Karl August Böttiger und Georg Joachim Göschen im Briefwechsel [Reprint 2020 ed.] 9783112333167, 9783112333150


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German Pages 298 [308] Year 1911

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Karl August Böttiger und Georg Joachim Göschen im Briefwechsel [Reprint 2020 ed.]
 9783112333167, 9783112333150

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Vorwort. Bei Herausgabe des vorliegenden Buches war die Ab­ sicht, über Karl August Böttiger und Georg Joachim Göschen ein biographisches Werk zu schaffen, vollständig ausgeschlossen. Wenn trotzdem einige biographische Notizen eingeflochten worden sind, so ist dies in erster Linie mit Rücksicht auf diejenigen Leser geschehen, denen die Kreise, in welchen Böttiger und Göschen wirkten, fremd sind, und die zum besseren Verständnis der Briefe etwas von den Lebensschicksalen der Schreiber erfahren müssen. Wer sich eingehend mit Literatur beschäftigt, der weiß, wer Böttiger und Göschen waren, und es wäre überflüssig, ihm über die Jugendjahre und den Werdegang derselben noch etwas sagen zu wollen. Wir besitzen auch von beiden Männern, deren Briefe hier veröffentlicht werden, bereits

mehrere Biographien. Eine derartige Schrift über Göschen verfaßte im Jahre 1861 der an der Fürstenschule zu Grimma als Lehrer wirkende M. Christian Gottlob Lorenz, und Göschens Enkel, Viscount Georg Joachim Goschen, hat 1905 in einem zweibändigen Werke das Leben seines Großvaters an der Hand von Familienpapieren und mündlichen Über­ lieferungen ausführlich beschrieben und die Gründung und Weiterentwicklung der Göschenschen Buchhandlung ge­ schildert. Dr. Karl Wilhelm Böttiger, Geschichtsprofessor an der Universität zu Erlangen, hat in einer im Jahre 1837 erschienenen Broschüre und in einem später veröffentlichten größeren Buche von dem Lebensgange seines Vaters Karl August Böttiger ein getreues Bild entworfen und dessen

literarische Bedeutung und gelehrtes Schaffen gebührend gewürdigt. Böttigers schriftlicher Nachlaß wurde in den Jahren 1836 und 1837 von Julius Sillig herausgegeben, und dieser hat der Sammlung von Böttigers archäologi­ schen Aufsätzen eine zwar nur kurze, aber dennoch äußerst anschauliche biographische Skizze seines 1835 verstorbenen „harmlos wohlwollenden" Freundes vorausgehen lassen. Außerdem wurden von verschiedenen Seiten Gäschens Be­ mühungen im Interesse des Buchhandels und Böttigers Verdienste um Kunst und Wissenschaft rühmend hervor­ gehoben. Aber nirgends ist bisher das Freundschaftsverhältnis, welches Göschen und Böttiger bis an ihr Lebensende ver­ band und zu gemeinsamer Tätigkeit anspornte, betont worden. Dieses innige Freundschaftsverhältnis, so erfreulich und beachtenswert es an sich auch ist, würde das Allgemein­ interesse doch nur in geringem Maße in Anspruch nehmen, wenn die von den beiden Freunden in den Jahren. 1795 bis 1815 gewechselten Briefe nicht die literarischen Er­ scheinungen und politischen Ereignisse jener großen Zeit eingehend behandelten. Die Glanzepoche der deutschen Literatur, die Zeit, in der unsere größten Dichter lebten und ihre unsterblichen Meisterwerke schufen, zieht gleich­ sam wie in einem Spiegelbilde an unseren Augen vorüber. Aber nicht nur die damals neuerscheinenden Bücher und größere Unternehmungen auf literarischem Gebiete haben Göschen und Böttiger in ihren schrift­ lichen Mitteilungen beschäftigt, sondern es fallen durch ihre Briefe auch Helle Streiflichter auf die Autoren selbst. Man erhält mitunter Aufschlüsse über Dinge, die dem großen Publikum mehr oder weniger fremd sind, und Mancher selbst schon bekannte Zug in dem Leben und geistigen Schaffen unserer Klassiker erscheint durch kleine Bemerkungen oft in einem ganz neuen Lichte.

Und wie scharf ausgeprägt, wie plastisch treten Bei dieser Gelegenheit die Persönlichkeiten der Briefschreiber hervor! In greifbarer Deutlichkeit erscheint der gediegene, weit­ schauende Geschäftsmann Göschen, dem der gelehrte Böttiger mit seinen umfassenden Kenntnissen beratend zur Seite steht. Aus ihrer gemeinsamen literarischen Tätig­ keit entwickelt sich nach und nach ein Freundschaftsbündnis, welches von Jahr zu Jahr inniger und fester wird. Da­ durch lernt man Göschen und Böttiger als Menschen näher kennen und schätzen. Denn nicht nur ihre geschäftlichen Auseinandersetzungen sind von Interesse, sondern auch ihre sympathischen Charaktereigenschaften. Rechtlichkeit, tiefes Gemüt, Familiensinn vereinigen sich mit liebenswürdigem Humor zu einem überaus anziehenden Gesamtbilde, und die große Verehrung für Wieland sowie eine geradezu rührende Besorgnis um das Wohl und Wehe des greisen Dichters beschäftigen die beiden Freunde nicht minder lebhaft, als ihre glühende Vaterlandsliebe. Alle Stellen — ebenso ganze Briefe — die rein privater Natur sind, oder bloß persönliche und nebensächliche Dinge behandeln, sind bei Zusammenstellung dieser Sammlung fortgelassen und nur solche darin ausgenommen worden, die vermöge ihres Inhalts die Aufmerksamkeit weiterer Kreise verdienen.

Leipzig, im September 1911.

L. Gerhardt.

Einleitung. u einer Zeit, die man mit Recht als die Blütezeit der deutschen Literatur bezeichnet, machte

der

Leipziger

Verlagsbuchhändler

Georg Joachim Göschen die Bekannt­ schaft des .Oberkonsistorialrates Karl Au­ gust Böttiger in Weimar.

Göschen hatte damals, ob­ gleich in seinem Verlage die meisten Werke unserer Klassiker erschienen, gegen besonders schwierige Verhält­

nisse anzukämpfen. Der durch die Kriegsstürme gehemmte Geschäftsgang verursachte ihm manchen empfindlichen Schaden und infolgedessen große Geldsorgen. Hierzu kamen Differenzen mit den tonangebenden Schriftstellern. Fortgesetzte Mißhelligkeiten mit seinem Konkurrenten Cotta, Scherereien mit den Nachdruckern und manches

andere verbitterten ihm oft gründlich seinen Beruf. Göschen, der am 22. April 1752 in Bremen geboren

war, hatte schon in frühester Jugend des Lebens Schatten­ seiten kennen gelernt. Sein Vater, der angesehene, einst wohlhabende Kaufmann Johann Reinhard Göschen, war

durch die Wirren des Siebenjährigen Krieges gänzlich ver­ armt und sah sich durch die schweren Verluste genötigt, mit seinem ältesten, ihm von fünf Kindern allein am Leben

gebliebenen Sohne Georg Joachim Bremen zu verlassen und sein Fortkommen anderwärts zu suchen. Er ließ sich in Vlotho an der Weser, einem kleinen Orte in Westfalen,

nieder. Trotz der mißlichen Vermögenslage ging er, der bereits zwei Frauen durch den Tod verloren hatte*), dort *) Die erste, Georg Joachims Mutter, war eine geborene Schu­ lenburg und stammte, ebenso wie die zweite, Anna Juliane geb. Niemans, aus Bremen.

BO

1

bald nach seiner Ankunft eine dritte Heirat ein. Die neue Stiefmutter — eine verwitwete Frau Stallforth — war, trotzdem sie drei eigene Kinder in die Ehe mitbrachte, nicht

die Ursache, daß Georg Joachim das Elternhaus verlassen und so früh in die Welt hinaustreten mußte. Sein Vater überließ seine neugegründete Familie im Jahre 1765 — also bald nach seiner Verheiratung — ihrem Schicksal und

wanderte in die Welt hinaus. Vielleicht zwangen ihn auch die unglücklichen Zeitverhältnisse zu diesem Schritte. Wohin er sich gewendet, hat niemals mit Sicherheit festgestellt werden können. Die Frau, die nunmehr vier unmündige Kinder zu ernähren hatte, blieb in harter Be­

drängnis und bitterster Not zurück. Mitleidige Freunde und Verwandte nahmen sich ihrer und der Kinder hilf­ reich an, aber sie waren auch nicht in der Lage, dem großen Elend erfolgreich und dauernd zu steuern, und sandten den dreizehnjährigen Stiefsohn Georg Joachim, nachdem sie ihn mit etwas Reisegeld versehen hatten, nach Bremen zurück*). Da stand nun der arme Knabe, ohne Verwandte und von allen Hilfsmitteln entblößt, allein in der großen Stadt! — Ein glücklicher Zufall ließ ihn in der Person des Kaufmanns Rulffs einen Wohltäter finden, der mit wahrhaft väterlicher Fürsorge für den Verwaisten eintrat. Zunächst übergab ihn Rulffs zu weiterer Ausbildung dem Schullehrer Fischer in Arbergen bei Bremen. Der dortige Pastor, Heinrich Erhard Heeren, Rulffs Schwager, nahm

sich des aufgeweckten, intelligenten Knaben gleichfalls liebe­ voll an, unterwies ihn selbst mit großer Sorgfalt und ließ ihn sogar an dem Unterrichte seines eigenen Sohnes, des

*) Näheres über die Leiden dieser Kindheit erfahren wir aus Böttigers biographischer Notiz: „Göschen, 46 Jahre alt," und aus dem 1833 bei Bädecker in Essen a. d. R. erschienenen Buche von H. A. von Kamp: „Die Wege des Herrn mit verlassenen Kindern." Die in der letzten Schrift angeführten Tatsachen ent­ sprechen jedoch nicht immer dm wirklichen Begebenheiten.

später als Geschichtsforscher bekannten Professors Her­ mann Ludwig Heeren, teilnehmen. Mit fünfzehn Jahren brachte Rulffs den jungen Göschen bei dem Buchhändler Cramer in Bremen unter.

Göschen hat seinem Pflegevater diese aufopfernde Teil­ nahme nie vergessen. Noch in späteren Jahren erinnerte er sich dankbar der ihm erwiesenen Guttaten, und als Rulffs selber in Not geriet, war er eifrig bemüht, seine Erkenntlichkeit dadurch zu beweisen, daß er den einstigen Wohltäter nach Kräften unterstützte. Nach Beendigung seiner Lehrzeit finden wir Göschen als Gehilfen in der großen Buchhandlung von Siegfried Leberecht Crusius in Leipzig, in welcher Stellung er fast

zehn Jahre verblieb. 1781 war in Dessau von einer Gesellschaft gelehrter Männer, zu denen als einer der eifrigsten Klopstock ge­ hörte, die „Buchhandlung der Gelehrten" errichtet worden. Klopstock schrieb schon im Jahre 1774 in bezug auf ein derartiges Unternehmenden ersten Teil seiner von Goethe in „Dichtung und Wahrheit" so beifällig beurteilten, vom

Publikum jedoch sehr kühl aufgenommenen „Gelehrten­ republik". Die geplanten weiteren Teile sind niemals

erschienen. — Die neue Vereinigung hatte nicht den Zweck, die Werke der Schriftsteller, wie üblich, in Verlag zu nehmen, sondern lediglich, nachdem die Autoren ihre Bücher auf eigene Kosten hatten drucken lassen, dieselben gegen mäßiges -Entgelt auf Buchhändlerart zu vertreiben. Man hoffte, auf diese Weise den Gewinn, der bisher den

Verlegern zugeflossen war, den Schriftstellern zugute kommen zu lassen. In diese Buchhandlung trat um das Jahr 1783 Göschen als „Faktor" ein. Da sich das Dessauer Unternehmen auf die Dauer nicht als lebensfähig erwies, gründete Göschen 1785 mit Hilfe seines Freundes C h r i st i a n G o t t f r i e d K ö r n e r ein eig enes

Geschäft, eben jene Buchhandlung, in deren Verlage die 1*

hervorragendsten Dichter der Glanzepoche der deutschen Literatur, wie Schiller, Goethe, Wieland, Klopstock u. a. ihre Werke erscheinen ließen.. Körner hatte nach dem Tode seines Vaters, des am 4. Januar 1785 in Dresden ver­ storbenen Superintendenten und Universitätsprofessors Johann Gottfried Körner, ein kleines Vermögen geerbt. Durch sein hochherziges Freundschaftsverhältnis zu Schiller und seinen Briefwechsel mit diesem ist er, der Vater Theo­ dor Körners, allgemein bekannt geworden*). Er war ein bedeutender Mann von umfassender Bildung und sogleich bereit, einen Teil des ererbten Geldes zum Besten seines strebsamen, aber völlig mittellosen Freundes Göschen zu verwenden, indem er ihm eine Summe zur Gründung einer eigenen Buchhandlung vorstreckte. Er selber trat denr neuen Geschäfte als stiller Teilhaber bei. Diese von Körner stammenden 3000 Taler waren die Grundlage, auf welcher sich die später so berühmte Ver­ lagsbuchhandlung aufbaute. Schon im Jahre 1787 war Göschen in der Lage, seinem hilfreichen Freunde einen Teil des geliehenen Kapitals zurückzuzahlen und sich so nach und nach von der „drückenden Societät" freizumachen und das Geschäft selbständig weiter zu führen.

Am 13. Mai 1788 verheiratete sich Göschen mit Jo­ hanna Henriette §eun*2) aus Dobrilugk, einer Schwester des unter dem Pseudonym H. Clauren bekannten Schrift­ stellers Carl Gottlieb Samuel Heun. Obgleich „Jette" eine sehr tüchtige Hausfrau und nicht ohne Mitgift war — sie brachte 5000 Taler in die Ehe — hatte Göschen infolge seiner bedeutenden Unternehmungen auch weiter­ hin mit starken Geldsorgen zu kämpfen. Ein überaus *) Vgl. über ihn: Christian Gottfried Körners Gesammelte Schriftm. Herausg. von Adolf Stern. Leipzig 1881 (mit vor­ züglicher Biographie). 2) Geboren in Torgau am 20. September 1765 als Tochter des Justizamtmannes Johann Karl Heun.

glückliches Familienleben entschädigte ihn jedoch für die geschäftlichen Kalamitäten. —

GD In anderen, ganz alltäglichen Gleisen verlief hingegen Böttigers Kindheit und Jugend. Karl August Böttiger war am 8. Juni 1760 als der Sohn des Konrektors Johann Karl Böttiger und dessen Frau Johanna geb. Pietsch in Reichenbach i. V. geboren und hatte nach Absolvierung der Gymnasialklassen in Schulpforta an der Leipziger Universität studiert. Zuerst wurde er als Rektor an dem Lyzeum zu Guben angestellt, später als Gymnasialdirektor in Löbau und Bautzen. Am 8. Juni 1786 verheiratete er sich mit Eleonore, der Toch­ ter des Sächsischen Geheimen Finanzsekretärs Adler in Dresden, und 1791 erfolgte seine Ernennung zum Rektor des Fürstlichen Wilhelm Ernestinischen Gymnasiums zu Weimar. Als im Jahre 1790 der bisherige Rektor, Johann Michael Heinze, starb, wurde auf Herders Veranlassung für die erledigte Stelle Böttiger nach Weimar berufen und zum Oberkonsistorialrat ernannt. Welchen Wert der streng denkende, wegen seines Hochmuts und seiner Unzu­ gänglichkeit oft getadelte Herder darauf legte, gerade Böt­ tiger für diesen Posten zu gewinnen, erfahren wir aus seinen Briefen. So schrieb er am 21. Januar 1791 an Böttiger: „. . . Die spezielle Aufsicht über das Gymnasium sowie sämtliche Schulen des Landes ist durch eine besondere Kommission mir aufgetragen; der typus der Arbeiten ist nach der Beschaffenheit der jetzigen Lehrer von mir ent­ worfen, und da ich also, was das Innere der Einrichtung betrifft, ziemlich, ich darf wohl sagen, völlig freie Hand habe, so suche ich, so viel an mir ist, alle Anstalten zum

Guten und Bessern zu erleichtern und jede gute Bemühung eines Lehrers zu unterstützen. — Bon Seite der Ephorie also wird einem edlen, fleißigen, helldenkenden Lehrer nie etwas in den Weg gelegt werden. Von dem Vorzüglichen eines Ortes, insofern eA einem Gelehrten nicht ganz gleichgültig sein kann, darf ich wohl nichts erwähnen, da E. Hochedelgeb., wie ich mich an­ genehm erinnere, den Ort selbst, auch mehrere Personen kennen, die Ihrer mit vorzüglicher Achtung denken, und an denen Sie gewiß Freunde finden würden. Daß ich auch unter diese gehöre, darf ich nicht erst hinzufügen. — Außer­ dem liegt mir die Schule als ein mir anvertrautes Pfand des Staats auf dem Herzen, und mit einem Direktor, wie ich ihn wünsche, und E. H. gewiß sein werden, empfinge ich ein großes Geschenk zur Freude und Ruhe meines Lebens. . ." Und als Böttiger sich bereit erklärte, nach Weimar zu kommen, schrieb Herder am 25. April 1791: „Mit Freude fange ich diese Zuschrift an, da E. H. letzter Brief die angenehme Nachricht enthielt, daß Sie zur An­ nahme der Ihnen angetragenen Stelle, obgleich nicht ohne mancherlei Kampf, geneigt sind. — Verlassen E. H. sich darauf, daß Ihnen von meiner Seite, so viel in meinen Kräften steht, zu allem Guten willig und zuvorkommend werde die Hand geboten werden. . ." In kurzer Zeit erwarb sich der strebsame, liebenswürdige und überaus gefällige junge Mann vermöge seiner ein­ schmeichelnden Manieren und ausgedehnten Kenntnisse zahlreiche Freunde in der kleinen Residenz. Er verkehrte bald viel bei Hofe und wurde wiederholt von der kunst­ sinnigen verwitweten Herzogin Anna Amalia zu ihren ästhetischen Abendzirkeln herangezogen. An diesen an­ regenden Zusammenkünften nahm Böttiger jedoch nicht bloß als Zuhörer und aufmerksamer Beobachter teil, son­ dern er hatte oft die Aufgabe, durch Vorträge aus dem

reichen Schatz seines wissenschaftlichen Könnens zur Un­ terhaltung des erlesenen Kreises beizutragen. Er besuchte die gelehrten Zusammenkünfte bei der verwitweten Her­ zogin zum ersten Male am 4. November 1791 und hielt seinen ersten Vortrag über „Die Prachtgefäße der Alten" am 2. März 1792. Seine literarischen Vorzüge lenkten namentlich die Aufmerksamkeit des alternden Wieland auf seine Person. Wieland pflegte den neuen Rektor gern in seine Nähe zu ziehen und verkehrte bald äußerst freundschaftlich mit ihm. „Für meinen teuren Böttiger bleibt kein anderer Platz an und in meinem Herzen, als der eines jüngeren Bru­ ders", sind Wielands eigene Worte. Böttiger, seinerseits, empfand für die bestrickend liebenswürdige Persönlichkeit Wielands eine an Verehrung grenzende Bewunderung und war dem „Senior des deutschen Parnasses" mit auf­ richtiger Liebe zugetan. Göschen, dem Wieland nach dem Tode seines bisherigen Verlegers Reich*) durch einen Kontrakt vom 19. Februar 1788 den Verlag seiner sämtlichen Werke übertragen hatte, durfte sich gleichfalls einer großen Wertschätzung von feiten Wielands rühmen. „Wir haben beide ungefähr einerlei Herz- und Sinnesart", pflegte Wieland von Göschen zu sagen. Und Schiller schrieb am 23. Februar 1788 an Körner: „Es ist ordentlich lustig, wie die Leutchen hier Göschen schätzen. Wieland nennt ihn einen vorzüglichen Sterblichen." Sein Weg führte den Leipziger Buchhändler wiederholt nach Weimar, um mit dem hochbetagten Dichter wegen Herausgabe der „GesammeltenSchriften" die nötige persön­ liche Rücksprache zu nehmen. Geschäftsverbindungen und freundschaftliche Beziehungen zu dem „Chatoullier" des Her*) Philipp Erasmus Reich, gestorben am 3. Dezember 1787, war seit 1756 Geschäftsführer und seit 1762 Mitinhaber der Weidmannschen Buchhandlung in Leipzig.

zogs Karl August, dem um die Literatur verdienten Lega­ tionsrat Vertuch*), veranlaßten Göschen, auch diesen öfters zu besuchen. Gelegentlich seiner häufigen Anwesenheit in Weimar lernte er Böttiger näher kennen, und es entspann sich zwischen den beiden gleichgesinnten, im Charakter jedoch grundverschieden veranlagten Menschen ein herzlicher Ver­ kehr, aus dem sich mit der Zeit eine innige Freundschaft entwickelte, die Göschen bis an sein Lebensende mit Böt­ tiger verband. Böttiger wurde Göschens Vertrauter und Berater in allen Lagen des Daseins; sowohl, was dessen Familien­ angelegenheiten, als auch, was dessen kaufmännische Un­ ternehmungen betraf. Göschen konnte sicher sein, bei dem jüngeren Freunde volles Verständnis und eine herzliche Teilnahme zu finden. Auch durfte er Böttigers Urteilen unbedingt vertrauen. Aus dem hier veröffentlichten Brief­ wechsel geht hervor, daß Göschen in der Folge nichts unternahm, ohne vorher den Rat seines Freundes ein­ geholt zu haben. Aber auch Göschens ausgedehnte Ge­ schäftskenntnisse und seine nüchterne Anschauung der Dinge hatten auf Böttigers zuweilen sehr optimistischen Charak­ ter einen günstigen Einfluß. Es war ein gegenseitiges Ergänzen, welches für beide Freunde einen unleugbaren Vorteil in sich barg. In geschäftlicher Hinsicht leistete der federgewandte Böt­ tiger der Firma nennenswerte Dienste, indem er als Mit­ arbeiter an fast allen zu jener Zeit tonangebenden Blät­ tern in den Spalten der gelegensten Zeitungen eingehende Besprechungen der in Göschens Verlage erscheinenden Bücher veröffentlichen konnte. Böttiger und Göschen begegneten sich zuerst in ihrer *) Geb. 1747, gest. 1822. Vgl. über ihn: Friedrich Justin Bertuch. Ein Beitrag zur Geschichte der Goethezeit. Bon Dr. Wilh. Feldmann, Saarbrücken 1902.

großen Sympathie für den damals auf der Höhe seines schriftstellerischen Ruhmes stehenden Wieland und in dem lebhaften Interesse, welches beide an der pekuniären Lage des liebenswürdigen, aber leider etwas unpraktischen Dich­ ters nahmen. Jedoch erst die in Göschens Verlage erschei­ nenden Werke von Klopstock brachten sie in nähere Be­ rührung. Über dieses innige Freundschaftsverhältnis und die ge­ meinsame literarische Tätigkeit geben uns die von 1795 bis 1815 zwischen beiden gewechselten Briefe den besten Aufschluß.

1795. Klopstock hatte im Jahre 1795 mit Göschen ein Abkommen getroffen, welches diesem für die Folge das ausschließliche Ver­ lagsrecht seiner sämtlichen revidierten Schriften übertrug. Mit den Oden sollte 1798 der Anfang gemacht werden*). Göschen war sich der Schwierigkeit dieses Unternehmens wohl bewußt, denn Klopstocks Werke verkauften sich — trotz der Bewunderung für den Verfasser — wegen ihrer schweren Verständlichkeit äußerst langsam. Ein glänzendes Geschäft war somit hier nicht zu erhoffen.

Mer es gehörte zum Ansehen des ehrgeizigen Ver­

legers, auch Klopstocks Namen in seinem Kataloge zu führen. Um nun der neuen Klopstockausgabe etwas mehr Popularität zu verschaffen, wandte sich Göschen an den wegen seiner Ge­ lehrsamkeit und ausgedehnten Kenntnisse ihm von Wieland

bestens empfohlenen Böttiger und bat diesen, den mitunter „sehr dunklen" Oden leichffaßliche erläuternde Anmerkungen beizufügen. Böttiger war auf diesen Vorschlag gern eingegangen, und wir finden ihn in den nächsten Jahren eifrig mit der übernommenen Verpflichtung beschäftigt. Gleichzeitig druckte Göschen an der Prachtausgabe in Quart von Wielands sämtlichen Werken, einer Ausgabe, die Wieland selbst als von einer „bis dahin in Deutschland beispiellosen Schönheit" bezeichnete, und die auch bis zum heutigen Tage an Schönheit der äußeren Ausstattung von keiner neuen Klassiker­

ausgabe übertroffen worden ist. Wieland befürchtete nur, es könnten sich für derlei kostbare Bücher zu wenig Abnehmer finden und Göschen würde dadurch nicht auf seine Kosten kommen. Göschen hatte außerdem noch zwei billigere Ausgaben von Wieland — eine in Groß-Oktav und die andere in Klein-Oktav — und *) Schon im Jahre 1787 hatte Göschen von Klopstocks bis­ herigem Verleger Bode das Verlagsrecht der bis zu diesem Zeit­ punkte veröffentlichten „Gesammelten Oden" käuflich an sich ge­ bracht.

eine in Taschenformat in Vorbereitung.

(1794 — 1802.)

Es

war eine Riesenaufgabe, die den guten Ruf der Firma befestigte, den strebsamen Buchhändler jedoch nicht ruhen ließ, sondern ihn veranlaßte, sich noch in weitere größere Unternehmungen einzu­ lassen, Unternehmungen, die man angesichts der drohenden Kriegs­ gefahren als geradezu waghalsig bezeichnen muß.

So verlegte Göschen neben dem „großen Unternehmen" — wie er das gleichzeitige Erscheinen der vier Wielandausgaben nannte — ein sehr kostbares, umfangreiches Werk von dem kurfürstl. Sachs. Hausmarschall Freiherrn zu Räcknitz*): „Darstellung und Geschichte des Geschmackes der vorzüglichsten Völker; in Be. Ziehung auf die innere Auszierung der Zimmer und auf die Baukunst." (1796—99.) Dieses, mit Vignetten und ausge­ malten Kupfern reich versehene, überhaupt prächtig ausgestattete Werk sollte in vier Heften erscheinen und jedes einzelne Heft sollte — 8 Friedrichsdor kosten. Man muß gestehen, daß ein solcher Preis für die damals in politischer Hinsicht so unsicheren Verhältnisse ungemein hoch war. Auch Jfflands revidierte dramatische Schriften hatte Göschen zu jener Zeit in Verlag genommen. Die ersten vier Bände waren für Ostern 1796 geplant und Böttiger sollte dazu — gewissermaßen als Ergänzung — seine „Darstellungen über die Entwicklung des Jfflandischen Spieles" herausgeben. Das Erscheinen der Jfflandschen Dramen verzögerte sich bis zum Jahre 1798. Von den vielen sonstigen, damals in Göschens Verlag er­ schienenen größeren Werken mögen hier nur Ramdohrs?)

*) Josef Friedrich Freiherr zu Räcknitz, Hofmarschall in Dresden, hatte Böttigers Bekanntschaft im Jahre 1781 gemacht und war inzwischen dessen intimer Freund geworden. Räcknitz war derjenige gewesen, der Böttiger zuerst für die Freimaurerei zu interessieren gewußt und dem Bunde zugeführt hatte. 2) Friedrich Wilhelm Basilius Ramdohr, Kunstschriftsteller und bedeutender Jurist, geboren 1757, reiste, als er noch Oberappellationsrat in Celle war, wiederholt nach Italien und hielt sich längere Zeit in Rom auf. 1806 wurde er zum Geh. Legations­ rat und Kammerherrn ernannt, kam 1815 als preußischer Resi­ dent nach Rom und lebte seit 1816 als Gesandter in Neapel. Er starb daselbst am 26. Juli 1822. Sein Hauptwerk war: „Venus

„Venus Urania" und Neubecks*) „Gesundbrunnen" — die Böttiger eine „typographische Merkwürdigkeit" nannte*2)3 — an­ geführt werden. Nicht zu vergessen ist ferner, daß Göschen ernstlich mit der Absicht umging, eine revidierte Gesamtausgabe der lateinischen Klassiker zu veranstalten. Man ersieht hieraus, daß sich der unternehmungslustige Ver­ leger für die nächste Zeit unendlich viel vorgenommen hatte, und seine Briefe an Böttiger aus den Jahren 1795—96 be­ handeln vorwiegend diese angefangenen Projekte. So schrieb er am 5. April 1795:

. . . Ich werde vor der Hamburger Reise szu Klopstockj wahrscheinlich einige Tage nach Weimar kommen; da die Hamburger Tour erst im August vor sich gehet, so könnte dieses Ende Juli geschehen. Ich bitte Sie, die inliegen­ den Aufklärungen von Klopstock zu den Oden zu legen, damit wir alles beisammen haben. Es enthält dieser Zettel sogar Veränderungen. — Gleich nach der Messe kommt die Urania in Druck. Ich habe sie bis dahin verschoben. Sie wird immer noch zu früh kommen. Sehr würden Sie mich verbinden, wenn Sie nach Empfang der Aushängebogen ein wenig in dem Merkur davon sprechen. Allerdings hätte ich zu Goethes Gedichte^) Lust. Vor­ nehmlich um des willen, daß man sähe, Goethe habe nicht auf ewig mit mir gebrochen. Sehen Sie zu, wie das Ding Urania. Über die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung." (1798.) *) Valerius Wilhelm Neubeck, Hofrat und Kreisphysikus (1765—1850). Hatte sich große Verdienste um die gesundheit­ lichen Einrichtungen seiner Zeitgenossen erworben. Sein Gedicht in vier Gesängen: „Die Gesundbrunnen" erschien bei Göschen 1798 in einer billigen Edition und in der Prachtausgabe in Folio mit Kupfern nach Zeichnungen von Klengel, Schnorr v. Carolsfeld und I. P. Beith. 2) „Neuer Teutscher Merkur", 1798, 11. Stück. S. 296ss. 3) Das hier erwähnte Gedicht ist „Hermannund Dorothea", welches Goethe, obgleich seine „Gesammelten Werke" von 1787 bis 1791 bei Göschen erschienen waren, einem anderen Verleger,

zu wenden ist. Aber, mein Freund, bis Ostern übers Jahr habe ich kein Geld übrig. Dann -in ich aber gu Befehl. Der Umstand, daß das Wielandsche Gut*) noch zwei Jahre verpachtet ist, macht mich außerordentlich ruhig. Der alte ehrwürdige Mann hätte sonst unmöglich ohne Schaden die Wirtschaft anfangen können. — Es hat das Ding viele wohltuende Seiten. Er kann seine verwitweten Kinder alle nützlich anstellen und leichter erhalten; er selbst wird eine gesündere Luft genießen, und wenn ihn Gott noch zehn Jahre erhält, so kann er seinen Kindern Friedrich Vieweg in Berlin, übertrug, indem er ihm folgenden, merkwürdigen Brief schrieb: „Ich bin geneigt, Herrn Vieweg in Berlin ein episches Ge­ dicht „Hermann und Dorothea", das ungefähr -2000 Hexameter stark sein wird, zum Verlag zu überlassen. Und zwar dergestalt, daß solches den Inhalt eines Almanachs auf 1798 ausmache, und daß ich dasselbe nach Verlauf von zwei Jahren allenfalls in meinen Schriften wieder aufführen könne. Was das Honorar betrifft, so stelle ich Herrn Oberconsistorialrath Böttiger ein versiegeltes Billet zu, worin meine Forderung enthalten ist, und erwarte, was Herr Vieweg mir für meine Arbeit anbieten zu können glaubt. Ist sein Anerbieten geringer als meine Forde­ rung, so nehme ich meinen versiegelten Zettel uneröffnet zurück, und die Negotiation zerschlägt sich, ist. es höher, so verlange ich nichts mehr als in dem, alsdann von Herrn Oberconsistorialrath zu eröffnenden Zettel verzeichnet ist." Nun hatte Goethe auf den bei Böttiger deponierten Zettel geschrieben: „Für mein episches Gedicht Hermann und Dorothea verlange ich Eintausend Thaler in Golde. Weimar, 16. Januar 1797. Goethe." Das war eine verhältnismäßig hohe Summe. Es traf sich merk­ würdig, daß Vieweg genau diese Summe bot. Entweder also war der Umschlag des Zettels durchsichtig, oder Böttiger kannte auf andere Weise Goethes Forderung und hat Vieweg unter der Hand verständigt. (Vgl. G. Witkowski, Goethe und seine Verleger. Börsenblatt f. d. deutschen Buchhandel 1906, Nr. 60.) Bei Göschen hatte Böttiger schon 1795 angefragt, ob er etwa bereit wäre, das Werk zu verlegen. Aber Göschen, eingedenk verschiedener früherer Differenzen mit Goethe, zögerte, das An­ gebot ohne weiteres anzunehmen. Auf Böttigers Anfrage bezieht sich obige Stelle in Gäschens Briefe. *) Wieland unterhandelte damals wegen Ankaufs des Ritter­ gutes Egloffstein bei Weimar.

das Gut schuldenfrei hinterlassen. Er braucht nichts an­ zulegen, nichts zu bauen; alles ist da. So, denke ich, kann er wirklich glücklich leben . . . Aus

demselben Jahre stammt ein weiteres Schreiben, das

uns von dem wachsenden Freundschaftsverhältnis zwischen den beiden Männern berichtet:

Glauben Sie mir, geliebter Freund, Ihre Liebe und Freundschaft soll mir, solange ich lebe, eine Belohnung für die Anwendung meiner mir zuteil gewordenen Kräfte und ein Sporn sein, den Gebrauch derselben immer mehr zu verbessern. Die Freunde meiner Jugend sind mehrenteils von der Cypresse beschattet; ich fühle es, auch die spätere Freundschaft kann unaussprechlich glücklich machen. Die späteren Kinder sind den Eltern immer die Nestheckchen; es ist mir, als wenn es in der Freund­ schaft ebenso sein müßte, daß die späteren Freunde die geliebtesten würden. Daß Ihnen mein Johann*) lieb geworden ist, macht mir selbst diesen Burschen lieb und wird mich ermuntern, ihn in Stunden, worin mein Herz unbefangen ist, zu vollenden. Klopstock schreibt mir inliegendes für Sie. Alle Oden, die ich noch erhalten habe, sind nur in Rücksicht grammati*) „Reise von Johann", ein Roman, von Göschen selbst ver­ faßt, aber anonym 1795 in seinem Verlage erschienen. Das Buch, über welches sich Wieland äußerst anerkennend ausgesprochen hatte, enthält in Form einer Reise durch Bayern, Württemberg, die Schweiz usw. verschiedene Betrachtungen über den Buch­ handel. Vor allen Dingen geißelt Göschen darin auf das schärfste das verwerfliche, die reellen Geschäfte überaus schädigende Vor­ gehen der „Nachdrucker". Göschen hatte anfangs die Absicht gehabt, seiner Schrift einige Fortsetzungen folgen zu lassen; diese unterblieben aber. — Völliger schrieb in der „Allgemeinen Literaturzeitung" vom Jahre 1794, S. 1165, über das Buch: „Der Verfasser muß ein Mann voll edler, erhabener Gefühle, ein Mann geraden, schlichten Sinnes, mit einem Wort, ein guter Mensch sein."

kalischer Kleinigkeiten berichtiget, und einige wesentliche Veränderungen sind gewiß vortrefflich. Ich sehe es schon, Klopstock wird zu wenig Anmerkungen machen. Darf ich Sie bitten, so lesen Sie die Korrekturbogen durch und schreiben zu jeder gelehrten Bezeichnung, die dem unge­ lehrten Leser, z. B. den Weibern, fremd sein könnte, eine in wenig Worten verfaßte Anmerkung auf. Wenn die. Oden abgedruckt sind, so sende ich Klopstocken diese An­ merkungen zu und frage ihn, ob er etwas dawider habe, wenn sie hinter den Oden abgedruckt würden. Ich stehe Ihnen dafür, er soll nichts dawider haben. Ich sende Ihnen die wenigen Anmerkungen mit, welche er selbst ge­ macht hat, damit sie solche gehörigen Ortes einschalten können. — Wir müssen Klopstock helfen und zuvorkommen, denn er ist zu buchstabenfaul, und wenn man ihm eine Schreibarbeit abgenommen hat, ist er sehr froh und läßt sichs gefallen. Jffland hat mir einen Brief von sechs Zeilen geschrie­ ben. Er kann seine Sammlung Ostern noch nicht ver­ anstalten. Von ganzer Seele ewig

der Ihrige Göschen.

1796. In dem Briefe vom 4. März 1796 verbreitete sich Göschen

eingehend über seine typographischen Verbesserungen und sagte u. a. über die Racknitzschen Kunstblätter:

... In der Tat ist dieses das Unternehmen, wozu der mehrste Mut gehört; es ist kostspielig, und man kann unmöglich auf großen Absatz rechnen. Unterdessen kommt die Renzension noch zeitig genug in die Welt, daß sie auf der Messe ihren Einfluß haben kann, so will ich mein Wagstück nicht bereuen. Acht Louisdor sitzen in den Taschen der deutschen Herren verteufelt fest. Vielleicht können Sie die Sache loszaubern; unendlich würden Sie mich ver­ binden, wenn Sie den Zauberschlag bald versuchten; jeder Tag früher erleichtert mir das Herzi). Auf diesem Herzen liegt noch etwas, das es in Ihren Busen ausströmt.

Im Modejournal äußerten Sie einmal bei Gelegenheit der Setzkunst durch Frauenzimmer etwas über die schnur­ geraden Zeilen2). Die Ungleichheit der Linien sind nicht Sünden des Setzers, es ist Fehler eines typographischen Mechanismus. Seit zwei Jahren arbeite ich an einer Verbesserung dieses Mechanismus, und ich habe die Sache nun vollendet. In einem halben Jahre muß in meiner Druckerei keine Ungleichheit mehr stattfinden. Überhaupt Völliger schrieb über das erste Heft der Racknitzschen „Dar­ stellungen" im August 1796. „Journal des Luxus und der Moden", S. 401. (Das Journal wurde von Bertuch heraus­ gegeben und von Böttiger redigiert.) 2) „Buchdruckerschule für Mädchen in Paris". Journal des Luxus und der Moden. August 1795, S. 353 ff.

hoffe ich dann zu sein, wo ich mit Ehren stehen kann und das Übrige meinen Kindern überlassen darf. Meine Verbesserungen der Typographie möchte ich nun gern praktisch zeigen in einer Bibliothek der lateinischen Klassiker für den Mann von Geschmack, nicht für den Philologen; ich muß hinzusetzen: für den begüterten Mann von Geschmack, der gern seine Meubles und seine Woh­ nung, mithin auch seine Bibliothek gern elegant hat. Ich höre, Sie arbeiten an dem Terenz. Haben Sie dazu schon einen Verleger, so schweig ich; haben Sie noch keinen, so frag ich, ob Sie ihn für diese Bibliothek bestimmen wollen. — Ein möglichst gereinigter Text, eine Einleitung zu jedem Stück, ein zweckmäßiger Index, eine Einleitung über das Lokal- und Personalverzeichnis der Schriftsteller wüßte, nach meiner Einfalt, einen großen Vorrat von Noten entbehrlich machen. Vielleicht übernehmen Sie außer dem Terenz noch einige andere Dichter und Ge­ schichtsschreiber. Den Lucrez, den Tibull, Catull und Pro­ perz habe ich vergeben. Vielleicht übernehmen Sie auch die Redaktion des Ganzen. In diesem Falle bitte ich Sie, den Plan ganz detailliert zu entwerfen und mir zu raten, welche Männer von Be­ deutung zur Bearbeitung der alten Schriftsteller anzuwer­ ben wären. Mit den Dichtern fingen wir an, dann folgten die Historiker usw. — Aber in allen Fächern bloß die Matadore. — O, wie wohl ist mir, wenn ich manchmal des Abends nach der Arbeit noch mein beatus ille qui procul negotiis in meiner Laube zusammenstoppeln kann! und wie schmerzt es mich, daß mein Konrektor nicht mehr Latein in einem ganzen Jahr in mich hineingebläuet hat. Aber ich wußte mich gleich nach Endigung der Schule dafür zu rächen, indem ich recht geflissentlich alles zu vergessen suchte. Ich merke, daß Sie mich unmöglich für einen Sohn Lakoniens halten können, sondern für einen geschwätzigen b o 2

Leipziger taxieren müssen. Die Herren Spartaner hatten aber auch mehr Zeit als ich. Um kurz seine Sachen sagen zu können, muß man Ruhe erfochten haben; auch sind unter den Buchhändlern, Gott sei gedankt, keine Spartaner. Ich empfehle mich Ihrem gütigen Wohlwollen und bin mit der innigsten und freundschaftlichsten Verehrung

der Ihrige Georg Joachim Göschen. Der in der lateinischen klassischen Literatur bestens bewan­ derte Völliger war auf Göschens Idee mit Feuereifer einge­ gangen. Göschens Antwort vom 15. März 1796 hat folgen­ den Wortlaut:

Sie, mein verehrungswürdiger Freund, haben meinem rohen Projekt einen schönen Geist eingehaucht und es erst meiner innigsten Liebe würdig gemacht. Mit dieser Liebe will ich — das ist nun fest beschlossen — dasselbe aus­ führen, wenn Sie die Redaktion des ganzen Geschäfts übernehmen wollen. Ich weiß wohl, Ihre Tätigkeit hat sich einen Wirkungskreis von großem Umfang geschaffen, aber die Ausführung hat ja so lange Zeit, bis Sie sich für dieses Geschäft frei machen können. — In Rücksicht der Typographie haben Didot*) und Bo­ doni^) unendlich viel geleistet; aber sie sind zu teuer. Der Horaz von Bodoni kostet jetzt 70 Dukaten. Meine Ab­ sicht ist daher, keine Prachtausgaben, sondern elegante Ausgaben zu liefern, die zwar ohne Luxus sind, aber in dem Geiste der alten Simplicität, Schönheit und Korrektx) Ambroise Francois Didot, geboren int Januar 1730, ent­ stammte einer alten berühmten Buchdruckerfamilie in Frankreich und hat sich auf typographischem Gebiete große Verdienste er­ worben. Er starb am 10. Juli 1804. 2) Giambattista Bodoni, gleichfalls ein berühmter, verdienst­ voller Buchdrucker, bekannt durch die tadellose Ausführung seiner Prachtausgaben. Bodoni lebte in Parma. (1740—1813.)

heit haben. — Ausgaben, zu denen der sparsame Deutsche, welcher Mittel hat, solche anzuschaffen Lust bekommt. — Um der Harmonie willen müßten wir, däucht mir, entweder bei allen Schriftstellern eine deutsche Übersetzung geben, oder auch Cicero ohne Übersetzung lassen. Eine Übersetzung des Cicero wäre ein besonderes Unternehmen, wozu niemand mehr Lust haben könnte als ich. Schon vor zwei Jahren habe ich Wieland um die Übersetzung der Briefe gebeten; er hatte auch Lust dazu; jetzt aber ist die Sache anders geworden. Als Geßner sich mit Lottchen verbunden hatte, da war es natürlich, daß Wieland mehr Teilnahme für den Sohn als für den Freund bekommen mußte. Da aber Wieland wegen seiner künftigen Originale an mich gebunden ist, so wurde ich mit Geßner darüber einig, daß ihm alle Übersetzungen bleiben sollten. Deshalb, mein teuerster Freund, mag ich auf die Übersetzung des Cicero nicht mehr spekulieren, bis ich sehe, daß Wieland sie nicht unternimmt. Die Idee, eine Suite von Klassikern zu drucken, ent­ stand eigentlich bei mir vor anderthalb Jahren, als Kindervater2) mir den Lucrez und der Dichter Schlegel 3), Verfasser der Übersetzung des Dante in den Horen, mir den Catull, Tibull und den Properz antrugen. Ich bat beide, die Ausgaben zu verschieben bis zur Herausgabe meiner Sammlung. — Ich werde ganz still über unser Unternehmen sein, im Publico nichts eher sagen, bis einige Bände fertig sind, etwa der Lucrez, Catull usw. Darf ich jenen genannten Herausgebern, diesen beiden Schriftstellern, *) Wielands Schwiegersohn, der Verlagsbuchhändler Heinrich Geßner in Zürich. 2) M. Christian Victor Kindervater, Prediger zu Podelwitz, bedeutender Philologe. Er starb 1809 als Generalsuperintendent in Eisenach. 3) August Wilhelm Schlegel.

wenn Sie solche als gut anerkennen, Ihren Plan mit­ teilen, damit sie eine Richtschnur haben? Sobald die beiden fertig sind, könnte der Druck anfangen. — Meine Bitte und die Begeisterung, womit Sie sich der Sache angenommen haben, müssen Sie nun be­ stimmen, den Zeitraum festzusetzen, worin Sie Ihre Zeit der Ausführung widmen wollen. — Wir haben hier in unserem M. Wendler einen Mann, der die Korrektur mit seltener Genauigkeit liefet; ein unentbehrliches Subjekt zu dieser Unternehmung und ein Mann, der ein sehr guter Lateiner und einer der besten Schüler des alten (SrrtejH1) ist, wie ich höre. Ich muß abbrechen, da die Messe mir schon auf den Nägeln brennt. Empfangen Sie, mein verehrungswür­ diger Freund, den herzlichsten Dank für die Güte, womit Sie meine Bitte ausgenommen haben. Ich bin mit der innigsten Verehrung der Ihrige Göschen.

Göschens geplante Reise nach Hamburg mußte 1795 wegen Zeitmangels unterbleiben und kam im folgenden Jahre ebenfalls nicht zustande. Da aber Klopstock den lebhaften Wunsch hatte, persönlich mit seinem Verleger zu verhandeln, so sandte Klopstocks Frau, die sich — wie Göschen versicherte — „in alle Dinge mengte", nochmals eine „dringende" Einladung. Hierüber berichtete Göschen im März 1796:

. . . Ich habe der Klopstocken versprechen müssen, nach Hamburg zu kommen. Wenn ich alles Nötige bis Ende *) Johann August Ernesti, berühmter Philolog und Theolog, geboren am 4. August 1704 zu Tennstädt i. Thür., wurde 1731 Konrektor und 1734 Rektor der Thomasschule in Leipzig. Seit 1742 war Ernesti außerordentlicher Professor der alten Literatur an der Leipziger Universität. Gestorben am 11. September 1781. Böttiger war Ernestis Schüler im Latein gewesen und von diesem am 3. Juni 1778 nls Hörer der Leipziger Universität „inskribiert" worden.

März beschicken kann, so reise ich hin. Bleibt uns nichts weiter übrig, so muß ich durch Fragen herauszubringen suchen, in wie weit er die Anmerkungen billigt. Unter­ dessen hab' ich ihm einen Brief gesandt, und vielleicht überwindet er seine Abneigung, Briefe zu schreiben, so weit, daß er sich erklärt. . . Angesichts der durch die Kriegsunruhen immer bedenklicher werdenden Zeitverhältnisse hielt es Böttiger für seine Pflicht, den nach Erfolg und Gewinn strebenden Göschen zur Vorsicht zu er­ mahnen und ihm den Rat zu geben, sich ja nicht in zu viele

und allzu gewagte Spekulationen einzulassen. Auch Wieland befürchtete, Göschen könnte sich „in einem so fatalen Momente, wo der Buchhändler für einige Jahre in Deutschland erbärm­ lich paralysiert wird, durch neue Entreprisen zugrunde richten". Göschen, wohl von Natur aus ein impulsiver, aber bei aller Unternehmungslust dennoch äußerst vorsichtiger Geschäftsmann, beherzigte diese wohlmeinenden Ratschläge und konnte seinem besorgten Freunde Böttiger am 26. Juli 1796 zur Beruhigung erwidern:

. . . Freilich machet uns die Lage der Dinge besorgt, sie macht auch mir Vorsicht zur Pflicht. Aus Vorsicht laß ich alle Gedanken an neue Unternehmungen fahren und führe bloß aus, wozu ich mein Wort gegeben habe. Bei der Unternehmung der Klassiker, der Jffland-Darstellungen, der Schauspiele bleibt es, solange wir noch einige Kraft haben, aber die Umstände nehmen mir zu andern Spekulationen die Lust. Der ganze Strich von Düsseldorf bis Basel, sonst unserm Debet so nützlich­ ist jetzt für uns verloren. Verlieren wir noch Österreich dazu, so können wir die Bude zumachen und müssen nichts als Bänkelsängerlieder und Gespräche im Reich der Toten vom Karren herab verkaufen, wenn wir Brot haben wollen. Ich danke Gott, daß ich mit Wielands Werken so weit bin. Ausgeführt werden sie nun gewiß. Aber mein Ge­ winn ist zu Wasser geworden, weil die obengenannten

1796 Gegenden abgesprungen sind und sich nicht so

schnell

wieder erholen werden, um kostbare Bücher zu kaufen.

Der Himmel gebe Friede! — Die Zukunft mag werden, wie sie will, ich sehne mich nicht, sie zu erleben.

Denn

der Kampf der Menschen gegen die Menschheit, die Spannung der Kräfte, die immer steigende Reizbarkeit unb

die immer mehr beschleunigte Krankheit lassen mich nicht diel Gutes hoffen. — Gott gebe, daß ich ein falscher

Prophet bin!

Ein Mensch, der Gefühle für die Würde

des Menschen, ein weiches Herz und eine idealisierende

Phantasie hat, dem mag in jenen Zeiten nicht behaglich sein.

Doch weg mit dem gelben Fernglas!

Ich richte

mich auf, indem ich Sie mit der innigsten Liebe und Ver­ ehrung umarme.

Der Ihrige

Göschen. In seinem Antwortschreiben klagte Böttiger zunächst über ein hartnäckiges Halsleiden, welches, da er sich wegen großer Arbeits­ last keine Schonung gönnen konnte, durchaus nicht weichen wollte. Gleichzeitig benachrichtigte er Göschen, der seit 1786 den „Teutschen Merkur" — seit 1790 unter dem Titel: „Neuer Teutscher Merkur" — in Kommission hatte, daß Wieland, gezwungen durch die „injuriam temporum", nicht den Mut besäße, den „Merkur" fortzusetzen, sondern die Absicht hege, „dieses Journal, das nun 24 Jahre bestanden habe, mit dem Dezember des laufenden Jahres sanft und selig einschlafen zu lassen." Böttiger, der während Wielands Aufenthalt in der Schweiz*) die Redaktion des „Merkurs" und des „Attischen Museums" geführt hatte, glaubte indes nicht, daß es nötig sein würde, den „Merkur" ganz aufzugeben, und verlangte hierüber Göschens Meinung. Göschen antwortete am

26. September 1796: Machen Sie, mein verehrungswürdiger Freund, es so

wie ich, fliehen Sie aufs Land, wenn Ihnen die Leute *) Wieland weilte im Sommer 1796 zum Besuche seiner mit dem Verlagsbuchhändler Geßner verheirateten Tochter in Zürich.

zu sehr auf den Hals kommen. Aber ich habe gut reden, ich kann es nicht machen wie Sie, und so berühmt werden. Der Celebrität gehen die Leute nach, wie die Fliegen dem Honig, und dafür ist man auch auf dem Lande nicht sicher. Ich überreiche Ihnen hierbei den Anfang des Druckes von Ihrem Merkchen. — Da nun Wielands Werke, fünfte Lieferung, beendigt ist, so geht es über dieDarstellungen, deren Schluß ich auch deswillen begierig entgegensehe, weil er mir den Trost geben wird, daß Ihr böser Hals vorüber ist. Die schnelle Abwechslung von einem großen Grad Hitze mit ungewöhnlicher Kälte wird viele böse Hälse verursachen und manchem ehrlichen Mann, ohne daß er am Krieg teilnimmt, wohl gar den Hals brechen. Wenn Ihre Bescheidenheit nichts dawider hätte, so schlüge ich den Titel vor: „Entwicklung des Jfflandschen Spiels bei 14 dramatischen Vorstellungen auf dem Wei­ marischen Hoftheater." Mit dem Merkur, glaube ich, ist es noch nicht bis zum Sterben, wiewohl er gefährlich krank ist. Nach der Messe will ich mit Vater Wieland mündlich weitläufig darüber sprechen. Ich habe ihm heute geschrieben, daß ich meine Arbeit dafür nicht scheue und keinen Gewinn verlange, wenn er sich in das Trostlose des jetzigen Zeit­ punktes fügen will. Als Kaufmann kann ich ihm nicht raten, oder ihn vielmehr nicht aufmuntern, fortzusetzen, weil ich darin handeln würde wider meine Überzeugung. Doch ich kann auch nicht sagen: höre auf, weil ich nicht weiß, was der Merkur abwirft. — In Leipzig wird auf den Kaffeehäusern tapfer ge­ fochten. 100 000 Mann Russen lassen die hier anwesenden französischen Emigranten marschieren und in Leipzig künftiges Frühjahr einrücken; dagegen marschieren unsre Truppen in Vereinigung mit den Preußen gegen den Kaiser —! So sieht es hier aus, und wer nicht weiß,

daß die Kaiserin von Rußland alle ihre Soldaten selbst gebraucht, der könnte sich fürchten nach Noten! Nehmen Sie die Versicherung meiner Liebe und Ver­ ehrung gern auf und bleiben Sie der Freund Ihres Göschen. Wenige Tage später schrieb er abermals an seinen Freund, und das Hauptthema des Briefes bildeten ungünstige Urteile aus Weimar über das Racknitzsche Prachtwerk, von welchem Göschen seinerzeit voll Freude behauptet hatte, daß es „in keinem Lande seines Gleichen" fände. Derselben Meinung war auch Böttiger gewesen und hatte die Kunstblätter in seiner Re­ zension*) warm empfohlen und günstig besprochen. Er war einiger­ maßen befremdet, daß das Werk in Weimar abfällig beurteilt wurde. Hierauf erwiderte Göschen:

. . . Lassen Sie sich durch die Weimarer Kritik nicht irre machen. — Immer kommen die Herren mit Ver­ zeichnung. Ist aber das Racknitzsche Werk geschriebenum Muster ganz reiner Zeichnung zu geben? oder nicht vielmehr, um Ideen zu Zimmerverzierung zn erwecken? Welche Nation hat ein Kunstwerk, das nicht Verzeich? nungen enthält? Es ist wahrhaftig keine Kunst zu tadeln, und wie Sie sehen, es ist auch keine Kunst, die Tadler schlecht zu machen. Den Text zum Racknitz-Werk geb' ich preis. Er gefällt mir selbst nicht. Das Verdienst des Werkes besteht in der sauberen Ausführung des Kolorits, in geschmackvoller Wahl der schönsten Gegenstände, in geschmackvoller Anordnung der Erfindung gefälliger For­ men und, welches keine Kleinigkeit ist, daß jedes Zimmer das hervorbringt, was es soll: eine angenehme Wirkung durch Erfindung, Anordnung und Farbe. — Wielanden habe ich geschrieben und ich habe schon Antwort. Ich schrieb spät an ihn, weil ich bis jetzt nichts *) „Journal des Luxus und der Moden", August 1796, S. 401 ff.

zu schreiben hatte über Geschäfte; und freundschaftliche Briefe habe ich unterlassen, weil ich diesen Sommer aber­ mals alle Wasserhexen aus Eger, Pyrmont usw. zur Kur gebraucht habe. Ich bin wohl, aber mein Hauptübel ist nicht gehoben. Ich sehe es nachgerade als einen un­ zertrennlichen Freund von mir an, der mich nicht ver­ lassen, sondern zu den Schatten hinüber begleiten will. Da er mich nicht sehr inkommodiert und manches ernste Gespräch mit mir über die Herrlichkeit dieser Welt hält, über Reichtum, Ehre und dergleichen, mich auch zum Fleiß treibt, wenn ich zu faul werden will, so duld' ich ihn und gewinne ihn ordentlich lieb. — Morgen wird das Jffland-Werk in die Druckerei gegeben. Ich bitte Sie um alles, senden Sie mir bald das Ende. Wir haben bloß den Norden noch zum Absatz, und dort macht der Winter die Wege zu, wenn unsre Sachen nicht den 1. Oktober von Leipzig zu den See­ städten gehen können . . . Böttiger brachte den drängenden Göschen, bei dem Geduld ohnehin nicht die stärkste Seite war, durch sein Säumen fast

zur Verzweiflung.

Göschen schrieb ihm am 20. Oktober 1796:

Jfflands Kreuz- und Querzüge erforderten Eile und ich erhielt das Manuskript so spät, daß ich weder auf Schönheit noch auf manches andre Rücksicht nehmen durfte, wenn ich zur Messe fertig werden wollte. ■— Ich hoffe. Sie sollen keine wesentlichen Fehler darin finden. Kleinigkeiten verdaut unser Vaterland, das einen tüchtigen Magen hat, gern. Sollten Sie unterdes grobe Versehen finden, so senden Sie mir die Berichtigung auf einem Blättchen, das ich drucken und an alle Orte nachfsenden will. — Sonderbar ist es, daß wir den Hauptpunkt, das Hono­ rar, bei dieser Unternehmung noch nicht berührt haben. Schreiben Sie mir solches mit erster Post, und es soll dann gleich in Ihren Händen sein. . .

Der gewissenhafte Geschäftsmann hielt Wort. Mit um­ gehender Post — am 5. November — sandte er an Böttiger das verlangte Honorar, „ungefähr die Summe, die er selbst bestimmt chatte in seinen Gedanken." In einem Begleitschreiben fügte er hinzu:

. . . Ich gestehe es gern, daß Ihr Aufwand an Kraft und Fleiß nicht damit bezahlt ist; und Sie sind einer der Billigen, welche Rücksicht auf den Gegenstand, in Absicht

Les möglichen Absatzes, nehmen, wonach der Buchhändler als Kaufmann einzig und allein bezahlen kann. Ob ein Goethe das Buch geschrieben hat, ob es die höchste Geistes­ kraft erfordert hat, darauf kann ich als Kaufmann keine Rücksicht nehmen; ein Krämer kann kein Mäcen sein. —

Ich habe eine innige Freude darüber, wenn Sie mit mir zufrieden sind, ein Gewinn, der meinem Herzen wohltut. — Haben Sie Dank für Ihre gütige, billige Behandlung und behalten Sie mich lieb. — Von Jffland hab ich seit drei Monaten keine Zeile gesehen. Es ist so seine Art, wenn er die notwendigsten

Sachen in seinen Briefen abgetan hat, so schweigt er. Freilich muß er als Schauspieler arbeiten und sich mit mehr zerstreuen als andre Sterbliche. Er ist dabei Dichter — ich kann's begreifen, daß der Briefschreiber dadurch in den Hintergrund gedrängt wird. —

Sobald ich nur heraus kann, sitze ich im Wagen oder setze meine Füße in Bewegung; ich glaube nicht, daß Wetter und Weg gütigst erlauben werden, zu fahren, und ich werde mich wohl auf den Fußsteigen ausgehen müssen. Mit herzlicher Umarmung der Ihrige

Göschen. Göschen führte sein schon lange gehegtes Vorhaben, Böttiger zu besuchen, nunmehr aus. Am 17. November war. er von diesem „Ausfluge" wieder in Leipzig eingetroffen und schrieb sofort nach der Ankunft an seinen Freund in Weimar:

Den Leib und Seele gestärkt, und von der Güte durch­ drungen, womit Sie jeden Augenblick meines Aufent­ haltes in Weimar bezeichnet haben, bin ich eben wieder bei meinen Hausgöttern angelangt. Haben Sie herz­ lichen Dank für alles, — ich sage nichts mehr. — Von Jena bis Rippach habe ich meine Reise zu Fuß gemacht, und es ist mir diese Wanderung trefflich bekommen. — Mein Weib und meine Kinder machen sich diesen Abend so viel mit mir zu schaffen, daß ich nicht viel an Sie schreiben kann. Ich verschiebe das übrige bis nächstens — Jfflands herzlicher Brief hat mir Freude gemacht. Die Sprache darin ist die Sprache der Empfindung, und es tut einem so wohl, wenn man sieht, daß ein großer Mann auch ein dankbarer Mensch ist. Freilich ist das kein Lobspruch auf die Menschheit unsres Zeitalters, doch ist es ein Lobspruch auf Jffland. . . Daß Goethes „Hermann und Dorothea" nicht in Göschens Verlage erschienen ist, daran trug in erster Linie Göschens Hals­ starrigkeit die Schuld. Der Verleger hatte den sich um das Gedicht

entspinnenden Konflikt derart auf die Spitze getrieben, daß ein Zurück auf beiden Seiten nicht mehr möglich war.

