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German Pages [416] Year 1999
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Denen, die von Anfang an dabei waren . . .
MANFRED LANG
Johannes und die Synoptiker Eine redaktionsgeschichtliche Analyse von Joh 1 8 - 2 0 vor dem markinischen und lukanischen Hintergrund
VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN
Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Wolfgang Schräge und Rudolf Smend 182. Heft der ganzen Reihe
Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Lang, Manfred: Johannes und die Synoptiker: eine redaktionsgeschichtliche Analyse von Joh 18—20 vor dem markinischen und lukanischen Hintergrund / Manfred Lang. — Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1999 (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments; H. 182) Zugl.: Halle, Univ., Diss., 1997 u.d.T.: Lang, Manfred: Mein Herr und mein Gott (Joh 20,28) ISBN 3-525-53866-9
© 1999 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. Printed in Germany. — Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen.
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Sommersemester 1997 von der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg angenommen worden ist. Seither erschienene Literatur habe ich bis zum Mai 1998 berücksichtigt. Es ist hier der Ort, denen zu danken, die das Zustandekommen dieser Arbeit begleitet haben: An erster Stelle ist mein Doktorvater Prof. Dr. Udo Schnelle (Halle) zu nennen. Er hat das Thema angeregt und durch manche Hinweise gefördert. Darüber hinaus danke ich ihm, daß er mir die Grundlage für meine Arbeit am JohEv und an den heilenist. Parallelen geschaffen hat. Anregende Beobachtungen verdanke ich den Zweit- und Drittgutachten, die Prof. Dr. Hermann von Lips (Halle) sowie Prof. Dr. Christian Wolff (Berlin) dankenswerterweise erstellt haben. Herr Prof. Dr. Wolfgang Schräge (Bad Honnef) und Herr Prof. Dr. Rudolf Smend (Göttingen) haben die Arbeit in die Reihe FRLANT aufgenommen; auch ihnen danke ich. Von Beginn an meiner Beschäftigung mit diesem Thema habe ich wertvolle Gespräche gefuhrt mit Pfr. Dr. Thomas Rnöppler (Tübingen), Dipl.Theol. Titus Nagel (Halle), Pfr. Thomas Popp (Nürnberg), Dipl.-Theol. Steffen Schmidt (Rhauderfehn), Dr. Stephan Schwerdtfeger (Meinhard), Lydia Zborschil (Stuttgart), sowie last but not least mit meinen Eltern, Helene und Pfr. i.R. Ernst Lang (Ewersbach). Sie alle haben, je auf ihre Weise, Anteil an dieser Arbeit genommen. Jenen, die von Anfang an dabei waren, möchte ich diese Arbeit widmen! Gegen Ende der Fertigstellung sind besonders hervorgetreten, so daß auch ihnen ein herzliches Dankeschön gebührt: Dr. Michael Labahn (Halle) für kritische Anmerkungen; stud.-theol. et phil. Susanne Hentzschel (Halle) für Korrekturlesen des abgeschlossenen Manuskripts; Dirk Beyelstein (Eltville) für das sehr freundliche Entgegenkommen bei meinen Anregungen und dafür, mir die noch nicht in den Markt eingeführte Software, Tempus®-Word, zur Vergügung gestellt zu haben; Renate Hartog und Reinhilde Ruprecht, Ph.D., (Göttingen) für die gute verlegerische Betreuung bei der Herstellung der Druckvorlage.
Halle, im Dezember 1998
Manfred Lang
Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung und Methodik
11
1.1. Ein musikalischer Auftakt als Hinfiihrung zur Fragestellung
11
1.2. Die Fragestellung und Methodik im 19. Jh
14
1.3. Die Fragestellung und Methodik im 20. Jh Exkurs: Der Paradigmenwechsel
21 36
1.4. Die Fragestellung und Methodik dieser Arbeit
56
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
i
2.1. Einzelanalyse
61 61
2.1.1.
Joh 18,1-11: Die Gefangennahme Jesu
61
2.1.1.1. 2.1.1.2. 2.1.1.3. 2.1.1.4.
Kontext und Aufbau Analyse Interpretation Zusammenfassung
61 62 85 86
2.1.2.
2.1.2.7.
Joh 18,12-27: Die Befragung Jesu und die Befragung des Petrus Kontext und Aufbau Joh 18,12: Auf dem Weg zu Hannas Joh 18,13-14: Die Überstellung Jesu zu Hannas Joh 18,15-18: Die Befragung des Petrus Verleugnung I Joh 18,19-24: Die Befragung Jesu vor Hannas Joh 18,25-27: Die Befragung des Petrus Verleugnung II Zusammenfassung
111 114
2.1.3.
Joh 18,28-19,16a: Jesus vor Pilatus
115
2.1.2.1. 2.1.2.2. 2.1.2.3. 2.1.2.4. 2.1.2.5. 2.1.2.6.
86 86 87 88 92 99
Inhaltsverzeichnis
8
2.1.3.1. Kontext und Aufbau 115 2.1.3.2. Joh 18,28: Die Überstellung Jesu zu Pilatus 121 2.1.3.3. Joh 18,29-32: Die Anklage und die Unmöglichkeit ihrer Realisierung 124 2.1.3.4. Joh 18,33—38a: Der König der Juden zeugt von der Wahrheit 135 2.1.3.5. Joh 18,38b-40: Der .Freiheitsbringer' und der .Guerillakämpfer' 156 2.1.3.6. Joh 19,1-3: Der König wird gegeißelt und verhöhnt .... 167 Exkurs: Doketismus bei Irenäus von Lyon 170 2.1.3.7. Joh 19,4-7: Der Unschuldige und das Gesetz 180 2.1.3.8. Joh 19,8-12: Die E^ouaia Jesu und des Pilatus 188 2.1.3.9. Joh 19,13-15: Jeder Richter auf seinem ßfi^a 196 2.1.3.10. Joh 19,16a: Die Uberstellung Jesu zur Kreuzigung 203 2.1.3.11. Zusammenfassung 205 2.1.4. 2.1.4.1. 2.1.4.2. 2.1.4.3. 2.1.4.4.
Joh 19,16b-30: Der König am Kreuz 207 Kontext und Aufbau 207 Joh 19,16b-18: Der Weg nach Golgatha 209 Joh 19,19-22: Der Titulus 214 Joh 19,23-24: Die Würfel der Soldaten und die Kleider des Königs 219 2.1.4.5. Joh 19,25-27: Menschen unter dem Kreuz 223 2.1.4.6. Joh 19,28-30: Der König stirbt 228 2.1.4.7. Zusammenfassung 238 2.1.5. 2.1.5.1. 2.1.5.2. 2.1.5.3.
Joh 19,31-37: Der König ist wirklich tot Kontext und Aufbau Analyse Interpretation
239 239 240 251
2.1.6. 2.1.6.1. 2.1.6.2. 2.1.6.3.
Joh 19,38-42: Das königliche Begräbnis Kontext und Aufbau Analyse Interpretation
252 252 253 258
2.1.7. Joh 20,1-18: Am Morgen des Ostertages 2.1.7.1. Kontext und Aufbau 2.1.7.2. Joh 20,1-10: Der Osterwettlauf zum leeren Grab
259 259 260
Inhaltsverzeichnis 2.1.7.3. Joh 20,11-18: Maria und der Gärtner 2.1.7.4. Zusammenfassung 2.1.8.
9 271 279
2.1.8.1. 2.1.8.2. 2.1.8.3. 2.1.8.4.
Joh 20,19-29: Der Auferstandene im Kreis seiner Jünger Kontext und Aufbau Joh 20,19-23: Der Auferstandene im Jüngerkreis Joh 20,24-29: Der Auferstandene und Thomas Zusammenfassung
279 279 280 287 294
2.1.9.
Joh 20,30f: Die Intention und das Ziel des JohEv
294
2.2. Bündelung der Ergebnisse
298
3. Der Auferstandene als der Gekreuzigte: Kreuzestheologie im joh. Passions- und Osterbericht
307
3.1. Die Voraussetzungen im MkEv
307
3.2. Exegese von Joh 18-20 nach thematischen Schwerpunkten
308
3.2.1.
Das Motiv der Hyperbel
308
3.2.2.
Das Motiv der Freiwilligkeit
311
3.2.3.
Das Motiv der Unschuld
314
3.2.4.
Das Motiv der Stellvertretung
316
3.2.5.
Das Motiv des Königtums
318
3.2.6.
Das Motiv der Erfüllung
322
3.2.7.
Die Passionschronologie
329
3.2.8. 3.2.8.1. 3.2.8.2. 3.2.8.3. 3.2.8.4. 3.2.8.5. 3.2.8.6. 3.2.8.7. 3.2.8.8. 3.2.9.
Die Personenkonstellation 332 Der andere Jünger bzw. der Jünger, den Jesus liebhat ... 333 Petrus 334 Die Mutter Jesu 335 Nikodemus 336 Judas 336 Thomas 337 Die Jünger Jesu 338 Die 'Iouöcuoi 338 Zusammenfassung 340
10
Inhaltsverzeichnis
4. Ausblick
343
5. Anhang
349
6. Literaturverzeichnis
355
7. Register
405
1. Fragestellung und Methodik
1.1. Ein musikalischer Auftakt als Hinflihrung zur Fragestellung „Herr, unser Herrscher, dessen Ruhm in allen Landen herrlich ist! Zeig uns durch deine Passion, daß du, der wahre Gottessohn, zu aller Zeit, auch in der größten Niedrigkeit, verherrlicht worden bist!" Mit diesem Eingangschor 1 (Nr. 1) eröffnet J . S. Bach 1723 seine Johannespassion und formuliert dort nicht nur sprachlich, sondern auch musikalisch präzise den Leitgedanken des joh. PB. Am Beginn dieses Eingangschores steht die doxologische Aussage: Der Ruhm dieses Herrschers erfüllt alle Welt. In J o h 1,14a angedeutet und ab 18,1 expliziert muß sich jetzt zeigen, ob er auch in der Niedrigkeit der Gottessohn ist. Wahrt der Herrscher seinen Ruhm, indem er der Passion aus dem Weg geht, oder bewährt er sich gerade darin, in der Extremkonsequenz menschlichen Daseins Herrscher im Ruhm zu sein? Bewährt er sich in der zuletzt genannten Variante, dann ist der präexistente Logos zugleich der inkarnierte und leidende Logos. Erst dann trifft die zeitliche Entgrenzung „zu aller Zeit" zu 2 . Dies nimmt J. S. Bach 3 gegen Ende seiner Johannespassion wieder auf, als er die Arie
1 Die folgende Numerierung der Sätze und die Zitation der Texte richten sich nach der NBA-Zählung bzw. jener Ausgabe. 2 Zur Bedeutung dieses Eingangschores vgl. AXMACHER, Liebe 163-165. Dessen Proprium bestimmt sie wie folgt: „Als Eingangschor erhält er den Charakter einer das Werk insgesamt erschließenden Aussage, während christologische Bestimmungen innerhalb der Passionstheologie der Zeit lediglich den Rang dogmatischer Voraussetzungen hatten" (DIES., Liebe 165). 3 Es ist für meine Fragestellung bedeutungslos, daß BACH den Text seiner Johannespassion zwar nicht selbst schrieb, sondern sechs Stücke aus der BROCKES-Passion über-
12
1. F r a g e s t e l l u n g u n d M e t h o d i k
(Nr. 30, Takt 5 u. ö.) mit einem absteigenden Motiv das „es ist vollbracht" singen läßt. Dort entfaltet J. S. Bach auch die paränetische Dimension, die der Johannespassion eigen ist, indem er die Formulierung „ O Trost vor die gekränkten Seelen" musikalisch mit einem liegenden Kreuz im Notensystem (Takt 6) versieht (h-a-c-h). Ein kurzes Rezitativ (Nr. 31) und eine Arie (Nr. 32) mit gleichzeitig ertönendem Chor kommentieren dieses Geschehen. Die Arie stellt genau dieses zeitliche Problem in den soteriologischen Zusammenhang (Takt 3-29): „Mein teurer Heiland laß dich fragen, da du nunmehr ans Kreuz geschlagen und selbst gesagt: Es ist vollbracht, bin ich vom Sterben freigemacht? Kann ich durch deine Pein und Sterben das Himmelreich ererben? Ist aller Welt Erlösung da?" Die Antwort kann nur dann positiv sein, wenn der Irdische und der Erhöhte identisch sind. Nur dann bezieht sich die zeitliche Entgrenzung auf eine einzige Person. Die Antwort ist ebenso kurz wie klar: „Ja!" 4 (Takt 37). Zur selben Zeit erweitert der Chor das in der Arie Vorgetragene: Es ist nicht nur die Identität des Irdischen mit dem an das Kreuz Erhöhten, die bestätigt wird, sondern „Jesu, der du wärest tot, lebest nun ohn Ende" (Takt 3-6.11-12). Der soteriologische Ertrag wird unmittelbar daran angedeutet: „in der letzten Todesnot nirgend mich hinwende als zu dir, der mich versühnt" (Takt 17-21.26~28). Der Choral nimmt kurz auf, was J. S. Bach zuvor am Wendepunkt des Verhörs Jesu vor Pilatus in seinem E-Dur-Choral (Nr. 22) umgesetzt hat, als feststeht, daß Jesus sterben muß: „Durch dein Gefängnis, Gottes Sohn, muß uns die Freiheit kommen; dein Kerker ist der Gnadenthron, die Freistatt aller Frommen; denn gingst du nicht die Knechtschaft ein, müßt unsre Knechtschaft ewig sein." Im Abschlußchor (Nr. 40) erklingt die daraus erwachsende eschatologische Hoffnung mit einem doxologischen Ausklang: „Alsdenn vom Tod erwecke mich, daß meine Augen sehen dich in aller Freud, o Gottes Sohn, mein Heiland und Genadenthron! Herr Jesu Christ, erhöre mich, ich will dich preisen ewiglich!" (Takt 11-28) 5 . Neben dieser Linie setzt J. S. Bach auch die ekklesiologische Dimension um, denn in ähnlicher Weise wie der Tod Jesu (Arie, kurzes Rezitativ, Arie), muß sich
n a h m , sie j e d o c h seinen B e d ü r f n i s s e n anpaßte. D a s historische Verständnis der BACHschen J o h a n n e s p a s s i o n m u ß f ü r diese Arbeit dezidiert a u s g e k l a m m e r t werden. D i e s ist s c h o n d e s h a l b wichtig, weil beispielsweise d o r t die V e r w e n d u n g des s y n o p t . Materials vor d e m H i n t e r g r u n d der E v a n g e l i e n h a r m o n i e zu sehen ist, während sie fiir m e i n e Fragestell u n g a n d e r e W e g e e r ö f f n e n soll. Z u m historischen Z u s a m m e n h a n g vgl. AXMACHER, Liebe 1 4 9 - 1 6 2 , BRAUN, Passion 44f. 4 BACH hat diesen Z u s a m m e n h a n g m u s i k a l i s c h sehr eindrücklich gestaltet: N a c h langen, u n r u h i g e n a u f - u n d a b s t e i g e n d e n M o t i v e n z u m e i s t in Achteln u n d Sechzehnteln (Takt 3 0 - 3 6 ) folgt eine punktierte Viertelpause, ehe m i t einer punktierten Viertel der längste N o t e n w e r t a u f das W o r t „ J a ! " folgt (Takt 37). 5
SMEND, J o h a n n e s = P a s s i o n 120, m e i n t , d a ß sich dieser C h o r a l „als M i t t e l p u n k t
des g a n z e n Werkes, als sein H ö h e p u n k t " erweist.
Ein musikalischer Auftakt
13
Jüngerschaft bewähren; auch diese Thematik wird vergleichsweise vorgestellt: Arie Nr. 7, kurzes Rezitativ Nr. 8, Arie Nr. 9 6 . Das gilt zunächst für Petrus, der im kurzen Rezitativ mit dem Lieblingsjünger kurz vor dem Betreten des Innenraumes (Joh 18,16a) beschrieben wird. Auch der Zuhörer wird aufgefordert (Arie Nr. 9): „Ich folge dir gleichfalls mit freudigen Schritten und lasse dich nicht, mein Leben, mein Licht. Befördre den Lauf und höre nicht auf, selbst an mir zu ziehen, zu schieben, zu bitten" 7 . Das Versagen des Petrus kommentiert J. S. Bach, indem er im Choral (Nr. 14) auf synopt. Material zurückgreift: Petrus weint bitterlich, als er versteht, was soeben geschehen ist (vgl. Mk 14,72 par.)8. An dem Eingangschor lassen sich folgende Leitfragen für die eigene Untersuchung erkennen: In welchem Verhältnis stehen J o h 18-20 mit dem zuvor Berichteten? Anders gewendet: Wie wird die Heilsbedeutung des Todes Jesu (Kreuzestheologie 9 ) thematisiert? Dabei tritt die Verhältnisbestimmung des Prologs zu J o h 18-20 in den Blick: Welche Hinweise ergeben sich nach der Lektüre des Prologs für das Verständnis von J o h 18-20? 10 Daraus erwächst indirekt auch die Frage: In welcher Weise sind die Synoptiker ftir die Exegese des J o h E v heranzuziehen? Erst relativ spät ist das methodische Vorgehen problematisiert worden, um diese Fragen zu klären; es trat bei den Beobachtungen zur Bachschen Johannespassion noch nicht in den Blick.
6 Beide Blöcke (Arie Nr. 30, Rezitativ Nr. 31, Arie Nr. 32 und Arie Nr. 7, Rezitativ Nr. 8, Arie Nr. 9) unterscheidet BACH sehr genau, denn die Golgathaszene (Nr. 3 0 - 3 2 ) ist in einer „Kreuz"-Tonart (D-Dur), die Verleugnungsszene jedoch in F- bzw. B-Dur gesetzt. 7 Musikalisch setzt BACH das Textstück „befördre den L a u f und höre nicht a u f ' (Takt 4 8 - 5 6 ) durch immer wieder aufsteigende Sechzehntel-Bewegungen i m C o n t i n u o und Flöte I u n d II eindrücklich um. 8 A u c h die bereits genannte Stelle (Arie Nr. 30, Rezitativ Nr. 31, Arie Nr. 32) deutet BACH mittels eines synopt. Stückes, wenn er im Rezitativ (Nr. 33) a u f das Zerreißen des Tempelvorhangs sowie a u f die Totenauferstehung (Mt 27,5 lf) zurückgreift. 9 Vgl. dazu: SCHNELLE, Christologie 256: D i e joh. Kreuzestheologie ist ein Versuch, „die Identität des Irdischen mit dem Erhöhten und Verherrlichten zu wahren". KOHLER, Kreuz passim, BÜHLER, J o h a n n e s passim, KNÖPPLER, theologia 1 - 6 (und passim), KAMMLER, J e s u s 88.126f 159 u. ö., HOFIUS, Wunder 63, WLLCKENS, Christus passim. 10 Dieser Problemkreis trat jedoch bei der J o h a n n e s p a s s i o n von BACH nicht augenfällig in den Vordergrund, er kann auch hier nur indirekt vor Augen treten. Zur Analyse hinsichtlich dieser Frage vgl. KNÖPPLER, theologia 2 6 - 6 6 .
14
1. F r a g e s t e l l u n g u n d M e t h o d i k
1.2. Die Fragestellung und Methodik im 19. Jh. Anhand der oben genannten Leitfragen sollen ausschnittweise die Überlegungen von B. Bauer, Chr. H. Weisse und F. Chr. Baur vorgestellt werden. B. Bauers 11 äußerst scharfsinnige Kritik will den Beweis fuhren, daß eine Evangelienharmonie unmöglich ist: „Es ist nur Gnade von meiner Seite, wenn ich ihren (d. i. den Verteidigern apologetischer Positionen; M. L.) Argumenten noch einmal Leben einhauche und ihnen gegen die Vernunft auf die Beine helfe, und habe ich sie dann ihre Ohnmacht zu guter Letzt noch einmal fühlen lassen, so wird dem Kritiker die letzte Wendung gegen sie frei stehen, daß er sie mit Verachtung liegen läßt und ihnen in dieser letzten Form beweist, daß sie die Kritik auf ihrem Triumphzuge nicht aufhalten können." 12 Diese Position wird durch exakten Aufweis literarischer Abhängigkeit untermauert. Sprachlich sehr unbeholfen und pragmatisch nicht überzeugend suche sich der Evangelist aus Mk, Mt, Lk und der Apg seinen Stoff zusammen 13 . Auch für uns heute habe der Evangelist unverständlich gestaltet, verfolge unglücklicherweise verschiedene Richtungen zur gleichen Zeit14 und helfe seiner eigenen inneren Schwäche hinsichtlich des Pragmatismus etwa mit Hilfe des Festreisenzyklus auf die Beine 15 . B. Bauer folgert, daß nach J o h 14,31 die Kapitel 15-17 „zwischen Thür und Angel vorgetragen" 16 seien, denn es sei gerade kennzeichnend für das JohEv, „uns nie zu Verstände kommen" 1 7 zu lassen. Relativ lapidar und im einzelnen wenig ausgeführt besteht der theologische Ertrag dieser Erkenntnisse darin, daß der Evangelist die durch die Synoptiker bereits bekannten kontrastreiche Darstellung zwischen menschlicher und göttlicher Natur Jesu verschärfte 18 . 11 Kritik I—III passim, bes. Kritik III, 160-341. Z u m größeren forschungsgeschichtlichen Zusammenhang vgl. BAUR, Untersuchungen 1 - 8 3 , und SCHMITHALS, Johannesevangelium 6 0 - 9 9 . 12 BAUER, Kritik III 164. Nur auf ein Beispiel der Durchfuhrung sei verwiesen, DERS., Kritik III 170f. 13 DERS., Kritik III 196f. 199.318f. Vgl.: „ D e n Lukas (...) hat er (der Evangelist; M. L.) überall abgeschrieben - wollte man als unächt streichen, was dem Lukas entlehnt ist, so würde, ohne daß wir den Verlust zu beklagen hätten - dieses Evangelium von Anfang an, von dem Verhör des Täufers an bis zum Schluß mit einem gewaltigen Querstrich durchstrichen werden müssen" (DERS., Kritik III 336f). - Die Sprache des Evangelisten ist eine „zusammengeflickte Sprache" (DERS., Kritik III 200). 14 Vgl. DERS., Kritik III 278f. 15 DERS., Kritik III 216. Vgl. dazu, daß der Evangelist „ohne sich viel dabei den K o p f zu zerbrechen" irgendeine Todesstunde von den Synoptikern übernahm, die ihm „gerade in die Augen fiel" (beide Zitate DERS., Kritik III 299). 16 DERS., Kritik III 258. 17 Ebd.
Die Fragestellung und Methodik im 19. Jh.
15
Hat B. Bauer die Absicht, Material gegen apologetische Positionen vorzutragen und dabei zugleich die mangelnde semantische und pragmatische Kohärenz aufgezeigt, beschrieb nur vier Jahre zuvor 19 Chr. H. Weisse 20 die Sprach- und Denkeigentümlichkeit des J o h E v ausfuhrlich. Dabei lege es J o h 21,24 nahe, von einem Schülerkreis auszugehen, der das J o h E v herausgegeben habe, was sich anhand des Zeugnismotivs zeigen lasse (vgl. J o h 19,35; 20,30f; 21,24f) 21 . Der Inhalt dieser den Schülern vorliegenden Bruchstücke seien „Reden, die meist Jesu, einige auch dem Täufer Johannes zugeschrieben werden, hin und wieder vielleicht Betrachtungen, die der Apostel in seinem eigenen Namen niedergeschrieben hatte, die aber, mit Ausnahme des Prologs, der Ordner den Reden einverleibte." 22 Das Charakteristik u m dieser Reden ist nach Chr. H. Weisse das gänzliche Fehlen irgendwelcher Haftpunkte, die ein Memorieren der Rede ermöglichen würde, vielmehr produziert der Evangelist in schwerfälligem Stil Projektionen eigener Reflexion über seinen ihm im Nebel verschwindenden Meister. Das von ihm Notierte könne daher am besten mit dem Begriff „Studien" 2 3 umschrieben werden, denen kein fester Plan zugrunde liege 24 . „Es ist weniger ein Christus bild, als ein Christusbegriff, was Johannes giebt; sein Christus spricht nicht aus der Person heraus, sondern über seine Person." 25 Die Herausgeber des J o h E v hätten dann weitestgehend die erzählenden Stücke, aber auch Gedanken über ekklesiologische Fragestellungen nachträglich eingefügt. Ihr Zweck sei es, die ihnen vorliegenden Aufsätze des Evangelisten zu sammeln und in einer Weise zu veröffentlichen, die ihnen als ange-
18 DERS., Kritk III 309. - In der forschungsgeschichtlichen Diskussion rezipiert BAUER, Kritik III 307-322, bes. die Ergebnisse des Fragmentenstreites, die mit der in seiner Zeit einsetzenden Leben-Jesu-Forschung verknüpft sind; vgl. SCHLEIERMACHER, Leben 174-184.344-361.424-494, HASE, Leben 174-233 (mit reichhaltiger Lit.), NEANDER, Leben 200-212.379-384.617-656, THOLUCK, Glaubwürdigkeit 267-345.345-369, RENAN, Leben 326-373, den Gesamtüberblick bei SCHWEITZER, Leben passim. 19 U m historische Verhältnisse nicht falsch einzuordnen, muß hier ausdrücklich angemerkt werden, daß die Autorenreihenfolge BAUER - WEISSE aus Gründen der besseren Darstellung einer Geisteshaltung gewählt wurde. 20 WEISSE, Geschichte I 99-137.429-465, DERS., Geschichte II 190-301. 21 DERS., Geschichte I 99-103. 22 DERS., Geschichte I 106. 23 Z u m Ausdruck „Studien": .„Studien' (...,) dieser und kein anderer dürfte der rechte N a m e für jene Aufzeichnungen sein, aus denen das Evangelium erwachsen ist" (DERS., Geschichte I 114). 24 DERS., Geschichte I 114-117. Zur Methodik des Evangelisten vgl.: „Er knüpft vielmehr nur ihren Inhalt (der Rede 6,48-58; M. L.) an einen anderweitigen ihm dafür geeignet scheinenden Zusammenhang, u m sowohl diesen Zusammenhang durch ihn, als hinwiederum ihn durch den Zusammenhang zu erläutern" (DERS., Geschichte II 232). 25 DERS., Geschichte I 115, jeweils gesperrt im Original.
1. Fragestellung und Methodik
16
messen galt26. Trotz alledem seien einige sog. „Incongruenzen" 27 übriggeblieben: Joh 2,4; 3,5.11 ff; 4,16.35ff.48; 5,19ff; 6,26.53.70; 8,26; 11,9.26; 12,23ff.35; 13,27; 14,23; 20,17; 21,18.22. Das Verfahren der Herausgeber lasse sich exemplarisch an folgenden Stellen zeigen: Lag Joh 1,15 vor, so habe ohne größeren Aufwand Joh 1,19-34 angefügt werden können; ähnlich verhalte es sich mit der Zufügung von Joh 13,20-30 zu 13,18f. Insgesamt habe es sich in 13,l-11.18f; 14,1-31 um eine Studie gehandelt, die sich mit Jesu Reden beim Mahl beschäftige. Nach Chr. H. Weisse folge diesem Zyklus dann in Joh 15,lff ein nach synopt. Muster gestaltetes Gleichnis Jesu 28 . Das ganze methodische Dilemma dieser Mehr-Verfasser-Theorie29 wird offenkundig, wenn in Joh 13,1 £ 160)5 ö 'Iriooög oxi f|>.9ev « i j t o O r) M o a als von späterer Hand ohne Begründung gestrichen wird. Dasselbe Verfahren wird in der Beurteilung von Joh 3,1 ff erkennbar, wenn über 3,5 (ijöaxoq xai) gesagt wird, „daß auch dieser Zusatz entweder dem Apostel, oder vielleicht auch erst dem Herausgeber des Evangeliums angehört" 30 habe, da dort bereits Gedanken der apostolischen Kirche erkennbar seien. Das abschließende Urteil aufgrund dieser Analysen kommt in der Bewertung von Joh 6,59 zum Ausdruck, wenn sowohl den Apostel wie auch die Herausgeber der Vorwurf eines „starken Grad(s) von Urtheilslosigkeit"31 treffe, der auf das komplette Evangelium ausgedehnt werden könne. Die scheinbar unzusammenhängenden Blöcke, die das JohEv bilden, lassen sich mit der Mehr-Verfasser-Theorie nicht näher bestimmen, weil Chr. H. Weisse sein methodisches Vorgehen nicht klar benennt. Wenn er beispielsweise Joh 2,4 und 13,1 wohl wegen des oioa-Motivs streichen will, müßte er nicht nur genaue Gründe dafür angeben, sondern müßte auch die Streichung von Joh 7,6.8 (xaioo?) zumindest erwägen. Die methodische Unausgewogenheit
26
DERS., Geschichte I 117-119.
27
DERS., Geschichte I 125 Anm. *. - Das Verhältnis zu den Synoptikern wird auf
die Kenntnis mündlicher Traditionen zurückgeführt, denn eine direkte Kenntnis wäre mit wenigen Worten erwähnt worden; DERS., Geschichte I 118f. 28
DERS., Geschichte II 2 7 5 - 2 8 5 .
29
Vgl. SCHENKEL, Bearbeitungen 765; sekundäre Überarbeitungen vermutet darüber
hinaus SCHWEIZER, Evangelium 23.46.97.267 (es wird eine apostolische Grundschrift vermutet, die nur die außergaliläische Wirksamkeit Jesu darstellt, während die galiläische Wirksamkeit nur dann kurz in den Blick kommt, wenn Jesus durch ein Fest veranlaßt wird, nach Judäa zurückzukehren. Der Verfasser wird daher als ein Judäer zu denken sein, der die Synoptiker jedoch nicht gekannt hat; DERS., Evangelium 97f.102.105f.276.280); eine allgemeine Überarbeitung ohne theologisches Profil nimmt AMMON, Geschichte 81, an. 30
WEISSE, Geschichte II 211f. Hinsichtlich des Textes 6 , 4 8 - 5 8 urteilt er: „In seinen
Übeln wie in seinen guten Eigenschaften ist es dem, was wir für den apostolischen Kern des Evangeliums halten, offenbar zu verwandt, um nicht, in der Hauptsache wenigstens, den Bestandtheilen dieses Kernes beigezählt zu werden" (DERS., Geschichte II 232). 31
DERS., Geschichte II 2 2 9 .
Die Fragestellung und Methodik im 19. Jh.
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ist n u n i n s o f e r n überraschend, da Literarkritik als Quellenkritik i m A T durchaus klare u n d m e t h o d i s c h e Hilfsmittel bietet. Die Z u o r d n u n g eines biblischen Textes zu mehreren Verfassern ist an atl. Texten zuerst v o r g e n o m m e n w o r d e n . A l s klassisches Beispiel kann hier die m e t h o d i s c h gesicherte A u f t e i l u n g des Jesajabuches in K a p . 1 - 3 9 u n d 4 0 - 6 6 durch J. G . Eichhorn 3 2 angesehen werden. Gültig b e n e n n t er schon damals die beiden Kriterien, u m Texte zwei verschiedenen Verfassern zuzuo r d n e n : „ S c h o n längst hat m a n das A l t e r anonymischer, griechischer u n d römischer Schriften bald aus d e m Inhalt, u n d da dieser o f t zu einer Untersuchung dieser A r t nicht hinreicht, bald aus der Sprache zu b e s t i m m e n gesucht" 33 . Diese beiden Voraussetzungen sind auch in der Kritik an dieser Mehr-Verfasser-Theorie des J o h E v u. a. v o n D. F. Strauss formuliert 3 4 . Er b e n e n n t zugespitzt das m e t h o d i s c h e D i l e m m a : „Natürlich m u ß m a n hier den Kritiker fragen, w o r a n er d e n n den apostolischen G r u n d s t o c k v o n den Einschiebseln n o c h unterscheiden wolle, w e n n einerseits jener G r u n d s t o c k v o n d e m Einschieber vielfach verändert, u n d andererseits auch in d e m Eingeschobenen apostolische Bestandtheile enthalten sein sollen?" 35 Einen ganz entscheidenden W e n d e p u n k t i m Verständnis des J o h E v u n d damit auch des joh. PB markieren F. C h r . Baurs Kritische Untersuchun-
32 Einleitung AT bes. 76-100. Auch wenn zuvor DÖDERLEIN schon in Jes 40ff eine andere Situation als die in Jes 1-39 beschriebene ermittelte, so erfolgte doch die methodische Absicherung erst später. Zudem ist die Abgrenzung von Jes 56—66 erst neueren Datums und konsequente Fortführung des einmal eingeschlagenen Weges; vgl. SCHMIDT, Einfuhrung 261-274, KAISER, Einleitung 271-284. 33 EICHHORN, Einleitung AT 83 (kursiv M. L.). 34 STRAUSS, Leben 100-102. - Die exegetischen und systematischen Prämissen überzeugen STRAUSS bei WEISSE nicht, weshalb seine Kritik auch harsch ausfallt: „Wäre also Weiße nur ein besserer Exeget als er ist, das heißt würde es ihm weniger leicht, das objectiv Vorliegende sich durch willkürliche Umdeutung mundrecht zu machen, und wäre er ein besserer Philosoph als er ist, das heißt stünde sein Philosophiren auf eigenen Füßen und wäre nicht auf religiöse Krücken, wie hier die Anlehnung an eine vermeintliche Apostelschrift, angewiesen, so müßte er sich an dem Lehrgehalte des johanneischen Evangeliums nicht minder als an seiner Geschichtserzählung stoßen, und würde dasselbe ganz und ungetheilt seinem kritischen Schicksale überlassen: daß er dieß jetzt nur theilweise thut, hat einen lediglich subjectiven Grund" (STRAUSS, Leben 101). 35 DERS., Leben 102. Etwas anders, der Sache nach aber identisch, wehren sich HOLTZMANN, Einleitung 445, und REUSS, Einleitung 251, gegen diese Mehr-VerfasserTheorie. Vgl. zuvor BAUR, Untersuchungen 83: „Nur aus der Unsicherheit des Standpunkts, auf welchem die Kritik überhaupt noch steht, und insbesondere aus der Zähigkeit, mit welcher man einzig nur an der Frage nach dem Verfasser hängt, als der Einen Cardinalfrage, um welche sich alle andern bewegen sollen, ist es zu erklären, wie neuestens noch eine Hypothese über den Ursprung des johanneischen Evangeliums aufgestellt worden ist (gemeint ist SCHWEIZER; M. L.), welche weder den Vertheidigern, noch den Gegnern seiner Authentie sehr einleuchten kann, aber gerade darin ihr eigenes Interesse hat."
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1. Fragestellung und Methodik
gen 36 , in denen er sich zu Charakter und Ursprung der vier Evangelien äußert. Methodischer Ausgangspunkt ist für F. Chr. Baur, das J o h E v nicht einseitig auf der historischen Ebene verstehen zu wollen. Dieses Verständnis lege sich nahe, wenn man der altkirchlichen Uberlieferung in Hinsicht auf die Verfasserschaft folge. Vielmehr biete das Evangelium mit dem Prolog, 12,37f; 20,30f (vgl. 2,19; 3,14f; 7,39; 8,54) als reflektierenden Sätzen die Möglichkeit, die innere Struktur u n d den Aufbau zu erkennen. Sie sei allererst zu ermitteln, ehe die Frage nach dem Verfasser des Evangeliums beantwortet werden könne 3 7 . Der Prolog habe nun darin seinen Hauptgedanken, daß „der göttlichen Größe und Herrlichkeit Jesu gegenüber der Unglaube der Juden" 3 8 stehe. F. Chr. Baur sieht seine herrlichkeitschristologisch orientierte Exegese darin begründet, daß bereits in J o h 1,9-13 v o m erschienenen L o g o s die Rede sei, der aber erst in 1,14a als der inkarnierte beschrieben werde. Das Vorausgehende enthalte daher ein deutliches und absichtsvolles Ubergewicht durch den Evangelisten, so daß die Inkarnation nur als ein beinahe geschichtlich unbedeutender Nebenkrater erscheine. Die Fleischwerdung könne „nur als eine Nebenbestimmung, als ein bloßes Accidens des substantiellen Daseyns des Logos" 3 9 verstanden werden. Einzig an dieser Stelle weiche daher der Evangelist von den Synoptikern ab, die von einer Weihnachtsgeschichte berichten, bei der mit der Geburt der Logos das Subjekt erst noch werde, was er aber im J o h E v längst schon sei. Selbst wenn das J o h E v von der synopt. Weihnachtsgeschichte wüßte, würde es von einer „bloßen Scheingeburt" 4 0 berichten. F. Chr. Baur läßt von daher Jesu Leidens- und Auferstehungsgeschichte bereits mit Kap. 14ff beginnen, wobei mit 16,33 eyw vevixr|xa töv xoanov die Uberschrift formuliert sei. Schon hier habe sich Jesus zur „überirdischen Herrlichkeit aufgeschwungen" 4 1 , die sich in nachösterlichen Erscheinungsgeschichten dergestalt widerspiegele, daß der Evangelist Jesus darstelle, „ohne ihn eigentlich festen Fuß auf der Erde fassen zu lassen" 42 . Doketistische Bezugspunkte sei36 DERS., Untersuchungen bes. 77-389. 37 DERS., Untersuchungen 75.82-86. 38 DERS., Untersuchungen 87; vgl. DERS., Untersuchungen 89.313. 39 DERS., Untersuchungen 96. Vgl. DERS., Untersuchungen 96f: „Es ist daher mehr nur eine subjektive Beziehung und Bedeutung, welche der Fleischwerdung des Logos gegeben wird, indem er durch dieselbe nichts wird, was er nicht objektiv an sich schon wäre, sondern er nimmt das Fleisch nur dazu an, um das, was er an sich ist, auch für die zu seyn, welche die rechte Empfänglichkeit dafür haben, es sie ganz sehen und empfinden zu lassen." 40 DERS., Untersuchungen 99. 41 DERS., Untersuchungen 207. 42 DERS., Untersuchungen 230, ähnlich DERS., Untersuchungen 235. - Dieses hier noch auf den Auferstandenen bezogene Bild des über die Erde Schreitenden wird später in nur einem kleinen Schritt den irdischen Jesus illustrieren: KÄSEMANN, Wille 34f.65f. BULTMANN, Geschichte 256, bezieht dieses Bild auf die mk. 9cToc;-&vr|Q-Vorstellung.
