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German Pages 51 [56] Year 1874
Wieland und
Georg Joachim Göschen.
Karl Büchner.
Stuttgart. G. I. Göschen'sche Berlagshandlung. 1874.
Druck von B. G. Tenbner in Leipzig.
Vorbemerkung.
Zu seiner Biographie Wieland'S benutzte Gruber u. A. eine Anzahl von Briefen, welche der Dichter nach und nach an seinen Ber leger Göschen richtete. Wohl nur unabsichtlich ließ er dabei 148 Schriftstücke unbeachtet, die sich daraufhin bis jetzt noch unbenutzt im Besitze der Göschen'schen BerlagShandlung erhalten haben. Ob dies ein guter Zufall war, mögen Einsichtige entscheiden. Genug, daß auf diesen immerhin stattlichen Rest unbenutzten Stoffes, den sein Besitzer, Herr Ferdinand Weibert (G. I. Göschen'sche Ber lagShandlung) dem Berfaffer freundlich zur Benutzung bot, sich die nachfolgende Arbeit stützt. Weitere- lieferten noch außer dem WerkeGruber'S und Wieland'S sonst gedruckten Briefen die Schreiben, welche der Dichter nach dem Tode Reich'- an die Weidmannsche Buchhandlung gerichtet hat. Sie stellte al» willkommene Ergänzung nebst manchem auf den Prozeß Göschen-Weidmann sich Beziehenden und dem alten Hauptbuch der Firma Herr HanS Reimer (Weidmann sche Buchhandlung) zur Verfügung. Auch die kleine Schrift von Lorenz über Göschen bot Einiges. Der Berfaffer sieht hiermit eine Aufgabe durchgeführt, die ihn schon lange wenigstens in Gedanken beschäftigt hat. Ein Schriststellerleben von seltener Länge, Fruchtbarkeit und Bedeutung Büchner.
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2 liegt nun, so weit eS literarisch-buchhändlerisch von Interesse ist, dem Beschauer frei vor Augen. „Wieland und die Weidmannsche Buch handlung" knüpft den Faden der Erzählung an die Jugendperiode unser- Dichters an, geleitet ihn aus der Schweiz nach Biberach, aus seiner Vaterstadt nach Erfurt und Weimar, wo er den Höhepunkt seiner Bedeutung erreicht. Mit Reich's Tode nimmt dann Göschen den Faden auf, eS folgen die Jahre des höheren Mannes- und Greisenalters, denen vorliegende Arbeit gewidmet ist. Möchte dieser neue Versuch, einen bedeutenden Schriftsteller int Verkehr mit dem Buchhandel zu zeigen, freundliche Theilnahme bei Genoffen und Nichtgenoffen finden. Gießen, Anfang Juli 1874.
Dr. Karl Büchner.
Die Herzogin-Regentin Amalie von Sachsen-Weimar hatte im Jahr 1772 den Professor Wieland als Erzieher ihres ältesten Sohnes, des Erbprinzen Karl August, von Erfurt nach Weimar berufen und Wieland war diesem Rufe gern gefolgt. „Der junge Fürst, bei dem ich bin", schreibt der Dichter in seiner ersten Weimarer Zeit an I. G. Zimmermann, „wollte schlechterdings einen Dänisch ntenbe*) für seinen eigenen Leib haben; er erbat mich von seiner lie benswürdigen Mutter und da seine Wünsche mit den ihrigen nie besser zusammengetroffen hatten, so winkte man mir und ich kam." Der neue Wirkungskreis, in den Wieland trat, war so er wünscht wie möglich und das umsomehr, als die Beschäftigung des Prinzenerziehers noch manche Stunde des Tages für die Familie übrig ließ. Und für private literarische Thätigkeit. Denn als ver ständiger Hausvater zog unser Dichter die Aussicht auf weiteres Wachsen des Familienkreises in weise Berechnung. Aus dieser und der Freundschaft mit F. H. Jacobi entsprang der deutsche Merkur, der, was er nach Abzug der unumgänglich nöthigen Kosten einbrachte, vollständig 'seinem Herausgeber eintragen sollte. Denn dem Buch handel war beim Merkur nur die Rolle des Commissionärs zu gedacht. Als mit dem Ablauf des Jahres 1774 und den Reisen Karl August's und seines Bruders Konstantin Wieland's eigentliche Er zieherthätigkeit ihr Ende erreicht hatte, folgten im Weiteren Jahre voll behaglichen Stilllebens für den Dichter. Dem genialischen Treiben des jungen Hofes ferner stehend, jedoch nicht aus Uebel; *) Doctor Danischmende, Hofphilosoph Schah-Gebals, eine Figur in Wieland's Goldnem Spiegel.
4 wollen, sondern in der richtigen Erwägung, daß alle- seine Zeit habe, auch die Tollheit der Jugend, lebte nun Wieland mehr noch als früher seiner Familie und sich, ein in Deutschland wohlberühm ter Mann. Seit der Zeit, da er ausging, in Norddeutschland einen Verleger zu finden, war manche- Jahr verfloffen; er hatte seitdem schon viele und hohe Honorare von Weidmanns Erben und Reich bezogen und das Haupt dieser hoch angesehenen Firma, Herr Phi lipp ErasmuS Reich, war ihm auch jetzt wieder, nach einer Unter brechung von einigen Jahren, der alte Freund und gutbezahlende Verleger geworden. Da trat eines Tages — April 1785 — bei Wieland ein junger Leipziger Buchhändler ein, in der Absicht, mit dem berühmten Dich ter eine geschäftliche Verbindung zu knüpfen. Wieland aber wich den Vorschlägen, die ihm gethan wurden, aus. Solange Reich lebe, sagte er, werde er an den^bestehenden Verhältnissen jedenfalls festhalten. ES entspann sich dann weiter ein Gespräch zwischen dem Dichter und dem jungen Leipziger, „aus welchem Wieland immer mehr erkannte, daß er keinen alltäglichen Buchhändler vor sich habe, sondern einen Mann voll Geist und vielseitigen Kenntnifien, der sich der Würde seines Berufes bewußt und entschlofien war, das Geschäft eines Buchhändlers in dem Sinn und Geist zu führen, wie Wieland selbst es hatte führen wollen, allerdings zum Gewinn für sich, aber auch stets zur Ehre für unsere Literatur, zum möglichsten Vortheil für die Schriftsteller und auch in typographischer Hinsicht zur Ehre Deutschlands". Noch waren Besuchter und Besucher in eifrigem Gespräch, als die Thüre sich öffnete und Wieland's Gattin eintrat. „In Augenblicken solcher Störung konnte nun Wieland sehr mißlaunig werden und ward eS auch jetzt. Die Milde und sanfte Heiter keit aber, womit die Gattin augenblicklich sich entfernte, entzückte den jungen Buchhändler und er brach in die Worte auS: Herr Hoftath, welch einen Eugel von einem Weibe haben Sie. Wieland sah ihn einige Augenblicke ernst atr, stand auf, ging auf ihn zu und sagte: Junger Mann, Sie sind fähig, den Werth dieses WeibeS zu erkennen, damit haben Sie auch mein Herz gewonnen. Hier meine Hand! Ist Reich gestorben, so wird kein andrer mein Verleger als Sie." So erzählt ©ruber. Der junge Buchhändler, der auf solche Weise Wieland's Herz gewann, war Georg Joachim Göschen. AuS Bremen gebürtig, hatte er nach Verlauf der Leh^- und ersten Dienerzeit vorübergehend in der Desiauer Gelehrtenbuchhandlung gearbeitet und schon damalS für eigene Rechnung BerlagSuntcrnehmungen gewagt. Nach seinem Abgang von Desiau hatte er sich dann in Leipzig etablirt und eben
5 im besagte« April 1785 war er auf der Äutorenjagd auch nach Weimar gekommen, wo er dann den Dichter deS Agathon zufällig von einer schwachen Seite zu fassen Gelegenheit fand. Denn die Hofräthin, die dem Gatten für gewöhnlich nichts war, als „die Mutter seiner Kinder", hatte durch die Macht der Gewohnheit all mählich einen großen und guten Einfluß aus diesen erlangt. „Niemand als sie, schreibt Schiller an Körner, die alle Ungeteilter abwartet, kann in seiner Atmosphäre dauern." Und andrerseits gehörte nicht viel dazu, wie Schiller bestätigt, den gutmüthigen Wieland zu er obern. So war es wohl denkbar, daß Jemand, der des Dichters Schwächen einigermaßen vorher kannte, sich rasch in seine Gunst zu setzen verstand. Um wie viel mehr ein Mann von der äußern Gehabung und innerlichen Bedeutung Göschen's. „ Göschen hat ihn auch gleich weggehabt", sagt abermals Schiller. Bor 17 Jahren, da Wieland's Arbeiten durch die Empfehlung Riedel's und Weiße's an Weidmann'- gelangten, hatten die Berhältniffe anders gelegen als sie jetzt lagen. Damals war nicht der Verleger der Suchende, sondern der Schriftsteller. Und so herzlich Reich bald aus der zurückhaltenden Stellung des Geschäftsmannes heraus und dem Dichter entgegentrat, so verlieren wir doch daS Gefühl nicht: Reich war seinem Freund Wieland in nicht Wenigem überlege«. Und Wieland, der dazu noch um 16 Jahre Jüngere, sah dies niohl ein. In dem freundschaftlichen Berkehr, wie da, wo ein mal der Zorn auflodert, erweist sich Reich als der, der seiner Ehre, wie der Ehre seiner Handlung nichts vergibt, der im schlimmsten Fall die sonst so werthe Verbindung mit unserm Dichter in die Schanze zu schlagen bereit ist. Wieland aber fügt sich dann regel mäßig, wenn auch mit einigem Brummen. Jetzt war dar ander». Jetzt erschien nicht ein auf den ersten Sprosien der Ruhmesleiter stehender Poet, einen gutzahlenden Ver leger zu suchen, sondern ein junger Buchhändler^ .ein Anfänger in des Worts verwegenster Bedeutung, der, um geschäftlich in die Höhe zu kommen, die Gunst berühmter Männer erstrebte. Daß der Mann auf solchem Rundgang auch zu ihm gekommen war, mußte Wieland wohl schmeicheln. Und das umsomehr, als der junge Buchhändler mit vieler Andacht und beisttmmender Geberde anhörte, waS sein Gegenüber vom Buchhandel redete, und von dem, waS dieser soll und nicht soll, als er auch die Gattin als einen Engel von einem Weibe pries. Dazu kam dann noch als nicht unwichttg, daß der Buchhändler in der That, auch abgesehen von seinen Ansich ten über Buchhandel und Hofräthin, ein Mann schien von vielen Kenntniffen und Geist und guten zeitlichen Mitteln.
6 So that Wieland einen Schritt, der ihm seine dermalige Ver bindung mit Reich und der Weidmannschen Buchhandlung nicht im geringsten gefährdete, ihm aber erlaubte, den- Gönner zu spielen. Das machte ihm selbst und auch seinem Gast Freude. Er, der Dich ter, durfte ja bei alledem doch der weiteren Zukunft ruhig entgegensehen. Reich war zwar ein alter Herr von 68 Jahren, aber noch sehr rüstig. Und waS konnte, bis er einmal starb, noch alles sich ereignen! Unter den Sorgen Wieland's war eine der geringsten gewiß die, ob sich das Verhältniß zu Herrn Göschen in Leipzig nicht vielleicht wie der vorzeitig zerschlagen könnte. Daß das nicht geschehe, war völlig Göschen's Sache.
Göschen aber war der Mann, das in unserm Dichter für ihn erwachte Gefühl der Hochachtung zu erhalten und zu nähren. Zu nächst war er Literaturfreund und als solcher ein eifriger Bewun derer Wieland's, des Poeten. Bei seinem Besuch hatte er dann ferner in dem verehrten Dichter eine höchst liebenswerthe Persönlich keit gefunden. Und eS ist daher wohl begreiflich, daß, als er nach seinem ersten Zusammentreffen mit Wieland aus Weimar ging, für ihn der Entschluß feststand, die neugeknüpste Bekanntschaft unter jeder Bedingung festzuhalten. Dies war die natürliche Folge rein menschlicher und buchhändlerischer Erwägung. So kam es, daß Göschen von da an unserm Dichter stets nahe blieb. Und da nichts Neues vom Dichter zu bekommen war, so erschien der CommissionSdebit des Merkur, den bisher Hoffmann'S in Weimar besorgt hatten, als erste Etappe zu Weiterem gar nicht zu verachten. Dieser BerlagSwechsel hatte mit Anfang' 1786 statt, ein halbes Jahr nach dem Göschen bei Wieland in Weimar gewesen war. Nach dem noch vorhandenen von Wieland und Bertuch einer seits und Göschen andrerseits unterzeichneten Vertrage erhielt der letztere für das Jahr 1786 800 Exemplare des Merkur 41% Thlr. netto in Commission*), um damit den Meßdebit zu bestreiten. Diese Anzahl war in Monatsheften, roh oder broschirt, franco nach Leipzig zu liefern. Remittenden durfte Göschen nur bis zur MichaeliSmeffe des laufenden Jahres annehmen und mußte gleich nach diesem Zeitpunkt die „Anzahl der wirklich gangbaren und nicht remittirten *) Der Preis des Merkur für Abonnenten war schon seit Jahren 3 Thlr. Da Göschen von jedem Exemplar 1% Thlr. abgeben mußte, so behielt er für sich und seine Unterabnehmer vom Buchhandel 1% Thlr. Später, als die Zeitschrift immer mehr an Abonnentenzahl verlor, erbot sich Göschen, den Debit gratis zu besorgen. Wieland lehnte diesen Borschlag als „allzugroßmüthig" ab, erklärte eS aber dankbar annehmen zu wollen, wenn ihm Göschen für da» verkaufte Exemplar l Thlr. 18 Gr. vergüte. (Ungedr. Briefe von W. an G. Nr. 86 vom 10. November 1796.)
7 Exemplare" in Weimar angezeigt werden. Die Remittenden konnte Göschen dann in der nächsten Ostermesse „in natnra, jedoch unbe schädigt und unaufgeschnitten" zurückgeben und in Gegenrechnung bringen. Zu zahlen verpflichtet war er jedenfalls in der Ostermefle 1786 die Summe von 300 Thlrn., je ein Viertel der Summe des Abgesetzten zu Johanni und Michaelis; der Rest aber war zuOstern 1787 fällig, jedoch „baar und exact, wobey die Zahlungstermine durch ihm noch außenstehende Reste anderer Buchhändler oder Jntereffenten keineSweges verzögert oder Caducitäten den Heraus gebern zugerechnet werden sollen". Daß neben dem von Göschen zu pflegenden Verkehr mit dem Buchhandel noch der unmittelbar von Weimar auS gepflogene mit den Postämtern herlief, ward noch beson der- im Vertrag bemerkt. Der Debit deS Merkur blieb vorläufig das einzige Bindeglied zwischen Wieland und seinem Schützling. Um so reger war der Ver kehr zwischen Wieland und Reich. ES erscheinen bei Weidmanns ei nige Bände der Auserlesenen Gedichte, die Kleineren Prosaischen Schriften, Horazen» Satiren, die drei ersten Theile der Damen bibliothek. Der Verlag de-Lucian wird von Reich übernommen und im Laufe eine» Jahre» eine Vorauszahlung von 1500 Thalern ge leistet. So wandert viel Geld von Leipzig nach Weimar, einmal ist Freund Reich selbst der ljeberbringer. Da kam der December 1787. Dessen erster Tag war Reich'71. Geburtstag, der dritte sollte sei« Todestag werden. Kaum eben erkrankt, starb an diesem Tag der. rüstige Greis. Die Handlung zeigte den Tod ihre» Leiter» Wieland an und dieser antwortete in aufrichtigem Schmerz. Die traurige Nachricht, meinte er, könne keinem von Reich'» Hinterbliebenen Freunden schmerzlicher sein al» ihm und er wünsche von Herzen, daß der ruhmvolle Platz, den der Todte unter den ersten Buchhändlern der Nation eingenommen, auf eine würdige Art wieder au-geflillt werden möge. „Die Lücke, die fein Hinscheid in der Zahl meiner besten Freunde gemacht, wird schwerlich wieder au-zufüllen sein." In dieser Hinsicht irrte jedenfalls der Dichter sehr. Freilich, daß so rasch ein Ersatz für Reich zur Hand war, daran trug die Weidmannsche Buchhandlung selbst einige Schuld. Wieland nahm Anstoß daran, daß Reich'» Gattin keinen Antheil am Geschäft erhielt, sondern dieses wieder ganz in den Besitz der ihm vollständig fremden Jungfer Weidmann überging, daß die Firma Weidmanns Erben und Reich mit Reich'» Hingang erlosch, daß der Factor Reim sich jetzt nicht zu einer höheren Stellung aufschwang. Da» alle» ärgerte ihn. theilweise wohl allerdings mehr in der Einbildung als in Wirk-
8 lichkeit. Denn gewiß steckt hinter diesemAerger nichtlediglich wahreInteresse für Weidmanns Erben und Reich, für dieWittwedes „Wohlseligen" und Herrn Reim, den Geschäftsführer, sondern auch rin gut Theil gemachtes Interesse, um den eigenen Rückzug auf schickliche Weise zu decken. Die Berhältnifle des Dichters zur Weidmannfchen Buchhandlung, die, wenn feine Erwartungen sich erfüllt hätten, „un gefähr dieselben geblieben fein" würden, gestalteten sich von Stunde an ungünstig für jene. Denn alle Berhältnifle, worin Wieland je mals mit Weidmanns Erben und Reich gestanden, wurden, wie er er klärt, von der persönlichen Freundschaft dictirt, die ihn schon seit 1770 mit Reich verband. Die Weidmannsche Buchhandlung aber ist ihm so fremd als irgend eine in der Welt. Und um dies sofort zu zeigen, erklärt er das zwischen ihm und Reich seiner Zeit wegen bei Lucian theils mündlich theils schriftlich getroffene Abkommen für etwas, das mit Reich's Tod hinfällig ward. Will die Weidmannsche Buch handlung daS Werk, von dem sie bereits beiläufig vierzig Bogen ge druckt und für das noch Reich selbst, wie wir uns erinnern, nach und nach 1500 Thaler bezahlt hatte, wirklich haben, so muß ein „neuer und ordentlicher Conttact" geschloffen werden. Daß dieser von Wie land verlangte neue Conttact gleichbedeutend ist mit einer aber maligen Erhöhung deS früher schon aus freien Stücken erhöhten Honorar-, liegt auf der Hand. Wieland hatte es sehr leicht, auf Grund solch unerhörter Be hauptungen neue Forderungen aufzustellen. Der, vor dessen Zorn er sonst wohlberechttgte Scheu empfand, war todt und kam nicht wieder; von der hochbetagtev Jungfer Marie Luise Weidmann und ihrem Factor Reim brauchte er nichts zu fürchten. Und wenn alles doch schlimm ausgehen sollte, so war ja Herr Göschen bei der Hand, dem eS so ungemeine Eile hatte, deS Dichters Verleger zu werden. Wa rum also nicht die den Lucian betreffende und noch diese und jene andre Forderung aufstellen? In einer Zeit, in der der Nachdruck in voller Blüthe stand, der Selbstverlag als höchstes Ideal den Schriftstellern vorschwebte und das bürgerliche Gesetzbuch noch wenig wußte von einer Regelung deS geistigen Eigenthums, war eine Be handlung, wie sie Wieland der Handlung deS todten Freundes an gedeihen ließ, wohl erlaubt. Und Weidmann'-? Die hatten große Angst, daß ihnen der berühmte Autor abhanden kommen könne, und bewilligten alles, was Wieland forderte. Und daß unser Dichter ja nicht glaube, sie wollten in dem allen Verhältniß etwas ändern, schickten sie zum voraus neue- Honorar, wie eS schon Reich in er freulicher Gewohnheit gehabt und von Wieland jetzt auSdrücttich als Bedingung weiteren Verkehr- war beansprucht worden.