Wohl hatte

Goethe, dessen „Gesammelte Werke" kurz vorher und — wie er wiederholt betonte — „trotz mancherlei begründeten Ausstellungen zu seiner Zufriedenheit" bei Göschen herausgekommen waren, auf

der ungewöhnlichen und einem bewährten Geschäftsfreunde gegen­ über etwas sonderbaren, bei Goethe jedoch üblichen Bedingung bestanden, daß das Manuskript dem Buchhändler nur gegen Bar­

zahlung ausgehändigt werden sollte.

Göschen befand sich zu jener

Zeit in großer Geldverlegenheit, und es war bei seinen ausgedehnten Geschäften und dem geringen Kapital oft wirklich schwer, die nötigen Ausgaben durch die spärlichen Einnahmen zu decken; auch wäre das Beschaffen möglich gewesen.

des

flüssigen Geldes nur mit großen Opfern

Göschen, der, wenn er sich im Rechte fühlte, nur

schwer seine Erregbarkeit zu bemeistern vermochte, verlangte in

«etwas leidenschaftlicher Weise, daß Goethe von seiner „unbilligen"

Forderung zurücktreten möge. Eine ruhige, gütliche Auseinander­ setzung hätte zwischen den beiden streitenden Parteien gewiß eine Einigung herbeigeführt. Es ist ja wahr, Goethe pflegte seine Verleger immer etwas „von oben herab" zu behandeln, und wir besitzen hierüber einen Brief von Schiller an Cotta: „Es ist, um es gerade Heraus­ zusagen, kein guter Handel mit Goethe zu treffen, weil er seinen Wert ganz kennt und sich selbst hoch taxiert und auf das Glück

des Buchhandels, wovon er überhaupt nur eine vage Idee hat, keine Rücksicht nimmt. Es ist noch kein Buchhändler mit ihm in Verbindung geblieben. Er war noch mit keinem zufrieden, und mancher mochte auch mit ihm nicht zufrieden sein. Liberalität gegen seine Verleger ist seine Sache nicht." — In diesem Falle jedoch bestand Goethe nur auf seinen Schein. Denn die Bedingung der sofortigen Bezahlung war schon in dem Vertrage enthalten, den er im Jahre 1786 mit Göschen in Karlsbad abgeschlossen hatte. In Absatz 4 des betreffenden Kontraktes steht es, daß „dem Herrn Verfasser das Honorarium gegen das Manuskript, wie solches abgeliefert wird, teilweise zu bezahlen ist." Und an seinen Diener Seidel in Weimar hatte Goethe am 9. Februar 1788 geschrieben: „Mache nun deine Sache mit Göschen und sorge, daß du das Geld gegen den letzten Teil des Manuskriptes gleich erhältst. — Du gibst ihn nicht als gegen bare Bezahlung aus. Der Kontrakt besagts, und man muß keine Komplimente machen." —

Wäre Goethe von seiner vor sieben Jahren gestellten Bedingung durchaus nicht abzubringen gewesen, so hätte Göschen wohl an­ gesichts des Vorteils, den das Erscheinen einer neuen epischen Dichtung von Goethe seinem Verlage gebracht haben würde, nachgeben und — wenn auch mit großen momentanen Opfern — die Forderung erfüllen sollen. Die aufgewendeten Mehrausgaben hätten sich bald bezahlt gemacht.

Goethe hatte „Hermann und Dorothea" vor der Voll­ endung dem wegen seiner Kenntnisse von ihm geschätzten Böttiger zugesandt und sein Urteil erbeten: „Haben Sie die Güte, das, was' an den Worten und Werken zu erinnern ist, mit Bleistift zu unterstreichen, worüber wir sodann mündlich konferieren." — Und bei Übersendung des Schlusses — „der letzten Muse" — schrieb er: „Ew. Wohlgeboren gratulieren mir gewiß, daß das

Ende des Gedichts endlich erschienen fei, ich wünsche nun auch ihre Gratulation zu vernehmen, daß eben dieses Ende geraten sei." — Als dann „Hermann und Dorothea" bei Vieweg herauskam

und diesem reichen Gewinn brachte, scheint es Göschen leid getan

zu haben, daß er sich das Geschäft mit Goethe hatte entgehen lassen.

Denn er schrieb an Böttiger:

Ich hörte von Schlegeln schon etwas von Goethes neuem Gedichte; auch dieser war davon enthusiasmiert. Das wäre freilich ein Gegenstand, der eine ehrliche deutsche Typographie in Enthusiasmus setzen könnte! — Goethe trat erst 1805 wieder in Geschäftsverbindung mit Göschen, als er diesem den Verlag seiner Übersetzung von Diderots „Rameaus Neffe" übertrug.

1797. Böttiger hatte bei Abfassung seines Werkes über Jfflands Darstellungsweise' Goethes Ratschläge und Winke treulich be­

folgt, und als das Buch

erschienen war, konnte Göschen über

den Erfolg desselben dem Autor am 2. Januar 1797 folgendes

berichten:

. . . Einige meiner hiesigen Freunde, denen die Grazien nicht unhold gewesen, und die Freunde und Kenner der Theatralischen Kunst sind — auch unser Kindervater — haben mir ohne die geringste Veranlassung gesagt: Böttigers „Darstellung" ist ein recht schönes Buch. Selbst der Theater-Kritiker Dyk*), er ist damit zufrieden, ohngeachtet er das Buch weder geschrieben noch verlegt hat; das will viel sagen. — Eben verläßt mich Kindervater mit einem herzlichen Gruß an Sie und mit der Versiche­ rung, daß er in vier Wochen Hand und Kopf an den Lucrez legen wird. — Möchte doch einer bald der Bote des Friedens sein! Aber es sieht da draußen noch so düster und dunkel aus. Möge das innere Licht uns erheitern zum Mut und zur Freude, bis wir in das letzte Dunkel gehen! —

Ich danke Ihnen, mein verehrungswürdiger Freund, für das Billet an Klopstock. Es wird dem Alten eine vergnügte Stunde machen. — Ich erkenne es mit dem innigsten Danke an, daß Sie sich um mich, und gewiß auch um Klopstock, durch die Verständigung verdient machen wollen. . . *) Johann Gottfried Dyk, Verlagsbuchhändler in Leipzig und Berlin, Herausgeber der „Bibliothek der schönen Wissenschaften" und selbst schriftstellerisch tätig. (1750-1815.)

Von der gemeinschaftlichen Arbeit an den Klopstockschen Oden

handeln Göschens nächste Briefe an Böttiger:

Eben bin ich mit der andächtigen Lektüre der Klop­ stockschen Oden, Erster Band, fertig und überreiche Ihnen, mein geliebter herzlicher Freund, denselben. Die Folge des Manuskripts ist ebenso lyrisch als der Zusammenhang der Gedanken. — Der Stellen, die mir dunkel geblieben sind, sind sehr wenig, und ich sehe, es bedarf der Noten weniger als ich fürchtete. Ob aber alle Leser Klopstocken so gut verstehen werden als sein Verleger, daran zweifle ich. — Für solche Leser wäre es dann wohl gut, wenn Sie hie und da noch eine Stelle mehr, als ich Ihnen angegeben, in den Noten in einer natürlichen prosaischen Wortfolge auflöseten. Mich soll wundern, ob Sie die paar Stellen, welche mir ganz dunkel geblieben sind, mir ent­ rätseln können. — Ich glaube, daß Sie kein kleines Ver­ dienst um Welt und Nachwelt sich erwürben, wenn Sie bei den schweren Oden in den Anmerkungen die Folge der Ideen und den ganzen Inhalt, so kurz und deutliche als möglich, in Prosa gäben. Da Klopstock noch lebt, dies mit seiner Zustimmung gemacht würde, so wäre dieses ein dokumentartiger Kommentar, der nicht trügen könnte. — Ich habe auch die Anekdote gehört: daß Bürger Klop­ stock gefragt hat, wie eine gewisse Stelle zu verstehen sei? Daß Klopstock darauf geantwortet hat: ja, ich weiß wohl, daß ich damals, als ich die Stelle dichtete, etwas dabei, gedacht habe; aber ich weiß es jetzt selbst nicht mehr. — Jetzt, da ich die Oden studiere, bin ich überzeugt von dem, was ich immer vermutet habe: Klopstock hat die Bürgersche Frage geärgert und er hat sarkastisch also geantwortet. . . So ganz klar scheint indessen dem begeisterten Göschen auch nicht alles in den Oden gewesen zu sein. Übersendung des zweiten Bandes:

Denn er schreibt bei

. . . Die Oden von 1782 sind schwer an Gestalt, aber auch schwer zu verstehen.

Das muß ein dunkles Jahr

gewesen sein und dem armen Klopstock viele ^Krämpfe gemacht

Die

haben.

Ode „Delphi"

soll

freilich

ein

dunkles Orakel sein; aber was zu arg ist, ist doch zu

arg.

Die Singulare und Plurale liegen da so verwirrt

durcheinander,

es

fehlen so

viele Artikelverbindungen,

daß man nicht weiß, woran man sich zu halten hat. Ich

habe diese Ode abgeschrieben und Klopstock gefragt, was die Pythia wohl meint in drei oder vier Strophen. —

Sie brauchen und sollen sich nicht allzusehr mit den

Oden quälen.

Vor Ostern komme ich doch wohl nicht

nach Hamburg, und erst zu Ostern geht der Druck wieder

vorwärts; also kann ich die Oden etwas länger entbehren.

Senden Sie mir solche nach und nach- wie Sie sie gelesen habm, da es Ihnen sonst zu viel Zeit auf einmal kostet.

Sollte ich aber ja in drei Wochen fort, so bitt ich mir

nur gegen diese Zeit eine Probe von Anmerkung und Paraphrase einer Scientischen Ode nebst dem Verzeichnis

der Ihnen dunkel gebliebenen Stellen, um Klopstock münd­

lich zu befragen in meinem eigenen Namen. . . In dem von Schiller herausgegebenen „Musenalmanach von 1797" waren die „Leinen" erschienen und hatten einen Feuer­ brand in die ganze gebildete Welt Deutschlands geworfen. Die literarischen Kreise und einzelne Persönlichkeiten, die sich darin getroffen und durch die beißende Satire in den witzigen Epi­ grammen verletzt fiihlten, eröffneten einen scharfen Federkrieg gegen die beiden Verfasser, Schiller und Goethe. Obwohl Göschen auch in ziemlich boshafter Weise im „Musen­ almanach" angegriffen worden war, betrachtete der sonst so leicht erregbare Mann die Herausgabe der „Lernen" von einer harm­ loseren Seite. Freilich ist das schärffte „Xenion", in welchem Göschen wegen seines, Buches: „Reise von Johann" verspottet wurde:

„Einen Helden suchtest du dir um deinen Charakter Darzustellen, und fuhrst in den Bedienten Johann",

im Almanach weggelassen und nur seine Wieland-Ausgabe in den Versen bespöttelt worden: „Ist nur erst Wieland heraus, so kommts an euch übrigen alle, Und nach der Lokation! Habt nur einstweilen Geduld". Göschen konnte sogar sehr ungehalten werden, wenn heftige Abwehrartikel gegen Schiller und Goethe geschleudert wurden. Als Reichardt*), der Herausgeber des Journals „Deutschland" — der allerdings besonders heftig angegriffen war — in schroffer Weise gegen die „Temen" Stellung nahm, konnte sich der entrüstete Göschen nicht enthalten, an seinen Freund und Berater Böttiger zu schreiben: . . . Reichardt hat

im

Journal Deutschland

Rache

geschnoben. An Goethe wagte er sich nicht, aber desto vermesslicher geht er mit Schiller um. Der arme Schiller muß die Freundschaft mit Goethen teuer bezahlen, denn auf ihn fällt immer der Schuß, da man auf Goethe nur anlegt. — Mir blutet das Herz, wenn ich bei dieser Ge­ legenheit den schönen Traum von der Kultur unsrer Nation schwinden sehe. Es war diese Erscheinung ein Griff

an

den Puls

unsres Jahrhunderts.

Nicht der

Griff eines sorgsamen Ärztes, sondern eines Scharfrichters — es war aber doch nur ein Griff. Und was ergibt sich?

Erstlich: die Nation ist noch nicht reif genug, das Ver­ achtungswürdige zu verachten, und noch nicht reif genug, um nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten. In allen Briefen, die ich erhalte, in allen Journalen, in allen Flugschriften, die bis jetzt erschienen sind, raubt man wegen einer Versündigung den beiden Menschen,

wenigstens Schillern, alles; — wegen eines Mutwillens, der wohl Züchtigung, aber keine so fürchterliche, ver*) Johann Friedrich Reichardt, Musiker und Journalist, Salinendirektor in Giebichenstein bei Halle, Komponist zahlreicher Goethescher Gedichte. Er hatte sich bei Goethe wie bei Schiller gründlich mißliebig gemacht. Schiller schreibt von ihm: „Dieser R. ist ein unerträglich aufdringlicher und impertinenter Bursche, der sich in alles mischt und einem nicht vom Halse zu bringen ist." BG 3

dient. Was haben die Leuten im Grunde geschadet? Das wahrhaft Gute und Schöne kann durch dergleichen Mutwillen nicht besudelt werden. — Nicolais Verdimst wird bleiben, ohngeachtet ihn der Musenalmanach Nickel nennt. — Nicolai ist nun auch mit 16 Bogen gegen die Leinen erschienen x). Ein Gericht Kartoffeln, worin für manche gesunde Nahrung ist. Da sie aber mit der Mon­ tierung in bloßem Wasser gekocht sind, so wäre etwas Salz, Butter und Pfeffer nötig, damit das Gericht auch Geschmack bekäme. . . Auch Wieland, dem in den „Leinen" gewünscht wurde, „die Parze möge seinen Lebensfaden ebenso lang ausspinnen, wie er seine Perioden", hatte sich im Unwillen gegen den „über­ gesalzenen" Teil der „Leinen" gewendet und — wenn auch in gemäßigter Weise — im „Neuen Teutschen Merkur" (Februar — Stück 1797) einen Artikel über „die vornehme, aristokratische oder vielmehr duumviratische Miene, die sich das Paar Poetischer Titanen gab", geschrieben. Auf diesen Artikel bezieht sich folgende Stelle in einem Briefe von Göschen:

. . . Mein alter Freund Weißes wundert sich über Wielands Mut und die Rezension der Lenien und freut sich sehr darüber; o, sagte er, das ist fein! Weihrauch nicht wenig, aber von der Art, daß die Herren einen mit Kopfschmerzen verbundenen Schnupfen und Mund­ klemme davon tragen werden. . . *) Der Buchhändler Friedrich Nicolai in Berlin, 1733 bis 1811, Herausgeber der „Allgemeinen deutschen Bibliothek", ver­ öffentlichte einen „Anhang zu Friedrich Schillers Musenalmanach für das Jahr 1797". 2) Christian Felix Weiße, geb. 1726 in Annaberg, gest. 1804 als Kreissteuereinnehmer in Leipzig, war ein äußerst fruchtbarer, jedoch nur mittelmäßiger Dichter, dessen zahlreiche Trauerspiele, Komödien, Lieder und Sinngedichte heute ziemlich vergessen sind. Einzig um die Entwicklung des deutschen Singspiels (der komischen Oper) hat er sich ein dauerndes Verdienst erworben. (Vgl. Lessings Jugendfreunde, herausg. von Minor in Kürschners Nationalliteratur.)

Wielands pekuniäre Lage, namentlich sein Gutskauf, machte den

beiden

Freunden

viele

Sorgen.

Wieland

Osmanstädt, sein „Osmantinum", erwarb,

stand,

ehe

er

wegen verschiedener

Güter in Unterhandlung, und Göschens Besorgnis, der bejahrte,

von ihm so hoch verehrte Dichter möchte sich dabei in unglück­

liche Spekulationen

einlassen,

ist geradezu rührend.

Göschen,

der seit dem Dezember 1795 selbst Besitzer des in der Nähe

von Grimma gelegenen Landgutes Hohenstädt war, schrieb am 25. Februar 1797 an Böttiger:

. . . Daß Wieland ein Gut kauft, ist ein Entschluß, der viel Gutes hat. Stirbt er, so ist seine Familie ver­ sorgt. Aber die Frage ist, was für ein Gut ist es? Ist es wirklich verwüstet, so braucht Wieland noch viel Geld, um es aufzuhelfen, ehe er den Genuß hat. — Wieland muß schlechterdings einen erfahrenen Ökonom mit sich nehmen, diesen das Gut besehen und untersuchen lassen, und ist das Resultat: das Gut ist verwüstet, so fallen Sie vor Wieland auf die Knie, bitten Sie ihn um seines Heils und meinetwillen und Ihretwillen, die Hand davon zu lassen. Er stürzt sich sonst ins Elend, in Sorge und Verdruß und durch dieses alles in ein frühes Grab. Ich habe geglaubt, Wieland habe sich zur Lust, wie ich, ein Bauerngut gekauft. Das kann nicht ruinieren; geht er aber ins Große, so hat Wieland eine Rute, die ihm den Beutel fegen und ihn in Schulden stürzen wird. Also, um Gottes willen! retten Sie ihn. — Und noch eins: ein Rittergut braucht einen ehrlichen und umsichtigen Verwalter oder Pachter; hat Wieland einen solchen Mann dazu? Sonst wird Verwalter und Pachter reich und Wieland arm. Das ist so gewiß als 2x2 = 4. — Und sollte er Ihr Feind werden, stellen Sie ihm ja alles noch einmal vor und vornehmlich auch der Liebeskinden *) *) Wielands verwitwete Tochter, die mit dem Landprediger Liebeskind verheiratet gewesen war und nach dessen Tode mit ihren Kindern bei Wieland lebte.

und der Mutter Wielanden. Es ist kein Gedanke, daß Wieland im Winter auf dem Lande leben kann, so weit von einer Stadt. Da fehlt der Arzt und alle Gesellschaft. Den Anschlag des Gutes will ich mir doch von Wieland ausbitten; ohne Anschlag kauft man kein Gut. — Wieland ist im Irrtum. Ich werde mein Handwerk nie verlassen; — der Handel soll mich ernähren, und das Land erfreuen. Ich habe deshalb auch nicht nach einem Rittergute getrachtet, sondern habe an meinem Bauern­ gute voll Genüge, das ich zu einer Puppe mache, mit der ich verständig spiele. — Nur Schwäche des Körpers kann mich von meinem Beruf abwenden, und nur dann, wenn ich sehe, daß ich die Zügel nicht mehr halten könnte, würde ich von diesem Roß absteigen und mich zur Ruhe begeben. — Das Vorurteil: ich habe bei Wieland viel gewonnen, widerlege ich nicht. Anfangs sprengten die Leute aus: ich würde dabei zugrunde gehen; jetzt, ich sei schon zu reich. Verständige Leute können die Wahrheit leicht nach­ rechnen; die unverständigen oder übel wollenden bessere ich nicht; also mag die Welt glauben, ich sei reich. Wenn ich sterbe, wird sie sich alsdann unterhalten können, warum ich wohl nicht mehr hinterlassen habe, da ich doch so einfach gelebt habe! . . . sNachschrift.j Ich habe Wieland einige Erinnerungen über den Ankauf des Gutes geschrieben, woraus er nicht ahndet, daß wir beide uns verstehen, vornehmlich habe ich ihn gebeten, mir den Anschlag zu senden, und ihm versprochen, mit einem verständigen Ökonom darüber zu Rate zu gehen. Sie können mich nun unterstützen und ihm sagen, ein dortiger Landwirt habe Sie gebeten, dem Herrn Hofrat ja einige Winke über den Ankauf zu geben; oder tragen Sie die Sache einem andern Wielandschen Freunde auf. Retten müssen wir ihn, wenn das Gut verwüstet ist; ist es in gutem Stande, und ist der Ver-

Täufer ein ehrlicher Mann, so rate ich nicht ab, sondern nur znr Vorsicht, vornehmlich in Rücksicht des künftigen

Verwalters.

Weiber und Jünglinge können keine nur

etwas beträchtliche Wirtschaft dirigieren.

Böttiger, der selbst befürchtete, der unpraktische Wieland könnte irgend eine Unklugheit begehen, hatte sich dieses Auftrages ungesäumt entledigt, schien aber dabei auf Wielands Unwillen gestoßen zu sein. Denn Göschen schrieb wenige Tage später: Tausend Dank, geliebter edler Freund, für den Dienst

und die Angst, die Ihnen Wielands Ungewitter gemacht hat! Göschen hatte nach der Ostermesse 1797 seine Druckerei „auf 17 vierspännigen Wagen" nach Grimma transportiert und dort aufgestellt, während seine „Handlung" nach wie vor in Leipzig verblieb. Am 14. Juni sandte er — trotzdem er immer noch nicht dazu gekommen war, die oft besprochene Reise nach Hamburg anzutreten — die Aushängebogen vom ersten Bande der Klopstock'schen Oden an Böttiger.

Es wird ernst mit dem Druck, bemerkte er dabei, und wir werden bald die ersten dreißig Oden fertig

haben. Auf diesen Brief antwortete Böttiger am 29. Juni 1797:

Sie erhalten hier, mein geliebter Freund, die letzte Hälfte der Klopstockschen Oden ersten Bandes zurück. Noch liegen vier Oden, die von vorn numeriert sind, dabei. Diese gehören ohne Zweifel zum zweiten Teil. Ich habe manche angenehme, aber auch manche verdrußvolle Stunde ihrer Lektüre aufgeopfert. Denn manch­ mal ists im Ernste verdrießlich, daß der Alte zur Ungebühr wortkarg und absichtlich dunkel ist. Ein Lied, das man buchstabieren muß, kann nicht gefühlt und nicht gesungen werden. Meine Anmerkungen, die ungefähr vier Bogen be­

tragen mögen, sind nur für Sie aufs reine geschrieben und

erwarten nur Ihre Ankunft. Denn daß Sie Vater Wie­ landen noch vor Ihrer Hamburger Reise besuchen werden,

setze ich als gewiß voraus. Wir müssen über manches kommunizieren. Bedenken Sie aber, daß ich mit Ende Juli selbst auf vier Wochen nach Berlin verreise. —

Unter anderm bin ich fest überzeugt, daß dem ersten oder zweiten Bande der Oden ein kleines Wörterbuch der Barden-Mythologie angefügt werden müßte, die Anmerkungen abgerechnet. Räcknitz hat mir die zweite Lieferung seiner Geschmacks­

darstellungen geschickt. Aber die Blätter gesallen mir, das einzige Otahitische ausgenommen, welches vortreff­ lich ist, weit weniger, als bei der ersten Lieferung. Be­

sonders ärgert sich jedermann an dem vielen leeren Platz auf den Ameublementstafeln. Was sagen Sie dazu? — Wer ist der Verfasser der bei Ihnen herausgekommenen Schrift „Über das Leben Katharinas?*) Jetzt, da ich mit der würdigen Frau v. der Recke über diese einzige Herrscherin viel gesprochen habe, finde ich diese Schrift vortrefflich, und ich möchte sie gern mit Nachdruck nennen und empfehlen. Dazu gehört aber, daß ich den Verfasser kenne, ob ich ihn gleich, wie sichs versteht, in petto behalte. Ich erwarte auf dies Briefchen und einige Vorgänger bald ein Briefchen, das mit einem bulletin über die Ge­

sundheit Ihrer edlen Gattin anheben muß.

Unwandelbar

Ihr Böttiger.

Göschen antwortete hierauf am 1. August 1797 aus Hohenstädt:

In prophetischem Geist sagten Sie, mein teuerster und geliebtester Freund, in voriger Messe zu mir: Hohen*) Ueber das Leben und den Karakter der Kaiserin von Ruß­ land Katharina II. Mit Freymüthigkeit und Unpartheylichkeit. Altona (Leipzig G. I. Göschen). 1797. Der Verfasser war Johann Gottfried Seume, der Spaziergänger nach Syrakus. Er war von 1797 bis 1801 in Göschens Buchdruckerei in Grimma als Korrektor tätig.

städt wird viel bei Ihnen gut zu machen haben. Nicht die Arbeit der Verpflanzung, sondern die Einrichtung und Sorge für 30 Leute, die das Verpflanzen nicht gewohnt und in der neuen Stadt fremd waren, hatten meine Kraft ein wenig aufgezehrt. Den 7. Juli flüchtete ich nach Hohenstädt und legte alle Geschäfte bei Seite, brauchte Egerwasser und befinde mich wieder wohl. Unterdessen kein Glück ist ohne Störung. Vorgestern schlug ein fürchter­ liches Gewitter in meines Nachbars Hütte und brannte sie weg. Was mein Weib und ich dabei gelitten, können Sie denken; doch ist es ohne nachteilige Folgen für uns abgegangen. — In diesem haben Sie die Unmöglichkeit meiner Reise nach Weimar. Ich habe viel dabei ver­ loren — aber der Himmel weiß, ich konnte nur unter zweien wählen: die Reise oder ich selbst waren das Opfer. Gott sei gedankt, daß er meine Kur so sehr gesegnet hat; jetzt wollen wir das Versäumte einbringen. Die Erscheinung der Oden verzieht sich gewiß bis Weih­ nachten oder Ostern: denn John*), der Kupferstecher in Wien, ist durch Bonaparte in seiner Arbeit drei Monate gestört; er mußte als Ausländer aus Wien, und kann nun erst die himmlische Zeichnung der Siona für den ersten und die Teutonia für den zweiten Band vollenden. Wir haben also Zeit gewonnen, und ich bitte Sie, Klopstocken die Anmerkungen noch nicht zu senden. In der Mitte des September hoffe ich Sie in Weimar zu sprechen; ich reise nicht eher nach Hamburg, bis ich Sie gesehen habe. Es ist eine herrliche Idee, daß Sie ein Wörterbuch der Bardenmythologie beifügen wollen. Wissen Sie, wie ich es denke? Vermutlich wird es dahin kommen, daß *) Friedrich John, bedeutender Kupferstecher. (1763—1840.) Die Zeichnungen zu den Oden waren von dem Maler Veith Hans Schnorr von Carolsfeld entworfen und sollten von John ge­ stochen werden.

ich Ihre Anmerkungen und das Wörterbuch ohne An­ frage — wenn ich merke, daß Klopstock sich nicht darin fügen will, seine Oden mit beigefügten Verdeutlichungen erscheinen zu lassen — als eine Zugabe, wie Sie wollen, mit oder ohne Ihren Namen, besonders, aber in dem ähnlichen Format und ganz in der nämlichen Gestalt, zu drucken und mit den Oden auszugeben. Klopstock muß sichs gefallen lassen, wenn das ein andrer Verleger tut, und gewiß tun würde; er kann also nichts dawider haben. Eine kleine Vorrede, daß dieses ohne Klopstocks Ver­ anstaltung auf den Wunsch des Verlegers geschehen, wird Klopstocks Eigensinn Genugtuung sein. — Unser Seume ist der Verfasser von „Aus dem Leben Katharinens II." Er hat die Schrift in acht Tagen auf meine Bitte verfertigt. Sie hat den Charakter der Eile, aber der Eile des gewandten Mannes. — Wie reisen Sie von Dresden zurück? Über das Ge­ birge oder über Hubertusburg? Beide Wege führen Sie nicht weit von Grimma. Können Sie denn nicht ein paar Tage nach Hohenstädt kommen? Ich könnte Sie dann vielleicht nach Weimar begleiten über Gera und Jena. Meine Frau soll in Ronneburg baden, weil sie in Gera ihre Schwester hat*). Vielleicht könnten Sie mir auch die Reise nach Weimar ersparen: denn ich möchte, wenn meine Frau in Gera ist, doch von meinen fünf Kleinen nicht gern länger als einen oder zwei Tage entfernt sein. In diesem Falle begleitete ich Sie ein Stück des Weges und komme dann nach Weimar gleich nach der Michaelis­ messe. Sie sehen, die notwendige Stärkungskur meines lieben Weibes macht alle meine Pläne ungewiß. Sie hat sich in Hohenstädt zwar langsam aber doch geschwinder, als wir erwarten konnten, erholt, und nun möchten wir *) Frau Gäschens jüngere Schwester, Charlotte Auguste Erd­ muthe (geb. 26. Februar 1773) war mit dem Buchhäirdler Heinsius in Gera verheiratet.

sie gern vollends fest in ihrer Gesundheit machen. Kommen Sie, mein Freund, Sie sollen einige ruhig hübsche Tage bei uns verleben. — Wieland ist und bleibt doch ein Poet. Ehe ich von Leipzig nach hier abreiste, schrieb ich ihm: es liegt der ungefähre Betrag des Merkurs in meiner Handlung parat. In welcher Münzsorte verlangen Sie solchen? Schreiben Sie an meine Handlung. Ich erhielt die Ant­ wort: Behalten Sie noch das Geld bis ich disponiere. Diese Disposition ist erst in dem mir von Ihnen zuge­ sandten Briefe enthalten. Die detaillierte Rechnung ist ein häklich Ding. Ich muß alle Jahre Zeit dazu haben, bis die Messe völlig ausgewaschen ist. Vor der Messe läßt sie sich nicht machen. Sonst rechnete ich immer zu Ostern ab. Jffland schreibt mir den 27. Juni, daß er mir zu Michaelis einen großen Teil seiner Sammlung senden will und in acht Tagen die Szenen zu den Kupfern. Acht Tage sind viermal um, und ich habe die Szenen immer noch nicht. — Wird Michaelis nicht vielleicht auch noch einige Mal umgehen, bevor ich das Manuskript erhalte? Fühlen Sie ihm doch einmal auf den Zahn. Überflüssige Buchdrucker zu halten, kostet Geld, und müßig liegendes Papier wird durch die Interessen teuer. Wo soll ich aber auf der Stelle geschickte Leute hernehmen, wenn das Manuskript unerwartet einläuft? Ich werde ihm heute dafür alles vorstellen.

Ich umarme Sie. Gott geleite Sie auf Wegen der Freude und womöglich nach Hohenstädt in die Arme

Ihres Göschen. Böttiger hielt sich bei der Rückfahrt in Leipzig nicht auf, sondern kehrte von Dresden direkt nach Weimar zurück. Bald gesellte sich zu der Freundschaft zwischen ihm und Göschen ein neues herzliches Verhältnis, welches die beiden

sympathisierenden Menschen

noch

inniger miteinander verband.

Böttiger bat den Leipziger Freund, der Pate seines dritten, am 1.

September 1797

geborenen

Sohnes Moritz

zu sein, und

Göschen, obwohl er der Taufe nicht persönlich beiwohnen konnte, — weil die im vorhergehenden Briefe angegebenen Gründe es

ihm unmöglich machten, um diese Zeit nach Weimar zu reisen —

nahm die angebotene Gevatterwürde mit Freuden an.

Böttiger

schrieb:

Weimar, den 4. September 1797. Mein geliebter Freund!

In einer meiner Stuben wird jetzt ein Tauftisch zngerichtet, und in zwei Stunden tauft Herder meinen Jüngstgeborenen, und nennt ihn Moritz. Dabei habe ich Ihnen nun weiter nichts zu sagen, als daß Sie als Pate desselben mit eingeschrieben sind, und daß also zu so vielen andern herzlichen Verbindungen zwischen uns auch diese noch hinzukommen mag, die diesmal doch etwas mehr bedeuten könnte, als sie gewöhnlich bedeutet. Denn wer weiß, ob ich Ihnen diesen Paten nicht einmal mit der Bitte zuschicke, einen wackern Buchdrucker aus ihm zu machen. Da wär' er glücklicher und in seiner Existenz gesicherter, als wenn er sich die Hypochondrie an Hals studierte. Also, Ihre Hand her, Herr Gevatter! Auch dies Band sei uns heilig! Als ich eben meinen letzten Brief an Sie geschlossen hatte, zündete der Blitz nicht weit von meiner Wohnung eine volle Scheune. In zwei Stunden standen mehr als dreißig in Flammen, und wäre der Wind über die Stadt gegangen, so säßen wir wahrscheinlich jetzt alle in der Asche. — Der in Franken herumreisende Bertuch hätte leicht auf der einen Seite sein Haus, auf der andern sein Jndustriecomptoir einbüßen können. Der Giebel des Comptoirs brannte schon. Dort ist ihm durchs bloße Retten großer Schaden geschehen.

Hoffentlich trifft Sie dieser Brief noch in Ihrer Heimat. Wann werden wir uns sprechen? Die heitere Wöchnerin trägt mir tausend Empfehle auf. Ich bleibe unwandelbar Ihr

treuer Böttiger. Göschen, der inzwischen seine Frau und seine Schwägerin ist Gera abgeholt und bei dieser Gelegenheit Böttiger in Weimar trotz der früheren Absage dennoch besucht hatte, beantwortete seines Freundes herzliche Briefe am 16. September, gleich nach seiner Ankunft in Leipzig:

Hier, mein vortrefflicher Freund, bin ich nun wieder an meinem Pult, meine Weiber sind an ihrer Wäsche, und wir alle drei sind voll von der Güte und Liebe unsres Böttigers und seiner herrlichen Gattin und Mutter. Sie haben uns sehr glücklich gemacht! Wir haben nicht aufgehört, während der schönen Reise von Ihnen zu sprechen und uns zu freuen. Sie gehören zu uns und wir zu Ihnen. So sehen Sie künftig bei Ihrem Aufent­ halt in Leipzig und in allen Begebenheiten des Lebens uns an. Unser Haus gehört mit Ihnen, und Sie schalten und walten darin wie in Ihrem eigenen.

Da erhalte ich Ihren Brief vom 14. September. — Daß Sie mir nicht ungerecht gegen sich selbst sind. Ich würde keinem König und keinem Weisen ein besseres Frühstück geben, als Sie uns gaben. So reich bewirtete ich Sie nicht. — Es ist mir nicht recht, daß Klopstock die Anmerkungen selbst machen will. Legen Sie ihm die Notwendigkeit nachdrücklich ans Herz und fahren Sie mit Ihren An­ merkungen fort, Klopstock zu unterstützen. Es ist meine Pflicht, Sie als Autor davon zu behandeln, wenn Sie gleich nicht unter Ihrem Namen herauskommen. . .

Wieland ging im Sommer 1797 ernstlich mit dem Gedanken um, das drei Stunden von Weimar entfernte und dem Grafen Marschall

gehörende Gut Osmanstädt

Vorstellungen käuflich an sich zu bringen.

trotz

aller

warnenden

Die richtige Bewirt­

schaftung des Landgutes ließ den besorgten Göschen nicht zur

Ruhe kommen: namentlich erschien es ihm bedenklich, daß Wieland seinen Sohn Karl zum Verwalter ausersehen hatte.

Wie sehr

der erfahrene Mann bemüht war, dem greisen, allzu vertrauens­

seligen Dichter mit aufrichtigem Rate beizustehen, geht aus der

Fortsetzung des obigen Schreibens hervor.

. . . Hierbei ein Brief an Wieland. Ich tue ihm darin den Vorschlag, seinen Sohn noch ein halbes Jahr zu meinem Schwiegervater zu tun. Wielands Gut muß angesehen werden als ein großes Bauerngut, das viele Knechte, Mägde und vielerlei Vieh halten muß, um ein­ träglich zu werden. Der junge Mann muß daher mit allen Erwerbszweigen einer großen Bauernökonomie und mit der Art und Weise, wie so viele Leute zu gouvernieren, zu ernähren und zu benutzen sind, bekannt werden. Darum muß er noch in der Zeit, bis Wieland das Gut selbst über­ nimmt, seine Kenntnisse erweitern. Dieser soll die Stütze der Familie werden, wenn der Vater stirbt. Er muß also mit allem ausgerüstet werden, was dazu gehört. Ich glaube, daß er schon ein guter Feldwirt ist; aber es scheint mir, als wenn er mit den neueren Fortschritten in der Entdeckung nützlicher Quellen zur Verbesserung des Ertrags noch nicht bekannt genug ist, nicht bekannt genug mit der nützlichen Einrichtung der Instrumente, der Gebäude usw. usw., und vornehmlich fehlt ihm der Überblick des Ganzen. Ich schreibe Ihnen dieses, damit Sie meine Absicht unterstützen. An Vater Heun*) habe ich schon geschrieben. Heute kann ich nicht mehr. Alles übrige künftigen Post­ tag. Senden Sie mir nur den zweiten Band der Oden. *) Göschens Schwiegervater.

Küssen Sie meinen Moritz. Empfehlen Sie mich mit einem dankbaren Kuß der Frau Gevatterin und Ihrer verehrungswürdigen Mutter. Ewig der Ihrige

Göschen. In Jena fand unter dem Vorsitz von Hofrat Schütz, Professor Griesbach und Professor Eichstädt eine wissenschaftliche Zu­ sammenkunft und Besprechung statt, der auch Göschen bei­ wohnte, um den versammelten Gelehrten — den „Herren Schrift­ stellern^ — eine neue Form von kleinen und großen griechischen Buchstaben vorzulegen. Gern hätte er zu dieser „Konferenz" seinen Freund Böttiger nach Jena „hingezaubert". Ein anfangs geplanter und mit dieser Geschäftsreise verbundener Abstecher nach Weimar mußte wegen Kürze der dem Leipziger Verlags­ buchhändler zur Verfügung stehenden Zeit unterbleiben. Göschen berichtete am 13. Dezember 1797 aus Leipzig, daß er „gesund, aber in furchtbarem Weg und Wetter, von dem griechischen Schmaus zu Fuß wieder angelangt" wäre. Unterdessen wurde an Klopstocks Oden und an dem „großen Unternehmen" — den zu gleicher Zeit erscheinenden vier Gesamt­ ausgaben von Wieland — weiter gearbeitet. Bei der Herausgabe von Wielands Werken hatte sich zu Beginn des Jahres 1797 ein kleiner Zwischenfall ereignet, der dem Verleger manchen Verdruß bereitete und auf die Eitelkeit des greisen Dichters ein Schlaglicht wirft. Göschen beabsichtigte, der „Prachtauflage" ein neues Bildnis des berühmten Verfassers beizufügen, und wußte zu diesem Zwecke Wieland gelegentlich eines Besuches von Dresden zu bewegen, dem Maler Graff einige Sitzungen zu gewähren. Der Kupferstecher Bause*) sollte nach Graffs Gemälde das Porträt

*) Johann Friedrich Bause, geb. 1738 in Halle, gest. 1814 in Weimar, lebte zumeist in Leipzig und war seinerzeit der erste Porträtstecher Deutschlands. Wie Chodowiecki der klassische Illu­ strator seiner Zeit war, so hat B. die Mehrzahl der Bildnisse der Dichter und Denker jener großen Zeit im Stich festgehalten. Allein nach Anton Graffs Gemälden hat er 45 Porträts gestochen. Doch dürfen seine Verdienste als Stecher nicht überschätzt werden, denn

stechen.

Der Probeabdruck wurde, wie üblich, dem Dichter zur

Begutachtung zugesandt, erregte aber nicht nur die Unzufriedenheit, sondern sogar den Unwillen des alten Herrn in so hohem Maße, daß sich dieser veranlaßt sah, nach Empfang des Stiches un­

verzüglich an Göschen zu schreiben:

. . . Was die Probe von dem Bauseschen Machwerk betrifft, was soll und kann ich Ihnen darüber sagen — als daß ich darüber erschrocken bin. Ich sollte denken, ich wäre, so wie ich bin, schon häßlich genug, und Herr Bause hätte nicht nötig gehabt, eine solche Karikatur aus mir zu machen. Wer es hier sieht, kreuzet und segnet sich. Welche Schafsaugen! welche Nase! Welch ein satyr­ mäßig verzogenes Maul! ruft jedermann, und darüber ist nur eine Stimme. Indessen wollen wir alle Unrecht haben, wenn Sie und Herr Graff zufrieden sind. — Ich gestehe, daß es mir mehr für Sie, lieber Göschen, als für mich selbst wehe tut, daß ein Werk, worauf Sie so viel Fleiß, Mühe und Kosten gewendet haben, durch ein solches Porträt des Autors zu guter Letzt noch so häßlich geschändet werden soll. Es ist mir unendlich leid, daß ich das sagen muß, aber da es am Ende doch meinen eigenen Balg gilt, so müssen Sie mir diese Herzens­ erleichterung verzeihen. Herr Bause war (mit Erlaubnis des Genius von Leipzig!) nie ein großer Kupferstecher, aber seit einiger Zeit scheint er unter sich selbst herunter­ gesunken und ganz auf den Hefen zu sein. . . Uber diesen Brief war der leicht aufbrausende Göschen eben­

falls

in Hitze

geraten

und schrieb in

nicht

minder heftigem

Tone an Völliger:

Wieland hat mir über sein Porträt von Bause einen heftigen Brief geschrieben. Ich weiß gar wohl, was Bause trotz der Lobeserhebungen seiner Zeitgenossen haftete seinen Ar­ beiten vielfach etwas handwerksmäßiges an. Ebenso wie Wieland unzusrieden war, hat ihm auch Schiller den Stich seines von Grass gemalten Bildnisses nicht anvertrauen wollen.

unter den Künstlern ist, ich weiß, daß Müller in Stuttgart es ungleich besser gemacht hätte, aber Müller antwortete mir, er sei auf sieben Jahre durch England in Beschlag genommen. Bausen habe ich 300 Taler müssen zahlen, ein Preis, den ihm jeder gern gibt. Lips*) wollte ich die Platte nicht auftragen, denn Lips' Köpfe haben das Schicksal, daß die Leute nicht damit zufrieden sind. Ich kann für Weimar allein das Porträt nicht stehen lassen. — Ich werde Wieland auf diesen Punkt nichts antworten; aber Sie haben die Güte, gelegentlich doch seinem Zorn einiges entgegen zu setzen. Er glaubt, es wären Schafs­ augen; das sind sie nicht. Mir däucht, das Ganze hat einen Ausdruck von Freundlichkeit; ich glaube, Güte und Laune in dem Bilde und Ähnlichkeit ohne Karikatur zu finden. Graff hätte freilich ein wenig von der Treue abgehen sollen. In seinem Bild fällt nichts auf, weil er durch mehrere Farben alles mindern kann; aber der Kupferstecher hat nur zwei Farben. Sagen Sie Wielanden von mir bloß: das Bild sei noch nicht fertig; es sei der erste Probedruck; das Auffallende kann allerdings noch geändert werden, und um alles wieder gut zu machen, werd ich zu den „Memoiren" Tischbeins Bild von einem andern Künstler stechen lassen; so hat die Welt zwei Bilder, und auf den, der schlecht gearbeitet hat, fällt die Schande, nicht auf den Autor, nicht auf mich. Ich sage Ihnen, liebster Freund, ich fange an, die deutsche Kunst zu hassen. Es läuft mir ein Schauer über den Leib, wenn ich daran denke, daß Gott mich bestimmt hat, mit den Künstlern mich zu placken und zu plagen, und diesen Kerlen das Geld in den Magen zu stopfen. — *) Der Maler und Kupferstecher Johann Heinrich Lips in Zürich. (1738—1817.) Er hinterließ mehr als 1400 Kupferstiche, darunter die Bildnisse von Goethe und anderen berühmten Zeit­ genossen.

Nicht genug, daß unsre Jungens und Gesellen einen unerträglichen Eigensinn, Laune und Dünkel besitzen, sondern daß jeder auch seine Klicken hat, wenn er sich zu etwas schwadroniert hat. Gnade nun Gott, wenn aus einer andern Werkstatt etwas kommt! Alle unsre vor­ nehmen Weiber, alle müßigen Köpfe wollen Kunstkenner sein, und Gott weiß, daß wir solcher Kenner in Deutsch­ land sehr wenig haben. Wir können das selbst wissen, wenn wir erst einsehen wollen, daß, wo wahre Kenner sind, auch bald wahre Kunst ist, und daß, wo statt Künstler lauter Schwadroneurs sind, es auch mit der Kennerschaft sehr mißlich aussieht — Kurz! der Henker hole die deut­ sche Kunst! — Darf ich Sie bitten, so haben Sie die Güte, Wielanden dringend-------- doch ich werde noch selbst schreiben. . . Böttiger ließ es sich nicht nehmen, für den gekränkten Freund ein besänftigendes Wort bei dem erzürnten Dichter einzulegen,

und seinen gütlichen Vorstellungen ist es in erster Linie zuzuschreiben, daß Wielands nächster Brief an Göschen in viel weniger heftigen Ausdrücken abgefaßt war. Am 12. Februar 1797

schreibt er:

Mit dem Werk des alten Meisters Bause bin ich in meinem Letzten im ersten Affekt wohl zu streng vor­ gegangen. Nase und Mund machen es freilich ein wenig zur Karikatur, denn die Nase ist unleugbar zu dick, und der Mund in einen albernen Bogen gezogen. Auch fehlt dem Ganzen — ich weiß nicht, was mich charakterisiert. Das Bild hat zu viel Schwabenbonhomie und zu wenig Geist. Kann ihm noch in etwas geholfen werden, um so besser: wo nicht, so trösten wir uns damit, daß es nur sehr wenige Porträts gibt, die nicht entweder sehr ver­ schönert oder, um getreu zu sein, Karikatur geworden sind. . . Göschen war über den Beistand, den ihm der fteundschaftlich

gesinnte Böttiger

in

dieser

hatte, hocherfteut und schrieb:

peinlichen

Angelegenheit

geliehen

. . . Tausend Dank für die Beruhigung, die Sie mir gegeben haben. Sagen Sie aber Wieland auch: Sie wüßten, daß Tischbeins Porträt zu seinen Memoiren soll gestochen werden. . . So war auch dieser unangenehme Zwischenfall durch Böttigers taktvolles Eingreifen aus der Welt geschafft worden, und es be­ festigte sich immer mehr bei Göschen die Überzeugung, daß er in der Person des Weimarer Oberkonsistorialrates nicht nur einen treuergebenen Freund, sondern auch einen aufrichtigen» uneigennützigen Ratgeber besaß.

BO

4

1798. Zu Anfang des Jahres 1798, nachdem ihm Verdrießlich­ keiten mit den Schriftstellern und Scherereien mit der Konkurrenz manche böse Stunde bereitet hatten, schüttete Göschen dem mit­ fühlenden Freunde, als er diesem einige Bücher aus seinem Berlage übersandte, das übervolle Herz aus. Dem Schreiben, welches er dem Geschenke beifügte, entnehmen wir folgende Stellen:

Ich schmachte darnach, mich einmal ausführlich mit

Ihnen, mein Geliebter, unterhalten zu können; ob ich heute nicht wieder gestört werde, wissen die Götter. Denn so, wie die Blumen und Vögel sich nicht nach Osten, son­ dern nach der Sonne richten, so richten sich auch nicht die Geschäfte nach der noch entfernten Messe, sondern

rücken mir schon vor dem April auf den Hals. — Wegen Klopstock antworte ich: Wer viel fragt, erfährt viel! Ich denke, wir geben die Varianten, ohne ihn zu fragen. — Doch nein; ich will lieber erst anfragen: denn ich möchte den ehrwürdigen Alten nicht kränken.

Das chronologische Register der Oden ist ein vortreff­ licher Einfall. Ich werde ihn Klopstock Vorschlägen. Wegen der Nebensammlung wollen wir solange schwei­

gen, bis die Oden heraus sind.

Sonst antwortet der

Alte auf keins von allen, wenn man mehr als eins von ihm will. — Die Madame Klopstocken gibt mir zu verstehen, daß es ihnen lieber wäre, wenn ich den Sommer käme; ich muß gestehen, ich bin selbst noch nicht genug vorbereitet, und so mag die Sache stehen bleiben bis nach der Messe.

Wieland hat nun sein Gut Osmannstädt gekauft. Ich glaube, nicht zu teuer, wenn ihm das Kapital nicht zu

1798 groß ist. Es ist nun geschehen, man muß die Freude ihm nicht verderben. Erhält ihn Gott nur noch sechs Jahre am Leben, so ist die Sache sehr gut. Nur der einzige Fall, wenn er sterben sollte, macht, daß einige Tcckel des Unternehmens stattfänden. Er mag es ver­ suchen. Gefällt ihm die Sache nicht, so wird er das Gut leicht wieder los. Denn Menthalben sucht man Güter mit Laternen. Im Sommer ist Wieland gewiß sehr glücklich dort, und er wird sein Leben dort erhalten, aber im Winter wird er doch seine Zuflucht nach Weimar nehmen müssen. — Ein gewisser Buchhändler Göschen in Leipzig ist des Herrn Ober-Konsistorialrats Böttiger in Weimar seit langer Zeit böser Schuldner; da ich nun des Herrn Oberkonsistorialrats redliche Frau bin, und jener Bursche mir mißlich aussiehet, so hab ich genommen, was ich konnte, um Sie, mein geliebter Freund, doch nicht ganz um alles bringen zu lassen. Sollte sich der Mann zu fernerem Abtrag der Schulden in der Folge qualifizieren, so werde ich nicht ermangeln, ihm seine Obliegenheit zu Gemüte zu führen. Im Ernst, mein Freund! Verschmähen Sie das bei­ kommende Paket nicht; und wenn Sie sich zuweilen mit dem Genius der großen Männer unterhalten, so gönnen Sie auch ein Andenken der Liebe Ihrem

Sie ewig liebenden und verehrenden Göschen. Am 31. Mai 1797 hatte Göschen an Böttiger zehn Karolin für den Major von Knebel*) als Honorar für dessen Über­ setzung des Properz gesandt und Böttiger ersucht, das Geld dem

*) Karl Ludwig von Knebel, geb. am 10. November 1744, seit 1773 Erzieher des Prinzen Konstantin, des jüngeren Bruders des Herzogs Karl August. Nach dem Tode seines Zöglings trat er mit dem Charakter eines Majors in den Ruhestand. Mit Herder und besonders mit Goethe, dem „Ursreund", verband ihn eine 4*

Autor zu übergeben. Böttiger hatte die Bermittelung mit dem Verleger übernommen, weil er von Knebel gebeten worden war, der Übersetzung der „Properzischen Elegien" die nötigen An­ merkungen beizufügen. „Noten kann ich dazu nicht machen", schrieb damals Knebel. „Ich finde gar kein Buch dazu. — Ich bin leider kein Gelehrter, und bei der zerstreuten Lebens­ art, die ich geführt, ward es mir noch schwerer, etwas zu leisten. Sie haben ein so reiches Füllhorn, teilen Sie mir von demselben mit. — Was das Leben des Properz betrifft, so muß ich meine vorige Bitte erneuern, dieses mir aus Ihrer Hand hinzuschenken, oder einen Ihrer gelehrten Freunde darum zu ersuchen." Böttiger hatte die völlige Revision des Properz übernommen und sich — wie immer — auch Knebel gegenüber als der „gutmütig gelehrte Aushelfer in allen Nöten" erwiesen. Im Laufe der Unterhandlungen stellte es sich heraus, daß Knebel mit dem von Göschen gesandten Honorar nicht zufrieden war, sondern für sein Buch bedeutend mehr verlangte. Der Überbringer dieser Botschaft war wiederum Böttiger. Göschen

erklärte, auf Knebels Forderung unmöglich eingehen zu können, und begründete am 21. Januar 1798 seine Weigerung folgender­ maßen :

... Es ist ein schlimmes Ding, wenn die Schrift­ steller mit der Sprache nicht gleich herausgehen. Nach den Forderungen des Herrn von Knebel mag ich rechnen wie ich will, so setz ich 10—12 Karolin zu und entbehre die Kosten ein halb Dutzend Jahre. Der Natur der Sache nach kann ich nicht mehr als 500 Ex. vom Properz herzliche Freundschaft. Aus seinem Briefwechsel mit Goethe (Hrsg, von Guhnauer, 2 Bde., Leipzig 1851) ist zu ersehen, welchen Anteil dieser an seinen Übersetzungen genommen hat. Der „Properz" er­ schien 1798 bei Göschen; sein Meisterwerk aber ist die Übersetzung des Lucrez, die zuerst 1821 und in zweiter vermehrter und ver­ besserter Auslage 1831 ebenfalls bei Göschen herauskam. Er starb 1834, im neunzigsten Lebensjahre. Vgl. über ihn: K. L. von Kne­ bels literarischer Nachlaß und Briefwechsel. Hrsg, von Varnhagen v. Ense und Münder, 3 Bde. Leipzig 1835—36 und K. L. v. K. Ein Lebensbild von Hugo von Knebel-Döberitz, Weimar 1890. — Ein Karolin galt etwa 7 Reichstaler.

drucken, und wenn ich diese alle absetze, so geb' ich den Rabatt an die Buchhändler aus meiner Tasche. — Sie sehen, daß ich klüger tue, ich opfere die lO Karolin auf und bitte Sie, unter dem Vorwand, daß ich gar zu sehr in Arbeit sitze, dem Herrn von Knebel zu sagen, die Sache an einen andern Buchhändler zu geben. Wie gesagt, von den 10 Karolin mag ich nichts wieder haben. So kann Herr v. Knebel den Bogen zu 1 Karolin lassen. — Wie ist es möglich, daß die Sache zu Ostern erscheinen kann? da das Manuskript noch revidiert und das Leben noch geschrieben werden soll. Wenn Herr v. Knebel das Leben selbst schreibt, so könnte man Seumen den Styl, die Interpunktion, über­ haupt Orthographie und Sprache sicher anvertrauen, und es machte keine Kosten. Ich bin nicht gewohnt, um ge­ lehrte Produkte zu handeln, und es ist mir unmöglich, weniger zu bieten; daher wäre ich die Sache gern los. — Vielleicht weiß ein andrer Buchhändler von diesem Werke mehr abzusetzen, als mir meine Erfahrungen berechnen lassen, und kann 750 Ex. drucken und absetzen. Dann hat er gleich 250 Ex. und nach Abzug des Drittels an die Buchhändler: 250 — 83 = 167 Taler, macht also mit seinem Kapital in 7 bis 10 Jahren 89 Taler Gewinn. So etwas klingt den mehrsten Gelehrten fremd, weil keiner von dem Absatz, der in Deutschland möglich ist, einen klaren Begriff hat. Keiner weiß, wie der Handel geht, dabei man 18 Monate Kredit geben muß, ehe man nur einen ganz geringen Teil seines Kapitals wieder siehet. Sobald Sie nun einen Ausweg gesunden haben, so sende ich Ihnen das Manuskript zurück. Will Herr von Knebel den Bogen zu 1 Karolin lassen, so drucke ich das Werk doch, ohngeachtet Sie selbst begreifen, daß ich noch genug einbüße, und es billig wäre, Hr. v. Knebel leiste auf das Kupfer Verzicht, damit die Kosten vermindert

würden.

Eher aber, als Wielands Supplemente fertig

sind, kann ich den Druck nicht anfangen, also erst nach

der Ostermesse. Hätte ich vorigen Herbst oder Sommer das Manuskript gehabt, so wäre die Sache schon ab­ getan. Vielleicht nimmt Unger*) den Properz gern. Er

ist reich, hat keine Kinder und arbeitet gern für die Ehre. Ich weiß, daß er eine niedliche, kleine deutsche

Schrift geschnitten hat, dafür ein elegantes Merkchen sucht; vielleicht qualifiziert sich dies zur Erreichung seines

Wunsches. Klopstock hat die Anmerkungen gesandt. Da ich daraus sehe, daß er von aller Ihrer Mühe und Arbeit keine Notiz genommen hat, und seine Erläuterungen sich auf

ganz andre Dinge beziehen, die keine Dunkelheit für den ungelehrten Leser haben, so habe ich Ihnen die Bogen nicht wieder gesandt. Ich will Sie nun zu Ende März mit dem Ganzen überraschen. Der Druck ist fertig. Ende März liefert John die letzte Platte. — Ich umarme Sie, teuerster Freund, mit Liebe und

Verehrung und bin ewig Ihr

Göschen. Böttiger hatte sofort nach Erhalt dieses Briefes mit Knebel gesprochen und teilte das Resultat seiner Unterhandlungen Göschen am 29. Januar 1798 mit:

Hier, mein teuerster Freund, ist des Hrn. v. Knebels Antwort wegen dem Properz, die ich mir zurückerbitte. Sie sehen, daß Ihre Gründe gewirkt habm. Die Freude mit dem Titelkupfer verderben Sie ihm gewiß nicht.

Schicken Sie mir nur, und so bald als möglich, das in Ihrer Hand befindliche Manuskript und setzen Termin, wo alles in Ihren Händen sein muß.