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en daher seiner Meinung nach grundsätzlich nicht zu ermitteln, denn J o h 20,19-23.24-29 habe je den Schwerpunkt nicht auf der Betonung der Materialität des Leibes Jesu 4 3 . Auch J o h 19,35-37 müsse in ihrem Gefalle der typologischen Schrifterfüllung verstanden werden und habe nicht den Tod als solchen im Blick 44 . Zur eingangs von F. Chr. Baur angemahnten Ermittlung der spezifisch joh. Theologie greift er auf die Synoptiker als Folie zurück 45 . In J o h 2,22ff; 4,46-54; 5,lff; 6,7ff; 9 , l f f u. ö. lasse sich eine absichtsvolle Auswahl des synopt. Stoffes erkennen. Weitere zahlreiche Einzelbeobachtungen F. Chr. Baurs weisen immer wieder zu den Synoptikern: So „kann die Vermuthung nicht für unbegründet gehalten werden, daß er nicht blos mit der synoptischen Tradition im Allgemeinen, sondern speciell mit unsern kanonischen Evangelien, namentlich dem zweiten und dritten, bekannt gewesen sey" 46 . F. Chr. Baur erreicht durch diese Zuordnung zunächst eine stärkere Betonung der joh. Theologie, indem das anhand des Prologs ermittelte Profil immer wieder in den Vordergrund tritt und dadurch die Abweichungen von den Synoptikern als theologisches Profil erklärbar werden. Sodann zwingt diese kritische Sicht zum Abschied von der altkirchlichen Bezeugung der Verfasserschaft, da die historischen Fakten offensichtlich dem theologischen Programm des Evangelisten untergeordnet wurden 47 . Das bedeutet nun folgendes: 1. Das J o h E v erhält durch F. Chr. Baurs herrlichkeitschristologische Prologinterpretation eine besonders markante theologische Färbung. D e m PB bleibt jedoch das theologische Gewicht (vgl. J o h 19,30 xeTEXEOtai) verwehrt, weil Jesus sich zur „überirdischen Herrlichkeit aufgeschwungen" 48 hat (vgl. J o h 16,33 als Themasatz). Bleibt dieser Sachverhalt zu kritisieren, dann beeindruckt die geschlossene Ge-
43 BAUR, Untersuchungen 233 Anm. 44 DERS., Untersuchungen 272f. 45 DERS., Untersuchungen 2 3 9 - 2 8 0 . 46 DERS., Untersuchungen 280. 47 DERS., Untersuchungen 215f.239; vgl. bereits WEISSE, Geschichte I 107f, der hier durch ähnliche Methodik Bedenken äußert. Dieses theologische Profil gilt in ganz besonderem Maße der Ausweitung der in IKor 5,7 bereits belegten Passionstheologie, die bei Johannes ein dogmatisches Gewicht erhält; vgl. BAUR, Untersuchungen 274-277 mit der dortigen Anm. * (277-279). Daher kann in dem Verfasser nur ein Schriftsteller gesehen werden, der dem „ältesten Kreise des Judaismus schon ferner steht" (DERS., Untersuchungen 327). - Besonders seit diesen Erwägungen trifft man in den Einleitungen und Aufsätzen des 19. J h . apologetische Tendenzen; vgl. dazu beispielsweise: HUG, Einleitung 191-194.202.209f, BLEEK, Einleitung 146-151.175-186, EBRARD, Kritik 162-167; zur joh. Verfasserschaft aufgrund altkirchlicher Uberlieferung vgl. den chronologisch geordneten Forschungsüberblick bei LUTHARDT, Ursprung 6 - 1 9 . 48
BAUR, Untersuchungen 207.
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1. Fragestellung und Methodik
samtinterpretation v o m P r o l o g her 4 9 . 2. D i e Geschlossenheit wird bei F. C h r . B a u r d a d u r c h profiliert, daß er a n n i m m t , der Evangelist h a b e die Synoptiker benutzt. D a s t h e o l o g i s c h e Profil des J o h E v erweist sich daher in den Ä n d e r u n g e n u n d N e u f a s s u n g e n gegenüber den Synoptikern. 3. M i t Punkt (2) ergeben sich a u c h die d u r c h C h r . H . Weisse u n d Alex. Schweizer 5 0 b e o b a c h t e t e n literarischen Schwierigkeiten mit deren L ö s u n g s v e r s u c h d u r c h eine Mehr-Verfasser-Theorie. 3.1. Z u n ä c h s t steht s c h o n bei den angeführten Kritikern der Mehr-Verfasser-Theorie aus d e m 19. J h . nicht die grundsätzliche Berechtigung der Literarkritik als Q u e l l e n k r i t i k zur D i s p o s i tion. Ihre v o n J . G . E i c h h o r n entwickelten m e t h o d i s c h e n Fragestellungen weisen literarkritischem Vorgehen einen erkennbaren O r t zu. 3.2. Wenn einerseits mit H i l f e der klassisch-literarkritischen Fragestellung der einheitliche sprachliche u n d inhaltliche Charakter des J o h E v m e t h o d i s c h nicht ü b e r z e u g e n d verschiedenen Verfassern z u g e o r d n e t werden k a n n , d a n n deutet das .Grundstock-Einschiebsel-Modell' andererseits eine g r u n d s ä t z l i c h e P r o b l e m a t i k an. Setzt m a n nämlich für . G r u n d s t o c k ' .traditionelles Material' u n d für .Einschiebsel* die . H a n d des Evangelisten', d a n n bliebe n u n zu klären, wie diese beiden G r ö ß e n zueinander stehen. D a s wäre nicht nur ein Z u g e s t ä n d n i s an d e n ,disparaten literarischen Charakter des J o h E v ' , d e n n b e i d e Bestandteile (Tradition -und Evangelist) e n t s t a m m e n historisch unterschiedlichen Z u s a m m e n h ä n g e n . Z u d e m b ö t e sich die Möglichkeit, d e n einheitlichen sprachlichen u n d inhaltlichen Charakter beispielsweise des joh. P B als ein solch h o m o g e n e s G e b i l d e (d. h. v o m Evangelisten sanktioniert) z u verstehen: V o n einem pars pro toto m u ß geredet werden, weil ein pars sine toto den Weg z u m Gesamtverständnis verschließt u n d eine Mehr-Verfasser-Theorie j o h . T h e o l o g i e nicht beschreiben kann. S o bliebe d a n n d a s J o h E v als ungenähter Leibrock mit seinen verschiedenen Fäden 5 1 erkennbar. D i e s e mitunter vorausgreifenden B e m e r k u n g e n e r m ö g l i c h e n es, die i m f o l g e n d e n vorgeführten F o r s c h u n g s p o s i t i o n e n e i n z u o r d n e n u n d zu würdigen.
49 D i e Bedeutung BAURs für die Johannesexegese hat HAENCHEN, J e s u s 155, trefflich formuliert: „ D e n Text so zu sehen - mit eigenen und neuen Augen - , ist eine sehr seltene G a b e und wird nur wenigen verliehen. Von ihnen (ihren Erkenntnissen und Irrtümern!) leben dann Generationen - F. C . Baur ist ein Beispiel dafür ( u m v o n dem unvergleichlich Größeren, Luther, hier nicht zu reden)." 50 S. o b e n A n m . 29. 51 Vgl. HUTTEN, Gespräche XLIV: „Wäre nur nicht gerade dieses Evangelium selbst jener ungenähte Leibrock, v o n d e m es uns erzählt, u m den man wohl loosen, ihn aber nicht zertrennen kann." HILGENFELD, Einleitung 734, schließt sich STRAUSS' Vorrede an.
D i e Fragestellung u n d M e t h o d i k i m 20. J h .
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1.3. Die Fragestellung und Methodik im 20. Jh. Diese zuletzt genannten Überlegungen lassen sich anhand der Vertreter der klassischen Literarkritik summarisch vor Augen stellen: J. Wellhausen, E. Schwartz, H. H. Wendt, W. Heitmüller. Ausgangspunkt der Analyse sind äußere, logische Brüche im Text: Entweder J o h 7,3f; 14,31 mit 18,1 (J. Wellhausen 52 ) oder der Widerspruch zwischen 13,21ff und 13,28 (E. Schwartz 53 ) ist Anlaß zur Kritik oder aber die vermutete Existenz von Dubletten vor allem in 19,4-7.13-16 (F. Spitta 54 ), die die weitere Suche nach Widersprüchen initiiert. Inhaltliche Probleme entstehen nach Meinung J. Wellhausens neben der sekundären Einfügung von 5,25.27-29 5 5 hinsichtlich von J o h 19,31-37: Der Evangelist rede nur vom Sakrament des Brotbrechens, von Blut/Wein wisse er aber nichts, so daß 19,34.35.37 später nachgetragen sei (so auch E. Schwartz 56 ), V 37 sei sogar am spätesten von allen drei Versen hinzugekommen 57 . Zwei weitere, größere charakteristische Analysen J. Wellhausens, denen E. Schwartz und F. Spitta je eigenständig folgen, werfen abschließend ein Licht auf den Gesamtentwurf: J o h 18,12-27 laufe wegen der Uberbringung des gefangenen Jesus zu Kaiphas konträr zum synopt. Bericht. Deshalb könne der Name Kaiphas genausowenig ursprünglich sein58 wie das nochmalige Vorführen des gefangenen Jesus vor Pilatus (18,38-19,6). Beide, J . Wellhausen 59 und E. Schwartz 60 , eliminieren diesen Text, weil die synopt. Chronologie entgegensteht. Insgesamt gehen alle drei Vertreter von einer Grundschicht aus, wobei J. Wellhausen „schichtenweis Erweiterungen" 6 ' annimmt. Redet E. Schwartz 62 nur von einem Bearbeiter
52 Erweiterungen 14. Darüber hinaus vermutet er, Kap. 15-17 seien sek. eingefügt worden, und im Blick auf den Ubergang von Kap. 5 zu 6 heißt es: dieser „unsinnige S p r u n g " (DERS., Erweiterungen 15) sei unzumutbar. 53 Aporien I 342-344. 54 Johannes-Evangelium 374.403f. 55 Der Paraklet sei als Ersatz für die Parusie gegeben worden, so daß eine Totenauferweckung im Eschaton nicht notwendig sei (WELLHAUSEN, Erweiterungen 12). 56 Aporien I 359. 57 WELLHAUSEN, Johannis 89f. Dabei sei 6 , 5 2 - 5 9 bereits ein Nachtrag, dem ein weiterer in 6,60-65 folge (DERS., Johannis 32). 58 DERS., Johannis 85; SPITTA, Johannes-Evangelium 365. SCHWARTZ (Aporien I 353) hält 18,15-27 aus einem anderen G r u n d für interpoliert: Die Gestalt des Lieblingsjüngers sei sekundär eingetragen worden; „das Verhör Jesu vor dem Hohenpriester (muß) fallen" (ebd.), weil es der Rahmen für die Verleugnungsgeschichte sei. 59 Erweiterungen 2 4 - 2 6 . 60 Aporien I 366. 61 WELLHAUSEN, Johannis 6. 62 S. oben Anm. 60.
22 und einem
1. Fragestellung und Methodik folgenden
Interpolator, so variiert F. Spitta 6 3 insoweit, als er ei-
n e n Bearbeiter v e r m u t e t , der j e d o c h m e h r e r e Q u e l l e n verarbeitet habe. H . H . W e n d t (vgl. W . H e i t m ü l l e r ) scheint eine A u s n a h m e s t e l l u n g
einzuneh-
m e n , d e n n er konstatiert f o r m a l e B r ü c h e in 1,15; 1 3 , 1 8 f u n d fugt inhaltlic h e Unzulänglichkeiten in 5 , 2 8 f z u m A u s g a n g s p u n k t seiner kritischen A n a lyse hinzu, ehe er aus inhaltlichen E r w ä g u n g e n meint, 3 , 5 (u&atog x a i ) für sekundär erklären u n d logische Schwierigkeiten für 1 2 , 4 4 - 5 0 veranschlagen zu k ö n n e n 6 4 . W i e w o h l in vielen Detailergebnissen m i t C h r . H . Weisse konf o r m 6 5 , sieht er d o c h i m J o h E v ein einheitliches W e r k v o r sich liegen: D a s ä u ß e r t sich beispielsweise darin, d a ß J o h 1 8 , 3 3 - 3 8 a ; 1 9 , 9 - 1 1 seines E r a c h tens aus der Redenquelle s t a m m e , w o b e i der T e x t i m weiteren v o m Evangelisten überarbeitet w o r d e n sei 6 6 . A u c h sei eine A u s s c h e i d u n g o d e r U m s t e l lung v o n 1 8 , 1 2 - 2 8 u n n ö t i g : „ N a t ü r l i c h g e h ö r e n diese Stücke inhaltlich zus a m m e n . A b e r ihre getrennte Stellung war schriftstellerisch d a d u r c h m o t i viert, dass ein Zeitverlauf zwischen der ersten Verleugnung u n d den beiden f o l g e n d e n h e r v o r g e h o b e n werden sollte." 6 7
63 Johannes-Evangelium 405. Insgesamt habe der Bearbeiter durchaus seine Vorlage verändert: „Nach dem Bearbeiter ist eben Pilatus der relativ Unschuldige, und die Juden sind diejenigen, die Jesum eigentlich ans Kreuz gebracht haben" (Johannes-Evangelium 378). Zur Theologie dieser Grundschrift vgl. DERS., Johannes-Evangelium 401-466. 64 WENDT, Johannesevangelium 90. Weitere seines Erachtens problematische Texte sind: 5,10fj 7,19-24 (DERS., Johannesevangelium 79-86). HEITMÜLLER sieht dagegen viel eher in der verschiedenen Redeweise in 5,24.31 und 3,13 ein Anzeichen für literarische Scheidungen, nicht jedoch anhand von 5,28f (DERS., Johannes=Evangelium 92.83). Insgesamt urteilt er 0ohannes=Evangelium 9f) zwiespältig: „Auf der einen Seite zeigt sich der Verfasser als ein gewandter Schriftsteller. (...) In anderen Stücken wieder zeigt sich der Evangelist von einer geradezu unbegreiflichen Unbeholfenheit in der Erzählung. Es ist, als fehle ihm die Fähigkeit, den einfachsten Tatbestand klar und anschaulich wiederzugeben." Insgesamt kommt er zu folgender Einschätzung: „Bei der Untersuchung des Problems darf jedenfalls nicht übersehen werden, daß abgesehen von Kap. 21 und kleinen leicht ablösbaren Glossen das Evangelium so wie es vorliegt trotz allem, auch wenn verschiedene Hände beigesteuert haben, ein planvolles Ganzes ist. (...) Die Schrift ist sicher nicht das mehr oder weniger zufallige Ergebnis von Zusammen=Schiebungen und Überarbeitungen" (DERS., Johannes=Evangelium 31). 65 Besonders sei auf Ausscheidung von 3,5 (üSatoc; xai; s. oben Anm. 30) verwiesen sowie zur These, daß die Reden besonderes zugrundeliegendes Material besitzen (WEISSE, Geschichte II 184). 66 WENDT, Johannesevangelium 152f, DERS., Schichten 62. Entgegengesetzt urteilt HEITMÜLLER: „Mit offensichtlicher Liebe hat der Verfasser ein anschauliches und bewegtes Bild gezeichnet" (DERS., Johannes=Evangelium 170). 67 WENDT, Johannesevangelium Anm. 1 (152f) 153. Unsicher wiederum HEITMÜLLER, der zwar eine Korrektur ablehnt, aber meint: „Vermutlich liegt eine eingreifende Umarbeitung des ursprünglichen Berichts durch den Herausgeber vor" (DERS., Johannes= Evangelium 168).
Die Fragestellung und Methodik im 20. Jh.
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Hinsichtlich der zuerst genannten Vertreter hat H. H. Wendt bereits wichtige Gegenargumente genannt 68 . Ein positiver Aspekt - die Nähe des JohEv zu den Synoptikern - ist zugleich die größte methodische Unzulänglichkeit, wenn der Versuch unternommen wird, das JohEv in Aufbau und theologischer Struktur einzig aus dem Gefälle der Synoptiker zu verstehen. Das muß zu unverständlichen Beobachtungen beispielsweise hinsichtlich des Verhörs Jesu vor Pilatus fuhren 69 , aber auch zu einer unangemessenen Würdigung der sakramentalen Aussagen in 3,5; 6,51ff. Diese theologisch problematischen Entscheidungen sind mit der keineswegs überzeugenden Hypothese einer Gründschrift belastet - entweder bestehend aus Erzählungen, Reden und einzelnen Stücken (J. Wellhausen 70 ) oder aber einer historisch sehr plausiblen vita Jesu, wiewohl sie kein umfassendes Bild vom Leben Jesu zeichnen wolle (F. Spitta71) oder bestehend nur aus Reden, die mit Q_ vergleichbar seien und vom Evangelisten mit Erzählstücken bearbeitet worden seien (H. H. Wendt 72 ) - 7 3 : Es ist nicht vorstellbar, daß das Verhör Jesu vor dem Hohen Rat quasi im Sand verlaufen sein soll74; es ist insofern ein .Ergebnis* anzunehmen, als nur dann die Ubersendung Jesu zu Pilatus plausibel ist. Damit hängt auch die ausgesprochen enge Verknüpfung mit der Verleugnung des Petrus zusammen, die wohl von Beginn an Teil dieses Erzählabschnittes war75. Gerdezu phantastisch mutet es an, wenn die Hauptperson im Prozeß gegen Jesus, der röm. Präfekt Pilatus, zwar erwähnt worden sein soll, das Ziel seiner potestas hinsichtlich des ius gladii aber nicht zum literarischen Bericht der Kreuzigung Jesu gefuhrt habe 76 . Vielmehr zeigt das älteste Kerygma in IKor 15,3-5, daß die Leidensgeschichte in aufeinander folgenden Ereignissen beschrieben worden ist, die keinesfalls voneinander ablösbar waren. Sie schildern, wie das Heil,anschaubar' geworden ist.77
68
WENDT, Schichten 17-23.
69 Vgl. dazu das unten in Kap. 2 Anm. 200 nachgewiesene Zitat WELLHAUSENs und SCHWARTZ' sowie: „So (wie in Joh 18,28-19,16a; M. L.) schreibt keiner, dem nicht verschiedene, schriftlich abgefaßte Berichte desselben Ereignisses vorgelegen haben, und der versucht hat, durch die Kombinierung der beiden die Darstellung reicher zu gestalten" (SPITTA, Johannes-Evangelium 404). HEITMÜLLER, Johannes=Evangelium 168, meint, daß eine „eingreifende Umarbeitung des ursprünglichen Berichts durch den Herausgeber" vorliege. Insgesamt urteilt er jedoch zwiespältig, s. oben Anm. 64. 70 Johannis 6. 71 Johannes-Evangelium 407-420. 72 Johannesevangelium 62. 73 Vgl. dazu das unten Seite 45f Gesagte. 74
SPITTA, J o h a n n e s - E v a n g e l i u m 427.
75
Ebd.
76
WENDT, J o h a n n e s e v a n g e l i u m 62.
77 Nur wenige Jahre nach WENDTs Erwägungen hat DlBELIUS diesen Sachverhalt in seiner ersten Auflage der Formgeschichte zutreffend beschrieben, wenn er meint: Die „Lei-
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1. F r a g e s t e l l u n g u n d M e t h o d i k
R. Bultmann hat in nachhaltiger Weise auf dem Wege zum Gesamtverständnis des JohEv jene Forschungslinie aufgenommen, wie sie oben beispielsweise mit den Namen Chr. H. Weisse (vgl. Alex. Schweizer78) im Zusammenhang der Mehr-Verfasser-Theorie dargestellt wurde. Wenn Chr. H. Weisse mit dem Begriff „Studien" 7 9 euphemistisch die Tatsache umschrieb, daß das JohEv ohne recht erkennbaren Plan geschrieben worden sei, wird dies von R. Bultmann dahingehend weitergeführt 80 , daß dem J o h E v „die Arbeit einer Redaktion" 81 deutlich anzumerken sei: J o h 5-7; 13-17 müsse umgestellt werden (4-6-5-7; 13-15-16-17-14), 7,15-24 passe gut mit Kap. 6 zusammen, 10,19-21 zerreisse 10,l-18.22ff und folge kaum direkt auf Kap. 9 und 12,44-50 müsse als situationsloses Stück erscheinen. Zudem weise Kap. 21 als Nachtrag des bereits abgeschlossenen J o h E v (20,30f) in diese Richtung. Die Redaktion erweise sich als theologisch motiviert, da sie den Sakramentsglauben und die futurische Eschatologie aufgrund dogma-
densgeschichte hat man schon in der ersten Generation nicht in einzelnen Bildern illustriert, sondern in der Reihenfolge der Ereignisse erzählt"; es „ist eine Erzählung von Jesus, die seinen Tod ignorierte, kaum denkbar" (DERS., Formgeschichte 57.74f). U m so unverständlicher ist sein Urteil in der letzten Auflage dieses Werkes: „ D a für ihn (d. i. Johannes; M . L.) nicht Tod und Auferstehung, sondern das .Gehen z u m Vater' das entscheidende Heilsereignis ist, so wäre von ihm die korrekte Wiedergabe der Leidensgeschichte eigentlich gar nicht zu erwarten. Wenn er sie trotzdem referiert und in relativer Übereinstimmung mit den anderen referiert, so bestimmt ihn offenbar die Festigkeit und Maßgeblichkeit der Uberlieferung. Der Zwang der Gegebenheiten ist so stark, daß für selbständige Deutung der Ereignisse nur geringer R a u m bleibt" (DERS., Formgeschichte 179f). Von hier aus ist der Schritt nur noch klein zu der bei BAUR ausgeprägten und von KÄSEMANN aufgenommenen (s. unten Anm. 105) Vorstellung, daß die Passionsgeschichte kein konstitutiver Bestandteil des J o h E v sei. - Vgl. darüber hinaus den Überblick bei SCHMITHALS, J o hannesevangelium 88-91.100-163. 78 S. oben Anm. 29. 79 S. oben Anm. 23. 80 D a s heißt freilich nur, daß BULTMANN ähnlich wie diese Forscher arbeitet. 81 BULTMANN, Johannesevangelium 841 (z. T. kursiv im Original). Einem eher bescheidenen redaktionsgeschichtlichen Vorgehen steht Johannes gegenüber, der „den S t o f f zu umfassenderen, von einem leitenden Thema bestimmten Einheiten geformt und die ganze Darstellung kunstvoll gegliedert" hat (DERS., Johannesevangelium 843). J o h . Kompositionstechnik erblickt BULTMANN darin, daß die Wundergeschichten das Thema der nachfolgenden Rede vorabbilden, wobei letztere bes. „die Technik des Mißverständnisses" belegen (DERS., Johannesevangelium 844), die den Redefortgang neu beleben und erweitern. Vgl. ebd., wo den Synoptikern nur durch „einen primitiven redaktionellen R a h m e n " eine Verbindung zwischen den Einzelstücken gelungen sei. Diese Distanz des J o h E v nicht nur zu den Synoptikern, sondern auch zur Urgemeinde, spiegelt sich schon darin wider, daß deren charakteristische Fragen und Probleme fast gänzlich ausgeblendet sind: das Gesetz, das K o m m e n der Gottesherrschaft, die Gemeindedisziplin. Die einzige Ausnahme ist der Täuferabschnitt; DERS., Johannesevangelium 845. Insgesamt aber bietet das J o h E v einen zerbrochenen, verstümmelten und trümmerhaften Zustand; vgl. DERS., Johannes 164 Anm. 2, 350 Anm. 1.
Die Fragestellung u n d M e t h o d i k i m 20. J h .
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tischer Entscheidungen eingefügt habe und daher als eine .kirchliche Redaktion' bezeichnet werden könne: „Für die kirchliche Orthodoxie erschien das Evangelium offenbar als bedenklich oder gefährlich und mußte entsprechend redigiert werden"82. Dieser theologischen Überarbeitung folgte aber keine textpragmatische Bearbeitung, denn R Bultmann selbst muß nicht weniger als 35 Textpassagen nach diesen Gesichtspunkten neu ordnen. Zweifellos kann er auf Grund dieses methodischen Vorgehens hinsichtlich des Inhalts eine große Nähe zwischen der Theologie des Evangelisten und dem literarischen Charakter des Evangeliums bzw. der Theologie der kirchlichen Redaktion und deren Einschüben herausarbeiten. Dadurch ist sogleich das Neue markiert: Die theologischen Positionen werden am Text ermittelt und historisch eingeordnet. R Bultmann meint nun, in diesem Zusammenhang notwendigerweise die Frage nach den Quellen des JohEv beantworten zu müssen, denn sie seien entscheidend mitverantwortlich für das disparate Erscheinungsbild des Evangeliums83. Die Synoptiker als Quelle wie etwa das MkEv zum MtEv kommen seines Erachtens genausowenig in Betracht wie eine Grundschrift, denn im ersten Fall seien überlieferungsgeschichliche Differenzen zu groß und im zweiten Fall sei die Ordnung erst in der Komposition des Evangelisten zu sehen und nicht in einer ihm vorliegenden Grundschrift 84 : Die „Ubergangswendungen und Erläuterungen" 85 heben sich deutlich von den benutzten Quellen ab und benennen die eigene Meinung des Evangelisten86.
82 DERS., Johannesevangelium 841. Vgl. ebd.: „Das J.(ohEv; M. L.) ist also offenbar von einer Redaktion herausgegeben worden, die als kirchliche bezeichnet werden muß, weil sie den Sakramentsglauben und die Zukunfts-Eschatologie in das J.(ohEv; M . L.) hineinkorrigierte, die ihm ursprünglich fremd waren." Darüber hinaus bedeutet das für J o h 3,5b (Ü&CIT05 xat), daß es „mindestens sehr zweifelhaft" sei, auch wenn eingestanden wird, „sie (die Worte; M . L.) sind zwar durchweg überliefert (...), sind aber m. E. eine Einfügung der kirchlichen Redaktion, die in 6,51b-58 die Bezugnahme auf das Abendmahl eingebracht hat. Die Bedeutung der Taufe ist im folgenden nicht nur nicht erwähnt, sondern ihre Erwähnung könnte auch nur den Gedanken in V. 6 und V. 8 stören, wie denn der Evglist den Sakramentalismus der kirchlichen Frömmigkeit offenbar bewußt ausscheidet (s. zu Kap. 6 und Kap. 13)" beide Zitate DERS. Johannes 98 Anm. 2. 83 Vgl. BULTMANN, Johannesevangelium 841: Die Frage nach dem literarischen Charakter ist zugleich die Frage nach den benutzten Quellen: „wieweit ist sein Evangelium eine freie Komposition, wieweit ist in ihm überliefertes Gut verarbeitet?" 84 DERS., Johannesevangelium 841f. 85 DERS., Johannesevangelium 842. 86 Schon beinahe klassisch ist hier J o h 4,48 zu nennen, denn die „Sammlung der Wundergeschichten" ([ebd.; kursiv im Original], vgl. 2,11; 4,54; 12,37; 20,30) hat kein hohes theologisches Gewicht für den Evangelisten, „weil im Ganzen des Evangeliums die Wunder den Reden durchaus untergeordnet sind" (ebd.; vgl. DERS., Johannes 152f). BULTMANN nennt ein weiteres Kriterium: Die Mißverständnisse der Gesprächspartner Jesu seien ein weiteres Zeichen für joh. Denken (DERS., Johannesevangelium 842).
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1. Fragestellung und Methodik
D e r zweite Aspekt literarkritischer Arbeit bei R. B u l t m a n n ist bereits angeklungen u n d kann als historisch-quellenkritisches Vorgehen b e n a n n t werden, denn hinsichtlich des j o h . P B will er eine schriftliche Vorlage ermitteln: „ D a ß er (der Evangelist; M . L.) einer schriftlichen Quelle folgt, ergibt sich 1. daraus, daß er Stücke und Einzelangaben bringt, die er nicht im Sinne seiner T h e o l o g i e auswertet, wie die Verleugnung des Petrus, die Verlosung des Mantels Jesu, die Ortsangabe 19,13; 2. daraus, daß sich seine Zusätze von einer zugrunde liegenden Vorlage m a n c h m a l deutlich abheben. - Deutlich ist auch, daß seine Quelle nicht die Synoptiker sind, bzw. einer von ihnen." 8 7 D a sich R. B u l t m a n n hier an M . Dibelius anlehnt, sei in einem kurzen Rückblick a u f unterschiedliche Perspektiven hingewiesen. M. Dibelius nimmt an, daß „die Passions- und Ostergeschichte des Johannes auf eine Vorlage zurückweist, die nicht mit der synoptischen Tradition identisch ist" 88 . Sein Ausgangspunkt ist jedoch nicht eine literarkritische Analyse im Sinne eines historisch-quellenkritischen Verfahrens (vgl. R. Bultmann), sondern die formgeschichtliche Analyse89. Im Vergleich mit Justin und vor allem mit dem PtEv, das sich als predigtmäßig geprägt erweise, enthalte das JohEv die drei atl. Motive (Sitzen zur Verhandlung, J o h 19,13; Stundenmotiv, J o h 19,14; Leibrock, J o h 19,23) „nur noch in literarischer Einkleidung, durch historische oder novellistische Stilisierung abgewandelt."90 Der Verfasser des vorjoh. PB sei dafür verantwortlich zu machen, der historisierenden Umformung des ursprünglich predigtmäßigen Materials im JohEv Vorschub geleistet zu haben91. Auf diese Weise könne theologiegeschichtlich dem PtEv eine sachliche Priorität insoweit zugesprochen werden, als es die Arbeit der Missionare (Predigt) deutlicher erkennen lasse: Indem „die Predigt weitergab, was die Augen-
87
BULTMANN, Johannes 491 (z. T. gesperrt im Original). - DERS., Johannes 491
Anm. 9, räumt jedoch ein: „Die Analyse kann nur z. T. durch sprachliche Kriterien gestützt werden, da die stilistischen Eigenarten des Evlisten in der Erzählung nicht ausgeprägt sind." 88
DIBELIUS, Motive 231f. DERS., Gethsemane 267: „das Johannes-Evangelium (ent-
hält; M. L.) sehr alte Uberlieferungsbestandteile in seiner Leidensgeschichte". Vgl. DERS., Evangelien 192f. Bereits 1910 hatte GOGUEL, Sources 1 3 6 - 1 3 9 , vermutet, der Evangelist habe seinen PB unter Berücksichtigung der Synoptiker, aber unter Verwendung nichtsynopt. Traditionen verfaßt. 89
Zu diesem methodischen Vorgehen in seiner Umsetzung vgl. auch DIBELIUS,
Überlieferung 1 0 2 - 1 2 3 , der seine Prämissen wie folgt formuliert: „Hier hat m. E. die Stilkritik der Literarkritik, die literarische Würdigung dem Suchen nach Quellen und Interpolationen voranzugehen" (DERS., Uberlieferung 101 A n m . 1), ferner DERS., Herodes passim (bes. 2 8 6 - 2 8 9 ) . 90
DERS., Motive 231. Z u m Charakter des PtEv DERS., Motive 241: Es ist das, was
„am meisten alttestamentlich und also auch am meisten erbaulich und predigtgemäß zu erzählen weiß." 91
DERS., Motive 2 3 8 : „eine literarische Vorlage, der wir jene historisierende und no-
vellisierende Bearbeitung alttestamentlicher Predigt-Motive zutrauen dürfen."
Die Fragestellung und Methodik im 20. Jh.
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zeugen gesehen und berichtet hatten und was von Lehrern aus dem Alten Testament erschlossen war, schuf sie die Tradition. Die Fortpflanzung durch die Prediger erforderte und veranlaßte Fixierung (...), aber auch diese ergab nur Predigttexte, noch nicht Lesebücher."92 Weil hier Prediger am Werk seien und keine Schriftsteller, könne zwar einerseits zugestanden werden, daß es in gewissem Rahmen einer gedanklichen Strenge mangele, jedoch sei andererseits Frische und Lebendigkeit charakteristisch. Uberblickt man R. Bultmanns rekonstruierten vorjoh. PB, u m jenen auf seine literarische und theologische Gestaltung zu untersuchen, dann fällt die mangelhafte literarische Formung auf. Ein längerer fortlaufender Text sei vergleichsweise selten (und dann auch nicht durch einen umfangreicheren Einschub) unterbrochen. Dieser von den Synoptikern unabhängige vorjoh. PB sei vom Evangelisten darüber hinaus auch nur in 19,4-16a (vor 19,1-3) umgestellt worden, wobei dieser Abschnitt in seiner traditionsgeschichtlichen Zuordnung nicht mehr eindeutig zuzuweisen sei. Die theologische Gestaltung des PB durch den Evangelisten sei in dessen grundlegendem Leitmotiv zu sehen: „die Demonstration seines (Jesu; M. L.) Sieges über die Welt" 93 . Sie wirke sich vorzugsweise in der hoheitlichen Selbstauslieferung (18,4-9) sowie im souveränen Königsmotiv (18,33-38a; vgl. 19,7-12) aus. Die Redaktion durch den Evangelisten (bzw. kirchlichen Redaktor) lasse sich nicht nur an den Nahtstellen beispielsweise an der doppelten Hohepriesterschaft 0 o h 18,13f.24; Eintrag des Kaiphas neben Hannas) oder am zwischengeschalteten Osterwettlauf (Joh 20,2-10 in 20,1-18) deutlich erkennen, sondern auch daran, daß etwa die Verleugnung des Petrus, die Verlosung des Mantels oder die Ortsangabe in J o h 19,13 ohne Deutung geblieben sei94. Diese faszinierende Gesamtinterpretation, deren Bedeutung hier nicht eigens erhoben und begründet werden muß 95 , muß vor allem in Hinsicht auf die literarkritische Arbeit im Sinne einer Quellenanalyse kritisiert wer-
92 DERS., Motive 243. 93 BULTMANN, Johannes 490. 94 DERS., Johannesevangelium 843. Neben der Sammlung von prosaischen Wundergeschichten lag dem Evangelisten eine poetisch geformte Redensammlung vor, die „apodiktische, begründungslose Sätze" (DERS., Johannesevangelium 842; zum theologischen Gehalt dieser Redenquelle vgl. DERS., Johannesevangelium 846f, zum gnostischen Erlösungsmythos vgl. DERS., Johannes 41 f, DERS., Johannesevangelium 847) jeweils als Abschluß eines Abschnitts enthielt und gerade in erklärenden, retardierenden Passagen die H a n d des Evangelisten erkennen läßt. 95 HAENCHEN, Kommentar passim, KÄSEMANN, Bultmann passim; zur hermeneutischen Bedeutung NETHÖFEL, Strukturen passim, sowie eine Kurzfassung von ROBINSON in HAENCHENs Kommentar: „ R u d o l f Bultmanns imponierende Leistung ist darin großartig, daß er dialektische Theologie, existentiale Interpretation, Religionsgeschichte, Quellenkritik und Redaktionsgeschichte mit .faszinierender Geschlossenheit' zu einer so erha-
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1. F r a g e s t e l l u n g u n d M e t h o d i k
den. Die von R. Bultmann angeführten Kriterien 96 sind schon deshalb abzulehnen, weil er nicht zurückfragt, ob der Evangelist nicht etwa doch die Verleugnung des Petrus theologisch deutet. Weil R. Bultmann dies von vornherein durch sein methodisches Vorgehen ausschließt, kann natürlich das Ergebnis nur ein negatives sein, was ja seinerseits noch dadurch gestützt wird, daß das J o h E v von den Synoptikern unabhängig sein soll. Vollends aus der urchristlichen Theologiegeschichte wird der Evangelist dadurch katapultiert, wenn die Bedeutung des joh. PB bestimmt werden soll. Aufgrund seiner religionsgeschichtlichen Einordnung wird die Inkarnation derart als Thema formuliert, daß die komplette folgende theologische Entfaltung quasi in J o h 1,14a hineingesogen wird97. Von daher scheint es folgerichtig, daß die Passion „insofern nur die abschließende Krönung alles Bisherigen" 98 sei. Ein theologisches Gewicht kann dem joh. PB von daher also nicht zugemessen werden. Religionsgeschichtliche Einordnung, hermeneutisches Vorgehen und methodische Prämissen sind derart übergewichtig, daß die literarische Gestalt und der theologische Gehalt von J o h 18-20 stark vernachlässigt werden. Der bei R. Bultmann angedeutete vorjoh. PB ist in A. Dauers umfangreicher und bis heute maßgeblichen Analyse einer genaueren Bestimmung unterzogen worden. A. Dauer versucht, durch die literarkritische Arbeit mit der dann folgenden traditionsgeschichtlichen Einordnung einerseits eine Quelle zu ermitteln, „die Johannes für seine Passionserzählung zur Verfügung stand" 99 . Dieser vorjoh. PB zeichne sich als ein zusammenhängenbenen Einheit verschmolzen hat, daß kaum ein Kritiker mit ihm in dieser H ö h e und Weite diskutieren konnte - eine glänzende Gesamtlösung ..., die leider nicht stimmt" (Seite V). 96 Die Kritik an BULTMANNs Methodik ähnelt dem, was STRAUSS, HOLTZMANN, REUSS und BAUR den Vertretern der Grundschrifthypothese bereits vorgeworfen haben (vgl. oben Anm. 34 und 35), ohne aber in BULTMANN einen solchen Vertreter erblicken zu können, denn gerade er lehnt eine solche Hypothese aus den genannten Gründen ab. Zur Kritik an BULTMANNs methodischem Vorgehen vgl. SCHNELLE, Christologie 16-19, KOHLER, Menschwerdung 86-91, HAENCHEN, Johannesevangelium 53-57. 97 BULTMANN, Johannes 4 0 - 4 2 . 98 DERS., Johannes 490 (kursiv M. L.). Ähnlich ist daher auch seine Exegese zu J o h 19,5 zu bewerten: „ D a s 6 Ä0705 öoiq| eyeveto ist in seiner extremsten Konsequenz sichtbar geworden" (DERS., Johannes 510). Vgl.: „Ist so das Kreuz als krönender Abschluß des mit dem 6 Xoyog aao| etevexo anhebenden Geschehens, und hat es nicht als Einzelereignis eine spezifische Heilsbedeutung, so hat auch die Auferstehung ihre Heilsbedeutung nicht darin, daß sie als Ereignis — etwa als kosmisches Ereignis — etwas Neues wirkte, was Jesu Wort nicht schon gewirkt hätte" (DERS., Johannes 490; z. T. gesperrt im Original); vgl. ebd. Anm. 5: „Vom ataugog bzw. atauocoGfjvai als besonderem Heilsereignis ist nie die Rede". Mit dieser Einschätzung steht BULTMANN sehr nahe bei KÄSEMANN, wiewohl ihr Gesamtverständnis grundverschieden ist (vgl. unten Anm. 105). 99 DAUER, Passionsgeschichte 16; zu den Einzelelementen Verhaftung, Zwischenfall, jüd. und röm. Verhör, Verurteilung, Kreuzigung und Tod vgl. DERS., Passionsgeschichte 334. SCHNACKENBURG nimmt diese Ergebnisse auf, erweitert sie jedoch u m Erwägungen
Die Fragestellung und Methodik im 20. Jh.