9 Die natürliche Folge davon, daß des Dichters „Erlaß" von Silvester 1787 solche Früchte getragen, waren neue Forderungen in anderer Richtung. Alte Abkommen wurden umgeworfen, andere als gar nicht bestehend geleugnet. Der Ton von Wieland's Briefen ward, sofern er nicht höflich aber kalt war, barsch und kurz. Aber Weidmann's ließen sich nicht abschrecken. Groß in Geduld und Artigkeit, drucken sie, was ihnen der Dichter im Namen Dritter an bietet, und wenn sie etwas Aelteres von Wieland neu auflegen — Neues bietet der Dichter nicht an —, so geschieht es nie, ohne daß gewichtige Geldsendungen dafür nach Weimar abgelassen werden. Vom Herbst 1786 bis dahin 1789 empfängt Wieland für sich und zwei seiner Schützlinge beiläufig 3000 Thaler, ganz abgesehen von weiteren ungefähren 800 Thalern, die, als zu viel gezahlt, ihm in neuer Rechnung belastet werden.
Während sich solchergestalt das Verhältniß zwischen Wieland und Weidmann's fortschleppte, unerquicklich für beide Theile, noch am wenigsten unerfreulich jedenfalls für den reichlich honorirten Dichter, war dessen Verkehr mit Göschen ständig wärmer geworden. Und der Gedanke, der Göschen schon-in jenen Jahren bewegte und der vielleicht schon im Jahr 1785 bei dem Weimarer Besuch war hingeworfen worden, dieser Gedanke gewann zwei Monate nach Reich's Tod in einer Urkunde Wieland's vorläufige Gestalt. In dieser Urkunde vom 19.Februar 1788*) bekannte Wieland,daß er das alleinige Recht auf den Verlag seiner sämmtlichen Werke an Göschen überlassen habe, „wenn dieser die zwischen uns getroffene Verabredung und den zu entwerfenden schriftlichen Contract erfüllt". Ebenso behält sich unser Dichter wieder alle Rechte vor, „wenn Göschen nicht alle Punkte unseres Contracts willig zu unterschreiben für gut finden sollte". Dies war ein zweiter wichtiger Schritt, dessen sich Göschen wohl rühmen durfte. Er stellte in eine für ihn erwünschte Aussicht die Lösung einer Frage, die schon öfter, zu Reich's Lebzeiten, vomDichter war angeregt worden, ohne zurLösung gekommen zu sein. Schon als *) Wie beliebt Göschen in Weimar war, ergibt sich aus einem Brief Schillers, der in jener Zeit — 23. Februar 1788 — an Körner schrieb: „Es ist ordentlich lustig, wie die Leutchen hier Göschen schätzen. Wieland nennt ihn einen vorzüglichen Sterblichen, Bode gefällt sich, seinen Protector zu machen und Bertuch's merkantilische Seele ist durch die seinige erquickt." (Schillers B.-W. m. Körner. I. 261)
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der neue Amadis bei Weidmann'- erschien und ein Frankfurter den be vorstehenden Nachdruck der Wieland'schen Schriften ankündigte, schrieb Wieland an Reich: „Eine Menge Liebhaber haben schon gegen mich ge äußert, daß sie eine Sammlung aller meiner, wenigstens neueren Schrif ten und in einer Reihe fortlaufender Bände wünschten. Wollte Gott, daß Sie auch Besitzer von Agathon und den komischen Erzäh lungen wären, „jo würde ich Sie bitten, ungesäumt an eine solche Ausgabe Hand anlegen zu laffen". Später schlug dann Wieland vor, daß Reich alle seine, Wieland'S, Schriften nach und nach auf eben die Art wie den Agathon, in nämlichem Format unb auf näm lichem Papier möchte drucken laffen. „Die neue Ausgabe des Don Sylvio könnte mittelst eines noch nachzudruckenden neuen Titels den 5. und 6. Theil ausmachen", während der Agathon Band I—IV. bil dete n. s. f. „Hierdurch würden Sie selbst den Subskribenten auf den Agathon einen großen Dienst thun und können Sie sich darauf verlaffen, daß sie alle sammt und sonders Käufer unb, wenn Sie wollen, selbst Pränumeranten zu meinen übrigen Werken abgeben werden." Diese Vorschläge waren so übel nicht. Einmal hatten sie zur Folge, daß Reich einige Zeit hindurch im Meßkatalog unter den in Vorbereitung befindlichen Büchern eine Sammlung poetischer und prosaischer Schriften Wieland'S anzeigte, dann aber wurde auch deS Dichter» Verlangen nach gleichem Format seiner Schriften nach gekommen, so gut es ging. Alles was Weidmann's von ihm gedruckt hatten, war in demselben Format zu haben, nur der Neue Amadis machte eine Ausnahme, weil deffen Versmaß sich nicht in die be stimmte Papiergröße fügen wollte. Aber da» konnte auf die Dauer nicht genügen. WaS Wieland steigend wünschte, nachdem Freunde und Nachdrucker den Weg gewiesen hatten, war eine verbesserte Aus gäbe seiner sämmtlichen Werke. Er schritt deshalb selbst im Jahr 1775 in etwa- leichtsinniger Stimmung dazu, eine solche Ausgabe auf eigene Faust dem Publicum zu versprechen. Reich jedoch, der darüber begreiflichen Verdruß empfand, schrieb damals höflich aber bestimmt: „Hätte ich vorher einige Nachricht von Ihren Absichten gehabt, so würde ich gebeten haben, noch damit zurückzuhalten, denn indem Sie die Nachdrucker niederschlagen wollen, so tödten Sie auch zugleich die rechtmäßigen Auflagen Ihrer Schriften, und davon habe ich doch noch eine beträchtliche Anzahl unb dies, dünkt mich, verdiente einige Rücksicht." Seitdem waren die sämmtlichen Werke wohl erst wieder in Frage gekommen, als Göschen mit Wieland bekannt ward. Der Dichter war wohl zweifelhaft, was er thun solle, aber dem gewandten Göschen hielt eS dann nicht schwer, Wieland davon zu überzeugen, daß
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er auch über seine älteren Arbeiten freies Bersügungsrecht habe und daß einer Ausgabe seiner sämmtlichen Werke in Göschen'- Berlage irgend ein rechtliches Bedenken nicht im Wege stehe. So kam edenn zu der Urkunde vom 19. Februar 1788. Und dann dauerte es wohl auch nicht lange, bis ein neue- stärkeres Gerücht von Wieland'S sämmtlichen Werken umzulaufen anfing und endlich Weid mann'- zu einer bezügigen Anfrage in Weimar veranlaßte. DaS war am 14. Oktober 1789 und schon zwei Tage später antwortete Wie land: In der That gehe er schon seit mehreren Jahren mit dem Ge danken um, seine Werke zu späterer Herausgabe zu sammeln und glaube er, die Ausführung dieses Gedankens sich selbst, seiner Fami lie und der Nachwelt schuldig zu sein. Eine Pflicht gegen Dritte verletze er damit nicht. Doch fügte er zur Beruhigung von Weid mann'- bei, daß sein Horaz und Lucian nicht in die „Werke" auf genommen werden sollten. Diese Erklärung mußte Weidmann'-, statt sie zu beruhigen, nur noch mehr aufregen. ES ging also am 24. Oktober eine er neute Anfrage an Wieland ab und daß dieser möglichst milde gestimmt werde, waren 50 Ducaten, die Hälfte des für die neue Auflage der Horazischen Briefe verlangten und gewährten Honorar», sowie noch andere- Honorar beigefügt. Der Dichter schrieb nun über die „Werke" ausführlicher Folgende»: Bald nach dem Ableben Reich'» sei er von einer sehr ansehn lichen Buchhandlung in Wien dringend um eine „allgemeine Aus gabe" seiner Werke in deren Berlage angegangrn worden. Tin gleiche» Ansuchen sei einige Zeit darauf unter den Vortheilhastesten Bedingungen von Berlin au» an ihn gelangt. Endlich sei er auch auf da» glaubwürdigste versichert worden, daß Herr Schrambl in Troppau unter dem Namen Trassler mit einer solchen Ausgabe wirklich beschäftigt sei. Alle diese Thatsachen hätten ihn denn ver anlaßt, „über das, was für einen in meinem Falle sich befindenden Schriftsteller in Absicht seiner Schriften recht und billig" sei, schärfer al» jemal» nachzudenken und auch „mit vielen Gelehrten und andern Männern von Ehre" hierüber zu sprechen. Wa» diese Alle sagten, habe vollständig mit seiner Ansicht übereingestimmt und diese geh« dahin, daß, so lange in Deutschland die Jntereffen der Schriftsteller nicht durch da- Gesetz ausdrücklich geschützt wären, „nicht» übrig bleibe, als die Aussprüche de- natürlichen Rechts und der all gemeinen Billigkeit zur Regel deffen, was ihnen [ben Schriftstellern^ in Absicht ihrer Schriften erlaubt ist, zu machen". Zuletzt habe er auch Göschen gefragt, al» er einmal in Weimar war, und da habe dieser sich geradezu für das Recht der Schriftsteller erklärt, und daß
12 er eS auf sich nehmen wolle, dasselbe im Fall einer Streitigkeit gegen Männiglich zn behaupten. „Da, fährt Wieland fort, ich nun nicht berge, daß die nähere persönliche Bekanntschaft mit Herrn Göschen mir eine große Meynung von seiner Rechtschaffenheit und ein beson deres Wohlwollen für seine Person eingeflößt hat, so fühlte ich mich um so geneigter, ein solche- BerlagSwerk lieber ihm als einem jungen aufmunterung-würdigen Manne, dem es einiges Ansehen verschaffen kann, zuzuwenden, al- eS einer Handlung zu geben, die reich und ansehnlich genug ist, um deffen sehr wohl entbehren zu können. Ich entrierte diesemnach wirklich mit Herrn Göschen über eine künftige allgemeine Ausgabe meiner Werke nach einem solchen von mir revidirten Manuskript, wie ich Euer Hochedelgeboren letzt hin gemeldet habe; und da ich (itügeachtet meiner vollkommenen Ueberzeugung hierin nichts gethan zu haben, als wozu ich, nach den Regeln der Billigkeit und selbst der strengsten Gerechtigkeit, insofern sie in diesem Fall anwendbar ist, berechtigt bin) weder Zeit noch Lust habe, mich in Streitigkeiten einzulaffen: so überließ ich mehrbesagtem Herrn Göschen gänzlich, die Sache, die nun die ©einige ist, privatim und öffentlich nach Erforderniß der Umstände auszu führen." Wieland bat dann im Weiteren, ihn „geneigtest mitallensallfigen Controversien zu verschonen" und, wenn man deren für nöthig finden sollte, lieber deshalb unmittelbar mit Herrn Göschen zu ver handeln. Dabei warnte er noch besonders vor der von Weidmann'angedrohten Erklärung, welche das Erscheinen der „Werke" bestrei ten sollte. „Denn im Fall Sie öffentlich erklärten, daß eine solche Au-gabe nicht erscheinen werde: so würde sich Herr Göschen zu einer Gegenerklärung gezwungen sehen; dahingegen, wenn beyde- nicht geschieht, Sie noch mehrere Jahre ruhig verkaufen können, weil diese Ausgabe nicht sobald stattfinden kann." Und dabei bemerkte der Dichter noch, daß Göschen aus sein ausdrückliche- Berlangen erklärt habe, die einzelnen Schriften, worüber die Weidmannsche Buchhand lung privilegirt sei, nie einzeln verkaufen zu wollen. „Diesewürde nicht geschehen, wenn ich wider weinen Willen gezwungen würde, mich mit der obenerwähnten Wiener oder veriiner Handlung einzulaffen." Begreiflicher Weise empfand die Weidmannsche Buchhandlung über diese Mittheilungen Wieland'S schweren Aerger. Denn sie be saß noch hübsche Borräthe von nicht wenige« der bei ihr erschienenen Schriften unsere- Dichter» und fürchtete mit Grund eine Entwerthung derselben durch die geplante Ausgabe der „Werke". Und
13 bann, wenn irgend eine Handlung ein erstes Recht auf ein solcheUnternehmen hatte, so war es die Weidmannsche Handlung, die schon mehr Jahrzehende hinter sich hatte, als die Firma Göschen Jahre. Ihr, durch Vermittelung ihres verstorbenen Haupte-, verdankte Wieland, wie er auch in zahlreichen Briefen zugegeben, unendlich viel, sie hatte 17 seiner vornehmsten Arbeiten verlegt und wie ihr Hauptbuch ergab und der Dichter nicht leugnen konnte, ihn sehr an ständig honorirt. Und daS war jetzt der Dank! Und in heftigem Zorn schrieben nun Weidmann'- an Wieland, sie könnten, so wie die Sachen zwischen ihnen und ihm stünden, keine Lust mehr haben, wenn Lucian vollendet sei, in weiterer Connexion mit ihm zu stehen. Wieland seinerseits nahm diese Erklärung sehr übel und fragte um gehend an, wie e- in diesem Fall mit den Uebersetzungen, wegen deren eS erst vor kurzem zu GeschäftSabschlüsien und Honorarzah lungen gekommen war, gehalten werden solle. Auch sein „Verlangen nach Fortdauer einer Connexion, die Ihnen in einem so verächtlichen Licht erscheint", sei nicht sehr lebhaft. Er werde dann das voxauSempfangene Honorar sofort zurückzahlen. Lieber sei ihm freilich um seiner und Weidmann'- Ruhe willen, daß „Sie die Sache, die zu unserer Differenz Gelegenheit gegeben, ohne alle Leidenschaft von allen Seiten betrachten möchten: da ich denn kaum zweifeln kann, daß Ihre Einsicht und Billigkeit Sie auf andre Resultate führen werde, als diejenigen, die mir Ihr Letzteres vorgelegt hat". Wieland hatte Recht, wenn er in seinem nächsten Briefe sagte, die Lage zwischen ihnt «nd Weidmann'- sei eine unvermerkt ziem lich schief« geworden. Und sie wurde nicht bester, als sich die Weid mannsche Handlung zu einer beruhigenden Erklärung herbeiließ. Diese verkleisterte nur äußerlich, unhaltbare Zust-nde. Wieland nahm jedoch nun seinen Horaz wieder vor. der Schwiegersohn Schorcht seinen Petit de la Troix, aber die Damenbibliothek ließen Wkidmann'S eingehen. „Und diese Sache ist also hiemit nach Ihrem Verlangen abgethan", meinte Wieland., In dieser Zeit starb in dem Geschäftsführer Reim, der lange unter Reich gearbeitet und nach deffen Tod da- Geschäft geleitet hatte, gleichzeitig dem Schwager Göschen'-, da- letzte Mittelglied zwischen der Gegenwart und einer durch da- Andenken an den tobten Freund werthen Vergangenheit.. Und wir müssen da mit ansehen, daß jetzt in des Dichter- Gedächtniß auch die dankbare Er innerung an Reich schwindet; daß, wo er noch seiner gedenkt, er eS nur noch mit Groll thut; daß er ganz vergißt, wa- ihm der alte Buchhändler seiner Zeit gewesen war: sein „lieberGroßschatzmeister", sein „edler Freund", dessen eigne Weise eS war, „alles auf die libe-
14 rotste und verbindlichste Weise zu machen"; und gewiß, hatte.ge legentlich einer Honorarsendung Reich's Wieland gemeint, „Sie irre« sich nicht, wenn Sie glauben, daß ich ein Herz habe, das das Ihrige versteht und seine Gesinnung zu schätzen und zu theilen weiß". Diese Zeit scheint nun ganz vorüber. Und es ist ein häß licher Zug in dem sonst so anmukhenden Bilde unseres Dichters, daß wir in den uns aufbewahrten Briefen desselben — gedruckten wie ungedruckten — vergebens nach einem anerkennenden Wort für Reich suchen, während über diesen folgendes ebenso unberechtigte wie herbe Wort in einem Briefe an Göschen laut wird: „Wenn ein Benöthigter und ein Geiziger zusammentreffen, so kommt der erste immer zu kurz; (welches mit Hrn. Reich fast immer mein Fall war) zumahl wenn der necessitente Autor überhaupt ein edelmüthiger und bescheidener Mensch ist, der sich (ebenfalls wie ich) immer fürchtete zu viel zu fordern, dem immer für seinen Verleger Angst war, er möchte Schaden an seinen Werken haben, kurz keinen Begriff weder von dem kaufmännischen Werth seiner Schriften noch vom Buchhandel überhaupt hatte, bis er endlich nach langer Zeit mit Schaden klüger wurde." Die Fortschritte, die mittlerweile Göschen in der Gunst Wieland's machte, entsprachen den geschäftlichen Erfolgen des jungen Verlegers. Schon im Jahr 1787 hatte sich Göschen's buchhändlerische Stellung so sehr gekräftigt, daß er daran denken konnte, die ihn „drückende Societät" mit Körner, der Geld in sein Geschäft geschoffen, zu lösen. Er hatte seitdem unter Anderem die erste Gesammtausgabtz von Goethe's Schriften zu drucken angefangen, Wieland lieferte dann seinen Schein in Betreff der „Werke", und im nächsten Jahr, wie Lorenz in seiner Schrift über Göschen sogt, „ohne nochmals darum angegangen worden zu sein", als erstes Berlagswerk, seine Gedanken von der Freiheit, über Gegenstände des Glaubens zu philosophiren, die zuerst im Merkur gestanden hatten. Es folgte darauf als erstes Originalwerk Wieland's in Göschen's Berlage die geheime Geschichte des Philosophen Peregrinus Proteus. An diesem Werke arbeitete der Dichter gerade zu der Zeit, da die noch unbenutzten Briefe Wieland's an Göschen für uns beginnen. Die Arbeit ward ihm, wie er seinem Verleger melden muß, sehr sauer. Er hatte seither — sein Brief ist vom 28. Juni 1790 — fast immer gekränkelt und daher nicht viel arbeiten können. Kaum zu den dringendsten Merkurarbeiten war er aufgelegt. Mitunter ging es zwar wieder mit seinem äußeren Menschen bester, aber dann mußte er jeden schönen Tag benutzen, um der freien Luft, der Sonne