Knebels Arbeit

*) Verlagsbuchhändler in Berlin, bei dem u. a. Goethes „Neue Schriften", Erster bis Siebenter Band 1792—1800 erschienen.

ist brav, aber sie findet keine Gnade vor einer gewissen Seite, die etwas zu herrisch auf unserm Literaturthron sitzt. Sie müssen sich von ihrem Einfluß rein erhalten; die Meinung dieser Kunstrichter ist nicht immer die des Publikums **). Wegen Klopstock nehme ich alle meine Gedanken ge­ fangen, bis ich sehe und schmecke, wie deutlich der Herr ist. Hier ist ein Gedicht von Goethe, das zur Geburtstagsredoute unsrer Herzogin von einem trefflich durch Meyer?) ersonnenen Aufzuge von der schönen Friedens­ göttin (von Fräulein von Wolfskeel)?) der Herzogin übergeben wurde. So leben wir in Weimar, entzücken uns an dem Triller unsrer Jagemann*), lesen Posselts Weltkundeb) und sind vergnügt, daß um uns in Rastatt nicht gewürfelt wird. Was denken Sie vom neuen Preußenkönig? Wenn doch diese reine Morgensonne keine Verfinsterung leidet! Umarmung und Bruderkuß von Ihrem Böttiger. Göschen antwortete aus Hohenstädt am 7. Februar 1798:

. . . Des Herrn von Knebels Brief und Manuskript des Properz erhalten Sie ebenfalls hierbei; der Herr *) Böttiger scheint hier auf die Gebrüder Schlegel und ihren Kreis anzuspielen. 2) Professor Heinrich Meyer, der „Kunst-Meyer", bekannt als intimer Freund Goethes, der viel von ihm hielt. Er stammte aus Stäfa in der Schweiz, hatte sich viele Jahre in Italien auf­ gehalten und wurde 1806 zum Direktor der Zeichenakademie in Weimar ernannt. 8) Henriette von Wolfskeel, Hofdame der Herzogin Amalia, später Gemahlin des Ministers von Fritsch in Weimar. *) Karoline Jagemann, berühmte Schauspielerin und Sän­ gerin in Weimar. 8) „Die politische Weltkunde", eine 1798 von Cotta gegründete und in seinem Berlage erscheinende Zeitschrift, dis von Ernst Ludwig Posselt redigiert wurde.

v. Knebel läßt das Kupfer für meine Rechnung stechen. Acht Tage nach Ostern erbitt ich das Manuskript zurück. Nicht der Geist, der auf dem Thron der Literatur sitzt,

(es ist nur ein Schemel!) nicht Zweifel an dem Wert des Werkes, sondern der Gegenstand der Unternehmung

bestimmt mich ohne Wanken: nur 500 Exemplare vom Properz zu drucken. Daß ich dabei nichts als die Freude, Ihnen und Knebel gefällig zu sein, verdiene, leuchtet in die Augen nach meiner Berechnung. — Freundlich scheint die Sonne auf die Berge! So ein Kuß der Liebe Ihnen, dem Geliebten und Verehrten,

Ihr Göschen. Und am 22. Februar schrieb Göschen abermals:

. . . Klopstock ist freilich brillant; aber ob auch ein­ träglich? Das wird die Zeit lehren. — An den Druck der Übersetzung der Juniusbriefe *) ist nicht zu denken,

bis der Messias fertig ist.

Klopstock wünscht selbst den

Messias bald zu sehen; mir liegt aber so viel daran, daß er ununterbrochen fortgeht; folglich kann ich vor

dessen Beendigung an nichts andres gehen. Ich will das

an den alten Herrn schreiben; so sanft als möglich, das versteht sich. — Mein Vorrat an Papier, den ich diesen

Winter habe machen lassen- reicht eben zu den für dieses Jahr übernommenen Arbeiten hin, und ich kann keinen Bogen eher wieder bekommen, als künftiges Frühjahr (1799). Dieses wird den ehrwürdigen Klopstock darüber *) Politisch wichtige englische Briefe, die 1769—1772 in der Zeitschrift: Public Advertiser erschienen und ungeheures Auf­ sehen erregten: Professor Lange aus Bayreuth war warm für eine deutsche Ausgabe dieser Briefe eingetreten und hatte Klopstock ge­ beten, die Übersetzung bei Göschen zu befürworten, dieser hat sie jedoch nicht verlegt. Ihre glänzende Sprache machen sie noch heute zu einer fesselnden Lektüre. Später lieferte Arnold Rüge eine gute deutsche Übersetzung (Leipzig 1848). Vgl. Fr. Brockhaus, Die Briefe des Junius. Leipzig 1876.

beruhigen, daß ich die Übersetzung jetzt von der Hand weise. — Können Sie zaubern, liebster Freund, so ent­ zaubern Sie den Alten von der Idee, die gelehrte Repu­

blik in seine Werke aufzunehmen. Es ist nur eine Stimme,

daß sie keine Wiedergeburt verdiene; er selbst hält aber viel darauf — und am Ende drucke ich sie doch. —

In der Messe werden wir über die Klassiker schwatzen müssen. Haben Sie die Güte, doch bei Zeiten sich darauf

vorzubereiten.

Ich will mir von nun an alles

auf­

schreiben, was mir in Rücksicht der Entreprise einfällt... Durch Wieland hatte Göschen erfahren, daß sein Patenkind, der kleine Moritz Böttiger, am 2. März 1798 gestorben war. In seinem Briefe vom 28. März berührte er zunächst mit einigen teilnehmenden Worten das traurige Ereignis und ver­

breitete sich hierauf eingehend über Wielands neueste Schriften: „Gespräche unter vier Augen". Wieland erörterte darin mit seltenem Scharfsinn die politische Lage Europas, indem er Dinge, die noch kein Mensch für möglich hielt, schon Monate vorher als eine unausbleibliche Folge der bestehenden BerhälMisse ankündigte. So enthielt das Märzstück des „Neuen Teutschen Merkurs" vom Jahre 1798 eine Unterredung zwischen „Willi­

bald" (Deutschland) und „Heribert" (Frankreich), in welcher Bonaparte als Diktator Frankreichs bezeichnet wurde; eine Kombination, die erst nach anderthalb Jahren Tatsache wurde.

Diese prophetischen Artikel trugen dem hochbetagten Dichter große Bewunderung, aber auch mancherlei Anfeindungen ein. Die englische, wegen ihrer^ Klatschhaftigkeit berüchtigte „St. James Chronicle" — auch „die alte Frau von St. James" genannt — entblödete sich nicht, in einem ihrer gehässigen Angriffe Wieland sogar als einen „feilen Parteigänger" und „Spießgesellen des französischen Machthabers" hinzustellen.

Und doch war Wieland ein echter, sein Vaterland über alles liebender Deutscher, wie kaum einer. Wohl verband ihn eine innige Freundschaft mit dem emigrierten, in Weimar lebenden französischen Staatsmann Mounier, und er mag mit diesem manches politische „Gespräch unter vier Augen" geführt haben;

aber ein Sympathisieren

oder

gar ein „Liebäugeln" mit der

französischen Nation lag ihm vollständig fern. Diese vorläufig nur im „Neuen Teutschen Merkur" erscheinen­ den politischen Aufsätze beabsichtigte Wieland nach deren Voll­

endung

in Buchform als

ein besonderes Werk herauszugeben.

Einer solchen Art der Veröffentlichung

widersetzte

sich jedoch

Göschen und bat Böttiger, seine Ansicht bei Wieland zu unter­ stützen.

Die Gründe, die er für seine Weigerung angab, hatten,

vom Standpunkte des Geschäftsmannes aus bettachtet, ihre volle

Berechttgung:

. . . Wider die besondre Herausgabe der Gespräche habe ich zwei triftige Gründe und dann noch über dieses eine Unmöglichkeit. 1) Wieland muß nicht gleich mit dem besondern Druck kommen, um des Merkurs willen. Der Merkur hat zwar durch Ihre Anstrengung und mehr als väterliche Fürsorge sich erhalten, aber der Name Wieland tut doch immer, nach der Welt Sitte, mehr als alles übrige. Kommen diese Aufsätze gleich aufs neue heraus, so geht die Wirkung für den Merkur verloren. 2) Sie können jetzt nicht besonders gedruckt werden, um der Werke willen. Jeder wird diese Werke abwarten, oder die jetzt diese Gespräche kaufen, werden hernach die Fortsetzung der Werke mit Kälte aufnehmen; Nachdruck ist nicht zu befürchten, da jeder vermutet, daß die Ge­ spräche Fortsetzung der Werke werden. 3) Die Unmöglichkeit. Ich sollte für meinen lieben Haus­ genossen Ziegler*) noch 12 Bogen zur Messe unterbringen. Alle Druckereien hab ich durchlaufen, keiner kann sie machen. Ich habe Geld über Geld geboten; das Manu­ skript muß liegen bleiben, und Ziegler muß sich den Gewinn entgehen lassen. Bis zur Messe kann ich keinen Bogen schaffen. *) Johann Konrad Ziegler war zuerst Gehilfe bei Göschen, später Teilhaber an der Buchhandlung seines Vaters in Zürich: Ziegler und Söhne.

Ich rate, daß Wieland die zehn Gespräche als den 31. Band seiner Werke zu Michaelis herausgibt. Sie sind alsdann noch nicht veraltet. Klopstock hält mich auf. Er liefet alle Bogen mit der Brille, und ich muß warten, bis er ganz fertig ist, bevor ich vom Stapel kann. . . Es kostete allerdings einige Mühe, um Wieland von seinem einmal gefaßten Plane abzubringen. Aber mit Böttigers Unter­ stützung gelang es Göschen dennoch, den hochbetagten und — trotz aller sonstigen Liebenswürdigkeit — etwas eigensinnigen Dichter

von der Richtigkeit der oben angeführten Gründe zu über­ zeugen. In bezug hierauf und auch wegen Göschens Zurück­ weisung der ihm von Klopstock empfohlenen „Juniusbriefe" — schrieb Völliger am 7. Juni 1798 aus Weimar:

An Klopstock habe ich Ihre Herzenserleichterung so­ gleich befördert. Es ist recht gut, daß Sie einmal rein abgesprochen haben. Der Alte ist eine ehrwürdige Eiche in Teutonas Hainen, um die sich manche Schmarotzer­ pflanze schlingt. Sie wären des Bettelns nicht los ge­ worden. Nun wissen sie, woran sie sind. 3000 Taler für die bloßen Oden? Das ist doch ein hübsches rundes Sümmchen. Eben schreibt mir Cotta, daß mein Aufsatz über Klopstocks Oden gewiß abgedruckt werden solle, nur habe Posselt das, was ich über den typographischen Teil der­ selben gesagt habe — und das gilt natürlich Ihnen, mein Freund — in eine Fußnote zu bringen für gut befunden. Das verdrießt mich. Als wenn Ihre Typographie nicht auch Sache der Nation wäre. Aber der liebe Brotneid!! Hier ist Knebels Properz fertig und vollendet. Er hat Ihnen selbst geschrieben. So viel ist ausgemacht, daß der wackere Übersetzer keine Mühe und Zeit gespart hat, um etwas Vorzügliches zu leisten. Ob es ihm ge­ lungen sei, das entscheidet freilich das hochnotpeinliche Halsgericht, wo Freund Schlegel den Nachrichter macht.

Mit Vergnügen werde ich Ihre Antwort an ihn be­ fördern. Vater Wieland scheint wirklich ganz beruhigt durch das, was Sie ihm geschrieben haben. — Mit Sehnsucht sehe ich den Supplementen entgegen, um, womöglich, ein kräftiges Wort darüber zu reden. Lesen Sie doch meinen Meßbesuch, einen Aufsatz im jetzt fertig ge­ wordenen Juniusstück des Modejournals. Sie werden mir doch nicht zürnen, daß ich Sie dort aufführe. Haben Sie an den Professor Meyer vorlängst eine Ausgabe von Wielands Werken zu schenken an ge­ fangen? Ich habe gute Gründe dies zu fragen. Wir brauchen diesen Mann zu unsern Klassikern. Ich wünschte, Seume sagte einmal ein Wort über Ruß­ land im Merkur. Tausend Grüße an ihn. Schreiben Sie Racknitzen, so erinnern Sie ihn doch, daß er mir den dritten Teil seiner Darstellungen schickt. Ich kann eher keine Anzeige davon machen.*) Das letzte Briefchen von Klopstock haben Sie mir nicht zurück geschickt.

Gruß und Freundschaft!

Ganz Ihr

Böttiger. Gäschens umgehende Antwort lautete: Nein, mein geliebter, verehrungswürdiger Freund! So arg ist es nicht. Für die Oden allein 3000 Taler? Das wäre Raserei. Ich habe Klopstock überhaupt 3000 Taler gegeben — mehr als genug. Können Sie es glauben, noch hab ich das Stück der Weltkunde, worin Sie sich um mich so sehr verdient gemacht haben, in dem berühmten Leipzig nicht bekommen. Wieland schreibt mir ein Jubel davon und will den Ver-

*) Böttiger schrieb über den dritten Teil des Racknitzschen Werkes im „Modejournal", Juli 1798. S. 406 ff.

fasset erraten. Empfangen Sie meinen herzlichen Dank dafür. Auch das Modejournal muß ich erst in Leipzig lesen, denn meine Nachbarn in Hohenstädt haben es nicht, und ich lese hier kaum den Morgensegen. Sie, guter Böttiger, werden sich um meinetwillen noch Feinde machen., Es scheint, als wenn manche unter meinen Kollegen und manche Gelehrte, von denen ich nichts verlege, xs sehr übel nehmen, daß Sie meiner immer mit Ehren gedenken.

Nehmen Sie sich in Acht! Denn ich möchte nicht, daß meine Freundschaft Ihnen auch nur einen unangenehmen Augenblick verursachte. — Für Meyer hab ich alle Bande von Wieland, auch sogar die Supplemente, an Wieland gesandt, der ihm solche aufgehoben hat, und bei dem Meyer sie finden wird. Seume will ich sagen, daß er etwas über Rußland für den Merkur schreibt; noch heute Abend. — Ich habe Ursache zu glauben, daß Sie jetzt das 3. Heft vom Räcknitz in Händen haben; dem ohngeachtet werd' ich ihn heute noch schicklich daran erinnern. Bitte um Beförderung der Jnlage an Knebel. Sein Properz wird bald angefangen, und er soll zufrieden damit sein. Den 8. Juli muß ich in die Niederlausitz zu meinem kranken Schwiegervater. Vierzehn Tage bin ich von da an abwesend. Ich bitte Sie, an Herder den Klopstock in meinem Namen zu geben. Sagen Sie ihm dabei viel Schönes von mir. Ich schreibe nicht dazu, damit er nicht zu antworten braucht. Einen großen Mann um eine Stunde oder Minute zu bringen, ist eine Sünde, die Luther bei Erklärung des siebenten Gebotes vergessen hat. — Ich sollte Sie auch nicht so Plagen mit meinen Hämmeln und Briefen! Ich fühle das wohl, aber es ist Ihre Schuld! Warum tragen Sie für mich die Tasche so offen? Bor einem Buchhändler und einem Beutelschneider muß

man sich in Acht nehmen; der eine stiehlt die Zeit, der andre das Geld. Dafür haben Sie sich auch an mir ver­ griffen: Sie haben mir mein Herz gestohlen und — ich mag es nicht wieder haben. Ihr

Göschen. Bon Seume ist der

oben erwähnte Artikel über Rußland

im „Merkur" nicht erschienen. Seume sandte nur am 15. Juli 1798 einen derartigen Aufsatz an Böttiger für die von diesem redi­

gierten Zeitschriften und

sagte u. a. in dem Begleitschreiben:

„Herr Göschen hat mir Ihr gütiges Andenken und Ihren Gruß gemeldet, mit der Bemerkung, daß Sie etwas über Rußland

Da ich jetzt sehr

in Ihre Monatsschrift zu haben wünschten.

wenig mit dem Norden in Verbindung stehe und mich über­

haupt um politisches Unwesen nicht bekümmere, nicht viel pragmatisches sagen können.

indessen beifolgenden

Sie darüber."

so werde ich

Können und wollen Sie

kleinen Aufsatz brauchen, so

disponieren

Da Seumes Beitrag gewissermaßen eine Er­

gänzung von Merkels*) kürzlich erschienenem Buche „Die Letten" bildete, holte Böttiger nach Erhalt des Manuskripts Merkels Meinung

darüber

ein.

Und als

dieser erklärte,

der Aufsatz

dürste doch wohl das allgemeine Interesse nicht genügend er­ regen und könnte auch nicht ohne Nachteil für die Person des Verfassers

ins Publikum

gebracht werden,

sah

Böttiger von

einer Veröffentlichung ab.

Vielerlei hinderte Göschen in der nächsten Zeit an der Aus­

führung seiner

geplanten Reise nach

Hamburg

und

Weimar,

und der so oft aufgeschobene Besuch bei Klopstock mußte schließlich

ganz unterbleiben.

Der Messiassänger schien

über diese Ab-

*) Garlieb Merkel, geboren in Livland 1769 als der Sohn eines wegen Freigeisterei von seinem Posten enthobenen Pfarrers, gab später in Gemeinschaft mit August von Kotzebue die Zeit­ schrift: „Der Freymüthige" heraus, mußte aber wegen seiner scharfen politischen Artikel 1806 über die Grenze flüchten und kehrte erst nach Napoleons Sturz nach Deutschland zurück. Er ist am 9. Mai 1850 auf seinem Landgute Depkinshof bei Riga gestorben.

sage — trotzdem sie durch verschiedene, recht störende Familienverhältniste begründet worden war — sehr ungehalten gewesen zu sein. Denn Göschen berichtete hierüber:

. . . Klopstock hat mir vor drei Wochen ganz freund­ lich geschrieben. von ihm.

Seitdem habe ich keinen Brief wieder

Ich behandle ihn honnet; wenn er dem ohn-

geachtet schmollt, so wird er auch wieder gut. Man kann

nichts weiter für die Menschen tun, als es gut mit ihnen meinen und gut gegen sie handeln; ihre Grillen müssen

uns nicht irre machen. . . In der zweiten Hälfte des Jahres 1798 befestigte sich bei Wieland immer mehr der Entschluß, von der Redaktion des „Merkurs" endgültig zurückzutreten. Wieland hatte das Journal

nach dem Vorbilde des „Mercure de France" gegründet und viele Jahre herausgegeben. Seine getreuen Helfer bei dieser Zeitschrift, die ihm mancherlei Vorteile gebracht hatte, jetzt aber infolge der ungünstigen politischen Zeitverhältnisse sich als weniger einträglich erwies, waren Bertuch und späterhin Böttiger ge­ wesen. Während der begüterte Bertuch dem Unternehmen mit dem nötigen Kapital zur Seite stand, suchte Böttiger den Herausgeber auf literarischem Gebiete zu unterstützen, indem er ihm einen großen Teil der Redaktionsgeschäfte abnahm. Wieland bestürmte nun Böttiger, die Redaktion allein zu übernehmen und Göschen, der das Journal seit 1786 in Kommission hatte, den Verlag gänzlich zu übertragen; sonst aber den „Merkur" in der bisherigen Weise weiterzufiihren. Wegen dieser An­ gelegenheit entspann sich zwischen Böttiger und Göschen ein reger Briefwechsel. So schrieb Böttiger, der einige Tage vor-

her in Dresden gewesen war, am 1. Oktober 1798 aus Weimar: Ich hätte Ihnen tausend wichtige Dinge mitzuteilen,

mein geliebter Freund, über Racknitzens neues großes

Werk, worüber ich mit ihm viel gesprochen habe, über unsre Klassiker, über Ihr Neues Testament*) usw. Allein

x) Novum Testamentum graece. Ex recensione Jo. Jac. Griesbach» etc. Fol. erschien bei Göschen 1803—07.

zu allem diesen ist die Zeit zu kurz. Als ich Sie in Hohenstädt besuchen wollte, war schon ein andrer kleiner, aber sehr lieber Besuch angekommen.*) Jetzt nur ein Wort der vertrautesten und herzlichsten Anfrage. Gestern erhielt ich urplötzlich von Vater Wieland einen Brief, den ich Ihnen nebst einem darauf sich be­ ziehenden Blatte des Reichsanzeigers hier mit der Bitte beischließe, mir beides sogleich wieder zurückzuschicken. — Sie ersehen daraus, daß Wieland den Merkur durchaus ganz aufgeben will. Dies ist freilich nur in der ersten Hitze geschrieben, allein ich hätte am Ende wohl Lust, ihn dabei zu lassen. Nun fragt es sich, was weiter zu tun? Bei den Mitteln, ihn fortzusetzen, nach einem um­ fassenden liberalen Plan fortzusetzen, die mir vielleicht nur allein zu Gebote stehen, hätte ich alle Disposition, mich nun ganz allein an die Spitze zu stellen. Aber mit dem Selbstverläge möchte ich mich nicht einlassen. Zwar wäre Bertuch wohl bei der Hand, nach früheren Äuße­ rungen. Allein, ich mag mich ihm nicht ganz hingeben, und er ist zu knapp und knauserig. Also fragt sich weiter: 1) Wollen Sie selbst, trotz der großen Abneigung, die Sie gegen alle Journale haben, doch hier eine Aus­ nahme machen und den Merkur unter meiner Firma und Wiedergeburt selbst in Verlag nehmen? Sollten Sie nicht mit einem Journal wenigstens das Vehikel Ihres Verlags belegen wollen? Sagen Sie ja! So gilt die folgende Frage nicht. Aber ich besorge. Sie werden nein! sagen. Nun dann frage ich weiter: 2) Was raten Sie mir, als Freund, daß ich tun soll. Vieweg macht jetzt in Braunschweig ein großes Eta­ blissement. Dieser sollte wohl ein Journal, wie ich es allenfalls liefern könnte, in mehr als einer merkantilischen Rücksicht nicht unstatthaft finden. Mit ihm möchte *) Göschens Sohn Christian Ludwig, geboren am 27. Au­ gust 1798, der aber schon am 2. Oktober 1798 starb.

ich auch nach Ihnen am liebsten zu tun haben. Biemeg ist auch Ihr alter Freund. Da könnten Sie gleich selbst den Puls befühlen, sagen, daß ich geäußert hätte, Wieland tyerde mir wohl bald den Merkur ganz allein übertragen; und dann habe ich noch große Verbesserungen mit diesem Großvater aller teutschen Journale vor. Ob dies nichts für ihn sei? usw. Aufrichtig, ich bin zu stolz, um mich, wenn ich es ihm selbst vortragen sollte, einer abschläglichen

Antwort auszusetzen.

Sie könnten dies alles aufs beste

einleiten. Die Sache ist, wie Sie sehen, sehr dringend. Noch eins: Außer Vieweg wäre auch der wackere Hartknoch*) mein Mann. Glauben Sie, daß mir dieser eben so gute Bedingungen machte, wie Vieweg? so hätte ich eben so gern mit ihm zu tun. Herder besonders würde dies ge­

wiß nicht ungern sehen. Nun, ich lege alles in Ihre Hände, das Journal muß mir einen Teil meiner Existenz geben und mich zu andern Arbeiten nähren, die ich um der Ehre willen tue. Alles andere künftig. Unwandelbar treu

Ihr Böttiger.

Auf diesen Brief antwortete Göschen:

. . . Meine Pflicht würde es sein. Ihnen offen und gerade meine Meinung über die Annahme des Merkurs zu sagen, auch wenn Sie nicht mein Freund wären; um so viel mehr bin ich dazu aus Freundschaft verpflichtet. Sie wünschen ein Journal zu unternehmen, und ich habe

*) Johann Hartknoch, Verlagsbuchhändler in Leipzig, Ad­ optivsohn des Buchhändlers Johann Frichrich Hartknoch in Riga, des Verlegers und Freundes von Herder, geboren in Riga 1768. Die Buchhandlung, welche nach dem Tode seines Adoptivvaters auf ihn überging, verlegte er 1798 nach Leipzig, während er seinen Wohnsitz zunächst in Rudolstadt nahm. Er starb am 8. Sep­ tember 1819 in Pillnitz, wo er beim Besteigen eines Schiffes vom Schlage getroffen wurde.

BO

5

dawider nichts, aber vom Merkur rate ich ab. Die Lieb­ haber, die ihn jetzt noch kaufen, halten ihn aus Gewohnheit oder um Wielands willen fort. Ein Journal zu haben, ist ein saures Stück Arbeit, das selten gelingt. Wenden Sie Ihre Kräfte an ein ganz neues Journal. Setzen Sie sich mit Richter *), der nach Weimar kommt, und mit Herdern in Verbindung und denken sich einen inter­ essanten Plan aus; doch ich, der kein Freund von Jour­ nalen bin, außer von solchen wie „London und Paris *2)", soll eigentlich gar keine Stimme haben. Doch kann ich es mir nicht verbergen, daß ein Mann von einem solchen Umfang der Kenntnisse und in so unübersehbarer Ver­ bindung wie Sie, ein sehr glückliches Journal muß über­ nehmen können. Es wird Ihnen gewiß nicht fehlen, irgend eine Lücke zu entdecken, die glücklich ausgefüllt werden könnte. Der Merkur war zu allgemein, und um das Allgemeine glücklich zu umfassen, gebrach es ihm an vielem. Ein neues Journal, das Glück machen soll, muß ein Bedürfnis befriedigen; ein solches Bedürfnis werden Sie gewiß entdecken. — Wenn mich Bieweg und Hartknoch um meine Mei­ nung und Überzeugung fragen würden, so müßte ich diesen meinen Freunden meine Meinung und Überzeugung sagen; deswegen kann ich sie nicht sondieren. . . Hieraus kann man ersehen, daß Göschen einer Fortsetzung des „Merkur" durch Böttiger durchaus nicht zustimmte. Statt dessen legte er Böttiger den Plan zur Gründung eines voll­

ständig neuen Journals dar:

. . . Ich habe eine Idee auf dem Herzen, die niemand besser als Sie ausführen könnte. Es ist kein monatliches *) Jean Paul. 2) „London und Paris", redigiert von Böttiger, wurde 1798 von Bettuch gegründet und herausgegeben. Das Journal sollte „bloß vergnügen, scherzen, erzählen, was heute in Patts, gestern in London zu sehen war." Das erste Heft erschien am 31. Mai 1798.

Journal, sondern eine halbjährige periodische Schrift. —

Uns fehlt für Geschäftsmänner, die nicht alles lesen können

und doch in ihren Ämtern gern mit der Kultur des Zeit­ alters fortgehen möchten, an einem Werke, das diesen

Männern die Resultate der Fortschritte in jedem Fach der nützlichen Wissenschaften vorlegt. Z. B. die neuesten Entdeckungen der Physik, der Philosophie, die Grund­

sätze des Rechtes, kurz, alle Wissenschaften, mit Ausschluß der schönen Künste, von denen nur das, was fürs Leben nützlich ist, ausgehoben werde. — Es würden dieses An­

nalen eines verflossenen Jahres sein. Es könnte heißen:

„England, Frankreich, Deutschland in wissenschaftlicher

Rücksicht", oder wie man es sonst nennen wollte.

Für

einen Mann ist die Arbeit zu groß. — Zu jedem Haupt­ sache gehört ein eigener Mann, denn die wichtigsten Er­ scheinungen in dem Reiche der Gelehrsamkeit dürften da nicht ausgeschlossen sein. — Sie sind nicht der Mann,

der vor einem solchen Plan erschrickt, auch nicht der Mann, der ihn einem andern mitteilt; denn ich möchte diese Idee

nicht für einen andern Verleger gefaßt haben. Zu einem Journal, das sich mit Gedichtchen und Neuig­

keiten und mit einzelnen Abhandlungen herumtreibt, habe ich keine Lust.

Es ist für alle diese Gegenstände mehr

als wie zu viel in jeder Provinz gesorgt. Die heilige Theologie müßten wir auch liegen lassen.

Nicht also ein neu gegebenes Licht über exegese Sprache und Literatur, zumal der Klassiker. —

Vielleicht

hat

die

Ausführung

meiner

Idee

mehr

Schwierigkeit als ich dachte. Dann findet sich aber ja wohl etwas andres, oder meine Idee leidet an Beschränkung... Was Böttiger auf diesen Vorschlag geantwortet hat, ist nicht mit Sicherheit festzustellen, denn ein Schreiben aus den nächsten Tagen konnte trotz eifrigen Nachforschens nicht aufgefunden werden. Aber Böttiger muß die ihm vorgelegte Frage eingehend erörtert haben, denn Göschen schreibt am 13. November: „Ihr lieber 5*

Brief gibt mir einen neuen Sporn, der nicht schmerzt, sondern mir so Wohl tut." Göschens sonstige Briefe vom November 1798 behandeln vorwiegend die eigenen Familienangelegenheiten und seine Leistungen auf typographischem Gebiete:

Das was mir der Himmel in Hohenstädt gab, trug ich wieder zu Grabe. — Kein Übel kommt allein. Kaum hatte sich mein treffliches Weib von dem Schmerze über den Verlust unsres Kindes ein wenig wieder erholt, so kam die Todespost, daß mein guter Schwiegervater ge­ storben ist; und dieses warf sie wieder zurück. Auch dieses scheint ohne Folgen für ihr Leben vorüber zu gehen, denn sie erholt sich seit einigen Tagen merklich. — Ich arbeite jetzt an etwas, das meinem Herzen mehr Be­ lohnung geben wird, als irgend etwas, das ich gemacht habe. Ich bringe eine Presse heraus, die den Drucker nicht mehr angreift, und wobei dieser mit Kindeskraft den schönsten Druck hervorbringen muß. — Dadurch er­ leichtere ich so vielen Menschen die Erwerbung des bisher so sauren Brotes. Unser guter Lagarde*) hatte die Güte, in der Messe ein Exemplar „Gesundbrunnen" an Millin?) nach Paris zu befördern. Wenn nun Sie die Freundschaft haben und Millin ein Wort ans Herz legen, so wird er auch meiner einmal gedenken. Mein Verdienst ist bloß Druck und Glätte und Schwärze, und in Ansehung dieses stell' ich mich ohne Schamröte mit Bewußtsein dreist neben Didot. — P. S. Ich komme noch einmal mit zwei Bitten: 1) Um Beförderung des Briefes an Wieland. 2) Haben Sie doch die Güte, sich in Weimar umzusehen, ob dort niemand die Komposition der Wielandischen *) Göschens Freund, der Verlagsbuchhändler Lagarde in Berlin. 2) Aubin Louis Millin, geboren in Paris 1759, Konservator des Antiken- und Medaillenkabinetts der Nationalbibliothek. Her­ ausgeber des „Magazin encyclopedique“. Gestorben 1818.

„Rosamunde" von Schweizer *) besitzt. Finden Sie solche, so haben Sie die Güte, gegen die Gebühr folgende Arien daraus abschreiben zu lassen: NB. bloß im Klavierauszug.

1) Am Rande stiller Fluten - - - von Rosamunde

2) So athm' ich wieder Dich . . . von Rosamunde 3) O Liebe, warum möchtest Du

von Rosamunde.

Böttigers Brief vom 26. November 1798 lautet: Nur ein paar Worte, mein geliebter Freund, denn die Post sitzt mir auf den Fersen. Ihr letzter Brief hat mir große Freude gemacht. Sie sind glücklich in Ihrem Reiche, freuen sich einer herrlichen, Ihnen wiederge­ schenkten Gattin und machen Erfindungen zum wahren Wohle der seufzenden Kreatur. So pflückt man Rosen an den Dornen.

An Millin ist wegen Ihres typographischen Prunk­ stückes diese Woche geschrieben. Er wird seine Pflicht gern tun. Irre ich nicht, so verlangte Ihr Freund Lagarde ein­ mal die Musik von Wielands Rosamunde von mir. Aber sie ist nie in Wielands Hände gekommen, nie hier auf­ geführt worden, sondern bloß im Theaterrepertorium zu Mannheim gewesen; denn selbst Jffland konnte sie Wie­ landen, der sehr darum bat, von dorther nicht mehr schaffen. Also ist sie vielleicht ganz vertilgt.*2) ') Schweizer war Hofkapellmeister in Weimar und kom­ ponierte die Musik zu Wielands Singspiel „Rosamunde", das am 11. Januar 1778 zum ersten Male in Mannheim aufgeführt werden sollte. Wieland reiste deswegen Ende Dezember 1777 nach Mannheim. Die angesehte Aufführung mußte aber wegen des am 30. Dezember 1777 erfolgten Todes des Kurfürsten Maximilian Joseph von Bayern nnterbleiben. 2) Böttiger neigte der Ansicht zu, daß die Musik zu „Rosa­ munde" wahrscheinlich bei dem Bombardement von Mainz ver­ brannt sei.

Wieland hat mir aufs neue den Merkur aufgesagt. Er schließt nun gewiß mit dem Dezember, an dem schon gedruckt wird. Ich kann mich nicht länger diesen Miß­ verständnissen — ich wähle bei Gott das sanfteste Wort — preisgeben. Und doch hätte ich jetzt schon mehr als je, schöne er­ lesene Materialien zur Fortsetzung. O, mein Freund! warum wollen Sie durchaus nicht den Verlag über­ nehmen? Ich gebe wahrscheinlich im künftigen Jahre alle Arbeit für andre Journale auf, kann also viel mehr Kraft auf dieses Journal legen. Sie drucken es entschieden wohlfeiler, als hier oder irgend wo anders möglich ist. Sie hatten Unglück mit verschiedenen Journalen, aber wie waren die Redakteurs? Große Namen ohne Ordnung und Geist fürs Detail und für das, was das Publikum gerade in jedem Monat wünscht. Versuchen Sie doch diesen Gang noch mit mir. Wahrlich, meine Forde­ rungen sollen nicht unbillig sein. Und sollte es nicht zur Rundung Ihrer Unternehmungen gehören, ein monatliches Organ im eigenen Besitz zu haben? Wieland schreibt mir ausdrücklich, ich solle den Merkur unter meinem Namen fortsetzen und Sie würden gewiß den Verlag übernehmen. Also auch mit dem besten Willen unsres alten, gemeinschaftlichen Freundes geschähe die Veränderung. Sie haben schon die Versendung und wissen, wie dem Kindlein der Puls schlägt. Kann ich nicht mit Ihnen das Unternehmen machen, so mag es in Frieden schlafen. Aber wer weiß! bereuen Sie.es nicht einmal? Nun, geben Sie mir nur bald einige Antwort. Denn freilich brennt es mir auf die Finger. — Ihr wiedergeborener Jffland*) findet hier großen Bei*) Bon Jfflands revidierten dramatischen Schriften waren die Bände I—IV 1798 in Gäschens Verlage erschienen. Die Ausgabe umfaßt insgesamt 16 Bände, die bis 1802 nach und nach heraus­ kamen.

fall. Künftigen Montag werden schon die Jäger nach der neuen Umarbeitung hier aufgeführt. —

Gruß und Umarmung

Ihr treuer Böttiger. P. 8. Und wenn Sie ja die Abneigung gegen die Jour­ nale nicht überwinden können: so reden Sie doch in meinem Namen mit Freund Hartknoch, den ich herzlich umarme. So in die Enge

getrieben,

gab

Göschen

seinem Freunde

Böttiger am 29. November 1798 folgenden Bescheid:

Seit ich Ihren lieben Brief, mein verehrungswürdiger Freund, in Händen habe, sitz ich und kaue die Feder und rechne und finde, daß ich 1400 Tlr. zum Merkur ge­ brauche. — Wieland gibt, wie ich weiß, den Merkur nur darum auf, weil ihm zu wenig daran übrig bleibt. Ich habe die Kommission des Merkurs wahrlich als eine Frone für unsern alten ehrwürdigen Freund getragen. Denn, wenn ich ihm den Verlust an bösen Schulden hätte be­ rechnen wollen, so wäre ihm gewiß noch weniger übrig geblieben. — Ich gesteh' es Ihnen mit Schmerz, ich kann mich nicht zu der Fortsetzung entschließen, da ich das Geld nicht, ohne wahrscheinlich bessern Gewinn, entbehren kann. Das Geld ist jetzt zu schwer zusammen zu treiben; in allen Gegenden stockt es. Lassen Sie uns den Frieden abwarten und dann lieber ein neues Journal unternehmen, als mit dem alten uns herumplakken und Plagen und doch nichts rechtes herausbringen. Diesen Winter kommt uns ja wohl eine gute Idee, die wir mit 1800 ausführen können. — Soll ich noch einmal Hand an ein Journal legen, so muß es etwas Ausgezeichnetes sein. Meinetwegen mag es dann zweimal so viel kosten als der Merkur, wenn ich nur einen Gewinn habe, wie ich ihn als Kaufmann haben

muß für den Aufwand eines beträchtlichen Kapitals und

die Mühe und Zeit, die ich daran wenden muß und andern Dingen entziehe, für Ersatz des Verlustes, dem ich, bei der größten Vorsicht, ausgesetzt bin.

Wie gefällt Ihnen ein Journal unter dem Namen: „Der allgemeine Literator" oder „Der Literatur-Bote?"

Die Herren

Rezensenten in

den

gelehrten Zeitungen

können mir durchkommen; der literarische Anzeiger ist oft ein ekelhaftes Gemisch ohne festen Plan, ohne Be­

arbeitung. Ich möchte lieber mit meinen Kühen von der Brühfütterung aus Kraut und Rüben essen, als dieses zusammengeworfene Zeug lesen. — $ ebenfett Sie, wie viele Zeit die Menschen mit Lesen verschwenden müssen, um nur dann und wann ein Körnlein zu finden. Gäbe es nun eine Anzahl Männer, die nichts als das Gute und das Gute gewiß auftischten, so würde man sich bloß

an diese halten und die Tagelöhner das leere Stroh von

Morgen bis in die Nacht dreschen lassen, ohne sich darum zu bekümmern. — Lassen Sie uns brüten und hecken, ob wir nicht ein

goldenes Vöglein herausbringen, das wir, zunächst für unsern beiderseitigen Vorteil, hernach zum Nutzen und Frommen der armen Menschheit, mit dem Neuen Jahr­ hundert können ausfliegen lassen. — Ich spreche nicht mit Hartknoch wegen des Merkurs. Er ist mein Freund, ich kenne seine Verhältnisse, und müßte auch ihm abraten. Er muß mehr mit 1400 Talern

verdienen, als er beim Merkur verdienen kann, wenn er bestehen will. . .

Böttiger setzte alles daran, um den „Merkur" zu erhalten, denn daS Honorar, welches ihm die Monatsschrift einbrachte, gehörte zu seinen „unentbehrlichen Judasbissen". Nur mit Widerstreben gab Göschen endlich seinem Drängen nach und erklärte sich bereit — allerdings mit Vorbehalt! — den Verlag des „Merkurs" eine Zeitlang „probeweise" zu über-

nehmen

und

das Projekt eines

vorläufig fallen zu lassen.

neu zu gründenden Journals

Am 18. Dezember 1798 schrieb er:

Also tragen wir den Götterboten noch ein Jahr durch die Welt; und wir wollens gern tun. Ich höre von Hartknoch, daß für ihn schon Herder ungefähr die nämliche Idee: „die Wirkung des Jahr­ hunderts" oder: „die Menschheit" bearbeitet. — Also lassen wir es ihm mit Freuden und sorgen unterdessen für unsern lieben Boten für Stock, Kober und übrige Ausrüstung. . .

1799. Da Göschen sich nur widerwillig und nur für kurze Zeit zur Übernahme des „Merkur" bereit fand, hielt es Wieland für geraten, sich wegen Weiterführung des Journals noch an den Berliner Berlagsbuchhändler Gädike zu wenden. Und Göschen, der hierin eine Möglichkeit erblickte, von dem ihm auf­ gedrungenen Verlage wieder loszukommen, bestärkte eifrigst seinen Berliner Kollegen, die Monatsschrift zu übernehmen. Einem Briefe an Böttiger vom 1. Juni 1799 entnehmen wir folgende Stelle:

Gädike hat an mich geschrieben, daß Wielands Ruhe davon abhängt, daß er den Merkur verlegt. Ich habe Gädiken geboten, diese Ruhe ja zu befördern. Auf Wielands Veranlassung wandte sich auch Böttiger dieserhalb an Gädike und konnte seinem väterlichen Freunde am 18. Juni 1799 mitteilen:

Ich habe nun mit (Säbite nochmals wegen des Verlags des Merkurs gesprochen. Der Mann ist vielleicht zu ängstlich. Aber dafür ist er auch kein Schwindler und hat die Solidität, die den jungen Sociis fast ganz abgeht. Ihn dazu zu bewegen, daß er vor der Hand mehr als 650 Taler zusage, ist ganz unmöglich, und dabei macht er es noch zum Gedeihen des Instituts ausdrücklich zur Bedingung, daß in jedem Monatsstück wenigstens etwas, sei es auch nur eine Seite, erscheine, was die allgütige Firma Ihres Geistes und Ihres Namens trage. Natür­ lich muß ich ihm auch hierin recht geben. Ein Wort von Ihnen wiegt dem Publikum eine ganze Frachtfuhr fremder Aufsätze auf. . . Sie verstehen mich gewiß nicht unrecht, wenn ich hier das Geständnis tue, daß der Debit des Merkurs, wenn

er nicht mehr Ihr Selbstverlag ist, mich freilich auch nur merkantilisch interessiert. Alle Mühe und Schreiberei übernahm ich bis jetzt gern, denn es geschah ganz für Sie, mein väterlicher Freund, dem ich bei dem besten Willen auf keine andre Weise meine dankbare Liebe be­ zeigen konnte. Es wird also immer darauf ankommen, wie sich der neue ehrenfeste Verleger benimmt, und Sie werden es mir selbst nicht verdenken, wenn ich mich jetzt provisorisch nur noch zur Fortsetzung des Merkurs auf 1800 verstehe. . . Es war gelungen, Gädike zur Weiterführung des „Merkurs" zu bewegen, und Göschen konnte am 28. Juni erleichterten Herzens Böttiger die Mitteilung machen:

Vielleicht schwimmt die Merkurfchalupe bei Gädike mit neuem Winde besser, als bei mir auf dem alten Fahrwasser. Geleite Sie der Himmel!*) Im Jahre 1798 erhielt Böttiger einen Ruf nach Kopenhagen. Er sollte in Dänemark als Ephorus aller lateinischen Schulen des Königreichs und zugleich als Direktor eines noch zu bildenden Lehrer-Seminars mit 2500 Talern Gehalt angestellt werden. Gegenüber seinen recht bescheidenen Bezügen als Rektor des Gymnasiums zu Weimar war dieser Antrag überaus verlockend. Hierzu kam, daß Böttiger, obgleich er ein pflichteifriger, tüchtiger Pädagog war, sich aus seiner bisherigen Stellung — da sie ihn in Entfaltung seiner literarischen Fähigkeiten stark beengte — heraussehnte. Die Unterhandlungen in der Kopenhagener An­ gelegenheit führte der feingebildete, kunstsinnige Herzog Friedrich Christian von Schleswig-Holstein-Augustenburg, der selbe, der durch seine edelmütige Unterstützung Schillers sich den

*) Die nächsten Jahrgänge des „Neuen Teutschen Merkur" erschienen wie bisher unter Wielands Namen — der dafür ein jährliches Fixum von 300 Talern bezog— aber unter Böttigers alleiniger Redaktion bei Gädike in Berlin. Von 1803 bis zum Jahre 1810, wo der „Neue Teutsche Merkur" aufhörte zu exi­ stieren, übernahm den Verlag der Monatsschrift das „LandesJndustrie-Comptoir", eine Gründung Bertuchs, in Weimar.

Dank des deutschen Volkes für immer erworben hat?)

Ihm war

zu jener Zeit das gesamte Schulwesen in Dänemark unterstellt.

Böttiger zeigte sich nicht abgeneigt, den ihm angebotenen Posten, der

so

viele Vorteile in

barg,

sich

anzunehmen,

aber

eine

Unterredung mit dem Herzog Karl August, dem viel daran lag, den

verdienstvollen Lehrer für Weimar zu erhalten, bestimmte

ihn, das Anerbieten abzulehnen. „ . . . Mit dem Star in Doricks Empfindsamer Reise muß

ich sagen:"

schrieb er am 8. Februar 1799 an seinen väter­

lichen Freund, den Professor Heyne in Göttingen, „I cannot out.

Unser guter Herzog hat mich durch eine einzige unwiderstehliche Unterredung aufs Neue an unser liebes Weimar gefesselt. machte mir Anerbietungen

Er

von Gehaltszulagen, die für unser

kleines Land immer ansehnlich waren, aber ich habe ihm Alles

zurückgegeben und bloß einen erhöhten Witwengehalt angenommen. Sei

es Schwäche,

die

meines

süße Gewohnheit

weimarischen

Lebens überwog alle Aussichten auf eine künftige Seligkeit, wozu

man auch erst über einen Arm des Ozeans gelangt.

Ich bin

zu sehr mit unsrer Literatur umstrickt, um mich so auf einmal

von

allem

losreißen

und

auf tausend literarische Bequemlich­

keiten und Genüsse der Neugierde Verzicht leisten zu können, die

man nur durch Entbehrung schätzen lernt.

Vorzüglich hat mich

ein Brief von meinem alten Universitätsfreunde Marezoll*2), der

in Kopenhagen ist, kopfscheu gemacht. So gut auch feine äußere Lage dort ist, so wenig gefällt er sich dort; und seine Gründe

sind nicht subjektiv und durch ein gefärbtes Glas gesehen. Nationaldänen,

Die

mit welchen ich es doch allein zu tun gehabt

haben würde, sind ein ganz eignes Völkchen.

der Hyperboräer,

selbst

die

Schwäne

Sie hören, wie

singen.



Nag

ein

Würdigerer, als ich bin, dort sein Glück versuchen..." Herder hatte damals verschiedenes unternommen, um Böttigers

Versetzung nach Kopenhagen

zu verhindern.

Dieses Vorgehen

*) Vgl. das hübsche Büchlein: Schiller und der Herzog von Augustenburg in Briefen. Mit Erläuterungen von Hans Schulz. Jena 1905. 2) Johann Gottlieb Marezoll, geboren in Plauen i. V. am 25. Dezember 1761, berühmter Kanzelredner. Gestrrben als Superintendent in Jena am 15. Januar 1828.

ist ihm Vielfach übel vermerkt worden, ja es wurde schließlich so ausgelegt, als ob Herder gegen Böttigers Anstellung in Dänemark intrigiert hätte. Hierdurch fühlte sich Herders Gattin Karoline veranlaßt, in einem Briefe an Böttiger zu versichern: „Sie haben meinem Manne Gerechtigkeit widerfahren lassen, und dafür danke ich Ihnen aus innerster Seele. Er hatte nie, nie Ihren Schaden gewollt. Wenn er ein einziges Mal gegen Ihre Wünsche, als Sie nach Kopenhagen wollten, hatte reden müssen, so war das aus Pflicht und Gewissen zum Besten unsres

Gymnasiums." Auch Wieland hätte Böttiger ungern von Weimar scheiden sehen. Bötttger hatte ihm, der nur mehr dem Namen nach als Redakteur auf dem Titel des „Merkur" figurierte, mit großer Bereitwilligkeit die ganze Arbeitslast der Monatsschrift abge­ nommen, während ihm, als dem offiziellen Herausgeber, noch immer eine nennenswerte Einnahme daraus verblieb. Es ist daher begreiflich, daß er den jüngeren Mann auf alle mögliche Weise von dem Entschlüsse, nach Kopenhagen zu gehen, abzu­ bringen suchte. Derjenige, der mit einer Übersiedelung Böttigers nach Däne­

mark am wenigsten einverstanden war, war Göschen. am 8. März 1799 aus Grimma:

Er schrieb

. . . Zwei Tausend Taler in Kopenhagen sind nicht Ein Tausend Taler in Weimar. Sie hätten mehr einge­

nommen,

und mehr

ausgegeben;

also bloß das Ver­

gnügen des mehren Zählens, aber keinen größern Ge­

nuß gehabt.

Dem Himmel sei Dank! daß wir Sie be­

halten haben; und die Göttin unsrer Schicksale vergelte Ihre Beharrlichkeit und Ihren edlen Sinn! . . .

Inzwischen waren nach dem Erscheinen von Klopstocks Oden auch einige Bände des Messias herausgekommen.

Göschen konnte

seinem Freunde und Mitarbeiter Bötttger, als er ihm die fertigen Bücher übersandte, den vierten Band des Messias jedoch nicht mitschicken, weil er erst abwarten wollte, was „der Alte" als Druckfehler angeben würde, um die Berichtigung auf einem Zettel dem Werke beizufügen. „Sie sollen mein Kindlein haben,

wenn ich es erst noch ein wenig rein gewaschen habe."

Klopstocks fortgesetzte Nörgeleien wegen der Korrektur bereiteten

Göschen

vielen

Verdruß.

Dies

erfahren

wir auch

aus

den

Briefen von dem in seiner Druckerei als Korrektor beschäftigten

Seume. Gleim

Dieser schrieb

am 14. April 1799 an den „Vater"

in Halberstadt, der von dem Buchdrucker Göschen eine

sehr hohe Meinung hatte und ihn wegen der meisterhaften Aus­ führung der Prachtausgaben „den deutschen Didot" zu nennen

pflegte:

„Klopstock, der ein exzessiver Rüger von Kleinigkeiten

zu sein scheint, ist mit dem Druck der Messiade nicht zufrieden,

und

hat sich gegen Göschen nicht eben glimpflich darüber ge­

äußert.

oft

Ich könnte nicht sagen, daß mir dieses die ohnehin

gewöhnliche Leistenarbeit sehr versüßte.

nötigt,

zu meiner

Ich war also ge­

etwaigen Rechtfertigung dem alten Barden

eine ziemlich freimütige Expektoration zu schreiben.

Wie er sie

mag genommen haben, weiß ich nicht. — Der gute vortreffliche Alivater hatte uns über zwanzig sein sollende Fehler aufge­

bürdet, die lauter Gleichgültigkeit waren und alle im Manuskript standen.

Ich verkenne seine außerordentliche Genauigkeit nicht,

aber Unfehlbarkeit kann ihm doch unmöglich zugestanden werden. Seine Handschrift ist Beweis. — Es kann den Mann niemand

enthusiastischer verehren

als ich,

aber das jurare

in

verba

magistri hat nie in meiner Seele gelegen. — Wenn wir. Sie

und ich, seine Messiade zusammen lesen sollten, so würden wir

gewiß

unzählige Mal den Geist bewundern

und

den Mann

liebenswürdig finden; aber es würde doch nicht an Stellen fehlen, wo wir sagen müßten, hier ist er zu willkürlich mit der Sprache

und mit dem Vers umgegangen..."

Wenn die nächsten Monate dem gewissenhaften Göschen, der den nörgelnden Messias- und Odendichter so gern und in jeder Beziehung zufriedenzustellen suchte, vielen Ärger brachten, so

erlebte er in dieser Zeit auch manche angenehme Stunde. ein

Als

derartiges Ereignis, welches übrigens das ganze Leipziger

Publikum in berechtigten Enthusiasmus und in eine ungewöhnliche Aufregung versetzte, darf Jfflands Gastspiel im Juni 1799 be­ zeichnet werden, über das er sich am 1. Juni äußerte:

. . . Jffland spielt morgen zum erstenmale. Haben Sie nicht auch Freude über die Teilnahme an dieser

schönen Erscheinung? Sie können solche an dem Thermo­ meter messen, daß auf meine zweimalige Anzeige in der Leipziger Zeitung 3 Ex. Ihrer „Entwicklungen" ver­ kauft sind. . . Als aber die Wogen der Begeisterung über Gebühr hochgingen und ganz unbedeutende Vorgänge zu wichtigen Ereignissen auf­

gebauscht wurden, fühlte sich Göschen veranlaßt, diesen Huldigungs-

Paroxismus durch eine einfache, rein sachliche Darstellung der in

Frage kommenden Begebenheiten auf ihr richtiges Maß zurück­ zuführen.

Festmahl,

Aus diesem Grunde schrieb er Ende Juni über das

welches

in Leipzig zu Ehren des

gefeierten Gastes

stattgefunden hatte, und über welches die unglaublichsten Gerüchte in Umlauf gesetzt worden waren:

. . . Nun über Jffland: der Auftritt mit Weiße war nichts weiter als ein freundlicher Erguß des Herzens; keine Krönung. Es standen Blumen und Pflanzen aller Art auf der Tafel. In Jfflands Nähe war eine junge Lorbeerpflanze, er reichte sie Weißen. Sie sehen, daß es ein Umstand ist, wie alle Tage in freundschaftlichen Zirkeln vorfällt. Ich kann das Wichtigtun mit Kleinig­ keiten nicht leiden; doch war jener Umstand rührend. Jfflands Benehmen tvar herzlich und gut. Der Leipziger war gut gegen ihn, und er gut gegen den Leipziger. — Ich hätte Sie bei dem Abendessen gewünscht. Es war von froher, heiterer Stimmung, durch den ganzen Saal eine trauliche Ergießung des Herzens zwischen Nachbar und Nachbar. Ich habe nie eine so schöne Stimmung und eine so schöne Freude in einer so zahlreichen Gesellschaft gefunden... Böttigers Brief vom 11. Juli 1799, in welchem er sich für die Übersendung der fertigen Klopstockbände bedankte, hat folgenden Wortlaut:

Fürs erste statte ich Ihnen für alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe, die von Ihnen mir kam, meinen besten Dank ab, und erzähle Ihnen dafür eine Anekdote.

Vater Wieland wurde dem hier zwei Tage rastenden Königspaar*) im Theater, als eben Wallensteins Fall dargestellt wurde, von unserm Herzog vorgestellt. Der König und die holde Königin sagten ihm in ihrer Art viel Freundliches. Unter anderm bemerkte der König, es sei doch ein gutes Zeichen von der Nation, daß sie Wielands Werke in einem so glänzenden Gewände so gern lese; die Nation wisse das Verdienst zu schätzen. Wieland er­ widerte darauf ganz in seiner herzlichen, unbefangenen Art: das dürfte man nicht seinem Verdienste, sondern der Freundschaft seines Verlegers zuschreiben, der dies gefährliche Wagstück gerade mit ihm anzufangen den Mut gehabt habe. Es wären gewiß noch mehrere Schriftsteller der Nation vorhanden, die diese Ehre noch mit mehrem Rechte verdient hätten. Das bezweifle ich- sagte der König, und Ihr Buchhändler, der ein sehr kluger Mann sein soll, wahrscheinlich auch. Hier haben Sie also ein Lob aus dem Munde, nicht eines Säuglings, wie dort David singt, sondern eines Königs, und zwar der beste und verständigste, der seit langem Völker weidete. Sie sind doch darüber nicht un­ gehalten, hoff' ich? Von Ihren Mitteilungen wegen Jffland habe ich den denkbarsten Gebrauch gemacht, den Sie selbst wünschten. Es hat Aufsätze aller Art über Jfflands Kunst auch für unser Modejournal geregnet. Was gibt es doch für Saal­ bader in dem lieben Pleißathen! Sie sind alle ad acta genommen worden. Einer Ihrer besten Köpfe, der M. Rochlitz?), hat mir eine meisterhafte Beurteilung x) Friedrich Wilhelm III. und seine Gemahlin, die Königin Luise. 2) Friedrich Rochlitz, geboren in Leipzig am 12. Februar 1769, studierte daselbst Theologie. Seit 1794 widmete er sich vollständig der Schriftstellerei und gründete 1798 die „Leipziger allgemeine Musikzeitung". Er starb in Leipzig als Weimarischer Hofrat am 16. Dezember 1842.

seiner ersten zwei Darstellungen in Leipzig mitgeteilt; diese können aber nicht ins Publikum kommen. Teilen Sie unserm lieben Seume den beifolgenden Aushängebogen des Merkurs mit. Der Aufsatz über Suworow*) hat große Freude gemacht. Wahrlich, es wird Zeit, daß wir auf Zerstörung des Calumniantengewebes denken, das jetzt von England aus so listig ausgesponnen wird. Sie wissen doch, daß Kaiser Paul als Malteser-Großmeister gegen die Ungläubigen (d. h. alle denkenden Menschen und guten Köpfe in Deutsch­ land) mit Bajonetten und Keulen zu Felde zu ziehen geschworen hat, und daß in diesem Augenblick Kon­ ferenzen in London über die Wiederherstellung des Jesu­ itenordens gehalten werden. Gruß und Umarmung! Gesundheit und Munterkeit Ihrer edlen Gattin! Unwandelbar treu Ihr Böttiger. Die lobende Bemerkung aus dem Munde Friedrich Wilhelms III. scheint Göschen indessen sehr kühl ausgenommen zu haben; denn er antwortete am 16. Juli 1799:

. . . Der König von Preußen weiß von mir ebenso wenig als von andern großen Buchhändlern im Monde. Um Wielands Bescheidenheit zu widerlegen, mußte er mich zum klugen Manne machen. Ich wollte aber, er könnte sagen: ich sei ein guter Mensch, das würde mir wohltun... . . . Ich fürchte, der Jesuitismus hat in der Welt noch nicht aufgehört und wird ohne Jesuiten doch ewig bleiben, wenigstens so lange, als Gott die Menschenrassen in seiner Schöpfung duldet. — Daß aber die Jesuiten *) „Anekdoten zur Karakterschilderung Suworows." Neuer Teutscher Merkur 1799. Bb. II S. 193 ff.

BG

mit dem Jesuitismus in unsern Tagen so viel Glück machen werden, als die Leute, welche keine Jesuiten heißen, damit machen, daran zweifle ich aus guten Gründen. — Wenn Sie mir Rochlitz' Beurteilung mitteilen können, ohne sich einen Vorwurf darüber zu machen, so wünschte ich mich wohl daraus zu belehren. . . Am 5. August 1799 konnte Göschen Böttigern endlich den fertigen Messias nach Weimar schicken:

Ich sende Ihnen, mein teuerster Freund, hierbei den vierten Band des Messias. Von jeher war es Sitte, den Rang eines Volkes am Helikon nach seinen Epopeen zu messen. Homer, Virgil, Tasso, die Henriade, das ver­ lorene Paradies nannte man, wenn man von dem Be­ stände der Poesie bei Griechen, Römern, Italienern, Franzosen und Engländern sprach. Deshalb haben sich denn auch die Typographen beeifert, diese Werke in schöner Gestalt heraus zu geben. Wir Deutschen haben den Messias. Was wir daran haben, hat Hottinger^) in seiner Mannheimer Preisschrift mit Scharfsinn und Ge­ schmack unsern Lvndsleuten vorgekäuet; ob sie aber wissen, und ob unter zehn schönen Geistern einer die Existenz der meisterhaften Hottingerschen Kritik, welche vielleicht von keiner Lessingischen übertroffen ist, kennt, das wissen die Musen. So viel aber weiß ich, daß es notwendig ist, die Landsleute ein wenig aufzurütteln, um zu beschauen, wie ihr Messias erschienen ist. Vielleicht finden Sie einige Muße, dem Götterbuben2) einen Aufsatz zu übergeben, ver­ mittelst welchem er die Welt auf den neuen Messias auf*) Johann Jakob Hottinger, Professor in Zürich, Übersetzer des Cicero, geb. 1750. Gemeint ist sein „Versuch einer Ver­ gleichung der deutschen Dichter mit den Griechen und Römern. Eine von der churfürstl. deutschen Gesellschaft in Mannheim ge­ krönte Preisschrist." 1789. In den Jahren 1802—10 war er Mitherausgeber des „Neuen Attischen Museums". Gestorben ist er 1819. 2) D. h. dem Neuen Teutschen Merkur.

merksam macht, und wenn es nur auf die herrlichen Füger­ ischen Kupfer wäre.1)2 3 Ich habe, wie billig, Klopstock machen lassen, was er für gut fand. Er hat die Varianten nicht gegeben, und ich habe nicht gefragt, warum? Die Verszahl wollte Klopstock bei dem lyrischen Sylbenmaas nicht dulden. Ich muß den Messias erst noch in Groß-Oktav diesen Winter drucken, dann werden die Barditten, wie ich hoffe, kommen. Ich habe des Rochlitz Beurteilung mit Vergnügen ge­ lesen und danke Ihnen dafür. Grüßen Sie Professor Heeren?). Ich habe einen Teil meiner Jugend in dem Hause seines Vaters verlebt. Reisen Sie glücklich und werben Sie mit Posaunen, Trommeln und Pfeifen für unsre Klassiker. — Ich bitte Sie, mein teuerster Freund, helfen Sie dem vierten Bande des Räcknitz bald unter die Haube durch eine Rezension in der allgemeinen Literaturzeitung, da­ mit ich nicht noch zuletzt bei dem vierten Hefte eine kleine Ohrfeige bekomme, da ich mit den ersten so glücklich durch­ gekommen bin»). Der Genius der Gesundheit und der holden Freude begleite Sie und führe Sie glücklich zu Ihrer Hausgöttin zurück. Immerdar Sie liebend und verehrend Ihr

Göschen. x) Johann Heinrich Füger, seit 1795 Direktor der Kunst­ akademie und Bildergalerie in Wien, hatte zu Klopstocks „Messias" verschiedene Bilder geliefert. Gestochen sind sie von John. 2) Hermann Ludwig Heeren, Historiker, geb. in Arbergen bei Bremen am 25. Oktober 1760 als Sohn des dortigen Pastors Heinrich Erhard Heeren. Er gedachte seiner mit Göschen verlebten Jugendjahre in den seinen gesammelten historischen Werken vor­ gedruckten autobiographischen Notizen. Gest, am 7. März 1842. 3) Über das vierte Heft des Racknitzwerkes schrieb Böttiger einen längeren Aufsatz im „Journal des Luxus und der Moden", August 1799, S. 402 ff.