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der (schriftlicher ?) Bericht aus, der sich in der Nähe zu den Synoptikern befinde, ohne jedoch direkt von ihnen abhängig zu sein. Vielmehr seien die durchaus beachtlichen Parallelen mit den Synoptikern durch das „Ineinanderfließen von mündlicher und schriftlicher Tradition" 100 zu erklären, denn nur so seien die Unterschiede sachgemäß zu verstehen, die nicht als joh. Redaktion erklärt werden könnten. Diese eingeschlagene Richtung verfolgt A. Dauer später weiter, indem er vor allem das Verhältnis Johannes Lukas bedenkt. So kann zwar festgehalten werden, „Joh 20,19~29 setzt Lk 24,36-49 voraus" 101 , es müsse aber eine direkte Verwendung von Lk 24,36-49 durch Johannes aufgrund gewichtiger Unterschiede ausgeschlossen werden, so daß er formulieren kann: „Der joh Erscheinungsbericht setzt eine Erzählung voraus, deren Grundlage Lk 24,36-49 war, die aber schon im Laufe der weiteren (vor-joh) Tradition gekürzt, umgestaltet und mit neuem Stoff aufgefüllt worden war." 102 Andererseits wendet sich A. Dauer in seiner Passionsarbeit in einem umfangreichen zweiten Kapitel dem theologischen Zusammenhang des joh. PB mit dem übrigen J o h E v zu. Nicht in der Beglaubigung Jesu durch dessen Auferweckung müsse das joh. Passionsverständnis gesehen werden, sondern Leiden und Tod seien bereits Erhöhung und Verherrlichung als Gericht über die Welt und ihren Herrscher. Dieses freiwillige Leiden entspreche ganz dem Willen des Vaters und sei zugleich Offenbarungs- und Heilswerk Jesu. Die traditionelle Verwendung des AT zwecks Weissagungsbeweis und politisch-apologetische Tendenzen zum Erweis der Loyalität seitens der Christen zum Staat führe weitere Perspektiven des joh. Passionsverständnisses vor Augen, das mit der Neubegründung von menschlichen Verhältnissen zu Jesus und seinem Sterben ihren Abschluß finde. A. Dauers Fazit in Hinsicht auf den joh. PB lautet: Der joh. PB „bildet zusammen mit den vorangehenden und nachfolgenden Kapiteln seines Werkes ein großes einheitliches Ganze (sie.) und berichtet von der Herrlichkeit des inkarnierten und nun zum Vater heimkehrenden Gottessohnes." 103
über den vermuteten Anfang in J o h 11,45-54 (Todesbeschluß des H o h e n Rates mit d e m Rat des Hohenpriesters), d e m Salbung und letztes Mahl mit Verratsansage folgen (DERS., Johannesevangelium II 446f.455) sowie deren Ende, das vermutlich mit Grabes- und Erscheinungsgeschichten markiert sei. Letztere stünden nicht ganz spannungslos zu den synopt. Berichten (DERS., Johannesevangelium III 346f.354.388.390). 100 DAUER, Passionsgeschichte 60.99.164 (jeweils im Original kursiv). 336 (dort nicht kursiv), ähnlich Seite 226 (kursiv i m Original), wo er meint, daß „mündliche u n d schriftliche (= synoptische) Tradition ineinandergeflossen sind und sich gegenseitig durchdrungen haben." 101 DERS., J o h a n n e s 285 (unterstrichen im Original). 102 DERS., J o h a n n e s 288 (z. T. unterstrichen im Original); ähnlich formuliert er bzgl. J o h 4 , 4 6 - 5 4 (Lk 7,1-16) und J o h 12,1-8 (Lk 7,36-50; 10,38-42) a u f den Seiten 120f.206. 103 DERS., Passionsgeschichte 338.
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1. F r a g e s t e l l u n g u n d M e t h o d i k
Zu A. Dauers Entwurf muß positiv gesagt werden, daß es ihm gelungen ist, den joh. PB in das JohEv zu integrieren und zugleich joh. Kompositionstechnik, Stilelemente und theologischen Gestaltungswillen aufzuzeigen 104 . In seinen fünf thematischen Querschnitten deutet er immer wieder Haftpunkte für J o h 18f im übrigen Evangelium an. Zwar teilt er die Einschätzung der wohl prägendsten Arbeiten seitens R. Bultmann und E. Käsemann nicht, der joh. PB habe für das Verstehen des J o h E v keine eigene Bedeutung, aber er widerspricht auch nicht energisch genug (vor allem E. Käsemann) 105 . Hier liegt auch die erste kritische Rückfrage. Wenn Leiden und Tod bereits Erhöhung und Verherrlichung sind, dann bleibt die Verhältnisbestimmung letztlich unscharf: Wenn Leiden und Tod wirkliches Leiden und Sterben sind und nicht derart in Erhöhung und Verherrlichung übergehen, daß sie als solche nicht mehr erkennbar sind, dann steht - ohne sogleich zwei Stadien annehmen zu wollen - die Identität des wirklich Leidenden und Sterbenden mit dem Erhöhten und Verherrlichten zur Debatte. Eine zweite, noch gewichtigere kritische Rückfrage betrifft den direkten Quereinfluß der vorsynopt. Quellen. A. Dauer rechnet hier eher mit einem historisch wie literarisch unbekannten Bericht und will keine direkte Benutzung annehmen. Auf diese Weise bleiben ihm aber auch wichtige Einsichten nicht nur in die kompositorische Arbeitsweise, sondern auch in das theologische Profil des Evangelisten verwehrt. Zeitlich parallel zu A. Dauers Promotion erscheint F. Hahns Arbeit zum Prozeß Jesu 106 . Der Titel dieser Studie 107 macht zum einen eine inhaltliche Beschränkung auf J o h 18,28-19,16 und 18,19-23 deutlich und zum
104 DERS., Passionsgeschichte 35-37.101-112.180f.185f bzw. 37-41.76-78.115-119. 181f.186-191.203f. 105 Zu BULTMANN vgl. das oben in Anm. 98 Gesagte. KÄSEMANN, Wille 22, meint, aufgrund seiner Auslegung von J o h 1,14b (DERS., Wille 21), daß „die Einordnung der Passionsgeschichte zu einem Problem werden m u ß " (DERS., Wille 22), ja, die Passion „klappe nach, weil Johannes sie unmöglich übergehen, die überlieferte Gestalt jedoch auch nicht organisch seinem Werk einfügen konnte" (DERS., Wille 23; vgl. zur Vorlage DERS., Wille 82). Der Evangelist habe sich dadurch geholfen, daß er „Züge des Sieges Christi aufprägte" (DERS., Wille 23, vgl. DERS., Wille 31; bereits angedeutet in DERS., Aufbau 168.174-180). D a s heißt: J o h a n n e s ist im Bereich des uns Erkennbaren der erste Christ, welcher Jesu Erdenleben nur als Folie des durch die Menschenwelt schreitenden Gottessohnes benutzt und als R a u m des Einbruches himmlischer Herrlichkeit beschreibt" (DERS., Wille 34f, vgl. DERS., Wille 65f). Diese Tatsache spiegelt sich auch in seinem ekklesiologischen Entwurf wider: „ D i e Welt ist für die Jünger wie für Jesus, insofern sie den himmlischen Bereich vertreten, das Feld des Wirkens, das man durchschreitet, ohne sich darin einrichten zu können" (DERS., Wille 135; vgl. DERS., Wille 65). Eine solche Gemeinde kann Apostolat, Amt und Organisation preisgeben, denn sie versteht „sich selber in der Weise eines Konventikels" (DERS., Wille 73), so daß das J o h E v selbst „Relikt einer in den Winkel abgedrängten urchristlichen Gemeinschaft ist" (DERS., Wille 87). Gerade die zuerst genannte Arbeit KÄSEMANNs bleibt bei DAUER leider gänzlich unberücksichtigt.
D i e Fragestellung u n d M e t h o d i k i m 20. J h .
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anderen eröffnet er eine methodische Perspektive, indem redaktionsgeschichtlich gearbeitet werden soll. Zunächst fragt F. Hahn nach dem Beginn des vorjoh. PB, wobei sich dafür vor allem „Textabschnitte, die viele Gemeinsamkeiten (zu synopt. Texten; M. L.) enthalten" 108 , eignen. Das fuhrt ihn zum Schluß: „Die eigentliche Entscheidung fällt aber bei der Beurteilung des Textes J o h ll,47-53.57." 1 0 9 Es sei zwar unzweifelhaft, daß der Abschnitt redaktionell gestaltet sei, doch lasse sich in ll,47a.48aab und Einzelmotivik in 11,53.57 der Anfang des vorjoh. PB erkennen. Die deutliche Überarbeitung dieses in ll,47ff beginnenden Traditionsstückes dürfe jedoch nicht dazu fuhren, diese Bearbeitung nicht auch für J o h 18f zu vermuten: „Was J o h 11-17 und J o h 18f unterscheidet, ist nur dies, daß im ersten Fall der Erzählungszusammenhang durch zahlreiche eigene Stoffe ergänzt wurde, während von 18,1 an die traditionelle Abfolge der Ereignisse im wesentlichen erhalten geblieben ist." 110 Die redaktionelle Gesamtkomposition erweise sich in der Schaffung deutlich abhebbarer Teile in J o h 13—17 und Kap. 18f. J o h 11,1-12,50 sei als vorbereitender Block vorgespannt und führe „die gesamte irdische Tätigkeit (Jesu, M. L.) auf die .Erhöhung' und .Verherrlichung' in seinem Sterben" 111 hin. Positiv muß zunächst die bereits angedeutete kompositorische Verschränkung des joh. PB im JohEv erwähnt werden. Mit Hilfe der Motive .Stunde', .Verherrlichung' und .Erhöhung' in den Kap. 2-10; l l f ; 13-17; 18f sowie weiterer Einzelmotive 112 aus Kap. 18f steuert F. Hahn zielsicher auf das .Käsemannsche Wespennest' 113 zu und formuliert eine doppelte Ausrichtung des Evangelisten: Er „will das Sterben Jesu als Ziel des ganzen Erdenweges begreifen und will dessen irdisches Leben bereits im Lichte des Kreuzes und Osterereignisses verstehen." 114 Gegen den von F. Hahn vermuteten Beginn des vorjoh. PB in ll,47a.48aab und Einzelmotivik in 11,53.57 müssen jedoch folgende Beobachtungen genannt werden: 1) Das in 11,53 erwähnte eß0u>.eiJ0avT0 tva aitoxteivwaiv autov verlangt eine vorangegangene Sitzung, die bereits Mk 14,1b vermissen läßt. Mt 26,3 hat diesen Man-
106 HAHNs Arbeit wird im Anhang von DAUER, Passionsgeschichte 339-342, ausfuhrlich vorgestellt, jedoch kann HAHN, Prozeß 30 Anm. 3, nur auf die ihm unbekannte Arbeit DAUERs verweisen. 107 Der Prozeß nach dem Johannesevangelium. Eine redaktionsgeschichtliche Untersuchung. 108 HAHN, Prozeß 24. 109 DERS., Prozeß 26. Zum Umfang s. DERS., Prozeß 25. 110 DERS., Prozeß 27. 111 DERS., Prozeß 28. 112 Vgl. beispielsweise naoTu@EU bzw. die Bedeutung von J o h 18,20 in DERS., Prozeß 41f.93-95 bzw. 53.57.62-65.86-90. 113 Vgl. KÄSEMANN, Wille 7. 114 HAHN, Prozeß 28.
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1. Fragestellung und Methodik
gel bereits behoben und verwendet eine mit J o h 11,47 vergleichbare Formulierung (Mt 26,3 cruvrixSiaav oi aQXieQEic; xai oi TtoeaßÜTSQOi). Die zusammengetretene Versammlung beschließt Jesu Tod. Daraus ergibt sich (2) eine weitere Beobachtung: t^xetß ist mit «jtoxxeivoj (Joh 5,18; 7,1.11-20.25; 8,37.40), ma£to 0 o h 7,30; 10,39) bzw. Ai86£co (Joh 11,8) eindeutig auf Jesu Tod ausgerichtet. Da genau dieser jetzt beschlossen wird, erübrigt es sich, fy\xc(j) zu verwenden (vgl. Mk 14,1b e^touv ol dg/iegeic; xai ygaiinaxelg). 3) Die in J o h 11,53 genannte Formulierung eßouXeüaavTO iva äjtoxtEivcooiv aütov ist deutlich mit 12,10 gestaltet: Der Tod des Lazarus bildet Jesu eigenen Tod vorab. 4) J o h 11,47 (cnjvrp/ayov ouv) ist offensichtlich mit V 52 (auvayayri eig EV) parallel115: Die Versammlung der Hohepriester und Pharisäer, die Jesu Tod beschließt, fuhrt im Tod Jesu dazu, daß die Zerstreuten zu einer Herde versammelt werden. Insgesamt ist auch für J o h ll,47f.53 joh. Redaktion wahrscheinlicher als der Beginn des vorjoh. PB116. Hatte A. Dauer stärker mit einer literarkritisch rekonstruierbaren Quelle gerechnet und F. Hahn redaktionsgeschichtlich gearbeitet, dann will T. A. Mohr einen vormk. und vorjoh. PB traditionsgeschichtlich eruieren. Nach detaillierten Analysen ermittelt er einen umfangreichen, unbearbeiteten vormk. Langbericht (P)117. Aufgrund zuverlässiger Personennamen und Ortskenntnisse sei dieser im judenchristlichen Milieu der Jerusalemer Urgemeinde beheimatet. Traditionsgeschichtlich habe dieser Bericht eine relativ geringe vormk. Bearbeitung (B) erfahren118. Markus selbst habe diesen Bericht überarbeitet und ihm seine eigene Theologie aufgeprägt119. Johannes habe besagten Langbericht direkt verwendet und auf diese Weise älteres Material bewahrt als das MkEv. Im JohEv fehlten nun, neben den Partien, die die spätere Redaktion eingefugt habe (13,36-38; 16,32; 18,15-18.25-27; 2 0 , 2 - l l a ) , vor allem solche Stellen, die sich als mk. Redaktion deutlich zu erkennen gäben. Da Johannes nach eigenen Angaben (18,15; 19,27; 21,24) ein Jerusalemer gewesen sei, habe er Zugang zu diesem Bericht gehabt. Darüber hinaus habe er aber auch noch Kenntnis von den Synoptikern besessen120: Er „will offenbar die Syn(optiker) an nicht wenigen Stellen ergänzen, vertiefen und mit einem Korrektiv versehen."121
115 BEUTLER, Ways 400f. 116 Vgl. dazu FINEGAN, Überlieferung 40f, und BULTMANN, Johannes 313 Anm. 2. 117 MOHR, Johannespassion 406. Zum Umfang s. DERS., Johannespassion 404. 118 DERS., Johannespassion 411: Die hellenistisch-judenchristliche Gemeinde hat lediglich einige wenige Einzelüberlieferungen nachgetragen (Mk 10,32-34 dem Bericht vorangestellt, Bethphage mit Reittierepisode, das Finden des Passamahlsaales und Petrusverleugnung). 119 DERS., Johannespassion 414-426 (durch Einfügung von Kap. 12f, Umstellung der Salbungsgeschichte deutlich zerdehnt und Kap. 11-13 als eigenen Abschnitt gestaltet). 120 Einschränkend stellt er jedoch fest: „Die geringfügigen Unterschiede in der Formulierung oder auch sachlicher Art, (sie.) erlauben es nicht, P (= vormk. Langbericht;
Die Fragestellung und Methodik im 20. Jh.
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Drei kritische Beobachtungen sind anzumerken: 1) Seine bewußte Beschränkung auf das MkEv, die das JohEv nur vergleichend heranzieht, ist fiir das JohEv selbst auf diese Weise problematisch 122 . Literarkritisch wird ein vorjoh. PB ermittelt, ohne ihn aber mit Hilfe redaktionsgeschichtlicher123 Fragestellungen als Teil des ganzen JohEv und als integralen Bestandteil joh. Theologie zu verstehen. So zweifelhaft die Quellenanalyse durch literarkritische Methodik ohnehin schon ist, so muß um so mehr kritisiert werden, daß der Zusammenhang der Kapitel Joh 1-17; 18-20 (21) gänzlich auf der Strecke bleibt. Die heuristische Funktion des hypothetisch ermittelten vorjoh. PB fiir die theologische Interpretation des JohEv ist kaum erkennbar, wenn etwa die joh. Gethsemaneperikope nur in ihren vermeintlichen Versatzstücken (18,1; 12,27f; 18,11; 14,31) beschrieben wird. Die nächste (2) kritische Rückfrage bezieht sich darauf, daß der Langbericht in ll,47a.48.aab begonnen haben soll, wozu soeben kritisch Stellung bezogen wurde124. Schließlich (3) bleibt unklar, wozu letztlich die Synoptiker als benutzte Quelle nötig sind, wenn Johannes nur den Langbericht literarisch benutzte; seine wenigen Zeilen sind zu thetisch. Diese zuletzt genannten Kritikpunkte werden von R Baum-Bodenbender eher implizit (Punkt 3) als explizit aufgenommen. Das liegt zum einen daran, daß es ihr nicht um einen Ur-PB geht. Zum anderen stellt sie sich dem Urteil des Literarkritikers J. Wellhausen entgegen und zeigt mit textlinguistischen Mitteln die gelungene Struktur von Joh 18,28-19,16a auf. Die formale Analyse - so R Baum-Bodenbender - weise in Hinsicht auf die sprachliche Gestaltung und die szenische Vorführung zwei Akte
M. L.) mit der joh. Tradition einfach zu identifizieren. Vielmehr scheint der ursprünglich) aramäische Passionsbericht schon sehr früh auf zwei verschiedenen Wegen weiterüberliefert worden zu sein bzw. bei dem Uebergang in den hell(enistischen) Sprachraum zwei verschiedene Uebersetzungen ins Griechische erfahren zu haben" (DERS., Johannespassion 408). 121 DERS., Johannespassion 409. - Die Arbeit von GREEN (Death passim) kann insofern an dieser Stelle genannt werden, da auch GREEN mit einem vormk. PB auf der Basis von Mk 14f rechnet. Das JohEv sei nicht literarisch abhängig von den Synoptikern, habe aber mit dem LkEv Zugang zu nichtmk. Traditionen gehabt (vgl. DERS., Death bes. 133.216f). 122 MOHR, Johannespassion 11. Sehr ähnlich gehen auch JEREMIAS, Abendmahlsworte 8 3 - 9 0 , LÜHRMANN, Markusevangelium 13.227-231, und MYLLYKOSKI, Tage I 3 6 f . l 9 1 - 1 9 3 , vor, die jeweils den joh. PB lediglich als Folie zur Ermittlung des vormk. PB verwenden, die joh. Redaktion aber dezidiert ausklammern. Zu LÜHRMANN vgl. THYEN, Erzählung 2023f Anm. 7. 123 MOHR verwendet im Untertitel seiner Arbeit den Ausdruck „redaktionsgeschichtlich". Er gebrauche den Begriff, „obwohl er eigentlich nur da sinnvoll ist, wo wirklich eine Abfolge verschiedener Redaktionen erkennbar wird" (DERS., Johannespassion 21 Anm. 68). 124 Vgl. dazu oben Seite 31.
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1. Fragestellung und Methodik
(Joh 18,28-19,5; 19,6-16a) zu sieben Szenen aus 125 . Als „christologische .Hauptachse' der Erzählung" 126 seien J o h 18,33-38a; 19,l-5.9-12a erkennbar, der eine „Nebenachse"' 2 7 in Gestalt des Unglaubens der Juden zuzuordnen sei. R. Baum-Bodenbender fördert dann mittels historisch-quellenkritischer Literarkritik eine Schicht A (18,28a.c.33.35-38; 19,7.8.9-lla. 13.14b.15.16a)128 zutage, die zwei Schwerpunkte habe: der Zeuge der Wahrheit als messianischer Offenbarer und dessen Herkunft und Sendung. Hier zeichne „der Erzähler der frühjoh Passionsquelle das Bild Jesu als des hoheitsvollen Offenbarers des Vaters" 129 . Diese hoheitschristologische Schicht sei frühjoh. noch durch 18,32.34f; 19,11b betonend interpretiert worden. Erst jetzt erfolge die „Re-interpretation der ,Hoheits-Christologie' durch den Bearbeiter (Schicht B)" 130 , der durch die Einfügung von J o h 18,39-19,6 korrigierend eingegriffen habe. Hier sei die Auffassung des Evangelisten erkennbar, „daß mit der .Hoheits-Christologie' zwar eine fundamentale Aussage über den Angeklagten getroffen wird, daß sein wahres ,Wesen' damit aber noch nicht hinreichend und umfassend beschrieben" 131 sei. Den Ansatzpunkt für eine solche niedrigkeitschristologische Interpretation finde der Redaktor in den Synoptikern 132 . Die theologische Position der joh. Gemeinde habe den Evangelisten dazu veranlaßt, mit Hilfe der an den Synoptikern orientierten Niedrigkeitschristologie korrigierend einzugreifen. Der Angriffspunkt spiegele sich in der Position wider, die in l j o h 2,19.22.26; 4,lf.l5; 5,5f eine Art Spezialfrage verhandele, „welche soteriologische Relevanz der Menschheit Jesu in Tod und Auferstehung zukomme" 1 3 3 . Für die 125 Es ergeben sich vor allem die Kompositionsmittel des Konstrastes des Königtummotivs (18,33-38a; 19,9-12a einerseits; 19,1-5 andererseits), die Polarität in der Spannung zwischen Offenbarungsanspruch und ungläubigem Sich-Verschließen und schließlich in der Steigerung (Joh 18,29-32.38b-40; 19,6-8.12b-15). 126 BAUM-BODENBENDER, Hoheit 94 (z. T. unterstrichen im Original). 127 Ebd. (unterstrichen im Original). 128 DIES., Hoheit 238-241; vgl. 173f. Vorredaktionelle Elemente seien in J o h 18,28a.c; 19,1.16a bewahrt; J o h 18,33.37b; 19,7b-10a (15a) habe ganz alte, allen vier Evangelien zuzuweisende mündliche Überlieferung tradiert (DIES., Hoheit 227). 129 DIES., Hoheit 257. 130 DIES., Hoheit 267. 131 Ebd. 132 Besonders die Parallelen in J o h 18,39.40; 19,l-3.5a.6a; 18,38b.l9,4b.6c (vgl. DIES., Hoheit 188-200) sprächen für „die Annahme einer literarischen Abhängigkeit als die nächstliegende Folgerung" (DIES., Hoheit 199 [z. T. unterstrichen im Original]; vgl. DIES., Hoheit 228). Die Unterschiede würden den joh. Text als spätere Bearbeitung der entsprechenden synopt. Erzählung erweisen. A u f diese Weise bestätige sich aber auch das literarkritische Ergebnis, das gerade J o h 18,38-19,6a als sekundär erwiesen habe. Darüber hinaus seien aber auch in dem übrigen Abschnitt Passagen erkennbar, die direkt eine literarische Abhängigkeit zwischen J o h E v und den Synoptikern nahelegten: 18,28a.b.29b.30.35b; 19,llb.l2.16a (vgl. DIES., Hoheit 200-218). 133 DIES., Hoheit 339.
Die Fragestellung und Methodik im 20. Jh.
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Entstehung heißt das nach R. Baum-Bodenbender: „Eine fnihjoh Erzählung vom Prozeß Jesu vor Pilatus ist in den genannten Versen mit Hilfe der (in ihrer literarischen Endgestalt vorliegenden) Synoptiker überarbeitet und re-interpretiert worden." 134 Das Verhältnis des JohEv zur vorgegebenen Überlieferung könne allgemein so formuliert werden, daß die Synoptiker wie das JohEv derselben Wurzel entstammten, jedoch früh eine eigenwillige und selbständige Interpretation der Jesusüberlieferung folge, deren deutlichster Niederschlag in der Schicht A zu sehen sei135. Ein altes literarkritisches Urteil kann mithilfe textlinguistischer Fragestellung überzeugend revidiert werden. Das auf den ersten Blick eher verwirrende Hin und Her ist nicht nur ein markantes formales Gliederungszeichen, sondern bringt darüber hinaus aufs beste einen wesentlichen Zug joh. Theologie zum Ausdruck. Jesus legt nun nicht mehr draußen beim Volk, sondern innen vor Pilatus Zeugnis vom Vater ab. Es muß auch positiv gewürdigt werden, daß mit einer direkten literarischen Abhängigkeit zwischen MkEv/LkEv und J o h E v zumindest für J o h 18,28-38; 19,9-16a gerechnet wird. Doch genau hier erhebt sich Widerspruch: 1. Wenn nicht nur mit J o h 18,28-38; 19,9-16a eine schmale Textbasis für den Vergleich angeboten wird, so muß zudem bemängelt werden, daß gänzlich offenbleibt, welche kompositorischen Merkmale den Evangelisten bei seiner Rezeption der Synoptiker leiteten. Hier wirkt sich negativ aus, daß in der kompletten Untersuchung die Verschränkung von J o h 18,28-19,16a im übrigen JohEv so gut wie nicht in den Blick kommt. Der These E. Käsemanns, die Passion klappe nach und sei kein integraler Bestandteil des JohEv, kann zwar R. Baum-Bodenbender die ihrer Meinung nach ,anti-prägnostische' Aufnahme der Synoptiker durch den Evangelisten auf einer späteren Bearbeitungsebene entgegensetzen. Sie entgeht jedoch nicht dem Vorwurf, auf diese Weise erst einen Tragelaph geschaffen zu haben, weil sie nicht nachweist, daß in diesem Ineinander von Hoheit in Niedrigkeit ein im JohEv durchgängiges Theologumenon benannt ist. 2. Die Ansicht, die hoheitschristologische Schicht sei durch J o h 18,32.34f; 19,11b .zusätzlich unterstreichend und profilierend' 136 interpretiert worden, ist aus formgeschichtlichen Gründen nicht überzeugend: So ist 2.1. in J o h 18,33b der Titel ö ßaaiXeüi; twv 'Iouöaicov durch den Kreuzestitulus (Joh 19,19b) eindeutig auf Jesu Tod als Judenkönig ausgerichtet. 2.2. In J o h 18,35f ist mit itaoa&iöojuL keine Hoheitsaussage gemeint, sondern unzweifelhaft eine nied-
134 DIES., Hoheit 219 (z. T. gesperrt im Original). 135 DIES., Hoheit 287: „ D i e Abweichungen von den Synoptikern in dieser fnihjoh Schicht sind so gravierend, daß man nicht annehmen kann, die Gemeinde, in der diese Erzählschicht entstanden ist, habe die Synoptiker gekannt und aus ihnen einiges ausgewählt, anderes aber beiseite gelassen." 136 Vgl. DIES., Hoheit 265f.
1. Fragestellung und Methodik
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rigkeitschristologische, denn es ist geradezu ein Term. techn. für die Auslieferung J e s u zwecks Verurteilung z u m T o d ( M k 9,31; par. M t 17,22; Lk 9,44; M k 10,33; par. M t 20,18; Lk 18,32; M t 27,2.18; Lk 2 0 , 2 0 ; 2 3 , 2 5 ; J o h 18,30; Apg 3,13; R o m 4,25; 8,32; Gal 2,20; E p h 5,2.25) 1 3 7 . 2.3. Schließlich ist auch liaQTUQeco ein Hinweis a u f Jesu Leiden u n d Sterben, wenn vornehmlich a u f J o h 5 , 3 6 (vgl. J o h 4,34; 17,4; 19,28) geachtet wird: Es ist das Zeugnis von den Werken (zä eoya), die G o t t dem S o h n zur Erfüllung gegeben hat (vgl. J o h 3,31f). Sie werden dann erfüllt, wenn er von der Erde erhöht ist und alles erfüllt ist (Joh 4,34; 5,36; 17,4; 19,28). J e s u Zeugnis von den Werken geschieht also dann, wenn er ex rtfe erhöht worden ist (Joh 3,14; 8,28; 1 2 , 3 2 - 3 4 ; vgl. Apg 22,22!). Keineswegs ist also ^aoTuoew ein ausschließlich hoheitschristologischer Ausdruck, sondern er ist vielmehr o h n e das Leiden und Sterben J e s u gänzlich unverständlich. 3. Es kann weder die literarkritische Verteilung des Motivs des Königtums a u f zwei Schichten überzeugen, n o c h kann J o h 18,32.34f; 19,11b als ,Zwischenstück' in seiner Z u o r d n u n g einleuchtend beschrieben werden. Arbeitet R B a u m - B o d e n b e n d e r ab dem zweiten Teil literarkritisch, dann greift sie im ersten Kapitel textlinguistische Fragestellungen a u f u n d übern i m m t dadurch die M e t h o d i k der Literaturwissenschaft 1 3 8 . Diese methodischen Anleihen aus anderen Fachgebieten gelten bisweilen als Resultat des sog. Paradigmenwechsels. Es ist daher nötig, diesen Fragenkomplex in ein e m Exkurs näher zu beschreiben.
Exkurs: Der
Paradigmenwechsel
Unter Paradigmen versteht Th. S. Kuhn „allgemein anerkannte wissenschaftliche Leistungen, die für eine gewisse Zeit einer Gemeinschaft von Fachleuten maßgebende Probleme und Lösungen liefern." 139 Ausschlaggebend für die Preisgabe eines solchen Paradigmas sei ein auf eine kleine Gruppe oder auf Einzelpersonen beschränktes Gefühl, bisherige Phänomene könnten nicht mehr hinreichend analysiert werden. Die Notwendigkeit eines solchen Paradigmenwechsels könne aber in der Regel nicht durch einen Beweis begründet werden.
137 Als Term. techn. innerhalb der Polizei- und Gerichtssprache vgl. M k 1,14; par. M t 4,12; 13,9.11; par. M t 17,17.19; Lk 21,16; M t 5,25; par. Lk 12,58; M t 18,34; 24,10; 27,18; Apg 27,1; 28,17; als Term. techn. für ,zum Leiden ausliefern' vgl. I K o r 5,5; l T i m 1,20. 138 Insgesamt orientiert sich BAUM-BODENBENDER V. a. auch an BERGER, Exegese 1 7 - 2 7 (bes. 25f; vgl. 7 8 - 8 5 ) , THEOBALD, Primat passim (bes. 163f A n m . 8), aus. Zur Kritik an THEOBALD vgl. KÜGLER, J ü n g e r 3 3 - 3 7 . 139
KUHN, Struktur 10. O b w o h l es sinnvoll sein dürfte, von mehreren Paradigmen zu
reden, wähle ich zum Zweck der Darstellung den Singular, halte aber an der Pluralform in .Paradigmenwechsel' deshalb fest, weil er sich in der Diskussion eingebürgert hat. Vgl. dazu beispielsweise BLANK, Scripturas passim, PANNENBERG, Wissenschaftstheorie passim, den von HANSEN herausgegebenen Sammelband „Kulturbegriff und M e t h o d e " passim, HENNING, Spuren 2 0 - 6 4 .
D i e Fragestellung und M e t h o d i k im 20. J h .
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Hier spielten vielmehr soziologische und literarische Faktoren eine besondere Rolle. Erst im weiteren .normalen Wissenschaftsbetrieb' würden die entscheidenden Argumente unter Anwendung des neuen Paradigmas erarbeitet, u m die Notwendigkeit und Richtigkeit des Paradigmenwechsels abzusichern. Erst wenn das alte Paradigma gänzlich abgelegt sei und eine vollständige Assimilation des neuen stattgefunden habe, könne daher v o n einem Paradigmenwechsel die Rede sein 140 . Zeitlich könne sich dieser U b e r g a n g über eine Generation erstrecken. Unverkennbar fuhrt Th. S. K u h n an dieser markanten Stelle, an der es u m die Beschreibung dieses P h ä n o m e n s geht, die Forschungsgeschichte ein: Was anfangs in einer A h n u n g bei jener kleinen G r u p p e begründet war, das jetzt geltende Paradigma sei nur ein Grenzfall einer allgemeinen Theorie und müsse durch eine umfassendere ergänzt werden, kann erst im Rückblick als Paradigmenwechsel qualifiziert werden 141 . In der exegetischen Diskussion ist in diesem Z u s a m m e n h a n g insbesondere von R Rendtorff 1 4 2 und J . Werlitz 143 für das A T die Frage nach dem Sinn literarkritischer Arbeit a u f g e n o m m e n worden. Für die Exegese des J o h E v hat insbesondere H. Thyen in seinen letzten Arbeiten Kritik an der literarkritischen Herangehensweise geübt. A u c h wenn er den Begriff des Paradigmenwechsels nicht im Z u s a m m e n h a n g der Diskussion von literarkritischer Arbeit a m J o h E v verwendet, so suggeriert er ihn d o c h , wenn die ntl. Forschungslage „allzulange beherrscht war durch das wissenschaftliche Paradigma einer vermeintlichen Alternative v o n J u d e n t u m ' und .Hellenismus' mit d e m jeweils exklusiv zugehörigen
140 KUHN, Struktur 161: „Gerade weil es ein Übergang zwischen inkommensurablen Dingen ist, kann er nicht Schritt u m Schritt vor sich gehen, von Logik und Erfahrung eindeutig erwirkt. Er muß, wie der Gestaltwandel, auf einmal (wenn auch nicht notwendigerweise in einem Augenblick) geschehen oder überhaupt nicht." 141 DERS., Struktur 104-122.155-170. 142 Criticism 301 f. Er möchte statt mit Literarkritik mit einem „.canonical a p p r o a c h ' " (RENDTORFF, Criticism 302; vgl. DERS., Interpretation 4 - 1 4 ) atl. Texte verstehen. Betont er zu Recht, es sei unklar, o b die Zukunft ein neues Paradigma oder Methodenpluralismus präge, so dürfte die Aussage, „the paradigma (d. i. die Literarkritik; M . L.) (...) has lost its general acceptance" (DERS., Criticism 302) d o c h erst dann vollends gerechtfertigt sein, wenn die Zukunft eine der beiden Fragen beantwortet hat. Vgl. DERS., Paradigm passim (bes. 36.43-47.51-53). Ihm folgt BLUM, Studien 3, o h n e von Paradigmenwechsel zu reden, s. E. stünden „grundverschiedene Wahrnehmungen der Texte zur Debatte". 143 Studien 13-41, der jedoch im Gegensatz zu RENDTORFF (s. oben Anm. 142) an der Literarkritik festhält: „Wenn Literarkritik betrieben wird, wird die Möglichkeit einer geschichtlich bedingten Veränderung des Textbestandes vorausgesetzt" (WERLITZ, Studien 40). Vgl. dazu BLUM, Studien 3f: „Schließlich müßte gerade auch eine sorgfaltige ,ganzheitliche' Textbetrachtung auf Widerständigkeiten und a u f Spuren der Geschichte des Textes stoßen, wenn es denn solche gibt. Mehr noch, sie hätte grundsätzlich mit der Möglichkeit zu rechnen, daß eine Uberlieferung in ihrer internen (diachronen) Komplexität keineswegs selbstverständlich a u f eine vereinheitlichende/harmonisierende Sinnkonstitution hin angelegt ist, ja sogar daß (diachrone) .Widersprüche' mit zur synchronen Betrachtung eines Textes gehören."
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1. Fragestellung und Methodik ,hebräischen' oder .griechischen Denken'" 144 . D a diese Alternative nicht mehr aufrechterhalten werde, habe der vollzogene Paradigmenwechsel dem Kommentar von H. Odeberg die ihm zukommende Stellung endlich angedeihen lassen. Die vielfach verstreuten kurzen Einzelabschnitte in anderen Arbeiten 145 bündelt H. T H Y E N ZU einem programmatischen Titel: „Das Johannes-Evangelium als literarisches Werk". Der Ausgangspunkt besteht für ihn darin, daß der Text als ein literarischer sich durch seinen Appellcharakter auszeichne. Dieser Appell könne nicht mit der Methode hinter dem Text gesucht werden, vielmehr sei die Wahrheit vor ihm. Diese Wahrheit könne nur im Lesen und damit in der Interaktion mit dem Text verstanden werden: „Das Werk läßt sich vielmehr nur begreifen als Appell an das vom Autor vorausgesetzte und zugemutete freie und schöpferische Verstehenkönnen des Lesers, der, angeleitet von seinen graphischen Zeichen und der Art ihrer Verknüpfung, ihren Sinn erraten muß (...)" 146 . Nun sei jenes Nachdenken mit Johannes möglich, das das Rätsel der Sache (das Gemeinte) erschließe. Angesichts dieser Texttheorie sind die Konsequenzen für die Interpretation des J o h E v einsichtig. J o h 1,1-21,25 kann nur als homogenes Ganzes verstanden werden, das in seiner absichtsvollen Gestaltung keinen Abschnitt als sekundär erscheinen läßt. Teiltexte - redaktionelle Bearbeitungen - sind in ihren Einzelheiten daher unwichtig: O b beispielsweise dem Johannesprolog „ein, sei es gnostischer, sei es auch schon christlicher Hymnus zugrundeliegt, und wie diese mögliche Quelle des Prologs von den Zusätzen und Veränderungen, die sich durch den bearbeitenden Evangelisten erfahren haben soll, abzugrenzen und zu rekonstruieren ist, das ist für seine Interpretation als des großen Eingangstextes des Evangeliums und über alle weiteren Schritte von dessen Lektüre mitentscheidende Leseanweisung nicht nur völlig belanglos, sondern solche Unternehmungen wirken sich in der Regel sogar ausgesprochen kontraproduktiv aus, wie die Beispiele zeigen. Im übrigen ist im Laufe der Jahre und über der Pflichtlektüre dutzender einander widersprechender derartiger Rekonstruktionsversuche mein anfanglich-naiver Optimismus in dieser Sache einer tiefen Skepsis gewichen." 147 Einer solchen Einschätzung wird bisweilen entgegengehalten, eine „geschichtslose Monade" 1 4 8 zu produzieren,
144 THYEN, Heil 164; vgl. DERS., Synoptiker passim (bes. 82.88), wo er zwar den Begriff .Paradigmenwechsel' vermeidet, ihn aber durch die Anlage seiner Gesamtuntersuchung suggeriert. 145 S. unten Anm. 206. 146 THYEN, Johannes-Evangelium 117. Vgl. DERS., Erzählung 2044: Es gehe u m „den durch die Partitur seines Textes eröffneten Spielraum für deren mögliche Realisierungen". Ähnlich GlBLIN, Confrontations 214. Vgl. STENGER, Lektüre 202: Strukturale Lektüre macht es sich zum Ziel, ,„nur das finden zu wollen, was schon da ist, das mit größerer Stringenz aufzuzeigen, was das naive Bewußtsein ohne tiefere Analyse schon .ausgemacht' hat'" (zitiert wird Ch. Metz, Semiologie des Films); ferner MARGUERAT, Textlektüren 67f; grundsätzlich STOCK, Anfrage 381-385, MARGUERAT, Textlektüren 47-81. 147 THYEN, Johannes-Evangelium 119f (z. T. kursiv im Original). Dasselbe gilt freilich auch für jede Art der sekundären Überarbeitung des PB. 148 DERS., Licht 22. Der Vorwurf wird gegen die strukturalistische M e t h o d e öfter erhoben: STOCK, Anfrage 381: „Nicht den historischen Abläufen, Abhängigkeiten, Umstän-
Die Fragestellung und Methodik im 20. Jh.