15 und der Bewegung zu genießen „und so wurde eben im Ganzen nicht »idprästirt; zumahl unter den unaufhörlichen Störungen unbSeccaturen von den leidigen Fremden, die, den ganzen May und Junios durch, die Welt in die Kreuz und in die Quere durchziehen um unarmen berühmten Autoren manchen Seufzer und manchen Fluch durch ihre verwünschten Besuche auszupressen". Bei alledem hofft der Dichter, da nun Lust und Liebe zur Ar beit wiedergekehrt, auch Magen und Augen sich leidlich halten, seinen Philosophen mit Ende August dem feurigen Bade, worin sich sein außerordentlicher Lebenslaus endigen wird, sehr nahegebracht zu haben. Auch in seinen übrigen Theilen sticht dieser Brief an Göschen stark ab von den Briefen, wie sie der Dichter schon seit Reich'- Tod an Weidmann'- schreibt. Göschen ist für Wieland der „ wertheste Herr und Freund", später einfach der „liebste Freund", mit dem man auch über Nichtbuchhändlerisches sich unterhält, deflen Familienverhältniffen man theilnehmend nahe steht. So wünscht der Dichter in dem angezogenen Brief herzlich zum voraus Glück zu dem neuen Ankömmling, dem Göschen'- bereit- vor acht Tagen entgegensahen. „Der Himmel laste alle- schnell und glücklich Vorbeygehen und gebe Ihnen und der liebenswürdigen Mutter die ganze Fülle der Freu den, deren Herzen wie die Ihrigen bey dieser intereflantesten aller häu-lichen Begebenheiten fähig find." Al» diese Gratulation in Leipzig eintraf, war der erwartete Sprößüng übrigen- schon angekommen; an dem Tage, an dem Wieland schrieb, war besten Berleger der zweite Sohn geboren worden, ein willkommener Ersatz für den ersten Sohn, der schon vo; Jahresfrist bald nach der Äeburt gestorben »bar. Der jetzt in der Wiege lag, Karl Friedrich GöschenBeyer, ist später der Leiter der väterlichen Druckerei geworden. Der Sommer verging, die Herbstmeffe kam. In ihr stellte fich „seiner löblichen Gewohnheit nach" Herr Jacob Elkan, Wieland'Geldjude, bei Göschen mit zwei Wechseln ein, welche dann Göschen ebenfalls „feind löblichen Gewohnheit nach" acceptirte und nach 21 »veiteren Tagen bezahlte. Auch Weidmann'- hatten mittlerweile wie der von fich hören lasten. Ein Rechnungsauszug war von ihnen ein gegangen, wonach Wieland dermalen einen Borschuß von 155 Thlrn. hatte. Da» war eben nicht viel, aber wie die Berhältniste lagen, Wieland wohl unangenehm. Er bat daher in gesucht höflicher Weise, den Betrag durch Herrn Göschen zurückzahlen zu dürfen. Weid mann'» hatten dagegen nicht» einzuwenden, und Göschen zahlte»
16 Das beginnende Jahr 1791 findet den Peregrinus Proteus noch immer im Werden und zu ihm gesellt fich jetzt ein neues Werk, die Neuen Göttergespräche. Aber beide Arbeiten schreiten so rasch vor, daß schon im Februar vom Honorar kann geredet werden. — „Eie werden mich etwa- pressant finden, meint unser Dichter, aber meine Lage ist nun einmahl mein Gesetz und ich muß der eisernen Nothwendigkeit so gut gehorchen, als mein Jupiter." Er stellt also seine Forderung, verlangt 600 Thlr. alles in allem, wobei der Peregrin zu 36—40 Bogen 41% Louisd'or — früherem Ansatz ge mäß — gerechnet und der Bogen der Göttergespräche mit zwei Louisd'or. bezahlt ward, und erbittet, was ihm davon noch gut kommt (denn Göschen hat. schon seit November verschiedenen Vor schuß geleistet) bis Mitte März, weil er es dann zu einer fälligen Zahlung nöthig hat. „Könnten Sie bis dahin selbst der Porteur dieses hoffentlich nicht ungerechten Mammons seyn, so wäre mirs desto angenehmer; aus alle Fälle aber. Sie kommen früher oder später, werden Sie mir die Freundschaft erweisen, mit einer kleinen Zelle, so gut ich sie Ihnen in meiner Wohnung geben kann und mit Haus mannskost, wobey die freundlichen Gesichter des Wirths und der Wirthin das beste thun müssen, bey mir vorlieb zu nehmen." Kurze Zeit nachher beschäftigen fich unsere- Dichter- Gedanken wieder einmal viel mit den „Werken". Wieland glaubt und schreibt e- Göschen offen, sie würden, unter den Bedingungen, die zu machen er nun einmal gezwungen sei, nur gar zu wahrscheinlich der Ruin von seiner, Göschen'-, Handlung sein. Er erbittet daher womöglich seine-jungen Verlegers Besuch. „Sie muffen alle meine Bedenklich keiten hören, müssen miraufalleeinevölligberuhigendeAntwort geben, oder ich kann, ohne einen großen Theil meiner GemüthSruh« zu ver lieren, nicht zu einer Unternehmung konkurriren, die meiner jetzigen Ueberzeugung nach, nicht anders als nachtheilig für Sie ausfallen würde." Göschen antwortete, wie es scheint, in jeder Hinsicht erwünscht und Wieland fühlte nun* — 12. Mai — Freude über „die recht schaffene, edle, männliche und wahrhaft freundschaftliche Art", mit der sich der junge Buchhändler wegen der „Werke" erklärt hatte. „Brauche ich Ihnen noch zu sagen, wie stark mein Herz bei Entscheidung dieser Sache auf Ihre Seite hinüberschlägt, und wie sehr ich wünsche, daß ich wo möglich selbst die unbestechliche Güttin de- Recht- zu Ihren Gunsten möchte gewinnen können? Urtheilen Sie daraus, wie glück lich ich seyn werde, wenn eine beruhigende Antwort von einem oder zweien zuverlässigen Priestern derselben mich hierüber ein für alle mal außer Zweifel setzen und mir die volle Freiheit geben werden,
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blos der Eingebung meiner herzlichen Freundschaft für meinen lie ben Göschen Gehör zu geben." Wie aber, konnten trotz aller bisherigen Freundschaftsverfprechungen von Seiten Göschen's nicht am Ende doch Mißhelligkeiten ausbrechen zwischen Berleger und Schriftsteller? Und war es daher nicht besser, bei Zeiten den beiderseitigen Standpunkt festzustellen; man konnte ja dann noch den Rückzug in guter Ordnung antreten, mit aller Achtung, die man sich schuldig war. Darüber seine Ansicht klar zu legen, griff Wieland ein andermal zu Papier und Feder — ©ruber gibt das Datum des Briefes nicht an — und schrieb unge fähr Folgendes: Sie beide hätten ungefähr einerlei Herz und Sin nesart. Dürfte Göschen immer seinem Herzen folgen, so würde er immer dreimal so viel für ihn, Wieland, thun, als er selbst nur je fordern könnte. Mit chm, Wieland, sei eS ungefähr ebenso. „Mit wie vielem Vergnügen wollte ich Ihnen meine Manuskripte geben und nichts anders dafür verlangen, als Ihre Freundschaft, wenn ich so handeln könnte und dürste! Aber Sie kennen meine Umstände und Verhältnisse so gut als ich die Ihrigen. Wir können nicht groß müthig sehn; gerecht und billig in unserm leidigen Autor- und Ver leger-Verhältniß gegen einander zu seyn, ist alles, was Ihnen und mir die Pflichten gegen die Unsrigen erlauben." Bei Göschen, dem Geschäftsmann, fei die Lage gewiffermaßen noch schwieriger als bei dem Hofrath, dem Vater von elf Kindern. Daß Wieland Göschen zum Verleger wählte, sei geschehen aus herzlicher Zunei gung zu dem jungen Buchhändler, nicht aber, weil es jenem an Verlegern gefehlt hätte. Er, Wieland, habe die sich aufdringenden Dritten abgewiesen und Göschen gefragt, ob er unter den vorher auf gestellten Bedingungen, seine, des Dichters, Waare, wolle — „denn Waare muß eS nun leider einmal seyn"—und nachdemGöschendieBedingungen angenommen, erwarte er auch, daß sie fortan regelmäßig erfüllt würden. — „ES ist ein wunderlich Ding um daS menschliche Herz und eine seiner Wunderlichkeiten ist, daß.eS beinahe unmög lich ist, daß einem ein Mensch, an den man oft Geld zu zahle« hat, nicht endlich lästig und fatal werden sollte, zumal, wenn wir dadurch zuweilen inS Gedränge kommen, wie das bei einer nicht immer vol len Söffe doch manchmal der Fall seyn muß. Ist nun der Mann, an den wir immer so viel und oft zahlen müssen, ein Freund im enge ren Verstände, so wird eS (oder ich müßte das menschliche Herz nicht kennen) in der Länge nur desto schwerer, daß die Freundschaft unter einem so drückenden Verhältnisse nicht unvermerkt leiden sollte. UnglücNicher Weise befinden Sie sich just mit mir in dem vorerwähn ten Falle; kaum haben Sie einen Posten an mich bezahlt, so kommt Büchner.
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in wenigen Wochen schon wieder ein andrer." Freilich geht daS sehr natürlich zu, aber es ist das am Ende doch Ursache zu Verstim mungen. Also wäre eS wohl zweckmäßig, wenn Göschen nochmals erwöge, ob er dem „theuern" Freund nicht noch bei Zeiten den Ab schied geben wolle. Lehne er das ab, gut, dann verlasse sich derDichter mit unbeschränktem Settrauen ouf ihn „et tout soit dit paar toujours“. Göschen nahm an. — Der Peregrinus Proteus und die Neuen Göttergespräche wurden ausgedruckt und versandt, das Honorar dafür war bezahlt, jetzt übernahm Göschen auch auf Wieland's Wunsch die theilweise Ver sendung der Freiexemplare. Und zu derselben Zeit ließen auch Weidmann's wieder von sich in Weimar hören: Sie sandten dem Dichter eine ihrer soeben erscheinenden Neuigkeiten zum Geschenk. Dieses ward mit bemerkenswerther Freundlichkeit aufgenommen, mit gerin gem Vergnügen dagegen der Wunsch, eine neue Auflage des Goldnen Spiegels zu veranstalten. Zwar fühlte sich Wieland, sofern die Weidmannsche Buchhandlung auf ihrem Vorhaben bestehen wollte, außer Stand, dagegen etwys zu thun, aber gern sähe er den Neudruck vorerst noch vermieden. „Es sind überhaupt so viel Jahre, seit ich dieses Werk nicht mehr gesehen, daß ich beinahe die Idee seiner innern Beschaffenheit verloren." Auf alle Fälle erbat der Dichter ein Exemplar zur Durchsicht. Wieland hatte Gräff, den neuen Weidmannschen Factor im Verdacht, er finge nur vom Goldnen Spiegel an, um dann auf die „Werke" übergehenzu können. Wohl möglich, dann fand jedoch Gräff die paffende Gelegenheit hierzu erst, als er in demselben Sommer nach Weimar fuhr und auch Wieland besuchte. Man redete da vom Goldnen Spiegel und Gräff verhieß, nun daS ver langte Manuscriptexemplar zu senden. Noch mehr aber redete man von dem Unternehmen, das beiden Theilen schon so viel Kopf zerbrechen gemacht hatte und noch mehr machen sollte, den „Werken". Und der Hofrath versicherte da wiederholt und auf seine Ehre, daß er ttie daran würde gedacht haben, wegen der „Werke" mit einer anderen Firma, als Weidmann'- abzuschließen, wenn ihn nicht Göschen selbst dazu aufgefordert und ihm versprochen hätte, alle etwa hieraus entstehenden Streitigkeiten als die feinigen anzusehen und zum Aus trag zu bringen. So war der Haupthandel noch auf dem alten Fleck, als Gräff wieder heimfuhr. Dieser sandte dann sofort daS Manuscriptexem plar des Goldnen Spiegels und Wieland begann die Durchsicht. Am 18. September hatte er diese vollendet und er schrieb nun nach Leipzig und stellte seine Honorarforderung. Er hatte seiner Zeit
19 von der Handlung für den Roman die beträchtliche Summe von
G33% Thlrn. (100 Carolin) erhalten, jetzt beanspruchte er für den Bogen einer lediglich verbesserten Auflage ohne Zusätze einen Du katen, im Fall von Zusätzen zwei Friedrichsd'or für den Bogen solcher, alles das aber sollte nur für eint Auflage von 1000 Exem plaren gültig sein. Für den Fall eines abermaligen Neudrucks ward ein neuer Vertrag in Aussicht genommen und sollte das eben jetzt zu treffende Abkommen „einer künftigen allgemeinen Ausgabe aller meiner Schriften unpräjudizirlich sein". Weidmann's hatten gegen diese Vorschläge Einwendungen und verhehlten sie dem Dichter nicht. Dieser schwieg dann ebenfalls nicht, aber es dauerte doch 1 % Monate, bis er sich zum Schreiben anschickte. Der Handel wegen der „Werke" setzte ihm in der That zu und er hätte sehr gern einen Ausweg in der Art gefunden, daß das Unternehmen von Weidmann's und Göschen gemeinschaftlich in Angriff wäre genommen worden. Schon seit geraumer Zeit hatte er sich bemüht, Göschen für seine Ansicht zu gewinnen, daß die „Werke" allein zu drucken, doch ein gewagte- Unternehmen sei, bisher jedoch ohne Erfolg. Jetzt endlich hatte Göschen versprochen, sich den Wünschen seines Gönners zu fügen und eben, da das Wie land nach Leipzig an Weidmann's melden konnte, setzte auch er sich zum Schreiben. Herr Göschen „ist im Begriff Ihnen in kurzem Vor schläge zu thun, und da ich, mit gleichem Vertrauen mich zu ihm ver sehe, daß er nichts unbilliges verlangen und zu Ew. HEgb. und der W. H., daß Sie auch auf Ihrer Seite geneigt seyn werden, billigen Vorschlägen Gehör zu geben: so zweifle ich nicht, daß sich diese Angelegenheit auf eine freundschaftliche Art zwischen uns sollte inReine bringen laffen". UebrigenS legte nun Wieland die Frage wegen deS Goldnen Spiegels vorläufig zurück. Nur eine Berechnung fügte er bei, um Weidmann's zu beweisen, daß die Verlag-handlung de- Goldnen Spiegel- bei einer Auflage von 1000 Exemplaren und dem von ihm verlangten Honorar sehr wohl bestehen könne. Weidmann's hatten da- also bestritten. ES war unklug von Gräff, daß er auf diesen Brief schroff ant wortete. ES lag dazu zunächst in Wieland's Schreibweise gar kein Grund vor, denn der Dichter hatte in der That sehr freundlich, ja fteundschaftlich geschrieben und seinen Mittheilungen spürt man eS an, daß er endlich hoffen darf, von seinen Sorgen erlöst zu werden. Und dann forderte auch die Klugheit, daß Gräff auf die Vorschläge des schon halb entflohenen Sängers einging. WaS vergab man sich damit, daß man Göschen anhörte? Und wo war die nöthige
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20 Sicherheit, daß, falls es zum Prozeß kam, der Sieg Weidmann'verblieb? Warum also den Streit noch mehr zuspitzen, um am Ende vielleicht doch der Verlierende zu sein?
Grafs schrieb also, wie der erhaltene Briefentwurs ausweist, etwas hochfahrend und grob. Es sei ihm Unflat, meinte er, wie der Hofrath sein Verhältniß zur Weidmannschen Buchhandlung „in An sehung einer allgemeinen Ausgabe aller seiner Schriften" ungewiß und unentschieden nennen sönne,, da es doch in der Natur der Sache begründet sei, daß Weidmann'- gerechten Anspruch auf dieses Unter nehmen hätten. Auf sie sei also ebenfalls billige Rücksicht zu neh men neben der auf die Familie des Dichters, die Nachwelt u. s. w. Wer aber konnte der „dritte Freund" sein, dessen Interessen geschont werden sollten? Und Herr Göschen! Was hätte der bei dem Handel überhaupt zu thun? Weidmann's hätten von ihm Vorschläge nicht zu erwarten und würden von ihm deren nicht annehmen. Nur mit Herrn Hofrath Wieland wünschten sie in diesem Streitfall zu ver kehren und von ihm hofften sie auch Erfüllung ihrer billigen Wünsche. Täuschten sie sich aber, nun gut! Dann werde Gräff ruhig und ge lassen abwarten, welche Schritte Wieland wider Weidmann's thäte und dann „seiner Zeit so reden und handeln, wie er Pflicht, Fug und Stoff genug dazu habe". Wo war ein Ausweg aus der Sackgasse, in der man sich ver rannt hatte? Wo ein Mittel, da- dem neuen Verleger gegebene Versprechen zu halten und auch die ehemals befreundete Handlung zu befriedigen? Wieland mochte lange mit sich darüber zu Rathe gehen, endlich glaubte er, nun sei das beste Mittel gefunden, Weidmann's von seinem Recht und ihrem Unrecht zu überzeugen. Er setzte sich also an seinen Schreibtisch und schrieb lange und eifrig, dazwischen rechnete er. Und als das Schriftstück fertig und abgeschrieben war, mochte eS wohl seinem Verfertiger gefallen. Voll ständig von der zierlichen Hand unseres Dichters abgefaßt, lag nun ein Promemoria vor, das die Ueberschrift führte: „Grundsätze, wor aus das merkantilische Verhältniß zwischen Schriftsteller und Ver leger bestimmt wird." Wenn da- Weidmann'- lasen, mußten sie wohl zugeben, daß sie unrecht hatten. Der Inhalt des ausführlichen Schriftstücks*) läßt sich kurz *) DaS Promemoria ist unverkürzt abgedruckt in de- Berf. Schrift: Wieland und die Weidmannsche Buchhandlung. Zur Geschichte deutscher Literatur und deutschen Buchhandel». Antwort.
Berlin 1871.