Göschen trat von jetzt ab selber in regen Briefwechsel mit den Gelehrten, die er als Mitarbeiter für seine Sammlung der lateinischen Klassiker in Aussicht genommen hatte. Einige waren bereits vor Jahren angeworben worden, mit andern stand er noch in Unterhandlung. In seiner freien Zeit verfaßte Göschen, der sich gern schriftstellerisch betätigte, ein kleines Lustspiel: „Zweymal sterben macht Unfug." (1800.) Im Herbst sandte er hiervon einen Probeabdruck an Böttiger, mit der Bitte, sein Stück dem in letzter Zeit stark mit finanziellen Sorgen kämpfenden Vater Wieland zur Beurteilung vorzulegen.

. . . Hier haben Sie meine literarische Torheit. Sie ist nur sechsmal zu meinem Gebrauch abgedruckt, ohne Korrektur. Wenn ich Ihre Bemerkungen habe, will ich das Ding noch einmal durchsehen, verbessern, umarbeiten und dann ordentlich drucken lassen, oder — vernichten. Haben Sie Mut, Freundschaft und Strenge, mir Ihr Urteil zu sagen und mich vor öffentlicher Beschämung zu schützen, wenn das Ding nicht wert ist, ins Publikum zu kommen. . . Göschens Stück verursachte in Weimar ein kleines Mißver­ ständnis. Es kam darin der Satz vor: „Alte Schriftsteller schreiben ums Geld." Wieland, ohnehin in gereizter Stimmung, — die durch die andauernde Kränklichkeit seiner Frau noch vermehrt wurde — bezog diese Worte auf sich und glaubte, daß Göschen, dessen ungeheure Aufwendungen für die große Wieland­ ausgabe nur äußerst langsam gedeckt wurden, damit andeuten wollte, daß er nicht Lust habe, weitere Bücher des bisher so beliebten Autors zu verlegen. Nichts hat Göschen indessen ferner gelegen. Wenn er sich nicht so rasch wie sonst bereit erklärte, Wielands „Aristipp" in Verlag zu nehmen, so lag dies nur an den ungünstigen, kriegerischen Zeiten und den eigenen überaus knappen Geldmitteln. Er durfte sich in neue Unternehmungen nur mit äußerster Vorsicht einlassen. Am 19. November 1799 schrieb er:

Ich bin Ihnen und Vater Wieland für Ihre belehrenden und ermunternden Bemerkungen über meinen „Unfug"

unendlich verbunden. Durch keckes Streichen, Motivieren und einige neue glückliche Szenen hat das Ding eine ganz andre Gestalt gewonnen. — Wenn man dichtet, so glaubt man, der Leser sehe alles so deutlich als des Dichters Phantasie; bei näherer Prüfung hab' ich ge­ funden, daß ich noch vieles anschaulicher machen mußte. Jetzt, glaube ich, hat die Handlung in allen Punkten Wahrheit und Deutlichkeit bekommen. Jffland wollte vorigen Sommer das Stück gleich mit­ nehmen und spielen. Er hat mich seitdem mehr als ein­ mal daran erinnert; ich wollte es aber erst aufs neue, wenn ich Männer wie Sie um Ihr Urteil gebeten hatte, bearbeiten. — Vor vielen Jahren hatte ich das Ding angefangen, liegen gelassen und vergessen. Im vorigen Winter kam es mir unglücklicherweise wieder in die Hände, und da fiel ich mit Wut darüber her; diesen Sommer, da gerade ein Lehrbursche Zeit hatte, gab ich ihm das Brouillon zu setzen. In dieser Gestalt haben Sie es gesehen. Jetzt lasse ich es ordentlich drucken. Wer es dann zu spielen Lust hat, mag es kaufen. Es tut mir jetzt oft leid, daß ich Wieland nicht mit etwas Erheblichem unterstützen kann. Was ich habe, teil' ich gewiß gern mit ihm. Was werden Sie aber sagen, wenn ich Ihnen versichere, daß ich ein schuldenfreies Gut, eine schuldenfreie Druckerei, keine unbeträchtliche Handlung, für 20000 Taler ausstehende Geschäfte in meinen Büchern und doch Nahrungssorgen bis Ostern habe. Kein Buchhändler hat zahlen können, weil überall das Geld stockt; einem Banquier darf man gar nicht kommen, weil diese Leute teils verliehen haben, teils wegen gemachter Wechselgeschäfte fürchterlich mit Geld gewaffnet sein müssen, um ihre Sicherheit zu decken. Woher also das Geld nehmen, ohne zu stehlen? Es ist eine fatale Zeit, und wir müssen Geduld haben. Meine schriftstellerische Sudelei ist mir seit einigen Wochen der

Trank der Vergessenheit gewesen. Jetzt scheint es, als wenn die allgemeine Angst nachließe und der Himmel wieder heiter werden wollte.

Aber unsre Freunde unter ben Buchhändlern, welche auf Einnahmen gerechnet hatten, wußten nicht, wie sie von der Messe wegkommen sollten; und zumal, da sie für ihre Kreditbriefe und als Reserve mitgenommenen Dokumente von den hiesigen Banquiers keinen Groschen bekommen konnten. So standen die Sachen. Doch das bleibt unter uns. — Unser ehrwürdiger Freund *) hat mir Unrecht getan. Er beschuldigt mich der Kälte gegen seine Werke, aus Gründen, die ich leicht heben konnte und längst gehoben hätte, wenn er mir das Mißverständnis gleich geschrieben hätte. Mein Brief muß ihn beruhigt haben. Der Aristipp braucht nicht halb so schön zu sein, als Sie ihn beschreiben, und ich würde ihn doch mit Vergnügen drucken. Man mag sagen was man will, ich weiß aus mir selbst, daß Wieland nichts schreiben kann, welches für unsre Zeit­ genossen nicht .noch mehr als gut wäre, und daß sein Agatho-Dämon das beste Produkt unsrer neuen Literatur ist. — Ich glaube, unser Freund säh' es gern, wenn statt des billigen Gewinnes, den ich bei seinen Werken ge­ macht habe, ich reich dabei geworden wäre. Sein Schade wäre das freilich nicht gewesen; aber können wir die Zeiten ändern? Sagen Sie selbst, Freund, wer kann das Gute, Vortreffliche, Unentbehrliche, welches alle Wochen nach der Hamburger Zeitung erscheint, alles kau­ fen? Lesen, Lesen, das ist das große Wort! Kaufen mag der Teufel! sagt mein Nachbar, ein reicher, schöner Geist. Dem sei wie ihm wolle, tdj verlege den Aristipp und will ihn gern nach Möglichkeit bezahlen. —

*) Wieland.

Können Sie meinen Deserteur dahin bewegen, meine Neuigkeit in seinem Kober, etwa auf dem blauen Mantel, mit in die Welt zu tragen; so tun Sie es. — Hier ein Brief von Klopstock. Sie sehen, er ist nicht stumm wie ein Fisch über die Anmerkungen; er ist auf guten Wegen?). — Der gute Alte verspielt seine Zeit doch auch ein wenig mit dem Sylbenmaß. — Ach, mein teuerster Freund! Es ist das, so lange ich auf dieser an beiden Seiten etwas gedrückten Kugel herum­ tappe, immer mein größtes Leiden gewesen, daß man nirgends hinauskann, ohne jemand in den Weg zu treten. Wir wollen uns damit trösten, daß es andern eben so geht, und auch unser Weg oft verrammelt und zu Schanden geritten wird. — Ich habe in diesen Tagen etwas aufs Reine zum Besten der deutschen Typographie gebracht: eine solche Art, das Papier zu feuchten, die mich in den Stand setzt, noch einmal so rein zu drucken. Was wird Klopstock sagen, wenn er die folgenden Bogen sieht? — Auch bin ich in acht Tagen mit dem metallnen Bogen, wodurch die Geradheit der Zeilen hervorgebracht wird, fertig, und so hätt ich denn für unsre Unternehmung das Wichtigste in Rücksicht der Typographie aufs Reine. Nun müssen wir doch wohl an die Männer denken, welche die ver­ schiedenen Schriftsteller bearbeiten sollen, und damit wir das Geschäft erleichtern, einen Plan für alle Mitarbeiter drucken, den man einem jeden zusendet. . . Inzwischen hatten in Weimar die Brüder Schlegel nach dem Vorbilde der „Horen" das „Athenäum" herausgegeben, in welchem besonders die „Fragmente" und „Ideen" Friedrich Schlegels — ungewöhnlich, geistreich und scharf, wie sie waren — x) Den Neuen Teutschen Merkur. 2) Klopstock hatte die beigefügten Anmerkungen nicht bloß als das, was sie sein sollten, als eine Erleichterung für das lesende Publikum, betrachtet, sondern glaubte darin eine Kritik seiner Werke zu erblicken.

einen Sturm der Entrüstung und des Widerspruchs hervorriefen, der an die Wirkung der „Terrien" erinnert. Die boshaften Aus­ fälle im „Athenäum" waren auch mit die Ursache, daß Wieland zu dem Entschlüsse kam, sich vom „Merkur" zurückzuziehen. Wieland, der August Wilhelm Schlegel als Übersetzer sehr hoch schätzte und sogar über Johann Heinrich Voß stellte, schrieb an Böttiger: „Dieses Athenäum ist eine merkwürdige Erscheinung, und die beiden Dioskuren (Jupitersbuben nach Herrn Heinses Übersetzung) scheinen eine große Rolle in der literarischen Welt des 19. Jahrhunderts spielen zu wollen. In der Tat sind sie durch ihre Fähigkeiten zu keiner so subalternen bestimmt; — in­ dessen, wenn sie es noch eine Zeit lang so treiben, wie in diesem Athenäo, so werden sie doch nichts als Irrwische sein, und nicht lucida sidera, wie echten Dioskuren gebührt." In irgendeine Polemik sich mit den „Jupitersbuben" einzu­ lassen, widerstrebte dem Takte des feinfühligen Dichters. Göschen mag nicht wenig dazu beigetragen haben, Wielands Zorn in gemäßigte Bahnen zu lenken. Er schrieb am 20. August 1799 an Böttiger, nachdem abermals ein scharfer Artikel gegen Wieland erschienen war:*)

... Das neue Stück des Athenäum ist nicht nur wieder mit einer Eiskruste, sondern mit Straßensalbe aus dem Faubourg St. Antoine umgeben, welche die Herausgeber jedem berühmten Manne auf den Rücken streichen. . . *) Im „Athenäum" von 1799, zweiter Band, zweites Stück, Seite 331 heißt es: „Wieland wird Supplemente zu den Supple­ menten seiner sämtlichen Werke herausgeben, unter dem Titel: Werke, die ich sogar für die Supplemente zu schlecht halte und völlig verwerfe. Diese Bände werden aber unbedruckte Blätter enthalten, welches sich besonders bei dem geglätteten Velin schön ausnehmen wird." Und S. 340 lesen wir: „Citatio edictalis. Nachdem über die Poesie des Hofraths und Gomes Palatinus Caesareus Wieland in Weimar, auf Ansuchen der Herren Lucian, Fielding, Sterne, Bayle, Voltaire, Crebillon, Hamilton und vieler andern Autoren Concursus Creditorum eröffnet, auch in der Masse mehreres verdächtige und dem Ansehen nach dem Horatius, Ariosto, Cervantes und Shakespeare zustehendes Eigen­ tum sich vorgesunden, wird jeder, der ähnliche Ansprüche titulo legitimo machen kann, hiedurch vorgeladen, sich binnen Sächsischer Frist zu melden, hernachmals aber zu schweigen."

Nachdem die Redaktion des „Merkurs" endgültig in Böttigers Hände übergegangen war, richtete das „Athenäum" die Spitze seiner Angriffe mit Vorliebe gegen diesen. Böttiger hatte sich trotz seiner überall aushelfenden Freundlichkeit — oder vielleicht gerade deshalb — manche Widersacher in Weimar geschaffen.

In dem Bestreben, allen, die sich mit einem Anliegen an ihn wandten, gefällig zu sein, hatte er sich wohl bei Vielen außer­ ordentlich beliebt gemacht, auf der andern Seite sich aber auch manche Feindschaft zugezogen. Es kam hinzu, daß er Mit­ arbeiter und Rezensent an mehreren Zeitschriften war, und diese Tätigkeit ihm — obgleich seine Urteile stets gerecht, streng sachgemäß und sehr zurückhaltend waren — naturgemäß viele Gegner schuf. Böttiger verfaßte gegen die Brüder Schlegel, die sich einer besonderen Gunst von feiten Goethes zu erfreuen hatten, „zur Abwehr" eine Schrift, welche er in Göschens Verlage herauszu­ geben gedachte. Aber Göschen, der diesen Aufsatz als „ein Muster von ätzenden Kurmitteln", als „Höllenstein" bezeichnete, lehnte das Angebot ab, weil er kritische oder gar polemische Schriften grundsätzlich nicht verlegte. Überhaupt fühlte er sich verpflichtet, seinen Freund Böttiger wegen der ihm angetanen Unbill zu beruhigen und zur Versöhnlichkeit zu ermahnen. Bei. dieser Gelegenheit schrieb er ihm: . . .

Daß die Herren dieser Kur bedürfen und die

Schmerzen verdienen, das ist keine Frage. Aber ich kann

die Publizität nicht befördern.

Hat mir ein Mann ein­

mal Freundschaft erwiesen, so kann ich nichts gegen ihn

ins Publikum befördern helfen.

Sie kennen mein ehe­

maliges Verhältnis zu Wilhelm Schlegel*).

Ich kann

unmöglich beitragen, daß er öffentlich gegeißelt werde. — Sie haben keine Rücksicht zu nehmen, Sie sind ge­

neckt und gereizt worden, man hat sich alles gegen Sie

erlaubt.

Ihnen kann ich es nicht verdenken, wenn Sie

das erwidern, was man Ihnen getan hat.

Aber, wenn

*) Dieser hatte s. Zt., als Meinungsverschiedenheiten ein ernst­ haftes Zerwürfnis zwischen Göschen und Schiller herbeizuführen' drohten, vermittelnd und begütigend eingegriffen.

Sie mir erlauben, so wünsche ich, daß die Herren mit Todesstille behandelt werden und kein Mensch Notiz von ihnen nehme. Mögen sie doch eine zeitlang Gesichter schneiden und Sprünge machen; wenn sie sehen, daß

das Publikum doch nur lacht und ihnen den Beutel nicht füllt, so werden sie schon wieder einlenken.

Vielleicht

wird noch etwas aus ihnen. Wahrlich, es ist schade um

so manches Talent, welches diese Herren haben. Zürnen Sie nicht auf mich, verehrungswürdiger Freund, daß ich vielleicht zu weich bin; diese Weichheit ist aber so sehr mit meinem ganzen Wesen verbunden, daß ich sie nicht losreißen kann. —

Und in bezug auf die zuerst geplante Mitwirkung A. W. Schlegels bei der Herausgabe der lateinischen Klassiker fügte er hinzu: Auf Schlegel haben Sie doch, wie ich, resigniert? —

1800. Über die weitere gemeinsame Tätigkeit auf literarischem Gebiete, welche sich die beiden Freunde vorgenommen hatten, erfahren wir näheres aus den im Herbst 1800 gewechselten Briefen. Göschen schrieb am 25. August an Böttiger, kurz ehe dieser seine Ferienreise antrat:

Möge Ihnen, mein teuerster und Verehrtester Freund, die Erholung lange wohltun, und mögen Sie, verstockter Sünder, nicht aufs neue zum Nachteil Ihrer Gesundheit in Arbeit und Gelehrsamkeit fortschwelgen, sondern fein haushälterisch mit der erreichten Lebenskraft umgehen. Amen! — Haben Sie für alles meinen herzlichen Dank, vor­ nehmlich aber für die bereitwillige Versicherung Ihres Beistandes, worauf wir gar sehr zu rechnen uns nicht versagen können. Wir müssen Sie freilich beim Wort halten um unsres und der Welt Besten willen.

Hat es mit den 20 Louisdor*) Zeit bis Ende September, oder müssen Sie solche gleich nach Paris schicken? Be­ antworten Sie mir diese Frage eben so offen als ich sie tue. —

Ich denke, wir halten uns mit der Unternehmung still, bis der Lucrez oder ein andrer Autor erschienen ist. Dann kann die Uebertragung der Geschäfte an Eich-städt, und was sonst zu sagen ist, durch Annoncen bekannt *) Honorar — allerdings ein sehr hohes I — für dio Besprechung von Neubecks „Gesundbrunnen" in Millins „Journal encyclop6dique“. Böttiger, von dessen wissenschaftlichen Aufsätzen viele, ins Französische übersetzt, im „Journal encyclop6dique“ erschienen waren, hatte die Vermittelung übernommen.

gemacht werden; vorher kein Wort öffentlich. Aber privatim muß das Unternehmen nun mit Eifer und Furore betrieben werden. Ihr gütiges Anerbieten der Tischbeinschen Vasm-Gemälde*) kommt mir zu einer Zeit, wo ich mich nicht be­ stimmen kann. Ich bin noch von der Ostermesse zu ent­ fernt, um übersehen zu können, ob sie mir erlauben wird, ein solches Unternehmen auf eine würdige Art auszuführen; bei der jetzigen Lage der Dinge sind die Zahlungen zu zweifelhaft, daher der redliche Mann seinen Kräften nur wenig zutrauen darf. Damit Sie aber sehen, daß mir Ihre Anträge nicht gleichgültig sind, muß ich Ihnen sagen: ich habe diesen ganzen Morgen die Vasen in meinem Kopf untereinander geworfen, und ich glaube, einen merkantilen Plan ausfindig gemacht zu haben, nach welchem die Sache ohne Nachteil des Verlegers auszu­ führen sei, wenn die Welt nur etwas über die politische Lage der Dinge beruhigt ist. Hat die Sache also Zeit bis Ostern, so glaube ich, könnten wir uns einigen. Bis dahin, glaube ich, muß sogar die Sache ruhen, wenn sie nicht in ihrem Entstehen scheitern soll. Sie wissen, was auf den richtigen Zeitpunkt ankommt. Müssen Sie eine feste Entschließung jetzt haben, so trete ich aus Pflich­ ten gegen Sie und mich zurück. Wollen Sie aber meine Entschließung in der Ostermesse abwarten, so bitt' ich Sie im Voraus, mir einige Abdrücke von Tischbein und die Bedingungen zu übersenden, damit ich die Sache klar übersehen kann. — *) Böttiger hatte zu Tischbeins Zeichnungen der Hamiltonschen Sammlung griechischer Vasen eingehende Erklärungen versaßt unh Göschen — trotzdem das erste und zweite Heft bereits 1797 und 1798 in Weimar erschienen waren — den Verlag angebotm. Die deswegen geführten Unterhandlungen führten jedoch zu keinem Resultat: Göschen lehnte nach mehreren in dieser Angelegenheit gewechselten Briefen das Anerbieten ab, und das dritte Heft der „Griechischen Vasengemälde" erschien 1800 in Magdeburg.

Reinhard *) gab mir zu verstehen, er wünschte, daß Sie als erklärender Gelehrter bei der Galerie in Dresden angestellt werden möchten. Ich fand, wie Sie denken können, das nicht allein sehr gut, sondern sogar äußerst notwendig um der Ehre Sachsens und seiner Kunstschätze willen; ohne einen gelehrten Direktor habe die Galerie für Einheimische und Fremde wenig geistigen Nutzen. — Finden Sie eine halbe Stunde Muße, so schreiben Sie mir doch, ohne Anstrengung, wie es Ihnen einfällt, etwas über den Aristipp in gelehrter Rücksicht. Werfen Sie es nur untereinander hin, ich will es dann schon für mich zusammensuchen zu einem Avertissement, welches ich jetzt eben mache und worin ich nicht gern etwas Dummes sagen möchte, welches mir wohl begegnen könnte, da ich in Hohenstädt weit besser zu Hause bin, als in Griechen­ land. Ich umarme Sie usw. Diesen Brief beantwortete Böttiger umgehend:

Weimar, den 28. August 1800. Mich peinigt jetzt eine gar böse Furie: die Einladungs­ schrift zu einem Schulaktus, die mir einen ganzen Monat raubt, und wofür ich keinen Heller, wohl aber Verdruß die Menge einernte. Wenn mich doch ein freundlicher Genius aus diesem Schuljoch ausspannen wollte! Oft bedaure ich, daß ich nicht nach Kopenhagen ging. Sie müssen also, mein guter Göschen, mit diesem Angst­ geschreibsel Nachsicht haben. Ich schreibe dies zwischen einem Bollwerk alter und neuer Tröster. Zu allem, was in der Autorentreprise vorkommt, und wo ich mein Scherflein beitragen kann, bin ich Ihr treuer Diener und Gehilfe. Wollen Sie die 20 Friedrichsdor gleich nach der Messe mir, wie ich dann bestimmen werde, assignieren, so hat es immer bis dahin Zeit. *) Franz Volkmar Reinhard, Oberhofprediger in Dresden.

Wissen Sie wohl, daß ich Hottinger in Zürich, ein Matador in unserm Fache, zu einer Uebersetzung des ganzen Cicero, — zu einer eleganten Taschenedition für Sie, — eingeladen habe? Der Mann hat vorige Woche eine meisterhafte Übersetzung der Schrift des Cicero von den Pflichten geliefert, und ist jetzt durch das heillose Revolutionsspiel in seinem eigentlichen Wirkungskreis ge­ lähmt. Er schrieb mir dies wehklagend, und ich schlug ihm diese Arbeit vor. Dafür, Freund, verdiene ich einen Kuß von Ihnen; und den will ich mir schon zu seiner Zeit holen. Wenn mein Freund Tischbein sich so lange gedulden will, bin ichs gern zufrieden, daß von Ihnen erst zu Ostern die Entscheidung gegeben und bis dahin geschwiegen werde. Ich werde suchen, ihn zu beschwichtigen und Ihnen allernächstens Abdrücke schicken. Wenn ich Vater Wielands Aristipp anzukündigen hätte, so würde ich ohngefähr so sagen: Das ganze gebildete Europa hat seit zwanzig Jahren die Reisen des jungen Anacharsis, ein durch 20 jährigen Fleiß gereiftes Werk der altfranzösischen Eleganz, und die neuerlich erst be­ kannter gewordenen, aber noch früher geschriebenen Atheniensischen Briefe mit Vergnügen und Nutzen gelesen. Beiden diente jedoch nur eine Fiktion zur Grundlage, auf welche jene Sach- und Wortkünstler ihre romantischen Schilderungen des alten Griechenlands entstehen ließen. Der Dichter des Agathon und Agatho-Dämon hat zu seinen Darstellungen des alten Griechenlands in seiner schönsten und geniereichsten Periode eine durch die Ge­ schichte völlig begründete, von jeher durch eben so viele böse als gute Gerüchte gegangene Person, den Philo­ sophen Aristipp, den genialischsten Zögling der Sokratischen Schule, gewählt, und verrät uns hier, was nur ihm die Muse so vertrauen konnte: den vertrauten Brief­ wechsel dieses durch Wort und Tat gleich merkwürdigen

Mannes mit den berühmtesten Männern und Frauen seines Zeitalters. Nichts ist hier eigentlich erdichtet, denn alles ist auf historische Angaben gegründet und aus oft gar nicht bemerkten Winken alter Schriftsteller entwickelt. Man lebt und webt unter den Griechen im Zeitalter des Perikles bis auf die Dionyse herab. Die mannig­ faltigsten Szenen, bald in den Rosenlauben der Aegina auf dem Landgut der Lais, bald im Kerker des sterbenden Sokrates, bald in der Kunstwerkstätte eines Parhasius und Skopas, bald an dem üppigen Hofe eines persischen Satrapen in Sardis, bald im genügsamen Cyrene, bald in den Kunstwäldern der Akademien, bald unter den Höflingen zu Syracus oder im Hause des weisen Dion, wechseln mit den interessantesten Untersuchungen über die Hauptfragen der griechischen Schul- und Lebensphilo­ sophie und den .wichtigsten Geständnissen über die ver­ schiedenen Regierungsformen in fröhlicher Mannigfaltig­ keit durch diesen einen Zeitraum von mehr als 60 Jahren umschließenden Briefwechsel. Wer wollte nicht gern die flutende Ungewißheit einer zurückschreckenden Gegenwart über eine solche Vergangenheit, von einem solchen Zau­ berer vor unsre Augen geführt, vergessen und sich der Schätze mitfreuen helfen, die nur ein Wieland am Ende einer fast 50jährigen literarischen Laufbahn noch in so unerschöpfter Fülle uns aufschließen konnte? Sehen Sie, mein Freund, so spräche ich aus voller inniger Ueberzeugung und Sachkenntnis und ließe mir kein Wort davon abringen. Denn alles ist buchstäblich wahr. Sind Sie auch der Meinung, so sagen Sie mirs! — Was macht der gute Seume? Tausend Grüße an ihn. Zehntausend an Ihre edle Gattin! Unwandelbar Ihr Böttiger.

Aus

diesen

„ zusammengeworfenen"

Angaben

hat

Göschen

ziemlich wortgetreu das „Avertissement" verfaßt, mit dem er den

zur Michaelismesse „sowohl als besonderes Werk, als auch als der

33. und

Aristipp

34. Band

der sämtlichen Werke"

von Wieland ankündigte.

erscheinenden

Am 10. September 1800

schrieb er wieder an Böttiger und sagte in seinem Briefe u. a.:

Sie, mein verehrungswürdiger und herzlich geliebter Freund, schwitzen unter dem Schuljoche. Ich will Sie nicht stören, sondern Ihnen nur ein freundliches Ge­ sicht zeigen und Sie dankbar für das Avertissement küssen, womit Sie mich erfreut haben.

Wenn Sie an Hottinger schreiben, so sagen Sie ihm doch, daß er seine Bedingungen meldet. Die Entreprise ist schön; wir müssen uns aber prüfen, ob wir sie auch bestehen können.

Damit Sie doch auch sehen, wie ich Ihre Angaben zu der Anzeige des Aristipp gestellt habe, so send' ich Ihnen einen Abdruck. In den Merkur sie leinzurücken, wäre nicht schicklich, deswegen laß ich sie dort weg und gebe den Herren Gebrüder Gädike bloß den Titel zum Einrücken. Ach, liebster Freund, der staubigen, schwülen, kalten und trüben Tage gibt es allenthalben und in jedem Verhältnis. Es ist mir doch lieb, daß Sie nicht nach Kopenhagen gegangen sind. Man muß unter jenem Himmel geboren sein, um sich wohl zu befinden. Der reizbare, muntere Sachse fühlt sich in der rauhen Wasser­ luft wie mit Blei zusammengedrückt; Unmut, Gicht und Podagra werden seine Gefährten. Für den genialischen Umgang in Weimar würden Ihnen die trockenen Dänen keinen Ersatz geben als Geld, und das Geld würde Ihnen die dortige Teuerung und der Luxus wieder abnehmend Ich müßte mich sehr irren, aber ich glaube, das freund­ liche Obersachsen oder das milde Deutschland setzen Sie doch noch auf einen Posten, der ganz Ihren Wünschen entspricht. Verlassen Sie sich auf meine Prophezeiung.

Es soll also noch mehr Blut vergossen werden, bis man sich zu dem bequemt, was nicht auszuweichen ist! Sind doch die Regenten wie gewisse Kaufleute, die sich aus ihren Büchern nicht überzeugen wollen, daß sie kaput sind, und statt sich mit Anstand zu einem billigen Akkord zu bequemen, lieber alles aufs Spiel setzen. Heroisch mag das immer sein, aber dieser Heroismus ist eine Poesie des Teufels. — Lassen Sie uns auf einen baldigen Frieden hoffen, sonst geht der ganze Buchhandel flöten . . . Zu Ostern 1800 war Gäschens Lustspiel „Zweymal Sterben macht Unfug" anonym im Druck erschienen, und der Verfasser hatte

das Merkchen, „das Ding, welches zur Lektüre noch so halb und halb gehen möchte, aber für die Bühne Wohl kaum geeignet sein dürfte," gelegentlich,

„um Absender und Empfänger nicht un­

nötigerweise um das Postgeld zu bringen", an Böttiger gesandt. Als Göschen erfuhr, daß sein Stück, welches bei den Kritikern jener Zeit eine sehr geteilte Aufnahme gefunden hatte, auf dem Hoftheater

zu Weimar aufgeführt werden sollte, schrieb er am 29. Oktober 1800:

... Ach Gott! .Wie haben Sie mich erschreckt! Also Sie wollen wirklich mein unglückliches Kind auspfeifen lassen? Ist es nicht genug, daß es die belletristische Zeitung in Gotha zerfleischt und mich dadurch von der Torheit, Lustspiele zu schreiben, auf immer geheilt hat? Ich bin diesen Herren den Dank schuldig, daß sie mir den Staar gestochen haben. Wir Deutsche haben wirklich einen so großen Ueberschuß an komischen Darstellungen, unser komischer Acker ist so reich, der Witz so leicht und allgemein, die Charakterzeichnungen haben eine solche Festigkeit er­ halten, daß, wer bloß mit kleinen Beiträgen auftritt und nicht gleich das Höchste liefert, zurückgeworfen oder verputzt werden muß. Also muß ich danken für die gnädige Strafe. . . In demselben Briefe hieß es über die schlechten Zeitverhältnisse:

Die Messe, mein teuerster Freund, ist nun vorbei, ohne daß der, welcher einzunehmen hatte, sie bemerkt, BO 7

während der, welcher zu zahlen hatte, sie drückend ge­ fühlt hat. Die Papiermacher schnitten Gesichter und die Buchhändlerdiener (denn außer Hartknoch, Vieweg, Frommann und Korn, waren keine Herren hier), aßen Lerchen*), wovon man wenigstens lange, wenn auch nicht viel ißt; eine Art zu essen, die sich für unsre schwindsüchtige Michaelismesse sehr gut schickt...

Jetzt zum Schluß ein Exempel, wie sehr die Aesthetik in unserm Vaterlande sich ausbreitet. Ich komme von einem Geschäft in Machern. Der Graf von Lindenau hat seine Kühe mit den Namen der neun Musen belegt, die über jedem Trog geschrieben stehen. Die Urania hatte vor wenigen Wochen gekalbt, die ahle Schinderkröt Thalia hatte die Kuhpocken bekommen, Euterpe wurde gemolken, Calliope hatte eben gerindert und die übrigen wurden ausgemistet, als ich da war, wie mir die Musenmägde erzählten. Seit die Musen in den Stall gekommen sind, scheint das Vieh ihre ehemaligen Plätze eingenommen zu haben. Es mag traurig auf dem Olymp aussehen, zumal wenn dort die Stallfütterung cingeführt ist.

Sie sehen diesem bunten Brief an, daß die Aufwäsche nach der schlechten Messe noch nicht vorüber ist. . . Wieder war dem stets hilfsbereiten Böttiger die Aufgabe zu­ gefallen, wegen Knebels Übersetzung des Lucrez vermittelnd mit Göschen zu verhandeln.

Und zwar verwendete er sich dieser-

halb bei dem befreundeten Buchhändler auf Veranlassung von Herders Gattin*2). Karoline Herder bat den „gefälligen Oberkonsistorialrat" am 26. November 1800: „Wir haben gestern einen Auftrag von unserem Knebel vergessen. Er wünscht einen Gesang seines Lucrez künftiges Jahr erscheinen zu lassen und bittet um Ihren Rat; ob ihn wohl Göschen nehmen wird?

*) „Gebratene Lerchen", in früherer Zeit ein Spezialgericht der Leipziger. 2) Bon ihrer Hand fanden sich in Böttigers Nachlasse viele freundschaftliche Billette mit herzlichen, dringenden Ein­ ladungen.

ober, falls es nicht wäre, ob Sie einen andern honneten Buch­

händler wissen? — Der gute Knebel Arbeit honnet

bezahlt bekäme,

verdient, daß

er seine

zumal nach der in England

erschienenen Ausgabe sein Lucrez

in

kommen ist, wie er uns schreibt.

Sinnen Sie ein wenig nach,

ein Prächtiges Licht ge­

wie dies schöne Gedicht hübsch und vorteilhaft ans Licht der

Welt komme,

gefälliger Freund,

und sagen uns Nachmittags

Ihre Gedanken und Meinung gütigst, damit ichs ihm übersende. Einen freundlichen guten Morgen!"

Böttiger entledigte sich dieses Auftrages ungesäumt.

Göschen

erwiderte unterm 30. November 1800:

Mein teuerster Freund! Herzlichen Dank für die Stunden in Weimar und für das Interesse an den Klassikern. Was ich im Dezember in Hohenstädt mache? Ich esse dort zu Mfttag und Abend und schlafe. Die übrige Zeit bin ich in Grimma bei den Pressen, wo die Vegetation der Geisteswerke trotz Dezembereises immer fort gehet. Sie scheinen sich immer meine Villa allein zu denken und nur an die Blumen, die dort wachsen, nicht an die Kette, welche unter diesen Blumen liegt: die Druckerei, wo ich täglich bin, wenn ich von Leipzig weg bin.

Ich habe kein Geld übrig. Deswegen leiste ich auf den Lucrez Verzicht. — Der Properz geht schlecht. So­ lange ich lebe, komme ich auf die Kosten nicht. Sie wissen, es war kein Unternehmen, wobei ich gewinnen wollte; es war keine Sache von Belang, und ich tat es gern, weil Sie es wünschten, und ich den Herrn von Knebel sehr verehre. — Nach meiner Ueberzeugung ist es ein sehr häklich Ding mit dem Verlag von Uebersetzungen. Voß hat nun ein­ mal Glück; Hottingers Cicero wird auch Glück machen, wenn ich mich nicht irre; aber Knebels Lucrez macht ge­ wiß kein Glück. Schon der Lucrez an sich ist keine Lektüre für Jedermann, wie der Virgil und der Homer und der Ovid doch ist oder zu sein geglaubt wird, und der Herr 7»

v. Knebel ist kein Professor oder eines löbl. Gymnasii Rektor; und wer das nicht ist, zu dem hat weder Gelehrter noch Ungelehrter Vertrauen. Scherz bei Seite und auf­ richtig: Der Lucrez ist nichts für mich. Halten Sie ihn ab von mir. Seume will übers Jahr nach Italien. Warum, das weiß er und die Götter, und ich mag mich darum nicht bekümmern. Er kommt in einigen Tagen zu mir, da will ich ihn von Ihnen grüßen. Er ist ein braver Mann, aber seine Reise scheint mir nicht hinlänglich gerecht­ fertigt zu sein. — Gott gebe Ihnen, edler, braver Freund! süße Ruhe nach langen Schultreibereien; fröhliche Tage des Festes und des übrigen Lebens und mehr Segen, als die Herren Zeitgenossen, wenn man sie beim Licht bestehet, großen­ teils verdienen. Dem Muten, denk ich, muß es gut gehen, und so wird es meinem Böttiger nicht fehlen. Mit Treue und Liebe und Verehrung

Ihr Göschen. Da Böttiger es wegen zu großer Arbeitslast abgelehnt hatte, die Herausgabe der lateinischen Klassiker allein zu leiten, so suchte Göschen hierfür noch den gelehrten Philologen Professor Eichstädt in Jena zu gewinnen. Dieser sollte sich mit Böttiger in die Arbeit teilen. Die Bearbeitung und Erläuterung der einzelnen klassischen Autoren war verschiedenen Gelehrten bereits seit dem Jahre 1796, wo Göschen zuerst den Plan einer Ge­ samtausgabe ernstlich ins Auge gefaßt hatte, übertragen worden. Aber die für diese Aufgabe gewonnenen Mitarbeiter — wie Hofrat Schütz, Pastor Kindervater, der gelehrte Martyni-Laguna*),

*) Johannes Aloysius Martyni-Laguna, eigentlich Karl Friedrich Martini, geb. 1755 in Zwickau, studierte in Leipzig Theologie und ging dann als Hofmeister nach Dresden und Warschau, wo er sich mit einem Fräulein Laguna verheiratete. Er lebte in der letzten Zeit seines Lebens als Schriftsteller in Dresden und starb 1824.

die Professoren Morgenstern *), Hermanns u. a. — hielten den Verleger jahrelang mit leeren Versprechungen hin; besonders Eichstädt brachte den ungeduldigen Göschen durch seine Saum­ seligkeit und die Unentschlossenheit, ob er in Jena bleiben oder eine andere Professur annehmen sollte, fast zur Verzweiflung. Wie in allen verdrießlichen Geschäftslagen, schüttete der Leipziger Verleger auch hierüber dem teilnehmenden Böttiger das übervolle Herz aus: . . . Sie haben recht, Eichstädt wird in Augsburg so viel zu tun bekommen, daß er, wenigstens anfangs, nichts für die philologische Literatur tun kann. Daß ihm die

Unternehmung der Klassiker 6—600 Taler einbringe, daran ist nicht zu zweifeln; aber es wird denn doch dabei

auf unsern Freund ankommen, was er tut. Sie wissen, er arbeitet gern nach Laune und Lust, und deshalb kann

ich nicht so allgemein bestimmen, ihm ein Jahrgehalt zu geben. — Ich glaube, eine gewisse Unabhängigkeit würde Eichstädts Neigung sehr zusagen. Aber wenn er Neigung für Augsburg fühlt, und die Stelle das Glück seines Lebens macht, so ist es unsre Pflicht, zu schweigen und ihn nicht aus Eigennutz abzuhalten. An meiner Festig­ keit darf er nicht zweifeln; was ich überlegt habe, führe

ich aus, und wenn ich dabei Schaden haben sollte. Ueberhaupt glaub ich, Eichstädt ist zu ängstlich. Er hat Kräfte genug, sich immer geltend zu machen und zu verdienen, was er zu seinem Glücke bedarf. Die Jenenser sind nicht zufrieden mit ihm, wegen seines nicht glücklichen Vor­ trags, und weil er solche Dinge nicht macht, wie Johann

und Peter machen kann, und wozu er zu gut ist. — Das kann wohl Ursache werden, daß die Regenten der Jenai­

schen Akademie nichts für seine Verbesserung tun. Er braucht sie aber im Grunde nicht, wenn er planmäßig fleißig ist. *) Karl Simon Morgenstern (1770—1852), Professor in Dor­ pat, Herausgeber der „Dörptischen Beiträge". 2) Der Philologe Johann Gottfried Jacob Hermann.

Verzeihen Sie, daß ich Ihnen Hottingers Brief erst heute zurückschicke. Ich muß auf die Uebersetzung der philosophischen Schriften des Cicero Verzicht leisten, wie ich glaube Ihnen schon geschrieben zu habens. — Ich habe Sie schon gebeten, Hottinger zu einer Ausgabe des Cicero aufzumuntern nach dem Plan unsrer Klassiker, das würde ihm Beschäftigung geben und nicht ohne Ehren­ sold. Bitten Sie ihn, daß er den Plan dazu entwirft,, oder die Sache überlegt. Die Opuscula, welche noch Zeit haben, wie er selbst schreibt, will ich bei günstigen Zeiten gern recht schön drucken und ihm dafür geben, was ich vermag; allein das muß noch ein oder zwei Jahre Zeit haben. Er kann sie unterdessen ordnen. — Ich kenne seine Preisschriften und kann sie beinahe auswendig. Mit den Verlegern kann ich mich nicht setzen; das ist seine Sache. Um aller Welt Schätze willen lasse ich mich nicht ein, mich mit meinen Kollegen herumzubeißen. Ich habe es einmal getan aber ich habe genug bation*2). Will er eine Auswahl von zwei Bänden machen und mich gegen alle Ansprüche sichern, so will ich seine auserlesenen Schriften drucken. Ich schicke Ihnen erst mit nächster Post Hottingers Brief zurück und eine Antwort, die Sie ihm mitsenden können. Ich muß die Sache noch reiflicher überlegen, wozu ich heute nicht recht geschickt bin. . . Bergt. Göschens Brief vom 15. Marz 1796. (S. 19.) 2) Göschen macht hier eine Anspielung auf seinen Streit mit Cotta wegen des Verlages von Schillers dramatischen Werken, die von nun an mit Ausnahme des „Don Carlos" bei Cotta er­ schienen.

1801. In den ersten Tagen des Januar 1801 schrieb Göschen:

Mein teuerster und verehrungswürdiger Freund!

Ich sehe noch einmal in das alte Jahrhundert zurück und danke Ihnen für die Freuden, welche mir Ihre Freundschaft darin gegeben hat. Freundschaft echter Art ist unwandelbar bei braven Leuten, und so lassen Sie uns im neuen Jahrhundert fortwandeln. Freude und Gesundheit müssen Sie und Ihre Lieben begleiten. Wir haben das neue Jahrhundert ohne öffentliche Volksfeste angefangen. Im Innern der Familien ist es überall gefeiert worden. Die Universität hat einen Auf­ zug aus der Nicolai-Kirche in die Pauliner-Kirche ge­ halten und dort lateinische Reden gehalten und einige Carm. Saecul. drucken lassen. Im Konzertsaal waren drei schöne Bilder, von Tischbein erfunden und von Schnorr transparent gemalt, aufgestellt und es wurde ba§ Te Deum land, von Hasse nebst einer trefflichen Symphonie von Haydn gegeben. Die eine Soge1),* bei welcher Eck?) Meister vom Stuhl ist, hat kein Fest gegeben, aber die anbre3) hat das schei­ dende Jahrhundert gefeiert. Ich bin nicht Freimaurer und war nicht dabei zugegen. Es ist mir nicht lieb, daß man so wenig Sinn für Volksfeste hat. Zwar wird das Moralische von allen Kanzeln und in allen Kirchen genug erwähnt worden sein; aber der Augenblick selbst, der Glockenschlag, hat 1) „Minerva zu den drei Palmen". *) Johann Georg Eck, Professor in Leipzig. 3) „Balduin zur Linde".

für das Volk einen natürlichen Zander. In allen Kirchen, auf allen Gassen sollte dieser Moment benutzt werden. Wir haben viel Licht bekommen, aber es scheint ein kaltes Licht des Mondes zu sein. Das Zeitalter ist lüderlicher aber nicht froher und lustiger geworden. — Das Herz ist in unsern Tagen ein unbedeutender Artikel, den man ins Makulatur wirft! — Sie haben recht, mein Freund, Knebels Luerez ist eine wichtigere Unternehmung als der Properz. Aber die Pflicht befiehlt mir, davon abzustehen. Ich habe Pflichten für meine Familie und für Freunde. Und da ich, wenn ich vor der Hand mehr übernehme, als ich unternommen habe, mich in Sorgen stürzen würde, die ich nicht gut mehr tragen kann — so muß ich vom Lucrez ablassen. Trotzdem Böttiger in jedem seiner Briefe Göschen zur An­

nahme von Knebels Lucrez zu überreden suchte, blieb Göschen zunächst fest in dem einmal gefaßten Entschlüsse und lehnte das

Angebot immer wieder ab.*)

Um so rüstiger schritten die vor­

bereitenden Arbeiten für die Herausgabe der lateinischen Klassiker

fort.

Am

16. Juli

1801

konnte

Göschen

seinem Freunde

mitteilen:

. . . Der wackere Eichstädt arbeitet und streitet tapfer für die Klassiker, und da ich nun nachgerade Land sehe, will ich auch mit Enthusiasmus die Segel aufspannen, damit wir mit Ehren zu Markte kommen. . . Seinen fieundschaftlichen Beziehungen zu Böttiger hatte Göschen

die Bekanntschaft einer äußerst interessanten Persönlichkeit zu ver­ danken.

Es war der

Exchevalier Du Bau,

ein

emigrierter

Franzose, der seit 1793 in Weimar lebte, Professor an dem von

Mounier geleiteten Belvederischen Institute war und sich daneben eifrig

und

eingehend mit deutscher Literatur beschäftigte.

Er

*) Erst im Jahre 1821, nachdem kurz vorher ein Gesang in der von Friedrich Kind herausgegebenen Zeitschrift: „Die Muse", erschienen war, verlegte er das Werk doch. 1831 erschien eine zweite vermehrte und verbesserte Auslage. Heute gehört das Buch zu den Seltenheiten unserer Literatur.

übersetzte verschiedene Bücher in seine Muttersprache, vor allem einige Werke von Wieland — dessen besonderer Sympathie er sich erfreute — und Hufelands wissenschaftliche Schriften, z. B. die „Makrobiotik" usw. Du Bau ist das Verdienst nicht abzu­ sprechen, seine Landsleute mit unsern Klassikern und deren Dichtungen erst vertraut gemacht zu haben. Als Mounier im Jahre 1800 — da den Flüchtlingen nach dem 18. Brumaire der Aufenthalt im Baterlande wieder frei­ stand — seine Lehranstalt in Weimar auflöste und nach Frankreich zurückkehrte, sah sich Du Bau genötigt, seinen Lebensunterhalt

als Reisebegleiter vornehmer junger Ausländer zu verdienen. Eine solche Reise nach Italien und Frankreich, die er in Be­ gleitung seines irländischen Zöglings Clements unternahm, führte ihn im Jahre 1801 nach Leipzig. Auf Böttigers Rat besuchte er dort den Verlagsbuchhändler Göschen, der ihm wertvolle Empfehlungsschreiben — so an den in Wien lebenden Grafen Charles von Harrach — mitgab. Welches Gefallen Göschen an Du Baus Besuche hatte, erfahren wir aus seinem Briefe an Böttiger vom 8. September 1801:

Sie glauben nicht, mein verehrungstvürdiger Freund, wie viele Freude Sie mir durch die Bekanntschaft des liebenswürdigen Du Bau geschenkt haben. Es war eine Erscheinung, die mich mit seiner ganzen Nation ausge­ söhnt hat. Ich traute dieser Gattung des Menschenge­ schlechts nicht zu, daß sie Menschen wie Du Bau hervor­ bringen könnte. Freilich gibt es gute Menschen überall, und große Menschen werden unter jedem Himmel ge­ boren; aber diese schöne Harmonie des Lebhaften und Guten, diese liebenswürdige Mischung, hätt' ich einem Franzosen nicht zugetraut. Er muß einst die Insel der Seligen bewohnen.

Er hat mich nicht in dem schönen Leipzig, sondern ein­ sam unter den Pflanzen und Bäumen gefunden. Was ich ihm zu sein vermochte, das war ich; aber es tat mir leid, daß ich ihm nicht mehr als Reisenden nützlich werden konnte. . .

Göschens Entzücken über die neue Bekanntschaft erscheint be­ greiflich, Wenn man die verschiedenen Aussprüche

Zeitgenoflen allerdings

über Du Bau zusammenfaßt. eine

Persönlichkeit

der andern

Darnach muß

von faszinierendem

es

Zauber ge­

wesen sein. Göschen fuhr in seinem Briefe fort:

. . . Wieland schrieb mir zwar, seine treffliche Frau kränkle, aber die Schwindsucht habe ich nicht gefürchtet. Es ist ein fürchterlicher Schlag für unsern ehrwürdigen Wieland — ach! ich fürchte, er wird ihn nicht aushalten, sondern darüber zu Grunde gehen. Ich kann ohne Tränen nicht daran denken.

Schiller ist noch in Dresden. Nach seiner Versicherung geht er über Grimma zurück und will einen Tag bei mir bleiben. Ich habe bei seiner Durchreise einen sehr hüb­ schen Abend in Leipzig mit ihm verlebt. . . Böttigers Brief vom 7. Oktober 1801 beansprucht besonders

Interesse,

weil

darin

mancherlei

von

Wieland

und

seinen

Familienverhältnissen erzählt wird:

Mein Freund, der wackere Professor Gentz, der erste Baumeister Berlins und fast ein Jahr der Baumeister unsres Schlosses, wird Ihnen, mein teuerster Göschen, dies Briefchen übergeben. Er reist mit seinem liebens­ würdigen Weibchen auf einige Wochen nach Berlin und geht über Leipzig und Dresden. Vielleicht ist es Ihnen nicht uninteressant, mit diesem Kenner aller architekto­ nischen Kunst im weitesten Umfang bekannt zu werden. Er hat schöne literarische Pläne. Vielleicht wirken Sie auch hier einmal näher zusammen. Kurz, ich glaubte, meinem guten Göschen diese Bekanntschaft schuldig zu sein. Warum sagen Sie mir nichts über Ihre Meßprodukte von dieser Michaelismesse? oder nehmen Sie diesmal bloß Saldos ein? Viel Glück, wenn diese nur ergiebig herbeiströmen. Aber ich zweifle.

Indes vergessen Sie doch ja nicht, mir einige Wochen vor der Messe jederzeit eine motivierte und nur summierte Nachricht von Ihren Novis zu geben, damit ich für die Allgemeine Zeitung und sonst, wo ich meinen literarischen Betrieb habe, nützlichen Gebrauch davon für Sie machen könne. So weiß ich z. B. selbst durch Cotta, der darüber eben nicht die freundlichste Miene macht, daß meine kräftige Empfehlung der Küttnerschen Reisen in Schwaben, Bayern und der Schweiz, wo die Allgemeine Zeitung Hauptblatt ist, vielleicht wirklich etwas zum Absatz beigetragen hat. — Diesmal wußte ich von Ihrem Verlag, was Neues in den Meßkatalog kommt, nichts, als was ich durch Vater Wieland kannte: der dritte Teil des Aristipp. Davon habe ich denn auch in der Revision der Michaelismesse ein starkes Wort gesprochen. Ist er schon fertig? Der fast unvermeidliche, vielleicht in wenig Wochen schon erfolgende Tod der Mutter Wieland wird den Alten wohl angreifen, indes scheint er doch im voraus ziemlich darauf gefaßt zu sein. Seine poetische Natur stößt dies früher ab, und die heilige Pflicht der Selbsterhaltung lehrt Mäßigung im Schmerz. Wenn nur keine andern albernen Streiche vorgingen. Da heiratet eine von den zwei Witwen, die Pastorin Liebeskind, künftigen Dienstag den bisherigen Informator für ihre und die Schorchtischen*) Kinder, einen gewissen Erler, zum Mißvergnügen aller Verständigen. Es ist eine ehrliche Haut, dieser Erler, aber blutarm und ohne alle Aussicht des Lebens. Da wird also eine neue Kinderhecke fertig, und wer gibt das Futter dazu? Wahrlich, der poetische Landmann ist ebensogut ein dankbarer Stoff zu einer Tragikomödie, als der poetische Landjunker. *) Eine Tochter von Wieland war mit dem Landprediger Schorcht verheiratet und wurde nach dem Tode ihres Gatten, wie die verwitwete Liebeskind, mit ihren Kindern von Wieland wieder ins Haus genommen.

Man fragt mich oft, ob Sie Klopstocks Werke noch weiter drucken würden? Was soll ich antworten? Mit unwandelbarer Liebe und Treue

Ihr Böttiger.

. . . Noch eines. Mein treuer, orientalisch gelehrter Freund, der Herr v. Hammer, der jetzt in den Ruinen von Oberägypten herumwühlt (er ist Sekretär des Commodore Sir Sidney Smith, der vor Alexandrien liegt, ein edler Deutscher aus Wien), fand in einer arabischen Biblio­ thek in Rosetta die ganze, bisher noch nie ganz erfundene Tausend und eine Nacht und arbeitet an ihrer Über­ setzung. Er läßt uns auch eine außerordentlich interessante Reisebeschreibung erwarten, da vielleicht nie ein Mann von so vielen Sprachen und so feuriger Phantasie und Diktion (lesen Sie nur seine bei Sander in Berlin er­ schienenen Zeichnungen auf einer Reise von Wien bis Triest, Berlin 1800) den Orient bereist hat. Ich möchte Ihnen gern einmal einen guten Artikel ins Netz jagen. Dies wäre hier der Fall. Denn der Mann will gern etwas splendid verlegt sein. Was meinen Sie dazu? Ich will meinen Brief an ihn bis auf Ihre Antwort ver­ schieben . . . Am 30. Oktober 1801 schrieb Göschen:

Ich habe den liebenswürdigen Prof. Gentz Ihrer Güte zu verdanken und hoffe, diesen Nachmittag einige Stunden mit ihm zuzubringen. Übrigens ist Bertuch schon sein Leipziger Begleiter. Bleibt er morgen noch hier, so hoff' ich die Suppe in seiner Gesellschaft zu essen. Ich habe diese Messe nichts als Wielands Aristipp und Jffland. — Don Carlos schön kommt erst zu Ostern heraus. — Ihren Wink werde ich künftige Messe befolgen und ich hoffe. Sie sollen dann ein Wort mit Enthusias­ mus aussprechen können — oder gar keins; denn nicht alle

Dinge sind in unsrer Gewalt, und vielleicht bin ich zu Ostern noch nicht zu Stande. Ich habe in Du Baus Gesellschaft Wieland und sein Weib beweint. Sie geht zur Ruhe, er aber zu Leiden, die er noch nicht fühlt, die ihn aber über den Haufen werfen werden, wenn sich nicht alles seiner annimmt, was ihn liebt. Über die Heirat vermag ich nichts zu sagen, als: Ach Gott! — Klopstocks Werke sind nur eine Unternehmung für fried­ liche Zeiten. Jetzt wollen wir wieder daran gehen. Man kann sich nicht, den Umständen zu Trotz, heldenmütig zu Boden drucken. Bis jetzt half es nicht, wider die Wand zu rennen . . . In bezug auf Herrn v. Hammer, dessen Werke in Verlag zu nehmen, Böttiger seinem Freunde so warm empfohlen hatte, antwortete Göschen:

. . . Sander hat mir die „Zeichnungen auf einer Reise von Wien nach Triest" geschenkt, und ich. Undank­ barer, habe sie nicht durchlesen können, sondern habe verschiedene Male vergeblich angesetzt. Sie ist mir zu kostbar und zu elegant geschrieben, zu poetisch über pro­ saische Dinge. Doch glaube ich sehr gern, ja, ich bin überzeugt, daß dieser Herr von Hammer etwas sehr Gutes liefern kann, und daß auch seine Reise bis Triest viele Leser findet. Diesem nach wäre dem Buchhändler Göschen die Reise, von der Sie sprechen, ein willkommener Artikel, obgleich Göschen, der Grillenfänger, an der Triester Reise keinen Gefallen hat. Sehen Sie, mein treuer Freund, also zu, ob etwas andres zu haschen ist. Jnlage senden Sie an Wieland. Von ganzer Seele der Ihrige im Fluge Göschen.

Wielands Frau, deren Krankheit seit dem Tode der zu Besuch

weilenden Enkelin der Frau von La Roche, der am 20. September 1800 in Osmannstädt verschiedenen Sophie Brentano, bedenkliche Fortschritte gemacht hatte und schon seit längerer Zeit das

Schlimmste befürchten ließ, war gestorben. Der greise Dichter hatte allen seinen Freunden tiefbekümmert die Mitteilung gemacht, „daß der Engel, mit dem er 35 Jahre lang so glücklich gelebt,

am 9. November 1801 ihn verlassen habe." Göschen berichtete hierüber an Böttiger unterm 17. November 1801: Ich habe von unserm Vater Wieland ein paar Zeilen,

die seinen tiefen Schmerz ausdrücken. verehrungswürdiger

Freund,

das

Ich fürchte, mein

Gefühl

seines

Ver­

lustes wird ihn bis zum Grabe begleiten, wenn auch nicht

heftig, doch sehr leidend — denn niemand kann ihm er­ setzen, was er verloren hat, und was das Schlimmste ist,

das er nicht entbehren kann. verpachtet oder verkauft.

Der Himmel gebe, daß er

Die Sorgen des Ökonomen

sind nichts für ihn . . . Neben seiner Tätigkeit für Journale und den Borbereitungs­ arbeiten für die lateinischen Klassiker war Böttiger zu jener Zeit noch mit einem eigenen größeren, in Göschens Verlage er­ scheinenden Werke kulturhistorischen Inhalts: „Sabina oder Morgenszenen im Putzzimmer einer reichen Römerin,*) beschäftigt. Wir erfahren über alles dieses einiges Nähere aus den folgenden Briefen: . . . Für die Wärme, womit Sie sich Ihres Säug­ lings, unseres Institutes, ferner noch annehmen, meinen herzlichen Dank. Sie, mein verehrungswürdiger Freund, haben Recht,

die vollständige Ausgabe darf nicht ohne Text sein. — *) Bruchstücke von Böttigers „Sabina" waren schon in den vorhergehenden Jahrgängen des „Journals des Luxus und der Moden" erschienen: 1796, Juli, S. 329-347, August, S. 385 bis 401, September, S. 437—451, Oktober, S. 489—502, No­ vember, S. 537-553, Dezember, S. 585—598. 1797, Oktober, S. 485-502.

Auch zu der Suite muß

ein Bändchen Noten, oder

vielmehr Erläuterungen, und zwar so viel, als ein Liebhaber der Alten braucht und in keinem Lexikon findet. —

Ihre Sabina will ich drucken, sorgfältig und korrekt. Ich bitte Sie, den jungen Kaiser, der für Bertuch arbeitet, zu sich kommen zu lassen und ihn zu fragen, um welchen

Preis er eine Platte für mich arbeiten kann. Nächst diesem

können Sie auch Müller in Stuttgart zum Stich ge­ brauchen. Fragen Sie nur die Leute was sie verlangen. Sind sie zu teuer, so kann ich solche Sachen hier wohlfeil und nett gestochen bekommen, wenn Sie mir die Originale mitteilen, die nett und sauber gehalten werden sollen. Da ich ungern etwas unternehme, damit ich nicht aufs Reine bin, so melden Sie mir, was ich Ihnen für das Ganze zu zahlen habe. Ich kann sterben, und dann müssen meine Sachen ins Reine sein.

Seume wird Sie vor seiner Reise besuchen, also wahr­ scheinlich in acht Tagen. Allerdings begleitet ihn meine Freundschaft und mein Segen . . .