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will er mit der Formbestimmung des JohEv als „Dramatische Historie" Rechnung tragen und definiert diese Form wie folgt: „Eine im wesentlichen historische Begebenheit wird mit Ökonomie und dramatischem Effekt so präsentiert, daß bei aller Treue zur historischen Uberlieferung dennoch Freiheit und - soweit es die Repräsentation vom multum in parvo erfordert und es der Entdekkung des Wesentlichen dient - sogar Nötigung dazu besteht, Elemente jener Tradition zu ändern, umzustellen oder auch frei zu erschaffen." 149 Dieses etwas längere Zitat macht treffend die Position H. Thyens deutlich und soll kritisch in seinem größeren Zusammenhang betrachtet werden. Das von H. Thyen verwendete texttheoretische Modell hat zweifellos die große Stärke, daß es mithilfe der sog. Leerstelle150 vermeintliche Versatzstücke im JohEv erklären kann: Joh 14,31 entpuppt sich jetzt als auffallig gekennzeichnete Textstruktur, die dem Leser/Hörer151 die Möglichkeit gibt, in die Aktstruktur einzutreten und den Dialog mit dem Text zu beginnen. Es ist nun am Leser, zu neuer Lektüre des JohEv .aufzubrechen' 152 . Diese Leerstellen erweisen sich dann als konstitutiver Bestandteil im kreativen Akt der Sinnkonstitution 153 . Problematisch ist in diesem Zusammenhang jedoch der von H. Thyen vorausgesetzte Repertoire-Begriff: Es ist geradezu kennzeichnend für einen Text, bekannte und unbekannte oder abweichende Elemente (beispielsweise Traditionen, Zitate etc.) zu verwenden, „die als Wirkungspotential die Aufmerksamkeit weck(en),
den und Wirkungen des Textes gilt das primäre Interesse (der strukturalen Interpretation; M. L.), sondern der Monade des Textes und ihrer Tiefenstruktur." Ahnlich EAGLETON, Einfuhrung 61: „Der New Criticism brach kühn mit der Theorie der großen Geister und insistierte darauf, daß die Absichten eines Autors/einer Autorin, selbst wenn sie rekonstruiert werden könnten, für die Interpretation seines oder ihres Texts irrelevant wären." 149 THYEN, Johannes-Evangelium 126 (z. T. kursiv im Original); fast wörtlich identisch DERS., Gott 14. 150 ISER, Akt 265: Die Leerstellen „stimulieren den Leser zu einer projektiven Besetzung des Ausgesparten". Besetzt er diese Leerstellen, „nutzt er den Auslegungsspielraum und stellt selbst die nicht formulierten Beziehungen zwischen den einzelnen Ansichten her" (DERS., Appellstruktur 15; ähnlich DERS., Akt 267). In diesem Zusammenhang ist dann auch auf positive Bewertung von Kommentarworten seitens des Autors zu verweisen, denn sie eröffnen „einen Bewertungsspielraum, der neue Leerstellen im Text entstehen läßt" (DERS., Appellstruktur 21). 151 Angesichts der gottesdienstlichen Lektüre (vgl. IThess 5,27; Kol 4,16; Offb 1,3; 22,18) sind diese Texte in hohem Maße verinnerlicht worden. Die .Lektüre' fand daher vor dem .inneren Auge' statt. 152 THYEN, Johannesevangelium 216: „Und wenn Jesus auf dem Gipfel der Spannung seine Jünger auffordert: .Doch steht nun auf und laßt uns dorthin gehen!' (14,31), so ist das fraglos ein Signal; doch nicht für den Literarkritiker, sondern für den Leser. Der soll jetzt .aufstehen', nämlich die Spannung erfahren, wohin es gehen wird. Denn um wirklich mitgehen zu können, braucht er weitere Informationen und neuen Zuspruch." Deutlich ist davon das Problemgeflecht um Kap. 21 zu unterscheiden, weil dort sachliche und sprachliche Gründe zum sehr wahrscheinlichen Urteil Anlaß geben, daß Kap. 21 nicht ursprünglicher Bestandteil des JohEv ist (s. unten in Kap. 2 Anm. 918). 153 ISER, Akt 231.
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1. Fragestellung und Methodik die Art des Zugangs lenk(en) und den Rezipienten zum Reagieren" 154 animieren. Wenn also durch dieses Repertoire das Rollenangebot des Textes an den Leser gesteigert wird, dann kann die Rückfrage nach dem Woher dieser Traditionen nicht ausgeklammert werden. Es wird auf diese Weise das deutlichere Profil ermittelt, das in der Summe die Aktstruktur des Lesens erhöht. In dieser Hinsicht muß festgehalten werden, daß der Text ein diachrones Relief 155 bleibt. Auch der Versuch H. Thyens, die historische Dimension mittels der Formbestimmung der dramatischen Historie einzuholen, ist trotz positiver Implikation problematisch. Das von ihm angeführte Beispiel der strukturalen Verarbeitung der Figur der Mutter Jesu im J o h E v vermag einen wesentlichen Aspekt strukturalistischer Arbeit (Personenkonstellation) aufzuzeigen 156 . H. Thyen vermutet in Hinsicht auf ,Historie' in J o h 2,5b eine Anspielung auf die atl. Toraübergabe. Wenn die Mutter Jesu also darauf besteht, es sei den Forderungen Jesu Folge zu leisten, dann repräsentiert „die Mutter Jesu hier das toratreue Judentum" 1 5 7 . Diese historische Einschätzung geht m. E. vor allem fehl, weil auch das Beschneidungsgebot im J o h E v reflektiert werden müßte, wenn das toratreue Judentum an so markanter Stelle am Anfang bzw. Ende von Jesu irdischem Auftreten gemeint sein soll. Auch der zweite Aspekt der vorgelegten Formbestimmung (.dramatisch') ist nicht unproblematisch. Der Begriff .Dramatik' faßt „alle Texte zusammen, die Grundlage einer Darstellung vor Publikum sind" 158 . Geht es per definitionem also um das Wie der Präsentation von Texten, dann blendet H. Thyen dieses differentium specificum völlig aus, wenn er in seiner Definition durch die Termini .dramatischer Effekt' und .Ökonomie' das Wie des Inhalts benennt. Gerade eine solche Charakterisierung erscheint aber doch erst dann sinnvoll, wenn das J o h E v als Drama verstanden wird, das zum Zweck der Aufführung coram publico verfaßt wurde 159 . In einem solchen Fall wären die von H. Thyen benannten Arbeitstechniken von
154 DERS., Akt 101.
155 BLUM, Studien 4f, gebraucht diese Formulierung hinsichtlich seines methodischen Vorgehens bei der Analyse der beiden Großkompositionen im Pentateuch. Er will „die Abgrenzungen, die innere erzählerische Kohärenz und das jeweilige diachrone .Relief (...) erarbeiten" (DERS., Studien 5). 156 Die Handlungsträger mit ihrer makrokontextuellen Gliederungsfunktion haben anaphorischen und kataphorischen Charakter. Ihre Konstellation als Handlungsträger beispielsweise in Joh 2,1-5 leitet den Leser zu 19,25-27. Von dort verweist die literarische Figur der Mutter Jesu auf den Anfang des JohEv zurück, um aus diesem Blickwinkel die Lektüre erneut zu beginnen (REIN, Heilung 56-60.178-180 u. ö., bezieht diesen Problemkreis innerhalb seiner Fragestellung auf Joh 9). Dabei kann die literarische Konstellation bzgl. der konfigurationskonstitutiven Merkmalen (s. LINK, Grundbegriffe 244) auf bestimmte Fragestellungen bezogen werden, so daß die binären, ternären und mehrgliedrigen Oppositionen nur im Rahmen dieses Problemkreises angesprochen werden; s. THYEN, Johannes-Evangelium 130f. NOBIS, Einfuhrung 25, nennt die Figurenkonstellation, Figurenkonstitution und die semantischen Oppositionen. Zum Hintergrund LINK, Grundbegriffe 232.235.238.244. 157 THYEN, Johannes-Evangelium 130. 158 BEIMDICK, D r a m a t i k 104 (kursiv M . L.).
Die Fragestellung und Methodik im 20. Jh.
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Zeitraffer, Überblendung und Zeitlupe durchaus sinnvoll. Einen solchen Nachweis bleibt er aber schuldig. Auch die daran anschließende Überlegung, dieses ganze .Drama' sei als Palimpsest vor den Synoptikern gestaltet 160 , überzeugt nur auf den ersten Blick: Das Verhältnis zwischen darunterliegendem, verblichenem Text und dem darüberliegenden Text ist rein zufällig. M. a. W., es müssen Techniken nachweisbar sein, mit denen die Synoptiker verwendet worden sind. Dennoch ist gerade mit H. Thyen ein Johannesforscher genannt, der seit 1987 (quantitativ und qualitativ) als einer der ersten neueren Exegeten zu Recht das J o h E v als ein einheitliches Werk versteht161. Am Anfang dieses Abschnittes war anhand des sog. Paradigmenwechsels versucht worden, Sinn und Tragweite literarkritischer Arbeit zu problematisieren. Sei es nun explizit oder implizit: Kann das durch H. Thyen angeregte und vorgeführte veränderte Methodenkonzept mit diesem Stichwort benannt werden? Hält man an dem eingangs Gesagten unter Zuhilfenahme der Begriffe .deskriptiv' und .Forschungsgeschichte' fest, so ist für das erste Stichwort wenigstens soviel erkennbar, daß kaum mehr einzig mit Literarkritik gearbeitet wird, sondern vielfach werden verschiedene Fragestellungen je miteinander verknüpft 162 . Auch wenn sich momentan eine .Methodenvielfalt' abzeichnet, so ist m. E. die forschungsgeschichtliche Distanz noch zu gering, um von einem ,Paradigmenwechsel' reden zu können, denn ein solcher Übergang ist ein grundsätzlicher und zeichnet sich nach seinem Eintreten durch einen .Forscherkonsens' aus 163 .
159 Dazu bereits HlTCHCOCK, Gospel passim (bes. 17-24), BOWEN, Gospel passim, SCHENKE, Szene 187f, DERS., Johannesevangelium passim. 160 THYEN, Erzählung 2027f. 161 Zu den Belegen s. unten Anm. 206. 162 BAUM-BODENBENDER, Hoheit 24-86, KÜGLER, Jünger 82-84 (programmatisch für die gesamte Arbeit), KURZ, Disciple lOOf, REIN, Heilung 12-86, DlEBOLD-ScHEUERMANN, Jesus 8-10, je sprach- und literaturwissenschaftlich; STENGER, Lektüre 202.206-242; CULPEPPER, Anatomy passim, STOCK, Anfrage 381-385, DU RAND, Plot 151-168 (169 Lit.), DERS., Reading 96f, GlBLIN, Confrontations passim (bes. 211), DERS., Narration passim (bes. 224 Anm. 8), STIBBE, Storyteller 30-49.121-147, DERS., Sender 192-205, DERS., John 9-19 (programmatisch für den gesamten Kommentar und darüber hinaus an Joh 11,1-44 durchgeführt [DERS., Tomb passim]), HASLER, Glauben passim (bes. 280f), je unter strukturalem Gesichtspunkt (vgl. dazu den intertextuellen Zugang von BRAWLEY, Complement 428-432); unter Zuhilfenahme soziologischer Fragestellungen ONUKI, Gemeinde 9-15; philologisch unter Beachtung der synchronen Betrachtungsweise wollen HASITSCHKA, Befreiung 12, und KNÖPPLER, theologia 22-24, arbeiten; allgemein von der Jetztgestalt (Joh 1-21) mit z. T. unterschiedlicher Begründung gehen aus: SABBE, Arrest 233, DERS., Jesus 492, KLAIBER, Aufgabe 301-303, NEIRYNCK setzt sie in seinen Arbeiten voraus, HENGEL, Frage 10f.273f u. ö„ BERGER, Theologiegeschichte 713, SCHNELLE, Christologie 36.85, DERS., Abschiedsreden 64f.78f, DERS., Perspektiven 60f.71, DERS., Ekklesiologie 37, DERS., Synoptiker 1814, DERS., Einleitung 558, WlLCKENS, Evangelium 5-9 (jedoch rechnet er mit Kapitelumstellung); zu den neueren Arbeiten von THYEN S. unten Anm. 206. 163 Ist also an dieser Stelle Zurückhaltung angebracht, so kann dieser Ausdruck m. E. durchaus für die unterschiedliche Darstellung der Jesusgeschichte durch die Synoptiker und durch das JohEv verwendet werden. Es leidet keinen Zweifel, daß unter deskriptivem
1. F r a g e s t e l l u n g u n d M e t h o d i k
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E i n e r s e i t s s i n d m i t d e n N a m e n b e i s p i e l s w e i s e J . B e c k e r , W. S c h m i t h a l s u n d W . R e i n b o l d (vgl. M . M y l l y k o s k i ) in H i n s i c h t a u f d i e Literarkritik u n d S y n o p t i k e r frage Vertreter d e r k l a s s i s c h e n B u l t m a n n - P o s i t i o n z u n e n n e n , w ä h r e n d andererseits b e i s p i e l s w e i s e H . T h y e n , M . S a b b e , F. N e i r y n c k , U . S c h n e l l e u n d F. J . M ö l o n e y (vgl. M . W . G . S t i b b e , C . D i e b o l d - S c h e u e r m a n n ) n e u e W e g e 1 6 4 einschlag e n . B e i d e P a r a d i g m e n e x i s t i e r e n u n v e r s ö h n l i c h ; d a h e r ist n u n m i t d e r S t e l l u n g v o n J. Beckers K o m m e n t a r fortzufahren. D i e J o h a n n e s i n t e r p r e t a t i o n J. Beckers weiß sich a u c h
in ihrer
letzten
Ü b e r a r b e i t u n g in b e s o n d e r e m M a ß e in der T r a d i t i o n R. B u l t m a n n s 1 6 5 . joh. P B h a b e die Kirchliche R e d a k t i o n n e b e n den
Im
Lieblingsjünger-Texten
J o h 19,34b.35 aus der Relation W o r t - G l a u b e völlig unsakramental
gele-
s e n . D e r L i e b l i n g s j ü n g e r , a u c h z u v o r letzter Z e u g e b e i J e s u T o d , sei d a h e r jetzt der gewichtigste Z e u g e nicht nur in der B e g l a u b i g u n g des T o d e s Jesu, s o n d e r n a u c h der erste, der g l a u b e ( J o h 20,8)166. N a c h J . B e c k e r s
Meinung
sei a n d i e s e n T e x t e n die sek. B e a r b e i t u n g d e s P B d u r c h d i e K i r c h l i c h e Red a k t i o n e r k e n n b a r , e b e n s o sei d e r v o m E v a n g e l i s t e n v e r f a ß t e P B r e k o n s t r u ierbar. J e d o c h m ü s s e , g a n z a n a l o g z u M k , a u c h für d e n Evangelisten vorjoh. PB vermutet
werden. Dieser habe „als mündlicher
ein
Erzählzusam-
m e n h a n g m i t relativ fester S t r u k t u r u n d Sprachgestalt"167 vorgelegen.
Die
f e s t e F o r m u n d d e r I n h a l t e r m ö g l i c h t e n es, a u c h h i e r e i n e Q u e l l e a n z u n e h -
Gesichtspunkt das J o h E v diesbezüglich einen Paradigmenwechsel vornimmt. A u c h ist die forschungsgeschichtliche D i s t a n z groß genug, u m beide Vorgehensweisen (das der Synoptiker und des J o h E v ) angemessen würdigen zu können. D e r grundlegendste Aspekt eines neuen Paradigmas, die Inkommensurabilität mit anderen Paradigmen (KUHN, Struktur 161), trifft in dieser Beschreibung zweifellos zu. Von daher kann der kritischen Einschätzung v o n KOCH, Täufer 1963 (kursiv M . L.), hinsichtlich eines sich „ m ö g l i c h e r w e i s e vollziehenden Paradigmenwechsel in der Johannesexegese" zugestimmt werden. BLANK, Scripturas 3 9 - 4 8 , stellt den Paradigmenwechsel anhand der paulinischen Theologie dar. 164 Unstrittig ist, daß THYENs .Konversion' a u f die Arbeiten der Leuvener Forscher zurückzufuhren ist (vgl. beispielsweise THYEN, Erzählung 2021 A n m . 1). Wenn die forschungsgeschichtliche Reihenfolge trotzdem umgestellt wird, dann ist dies nicht nur ein Zugeständnis an THYENS Leistung für die deutsche Exegese, sondern auch z u m Zweck der besseren Darstellung. D i e überaus verdienstvollen Arbeiten jener Forscher werden dadurch keineswegs geschmälert, sondern aufgewertet. 165 Z u m textlichen Zustand vgl. BECKER, J o h a n n e s I 36: „ D i e Einheitlichkeit eines Werkes ist eher seltener als eine literarische Schichtung. (...) J e d e s Werk m u ß seine Einheitlichkeit oder Schichtung beweisen." D i e bei BECKER, ebd., genannten Beispiele werden v o n HAENCHEN, Johannesevangelium 57, besprochen. Z u den Kapitelumstellungen vgl. DERS., J o h a n n e s I 35f u. ö.; zur Theologiegeschichte hinsichtlich Sakraments- und Eschatologietheologie und Wunderkritik vgl. DERS., J o h a n n e s I 163f.263-266.270 u. ö., DERS., Aufbau 81, DERS., J o h a n n e s I 296.224 u. ö.; zur Dreischichtung (Tradition - Evangelist Kirchliche Redaktion) vgl. beispielsweise DERS., J o h a n n e s II 7 7 0 - 7 7 5 . Zu den Parallelen mit BULTMANN S. das o b e n a u f Seite 2 4 f Gesagte sowie A n m . 81 und 82. 166 BECKER, J o h a n n e s II 707f. 167 DERS., J o h a n n e s II 634.
Die Fragestellung und Methodik im 20. Jh.
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men, deren dreiteiliger Umfang wie folgt bestimmt werden könne 168 : 1) Todesbeschluß, Salbung, Einzug, Tempelreinigung, letztes Mahl, Verratsansage des Judas und Petrus, Abschied von den Seinen; 2) von der Gefangennahme bis zur Grablegung; 3) Entdeckung des leeren Grabes bis zur Erscheinung des Auferstandenen. Dieser Bericht dürfte aus dem Jerusalemer Umkreis stammen und theologisch vor allem von dem Motiv des leidenden Gerechten gekennzeichnet sein. Die „archaisch-vormk Züge"169 (bes. Salbung - Einzug gegenüber mk. Einzug - Salbung) sprächen dafür, den Anfang im Todesbeschluß zu sehen, während Joh 20 (3) als traditionsgeschichtliche Erweiterung von vormk. und nebenmk. Tradition und nachträglicher Beeinflussung des besagten vorjoh. PB gedeutet werden müsse (Jesu Auferweckung im Lichte der Annahme dieses Motivs vom leidenden Gerechten). Bei der Bestimmung des theologischen Gehaltes des joh. PB als Ganzes tritt erneut J. Beckers methodisches Arbeiten markant in den Vordergrund, Literarkritik nicht nur zur historisch-quellenkritischen Analyse, sondern in direktem Anschluß daran auch zur Beschreibung urchristlicher Theologiegeschichte zu verwenden. So sei der vorjoh. PB vor allem christologisch durch das persiflierte Königsmotiv und die Vorstellung des Auferstandenen als XUQLOQ geprägt. Sodann sei die Einheit von Sendung, Geistbegabung und Vollmacht zur Sündenvergebung kennzeichnend. Das theologische Proprium des Evangelisten und der Kirchlichen Redaktion bestehe in der Einarbeitung des Wegschemas und der Vorstellung, daß Jesus der von Gott gesandte Sohn sei. Kompositorisch habe der Evangelist diesen vorjoh. PB vom Anfang her (Joh 1,35; 2,18ff u. ö.) eingearbeitet170. Der Befund, daß der PB im chronologisch engeren Sinn vom Evangelisten zu einem theologisch umfassenderen Rahmen erweitert und .umgestaltet' wurde (vgl. 2,18ff u. ö.), verdient Zustimmung. Zu den Überlegungen, daß ein vorjoh. PB in Joh ll,47ff begonnen habe, ist oben bereits Kritik geübt worden171. Wesentliche Einwände gegenüber dieser Methodik sind im Zusammenhang mit der Beschreibung der methodischen Position R Bultmanns vorgebracht wurden. J. Beckers methodisches Vorgehen, mittels Literarkritik mit mindestens drei Schichten (beispielsweise vorjoh. PB, Evangelist, Kirchliche Redaktion) zu arbeiten172, kann anhand der Kriterien von Sprache und Inhalt nicht überzeugen. Das oben 173 genannte Bild vom ungenähten Leibrock, den man nur en bloc, nicht aber zerteilt bekommen
168 DERS., Johannes II 635; vgl. JOACH. JEREMIAS, Abendmahlsworte 84-90 (bes. 90). 169 BECKER, Johannes II 638. 170 DERS., Johannes II 640-643. 171 S. oben Seite 31. 172 DERS., Aufbau 72, rechnet für die Abschiedsreden sogar mit einer weiteren Überarbeitung (vgl. DERS., Aufbau 73-83: Nähe zu ljoh); vgl. DERS., Johannes I 40f. 173 S. oben Anm. 51.
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1. Fragestellung und Methodik
kann, vermag dieses methodische Vorgehen anschaulich zusammenzufassen: Indem J . Becker174 in J o h 1 - 2 0 mit mehreren Autoren rechnet, schneidet er besagtem Leibrock die Ärmel ab, denn die Kirchliche Redaktion hat bereits ein vorliegendes Corpus vorgefunden. Eben dann ist es aber kein ganzer Leibrock mehr, sondern eine Weste! Ganz vergleichbar geht W. Schmithals vor. Ausgangspunkt ist auch für ihn, daß das J o h E v nicht einheitlich sei, „sondern (die Kohärenz des JohEv; M. L.) ist aufgrund der vorgeschlagenen Analyse - Grundevangelium; Evangelium; Lieblingsjünger-Redaktion - konkret zu beantworten." 175 Der Passions- und Osterbericht des literarkritisch rekonstruierten Grundevangeliums besteht aus Sicht von W. Schmithals aus vornehmlich herrlichkeitschristologisch geprägten Versen176. Ihre Textkohärenz gelte uneingeschränkt, denn ihr Textbestand sei Autorität für die antidoketistische Uberarbeitung seitens des Evangelisten 177 . Inhaltlich falle dieser Bericht dadurch auf, daß er kein Verhör vor Juden enthalte, was in dessen historischer Unmöglichkeit begründet liege. Theologisch habe - nach Meinung von W. Schmithals - diese Schicht kein Interesse an einer theologia crucis, vielmehr herrsche eine nicht weiter ausgeprägte Beschreibung der Erhöhung und Erniedrigung des Gottessohnes vor 178 . Der Evangelist habe dieses autoritativ anerkannte Grundevangelium durch die antidoketistische Verwendung der Synoptiker erweitert. Seine Einfügungen 179 ließen folgendes erkennen: „Was in der Auseinandersetzung mit der Synagoge formuliert wurde, stammt aus der Feder des Grundevangelisten; was seinen Ursprung dem antihäretischen Kampf verdankt, hat der Evangelist geschrieben." 180 Beide, der Grundevangelist und der Evangelist, hätten allerdings höchst unterschiedlich gearbeitetet, denn der Uberblick über die Texte zeige einen Schriftsteller, der von einem Dilettanten bearbeitet worden sei181. Das Stil174 WINTER, Vermächtnis 224, urteilt nicht anders: „ M u ß man nach dem Urteil einer größeren Anzahl von Exegeten mit einer nachevangelistischen Redaktion auch in J o h 1 - 2 0 rechnen, dann kann Schnelles methodischer Ansatz vor allem deshalb nicht überzeugen, weil er das literarische und theologische Problem der Vermächtnisreden ausschließlich auf den beiden Ebenen der vorjoh. Tradition einerseits und des Evangelisten anderseits erörtert, aber die zumindest mögliche dritte Ebene, nämlich eine nachevangelistische Redaktion, niemals ernsthaft in Betracht zieht" (ähnlich BECKER, J o h a n n e s II 755). Hier verläßt WINTER einen wesentlichen Grundsatz historischer Arbeit, mit einem möglichst geringen Hypothesenaufwand zu arbeiten. 175 SCHMITHALS, Johannesevangelium 423. 176 S. dazu DERS., Johannesevangelium 405.411. 177 DERS., Johannesevangelium 424. 178 DERS., Johannesevangelium 429; vgl. DERS., Theologiegeschichte 238-240. 179 DERS., Johannesevangelium 406-413. 180 DERS., Johannesevangelium 293; vgl. DERS., Theologiegeschichte 261-264. 181 DERS., Johannesevangelium 294: Man erkennt, daß „der Grundevangelist ein begabter Schriftsteller und Stilist ist, der einfallsreich erzählt, auf längere Reden verzichtet
Die Fragestellung und Methodik im 20. Jh.
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mittel des Evangelisten i m Passions- u n d O s t e r b e r i c h t liege in der D u b l e t t e n b i l d u n g z u A u s s a g e n aus d e m G r u n d e v a n g e l i u m (20,21), in Präzisierung e n (18,32) sowie in Rückverweisen (18,8b.9.14.32; 19,39). Inhaltlich f u g e der Evangelist unter antidoketistischer A u f n a h m e der S y n o p t i k e r die k o m plette P a s s a t h e o l o g i e an 1 8 2 . D i e letzte B e a r b e i t u n g s s c h i c h t liege n a c h Mein u n g v o n W. S c h m i t h a l s in der s o g . L i e b l i n g s j ü n g e r - R e d a k t i o n vor, die z. Z t . des M o n t a n i s m u s u. a. J o h 1 8 , 1 5 - 1 8 . 2 4 - 2 7 ; 2 0 , 2 - l l a h i n z u g e f u g t hab e , u m „ d e m J o h E v d e n W e g in d e n a p o s t o l i s c h e n K a n o n der K i r c h e z u bahnen"183. An dieser Stelle muß auf das Grundschriftmodell von M. W. G. Stibbe verwiesen werden. Sein Instrumentarium ist - anders als bei W. Schmithals - dem Strukturalismus entnommen 1 8 4 . Darüber hinaus fuhrt er auch historische Rekonstruktionsversuche durch: D a das J o h E v offensichtlich einen Augenzeugen beanspruche, sei von jeher die Funktion des Lieblingsjüngers ab J o h 1,35 aufgefallen (vgl. 13,23 dazu 1,18; ferner 19,35; 21,24). Die Identifizierung dieses Lieblingsjüngers leitet er über den Ausschluß der Zebedaiden-These anhand von 2,1-11 (nicht der sozialen Klasse entsprechend) ab. M . W. G. Stibbes Ergebnis lautet: Der Lieblingsjünger Jias to be Lazarus o f Bethany" 1 8 5 . Er habe ein Ur-Evangelium („Bethany gospel" bzw. „gospel o f Lazarus" 1 8 6 ) aus seinen Erinnerungen verfaßt, das sich u m seine Person als Augenzeugen sowie u m den Ort Bethanien gerankt habe und ferner Jesu Reisen und Wunder in/nahe Jerusalem sowie das letzte Mahl mit Passion und Ostern enthalten habe: Die „primary source behind John's story o f Jesus is the eyewitness tradition o f Lazarus" 187 . Der Autor des J o h E v aber sei der alte Johannes, der im selben Verhältnis zu Lazarus stehe wie Markus zu Petrus 188 . Der alte Johannes habe dieses Evangelium mit weiteren verschiedenen Quellenstücken aufgenommen und das uns nun vorliegende Evangelium gestaltet. Zu diesem apologetischen Entwurf braucht kritisch nicht viel gesagt zu werden, B. Bauer 189 beispielsweise hat bereits wichtiges gegen solche Unternehmun-
und mit Dialogen den Gedanken vorwärtstreibt, während diese G a b e n d e m Evangelisten durchaus abgehen. Im wesentlichen ist seine H a n d für die kreisende und stationäre Gedankenbildung und für die sterotypen Wiederholungen einzelner Formulierungen und Gesichtspunkte sowie für die mancherlei Widersprüche und den im einzelnen wie im ganzen literarisch unbefriedigenden Zustand des J o h E v verantwortlich, der allerdings durch die nachfolgende Lieblingsjünger-Redaktion (...) noch verstärkt wurde." Zu den Stilmitteln des Evangelisten DERS., Johannesevangelium 317. 182 183 184 185 186 187 188 189
DERS., Johannesevangelium 305. DERS., Johannesevangelium 236. S. o b e n A n m . 162. STIBBE, Storyteller 78. DERS., Storyteller 81.82. DERS., Storyteller 80. DERS., Storyteller 85f. S. dazu DERS., Storyteller 200 (Stibbes Literaturverzeichnis).
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1. Fragestellung und Methodik gen vorweggenommen. Femer ist nicht recht einzusehen, wie eine Grundschrift von einer Verhaftung Jesu berichten kann, wo ihr Augenzeuge - Lazarus, der Lieblingsjünger - nicht anwesend ist. Zu der durch die Bultmann-Käsemann-Debatte angeregten Fragestellung, daß der joh. PB nicht in das übrige JohEv integriert werden kann, äußert sich M. W. G. Stibbe nicht.
Auf den methodischen Zugang von W. Schmithals braucht nicht weiter eingegangen zu werden, es genügen die Verweise auf das zur Methodik R. Bultmanns Gesagte. Darüber hinaus erheben sich noch folgende Kritikpunkte: 1) Wenn W. Schmithals eine Nähe des Grundevangeliums vornehmlich zum LkEv annimmt 190 , dann kann er nicht überzeugend nachweisen, warum dieses Grundevangelium ohne Judas auskommen soll, der dort mit der alten und schon zur Floskel erstarrten Funktionswendung 6 nagaöiöoug amöv vorgestellt wird. Zudem muß die Ausscheidung des Verhörs Jesu vor der jüd. Obrigkeit aufgrund historischer Unmöglichkeit zumindest zweifelhaft sein, wenn diese .Verhandlung' als ein .Vorverhör' eingestuft wird. 2) Der Leitgedanke, daß der Evangelist die antidoketistische Passatheologie und politische Apologetik sorglos eingefügt habe, stößt in 18,33-38a auf Probleme. Gerade 18,36 spricht aber ganz und gar die Sprache gerade der - nach Meinung von W. Schmithals - aus dem Grundevangelium stammenden Texte in 3,lff; 8,23, so daß eine unterschiedliche Aufteilung nicht überzeugt. 3) Die Lieblingsjünger-Redaktion ist in ihrer kanonbildenden Zielsetzung nicht einsichtig. Der Lieblingsjünger hat vielmehr die Funktion, das vorösterliche Leben Jesu zu bezeugen, seine Aufgabe wird daher im PB abgeschlossen. Nachösterlich führt der Paraklet in alle Wahrheit (16,13) und macht das Geschehen erinnernd verständlich (2,17.22; 7,39; 12,16; 14,26; 20,9)191. In der Methodik und in der Frage nach dem Verhältnis zu den Synoptikern folgt die erschienene größere Untersuchung zum joh. PB von W. Reinbold nicht nur Bultmann-Becker-Pfaden, sondern auch den Wegen von T. A. Mohr, der den Quellenwert des JohEv insoweit höher einschätzte, als es zumindest vergleichend zur Analyse des mk. PB herangezogen 190 SCHMITHALS, Johannesevangelium 318f. 191 Dieser Kritikpunkt trifft auch die Schicht B und C im Entwurf von VON WAHLDE, Version 133-154. D i e niedrigkeitschristologische Schicht A (vgl. FORTNA, Predecessor 149-151.155-157.163-165.177) sei v o m Evangelisten (Schicht B) herrlichkeitschristologisch in Hinsicht a u f das Zeugnis-Motiv und die Pneumatologie überarbeitet worden. Schließlich habe eine Schicht C eine gründliche Re-Edition v o r g e n o m m e n , denn sie habe vor allem die Eschatologie und das Gericht korrigiert. Die Aufteilung a u f diese Schichten n i m m t VON WAHLDE (Version 2 6 - 6 5 ) mittels drei Kriterien (linguistic, ideological, theological) vor. Seine (Version 137f A n m . 140 u. ö.) mit THYEN (Entwicklungen passim) und SCHMITHALS' parallellaufende Abgrenzung der Lieblingsjünger-Texte auf eine letzte, überarbeitende Schicht zerstört die ineinander verschränkte, hermeneutische Funktion des Lieblingsjüngers und des Parakleten.
Die Fragestellung und Methodik im 20. Jh.
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worden war. W. Reinbold will diesen Ansatz konsequenter formulieren. Methodisch greift er dazu auf die in der Zwei-Quellen-Theorie bewährte Arbeitsweise der synopt. Lektüre zurück. Diese Parallelität hat folgende Konsequenz: „Die Traditionen, die sowohl von Markus als auch von Johannes bezeugt werden, machen den sicheren Kernbestand der ältesten Passionstradition aus." 192 Im Unterschied zum Vorgehen bei Q_gehe es aber nicht darum, den Wortlaut des ältesten PB 193 zu erheben, sondern es sind „die Umrisse sowie die wesentlichen Inhalte der Quelle zu ermitteln" 194 . Darüber hinaus müsse mit PBMk und PB1011 sowie redaktionellen Stücken gerechnet werden. Am Ende von W. Reinbolds Analyse steht ein neunszeniger ältester PB, der folgenden Umfang haben soll: Todesbeschluß, Einzug in Jerusalem, letztes Mahl und Ankündigung der Auslieferung und der Verleugnung, Gefangennahme, Hohepriesterverhör mit Petrusverleugnung, Pilatusverhör, Verspottung, Kreuzigung, Begräbnis 195 . Diesem Vorgehen liegt die Annahme zugrunde, daß das J o h E v von den Synoptikern unabhängig sei: Es sei möglich, das Abhängigkeitsverhältnis von Mt/Lk von der Quelle M k nachzuweisen. Ein solches Abhängigkeitsverhältnis zwischen J o h E v und einem oder mehreren Synoptiker(n) könne nach W. Reinbolds Uberzeugung jedoch nicht angenommen werden, denn „wir kennen keine der Quellen des Johannesevangeliums" 196 . Mögliche Hinweise 197 seien entweder „kaum mit einiger Wahrscheinlichkeit zu beantworten" 198 oder sie würden sich als traditionelles Uberlieferungsgut erweisen oder sie ließen sich „orga-
192 REINBOLD, Bericht 73 (kursiv im Original); vgl. DERS., Bericht 79. 193 Es ist hier ausdrücklich auf terminologische Unterschiede hinzuweisen: Die von REINBOLD und MYLLYKOSKI (S. unten) verwendete Abkürzung „PB" für einen .ältesten Passionsbericht' hat nichts mit der in dieser vorliegenden Arbeit verwendeten summarischen Abkürzung ,PB' zu tun. Meine Verwendung meint lediglich den bei den Synoptikern und im JohEv vorliegenden Passions- und Osterbericht, ohne schon literarische Einschränkungen etc. vorgenommen zu haben. 194 REINBOLD, Bericht 74; vgl.: Es wird „von vornherein betont, daß Vf. nicht der Meinung ist, mit diesen .Rekonstruktionen' den ursprünglichen Text des PB wiederhergestellt zu haben" (DERS., Bericht 119f; z. T. kursiv im Original). Tritt der Fall ein, daß ein traditionelles Stück nur von einem Evangelisten übernommen worden sei, sei die Frage kaum zu beantworten, jedoch sei grundsätzlich vom Wachstum der Tradition auszugehen; vgl. DERS., Bericht 76. 195 DERS., Bericht 121-177. 196 DERS., Bericht 30 (kursiv im Original). Da zudem beachtenswert sei, daß unter historischen Gesichtspunkten eher zufällig diese vier Evangelien im NT bleibende Bedeutung erlangt hätten, könne eine Abhängigkeit von den ntl. Evangelien nicht insoweit vorausgesetzt werden, als jeder, der eine solche Abhängigkeit leugne, sie auch erweisen müsse. Vielmehr könne das Problem der Beweislast keiner Seite aufgebürdet werden. 197 Er meint, daß parallele Komposition einiger Textpassagen, Joh 20,3-10 und Lk 24,12 sowie Joh 12,1-8 und Mk 14,3-9 und endlich die von Markus geschaffene Gattung .Evangelium' eine Abhängigkeit nahelegten; DERS., Bericht 32-48. 198 DERS., Bericht 33.
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1. Fragestellung und Methodik
nisch aus der Entwicklung der Tradition" 1 9 9 erklären. Es bleibe festzuhalten, daß J o h a n n e s u m die Existenz eines Evangeliums gewußt habe: Ein „weitergehender Rückschluß auf eine literarische Verarbeitung (eines) der synoptischen Evangelien ist in beiden Fällen nicht möglich." 2 0 0 In Anlehnung an T. A. Mohr will auch M. Myllykoski einen alten Passionsbericht auf literarkritischem und formgeschichtlichem Weg ermitteln. Er kommt zu dem Ergebnis, daß „Johannes und Markus eine weitgehend gleichlautende Quelle für die Darstellung der Passion Jesu zur Verfugung stand" 201 . Dabei dient ihm das JohEv zur Verifikation der Rekonstruktion im MkEv 202 . Diesem alten Passionsbericht (PB)203 sei eine erweiterte Passionsgeschichte (PG) gefolgt, die „als Passionsvorlage für die beiden Evangelisten Markus und Johannes" 204 gedient habe. Die joh. Redaktion dieser erweiterten Passionsgeschichte bestehe nicht nur in der Umdatierung des Todes Jesu auf den 14. Nisan, sondern - damit verbunden - in der Einarbeitung der Passalamm-Typologie205. Wesentliche Einwände sind zu dem verwandten Eintwurf T. A. Möhrs bereits vorgetragen worden. Darüber hinaus bleiben zwei Rückfragen: 1) Ist es wirklich wahrscheinlich, daß der alte Passionsbericht (PB) mit dem Titulus schloß und den wirklichen Tod Jesu nicht nannte? Dann hätte dieses alte Traditionsmaterial selbst für die These vom Scheintod Jesu Raum geboten. Das ist kaum überzeugend. 2) Kann die Passatheologie als redaktionelle Erweiterung angesehen werden? Gegen eine solche Überlegung spricht vor allem IKor 5,7 (vgl. IPt 1,19) - PtEv 2,5; bSanh 43a sind zu Recht nicht vom selben Gewicht - . Diese Stelle würdigt M. Myllykoski nicht. Es ist zu W. Reinbolds Entwurf zu sagen, daß dem J o h E v ein wesentlicher Teil historisch wertvollen Materials zugesprochen wird. Es tritt daher zu Recht aus der ,rein kerygmatischen Ecke' heraus, freilich ohne diese grundsätzliche Richtung zugunsten historischer Interpretationen preiszugeben. Es ist dabei festzuhalten, daß vieles von diesem historischen Material als joh. Tradition 2 0 6 d e m Evangelisten vorgelegen hat. A u f diese Weise tritt
199 DERS., Bericht 38. D o r t als Frage formuliert, die aber zustimmend beantwortet wird. 200 DERS., Bericht 39. 201 MYLLYKOSKI, Tage I 36. 202 Vgl. DERS., Tage I 37. 203 Z u m Umfang dieses Berichtes: DERS., Tage II 138f. 204 MYLLYKOSKI, Tage I 191. Z u m Umfang dieser Erweitertung s. DERS., Tage II 162. 205 Die seines Erachtens damit verbundenen theologischen Konsequenzen (Sühnopfer- und Stellvertretungsgedanke) stammten aus der Kirchlichen Redaktion; DERS., Tage II 37-40. 206 Grundsätzlich muß aber der Begriff .Tradition' im Sinne von quellenkritisch verifizierbaren Komplexen streng t o n dem der vorjoh. Materialien aus der Gemeinde des Evangelisten, der Synoptiker, des AT u. a. m. getrennt werden. Von daher ist es wenig hilf reich, hier die ältere Position THYENs gegen seine neueren Arbeiten auszuspielen (REIN-
Die Fragestellung und Methodik im 20. Jh.