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Ebenso Gräff»
21 folgendermaßen zusammenfassen: Der Vertrag, der das Verhältniß zwischen Schriftsteller und Verleger regelt, hat nicht unter jeder Bedingung rechtliche Gültigkeit. Voraussetzung für letztere ist viel mehr, daß durch den geschloffenen Vertrag keiner der Contrahenten einen übermäßigen Vortheil vor dem andern voraus erhalte. Das Honorar des Autors muß also dem Profit deS Verleger-, so viel eS die Natur der Sache zuläßt, das Gleichgewicht halten. Ein Verleger, der an einer oder zwei, auch wohl noch mehreren Auflagen eines Werks beträchtlich gewonnen hat, ist deshalb nicht befugt, an das selbe ein ausschließliches Eigenthumsrecht, am allerwenigsten gegen den Autor und wider desien Willen zu beanspruchen. Vielmehr, wie dem Verleger bei nicht gehabtem Gewinn, beziehungsweise ge habtem Schaden das Recht zugestanden werden muß, daß er ver suche, ob er durch einen in andern Zeitläufen veranstalteten ver besserten Neudruck fich zu erholen vermöchte, ja, wie es selbst Fälle geben kann, wo der Verleger, wegen enormen Schadens, den er erlitten, sich unmittelbar an den Autor halten darf, so ist anderer seits der Autor „quitt" mit seinem Verleger, wenn dieser an einer Auflage eine-Buches ein Namhafte- mehr gewann, als das dem Autor gewährte Honorar betrug. Und wenn der Autor sich selbst durch einen für seinen Verleger „leoninischen" Vertrag sollte die Hände gebunden haben, so würde doch selbst „der förmlichste Contract, der dem Verleger eine so diSproporzionirte Ueberlegenheit einräumte, von keiner Kraft sein, da er gegen die wesentlichste Bedingung aller Contracte, die auf Billigkeit gegründet sein müssen und nur insoserne gültig sind, so gröblich verstieße". ES steht also auch einer VerlagShandlung, die — und mit großem Gewinn — viele Einzelwerke eines Autor- gedruckt hat, kein Einspruchsrecht gegen eine für einen dritten Verleger in Vorbereitung befindliche Ausgabe der sämmt lichen Werke jenes Autors zu. Solcher Art waren die Auseinandersetzungen Wieland's. Konnte nun noch irgend ein Zweifel sein, daß unser Dichter, als das Opfer eines contractua leoninus zu Gunsten der Weidmannschen Buchhandlung, das Recht hatte, mit dieser Firma vollständig zu brechen und seine Werke Göschen zu geben! Der Dichter wenig sten- war von seinem Rechte vollständig überzeugt. Er sandte also sein Schriftstück nach Leipzig, und schrieb dazu, er habe einige Post tage mit Absicht übersprungen, um ganz ohne Leidenschaft schreiben zu können. Da es nun doch einmal zur Entscheidung kommen müsse wegen der „Werke", so sei er für die Gelegenheit, seine Mei nung sagen zu können, der Firma dankbar. „Das Geschäft ist für mich in jeder Beziehung wichtig und ich habe nicht viel Zeit mehr
22 zu verlieren. Also desto bester, wenn die Sache auf die eine oder die andre Art einen Ausgang gewinnt." Beiläufig zu derselben Zeit, zu der Wieland sein Promemoria entwarf, feilte auch Göschen an einer Arbeit, welche sein Recht auf die Werke Wieland's darthun sollte. Und als sie vollendet war, sandte er sie ebenfalls an die feindliche Firma. Die mochte daraus seine Ansichten kennen lernen, sowie gleichzeitig seine vor läufigen Vorschläge zur Anbahnung eines gemeinschaftlichen Vor gehens in Betreff der von beiden Seiten beanspruchten Unter nehmung. In besagtem Schriftstück verlangte Göschen für Wieland das Recht, eine Sammlung seiner Werke veranstalten zu dürfen. Er bestritt dabei, daß die Aufnahme eines älteren Werks in eine solche Sammlung von dem ersten Verleger jene- Werkes, als unberechtigt, angefochten werden könne. Er berief sich hierfür auf eine Entscheidung der Leipziger Büchercommission, die besagte: Eine neue Ausgabe sei als ein neue- SBert anzusehen. Diese Entscheidung aber sei umsoniehr maßgebend, als ein positives Gesetz hierüber nicht existire und ebenso jeder Vertrag fehle, welcher den Hofrath Wieland nöthige, seine bei Weidmann's verlegten Schriften aus der beabsichtigten Sammlung herauszulasten. Indem Göschen solchergestalt das Wieland zustehende freie Bersügungsrecht für sich als den Be günstigten Jenes in Anspruch nahm, erklärte er wiederholt/ was Weidmann's einzeln gedruckt, nicht einzeln verkaufen zu wollen. Seine Absicht ginge nur auf den Verkauf der ganzen Sammlung. Er wolle sogar der Weidmannschen Buchhandlung das Recht ein räumen, bei etwaigen Neudrucken der Einzelausgaben die in den „Werken" vorgenommenen Berbesterungen benutzen zu dürfen, nach dem sie dieselben Wieland bezahlt hätte. — Die Behauptung, daß ein Schriftsteller, der einem Verleger sein Manuskript verkauft, sich eines jeden Rechts auf anderweite Benutzung desselben begebe, erschien Göschen als hinfällig. Manche Buchhändler, meint er, stellten zwar diese Behauptung auf, auch Weidmann's, aber viele Bei spiele aus der Praxis bewiesen da- Gegentheil. Auch wäre es un billig, Wieland gegenüber jenen Standpunkt festzuhalten, da der Gewinn, den der Dichter aus seinen Werken zog, gexing erschiene gegenüber den Einnahmen der Weidmannschen Buchhandlung. Diese sei also nicht berechtigt, die Ausgabe der Wieland'schen Werke in anderm Berlage zu verhindern. Vielleicht aber wäre es nun schicklich, weil sie die meisten Wielandiana einzeln gedruckt, sie auch mit Veranstaltung der Ausgabe der „Werke" zu betrauen? Gewiß, wenn sie bei jenen Einzeldrucken verloren hätte. So aber, wo sie
23 an diesen Einzelausgaben gewonnen, reichlich gewonnen habe, sei solche Rücksicht auf sie nicht am Platze. Hofrath Wieland hielte es vielmehr für paffend, daß ihn eine begüterte Firma nicht hindere, „einen jungen Mann, der sich emporarbeiten wolle, auch etwas ge winnen zu lassen, und daß ihm die Freiheit gelassen werde in einem Fall, wo das Recht und die Billigkeit ihm keine freie Wahl verbieten, nach der Eingebung seines Herzens wählen zu können und seinen Freund zu begünstigen." Sonach nahm Göschen für sich das Recht, Wieland's Werke zu verlegen, voll in Anspruch. Doch um einen Schritt zur Versöhnung zu thun, bot er nun der Weidmannschen Handlung die Möglichkeit, mit ihm gemeinschaftlich die „Werke" zu verlegen. Dafür daß Weidmann's mehr einzelne Werke Wieland's verlegt, als er, glaubte Göschen seinen Plan und seine Verbindungen, welche das Gelingen des Un ternehmens außer Zweifel stellten, sowie sein Verdienst, die Samm lung für Sachsen erhalten zu haben, in die Wagschale werfen zu dürfen. Wie nun, wenn Wieland statt mit Göschen mit jenem Wie ner Verleger abgeschloffen hätte? Auf alle Fälle brachte Göschen, sofern Wieland ihm noch die bei dritten Verlegern erschienenen Schriften übergab, zwei Fünftel zu dem Compagnieverlag gegen über den drei Fünfteln der Weidmannschen Buchhandlung. ES ist natürlich, daß Gräff auf diese Mittheilungen seiner Gegner nicht schwieg. Seine Behauptungen Wieland gegenüber gipfelten in dem Satze, daß der Verleger, der mit seinem Schrift steller keinen entgegengesetzten Vertrag abgeschloffen habe, damit das erworbene Manuskript unbedingt und ohne Einschränkung besitze. Erst der bei der BerlagSübernahme beiderseits genehmigte Tontract lege unter Umständen dem Verleger Verpflichtungen auf, deren Ver letzung allerdings gerichtlich geahndet werden könnte, je nach den Gesetzen oder den bezügigen Bestimmungen deS Vertrags selbst. Existire aber ein solcher Vertrag nicht, so dürfe der Schriftsteller, der sich solchergestalt des Rechte- auf fein Manuskript begeben, nicht dasselbe kurzer Hand abermals zur Herausgabe seiner gesammelten Werke an einen Dritten verkaufen. Dieses Gräff'sche Schriftstück ging nach Weimar mit einem Be gleitbrief ab, der an der Hoffnung gütlichen SichvertragenS ver zweifelte. „Wenn Sie," schrieb Gräff, „die Richtigkeit und Giltigkeit meines Aufsatzes ebensowenig anerkennen können, als ich dieRichtigkeit und Giltigkeit des Ihren, so werden wir über daS, was eS hier betrifft, fteilich einander nicht näher kommen. — Ich muß also nun erwarten, ob Sie die Giltigkeit unserer Grundsätze anerkennen oder bestreiten wollen. Im erstem Fall wird sich von selbst ergeben, waS
24 Sie verpflichtet find, mit der Weidmannschen Buchhandlung wegen Ihrer von derselben einzeln verlegten Schriften in Beziehung auf ein« Ausgabe Ihrer sämmtlichen Schriften zu verabreden, im zwei ten Fall werde ich, überzeugt von der Richtigkeit meiner Grundsätze und von der Prüfling und Entscheidung einer weisen und gerechten Obrigkeit^ da» Eigenthumsrecht gehörigen Orts zu behaupten suchen." Diese Erklärung war deutlich genug. Und nicht weniger die für Göschen bestimmte. Gräff wollte nichts von Anträgen wiflen, durch deren Annahme die Wridmannsche Buchhandlung sich ihres EigenthumSrechts, wenn auch nicht ganz, doch größtentheils begäbe. Er lehnte also die Verbindung mit Göschen ab, schon deshalb, weil hierdurch die Rechte einiger andern Verleger verletzt würden — „ein andres wäre es, wenn Herr Hofrath Wieland sich deS Eigen thumsrechts wegen mit den Verlegern vergliche —, dann, weil es Herrn Göschen vielleicht nicht belieben möchte, die Eintheilung, wie viel Exemplare auf seinen Antheil kommen müßten und die Ausfüh rung des Ganzen der Weidmannschen Buchhandlung zu überlassen, und drittens, weil man es in Betracht künftiger neuer Werke deS Herrn Hofrath W. nicht möchte zur Zufriedenheit der Weidmannschen Buchhandlung arrangieren wollen."
Man sieht, Weidmann'- wollten durchaus nichts mit Göschen zu schaffen haben. Mit leidlich kahlen Gründen wiesen sie die Annäherung ihres Gegners zurück, ohne diesen noch recht gehört zu haben. Da mußte denn auch der beste Wille erlahmen, um wie viel mehr ein guter Wille, der nur durch den Druck des Gönners Wie land zur Welt gefördert worden war. Unser Dichter hatte daher wohl recht, wenn er bald daraus an Gräff schrieb, eS wäre verlorene Zeit, sich über eine Sache, wobei die Grundbegriffe so auseinander gingen, in Repliken und Dupliken einzulassen. Jeder mochte nun, um den Andern unbekümmert, thun, was er zu thun für gut fand. Weidmann'» druckten vielleicht den Goldenen Spiegel, ohne das fer tig vorliegende Manuskript vom Dichter erworben zu haben. Jeden falls aber mochte nun von Göschen's Seite die Vorarbeit zu den „Werken" beginnen. Dazu gehörte vor allem der Abschluß eines ordentlichen Ver trags zwischen Dichter und Verleger. Leider befindet sich diese werth volle Urkunde heute nicht mehr im Besitz der Göschen'schen VerlagsHandlung, so daß im» eigentliche Anhaltspunkte über die Höhe des für die „Werke" bezahlten Honorars fehlen, umsomehr, als das alte
25 Göschen'sche Hauptbuch ebenfalls nicht mehr vorhanden ist. Nur eine Urkunde vom 14. April 1792 liegt noch vor — Schiller und der Schwiegersohn Reinhold unterschrieben sie als Zeugen —, durch welche Wieland und seine Frau bekennen, daß sie das Eigenthums recht an den Wieland'schen Werken Göschen und dessen Erben abgetre ten haben und zwar unter „den Bedingungen, die in unserm hier über schriftlich errichteten und von beiden Theilen unterschriebenen und besiegelten Contract enthalten und festgesetzt sind". Nun hatte Göschen alles, was er wollte, und während Wieland jetzt die Durchsicht der für die ersten Bände bestimmten älteren Ar beiten in ernstlichen Angriff nahm, sah sich Göschen wegen Druck und Papier um. Denn er hatte sich entschlossen, seines Gönners Werke gleich in vier verschiedenen Ausgaben in Angriff zu nehmen, in einer kostbaren Quartausgabe, einer Großoctavausgabe, einer Taschenformatausgabe und einer wohlfeilen Kleinoctavausgabe.*) Diese vier Drucke gaben dem Verleger also noch vor ihrem eigent lichen Beginn mancherlei zu denken und zu thun und begreiflicher Weise bekam da Wieland ebenfalls ein Theil von dieser Arbeit zu kosten. Ihm lag es ab und zu ob, über Papier- und Druckpro ben — zur Schrift war die Antiqua gewählt— sein Urtheil abzu geben, doch beschied er sich dann gern und überließ alles, was vor das Forum Göschen's gehört, gänzlich dessen Gutbefinden. Aber in Be treff der Quartausgabe äußerte Wieland doch einige Bedenken. „Lachen Sie nicht", schreibt er, „aber ich muß Ihnen meine Schwach heit, wenn es eine ist, gestehen: ein inneres Gefühl, das mir etwas mehr als bloße Bescheidenheit scheint, repugnirt in mir den Gedan ken, alle meine Schriften in einer so Prächtigen Ausgabe als Ihre Quartausgabe seyn wird, in die Welt gehen zu sehen. Es kommt mir gerade so vor, als ob ich mich zum Baron oder Grafen machen lassen sollte. Ein Autor muß wenigstens ein König sein, um sich ohne Schamröthe eine so außerordentliche Ehre anthun zu lassen. Also, im Ernst, wäre es nicht für Sie und mich besser, wenn die Großoctav-Ausgabedievornehmstewäre? Sie muß immer noch sehrhoch im Preise kommen und wird doch wahrlich schön genug seyn, daß der *) Die „Werke" erschienen dann in folgenden Ausgaben:
1) 36 Bde. u. 6 Suppl. Ausg. in gr. 4. m. Kupf. Velinpap. 1794—1802. 250 TÜlr. 2) 36 Bde. u. 6 Suppl. Ausg. in gr. 8. Velinpap. m. d. Kupf. d. Quartausg. 1794-1802. 125 Thlr. 3) 36 Bde. u. 6 Suppl. Ausg. in Taschenformat m. d. Kupfern der Quartausg. 1794—1802. 112 Thlr. 12 Gr. 4) 39 Bde. u. 6 Suppl. 8. 1794—1811. 27 Thlr.
26 erste Schriftsteller in der Welt nicht mehr verlangen kann." AberGöschen ließ sich durch solche Bedenken nicht irre machen, seine Bor bereitungen für die QuartauSgabe hatten ihren Fortgang. Dazwischen gibt der Merkur fortgesetzt zu thun und Anlaß zu regem Briefwechsel. Anzeigen, die Wieland sollte beiheften lasten, gehen in Weimar ein, leider für die Postrxemplare des gerade er scheinenden MonatSstückeS zu spät. Und Geld wird gezahlt, an wen, kann nicht zweifelhaft sein. Noch immer ist Herr Jacob Elkan der erwünschte Vermittler. Dazwischen erscheint wohl Göschen wie der einmal selbst, ein dem Dichter und seinemHaus stets willkomme ner Gast. Noch im Frühjahr kauft sich der Dichter ein Wohnhaus und wie es den Anschein hat, wird aus diesem neuen Besitz größere Bequemlichkeit erwachsen ; auch Ersparniß, denn der genau rech nende Poet hat gesunden, daß er fortan um 120 Thlr. billiger wohnen wird als seither. Ein Besuch Charlottens, der Tochter Wieland'S,Hei Göschen'S, wird geplant, aber nicht ausgeführt, dafür fährt Göschen im Juni nach Weimar und gerade zur rechten Stunde, denn Wie land ist wieder muthlos schwarzseherisch wegen der „Werke". Göschen tröstet ünd beruhigt und Wieland schreibt dann zu Anfang Juni: „Sie können nicht glauben, liebster Göschen, wie sehr der gute Muth und Enthusiasmus, womit Sie die unsägliche Mühe und unend lich vielerley Sorgen dieser in der That großen und vielleicht Ihrer Thätigkeit, Klugheit und Freundschaft für mich allein ausführbaren Unternehmung entgegen gehen, auch mich zu der auch nicht unbe deutenden Arbeit begeistert, die diese Ausgabe von der letzten Hand mir auferlegt. Gebe der Himmel uns beyden nur Leben und Ge sundheit, so dürfen wir, glaube ich, an dem guten Erfolg nicht zweifeln." Im Sommer fuhr Göschen nach der Schweiz. Der Dichter hatte gewünscht, bei dem Beginn dieser Reise irgendwo, am besten wohl in Jena, mit seinem Verleger zusammenzutreffen, aber das wollte sich dann nicht fügen. So mußte er wieder zur Feder greifen, schrieb nach Nürnberg und München und berichtete von allerlei, von sei nen Arbeiten am Manuskript, welche der leidige Umzug in das „alte neue Haus" und die nöthige Sorge für den Merkur unlieb unter brachen, von den Kupfern, die zu den „Werken" kommen sollten. Auch sendete er ein Empfehlungsschreiben, das von Göschen bei irgend welchem hervorragenden Münchener Künstler zu be nutzen war. Im Spätherbst erschien Göschen nochmals in Weimar. Aber er litt sichtlich unter einer Erkältung und Wieland sah ihn in diesem Zustand des Unwohlseins mit um so mehr Sorge wieder abreisen.