Am 6. Dezember 1801 trat Seume in Begleitung seines Freundes, des Malers Veit Hans Schnorr v. Carolsfeld, seinen „Spaziergang nach Syrakus" an, jene berühmte Fußwanderung, die den deutschen Schriftsteller von Grimma über Wien und Triest nach Sizilien führte. Um Böttiger zu beruhigen, der infolge der bevorstehenden längeren Abwesenheit des gewissen­ haften Korrektors wegen seiner „Sabina" Besorgnisse hegte, schrieb Göschen: . . . Seien Sie für Ihr Kindlein nicht bange. Meine Setzer sind gescheut, und Seumes Stelle ist mehr als be­

setzt; für die Druckerei, meine ich, für das Herz kann er mir nicht ersetzt werden.

Heute geht er mit Schnorr

von Grimma ab in die wärmere Welt. Schreiben Sie doch die Namen lateinisch und deutsch, also doppelt mit zweierlei Charakteren in Ihrer Sabina.

Ich bitte Sie, mit Müllern die Kupfer zu arrangieren; wenn der kleine Kaiser Arbeit braucht, so geben Sie ihm auch etwas. Er ist mein Freund. Aber Sie müssen ihm den Preis nicht höher gestatten als Müllern. Gentz hat eine Bedingung, die ich jetzt nicht erfüllen kann. Er will Vorschuß, und ich habe mir eben zu Druckerei und Niederlage ein Haus in Grimma kaufen müssen. Bis ich das alte verkauft habe, das zu klein war, schneidet mir die Schwäche der Kasse im Leibe und macht mir Krämpfe.

Ich umarme Sie, frohliebend und verehrend, als Ihr

Göschen. Beischluß bitte ich gleich ins Schillerische Haus zu senden. Am 31. Dezember 1801 sandte Seume von Wien aus einen

ausführlichen Reisebericht an Göschen, mit der Bitte, diesen Brief an Böttiger weiterzugeben, der einige interessante Auszüge daraus im „Neuen Teutschen Merkur" veröffentlichte. *)

Mein verehrungswürdiger Freund!

Ich überreiche Ihnen hierbei einen Brief von Seume. Auch das Couvert enthält Nachrichten, deswegen werfen Sie es nicht weg. — Eben erhalt ich von Griesbach Ihre Probe der neuen griechischen Settern*2) und muß ihm solche zurücksenden. Soll aus meinem Drucke etwas werden, so muß ich diese Probe immer vor Augen haben und meinen Druckern immer vor Augen halten. Ich habe nur erst bei der J) Bergt. „N. T. M." 1802 I. Bd. S. 228 ff. 2) Böttiger hatte dem Professor Griesbach in Jena einen von Didot in Paris gedruckten griechischen Bogen gesandt und ihm bei dieser Gelegenheit dm Rat gegeben, für sein in Vorbereitung befindliches Novum Testamentum graece Buchstaben nach Didotschem Muster zu verwenden.

Vergleichung gesehen, wie weit ich im Druck zurück bin. — Machen Sie sich das Verdienst um deutsche Kunst, mir diese Probe zu überlassen auf acht Wochen. Denn so lange muß ich versuchen, sorgen und arbeiten, bis ich etwas Erträgliches gegen dieses Meisterstück herausbringe. Also lassen Sie mich keine Fehlbitte tun. Man täuscht sich oft, etwas Gutes gemacht zu haben, und erst wenn man das Bessere sieht, wird man von dem Gegenteil, überzeugt . . .

BG

8

1802. Es ist selbstverständlich, daß Böttiger seinen Freund in dem Bestreben, etwas hervorragend Gutes auf typographischem Gebiete zu leisten, nach Kräften unterstützte. Er antwortete aus Weimar am 26. Januar 1802:

Die Didotsche Probe ist in Paris selbst darum eine große Seltenheit, weil Didot, der sie in den jours complementaires als ein Nationalprodukt mit ausstellte, sie noch nicht für ganz vollkommen hält und daher zurück­ genommen hat. So schreibt mir wenigstens mein wach­ samer Korrespondent. Um so mehr freue ich mich, mein geliebter Freund, daß mir der Zufall diesen Bogen zu­ führte, den ich Ihnen unmittelbar geschickt hätte, wenn es mir glaublich gewesen wäre, daß Sie ihn nicht durch Ihren Pariser Freund schon längst selbst besäßen. Da dem nicht so ist, so bitte ich Sie, ihn ganz von mir an­ zunehmen. Wo fruchtet und wuchert er besser, als in meines lieben Freundes Göschen Händen? Die Form der Buchstaben wird Ihren Neid aber nicht erregen, wohl aber gewisse andere Vorteile und Schmückungen. Nun, so stellen Sie denn dieses Blatt vor sich hin, wie der sieg­ reiche Friedrich immer Laudons und Josephs Bilder in Sanssouci vor sich hatte. Ach mit unserm Vater Wieland gehts nicht gut! Da sitzt er nun in Osmanstädt und will nicht herein, so dringend und wirtlich auch die Einladungen unserer guten Herzogin sind. Bei Tage gehts. Da gräbt er sich in seine Griechen*). Aber wenns Nacht wird, da fehlt ihm *) Wieland plante zu jener Zeit in Gemeinschaft mit Böttiger und Jacobs die Herausgabe eines vollständigen „Theaters der Griechen."

die gewohnte Stimme seiner Frau. Er kann nicht schlafen, und da pickt ihm jede Uhr eine Totenklage. Doch ich hoffe, wir sollen ihn bald hereinbekommen. Allein das Schlimmste ist der poetische Landwirt. Er muß, wenn er nicht ganz zu Grunde gehen will, alles außer seinem Hause und Garten verpachten. Aber da haben ihn seine Kinder, die nur auf die Gegenwart sehen, umstrickt, und so gibt er den besten Ratschlägen seines hiesigen Schwiegersohnes, des Rates Stichling, eines verständigen Finanziers, und aller seiner übrigen Freunde kein Gehör. Wir haben indes alle einen Generalsturm beschlossen. Sie, liebster Göschen, müssen von Ihrer Seite auch Ihre Batterie gut bedienen und, ohne daß Sie sich von meinem Winke etwas merken lassen, nur auf Verpachtung, nun, wo er seiner wirtschaftslieben­ den Frau diese Freude nicht mehr machen könne, antragen. Der wackere Seume hat mich durch seine Briefsendung sehr erfreut. Das ist doch noch einmal ein alter harter Taler, nicht so wie unsre bleiernen französischen Taler, ver­ wischt und abgegriffen. Lassen Sie mich ja alles teilen, was auch Sie von ihm erfahren. Wegen Schnorrs ver­ ändertem Reiseplan habe ich große Freude. Was der wackere Schnorr werden kann, wird er gewiß ohne Italien*).

Ich habe einen schlechten Eintritt ins neue Jahr ge­ habt: erst geschwollenen Hals, dann Gicht am Fuße. Kurz, mein Körper fühlt, daß er einen sehr unruhigen Miet­ mann hat. Darum wird es mir auch kaum möglich sein, meine römische Toilette?) Ihnen noch zum Druck zu Ostern x) Schnorr von Carolsfelb hatte zuerst die Absicht gehabt, Seume auf seiner ganzen Reise zu begleiten; aber in Wien wurden ihm so grausige Geschichten von der in Italien herrschenden Un­ sicherheit auf den Straßen erzählt, daß er als Familienvater es als Pflicht empfand, sich diesen Gefahren nicht auszusehen. Be­ stärkt wurde er in seinem Vorsatz von Seume selber, welcher sagte: „Weit ruhiger werde ich gehen ohne Sie: durch mich wird niemand unglücklich, wenn ich wirklich umkäme." 2) „Sabina".

fertig zu schicken.

Sie wird nicht alt und darf sich ja

wohl auch noch im Sommer einer freundlichen Aufnahme von Ihnen gewärtigen.

Ich habe mir ein Gärtchen mit einem Gartenhäuschen gekauft (denselben, worin Wieland seinen Oberon dichtete,

Knebel seinen Properz übersetzte, also klassisches Land); wenn doch mein guter Göschen einmal eine Flasche mit mir darinnen leeren wollte! Ihrer trefflichen. Ihnen auf lange assekurierten Gattin*)

meine Hochachtung!

Unwandelbar

Ihr Böttiger. Der über Böttigers Geschenk — die für ihn so überaus wert­ volle Probe der Didotschen griechischen Buchstaben — hocherfreute Göschen schrieb am 2. Februar 1802: Ich will alles versuchen, mein teuerster Freund, daß die gute Absicht, welche Sie mit Ihrem mir zugedachten

Präsent haben, erreicht werde; und ich habe sehr viel zu tun, um dem herrlichen Druck nahe zu kommen. Erreiche ich diesen oder nähere mich demselben, so haben Sie dabei ein großes Verdienst. .

Der arme Wieland! Was werden Stichlings treffliche Ratschläge helfen? Da ist nun der neue Schwiegersohn, welcher leben will, und um zu leben, muß er die Öko­

nomie besorgen; um die Ökonomie zu Besorgen, braucht

er Geld, und das Geld hat er nicht.

Kommen Sie da

einmal heraus. Kann dieser Mann auf eine andere Art versorgt werden, dann glaube ich, wird Wieland zur Pacht

zu überreden sein. Daß ohne Pacht Wieland immer ver­ lieren wird, daran ist gar nicht zu zweifeln. Seume hat mir nicht geschrieben, wohin ich Briefe an

*) Göschens Frau war zu Anfang Dezember 1801 schwer krank gewesen.

ihn adressieren soll; und da hat Gerning*) mir drei ge­ sandt, die ihm nützlich werden könnten. Er ist ein wenig zu sorglos. Was ich von ihm erhalte, sollen sie alles haben. Sabina sollte freilich auf dem großen Tummelplatz der Ostermesse ihren Schmuck zeigen; aber sie wird auch nach der Messe freundlich bewillkomm! werden.

Ich kenne das Plätzchen, wohin Sie mich einst zu Knebel führten, und ich freue mich herzlich, daß Sie es erworben haben. Freundliche Götter werden Sie dort besuchen und mit ihren Flügeln den Staub der Schule abschlagen und Ihr Herz zur Freude stimmen und zu geistigen Genüssen stärken. Schaffen Sie sich die Gicht vom Halse, ehe sie impertinent wird. Ich fürchte nichts so sehr als sie. Aber was hilft dagegen andres, als Bäder und Bewegung in freier Luft und eine strenge Diät? Und das will sich nicht immer tun lassen. Haben Sie die Güte, inliegenden Brief, der seinen Sohn Karl nach Pomßen ruft, gleich an Wieland zu be­ fördern. Mit herzlicher, freundschaftlicher Verehrung immer der Ihrige Göschen. Zwei Tage später, am 4. Februar, schrieb Böttiger:

. . . Wohl haben Sie Recht, wie soll man dem guten Wieland recht beikommen? Er ist jetzt schrecklich reizbar und hat mich neulich selbst ausgescholten wie einen Schul­ buben, natürlich aber mit dem nächsten Briefe alles wieder gut gemacht. Er sagt immer: mir ist gar nicht zu helfen. Er arbeitet jetzt mit Anstrengung an Übersetzung der Grie­ chen fürs attische Museum. Nur dies gießt noch Öl in *) Jakob Isaak von Gerning, Hessen-Homburgscher Legations­ rat, hatte vorher als Gesandter lange Zeit in Neapel gelebt. (1767 bis 1837.)

sein Lämpchen. Aber er leidet an Schlaflosigkeit, fühlt, bejammert mit jedem Abend, wo sonst seine gute Frau zu ihm trat, die unersetzliche Lücke und zehrt sich selbst auf. Dabei will er durchaus nicht in die Stadt zu uns, weil er sich einbildet, er mache bei seiner Schwäche in Ge­ sellschaften die kläglichste Figur. Da helfe nun einer!

Liebster Göschen! so wie das erste Veilchen blüht, müssen Sie einmal nach Osmanstädt und es versuchen, ihn zur Verfertigung seiner Biographie zu bringen. Ich bin über­ zeugt, daß nur dies allein ihn verjüngen und in ein so angenehmes Jdeenspiel versetzen kann, daß er alle Gegen­ wart darüber vergißt; und während er so den schönsten Prozeß der Lebensverlängerung treibt, wächst auch Ihr Weizen. — Da Schnorr in Wien bleibt und dieser doch seiner Frau Nachricht gibt und seine Adresse, so muß durch ihn auch unserm vogelfreien Freund Seume beizukommen sein. Melden Sie mir doch gelegentlich, ob dieser Weg zielt... Aus obigem Briefwechsel geht hervor, daß Wielands anhaltend niedergedrückte Gemütsstimmung und seine mißlichen Vermögens­ verhältnisse den beiden Freunden fortgesetzt große Sorgen bereiteten.

Wieland schilderte selbst seine tiefe Traurigkeit in einem Briefe an Böttiger vom 12. Februar 1802 und sagt darin u. a.: „ ... Ich habe seit dem Tode meiner Frau alle Lebenslust verloren, und der Glanz, den sonst die Sachen für mich hatten, ist auf immer verschwunden. — Ich habe nie in meinem Leben etwas so geliebt wie meine Frau. — Seit sie tot ist, bilde ich mir ein, daß mir keine Arbeit mehr recht gelingen will. — Da fällt mir immer der Philemon in der Fabel aufs Herz. Warum konnten wir nicht an Einem Tage sterben?" — Böttiger war vom Herzog Karl August beauftragt worden, sich nach einem befähigten Leiter für das nach Mouniers Weg­ gang von Weimar verwaiste Belvederische Institut umzusehen, eventuell an einen als Mouniers Nachfolger in Betracht kommenden Mann zu schreiben. Böttiger, gewohnt, in allen wichtigen Dingen

sich erst mit Göschen zu besprechen, zog auch in diesem Falle vorher Erkundigungen über den Kandidaten bei Göschen ein.

Am 22. Feb. 1802 schrieb er:

Ich erhalte soeben folgendes mit Bleistift geschriebenes Briefchen von Freund Seume aus Venedig; das erste Lebenszeichen, seit ich den Brief durch Sie empfing. Unserm Vertrag gemäß sende ich es Ihnen und bitte mir das Reciprocum aus, wenn Sie indes Briefe von ihm erhielten. Das Briefchen selbst schrieb er wohl in der Absicht, daß es im Merkur mit einigen Veränderungen abgedruckt würde*). Schicken Sie mirs also wieder zurück. Nun noch eine Bitte. Sie kennen gewiß den wackeren Herbert Mursh, den Briten, der in Leipzig so einheimisch wurde, persönlich. Er ist, so viel ich weiß, mit der Mlle. Träger versprochen, und darauf gründet sich eine Hoffnung, daß er vielleicht um dieser teutschen Frau willen — die teutschen Weiber sind in England sehr scheel angesehen — lieber einmal bei uns zu bleiben Lust haben könnte. Unser Herzog sucht einen Nachfolger für Mounier im Institut in Belvedere, und da bin ich darauf gefallen, ob Mursh nicht der rechte Mann dazu wäre. Ich stehe selbst mit Mursh in alten Verbindungen, möchte doch aber nicht eher an ihn nach England schreiben, als bis ich wüßte, wie seine Herzensangelegenheiten jetzt in Leipzig stehen, ob er etwa bald in Leipzig zurückerwartet wird usw. Hierüber wünschte ich nun einige Nachricht, die Sie z. B. vom Kreiseinnehmer Weiße oder andern Freunden, Mttner z. B., gar leicht erfragen könnten. Was Sie darüber erfahren, teilen Sie mir bald mit. . . Göschen hatte sich sofort nach dem Engländer erkundigt und konnte Böttiger Anfang März 1802 mitteilen:

*) Seumes Brief aus Venedig vom 6. Februar enthielt eine begeisterte Schilderung von Canovas Hebe und wurde im „Neuen Teutschen Merkur" 1802, Bd. I S. 234 ff. abgedruckt.

Mein teuerster und verehrungswürdiger Freund!

Ich erhielt Ihren Brief hier in Grimma und schrieb wegen Mursh gleich an seinen besten Freund, unsern ehrwürdigen Weiße. Erst gestern läßt er mir sagen, die Kränklichkeiten, welche ihn diesen Winter oft beschwert haben, wären wieder bei ihm eingekehrt, deshalb teilt er mir so spät folgendes mit: Mursh komme gewiß wieder nach Leipzig, nur könne man nicht gewiß sagen, ob im Mai, Juni oder Juli. — Unser Seume ist ein sonderbarer Sterblicher. Er schreibt mir nie, wo ich meine Briefe hinschicken soll; folglich kann ich auch gar nicht an ihn schreiben. — Ob Schnorr noch in Wien bleibt — noch ist? auch das weiß niemand — das sind Genies! —

Wielands Karl hab' ich glücklich nach Pomßen*) ge­ bracht, und ich denke, ihn bald weiter zu bringen. In Pomßen verdient er nichts, aber es ist die hohe Schule der Ökonomie, und wenn er ein halbes Jahr dort gesehen und gewirtschaftet hat, so hoff' ich, ihn zu Verdienst zu bringen.

Der alte ehrwürdige Wieland macht mir oft Schmerz. Sie wissen, wie es mit ihm ist. Sein Genius will freien Flug haben und läßt sich zu nichts leiten. Kommt er nicht von selbst auf seine Memoiren, wir bringen ihn nicht dazu. Das einzige ist, zu versuchen, daß Sie davon, wie von ungefähr, anfangen zu sprechen, daß Sie ihm sagen: Göschen wünscht, daß Sie daran anfangen, er mag aher aus Delikatesse nicht zudringlich sein.

Ich bin sehr froh, daß Sie Ihrem Geist ein wenig die Flügel beschneiden wollen, damit der Körper sich auf den Beinen erhalten kann. Der Frühling locke Sie oft in *) Ein Rittergut in der Nähe von Leipzig.

Ihren Garten, und der Genius der Gesundheit erquicke Sie -ort mit Lebenslüsten. Ewig der Ihrige Göschen.

Hier haben Sie zur Erwiderung Seumes Briefe an mich. Tausend Dank für die Ihrigen. Seume hatte von Venedig aus am 5. Februar 1802 an Göschen geschrieben und mit einigen humorvollen Worten eine drollige Szene, die er, „der finstere deutsche Pilger", in der Lagunen­ stadt erlebt hatte, folgendermaßen geschildert: „ ... Ich zählte für

den Tag meinem Lohnbedienten sein Geld in die Hand und bestellte ihn auf den kommenden Morgen, da kamen, weiß der Himmel, ob meine Figur, mein Gesicht oder meine Hand voll Liren sie lockte, ein paar allerliebst freche Venezianische Dirnchen und lehnten sich freundlich an Schulter und Ellbogen und plauderten wer weiß welchen frommen oder gottlosen Unsinn her. Meine Zunge ist für Venedig viel zu dick, so daß ich nicht recht mit den Halbinsulanern fortkomme und meistens nur französisch spreche. Das Französische half nichts; es gruppierte sich eine

ziemliche Gesellschaft, und so fing ich an so stark als möglich russisch zu fluchen und mein Gesicht in die gröbsten Falten zu legen und so etwas von impudenza und senza vergogna drein zu murmeln, daß sich jedermann zurückzog und mich ungehudelt ließ..." Wie sehr sich die beiden deutschen Freunde über Seumes galantes Abenteuer in Venedig amüsiert hatten, geht aus Böttigers Antwortschreiben vom 18. März 1802 hervor:

Mit herzlichem Dank erfolgt hier der Seumesche Brief­ wechsel zurück. Mit allen seinen Eigenheiten ist Seume der liebenswürdigste Sterbliche der Welt ,unb verdient Ihre ganze Freundschaft. Ich sehe aus diesen Briefen, wie viel Sie für ihn taten, und drücke Ihnen im Geiste die Hand dafür. Ich möchte ihn wohl in Venedig unter den Händen der Venediger Dirnen gesehen haben. Der nordische Bär! Teilen Sie mir doch ferner mit, was Sie von ihm erhalten. Ich tue dasselbe. Sein Reisejournal,

wenn er mit heiler Haut zurückkommt, muß höchst originell werden. So durchwanderte seit Menschengedenken kein deutscher Reisender von Kultur Italien! Ist denn Herr Robinson *) noch in Grimma? Dieser seltene Brite hat hier allgemein gefallen, und wir wün­ schen, ihn wieder hier zu sehen. Sie haben recht, mein geliebter ,Freund, mit Vater Wieland muß man warten, bis der Genius selbst die Flügel schlägt. Jetzt ist er mit Leib und Seele im Euri­ pides, dessen Jon ihm so wohl gelungen ist, daß er nun noch ein halb Dutzend Trauerspiele desselben zu dol­ metschen Beruf in sich fühlt. . Er ist seit vierzehn Tagen hier bei uns, sehr munter und voll neuer Lebenskraft. Nun 'er dies überstanden hat, wollte ich ihm wohl noch zehn Jahre assecurieren. Also ist für seine Memoires noch Raum da. Ich wollte, Sie hätten vorigen Montag mein Gast sein können! — Da aß er abends in einem kleinen gewählten Zirkel bei mir, und die Mitternachts­ stunden trafen uns noch bei Scherz und Lachen. Haben Sie Gelegenheit, Herrn Kreiseinnehmer Weiße selbst zu sprechen, so sagen Sie ihm nur, daß ich für un­ fern Freund Mursh einen sehr erfreulichen Plan hätte. Gewiß würde er als Mouniers Nachfolger in Belvedere eine weit angenehmere Existenz mit seiner teutschen Gattin (die Lecarlier heißt), haben, als in England. Morgen schreibe ich selbst an ihn, von unserm Her­ zog dazu beauftragt. Vielleicht geht e§2). Weiße *) Henry Crabb Robinson, von Seume in Weimar eingeführt, befaßte sich viel mit deutscher Literatur und wurde von Goethe sehr geschätzt. Vgl. „Ein Engländer über deutsches Geistesleben. Aufzeichnungen Henry Crabb Robinsons." Hrsg. v. EiMer. Weimar 1871. ") Böttigers Bemühungen wegen Mursh hatten keinen Erfolg. Aber Böttiger, der vom Herzog beauftragt worden war, sich wegen eines Nachfolgers für Mounier umzusehen, unterhandelte nach der Ablehnung des Engländers mit dem Baron Groß> und dieser wurde Leiter des Belvederischen Institutes.

soll nun auch bei der Braut ein Gewicht in die Schale

legen. Zur Messe bringe ich das Manuskript von meiner Sabina mit, so daß Sie gleich damit anfangen lassen können. Aber es

wird doch verschiedenes zu überlegen geben, und darum ist der mir im Grund schon verhaßte Aufschub doch heilsam gewesen.

Ich muß diesen Sommer Ihr Grimmaisches Elysium sehen! Oder wäre es nicht möglich, daß Sie einen Meß­ sonntag mit mir hinausführen? Die Messe fällt diesmal

mitten in den schönsten Frühling. Tausend Grüße von den Meinigen!

Unwandelbar.treu Ihr

Böttiger. Da Wielands Gemütsstimmung keine Besorgnisse mehr erregte, trat in der so lebhaften Korrespondenz der beiden eine größere Pause ein. Auch sonst gab es mancherlei, das Göschen vom Briefschreiben abhielt. Außer seinen Berufsarbeiten und den Vorbereitungen für die Messe hatte er in jener Zeit vielen Ärger

und manche Widerwärtigkeiten im Geschäft. So verließ ihn im Jahre 1802 sein langjähriger bewährter Gehilfe, der seit Gründung der Buchhandlung in seinen Diensten stehende und mit allen Unternehmungen vertraute Steinacker. Dieser hatte die Absicht, sich selbständig zu etablieren, und besorgte neben dem eigenen Geschäfte seine Obliegenheiten in Göschens Verlage nur noch bis Michaelis. Göschen, der ungern mit dem Personal wechselte, war infolgedessen gezwungen, sich für die scheidende Kraft ernstlich nach einem geeigneten Ersatz umzusehen. Diese Beschäftigung nahm ihm alle Lust zum Briefschreiben. Die angefangenen Arbeiten mußten ungeachtet der Störung in gewissenhafter Weise fortgeführt werden und duldeten keinen Aufschub. Böttiger hatte, seinem Versprechen gemäß, Göschen während der Ostermesse in Leipzig und Grimma besucht, schrieb aber an seinen Freund den nächsten Brief aus Weimar erst am 28. Juni: Haben

Sie

neue

Nachrichten

von

unserm

Seume,

liebster Göschen, und wissen Sie, wie man ihm eine Nach-

richt zubringt? Schreyvogel u. Comp. in Wien, eine neu etablierte, aber durch seltenes Talent und Kräfte unterstützte Kunsthandlung, wollen ihn zu einer male­ rischen Reise brauchen, wo er beobachten und schreiben soll, während andere zeichnen. Was mir Schreyvogel*) darüber schreibt, könnte wirklich lockend für unsern Freund sein. Aber es leidet wenig Aufschub. Noch bin ich Ihnen und Ihrer würdigen Frau Ge­ mahlin das dankende Lebewohl in Leipzig schuldig ge­ blieben. Aber ich war den letzten Morgen zu nichts ge­ schickt. Man hatte mir den Abend vorher meinen Geld­ beutel mit wenigstens 40 Talern, meist in Golde, int Komödienhause gestohlen. Nicht der Verlust des Geldes, wiewohl ichs nicht übrig habe, sondern die Art des Ver­ lustes schmerzt mich. In solcher Stimmung muß man keinen Freund besuchen.

Marezoll war bei Ihnen in Hohenstädt, wo ich so viel Gastfreundschaft und ach! so wenig Sonnenschein erlebte. Wird er nach Jena gehen? Mir hat er noch nicht ge­ schrieben.

Herr Steinacker hat mir verschiedenes aus Ihrem Berlagsfüllhorn schicken wollen und sollen. Wahrscheinlich ist er schon nicht mehr bei Ihnen. Aber es bedarf ja nur eines Winkes von Ihnen. Und was wird aus meiner Sabina? Fangen Sie ihren Druck an? Soll ich mehr Manuskript schicken? Oder haben Sie ganz die Lust daran verloren? Ein Opfer sollen Sie mir durchaus nicht bringen. Dann schreiben Sie mirs nur offenherzig. *) Joseph Schreyvogel, geb. 1768 zu Wien, war dort einige Jahre Hoftheatersekretär und Dramaturg. Das Wiener Burg­ theater stand unter ihm auf bedeutender Höhe. Schriftstellerisch war er unter dem Pseudonym West tätig, besonders als Übersetzer (von Calderon, „Das Leben ein Traum", Moreto, „Donna Diana" u. a.) hat er sich hervorgetan. Er starb 1832.

Vater Wieland lebt diesen.Sommer ganz bei der Her­ zogin, seiner treuen Freundin in Tiefurt. Da gehts ihm tvohl. Die herzlichsten Empfehlungen Ihrer vortrefflichen Gattin, die mich auch wegen der Zurücksendung der Strümpfe für den unhöflichsten Menschen halten muß. Sie waren beschmutzt. Und doch schickte ich sie in solchem Zustand zurück. Das war nicht fein. Aber man verliert zuweilen den Kopf. Mit unwandelbarer Treue

Ihr

Böttiger. Auf diesen Brief antwortete Göschen am 17. Juli 1802:

... Seume wandelt jetzt nach Paris. Hierbei emp­ fangen Sie drei Briefe, die ich alle erst nach der Messe und seit drei Wochen erhalten habe. Ein Glück war es, daß ich gerade an Ziegler schreiben konnte, ihm 100 Taler zu zahlens. Schreiben Sie doch gleich an Millin. Adressen gibt Seume nun einmal nicht. Wie sehr schmerzt es mich, daß Sie unser mittelmäßiges Schauspiel so teuer bezahlt haben. Ich glaube, Marezöll nimmt die Stelle in Jena an. Sie wissen nun vielleicht schon mehr davon als ich. — Sobald der 30jährige Krieg, der Don Carlos und der Bliomberis?) fertig ist, sollen Sie alles haben, was ich *) Seume hatte in Florenz seinem Briefe an Göschen vom 31. Mai 1802 einen vertraulichen Zettel beigefügt, worin er eingestand, daß infolge des Betruges, dem er während seiner Reise mehrfach zum Opfer gefallen, und wegen der in Italien herr­ schenden Teuerung seine Barmittel stark zusammengeschmolzen wären, und es ihm lieb sein würde, wenn ihm Göschen durch den Buchhändler Ziegler in Zürich — den er auf der Durchreise zu besuchen gedachte — 100 Taler anweisen wollte. 2) „Bliomberis". Ein Rittergedicht in 12 Gesängen von Alxinger. Neue Auslage mit 2 Kupfer nach Klinger und John und Titelvignette von LiPs. Gr. 8. 1802. Diese Auflage ist von Seume besorgt worden und war — wie die erste — Wieland gewidmet.

zur Ostermesse geleistet habe. Schiller hat mich mit der Revision des zweiten Teiles auch schrecklich auf­ gehalten. Ich habe immer gehofft. Sie, mein verehrungswür­ diger Freund, würden mir das Manuskript senden. Das, was Sie mir gelassen haben, ist ein Morgenbrot für einen Setzer; und nichts ist unangenehmer, als wenn der Setzer aus einer Arbeit an die andere gehen muß, und nichts unangenehmer für den Drucker. In der Hoffnung, daß Sie mir bald den Rest des Manuskripts senden, will ich künftigen Montag anfangen lassen, und das Werk soll bald fertig werden. Die Sonne scheint nach dem Regen so freundlich auf die Hügel vor meinem Fenster, daß ich ihr was recht Schönes darüber sagen möchte, wenn nicht der Groll in meinem Herzen läge, daß sie gerade an dem Tage, da Sie, mein Freund, hier waren, so schwachherzig gewesen war, den kalten, düstern Tag schalten und walten zu lassen, wie er wollte. Mein Herzensweib empfiehlt sich Ihnen und meint, sie verstände das Waschen besser als Sie, und wenn Sie wieder nach Hohenstädt kommen wollten, sollten Sie davon überzeugt werden. Ich zweifle, daß Seume, so lange seine Mutter lebt, nach Wien gehen wird. Auch glaube ich, daß er sich in Leipzig noch eher bestimmen werde, als in Paris. Lassen Sie ihn erst zurückkommen und Schreyvogel so lange warten. Die "malerische Reise kann ja erst den Frühling unternommen werden, und im Herbst will Seume wieder hier sein. Mit der innigsten Freundschaft und Verehrung Ihr Göschen.

Am 22. Juli erhielt Böttiger selbst von Seume einen am 8. Juli 1802 in Paris geschriebenen Brief. Ehe Böttiger dieses

Schreiben veröffentlichte,*) sandte er dasselbe verabredetermaßen am 23. Juli an Göschen zur Einsichtnahme:

Sie erhielten gewiß meinen letzten Brief, mein teuer­ ster Freund. Ich fragte darin an, ob Sie etwas von unserm Seume wüßten. Gestern erhielt ich von ihm aus Paris Nachricht und ich eile, Ihnen diesen Brief mitzu­ teilen, den ich mir aber zurückerbitte. Wenn man nur wüßte, welches Weges er wieder zu uns kommen würde. Ich habe ihm so viel mitzuteilen. Wissen Sie es etwa, so sagen Sie mirs. Ich bat, teils Herrn Steinacker, um Sie nicht zu be­ schweren, teils Ihre eigene.Güte, noch um einiges und erwarte mit einiger Sehnsucht besonders auf die eine Anfrage Ihre Antwort. Freund Marezoll fand, daß die Jenaische Superintendentur mit ihren 1000 Talern immer mehr wert sei, als seine Kopenhagener Pfründe mit 2400 Talern, und wil­ ligte ein. Eine große Eroberung für Jena. Leben Sie wohl in Ihrem schönen Hohenstädt, das nur mir sich in einen bösen Nebelflor hüllte, und ver­ gessen Sie nicht en treuen Böttiger. Schon wenige Tage später, am 2. August, sandte er diesem Schreiben ein zweites nach:

Unser Seume, mein lieber Göschen, ist höchstwahr­ scheinlich, indem ich dies schreibe, schon wieder diesseits des Rheins auf heimischem Boden. Der müßte statt der orientalischen Brieftauben Briefadler fliegen lassen können, der diesen Fußgänger mit seinen Briefen er­ reichen wollte. Ich hoffe, er soll über Weimar kommen. Wo nicht: so bitten Sie ihn, daß er von Ihrem Hohen­ städt aus uns besucht. Vater Wieland und unsrer Her*) Vergl. „Neuer Teutscher Merkur" 1802. Bd. II. S. 236 ff. Dort ist dieser Bericht übrigens irrtümlicherweise vom 22. Juni datiert.

zogin gelüstet nach ihm. Er muß in meinem Hüttchen vor­ lieb nehmen. Hier mit größtem Dank die Briefe zurück. Sie haben da ein dornigtes Musenbett sich bereitet: die Korrektur von Alxingers Bliomberis. Nun in Hohenstädts wirklichen Rosen- und Myrtenlauben läßt sich allenfalls ein solches' Abenteuer bestehen. Auch sind Sie, wie ich sehe, Sekretär bei dem ehrwür­ digen Buchhändlerverein zur Entwirrung der chaotischen Anarchie, die jetzt in Ihren weiten Buchstabenreihen herrscht. Da können Sie sich unverwelkliche Lorbeeren pflanzen. Hoffen Sie wirklich in diesem Lorbeerhaine noch spazieren zu gehen? Ohne Scherz, es ist hohe Zeit, daß dem abscheulichen Unwesen gesteuert werde. Haben Sie schon Aufsätze von einigen Ihrer Herren Kollegen zuge­ schickt bekommen? Man sollte darauf antragen, gar keinen Rabatt zu geben, aber die Bücherpreise zu modifizieren. Lesen Sie denn die Allgemeine Zeitung nicht, die bei Cotta herauskommt? Da finden Sie in den neuesten Blättern auch meine Geständnisse über die Sache. Ver­ raten Sie mich aber nicht.*) Lassen Sie doch, ich bitte darum, nur immer an meiner Sabina drucken, so weit das Manuskript geht, und schicken mir sogleich einen Revisionsbogen. — . Das ist ein Hartes, was Sie jetzt trifft mit Herrn Steinacker. — Aber ich dächte, zu Ihnen müßten sich wieder gute Menschen drängen, und Sie hätten nur die Qual der Auswahl. Herr Steinacker wollte so gütig sein, mir auf Ihre gütige Erlaubnis Ihre Meßneuigkeiten zu schicken. Der Mann hat aber nun freilich auf zwei Äcker zu sehen und ist daher kein Stein- sondern ein Zwei-Acker. Daher lege ich Ihnen selbst ein Zettelchen bei, das Sie ja von Grimma aus zur Bestellung beordern können. *) Böttigers Beiträge für die „Allgemeine Zeitung" erschienen sämtlich ohne Namensunterschrist oder Chiffre.

Wieland ist in Tiefurt unter der Pflege der guten Fürstin fast ganz ohne Arbeit und spielt wieder abends sein l'Hombre. Nur so kann er uns noch erhalten werden. Gruß Ihrer trefflichen Gattin und Handschlag von Ihrem treuen Böttiger.

Ich reise morgen auf einige Tage nach Jena und werde unsern lieben Eichstädt von dem Anfalle seines Spleen, so gut es gehen will, zu heilen suchen. Er ist äußerst unzufrieden mit seinen dortigen Verhältnissen. Der nächste — übrigens sehr lebhafte — Briefwechsel zwischen den beiden behandelte in der Hauptsache die Drucklegung der von

Böttiger verfaßten und

von Göschen verlegten „Sabina" und

würde wenig Aufmerksamkeit verdienen, wenn nicht kleine ein­ gestreute Bemerkungen um der Personen willen, die sie betreffen,

ein allgemeines Interesse beanspruchten.

So schrieb Göschen aus

Hohenstädt am 10. August 1802:

.. Sabina ist angefangen. Zuerst kommt der Text; darunter bloß eine Note, welche auf die Kupfertafeln Hin­ weiset. Nach dem Text alle Anmerkungen; sie mögen Zitate oder Erläuterungen sein. — Auf diese Weise hat der Text gar kein gelehrtes Ansehen, und der Gelehrte hat sein Feld, seine Nahrung und sein Vergnügen an den Anmerkungen. Ist es Ihnen nicht recht, so schreiben Sie gleich mit umgehender Post, damit ich es anders ein­ richte. In sechs Tagen ist alles gesandte Manuskript abgesetzt, wenngleich nicht gedruckt. Der Seume soll schwitzen! Ich hoffe, er kommt über Weimar. Mit tau­ send Dank seinen Brief zurück. — Jetzt geht es an die Vorschläge zur Verbesserung des Buchhandels. Ich habe die Sache bis zu den Hundstagen verspürt, da die Meßtage doch nichts andres als Hundstage sind. Um ganz originell zu sein, sage ich vorher über die Sache nichts. Aber ich werde mit freiem Sinn und mit Anstrengung daran arbeiten ... BO

Am 29. August sandte Völliger an Göschen das verlangte Manuskript mit folgenden Zeilen:

Sie erhalten hier, mein teuerster Göschen, weiteres Manuskript zu meiner Sabina. Das ganze übrige ist in völliger Bereitschaft und bedarf nur noch einiger Signa­ turen. Sie können also schon fortdrucken lassen. — Da die Kupfertafeln lauter Umrisse sind, so werden sie nicht aufhalten und sie können, da ich sie bei Müller und Kaiser zugleich bestelle, in sechs Wochen alle fertig sein. Nur ist nun keine Zeit zu verlieren. So viel, teuerster Göschen, de nos petites montres. — Seume ist nun wieder in Ihren Armen. *) Er ist uns hier wie ein Bote aus den Gärten der Hesperiden er­ schienen und ist bei der trefflichen Fürstin in Tiefurt, die täglich Ol in Wielands ölbedürftiges Lämpchen gießt, und wo er sich zeigte, mit den offensten Armen ausgenom­ men worden. Nie werde ich die liebliche Nachtpromenade von Tiefurt herauf vergessen. — Sagen Sie dies Seumen und fragen Sie ihn zugleich, ob er an Gleim geschrieben habe. Der blinde Nestor unseres Parnasses schrieb vorige Woche seinetwegen an mich mit der ihm eigenen Zärtlich­ keit. Könnte sich unser Freund Zeit nehmen und seinen Genius zuweilen in Rosenfesseln legen, so könnte er einige herrliche Bändchen über seine Reise drucken lassen, wie wir in Deutschland über Italien noch nicht haben. Es wäre schade, wenn er diese Gelegenheit versäumte. Wieland hat Ihnen von einem Griechischen Theater geschrieben. Es wäre schon der Mühe wert, daß Sie einmal eine mündliche Konferenz mit dem Alten hätten. Kommen Sie doch in diesem Herbst noch einmal herüber. Ich habe Respekt vor Ihren Verbesserungen des Bliom*) Seume kehrte im August 1802 von seinem „Spaziergang nach Syrakus" zurück und war am 24. August wieder in Leipzig eingetroffen, von wo aus er unverzüglich Göschen in Hohenstädt besuchte.

beris aus dem Pröbchen, das Sie mir mitteilten. Wer weiß, was Alxingers Schatten dafür alle Abende in Ihrem Hohenstadter Elysium tut. Es soll wunderschön grünen und fruchten. Das geht nicht mit rechten Dingen zu. Sie sahen Jffland wahrscheinlich gestern abend, sowie wir ihn gestern auf dem Durchflug grüßten. Er war ordentlich etwas abgeschmolzen und hatte prächtigen Humor. Tausend Dank für die schöne Musenspende, die ich durchs Jndustriekontor richtig empfing. Womit Sie mich un­ säglich glücklich machen könnten, wäre, wenn Sie mir sub sigillo silentii Ihre Monita zur Verbesserung des so int Argen versunkenen Buchhandels mitteilen wollten. Bin ich gleich Laie, so interessiere ich mich doch aufs leb­ hafteste daran und habe dabei so manches auf dem Herzen, wo ich Göschen, den Altmeister, darüber hören möchte. Erfüllen Sie doch meine Bitte, wenn Sie können ...

Die ersten vier Bogen der „Sabina" konnte Göschen seinem Freunde am 2. September 1802 aus Hohenstadt zur Revision senden und bemerkte dabei: ... Ich habe am Ende doch lateinische Schrift ge­ wählt, weil meine deutsche Schrift gänzlich in andern Sachen verbraucht war und im Grunde doch schicklicher die lateinische als deutsche Schrift zu diesem Gegenstände ist. Seume überraschte mich und ruht nun einige Zeit bei mir aus. Er will nun an Gleim schreiben. Ich bin sehr gewilligt, nach Weimar im Herbst zu kommen. Um das Maß meiner Sorgen voll zu machen, muß ich in Leipzig auch noch meine Niederlage um­ räumen, weil mich ein andrer guter Freund vertreibt; und Steinacker geht ab! Doch will ich zu Ende Oktober kommen, wenn ich mich durch alle diese Veränderungen

durchgearbeitet habe. —

Meine Monita über den Buchhandel werden eine förm­ liche Abhandlung. Wenn sie fertig ist, werde ich sie Ihnen gedruckt senden, denn ich bin Willens, einen Katechismus für Lehrburschen daraus zu machen, da den alten sie doch wohl nur zum Fidibus gebrauchen werden. — Tausend Grüße von Seume; und wenn er ein Bißchen in Ordnung wäre, wollte er schreiben ... Diese Zeilen gelangten in Böttigers Hände, während er mit Abfassung des folgenden Briefes beschäftigt war:

Weimar, d. 6. Sept. 1802.

Nur ein Wort, teuerster, geliebter Freund! Ich habe vergessen, Sie zu bitten, von meiner Sabina 3 Exem­ plare auf gutes Schweizerpapier mit breitem Rand und 12 auf Velinpapier drucken zu lassen, oder wie Sie sonst dies einzurichten gedenken. Ich muß das Merkchen unsrer künftigen Erbprinzessin, der Russischen Großfürstin, zu­ eignen und zugleich ihrer Mutter und Schwester Exem­ plare zuschicken. Unwandelbar treu Ihr

Völliger.

Soeben erhalte ich mit der Post Ihren lieben Brief und die Aushängebogen. Es ist mir lieb, daß Sie zum Druck der Sabina lateinische Lettern genommen haben. Aber gewünscht hätt' ich, daß der eigentliche Text in etwas größerer Schrift, ausgesetzt worden wäre. Indes nehm ich mein Vernünfteln ganz unter dem Glauben ge­ fangen, daß Sie auch dazu Ihren zureichenden Grund hatten. Eigene Erklärungen zu den Kupfern noch be­ sonders drucken zu lassen, verlohnt sich der Mühe nicht, und doch ist nötig, daß es den Lesern maulrecht und alles hübsch auf den ersten Anlauf erklärt werde. Ich bitte Sie, den Titel so besorgen zu lassen, wie ich ihn angab.

Mit der künftigen Donnerstagspost erhalten Sie un­ ausbleiblich neues Manuskript. — Ich werde nun so­ gleich die Umrisse der Kupferstiche in Arbeit nehmen lassen.

Aber wie wird es mit den splendiden Exemplaren werden, worüber ich Sie auf der ersten Seite bitte? — Nun, Sie haben doch wohl auch ohne mein Erinnern auf Velin­ papier Exemplare abziehen lassen.

Wenn nur diese da

sind! Kommen Sie ja Ende Oktober zu uns! Wieland dürstet nach Ihrer Hierherkunft, und ich hungere und dürste. — Freund Seume erhält mit nächstem Posttag Antwort, auch das Gedicht von Fernow*) abgedruckt. Sagen Sie ihm dies mit tausend Grüßen. Ich umarme Sie mit Treue und Liebe.

Unwandelbar

Ihr Böttiger.

Wenige Tage später schrieb Böttiger abermals: Weimar, d. 10. September 1802. Hier die Fortsetzung des Manuskripts meiner Sabina. Dies ist nun gerade die Hälfte des Ganzen. Die andere Hälfte liegt gleichfalls abgeschrieben und fertig. Allein, da ich doch alles noch einmal streng revidieren muß, so fehlt es mir selbst hierzu oft an den wenigen Minuten. Haben Sie also nur die Nachsicht mit mir, daß ich Ihnen posttäglich schicken darf. Künftigen Montag sende ich wie­ der. Und heute über acht Tage dann das letzte. Unter­ des sind auch die in Kupfer zu stechenden Umrisse in

*) Fernow (vgl. über ihn: L. Gerhardt, Carl Ludwig Fernow, Leipzig 1908) hatte in Rom Seume bei sich ausgenommen und manches Gespräch über die politischen und religiösen Mißstände in Italien mit dem deutschen Landsmann geführt. Zur Er­ innerung an die in Rom gemeinsam verlebten Tage verfaßte er das Gedicht: „Die Peterskirche in Rom", das er Seume widmete und diesem dadurch, daß es im „Merkur" abgedruckt wurde, über­ mitteln ließ.

voller Arbeit, und das Ganze, wenn Sie wollen, kann zu Ende der Messe fertig sein. Wie steht es mit den Dedikationsexemplaren? Endlich sind auch meine Bemerkungen über die Leip­ ziger Buchhändlermesse in der Allgemeinen Zeitung ab­ gedruckt.*) Mit Vergnügen sende ich Ihnen die Blätter, wenn Sie sie sehen wollen. Aber wo sollen Sie, armer geplagter Freund, jetzt die Zeit zu allem diesen hernehmen, da Sie nun Ihre Niederlage räumen müssen? Ich be­ greife, daß dies keine geringen Beschwerden verursacht. Warum können Sie Ihr Hohenstädt mit allen seinen Umgebungen nicht nach Leipzig durch ein Schock dienst­ barer Engel transportieren lassen! Ich verstehe Sie nicht ganz, was Sie mit dem Katechis­ mus für Buchhändler-Lehrburschen meinen. Daß Ihre Monita bei der Anarchie des Buchhandels gedruckt wer­ den, versteht sich. Sie müßten sonst ein Regiment Ab­ schreiber halten. Ich pränumeriere aufs erste Exemplar. Wenn Sie nicht raten, so rät niemand. Gruß und Umarmung Böttiger.

Darf ich um die Abgabe der Beilage an Freund Seume bitten? NB. Machen Sie den Korrektor auf die letzte Revision der Sabina aufmerksam. Es muß ein Mann sein, der die Sache versteht; sonst kommt er nicht fort. In den ersten vier Bogen sind derbe Druckfehler.

Göschens Antwort vom 23. September 1802 lautete: Sie erhalten hier die folgenden Aushängebogen der Sabina. Aus eigenem Antriebe habe ich 12 Exemplare auf Velinpapier drucken lassen, welche sich zur Dedikation gut schicken werden. Daß ich gerade diese Lettern nahm, kam daher, weil die andern alle etwas stumpf waren und *) Nr. 246, 247, vom 3. und 4. September 1802.

diese gerade die neuesten, schärfsten. — Sie haben auch noch Druckfehler gefunden? Dies ist sonderbar, da diese Bogen doch unter den Händen des Leutnant Seume, M. - Schäfer und noch eines dritten Korrektors ge­ wesen ftnb1). Sagen Sie doch dem guten Vater Wieland, daß mich bisher so viele Geschäfte gedrückt hätten, daß ich ihm erst in einigen Tagen würde schreiben können; nach der Messe würde ich ihn aber gewiß besuchen.

Mein Aufsatz über den Buchhandel ist nun fertig2). Sie finden ihn im beikommenden Couvert an Bertuch. Er ist bloß für Buchhändler abgedruckt, deswegen kann ich Ihnen kein Exemplar überlassen. Haben Sie die Güte, solches, wenn Sie es durchgelesen haben, versiegelt dem Legationsrat Bertuch als Buchhändler zuzuschicken. Da ich nicht aus der Schule schwatzen darf, so sind Sie so gütig und verschweigen es, daß ich Ihnen diesen Auf­ satz mitgeteilt habe. —

*) Bei Böttigers schwerfälliger, unleserlicher Handschrift mögen Druckfehler nicht leicht zu vermeiden gewesen sein. 2) Göschens Schrift hat den Titel: „Meine Gedanken über den Buchhandel und über dessen Mängel, meine wenigen Er­ fahrungen und meine unmaßgeblichen Vorschläge, dieselben zu ver­ bessern. Bloß abgedruckt für die Herren Vorsteher und meine übrigen Kollegen, zur Prüfung, Verbesserung und Ergänzung." — Sie ist kurz und in einer kräftigen, oft drastischen Sprache ab­ gefaßt. Sätze wie die folgenden werden Buchhändlern noch heute von Interesse sein: „Der Buchhandel ist ein Handel mit Büchern. Versteht man unter Buch mehrere Bogen Papier mit Buchstaben bedruckt; und unter Buchhandel die Mühe, einige Bücher üOondition zu verschreiben: so ist nichts leichter als der Buchhandel, und ein Buchhändler ist noch weniger als ein Heringsweib. Sind aber Bücher die Geistesprodukte der vorzüglichsten Männer ihres Zeitalters, welche fähig sind, die Menschen zu unterrichten und zu verbessern, oder das Leben zu verschönern; so ist der Buch» händler ein Kaufmann, der mit den edelsten Warm handelt: und wenn er seinm Beruf mit Würde treibt, so gebührt ihm unter Handelsleuten der erste Rang." —

Machen Sie mir doch das Vergnügen und senden mir Ihren Aufsatz über die letzte Messe. Schreiben Sie mir ja Ihre Gedanken über mein opusculum und senden Sie es, sobald Sie es gelesen haben, an Bertuch, damit er es noch vor der Messe liefern kann ... Wie sehr Böttiger über die Zusendung von Göschens „Monita" erfreut und entzückt gewesen, geht aus dem Briefe vom 30. September 1802 hervor:

. . . Tausend Dank für die Mitteilung Ihrer Ge­ danken über den Buchhandel. So etwas konnte nur ein Göschen schreiben, in Materie und Form reif und treffend in jedem Worte, so viel ichs verstehe. Gewiß muß dem Rabatt ganz das Peil an die Wurzel gelegt werden. Nur

freilich müßten dann auch die Preise selbst viel moderater werden. Dies kommt aber von selbst, da eigenes Inter­ esse dies gebietet. Bon der wahren, durchaus sanktio­ nierten und anerkannten Organisation der Börse hängt alles ab. Kreditverweigerung ist ihre Liktorengewalt. — Ich sende Ihnen hier die ganze Übersicht der Leipziger Jubilatemesse. x) Nr. XIi) 2) und XII3) wird Sie natür­ lich am meisten interessieren; aber Sie werden mich einen Pfuscher und Bönhasen schimpfen. — Mags doch! Wenn nur Gutes dadurch bewirkt würde. Sagen Sie mir frei­ mütig Ihre Meinung darüber. Die sämtlichen Blätter muß ich mir zurückerbitten, weil ich sie selbst nicht weiter besitze. Das Exemplar Ihrer Gedanken habe ich, Ihrer Ordre gemäß, versiegelt an Bertuch geschickt. Allein ich erlasse es Ihnen nicht. Sie müssen auch mir unter meinem An­ gelöbnis, daß es niemand von mir erfahren, noch weniger i) In der „Allgemeinen Zeitung". Nr. 246, 247, 250, 255, 256, 257 vom 3„ 4., 7., 12., 13. und 14. September 1802. *) 3. September 1802. S. 481 f. „Buchhandel". *) 4. September 1802. S. 985 f. „Vorschläge zur Besserung und Veredlung des Buchhandels".

mitgeteilt erhalten soll, eines schicken. Warum sollten nicht kosmopolitische Schriftsteller, die den ganzen Wert des Buchhandels — dieses Palladiums unserer Aufklärung, das Mirabeau mit der Kanone zusammensetzte (il y a une guerre ä mort entre Partillerie de l’imprimerie) — zu schätzen wissen und seine Herabwürdigung tief mit Indignation fühlen, wenigstens als Flanqueurs und Ulanen zu Ihrer Phalanx gehören?^) Sie sehen den edlen Harrach! Tausend Empfehlungen an Ihre würdige Frau Gemahlin und Seume! Sehen wir uns noch in diesem Herbst? — Mit Liebe und Seele Ihr treuer Böttiger. Mitte Oktober war ein weiterer Teil der „Sabina" in Göschens Händen, und er schrieb am 16. Oktober 1802:

Ihre letzte Sendung Manuskript für die Sabina habe ich richtig erhalten und sie bereits in die Druckerei ge­ schickt. Hiermit sende ich Ihnen die neuesten Aushänge­ bogen, denen in kurzer Zeit andre folgen sollen. — Die Allgemeine Zeitung bringt Ihnen unser Bertuch zurück. Wie sehr hat mich Ihr Aufsatz in Erstaunen gesetzt! In so wenig Tagen, während der mannigfachsten Zer­ streuungen, so viel und so scharf zu sehen und das Ge­ sehene zu so umfassenden, ja tief eingreifenden Reflexionen zu benutzen, scheint mir, auf Ehrenwort! das achte Wunder der Welt. Bis hierher hat Göschen seinem Sohne Fritzi) den Brief diktiert. Er pflegte dies von nun an öfters zu tun, um den

*) Göschen hat seinem Freunde dieses erbetene Exemplar seiner Broschüre wirklich gesandt; es befand sich unter Böttigers hinter­ lassenen Schriften und Büchern. 2) Karl Friedrich, geboren am 28. Juni 1790, übernahm später das väterliche Geschäft und führte dasselbe nach seiner Ver­ heiratung mit Juliane Therese Behex unter dem Namen: Göschen Beyer weiter.

Knaben, den er zu seinem Nachfolger bestimmt hatte, beizeiten mit dem Geschäftsgänge des Buchhandels bekannt zu machen. Die Fortsetzung des Briefes ist aber von Göschens eigener Hand:

. . . Sagen Sie mir um Himmels willen, wer hat Sve in das Anwesen des Buchhandels so tief blicken lassen? Aber woher — doch es ist Messe, und ich darf mich nicht weiter einlassen, wenn die beikommenden Aushängebogen noch fort sollen. — Nächstens mehr. — Eben geht der edle Harrach von mir nach Wien. — Er grüßt Sie tausendmal . . . Ende 1802 war die Prachtausgabe von Schillers „Don Carlos",*) zu welchem Schiller das revidierte Manuskript nebst den herzlichsten Glückwünschen für das neue Jahr und das neue Jahrhundert am 15. Januar 1801 geschickt hatte, fertig geworden, und Göschen schrieb an Böttiger bei Übersendung des ersten Exemplars am 4. Dezember 1802:

. . . Ich beschwere Sie mit einen: Don Carlos, den ich soeben vollständig zur Welt gebracht habe und wozu ich mir die Freiheit nehme, Sie zu Gevatter zu bitten. Sie sind ein viel zu stattlicher und großmütiger Mann, als daß Sie das arme Würmchen ohne alle Unterstützung lassen sollten. Sie werden, ich sehe es schon, im Geiste gleich nach einem helltönenden Instrumente greifen und durch die Welt, worin Sie mittelst des Modejournals und der Allgemeinen Zeitung herrschen, ,ben Befehl er­ gehen lassen: Nehmt euch dieses schönen Kindes an, kaust es, bezahlt es und ergötzt euch daran nach Herzens­ lust! Damit sein armer Vater in der Ostermesse die Geburts- und Taufkosten verschmerzen könne. So was, wie dieser Don Carlos, ist in der deutschen Welt noch nicht erschienen! Denn Didot und die Engländer machen es *) „Don Carlos" erschien bei Göschen zuerst vollständig 1787, dann 1799, 1801, 1802 und 1804. Einzelne Szenen waren schon vorher in der „Thalia" abgedruckt worden. Die Ausgabe von 1802 bezeichnete Göschen selbst als das „Non plus ultra“ typo­ graphischer Schönheit.

besser und Glißing in Weimar viel schlechter; folglich hat es die vortreffliche Mittelmäßigkeit, die euch Deut­ schen so lieb ist.

Geht es nicht, so — hole es der Henker!!!

Erschrecken Sie nicht, ich komme im Ernst zur Oster-

messe mit Cicero Rhetorica, Cicero Epist., Tibullus, Pli­ nius rc. — Noch mehr, ich bringe auch den ersten Band

des prachtvollen Neuen Testaments und eines eben so herrlich ausgestatteten Griechen. Kommen Sie nach Jena,

so weiden Sie sich bei Griesbach am Neuen Testamente. — Da ich, wie Sie, verehrungswürdiger Freund, wissen, jetzt packen und schreiben zugleich muß, so hab' ich bis hierher meinem Freunde Schäfer diktiert und füge nun noch eigenhändig hinzu die Versicherung meiner Verehrung und Liebe. Immerdar

Ihr Göschen. Den Empfang der Büchersendung und des beigefügten Briefes bestätigte Böttiger am 21. Dezember 1802: Mein geliebter Freund! Tausend Dank für den prächtigen Don Carlos. Jemand

nennt die Prachtausgaben Katafalke und Paradebetten für Verstorbene. Nun dann wünsche ich, daß viele Hundert

Bibliotheken Mumienbehälter für eine so schön angeputzte Leiche werden mögen. Für eine Parentation nach Stand

und Würden wollen wir schon sorgen.

Sie sollen als

schmerzlich gebeugter, aber auch wieder hochgetrösteter Leid­

tragender Ihre Freude daran haben. Woher weiß Tisch­ bein, daß die holde Elisabeth so ausgesehen hat? Ward ihm eine Vision, so ist sie vom Himmel. Denn sie ist ein

himmlisches Gesicht. Aber mit der Erfindung der Szenenkupser hin ich nicht zufrieden. Warum fragten Sie mich nicht darum? Ohne Anmaßung, ich hätte Cateln*) etwas *) Franz Catel, Zeichner und Maler (geb. 1778 in Berlin, gest- 1856 in Rom), hatte die Kupfer zu „Don Carlos" geliefert.