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Johannes neben das MtEv und LkEv: Wie jene nicht nur das MkEv und Q_ als traditionelles Material verarbeiteten, sondern auch traditionelles Material aus der eigenen Gemeinde benutzten, so ist solches auch für Johannes anzunehmen 207 . Das fuhrt aber sogleich zur Kritik an W. Reinbolds markiger These, wir würden keine Quellen des JohEv kennen. Einer solchen Behauptung widersprechen die zahlreichen Zitate aus dem AT 208 ! Gerade das AT ist für den Evangelisten zentrales hermeneutisches Hilfsmittel, um nicht nur Aussagen über Jesu j i o B e v (Joh 7,27f; 8,14.28; 9,29; 19,9; vgl. 10,1), sondern auch, um das komplette Evangelium durch die Verwendung unterschiedlicher Einleitungsformeln in die Blöcke J o h 1-12; 13-20 zu gliedern. Wenn die Zitate das AT (LXX und MT) deutlich als Quelle offenlegen, so wird dieser einsichtige Befund durch zahlreiche Anspielungen auf atl. Textstellen unterstützt. Von daher müssen W. Reinbolds Bemerkungen zu Johannes und die Synoptiker' kritisiert werden, denn jetzt kann diese Frage nicht mehr entweder im Sinne einer buchstäblichen Abhängigkeit oder in Hinsicht auf gänzliche Unkenntnis entschieden werden. Diese äußerst problematische Alternative wird von W. Reinbold derart methodisch fixiert, daß er dasselbe Verfahren anwendet, das zur Ermittlung von Q_ führte, um jetzt den Umfang des ältesten Passionsberichtes zu erheben: Das JohEv steht nun in demselben literarische Verhältnis zum MkEv, wie das MtEv/LkEv zum MkEv 209 . Es muß aber zwischen der lk. Rezeption des
BOLD, Bericht 31 A n m . 17, WINTER, Vermächtnis 224 A n m . 49). Bekanntermaßen hat THYEN sein methodisches Vorgehen, gerade was die Ermittlung etwa einer Grundschrift angeht, radikal geändert, denn der jetzt vorliegende Text ist Gegenstand der Interpretation, keine zuvor rekonstruierte Grundschrift: DERS., Liebe 4 6 8 - 4 7 0 (dort n o c h mit der diachronen Perspektive), DERS., H i m m e l 7 7 - 7 9 (expressis verbis), DERS., Johannesevangeliu m 211, DERS., G o t t 10-15 (expressis verbis), DERS., Licht 2 0 - 2 4 , DERS., Johannes-Evangeliu m passim (bes. 120f), DERS., Kontext 116-119.124.163 A n m . 1 (expressis verbis), DERS., Synoptiker 8 4 f (expressis verbis), DERS., Erzählung 2021f.2047 A n m . 59, DERS., J ü n g e r 179f mit A n m . 80 (expressis verbis). 2 0 7 REINBOLD, Bericht 36f. J e d o c h könne - s o REINBOLD - die B e g r ü n d u n g SABBEs hinsichtlich der Abhängigkeit des J o h E v v o n den Synoptikern nicht überzeugen, weil dieser über weite Strecken im Konjunktiv formuliere. Vielleicht liegt der G r u n d für solche Redeweise schlicht darin, daß SABBE umsichtiger argumentieren will, als etwa mit Worten wie „ich postuliere" (REINBOLD, Bericht 143; vgl. 48 mit A n m . 80 und ähnliche Wendungen) in die Offensive zu gehen. 2 0 8 D a r a n ändert auch sein Versuch nichts, im Gefolge BULTMANNscher Exegese, das A T in seiner Funktion abzuwerten: „ D e m Evangelisten ist der Schriftbeweis ,kein primäres Anliegen' [BULTMANN, J o h a n n e s 519; M . L.], die Verse enthalten vier joh H a p a x l e g o m e n a ( x n i i v , ägacpos, ixpavxöc;, Xay%av(iv)" (REINBOLD, Bericht 167 A n m . 254). 2 0 9 Dieser Fehlschluß ist weit verbreitet: HAENCHEN, Johannesevangelium 80 (kursiv M . L.): „ A b e r daß J o h a n n e s ebenfalls so (d. i. wie M t / L k das M k E v verwendeten; M . L.) vorgegangen ist, läßt sich nicht nachweisen: bei der Lektüre des J(oh)E(v) werden wir an Markus k a u m erinnert." BECKER, J o h a n n e s I 43: „ D a s J o h folgt in keinem Fall einem der Synoptiker so wie z. B. M t und Lk sich M k als Basis ihres Werkes bedienen." DERS., J o -
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MkEv und einer möglichen joh. unterschieden werden, denn es gilt joh. Kompositionstechnik im Rahmen joh. Theologie zu beschreiben. Das läßt sich aber nicht mit der lapidaren Auskunft, daß dies „kaum mit einiger Wahrscheinlichkeit zu beantworten" 210 sei, zufriedenstellend benennen. Anders gewendet: Redaktion hat nichts mit .Buchstabilismus' zu tun, d. h., das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Mk/LkEv und J o h E v darf nicht von vornherein gegen das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Mt/LkEv und MkEv ausgespielt werden, als ob es nur diese eine zuletzt genannte Variante gäbe 211 . Diesen Problemkreis klammert W. Reinbold 212 unter Hinweis auf den Umfang seiner Untersuchung aus. Blickt man auf diese Bultmann-Becker-Linie zurück, dann lehnt jene Forschungsrichtung den direkten Einfluß eines oder mehrerer der synopt. Evangelien ab. Der vierte Evangelist muß als zweiter Markus verstanden werden213, denn die für das JohEv und MkEv konstitutive Gattung ,Evange-
hannes II 640: Auf „ d e m joh Tisch lagen doch wohl kaum drei Evangelien, aus denen E(vangelist) z. T. bis in die Wortwahl - und dies z. T. in einem Satz mehrfach - abwechselnd abschrieb, um gleichzeitig sich noch mehr Eigenständigkeit herauszunehmen, als sie jeweils die einzelnen Synoptiker beanspruchten! S o arbeitet kein Autor" (auch DERS, Streit 25fj ähnlich MYLLYKOSKI, Material 131f). Mit Zahlen operieren: MOHR, Johannespassion 347 A n m 205: „ D i e Unabhängigkeit des 394 Worte zählenden joh. Kreuzigungsberichtes erhellt [sich] auch daraus, dass er etwas weniger als 2 / 3 Sondergut (223 Worte) enthält", und STIBBE, Storyteller 85: „the 868 verses o f J o h n ' s gospel, 153, or 17.2 per cent have Synoptic counterparts. When one remembers that 609 o f Mark's 662 verses have counterparts in Matthew, it proves the point (...)." 210 REINBOLD, Bericht 33. 211 Auch der Einwand der organischen Entwicklung des Evangeliums aus der Tradition ist angesichts der Theologie von ( ^ a b z u l e h n e n , da eine mit M k vergleichbare kreuzestheologische Konzeption in Q^ nicht ausgemacht werden kann. Wie sehr REINBOLD jenes Abhängigkeitsverhältnis im Sinne eines ,Buchstabilismus' versteht, zeigt er im Zusammenhang mit seiner Kritik an MOHRs Position, wenn REINBOLD meint: Wenn „Johannes neben seiner alten Passionsquelle auch die Synoptiker kannte und benutzte, ist es in den meisten Fällen unmöglich zu entscheiden, wann er dieser und wann er jenen folgt. [...] Faktisch entwertet M o h r durch die These, der vierte Evangelist habe auch die Synoptiker benutzt [...], seine vorhergehenden Analysen: wenn d e m tatsächlich so ist, ist das J o h - E v eben nicht das .wichtigste ... Kontrollorgan in bezug auf die Bestimmung der vormkn. Passionstradition' (Markuspassion 42), und der Versuch einer Rekonstruktion der johanneischen Passionsquelle ist ein völlig aussichtsloses Unterfangen" (DERS., Bericht 17 Anm. 19). Auch BERGER erstickt offensichtlich Individualität und verwechselt Abhängigkeit mit Buchstabilismus - in seinem Sinne natürlich Traditionsgeschichte - , wenn er meint: „ D a s Verhältnis etwa der johanneischen Passionserzählung zu der des MkEv zeigt, daß nicht das M k E v die .Vorlage' gewesen sein kann, sondern daß es sich u m einen Grundbestand an gemeinsamer Tradition handelt, und so ist es mit vielen anderen .Evangelien'-Stoffen auch" (DERS., Theologiegeschichte 715; kursiv M . L.). 212 Bericht 2. 213 BECKER, Johannes I 47: „Wenn er (der Evangelist; M . L.) keines der synoptischen Evangelien unmittelbar benutzt hat, m u ß man davon ausgehen, daß E(vangelist), durch
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lium* kann kein ernsthaftes Gegenargument sein (J. Becker, W. Reinbold). Vorherrschend ist in jedem Fall die fatale Alternative, die Abhängigkeit von den Synoptikern lasse sich nur mit der zwischen Mt/Lk und Mk vergleichen. Die Konsequenz, daß der Kreuzestod Jesu keine Heilsbedeutung habe, ist nicht nur jener fehlenden Abhängigkeit geschuldet. Sie ergibt sich auch daraus, daß der literarische und theologische Gehalt des PB nicht berücksichtigt wird: Entweder er dient - gefolgert aus der ersten Prämisse als Steinbruch fiir historische Fragen (W. Reinbold, vgl. M. Myllykoski), oder man schreibt dem vorjoh. PB einen ganz überwiegenden Teil des theologischen Gehaltes zu, dessen literarische Gestalt sehr auffällig ist (J. Becker, W. Schmithals). In der Auseinandersetzung mit A. Dauers, aber auch mit R Baum-Bodenbenders Arbeit beginnen sich die Stimmen derer zu mehren, die die Abhängigkeit des JohEv von den Synoptikern vermuten und die vor allem mit dem Namen M. Sabbe verbunden sind. Ganz im Gegensatz zu A. Dauers Urteil, das J o h E v sei unabhängig von den Synoptikern und der gemeinsame Stoff sei über einen vorjoh. PB zu erklären, hält M. Sabbe diese Annahme angesichts zahlreicher z. T. wörtlicher Ubereinstimmungen für unnötig. Das Kernproblem, vor dem der joh. PB betrachtet werden muß, ist die Frage: Ist es wahrscheinlicher, eine gänzlich unbekannte und uneinheitliche Quelle anzunehmen, die Teile des jetzigen PB enthielt, oder ist es wahrscheinlicher, in den uns heute bekannten und vorliegenden synopt. Evangelien die literarische und theologische Vorlage für den Evangelisten zu vermuten 214 ? Zur Beantwortung dieser Frage formuliert M. Sabbe folgende texttheoretische Aussage: „The first task, when dealing with a text, is to try to discover its structure, its coherence, to see what the text as such intends to communicate." 215 In der Analyse joh. Texte hinsichtlich Struktur und Kohärenz werde an ihnen eine durchgehende Dramatisierung und Dynamik erkennbar. Diese zunächst noch allgemeine Beobachtung erhärtet sich im direkten Vergleich zwischen J o h E v und Synoptikern immer mehr, so daß verschiedene Kompositionsmerkmale ersichtlich werden. Johannes lasse sich von den Synoptikern inspirieren und verändere zum Zweck der Ausbalancierung die Reihenfolge beispielsweise im Prozeß Jesu vor Pilatus 216 . Ein solches Vorgehen erklärt daher auch die erkennbaren Unterschiede: „the discontinuity, if there is any, may equally well be explained by seine Vorlagen S(emeia)Q(uelle) und PB bestimmt, die Textsorte nochmals im Rahmen des joh Traditionskreises konstituierte. Er war also ein zweiter Mk." 214 Das Problem der minor agreements kann für die vorliegende Arbeit ausgeklammert bleiben. Die einzige Stelle, die für den PB von Relevanz ist, die mt./lk. Formulierung T L ? E O T I V Ö N A I A A G at (gegenüber Mk 14,65), trägt alleine nichts für die hier zu verhandelnde Frage aus. 215 SABBE, Trial 492 (z. T. kursiv im Original). 216 Vgl. DERS., Trial 496f.
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some influence o f the foregoing Synoptic Gospels." 217 Zudem unterstreiche Johannes mk. Material, wie dies auch im MtEv und LkEv nachweisbar sei (beispielsweise J o h 18,If par. Mk 14,26.32 par. Mt 26,36; Lk 22,39). Darüber hinaus sei beispielsweise am selben Text noch ein „redactional substitute" 218 erkennbar, dessen Zweck im „dropping the Synoptic scene of Jesus' prayer and agony" 219 bestehe. Schließlich sei an der Aufnahme synopt. Texte im JohEv die „natural consequence on the narrative level" 220 nachweisbar (beispielsweise J o h 13,30 fur 18,3b). Aus diesen Beobachtungen ergibt sich schließlich die Schlußfolgerung: Ein wie auch immer gestalteter vorjoh. PB sei nicht erweisbar, denn der joh. PB lasse sich als eine „direct dependence upon them (Synoptiker; M. L.) without the need of other sources" 221 verstehen. M. Sabbe setzt dadurch nicht nur einen quellenkritisch neuen Akzent, sondern er versteht den joh. PB auch noch als Fortschreibung und Neuinterpretation synopt. Materials: Die „typical high Christological themes are probably a Johannine reinterpretation and rewriting of the Synoptics and, to a great extent, of the Lukan Pilate trial narrative." 222 Man wird M. Sabbes Position zustimmen, wenn er Literarkritik als Quellenkritik ablehnt und zunächst auf die Struktur und Kohärenz achtet. Auf diese Weise kann er in den Synoptikern eine glaubhaftere, weil überprüfbare Vorlage fur den joh. PB sehen als in einem mittels Literarkritk hypothetisch erschlossenen vorjoh. PB. Im direkten Vergleich der Evangelien in ihrer Endgestalt wird mittels Wortstatistik eine überraschend große Nähe und deutliche Abhängigkeit erkennbar. Genau diese per Wortstatistik ermittelte Abhängigkeit muß dann aber problematisch sein, wenn joh. Theologie beinahe gänzlich ausgeklammert wird. Dies wird beispielsweise an der Einordnung der oraloa (Joh 18,3) deutlich, die er zwar zu Recht als joh. Redaktion in Anregung von Mk 15,16 versteht 223 , ihre theologische Bedeutung aber nicht erhebt, sondern es bei der blassen Formulierung be-
217 DERS., Trial 497f (z. T. kursiv im Original). Ähnlich DERS., Trial 494 (z. T. kursiv im Original): „ I f some tensions exist, they are perhaps better explained by the foregoing Synoptic Gospels, which served as a direct source." 218 DERS., Arrest 207. 219 Ebd. 220 DERS., Arrest 215. 221 DERS., Trial 513. Vgl. auch: DERS., Arrest 217: „to question the existence o f a special source and to enhance the importance o f the Johannine redaction". Ähnlich DERS., Arrest 233: Für eine Verhältnisbestimmung zwischen J o h E v und Synoptiker „and for a more homogeneous explanation o f John's text as a whole, the awareness o f the redactional creativeness o f J o h n combined with a direct dependence upon the Synoptics, is more promising". 222 DERS., Trial 513. 223 DERS., Arrest 214.
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läßt: Die „Roman arreToa has a direct Johannine sense on the level o f his redaction and therefore J o h n is personally responsible for its presence here." 224 Die Formulierung, der joh. PB sei „a Johannine reinterpretation and rewriting of the Synoptics" 2 2 5 , ist angesichts dessen ungenau und benennt keineswegs den angedeuteten „direct sense" 226 . Der zweite gewichtige Einwand ist bereits implizit angeklungen: Indem M. Sabbe den kompletten joh. PB einzig als aus den Synoptikern weiterentwickelt verstehen will, gerät er beinahe folgerichtig in eine höchst fatale Zwangslage, denn er muß beispielsweise die zweifelsfrei als joh. Eigentümlichkeit zu verstehenden eyoV Eini-Worte Jesu (u. a. J o h 18,5-8) aus M k 6,50; 13,6; 14,62 erklären 227 . Wenn aber Johannes in seiner Benutzung der Synoptiker zu Recht durchaus mit dem Vorgehen eines Matthäus oder Lukas verglichen werden kann, dann muß bei Johannes ebenfalls damit gerechnet werden, daß er, wie Matthäus und Lukas, über Sondergut verfugt, das er neben eigenen redaktionellen Bemerkungen und traditionellem Material in seinem PB verwendet. Indem M. Sabbe aber gerade diese Möglichkeit des joh. Sondergutes ausblendet, gesteht er Johannes nicht nur weniger Möglichkeiten zu als sie generell für Matthäus und Lukas üblich sind, sondern rückt ihn dadurch sogar von den Seitenreferenten ab 228 ! Hatte zuvor M. Sabbe die klassische Literarkritik im Bultmannschen Sinne abgelehnt und die direkte Kenntnis der Synoptiker zu zeigen versucht, dann lehnt auch F. J . Moloney das literarkritische Vorgehen ab. Die Frage, welche vorjoh. Quellen (beispielsweise Synoptiker) der Evangelist benutzt hat, bleibt jedoch gänzlich unbeachtet, sie wird sogar — ganz im Sinne H. Thyens - dezidiert ausgeklammert 2 2 9 , weil wir einen ,flesh-andblood-reader/author' nicht kennen. Der Leser/Hörer ist daher auf die lite-
224 DERS., Arrest 213. 225 DERS., Trial 513. 226 DERS., Arrest 213. Der dort gebotene Satz, Johannes wolle die Römer verteidigen und Jesus die Möglichkeit geben, den Heiden seine Botschaft zu sagen, ist zu unergiebig. - Methodisch sind SABBE und BECKER insofern gar nicht so weit voneinander entfernt, als SABBE ganz bes. intensiv sein Augenmerk auf den Erweis literarischer Abhängigkeit des JohEv von den Synoptikern richtet, während BECKER mittels Literarkritik gerade diesen ebenso heftig bestreiten will. Doch stehen beide in der Gefahr, die theologische Gesamtinterpretation des J o h E v zu vernachlässigen. 227 SABBE, Arrest 218 Anm. 79. 228 Hier gilt dasselbe auch gegen THYEN, Johannes-Evanglium 128f: „Irgendwelche ,Sonderüberlieferungen' vermag ich bei Johannes nicht zu entdecken." 229 Vgl. MOLONEY, Cana 185: „Whatever one makes of the pre-history o f the Prologue (1:1-18), it belongs to the Gospel as we have it now." Zuletzt: „Although not ignoring historical questions that inevitably lie .behind' the text of the Gospel this commentary focuses on the literary features found in the narrative o f the Fourth Gospel" (DERS., Gospel 15). Zu THYEN vgl. das oben unter Anm. 147 nachgewiesene Zitat.
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rarische Gestaltung des ,plot' durch den Autor angewiesen 230 . An zwei Beispielen soll die Umsetzung dieses oben bei H. Thyen vorgestellten Konzeptes vor Augen geführt werden: J o h 2,13-22; 18,15-27. Die reichhaltigen kataphorischen Signale müssen alle ausgeklammert werden: „Is the raising up of Jesus' own body after three days the meaning of the victory o f the light over the darkness (1:5)? [...] The implied reader can only ask these questions, but he will find no immediate answer for them" 231 . Der implied author gebe Hilfestellungen bei der Vielzahl von Rätseln, die in V 13-22 präsent seien, insgesamt bleibe dem implied reader aber nur folgendes übrig: „As yet, however, they must stumble forward." 232 Bleibe jenem Leser der Vorausblick verwehrt, dann eröffneten sich doch der joh. Gemeinde in J o h 18,15-27 wichtige ekldesiologische Perspektiven. In der Gegenüberstellung von Jesus und Petrus sehe die Gemeinde ihre eigene Furcht und Gefahr der Verleugnung im Handeln des Petrus: Er, der wichtige und glaubwürdige Jünger verleugne seine Aufgabe, Jesus zu bekennen 233 . Ahnlich wie bei M. Sabbe kann auch F. J. Moloney in der Ablehnung extensiver Literarkritik zugestimmt werden. Ebenfalls verdient die These Zustimmung, das J o h E v verdanke sich einer absichtsvollen, literarischen Gestaltung. Die sich daraus ergebende Konsequenz, daß der Prolog als Lektüreanweisung dem Leser vorangestellt ist, ist sinnvoll und wurde in dieser Arbeit immer wieder erkennbar. Folgende Punkte sind jedoch kritisch anzumerken: Erstens ist Grundsätzliches bereits oben im Zusammenhang mit der Würdigung H. Thyens gesagt worden. Zweitens wird die Bedeutung des Repertoires von F. J. Moloney offensichtlich völlig unterschätzt. Das zeigt sich nicht nur daran, daß er sich mit nur einem Satz auf die unterschiedliche Stellung der Tempelreinigung bezieht 234 , sondern er bestimmt auch nicht den theologischen Gehalt. F. J. Moloney entledigt sich in seinem Artikel zur Passionsgeschichte des Problems Johannes und die Synoptiker' mit dem kurzen Verweis auf die Arbeit von A. Dauer. Die Gesamtinterpretation nimmt auf diese Weise nicht unbeträchtlichen Schaden, denn die kataphorischen kreuzestheologischen Signale 235 , die unzweifelhaft ein hohes Maß an pragmatischer Kohärenz darstellen, müssen ausgeschlossen werden - eine Form der Dekomposition, die kaum überzeugen kann 236 . 230 MOLONEY, Purification 433-435. „Whatever the perspective o f any historical flesh-and-blood author may have been, we can only claim to trace the theologische Leistung o f an author in the text itself" (DERS., Purification 433). 231 MOLONEY, Purification 445f, vgl. auch DERS., Gospel 16-19. 232 DERS., Purification 451. 233 Vgl. DERS., View 233.237. 234 DERS., Purification 436f 235 Zur joh. Kreuzestheologie ist hier nicht nur auf 2,13.17.19.22, sondern auch innerhalb von Kap. 2 auf 2,1.4c zu verweisen.
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Zuletzt hat auch C. Diebold-Scheuermann das texttheoretische Modell vom ,impliziten Leser' angewandt. Sie will „den Text in seiner vorliegenden Gestalt und als literarisches Werk"237 verstehen. Das JohEv sei daher als vom Autor sanktionierter und als für seine Leser absichtsvoll komponierter Text zu lesen. Die vom Evangelisten verwendeten Traditionen und Quellen dürften nicht gegen den Autor interpretiert werden. Es gelte daher, „nicht von theologischen Vorverständnissen aus an den Text heranzugehen, sondern aus dem Text heraus die Aussageabsicht des Evangelisten zu eruieren"238. Zu diesem Zweck verwendet sie textlinguistische Methodik und will Unterschiede zu den Synoptikern hinsichtlich der pragmatischen Absicht deuten. Positive und negative Implikationen sind oben u. a. zu F. J. Moloney und H. Thyen vorgetragen worden. Darüber hinaus sind zwei Aspekte zu kritisieren: Erstens fuhrt die strikte Begrenzung ihrer Arbeit auf Joh 18,28-19,16a dazu, daß die Verbindung des joh. PB mit dem übrigen JohEv (vgl. Bultmann-Käsemann-Debatte) nur sehr verkürzt in den Blick kommt23' (vgl. etwa M. W. G. Stibbe). Das hat nicht unerhebliche Konsequenzen beispielsweise für die Darstellung der 'loubaloi oder des Motivs des Königtums im JohEv. Zweitens muß vor allem die Verhältnisbestimmung zwischen den verarbeiteten Quellen bzw. Traditionen und dem jetzt vorliegenden Evangelium kritisiert werden, denn gerade darin bleibt das JohEv ein literarisches Relief. Wenn C. Diebold-Scheuermann240 die Unterschiede und die Integration der Synoptiker im Hinblick auf die Absicht des Autors benennen will, sind methodische Hinweise zu erwarten, die jedoch fehlen241. Der Rückblick eröffnet folgende Perspektiven: Im Gegensatz zur Bultmann-Becker-Linie mehren sich die Stimmen, die auf Literarkritik gänzlich verzichten (beispielsweise H. Thyen, M. Sabbe, F. Neirynck, F. J. Moloney, 236 Vgl. dazu MOLONEY, Purification 4 4 3 - 4 4 6 mit Anm. 47, für 2,17.19. In ganz ähnlicher Weise geht auch HEIL, Blood passim, vor: Er kommentiert den joh. PB ebenfalls mit dem texttheoretischen Modell des implied reader/audience und ermittelt „a dramatic series o f contrasts" (DERS., Blood 171). Das Problem J o h a n n e s und die Synoptiker' bleibt für seine Exegese ohne Bedeutung. 237 DIEBOLD-SCHEUERMANN, Jesus 5 (z. T. kursiv im Original). Zum Programm des impliziten Lesers vgl. DIES., Jesus 6f.l41-143. 238 DIES., Jesus 6. 239 DIES., Jesus 223-239, fuhrt nur anhand von 18,35b.36fi 19,7.9a sehr ausgewählte Themen summarisch durch das übrige JohEv. Deren vielfältige Verbindung mit J o h 1-17 wird jedoch nicht genügend bedacht. 240 DIES., Jesus lOf. 241 Auch wenn der Text im Vordergrund steht, so zeigt die anhaltende Methodendiskussion, daß ihr Vorgehen, ohne theologische Vorverständnisse arbeiten zu wollen, nicht möglich ist. Vielmehr müßten ihre verkürzten und mißverständlichen Formulierungen dahingehend präzisiert werden, daß beispielsweise die Annahme, ein postevangelistischer Redaktor habe J o h 1 - 2 0 nachträglich überarbeitet, eine historisch kompliziertere Erklärung voraussetzt als die Vermutung, daß die Sakramentstheologie ursprünglicher Bestandteil des J o h E v sei.
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M. W. G. Stibbe, C. Diebold-Scheuermann, L. Schenke). Nach texttheoretischen Überlegungen wird das JohEv als eine kohärente Größe interpretiert, wobei die Quellenfrage nicht mehr thematisiert wird (F. J. Moloney, M. W. G. Stibbe, vgl. C. Diebold-Scheuermann). Wenn sie jedoch diskutiert wird, ist die Entscheidung für die direkte literarische Verwendung der uns vorliegenden drei Synoptiker eindeutig, so daß ein beispielsweise hypothetisch ermittelter vorjoh. PB abgelehnt wird (H. Thyen, M. Sabbe, F. Neirynck). Uber dem Aufweis jener literarischen Abhängigkeit wird der sich daraus ergebende theologische Ertrag bisweilen nicht mehr erkennbar und die Verschränkung des PB im übrigen Evangelium kaum bestimmt (M. Sabbe).
1.4. Die Fragestellung und Methodik dieser Arbeit Die exemplarisch vorgeführten Positionen fuhren zu zwei Konsequenzen242: 1) Die redaktionsgeschichtliche Fragestellung folgt der BultmannBecker-Linie, indem sie die zweifelsfrei erkennbaren textgeschichtlichen Schwierigkeiten wahrnimmt243. Der Text gilt als Relief: Die Ermittlung von Tradition und Redaktion fördert die Plastizität des Textes zutage. Dabei wird mit der Hilfskonstruktion Kontinuität und Freiheit die Relation bestimmt: .Kontinuität', indem Johannes das ihm vorliegende Material aufnimmt; .Freiheit', indem Johannes innerhalb der Einzelperikopen dieses Material theologisch deutet oder aus diesem heraus selbständig entfaltet. Ein erstes Mal wird Johannes als Schriftsteller und Theologe erkennbar244: Es werden erste Klärungen der eingangs genannten Leitfragen angestrebt:
242
Zu methodischen .Anlagerungen' an die redaktionsgeschichtliche Methodik vgl.
DONAHUE, Criticism 4 1 - 4 8 . Sein Fazit lautet: „rhetorical criticism (...) combined with narrative criticism, offers, (...), the best promise for a method o f reading New Testament texts that does justice to both their literary quality and their historical setting" (DERS., Criticism 47). 243
KÜGLER, Jünger 32f, BERGER, Exegese 32, SCHNELLE, Perspektiven 61, MERK, Lite-
rarkritik 2 2 9 . 244
Charakteristisch ist folgendes Urteil: „Der Evangelist war, (...), kein Meisterschrift-
steller oder überragender Dichter. Wenn irgend möglich, begnügte er sich damit, die ihm zugekommene Tradition aufzunehmen und mit möglichst geringen Eingriffen sie seiner Verkündigung dienstbar zu machen. Es kam dem Evangelisten nicht auf einen einheitlichen Stil und eine durchgefeilte Erzählung an, sondern er wollte die rechte Lehre, wie er sie verstand, zur Geltung bringen" (HAENCHEN, Johannesevangelium 96, vgl. oben Anm. 181). Dagegen ist das Urteil von KÜGLER, Jünger 180, aussichtsreicher: „Tradition und Redaktion werden nicht einfach voneinander getrennt oder zueinander in Opposition gestellt. Vielmehr wird Redaktion als Arbeit mit Tradition begriffen." Vgl. DERS., Jünger 37.
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In welcher Weise sind die Synoptiker für die Exegese von J o h 18-20 von Bedeutung 245 ? Diese Frage gilt es, nicht nur hinsichtlich der Einzelverse und der einzelnen Worte zu beantworten, sondern auch generell, welche der synopt. Evangelien er verwendete. Dabei ist auf besondere literarische Techniken zu achten, mit denen sich der Evangelist schriftstellerisch betätigt. Das an Einzelversen erkennbare absichtsvolle Gestalten muß durch Beobachtungen ergänzt werden, die an einzelnen Worten vorgenommen werden. Wie wird die joh. Kreuzestheologie entfaltet? Dies gilt es dahingehend zu beschreiben, daß das theologische Interesse des Evangelisten erkennbar werden soll, mit dem er das ihm zur Verfugung stehende Material verwendet hat, um die Frage nach der Identität des Irdischen mit dem Erhöhten zu beantworten. 2) Die redaktionsgeschichtliche Forschung stellt sich in die Thyen-Sabbe-Linie, um die Gesamtkomposition in den Blick zu nehmen. Das ganze J o h E v (1,1-20,31) soll als theologisch gestaltetes Werk verstanden werden. Auch hier soll mit der Hilfskonstruktion .Kontinuität und Freiheit' das Verhältnis von Tradition und Redaktion bestimmt werden: .Kontinuität', indem auch Johannes nach Markus ein Evangelium schreibt; .Freiheit', indem die spezifisch joh. Eigenarten in der Anlage des J o h E v an den Tag treten. Ein weiteres Mal stellt sich Johannes als Schriftsteller und Theologe vor 246 . Auch in diesem Zusammenhang wird die Klä-
245 D a im Rahmen dieser Arbeit der Problemkreis J o h a n n e s und die Synoptiker' nur in Hinsicht auf den joh. PB in den Blick kommt, sei auf folgende Forschungspositionen bzw. - berichte verwiesen: LUTHARDT, Ursprung 154-203, WlNDISCH, Johannes 1-150, SlGGE, Johannesevangelium 1 - 4 4 , BLINZLER, Johannes passim, DAUER, Johannes 15-34, SMITH, Christianity 97-172, NEIRYNCK, J o h n passim, DERS., J o h n (1975-1990) passim. Neuerdings (ab 1990) vermuten eine Kenntnis: MATERA, Jesus 38, THYEN, Johannes-Evangelium 127-129, DERS., Erzählung passim, DERS., Synoptiker passim, SCHNELLE, Johannes passim, DERS., Einleitung 563-569, STEGEMANN, Tempelreinigung 507 Anm. 18, SABBE, Trial passim, DERS., Account passim, DERS., Denial passim, HENGEL, Frage 16.208f mit Anm. 16, BECKMANN, Funktion 182.191, DORMEYER, Überlegungen 226f, KAMMLER, Jesus 151f (mit Anm. 280), WlLCKENS, Evangelium 4f, SCHENKE, Johannes 432-435. Unsicher KNÖPPLER, theologia 136 mit 23. Anm. 117. - Dieser selbstgesteckte Rahmen führt auch dazu, daß nur indirekt auf J o h 11,47-54 eingegangen worden ist (s. oben Seite 31) und hinsichtlich der Gethsemaneperikope (Joh 12,27f) auf die in Kap. 4 Anm. 4 genannte Literatur zu verweisen ist, sowie unten in Kap. 2 Anm. 91. 246 D a s heißt darüber hinaus, daß die Redaktionsgeschichte deutlich von jener Redaktionsgeschichte zu trennen ist, die seit BULTMANNs „Kirchlicher Redaktion" eindeutig jenen postevangelistischen Kreis meint, der das J o h E v theologisch überarbeitet haben soll. Vgl. dazu: HAINZ, Rez. J . Blank 119, wirft ihm einen Fehler im Referat bzgl. Richters redaktionsgeschichtlicher Thesen vor: „Hier scheint B(lank; M . L.) ein Opfer jener terminologischen Unklarheiten geworden zu sein, die derzeit die Johannesforschung belasten. M a n hat seine liebe Mühe herauszufinden, was jeder Autor unter Grundschrift/Grundschicht/Evangelium/Evangelist, Redaktionen/Redaktoren meint." Einem ,Schichten-Verständnis' folgen viele Forscher (beispielsweise SCHNACKENBURG, Johannesevangelium IV 90, WINTER, Vermächtnis 243 u. ö.) und entwickeln bisweilen gegensätzliche Theorien, die
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1. Fragestellung und Methodik
rung der eingangs genannten Leitfragen erhofft: In welchem Verhältnis stehen J o h 1,1-17,26 zu 18,1-20,31 (Bultmann-Käsemann-Debatte)? Erneut tritt an dieser Stelle der Problemkreis der joh. Kreuzestheologie in das Blickfeld. In diesem Zusammenhang sind skizzenhaft anzuführende Beobachtungen aus dem literaturwissenschaftlichen Bereich der Intertextualität hilfreich. Zuvor ist es jedoch nötig, wesentliche Bestandteile zu benennen, die einen Text konstituieren247: Der Autor, eingebettet in seine Zeit, Geschichte, sozialen und soziologischen Bedingungen, komponiert unter Zuhilfenahme von sog. Leerstellen und von Repertoire einen Text. Die Leerstelle ist eine vom Autor besonders markierten Textstelle, die dem Leser die Möglichkeit bietet, in die Aktstruktur des Lesens einzutreten. Ihre Funktion besteht darin, den Beginn des Dialogs zwischen dem Leser und dem Text, in dem der Leser z. B. Beziehungen zwischen einzelnen Ansichten herstellen kann, zu ermöglichen. Kommentarworte des Autors fordern dabei den kreativen Akt der Sinnkonstitution. Das Repertoire, das der Autor verwendet und das seiner Zeit, Geschichte, sozialen und soziologischen Bedingungen entlehnt ist, enthält für den Leser/Hörer bekanntes und unbekanntes Material. Dessen Funktion besteht darin, mit diesem Wirkungspotential die Aufmerksamkeit zu erhöhen, die Lektüre anzuregen und zu leiten und der Intention des Autors zu dienen. D. h., die Aktstruktur des Lesens wird durch die komplexere Markiertheit (u. a. Repertoire) erhöht. Das vom Autor verwendete Repertoire im Jetzttext verweist auf Piätexte, die der Leser wahrnehmen soll. Wie diese Verweisstruktur zwischen Jetzt- und Prätext näher zu bestimmen ist, soll zunächst skizziert werden: Dem Autor ist der intertextuelle Bezug auf den Prätext bewußt, und er strebt an, daß dies auch dem Leser bewußt wird. Erkennt er diesen Bezug, ist die Kommunikation ge-
insgesamt in eine .Sprachverwirrung' m ü n d e n , wenn d e m Begriffspaar Redaktion - Redaktionsgeschichte n o c h Evangelium - Evangelist oder Grundschicht - Grundevangelium zugeordnet werden. Vgl. zu solchen Modellen die D i s k u s s i o n bei HAINZ, Auffassungen 170-176, u n d VAN BELLE, Signs 2 5 1 - 2 9 4 ; zu FORTNAs u n d NlCOLs Thesen vgl. die umfangreiche Darstellung bei VAN BELLE, Signs 180-250. 247 Verschiedene Ansätze k o m m e n dann im R a h m e n der Intertextualität zu differierenden Ergebnissen. D a s zeigt sich beispielsweise a m Entwurf von VAN WOLDE, Intertextuality 4 5 - 4 8 : Ein Prätext wird erst angesichts des Jetzttextes verständlich, die Auswahl des Prätextes im Jetzttext ist daher ein Faktor, der den Prätext besser verständlich macht. Der Autor will durch seinen Text den Leser gerade nicht .einfangen', sondern er will ihn anleiten, den Text neu zu arrangieren. D e r Text schafft Verstehensmöglichkeiten, die der Leser z u s a m m e n mit seinen eigenen Erfahrungen zu neuem Verstehen verbindet. D a s hat für das P h ä n o m e n der Intertextualität gewichtige Konsequenzen: „The intertextual approach starts f r o m the assumption that a writer's work should n o t be seen as a linear adaptation o f another text but as a c o m p l e x o f relationships; the principle o f causality is left behind. Moreover, in an intertextual analysis or interpretation o f a text it is the reader and not the writer who is centre o f attention, because it is the reader who makes a text interfere with other texts" (DIES., Intertextuality 47). - Zu wichtigen Positionen vgl. PFISTER, Konzepte passim (bes. 1-24).
Die Fragestellung und Methodik dieser Arbeit
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lungen, erkennt er ihn nicht, dann ist die Markierung vom Autor unzureichend vorgenommen worden. Tritt der zuletzt genannte Fall ein, bleibt zu fragen, wie die explizite oder implizite Markiertheit etwa in Gestalt einer Wiederholung einer Signifikanten-Reihe des Prätextes verbessert werden kann. Zunächst ist sie ganz grundsätzlich von der kontextuellen Eignung des Jetzttextes und dem intertextuellen Potential des Prätextes bestimmt. Jedoch ist eine unter diesen Bedingungen formulierte implizite Markierung insoweit noch nicht hinreichend als noch nichts über die unterschiedliche Art und Weise der Markiertheit gesagt ist. Verschiedene Grade einer impliziten Markiertheit lassen sich aber nur aus der Differenz zwischen Jetzttext und Prätext gewinnen248. Ein Mehr an impliziter Markiertheit und damit zugleich ein Mehr an Komplexität erreicht der Autor darüber hinaus, indem er entweder den Prätext mit problematisierenden Veränderungen aufnimmt, oder aber den Prätext an Stellen ausläßt, wo der Leser ihn erwarten würde249. D. h., die Markierung intertextueller Verweise geschieht durch das Bloßlegen der Eigenart. Der Zusammenhang hebt den Zitatcharakter hervor. Weiterhin ist denkbar, daß diese Markierung auf mehreren Ebenen erfolgt: 1) durch metasprachliche Formulierungen, die ganz eindeutig den markierten Text benennen; 2) durch Variation der Zitationsformel. Das kann durch deiktische Partikel geschehen oder aber mittels des bereits genannten Konzepts der Leerstelle; 3) durch unterschiedlich dynamisch markierte Verweise auf den Intertext. Dabei regen die stark dynamisch markierten Verweise dazu an, die weniger stark markierten auf solche Bezüge zu befragen. War bisher von intertextuellen Verweisen zwischen Einzeltexten250 die Rede, dann ergänzen Erwägungen zur Systemreferenz251 das Bild. Es handelt sich hier darum, daß ein Autor einen ganz bestimmten Diskurstyp aufnimmt. Das können beispielsweise theologische oder philosophische Texte sein. Größere, das
248 Liegt eine Markierung vor, dann ist noch nichts über den Verweis als solchen, sondern nur etwas über die einzelne Markierung gesagt. 249 Der zuletzt genannte Fall kann annäherungsweise unter Beachtung der Angleichung an den Kontext und der Häufigkeit der Anspielung entschieden werden. 250 Zur Definition vgl. PFISTER, Systemreferenz 52: „Kein Verfassen von Texten ist ein adamitischer Akt, in dem der Textproduzent gleichzeitig mit seinem Text auch seine Sprache von Grund auf erst schaffen müßte, und kein literarischer Autor ist ein Kaspar Hauser, der noch nie einen fremden literarischen Text gehört oder gelesen hat. (...) Nur weil kein Text eine fensterlose Monade ist und nur weil jeder Text beim Autor und Rezipienten frühere Erfahrungen mit Texten voraussetzt und über mehr oder minder abstrakte Ahnlichkeitsrelationen auf diese bezogen oder beziehbar ist, können solche Einzeltextreferenzen überhaupt möglich sein; das eine ist der Bedingungsrahmen der Möglichkeit des anderen." 251 Zur Definition vgl. DERS., Systemreferenz 53: „Der Piätext, der dabei ins Spiel kommt, ist nicht mehr ein individueller Prätext, sondern wird von Textkollektiva gebildet oder genauer von den hinter ihnen stehenden und sie strukturierenden textbildenden Systemen. Da diese sich aber in Texten manifestieren und nur über Texte greifbar sind, erscheinen auch bei diesen abstrakteren Relationen die Begriffe ,Intertextualität' und ,Piätext' angebracht, ohne daß man sie dabei metaphorisch überstrapaziert. Wir sprechen hierbei in Unterscheidung zur Einzeltextreferenz von .Systemreferenz' (...)."
