 f., 74 – 76, 89, 91 Alkohol 171 f., 234 f., 272 Alter 155, 158, 195, 203 – 205, 208, 212, 216 f. Analogie 78, 98 f., 189 Änderung des Anforderungsprofils 277, 286, 293 Anwendungsvorrang 188 f., 199 Anzeige 235, 272 Arbeitgeberfunktionen 26 f., 29 f., 103, 208, 227, 229, 241, 245 Arbeitnehmereigenschaft 22, 24 – 37, 55 – 60, 103, 123, 154, 176 – 184, 195 f., 282 f., 300, 304 Arbeits- und Berufsausübungserlaubnis 206, 222 Arbeitsplatz 49, 54, 106 f., 131, 133, 149 – 153, 168 – 170, 206, 214, 235, 237 – 239, 277, 286 – 289, 293, 311 Arbeitsverhältnis 24 – 28, 33 – 35, 39, 49, 53, 64 – 69, 71, 75, 80 f., 96, 100 – 102, 105, 118, 123, 154 f., 160, 170 – 172, 175, 181 f., 186, 206 f., 209 f., 213, 218 f., 226, 235, 237, 244, 266, 279, 281 – 285, 295 – 304, 307 f. Arbeitsversäumnis 237 Arbeitsverweigerung 237, 247 Aufsichtsrat 75, 178, 194 Auftragsmängel 276, 286, 293 Auftragsvergabe an Dritte 278
Auskunftsverweigerung 255, 272 außerdienstliches Verhalten 207 außerordentliche Kündigung 62, 78, 91, 105, 158, 207, 210, 225, 228 f., 232, 235 – 240, 250 – 253, 260 – 270 Beeinflussung der Abberufungsfreiheit 85 befristeter Anstellungsvertrag 62, 71, 73, 78, 86, 91, 94, 194, 236, 298, 307, 309, 314 Beleidigungen 238 f., 270, 272 Bestellung 21, 30, 60, 64 – 66, 70, 73, 75, 84 – 87, 89, 94 f., 111 f., 134 – 138, 140 – 144, 155, 166, 178, 187 – 190, 195 f., 198, 300 f. betriebliche Beeinträchtigungen 129, 131 f., 145 f., 149, 158 – 161, 165, 168 f., 206, 211 f., 214, 221, 225, 233 betriebliches Eingliederungsmanagement 152 – 155, 159, 170 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse 248, 272 f. betriebsinterner Mitarbeiter 141 f., 167 Betriebsrätegesetz 1920 (BRG 1920) 40 – 46, 50 – 53 Betriebsstilllegung 279 f., 286, 293 Betriebsübergang 279 – 282, 285 f., 293, 313 Buchführungspflichten 140, 251 f., 272 contra legem
181, 183
Danosa 23, 175 – 178, 185, 187, 192, 194, 202 – 204, 222, 312 dauernde Leistungsunfähigkeit 160 f., 170 Dienstvertrag 28, 32, 40, 60, 72, 100, 115 – 117, 141, 147, 220, 281 f., 285, 296, 299, 304, 309, 315, 317 Diskriminierung 176 f., 191, 193 – 200, 203 f., 216 Drittanstellung 68 f., 71, 302 f., 307 Drogensucht 171, 173, 222
Stichwortverzeichnis Entwurf des Wirtschaftsrates 44 – 46, 53 Eröffnung des Kündigungsschutzgesetzes 24, 123 Erstellung des Jahresabschlusses 252 f., 272 Erstes Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz 1969 99 – 102 Erstes Kündigungsschutzgesetz 1951 46 f., 53 f. Fehlverhalten 130, 230 f., 233, 235 f., 243, 251 – 255, 260, 262, 265, 272 Feststellungsklage 121, 303, 305, 307 f. Firmenkreditkarte 261 – 265, 272 f. formelle Voraussetzungen 95, 119, 294, 310, 317 Funktionsbeeinträchtigung 85, 89 Fürsorgepflicht 232 f., 237, 241, 243, 245 – 247, 268, 272 Geschäftsführer – Alleingesellschafter-Geschäftsführer 104, 109, 287, 311 – Aushilfsgeschäftsführer 134, 141, 166 – Fremdgeschäftsführer 31 – 33, 55, 97 – 99, 103 – 105, 109 f., 119, 124 f., 151, 168, 179 f., 191 – 193, 196 f., 200, 202 – 205, 225, 270, 275, 288, 298, 312 – Gesellschafter-Geschäftsführer 31 – 33, 55 f., 97 – 99, 103 – 105, 110, 119, 124 f., 168, 170, 180, 193, 196, 201 – 203, 205, 225, 232, 249, 259, 262, 270, 273, 275, 311 f., 315 f. – Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer 31, 180, 192, 202, 287 – Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer 31 – 33, 98, 179 f., 191 – 193, 200, 202, 204, 312 – Notgeschäftsführer 135 f., 138, 144, 155, 166 Geschäftsgeheimnisse siehe Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gesellschafterversammlung 21, 30, 32 f., 56 f., 66, 73 – 76, 84 – 92, 95, 104, 108, 112, 119, 137, 140, 150 f., 178 – 180, 185, 190, 202, 231, 238, 247 f., 252, 255, 257 – 259, 269, 280, 290, 292