Besseres angeben wollen. Was hätte aus dem Kupfer zum dritten Akt, wo die schlafenden Pagen so brav ge­ dacht und gezeichnet sind, werden können, wenn nur der Philipp nicht wie ein Kriegsknecht aus der Kreuzigung dabei stünde. In der Tat, liebster Göschen, haben Sie Zutrauen zu mir und lassen mich, wenns sein kann, — nicht Ihre Autoren und Faktoren, für diese sind Sie Mannes zwiefältig, — sondern nur Ihre Bildermacher und Kupferstecher beraten. Setzen Sie mir einen kleinen Gehalt aus und ernennen Sie mich feierlich zu Ihrem artistischen Superkargo. — Hier ist denn das übrige Manuskript vollends zu meiner Sabina. Sie wird etwas beleibt werden. Denn vorn muß ich .noch einige Seiten Vorrede und Dedikation machen. Schicken Sie mir bald die Aushängebogen, da­ mit ich sie unserem Herzog zur Zensur vorlegen kann, d. h. er muß es erst sehen, ehe ich weiß, ob ich das Mach­ werk dem Petersburger vor die Tür legen kann. — Dreimal Glück auf zu Ihrer Autorensuite. Da schicken Sie eine ganze Flotte nach Potosi. Es wird Gold regnen. Bekommen denn die Autoren keine Vignetten? Der wackere Hüttner*) hat mich zwar gebeten, ihn ja mit Aufträgen zu verschonen. Aber das gilt meinem Freunde Göschen nicht. Hier ist ein Schnittchen Papier, dies legen Sie bei und schreiben unmittelbar an ihn. Natürlich ist die Ausrichtung eines solchen Auftrags in dem ungeheuren London kosten- und zeitspielig. Sie werden ihm also schon zu sagen wissen, daß Sie redliche Dienste honnet zu be­ lohnen wissen. — Eine Prämie von einigen 100 Talern ist hier gar nichts, sobald Sie den rechten Mann von Verleger und Teilnehmer gesunden haben. Aber Hüttner *) Hüttner stammte aus der Lausitz und war früher Bättigers Schüler gewesen. Seit längerer Zeit lebte er als Literat in London, von wo aus er seinem ehemaligen Lehrer Material für dessen Journal: „London und Paris" schickte.

ist vielleicht der einzige Mann, der seine Leute von Grund aus kennt und von Grund aus ehrlich ist. Aber die Sache leidet keinen Aufschub. — Was treibt Seume? Mit Liebe und Treue

Ihr

Böttiger. Da will ich auch fragen, ob Blionrberis fertig sei, wovon Sie mir so schöne Funken zuspritzten, als es auf dem Ambos lag? Ich zeigte gern beides, Bliomberis und Don Carlos zusammen an. In Kindervaters „Amtsführung"*) haben Sie ein ganz herrliches Buch. Ich empfehle es laut, laut. Und dieser Mann kann nicht Superintendent in Sachsen werden!!! Umgehend, am 22. Dezember, antwortete Göschen:

. . . Sie haben freilich recht! die Szenen-Kupfer zum Carlos sind nicht, was ich gewünscht habe. Was hilft aber alles Angeben, wenn die Künstler nicht leisten, was man will. Sie selbst sagen, die schlafenden Pagen sei ein malerisches Sujet. — Was hilft aber die Wahl, da sie Meister Philipp unter das Corps der Kreuziger gesteckt haben? Catel wünschte selbst wählen zu dürfen, um etwas recht Schönes zu liefern. Er nahm sich recht viele Zeit, und am Ende was war es? Ein Bild gefiel mir so wenig, daß er ein andres machen und ich doppelt bezahlen mußte. Wenn Sie, mein teuerster Freund, die Bilderchen zu meinen Büchern nicht bloß erfinden und wählen, sondern auch selbst zeichnen und stechen wollen, so sollen Sie mein chalkographischer Supercargo mit Kapitäns-Rang und Ge­ halt werden. *) „Ueber nützliche Verwaltung des Predigtamts, Schulunterricht, Leitung der Gemeinde und Lebens­ genuß auf dem Lande". Nebst einem Anhang über das Ber­ bauern der Landprediger. BonM. C. B. Kindervater, Prediger in Podelwitz, zwey Theile bei G. I. Göschen. 1802.

Tausend Dank für die Adresse von Hüttner. Ich werde mich aber wohl an einen andern wenden müssen, denn dieser Mann ist bei so bewandten Umständen mir doch zu teuer. — Welche reichen Männer wären Sie und ich, wenn wir uns alle Gefälligkeitsbeweise, .Gänge rc. nur mit 4 Groschen dürften bezahlen lassen! Wir sind freilich nur ehrliche Deutsche und wohnen nicht auf dem treibenden Mist der großen Feilscher, Ellenreiter, Knopfmacher und Gewürzkrämer Großbritaniens, die in meinen Augen nach­ gerade — doch still, sie sollen ja meine Klassiker kaufen! Mögen sie also ihren Pudding in gutem Ale nach Herzens­ lust in vollkommener Gesundheit hinter einem zuge­ mauerten Fenster kauen und die Herrschaft zur See durch eine neue Pressung behaupten. Sie werden nächstens den Bliomberis erhalten; aber von diesem sagen Sie nichts. Es sind nur einige Exem­ plare auf Velin ohne Sorgfalt gedruckt und verdienen keine Erwähnung. Aber Griesbach wird Ihnen die ferti­ gen Bogen des Neuen Testaments zusenden und Sie mit mir bitten, Ihr Urteil unter die Urteile von Schütz, Eich­ städt, Voß zu schreiben und zugleich Herdern zu bitten, über den Druck seine Meinung zu sagen und, wenn sein Urteil mit Ihrem und dem Urteil der Jenenser überein­ stimmend ist, solches mit zu unterschreiben. Ich habe noch viel vor Weihnachten zu schaffen und bitte Sie, recht viele glückliche Stunden zu genießen in den Tagen des Festes, worauf sich die ganze kleine und große Welt freut. Lassen Sie Merkur und Pandora ruhen, London rauchen und Paris *) auf seine Mediceische Venus hoffen?). Sie aber überlassen sich der Ruhe und x) Anspielung auf die von Völliger redigierten Zeitschriften. 2) Die wertvollsten Kunstschätze in Florenz, darunter die Medi­ ceische Venus, hatte man aus Furcht, die Franzosen könnten sie, wie so viele andere Bildwerke, nach Paris schleppen, verpackt und versiegelt nach Palermo geschickt, wo sie streng bewacht wurden.

der Freude unter den Weimarischen Heroen und Musen.

Ich umarme Sie als ein armer Pleißenmann, der im Wasser wohnt und alle Messen Wasser in die Welt trägt.

Von ganzer Seele

der Ihrige Göschen.

Böttiger, dem es für den finanziellen Erfolg unerläßlich er­

schien, daß in England die Vertretung der bei Göschen erscheinenden lateinischen Klassikerausgabe dem rührigen, in London lebenden und von ihm warm empfohlenen Hüttner übergeben werde, schrieb auf diesen Brief am 24. Dezember 1802:

Nein, mein geliebter Freund, Hüttner ist kein so ein­ gefleischter Engländer und ein ehrlicher Kerl.

Wollen

Sie bloß die Namen der solidesten Buchhändler und von

ihm selbst kein Herumlaufen in London: so schreibt er sie

Ihnen wahrlich herzlich gern und würde sich schämen, Ihnen dafür etwas abzufordern. — Schreiben Sie also

ohne Furcht vor Guineenstrafe. Es war auf jeden Fall sehr unartig, daß ich Ihnen so viel Schlimmes über die Kupfer vom Don Carlos schrieb Sie sind wahrlich besser, als die meisten hochgepriesenen.

Was ich Ihnen schrieb, gründet sich zum Teil auf eine

Unterredung darüber mit Schiller selbst.

Vor einer Stunde ist Ihr Specimen*) an Vater Gries­ bach zurück.

Schütz hatte die Approbation so gut gefaßt,

daß Herder und ich nur unterschreiben durften.

Ich will

dann an einem andern Orte, vielleicht int Merkur, be­

sonders davon sprechen.

Schicken Sie mir nur dasselbe

Specimen, damit ich's hier mit Wieland, Goethe u. s. w. noch weiter bespreche.

(Es versteht sich, daß es nicht aus

meiner Hand und wieder an Sie zurückkommt.)

Es ist

ein hochvollendetes, Erstaunen erregendes Meisterstück von

verständiger Kombination und eiserner Unablässigkeit, un­

mögliche Dinge möglich zu machen.

Gerade, wovor sich

*) Probeheft des griechischen Neuen Testaments.

die Meistergilde .am meisten fürchtete, ist herrlich ge­ lungen; ich meine: die großen Buchstaben. — Lassen Sie sich nur von Vater Griesbach meinen Brief mitteilen. Ich bin entzückt. — . . . Wie gewöhnlich, hatte Göschen sich auch diesmal von Böttigers Vorstellungen in bezug auf den in London wohnenden Hüttner

überzeugen lassen.

Wir ersehen dies aus folgendem Briefe, den

er am 31. Dezember 1802 dem in seiner Verlagsbuchhandlung

angestellten M. Schäfer diktierte:

Nochmals, mein teuerster und verehrtester Freund, sage ich Ihnen meinen herzlichen Dank für Ihre gütige Verwendung bei Herrn Hüttner. . Ich werde von Ihrer Adresse Gebrauch machen, und, fürwahr! einen beschei­ denen Gebrauch; auch soll mich Herr Hüttner nicht un­ dankbar finden. Nehmen Sie Ihre Kritik der Kupfer zu Don Carlos nicht zurück. Im Grunde bin ich mit Ihnen wahrlich einverstanden; auch mir mißfällt nicht bloß dies und das. Aber was war zu machen? Die Zeichnungen waren einmal fertig und gut bezahlt. Würden Sie mir geraten haben, sie zu kassieren und neue zu bestellen, auf die Ge­ fahr, noch schlechtere zu erhalten? Ach! es ist eine eigene Sache um unsre Kupferstecher und Zeichner. Geben Sie ihnen noch so treffliche Sujets an, oder lassen Sie sie selbst wählen; immer laufen Sie Gefahr, daß die Aus­ führung weit hinter der Erwartung zurück bleibt. Für Ihre Approbation des Specimen innigen Dank. Auch für Ihr gütiges Versprechen, der Sache im Merkur zu gedenken. Doch wünsche ich nicht, daß dies gleich ge­ schehe. Wir wollen es bis gegen Ostern verspüren. Dann rechne ich aber mit Zuversicht darauf. Jetzt mag das Jntelligenzblatt der Allgemeinen Lit.-Zeit. wirken; später­ hin Ihr Journal. Das Publikum muß von Zeit zu Zeit gestoßen werden; es ist mehr zu erreichen, als durch gleich­ zeitige Impulse. —

Zum Jahreswechsel Glück und Segen in jeder Hinsicht! sBon hier ab eigenhändig.) Es ist der letzte Tag des Jahres. Alles Gute, das Sie darin genossen haben, kehre freund­ lich ttrieber, und auf dem Grabe verstorbener Freunde blühe Ihnen in neuen Blumen eine schöne Auferstehung. Bleiben Sie mir gut! Und zu reiner Freude begleite Sie Gesundheit und Ruhm! Immerdar

der Ihrige

Göschen..

BG

10

1803. Die ersten Monate des Jahres 1803 vergingen für Göschen in angestrengter Tätigkeit und brachten ihm manche Verdrießlich­ keiten wegen der Kupfer

zu der geplanten und jetzt energisch

in Angriff genommenen Neuausgabe der lateinischen Klassiker.

Der rührige Verleger

geriet mitunter in recht

mit den Autoren und Künstlern.

arge Konflikte

Die Herausgeber schlugen

meist Illustrationen vor, mit denen sich Zeichner und Stecher nicht einverstanden zu

Dieses

führte

zu

erklären vermochten.

Ebenso umgekehrt.

Meinungsverschiedenheiten

fachsten Art und verleitete

zu hellen Zornesausbrüchen.

den

der

mannig­

leicht aufbrausenden Göschen oft

Selbst seine besten Freunde, ja sogar

Böttiger, von dessen Aufrichtigkeit er wohl überzeugt sein mußte, verschonte er nicht damit.

Dieser schrieb am 14. März 1803

nach Erhalt einer derartigen Epistel:

Ihr letzter Brief, mein geliebter Freund, atmet soviel Mißmut über getäuschte Erwartungen, daß er mich selbst mit seiner düstern Laune, wie der bleierne Siroccowind anhaucht. Ich weiß die Veranlassung nicht, die Sie da­ mals zu jenem Ausbruche der Bitterkeit hatten. Aber aus meiner täglichen Erfahrung lerne ich, daß dem Moloch in uns, dem leidigen Ich, vom jetzigen Geschlecht alles auf­ geopfert wird. Wehe uns, wenn nicht Familienfreude unser eigenes Ich um uns herum vervielfältigt, und die Natur, die nie undankbar ist, durch Erwiderung unsrer Pflege uns aus uns selbst hervorzieht. Wohl Ihnen, Sie haben eine treffliche Gattin, brave Kinder und ein Hohenstädt! Wissen Sie auch, daß Sie mir noch den Sonnenschein zu Hohenstädt schuldig sind? Ich werde diese Schuld in künftiger Ostermesse unerbittlich streng einkassieren. Rüsten Sie sich darauf. Sie entkommen mir nicht.

Ich muß Sie dringend bitten, den Druck meiner Sabina zu vollenden und mir alles, sobald es Ihren dienstbaren Geistern in Grimma möglich ist, zu übersenden. Dann kann ich erst ein geheftetes Exemplar der Aushängebogen unserm Minister Voigt und dem Herzog selbst vorlegen, um von ihnen zu hören, ob eine Dedikation an die Kaiserin in Petersburg schicklich ist. Auf jeden Fall würde diese Dedikation nur ein einziges Blatt einnehmen. — Herr Hofrat Eichstädt in Jena hat doch den Virgil, wie ich früher angemerkt hatte, dem Kirchenrat Döring in Gotha zugeteilt gelassen? Herr Dörings), der soeben für Kaspar Fritsch einen trefflichen Horaz bearbeitet, wovon der erste Band zur Ostermesse erscheint, wird die Reise zur Ostermesse mit mir machen und dann auch Sie be­ suchen und vorläufige Abrede nehmen. Ich schreibe Ihnen dies, damit Sie nötigenfalls mit Herrn Hofrat Eichstädt darüber noch einmal kommunizieren mögen. Sie haben mir ein Probeheft Ihres Prachttestaments zum Vorzeigen schicken wollen. Schon zweimal war ich wieder in dem Falle, Durchreisenden, die Geld hatten und Lust, es anzulegen, dies vorzeigen zu können. Unser Vater Wieland ist durch den so glücklichen Ver­ kauf von Osmanstädt so frei und munter, als wär ihm ein Ätna vom Nacken gewälzt?). Nun garantiere ich ihm noch 15 Jahre und Ihnen auch für seine Memoiren, von welchen er wieder häufiger zu sprechen anfängt. Geßner will nun ernstlich an die Übersetzungen denken. — Unwandelbar treu Ihr Böttiger. *) Friedrich Wilhelm Döring, Oberkonsistorialrat in Gotha, Böttigers Jugendfreund und Studiengenosse in Schulpsorta. Dort wurde Döring von den Mitschülern allgemein der „Pfarrfritz" genannt. 2) Wieland verkaufte sein Landgut Osmanstädt im März 1803 für 30000 Taler an Hofrat Kühn, der aus Hamburg nach Wei­ mar gezogen war.

Hier ein Briefchen an Seume von Fernow in Rom.

Könnten wir doch den armen Fernow bald über die Alpen

herüberhelfen. — Dieser herzliche Brief verfehlte seine versöhnende Wirkung auf das gereizte Gemüt seines Freundes nicht. Göschen hatte sich in seinem letzten Schreiben neben andern verdrießlichen Redewendungen zu der bitteren Bemerkung hinreißen lassen:

Ich will mich nun auch meiner Haut wehren, und den will ich sehen, der den Hund aus dem Ofen locken soll, wenn sein liebes Ich erfordert, darin sitzen zu bleiben!

Meine gute Natur pflegt durch einen guten Schlaf das

Fremdartige aus

meinem Blute wieder

wegzuschaffen.

Sonst würde ein schönes Donnerwetter sich oft in meinen Briefen ergießen und bis auf die Haut nässen.

Doch! ich

alter Esel, habe mir schon oft gesagt: die Leute sind deine Freunde um des Geldes willen! Warum vergeß ich das immer? — Weil ich des Nachts so ruhig schlafe?! —

Leben Sie glücklich, und wenn es Ihnen keinen Schaden tut oder Louisdors kostet, so behalten Sie mich lieb! — Nach dem Empfange von Böttigers Briefe hatte er aber, wie er versicherte, „wieder ausgetobt" und schrieb am 26. April 1803:

Drei Wochen habe ich in Grimma unter den verdrieß­ lichsten Geschäften, oft in Schmutz und Unrat, zubringen

müssen.

Mein kleines Haus daselbst ist verkauft — wie?

so, so, das heißt, ich habe mein Geld wieder erhalten — und meine Druckerei usw. ist in das größere verlegt wor­

den. — Meine Pressen haben einige Zeit feiern müssen.

Aber hätten sie auch gearbeitet, so wäre Sabina doch noch

nicht beendigt, weil das Manuskript zum Register fehlte. —

Gestern hat Schäfer das Manuskript abgeliefert, und es

wird bereits daran gesetzt. — Herr Hüttner hat mir auf das Humanste geantwortet. —

Vater Wieland will an mich 500 Taler, die ich ihm vorgeschossen habe, zurückzahlen. Bon dieser Summe sollen

unsre Künstler unmittelbar in Weimar bezahlt werden,

wenn es Wielands Ernst ist, diese Summe abzutragen. Ich habe ihn vorigen Posttag darum gefragt. — Über das Honorar wird sich Böttiger und Göschen leicht vereinigen. Über dieses und Klopstock wollen wir mündlich plaudern, auch über die Quelle meiner bittern Laune. Auf den Virgil hat Eichstädt seine Hand gelegt und ist dazu von Voß mit Material unterstützt worden. Ich fürchte, das wird eine Disharmonie setzen zwischen Döring und Eichstädt. — Ich glaube wohl, daß Eichstädt von Jena weg möchte. Wo wünscht er sich nicht weg und wo nicht hin? Es sind jetzt wenige Menschen in der Welt, die auf ihrem Platz bleiben möchten oder für sich einen Platz finden können. Der Himmel wird ja nächstens diesen Leuten einen recht bequemen, artigen hübschen Ort, wo Kaffee und Zucker, Wein oder vielmehr Weine in allem Überflüsse wachsen, und wo man weder Langeweile noch Kopfschmerzen be­ kommt, wenn man auch den ganzen Tag im Grase liegt, ausfindig machen und zuweisen und sie hintreiben. Martyni-Laguna hat so in seiner Art, daß er niemand über seine Arbeiten fragt und sie niemand zeigt und von niemanden etwas annimmt, von dem er glaubt, daß er ihn übersieht. — Ich weiß nicht, ob die beiden Herren sich miteinander messen können, aber ich weiß, daß Mar­ tyni-Laguna sichs nun in den Kopf gesetzt hat, seine Arbeit nicht revidieren zu lassen; und Eichstädt muß nachgeben. — Ich bin es schon gewöhnt, daß, wenn ich ein Pracht­ werk anfange, Krieg werden muß. Am Ende muß die Welt, wenn sie Frieden behalten will, mich durch ein tüch­ tiges Rittergut in Ruhe setzen; sonst hat sie, so lange ich lebe, Krieg. — Mit dem Neuen Testament nach England ist es dann aus — denn für französische Kaper habe ich es nicht gedruckt. — Ich freue mich auf Sie wie auf den heil. Christ; auf Du Vau desgleichen. Ich bin beinahe zerdrückt von der

Grimmaischen Ausräumung. Endlich hoffe ich wieder freieren Geistes zu werden. Den Winter über habe ich

zu viel gearbeitet ... Auf Böttigers Verwendung hin verlegte Göschen die Schriften von Wielands Sohn Ludwig. Es war dies offenbar ein Unter­ nehmen, in welches sich der Buchhändler nur aus Rücksicht für den berühmten Vater und langjährigen Geschäftsfreund eingeloffen hatte. Denn er bemerkte über den jungen Schriftsteller zu Böttiger: ... Ludwig Wieland ist heute nach Dresden abgefahren. Gestern wurde sein Ambrosius Schlinge sehr gut gegeben von Ochsenheimer. Wirklich hat Ochsenheimer meister­

haft gespielt. Dem ungeachtet hat sich das große Publikum dabei ennuyiert, und die Kenner sind kalt geblieben. — Wenn Sie das Stück ein Hör- oder Denkspiel nennen, so ist es gut. Ein Lust- oder Schauspiel ist es nicht. Ludwig

Wieland ist noch zu fremd mit dem Theater, zu fremd mit den Menschen. Schwerlich wird ein großer dramatischer Dichter aus ihm. Aber es kann ein andrer großer Schrift­ steller aus ihm werden, in den Fächern, wobei es darauf ankommt, alles aus sich selbst zu nehmen. Was die Welt anbelangt, so trägt er, glaub ich, vor der Hand sich in die Welt hinein und trägt sie aus sich heraus. Vielleicht lernt er in Wien das Ding anders angreifen. Das alles unter uns, damit der gute alte Vater keine Sorgen nährt. — Der junge Wieland hat Kopf gerade genug; ich denke, er soll, so wie der Alte, mit mir zufrieden sein. Ich will seine Sachen drucken, habe ihm aber zur Bedingung ge­

macht, daß der Vater auf den Titel setzt: herausgegeben

von C. M. Wieland. Dadurch wird er gleich bekannt; und er kann nicht ehrenvoller in die Welt geführt werden, als durch seinen Vater.*)

Schicken Sie mir doch, wenn der Alte nicht selber dazu *) Ludwig Wielands Buch erschien bei Göschen 1803 unter dem Titel: „Erzählungen und Dialogen" von Ludwig Wie­ land, herausgegeben von C. M. Wieland. Weitere Bände seiner Schriften erschienen bei Heinrich Geßner in Zürich.

zu bewegen ist, einen Brief an Kotzebue, damit derselbe eine vorteilhafte Rezension macht. Ihre Sabina hat er auf eine Art angezeigt *), daß es mir leid tut, die Auflage so klein gemacht zu haben. Wenn es mit rechten Dingen zugeht, so müssen alle vornehmen Weiblein das Ding kaufen. — Es ist eine treffliche, allerliebste Arbeit. — Ihre Sabina macht auch noch in unsern Zeiten ihr Glück. Liebster Freund, lassen Sie alles in der Welt fahren und erbieten Sie sich, alle alten Weiber wieder gangbar zu machen, und Sie werden ein angebeteter Krösus. Ich will Ihnen Kundschaft, damit Sie doch auch auf klassischem Boden bleiben, in Ilm- und Pleißathen genug verschaffen. — Wahrscheinlich sende ich Ihnen, dem jetzigen Handwerksgebrauch gemäß, nächste Ostern eine Kiste Erfrischungen, komme dann gleich mit der Bitte, so höflich, so demütig und so zärtlich gestellt, als möglich, der Sabina noch eine Schwester oder ein neues Bein zu geben, welches bei dem starken Abgang, wozu es sich an­ läßt, die gute Frau notwendig gebrauchen wird ... Und am 18. Juli 1803 schrieb er:

... Der junge Wieland wollte mir den Schluß seines Werkes senden; das, was er davon mir hier gelassen hat, ist gedruckt, aber es fehlt noch das, wonach sich so viele Leserinnen sehnen: das Endchen. Ich schreibe dieses bloß, daß, wenn der gute Vater sich wundert, daß das Ding noch nicht fertig ist, Sie ihm darüber Aufschluß geben können. — Hat denn der göttliche Jüngling aus Wien noch nicht geschrieben? — Hat der Vater keine, Briefe? — Man sieht, der junge Mann hat noch nichts drucken lassen; denn er glaubt zwei Bände geschrieben zu haben, und das Ganze macht kaum 20 Bogen gedruckt, wie Du Baus Schrift?) ... *) Im „Freimüthigen" 1803, Stück 90. S. 359 f. 2) Auguste Du Baus in deutscher Sprache geschriebenes Buch: „Wie fand ich mein Vaterland wieder im Jahre 1802?" Bei G. I. Göschen, 1803.

War die Korrespondenz

Ende

des Jahres 1802

zwischen Böttiger und Göschen am

überaus

lebhaft gewesen — damals

folgte in wenigen Tagen Brief auf Brief — so trat im Laufe des Jahres 1803

sogar der Vielschreiber

eine Stockung ein;

Göschen wurde wortkarg in seinen seltenen Briefen. Bei Böttiger lag der Grund für seine Schweigsamkeit haupt­

sächlich darin, daß seine eigenen Angelegenheiten, namentlich die Sorge um die Zukunft, sein volles Interesse in Anspruch nahmen. Schon aus Andeutungen in ftüheren Briefen an Göschen haben

wir

ersehen,

daß

sich Böttiger

Weimar heraussehnte.

voll Geist

und Anregung,

dürfnis geworden, letzten Zeit hatte

aus den Schulverhältnissen in

Das sonstige Leben in Weimar, ein Leben

war ihm allerdings zu einem Be­

das er nur ungern missen mochte. sich

aber manches

Stellung dort recht ungemütlich machte.

ereignet,

In der

was ihm seine

Namentlich erlitten seine

Beziehungen zu Herder eine merkliche Trübung.

Herder befand

sich in den letzten Monaten vor seinem Tode in einer überaus

leicht erregbaren Gemütsstimmung, und

seine Frau



deren

Eifersucht auf jeden und alles, was das Ansehen ihres Gatten

irgendwie zu beeinträchtigen drohte, bekannt ist — trug wesentlich dazu bei, kleine Mißverständnisse über Gebühr aufzubauschen und

dadurch erhöhen.

die nervöse Reizbarkeit ihres

Wir

besitzen

kränkelnden Mannes zu

ihrer Hand

von

zahlreiche Briefe

an

Böttiger, in denen sie, wenn sie einen Wunsch oder ein kleines Anliegen hatte, sich vertrauensvoll und mit den einschmeichelndsten

Worten

an

den

„gefälligen

Oberkonsistorialrat"

wandte,

ihn

dringend und unter Versicherung der wärmsten Freundschaft zu häufigen Besuchen auffordernd, während sie ihn doch gegen andre

häufig genug herabzusetzen suchte. Böttigers Verhältnis zu Goethe war von Anfang an niemals ein herzliches gewesen.

Wohl bewegte sich der Verkehr zwischen

beiden Männern in den besten Formen, und Goethe hatte von

Böttigers

wissenschaftlichen

Kenntniffen

eine

hohe Meinung,*)

*) Am 16. Juli 1797 schreibt z. B. Goethe an Böttiger: „Die Griechen haben ein Sprichwort: Die Kraniche des Micus, dessen Bedeutung Ew. Wohlgeboren bekannt sein wird; nun soll aus diesem Stoffe eine Ballade gebildet werden, und wir wünschten zu diesem Behufe einige Nachricht, wo sich die Geschichte begeben,

aber von einer inneren Harmonie konnte nicht die Rede sein. Gegen Schiller und andere bedeutende Persönlichkeiten hatte sich Böttiger — wie schon erwähnt — in dem Bestreben, allen denen, die sich an ihn wandten, gefällig zu sein, manches Ver­ sehen zuschulden kommen lassen und sich dadurch, ohne daß von seiner Seite irgend eine böswillige Absicht vorgelegen hätte, Feinde und Widersacher in der kleinen Residenz geschaffen. Kurz, es war so vieles, was ihm seinen Wirkungskreis in Weimar mit der Zeit verleidete. Als Böttiger im Jahre 1798 den Posten in Kopenhagen ablehnte, tat er dies eigentlich in der Absicht, dauernd in Weimar zu bleiben. Jetzt war die Sache anders geworden, und eine Veränderung ihm ganz wünschenswert. Als nach dem Tode des preußischen Oberschulrates Gedicke ihm die Stellung eines Oberkonsistorialrates und Oberschulrates in Berlin mit einem Gehalt von 2000 Talern und der Aus­ sicht auf eine Anstellung an der preußischen Akademie der Wissen­ schaften durch den Minister von Maffow angeboten wurde, war Böttiger nicht abgeneigt, diesem Rufe zu folgen. Gleichzeitig hatten seine Freunde in Dresden, der Hausmarschall von Räcknitz und der Hofprediger Reinhard, die Aufmerksamkeit der maßgebenden Kreise auf Böttiger zu lenken gewußt, um diesen — womöglich als Leiter des dortigen Pageninstitutes — nach der sächsischen Hauptstadt zu ziehen. Sogar der damalige Kurfürst Friedrich August interessierte sich lebhaft für den Plan. Aber Böttiger, dem zu gleicher Zeit zwei so lockende Angebote gemacht wurden, war unentschlossen, für welche Stelle er sich entscheiden sollte; er schwankte lange zwischen Berlin und Dresden,

und ob von dem Manne selbst etwas Näheres als sein letztes Schicksal bekannt wäre? Wollen Ew. Wohlgeboren uns hierüber einigen Aufschluß geben, so würden Sie uns sehr verbinden, so wie wir wünschten, daß Sie -an einem von diesen Abenden die zwei Schillerschen, schon fertigen Balladen anhören möchten..." Und als Böttiger die gewünschte Auskunft umgehend erteilt hatte, antwortet Goethe dankend am 19. Juli 1797: „. . . Herr Hofrath Schiller, der gestern abgegangen ist, empfiehlt sich noch vielmals; ... Hierbei kommt mein Versuch über den Laokoon; vielleicht fällt Ihnen noch etwas zugunsten der aufgestellten Idee ein. Ich wünsche recht wohl zu leben." (Böttigers „Lite­ rarische Zustände und Zeitgenossen", 1838. Zweites Bändchen. S. 146.)

In Dresden bot man ihm nur einen Jahresgehalt von 1000 Talern und 200 Taler Wohnungszuschuß — also bedeutend

weniger als in Preußen — aber die Stellung war eine ungleich angenehmere, als die reichlicher dotierte und in vieler Beziehung ehrenvollere in Berlin. Nur lief er dort Gefahr, sich vor lauter Berufsgeschäften seinen literarischen Arbeiten nicht so widmen zu

können, wie er wünschte. In dieser Zeit der Unentschlossenheit und des reiflichen Über­ legens unternahm Böttiger wiederholt Reisen nach Berlin und Dresden, wobei er zu verschiedenen Malen Leipzig berührte, sich aber zu Gäschens Leidwesen nicht die Zeit nahm, die Fahrt zu unterbrechen, um den alten Geschäftsfreund zu besuchen. Einem

Briefe von Göschen an Böttiger vom 2. September 1803 ent­ nehmen wir: Wie haben Sie meine Hoffnung vereitelt! Ich empfange Ihren lieben Brief vom 18. August in Hohenstadt, wo

eben Du Bau gegenwärtig war. Du Bau läuft nach Leip­ zig, um Sie den 23. gegen 10 Uhr statt eines Billets

mündlich zu unterrichten.

Um 9 Uhr ist er vor dem Ran-

städter Tore, wo er erfährt, daß Sie um 8 Uhr schon durch­

passiert sind.

Nun hoffte ich, Sie bei Ihrer Rückkehr in

Leipzig zu sprechen, und hoffte auf Sie von einem Tage zum andern, bis Du Bau von Rochlitz erfährt, daß Sie

schon wieder durchgeflogen sind. — Du Baus Buch sollten Sie aus seinen Händen emp­ fangen, aber Sie flogen ja nur durch.

Der Himmel ver­

zeihe es Ihnen, wie wir unsern Zorn in freundschaftliche Akkorde aufgelöst haben.

Ist es Ihnen aber nicht recht,

daß wir kein Donnerwetter erregt haben, so befehlen Sie nur, und wir wollen gleich eins bestellen — bei Seumc,

der große Anlage zu dergleichen hat ... In demselben Jahre vollzog sich eine große Umwälzung in den literarischen Kreisen von Weimar: die Universität in Jena verlor viele ihrer bewährten Professoren. Die vorzüglichsten dieser Lehrkräfte suchte Preußen an sich zu ziehen. Die Friedrichs­ universität zu Halle durste in der Folge manchen Gelehrten,

dessen Name bisher der kleinen Universitätsstadt Jena Glanz verliehen hatte, den ihrigen nennen. Nur einige wenige blieben in Jena. Denn diejenigen, die man nicht für die preußischen Akademien zu gewinnen vermochte, folgten dem an sie ergangenen Rufe nach Bayern. In Jena war der Rückgang deutlich fühlbar. Göschen, für den alles, was den Weimarischen Staat betraf, großes Interesse hatte, nahm auch an diesen Veränderungen den lebhaftesten Anteil. Als aber verlautete, daß die bisher von Hofrat Schütz geleitete „Allgemeine Literatur-Zeitung" von dort weg und ebenfalls nach Halle verlegt werden sollte, schrieb er am 2. September 1803:

... Ich bin aus den Wolken gefallen, wie die LiteraturZeitung von Jena wegfällt. Welch ein Schlag für Jena! Paulus, Hufeland, Sober1), Schütz! Wer bleibt denn noch? Unser Griesbach, Marezoll und Schmid. Halle jubelt, und ich glaube, nicht mit Unrecht. Die Philister in Jena werden erbärmlich zurecht kommen. Gott sei der Stadt gnädig, deren Existenz von einer Universität abhängt ... Welche Bedeutung alle diese Vorgänge hatten, geht auch aus Goethes Notizen in den „Tag- und Jahresheften" hervor. „So wie schon einige Jahre", heißt es dort, „machte der Zustand von Jena uns auch diesmal gar manche Sorge." Als Goethe erfuhr, daß auch die „Allgemeine Literatur-Zeitung" nicht mehr in Jena, sondern in Halle erscheinen sollte, geriet er in große Aufregung und schrieb in sein Tagebuch: „Es ist nicht zu viel gesagt, diese stille Einleitung bedrohte die Akademie für den Augenblick mit völliger Auflösung." Als Goethe die Unmöglichkeit sah, die „Allgemeine LiteraturZeitung" für Jena zu erhalten, war er rasch entschlossen und gründete mit Unterstützung von Professor Eichstädt — der die redaktionellen Arbeiten mit übernahm — und mit Göschens Schwager, dem vermögenden Heun,2) in Jena eine neue Literatur-

x) Der Theologe Paulus und Gottlieb Huseland, der Jurist, gingen nach Würzburg; der bekannte Arzt Christoph Wilhelm Hufeland, war schon 1801 als Geheimer Rat nach Berlin ge­ zogen. Loder, der berühmte Anatom, folgte dem Ruf nach Halle. 2) Carl Heun, Henriette Göschens Bruder, geboren am 20. März 1771 zu Dobrilugk in der Niederlausitz, besuchte, nachdem

zeitung. Es war ein Unternehmen, das manche Mißbilligung und manches skeptische Kopfschütteln hervorrief, und es gehörte wirklich Goethes weitschauender Blick und eine eiserne Energie

dazu, um das angefangene Wagnis zu einem guten Ende zu führen. Aber am 1. Januar 1804 erschien, ungeachtet der großen Schwierigkeiten und der sich dem Unternehmen entgegenstellenden Hindernisse, in Jena die erste Nummer der neuen Zeitung*). Zu den vielen, die das Gelingen eines derartigen Planes für unmöglich hielten, gehörte auch Göschen. Ihn, den seit vielen Jahren eine innige Freundschaft mit Bertuch und Schütz verband, er­ füllte es mit lebhafter Sorge, daß sein Schwager Heun an diesem Unternehmen beteiligt war. Er schrieb, trotzdem ihm Heun in bezug auf die neue Leitung die beruhigendsten Versicherungen gegeben hatte, am 1. Oktober 1803 an Böttiger:

... Sie sehen, ich muß nun, wegen meines Schwagers Heun, ex officio, der Patentzeitung Glück wünschen. Aber alte Freundschaften rosten nicht, und ich hoffe, Schütz und Bertuch werden nichts verlieren. Klug genug ist ja Heun. — Ich fürchte, ich fürchte, daß bei so bewandten Umständen beiden Literatur-Zeitungen der Hals gebrochen wird. Denken Sie an mich! — Uebrigens seh' ich aus Goethens, Schillers, Vossens und Eichstädts Federn noch keine 365 Blätter herauskommen, und das ganze Ding will mir noch nicht recht in den Kopf. Denn wo Bertuch bleibt, da bleibt auch das Zutrauen der Mitarbeiter zu den Honorarien ... er in Gotha das Gymnasium absolviert hatte, in Leipzig und Göttingen die Universität. Heun war zuerst Privatsekretär bei dem preußischen Minister von Heinib, später Verwalter auf dem Gute seines Freundes Treskow und hernach Schriftsteller, be­ kannt unter dem Pseudonym: „H. Clauren." (Anagramm seines Namens: Carl Heun.) Zuletzt lebte er als Buchhändler in Dresden und war mit einer Tochter des russischen kaiserlichen Wirllichen Etatsrates v. Breitkopf verheiratet. Von Professor Eichstädt bekam er Ende 1803 die Einladung, der von Goethe mit dem 1. Januar 1804 ins Leben gerufenen „Jenaischen Litera­ tur-Zeitung" als finanzielle Stütze beizutreten. *) Vergl. L. Gerhardt, „Ein Zeitungskampf vor hundert Jahren", „Zeitschrift für Bücherfreunde" Sept. 1906.

Diese Spaltung

in Jena veranlaßte Göschen, den schon vor

Jahren ins Auge gefaßten — aber längst wieder aufgegebenen — Plan zur Gründung aufzunehmen.

einer neuen

eigenen Zeitung

abermals

Das inzwischen mehrfach abgeänderte Programm

zu einem solchen Journal legte er seinem Freunde Böttiger am 27. Oktober 1803 vor, als er diesem die erfreuliche Mitteilung machen konnte,

daß die erste Auflage der „Sabina" bald ver­

griffen sein würde:

... Nach der Ostermesse muß ich Ihre Sabina neu drucken. Also tun Sie dafür, was Sie glauben, das nötig ist. Wollen Sie einen zweiten Teil dazu geben? Ich zahle Ihnen für die 2te Auflage das Honorar der ersten noch einmal. —

Ich drucke, wie Sie wissen, Homeri Opera Wolfii in usum scholarum1). Schon ist die Ilias so weit fertig, daß sie auf Ostern erscheinen kann. Heyne läßt auch eine Edi­ tion in usum schob drucken, die aber immer 8 Taler kosten wird; die meinige höchstens 3 Taler. Nun laß ich aber durch Schnorrs eigene Hand die Flaxmanschen?) Umrisse kopieren, im Kleinen, für diejenigen Schüler, welche solche kaufen können und — wollen. — Die armen Teufel brauchen sie nicht zu nehmen, wenn sie nicht wollen. — Wollen Sie die Güte haben, mir dazu eine Erklärung lateinisch zu schreiben, sie müßte aber nicht weitläufig sein und nur wenige Bogen füllen; sonst würde sie für junge Leute zu teuer. Diesen Winter kann ich mir keine neuen Ausgaben machen, weil die vier Klassiker, der Homer, das Neue Testament schreckliches Papier erfordert und mich so zur x) Friedrich August Wolf genialer Altertumsforscher und Professor in Halle, stellte zuerst den Satz auf, daß die „Odyssee" und die „Ilias" nicht von Homer allein stammten, sondern das Werk mehrerer Zeitgenossen Homers seien. 2) John Flaxman, englischer Bildhauer und Zeichner (1755 bis 1826), der hauptsächlich durch seine Umrißzeichnungen (so zu Homer, Aeschylus, Dante) berühmt geworden ist.

Ader gelassen haben, daß ich bis Ostern nicht wieder zu Kräften kommen kann. — Die Frau Klopstock hat mir auch Krämpfe genug ge­ macht. Endlich bin ich mit ihr aufs Reine, und bin des herzlich froh.*) — Nun noch eine närrische Idee! Wir haben viele Zeitungen, eine fehlt noch, und die kann niemand schreiben, als Sie, und die muß gehen, und ich will sie verlegen. Sie müssen künftiges Jahr daran arbeiten, und 1805 muß sie erscheinen. — Es ist eine Zeitung aus der alten Welt für die neue elegante Welt. Versetzen Sie sich in das schönste Zeitalter der Griechen und Römer (Sie müßten also wohl zwei Zeit­ abschnitte in der Zeitung machen, weil die beiden Zeitalter nicht gleichzeitig sind) und nun erzählen Sie das Piquanteste aus der Geschichte, von den Sitten, von den Kunst­ werken, von der Literatur, als wenn Sie Augenzeuge wären. Anekdoten, Verse, Charakterschilderungen, kurz, welch ein Feld! — Das kann für Sie und mich eine Gold­ grube werden. Aber schweigen Sie gegen jedermann von dieser Idee. — Ich schlage monatlich ein Jntelligenzblatt vor, welches bloß der Satyre gewidmet wäre, nämlich der Geißelung der Neuen unter dem Vorwande der Alten. Wo fänden wir zu diesem den rechten Mann? Es ist dieses eine Idee von diesem Nachmittag. Sie ist roh, vielleicht unausführbar: — Sie werden ja sehen und mir sagen, was Sie davon halten. Es kocht so man­ cherlei davon in meinem Kopfe, daß ich, wenn ich Kennt*) Klopstock war am 14. März 1803 gestorben, und Göschen hatte sich mit der Witwe dahin verglichen, daß er ihr für die nach dem Jahre 1795 verfaßten Schriften noch weitere 500 Taler zahlte. Klopstocks Witwe war mit dieser Handlungsweise sehr zufrieden und schrieb an einen ihrer Freunde: „Göschen tut jetzt mehr als ich erwartete. Ich freue mich, daß ich in den Händen eines so rechtlich denkenden Mannes bin."

nisse besäße und schreiben könnte, ein Ding aus dieser Zeitung machen wollte, wie wir noch nicht gehabt haben: nützlich, schön, amüsant und einträglich. Gefällt Ihnen die Sache, haben Sie Mut dazu, begeistert Sie solche? so verleg' ich außer meinen Klassikern nichts mehr, gehe nach Grimma und lebe für die Zeitung und die Druckerei, und es soll so viel abwerfen, daß ich von beiden leben kann. Ich umarme Sie und bin ewig der Ihrige

Göschen.

N.S. Ich wollte, Sie schrieben die Zeitung allein, um Einheit im Plan zu erhalten; sonst wird es nicht schwer halten, Manso*), Wieland und Jacobs?) dafür zu ge­ winnen. Auch Schiller übernimmt gewiß Charakterschilde­ rungen. — Aber, wie gesagt: Am liebsten ist es, Sie arbeiten allein. Ganz so optimistisch, wie Göschen, vermochte Böttiger von der neuen Zeitung nicht zu denken. Er ermahnte seinen Freund, ja vorher alle Eventualitäten zu erwägen, ehe er eine derartig unsichere Sache ernstlich in Angriff nähme. Hierauf antwortete ihm Göschen am 14. November 1803:

... Wie das bewußte Kind aus meinem Gehirn zur Welt kam, fühlte ich gleich, daß es nicht eine vornehme Bagatelle wäre, sondern daß seine Erziehung und Aus­ stattung große Mühe, viele Kosten und viele Aufmerksam­ keit erfordern würden. — Kupfer, und zwar hübsche Kupfer, müßten dabei sein; das versteht sich. —

Unser Blatt ist bestimmt für alle Künstler, auch für Gelehrte, für die Denkenden, oder vielmehr für den großen ') Johann Kaspar Friedrich Man so (1760-1826), als Histo­ riker nicht unbedeutend, als Dichter wenigstens von seinen Zeit­ genossen hoch geschätzt, in den „Tenien" allzu hart verspottet. Christian Friedrich Wilhelm Jacobs, Philologe und Theo­ loge, ausgezeichneter humoristischer Schriftsteller, Mitherausgeber des „Neuen Attischen Museums". (1764—1847.)

Haufen der Leser, welche gern mitplaudern von Kunst, Kultur, Humanität. — Die Materialien müßten gewählt, die Behandlung gehaltvoll und angenehm sein. — Soll etwas aus der Sache werden, so müßten Sie das erste Vierteljahr allein machen; hernach übernehmen Sie die Redaktion und arbeiten nach Ihren Umständen. Glückt das Ding, so können Sie 1500 Taler gewinnen. Dafür läßt sich manches andre aufopfern, und Sie bleiben in Ihrem Elemente; glückt es nicht, so können Sie nichts ver­ lieren. Außer mit Ihnen, sonst mit niemand in der Welt, mag ich das Ding unternehmen ... Böttiger vermochte sich trotz aller verlockenden Vorstellungen Göschens für das Projekt nicht zu erwärmen, zumal seine eigenen

Angelegenheiten zu jener Zeit sein volles Interesse in Anspruch nahmen.

Am 22. November hatte Böttiger durch den Minister

von Massow eine offizielle Aufforderung erhalten, sich über die Annahme der Berliner Stelle bestimmt auszusprechen. Böttiger machte aber die Entscheidung von seinem nächsten Besuche in

Berlin zu Anfang Dezember abhängig, wo er nochmals mündlich und eingehend mit den maßgebenden Personen in der preußischen Hauptstadt zu verhandeln beabsichtigte.

Göschen hatte

davon gehört und schrieb, bevor Böttiger die

Reise antrat, am 8. Dezember nach Weimar:

Also soll es doch unter die Flügel des schwarzen Adlers gehen! Ich bin überzeugt, daß Sie allenthalben das Glück, wahre Freunde, Nahrung für Ihren Geist und das Be­ wußtsein, Gutes zu wirken, finden. Kommt dazu, daß Sie gerechte Belohnung Ihrer Verdienste finden, so wird Sie vieles trösten für manches, das Sie mit dem Umgang einiger der ersten Männer der Nation verlieren, die, wie es mir vorkommt, in Ihnen noch mehr verlieren, als Sie. Unserm Vater Wieland hätt ich Ihren Umgang wohl bis an seinen letzten Augenblick gegönnt! Wer meint es mit ihm so gut und wer weiß alles so gut zu tragen und zum Besten zu kehren, als Sie? Ich gestehe es Ihnen offenherzig, so sehr ich Sie in jeder andern Rücksicht liebe

und verehre; dieser Zug Ihres Charakters hat Ihnen mein ganzes Herz zu eigen gemacht. — Fliegen Sie mir hier nicht wieder so durch. Richten Sie sich so ein, daß ich mit Ihnen ein wenig wuchern kann. Bleiben Sie eine Nacht in meinem Hause, damit Du Bau, Schnorr, Rochlitz und Seume ein Abendmahl mit Ihnen bei mir halten können. Ich rechne darauf. — So möge denn die preußische Sonne unsern Böttiger zur Reife bringen! Sie brennt zwar sehr auf den Sand­ boden, aber edle Früchte bedürfen ihrer Strahlen. Wenn Adelungs) einmal seine Laufbahn verläßt, dann wird man wohl seine Augen zu Ihnen aufheben. — Ich möchte Sie noch bei meinen Lebzeiten unter den Säulen des Japanischen Palais 2) spazieren führen, mit heiteren Blicken gegen die heitere Ostraer Gegend ... *) Johann Christoph Adelung, bedeutender Sprachforscher, Verfasser des „Wörterbuchs der hochdeutschen Mundart". Er be­ kleidete bis zu seinem Tode (1806) die Stelle eines Oberbibliothe­ kars der „Öffentlichen Bibliothek" zu Dresdm. 2) Im „Japanischen Palais" zu Dresden befand sich (und befindet sich noch heute) die Kurfürstliche sächsische (jetzige König­ liche öffentliche) Bibliothek.

BG

11

1804. Völliger hatte sich nach

reiflicher Überlegung für Dresden

entschieden. In Berlin war man über diesen Entschluß, den man von verschiedenen Seiten als einen Wortbruch hinzustellen suchte, recht ungehalten. Aber die Vernünftigen und Unparteiischen mußten zugeben, daß dies das klügste war, was Völliger tun konnte. Denn in Berlin hätte er, wie einer seiner Freunde treffend bemerkte, „außer Tintenfäffern keine Vasen zu sehen bekommen." Friedrich Wilhelm III. sagte zu seinem Leibarzt Hufeland: „Es tut mir leid, daß ich Völliger nicht bekommen kann; indes muß man niemandes Überzeugung und Entschluß beschränken." Zu Ostern 1804 trat Völliger sein Amt als Studiendirektor am Dresdener Pageninstitute an, und die Korrespondenz mit Göschen erlitt durch seine Übersiedelung abermals eine Störung.

Auch Göschens Briefe waren damals kurz und ohne wesentlichen Inhalt. Erst am 25. Juni 1804 schrieb der in letzter Zeit zu tiefsinnigen Betrachtungen neigende Göschen einen langen sentimentalen Brief an Bötllger, nachdem er von diesem einen aus­ führlichen Bericht über die neue Tättgkeit erhalten hatte:

Sehen Sie zuweilen von der Dresdener Brücke zu den Sternen - — Ich denke diese Sterne mir immer als meine Freunde. Der da ist der — der da ist der — und so weiter — und über allen Sternen ist der, der uns alle gemacht hat! Ich sehe auch Sie auf meinen Bergen in dem Garten Gottes. — Man muß sich in dieser Welt, wo die Blume blüht und vergeht, so gut helfen, als man kann. — Gott sei Dank! Ich habe immer zu helfen ge­ wußt und werde es wissen, bis mein Atem sich verliert und dann ein Edler denkt: Sieh, bist du auch dort oben, Göschen? Der das sagt oder denkt, wird mich nicht in dem großen oder kleinen Bären suchen, auch, trotz ich mir

zu helfen gewußt, nicht im Fuchs. Denn, wird er sagen, er half sich nur, wenn er seine Gefühle, seine Gedanken und seine Zufriedenheit retten wollte. — Es ist hübsch, wenn man die Kleider abgetan hat, nicht mehr Pagen­ hofrat, Bücherwurm oder Dramendirektor ist, — wenn wir dastehen, scheinen durch unser eigenes Licht am blauen Himmel, niemand uns näher kommen darf, als er soll, niemand von uns weichen kann, den Gott in unsre Nähe gebracht hat.-------- Wozu das alles? werden Sie fragen. Zu nichts, Freund, als zum Beweise, daß mich der An­ fang Ihres Briefes in eine ungewöhnlich gute Stimmung versetzt hat. Jffland ist seit acht Tagen hier und geht heute Abend weg. Seine Jahre haben sich verjüngt, sein Geist ist reifer geworden. Munter, fröhlich in Gesellschaft, wie ich ihn noch nie gesehen habe. Auf dem Theater als Abbä de l'Epße, als Lorenz Stark usw. hat er meine gespannte Erwartung weit übertroffen. Mehr Wahrheit, mehr Fein­ heit kann kein Sterblicher zaubern. Ich hätte nicht ge­ glaubt, daß Jffland diese Stufe der Vollkommenheit je erreichen würde. Ich wette mit Ihnen, daß wenn eine Frau aus dem Plauenschen Grunde, ein Schüler Lessings und ein Dickkopf aus Fichtes Schule die Erzählung des Abbes im Taubstummen hören, alle sechs Augen glänzen, wenn nicht weinen müssen. — Freund, ich habe nie so schöne Stunden gehabt, als die mir Jffland gemacht hat, — versteht sich, in Gesellschaft und in dem Theater. Lieber Böttiger! ich bin begierig, was ich in vier Wochen von Ihnen hören werde; Gott gebe alles Gutes! Ich habe Vertrauen zum Verdienste und zu dem gesunden Urteil der Sachsen. — Lassen Sie es ruhig gehen, seien Sie nicht ängstlich, treiben Sie nichts: es kommt von selbst. Ich bitte Sie, gehen Sie ruhig Ihren Gang. — Das würde ich zu niemanden sagen, der liegt und schläft; aber zu einem Feuermann muß man es sagen. Gehen 11*

sollen Sie, aber ruhig muß man gehen auf diesen Steinen und in diesen Straßen ... Böttiger hatte — wie er auch Göschen gegenüber wiederholt andeutete — in der ersten Zeit seines Dresdener Aufenthaltes mit mancherlei Widerwärtigkeiten zu kämpfen. Aber den größten Verdruß bereitete es ihm, als er erfuhr, daß in den russischen Exemplaren seiner „Sabina" — und hauptsächlich in dem Exemplar für die Kaiserin Maria Feodorowna, der das Buch gewidmet war — auf unerklärliche Weise gerade das Blatt mit der Dedikation fehlte. Er schrieb deshalb sofort an Göschen und vermutete irgend eine Nachlässigkeit der Angestellten, oder einen

unglücklichen Zufall; an eine absichtliche Unterschlagung des Widmungsblattes vermochte er nicht zu glauben. Göschen er­ widerte hierauf:

... Das Rätsel mit Rußland weiß ich nicht zu erklären als folgendermaßen: 1) Entweder ist in der Buchhandlung, woraus die Exem­ plare nach Petersburg gesandt sind, durch Vorzeigen oder durch Ausschicken an die Liebhaber das einzelne Blatt herausgerissen, (dieses Ausschicken ist vornehmlich in Ham­ burg Mode) oder 2) in der Druckerei ist beim Trubel der Meßarbeit aus Versehen die Dedikation in die Exemplare nicht ein­ gelegt worden. In den übrigen Exemplaren, die mir vor Augen gekommen sind, habe ich die Dedikation gefunden. Eine solche Pinselei, die Dedikation nur in einige Exem­ plare mit hineinzulegen, und mit Fleiß sie aus andern Exem­ plaren wegzulassen, läßt sich gar nicht denken. Man sieht aber, was für Unfug aus einzelnen Blättern entstehen kann. Mir tut das Ereignis leid, sehr leid; aber man hätte einen Zufall, der so leicht möglich ist, nicht gleich be­ nutzen sollen zu Ihrem Nachteil. Das ist ungroßmütig! — Ich sehe eben ein Exemplar, das in der Messe zurück­ gekommenist, und bei meiner Ehre! ich finde die Dedikation darin! Warum sollte nun gerade in allen Petersburger Ex. die Dedikation gefehlt haben? Ich begreife es nicht! ...

Böttiger konnte sich nicht lange der Überzeugung verschließen,

daß es sich hier um eine Intrige gegen seine Person handelte.

Wie und von wem dieser Streich gegen ihn geführt worden ist, konnte freilich nicht mit Sicherheit festgestellt werden, aber jene Kreise in Weimar, die ihm schon lange nicht mehr wohlgesinnt waren, dürften die Hand dabei im Spiele gehabt haben. Die russische Kaiserin hatte indessen trotzdem von Böttigers Absicht, ihr das Buch zu widmen, erfahren und dem Verfasser ihre Er­ kenntlichkeit durch Übersendung eines kostbaren Ringes beweisen lassen.*). Böttigers „Sabina" fand übrigens lebhaften Absatz und ver­ anlaßte Göschen zu der Bemerkung:

... Jedermann macht dumme Streiche; ich beging den dummen Streich, eine zu kleine Auflage zu machen; denn ich drucke wegen der kleinen Auflage jetzt eine 2te Auf­ lage. — Hätte ich gleich eine große Auflage gemacht, so hätte ich ein großes Honorar gegeben, und Böttiger und mir wäre die Mühe erspart, das zweite Honorar zu zählen, weil ich dann noch reichlich versehen wäre. — Bekommen die Weiberchen, die Männer, der Verleger und die Welt den zweiten Teil noch zur Ostermesse? ... In der folgenden Zeit war Böttiger wiederholt von Krankheitsanfällen heimgesucht worden, ebenso Göschen. Denn dieser

schrieb am 26. August 1804:

Ich habe mich, mein teuerster Freund, sechs Wochen lang auf die faule Bärenhaut gelegt und habe nichts ge­ tan, als Egerwasser getrunken, mich aufs Pferd gesetzt und ir.tr das Reiten wieder lehren lassen. Das war *) Emem Briefe der Hofdame Fräulein von Göchhausen an Böttigei vom 13. Dezember 1804 entnehmen wir eine Stelle, die etwas Licht in die mysteriöse Angelegenheit bringt. „Das Ge­ schenk der Kaiserin haben Sie gewiß nur der Kaiserin zu danken, W. hat nichts dagegen getan. Die Kaiserin hat zuerst nach Ihrem Buch gefragt, und dann ist W. S. (Wilhelm Schle­ gel?) hnvorgekommen und hat getan, was recht war. — Der Herder« ihr Betragen ist mir unerklärlich, aber zugleich — sie selbst schadet sich."

nötig und das hat mir wieder wohl getan, so daß ich nun den Winter werde überstehen können. Meine erste eigentliche Beschäftigung ist eine angenehme: ich schreibe an Sie. — Sie sind krank gewesen, liebster Freund, haben Schmerzen gelitten? Sie sind doch wieder wohl? Sie leiden immer am Fuß, ich immer an den Zähnen. Diese Zahnschmerzen brachten mich zum Egerbrunnen und aufs Pferd. — Am Ende müssen Sie auch noch ein wenig traben und galoppieren, wenn Sie die Gicht aus dem Körper heraus haben wollen. — Eben kommt Du Bau von Ihnen bei mir an mit Grüßen und mit der freudigen Nachricht, daß Sie und Ihre Familie sich wohl befinden, und daß Sie sich in Dresden wohl befinden, worüber ich herzliche Freude habe. — Der Engländer *) hat sanguinische Erwartungen von seiner Insel — ich rechne nicht auf 70 Ex. von dem neuen Testament für England: 30 sind dahin gesandt. Statt 500 habe ich 250 Ex. gedruckt, und ich weiß, daß ich daran genug habe. Vom Homer drucke ich nur 150 Ex. Bei 150 Ex. habe ich Gewinn, drucke ich 500, so habe ich Verlust. Ich habe mit mehreren gescheuten Franzosen gesprochen, und alle stimmen darin überein: für Frankreich könne man überhaupt nur auf 12 Ex. von einem Prachtwerk rechnen; die Franzosen machen ihre eigenen Prachtwerke für das Ausland: Deutschland, Frankreich, England, Ruß­ land usw. Martyni-Laguna muß erst die Ausgabe der Suite und die Noten liefern, bevor ich seinen großen Kommentar anfange. Er will mir immer mit diesem Kommentar auf den Hals, aber ich will nicht eher, bis er sein erstes En­ gagement erfüllt hat. Uebrigens muß ich immer mit diesem *) Hüttner.

braven Mann, der gar keinen Begriff von Geschäft hat, kämpfen, und ich bin des Dinges oft herzlich überdrüssig. Ich bewundere zuweilen meine Geduld. — Mit Herrn Hofrat Eichstädt habe ich auch ernsthafte Worte gesprochen. Der gute Mann hat die Absicht, sich eine gewisse jährliche Revenue durch die Klassiker zu er­ werben und nichts dafür zu tun, als einige Briefe zu schreiben. — Ich könnte Ihnen Riese Papier über diese Dinge vollschreiben; aber ich habe nicht die Zeit. Wir müssen mündlich einmal darüber plaudern. — Was macht unsre Zeitung aus der alten Welt? Ungern gäbe ich die Idee auf, da ich für die Zukunft schlechter­ dings etwas haben muß, das mehrere Jahre vorhält, und wodurch ich immer etwas dem Publikum sagen kann. — Wenn Ihnen Ihre Pagen den Kopf nicht warm machen, so denken Sie doch einmal an den Plan und vergessen dabei nicht, daß alle meine Erscheinungen über die alte Lite­ ratur darin auf eine schickliche Weise rezensiert werden können. — Nur muß die Wissenschaft Umfang oder viel­ mehr Allgemeinheit genug haben, um dem Journale Ab­ gang zu verschaffen. — Ich habe, wie Sie, mein teuerster Freund, wissen, seit Jahr und Tag lauter Unternehmungen, die Anstrengung erfordern und keinen Segen bringen. Alles das Grie­ chische und Lateinische hat Blei an den Füßen. Ich muh davon ein wenig ausruhen, d. h., vor der Hand bei neuen Entreprisen mehr auf Abgang als Ehre sehen, bis ich wieder neue Kräfte habe. In dieser Lage der Sache möchte sich Adelungs Werk*) nicht schicken. Es ist für Gelehrte. Welcher Gelehrte hat jetzt Geld? Bei der Teuerung und den Gehalten, bei der jetzigen Lage Ni^ersachsens, (unsere *) „Älteste Geschichte der Deutschen, ihrer Sprache und Litera­ tur bis zur Völkerwanderung." Bon Joh. Christoph Adelung, erschien 1806 bei Göschen.

einzige Zuflucht, da die Rheingegenden zerstört wor­ den sind) darf man auf gelehrte Werke nichts rechnen. — Ich fürchte, die 2te Auflage der Sabina darf nicht länger

verschoben werden. — Sie glauben nicht, wie nachteilig es einem Buche dieser Art ist, wenn es fehlt.