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1. Fragestellung und Methodik Ganze durchziehende Strukturen und Elemente müssen in diesem Fragenkomplex analysiert werden.
Zusammenfassend können drei Leitgedanken ermittelt werden, die die redaktionsgeschichtliche Fragestellung prägen und mit denen die Leitfragen geklärt werden sollen: 1) Redaktionsgeschichte ist als Exegese des kohärenten Textes im Sinne der Stoffanordnung zu verstehen; 2) Redaktionsgeschichte beschreibt die Entstehungsgeschichte im Sinne des Auswahlverfahrens des Autors; 3) Redaktionsgeschichte nimmt als Exegese des Gesamtrahmens den Anfang, die Mitte und das Ende des J o h E v (1,1-20,31) in den Blick.
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
2.1. Einzelanalyse
2.1.1. J o h 18,1—11: Die Gefangennahme Jesu
2.1.1.1. Kontext und
Aufbau
Der Evangelist beschreibt mit J o h 18,1 f f den PB im engeren Sinn: Er schildert in absoluter Chronologie 1 die letzten Stunden des Lebens Jesu. Er folgt in dieser Darstellung der bei M k belegten Geschehensabfolge. Den PB im weiteren Sinn schildert er jedoch bereits ab 13,lff: Die Stunde (coga, xaigog) der Erhöhung zeichnet sich ab (2,4; 7,6.8.30; 8,20; 13,1; vgl. 12,23,27bis; 17,1). U m diese beiden Abschnitte (13,1-17,26; 18,lff) miteinander zu verklammern, greift der Evangelist in 14,31 auf M k 14,42 zurück: Unmittelbar vor der Verhaftung mahnt Jesu zum Aufbruch und redet mit seinen Jüngern 2 . Dieses passionstheologische Erinnerungsstück wird
1 Dagegen kann mit relativer Chronologie beispielsweise die redaktionelle Voranstellung der Tempelreinigung an den Anfang des J o h E v bezeichnet werden. D e m sicher auch historisch höchst bedeutsamen Ereignis für das Leben Jesu folgt seine mehrjährige öffentliche Wirksamkeit. Zur Bedeutung der Tempelreinigungsgeschichte für das J o h E v vgl. STEGEMANN, Tempelreinigung passim, und DORMEYER, Überlegungen 229. 2 Zur Verbindung von J o h 14,31 mit 18,lff vgl. SCHNELLE, Abschiedsreden 7 0 - 7 2 , sowie das Zitat von THYEN oben in Kap. 1 Anm. 152. Wichtige Themen durchlaufen J o h 14; 15 und legen es nicht nahe, sie umzustellen oder auszuscheiden: beispielsweise sei auf 3,29 mit 15,11 (vollkommene Freude), auf 2,17-22; 7,39; 12,16; 14,26; 15,26; 16,7.13; 20,9 (Pneumatologie), auf den Zusammenhang von 14,31 mit 15,10 (Vater lieben und Gebote halten) u.a.m. verwiesen. WINTER, Vermächtnis 244f, wendet gegen SCHNELLE folgendes ein: „ U n d auch die Hypothese mit der vormarkinischen Tradition ist keineswegs überzeugend. Denn einerseits läßt sich eine direkte literarische Abhängigkeit des Evangelisten von dieser spezifischen vormarkinischen Tradition nicht beweisen. Abgesehen von der starken Hypothetik der ganzen Konstruktion ist es keineswegs sicher, daß die als vormarkinisch in Anspruch genommene Wendung (eti autoC XaXovviog) tatsächlich traditionell
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
schriftstellerisch breit (13,1-17,26) ausgestaltet und enthält wichtige kataphorische Themenkomplexe: 1) der Evangelist schildert die sich erniedrigende Liebe Jesu zu den Seinen elg reXog (13,1) aus der Fußwaschungsszene, die im PB durch das xet e A . e ö t q : i (19,30) zum Ende kommt; 2) die Vorankündigung des Kommenden, die zum Glauben fuhrt (13,19; 14,29 i v a xcioTEU0r|TE, ö t a v y£vr|xai; 16,4 f| w o a ) und davor bewahren soll, Anstoß zu nehmen (16,1 axavöaTaoefjxE), setzt sich in Jesu wunderbarem Vorherwissen (vgl. 16,13; 18,4) fort und wird nachösterlich verständlich (20,22); 3) die den Jüngern angekündigte bleibende Freude (16,22 xr|v xaoäv ti|iü>v oü5ei5 aiQEi äcp' unxöv) wird nach Ostern realisiert, als sie den Auferstandenen sehen (20,20 ¿xaQriaav ouv ol ua8r]tat iöovxEg töv xrüoiov); 4) der Auferstandene spricht den verheißenen Frieden (14,27 EiQrjvr|v Tr|V e ^ v öiöwiiL ijjj.lv; vgl. 16,33) jetzt zu (20,19 eior|vr| üulv), und 5) der Auferstandene spendet den verheißenen Hl. Geist (7,39; 14,16f.26; 1 6 , 7 - 2 0 , 2 2 A-dßETE TTVEÖna a y i o v ) .
2.1.1.2. Analyse In Joh 18,1 greift der Evangelist mit dem redaktionellen xauxa eIjtcov (xauxa e i j u o v 7,9; 9,6; 11,43; 13,21; 18,1; tauta ebtoöaa 11,283; 20,14; xoßxo eijicüv 18,38; 20,20.22; [21,19]) auf 14,31 (eyeigeoOe, ayw^ev evxeööev) zurück, um den dort niedergelegten Erzählfaden (vgl. 5,17 mit 7,21; 8,21 mit 13,33) wieder aufzunehmen und mit der folgenden absoluten Chronologie fortzufahren. Auf joh. Gemeindetradition in 18,1 verweist cruv mit Dativ, das außer an dieser Stelle nur noch in 12,2 (ouv aüxco) sowie im Nachtragskapitel 21,3 (ouv ooi) vorkommt 4 . Der folgende Dativ (jaBrixalg aüxoö läuft mit der synopt. Spezifizierung parallel, Jesus sei mit seinen Jüngern losgegangen (Mk 14,32 EQxovxai e'ic; x ö ) 6 ^ o v P ar - Mt 26,36; Lk 23,39 r]xo>.ou0r|oav ö e aüxw xai (xaGritai; vgl. Mk 14,26 par. Mt 26,30). Aus joh. Gemeindetraditi-
ist." Vielmehr sei dieser Versteil (Mk 14,42a) doch auf Mk 14,42b zu beziehen. Hier scheint WINTER ebenfalls ein Opfer jener bereits angesprochenen Begriffsverwirrung (s. oben in Kap. 1 Anm. 246) geworden zu sein, denn es geht SCHNELLE nicht um eine vormk. Tradition, die für Joh 14,31c vorgelegen haben könnte. Er nimmt vielmehr einen direkten literarischen Einfluß des MkEv an (Abschiedsreden 71 f)! Wenn sich im Zuge eines solchen Nachweises als Voraussetzung ergibt, daß Mk 14,42 redaktionell ist (WINTER, Vermächtnis 245 Anm. 13, fuhrt dies als weiteres Gegenargument an), so besagt dies nur, daß der Evangelist - betrachtet man diese Stelle - das uns jetzt vorliegende MkEv verwendet hat; zur Problematik eines DtrMk s. oben in Kap. 1 Anm. 214. 3 So p " , A, D, 0, 0250, / U 3 , ffi, lat, u. a., während V 75"" 1, X, B, C, L, W, 1241, pc u. a. TOOTO Eljiouaa lesen. 4 Vgl. DAUER, Passionsgeschichte 22.
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J o h 18,1-11
on stammt die Wegbeschreibung jxegav TOÖ X ^ E Ö KE&QCOV (negav 6,1.17; 10,40) 6 , die topographische Kenntnisse bewahrt hat 7 . Der nur in der Regenzeit (d. i. Winter; xei|ic8r| eig xö 0005 xwv eXoawv) fehlt. Eine solche genauere Ortsbestimmung verlangt bereits die uneigentliche Präposition jiegav, denn über die Ortsbestimmung des X E ^ Ö Q Q O U TOÖ K E 6 Q Ü ) V hinaus ist eine Zielangabe beispielsweise mit 8 1 5 zu erwarten (vgl. 6,17; 10,40) 9 . Diese Zielangabe ist im ÖJIOU rjv xrjjtog als dessen Präzisierung enthalten 10 und stammt deshalb ebenfalls aus der joh. Gemeindetradition. E L
0 U
5
5 SCHENK, rtSoenavi 577, denkt mit der Lokalisierung „primär (an; M. L.) eine an David erinnernde typologische Anspielung auf 2Sam 15,23". Sicherlich kann man dem Gedanken zustimmen, der König verlasse mit seinen Anhängern seine Residenzstadt (vgl. das unten auf Seite 318-321 Gesagte [Das Motiv des Königtums]). Völlig andersartig ist jedoch der in 2Sam 15,23 genannte Grund: Nachdem der Verschwörer Absalom den 3 1 ? der Männer Israels gestohlen hat (pi. 333; 15,6), wirkt der Aufstand (~1K)p) durchschlagend ( T B K V 12), so daß er resignierend akzeptiert werden muß (V 13 n r m ... Flucht ist jetzt vonnöten (nn"1331 =1131p), da es keine Rettung ( H ü ^ K1?) gibt. Nichts deutet aber darauf hin, daß der Evangelist solche Gedanken positiv oder negativ aufnimmt. Zudem scheint er an der Klärung der Frage, ob Jesus Davidide sei oder nicht (7,42; vgl. 1,45; 6,42; 7,27), nicht interessiert: Jesus nennt als der präexistente und inkarnierte Logos Gott selbst jtctrnQ nou (vgl. 1,1-18; 2,16; 5,17.43; 6,40; 8,19bis.49.54; 10,18.25.29.37; 14,20.21.23; 15,1.8.10.15.23.24; 20,17), der Vater sendet Jesus (5,23.37; 6,44.57; 8,16.18; 12,49; 14,24; 20,17), sie sind eine Einheit (10,30.38; 14,10; 17,11); vgl. 8,28; 10,17; 8,16.29; 16,32; 10,15. 6
V g l . DAUER, P a s s i o n s g e s c h i c h t e 2 3 ( m i t A n m . 8); g e g e n SABBE, A r r e s t 2 0 5 f .
7
Zur textkritischen Entscheidung zugunsten des undeklinierten TOÖ KE&QWV vgl.
BULTMANN, J o h a n n e s 4 9 3 f A n m .
7 , BARRETT, J o h a n n e s 4 9 9 f , D A U E R ,
Passionsgeschichte
23 Anm. 7. Zu den Parallelen bei Josephus: Ant VIII,1,5 §17 ((AR] SiaßaivEiv xöv XEIHÖQgouv Kt&gajva), wo der Bach als Grenzmarkierung für Semei dient, Ant IX,7,3 §151 ('Iw6ag &E xaXiaac, totic; EJCCXTOVTOIQXOUC; ixzXtvozv aütoüc; d n a y a y ö v r a ; ti|v '06>aav Et. 5 xi|v (PÄGAYYA tr|v KESQUVOC, ÜVE^ETV av)ir|v EXEL) a l s O r t , w o j e m a n d g e t ö t e t w i r d , B e l l V , 2 , 3
§70; V,4,2 §147; V,5,l §254; VI,3,2 §192 (cpapayyi [ßaetiq]) als Bezeichnung einer (tiefen) Schlucht, Bell V,6,l §252; V,7,3 §303; V,12,2 §504 als allgemeine Ortsangabe. 8 BRODIE, John 525, deutet 18,1 mit 13,1.3 im übertragenen Sinn und meint: „It is as though, in this verse o f the passion narrative (18:1) as in the first verses o f the final discourse (13:1,3), the evangelist wanted to give a summary o f aspects o f the process o f going forth from God and going back to God - o f .going out' to the wintery reality o f death, and o f .going in' to life-giving union with the Father." 9 Vgl. dazu die textkritische Variante in J o h 6,1, die tfjc; TaXiXaiag tig toi HEQO trig TipEQiäSog (D, 0 , 892, pc, b, e, j, r1) liest, wobei jedoch die Entscheidung zugunsten der lectio difficilior mit ihrem doppelten Genitiv fallen wird; SCHNELLE, Christologie 114; gegen SCHNACKENBURG, Johannesevangelium II 16f, der mit Hilfe von 21,1 einen sekundären Bearbeiter annimmt. 10 Vgl. BAUER, Wörterbuch 1297. Diese Beobachtung läßt sich noch dadurch untermauern, daß im ÖJIOU nicht nur die Frage ,wo?', sondern auch .wohin?' steckt, denn „im
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
Traditionsgeschichtlich ist der Ausdruck jcrjnoc; bei Johannes einzig auf den PB beschränkt (18,1.26; 19,41)". Der Evangelist kennt zwar den Begriff X.8£v das vorangegangene niqav auf. Die als bloße Aufzählung 1 3 zu verstehende Wendung aütög xai oi n«örixai aijtoß ist joh. Tradition nicht fremd (2,12; 4,53; vgl. 4,12). Z u s a m m e n f a s s e n d s t a m m t bis a u f das redaktionelle t a u t a e'ijtcüv der ge-
samte V 1 aus joh. Gemeindetradition 1 4 . J o h 18,2 führt V 1 weiter, indem töv t o j t o v auf iteoav toü x e i t 1 o ; 6 6 o u T ° 0 K e 8 o w v ojtoij rjv xfjjtog zurückgreift. Dieser zuvor beschriebene Ort erfahrt nun eine weitere Präzisierung, die mit der kausalen Konjunktion öti eingeleitet und durch das joh. Hapaxlegomenon TtoAAcmg (auvrixB'l 'Itjooßg (iera tcöv na0r|Tü)v aüxoö) charakterisiert wird. A. Dauer 1 5 betont zu Recht, daß
N T ist der Unterschied ganz verschwunden" ( B D R §103); vgl. beispielsweise J o h 14,3 mit der Bedeutung ,wo' und 14,4 mit der Bedeutung .wohin'. Neben der hier primär zu verwendenden Ortsbestimmung kann also öjiou die in jtEoav angelegte Zielbestimmung aufnehmen. 11 Überlegungen, wonach unter xrjjiog eine Anspielung auf das Paradiesmotiv anzunehmen wäre (WYATT, Gardener 31 Anm. 29, THYEN, Erzählung 2042 mit Anm. 46 [2042f], BRODIE, J o h n 524f, vgl. HEIL, B l o o d 17), scheinen verfehlt, da Jesu Verhaftung kaum etwas mit einem paradiesischen Zustand gemein hat (zum Verweis auf 19,41 vgl. unten Anm. 765). 12 D a ß die joh. Traditionsmaterialien den Namen TEOormavi nicht haben, könnte darauf zurückzuführen sein, daß die Bedeutung dieses Wortes für sie unverständlich war (vgl. GNILKA, Markus II 258), während die Hebraismen ansonsten übersetzt werden 0 o h 19,13.17); gegen REINBOLD, Bericht 139, der öjiou rjv xfjjro? für redaktionell hält und im Urbericht des mk. PB eine präzisere Fassung vermutet; SABBE, Arrest 206f. 13 DAUER begründet den redaktionellen Charakter damit, Johannes habe deshalb erneut eingesetzt, „ u m betont die Aktivität Jesu zu unterstreichen" (DERS., Passionsgeschichte 24 [z. T. kursiv im Original]). Obwohl er zweifelsfrei einen wichtigen Zug joh. Theologie benennt, verkennt er d o c h den bloßen Aufzählungscharakter, den dieser Halbvers traditionell hatte und erst redaktionell in diesem theologischen Gesamtkonzept bekommt; vgl. dazu das unten auf Seite 311-314 Gesagte (Das Motiv der Freiwilligkeit); gegen SABBE, Arrest 207. 14 Tradition aus der Quelle: SCHNIEWIND, Parallelperikopen 32f, FORTNA, Gospel 114, DAUER, Passionsgeschichte 24 (jedoch mit leichten redaktionellen Überarbeitungen), ONUKI, Abschiedsreden 239, SCHMITHALS, Johannesevangelium 405; gegen HIRSCH, Studien 118, der Kirchliche Redaktion annimmt.
Joh 18,1-11
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in J o h 1-17 noXXäxic, nicht erwähnt wird und daher Tradition vermutet werden kann. Zudem bezieht sich exet nicht nur auf xöv tojiov, sondern auch auf V 1 zurück. Der Evangelist bindet so 'Iou∾ 6 jiocQa5iÖoi)5 aüiöv an, der u m diesen Garten weiß (fiöei), in dem sich die folgende Verhaftungsszene ereignet (V 3). Neben diesen inhaltlichen Perspektiven fallen auch folgende sprachliche Eigentümlichkeiten auf, die auf joh. Traditionsgut schließen lassen. Der Name 'Ioü&ag o jtocQa&i&oüg cojtöv ist eine feste Wendung (vgl. 6,71; 12,4; 13,2.26.29; Mk 3,19 par. Mt 10,4; Lk 6,16 allerdings mit jiaQa&oxns; Mk 14,10 par. Mt 26,14f; Lk 22,3f; Mk 14,18 par. Mt 26,14; Lk 22,21; Mt 27,3; Lk 22,47f; Apg 1,16). Sowohl noXkäxic, (vgl. Lk 22,39 xara to eöoq 21,37) als auch ouvayo(iai16 sind jeweils Hapaxlegomena und verweisen ebenfalls auf Tradition. Endlich kann auch ¿xel |i£xä mit Gen. ein Hinweis sein, da diese Wendung nur hier und in V 3 belegt ist17. Auch J o h 18,2 entstammt daher joh. Gemeindegut, das vom Evangelisten ohne weitere Bearbeitungen übernommen wurde 18 . Die Verarbeitung des traditionellen Materials an dieser Stelle wirft zugleich ein Licht auf die Kompositionsarbeit des Evangelisten. Jener stellt in 18,4 nicht nur das wunderbare Vorherwissen Jesu dem Wissen des Judas gegenüber, sondern er will zugleich auf J o h 11,57 zurückverweisen. Das zusammengetretene Gremium formuliert Anordnungen: Wenn jemand u m den Aufenthaltsort Jesu weiß, soll er es anzeigen, damit Jesus gefaßt werden kann. Judas ist jener Tic;, der die nötige Auskunft geben kann, um die evxo?q umzusetzen. Einerseits kann Judas aufgrund seines Wissens also durchaus aktiv den synedrialen Beschluß umsetzen helfen, andererseits grenzt der Evangelist Wissen des Judas in V 4 überdeutlich von Jesu Wissen ab, der der eigentlich Handelnde ist19. Die historischen Hintergründe, ob Judas auf die in Joh 11,57 genannten Anordnungen (¿vxo/.ai) reagierte, sind kaum mehr aufzuhellen. Sein Jnsiderwissen' prädestiniert ihn ohne Frage. Eine Stelle aus Josephus (Ant XV,6,6 §187) 15 Passionsgeschichte 25 f, gegen SABBE, Arrest 208-211. 16 Es ist beachtenswert, daß ouväyfa) in J o h 4,36; 6,12.13; 11,47.52; 15,6 vorkommt. 17 Die Stellen aus J o h 3,22; 6,3; 11,54 haben ixü mit Verb (3,22 SiETQißtv; 6,3 Exöt0r)to; 11,54 e'ueivev) mit yttct mit Gen. 18 DAUER, Passionsgeschichte 2 4 - 2 6 , bedenkt das Problem umfassend, entscheidet sich dann aber für joh. Tradition; vgl. BULTMANN, Johannes 494, FORTNA, Gospel 114f, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 250, ONUKI, Abschiedsreden 239; gegen FlNEGAN, Uberlieferung 44, der Tradition aus Synoptikern vermutet; Redaktion nehmen ONUKI, Abschiedsreden 241 (für V 2a), und SCHMITHALS, Johannesevangelium 406, an. 19 Diese Beobachtung hat wichtige Konsequenzen für die Frage, wo die eigentliche Verhandlung Jesu vor dem Synedrium im J o h E v zu finden ist; vgl. dazu das unten auf Seite 8 8 - 9 2 Gesagte (Joh 18,13-14: Die Überstellung Jesu zu Hannas) zu J o h 18,13 mit Anm. 120. Ferner für den soeben aufgezeigten theologischen Zusammenhang das unten auf Seite 311-314 Gesagte (Das Motiv der Freiwilligkeit).
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse ist diesbezüglich aufschlußreich, auch wenn sie kein direkter Beleg für eine Denunziationspflicht ist: Bevor Herodes d. Gr. zu Octavian nach Rhodos reist, erläßt er Anordnungen (¿vroXai): Sollten seine Vertrauten, Joseph und Soemus, erfahren, daß ihm etwas zugestoßen sei, sollten sie Alexandra und Mariamne töten, um seinen Söhnen und seinem Bruder die Herrschaft zu sichern. Wenn der König selbst solche Anordnungen erläßt, dann ist solches hinsichtlich des Synedriums für den Prozeß Jesu kaum wahrscheinlich 20 . J o h 11,57 könnte aber möglich sein, wenn solche EvtoXai in direktem Zusammenhang mit der sog. Voruntersuchung (aväxgim?) gestanden hätten, da letztere dem Synedrium möglich gewesen sein kann. Wie dieser Zusammenhang konkret ausgesehen haben mag, ist freilich nicht mehr zu klären. Es wird auch nichts davon gesagt, daß Judas von diesen Anordnungen erfuhr und sein Insiderwissen auf Grund dessen zur Verfügung stellte.
J o h 18,3 eröffnet die Verhaftungsszene, i n d e m J u d a s d a s in letzter K o n s e q u e n z u m z u s e t z e n sucht, was sich hinter ö jtccQaöiöoug aiiiöv (V 2) verbirgt. D i e V o r b e d i n g u n g e n werden durch das Xaßcov21 geschaffen. Traditionell d ü r f t e auch die Vorstellung sein, J u d a s sei als treibende Kraft in dies e m Verfahren insoweit aufgetreten, als er g e g e n ü b e r der jüd. Obrigkeit aus der J ü n g e r s c h a r heraustritt 2 2 , u m sich ihnen anzubieten. Z u d e m legt der traditionelle Z u s a m m e n h a n g mit J o h 18,2 nahe, daß J u d a s a u f G r u n d seines W i s s e n s in der Lage war, weitere Schritte in die Wege zu leiten, die zur E r g r e i f u n g J e s u f u h r e n (vgl. J o h 18,2 noXXccxig; L k 22,39 xcaa rö eOog; vgl. Lk 21,38; M k 14,10 par. M t 26,14f; Lk 22,3f; vgl. J o h 11,57) 23 . D i e s e sich hier a b z e i c h n e n d e Tradition setzt sich in ex r&v ¿Qxiegeojv x a i ex twv aQiaaicov ÜTCtigexa? inhaltlich fort. Auffallig ist der Plural ex twv aQxiegeuv, der v e r m u t e n läßt, d a ß er als Titelbezeichnung für alle die diente, die je-
20 Vgl. zu weiteren Einzelheiten das unten auf Seite 129-131 Gesagte. 21 Aafiüv als Pleonasmus kommt wie (jjequv (19,39) nur hier vor und spricht für Tradition; vgl. B D R §419,1 mit Anm. 1, wo nur noch Mt 25,1 (vgl. Mt 26,47) angeführt ist; DAUER, Passionsgeschichte 28; gegen SABBE, Arrest 212f, der 12,3; 13,4 anfuhrt, um die Bedeutung ,mit' als joh. Sprache auszuweisen. Er übersieht jedoch, daß in 12,3 (Xaßoöoa) kein Pleonasmus vorliegt. Auch in 13,4 (Aaßuv) ist eher von einem Ptz. Aor. auszugehen; vgl. B D R §339,1. 22 Vgl. elg (ix) töv bubtxa Mk 14,10 par. Mt 26,14; Lk 22,3; vgl. J o h 6,71; Mk 14,43 par. Mt 26,47; Lk 22,47; vgl. Mk 14,18 par. Mt 26,21; Lk 22,21 lediglich mit d g ix; in Joh 20,24 von Thomas. - Wie sehr die Wendung Jtagabi&oug amov bereits zur Formel erstarrt ist, zeigt Joh 18,1 ff, denn im Gegensatz zu den Synoptikern fehlt das entscheidende Auslieferungskennzeichen, der Judaskuß. 23 Doch dürfte es unwahrscheinlich sein, daß sich diese Aktivität auch auf das Anwerben eines Söldnerheeres bezieht, wie dies Soph Trach 259 durch eine ähnliche sprachliche Wendung suggerieren könnte: „Als er abgebüßt, / wirbt er ein Söldnerheer und fuhrt es vor die Stadt / des Eurytos" (Ubers. WILLIGE, Sophokles 177 [dXA.' 88' cryvöc; rjv, / oioatöv Xaßüv ejicoctöv egxEtai TtöXiv / tr|v Euoumav]); vgl. BARRETT, Evangelium 501, der meint, „daß Judas als Führer diente".
Joh 18,1-11
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mals für ein Jahr Hohepriester waren. Zur Konkretisierung des jeweils amtierenden Hohepriesters wird der Singular gewählt (vgl. J o h 11,49.51; 18,13 ¿QXie@eiJ5 cov tou eviautou mit V 47 oi ¿Qxieoetg), wobei er dann den Titel ö dQXLEoeij^ (18,24) führt und zugleich über oi Ö0CA.01 verfügt (18,10.26; vgl. 18,3)24. J o h 7,32.45; 11,47.57 legt nahe, daß Johannes ex twv dgxiEQEtov xai ex tojv aoioaio)v im Sinne einer Behörde verstanden hat, so daß Redaktion vorliegt 25 . Mit eqxetcci exei ^et« twv cpavwv xai Xaujra&uv xai öjtXtov ist traditionelles Gut aus seiner Gemeinde wiedergegeben, was auf Grund des exei nEtd mit folgendem Genitiv (18,2) und durch die Synonyma zum mk. HaxaiQwv xai |uX(ov als joh. Hapaxlegomena (cpavog A-anjidg öjiXov) angenommen werden kann 26 . Bisher war die Frage, wozu r) (metoa gehört, bewußt ausgeklammert worden, um zunächst das relativ unumstrittene Material zu sichten. Das Problem kann mit folgenden Fragen formuliert werden: Ist anzunehmen, daß ojtEiQa dem Evangelisten vorgelegen hat? Wenn nein, warum fügte er sie hier ein27? Es scheint schwer vorstellbar, daß in einem traditionellen Bericht eine anetoa (ca. 500 Mann) angesichts des in 18,1 genannten xrjjiog gestanden hat. Die dafür nötige Hypothese läßt sich nicht verifizieren 28 . Wird die Frage bejaht, so muß gefolgert werden, daß ein röm. Verhaftungskommando den Verhafteten zuerst (!) einer nichtröm. Behörde überstellt 29 , die im juristisch strengen Sinne überhaupt keine exekutiven Möglichkeiten besitzt 30 , u m sich dann solange zurückzuziehen, bis sie im eigentlichen
24 Vgl. das unten auf Seite 8 8 - 9 2 Gesagte (Joh 18,13-14: Die Überstellung Jesu zu Hannas). 25 Vgl. BULTMANN, Johannes 231 mit Anm. 7, SCHNACKENBURG, Johannesevangeliu m III 251. 26 Von diesen Gerätschaften ist öjiXov wohl die in ihrer Bedeutung am unspezifischsten, meint sie doch etwa in Röm 6,13 allgemein jedes Werkzeug z u m Tun der d 8 i * i a bzw. der bixcaoaüvri. Fackeln (^anJiot&E?) verwendete man u. a. bei nächtlichen Aktivitäten (vgl. Ri 7,16.20: Gideons nächtlicher Überfall auf die Midianiter; LXX: XanJtäSEQ MT: •"'"PS 1 ?; vgl. J o s Bell VI, 1,3 §16 tidoo£/.06vt££ uttd Xannäbwv). 27 Bereits BAUER, Kritik III 261, verleiht dieser Frage beredten Ausdruck: „Eine ganze Cohorte! Der Vierte kennt aber kein menschliches Maaß, mit Einem Pfund Narde salbt Maria die Füße des Herrn, mit hundert Pfund Specereien wird der Leichnam Jesu einbalsamiert!" 28 BLINZLER, Prozeß 94, meint, daß „die Gegenüberstellung (der oittTga und der üjiriQETai; M. L.) nicht mehr zu besagen braucht als dies, daß die Speira im Gegensatz zu den .Dienern' nicht v o m Verhandlungsort des Synedriums aus zur Verhaftung aufgebrochen ist und nicht aus .Dienern' = Gerichtsdienern des Synedriums bestand"; vgl. BULTMANN, Johannes 493, DAUER, Passionsgeschichte 27, BROWN, Death I 249f. STIBBE, Storyteller 170, hält örtETga für historisch. 29 BLINZLER vermutet, daß in J o h 18,12 „die Speira mit dem chiliarchos und ,die Diener der J u d e n ' Jesus ergriffen und gefesselt zu Annas abgeführt" habe (Prozeß 126). 30 Vgl. dazu das unten auf Seite 129-131 Gesagte.
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2. R e d a k t i o n s g e s c h i c h t l i c h e A n a l y s e
Hinrichtungsgeschehen wieder auftreten 31 . Zur Klärung dieses Problems gibt das MkEv auch wichtige Hinweise: In Mk 15,1632 wird Jesus durch die Soldaten in das Prätorium gefuhrt, um dann von der aneioa verspottet zu werden. Diese Verspottungsszene 33 fällt vor allem durch die kniefällige Proskynese (15,19 tlBevte^ tg: yovuxa jtQocrexuvouv oojtcö) auf. Johannes hat demnach onEiga tiöevtec; t a yovuta Ttoooexüvcnjv aüxw aufgenommen und insofern in seinem Sinne neu interpretiert, als er nicht nur die kniefällige Proskynese auf die ojreiga bezieht, also die mk. aToaTiwTca ausblendet, sondern auch die sprachliche Wendung mit eneoav ya^iai (Joh 18,6) wiedergibt. Die Proskynese erfolgt hingegen bei Mk im Gefolge der Spottzeremonie und damit in einem .uneigentlichen Zusammenhang', während sie im J o h E v als gültiger Ausdruck auf das hoheitliche gyco siui verstanden wird und daher in ihrem .eigentlichen Zusammenhang' erscheint 34 . Ist also der traditionelle Charakter der joh. aneioa aus Mk 15 richtig ermittelt, dann sollen nun anhand einiger Forschermeinungen die eben genannten Problemkreise weiter erörtert werden, um den theologischen Sinn dieser redaktionellen Gestaltung bestimmen zu können. Vielfach wird die Frage verneint, daß dem Evangelisten die orteloa vorgelegen hätte, und R. Bultmann 3 5 formuliert die wohl prägendste Antwort: „Für den Evglisten aber, der die zur Verurteilung fuhrende Verhandlung vor dem Synedrium gar nicht, das bei den Synoptikern nur kurz berichtete Verhör durch Pilatus aber sehr ausführlich erzählt, beruht das Interesse auf dem Gegenüber von Jesus und dem römischen Staat; deshalb beteiligt er diesen schon an der Verhaftung. [...] Sie [röm. Militär und Diener; M. L.] kommen, wie der Leser weiß, um Jesus zu verhaften; und damit kommt, wie der Leser gleich-
31 Zur sekundären Einfügung der Römer HAENCHEN, Historie 61, der allerdings eine andere Verortung in der joh. Theologie vornimmt. 32 Zur Analyse s. GNILKA, Markus II 306-308, PESCH, Markusevangelium II 468-474. Zur Verbindung von J o h 18,3 mit M k 15,16 vgl. SABBE, Arrest 214, REINBOLD, Bericht 143, wobei REINBOLD bereits hier die ganze Aporie seiner Arbeit demonstriert, indem er diese Verbindung zu M k 15,16 nur mit Hilfe seines hypothetischen, neunszenigen Urberichts erklären will. Die Tatsache, daß auch J o h 18,4-11 die aneTga noch im Blick haben, kann er dann freilich nicht mehr erklären! 33 Die Einzelelemente sind: Purpurmantel (Mk 15,17 ev&i&üojcouoiv aijiöv hoq(ptjgav) und Tragen einer geflochtenen Dornenkrone (15,17 jtEQiTiÖtaoiv auxü rikt^avzic, ajiäv9ivov otEipavov), Spottrufe (15,18 doitd^EOÖai' x^iQi, ßacH>.tü r ö v 'Iou&aiwv), Stockschläge (15,19 etiottov cojtoü tt]v jcE(pctW|v jcaAdnu) und Bespeiung (15,19 EVEJttuov aütüj). 34 Diese .Korrektur' des traditionsgeschichtlichen Hintergrundes seitens des J o h E v ist im übrigen keineswegs neu. Mt 27,29 löst tiefsinnig den mk. xüXanoc; aus dem Mißhandlungsgeschehen, u m ihn deutlicher den Königsinsignien zuzuordnen, vgl. GNILKA, Markus II 306, PESCH, Markusevangelium II 473, GNILKA, Matthäusevangelium II 464. Es ist dabei zu beachten, daß sich M k 15,19a redaktioneller Tätigkeit verdankt (DORMEYER, Passion 189, GNILKA, Markus II 306; gegen PESCH, Markusevangelium II 464). 35 Johannes 493f.
Joh 18,1-11
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falls weiß, der Ä G / W V TOU xoo|iou (14,31) - der doch nichts gegen Jesus ausrichten kann." Nach J o h 12,31; 16,11 ist der Ä G X W V TOU X O O U O U schon gerichtet 36 . Zugespitzt kann R. Bultmanns Meinung etwa wie folgt formuliert werden: Der gerichtete ÖQXCOV TOU XOCJ^OU steht Jesus in Gestalt der TJJNIQEXCA und der ojtEiQa gegenüber. Gerade die letzte Hälfte dieses Gedankens, die Repiäsentanten des jcoanog richten sich gegen Jesus, wird etwa von A. Dauer37 fortgeführt: „Hier aber, zum erstmöglichen Zeitpunkt, läßt der Evangelist den gottfeindlichen Kosmos in seiner ganzen Größe auftreten: Juden wie Römer sind der Kosmos, Juden wie Römer, die ganze gottabgewandte Welt, sind die Gegner und Feinde Jesu, die sich zu seiner Vernichtung aufmachen." Vollends in die Richtung der bei R. Bultmann angelegten und von A. Dauer als erstes gezeigten Argumentation neigt sich die Waage bei W. Reinbold 38 , der vornehmlich mit Hilfe des zweiten seiner drei Gründe den redaktionellen Charakter belegen will: Johannes habe die Absicht, „Jesus mit dem Kosmos insgesamt zu konfrontieren" 39 . Gegen diese Auffassung, die oiteioa sei als Repräsentantin des gottfeindlichen Kosmos anzusehen, sprechen aber folgende Beobachtungen: 1) Eine solche Bedeutung kann der Evangelist dem Wort 'Iou5aIoi in J o h 3,3.31; 8,23 zulegen. Diese Stellen zeigen aber einen Bedeutungsaspekt als Teil eines großen Spektrums, das der Evangelist mit 'Iouöatoi verwendet 40 . 2) Ein solch breites Spektrum kommt für oitelo« schon deshalb nicht in Frage, weil nur zwei Belege (18,3.12) zu verzeichnen sind. 3) Auch die Tatsache, daß es sich um eine röm. Kohorte handelt, ermöglicht diese Deutung nicht, denn auch Pilatus ist eher als unsteter Philosoph denn als Repräsentant des gottfeindlichen Kosmos gezeichnet. Anhand von J o h 2,6; 4,50; 5,5; 6,10; 9,1; 11,39; 12,3; 18,3; 19,39 ist jedoch ein plausibler theologischer Rahmen benannt, der vom Evangelisten
36
Vgl. BULTMANN, J o h a n n e s 3 3 0 : „Seit diesem J e t z t ist d e r . F ü r s t dieser W e l t ' ge-
r i c h t e t (16,11) u n d das Schicksal des M e n s c h e n ein definitives g e w o r d e n , je n a c h d e m , o b sie d e n Sinn dieses J e t z t erfassen, o b sie g l a u b e n o d e r n i c h t ( 3 , 3 6 ; 5 , 2 5 ) . " 37
Passionsgeschichte 2 7 . Diese H a l t u n g relativiert er (ebd.) zwar, da die R ö m e r v o r
allem im V e r h ö r des Pilatus in e i n e m positiven L i c h t erscheinen würden, eine V e r h a f t u n g also s c h l e c h t in dieses Bild passe, er hält aber seine Aussage diesbezüglich aufrecht. 38
B e r i c h t 142f. D e r erste G r u n d sei „die T e n d e n z z u r K o n k r e t i s i e r u n g der Traditi-
o n " (REINBOLD, B e r i c h t 142) u n d der dritte die Tatsache, d a ß die R ö m e r erst wieder in J o h 19,2 auftreten u n d d o r t ihren Platz habe. E s m a c h t logisch in der Tat wenig Sinn, das g r a m m a t i k a l i s c h e Subjekt für 1 8 , 2 8 (ciyoucuv) angesichts des i v a (ir| (jiavScöoiv
ak'ha
(pay-
u o i v t ö J i ä a x « a u f 18,12 ( 1 8 , 3 ) zu beziehen; vgl. BULTMANN, J o h a n n e s 4 9 3 A n m . 2, m i t s e i n e m Hinweis a u f j o h 18,18. 39
REINBOLD, B e r i c h t 142. Vgl. dazu HEIL, B l o o d 19: D i e a i m g a „ f u n c t i o n s as hy-
p e r b o l i c i r o n y t o exaggerate t h e violent strength o f t h e diabolic forces o f u n b e l i e f Coming against J e s u s with w e a p o n s . " I h m folgt zuletzt a u c h MOLONEY, G o s p e l 4 8 3 . 40
Z u dieser Darstellung aus Sicht des P B vgl. das u n t e n a u f Seite 3 3 8 - 3 4 0 Gesagte
( D i e 'Iou&aloi).