27 als er sich selbst unwohl fühlte. Das hätte nun zwar auf das Fort schreiten des Werkes nicht viel Einfluß gehabt, wenn von der für Wieland verfügbaren Zeit nicht der Merkur den besten Theil geraubt hätte. „Jchrechnete", meintderDichter,„ehedemaufdieMithülfe meiner Schwiegersöhne, aber Reinhold hat keine Zeit, Schorcht ist gestorben und Liebeskind, den ich beym Merkur am besten hätte gebrauchen können, ist mir durch eine ganz eigne Laune meines Schicksals fast ganz unnütz gewesen und befindet sich dermahlen in so schlechten Ge sundheitsumständen, daß er, allem Ansehen nach,Erhorchten bald nach folgen wird." Vielleicht wüßte Göschen einen oder zwei Gelehrte, die gegen ein „convenabM honorarium“ betn Merkur in seinen Nöthen beisprängen. Wieland wäre dadurch eine Last erleichtert, die ihn sonst zu Boden drücken und dem Merkur sowohl wie dem „Haupt geschäft" Schaden bringen würde. Göschen rührte dann wirklich die „Werbetrommel" für den Merkur, und mit einigem Erfolg. DaS beginnende Jahr 1793 fand das Manuskript der „Werke" in erwünschtem Wachsthum, der Satz der ersten fünfBände, die läng stens zur Neujahrsmesse 1794 gedruckt sein sollten, konnte beginnen, sobald e-Göschen beliebte. ESwar dabei Plan, die geringere Taschen ausgabe inLeipzig und danach die gutenAuSgaben in Basel, wo daS Papier zu diesen gefertigt wurde, drucken zu lassen. Aber das neue Jahr hatte neben diesem Erfreulichen noch die unliebsame Thatsache gebracht, daß die Weidmannsche Buchhandlung, der die kräftigen Vorbereitungen Wieland's und Göschen's zum Be ginn deS Drucks nicht hatten verborgen bleiben können, endlich eine Klage bei der Leipziger Büchercommission wider Göschen eingereicht hatte. Dieses war schon unterm 6. December 1792 geschehen. Auf fragliches Aktenstück, in dem Gräff von dem Unternehmen Göschen'- Anzeige machte und um Untersagung desselben „mit Ein schluß der von unS verlegten einzelnen Schriften" bat, blieb dann Göschen die Antwort nicht schuldig; doch wissen wir nicht genau, was er sagte. Jedenfalls fand nun die Büchercommission, daß sich der Streit wohl am besten durch einen Vergleich schlichten lasse, und beschied deshalb Gräff und Göschen zum 16. Februar 1793 vor ihre Schranken. Aber der Bergleichsversuch scheiterte. Göschen berief sich darauf, er habe bereits seiner Zeit Weidmann'- BergleichSvorfchläge gethan, diese seien aber abgelehnt worden; jetzt möge die Sache den Weg Rechtens gehen. Der Richter war der Ansicht, daß, waS Herr Göschen in seiner«Vertheidigung-schrift für sich vor gebracht, doch nicht so übel sei und Weidmann's zur Ueberlegung Anlaß geben sollte. Gräff aber meinte, Herr Göschen hätte ihm, wenn es ihm ernstlich um den Compagnieverlag zu thun gewesen
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wäre, auf seine, Graff's, Gegenäußerung antworten sollen. Und er bat dabei um die Bertheidigungsschrift seines Gegners, um sich dar auf erklären zu können. Diese Erklärung erfolgte dann am 6. März und sagte, in kurzen Zügen zusammengefaßt, Folgende-: Zunächst sei es unverständlich, wie Göschen sich wundern könne, daß man das, was er treibe, kurzweg Nachdruck nenne. Etwa- anderes als die „Sammlung" eines NachdruckerS seien doch die angekündigten „Wieland'schen Werke" nicht. Wieland habe, waS Weidmann'- von ihm gedruckt, dieser Firma theils unbedingt, theils unter Bedingungen verkauft.*) Wo ersteres geschehen sei, habe er jeden Anspruch an jene ver loren, im zweiten Fall sei dem betreffenden Vertrag gemäß stets von
•) E- ist hier zu bemerken, daß Wieland, dem noch vorherrschenden Gebrauche der Zeit gemäß, seine verschiedenen Arbeiten zunächst ohne jeden Vorbehalt an Reich, beziehungsweise dessen Firma, verkauft hat. Und daß er die- gethan, wußte er. der für solche Dinge in späterer Zeit ein bemerkenswerth schlechtes Gedächtniß an den Tag legte, einige Zeit hindurch wenigsten- recht gut. Bon der Musarion (1768) an bis 1773 waren alle einigermaßen hervorragenden literarischen Erzeugnisse deS Dichters nach Leipzig gewandert, um von Weidmann'- gedruckt zu werden. Dann trat für Jahre eine Pause ein, da der Merkur die Thätigkeit Wieland'- in hervorragender Weise in Anspruch nahm. AlS aber 1781 ein Neudruck der Abderiten Wieland sehr erwünscht gewesen wäre, schrieb er an Reich, er werde fortan „keinen Accord über irgend eine von seinen seit 1773 neu herausgegebenen Schriften ander- als. für eine einzige Auflage und auf eine nach Billigkeit bestimmte Anzahl von Jahren — in dieser Weise waren allem nach Hoffmann'S in Weimar zum ersten Druck der Ebberiten, zu den Neuesten Gedichten sowie zum Oberon, die Defsauer Berlag-coffe aber zu den Horazischen Briefen gekommen — schließen und sich also de- ursprünglichen Eigenthum-recht-, welches ein Schriftsteller an seine Werke hat, niemalen wieder begeben." Mit diesem ..niemalen wieder" war deutlich genug gesagt, was der Dichter über seine von Weidmann'- bisher gedruckten Arbeiten dachte. Und er hatte auch allen Grund, die Stellung von Weidmann - in dieser Hinsicht zu kennen, denn Reich verzichtete aus den Verlag der Abderiten, sofern er da- Werk nicht für immer haben sollte. Wieland entschloß sich nun, da er Reich'Festigkeit kannte, sein Recht aus die Abderiten „für immer (weil da- furcht bare Wort doch nun einmal au- meiner unbedachtsamen Feder entschlüpft ist)" an Weidmann'- abzutreten. Da- alle- hinderte dann freilich nicht, daß drei Jahre später Wieland seine- Verleger- Nachdrucker ward und al- erste- Stück der bei Mauke in Jena gedruckten Au-gabe seiner Aus erlesenen Gedichte die Musarion gab. Dieser offenbare Nachdruck hatte einen etwa- gereizten Briefwechsel, dann Versöhnung und schließlich einen wirklichen Verlag-vertrag -wischen Wieland und Weidmann'- zur Folge, und dieser Berlag-verttag redet nun ausdrücklich von neuen Honoraren, die für Neudrucke der Auserlesenen Gedichte und Auserlesenen prosaischen Schriften, sowie ihrer Bestandtheile, vereinbart wurden. Damit war der Weg geebnet zu den Ansprüchen und Behauptungen, die unser Dichter nach Sketch'- Tode aufstellte.
29 Weidmann'- gelebt worden. Und wie unbegründet die Behauptung sei, daß der Dichter nur ein „kleines, seiner unwürdige- Honorar" erhalten habe gegenüber einem großen Gewinn der Verlag-hand lung, ergäben die der Klage angebogenen Auszüge au- den Briefen des Herrn Hosrath, der in jenen stets die höchste Anerkennung der Zuvorkommenheit, mit der ihn Reich behandelt, habe zutheil werden lasten. „Unleugbar ist es, daß in den damaligen Zeiten fein Autor so räsonnabel bezahlt worden ist, als der Herr Hofrach Wie land und daß bei dem andern noch übrigen Aufwand unsere Kosten keine geringen Summen ausmachen. — Welcher Gewinn nun immer noch für uns erreicht worden, so kann das die Kraft unseres recht mäßig erworbenen Eigenthums im mindesten nicht schwächen. Ge winn und Verlust find gänzlich des Verlegers Sache und eben da durch springt sein durch nichts zu verletzendes Eigenthum und EigenthumSrecht am stärksten in die Augen.---------Der in Hinficht auf das Eigenthum und die Rechte de- Buchhändler- statthabende Mangel eines positiven Gesetzes hat int Verfolg der Zeit Verträge zwischen manchen Autoren und Verlegern veranlaßt. Aber nicht um die natürlichen und unzubezweifelnden Rechte eines Verlegers zu begründen, sondern blos um einem Autor diese und jene Ansprüche auf einen oder den andern namhaft gemachten Vortheil zuzusichern, wurden bisweilen Verträge gemacht. In den mehrsten Fällen existiren gar feine Verträge und die Ratur deS statthabenden unbedingten Verkaufs bestimmt die Natur des fortdauernden Eigenthumsrechts hinreichend. Niemals haben die Autoren sich Ansprüche und Ausdehnungen erlaubt, die sie sich in dem Tontract nicht ausdrücklich ausgemacht und wörllich bestimmt hatten. Immer haben sie die namhaft gemachten Punkte, wie billig und recht, nur als Behaup tung der ihnen zugesicherten Ansprüche betrachtet, aber niemals das jenige, was nicht im Contract stand, als etwas angesehen, das für sie und wider die Verleger anzunehmen sei." Gräff bestritt also Wieland durchaus daS Recht, seine verschie denen Arbeiten, die er bereits früher verkauft, jetzt auf» Reue an Göschen zur Herstellung einer GesammtauSgabe zu übergeben, so lange er sich nicht mit hem Originalverleger der Einzelausgaben abgefunden.
Der Feldzug war also eröffnet. Begreiflich, daß nün Furcht und Hoffnung sich in deS Dichters Brust zeitweise ebenfalls bekäm pfen, daß zeitweise bald die eine, bald die andere die Oberhand ge-
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winnt, daß ihn der Gang des Prozesses lebhaft beschäftigt. So gibt ein Unwohlsein Göschen's im April 1793 erwünschten Anlaß, nach des Freundes Befinden, mehr noch nach dem Stand des Rechtsstreits zu fragen und der Dichter erklärt sich da, „auf jeden Wink zu Allem bereit, was Ihre und meine gerechte Sache fördern und zu einer eben so gerechten Entscheidung bringen kann". Und weiter: „Sollte sich in dieser Messe sJubilate 1793] eine Ligue von Buchhändlern gegen uns formtreu, so halte ich mich für ziemlich gewiß, daß ich iin Stande seyn werde, derselben durch eine Fronde von Schriftstellern, deren Rechte und Interessen mit den meinigen in dieser Sache sehr genau verbunden sind, das Gegengewicht zu halten. Unterdrücken wollen wir uns auf keinen Fall lassen". Wie es scheint, kam Göschen zum Pfingstfeste 1793 nach Wei mar. Er konnte da seinen Freund beruhigen: die gefürchtete Buchhändlerligue war auf Ostern nicht gebildet worden, des Dichters Be mühungen wegen der entsprechenden Fronde also unnöthig. Auch im Uebrigen ging vorläufig alles nach Wunsch. Göschen hatte un term 4. März 1793 die kurfürstliche Concession „zurAnlegung einer Buchdruckerei mit lateinischen Schriften nach Didot" erhalten und begann nun selbst den Druck zur großen Freude Wieland's, der den ersten eingehenden Aushängebogen „untadelich" fand und dabei — 10. Juni 1793 — „tausend Glück und Segen zu dem wohlangefan genen Werk" wünschte. Dabei trug auch „Herr Elkan, der Hebräer", der Ueberbringer Wieland'scher Wechsel und die Merkurabrechnung, die für unsern Dichter heuer einen Saldo von 796 Thalern ergab, nicht wenig zur Erhöhung des guten Humors in Weimar bei. Der „Embarras", den die Wahl der von den Zeichnern darzustellen den Scenen machte, konnte da füglich ertragen werden. Am 3. Juli flog dann der Storch wieder einmal über des Ver legers Haus. Seit jenem Karl Friedrich war mittlerweile ein Georg Joachim erschienen und diesem folgte jetzt ein Wilhelm Heinrich. Darüber war denn herzliche Freude auch bei Wieland. „Heil und Glück, ruft er am 14. Juli aus, und meinen besten Segen dem neugebohrnen dritten Sohne meines Freundes Göschen! Möge er leben und gedeihen, wachsen und blühen und dereinst den Geist, die Thätig keit, den Edelmuth und die Geschicklichkeit Seines Vaters mit allen Grazien und Tugenden Seiner Mutter in sich vereinigen, so wird er gewiß eines der vortrefflichsten und — was auch sein Schicksal seyn möchte — der beneidenswürdigsten Wesen unter der Sonne seyn. Ainsi soit-il!" Die Wünsche des freundlichen Poeten gingen in Er füllung. Wilhelm Heinrich ward der Gründer der angesehenen eng lischen Familie Göschen.
31 Unangenehm bei alledem blieb, daß man bei den fortdauernden Kriegsunruhen sich veranlaßt sehen mußte, den Druck der Wieland'schen „omnium“ vorläufig bis nach der Michael lsmesse einzustellen. Wieland litt freilich dadurch nicht, er arbeitete derweilen an seinem Manuscripte rüstig weiter, daß dann im Herbst desto hurtiger und munterer könne fortgefahren werden. Daneben beschäftigte er sich mit dem AristophaneS und übersetzte eine von dessen Comödien. Und in Betrachtung der politischen Wirren, die so häßlich gegen daS wundervolle Sommer wetter abstachen, bat er seinen Verleger: „Wir wollen nicht müde werden, jeder an seinem Theil und nach seiner Weise, dem Strohm der Zeit entgegen zu schwimmen und wenigstens durch möglichstes Lavieren auf der Diagonallinie am Ende doch an dem Ufer anzulanden, wohin unsre Farth gerichtet ist. Die Hauptsache, liebster Göschen, ist, zu leben und gesund zu seyn. Möchten Sie mir doch über diesen letzten Punkt immer nur fröhliche Nachrichten von sich selbst zu geben haben." Göschen konnte letzteres wohl. Denn er war, wie Lorenz sagt, eine stattliche Gestalt von kräftigem und gesundem Aussehen, welche die Last des menschlichen Lebens trefflich zu tragen vermochte. Und daß er darin auch Andern hilfreich beizuspringrn bereit war, wenn es noththat, dafür liefern auch unsre Wielandbriefe an mancher Stelle die Belege. So will er in dem Sommer 1793 im Interesse der Familie eines Mainzer Clubbisten eine Reise nach Frankfurt a/M. machen und schreibt auch Wieland davon. Der hatte bereits über dieselbe Angelegenheit mit dem Coadjutor von Mainz, Dalberg, gesprochen und räth nun vorsichtig erwägend von der Reise ab. „Müssen Sie denn, um da- Schicksal der Wittwe und Kinder zu er leichtern, selbst nach Frankfurt reisen? Schon die Kosten einer solchen Reise würden ein ziemlicher Beytrag zur Subsistenz dieser Unglück lichen seyn." — Wie die Herbstmesse kam, thaten Weidmann'- einen neuen Schritt gegen Wieland-Göschen: Sie kündigten eine Preisermäßigung der bei ihnen erschienenen Wielandiana an. Der Preis eine- jeden einzelnen Werkes sank dadurch beiläufig um die Hälfte des bisherigen, wer Alle- auf einmal kaufte, fuhr noch wohlfeiler. „Wer diese Schriften, hieß es in der Anzeige, an seinem oder einem ihm näher gelegenen Orte für die angezeigten Preise nicht bekommen kann, der beliebe sich mit frankirter Einsendung der Gelder unmittelbar an uns zu wenden. Wir werden einen Jeden auf- Prompteste be friedigen, sowie wir überhaupt nicht ermangeln werden, in An schauung dieser Schriften zur größeren Annehmlichkeit der Liebhaber künftighin noch das zu thun, wa- Umstände nöthig und zulässig machen."
32 Wieland war darob sehr böse. „Der neue impertinente Schritt, schrieb er am 23. September 1793 an Göschen, den die Weidmannsche Buchhandlung durch Herabsetzung des Preises meiner ehemals in ihrem Berlage gedruckten Schriften gethan hat, ist Ihnen natürlicher Weise schon bekannt. Ob eS nicht nöthig seyn dürste, daß Sie Ihrerseits das Publicum ebenfalls durch den Gothaischen Reichsanzeiger und andere öffentliche Blätter prävenirten, überlaffe ich Ihrem eigenen Gutbe finden. Wer meine Schriften kaufen will, müßte ein Thor seyn, wenn er (falls er ja auf wohlfeile Preise zu sehen hat) nicht lieber alle in einerlei Format, zum letztenmal revidirt und verbeffert in einer schonen und höchst wohlfeilen Ausgabe von der letzten Hand kaufen wollte, als die verlegene Waare der W. H., die in Vergleichung mit der Neuen Ausgabe eigentlich gar keinen Werth mehr hat. Man muß diesen Leuten lassen, daß sie ihr Möglichstes thun, unser Unter nehmen zu traversiren und, wo es seyn konnte, zu Grunde zu richten. Ich hoffe aber, daß es ihnen nicht gelingen soll; wiewohl ich nicht aufhören kann, zu beklagen, daß wir gerade in diesen fatalen Zeitpunkt fallen mußten. Denn mit dem gehofften Frieden sieht es noch miß lich aus. — Freilich müssen wir den Muth darum nicht sinken lassen; nur besorge ich, Sie, mein Bester, werden diese Tapferkeit vor der Hand, mehr als mir lieb ist, nöthig haben." Die kleinmüthkge Stimmung Wieland'S fand bei dem entschloffeuen Göschen auch jetzt kein Echo. Unbeirrt ging der Ber leger seinen Weg, während der Dichter bereitwillig seine Klein gläubigkeit eingestand und die Ansicht aussprach, daß er zu allem Andern in der Welt eher getaugt hätte, als zum Buchhändler. Wenn nur erst ein günstiges Urtheil da wäre! „Dann zweifle ich nicht, meinte Wieland, daß Alles gut gehen wird." Und um auch ihrerseits nichts zu versäumen,rückten nunWieland und Göschen ebenfalls mit einer für daS Publicum bestimmten An zeige vor, Wieland zunächst. In einem gedruckten Blatt, das gewiß weite Verbreitung fand, sagte er, auch ohne Rücksicht auf die häufigen Aufforderungen, welche seit mehreren Jahren von seinen Freunden an ihn ergangen seien, halte er es für Pflicht, seine Werke gesammelt herauszugeben. ES sei ein süßer Gedanke, znmal in den letzten Herbst tagen deS Lebens, auch nach seinem Tod noch unter den Menschen, die man geliebt habe, fortzuleben, ihnen noch werth und nützlich zu sein und von den Besten unter ihnen noch geliebt zu werden. Wofern auch die Hoffnung, daß die Zukunft diesen Gedanken realisiren werde, nur Täuschung wäre: welche Aufopferung, welche Nachtwachen könnten zu viel sein, um sich noch in seinem Leben eine so süße
33 Täuschung zu verschaffen. So erklärte also Wieland, ay die Arbeit gehen zu wollen, Göschen aber nahm den Faden der Rede an dieser Stelle auf und spann ihn in einer besonderen Anzeige weiter. Eine vollständige, gleichförmige und schöne Ausgabe der Wicland'schen sämmtlichen Schriften, sagte er, sei gewiß der Wunsch des Zeitalters, dem dieser Schriftsteller zu Theil geworden, und er, Göschen, müsse — falls die Zeitgenoffen und die Nachwelt nicht bedauern sollten, daß eine solche Ausgabe seiner Sorgfalt anvertraut sei — alle Kräfte anwenden, die Pflichten zu erfüllen, welche ihm in Rücksicht der Schönheit und Correctheit des Druckes oblägen. Doch würden, wie er hoffe, die in allen Buchhandlungen ausgelegten Druckproben be weisen, daß er es mit seiner Pflicht ernst nehme. Schriftschneider, Gießer, Papiermacher, Drucker hätten ihr Bestes gethan, für Her stellung der Kupfer, von denen Proben übrigens nicht vorgelegt werden könnten, seien Männer wie Bause, Berger, Geyser u. A. gewonnen. Er hoffe also auf Unterstützung von Seiten des Publi cum- und rege Subscription. Erscheinen sollen die Werke in den schon genannten vier Aus gaben, von denen die drei ersten mit Kupferbeigaben bedacht waren, und zwar in „Lieferungen" von 5 Bänden und ebensovielen Alpha beten. Die Ausgaben sollten gleichzeitig an die Oeffentlichkeit treten, die erste „Lieferung" zu Ostern 1794. Der Pränumerationspreis für diese erste Lieferung betrug 25 Thaler, 12% Thaler, 11% Thaler und 2 Thaler. Zur Vollendung des Ganzen nahm Göschen sechs Jahre und einen Umfang von 30—40 Alphabeten in Aussicht. Auch bei oberflächlicher Berechnung ergab sich dem Verehrer der Wieland'schrn Muse, daß es ein kostspieliges Unternehmen war, auf das man pränumcriren sollte. Namentlich, wo waren Leute, die für die große Ouartausgabe die nöthigen flüssigen Gelder hatten? Sie kostete später, als sie vollendet war,250Thlr., und wenn sie dafür heute noch von mustergültiger Schönheit ist, so war doch der Prännmerationsbetrag, den sie nach und nach verschlang, auch nicht gering zu achten. Begreiflich genug, daß der Dichter ab und zu wieder ängstlich wurde und Sorgen trug für die Zukunft seines Schützlings. Doch faßte er auch dann neuen Muth und hoffte, daß auch für die große Ausgabe sich einige Pränumeranten finden würden. Freilich in Weimar waren solcher wenige. ES kamen hier in Betracht ledig lich die Herzogin-Mutter Amalie und Herzog Karl August, letzterer für die fürstliche Bibliothek, da er doch nicht erwarten konnte, daß ihm Wieland, „le pauvre diable“ ein so kostbares Geschenk mache. „Aus allen Fall", schrieb der Dichter an Göschen, „nehmen Sie Weimar nicht zum Maßstab, denn 1. gilt kein Prophet im Orte seines AufentBüchner.