Die Buch­

macher spekulieren gleich, es zu benutzen, und dem Publi­ kum kommt es aus der Erinnerung. —

Die Buchhändlermesse ist so elend, als sie nie war. In Oesterreich werden alle Werke des Geistes neu zensiert und

verboten; außerdem verbietet der Kurs der Banknoten

schon den Vertrieb der ausländischen Bücher in den kaiser­ lichen Staaten. — Es ist in der Tat schwer, ein Geschäfts­ mann zu sein, und den Leuten, die den Beutel ziehen, Ver­ dienst zu geben, damit sie nur das teuere Brot kaufen können. Auch die Kaufleute klagen sehr über die Messe. Und doch habe ich noch nie so viele russische Wagen und so viele hebräische Wagen aus Polen gesehen. Das ist alles den Franzosen und Engländern zugute gekommen. — Die Sächsische Fabrik wird endlich durch Franzosen und

Engländer total ruiniert, da sie mit jenen keine Preise halten können wird. Doch ich verstehe davon nichts und raisonnire doch darüber! — Als Landwirt kann ich Ihnen doch sagen, daß in unsern Gegenden ein Scheffel Aus­ saat nur zwei Scheffel Ernte gegeben hat. Das kann

freilich Teuerung machen! zumal es in Thüringen und an der Preußischen Grenze ebenso ergangen ist. Empfehlen Sie mich allen den Ihrigen und bleiben Sie gut Ihrem Freund und Verehrer

Göschen.

Böttiger hatte erfahren, daß Göschen mit dem Drucke eines Terenz beschäftigt war, der zu Ostern 1805 erscheinen sollte. Diese Nachricht führte zu einem kleinen Mißverständnis. Böttiger, der den Terenz für die lateinische Klassikerausgabe bearbeiten sollte, glaubte, Göschen habe den Terenz noch in letzter Stunde einem andern Schriftsteller übertragen.

Hierauf schrieb Göschen aus Hohenstadt am 4. September 1804: ... Der Terenz, mein lieber Freund, ist der Ihnen

wohlbekannte Terenz des Herrn von Einsiedel

in deut­

scher Mundart. Ich werde doch keinen lateinischen Terenz

von jemand anders drucken als von Ihnen? — Sie müßten denn den Terenz den Pagen opfern. Da sei

Gott vor! denn die Welt sieht auf Ihre Hände — alle

Welt hofft auf Ihren Terenz, wie Götz von Berlichingen bei den Knospen in Jaxthausen auf ein gutes Schicksal für seine Gattin. — Martyni-Lagunas Bogen sende ich Ihnen hierbei. Ob dieser Mensch für die Wissenschaft verloren gehen soll, ob die Fortsetzung seiner Briefe?) je erscheinen wird, das hängt von seiner Versorgung ab. Tun Sie, was Sie nur

immer können.

Denken Sie sichs!

Er schließt mit mir

für die Epist. ad familiäres einen Akkord. Ich soll ihm 1000 (Tausend) Taler für den Text, ich soll ihm 200 Taler für jeden der zwei Bogen Noten geben. Ich be­

willige es, als für ein Paradepferd; denn verdienen kann

ich bei dieser Summe nimmermehr. — Jetzt, da der erste Band fertig ist, schreibt er: „Ich war ein Tor, daß ich

diesen Akkord einging; ich kann nicht dabei bestehen; ich habe so viele Hilfsmittel angeschafft, noch neulich um des Cicero willen einen Zugochsen verkauft; ich habe um eines einzigen Briefes willen alle Hauptschriften der franzö­ sischen Revolution gelesen usw., das Resultat ist: Ich

muß statt 1000 — Zwei Tausend Taler für den Text

haben, oder ich gehe bei dem Cicero zugrunde." — Was ich darauf geantwortet habe, läßt sich denken.

So

stehen die Sachen. Ich kann 2400 Taler für die Epist. Cic. *) Dec aus dem Goethekreise bekannte Kammerherr E. H. von Einsiedel in Weimar, übersetzte für Göschens Verlag mehrere Lustspiele des Terenz. „Die Brüder" waren 1802 er­ schienen. *) des Cicero.

nicht geben. Martyni-Laguna kann nicht leben und seine Zeit dem Cicero widmen, wenn er sie nicht erhält, folg­ lich — das Werk bleibt liegen. — Kein Buchhändler kann diesen Mann bezahlen. Er muß ein Amt habm, oder er ist für die Welt verloren.

Ich wollte, ich könnte Martyni-Laguna beklagen. Aber dieser Mensch mag anfangen, was er will, und andre mögen für ihn tun, was sie wollen, er wird immer ein kläglicher Mensch bleiben. Gewissen Leuten ist nicht zu helfen. Doch das soll nie über meine Lippen gehen; da­ mit das Wort ihnt nicht schade. Es tut mir auch leid um die Sabina! Ich habe bemerkt, ein Buch, das sich Ruhm und Liebe erworben hat, darf nicht lange fehlen. Die Deutschen verlieren so leicht etwas aus dem geneigten Andenken, und die Buchhändler fertigen die Liebhaber mit den Worten ab: es ist nicht zu haben.

Sollte die neue Ausgabe länger Anstand haben müssen als Michaelis*), so bestimmen Sie sich doch dahin, daß Sie die Fortsetzung zugleich mit der Neu-Ausgabe des ersten Bandes geben. Ueberlegen Sie es doch! Du Bau und Seume saßen eben bei mir in der Laube, als ich Ihren Brief hier in Hohenstädt erhielt. Tausend herzliche Grüße von ihnen.

Es ruft die Hausfrau zu Tische. — Und so wäre denn unser Stündlein gekommen. Immerdar von ganzer Seele

der Ihrige Göschen. In den ersten Tagen des Dezember war Göschen in Weimar gewesen, das zu jener Zeit ganz unter dem Eindruck der Fest­

lichkeiten stand, die anläßlich des Einzuges der jungen ErbPrinzessin veranstaltet wurden.

Er hatte dort Rücksprache mit

Wieland wegen dessen Schriften genommen und auch wegen der

*) Die 2. Auslage der „Sabina" erschien in zwei Teilen und mit 3 Kupfern im Jahre 1806.

eventuellen Gründung einer neuen Zeitschrift mit ihm unter­ handelt. Über diesen Ausflug berichtet er am 5. Dezember 1804: ... Ich habe mich sehr über den alten Vater gefreut.

Er war wie sonst und heiter und herzlich. —

Wollen Sie etwas von dem Engel wissen, der jenem Lande erschienen ist1),2 so fragen Sie Wieland, Schillern, und wenn Sie keine Poeten hören wollen, so fragen Sie den ehrwürdigen Griesbach. — Alle sind bezaubert. — Eine schöne Erziehung hat weder die hohe Würde noch die

Natur oder vielmehr Humanität verdorben. — In einent halben Jahre ist gewiß alle Steifheit vom Hofe entfernt, und die höchste Würde dem ohngeachtet geblieben, wenn

man die Dame nicht bearbeitet; doch 100000 Rubel alle Jahre ist eine Metallmasse, die in sich hart ist, und ihre Besitzerin scheint rein wie Gold und fest zu sein ... Da sich Böttiger für das von Göschen angeregte Projekt einer „Bettung aus der alten Welt" durchaus nicht zu erwärmen ver­ mochte,^) gründete Göschen — diesmal aber, ohne vorher Böttigers Meinung einzuholen — das unter Wielands, Schillers, Seumes und Rochlitz' Namen herausgegebene, aber von Friedrich Rochlitz allein redigierte „Journal für deutsche Frauen". Die Mit­ arbeiter sollten fast ausnahmslos dem weiblichen Geschlechte an­ gehören?). Göschen hatte sich bei seiner letzten Anwesenheit in Weimar dieserhalb auch an Fräulein von Göchhausen gewandt,

1) Maria Paulowna, Großfürstin von Rußland, die junge Gemahlin des Erbprinzen von Sachsen-Weimar. 2) Böttiger wies Göschens Projekt nicht vollständig von der Hand, denn seiner — allerdings bedeutend später herausgegebe­ nen — „Amalthea, oder Museum der Kunstmythologie und bild­ lichen Alterthumskunde" legte er zum Teil Göschens Idee zugrunde. Der erste Band dieses Werkes erschien 1820, die fol­ genden 2 Bände 1822 und 1825. In Breslau erschien 1828 eine Fortsetzung der „Amalthea" unter dem Titel: „Archäologie und Kunst." ’) Aus Seumes Brief an Auguste Du Bau vom 8. Februar 1806 erfahren wir: „Mein Name steht auch mit vor einer Zeit­ schrift, weil der Gedanke dazu aus meinem Hirnkasten kam; übrigens tue ich nichts dabei. Das ist das Frauenjournal, von welchem Ihnen Göschen vielleicht geschrieben hat . . ."

wie wir aus einem ihrer Briefe an Böttiger erfahren. Die geistreiche, witzige Hofdame der Herzogin-Witwe Amalia schrieb am 14. November 1804: „Göschen war hier; er will eine Zeit­

schrift herausgeben, woran lauter Damen und keine rohen Männer­ hände Anteil nehmen sollen. Er hat auch bei mir geworben, aber: „Wächst mir ein Saatfeld in der leeren Hand?" — „Meine gute Fürstin sagt Ihnen die freundschaftlichsten Grüße; wie oft sagen wir uns: Ach wenn jetzt Böttiger hier wäre; ach wären Sie doch hier; gewiß es wäre Ihnen wohl!" Mit dem Jahre 1805 sollte der „Amazonenzug" beginnen. Gleichzeitig druckte Göschen fleißig an den Klassikern, von welchen er beabsichtigte, zur Ostermesse wieder einige Bände auf den Markt zu bringen. Die Fortsetzung seines Briefes vom 5. Dezember lautet:

... Das erste Bataillon meines Feldzuges auf die Leser­ welt ist ausgerüstet. Im Anfang des Jänners marschiert es aus. Sie werden da sehr überrascht werden über meine schmucken Leute, über ihre Waffen und über ihre Feld­ herren. — Sollte dieses Heer sterben müssen, und nicht gleich auf der Stelle der erste Zug seine Wirkung tun, so finden Sie mich in der Ostermesse beschäftigt, den Buch­ handel an den Nagel zu hängen. — Die Klassiker hätten mich beinahe eingewiegt. Nein, so weit darf es nicht kommen. Ich werde den Herren Cotta, Bertuch usw. zeigen, daß ich auch noch da bin und mit Gottes Hilfe verdienen will. — Wäre das so fortgegangen, die verdammten Klassiker hätten mich auf die Hefen gebracht in kurzer Zeit... Und am 26. Dezember 1804 schreibt er:

Der zweite Feiertag hat mich von den Plagen, welche mir meine Weiber-Liebhaberei zugezogen hat, ein wenig befreit, und so sei denn diese Viertelstunde meinem lieben Böttiger gewidmet. Ich wollte Sie mit dem ersten Stück des Journals überraschen; aber Ihnen mag jemand etwas verheimlichen! So sollen Sie doch der erste von allen Sterblichen sein, der die fertigen Bogen zu lesen bekommt. — Schreiben Sie mir, — aber daß Sie mir nicht die

Feder in Honig tauchen! — Ihre wahre Meinung über diese Lieferung. — Nun kann die Werbung losgehen. Ich werde Ihnen vom ersten Stück einige Exemplare als Probe senden, die Sie austeilen können in weiblichen Zirkeln. — Bitten Sie die Frau von Räcknitz, daß sie es ihren Bekannten empfiehlt zu kaufen; denn wir brauchen auch Käufer und nicht bloß Schriftstellerinnen. Von meiner Bekanntschaft, von mir überarbeitet und von Rochlitz gewaschen, sind Gustav^), oder vielmehr mein eigener Sohn Georg. Es ist durchaus wahr, und die Sachen sind von meiner Frau: Putz und Mode?), die Alpenreise?). — Von nun an aber kommt kein Buchstabe mehr hinein, woran ich Teil hätte. Meine Frau konnte ich nur dadurch bewegen, einmal etwas aufzusetzen, daß ich versprach, es selbst zu überarbeiten; und die beiden andern Weiber wollten es eben so. Da der Anfang gemacht werden mußte, gab ich mich dazu her. Jetzt ist schon Vorrat genug. Von weiblicher Hand das zweite Stücks. — Ihnen gestehe ich offen, daß mir bei der teils schwer­ fälligen, teils platten, teils geschraubten Schreibart unserer Schriftsteller der Gedanke gekommen ist: das Heil der Leichtigkeit und Natur muß von den Weibern kommen. Dieses hat mir den Unfall zu diesem Journal gegeben. — Der Rochlitz ist ein trefflicher Mensch: die Grazien sind ihm hold. — Das ist genug. Ewig der Ihrige Göschen. *) „Der trotzige Gustav", ein Erziehungsbericht von ***. I. Stück S. 5 ff. 2) „Mode und Putz". Erster Dialog zwischen mir und meinem Mann. I. Stück, S. Ulfs. 3) „Reise ins Appenzeller Land", von Julie. I. Stück, S. 92 ff. •) Das erste Heft enthielt außerdem aus Göschens Feder: „Der VIII. Februar MDCCXXVI", ein „Jdyllion" über den Tod von Christian Felix Weiße. Dieser war am 16. Dezember 1804 gestorben.

1805. Göschen hatte das Januar-Stück des „Journals für deutsche Frauen" sofort nach dem Erscheinen an Böttiger gesandt, und dieser hatte sich darüber sehr lobend ausgesprochen. Göschen er­ widerte hierauf am 7. Januar 1805:

Der Beifall, den Sie unserm ersten Amazonenzug schenken, ist eine große Ermunterung für uns; mit des Himmels Hilfe sollen Sie nicht Ursache haben, ihn zurück­ zunehmen bei den folgenden Stücken. Die Übersendung der zweiten Nummer begleitete Göschen mit den Worten:

Ich habe, mein unermüdeter Freund, allenthalben Ihre Hand gesehen und Ihre Worte gehört, wo Sie zum Besten meines weiblichen Unternehmens gewirkt haben. Die zwei Sylben: es geht werden Ihnen dafür mehr Freude machen als Tausend Worte. Die Abendzeitung*) hat eine närrische Anzeige gemacht. Das Lob kam aus der Tinte, wobei, wie bekannt, etwas Vitriolsäure ist. Dagegen hat sich die Elegante?) recht sehr hübsch und der Freimütige?) sehr galant und brav benommen. Nun, die Herren sollen in der Folge Ehre davon haben; unser März wird bekannt werden. — Kurz, ich bin zufrieden, und die Welt wird es x) Die Dresdener „Abendzeitung", 1805 von F. Samt heraus­ gegeben, erschien in Dresden in der Arnoldischen Buchhandlung. 2) „Zeitung für die elegante Welt", herausgegeben vonA.Mahlmann. 1805, Nr. 10, S. 73 ff. ’) „Der Freimüthige und Ernst und Scherz", herausgegeben von Garlieh Merkel. In Nr. 14, S. 53 f. sagt Merkel am Schlüsse seiner Rezension: „Angesügt ist eine kleine Dichtung des Verlegers auf den Tod des unsterblichen Weiße. Sie erklärt, woher es kommt, daß man den Namm des Verfassers fast nur auf Verlagsartikeln von gediegenem Werte findet: er selbst ist ein Mann von sehr gebildetem Geiste."

werden, wenn sie es nicht schon ist.*) — Ach, wenn Sie doch die edle Frau von Räcknitz dahin bewegen könnten, uns etwas zu geben. — Ich bitte Sie herzlich darum. Sagen Sie mir, was und wie ich es tue, wenn von meiner Seite etwas dabei nötig ist. — Seume hat eine Reise nach Petersburg beschlossen, und was er beschließt, da kann ihn niemand abbringen. Im März geht er gewiß ab. Sollte daraus nicht noch einmal ein russischer General werden! — Eichstädt möchte gern die Kuh melken, ohne etwas für sie zu tun. Ich habe ihn merken lassen, daß das nicht gehe, oder vielmehr deutsch gesagt, daß das keine Wirt­ schaft sei. Wie so etwas ausgenommen wird, wissen Sie wohl. Er hat jetzt mit der Literatur-Zeitung genug zu tun. Da mein Schwager Heun abgegangen ist,8) wird der Er­ trag wohl allein ihm bleiben. Es ist ihm das zu gönnen, denn er arbeitet da wirklich. — Nun, hier haben Sie die zweite Schüssel. Wohl be­ komm' sie Ihnen. Sparen Sie aber noch ein wenig Appetit für den März; denn da gibt es schöne Bissen. Also, das Fräulein von Winckel8) soll gnädig sein und die Zeichnung brav senden. Ich umarme Sie usw. *) Im Jntelligenzblatt der „Neuen Leipziger Literaturzeitung" vom Jahre 1805 erschien im 2. Stück, S. 29 f. ebenfalls eine günstige Besprechung des neuen Journals. 2) Als Heun im Frühjahr 1804 eine längere Reise nach St. Petersburg unternommen hatte, die sich allerdings bis zum September ausdehnte und zum größten Teile eigenen Interessen galt, wurde ihm bei der Rückkehr eröffnet, daß durch seine lange Abwesenheit mancherlei unliebsame Differenzen entstanden seien. Bald darauf wurde Heuns Verhältnis zur Jenaischen LiteraturZeitung überhaupt aufgelöst. Fast scheint es, daß die Leiter, als sie die neue Zeitung einen so gesicherten Fortgang nehmen sahen, der finanziellen Hilfe Heuns nicht mehr zu bedürfen glaubten. 3) Therese aus dem Winckel, beliebte Harfenvirtuosin und Malerin, bekannt durch ihren Briefwechsel mit dem Herzog

Böttigers Lob über das Februar-Stück war so schmeichelhaft ausgefallen, daß Göschen sich veranlaßt fühlte, darauf zu erwidern:

Sie, gottloser Hofrat, machen Sie mir die Weiber nicht

toll! Mögen alle, die zu spinnen Geschick haben, spinnen, die aber nicht so viel Geschick haben und schreiben, mögen, da sie doch einmal schreiben müssen, etwas gescheutes Ich will schon eine tüchtige Amazonin über Euch Spötter schicken, die Euch den Kopf wäscht,

fürs Journal schreiben.

daß Ihr daran denken sollt. —

So gut & sich in der Ferne tun läßt, will ich das Frl. a. d. Winckel liebkosen.

Rochlitz, der galante Junggeselle,

wird mir ja wohl sagen, wie ich das am besten angreifen muß. **) Die Frau von Räcknitz lassen Sie mir nicht locker.

Glauben Sie ja nicht, Seume habe eine Absicht bei seiner Reise. Das ärgert mich eben, daß der Mensch so sorgenlos in die Welt hineinspaziert.

Ich meine, sorgen­

los wegen der zukünftigen Tage seines Lebens. Er geht, um zu gehen: oder um etwas zu vergehen. Ergehen wird

er nichts. — Indem ich dies schreibe, kommt Freund Bär herein. Ich lese ihm vor, was ich über ihn geschrieben habe. Es ist alles recht gut, war seine Antwort, und es

muß alles so sein wie es ist.-------Mit herzlicher Liebe

Ihr

Göschen.

Böttigers Interesse an dem neuen Journal steigerte sich nach dem Empfange des Februarheftes derart, daß er den Berleger bat, ihm doch die Verfasserinnen der einzelnen Aufsätze namhaft zu machen. Aber Göschen, durch Ehrenwort gebunden, mußte seinem Freunde diesen Wunsch versagen. In einem längeren Briefe vom 15. Februar 1805 schrieb er: August von Sachsen-Gotha und Altenburg. Herausg. von Wolf von Metzsch-Schildbach, Berlin, 1893. *) Rochlitz interessierte sich vor seiner Verheiratung mit Hen­ riette Winkler (1810) lebhaft sür Therese aus dem Winckel.

Mein teurer und verehrungswürdiger Freund!

Glauben müssen Sie, ohne Glauben wird man nicht selig. Die Mitarbeiterinnen des Journals müssen heilig verschwiegen bleiben. Alle machen es zur Bedingung. Der Patenbrief ist von einem trefflichen Mädchen, der Ball?), kann ich Ihnen im Vertrauen verraten, ist von meiner Schwägerin Heinsius; aber selbst ihr Mann weiß es nicht, und sie will nicht als Schriftstellerin bekannt werden. Wir haben in der trefflichen Tochter eines Preußischen Generals5) eine treffliche Schriftstellerin ge­ wonnen, aber wir bekommen keine Zeile von ihr, wenn wir sie verraten. Gestern erhielten wir einen Aufsatz von einem Mädchen im Gebirge, worin Rochlitz auch nicht eine Sylbe zu ändern weiß, und den Mad. de Staöl geschrieben zu haben sich nicht schämen würde. Ach, es ist etwas Köst­ liches. Das ist ein Aufsatz, der nicht geschrieben ist, um gedruckt zu werden, er ist so aus der Seele gegangen, wie Rousseau seine erste Schrift. Ich habe es wohl gedacht, daß gerade die Weiber, welche keine Schriftstellerinnen von Profession sind, das Beste liefern würden. Wie wer­ den Sie erst die Augen beim März auftun! Darin ist ein Aufsatz von einer Bremerin über die alte Lebensweise4* )2 3 und noch Vorzügliches: ein Aufsatz, wie man Kunstwerke genießen sott.5) Das sind wahre Perlen. Jenes Mäd­ chen, die den Patenbrief geschrieben hat, überläßt uns alles, was sie gemacht hat; und damit könnten wir bei*) „An meinen Pathen Franz Emanuel", von K—g. Heft II, S. 21 ff. 2) „Der große Ball in einer kleinen Stadt". Heft II, S. 60 ff. 3) Charlotte von Courbiöres (1767—1813), die in Emden von Seume Unterricht in der englischen Sprache erhalten hatte und im Frühjahr 1801 mit ihrem dritten Gatten — einem Herrn v. Liesingen — in die Nähe von Leipzig gezogen war. 4) „Die alte Lebensweise. Mein Großvater und mein Onkel in der freien Reichsstadt Bremen". Heft III, S. 64 ff. ®) „Wie soll man Gemälde betrachten?" Heft III, S. Iss. BG 12

nahe einen Jahrgang füllen. Jetzt ist sie Braut und nun will sie nichts mehr schreiben. Ein Glück ist es, daß jene Gebirgerin in unsrer Nähe ist und uns immer in der Not unterstützen kann. Sie ist nicht nur eine gute Stilistin, sie hat auch gründliche Kenntnisse. Dieser kann man manchen Gegenstand zur Ausführung auftragen. Kurz, die Sache geht nicht nur, sie geht auch mit Ehren. Jetzt frag ich Sie bald, welche Nation kann etwas Ähnliches aufweisen? Welche hat ein Journal von gebildeten Weibern liefern können?

Zu dem Aufsatz im März war nötig, die Verklärung von Raphael zu geben, weil die Verfasserin sich immer auf dieses Bild bezieht. Schnorr radiert die Umrisse, und Schnorr, und kein anderer, kann das Bild des Fräul. a. d. Winckel radieren. Unglücklicherweise kann nun Schnorr für das Märzstück nicht mit beiden fertig werden, und der Aufsatz und das Bild der Helligen Hexe Therese kommt erst im April.*) Schnorr kann dieses Bild nur machen: denn erstlich hat er das Original viele Tage lang gesehen und studiert, als es in Leipzig war, und ist ganz damit vertraut, und zweitens weiß Schnorr die auffallenden Fehler der Therese zu verbessern. Dieses bleibt unter uns. Die Köpfe und der obere Teil der Figuren sind gut, aber die Beine, Füße, Arme, Hände sind der Therese aus Mangel an Anatomie gänzlich verunglückt. Wir sind es dem Mädchen schuldig, solches verbessern zu lassen. In der ganzen Größe das Bild zu geben, ist doch nicht gut getan, es müßte vielmal gebrochen und zerkniddert werden, und bei dieser Größe fällt jede Kleinigkeit, jeder verfehlte Muskel usw. gar zu sehr in die Augen. Das ist die Hauptsache, warum es bis zur Hälfte reduziert wird. — *) „Einige Winke über ein allegorisches altitalienisches Ge­ mälde". Bon Therese. Heft IV, S. 105 ff.

Schnorr macht nun die Zeichnungen für Schillers Ge­ dichte, die ich drucken soll. Er hat mehrere Skizzen ge­ macht, worunter Schiller gewählt hat. — Schiller leidet immer an Katarrhfieber, das nimmt wohl bald ein Ende! Goethe lag am Brustfieber, und Wie­ land ist auch nicht wohl. — Es scheint, der Tod will auf­ räumen. So werden wir immer einsamer. Jetzt kommt die gefährlichste Periode des Jahres: lassen Sie uns bei Mute bleiben, so geht es am besten. Seume kommt nach Dresden. Ich wollte, ich könnte mitkommen, aber es geht nicht. — Jetzt muß ich an Ihre Hexe schreiben. Sie haben wohl die Güte, den Brief zu bestellen? — Sagen Sie mir doch, wie kann ich dem Frln. a. d. Winckel meine Dankbarkeit bezeugen? Kann ich Honorar geben? Kann ich auf irgend eine andere Weise galant sein? Ich schreibe ihr, daß ich Sie zum Organ meiner Dankbarkeit gemacht habe. Leiten Sie die Sache ... Und als das dritte Heft fertig war, sandte Göschen dasselbe mit einem gewissen Stolze am 13. März 1805 an seinen Dresdener Freund:

... Jetzt setzen Sie sich nun in einen stillen Winkel, wo die Gelehrsamkeit Sie nicht stört, und der Hof Ihnen keine niedlichen Phrasen spielt. Da lesen Sie ruhig und still das 3te Stück des Journals, und wenn Sie durch sind, so schreiben Sie mir, wie es mit Ihrer Seelenwohl­ fahrt steht. — Jetzt kommt ein holdes Gesichtchen nach dem andern und freilich auch manches, das nicht passieren kann; aber nun hats keine Not mehr, und es soll etwas daraus werden. — Wir dürfen mit unsern Einladungen nicht so geradezu fahren, sondern müssen erst wissen, was zu erwarten ist; sonst können wir das Mittelmäßige nicht zurückschicken, und diese Freiheit muß uns heilig bleiben. Bloß des­ wegen stehen vier große Namen auf dem Titel des Jour12*

nals; sonst wäre einer genug gewesen.

Das Journal soll

edle Bildung bewirken, oder der Teufel soll es holen! —

Sie werden es längst bemerkt haben, daß wir die Damen

gern auf das Pferd setzen, was jede am liebsten reitet, und daß wir, wo wir dürfen, ihnen den Gang der Auf­ sätze vorzeichnen.

indem sie lehren. Komische.

So geht es am besten, und sie lernen, Ich habe drei Weiberchen für das

Diesen gebe ich allerhand Einfälle untern Fuß.

— Rochlitz hat ein paar sehr ernsthafte und geistreiche

Damen an der Hand, womit er es ebenso macht. — Apropos! Die Zeitung aus der alten Welt ist wohl bei

Ihnen ganz vergessen? — Ich gebe ungern die Idee auf...

Auch Rochlitz schrieb wegen des Frauen-Journals an Böttiger„ .. . Die Sache ist mir wert, weil, wie ich gewiß bin, damit vieles Schöne und Gute geleistet werden wird; ich tue daher, bis es fest steht, auf Vorteile Verzicht, die im Verhältnis zu meiner Arbeit nur einigermaßen ständen; kann das aber umsomehr, da Göschen ein honneter Mann ist, dies erkennt und für den Fall, daß es sich gut hält und verbreitet, mir sehr gute Bedingungen machte. — Vater Wieland und General Schiller benehmen sich sehr hübsch, — tun nicht viel, aber versprechen desto mehr, — und Platzmajor Seume brummt manches hierbei. Doch schließen sich jene zwei auf diese Veranlassung sehr warm an mich, was auch was wert ist. Mit Seumebin ich, wie Sie wissen, längst einig..." Schiller hatte dem Unternehmen anfangs skeptisch gegenüber gestanden und die wenig ermutigende Äußerung getan: Wer denn eigentlich das Journal lesen sollte? Als aber die Zeit­ schrift sofort nach ihrem Erscheinen einen vielversprechenden Auf­ schwung nahm und guten Absatz fand, gratulierte er am 24. Januar 1805 dem „Redakteur" Rochlitz „zu dem schönen Erfolge" und wünschte dem neuen Journale auch für die Zukunft „zunehmendes Gedeihen". Rochlitz erwiderte hierauf am 29. Januar: „ ... Das Ganze wird so gut ausgenommen, als vor der Hand zu wünschen war; und Göschen ist schon durch den jetzigen Absatz fast ganz wegen der Kosten gedeckt..." Wieland, der mit seinem Namen ebenfalls für das „FrauenJournal" eingetreten war, erklärte sich mit dem Inhalt der

ersten Hefte nicht einverstanden. Dies veranlaßte Rochlitz, an Schiller zu schreiben: Wenn die Damen in Weimar sehr dazu schmälen, so, fürchte ich, hat Vater Wieland nicht geringen Anteil daran. Er sieht einen Tempel der Mystik, der Klique P.P., mich als einen verkappten Priester derselben, und ist darüber so äußerst auf­ gebracht, daß er an Göschen eine Philippika losgelassen hat, die dieser

trotz alles meines Drängens mir noch gar nicht zeigen will ..." Man sieht, daß es auch nicht ohne kleine Verdrießlichkeiten abging. Trotzdem verlor Göschen weder den Mut noch die Lust an der neuen Monatsschrift. Im Frühjahr 1805 war Böttiger von einem heftigen Nerven­ fieber heimgesucht worden. Mahlmann, der nach Spaziers Tode die von diesem gegründete „Zeitung für die elegante Welt" herausgab, überbrachte dem Leipziger Buchhändler die betrübende Nachricht von Böttigers Erkrankung. Daraufhin schrieb Göschen unverzüglich an Böttiger die teilnehmenden Worte:

Mahlmann hatte mich durch die Nachricht von Ihrer Krankheit erschreckt. Rochlitz und ich zagten um Sie. Ich trug Seumen auf, mir gleich einige Worte zu schreiben. — Unterdessen hat mich Ihr Brief, der mir ein teures Pfand Ihrer Liebe und Freundschaft ist, beruhigt. Gottes Lohn dafür in schneller Genesung! Rochlitz grüßt Sie bestens. Ich habe ihm gleichfalls in den ersten Augenblicken des Empfanges die freudige Nachricht von Ihrer Rettung gebracht. — Jetzt sollen Sie an nichts denken und nichts tun, als Ihre Gesundheit abwarten. Man lebt nur ein­ mal, mein guter Böttiger!! — Ich wollte, ich hätte neben Ihrem Krankenbette sitzen können. Müßte ich bis zur Ostermesse nicht sparen und arbeiten, ich flöge zu Ihnen auf einen Tag! ... Inzwischen war von Böttigers Hand abermals ein kurzes Lebenszeichen eingetroffen. Göschens Freude über diese wenigen Zeilen äußerte sich in wahrhaft rührender Weise, als er am

19. April 1805 aus Hohenstadt schrieb:

Zum zweiten Ostertag empfing ich Ihren lieben Brief hier in Hohenstädt, wo Rochlitz und meine Frau das Fest

der Knospen feierten. Wenn die Sonne freundlich blickte, wenn eine milde Luft uns erquickte, dachten wir an Sie und hofften, es solle Ihnen wohltun. Da überraschten uns die Zeilen Ihrer Genesung und machten uns froh. Ihre kräftige Natur wird Sie nicht sitzen lassen, und die sanfteren Winde, das neue Leben in der Natur wird Sie bald auf die Beine bringen, wenn Sie nur erst ein wenig wieder ins Freie schleichen können. Haben Sie nicht in Dresden einen echten alten Malaga, um früh ein Glas trinken zu können? oder einen ganz alten echten Tokayer. Andern Wein müssen Sie anfangs nicht trinken, bis Sie weiter sind ... Böttigers Genesung

machte nur ganz langsame Fortschritte,

so daß er nicht imstande war, zur Ostermesse, wie es eigentlich

seine Absicht

gewesen, nach Leipzig

zu reisen.

Göschen hatte

während dieser Zeit sehr viel mit seinen Geschäften zu tun und

schrieb

erst wieder am 21. Juni 1805

einen längeren Brief

nach Dresden.

In diesem Schreiben nahm er Veranlassung, den auf einer wissenschaftlichen Tournee durch Deutschland begriffenen Phreno-

logen Gall, der bei dieser Gelegenheit auch Leipzig und Dresden

berührte, zu erwähnen:

... Sie haben nun Gall bei sich, der hier die Weiblein und Männlein, wie ich höre, bezaubert hat. Eine Zeit­ lang sollte niemand mit unbedecktem Haupte dem Weisen vor das Angesicht treten. Mein Schädel ist ihm ent­ gangen, weil ich mit Arbeit überladen, von Schnupfen, Husten und Flußfieber so angegriffen war, daß mir alles in der Welt ganz gleichgültig war. Sagen Sie ihm, daß ein früherer Bewunderer und einer seiner ersten Apostel in Sachsen in meiner Wenigkeit ihn nicht habe kennen gelernt. Sein trefflicher kleiner Aufsatz im Merkur*) er*) Vergl. „Neuer Teutscher Merkur", 1798,12. Stück, S. 311 ff.: „Des Herrn Dr. F. I. Galls Schreiben über seinen bereits ge­ endigten Prodromus über die Verrichtungen des Gehirns des Menschen und der Thiere an Herrn Jos. Fr. von Reher."

warb mich schon für seine Lehre. Graf Harrach weihete mich dazu ein, und einige seiner hiesigen Zuhörer käueten bei mir das Genossene wieder. Gott lasse uns das alles wohl bekommen und helfe uns über die ersten fünf Jahre mit unsern Schädeln hinaus; denn vor der Hand wird die neue Lehre viel Spuk machen, bis die Zeit alles gefegt und gesiebt hat. Ein Gallianer hat mir das ZahlenOrgan ganz abgesprochen. Ich habe lächeln müssen, denn ich muß drei Wochen vor der Messe mich allemal üben im Rechnen, damit ich vor meinen Kollegen nicht mit Schanden bestehe. Von Dresden bis Hohenstädt ist nur eine Tagereise! denn es sind nur 10 Meilen. Es wäre prächtig, wenn Sie einmal in die Arme der Ruhe und Freundschaft kämen und sich erholten von dem Pagenwesen. — Ich möchte doch wissen, wo mir das Induktions-Organ eigentlich sitzt. Ich weiß nichts davon .. . Göschens Brief vom 8. Oktober 1805 — den er aber erst

am 28. Oktober abschickte — atmet tiefen Mißmut über die polittschc Lage des Vaterlandes und — in Verbindung damit — über den bedauerlichen Niedergang aller geschäftlichen Ver­ hältnisse:

... Seume ist bei Ihnen gewesen! Er hat weder an Gesundheit noch an Heiterkeit im Norden verloren; die heiße Sonne scheint einige feuchte Stellen in seinem Herzen ausgetrocknet zu haben, so daß er wieder ganz heil ist. Sie haben mir einen trefflichen Gefallen getan, daß Sie Böhm*) von dem Kopieren des Homerkopfes abge­ raten haben. Ich brauche ihn nicht mehr, da Wolf da­ wider ist, daß der erste Band der Ilias in 2 Abteilungen erscheine. — Könnte man sich auf Wolf verlassen, so könnte ich mehr Leute annehmen; aber fällt es Wolfen ein, mich *) Amadeus Wenzel Böhm, namhafter Kupferstecher, geboren in Prag am 2. Mai 1769. Gestorben in Leipzig als Mitglied der Sächs. Akademie der Künste am 1. Mai 1823.

sitzen zu lassen, so stehen die Leute müßig und sind über­ flüssig. So muß ich sehen, wie ich mit meinem gewöhn­ lichen Personal alles zwinge. Nachdem Wolf sechs Wochen abwesend gewesen ist, wird er nun wieder anfangen zu treiben. — Wenn doch die Leute ein wenig von Geschäften verstünden!------- Der Krieg ist nun da; bis wieder Friede ist, wird die Odyssee Edit. splend. nicht angefangen. Unsere Michaelismesse mag traurig sein. Wenn unge­ rufene Freunde mich im Laden mit Kriegsnachrichten bom­ bardieren, so empfangen mich auf der Gasse die Klagen über die Messe und zu Hause die Klagen über die Teuerung der Lebensmittel. — Das ist eine köstliche Zeit für die Lerchenesser, die ihre Grillen an einigen Schenkeln der fröhlichen Luftmusikanten verkauen! — Jetzt, da jede lite­ rarische Tätigkeit gehemmt ist, und da das, was man tut, ausreichen wird, da man nicht weiß, ob die Länder, wo­ hin man etwas sendet, nicht nächstens verheert sind, lege ich meine Hände in den Schoß und unternehme nichts, bis wieder Friede ist, außer das, was ich leider schon für die Ostermesse zu meiner großen Last übernommen habe und nun durchgeführt werden muß. Wie ich höre, so gibt Cotta nun auch Goethes Werke heraus, ohngeachtet ich mit Goethe über die folgenden Auf­ lagen einen bindenden Kontrakt habe. — Das ist ein feiner Bursche! — unter dem Mantel des Goethe-Bonaparte! Bald wird Cotta nichts mehr an mir zu plündern finden. Wohl möge es ihm bekommen! Unser Kurfürst soll, wie ich höre, König von Polen werden. Empfehlen Sie mich doch zu seinem Hofbuch­ drucker in Warschau, damit ich von dem Buchhandel weg­ komme und einen Weichselzopf mit Ehren tragen kann. Wenn man in einer so schönen Stimmung ist, als ich bin, dann muß man seinen Freunden nicht lange zur Last fallen. Ich will deshalb heute aufhören. Doch muß ich Sie vorher umarmen, damit dieser Moment doch wenig-

stetig durch etwas Gutes begleitet wird. Und, sehen Sie, da bin ich schon wieder still und heiter, wie der Freund beim Freunde werden muß. Behalten Sie mich lieb. Immerdar mit treuer Liebe Ihr Göschen.

Nicht nur finanzielle Sorgen, auch Krankheit in der Familie und eigenes Unwohlsein hatten in letzter Zeit Göschens Gemüt stark bedrückt. Er schrieb am 8. Dezember 1805: Da bin ich denn noch einmal wieder! Ich kann wieder schreiben, darf aber noch nicht aus dem Hause. Meine Krankheit war nicht gefährlich, aber gewann Stärke durch die Sorge um fünf Kinder, die an einem Tage das Scharlachfieber ergriff, durch den Tod des Einen*), noch mehr durch die Angst um mein Weib, die fürchterlich litt und dem Schatten gleich wurde. Die vier sind nun in der besten Genesung, und mein Weib erholt sich zu meiner Freude. Sie sagen, das Frauenjournal sei ein geistvolles Ge­ schöpf. Ist das wirklich, so erhält es sich auch. — Einige weise Freunde unter den Buchhändlern hielten schon das Leichentuch parat, um den abgeschiedenen Leichnam hinein­ zuwickeln und auf die Stelle, die es einnahm, gleich ein anderes hinzupflanzen. Verlassen Sie sich darauf, es wird frisch und munter laufen lernen, und für Rochlitz' Gesundheit ist dabei gesorgt, denn wir sind reich an Bei­ trägen, die sich gewaschen haben. Daß ich nicht viel Heil von dem Terenz erwarten kann, das lehren mich die Brüder und der Properz. — Es ist sehr schwer, jetzt ein Buch in Umlauf zu bringen. Wer kann kaufen, da das Geld für das Brot kaum hinreicht? — Apropos! Ich will mir bei dem Terenz durch einen Einfall helfen, wozu Sie mir Ihre hilfreiche Hand leihen *) Göschens Sohn Albert, gefroren am 29. April 1797, starb am 21. November 1805.

werden. Für Männer, die Gelehrte sind, haben wir schon Übersetzungen, und eigentlich brauchen diese gar keine. Der Gelehrte braucht sein Geld auch notwendiger. Für an­ gehende Lateiner ist eine wörtliche Übersetzung nützlicher. Auf das Theater wird dieser Terenz nie kommen, außer dem Weimarischen. Ich weiß das aus einer Äußerung von Jffland. Aber für Weiber und Nichtkenner der latei­ nischen Sprache kann er gut sein. Haben Sie also die Güte, über den Charakter dieses römischen Dramatikers und über seine Feinheiten und Schönheiten in der Einleitung nebst einiger Belehrung über das Theater und das Spiel der Römer zu schreiben. Aber nicht für Gelehrte, son­ dern für die Nichtgelehrten, nicht tief, aber wahr und populär. — Seume empfiehlt sich Ihnen herzlich. Er schulmeistert wieder, wie er sagt, und schreibt am Abend seinen Russi­ schen Gang. Zu Ostern soll er. erscheinen. Als Alexander, den Seume nicht besuchte, hier durch­ kam, fiel es mir schwer auf die Seele, was aus dieser Reise kommen würde für uns Sachsen. Und was kann daraus werden? — Soldaten, die sich ihre Offiziere bis zum Hauptmann aus ihrer Compagnie wählen — also allemal die tapfersten und talentvollsten! — die beseelt werden von dem Gedanken, daß sie durch Heroismus sich den Weg zur Beförderung bahnen, die schlagen Heere; während Offiziere, von der Frau Mutter geboren und nicht heraufgearbeitet, und die, nachdem sie 20 Jahre den Hunger geduldig getragen haben, ohne Rücksicht avancieren müssen, und wenn sie auch Podagra und graues Haar haben, wenn sie auch stumpf durch Alter sind, anführen sollen gegen rasche Generale von 40 Jahren. Greise gegen Männer! Was kann daraus werden? Unterdessen ängstigen Sie sich noch nicht. Ich glaube nicht, daß Napoleon nach Sachsen kommt. Er ist eben so wohl klug als tapfer und wird sich nicht weiter wagen.

um das Erkämpfte nicht wieder zu verlieren. Alexander ist der Schwager von dem Bayer-Fürsten. Er wird es nicht ungern sehen, wenn der Bayer König wird. In Alexanders Herzen ist keine Liebe für die Familie des Österreichischen Hauses, von wegen seiner Schwester, die in Ungarn starb. Und Preußen? Wer kann das Ministe­ rium ergründen und wer kann es anders als für sehr klug halten? Glauben Sie, daß, wenn Russen und Öster­ reicher geschlagen sind, es den Kampf allein auf seine Schultern laden wird? Ich glaube nicht. Ich glaube, wir behalten Friede. — Sagen Sie doch den adeligen Ständen, es ließe sich leicht bewilligen, was Bürger und Bauer geben sollte, wenn man selbst nichts zu geben ge­ brauche. Wenn aber die patriotische Ritterschaft patrio­ tisch gibt, so wird kein braver Sachse sein Vaterland und seinen Fürsten im Stich lassen. Der Bauer und der müßige Städter sollten mit Waffen kämpfen, und die Ritter sollten ihre Kassen und ihre Scheunen auftun; dann könnte Sachsen selbständig und an preußischer Seite fruchtbar werden. Anders ist kein Heil für Sachsen zu hoffen. Ich weiß, daß der unaussprechlich redliche und vortreffliche Fürst gebunden ist und nicht kann. Er, für seinen Teil, wird unsterblicher bei der Nachwelt sein, als diejenigen, die den Alexander spielen und einen zwei­ deutigen Ruf in der Geschichte bekommen werden. Wer die Seinigen nicht glücklich macht, in seinem Eigentum nicht ordnet und hilft, der ist, im Kleinen wie im Großen, kein Mann, den die Nachwelt unter die Großen zählen wird. Unter den Konsequenten mag er glänzen, aber konsequent ist mancher gewesen, der mit dem Hasse der Welt in seinem Grabe gedrückt wird. — Zerreißen Sie diese Aufwallung eines eben Genesenden. Ich halte sie selbst für nichts anderes. Durch Krankheit wird man sehr bescheiden und am Grabe der Geliebten denkt man bei der Lage der Dinge, daß sie in Frieden heimgegangen

sind. Mein Albert — hat nichts auf der Welt erfahren als lauter Freude. — Und sein Abschied war kurz und ohne Schmerzen. Ewig Ihr Göschen. NS. Nachdem dieser Brief geschrieben war, erschallen hier Siegesnachrichten, die uns den Napoleon vor der Hand wohl vom Leibe halten. Die in diesem Augenblicke die Stadt durcheilende Kunde von dem für Napoleon so günstigen Ausgang der Schlacht bei Austerlitz versetzte Göschen in eine so sanguinische Stimmung, daß er sich allen Ernstes der trügerischen Hoffnung hingab, der große Sieg würde Napoleon von weiteren Eroberungszügen ab­ halten. Die nächsten Tage zerstörten freilich sein Zutrauen. Das Jahr 1805 ging unter überall drohenden Kriegsgefahren zu Ende, und das beginnende Jahr verhieß auch keine ein­ greifende Besserung der bestehenden BerhälMifse. Es waren traurige Tage für die deutschen Geschäftsleute. Aber Göschen verlor in dieser unsicheren Zeit den Mut nicht, wenn ihn auch angesichts des sich überall geltend machenden wirtschaftlichen Niederganges eine tiefe Niedergeschlagenheit und eine berechtigte Sorge um die Zukunft befiel. In neue Unternehmungen sich einzulassen, wäre unter -den obwaltenden Umständen mehr als unklug gewesen. Im Interesse seiner Angestellten und um der eigenen Familie willen hielt er es für seine Pflicht, mit Auf­ bietung aller Energie — wenn auch oft mit verzweifelter An­ strengung — das Angefangene weiterzuführen.

1806. Boll Vertrauen begann er den zweiten Jahrgang des sich als gute Einnahmequelle erweisenden „Journals für deutsche Frauen". Böttiger lieferte hierzu nach dem Erscheinen des ersten Heftes int „Freimüthigen" eine lobende Besprechung*2). Mahlmann, der sich bisher als Göschens Freund gezeigt hatte, fühlte sich veranlaßt, wenige Wochen später in der „Zeitung für die elegante Welt" eine absprechende Kritik über das Journal zu sötten2). Der Umstand, daß die wohlwollende Rezension in dem von ihm bitter gehaßten „Freimüthigen" gestanden hatte, und vielleicht auch, weil Böttigers Empfehlung stellenweise in etwas gar zu überschweng­ lichen Ausdrücken abgefaßt war, mochte ihn dazu bewogen haben. Aus Göschens Briefe vom 25. März 1806 erfahren wir:

... Sie haben das Journal so freundlich ausgenommen! — Wer hätte gedacht, daß der Herzog!. Gothaische Hof­ rat und Dichter ein solches Ungewitter in der Eleganten Zeitung darüber herschütten würde. Dieser Mann findet es sehr langweilig; — freilich, so kurzweilig wie Er ist es nicht und soll es auch nicht werden; — übrigens wird es ruhig fortgesetzt, so wie es angefangen ist. Vor einigen Wochen äußerte sich Herr Mahlmann auch über die Sa­ bina, und ich fürchte, bei der zweiten Auflage hat sie eine ebenso mutwillige Rezension zu erwarten als das Jour­ nal. — Dem Menschen wächst der Kamm, es ist Zeit, daß Merkel wieder einmal über ihn kommt. Hier in Leipzig gilt er für einen großen Kunstrichter, und da wäre es doch gut, wenn ihm einmal gesagt würde, wo es ihm eigentlich fehlt ... 2) „Der Freimüthige und Ernst und Scherz". 1806. I. Heft II. Jahrgang. Nr. 23 vom 1. Februar. S. 89. 2) „Zeitung für die elegante Welt" vom 15. März 1806. S. 249 sf.

Als Völliger das Manuskript zur zweiten Auflage der „Sabina", die zu Ostern 1806 in zwei Teilen erscheinen sollte, an den Verleger schickte, erbot er sich, in dem von ihm redigierten „Merkur" eine Entgegnung der Mahlmannschen Kritik erscheinen zu lassen. Davon wollte aber Göschen nichts wissen. Er schrieb am

11. April 1806:

... Dank für das Manuskript der Sabina, welches eben eingeht. Wir werden über den Druck herfallen wie die Fliegen. —

Mit Mahlmann können Sie für sich machen, was Sie wollen; für mich dürfen Sie nichts vermitteln. Wenn Sie mich lieb haben, dürfen Sie der Eleganten Zeitung und des Journals und meiner nicht erwähnen. Er hat ohne alle Veranlassung, aus heiler Haut die Rezension gemacht. Er lügt gegen meine Freunde: es habe ihn der edle Rochlitz — dessen Arbeiten er vorher gegen mich lebendige Leichen nannte — gereizt; gegen Rochlitz' Freunde lügt er: ich habe ihn gereizt. Er lacht uns alle beide aus, wenn Sie ein Wort über diese Sache sprechen. Und warum wollten Sie das? der Abgang hat nichts gelitten. — , Ich denke, wir fürchten uns vergeblich wegen der Messe. Es wird ja nicht so arg werden. Die verdammte Politik macht den Menschen viel zu schaffen. Lassen Sie uns nicht mehr daran denken. — Mein Verlag für die nächste Messe gehört jedoch nicht für Mahlmanns Kritik. Es wird gehen ohne ihn. — Ich hätte beinahe in diesen Tagen wieder einen Engel von Knaben verloren. Zwei in einem halben Jahre wäre viel gewesen. Gottlob, dieses Mal ist der Todesengel vorüber gegangen ... Europas politische Lage wurde im Laufe des Jahres 1806 immer verzweifelter, und Deutschland war nach dem unglücklichen

Ausgang der Schlacht bei Jena auf dem tiefsten Punkte der Erniederung — der „völligen Nullität", wie der greise Wieland

sagte — angelangt. Handel und Wandel standen still. Die niedergedrückte Stimmung, die sich damals aller Gemüter be­

mächtigte, gibt sich so recht in dem Briefe kund, den Göschen — nachdem seine Korrespondenz mit Böttiger vom Frühjahr bis zum Winter geruht hatte — an seinen Dresdener Freund am 10. Dezember 1806 richtete:

Ich lebe noch in einer toten Handlung. Seit den un­ glücklichen Tagen des Oktober ist der Buchhandel ge­ schlossen. Als ein ehrliebender Bürger habe ich am Zahl­ tage meine Schulden bezahlt. Nach dem Zahltage sollte ich einnehmen. Aber niemand schickt mir Geld, und borgen kann man nicht. Zu weich, um meine verheirateten Setzer und Drucker betteln zu lassen, behielt ich sie, in der Hoff­ nung, daß doch nicht alle Zahlungen aufhören könnten. Jetzt habe ich dafür die Sorge. An neue Unternehmungen ist nicht zu denken. — Jedes Geschäft ist jetzt ohne Nutzen, wie kann man Freude daran haben? — Ich habe an Schmid x) in Jena die Bogen gesandt, .welche gesetzt waren, aber nicht ge­ hört, ob er sie erhalten. Auch bei ihm hat das Gewitter eingeschlagen. — Und der gute Lafontaine?) ist durch Plünderung gewaltig mitgenommen. Wir leben hier ohne Gewaltraten, und die nie aufhörenden durchmarschieren­ den Truppen halten Ordnung und Manneszucht. Die Mühle, worin so viele Nationen gemahlt haben und wovon der Kurfürst das Mahlgeld zog, kann leicht auf immer zerstört werden. Die Arbeiter in dieser Mühle waren ein jovialisches Volk, sie gaben durch ihren Aufwand andern Leuten etwas zu verdienen. Man hat sie für reicher ge*) Kall Christian Eberhard Schmid, Professor der Philosophie in Jena. 2) Slujuft Heinrich Julius Lafontaine, beliebter deutscher Schriftsteller, geb. zu Braunschweig am 10. Oktober 1799, gest, am 20. April 1831. L. bekleidete mehrere Jahre hindurch den Posten eines Feldpredigers und war ein Lieblingsautor der Königin Luise von Prerßen.

halten, als sie sind, und mutet ihnen daher mehr zu, als sie haben. Im Siebenjährigen Kriege konnte Amster­ dam, Genua, Venedig, Hamburg borgen. Wo sollen die Leipziger jetzt borgen? Seit 13 Jahren hat Deutschland Krieg. — Gott verhüte, daß der Bogen nicht überspannt werde. Sonst bleibt uns allen in Deutschland nichts als der Wunsch des Grabes. — Wissen Sie nicht mich irgendwo anzustellen, wenn ich nach der Ostermesse etwa aufhören müßte, im Buchhandel tätig zu sein? Mein eigenes Vermögen wird wohl so ziemlich geschwunden sein, und fremdes Geld steck ich dann gewiß nicht hinein, um es zuzusetzen und ehrliche Leute darum zu bringen. Glauben Sie aber ja nicht, ich sei niedergeschlagen oder mutlos. Dafür habe ich einen Fonds in meiner Brust, den ich mir in meinem Leben gesammelt habe. Aber ich denke mir gern die möglichen Fälle, um nicht zu verzagen, wenn einige wirklich eintreten. Immerdar der Ihrige Göschen. Und am 31. Dezember 1806 schreibt er: Es ist heute der letzte Tag des Jahres. Ich will Ihnen die Hand geben, ehe es vorübergeht. Möge der Cha­ rakter des Tages der Charakter des künftigen Jahres werden. Es stürmte bis Aufgang der Sonne, und jetzt ist eine heitere, reine Luft, die man mit Lust atmet! Morgen wird Leipzig erleuchtet, um dem Könige und Vater der Sachsen Liebe und Achtung zu beweisen. Gott gebe ihm glückliche Sage!1) Ich will dem Könige ein Exemplar des Neuen Testa­ ments mit einer lateinischen Dedikation, die mir Schäfer übersetzt hat, schicken, ohne anzufragen. — Wer gibt solches *) Nach dem Frieden zu Posen (11. Dezember 1806) hatte der Kurfürst Friedrich August von Sachsen die Königswürde an­ genommen.

wohl dem patri patriae mit Anstand und ohne höfische Angst? Ich weiß nicht, ob man etwas geradezu an unsern Fürsten auf die Post geben kann. Dem Könige von Preußen und Alexander von Rußland konnte man es. Vielleicht übernehmen Sie es wohl oder der Präsident von Hohenthal? Räcknitz ist zu ängstlich, und Körner auch. — An den Präsidenten von Hohenthal dürft' ich schon schreiben. Ich will nichts haben, als die Ehre, das Buch dem Fürsten dediziert zu haben. — Was in Ihrer und meiner Brust sonst noch in stillen Wünschen lebt, brauchen wir nicht auszusprechen. Ich beschließe das Jahr mit den Empfindungen des Dankes für das, was mir erhalten ist: mein gutes Weib> meine guten Kinder. Wir sind am Leben und an Gesundheit geschont, da so viele Opfer des Krieges bluten! Mutig geh ich dem entgegen, was Gott geben und wie er es geben wird. Möge Gesundheit, Heiterkeit und Freude Sie erquicken, so habe auch ich eine Freude mehr ...

BG

13

1807. Zu den vielen drückenden finanziellen Sorgen gesellte sich wieder körperliches Unbehagen. Göschen berichtete hierüber am 24. Februar 1807:

Ich hätte eher an Sie schreiben sollen, aber es ging nicht, weil ich nicht zu viel sitzen darf und viel sitzen mußte, um die Karre wieder heraus zu ziehen, die andere

verschoben hatten, und die nur durch anhaltende Arbeit wieder aufs Trockene kommen konnte. — Uber alles, was in der literarischen, das heißt, gelehrten Tageblätter-Welt und in fier politischen Welt unterdessen vorgegangen ist,

davon, weiß ich so wenig, als von den großen Gedanken Jhro Majestät des Kaisers von China. O, was wollt ich darum geben, wenn ich von dieser doppelten Welt ganz

geschieden leben könnte und dabei die Mittel fände, meine Familie und mich zu ernähren und zu erziehen! — Ich wollte meinen Nachbarn nützlich werden und in meinem Hause ein Heiligtum der Zufriedenheit stiften. Das soll nicht sein; — also wieder aus den Wolken heraus und hienieden gewadet, bis die alten Knochen nicht mehr

können! --------Ich habe die Dedikatton drucken lassen und will das Werk damit in die Welt laufen lassen, ohne ein Exem­ plar zu übergeben. So sind wir aus aller Verlegenheit

und setzen niemand in Verlegenheit, etwas Unangenehmes tun zu müssen. — Die Odyssee ist jetzt meine einzige Beschäftigung, und

ich lasse alles liegen und stehen, bis sie fertig ist. — Bis Ostern fang ich auch die Übersetzung von Macdonald gar nicht an im Druck. Sie hat Zeit. Wenn ich das ganze

Manuskript in Händen habe, sende ich Ihnen Original

und Übersetzung. *)

Was soll sie jetzt in der Welt? Nie-

mand kauft ein Buch; und erschiene sie jetzt, so steh ich dafür, daß sie bei lebendigem Leibe in Vergessenheit be­

graben wird.

Es muß erst Heller werden und günstiger

für die Lektüre. — Ich habe alles Politische, allen Tadel der Regierung und grobe Unwahrheiten gestrichen, das Urteil über Jffland von Übertreibungen und Widersprüchen gesäubert. Demungeachtet glaube ich, haben wir kein Recht, Macdonald zu nennen, weil er sich selbst nicht genannt hat. Vielleicht läßt er einmal in England oder — bei ruhigen Zeiten — in Deutschland eine wörtliche Über­ setzung ohne die Maulkörbe von Soltau machen. Da kann

er dann tun, was er will. — Ich habe alle anstößigen Ausdrücke weggewaschen, wenn die Sachen auch richtig

wären. — Die Ostermesse wird für keinen Buchhändler gut und für viele schrecklich werden. Der größte Teil der Buch­

händler hat gelitten, manche sind in großer Not und wieder andere benutzen die Zeit zum Vorwande. — Ein Freund schrieb mir, daß er am Rande des Verderbens sei mit den mehrsten seiner Mitbürger. Keinen Gehalt,

keine Einnahmen, kein Brot usw.--------

Ende März schreibt er:

.... gebracht,

Ich habe nur zwei Schmerzenskinder fertig das Neue Testament und das Werk über

*) James Macdonald, ein gebildeter Schotte, der sich mit seinem jüngeren Vetter wegen des Mounierschen Institutes — dessen Zögling der letztere war — lange Zeit in Weimar aufge­ halten und den Mittagstisch bei Böttiger genossen hatte. Er war in den Zirkeln von Herder und Wieland sehr geschätzt und selber literarisch tätig. Nachdem Böttiger nach Dresden gezogen war, verband ihn auch weiterhin eine innige Freundschaft mit Mac­ donald, dessen Schriften er dem Leipziger Verleger warm emp­ fohlen hatte. Das Werk, von dem die Rede ist, erschien bei Göschen unter dem Titel: „Reise durch Schottland, seine Inseln und einen Theil von Deutschland". Aus der englischen Hand­ schrift übersetzt von D. W. Soltau. Drei Teile mit 1 Kupfer. 1808. 13*

Ostindien^). Es sind wahre Benjamins. Sie sollen zu dem Einen Joseph werden, der sich seiner annimmt. — Erregen Sie doch die Aufmerksamkeit für Ostindien, als für ein Land, das unsere gegenwärtigen Leiden herbei­ gezogen hat. — Das Werk hat Küttner?) noch vor seinem Tode revidiert. Es ist sein Schwanengesang. Der Zustand meiner Finanzen macht mich wünschen, daß sich jemand fände, der den Verlag der Übersetzung des Macdonald mir abnähme. Wissen Sie jemand? — Cotta ist zu schwer beladen, Freund Bertuch wohl auch. Vielleicht wissen Sie aber noch einen andern. Sonst muß ich in den Apfel beißen, weil ich einmal ihn angefaßt habe. Jffland bietet mir drei Stücke an, und ich muß sie, wiewohl mit der bittersten Empfindung, abweisen. So weit ist es mit uns gekommen. Ich hätte viel zu sprechen mit dem sächs. Finanzminister als sächs. Patriot über die Rettung des sächs. Buchhandels; aber die Herren haben keine Ohren und keinen Verstand

für unsere Angelegenheiten, die nicht ihre Angelegenheiten sind; für mich will ich schon sorgen. . . Böttiger antwortete am 31. Mai 1807:

Mein geliebter Freund!