70
2. R e d a k t i o n s g e s c h i c h t l i c h e A n a l y s e
- sei er traditionell vorgegeben oder redaktionell verstärkt - theologisch verwertet wird41. Bei der Analyse lassen sich zwei Schwerpunkte ermitteln, die wichtige Aussagen über die Christologie ermöglichen 42 . Zunächst ist auf die stetige Steigerung des Wunderhaften innerhalb der Wundergeschichten hinzuweisen. In 2,6 zeigt sich in Jesu Auftreten und Handeln, daß er zu der ihm gesetzten Stunde (2,4) Wein (Lebensüberfluß) im Überfluß gewährt. Diese Verbindung (Kreuzestod und überreiches Handeln) setzt sich in 4,46b~54 dergestalt fort, daß sein Wunderhandeln an Menschen sich grundsätzlich erst aus Kreuz und Auferstehung erschließt (Joh 2,17-22). Zugleich bleibt der überzeichnende Zug in Form der Fernheilung erhalten. Die an Israels Wanderschaft in der Wüste erinnernden 38 Jahre vor dem Einzug ins Gelobte Land (Dtn 2,14) verstärken die Größe des Wunders: Beinahe eine ganze Generation lang mußte der Lahme warten, ehe er jetzt .gelobtes Land betreten' d a r f 3 . Jedoch wird das Wunder mit einem Sabbatkonflikt verknüpft und gewinnt durch die Tötungsabsicht der Gegner Jesu (Joh 5,16.18 vgl. 7,1.19.25.30; 8,37.40) eine kreuzestheologische Perspektive, die in 11,47-57 ihre schärfste Zuspitzung erhält. Die übermäßig große Zahl (6,10 (bc; xtEvtaxioxi^ioi) der Hungrigen will Jesus nach diesem Wunder zum Brotkönig ausrufen (6,15), jedoch ist Jesus nach 12,13; 18,33-19,22 der sterbende König, der sich in seinem Sterben der Welt als Brot des Lebens gibt (6,51 c-58). Das Kap. 9 (9,1 tucpA.öv ex yevexfji;) benennt mit der Blindenheilung (9,7) jenen Konflikt (vgl. V 22.30-34), der auch im Tötungsbeschluß des auferweckten Lazarus (11,39.44.47-57; vgl. 12,10) erkennbar ist: Der, der wunderbar an Kranken handelt, muß jetzt selbst den Weg vom Leben zum Tod gehen (18,1; vgl. 19,40; 20,6f). J o h 12,3; 19,39 verändern nun die Sichtweise derart, daß Jesus selbst Objekt übermäßiger Zuwendung wird, um so den zweiten Schwerpunkt zu benennen. In positiver Weise rahmt der Evangelist mit den Angaben JITQUV (12,3) bzw. cög Xitga^ exaxov (19,39) den zweiten Teil des J o h E v kreuzestheologisch: Erfahrt der lebende Jesus übertriebene Zuwendung - sie bildet sein Sterben vorab (12,7) - in Gestalt der Salbung mit ca. 330g kostbarster Salbe, so geschieht ähnliches (ca. 33kg) bei seinem Begräbnis zur Bewahrung vor dem Leichengeruch 44 . In diesen Rahmen stellt der Evange41 Vgl. ausfuhrlicher das unten auf Seite 308-311 Gesagte (Das Motiv der Hyperbel). 42 Z u m Zusammenhang der Anthropologie und der Wunder vgl. VON LlPS, Anthropologie passim (bes. 298-311), der auch in dieser Hinsicht eine absichtsvolle Gestaltung überzeugend nachweist. 43 Zu Belegen vgl. FREY, Eschatologie II 158f. 44 Zu wohlriechenden Grabutensilien vgl. J o s Bell 1,33,9 §673; Ant XV,3,4 §61; XVII,8,3 §199; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 349, versteht h'lyhc* als Gewürzmischung (vgl. SENIOR, Passion 132, SCHENKE, Johannes 364), die nichts mit einer Olsalbung, etwa nach ägyptischer Mumifizierung, gemeinsam habe, sondern vor Leichengeruch
J o h 18,1-11
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list nun 18,3 mit der crjieiga ein übertriebenes Gegenstück, das zudem vordergründig keine positiven Implikationen hat, da die ca. 500 Mann ja zu Jesu Verhaftung aufgetreten sind. Hintergründig entfaltet sich im änfjXBov sie, xd öjxiow xai emoav x a ^ a i (18,6) joh. Theologie, denn wenn auf Jesu eyeb eint das ganze Verhaftungskommando zu Boden stürzt, so wird dies als die dem Menschensohn zukommende Anbetungsgeste angedeutet (vgl. jiqooxuvecö im Zusammenhang mit jtuitcü J o h 9,38; 12,20; 4,20-24; Mt 2,11; 4,9; 18,26; A p g 10,25; IKor 14,25; O f f b 4,10; 5,14; 7,11; 11,16; 19,4.10; 22,8 u. ö.) 45 . Das bedeutet, daß derselbe hoheitliche Jesus, der sich in Kap. 2 - 1 1 als der überreich in bedrückender Entbehrung Schenkende präsentierte, sich jetzt, nach maßloser (Toten-)Salbung, einem von einem xikiaQX 0 ^ kommandierten Soldatenheer ( o t t e l o o ) von ca. 500 Mann mit ijjtr|0£xai gegenübersieht. Der Weg Jesu in den Tod beginnt im eigentlichen PB (18,lff) mit einem zahlenmäßig gewaltigen Verhaftungskommando 4 6 . J o h 18,3 erweist sich daher als redaktionelle Überarbeitung joh. und mk. Traditionsmaterialien 47 . Mit J o h 18,4 beginnt ein redaktionelles Stück, das nicht nur durch einen deutlichen Subjektwechsel eingeleitet wird, sondern auch das joh. ouv historicum aufweist. Die Formulierung eiöwc; (nävza vi soxö^rva 48 ; vgl. ol6a 78mal und sechsmal in Kap. 21) stammt ohne Zweifel aus der H a n d des Evangelisten (Joh 6,61; 13,1.3; 19,28; vgl. l,47f; 2,24f; 4,17f; 6,6; 11,11; bewahren wolle und ein Ausdruck der Ehrerbietung sei; vgl. KARRER, Gesalbte 202 (mit Anm. 155 Lit.) und allgemein zu den Grabbeigaben in hellenistisch-kaiserzeitlichen Riten DERS., Gesalbte 199-201. 45 Z u m atl. Hintergrund vgl. unten Anm. 831. - Allzu historisierend und wenig überzeugend die Deutung HERDERS, Sohn 339 (z. T. gesperrt im Original): „Bestürzt wich auf sein unbefangenes Darbieten: ,der bin ich!' zuerst der Haufe des Gesindels zurück und im Gedränge stürzten einige zu B o d e n " (gesperrt im Original); ZAHN, Johannes 618: „Sie weichen zurück und fallen zu Boden, selbstverständlich nicht der ganze nach Hunderten zählende Haufe, sondern die, welche die Antwort gegeben hatten, die voranstehenden Führer, etwa die Befehlshaber der jüdischen Polizeimannschaft, cf. Lc 22,52." 46 Perspektivisch wird freilich mit der heidnischen oireiga unter ihrem x ^ i a g x o g etwas erkennbar, was in J o h 4,23a mit oi öt>.r)8ivoi jigoajiuvrixoi (vgl. öga-Gedanke!) formuliert war. Jetzt kommen die ersten in gewaltigen Massen und erfüllen väterliches tjryiio) (4,23b), das jedoch in seiner ganzen universalistischen Breite erst durch den Statthalter, Pilatus, in 19,22 schriftlich besiegelt wird. 47 Tradition aus der Q u e l l e vermuten: FORTNA, Gospel 115, DAUER, Passionsgeschichte 29 (jedoch mit redaktioneller Überarbeitung), SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 251, DODD, Tradition 74, SCHMITHALS, Johannesevangelium 405 (V 3b); gegen SCHWARTZ, Aporien I 352, SPITTA, Johannes-Evangelium 3 5 9 - 3 6 2 , die spätere Bearbeitung annehmen. BULTMANN, Johannes 494, SABBE, Arrest 215 (unter Rückgriff auf Synoptiker), SCHMITHALS, Johannesevangelium 406 (V 3a), nehmen Redaktion an. 48 Z u m redaktionellen Verweis auf Früheres vgl. J o h 1,30; 6,65; 13,33; 15,20; 16,15; dazu BULTMANN, Evangelium 151 Anm. 11.
72
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
12,27) 49 , d e n n sie b e n e n n t mit Jesu w u n d e r b a r e m Vorherwissen ein zentrales, kreuzestheologisch ausgerichtetes joh. T h e o l o g u m e n o n . U n ü b e r s e h b a r setzt J o h a n n e s d e m rjÖEL 'Iouöag xöv tojiov das 'IricroCg eL&wq rtävra xd eqXO^Eva gegenüber: J u d a s hatte sein Wissen aus der häufigen Z u s a m m e n k u n f t (jxoXXcixi^ crvvayonai) gewonnen, u n d k o n n t e so die Auslieferung Jesu einleiten. G e w o h n h e i t e n bilden also für ihn den Ausgangspunkt, ähnlich wie es den Eltern des Blindgeborenen ergeht. Deren Wissen basiert auf d e m Unverrückbaren (9,30 ouxo^ eotiv 11105 r] (iwv) u n d d e m Gewöhnlichen (9,20 TucpA.05 eyevvriBri), d e m der Heilungsvorgang als das Außergewöhnliche kontrastierend zugeordnet wird u n d deshalb ihre Furcht vor den 'IouSaToi mit der Konsequenz des ajioauvaywyo^ yevrixoa b e g r ü n d e t (9,22). Jesu Wissen hingegen 5 0 unterliegt deutlich anderen Strukturen, es wird in besonderer Weise thematisiert, wenn es etwa in 8,14 u m die doppelte Perspektive geht: Es sagt nicht n u r etwas ü b e r sein jt68ev (positiv in 7,27f; 8,14; in Unwissenheit 9,29; als Frage 19,9; vgl. 3,8; 4,11), sondern auch über sein üjtdyw (7,33; 8,14.21bis; 13,3.33.36bis; 14,4f.28; 16,5bis.l0.17) aus. D u r c h den TtoBEv-Gedanken ist Jesu Wissen mit seiner bleibenden Gottheit (1,1; 5,18; 10,33; 20,28) v e r k n ü p f t , zu d e m das Wissen u m den Vater dazuk o m m t (8,19.54f; 9,29; vgl. 4,10.22). W e n n daher der Vater seinen S o h n schickt 51 , u m sein Werk zu t u n (4,34; 5,36; 17,4; 19,28), so weiß der S o h n nicht n u r u m dieses Werk, sondern er weiß auch, d a ß es am Kreuz mit texeXeoxo£i (19,28.30) abgeschlossen ist. Jesus stirbt als Wissender (vgl. 13,1.3; 18,4; 19,28) 52 . Deshalb erklärt sich d a n n auch die W e n d u n g jravxa xd eqX Ö u e v a als eine inhaltliche Ergänzung des auf das Kreuzessterben ausgerichteten Wissens Jesu 53 .
49
Vgl. DORMEYER, Ü b e r l e g u n g e n 227.
50 Zu diesem Gegensatz vgl. Horn II 11,485: die auf dem Olymp wohnenden Musen sollen verkündigen: „Göttinnen seid ihr, allgegenwärtig und alles erkennend; / Unser Wissen ist nichts, wir horchen allein dem Gerüchte" (Ubertr. RuPfi, Homer 65 [ecotete vüv |ioi]; u^tls yötg 8eai eote ji&qeote te 'lote te jravxa; rinetc; 6e xXeog oTov djioüouEv oüSe 11 1'6|iev). Vgl. auch Jos Ant VI,14,4 §347fj IX,4,3 §56. Zum Zusammenhang des Motivs des Vorherwissens mit dem der Freiwilligkeit vgl. das unten auf Seite 311-314 Gesagte (Das Motiv der Freiwilligkeit). 51 Vgl. dazu vor allem die Wendung 6 jrcm|>as he: 4,34; 5,24.30.37; 6,38.39.44; 7,16.28.33; 8,16.18.26.29; 9,4; 12,44.45.49; 13,20; 14,24; 15,21; 16,5 (vgl. 5,28; 7,18). 52 Vgl. SEESEMANN, 0I8« 121: „Insofern trifft ihn sein Todesschicksal als Wissenden". Einschränkend ist jedoch zu sagen, daß sich ein Schicksal schwerlich mit dem Motiv der Freiwilligkeit und des Vorherwissens verbinden läßt. Eine Schicksalswendung in anthropologischer Hinsicht ist jedoch in 19,30 (xETE^EOTai) anzunehmen, vgl. das unten Seite 235f Gesagte. 53 BECKMANNS (Funktion 193) Aussage bzgl. des Wissen-Motivs kann ich daher nicht zustimmen: „Er (Judas; M. L.) wird also auf ein mit Jesus identisches Erkenntnisniveau gestellt". BECKMANN übersieht die genannte absichtsvolle Kennzeichen des Wissens Judas' (jioXK&xic, öuvr|;x9r|), die der Evangelist dem Wissen Jesu (xa Epxo|XEva; vgl.
Joh 18,1-11
73
Um die Frage nach Redaktion und Tradition für Joh 18,4b (ab xal Xeyei) beantworten zu können, ist ein Blick auf Mk 14,45 aufschlußreich. Markus formuliert mit eXBcov eüöug nooaeXÖojv aiJTW überdeutlich den Moment der Verhaftung aus der Perspektive des Judas (Mk 14,44). Es folgt die Anrede (14,45 öaßßi) mit dem Kuß, die zur Verhaftung führt (14,46 ejteßa>.ov tag x£LQa.f)v
tou
äQXieQECos 15c
naSrixriG exeTvo^
...
ouvEiaijX8ev t u 'Ir|ooö
dgxieoetog
Folgende Gründe legen, auch gegen die wortstatistischen Einzelbeobachtungen, joh. Redaktion dieser traditionellen Vorlage nahe: 1) Das Rivalitätsmotiv zwischen dem Lieblingsjünger und (allein 127 ) Petrus spiegelt sich in J o h 18,15 wider (vgl. 13,23-26; 20,4-8), denn der noc0r|Tr|c; Exelvog geht mit Jesus in den Vorhof des Hohenpriesters, nicht Petrus. 2) Petrus bleibt bedeutungsschwer sogar außen vor ($;W| ist doch kaum gemeint. N a c h 10,16 geht es u m die, die die Stimme hören, und sie sind in der avXr], im Gegensatz zu denen, die die Stimme nicht hören. Zu eben dieser Herde ist Jesus der Zugang. D a ß aber Petrus die Rechtmäßigkeit dieser Zugehörigkeit zu dieser Herde nicht erweist, sondern Jesus verleugnet, verbannt ihn aus diesem Raum. Vgl. KRAGERUD, Lieblingsjünger 79f (insgesamt 74-81), THYEN, Gott 32, STIBBE, Storyteller 100-105, DERS., J o h n 182-184, BRODIE, J o h n 529, HEIL, Blood 31f; gegen DAUER, Passionsgeschichte 75. 134 In diesem Zusammenhang verwendet Johannes auch die Stellen, die v o m Ausschluß aus einer Gemeinschaft reden. S o wird mit óuroauvótytoyog die Trennung von einer .theologisch begründeten Raumsymbolik' vollzogen: Wer Jesus den Christus nennt, wird von den 'IouòaToi aus der Synagoge ausgeschlossen (9,22.34f; 12,42; 16,2; vgl. 6,37). 135 Z u m redaktionell überarbeiteten Charakter: BULTMANN, Johannes 499, BARRETT, Johannes 507, .LORENZEN, Lieblingsjünger 5 0 - 5 3 , BECKER, Johannes II 655 (Kirchliche Redaktion), SCHNELLE, Johannes 1807, REINBOLD, Bericht 147, SABBE, Denial 229.233-235;
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
96
Abweichend von den Synoptikern spielt die erste Verleugnung des Petrus nicht mitten im Hof, sondern wegen der Jtai8iaxr| Buqcoqo^ (18,17) in der Nähe z u m Eingang. Darüber hinaus ist der Zeitpunkt der ersten Verleugnung verschieden, was in einem schematischen Überblick verdeutlicht werden kann: M k 14,54a Petrus tritt ein J o h 18,15f 14,54b 14,66 14,66b-68 14,69-72
Petrus wärmt sich
18,18
Fortgang der Geschichte
18,25a
1. Verleugnung 2. u n d 3. Verleugnung
18,17 18,25b-27
Bemerkenswert ist zudem, daß eine Frau nachts die Aufgabe als öuowoog wahrnimmt 1 3 6 . Auch die N e n n u n g der BuQCOQOg als jrai&iaxr| überrascht, da sie n o c h in 18,16 nur als Buqwqo? vorgestellt wurde. Sprachliche u n d kompositionskritische Anzeichen sprechen für eine redaktionelle Bearbeitung des traditionellen Markusmaterials. Zunächst sind die sprachstatistischen Merkmale zu nennen: das ouv historicum, [it] als Fragepartikel 137 u n d exeTvo^ als „selbständiger personaler Singularis" 138 . Kompositionskritisch sind zwei Beobachtungen zu machen: Erstens berichtet M k 14,66f.69 ebenfalls wie J o h 18,16 von einer jraiöiaxr|, die sich im Zusammenhang der Verleugnungsszene mit Petrus unterhält. Sie konstatiert in V 17 gegenüber dem sich wärmenden (0EO[icav6[i£vov) Petrus: 67 xai ai) nEtd raß Na^agr|voö rjoBo! xoü 'Ir|ooß 17 |ii| xai au el ex to)v (itt9r)T0)v xou «v8oo')Ttou TOUXOU.
Vergleicht man n u n J o h 18,17 mit M k 14,67, dann sind die Wendungen xai cru ... r|a8a mit Gen. auffällig parallel. Diese knappe Wendung enthält in kürzester Form den H a f t p u n k t für die Verleugnung. Ihn n i m m t der Evangelist auf u n d verändert diese Szene in folgender Weise139: Zunächst
gegen DlBELIUS, Formgeschichte 217f, FORTNA, Gospel 119f, DAUER, Passionsgeschichte 7 3 - 7 5 , MATERA, Jesus 46, die V 15f komplett f ü r traditionell halten u n d dabei die theologische D i m e n s i o n vernachlässigen. 136 Vgl. dazu Jos A n t VII,2,1 §48, wo eine solche Ouowoöc allerdings zur Mittagszeit den Eingang des Hauses v o n Isch-Boschet bewachen soll, aber eingeschlafen ist (eüqovtes ... xr|v 0UQUQÖV ¿ygriyoguTav; vgl. 2Sam 4,6 LXX: 9uqwqÖ£ toü ol'xou). 137 J o h 3,4; 4,12.33; 6,67; 7,31.35.41.47.52; 8,53; 9,27.40; 10,21; 14,2; 18,11.17.25. 138 SCHWEIZER, Ego 90f Er n e n n t auch n o c h „das als Attribut verwendete mit Artikel versehene Substantiv" (DERS., Ego 91) in r| naib'iaxi] r] Suqwqoc; f ü r joh. Sprache (vgl. 2,23; 6,4.27; 7,2; 8,44; 11,13; 13,1; 18,1.17); vgl. DAUER, Passionsgeschichte 76. 139 Die A n n a h m e , es handele sich hierbei u m eine Markierung aus Lk 22,58 ( x a i oii t § aÜTÖv el, ... ovx Ein't), hat formal den Vorteil, mit ei u n d ovx eL(jl eine genauere philologische Vorlage abgeben zu können. J e d o c h läßt sich gerade das ovx Ei|ii komplett aus
Joh 18,12-27
97
wird aus dem präteritalen rjoGa das präsentische ei, sodann wird die Formulierung (iet(i xoö Na^aor|voö TOIJ 'Ir|ooß in die joh. Wendung ex TWV jia140 ÖT]TWV (vgl. ex xwv bfbbexa) toi) ävGoomou (vgl. 18,29) geändert, und schließlich wird der Aussagesatz vom Evangelisten in eine Frage umformuliert. Sind die ersten beiden Veränderungen unter formalen Gesichtspunkten erklärbar, so entspricht es joh. Eigenart, zentrale Probleme in Fragen zu benennen. So ist cnj -uc; EI in Joh 1,19.21.22 (8,25, wobei sich XR|v aQX'iv wohl auf l,19ff bezieht) in ähnlicher Weise Anlaß fiir die Frage über Jesu Herkunft, wie in 1,46.48.50 die Herkunft Jesu (jio9ev) bedacht wird, die in 7,41.42 wieder aufgenommen wird. Auch die damit verbundene Problematik der Legitimation Jesu durch Zeichen wird in einer Frage formuliert (2,18.20; 6,30; 7,31; 9,16.17.19; vgl. 6,28; 11,47). Darüber hinaus werden so wichtige Themenkomplexe wie die Geburt ävcoSev (3,4.9; vgl. 3,12), üöwo tfbv (4,9.11.12), Jesu Fleisch als wahre Speise (vgl. den Rückbezug [rteoi toijiou] in 6,60.61) sowie sein generelles Auftreten (18,21.22.23.25) und sein Selbstverständnis (18,33.34.35.37.38.39) mit Fragen eingeleitet und erklärt141. Besondere Aufmerksamkeit verdient aber 7,52. Gegenüber der Zurückweisung, der gesetzesunkundige yiNPFDU (7,48f) könne nichts von der Herkunft des Messias wissen, interveniert Nikodemus (vgl. 8,18; dazu Dtn l,16f; 17,6; 19,15.18; rTÜTl LXX: i^eräawaiv äxQißwg), man müsse Jesus zunächst anhören 142 . Dieser Einwand verdächtigt ihn aber, ein Sympathisant Jesu zu sein, der sich in der auffallend parallel zu Joh 18,17 gestalteten Frage ausdrückt: [if] xai au ex rf\q FaXiXaiac, ei? Bezeichnenderweise wird diese Frage nach der Zugehörigkeit zu Jesus als dem Galiläer nicht beantwortet, sondern in Joh 7,52b mit dem Hinweis auf die Schrift zurückgewiesen: Aus Galiläa kommt kein Prophet (jiQO(pr|Tr|g vgl. 1,46)143. Die Ausgangssituation ist mit der in 18,17 identisch, denn auch Petrus wird mit der Frage xai cn3 auf seine Zugehörigkeit (Gen. partitivus) befragt.
joh. Redaktion erklären (s. unten). Vor allem ist aber nicht verständlich, warum der Evangelist die lk. Szene aus der zweiten Verleugnung der des Mk (erste Verleugnung) vorziehen sollte. - Für traditionell halten V 17f FORTNA, Gospel 120, DAUER, Passionsgeschichte 77, BECKER, Johannes II 654, SABBE, Denial 229f.237; vgl. SCHNIEW1ND, Parallelperikopen 55f; fiir Redaktion votieren BULTMANN, Johannes 499, SABBE, Denial 235-237; V 18b stammt aus Mk 14,54c: MATERA, Jesus 46. 140 Vgl. dazu unten Anm. 189. 141 Vgl. darüber hinaus noch folgende Abschnitte: 4,27.29.33; 7,15.19.20.47.48; 9,34.35.36; 13,38; 16,17.18.19 u. ö. Insgesamt verwendet der Evangelist dieses Stilmittel in Joh 1-20 162mal. 142 Zu rijcouu als Term. techn. der Rechtssprache vgl. Apg 25,22; sowie Xen Hist 1,7,9 (im Zusammenhang mit xocTriyogEO) und ÖJto^oyEOnai). 143 Das heißt aber auch, daß fiir Nikodemus jetzt noch nicht die Zeit gekommen ist, sein Verhältnis zu Jesus genauer zu bestimmen. Dies wird er erst in dem pharaonischen Begräbnis Jesu tun (19,38-42).
98
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
Er muß aber jetzt Position beziehen, und er tut dies mit dem lapidaren ovx EL [IL
Zweitens ist die Verklammerung von ovx ei(ii mit dem in 18,5.6.8 verwendeten èyco ei^i aufgefallen 144 . Der doppelten Offenbarungsformel (18,5.[6].8) .antworten' die Dabeistehenden mit dem hoheitlichen Kniefall, während die Antwort auf ovx ei[ii der Hahnenschrei ist (18,27). Es spiegelt sich aber dort der egoistische .Rückzug' des Petrus in den Worten ÜJIEQ £[iOÜ wider, während Jesu èycô eL(xi den .Eintritt' in die Stellvertretung vnèq xwv cpD,0)v aüioö reflektiert (13,37f; 15,13; vgl. 10,11.15.17; ll,50f; 13,1.3; 18,14)145. D e m Evangelisten dient oüx et^i und xai crû et (18,17.25) als Verklammerung der beiden Verleugnungsszenen. Der Einschub (18,19-23) bleibt als retardierendes Moment erhalten, und zugleich zerbricht die Gesamtkomposition doch nicht. J o h 18,18a ist über weite Strecken aus Mk 14,54b entfaltet. Das zeigt sich vor allem daran, daß wesentliche Elemente aus M k 14 stammen: Petrus steht bei den Dienern und wärmt sich am Feuer ( [ I E I À ÜITTIOETMV, 8 E Q Haivô|ievoç, cpœç). Wenn auch der mk. Text nicht wortwörtlich übernommen worden ist, dann betreffen die Unterschiede lediglich die fur das Gesamtverständnis unwesentlichen Worte: EI0TNXEIÖAV, ÖOÜAXH. Für V 18b (ab rjv) ist zunächst die große Nähe zu M k 14,54b auffällig: 54b rjv (ô nÉTQOç) ...
N£tà twv
ÎJTITIOETXÛV
xal Segnaivônevoç
18b rjv ô néxQoç ... HET' aùtwv ... xai 0£Q|iaivô[i£voç. Der Evangelist hat hier wohl M k 14 aus dem Anfang der Verleugnungsszene herausgenommen, u m sie jetzt als Abschluß seiner ersten Szene anzufügen. Diese absichtsvolle Veränderung bietet ihm durch den beinahe wortwörtlichen Rückgriff in V 25 darüber hinaus die Möglichkeit, den niedergelegten Faden wieder aufzunehmen 1 4 6 . Diese redaktionelle Funktion von V 18.25 erfordert die oben bereits benannte Umstellung des mk. Zusammenhangs (1. Verleugnung) in J o h 18,17:
144 Vgl. SENIOR, Passion 64f (z. T. kursiv im Original): „Thus denial is relatively easy while asserting his identity as a a (sic.!) disciple could have desastrous consequences. Peter chooses denial: ,1 am not' (18:17). With superb irony John formulates his statement in a manner that recalls Jesus' challenging self-identification to the arresting band in the garden (18:5): ego eimi (,I am')." Ferner vgl. STIBBE, Storyteller 97, DERS., John 181, BRODIE, John 529.531, HEIL, Blood 34. 145 Vgl. dazu das oben auf Seite 76f Gesagte zu 18,5-8. Stärker unter inhaltlichen Aspekten ist auch die Kontrastierung zwischen Jesu Stellungnahme zu seinem Selbstverständnis (18,19-23) und der verweigerten Stellungnahme des Petrus (18,15-18.25-27) zu beachten; vgl. MATERA, Jesus 51. 146 Der Rückgriff erfüllt auf diese Weise dieselbe Funktion wie das oben zu ?caì où ei und zu oüx Etui Gesagte.
J o h 18,12-27
99
18 25
rjv 6e xai ö riexQog HEX' aüxcov ECTXWQ xai öfc-Q^aivonEvog fjv öe SijKov FIEXQO^ eaxwg xai ÖEQuaivöjievog. Die Auslassung von ^ex' aüxwv dürfte sich aus der Tatsache erklären, daß das Eigenzitat so kurz wie irgend möglich das bereits Gesagte wieder aufnehmen soll147. Die Verknüpfung von V 18b nach vorne zu V 18a gelingt dem Evangelisten nicht nur durch das &e xai ... xai, sondern auch durch das ^ex' aüxcov, das sich auf die Knechte und Diener (oi 60O.01 xai oi ünr|QExai) bezieht, und durch OeQuaivo^evog, das E6egnatvovxo (vgl. ävQoaxiä; ijiCxo^ fjv) aufnimmt. Die Beobachtungen zu Joh 18,15-18 lassen sich wie folgt zusammenfassen: l ) J o h 18,15a.l8a sind jeweils aus Mk 14,54a.b entnommen. Inhaltlich bleibt der Markustext insoweit erhalten, als der Evangelist grundsätzlich die handelnden Personen in ihrer Aktion beläßt. Auf diese Weise entsteht ein Rahmen um die erste Verleugnungsszene, die nun mit Einzelmaterial weiter bearbeitet wird. 2) Der Kernbestand dieser Szene entspricht Mk 14,66f. Von dort übernimmt der Evangelist den Auslöser für das in Mk 14 stattfindende Gespräch. Er erreicht damit, daß ihm die Bezugsgröße zur Verfügung steht, die ihm jetzt die Möglichkeit bietet, eigene Gestaltungsmerkmale vorzunehmen. 3) Die joh. Redaktion besteht formal darin, den aus Mk 14,54a.b geschaffenen Rahmen in Joh 18,18b durch eine Notiz zu ergänzen, die später in V 25 den Wiedereinstieg in die zweite und dritte Verleugnungsszene erleichtert. Diese Gestaltung zum Zweck der Pragmatik und höheren Kohärenz erfordert die Umstellung des mk. Zusammenhangs (1. Verleugnung) in Joh 18,17. Weitere solcher formalen Gliederungsmerkmale liegen dem Evangelisten zudem schon in dem unter (2) genannten Verfahren vor. Theologisch führt er mit einem anderen Jünger die bereits bekannte Rivalität zwischen ihm und Petrus fort. Diese Rivalität wird mit dem typisch joh. Stilelement der theologisch qualifizierten Räume beschrieben. 2.1.2.5. Joh 18,19-24: Die Befragung Jesu vor Hannas 1. Analyse: Grundsätzlich bleibt der Evangelist in der mk. Chronologie (15,53), wenn er jetzt das .Verhör'Jesu vor einer jüd. Instanz berichtet. Formal greift er durch ouv auf V 13 zurück und führt die traditionelle Einleitung weiter. Die Befragung Jesu bezieht sich inhaltlich auf seine Jünger und seine Lehre. Diese inhaltliche Präzisierung erweist sich komplett als redaktionell. Die Frage nach den |ia0r|Tai hat für den Evangelisten eine theo-
147 Sprachlich kann noch auf die redaktionelle Formulierung utiu mit folgendem Gen. in 3,26; 7,33; 8,29; 9,37.40; 11,31; 12,17; 13,33; 14,9; 15,27; 16,4.32; 17,12.4; 18,18; 20,24 (die Worte sind bisweilen umgestellt) verwiesen werden.
100
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
logische Bedeutung, wenn man sich den unterschiedlichen Gebrauch vor Augen hält 148 : Es sind hier zunächst jene als wertneutral verstandenen .Statisten' gemeint, die mit Jesus zusammen beispielsweise verschiedene Orte und Plätze aufsuchen (2,12; 3,22; 4,8.27; 6,3.8.12.22.24; 11,7.54; 18,1.2; 20,10.18.26.30 [21,8]; vgl. 1,36.37). Johannes ergänzt diese grundlegende Beobachtung durch eine positive wie negative Qualifizierung. Einerseits glauben sie an Jesus (2,11.22) und freuen sich, ihn zu sehen (20,20.25). Sie sind auch die, die durchaus als Fragende von Jesus Antwort erwarten und von ihm lernen wollen (9,2; vgl. 3,25). Andererseits sind diese | i a ö r | T a i auch Unglaubende angesichts ihrer Reaktion auf die Rede Jesu (6,60.61; 7,3). Ihrem verständigen Fragen steht die gänzliche Uneinsichtigkeit gegenüber, die bisweilen schon fast peinliche Züge erreichen kann (4,31.33; 6,19; 11,12; 12,16; 13,22; 16,17.29 [21,4]). Beide Gesichtspunkte sind Ausdruck der Zugehörigkeit zu Jesus (4,1; 9,27.28; 13,35; 15,8; 18,17.25; [21,2]; vgl. 19,38). Sie prägt sich nicht einspurig aus, sondern ist zweigleisig. Der Evangelist unterscheidet also zwischen Glaube und Unglaube der Jünger nicht nur sprachlich, sondern auch theologisch vor allem in 12,4; 13,23. Beide, Judas wie der Lieblingsjünger, sind elc; [ex] t o j v |i«Öi]T0)v aüxoC. Jedoch ist der eine der, der Jesus verraten wird und der größere Sünde auf sich geladen hat (6,64.71; 12,4; 13,11; 18,2.5; vgl. 19,11). Der andere ist der Exeget Jesu und der, der glaubt (13,23; 18,15.16; 19,26.27; 20,2-4.8; [21,7.20.23.24]). Gerade in der Passionsgeschichte und hier insbesondere am Anfang führt der Evangelist vor Augen, daß die Zugehörigkeit zu Jesus als ua0i]xr)5 gefährdet und keineswegs eindeutig ist149. Eben diesen Sachverhalt meint die Frage des Hannas: Wer sind diese naGrixai Jesu, und wie zeichnen sie sich aus? Auch mit der zweiten Frage negi trj^ ßiöaxns oaixoü will Johannes Jesu Selbstverständnis aufhellen: Ganz allgemein weiß Jesus als der bi&daxaXog um die Lehre, er tritt daher auch an den Orten auf, wo Lehre erwartet werden kann, in der Synagoge und im Tempel (6,59; 7,14.28; 8,20; vgl. 7,35)150.
148 Der Umstand, daß das W o r t na6Tf[r|£ hohe Bedeutung für Johannes hat, kann schon daran ersehen werden, daß es Johannes 68mal (lOraal in Kap. 21) verwendet (MtEv: 72mal). Die Wendung naÖTyrrig auioö ist daher der joh. Redaktion zuzuweisen: 1,35.37 (je Johannesjünger); 2,2.11.12.17.22; 3,22; (4,2); 4,8.27; 6,3.8.12.16.22 (bis).24.60.61.66; 7,3 (ooü); 8,31 (uou); 9,2.27.28 (oü; bis [Mosejünger]); 12,4.16; 13,23.35 (¿noi); 15,8 (¿noi); 16,17.29; 18,1 (bis).2.19.25; 20,2.30; (21,2). 149 HAHN, Prozeß 60f, verweist zu Recht auf den redaktionellen Charakter von 19b, fuhrt ihn aber auf die Frontstellung mit der Mosejüngerschaft in 9,28f zurück. Dies scheint jedoch fraglich, da in 18,19 nicht die Mosejüngerschaft, sondern Jesu eigene Jünger Adressaten der Frage sind. 150 Vgl. zu diesem Offentlichkeitscharakter, der mit dem Tempel verbunden ist, Jos Ant XIX,6,3 §305, w o Bildsäulen aufgestellt werden und einen öffentlichen Protest auslösen. Zu den aufgestellten Kaiserbildern und der Reaktion auf diese vgl. auch noch Jos Bell 11,9,2 § 1 6 9 - 1 7 2 ; Ant XVIII,3,1 §55.
J o h 18,12-27
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Er steht darüber hinaus im Gegensatz zu Nikodemus, dem hier offensichtliche Lücken bescheinigt werden (3,10; vgl. 1,38; 3.2)151. Wenn sich auch der ehemals Blinde durch 9,30-33 als theologisch versiert vorstellt, denn Gott hört nur auf Gottesfurchtige (0eooEßr|c;), die seinen Willen tun, dann wird ihm seitens der offiziellen Lehrer vorgehalten, er könne sie angesichts seiner Schuld unmöglich lehren. An dieser Stelle tritt die Frage in den Vordergrund, wie sich Lehrer - Lehre - .Sendender' zueinander verhalten. Der Ausgangspunkt für die Beantwortung liegt in 7,16-18; 8,28; 13,13; 14,26. Wenn der Menschensohn erhöht wird, wird nicht nur darin erkennbar (yivwox(o): otl Eyw d(ii, sondern auch die Rede Jesu selbst wird dann in ihrer Urheberschaft ersichtlich. Der Vater selbst lehrte den Sohn (£&iöct|ev), daher handelt und sagt der Sohn nichts an' E[iaiJT0Ö (8,28). Dieses Verbundensein im Tun des Willens des Vaters ist wichtig, denn nur so wird die Gleichung acp' eautou = xr|v 6o|av mr|v L5iav i/|xel aufgelöst (vgl. 5,41-44), nur so wird von sich selbst abgesehen und eigenes Reden und Handeln einzig aus Gott verstanden (7,17 ex 0eoü; vgl. 2Joh 9f dazu l j o h 2,23; 4,2.15; 5,1.5.10). Genau dann ist die Lehre (öiöaxii) Jesu aber Offenbarung des Vaters und kann infolgedessen nur mit dA.r)9r|g qualifiziert werden (7,18; vgl. 3,33; 8,26). Darüber hinaus ist aber für den Evangelisten noch eine zeitliche Komponente für das Verständnis bedeutsam. Sie ist in 8,28 mit üt|>oü) angedeutet 152 und wird in 14,26 von ihm entfaltet: Wenn Jesus wieder beim Vater ist und an seine Stelle den Parakleten schickt, dann wird dieser das fortsetzen, was Jesus in Synagoge und Tempel tat (tjuäi; 6i6a^Ei jicevta), wobei sein Vollzugsrahmen die Erinnerung ist (üjrouvtioEi U[i«5 jidvta)153. Joh 18,19 greift auf diese vier Aspekte (zeitliche Dimension in Kreuz und Auferstehung, der Vater als .Sendender', der Paraklet als die legitime Fortführung und die Öffentlichkeit als der Ort des Geschehens) zurück. Für den Evangelisten rückt der .zeitliche Wechsel' zwischen Jesus und dem von ihm gesandten Parakleten immer näher 154 . Zugleich wirft der Evange151 Das oben bereits beschriebene Stilmittel der Frage, durch das theologische Sachverhalte erörtert werden, erweist jrtgi xfjc, 6i&axn5 autoö aus einem zweiten Blickwinckel als redaktionell. Auch ihr Ziel ist yivoiaxoj. 152 Vgl. SENIOR, Passion 61. 1 5 3 Johannes nennt Jesus in 1 3 , 1 3 f 6 bihaay.aXoc, und ö jcüqio? und begründet von dort die Berechtigung, sich gegenseitig die Füße zu waschen. Das Geschehen ist im joh. Sinn als ein unö&ftyna zu verstehen. Die soeben aufgezeigten Zusammenhänge hinsichtlich na6rytr|c; und bibaxii schließen eine Identifikation beider Fragerichtungen aus, so daß PANCARO, Law 113, nicht zugestimmt werden kann, der meint: „The two points form a unit and constitute one and the same question." 154 Textintern verweist der Evangelist also besonders auf 8,28; 14,26 (vgl. 2,22; 7,39; 12,16; 16,7.13; 20,9.22), textextern rückt die Gemeinde in den Blick, die das Handeln des Parakleten erfahrt. Zu Recht verweist MOLONEY, View passim (bes. 239-242), auf die ekklesiologischen Aspekte dieses Abschnitts. Wohl aufgrund seiner positiven Einschätzung des Petrus greift er m. E. zu hoch, wenn er meint: „The Christian Community is the place
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
list mit V 20 einen Blick zurück auf das in 5,14ff; 6,27ff.59; 7,4.10.14.28; 8,20; 10,22f Gesagte (vgl. Lk 22,53; Apg 26,26). Insgesamt erreicht Johannes in J o h 18,19 durch die Einführung des jtegi tmv |ia9r|Tt5v aüxou Kai liegt tfjg öiöaxns aijtoö jeweils eine doppelte Perspektive. Mit der auf die Jünger bezogenen Rückfrage werden nicht nur jene bisweilen unsteten Gesellen benannt, die sich Jesus zugehörig wissen, sondern auch die, die vornehmlich in Judas und dem Lieblingsjünger jeweils eine charakteristische Gestalt aus dem Zwölferkreis vorstellen und dadurch in die joh. Gemeinde selbst weisen. Auch mit der Lehre eröffnen sich dem Evangelisten zwei Ebenen. Zunächst jene, die Jesu Rede als vom Vater legitimierte und daher als Offenbarungszeugnis qualifizierte beschreibt und zugleich in ihrer zeitlichen Dimension mit Leiden, Sterben und Auferstehung verbunden ist. Sodann erschließt sich in eben dieser Dimension die Funktion des Statthalters Jesu, des Parakleten, der die joh. Gemeinde alles lehrt und an alles erinnert, was Jesus sagte (14,26) 155 . J o h 18,20 greift, wie oben bei der Behandlung von 18,19 kurz angemerkt wurde, durch das anexoiEh]156 nicht nur auf das r|Q(bxr|aEV (V 19) zurück, sondern wird in V 21 weitergeführt. Es ist daher durchaus angemessen, beide Verse zusammen zu analysieren. Die Gegenüberstellung von jtaQQrioia und xouttto) ist auffällig und für das Verständnis wichtig. Genauer gesagt: Jicioorioia wird durch xö x6o|xü>, ev auvaywyfj, ev xcö ieoö (navxec, oi 'Iou&aioL cruvEQxovxai) präzisiert. In derselben Weise leitet xai das Gegenstück ein, indem jetzt das ev xolottm erklärt wird. Dies geschieht jedoch lediglich durch oü&ev. Gerade diese Erklärungen sind wichtig, um Jesu öffentliches Auftreten von seinem bewußten Rückzug zu unterscheiden (vgl. 7,4.10.26; 11,54)157.
where the word o f Jesus can be f o u n d , but the members o f the Christian c o m m u n i t y are capable o f being disloyal to their responsibility. Here the reader finds a coherent theology o f the C h u r c h as the custodian o f the word o f Jesus, but a custodian which at times denies its association with Jesus. (...) Betrayers and deniers that the disciples o f Jesus m a y be, the C h u r c h remains the place where the word o f Jesus can be f o u n d " (DERS., View 239). Diese frühkatholizistischen Tendenzen (vgl. beispielsweise Ign M a g n 4) lassen sich im J o h E v m. E. jedoch nicht nachweisen. 155 Redaktionelle Bearbeitung eines traditionellen Materials vermuten J o h a n n e s 498, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 263; vgl. FORTNA, D i e Satzteile ab negi tmv naOrrtüv halten HAHN, Prozeß 60f, REINBOLD, V 19b.20f für redaktionell; komplett Redaktion vermuten MYLLYKOSKI, Tage I HALS, Johannesevangelium 407 (das Verhör folgt der synopt. Überlieferung). sus 46, meint, daß V 19 aus M k 14,60f stammt.