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34 Halts und 2. sind hier die meisten Liebhaber so arm wie die Kirchen mäuse und die Bermöglichen hingegen keine Liebhaber." Und zu an drer Zeit meinte Wieland, wenn auch ein brillanter Erfolg nicht er zielt werde, so würde doch die Kostbarkeit der schönen und die äußerste Wohlfeilheit der geringen Ausgabe Göschen auf fünfzig Jahre hinaus vor Nachdruck sichern und werde so das Ganze nicht nur die Unkosten remboursiren, sondern auch ein sich sehr gut verzinsendes Capital für ihn und die ©einigen sein und bleiben. Weidmann's legten derweil mit nichte« die Hände in den Schoß. Die Anzeige in Betreff der Preisermäßigung versandten sie an die Genoffen und an die Zeitungen, daneben aber noch ein anderes Druck stück, das Wieland zwar das Recht zugestand, seine Werke heraus zugeben, nicht jedoch ohne zu betonen, daß die Rechte Dritter nach Gebühr dabei geschont werden müßten. Und an den Buchhan del wandten sie sich mit den Worten: „Von unsern Handlungsver wandten dürfen wir erwarten, daß sie sich in dieser Sache gern um so mehr für unsre rechtmäßigen Ansprüche und Behauptungen ver wenden werden, je. mehr das wohl an sich gebrachte Eigenthum eines jeden Verlegers in einem Fall, wie der jetzige, künftighin einer nicht geringen Gefahr ausgesetzt sein dürfte." Darauf antwortete Göschen: WaS wollen Weidmann's eigentlich? Meine Ausgabe der Wieland'schen Werke ist kein Nachdruck. Das Urtheil der Obrigkeit be stätigt dies. Zudem habe ich Weidmann's die Theilhaberschaft an diesem Unternehmen angeboten. Warum lehnten sie diesen Antrag so schnöd ab? Drum, „statt ferner das Publicum mit einem Streit zu behelligen, will ich fortfahren, Wieland's sämmtliche Werke mit Eifer zu vollenden. — Täglich, Nachmittags zwischen 2 und 3 Uhr sind in meiner Buchhandlung auf dem neuen Neumarkt, im Cramerhause Nr. 633 eine Treppe hoch, gedruckte Bogen von Wieland's sämmtlichen Werken aller vier Ausgaben und die dazu gehörigen Zeichnungen von Ramberg zu sehen. Auch wird daselbst ein ausführ liches Avertiffement von diesen Werken unentgeltlich ausgegeben". Und darauf ließen sich wiederum Weidmann's vernehmen, Herr Göschen habe sehr unrecht. Der Streit sei vom Gericht noch nicht endgültig entschieden und sie selbst hätten den gemeinschaftlichen Verlag gar nicht so kurzer Hand von sich gewiesen. Und sie legten dem Publicum die Antwort vor, die sie ihrerseits Herrn Göschen gegeben hatten. Solchergestalt war dafür gesorgt, daß, während im Sturmes wehen einer neuanbrechenden Zeit die alte Welt in Trümmer gehen zu wollen schien, der schönwiffenschaftlichen Literatur und dem Buch handel ein ganz eigenartiges Stürmlein nicht fehlte. Für die All-
35 gemeinheit gefahrlos, blitzte und donnerte es nur in den Spalten einiger Zeitungen, in dem und jenem gereizten Briefe. Aber Die, welche es anging, fühlten doch die Erschütterung.
Beide, Göschen und Gräff, hatten recht. Jener mit seiner Be hauptung, daß seine Ansichten vor dem Gericht Gnade gefunden hätten, Letzterermit seiner Meinung, daß damitnichts gesagt sei. Denn hatte die erste Instanz sich ungünstig gezeigt — von den Leipziger Schöffen war Göschen nur bedeutet worden, daß er die „Werke" nicht in ihren einzelnen Bestandtheilen verkaufen dürfe, im Uebrigen hatte man ihn straflos gefunden,*) — so blieben noch zwei weitere Jn*) Die Entscheidungsgründe, die für das Leipziger Schöppengericht maßgebend waren, sind dem Urtheil beigegeben und lauten in einer für moderne Leser verständlichen Fassung folgendermaßen: Kläger behaupte nicht, daß Beklagter die von der Weidmannschen Buchhandlung seit vie len Jahren einzeln verlegten Wieland'schen Schriften ebenfalls einzeln drucke und verlege. Vielmehr habe Beklagter erklärt, nie ein Wieland'sches Werk einzeln, sondern alle Werke dieses Schriftstellers zusammen, in einer unzertrennlichen Sammlung verkaufen zu wollen. Sonach stehe der Weidmannschen Buchhandlung kein Recht zu, dem Beklagten den Druck und Verlag der ganzen Sammlung aller Wieland'schen Schriften zu verbieten; ebenso wenig als sie dem Verfasser selbst die Veranstaltung einer vollständigen Ausgabe aller seiner schon gedruckten und noch unge druckten Werke zu untersagen, und ihn, wegen des zu diesem Behuf mit dem Beklagten errichteten Vertrags, in Anspruch zu nehmen sich anmaßen dürfte. Denn einem Schriftsteller stehe an den Werken, die er durch seine Geisteskräfte hervorgebracht, das Recht des Eigenthums ganz un streitig zu; auch sei vermöge dieses Rechts nur er allein den Abdruck davon zu veranstalten und, durch den Verkauf der Abdrücke, Gewinn und Vortheil sich zu verschaffen befugt; und, wenn einem andern diese Befugniß, oder der Verlag, das heißt die Freiheit, die Werke auf seine Kosten drucken zu lassen und die Abdrücke für seine Rechnung zu verkaufen, also eigentlich die Benutzung dieser Werke, für eine gewisse Summe von dem Verfasser zugestanden und überlassen werde, so gebe dieser dadurch keinesweges auch das natürliche und unwidersprechliche Recht des Eigen thums an seinen Werken überhaupt auf; vielmehr sei eine solche Ueberlaffung, nach der Natur des Geschäfts, bloß von dem Gewinn durch die Auflage, die unmittelbar nach dem eingegangenen Vertrag gefertigt werde, anzunehmen und, nach dem Vertrieb dieser Auflage für einen verhältnißmäßigen Preis, stehe dem Verfasser, als dem Eigenthümer der Werke, wenn auch der Verleger ein vor dem Nachdruck eines Dritten ihn sichern des Privilegium erlanget hätte, wieder völlig frei, entweder selbst, für seine eigene Rechnung, dieselben mit Verbesserungen und Zusätzen drucken zu lassen und zu verkaufen, oder diese Benutzung seines ihm verbliebenen rechtmäßigen Eigenthums für eine anderweite Summe einem Andern zu überlassen, wofern nicht mit dem ersten Verleger der Vertrag ausdrücklich
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stanzen übrig, und wer wußte, was diese zu dem Handel noch sagten. Immerhin war das, was Göschen erreicht, nicht zu verachten. Der erste gerichtliche Erfolg hob den Muth, die Arbeit ward wieder lebhaft aufgenommen, da sich ja alles aufs beste anließ. Ehe das Jahr 1793 völlig zur Neige ging, schrieben Weid mannes noch an Wieland. Schon zu Anfang des Jahres — am 6. Januar war die Mamsell Weidmann gestorben, die Enkelin des Gründers der Firma, jetzt eine Greisin von 78 Jahren. Mit ihrem Hinscheiden war die Handlung, deren Vorsteher vierzig Jahre hin durch Philipp Erasmus Reich gewesen, an den Leipziger Buch händler Junius gefallen, der sich darauf den bisherigen Factor der Firma, den uns schon bekannten Grafs zum Geschäftstheilhaber bei gesellt hatte. Von diesen Vorgängen glaubten Weidmann's — die Firma blieb die bisherige — auch ihrem alten Autor Kenntniß geben zu sollen und sie benutzten diese Gelegenheit, daran zu erinnern, daß sie bereits im verwichenen August so frei gewesen seien, in Betreff einer nöthig gewordenen neuen Auflage von Horazens Satiren zu schreiben. Letzteres war richtig, und hatte damals Wieland Göschen gegenüber gemeint, daß Weidmann's allerdings ein Recht auf einen Neudruck jenes Werkes hätten, er sei aber wirklich gegenwärtig außer Stand, sich um den Horaz zu kümmern. An die Weidmannsche Buchhandlung schrieb er jedoch nicht. Vielleicht daß ers nur verschob, vielleicht, daß er beschloß, nicht zu antworten, als ihm das falsche Gerücht zu Ohren kam, Weidmanns seien des „dummen und ver wegenen Streiches fähig" gewesen, die Musarion ohne des Dichters „Willen und Concurrenz" neu zu drucken. Jetzt aber, da er gemahnt ward, schrieb er. Zunächst sagte er den „hochedelgebohrnen, hochge ehrtesten Herren" seine „aufrichtigen Glückwünsche", in Betreff des dergestalt abgeschlossen worden, daß ihm das Verlagsrecht der Schriften des Verfasser-, auch in jeder veränderten und neuen Gestalt, auf immer und in alle Zukunft zustehen solle. Im vorliegenden Falle aber werde von dem Kläger eine so uneingeschränkte Uebereignung an die Weid mannsche Buchhandlung, und insonderheit eine verbindliche Berzichtleistung des Verfassers auf die Einverleibung der vorhin ihr überlaffenen ein zelnen Schriften in eine Sammlung aller seiner Werke, nicht behauptet. Ueberdie- erscheine auS den Acten nicht, daß der Weidmannschen Buch handlung da- Verlagsrecht einzelner Wieland'scher Schriften, wie sie solches bereits vor zwanzig Jahren erworben, und in diesem langen Zeit raum nicht nur zu ihrer völligen Entschädigung für ihren Aufwand, son dern auch wahrscheinlich zu ihrem großen Gewinn, ausgeübt habe, hinfüro genommen werden solle. Solchergestalt fehle so viel, daß sie über Einbuße und Schaden sich zu beschweren Ursache hätte, daß ihr nicht ein mal Anlaß gegeben werde, die nach den Gesetzen ohnehin unzulässige Klage über den Wegfall noch mehreren Gewinns zu führen.
37 Horaz erklärte er jedoch, daß er sich auch ohne Rücksicht aus das Verhältniß, in welches die Weidmannsche Buchhandlung sich seit kurzem vor dem Publico gegen ihn gesetzt habe, durch viele andere alle seine Zeit und Kräfte beschäftigende Arbeiten gänzlich außer Stand sehe, an der neuen Auflage mitzuwirken. Wie viel wärmer ist doch der Hauch, de» die an Göschen ge richteten Briefe durchweht. Aus dem früheren Gönner Wieland ist schon seit geraumer Zeit ein warmer Freund geworden, dessen Werth wir nicht geringer anschlagen, Weiler die für ihn pecuniär werthvollen Seiten des Verhältnisses zu seinem Verleger offen eingesteht. Er selbst ist vor Jahren einmal ein Werdender gewesen und er freut sich jetzt herzlich zu sehen, wie auf anderm Gebiete eine bedeutende Kraft sich emporringt. Und wenn sich der alte Herr dabei einbildet, daß seiner Gunst der aufftrebende Buchhändler vornehmlich sein Empor kommen danke, so wollen wir ihm das nicht übel nehmen. Das Behagen, das Wieland aus seinem Verhältniß zu Göschen floß, war übrigens mannigfaltig. So freute sich unser Dichter gar sehr, als er sah, daß sein Verleger selbst unter die Schriftsteller gegangen sei. Eine Reise, die Göschen in Süddeutschland gemacht, gab ihm Anlaß zu der kleinen Schrift Johanns Reisen, und als sie gedruckt war, sandte er auch ein Exemplar an Wieland. Dieser aber schrieb am 4. November 1793: „Ihr kleines Buch, mein liebster Göschen, hat in meinen Augen nur Einen Fehler und der ist, daß es nicht so dick ist, als ein Ritterbuch au- dem 16. Jahrhundert. Es ist daS wahre und einzige Seitenstück zu Yoriks Sentimental Journey, macht Ihrem Geist und Geschmack eben so viel Ehre als Ihrem Herzen und versichert Ihnen einen ebenso ehrenvollen Rang unter den Schriftstellern als der ist, zu dem Sie Sich unter Ihren Pro fessionsverwandten emporgeschwungen haben. Wenn Sie, wie ich hoffe, bald eine zweite Auflage machen müssen, so bitte ich Sie, mir zu er lauben, daß ich vorher nur einige wenige sehr unbedeutende Nach lässigkeiten im Styl oder in der Sprache wegwische. Denn ein so schönes und gutes Werkgen verdient ganz untadelich zu seyn." Und dann, um zum Geschäft zurückzukehren, schreibt der Dichter zu Neujahr 1794: „Möge dieses neu angefangene Jahr wenigstens den Anfang machen, mein theurer und geliebter Freund, Sie für die unendlichen Sorgen, Arbeiten und Mühseligkeiten des vergangenen zu belohnen. Und möge auch ich wenigstens nur so lange leben und brauchbar seyn, bis ich das Ende Ihrer Arbeiten für mich und diese Arbeiten mit Erfolg gekrönt gesehen habe. — Einer meiner eifrigsten Wünsche ist jezt, daß der gute Muth, mit welchem Sie auch dieses neue Jahr ange fangen haben, Sie nie verlassen möge! Sie haben deffen mehr als
38 jemahls von nöthen, denn da zu allen übrigen Umständen, die einem glänzenden Succeß Ihrer heroischen Unternehmung im Wege standen, auch noch dieser hinzukommt, daß nicht die geringste Hoffnung zu dem von allen Menschen so sehnlich gewünschten Frieden übrig ist, so kann ich nur gar zu leicht vorhersehen, daß — doch kein Wort von böser Vorbedeutung! Mit Zeit und Weile kann und wird hoffentlich alles noch ganz leidlich ablaufen." Das Jahr 1794 zeigt sich in vieler Hinsicht so erfreulich wie sein Vorgänger. Der nichtgeschästliche Verkehr zwischen Dichter und Verleger ist so freundlich wie möglich. Man nimmt Theil an den Ereigniffen der Familien, sendet sich und den Kindern kleine Geschenke, erweist sich, wo nöthig, gern Gefälligkeiten. Wieland meldet die Ver setzung seines Schwiegersohnes Reinhold nach Kiel mit vielem Leid muth, Göschen sendet Thümmel's Reisen nach dem mittäglichen Frank reich ; gleichzeitig trifft eine reizende Puppe von der „geliebten Freundin Henriette Göschen" ein, der Kauf eines Geburtstagsgeschenkes für die Freundin Wieland's, die Herzogin Amalie, unterbleibt dagegen, weil Göschen nichts Paffendes aufzutreiben weiß. „Es ist am Ende bester, ich gebe gar nicht-, als meine guten Wünsche wie bisher." So der Dichter. Im Juli kommt dieser dann auf seinem Wege nach Dresden auch nach Leipzig, wo ihm zu Ehren von Göschen ein Gartenfest veranstaltet wird. Ein mit Transparenten geschmückter Tempel mit Wieland's Büste,zwei Knaben in griechischer Gewandung, welche den ersten Band der QuartauSgabe der Werke in einem griechischen Wägelein heranführen, und ein Lorbeerkranz von Göschen'Schwägerin auf des Dichters Haupt gedrückt, fehlen nicht an dem festlichen Abend. Auch der geschäftliche Verkehr war lebhaft wie früher. Der Merkur brachte Arbeit und Einnahmen, die Werke erstere jeden falls, letztere wohl in Gestalt von PränumerationSgeldern. Correcturen und Manuskripte wanderten hin und wieder, aber Wieland hatte bei alledem etwas getrödelt. Als die Ostermeffe 1794 heran kam und er von verschiedenen Seiten gefragt ward, ob denn die erste „Lieferung" der Werke zur bestimmten Zeit erscheinen würde, gab er zwar ein bestimmte- Ja zur Antwort, aber ob es möglich sein werde, daS Verlangen der Freunde zur bevorstehenden Meffe zu befriedigen, war mehr als zweifelhaft. „Im schlimmsten Fall wird es auch nicht viel auf sich haben, wenn die Versendung erst auf Johannis geschehen könnte." Besuche, Unwohlsein und die Schwierigkeit der Arbeit am Agathon haben den Abschluß der Arbeit verzögert. Doch wie die Jubilatemeffe so vergeht Johanni, ohne die ersten Bände der „Werke" gebracht zu haben; ja eS kommt auch die
39 Michaelismefse ohne eine Spur von den Werken. Wieland mußte an der nun eingetretenen abermaligen Verzögerung der Ausgabe wohl ganz unschuldig sein, sonst würde er sich am 14. November nicht zu folgender Anfrage entschlossen haben: „Ich soll von wegen der Durch!. Herzogin Amalia bei Herrn Göschen anfragen, wie viele Wochen sie ungefähr noch auf die erste Lieferung von Wielands aämmtl. Werken warten müsse und was für Hoffnung Sie Sich wohl LU machen habe, die letzte Lieferung zu erleben, wenn man die außerordentliche Art, wie Herr Göschen sich seines ersten Engagement gegen das Publicum entledige, zum Maß stabe der Zuverlässigkeit seiner künftigen Versprechungen nehme? Ich habe seit vielen Wochen alle meine Einbildungskraft erschöpft, um Entschuldigungen für meinen Freund zu finden; aber seit 14 Tagen bin ich am Ende meines Lateins und weiß selbst nicht mehr, was ich denken soll, da der gestrige Posttag nunmehr schon der 5te ist, an welchem ich kein Lebenszeichen von Hrn. Göschen erhalte, wiewohl ich gern zufrieden gewesen wäre, wenn ich nur durch ein Paar Zeilen beruhiget und in den Stand gesetzt worden wäre, auch Andere, deren Geduld schon lange ausgegangen ist, wenigstens auf einen bestimmten Termin vertrösten zu können." WaS diese Verzögerung veranlaßte, wissen wir nicht, aber gewiß ist, daß sie noch weiter dauerte. Zur Verbesserung der Stimmung in Weimar — Wieland war dazu gerade augenleidend — trug das eben nicht bei. In seinem Brief vom 4. December freute sich der Dichter zwar sehr, daß der Göschen-Weidmannsche Prozeß nun auch bei der Leipziger Juristenfacultät*) gewonnen sei, aber die Freude ward doch wesentlich gedämpft durch das noch immer andauernde Ausbleiben der „Werke". „Gebe der Himmel, meint der Dichter mißmuthig, daß Sie nun auch bald Ihren Prozeß beym Publico gewinnen, bey welchem Sie leider! mehr verlohren haben, als Sie zu glauben scheinen, und über dessen Mangel an Geduld, nachdem es zwey mahl durch positive öffentliche Versprechungen getäuscht worden, Sie Sich wahrlich nicht zu beklagen haben. Mir, meines OrtS, sind wenig Dinge unerträglicher, als mich in einer Erwartung, wozu man mich berechtigt hat, getäuscht zu sehen." Und warnend ruft Wieland: „Wahrlich es liegt jedem ob, sich den Zuruf »wer da stehet, j&er sehe zu, daß er nicht sötte« zu Herzen zu nehmen. Es ist schon unglücklich genug, daß Sie mit Ihrer Unternehmung in eine so unselige ZeitPeriode gerathen sind. Die einzige Möglichkeit, das Schiff vorm Sinken zu bewahren, ist noch, sich beym Publico wieder in gute Mey*) Die Juristenfacultät bestätigte einfach das Urtheil des Schöppengerichts,