Mit Dank müssen alle meine Briefe anfangen. Auch dieser verbeuge sich im voraus recht schön und geziemend. Die kleine Kiste, die mir vor einigen Tagen zukam, ent­ hielt viel Schönes, ja vielmehr. Köstliches. So bin ich nun durch Ihre Güte im Besitz des herrlichen Neuen Testa­ ments, das mit dem Kelche und Kreuze noch manche Enkel­ öl „Briese über Ostindien, das Vorgebirge der guten Hoffnung und die Insel St. Helena." Von E. E. Best, herausgegeben von C. G. Küttner. 1807. 2) Carl Gottlob Küttner, geb. in Wiedemar bei Delitzsch 1755. Nachdem er in Leipzig studiert hatte, war er Hofmeister in Basel und Irland. 1793 ging er als Begleiter des Marquis von Water­ ford auf Reisen. Zuletzt privatisierte er in Leipzig und starb da­ selbst am 14. Febr. 1805.

Welt überleben wird. Endlich wird doch der eiserne Gurt gelöst werden, den der Kriegsgott um unsern Continent schnürt. Dann wird das Guineenland auch für Sie wieder besser. Sagen Sie mir doch, wie viele Exemplare dieses Testaments gingen nach Kopenhagen? Es ist dies keine unnütze Frage der Neugier. Ich stehe mit dem vielver­ mögenden D. Munter *) in Kopenhagen jetzt in einiger Verbindung. — Ich könnte doch wohl etwas wirken. Auch Ihr Best über Ostindien ist ein gar niedliches Werk, das Ihnen durchaus kein Herzeleid, sondern viel Vater­ freude machen wird. Schon gestern ging fürs Cottaische Morgenblatt eine Anzeige desselben ab, die ich mit Nemrichs neueste Reise durch England (gleichfalls einem Haupt­ buch der letzten Messe in Cottas eigenem Verlag) so zu­ sammengefügt habe, daß der Neid selbst es nicht trennen soll. Dem Text fehlt Gediegenheit und Fülle, die ihm selbst der brave Küttner nicht geben konnte. Aber es liefet sich un­ gemein leicht und angenehm, und dann die schönen Bilder, wovon einige wirklich neue Szenen enthalten, — diesen widersteht kein Kauflustiger. Sie fragen mich, ob ich keinen Liebhaber zu Macdonalds Reise wüßte, der das übersetzteManuskript kaufte? Wo unter dem Mond sollte ich den finden? Stimme doch der Herr ein allgemeines Miserere nostri an. Manchmal auch nur um das Konzert vollstimmiger zu machen. Es tut mir leid, daß "selbst Sie auf so etwas lieber verzichten möchten, da dem Werke selbst ein vielseitiges Interesse nicht abgeht. Sie bezahlen ja dem Autor selbst gar kein Honorar. Wie viel verlangt Soltau für die Übersetzung? Ich dachte, das Abenteuer könnten Sie doch schon wagen. Aber in der Weile liegt Gefahr. Alles was Macdonald über die Länder des Continents sagt, wird mit jeder Woche altbackener. Entschließen Sie sich also, es zu drucken, so muß es zur *) Friedrich Münter, Theologe und Altertumsforscher, lebte als Bischof von Seeland in Kopenhagen. (1761—1830.)

Michaelis-Messe erscheinen. In diesem Falle säumen Sie nicht, mir Original und Übersetzung mit nächster fahrender Post zu schicken. Sehen und vergleichen muß ich erst beides, besonders wegen der Anmerkungen von Soltau, von welchen einige dem braven Macdonald zu nahe treten könnten. Ich will dann eine kleine Vorrede dazu schreiben, und Sie lassen es in Gottes Namen drucken. Es soll Ihnen wahrlich keinen Unsegen bringen. — Reinhard geht mit Dr. Kopp gegen den 15. Juni ins Karlsbad. Das ist der letzte Wurf, den er für seine so sehr wankende Gesundheit tut. Gott lenke ihn zum Ziel. Es ist nicht auszusprechen was wir diesem Mann verdanken, bei der unglaublichen Schlaffheit und Schlafsucht aller, die am Ruder sitzen. Mit meiner eigenen Gesundheit geht es auch ganz er­ bärmlich. Noch grollt die Gicht in meinen Füßen. Dabei ist eine völlige Verschlimmerung in meinen Eingeweiden. Ich muß also, so grausam dies jetzt für meine vielfach be­ engten und beschnittenen Finanzen grade jetzt ist, wieder ins Karlsbad gehen, da zumal auch mein Weib dieses Heils sehr bedarf. Gegen den 21. Juni gdiente ich diese Wallfahrt anzutreten. Ein Grund mehr, warum ich Sie bitte, mir bald zu schicken, was Sie mir schicken wollen. Sie sollen mir doch, wärs auch nur in wenigen Zeilen, die Hauptgedanken schreiben, was Sie unseren politischen Restauratoren des blutigen Staatskörpers zu Gemüt ge­ führt wünschten. Ich spreche oft mit dem Grafen Langenau. Manchmal wirkts doch! Ich wünsche wonnigen Sonnenschein Im paradiesischen Hohenstein, Dem Vater, der Mutter, den Kinderlein!

Unwandelbar treu

Völliger.

Göschens Gemütsstimmung war so deprimiert, daß er in den schweren Zeiten nicht den Mut fand, das „Journal für deutsche

Frauen", das doch eine seiner Lieblingsgründungen gewesen, fort­ zusetzen. AlsihmRochlitz im Iper b ft 1806 toegen XRangel an geeigneten Beiträgen abriet, einen neuen Jahrgang anzufangen, war Göschen

einverstanden, die Monatsschrift eingehen zu lassen. Es stellte sich jedoch bei näherer Überlegung heraus, daß das Journal auch weiterhin lebensfähig sein würde, und Rochlitz erbot sich, dasselbe

allein,

ohne Wielands und Seumes Namen zu nennen, unter

dem Titel „Selene" weiterzuführen.

Hatte der erste Jahrgang

des Frauenjournals (1805) fast ausschließlich aus Artikeln von

weiblicher Feder bestanden, so machte sich im zweiten Jahrgang

bereits ein empfindlicher Mangel an talentvollen Schriftstellerinnen

fühlbar, und mancher Aufsatz in der Zeitschrift war von männ­ lichen Autoren

verfaßt worden.

Bei

der „Selene"

beschloß

Rochlitz, auf die Mitwirkung der Frauen fast ganz zu verzichten. Nur, was die Tendenz des Blattes betraf, sollte auf die weib­

liche Leserwelt — und

zwar in erster Linie — Rücksicht ge­

nommen werden. Göschen gab mit Widerstreben „versuchsweise" seine Einwilligung.

und

bloß

Aus einem Briefe, den Rochlitz am 1. Februar 1807 an den Leipziger

Universitätsprofessor

Näheres über die „Selene":

Clodius

schrieb,

erfahren wir

„Ich weiß nicht, lieber Professor,

ob Sie Notiz vom Journal für Frauen genommen haben.

Wenn

auch nicht, so wird zu meiner Sache schon genug sein, zu sagen es fand Beifall unter dem besten Teile des Publikums beider

Geschlechter; da der Krieg eintrat, kündigte ichs aber auf, weil ich Mangel

an Teilnahme voraussah.

Ich hatte jedoch falsch

gesehen, und es geht nun mit manchen Verbesserungen fort.

Die

letztern kommen darin zusammen, daß das Ganze wirklich höher

gestellt und auf Frauen nur, in wie fern sie Menschen von Geist. Herz und Bildung überhaupt sind, Rücksicht genommen wird ..."

Durch die günstige Aufnahme, die das neue Journal in allen

Kreisen der Gesellschaft

fand, wurde Göschen bewogen, seinen

anfänglichen Widerstand aufzugeben.

Er schrieb an Bötttger am

3. November 1807:

Ich halte es für meine Pflicht, Ihnen, mein teuerster Freund, zu sagen, daß die Selene doch fortgesetzt wird,

weil ich in der Messe entschlossen war, sie nicht fortzusetzen.

und ich Ihnen auf Ihre Anfrage sagte, sie würde auf­ hören . . . Und am 1. Dezember:

. . . Bloß der Gehalt der Selene hat mich zur Fort­ setzung bestimmt. Bleibt sie so, wie sie jetzt ist, so verdient sie Aufopferung, die am Ende doch lohnt, so oder anders, wie Gott will*). — Liebster Freund, ich lese und kann keine Tageblätter lesen, weder literarische noch andere. Seitdem ich den Kom­ mentar über die Englische Deklaration wegen Kopenhagen gelesen habe im Moniteur, und man mir die Gerechtig­ keit so in das Auge geworfen hat, daß ich beinahe blind davon geworden bin, verursachen mir die politischen Blätter eine Fieberhitze, die meinem Wohlsein gar nicht zuträg­ lich ist. Tut was Ihr wollt, wir lassen es uns ja ge­ fallen, aber macht uns doch nicht dumm und blind! — Welch eine Armee ist durch Leipzig gekommen! Seit drei Wochen über 70000 Mann. Die kommen ins Bayreuthische. In Italien sind 100000 Mann Franzosen usw. Der Österreichische Kaiser sitzt ja wie eine Perle in einem goldenen Ringe! . . . *) Als mit dem Dezember 1808 die „Selene" doch einging, schrieb Friedrich Kind am 19. Februar 1809 aus Dresden an Rochlitz: „. . . Das letzte Stück der Selene habe ich erhalten und mit innigem Bedauern gelesen, weil es das letzte war. Dies Be­ dauern teilen alle Freunde einer angenehmen und sittlich reinen Unterhaltung mit mir."

1808. Einem Schreiben Göschens kurz vor Ostern 1808 entnehmen wir folgendes:

Die mancherlei Anfälle dieses Winters haben sich bei Mir in ein geschwollenes Knie aufgelöst, das ich seit vier Wochen unter Federbetten habe hätscheln müssen, und das endlich wieder so gut ist, mich ohne Stock, doch vor der Hand noch in der Stube, herumzutragen. Ich war nicht der einzige Kreuzträger in meinem Hause; meine Frau, drei Kinder und zwei Mägde, wir machten ein komplettes Lazarett von Flußfieberern und hatten während der Zeit

mancherlei andere traurige Erfahrungen und Leiden. Immer gut, wenn man es überstanden hat. — Meine Kinder sollen nichts weiter sein, als gut von Gemüt, von Magen und von Knochen. Wenn sie irgend etwas aus sich selbst produzieren, so ist mir das lieber, als wenn sie aus fünf Sprachen die Worte wissen; und wenn sie in ihrer Muttersprache etwas Gescheutes sagen, so ist mir das lieber, als wenn sie etwas Dummes griechisch oder lateinisch sagen. — Die armen Österreicher! Ich nenne sie bei aller Bevölkerung, bei dem Reichtum an Hülfsmitteln doch arm, wie die Spanier arm waren bei allem Gelde aus Amerika, weil sie keine Gabe der Natur, auch nicht das Metall, zum Guten zu machen vermochten. Die armen Menschen der ersten beiden Dezenien dieses Jahrhunderts! Und dazu gehören auch wir mit wenigen Ausnahmen. Wir sind wie die gescheuchten Tauben, und noch schlimmer, denn uns fehlen die Flügel. — Der Ostermesse ist wieder der Hals gebrochen. Bor lauter Eifer, den britischen Handel zu zerstören, wird

der Handel der übrigen europäischen Welt zerstört. Ist es nur ausgemacht, daß ein Staat keinen Handel und Wandel gebraucht, so ist alles ganz konsequent. Übrigens lebe ich des Glaubens, der Krieg wird nicht lange dauern, und mit drei bangen Monaten wird wohl alles abgetan sein, und die Geographie wieder eine Ver­ änderung erleiden, wie der Gothaische Kalender.

Ich sehne mich, Sie einmal wieder zu sehen! Kommen Sie ja zur Messe, damit wir doch jemand haben, der den Leichenzug des literarischen Verkehrs mit verherrlichen kann oder auch mit lachen, wenn die Bücherwürmer gar zu erbärmliche Gesichter schneiden. Das tun nicht die edlen Menschen, die tief leiden und tragen; sondern die erbärmlichen, deren Romane, Komödien und Tage­ blätter Merkur nicht zu retten weiß vor dem gestiefelten und geharnischten Gott. Immerdar der Ihrige Göschen. Böttiger, der inzwischen zum Hoftat ernannt worden war, fühlte sich in seiner Dresdener Stellung am Pageninstitute und in der politischen Strömung, die zu jener Zeit in der sächsischen Hauptstadt herrschte, nicht behaglich. Die „Schulmeisterei", der er in Dresden etwas zu entgehen hoffte, hinderte ihn nach wie vor an der vollen Entfaltung seiner literarischen Neigungen. Er ergriff daher voll Eifer die 1805 an ihn ergangene Auf­ forderung, während der Wintermonate eine Reihe von Vorträgen über Archäologie und Kunstgeschichte des Altertums zu halten. Diese wissenschaftlichen Vorlesungen fanden während sieben Jahren

in Böttigers Wohnung*) statt und erfreuten sich eines lebhaften Zuspruchs von feiten des gebildeten Publikums der Residenz. Durch diesen Erfolg aufgemuntert, entschloß sich Böttiger, die gehaltenen Borträge unter dem Titel: „Andeutungen zu 24 Borträgen über die Archäologie im Winter 1806" im Druck *) Dem Coselschen Palais.

erscheinen zu lassen1). Seine Abhandlungen über Myron ver­ öffentlichte er im „Freimüthigen"2). Im Winter 1807—08 umfaßten seine Vorlesungen das mythologische Gebiet, und er beabsichtigte, diese Sammlung eben­ falls gedruckt herauszugeben. Diesmal bot er Göschen den Verlag an. Dieser zeigte sich jedoch abgeneigt, eine derartige Sammlung von in sich nicht zusammenhängenden Borträgen zu verlegen, und riet Böttiger, mit dem ihm zu Gebote stehenden Material lieber ein vollständiges, umfassendes Werk über die religiösen Anschauungen im Altertum zu verfassen. Bei dieser Gelegenheit schrieb er:

Ich habe das Gelübde getan, nichts als ausgeführte Werke zu verlegen und dafür zu bezahlen was recht ist. Über Andeutungen bloß halb ausgeführte (wie die Maler sagen) möchte ich nicht übernehnren, am wenigsten in der jetzigen Zeit. Was ich drucke, muß für eine bessere Zeit, das heißt, bleibend sein, weil die Gegenwart nicht lohnt. — Wollen Sie eine ausgeführte Geschichte der Religion der Alten bearbeiten, so bin ich bereit, sie zu verlegen, und Sie dürfen nur fordern. — Scheuen Sie sich für diese Arbeit? — Mein Gott, wie bemittelt sind Sie! und wie wissen Sie das alles zu gebrauchen und nutzbar zu machen für andere. Zeit und Ruhe, und Sie leisten ein köstliches Werk. Es wäre schade, wenn das bloße, leicht zusammen­ gefügte Materialien bleiben sollten, da ein ehrwürdiges, solides Monument Ihres Daseins und Ihres Wirkens werden kann, das Sie unter die Unsterblichen erheben müßte. — Doch ich höre auf, damit Sie mich nicht Schmeichler nennen. — Aber ausgeführt muß das Werk sein. Sonst benutzt ein anderer Ihre Ideen, Ihre Samm­ lung, Ihre Schätze und hat davon den Ruhm. Wenn man so weit hinein gekommen ist, wie Sie in den Vorrat, dann bedarf es nur noch Geduld und Besonnenheit, und das 1) Dresden, Arnoldische Buchhandlung. 2) „Myron und der athletische Kreis." Der Freimüthige. 1806, Nr. 85, 88, 90, 95, 97, 98.

Gebäude entsteht von selbst, ehe man dachte; und dann gehen Sie wie Gibbon*) vor seinem Volke in die heilige Natur und sind selig, wie er . . . Böttiger beherzigte Gäschens Worte und sah von einer weiteren Veröffentlichung seiner Vorträge in Buchform ab*2).3 * 5 Die Kinder der beiden Freunde waren herangewachsen. Böttiger hatte seinen Sohn Karl Wilhelm2) nach Leipzig gebracht, um ihn an der dorttgen Universität Theologie studieren zu lassen. Der Jüngling fand in Göschens Familie die herzlichste Auf­ nahme. Göschen erachtete im Jahre 1808 den Zeitpunkt für gekommen, seine Heranwachsenden Söhne: Georg Joachim2) und Wilhelm Heinrich2), die er für den Kaufmannsstand bestimmt hatte, in die Welt zu schicken und zu tüchtigen Kauf­ leuten in die Lehre zu geben. Den ältesten Sohn, KarlFriedrich, den „Fritz", behielt er zu Haufe. Dieser sollte dereinst die Buchhandlung des Vaters übernehmen. Den fünfzehnjährigen Wilhelm Heinrich brachte der Vater selber zu einem Geschäfts­ freunde nach Bremen, und Georg Joachim wurde zu einem Kaufmann nach Neapel geschickt. Für diesen letzteren erbat sich Göschen durch Böttigers Bermittelung ein Empfehlungsschreiben

*) Der englische Historiker Edward Gibbon (1737—1794) schrieb den größten Teil seiner berühmten „Geschichte des Verfalles und Unterganges des römischen Weltreiches" an den idyllischen Ufern des Genfersees bei Lausanne. 2) Böttiger hatte auch die Absicht, ein größeres Werk über die Religion des Altertums zu schreiben; 1812 sollte es fertig sein. Aber eine „Drangsalvolle Zeit" brach herein und verhinderte die Ausführung. Statt dessen gab er im Jahre 1826 den ersten Band seiner „Ideen zur Kunst-Mythologie" — abermals eine Samm­ lung gehaltener Borträge, darunter Wiederholungen von bereits 1806 veröffentlichten — heraus und widmete das Buch dem Pro­ fessor Heeren. In der Zueignung sagt er u. a.: „Indem ich dies schreibe, sitzt Ihr trefflicher Landsmann, mein langge­ prüfter Freund, der als Greis jugendlich tätige Göschen bei mir. O wären Sie der dritte bei uns!" Der angekündigte zweite Band wurde erst 1836, nach B.s Tode, von Julius Sillig herausgegeben. 3) Böttigers zweiter Sohn, der ant 15. August 1790 in Bautzen geboren war. *) Geb. 24. Dezember 1791. 5) Geb. 3. Juli 1793.

von dem in Dresden wohnenden französischen Gesandten Bourgoing. Näheres über diese Angelegenheit erfahren wir aus Böttigers Briefe vom 19. August 1808:

Mein geliebter Freund! Endlich kann ich mein Ver­ sprechen halten und Ihnen schicken, was Sie für Ihren lieben Georg wünschten. Unser würdiger Bourgoing hoffte immer bestimmte Nachrichten über das dort gebliebene französische Personal, seit auch dort so vieles geändert worden ist, zu erhalten. Allein wer mag den dunklen Rat ergründen, wer zaubert Wahrheit aus der Hölle Schlünden?

Am Ende hielten wirs fürs Beste, daß er die Brief­ form wähle und Ihrem Sohne selbst ein ostensibles Schrei­ ben zufertige. Hier ist es, wie er mirs gestern Abend ge­ schickt hat. Ich lege auch sein begleitendes Billet bei, damit Sie sehen, wie gut er sich auch in unserer Sprache aus­ drückt. Hoffentlich kommt dieser Brief noch nicht zu spät. Und wie fühlten Sie sich in der Wiege Ihrer Jugend, wie ging es Ihnen auf Ihrer Reise nach Bremen?

Aus einem Briefe des braven Heeren sehe ich, daß Sie mit ihm außer Göttingen zusammentrafen. Er beruft sich auf mündliche Unterredungen mit Ihnen, deren Resultate Sie mir mitteilen würden. Finden Sie eine Möglichkeit, ihn einmal noch für Leipzig zu gewinnen? Wenn nur der Boden nicht aufs neue unter uns wankte und einsänke! Hier ist seit acht Tagen alles in der bäng­ lichsten Ungewißheit. Französische Truppen rücken von allen Seiten in Sachsen ein, und unsere darauf noch gar nicht vorbereiteten Regimenter müssen über Hals und Kopf ein Lager beziehen, aus dem sie, Platz machend, eben so gut nach Polen detachiert, als gegen die öster­ reichische Grenze gebraucht werden können. Wäre das Ganze fürs erste auch nur Demonstration, so ist doch in

diesem Augenblick mehr Wahrscheinlichkeit für den Krieg. So viel ist gewiß, daß in Böhmen noch alles ruhig ist, und man kaum begreift, wie Österreich ohne Demoralisation seines Papieres — eines Gewaltstreiches, dessen freilich Franz II. nicht fähig ist — auch nur 14 Tage Krieg führen könne. Auch ist uns hier weit mehr vor einer dauernden Einquartierung, die man für unvermeidlich hält, als vor dem Ausbruch des Krieges bange. Unser Schutzengel ist unser guter König. Hören Sie, daß er nach Warschau reisen muß, dann kann Ihr Auge naß werden. Mein Karl rühmt mir sehr Ihre und Ihrer Frau Ge­ mahlin Güte und sein Entzücken über Ihr paradiesisches Hohenstädt. Unser ehrwürdiger Nostitz*) wollte noch vor Michaelis zur Revision nach Grimma kommen. (Die Kommission zur Revision der Universität kommt wohl erst zum November nach Leipzig.) Käme er nur nach Grimma, so würde er Sie gewiß auch in Ihrem Paradiese besuchen. Alle Welt spricht mit Entzücken von Ihrem Vitruv*2). Wenn nur die Sprecher auch Käufer würden! Ich habe verschiedene Anzeigen davon gemacht. — Wie geht es sonst in dieser Messe? Warten wir auf Manna und Wachteln, oder schnallen wir den Schmachtriemen um? Wie glücklich wäre ich, auf nur ein halbes Stündchen mit Ihnen und Freund Rochlitz sprechen zu können. Viel­ leicht schwatzte die Feder schon zuviel, und doch, wie vieles wäre noch auf dem Herzen! Jffland läßt Sie grüßen. Er ging hier durch zu Gastrollen nach Wtzn. Sein Be-

*) Gottlob Adolf Ernst Graf von Nostih, sächsischer Minister, der eine sehr segensreiche Tätigkeit in seiner Staatsstellung ent­ faltete. Als lyrischer Dichter bekannt unter dem Pseudonym Arthur von Nordstern. (1765—1836.) 2) Vitruvii Pollionis Marei de architectura libri decem. Ex fide librorum scriptorum recensuit emendavis, suisque et vivorum doctorum annotatiönibus illustravit Jo. Gottlob Schneider. 1807—1808.

tragen in Berlin und seine unerschütterliche Treue für

den König flechte ihm Bürgerkränze!

Unwandelbar treu

Balliger.

Auf dieses Schreiben antwortete Göschen am 26. August 1808: Mein verehrungswürdiger Freund!

Ich freue mich, daß Ihr Herr Sohn sich einigermaßen bei uns gefallen hat, um so mehr, da ich mir die Freiheit nahm, über einige Gefahren des jetzigen akademischen Lebens meine Meinung schlicht und stark zu sagen. Er schien sie mit einer Gutmütigkeit aufzunehmen, die mir

viel Freude machte. Schützt ihn ein guter Genius, so wird Ihnen dieser kräftige, empfängliche Sohn mit seinen herr­ lichen Anlagen viel Freude machen. Dringen Sie darauf,

daß er bald Maurer werde; für junge Leute ist eine gute Loge das herrlichste Schutzmittel, nach dem, was ich Un­

eingeweihter davon weiß. Komme ich nach Leipzig, will ich ihn suchen an mich zu ziehen und ihm mein; Haus angenehm zu machen. Wenn Gott uns nur Ruhe läßt, und die Begebenheiten uns nicht allzu sehr ängstigen. Ich kann Ihnen unmöglich etwas von meinem Auf­ enthalt in Bremen erzählen; einzelne Dinge würden Sie nicht befriedigen, und ein ganzes kann ich Ihnen nur "mündlich darstellen. Nur das: An keinem Orte habe ich eine so vernünftige Kultur gefunden und eine solche Treue und Beharrlichkeit in dem vaterländischen Charakter, der

bei den Bremern in Rechtlichkeit, Gutmütigkeit, Einfach­ heit der psychischen Lebensweise und in Tätigkeit besteht. Heeren lebt mit dem alten Heyne, und dieser in ihm und seiner Tochter sehr glücklich*). Er wird in Göttingen ge­ ehrt und geliebt. Sein Auditorium ist einträglich und ist

ihm lieb.

So lange also Heyne lebt, wird er Göttingen

*) Heeren war ein Schwiegersohn des Professors Heyne in Göttingen.

schwerlich verlassen.

Aber wenn dieser einmal ihn und

die Welt verläßt, so kommt er vielleicht nach Leipzig. Ich habe ihm bemerkbar gemacht, daß die Stellen bei der Leipziger Universität mit gewissen Einkünften verbunden sind, die nicht so zufällig sind, als die Einkommen von den Vorlesungen. Dieses und die politischen Verhältnisse scheinen ihm die Sache bedeutend zu machen. Aber, mein liebster Freund, ohne ein bedeutendes Gehalt und Vorteile von Kollegiatur usw. kommt er nicht. — Wollen Sie mich zum Mittelmann machen, so sagen Sie mir, was man für ihn tun kann. Jetzt ist aber doch wohl an nichts zu denken, da jeder wieder zittert, und eine heillose Wirt­ schaft keine wahre Kultur erlaubt, oder vielmehr unmög­ lich macht, etwas für sie zu tun. Verlassen Sie sich nicht auf das Papiergeld. 40 Millio­ nen Dukaten sind im Österreichischen Schatz bereit, und Tag und Nacht wird Gold und Silber gemünzt. So er­ zählen glaubwürdige Reisende. — Ich fürchte, Handel und Gewerbe und Nahrung werden, wenn das eintritt, was wir fürchten, auf dem literarischen Boden wenigstens, einen Hagelschlag bekommen. — Nie­ mand hat in neuerer Zeit, sowie die Vorfahren, Geld in Kassa; alles ist angelegt. Die Ernte im Lande ist nicht ergiebig. Lassen Sie noch Teuerung dazu kommen, so sind die Städte verloren. Eine solche Erscheinung, wie der vortreffliche Präsident Herr v. Nostitz, gehört zu den Segnungen, die Gott nicht alle Jahre einem Lande zuteil werden läßt. Wie vielen Dank bin ich Ihnen dafür schuldig, daß Sie mich diesem edlen Manne vor das Gesicht gebracht haben. Ich habe ihm versprochen, sobald ich Ruhe des Gemütes habe, zu prüfen, ob meine Ideen haltbar und ausführbar sind, oder gü schweigen, wenn ich Hindernisse finde, die ich nicht wegzu­ weisen weiß. Ich spreche von Gedanken zum Vorteil des Buchhandels.

Mein Georg wird heute in Zürich abreisen und bald über den Gotthard steigen. Ich werde ihm den gütigen Brief des Herrn v. Bourgoing nachsenden. Empfangen Sie meinen herzlichsten Dank dafür. — Unsre Fassung wird aufs neue stark probiert. Lassen Sie uns besonnen auf das resignieren, was nicht fest zu halten ist, und treu bleiben dem Guten, das uns niemand nehmen kann. Ich umarme Sie usw. Wenige Wochen später schrieb Böttiger:

Mein geliebter Freund! Mein Karl überbringt Ihnen dies Briefchen, indem er hier bei uns zu Besuch war. Er rühmte uns noch mündlich die wahrhaft väterliche Güte, die Sie ihm in diesem Sommer auf Ihrem lieblichen Landsitz bewiesen. Ich ergreife dankend Ihre Hand und drücke sie. Gönnen Sie ihm auch ferner einen Blick des Wohlwollens und gestatten ihm einigen Zutritt in Ihrem Hause. Sie haben jetzt Jfflanden in Leipzig gehabt. — So viel ich urteilen kann, betrug er sich bis jetzt des schönen Kranzes, den ihm einst in Leipzig die Erwähltesten dar­ boten, stets würdig. Er nahm die lockendsten Anträge in Wien nicht an und blieb der verdunkelten Sonne1) treu. Sahen Sie ihn oft? Man überhäuft uns hier mit Threnodien und Jeremiaden über das unerhörte Mißelend. Der Verständige konnte es aber gewiß im voraus berechnen. Geb' nur der Himmel, daß uns aus Erfurt Erlösung und Heil kommen^). Mir will das alles nicht recht zu Sinn. Wasser und Erde können, ohne sich selbst zu verlieren, nicht in Bund treten. Es wird Kot daraus. Und das soll doch jetzt zwischen Frankreich und England geschehen. — x) Berlin. 2) Böttiger meint den Kongreß zu Erfurt, der auf Napoleons Veranlassung im Herbst 1808 zusammengetreten war. BG 14

Was macht unser lieber Rochlitz? Grüßen Sie ihn nach deutscher Sitte mit traulichem Handschlag. Ich schreibe jetzt weit weniger Briefe, um mein bißchen Kraft für einige dauerhaftere Arbeiten aufzusparen. Er macht es wohl eben so. Darum ist unser Briefwechsel wohl etwas ins Stocken geraten. Aber es bleibt doch beim Alten unter uns. Sagen Sie ihm das! Wie geht es mit Ihren lieben Söhnen in Bremen und Neapel? Sagen Sie mir ein Wort darüber, der Vater dem Vater.

Mit unwandelbarer Freundschaft und Treue Böttiger.

Anfang November 1808 schrieb Göschen: . . . Seien Sie unbesorgt wegen Ihres lieben Sohnes. Er hat Leben, Verstand und Talente. Ich habe ihn noch letzten Sonntag bei mir gesehen, und er war herzlich froh, das ich für ein gutes Zeichen halte, wie sein frisches Aussehen in dieser der Gesundheit nicht vorteilhaften Pfützenstadt. — Seume leidet seit einigen Tagen. Sein Arzt hofft. Un­ glücklicherweise ist Seume zu herrisch in seiner Diät und macht manches dummes Zeug. — Schicken Sie mir doch das Porträt des Kurfürsten von Ritter gelegentlich, nebst Meldung des Preises. — Der Georg ist glücklich in Neapel angekommen. Sie können denken, daß ich darüber sehr glücklich bin. Mit Tränen der Freude lese ich in einem in diesem Augen­ blick ankommenden Briefe von seinem Vorgesetzten: Hoffen Sie vieles, hoffen Sie alles von Ihrem Sohne. — Jffland hat diese Messe über ganz vortrefflich, das Komische mit glücklicher Laune, das Tragische mit tiefer Kunst und tiefem Gemüt gespielt. Lear und der Geizige haben auf ganz verschiedene Weise das ganze Haus er­ schüttert. In jenem war kein Auge ohne Tränen, in

diesem kein Mund ohne Lachen.

Ich habe wegen der

Messe nur den Geizigen gesehen; Jffland nur einigemal, aber nie so herzlich und heiter gesprochen, als dieses Mal.

Welch ein Patriot ist er! Er, der in den brillanten Tagen

Berlin nicht leiden konnte, hängt in den traurigen mit einer Feuerseele an der Stadt und an ihrem Regenten. —

Wem tut die Messe nicht weh? und wer sie gleich voraus­

gesehen hat, der kann doch dem Druck nicht entgehen und

die Seufzer nicht ersticken. Davon dürfen Sie aber nichts in der Allg. Zeit sagen. Das wäre nicht patriotisch. Trotz der Verlegenheiten vergeß' das gute Volk alles Leid über seinem König.

Man betet ihn an. —

Mein Sohn in Bremen greift tüchtig in das Leben und

hat die Gunst seiner Prinzipale. —

Ich bin nun wieder ein Kalender-Macher.

In der

Vorrede des Kriegs-Kalenders für alle gebildeten Stände werden Sie seine Entstehung ersehen. Im August ist das

Ding entworfen und im November ist es schon fertig,

und nicht schlecht, sondern geistreich und solide. Künftiges Jahr soll er aber wunderschön werden. Da habe ich Zeit.

Sie lesen alles. Wenn Ihnen eine glückliche Idee aus

den Zeitläuften kommt, so teilen Sie mir solche mit. Wie brächte man wohl unsern König in ein interessantes Bild. Von Erfurt mag ich nichts bringen. Da werden Sudeleien

genug erscheinen.

Hat man ein ähnliches Porträt von

ihm in Kupfer gestochen in seinem jetzigen Alter? . . . Durch den lauen Geschäftsgang und besonders durch den langsamen Verkauf der gediegenen Werke seines Berlages wurde Göschen gezwungen, sich noch eine Einnahme nebenbei zu schaffen.

Er kam daher auf die Idee, den „Kriegs-Kalender für gebildete Leser aller Stände" zu gründen, ein Taschenbuch, welches be­ stimmt war, bemerkenswerte Zeitereignisie in Wort und Bild zu behandeln. Göschen hoffte, durch reichlichen Absatz des Kalenders mehr Gewinn zu erzielen und sich auf diese Weise für seine sonstigen empfindlichen Verluste einigermaßen zu entschädigen.

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Ein Buch mit vorwiegend politischem Inhalt war aber in jener Zeit ein heikles Unternehmen. Denn die Artikel sollten in erster Linie dem patriotischen Empfinden des deutschen Volkes Rechnung tragen, jedoch dabei nichts Verletzendes für die anderen Nationen — namentlich für Frankreich — enthalten. Göschen erbat sich deshalb bei der Zusammenstellung des „Kriegskalenders" vertrauensvoll den Rat seines Freundes Böttiger, der als Redakteur und Herausgeber mehrerer Zeitschriften — sowie auch durch seine Freundschaft mit dem in Dresden lebenden französischen Gesandten Bourgoing — einige Fühlung mit den maßgebenden politischen Kreisen hatte. Wir sehen also Göschen und Böttiger abermals mit einer gemeinsamen Arbeit beschäftigt. Mit Rat und Tat unterstützte Böttiger den Freund, obwohl er mit seinen Mahnungen zu Vorsicht und Duldsamkeit mit Göschens „Draufgängernatur" oft in Kollision geriet. Böttigers Briefe vom 18. November 1808 entnehmen wir:

Mein innigstgeliebter Freund! Wie soll ich Ihnen die

Liebe verdanken, die Sie meinem Karl, wie ein zweiter

Vater, beweisen! Er schreibt mir, überfließend von Dank, daß ein solcher Abend, wie Sie ihm erlaubten, in Ihrem edlen Familienkreise zuzubringen, einen Monat Arbeit ver­

süße*).

Tun Sie an ihm, was Sie glauben, bei sich

selbst verantworten zu können. Wenigstens verschwenden Sie Ihre Güte an keinen Undankbaren. —

Ihr Kriegskalender muß ja wohl nach allem, was ich davon errate und lese, ein Leckerbissen für unsre ver­ wöhnten Leckermäuler sein.

Der Himmel schenke Ihnen

dadurch einen guten Weihnachtsbraten. Sie sind ein guter

Mann und lassen auch andere mit essen! Anbei erfolgt das besprochene Porträt unsres Königs, kein Meisterstück der Kupferstechkunst, aber bei weitem

*) Welchen tiefen Eindruck Karl Wilhelm Böttiger an jenem Abend in Göschens Familienkreise empfangen hatte, geht am besten daraus hervor, daß er jenes geselligen Zusammenseins in dem von Ed. Duller 1836 herausgegebenen „Phönix" erwähnt und darin den anregenden Abend eingehend schildert.

das ähnlichste, das ich bei Rittner selbst ausgesucht habe. Haben Sie Absichten auf ein literarisches Denkmal auf unsern König, so verraten Sie mirs. Sie müssen wissen, daß ich nicht ganz unvorbereitet auf eine Denkschrift der Art bin. Viele Sachen lassen sich durchaus nur hier in Dresden sammeln. Er ist der Schutzgott unsres Vater­ landes. Seiner Persönlichkeit verdanken wirs allein, daß wir nicht gar aus sind. — Sie sind kein Freimaurer. Aber Sie sollen doch das Lied lesen, das unser edler Präsident von Nostitz für die Einweihung unsres neuen Logenlokals vorigen Mittwoch dichtete. Es waren da an 200 brave Männer, viele in den ersten Staatswürden, sehr einträchtig beieinander. — Seumen — ich lese eben ein sehr braves Gedicht von ihm im Morgenblatt *), — grüßen Sie aufs herzlichste, so auch den lieben, guten Schnorr. — Es lebe unser Georg, der Neapolitaner!

Unwandelbar treu

Ihr Böttiger. Göschens Antwort vom 20. Dezember:

. . . Ich danke Ihnen herzlich für das Porträt von unserm König. — Es soll eine Szene geben für den künftigen Kalender, (1810) nämlich- wie ihm nach seiner Zurückkunft aus Erfurt die Leipziger drei Bürgerkinder ein Gedicht überreichen. Wollen Sie mir dazu einen kleinen Aufsatz über seine Regenten- und Menschen-Tugenden liefern, so wäre das etwas Schönes. — Einige wahre Anekdoten bei Erwähnung seiner Tugenden dürfen Sie nicht vergessen. — Ich danke Ihnen auch dafür herzlich?). x) „Aufmunterung" in Nr. 262 vom 1. November 1808. 2) „Friedrich August, König vonSachsen, Herzog vonWarschau". Kriegskalender von 1810. ©.33 ff.

Seume befindet sich erträglich; aber bis er nach Eger kann, wird die Krankheit nicht behoben. — In der Leipziger politischen Zeitung x) werden Sie wohl Herrn Herzog Davoust als Kritiker und Philosoph mit dem Schwert bewundert haben. Der regiert nun in Deutschland und hält Aufsicht über die Produkte der Presse, Gazetten und Journale. — Es soll ein vortreff­ licher Herr sein. Die Schreiber werden sich Wohl nun in Acht nehmen, und die Schwätzer vorsichtig werden, da ihnen jemand auf dem Dache sitzt. — In acht Tagen wird Woltmanns?) Geschichte desWestphälischen Friedens als der 3. Teil von Schillers Krieg bei mir fertig. Das ist ein Leckerbissen und ein Ärgernis für Cotta, wenn er etwa auch dieses Schillersche Werk verkaufen wollte, besonders. — Das bleibt unter uns. —

Die hier folgende Nachschrift des Briefes dürfte einige Tage später geschrieben worden sein:

Ihr lieber Sohn befindet sich wohl. Vor einigen Tagen sind wir einen Abend vergnügt miteinander gewesen. — Um unsern Reinhard31) 2und um das Hören seiner vor­ trefflichen Predigt bin ich durch meinen Hausarrest ge­ kommen. Schon hatte ich mich angezogen, eine Pelzmütze auf dem Kopfe und einen dicken Pelz um meine Schultern, und wollte eben die Treppe hinunter, um dem Herrn Oberhofprediger und dem Herrn v. Nostitz aufzuwarten, als mein Doktor mich attrapierte und mit den Worten zurückdonnerte: Wollen Sie sich eine Lungenentzündung holen? — Es liegt mir viel daran, daß Sie dieses den beiden Herren sagen. Ich bin wahrlich nicht ihr letzter 1) „Leipziger Zeitung", Nr. 238 vom 5. Dezember 1808. 2) Karl Ludwig von Woltmann, Historiker. (1770—1817.) Als Fortsetzung von Schillers: „Geschichte des dreißigjährigen Krieges" wurde Woltmanns „Geschichte des westphälischen Frie­ dens" jedoch ohne Wissen des Verfassers bezeichnet. $1) Hofprediger in Dresden.

Verehrer, aber eine Lungenentzündung im 58. Jahre ist etwas, dafür man Respekt haben muß. Seume wird bald besser, bald schlimmer. Diese Ab­ wechslung ist mir gar nicht lieb. Seit einigen Tagen ist er wieder sehr schwach. Da ich niemand gesehen habe seit drei Wochen, so weiß ich noch nicht die Stimmen im Publico über Reinhards Predigt. Meine Hausgenossen, die ihn alle hörten, sind entzückt davon . . . Am Silvestertage 1808 dankte Göschen seinem Freunde für dessen Glückwünsche zum Jahreswechsel:

Ihr herzlicher Gruß zum Neujahr wird in meinem Herzen nicht verhallen. Ich erwidere ihn aus dem In­ nersten meiner Seele, und es soll nie anders mit uns beiden werden, die Welt mag werden wie sie will. Sie meinten, ich müßte Maurer werden. Aber, mein trefflicher Freund, ich glaube, ich bin es, ohne ein Mit­ glied des Ordens zu sein. Wahrheit, Recht, Licht und Liebe für meine Brüder auf der ganzen Erde suche und übe ich nach meinen Kräften. Das Übrige kann ich nicht mehr leisten, weil ich zu alt und baufällig bin. Sie müssen mich als eine alte Weide am frischen Wasser ansehen; sie treibt nur noch schwache Locken und einige grüne Blätter. Bald wird der Staub oder der Moder, der sich in ihr sammelt, nur noch zu gebrauchen sein für meine Kinder, um einige Blumen hineinzupflanzen. Ein Maurer muß rüstig und kräftig eingreifen können; sonst ist er zu weiter nichts nütze, als zu einem Lückenbüßer. — Das ist wieder einmal ein treffliches Lied von dem trefflichen Dichter Nostitz. Sagen Sie ihm, daß es mich entzückt hat. —

Seume ist seit einigen Tagen wieder recht lebendig; aber so sehr wir alle hoffen, vor dem Sommer ist keine Genesung. Die Krankheit nennt man Blasenschwindsucht.

So schrecklich der Name ist, so soll sie doch nicht unter die gehören, wobei man an der Kur verzweifeln muß. —

Die Szene von unserm guten Fürsten muß ich Ihnen, so bald ich sie erhalte, in der Zeichnung senden; denn da das Blatt gemalt wird, so würden Sie bloß Umrisse sehen.

An die Beschreibung dieser Szene würde sich dann der Panegyrikus auf den König anschließen. — Ich habe die Potockische Rede*) nun vollends gelesen. Die Materialien

sind gut zusammengetragen und einige Stellen schön aus­ geführt. Aber dem Ganzen fehlt der Strom der Rede, die unaufhaltbare Kraft und das Stetige. Viele Tugenden gehören der Nation. Aber die wahre und glückliche Größe des Regenten besteht darin, daß er die Tugenden i>er

Nation erkennt und ihr ein heilsames Ziel setzt und den Lauf derselben dahin zu lenken weiß. — Diese Größe hat unser König. Seine Nation ist fleißig, rührig, erwerbsam, frugal und unternehmend. Sie liebt Tätigkeit, Ordnung und ihren Herrn und ist frei von allen Fehlern eines düstern, trägen Volkes. —

Völliger und Göschen wünschten lebhaft, den in Göttingen wohnenden Professor Hermann Ludwig Heeren in ihre Nähe zu ziehen, und boten alles auf, um Göschens Jugendfreund dahin zu bewegen, den an ihn ergangenen — jedoch noch nicht in bestimmter Form ausgesprochenen — Ruf an die Leipziger Universität anzunehmen. In bezug hierauf schrieb Göschen in demselben Briefe an Böttiger: Ich will Ihnen eine Stelle aus Heerens letztem Briefe abschreiben vom 25. Dez.: „Ihr Hofrat Böttiger hat kürz­ lich an Heyne geschrieben. Wir wollen die Sache jetzt ruhen lassen und abwarten, was die Zeiten bringen. Ich habe nämlich eine Einladung ins südliche Deutschland.

*) Die Rede des Grafen Stanislaus Potocki, die dieser bei der öffentlichen Sitzung der „Gesellschaft der Freunde der Wissen­ schaften" in Warschau am 10. November 1808 in Gegenwart des Königs gehalten hatte, war von Böttiger in seinem Aufsatz über Friedrich August im „Kriegskalender" 1810 eingeflochten worden.

Aber mein Sinn trug mich nicht dahin, und ich habe ab­ gelehnt." Diese Zeilen begleite ich nun mit meiner Bemer­ kung: Nach Süd-Deutschland steht nicht sein Sinn; aber wenn er Sinn dahin gehabt hätte, würde er vielleicht den Ruf angenommen haben. Ist es also Ernst, ihn herzu­ ziehen, so wäre ein bestimmter Antrag wahrscheinlich nicht ohne Erfolg. Nur die Trennung von Heyne, fürcht' ich, kann sein Herz nicht ertragen, und schreckt ihn ab. Aber die Lampe flammt nicht mehr von neuem Ol. Ach! auch sie wird bald verlöschen, eher, als der gute Sohn es fürchtet . . .

1809. Außer dem „Kriegskalender" verlegte Göschen in den Jahren 1810 und 1811 den von zwei in Rom lebenden Deutschen, Sickler und Reinhart*), herausgegebenen „Almanach aus Rom für Künstler und Freunde der bildenden Kunst." Böttiger, der sich

hier auf seinem Lieblingsgebiete bewegen durfte, verbesserte für dieses Buch manchen von Sickler gelieferten archäologischen Bei­ trag und war wohl imstande, dem Verleger bei den Vorarbeiten mit seiner reichen Erfahrung hilfreich zur Seite zu stehen. Die Ostermeffe des Jahres 1809 war wieder schlecht ausge­ fallen, und Göschen ermahnte Böttiger, der seinen alljährlichen Bericht hierüber in der von Cotta herausgegebenen „Allgemeinen Zeitung" —jedoch, wie immer, ohne Hinzufügung seines Namens — veröffentlichte, die Ausführungen darin recht vorsichtig ab­ zufassen, um nicht noch mehr Beunruhigung unter den Geschäfts­

leuten hervorzurufen:

Vom Buchhandel können Sie weiter nichts sagen: als daß die Buchhändler gar keine Messe gehabt haben. Seit dem Ausbruch des Krieges mit Österreich hörte aller Verkehr auf. Die besten Handlungen empfinden den Druck der Zeit. Aber der Friede wird sie wieder auf­ richten. Demungeachtet ist ein Meßkatalog erschienen.. Wenn Sie aber die zukünftigen Bücher daraus wegnehmen und die Bücher mit neuen Auflagen, NB. des Titels, *) Friedrich Karl Ludwig Sickler, Altertumsforscher, geb. in Gräfentonna (Herz. Gotha) 1773, lebte von 1806—1813 in Rom und starb 1836 in Hildburghausen als Direktor des dortigen Gymnasiums. — Johann Christian Reinhart, Landschaftsmaler und Radierer, geb. in Hof i. Bayern am 24. Januar 1761, stu­ dierte in Leipzig zunächst Theologie, bildete sich aber später unter Oesers Anleitung zum Maler aus und ging 1789 nach Rom. Er starb daselbst am 8. Juni 1847.

so wird wenig übrig bleiben. — Sagen Sie aber das laut, was ich Ihnen ins Ohr sage, so verliert der Handel den Kredit, den er künftig braucht, und wird vollends ruiniert. Sie müssen die Hoffnung ja glänzen lassen ... Gegen den Inhalt des „Kriegskalenders" von 1809 hatte sich von verschiedenen Seiten Widerspruch erhoben; namentlich zeigte sich bei Beurteilung dieses Taschenbuches der französische Gesandte

am sächsischen Hofe sehr engherzig. Bourgoing hatte sonst der deutschen Literatur äußerst wohlwollend gegenübergestanden. Böttiger hielt es für geboten, sich die Gunst des Franzosen nicht zu verscherzen, überhaupt seine freundschaftlichen Beziehungen zu Bourgoing nicht erkalten zu lasten. Er war in mehr als einer Beziehung von dem einflußreichen Staatsmann abhängig. Er war nicht nur Mitarbeiter an verschiedenen Zeitschriften, sondern auch Herausgeber mehrerer Journale und war sich der Gefährlichkeit eines solchen Berufes bewußt. Politisch gefärbte Artikel mußten in jenen stürmischen Zeiten mit äußerster Vorsicht abgefaßt werden, und seine innerste Überzeugung durfte niemand offen aussprechen. Ein derartiges behutsames Vorgehen, eine solche „Leisetreterei" — wie er sich ausdrückte — widerstrebte Göschens gerader Natur, und er erklärte sogar — als er sich deswegen einmal in be­ sonders gereizter Stimmung befand — unter solchen Umständen den „Kriegskalender" lieber nicht fortsetzen zu wollen. Hier war der Punkt, wo die beiden Freunde nicht immer derselben Meinung waren. Schließlich sah Göschen aber doch ein, daß er sich fügen und seine patriotischen Gefühle den Zeitumständen anpaffen mußte.

Für den „Kriegskalender" von 1810 verfaßte Böttiger den Aufsatz: „Napoleon und Wieland", in welchem er Wielands Scharfblick in der Politik rühmte und die Zusammenkunft des greisen deutschen Dichters mit dem Kaiser der Franzosen in Weimar schilderte. Böttiger erachtete es für notwendig, den Artikel vor dem Erscheinen des Buches dem „Vater Wieland" zur Begutachtung vorzulegen. Göschen war aber anderer Meinung und weigerte sich, den Wunsch des Berfasters zu erfüllen. Dieser schrieb am 23. Juli 1809 aus Dresden:

Man schildert Sie mir mit dicken Knieen*), — das ist im Homer 2) ein Zeichen des Hungers, wofür uns Gott bewahre! und gequetschte Zeigefinger — das geschieht sonst nur den falschen Anzeigern. Aber so geht es unter dem Monde. Die Unschuld leidet, was eigentlich nur der Schuld bestimmt sein könnte. Hier ist die Revision der zwei Bogen nebst meinem Manuskript zurück. Was meinen Sie? Wenn Sie einen Reindruck von diesen zwei Bogen machen lassen können, so sollten Sie sie doch wohl geradezu an Vater Wieland schicken und sagen: seht, das haben wir vor. Unmöglich kann er diese ihm wirklich nur zur Ehre gereichende Huldigung anders, als sie gemeint ist, aufnehmen; und dann ist es doch diskret, ihm auch vor der Erscheinung die Erstlinge gegeben zu haben. Der alte Herr ist zuweilen wunderlich. Er würde sagen: Aber mein Freund Göschen hätte mir doch ein Wörtchen ins Ohr sagen sollen. — Ganz vorher konnte er's freilich nicht erfahren, denn da mußte er dagegen protestieren. Nun es geschehen ist — nein, er kanns nicht übelnehmen. — Schicken Sie mir doch auch ein paar Aushängebogen nebst zwei Kupferstichen. Ich vermute, der edle Bourgoing ist in 14 Tagen mit unserm ersehnten König wieder hier, und dem möchte ichs gern geben. Mein Karl schreibt mir mit inniger Freude von seiner Herz und Geist erhebenden Villegiatur in Ihrem para­ diesischen Hohenstädt. Ich bleibe ewig Schuldner für alle Liebe, die Sie ihm beweisen. Mag er sie verdienen! — Das große Trauerspiel ist wieder einmal in einem Hauptabschnitte geendet. Nun gehen wieder auf einige Zeit die Intermezzos an. Geben Sie Acht, wie der *) Göschen war im Laufe des Sommers 1809 von seinem Gicht­ leiden besonders arg geplagt worden. 2) Vielleicht scherzhafte Anspielung auf Ilias XIX, 166, Odyssee XIII, 134 usw.

Frieden schließende Sieger Galizien verteilt. Das gibt den Schlußakt auf das Trauerspiel, das nun folgen wird. Sie müssen vor allen Dingen zu Ihrem historischen Ka­ lender einige Szenen aus Wien haben. Die drei Brücken, die des Trajans, des Cäsars und Napoleons über die Donau und über den Rhein, gäben eine herrliche Parallele. Wenn man nur geschwind eine Zeichnung von der letzten hätte! Mein Freund v. Rühl^) könnte sie mir verschaffen. Man sollte sie mit Gold aufwiegen. Ich umarme Sie und Ihre edle Lebensgefährtin. Unser Räcknitz wird nun Exzellenz und erster Marschall. — Was macht der Bremer und der Neapolitaner? — Es gibt wohlunterrichtete Leute, die daran zweifeln, daß auf den Waffenstillstand ein Friede folgen werde. Diesen Brief beantwortete Göschen erst am 2. Oktober 1809 und gab darin eine Erklärung für seine Saumseligkeit:

Bis jetzt stand ich immer in Gefahr, noch nach Töplitz zu müssen. Dahin hatte mich der Arzt gewiesen. So traurig es auch für mich gewesen wäre, so hätte ich Sie doch, als ein Trost im Leiden, gesprochen. Deshalb schrieb ich bis jetzt nicht. Aber ein Schwefelbad hier in Hohenstädt hilft sicherlich auch. Als ich mit meiner Kur durch war, kamen die Prinzen des Sächs. Hauses zu meinem Nachbar Vollsack?) nach Böhlen, einige hundert Schritte von Hohenstädt, und da habe ich meinem Freunde bei seinen Festen mit unter» *) Nicht der Historiker Christian Friedrich Rühs — wie Vis­ count Goschen in der Biographie seines Großvaters (deutsche Ausgabe, Bd. II, S. 274) annimmt — ist gemeint, sondern Rühle v. Lilienstern, der spätere Generalstabschef der preußischen Armee. Er war seit 1807 Major und Kammerherr des Prinzen Bernhard von Sachsen-Weimar, mit dem er größtenteils in Dresden lebte und den er 1809 auf den Feldzügen des sächsischen Armeekorps gegen Österreich begleitete. 2) Georg Christian Vollsack, Kaufmann und Ratsherr in Leipzig, Besitzer des Rittergutes Böhlen.

stützen müssen. Die Prinzen sind dort zu Wasser und zu Lande mit Versen und Vorstellungen unterhalten worden, und es schien, als wären sie sehr vergnügt. Ich hatte dabei in einer Hütte inmitten einiger mächtigen Felsen in einer abgelegenen Gegend neben einem Wasserfall einen Einsiedel zu machen und bin nachher vom Prinzen Anton und Friedrich sehr gütig behandelt worden. — Endlich erfülle ich Ihren Wunsch und sende Ihnen zwei Abdrücke von Wieland und Napoleon nebst dem Bilde. — Wir hatten den alten Vater völlig nach dem Sächsischen Hofkostüm angezogen, aber er sah bei seiner dünnen Figur gerade aus wie ein Schulmeister und mußte wieder aus­ gezogen werden. Viele haben das Bild gesehen, und es ist nicht ausgefallen. Die Kunst muß die Etiquette ver­ bannen, und es gelingt ihr gewiße). — Dem alten Vater schicke ich den Kalender nicht eher, bis er fertig ist. Er kann dann Stein und Bein darauf schwören, er habe nichts von dem Kupfer gewußt. Eigent­ lich müßte er protestieren, sobald er etwas davon erfährt, weil die Sache zu ehrenvoll für ihn ist. Das Ehrenvolle aber verliert, wenn er zugegeben hat, daß er vorgestellt werde. Er muß keine Sylbe davon gewußt haben, bis der Kalender ausgegeben wird. Ich danke Ihnen herzlich für das Gedicht von Arthur?). Ach es ist so schön! Ich habe es nur noch zuletzt anbringen können, weil der Kalender schon so weit abgedruckt war. Sie meinen es gut mit mir, indem Sie mich spornen, Rühl um die Beschreibung der Schlachten an der Donau zu bitten. Aber es geht nicht. Erstlich habe ich schon 26 Bogen voll, — und der zweite Grund, warum ich an In Wirklichkeit trug Wieland bei seiner Begegnung mit Na­ poleon kein Hofkleid, sondern seinen einfachen schwarzen Anzug. Er wurde auf Napoleons Geheiß aus seiner Wohnung geholt und hatte keine Zeit, die Kleider zu wechseln. 2) „Die Waisen des Kriegers", Gedicht von Arthur (Graf von Nostitz). Kriegskalender 1810, S. 389.

Rühl nicht schreibe, ist, Rühl kann und darf nur wahr schreiben, und Wahrheit darf ich ja nicht drucken. — Rühl hatte mir auch für diesen Jahrgang die Redaktion ver­ sprochen, aber seine Reise zur Armee hat ihn abgehalten. So habe ich denn den bunten Strauß selber gewunden; und ich denke, manche Nase wird darin etwas für sich finden. Die Hauptidee, die ich bei dem künftigjährigen Almanach habe, ist, statt der brühwarmen Gerüchte an Neuigkeiten, die jedes Tageblatt erzählt, mehr solide, doch populäre Darstellungen der merkwürdigsten neuesten Ereignisse zu geben. In dem künftigen Jahrgang kann vielleicht der Übergang über die Donau und die Schlacht, die der alte Flußgott beweint, würdig dargestellt werden und den Hauptinhalt ausmachen. — Ich schicke Ihnen den Herzog von Braunschweig*) mit. Man mag ihn aufnehmen wie man will; ich habe den Aufsatz geschrieben. — Ich tue mir etwas darauf zu Gute. — Übrigens, was ich Ihnen sage, soll niemand anderes wissen, und so belieben Sie den Brief zu zerreißen. Ich werde Ihnen drei Kriegskalender senden, einen für Reinhard, einen für Nostitz, einen für Sie. Dem Herrn Bourgoing dürfen Sie keinen geben, weil Sie ihn nur kompromittieren würden. Gebet dem Kaiser was des Kaisers ist, folglich gebt ihm nicht — pp. — wiewohl Woltmanns „Idee" eine wahre Verklärung des französischen Systems und Rehfues' spanischer Krieg ein Eloquium des Unternehmens in Spanien ist, das die Spanier selbst bekehren könnte ..." Böttiger hegte wegen seines Aufsatzes im „Kriegskalender": „Napoleon und Wieland" einiges Bedenken, weil zum Schlüsse darin der Satz vorkam: „schmücken hier die Orden den Mann, *) „Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog vvnBraunschweig,"S.57ff.