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Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit 1934 (AOG 1934) 42 f., 46, 52 Gewissenskonflikt 214 f. GmbH & Co. KG 68 f., 71, 303 Haftstrafe 210 f. Handgreiflichkeiten 240 f., 272 Hattenheimer-Entwurf 45 f. häufige Kurzerkrankungen 127, 136, 138, 143 f., 159, 169 innerstaatliche Geltung 193, 201 Insolvenzverfahren 285 f., 293 Insolvenzverschleppung 208, 256, 272 Interessenabwägung 125, 129, 155 – 161, 168 – 170, 174, 206, 208, 212, 216, 221, 224, 233, 236 – 238, 245, 248 – 250, 252, 255, 260, 263, 265, 267, 270 – 272, 274, 311 – 313 Jahresabschluss siehe Erstellung des Jahresabschlusses Kapitalgesellschaft 176 f., 226 f. Kompensation 132, 165, 256 Komplementär-GmbH 26, 28, 68 f., 303 Kontrollratsgesetz Nr. 40 43 Koppelungsklausel 94 f., 110 – 112, 124, 187, 310 Krankheit 126 – 128, 130 – 132, 135, 138, 155 f., 161, 164, 167, 169 – 171, 241 Kündigung – betriebsbedingte 115, 220 f., 273 – 277, 280, 286, 290, 293, 314 – personenbedingte 124 – 127, 169 – 172, 205 – 209, 213 – 215, 217 – 222, 224 – verhaltensbedingte 115, 172, 207, 209, 215, 223 – 231, 234 f., 237 – 242, 244 f., 248, 250 f., 254 – 256, 258 f., 261, 264 – 266, 268, 270 – 274 Kündigungsfrist 62 f., 71, 94 – 105, 110 – 112, 119, 122, 271, 286, 298 f., 307, 309, 314 Kündigungsschutz 21 – 24, 34 – 45, 49 – 54, 58 – 61, 66, 68, 71 – 73, 76 – 78, 80 – 83, 87 – 89, 91 – 93, 106, 108 – 111, 113 f., 123, 125, 175, 185, 196 – 198, 201 – 203, 227 –
336
Stichwortverzeichnis
230, 234, 261, 282, 284 f., 291, 298, 304 f., 309, 312, 315 – 317 Kündigungsschutzgesetz 1969 (KSchG 1969) 51 – 53, 59 Kündigungsschutzklage 301 – 303, 305 f., 308, 315, 317 kündigungsschutzrechtliches Freiwild 61, 70, 309 lang andauernde Krankheiten 161, 169 f. leitende Angestellte 22, 30 f., 35, 41 – 54, 58 f., 67, 83, 125, 129, 131 – 135, 141 f., 145 f., 149 f., 155, 157, 159, 167, 170, 204, 213, 262, 294, 311, 313 lex posterior-Satz 189 Liquidator 137 f. Lohnfortzahlung 141, 147 f., 155, 163, 167 f. mangelnde Eignung 125, 207, 213, 217 – 219, 222, 311 mildere Mittel 149 – 152, 155, 157, 159, 168, 170, 235, 244, 261, 275, 277, 280, 287, 311 f. Mindestkündigungsschutz 105 f., 108 – 110 Missachtung der Kompetenzordnung 257, 272 Mitverschulden 225, 233 Modifikationen 113 f., 116, 118, 310 Nebenpflichten 241 f. negative Gesundheitsprognose 127 – 131, 159 – 164, 168 – 170, 173 Nichtgeltung des Kündigungsschutzgesetzes 92, 310 ordentliche Kündigung 21 f., 24, 34, 61 – 63, 70, 78 – 81, 90 – 93, 100, 105, 110 f., 117, 119, 123 f., 155, 159, 161, 228, 232, 236 – 255, 259 – 268, 270 – 272, 294 f., 300, 304, 308, 310, 314 f., 317 paritätisch nicht mitbestimmte GmbH 21, 62 Personalreserve 133, 144 – 146, 155, 157, 165 persönliche Abhängigkeit 24, 32 f., 55
planwidrige Regelungslücke 99, 101, 104 f., 136, 166, 175, 283 f. Präklusionswirkung 120 f., 124, 311 privatautonome Vereinbarung – der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes 72, 92 – der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes 70, 91, 122 private Internet- und Telefonnutzung 243 Prognosezeitraum 127, 129 – 131, 162 Prokurist 36, 129, 135, 142, 144, 155, 159, 170 Qualifikation 133 f., 139, 142, 219 – 221, 277, 286, 291 – 293 Rechtsfortbildung 188 f., 191 Rechtsgrundlagen – gesellschaftsrechtliche 22, 79, 84, 92, 294, 310 – kündigungsrechtliche 22, 80, 84, 92, 294, 310 Rechtsschutzmöglichkeiten 295, 317 Rechtsweg 