40 nung zu setzen. Denn wo käme es hin, wenn von Ihren Subscribenten ein Paar hundert sich wieder zurückzögen? Ich schreibt Ihnen ungern in diesem Ton; aber Unmuth und Verdruß haben sich seit 6 Wochen (wahrlich ohne meine Schuld) so in meinem Gemüth angehäust und selbst meine Gesundheit so angegriffen, daß es kein Wunder ist, wenn ein volles Gefäß endlich überläuft. Sie schonen mich zu wenig, da Sie mich doch kennen sollten und schon vor 5 oder wenigstens 4 Wochen durch einen Brief von wenig Zeilen mich aus der unleid lichsten Ungewißheit und stets getäuschter Erwartung hätten ziehen können." Die Zeit verstreicht, die Verstimmung schwindet, denn die erste „Lieferung" der „Werke" tritt an die Oeffentlichkeit. Und zwischen Weimar und Leipzig herrschte wieder die frühere Freundschaft. Die Manuscript- und Correctursendungen Wieland's hatten ihren regel mäßigen Fortgang, ebenso die Geldsendungen Göschen's. Kein Wunder übrigens, daß der Dichter ab und zu noch immer um Vor auszahlungen bitten mußte. Bon vierzehn Kindern lebten noch neun, und wenn davon nach und nach einige Töchter sich verheirathet hatten, so waren doch zwei von diesen als Wittwen ins Vaterhaus zurückgekehrt, zudem mit Kindern. Die Söhne kosteten ebenfalls noch Geld. Dazu dann zeitweiliger Besuch; da hatte Wieland wohl Anlaß, sich etwas besorgt umzuschauen nach Hilfe. Aber wozu war denn der Leipziger Freund und Verleger da? Er war ein vermögender Mann und Gutsbesitzer geworden trotz der schlechten Zeiten, dazu, abgesehen von seiner Verpflichtung, stets zu helfen bereit. Also wandte sich der Dichter stets an ihn in jeder neuen Bedrängniß. Bei solcher Gelegenheit kam auch einmal das Honorar für die „Werke^ zur Sprache, aber wir erfahren da leider nur, daß nach Contract bis zum Schluß des Jahres 1795 die Summe von 5000 Thalern und im Jahre 1796 von 2000 Thalern gezahlt sein sollte. Und dann, als Wieland durch den Kauf seines LandgütchenS etwas in Gedränge kam, sprang Göschen dem Dichter mit einem Vorschuß auf die „Werke" im Betrage von 4000 Thalern bei. „Herzlichen lebenslänglichen Dank, liebster Göschen, schrieb damals — 23 October 1797 — Wieland, Sie lesen in meiner Seele und eS bedarf also keiner langen Fräsen, die ohnehin daS was ich fühle, nie so wahr und innig sagen könnten, als ich es fühle. Keiner meiner Freunde hat so viel um mich verdient als Sie, und ich kenne keinen, der eS mir durch die Güte seines Herzens und die Art wie er sie seinen Freunden bey wesentlichen Gelegenheiten beweiset, so leicht machte ihm Verbindlichkeiten zu haben." Als Honorar glaubte der Dichter — nach Gruber's Mittheilungen —
41 damals für alle Supplemente und vier noch ungedruckte Bände der „Werke" „mit Einschluß von 3000 Thalern, als bereits accordirtem Honorar für die zweite Auflage von 30 Bänden der Werke"*) 7000 Thaler gut zu haben. „Sollten Sie indessen, lieber Freund, da Sie solche Dinge besser berechnen können als ich, herausbringen, daß Sie dabei zu kurz kämen — welches nie meine Meinung seyn kann — so lassen Sie uns 1000Thaler von obiger Summe wegschneiden und als feststehend annehmen, daß ich für alles Besagte 6000 Thaler bei Ihnen gut hätte." Hiernach, fährt ©ruber fort, kann man nun die verbreitete Sage berichtigen, daß Wieland durch die neue Aus gabe seiner Werke sich ein Rittergut verdient gehabt habe; eine Sage, die nur durch alle von ihm genommenen Vorsichtsmaßregeln zur Sicherung seines stets bewährten Credits Wahrscheinlichkeit erhielt. Immerhin ist für uns, die wir nicht mit den Augen des begeisterten Biographen sehen, so viel gewiß, daß, wenn in diesem Fall verlege rischen und schriftstellerischen Abkommens von einem contractua leoninus zum Nachtheil eines der Betheiligten hie Rede seyn kann, unser Dichter dieser Benachtheiligte jedenfalls nicht war. Und es kann ferner nicht zweifelhaft sein, daß, wenn Wieland die Einnah men, die ihm auS den „Werken" stoffen, zum Ankauf seines OSmantinum verwandte, er den größten Theil der Kaufsumme — 22,000 Thaler — mit jenen wohl hätte decken können. Weidmann'- waren mit ihrer Klage in der ersten und zweiten Instanz'durchgefallen und beim sächsischen OberappellatiouSgericht ging eS ihnen nicht besser. Dieses sagte (nach Gruber): Kläger haben den Klaggrund darauf gesetzt, daß die vom Beklagten veran staltete Herausgabe einer Sammlung der sämmtlichen Wieland'schen Werke als ein Nachdruck der einzelnen Wieland'schen Werke, deren rechtmäßige Berleger sie wären, zu betrachten sei. Diese» ist aber, wenigstens im gegenwärttgen Falle, da Beklagter die Herausgabe dieser Sammlung zufolge eines mit dem Schriftsteller abgeschlossenen ContractS veranstaltet, offenbar unrichttg. Denn in einem solchen Falle ist die Herausgabe einer Sammlung sämmtlicher Werke, selbst wenn der erste Verleger alle diese Werke ohne einige Ausnahme vor her einzeln in seinem rechtmäßigen Verlag überkommen, doch immer nur mit einer neuen Ausgabe in Vergleichung zu stellen, wie Kläger auch selbst zugeben. Eine neue Ausgabe aber, die der zweite Ver leger mit Genehmigung des Schriftstellers veranstaltet, gewährt in *) Mit dem SO. Bande waren die „Werke" vorläufig abgeschloffen. Es begann dann der Druck der Supplementbände, welche die älteren Arbei ten des Dichters brachten. Nachdem diese fertig vorlagen (1798), ward dann mit der Weiterführung der eigentlichen Werke fortgefahren (1799).
42 der Regel dem ersten Berleger kein Klagrecht gegen den zweiten Verleger, da daS Verlagsrecht in der Regel, und wenn nicht zwischen dem Schriftsteller und dem ersten Verleger etwas ander- bedungen ist, nur auf die erste Ausgabe de-Werke- sich erstrecket. Der erste Ver leger hat zwar einen Schaden-Anspruch an den Schriftsteller, wenn dieser eine neue Ausgabe veranstaltet und selber die von ihm recht mäßig veranstalteten Auflagen der ersten Ausgabe noch nicht abge setzt hat, allein gegen den zweiten Verleger hat er in der Regel kein Klagerecht. Dieses alles ist in der Natur des Verlags-Contracts ge gründet und nach derselben im Pr. Landrecht P. I. Tit. XI. §. 996. ff. festgestellt und finden diese aus der Natur des Verlags-Contracts herfließenden Folgerungen auch in den hiesigen Landen bei dem Mangel eines positiven Gesetzes in denselben allerdings Anwendung. Ein andere- ist es, wenn der Schriftsteller sich mit dem ersten Ver leger, wie Kläger int Fortgang des Prozesses behaupten, dergestalt vereiniget, daß jener des Rechts auf eine neue Ausgabe sich aus drücklich begeben, (aus der Unterlaffung des Vorbehalts dieses Rechts aber kann eine stillschweigende Begebung desselben nach der Natur des Verlags-Contracts nicht gefolgert werden), und wenn, wie Kläger im ferneren Verlauf des Prozesses vorgeben, Beklagter solches nicht nur gewußt, sondern den Schriftsteller sogar selbst zu dem mit ihm geschloffenen Contract unter Uebernehmung der Vertretung desselben gegen die Kläger veranlaßt; dann haben Kläger gegen Beklagten ex damno culpa et dolo dato allerdings ein Klagrecht. Die von Klägern gegenwärtig angestelüe Klage aber ist auf diesem Grund nicht erbaut und also ist solche, zwar nicht schlechterdings, jedoch an gebrachtermaßen zu verwerfen gewesen. Bis eS zu diesem Urtheil kam, bei dem sich die Weidmannsche Buchhandlung beruhigte, indem sie keine Veranlassung nahm, eine neue bessere Klage anzustellen, vergingen noch 18 Jahre, aber es war schon günstig, daß auch (in zweiter Instanz) die Juristenfacultät sich Göschengeneigterwiesenhatte.Somachtendie„Werke"weitereFortschritte, die Subskribenten bekamen nach und nach ihre „Lieferungen", der Dichter aber nach wie vor viel Geld, bereit- verdiente- und noch zu verdienende-. Auch der private Verkehr zwischen OSmannstädt, wohin Wieland im Jahre 1797 überzieht und wo Göschen ihn zu besuchen erscheint, bleibt wie immer freundschaftlich. Aber für uns verliert er doch an Anziehungskraft. Um uns mit rechtem Behagen in daS Kleinleben de- persönlichen Verkehrs, wie er stch zwischen dem greisen Wieland nnd seinem jüngeren Verleger allgemach entwickelt hat, zu vertiefen, wissen wir zu wenig und der Hader mit der Weidmannschen Buchhandlung, der die ersten Jahre der Verbindung
43 belebte, hat durch den Spruch des Richters ein Ende gefunden. So bleibt über den Rest des Lebens, das Wieland noch zum Verkehr mit Göschen gegeben war, nur wenig noch zu sagen übrig.
Wieland hatte als „Graubart" von 64 Jahren sich noch ein Gut gekauft, dort gedachte er in angenehmer Abgeschiedenheit von der Welt nur noch seinen Arbeiten und den Freunden zu leben, die ab und zu ihn zu besuchen kamen. Aber fand er das Erwartete voll, so sah er dieses doch sehr rasch in seinem Werth beeinträchtigt durch Unerwartetes. Den ersten schönen Wochen folgten Monate und Jahre, reich an Sorgen, die den Dichter besonder- Peinigen mußten. Wieland war stets ein musterhafter Wirth gewesen, bei allen Vor schüssen, welche Freund Reich und Göschen geleistet, war die Pünkt lichkeit Wieland's nie vermißt worden. Und jetzt mußte ihm dieses unselige Osmantinum schaffen, was er nie gekannt, eigentliche Geld verlegenheiten! Der Dichter stürzte sich nun mit rastlosem Eifer auf literarische Arbeiten, um Geld zu verdienen. Seit 1796 erschien bei seinem Schwiegersohn Geßner*), von ihm selbst in- Leben gerufen, da- Attische Museum. Für dieses hatte er zwei größere Arbeiten bestimmt. Solon und Agathodämon. Der Solo» blieb Plan, vom Agathodämon erschienen einige Capitel im Museum, dann vollendete ihn Wieland und gab ihn Göschen in Verlag. Ebenso die Gespräche unter vier Augen, die zum Theil im Merkur gestanden hatten. Das Honorar, das Göschen dafür bot, erscheint unS sehr hoch, eS waren 15 Thaler für den gedruckten Bogen, Wieland aber war nut bedingt damit zufrieden. „Warum sollte ich nicht, antwortete er auf Göschen'S Anfrage, zumal wie meine Aktien beim Publico dermalen zu stehen *) Im Sommer 1796. war Wieland bei Geßner in Zürich zu Be such. Aus dem Rückweg hielt er sich in Nürnberg auf und er erfuhr da etwa-, da- dem Schwiegersohn bei erster Gelegenheit zu melden wohl paffend schien. ,,Die Nürnberger schmeicheln sich, schrieb der Dichter am 26. September von Weimar ans an Geßner, daß. unter andern Prosperitäten, die sie sich von dem Schutz des preußischen Adler- ver sprechen, auch der Hauptsitz de» Buchhandel» und der Buchhändler-Meffe von Leipzig nach Nürnberg ziehen werde, welche Stadt, da sie im Mittel von Deutschland liegt, in der That hiezu ganz vorzüglich geeigenschaftet scheint. Sagt dieß in meinem Rahmen und mit meiner eordialften Em pfehlung dem Herrn Amtmann fund Buchhändlers Heidegger, der ohne Zweifel diesem Projekt (mit mir) einen baldigen Sueeeß wünschen wird. Kommt eS je zu einer glücklichen Ausführung desselben, so weiß ich schon, wa» ich Euch rathen würde." (A. B. v. W. IV. S. 121.)
44 scheinen, sehr wohl damit zufrieden sein?" Es beschlich ihn daS Gefühl des AlterS und daß er,-neben den jüngeren Geistern, die Weimar dermalen berühmt machten, doch kein ganz Ebenbürtiger sei. Und wohl fühlte er den Hieb des TenionS: Ist nur erst Wieland heraus, so kommt- an euch übrigen alle, Und nach der Location! Habt nur einstweilen Geduld!
Die Gespräche und Agathodämon erschienen nicht besonders, sondern als 31. und 32. Band der Werke, waS Wieland bitter kränkte. Sollte sein Credit seit etlichen Jahren unter den Deutschen so außerordentlich gesunken sein, daß Göschen keinen Sonderdruck dieser Werke mehr wagte? Wieland sollten noch mehr Zweifel aufsteigen. Nach dem uns Verlornen Vertrag war unser Dichter gehalten, auch, was er etwa noch Neue- schreiben werde, Göschen zum Verlag zu geben. Gewiß war diese Verpflichtung bei dem bisherigen Ent gegenkommen Göschen's kein störender Zwang, sondern eine angenehme Aussicht, sich stets neu gedruckt und honorirt zu sehen. Wie aber, wenn Göschen einmal die Fruchtbarkeit des greisen Dichters übet empfände? Wenn ihm das Verhältniß zu dem auch in hohen Jahren so federfertigen Wieland noch kurz vor dem natürlichen Ende fatal würde? DaS aber mußte unser Dichter fast glauben. Denn Völliger hatte von dem Aristipp, an dem Wieland dermalen — 1799 — gerade arbeitete, in überschwänglichem Enthusiasmus an Göschen ge schrieben, dieser aber gab keine Antwort. Für Wieland ein schlechtes Zeichen. Also entschloß sich der Dichter den für später vorbehal tenen Schritt sofort zu thun und sich an seinen Verleger wegen des Aristipp zuwenden. „Wie sich die Zeiten geändert haben! meinte er am 14/24. December 1799. Wer von uns beiden hätte vor 7 oder 8 Jahren gedacht, daß eine Zeit kommen und so bald kommen würde, wo Ihnen, mein Freund, dessen eifrigster Wunsch einst war, mein Verleger zu seyn, bei der Ankündigung einer neuen Frucht meines Geistes ebenso zu Muthe seyn würde, und den Umständen nach seyn müßte, wie einem von knappen Einkünften lebenden Vater von 13 Kindern, dem seine liebe Ehehälfte die 14te Schwangerschaft an kündigt." Sollte nicht eine in dem von Göschen nach dem Englischen bearbeiteten und Wieland handschriftlich zur Beurtheilung zugesandten Stück vorkommende Stelle: „die alten Schriftsteller schreiben ums Geld" gar auf ihn, Wieland selbst, gemünzt sein? — — „Der Himmel verhüte, daß ich Ihnen Unrecht thue! Aber wenn ich alle Umstände zusammen nehme, kann ich mir die Sache doch nicht wohl anders erklären, und was noch mehr ist, ich kann es Ihnen auch nicht verdenken, daß Ihnen meine Fruchtbarkeit lästig zu werden anfängt; nur werden Sie mir gern gestehen, daß es für mich traurig ist, eine
45 solche Epoche erlebt zu haben." Also wäre die Frage, wollte Göschen den Aristipp einmal ansehen, um zu entscheiden, ob er ihn drucken mag? „Ein solches Buch schreibt man nicht ums Geld, aber wenn man anderthalb Jahre bloß auf die Hälfte desselben verwendet hat, und es nun einmal geschrieben ist, und man in so engen Schuhen steckt wie ich (denn daraus kann ich kein Geheimniß machen), so will man freilich Geld dafür haben." Wollte Göschen daS Werk drucken, so müßte dann jedenfalls eine besonders schöne Ausgabe veranstaltet werden neben der, welche sich als 33. u. s. w. Band den „Werken" anschloß. Auch hätte der Druck jedenfalls im Jahre 1800 zu be ginnen. Und dann drittens — doch genug. Von der dritten Vor bedingung, die eigentlich mehr Wunsch als Bedingung war, sollte ein andermal die Rede sein. Göschen nahm diese Herzensergießung des Dichters freundlich auf und den Verlag des Aristipp an. Der Druck begann, die Vor auszahlungen von früher konnten auch fernerhin nicht vermieden werden, jetzt weniger als je. „Ich bin Ihnen, schreibt der Dichter am 7. Mai 1800 an Göschen, von unsrer letzten Abrechnung de 18ten Juli 1799 auf neue Rechnung 207 Thlr. 11 gGr. Sächs. schuldig verblieben. Dazu kommen noch 120 Thlr. Interessen von den bewußten 3000 Thlrn.*) von Ostern 1799 bis dahin 1800. Sie hätten mir also von Rechts wegen 327 Thlr. 11 gGr. an der Zahlung, welche Sie mir auf nächste Pfingsten zu thun gedenken, abzuziehen. Geschieht die-, so reicht da-, was mir überbleibt, bey weitem nicht für meine dermahlige Bedürfniste zu. Ich ersuche Sie also sehr angelegentlich, wenn es Ihnen nur immer möglich ist, die besagte Summe erst von der zweyten Hälfte des Honorars für den Aristipp abzuziehen und mir dermahlen (da ich noch wegen beträchtlicher Bau- und Wirthschasts-Ausgaben im Gedränge bin) sowohl die 125 Carolin für die 2 ersten Theile deS Aristipp, als das, was mir vom Merkur 1799/1800 (nach Abzug der bereit» abschläglich vorausbezahlten 300 Thlr. und der an Hrn. Brenner in dieser Messe assignirten 300 Thlr.) etwa noch übrig bleiben wird, vollständig zukommen zu lasten." Und dann meint er noch: „Sie, mein Freund, haben izt die schlimmste Zeit im Jahr; ich fühle dabey für Sie und mich. Gebe *) LS sind dies, nach einer Stelle de» alten Böschen scheu Lopirbuchs zu schließen, die 2000 Thlr. Honorar für die zweite Auflage der 30 ersten Bind« der „Werke", von denen schon oben die Rede war. Wieland war verpflichtet, diesen Betrag mit 4% jährlich bi» zur Ostermeffe 1800 zu verzinsen. Bon da an hörte die Berzinsnng de» Capi tals auf.
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der Himmel, daß die beynahe übernatürliche Dürre, die seit mehr als 4 Wochen unsre Felder, Wiesen und Gärten drückt, sich nicht auch, in einem andern Sinn, auf Ihre Messe erstrecke. Aber waS ist, da nun auch »och die Hoffnung zum Frieden dahin ist, von dieser trübseligen Epoke zu erwarten? Was bleibt uns als Geduld, Ausdauren und Freundschaft?" Noch war eS zweifelhaft, ob der Aristipp mit dem vierten Bande geschloffen oder fortgesetzt werden sollte, da tauchten wieder neue Plane in dem Gehirn des 68 jährigen Dichters auf. Er wollte mit Böttiger und Jacobs ein Vollständiges Theater der Griechen in Uebersetzungen beginnen, mit seinem ältesten Sohne Ludwig, in dem er ein schönes dichterische- Talent entdeckt hatte, Osmannstädtische Unterhaltungen schreiben. Ruhelos wandte sich der greise Dichter von einem Projekt zum andern und unerfreulich waren die späteren Tage aus seinem Osmantinum, auf dem er zu Ende deS Jahres 1801 seine Frau hatte begraben muffen. Doch Göschen lebte ja, das war noch ein Trost bei allem Leid, und ruhiger rief unser Dichter auS, nachdem Göschen's Beileidsschreiben eingegangen war: „Der hat noch nicht Alles verloren, liebster Göschen, dem ein Freund wie Sie übrig geblieben ist." Um der aufteibenden Sorgen sich entschlagen zu können, ent schloß sich endlich Wieland, sein Gütchen, auf dem er „Seide zu spinnen" nicht vermocht, zu verkaufen. Aber während deshalb Ver handlungen gepflogen wurden, feierte nicht die Plane schmiedende Phantasie de- Dichters. Literarische Vorschläge gelangten an Göschen und Wieland stellte da ausdrücklich die Bedingung zu leistender Vor schüsse. Und er schrieb bei diesem Anlaß: „Ich bin genöthigt, diese Bedingung seines Vorschusses) zu machen, ohne welche mir in der fatalen Lage, in der ich mich befinde, schlechterdings unmöglich wäre, weder am Aristipp noch Etwas anderem mit gutem Erfolg zu arbeiten. Denn zu solchen Geisteswerken gehört Freiheit deS Geistes und Ruhe des Gemüths. Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr mich die unaufhörlichen Sorgen, wie ich die Meinigen bei Ehren er halten, allen Prästazionen Face machen, und das mir so lästige Gut, wenigstens bis zu dessen Verkauf (wozu bis dato noch wenig An schein ist) behaupten wolle, wie sehr, sage ich, diese Sorgen mich zu sammendrücken und welchen nachtheiligen Einfluß sie bei einer so äußerst zarten und reizbaren Konstitution, wie die meinige, auf Leib und Seele bei mir haben. Um also nur einiger Maßen mir zu der nöthigen GeisteSruhe zu verhelfen, bin ich genöthigt, Ihnen nicht als Buchhändler, sondern als Freund zu sagen, daß die Gefälligkeit, obiger Umstände wegen, eine nothwendige Bedingung des Engage-
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menta ist, welches ich mit Ihnen über die sämmtlichen Arbeiten, wo von die Rede war, einzugehen bereit bin." Wieland arbeitete dabei jetzt auch für Taschenbuchverleger kleinere Erzählungen. Denn „die eiserne Noth, die ehemals Horazen zum Dichter gemacht", drängte gewaltig und Vieweg, Wilmans und Cotta bewarben sich um Wieland's Gunst. So ward denn Göschen vorübergehend vergessen. Cotta, der, wie Gruber erzählt, Wieland durch ein Honorar von 400 Gulden für die ihm verkauften Erzählungen auS dem Hexameron fast erschreckte, erhielt dann noch Menander und Glycerion, sowie Krates und Hipparchia. Wieland hatte dabei ganz vergessen, daß er Göschen schon von der ersteren Erzählung geschrieben und Göschen s. Z. ihm für ein Taschenbuch gerade das Doppelte von dem geboten hatte, was Cotta jetzt zahlte. Kein Wunder, daß Göschen darüber sehr ungehalten war und mit seinem Zorn nicht hinter dem Berge hielt. Doch Wieland begütigte den Leipziger Freund und schrieb: „Wäre eS nicht Thorheit gewesen, wenn ich, in meinen Umständen, solche Gelegenheiten nicht hätte benutzen wollen. Ich glaube, Sie können sich mein kleines Verkehr mit den Tafchenbuchsjägern um so mehr gefallen lassen, da Sie ja auch nichts da gegen hätten, wenn ich dergleichen Aufsätze im Merkur abdrucken ließe." Für Menander und Glycerion, sowie KrateS und Hipparchia bezahlte dann Göschen noch an Wieland, wie die Brief« ausweisen, 200 Thaler.
Mit dem Verkaufe seines Gutes gewann Wieland die alte Heiterkeit wieder. Die Pläne, die ihn längere Zeit beschäftigt, um Geld zu verdienen, wurden nun unter Beistimmung Göschen'- bei Seite gelegt, und der Dichter nahm sich vor, für die Folge sich seine ganze schriftstellerisch« Freiheit wieder zu wahren. Beschäftigung mit alten Classikern, Vollendung des Aristipp wurden in Aussicht genommen, die für die Osmannstädtischen Unterhaltungen bestimmten Erzählungen deS Sohnes Ludwig brfonders in Göschen'- Verlag gegeben. Wieland zog nach Weimar zurück, wo er dann noch seine „Euthanasia, drei Gespräche über das Leben nach dem Tode" schrieb, eine Arbeit, die zunächst an die abgeschmackte Schrift eine- gewiffen Wözel anknüpfte, dann aber auch de» Dichters dermalige Anficht, wonach „das individuelle Leben nach dem leiblichen Tode völlig er lischt", (Löbell) weiter ausführte. Wieland hatte wohl ein Recht, sich jetzt lebhaft mit diesem Gegen stand zu beschäftigen. Sein 50jähriges Schriftstellerjubiläum lag
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hinter ihm und bo£ „einfältige Etui seiner Seele" war etwas „dünner" noch geworden, als es früher gewesen war. Und ein Blick um sich zeigte ihm stets aufs neue das Hinfällige alles Irdischen. Dem lange vergesienen Freund Reich war nach eigenen Kindern und zwei Schwiegersöhnen die Gattin gefolgt, Herder starb, Schiller starb, die alte Gönnerin, die Herzogin Amalie starb. Auch der Merkur, der nach Art richtiger Freunde unserm Dichter außer zu mancher Freude auch hier und da zu einem gesunden Aerger verhalf, war altersschwach geworden. Daß man ihm 1790 ein neues Mäntelchen in der Gestalt des Titels „Neuer teutscher Merkur" umhing, konnte den Abzehrenden vor weiterem Siechthum nicht bewahren. Wohl nahm er einige Male in den weiteren Jahren seines Lebens einen Anlaus zur Besierung, aber bei dem Anlauf blieb es. So tauchte denn zeitweise der alte Gedanke aus, den Merkur eingehen zu lassen, jedoch entschloß man sich dann regelmäßig, noch etwas zuzusehen. Die ab handen gekommenen Abonnenten könnten sich ja wieder herzufinden. Aber sie blieben aus, und nachdem der Merkur aus den Händen Göschen's in die der Weimarer Gebrüder Gädicke und schließlich in die Bertuch's übergegangen war, ließ man ihn mit Ende des Jahres 1810 selig entschlafen. „Er hatte", meinte einmal Wieland, „wahrlich nur zu lange gelebt." Und die „Werke"? Die waren mittlerweile, die Supplemente eingeschlosien, in den verschiedenen Ausgaben zu 40 und einigen Bänden angeschwollen, manchem Abnehmer nicht eben zur Freude. Auch dem Verleger wohl nicht. Denn nach manchen Stellen Wieland'scher Briese zu schließen, nahm Göschen zeitweise die Gelegenheit wahr, über geringe Einnahmen und den schlechten Absatz der Werke Klage zu führen. Für erstem Uebelstand hatte dann unser Dichter aufrichtiges Bedauern, aber für den letzteren lag es ihm, doch nur dann und wann in verdrießlicher Stimmung, näher, den Grund in der Ab nahme seiner Beliebtheit zu suchen. In dem für gewöhnlich noch unbeschädigt erhaltenen Selbstgefühl gab er die Schuld seinem Freund Göschen, der nach dem Höchsten in seiner Kunst ttachtend, sein eigenes Jnteresie dem Gefühl und Verlangen geopfert habe, etwas für den Ruhm einer Nation zu thun, die keine Nation sei und kein Nationalgesühl habe. Was dem Unternehmen, das, wie Wieland jetzt nicht zweifelte, für ihn und Göschen vortheilhaster hätte ausgeführt werden können, nach des Dichters Meinung noch ganz besonders schadete, waren die „verwünschten lateinischen Lettern", für die Göschen schwärmte und Wieland seiner Zeit gewonnen worden war. Schon vor Beginn des Drucks der „Werke" hatte ein anonymer Autor des Merkur für die Fractur eine Lanze gebrochen und Wieland im
49 Anschluß daran einige Bemerkungen folgen lassen, die im Ganzen auf ein Lob der Antiqua hinausliefen. Damit war es jetzt vorbei. In den letzten Jahren hatte der Dichter oft Gelegenheit gehabt, Klagen über die Antiqua zu hören, ganz abgesehen von dem „leidigen Glätten" des Papiers. Wieland würde jetzt gar nichts von diesen „odiösen Nachwehen" jener typographischen Maßnahmen Göschen's gesagt haben, wenn dieser nicht vor einiger Zeit die positive Er klärung gethan hätte, daß aus seinen Pressen ein Werk mit Fracturschrift nicht mehr hervorgehen werde. Daraus aber glaubte Wieland ersehen zu müßen, daß an eine zweite Auflage der „Werke" nie zu denken sei und daß Göschen, obgleich ihm bekannt sein müßte, „daß unter 10 Bücherlesern und Käufern gewiß 7 für die deutschen Buch staben sind", den Gewinn auS den „Werken" lieber einem Nachdrucker überlassen, als von einem aus Gründen a priori gefaßten Entschluß abgehen wolle. Doch Göschen war nicht so hartköpfig, wie unser Dichter meinte. Eine von Wielclnd's angenehmsten Beschäftigungen während der letzten Jahre seines langen Lebens war, den Gedanken an die neue Auflage der „Werke", und zwar einen aus Fractur herzustellenden Neudruck, an dessen Möglichkeit der Verleger doch im Laufe der Zeit zu denken begann, weiter auszuspinnen. Erleben sollte er diesen Neudruck jedoch nicht mehr, nicht einmal in seinen ersten Anfängen. Ebenso blieb es ihm versagt, seine Uebersetzungen in einer Aus gabe vereinigt zu sehen. Hin und wieder hatte er seiner Zeit ge schwankt, ob er diese nicht den „Werken" einverleiben solle und wenn er eS nicht that, so dürfen wir getrost annehmen, daß dabei irgend welche Rücksicht aus Weidmann'-, von denen er ja einmal gar nichts mehr hatte wissen wollen, jedenfalls nicht im Spiele war. Die „Werke" erschienen also ohne die Uebersetzungen, und es war eine eigene und nicht unverdiente Ironie des Schicksals, da- dem Dichter, als er mit seinem Osmantinum in der Klemme saß, den Gedan ken eingab, sich deshalb an Weidmann's zu wenden. Diese hatten gerade vorher nach langer Zeit wieder einmal von sich hören lassen, denn sie wollten die Briefe des Horaz neu drucken. Also schrieb Wie land — 1. Februar 1801 — an die feindliche Handlung und that in überaus artiger Weise den bewußten Anttag. Er ging bei seinen Vorschlägen ziemlich ins Einzelne, sprach von Format und Umfang, Papier, Lettern und Kupfern. Weidmann'- brauchten nur noch Ja zu sagen. Aber sie sagten Nein, wenn auch nicht unumwunden. Sie verschanzten fichhauptsächlich hinter die VorräthedesLucian,die sie noch in unerfreulicher Menge hatten, und baten, bis nach deren Verkauf die Erledigung der durch Wieland angeregten Frage vertagen zu dürfen. Büchner.
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50 Aergerlich zog nun Wieland seinen Vorschlag zurück und erbat nur ein Exemplar der Horazischen Briefe als Manuscriptexemplar. Aber Weidmannes sandten das gewünschte Buch nicht, sondern druckten es ohne Weiteres neu. Daneben lief ein kurzer Briefwechsel her, in dem die Rollen vertauscht schienen. Jetzt waren Weidmannes die Spröden, Wieland der Nachgebende. Aber alles war umsonst. Im Frühjahr 1803 besucht Böttiger in des Dichters Aufträge die Weidmannsche Buchhandlung, Gegenstand der Verhandlung sind die ge sammelten Uebersetzungen; Böttiger aber fährt, ohne etwas erreicht zu haben, wieder davon. Nur zu einem Neudruck der Horazischen Satiren sind Weidmannes veranlaßt, von Lucian haben sie noch ge waltige Vorräthe, größere noch, als sie Wieland seiner Zeit waren angegeben worden. So verfließen die Jahre, noch einmal wird Geld für einen Neudruck des Oberon, sowie Horazens Satiren von Weid manns an Wieland, ebenso für das Manuscript einer Ausgabe von der letzten Hand der Horazischen Episteln gezahlt. Aber diese selbst er scheint nicht mehr und die Hoffnung auf eine Ausgabe sämmtlicher Uebersetzungen bleibt Hoffnung. Die letzten Lebensjahre des Dichters dagegen zeigen das Ver hältniß zwischen ihm und Göschen noch in dem alten Lichte. Wie mit kurzer Unterbrechung stets ist hier der Verkehr der herzlichste. Das eigentliche Geschäft freilich steht jetzt im Hintergrund, denn Wieland's schriftstellerische Thätigkeit ist fast erloschen. „In der That ist mir mit Billigkeit gar nichts mehr zuzumuthen; alles was ich noch prästiere, sind wahre opera supererogationis, wie es die katholischen Moraltheologen nennen. Aber freilich sind sie auch da nach. — Wer in seinem 28sten Jahre Musarion und im 48sten Jahre Oberon gemacht hat, macht im 73. keine Verse mehr." So hat der „Abrahamide" Ulman, der jetzt Wieland's Geldgeschäfte besorgt, wenig zu thun. Und mit Recht durfte daher der Dichter — 1811 — fragen: „Was für Zeiten sind über uns gekommen! Vor 15 Jahren hätte wohl keiner von uns beiden sich vorgestellt, daß eine Zeit kommen werde, wo 50 Thaler ein bedeutendes Object für uns sein würde." Tritt das Geschäft zurück, so erscheint der nicht geschäftliche Verkehr in alter Weise freundlich. Ab und zu werden Briese ge tauscht; man klagt über die fortdauernde schlechte Zeit, redet von Napoleon, dem Kaiser Alexander und Friedrich Wilhelm III. Politik wird dabei nicht selten berührt, auch von Göschen's Seite. Und da meint einmal unser Dichter — Juni 1811 —: „Ihre Reflexionen über den gegenwärtigen Zustand der Dinge treffen haarscharf. Mir fällt dabei der Sqholasticus ein, der sein Pferd durch allmählige
51 Entziehung des Futters so weit zu bringen hoffte, daß es end lich ohne zu fressen leben könnte. Die Rossinante hielt es sieben Tage aus: aber am Morgen des achten fand er sie todt. Jammer schade! rief der weise Mann: hätte der Gaul nur diesen einzigen Tag noch ausgehalten, so wars überstanden. Ich denke, der Versuch, der seit einigen Jahren mit dem Europäischen Continent gemacht wird, werde eben so glücklich ausfallen." Auch die kleinen Erlebnisse des Hauses werden berührt wie früher, von der Gipsmaske redet man, die von Wieland's Kopf genommen wird, von dem Portrait, zu dem der Dichter sitzen mußte. Des Wetters nicht zu vergessen. Literarisches läuft dabei nebenher, so das Journal für Frauen, das seit 1805 bei Göschen erschien und unterdessen Heraus gebern auch Wieland genannt war. Der Dichter interessirte sich leb haft dafür, „aber, meinte er einmal, Herr Hofrath Rochlitzs der eigent liche Herausgeber des Journals! hat Ihnen, wie ich nicht zweifle, die Betrachtungen mitgetheilt, aus welchen ich das Vorhaben, künf tig auch Aufsätze von Männern in Ihr Frauen-Journal aufzuneh men, nicht gutheißen kann. Das Journal, oder doch sicher der Ver leger, würde meiner Meinung nach eher dabey verlieren als gewin nen. Der einzige dem Fr.-J. vortheilhafte Antheil, den wir Männer daran nehmen könnten, wäre, dünkt mich, durch Briefe, welche sodann von Frauen wirklich beantwortet würden. Dies könnte eine inte ressante Rubrik werden und wäre wohl der einzige Weg, wie ich selbst Ihrem Wunsch einigermaßen entgegenkommen und künftig etwas zu Ihrem Journal beytragen könnte." Mannigfach sind, wie man sieht, noch die Interessen des Greises und er ist auch mit 72 Lebensjahren noch wohl geneigt, „künftig" für seinen Freund Göschen schriftstellerisch thätig zu sein. So geht dieses Dichterleben zur Rüste, freundlich und warm wie ein schöner Sommerabend. Unter den letzten eines absterbenden Geschlechts scheidet der greise Poet von uns, den Lebenden eine fast fremde Erscheinung. Er läßt eine neue größere Zeit zurück, größere Bestrebungen und Ziele, als er sie gekannt gehabt. Sein Verleger überlebt ihn. Ehrfurchterweckend wandelt dessen mächtige Gestalt noch für Jahre unter dem neuen Geschlecht, thätig für sich und Andre. Für uns Heutige aber, die wir ihn nicht mehr von Person kannten, lebt er wenigstens in der Erinnerung fort. Und wenn wir von der zweiten Blüthezeit unserer Literatur reden, gedenken wir dankbar auch zweier Buchhändler. Der eine davon ist der aufmunterungsbedürftige junge Mann von 1785, Georg Joachim Göschen.