23 f., 123, 295 f., 298 – 302, 304 – 308 Reichweite 112, 116, 124, 184, 189 Richtlinien – 76/207/EWG (Gleichbehandlungsrichtlinie) 176 f., 191 – 195, 200, 203, 312 – 86/613/EWG (Gleichbehandlungsrichtlinie für selbständige Erwerbstätige) 177, 191 – 194, 201 – 203 – 92/85/EWG (Mutterschutzrichtlinie) 176 – 178, 180, 184 – 186, 189 – 191, 194, 202, 312 – 2010/41/EU (Richtlinie zur Aufhebung der Richtlinie 86/613/EWG) 201 – 203 richtlinienkonforme Auslegung 180 – 184, 188, 190 f., 193 – 195, 198 – 200, 202 – 204, 312 Ruhen des Arbeitsverhältnisses 64 – 66, 300 Schlechtleistung 215 – 219, 222, 224, 251, 272 Schmiergelder 266 f., 269, 273 Schriftformgebot 65 f., 96 Schutzbedürftigkeit 54 f., 59, 88, 98, 105, 228, 250, 258, 268, 274, 292
Stichwortverzeichnis Schwangerschaft 175, 177 f., 184, 186, 188 – 191, 194, 196 f., 200 – 203, 222, 312 Schwerbehinderung 156, 158 f., 169 f., 174, 208, 212, 288, 292 sexuelle Belästigung 244 – 246, 270, 272 sic-non 296, 301, 303, 308, 315 Sittenwidrigkeit 107, 109 f. Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes 253 f., 269, 272 Sozialauswahl 279 f., 288, 290 – 294, 313 Stellvertreter 129, 135 f., 139 – 144, 148, 159, 163, 166 – 169, 211 Straf- und Untersuchungshaft 209, 212, 222 strafbare Handlungen 107, 236, 260, 272 Straftaten 207 – 209, 211 f., 222, 260, 262, 273, 312 Streitigkeiten 23, 99, 137 f., 270, 273, 295, 302, 306 Tantieme 265 f. teleologische Extension 189 teleologische Reduktion 189 Trennung 84, 87, 124, 169, 178, 186 f., 241, 263, 271, 313 Trennungsprinzip 93, 111 Treuepflicht 232 f., 237, 241, 243, 246 f., 249, 262, 266, 268, 272 Überbrückungsmaßnahmen 129 f., 132 – 144, 155 – 158, 163, 165 – 168, 173 f., 210 – 212, 221 Übergangsgeld 63, 71, 75 f., 89, 299, 309, 314 ultima-ratio-Prinzip 227 – 230 Umorganisation 133 f., 144, 155, 165 Umsatzrückgang 276 f., 286, 293 Unanwendbarkeit 50, 154, 186, 188, 197, 296, 306, 309 unberechtigte – Amtsniederlegung 269 f., 273 – Barabhebungen 265, 272 – Erlangung von Vorteilen 267, 273 – Spesenabrechnung 263 f., 272 – Urlaubsverlängerung 246 Untersuchungshaft siehe Straf- und Untersuchungshaft
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Unwirksamkeit 76, 89, 120 – 122, 198, 203, 298, 301, 314 Urlaub 246 – 248, 272 Vereinbarung 62 f., 66, 70, 72 – 92, 94 f., 111 – 117, 120 – 125, 148, 197, 205 f., 225 – 229, 234 – 239, 242 f., 254 f., 261, 266, 269, 285, 294, 304 – 306, 308 – 316 vergleichbare Interessenlage 136 – 138, 166 Vergleichbarkeit 101, 103 – 105, 283, 288 – 293, 314 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 152, 154, 226, 229 f., 275, 287 Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen 248 f., siehe auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Verschulden 147, 156, 158, 213, 225 Verschuldung 213 Versetzung 150 – 152, 155, 159, 168 – 170, 174, 235, 237, 241, 287, 311 Vorstandsmitglieder 40, 43 – 46, 50 f., 55 f., 75, 91 Weisungen 26 f., 30, 56 f., 108, 150 f., 176, 179 f., 192, 252, 259 f., 269, 272, 278 Weisungsrecht 24, 26 f., 30, 33, 150 f., 290 Weiterbeschäftigung 67, 151 – 153, 170, 173, 224, 252, 261, 267, 280, 287, 289, 293, 302, 307, 310 Wettbewerbsverbot 233, 249 f., 272 f. wichtiger Grund 94, 188, 232, 239, 258, 260, 265, 267 Widerruf 23, 75 f., 86 f., 94, 111 f., 185, 187 – 190, 198, 202 f., 205, 310 wirtschaftliche Belastungen 85 – 87, 141, 144 – 149, 155, 159, 165 – 168, 174, 211, 218 Zerwürfnis 270 f., 273 Zulässigkeit der Vereinbarung 72, 74, 82, 114 Zuständigkeit 23, 95, 119, 295, 297 – 299, 304, 306 – 308, 314 f. zwei verschiedene Rechtsverhältnisse 67 f., 302