BULTMANN, G o s p e l 120. Bericht 151, 70, SCHMITMATERA, Je-
156 Zur Tatsache, daß ajtoxoivowat o h n e verbum dicendi a u f joh. Redaktion verweist, vgl. SABBE, Denial 2 2 0 A n m . 3. Zu weiteren sprachlichen Hinweisen, daß J o h 18,20 joh. Redaktion ist, vgl. DERS., Denial 221. 157 In J o h 7,13; 10,24; 11,14; 16,15.29 ist mit 7iaoor\oiu die klare, eindeutige Rede gemeint, die von jiagoin'iai absieht. In 8,59; 12,36 ist mit ygimzoj ein ,Sich-in-Sicherheit-Brin-
J o h 18,12-27
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Der Kristallisationspunkt in J o h 7,4 stellt Grundsätzliches vor: Keiner, der in öffentlicher Geltung stehen will, kann es sich erlauben, im Geheimen zu handeln 158 . Er ist vielmehr zu öffentlichem Auftreten gezwungen. Es spielt dann für Johannes offensichtlich keine Rolle, wie Jesus (ev xoutttö) nach Jerusalem zum Fest hinaufzieht (7,10): Jesus tritt in Erscheinung (vgl. 7,26) und erlaubt allen den Zugang zu ihm (18,20 önou jtdvteg oi 'lou&aloi cruveQxovTca). Von daher ist also in 11,54 eine zentrale Weichenstellung zu sehen, wenn gesagt wird, daß Jesus jetzt nicht mehr öffentlich auftritt. Ab diesem Zeitpunkt redet Jesus nicht mehr öffentlich, haben deshalb auch nicht mehr alle 'Iouöatoi Zugang zu ihm, sondern er wendet sich jetzt nach ,innen' zu den Seinen (bes. Kap. 13-17) 159 . Deshalb verweigert Jesus auch in 18,21 eine direkte Antwort (18,19b), und begegnet der Frage provokativ mit einer Gegenfrage ( n |ie eoMtäg;): Seine Zuhörer können „aufgrund des Offentlichkeitscharakters seines Auftretens profunde Auskunft geben 160 . Auch dieser Vers verweist in ähnlichem Maß auf die joh. Gemeinde wie das oben zu (xaBriTai und öiöaxii Gesagte (18,19b): Aufgrund geistgewirkter gen' gemeint. Alle Stellen aus l j o h (2,28; 3,21; 4,17; 5,14) benennen gemeindliche Probleme. 158 Vgl. dazu J o s Ant IV,8,1 §176, wo J o s e p h u s die ermahnende und belehrende Abschiedsrede des Moses als eine solche öffentliche stilisiert (oijveXOövto^ toO Xaov navxög; vgl. demgegenüber Dtn 31,28-52"); J o s Bell IV,3,10 §162, wo sich die Volksversammlung in unmittelbarer Nähe z u m Tempel abspielt (cjuveXÖovto? tou jtWjÖou? elc; ExxXi^aiav). 159 D e m widerspricht auch nicht die Schilderung des Verhörs vor Pilatus (18,28-19,16a), in dem Jesus sehr wohl über sich und seinen Vater Zeugnis ablegt, denn dort steht Jesus vor einem röm. Bürger und nicht vor ol 'Iou&aToi. Letztere bleiben absichtsvoll draußen vor der Tür. Vgl. PANCARO, Law 113-115, der zu Recht die joh. Hervorhebung des Öffentlichkeitscharakters von Jesu Lehre betont. 160 Diese Darstellung entspricht auch noch in der Hinsicht joh. Theologie, als dieses selbstbewußte Auftreten vor dem Synedrium keineswegs die Regel, sondern vielmehr die Ausnahme ist: demütige und zaghafte Haltung, mit lang herabhängendem Haar und in schwarzen Kleidern, um Mitleid zu erregen; vgl. Tac Ann 11,29,1-2 (Libo Drusus ist in einem Majestätsprozeß angeklagt und er „geht inzwischen in Trauerkleidung (veste mutata) zusammen mit vornehmen Frauen von H a u s zu Haus, fleht seine Verwandten an, verlangt ihre Fürsprache gegen die drohenden Gefahren: aber alle lehnen ab, indem sie verschiedene Gründe vorschützen, jedoch in der gleichen Angst. A m Tag der Senatssitzung läßt er sich, von Furcht und Kummer zermürbt oder auch, wie einige überliefert haben, unter Vorspiegelung einer Krankheit, in der Sänfte bis an die Tür der Kurie tragen; sich auf seinen Bruder stützend und die H ä n d e unter flehentlichen Worten zu Tiberius ausstreckend, wird er von diesem mit unbewegter Miene empfangen (simulato morbo, lectica delatus ad fores curiae innisusque fratri et manus ac supplices voces ad Tiberium tendens i m m o t o eius vultu excipitur; Übers. HELLER, Tacitus 141). Demgegenüber hat J o s e p h u s (Ant XIV,9,4 §172fj vgl. auch Bell 1,25,4 §506) ein Ausnahmebeispiel notiert, der das Synedriumsverhör des Herodes beschreibt, wobei dieser ebenfalls nicht in der gewöhnlichen mitleiderregenden Art und Weise, sondern als ein König mit seiner Schutztruppe auftritt. Zu weiteren Einzelheiten vgl. dazu unten auf Seite 314-316 Gesagte (Das Motiv der Unschuld).
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
nachösterlicher Anamnese sind die verständigen Jünger eben jene (ixx|xoöxac,, die Jesu Offenbarungsreden (XaXea> 3,11.34; 6,63; 7,17f; 8,12.38; 12,48-50; 14,10; 15,3; 16,13 u. ö.) kennen und um sie wissen161. Es ist also dieselbe ,Geburtsstunde der joh. Schule' angesprochen, die sich bereits in l j o h 1,1 widerspiegelt. Der joh. Gemeinde stehen damit Zeugen zur Seite, die befragt werden können 162 . Diese Ausfuhrungen legen nahe, in 18,20f joh. Redaktion zu vermuten 163 . Die zweite Ebene (joh. Gemeinde) wird in V 22 wieder verlassen. Ahnlich wie Mk 14,65 (par. Mt 26,67) endet auch dieses Verhör mit einem .Zwischenfall' 164 . Die parallele Gestaltung ist keineswegs zufallig, denn e&wXEV QCEMANA Ooh 18,22) ist aus Mk 14,65c gebildet: 65 i>irrigeren ... QctmoixacRv aütöv e?.aßov. 22 E15 jiaQ£cnT|Xü)5 k'bojxev gctmaiaa. Die redaktionelle Aufnahme dieses traditionellen Gedankens aus dem Ende des Verhörs hat zwei Gründe: Erstens dient diese Aufnahme als leserorientierte Reminiszenz, daß das Hannasverhör die Stelle des mk.-synopt. Kaiphasverhörs eingenommen hat. Die ursprünglichen Spuren blieben jedoch bewußt erhalten. Zweitens spiegelt sie die in 18,11 bereits vorhandene antidoketistische 165 Verwendung des MkEv wider: Einen Scheinangeklagten kann man nicht schlagen. Weitere gewichtige, strukturelle Parallelen zu Mk 14,61-65 legen synopt. Tradition nahe, die redaktionell bearbeitet wurde: 1) Die im Kaiphasverhör Anwesenden spielen eine wichtige Rolle. Redaktionell konkretisiert der Evangelist xiveq aus dem Synedrium (Mk 15,65) zu
161 Vgl. MOLONEY, View 234f, zur Unterscheidung von É6i8a§£v als komplexiven Aorist und /.E/.ü/.Tixa als Pf. mit Bedeutung für die Gegenwart. 162
Die aufgezeigten komplexen Zusammenhänge von J o h 18,19-21
widersprechen
der These DlEBOLD-SCHEUERMANNs (Jesus 246), Johannes wolle „die Bedeutung dieser Befragung schmälern" (ebd.), weil Jesus nicht v o m amtierenden Hohenpriester, sondern v o m .Althohenpriester' verhört worden sei. Zudem ist ihr Urteil (DIES., Jesus 2 4 7 ) im Anschluß an HAHN, Prozeß 61, eher widersprüchlich, es werde in V 1 9 - 2 1 auf Jesu gesamtes Wirken zurückgeblickt. 163
Für Redaktion plädieren BULTMANN, Johannes 500, HAHN, Prozeß 61, FORTNA,
Gospel 120 (V 20.21 jedoch nur z. T.), DAUER, Passionsgeschichte 84, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 269f, MYLLYKOSKI, Tage I 70f, SCHNELLE, Johannes 1807, SCHMITHALS, Johannesevangelium 407, REINBOLD, Bericht 151. Gegen HIRSCH, Studien 120, der V 2 0 von èyù jragQriolq bis pìóohu der Kirchlichen Redaktion zuweist. Unsicher urteilt BARRETT, Johannes 509, über diesen Vers. 164 Vgl. J o s Bell 11,14,3 §281: das jüd. Volk beklagt sich am Passafest bei Cestius Gallus über das rigide Verhalten des Florus, der neben Gallus steht und diese Anschuldigungen nur höhnisch lachend kommentiert (itaoùv x a ì r ù Keoxiu Jiageotùc; öiEX^EÜa^EV r a s (puvdg). 165 Vgl. dazu das unten auf Seite 1 7 0 - 1 7 6 Gesagte (Exkurs: Doketismus bei Irenäus von Lyon) mit Anm. 4 2 5 .
Joh 18,12-27
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eig na.OEOvr\xq. 2) Der .Zwischenfall' ereignet sich aufgrund von Jesu Aussagen zu seinem Selbstverständnis. Redaktionell stellt hier der Evangelist in 18,19b~21 mit |aa8r|Tr|c; und bibayj] die Eckpfeiler voran, auf denen er in V 2 2 a (tctC-ta 6e aijxoC eaiovrog) weiterarbeitet. 3) Das traditionelle Element besteht schließlich darin, daß im direkten Zusammenhang mit diesem Zwischenfall geredet wurde. Dieser motivische Zusammenhang taucht noch in Apg 2 3 , 2 - 5 auf und soll vergleichend hinzugenommen werden. Der Ohrfeige folgt die rhetorische Frage, ob das die angemessene Art und Weise sei, mit dem Hohenpriester zu reden (Ex 22,27; vgl. J o s Ant XI,8,5 § 3 3 1 - 3 3 6 ) . Eine solche Situation ist ohne weiteres für joh. Traditionsmaterial denkbar, wenn man sie mit Apg 2 3 , 3 - 5 vergleicht 166 : Paulus hat mit seiner Apologie vor dem Synedrium begonnen und hat gerade in einem einleitenden Satz sein Selbstverständnis formuliert, als der Hohepriester befiehlt, ihm deshalb auf den Mund zu schlagen. Die Reaktion ist entsprechend heftig (toixe xexovianeve; vgl. Ez 13,10). Paulus lenkt aber umgehend ein, als er erfahrt, daß Hananias 6 dg/ieoeij^ ist (V 5). Wie immer man die historischen und theologischen Probleme dieses redaktionell bearbeiteten Textes beurteilen mag 167 , die entscheidenden strukturellen Grundzüge laufen parallel. Reagiert in Apg 23,3 erst Paulus und in V 4 ein Dabeistehender, um so das Einlenken in V 5 zu motivieren, so erfolgt der Hinweis auf den Hohenpriester schon jetzt in J o h 18,22, während in V 2 3 Jesu Reaktion folgt. Das heißt, daß die Szenen aus Apg 23 in J o h 18,22f
166 SCHNEIDER, J o h a n n e s 2 9 8 A n m . 9, verweist a u f Apg 2 3 , 1 - 5 , o h n e diesen Vergleich weiter auszuführen; skeptisch BAUER, Johannesevangelium 212. DAUER, Passionsgeschichte 87 A n m . 158, und MYLLYKOSKI, Tage I 88 A n m . 84, lehnen die Parallele zu Apg 2 3 , 1 - 5 ab, weil kein Abhängigkeitsverhältnis des vierten Evangelisten zur Apg angenomm e n werden kann (anders jedoch THYEN, Erzählung 2 0 3 9 A n m . 41, der vermutet, „daß der vierte Evangelist auch jenseits von J o h 11 nachweisbar das lukanische Doppelwerk kennt und voraussetzt"). Es geht auch nicht darum, ein solches Abhängigkeitsverhältnis aufzuzeigen, sondern vielmehr u m strukturelle Ubereinstimmungen, die trotzdem die Möglichkeit offenlassen, J o h 18,22 als joh. Tradition zu verstehen. M O O , Testament 163, sieht hier eine Anspielung a u f J e s 50,6. Vgl. dazu aber auch Plat G o r g 527c.d: „ G i b du also mir G e h ö r und folge m i r dahin, wo angelangt du gewiß glückselig sein wirst im Leben und im Tode, wie unsere Rede verheißt, und laß dann immer einen dich verachten als unverständig und dich beschimpfen, wenn er will, ja, beim Zeus, auch jenen schimpflichen Schlag laß dir getrost zufügen ou 7 t OaoQwv jraTct|ca xf|v ciunov xauxriv jiA.riyryv (d. i. nach 527a: rujiTrjoEi ru; tili xoQor]^ cmnoig; M L.), denn nichts Arges wird dir daran begegnen, wenn du nur in der Tat edel und trefflich bist und Tugend ü b e n d " (Übers. SCHLEIERMACHER, Piaton II 503); vgl. auch n o c h HOMMEL, Gerechte 79, der a u f Plat G o r g 4 8 6 a - c verweist. 167 Vgl.
dazu
ROLOFF, Apostelgeschichte
326f, WEISER, Apostelgeschichte
339f,
PESCH, Apostelgeschichte II 240f. Es überrascht in der Tat, daß Paulus den Hohenpriester nicht kennen soll (vgl. dazu SCHILLE, Apostelgeschichte 426). J e d o c h ist die Schilderung des Einlenkens des Paulus (V 5) für meinen Vergleich o h n e Belang, vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte 3 2 8 , WEISER, Apostelgeschichte 341, PESCH, Apostelgeschichte 2 4 2 .
106
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
umgestellt worden sind. Dieser rein strukturelle Vergleich zeigt soviel, daß in beiden Fällen Dabeistehende eine ausfallende Antwort seitens des Angeklagten mit der Bemerkung in die Schranken weisen, daß so nicht mit dem Hohenpriester geredet werden darf. Es ist für den Evangelisten dann durchaus möglich, diese traditionelle rhetorische Frage in V 23 zu kommentieren. Insgesamt sprechen diese Beobachtungen dafür, in J o h 18,22 redaktionelle Bearbeitung der vornehmlich aus M k 14,61-65 (vgl. Apg 23,2-5) stammenden Tradition anzunehmen 1 6 8 . J o h 18,23 beschreibt die Reaktion Jesu auf die Ohrfeige seitens eines Dieners. Die Szene findet damit eine „prägnante Abrundung" 1 6 9 und ist sowohl aufgrund des erneuten Zeugenmotivs (vgl. 8,46) als auch durch die Tatsache, daß Jesus durch diese Frage ,das letzte Wort behält' und dadurch, daß der Diener auf Jesu Antwort nichts erwidern kann, ein Triptychon: Jesus erscheint als der zu Unrecht Geschlagene, der insgesamt als der Unschuldige vor Gericht steht (18,38; 19,4.6; vgl. 7,18; 8,10.24.46). J o h 18,23 ist daher komplett v o m Evangelisten gestaltet 170 . Mit J o h 18,24 ist der Rahmen des Hannasverhörs erreicht. Weitere prozeßdienliche Aussagen sind nach V 23 nicht zu erwarten, so daß Hannas den gefesselten Jesus an den amtierenden Hohenpriester Kaiphas überstellt 171 . Der Evangelist reiht sein Traditionsmaterial mit diesem Satz in die mk.-synopt. Chronologie ein. A u f diese Weise haben V 24 wie auch 18,13b (ab ttoüjtov) dieselbe synchronisierende Funktion: Eigenes Material wird in die bestehende Chronologie eingeordnet, wobei dieser bestehende Rah-
168 Komplett für traditionell halten 18,22: SCHNIEWIND, Parallelperikopen 42f, BAUER, Johannesevangelium 212, BULTMANN, Johannes 501, FORTNA, Gospel 120, HAHN, Prozeß 66, MOHR, Johannespassion 274, MATERA, Jesus 46, REINBOLD, Bericht 151; für redaktionelle Bearbeitung eines traditionellen Motivs votieren SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 270f, MYLLYKOSKI, Tage I 72f, SABBE, Denial 222f, gegen DAUER, Passionsgeschichte 86, der V 22b für redaktionell hält. 169 HAHN, Prozeß 66. - Die gegensätzliche Wendung, xaX&c, Xtyw, im Sinne eines ,gut, zweckmäßig zureden, raten' findet sich in J o s Ant VI,14,5 §354, wo der Philisterkönig den Rat seiner Heerführer annimmt und David wegschickt ( x a X ñ 5 EÍorjciOai ^.oyiaánevo?; vgl. I S a m 29,1-11) sowie Ant VIII,14,3 §380, wo die Fürsten des Königs Ben-Hadad dem König raten, Israel im Tal anzugreifen (5ojci(iáoa5 ouv r a u t a eiorjaOai xaXüi;; vgl. l K ö 20,23ff). 170 Für redaktionell halten 18,23: HAHN, Prozeß 66, DAUER, Passionsgeschichte 86 (fuhrt wenige sprachliche Argumente an), SCHMITHALS, Johannesevangelium 407, SABBE, Denial 223 (mit sprachlichen Argumenten); gegen FlNEGAN, Überlieferung 45 (8ÉQEI.5 stammt aus Lk 22,63), BULTMANN, Johannes 500, FORTNA, Gospel 120, MYLLYKOSKI, Tage I 72f. 171 Vgl. zu dieser Formulierung J o s Bell VII, 11,3 §449, wo Catull J o n a t h a n und dessen Gefolgsleute gebunden zur gerichtlichen Untersuchung nach R o m überstellt (lovq jteqí röv 'I(ová9riv äycov SeBehévou^).
Joh 18,12-27
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men in seinen Außenrändern für den Leser und Hörer deutlich markiert ist172. Im Rückblick auf das Verhör Jesu durch Hannas lassen sich die eingangs auf Seite 87 erwähnten Problemkreise wie folgt eingrenzen: Die wesentliche Frage, ob im JohEv zwei Traditionen vorliegen, die durch den Evangelisten ausgeglichen worden sind, kann nur unter bestimmten Voraussetzungen bejaht werden. Zunächst ist R. Bultmann 173 und F. Hahn 174 zuzustimmen, daß mit dem Hannasverhör unabhängiges Material vorliegt. Darüber hinaus sind die redaktionellen Bearbeitungen zu beachten, die es dem Evangelisten ermöglichten, dieses Traditionsmaterial in seine Theologie einzuordnen. Die gelegentlichen Äußerungen in der exegetischen Literatur, der Evangelist habe auf diese Weise einen Ausgleich mit dem synopt. Stoff schaffen wollen, beruhen in sehr vielen Fällen darauf, daß der Gedanke des Verhältnisses des JohEv zu den Synoptikern negativ bewertet wird175. .Ausgleich* meint dann .Harmonisierung' oder .Substitution' 176 , was aber dem
172 MATERA, Jesus 4 8 , sieht zu Recht, daß das Hannasverhör keiner selbständigen Quelle entstammt. Es ist jedoch eine Verkürzung, wenn die Funktion lediglich i m Ubergang („transition") zwischen der Verhaftung und dem Pilatusverhör angesehen wird. Die Möglichkeit, ureigenes Material der j o h . Gemeinde hier vorzufinden, bleibt ebenso unberücksichtigt wie die Funktion von 18,24. NEIRYNCK, Parentheses 1 2 0 - 1 2 2 , m ö c h t e das P r o b l e m umgehen, indem er den Aorist (äji£OT£iÄ.Ev) mit plq. Bedeutung lesen m ö c h t e . Eine solche Möglichkeit verzeichnet B D R jedoch nicht (vgl. zum Plq. B D R §347). Eher wird man von einem komplexiven Aor. reden können ( B D R §332,1). Für redaktionell halten BULTMANN, J o h a n n e s 501, und MOHR, Johannespassion 274, diesen Vers; gegen DAUER, Passionsgeschichte 87, der V 2 4 für traditionell hält (vgl. dazu dessen selbstkritische Anmerkung DERS., Synedriumsverhandlung 316 A n m . 42). 173 J o h a n n e s 4 9 6 - 4 9 8 . Vgl. zur Gesamtkomposition BULTMANN, J o h a n n e s 497: Als „selbständige Bearbeitung der Synoptiker (oder eines von ihnen) läßt sich sein [des Evangelisten; M . L.] Bericht nicht begreifen, da sich seine Abweichungen nicht a u f die i h m eigentümlichen theologischen Motive zurückfuhren lassen." 174
Prozeß 5 2 - 6 7 .
175
Beispielsweise DAUER, Passionsgeschichte 87 (z. T. kursiv i m Original): „Unbefrie-
digend ist aber auch die Auskunft, die bis heute n o c h ihre Anhänger hat: J o h a n n e s setze die Synoptiker mit ihrem detaillierten Bericht voraus und verweise a u f sie; denn zum einen ist es recht fraglich, o b J o h a n n e s sie gekannt hat bzw. bei seinen Lesern als bekannt voraussetzen konnte, zum anderen wollte er seine Schrift sicher nicht zur Ergänzung der Synoptiker abfassen, sondern sein Evangelium schreiben, mit dem er Person und Werk Jesu in vollgültiger Weise zu erfassen suchte." SCHNEIDER, J o h a n n e s 297: „Die Erklärung, daß er die Darstellung der Synoptiker als bekannt voraussetzt, befriedigt nicht; denn es ist d o c h gar nicht sicher, daß die Leser seines Evangeliums eine genaue Kenntnis der von den Synoptikern berichteten Vorgänge hatten." 176
In diese Richtung kann man SABBE, Denial 2 2 6 , verstehen, denn der Evangelist „is
urged to provide a Substitute for its n o r m a l place in the Passion Narrative." D a m i t geht der theologische Gehalt dieses Abschnitts ein gutes Stück verloren, denn das Bedeutsame ist seiner M e i n u n g nach bereits in J o h 1 0 , 2 2 - 3 9 gesagt. Das Hannasverhör ist eine freie literarische Entfaltung des Evangelisten. SABBEs Aporie wird hier erneut deutlich: I m Ge-
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
bisher beobachteten Verfahren redaktioneller Arbeit des Evangelisten in keiner Weise entspricht. Legt man aber hier die beiden genannten Charakteristika .Kontinuität und Freiheit' 177 zugrunde, dann erschließt sich bei Beachtung der Kontinuität der ganz bewußt gesetzte redaktionelle Rahmen in J o h 18,13b.l4.24. Er bezeichnet damit das in Mk 14,53-65 belegte und in J o h 11,47-53 reflektierte Verfahren vor dem Hohen Rat, vor allen Hohepriestern (Mk 14,53b.55) unter Federführung des Hohenpriesters (Mk 14,53a.60.61.63). Freiheit hingegen beschreibt nicht nur das joh. Redaktionsverfahren, Mk 14 aufgrund seiner Theologie vorzuziehen, die Spur aber als bewußte Verstehenshilfe nicht zu verwischen, sondern zu markieren. Damit ist dann aber auch angedeutet, daß das Hannasverhör durchaus enger mit dem Kaiphasverhör zusammengehört, als bisweilen angenommen wird. Mk 14,61 formuliert mit der Messiasfrage ( O U EI 6 xQLöxog 6 UIÖG xoö eüXoyr|Toö) seitens des Hohenpriesters das Kernstück jener Perikope. Dieselbe Frage nach Jesu Selbstverständnis ist nun in besonderem Maße durch jtEQi xf)5 ÖLÖaxns aütoö soeben detailliert beschrieben worden. Es geht gemäß joh. Theologie bei 6i6axr| nämlich nicht u m ein Lehrgebäude, das Jesus auslegt, sondern Jesus praedicat se ipsum, wenn er sie entfaltet. Deshalb ist F. Hahn Recht zu geben, „daß J o h 18,19 und 18,20(f) an die Stelle der Messiasfrage und des Messiasbekenntnisses getreten sind" 178 . Darüber hinaus ist auch ein zweites wesentliches Element des synopt. Kaiphasverhörs durchaus dem Evangelisten bekannt: das Tempelwort. Mk 14,58 ist in markanter christologischer wie hermeneutischer Weise in J o h 2,19 vorgezogen worden: Der niedergerissene Tempel ist ein Bild für die Auferstehung nach drei Tagen, wobei dieses Verständnis grundsätzlich erst nach Ostern mittels des Hl. Geistes möglich ist179. Der bei Mk 14,53 vorkommende Sing, wie Plur. vor ¿Qxießeu^ schafft die Voraussetzung, das eigene traditionelle Material jetzt an die freigewordene Stelle relativ bruchlos einzufügen. Dieser Aspekt der Kontinuität zu eigenem Material wird aber sogleich der eigenen Freiheit zugeordnet, weil dieses joh. Sondergut mit Hilfe eigener Theologie aus dem übrigen J o h E v heraus interpretiert wird. Aus einer solchen Perspektive kann das doppelte Vorkommen von ¿oxieosüg durchaus integrativ verstanden werden. Es bleibt die Frage, wie dieses joh. Traditionsmaterial inhaltlich und umfänglich gestaltet ist. Zieht man die joh. Redaktion ab, dann bleibt nur soviel
gensatz zu den Synoptikern kann Johannes kein Sondermaterial haben. Eine schlüssige Erklärung, welche literarische Funktion J o h 18,13a.24 hat, hat er nicht zu bieten. 177 Vgl. dazu oben Seite 56. 178 HAHN, Prozeß 65; ähnlich SABBE, Relationship 78, jedoch mit direkter literarischer Abhängigkeit vom MkEv. 179 Zum dritten Element bei Mk 14, den Pseudozeugen, vgl. oben Anm. 120.
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übrig, daß eine Befragung vor dem .Althohenpriester' Hannas stattgefunden hat. Nimmt man Jos Ant XX,9,1 §198 als Ausgangspunkt zur Bewertung der historischen Frage, der vom Hohenpriestertum des Hannas und fünf seiner Söhne berichtet, dann zeigt dies den Einfluß dieser hohenpriesterlichen Familie. Auch wenn über den Inhalt dieser Anhörung nichts gesagt werden kann, so gibt das JohEv mit dieser Erwähnung einen historisch glaubwürdigen Zug wieder180. Das heißt, das traditionell vorliegende Material und inhaltlich vielleicht wenig ergiebige Hannasverhör bearbeitet der Evangelist mit Hilfe des mk. Kaiphasverhörs ganz im Sinne seiner Theologie: Der traditionelle Rahmen enthält das bekannte mk.-synopt. Bild! Ganz problemlos fugt sich dann aber auch die Verleugnungsszene in dieses ,Bild', das bereits im M k E v durch seine Unterbrechung einen sich steigernden Effekt erhalten hat 181 . Genau denselben Effekt erhält es auch in J o h 18,15-18, und auch hier gestaltet der Evangelist die Perikope mit eigener Theologie neu. Konnte bisher die joh. Redaktion in ihrer kohärenten und absichtsvollen Komposition nachgezeichnet werden, dann stellt sich noch die Frage, o b es Parallelen gibt. Die grundlegende Tendenz, Jesus aus zwei verschiedenen Richtungen von allerhöchster Stelle beurteilen zu lassen, kennt auch Lukas (23,2ff) 182 : Pilatus schickt Jesus zu Herodes Antipas, als er merkt, daß Jesus ein Galiläer ist und folglich in dessen Einflußbereich fällt. Herodes selbst will ein Zeichen (crrinetov) von ihm sehen, jedoch reagiert Jesus auf dieses Begehren nicht, er schweigt (23,9 canög 6e oüöev änexoivaxo ccüx&). Nach Verspottung und Mißhandlung wird Jesus mit einem weißen Gewand als Zeichen für Unschuld (23,15b) zu Pilatus zurückgeschickt. Gemäß lk. Theologie stimmen hier beide hochrangigen röm. Amtsträger darin überein, daß sie Jesus für unschuldig halten. Die Verschränkung von bei-
180 Vgl. BLINZLER, Prozeß 130-132.136, BLANK, Johannes III 51. Besonders sei auf THEISSEN, Lokalkolorit 184f, verwiesen, der die Anonymität des Hohenpriesters im MkEv einleuchtend damit erklärt, der N a m e sei ursprünglich bekannt gewesen, man habe ihn aber angesichts der Bedeutung dieser Familie bewußt verschwiegen. BROWN, Death I 408-411, hat zuletzt das Material vorgestellt. 181 Vgl. GNILKA, Markus I 144. DERS., Verhandlungen 16: „Eine wichtige Möglichkeit für den Redaktor, seinen Intentionen Ausdruck zu verleihen, bestand in der Art und Weise, wie er Perikopen aufeinander folgen läßt und zusammenordnet." 182 Zur redaktionellen Bearbeitung dieser Perikope vgl. DlBELIUS, Herodes 2 8 4 - 2 8 9 , DERS., Formgeschichte 200, BULTMANN, Geschichte 294, HAHN, Prozeß 35 Anm. 17, GRUNDMANN, Lukas 423f; vgl. ERNST, Lukas 476. Ihre Herkunft ist damit freilich noch nicht geklärt (Sondergut, vorliegender Bericht oder gänzliche Eigenkomposition); vgl. die ausführliche Diskussion bei BROWN, Death I 778-786. Zuletzt hat UNTERGASSMAIR, Problematik 2 8 0 - 2 9 2 , für lk. Redaktion votiert.
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
den Verhören hat u. a. den Effekt, dieses Faktum betont herauszustreichen. Ein Vergleich der lk. u n d joh. Verhörszenen ergibt folgendes Ergebnis: 1) Lk 23 bietet beide Verhörszenen unmittelbar ineinander verschränkt, während in J o h 18 beide jüd. Verhöre getrennt sind. D a s liegt darin begründet, daß die Verleugnungsszene des Petrus ursprünglich in die Verhandlung vor den jüd. Oberen verwoben ist. 2) D i e Herodesgeschichte ist vor allem durch V 8 . l l ausgestaltet worden. Eine solche Ausgestaltung fehlt im joh. Hannasverhör gänzlich, denn es ist komplett aus d e m Kaiphasverhör gearbeitet. 3) Die Herodes- bzw. Hannasszene ist jeweils Sondergut des Evangelisten. 4) Dieses Sondergut hat für den Fortgang des PB keine inhaltliche Bedeutung. Ein neuer Aspekt oder Gedanke wird in keiner der beiden Geschichten eingeführt. 5) D a s Herodesverhör nimmt inhaltlich denselben Gedanken (Unschuld J e s u ) aus dem Pilatusverhör auf, auch wenn - wie 4) andeutet - kein neuer Aspekt d a z u k o m m t . D a s Hannasverhör greift ebenso auf einen zentralen Gedanken des Kaiphasverhörs (Messiasfrage) zurück, ohne ihn jedoch weiter auszuführen. 6) Der Zweck dieses Sondergutes ist deshalb (5) bei Lukas relativ leicht zu bestimmen, denn es soll das betont werden, was der vierte Evangelist mit dem Zeugnis aus zweier Zeugen M u n d benennt (Joh 8,17; vgl. dazu D t n 19,15; 17,6). Herodes stützt die M e i n u n g des Pilatus, daß J e s u s unschuldig ist. In gleicher Weise bestätigt das Hannasverhör die J o h . Messiasfrage' insofern, als die Bemerkung J e s u über seine abgeschlossene öffentliche Wirksamkeit u n d der Verweis auf die J ü n g e r ihm zwar eine Ohrfeige einträgt, seine souveräne Reaktion jedoch die Richtigkeit seiner Aussage zweifelsfrei belegt und dadurch auch das Ergebnis des Kaiphasverhörs beglaubigt. Wie können diese keineswegs zufalligen Ubereinstimmungen erklärt werden? Eine inhaltliche Abhängigkeit scheint k a u m denkbar, da die entsprechenden Abschnitte d o c h einen ganz unterschiedlichen Hintergrund haben: hier der röm. Staat u n d Amtsträger u n d dort die jüd. .Verwaltungsbehörde' mit ihren obersten Repräsentanten. Eine wesentlich größere Nähe scheint aber in kompositorischer Hinsicht zu bestehen.
2. Interpretation: J o h a n n e s verhandelt im Verhör vor H a n n a s zwei Termini, die in ihrer Bedeutung bis in die joh. Gemeinde reichen: Zunächst führt er drastisch vor Augen, daß Jüngersein keine eindeutige, sondern eine umstrittene Größe ist. Zur Jüngerschar gehört einerseits der Exeget J e s u (13,23; vgl. 1,18), der Lieblingsjünger, und andererseits Petrus, der nicht in der Lage ist, in gefährlicher Situation das Bekenntnis zu sprechen, sondern die Zugehörigkeit verleugnet. Die verschränkte Szene mit der Befragung Jesu vor H a n n a s eröffnet daher einen weiteren Gedanken: Während J e s u s ausdrücklich u. a. a u f seine J ü n g e r verweist, die weitere Auskünfte geben können, verweigert Petrus in seiner Befragung genau diese A u s k u n f t u n d widerspricht Jesus auf dieses Weise 183 . U n d d o c h sind sie es, die die von
Joh 18,12-27
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Gott an Jesus weitergegebene und mittels des Parakleten erinnernd fortgeführte Lehre bezeugen. Der wahre Exeget Gottes, Jesus selbst (1,18), steht nun zu Unrecht vor dem Hohenpriester, um sich zu verantworten. Sein öffentliches Auftreten und seine Jünger belegen, daß das gefällte Todesurteil (11,53) keine Begründung finden kann. Er ist schuldlos (vgl. 8,46) und doch gab Gottes Liebe den einzigen Sohn (töv ijlöv töv novoyevrj) hin (3,16a eöwxev), daß er nun von einem Menschen eine erniedrigende und entehrende Ohrfeige erhält (e&coxev Qcemana), ehe er zur Kreuzigung übergeben wird (19,16a jraQeÖwx e v ) , um am Kreuz Zeugnis von Gottes Liebe abzulegen 184 : Als der (xovoyevr)5 0eoc; (1,18) stirbt er und bewahrt den Glaubenden vor dem Verderben, indem er £.oi xai oi ürnigexai (V 18) bezieht. Anders als in Mk 14,70 erfolgt also die Verleugnungsfrage durch Viele nicht im dritten und letzten Durchgang, sondern bereits im zweiten. Ahnlich wie im mk. Text, nimmt der Evangelist auch hier mit der Einführung der Vielen (18,25 eurcov) gegenüber der einen Frau eine Steigerung vor186. Die Verleugnungsfrage (V 25b) ist bis auf das auxoß und das tot) avöowirou toutou wortgleich V 17 übernommen: 17
|if] x a i cru e x t ö v [iaBrixwv
25
nf| x a i cru e x t w v [iaörixwv aÜTOÖ ei.
ei t o ö «vBogojiou t o u t o u
Die dort vorgetragenen Ergebnisse gelten hier in gleicher Weise. Die Antwort wird im Gegensatz zu V 17 präziser mit r]DW|CTato eingeleitet und
183 Vgl. STIBBE, Storyteller 97: „Two trials consequently appear to be taking place: an informal trial o f Jesus inside the house, and an informal trial o f Peter outside the house". 184 Vgl. WLLCKENS, Christus 380: „Im Kreuzestod Jesu, auf den der Evangelist in 12,33 eigens betont hinweist, erfüllt sich das Ziel der Liebe Gottes im Sinne von 3,16!" 185 BRODIE, John 530 (z. T. kursiv im Original), interpretiert sehr hintergründig: „It {das .negative network'; M. L.} is further underlind [sic.] by the fact that Jesus' reply to the official (,If I have spoken wrongly [kakos] ... but if well [kalos] ...') effectively accuses him o f arrogating to himself the knowledge o f good an evil, in other words, the power o f an alternative god, and such a fundamental deviation is in continuity with the Genesis-like character o f Peter's sin." 186 G N I L K A , Markus II 293; vgl. G R U N D M A N N , Markus 416. Zur lk. Komposition G r u n d m a n n , Lukas 415f.
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
ergänzt durch xai eutev. Auch die Antwort ist mit dem oüx eint aus V 17 identisch. Ein ganz wesentlicher Unterschied zur mk. Vorlage ist aber, daß Petrus sich nicht selbst verflucht und verwünscht (Mk 14,71 avaGe^cm^eiv xai ö|ivüvai). Diese Reaktion ist nur noch in Mt 26,74 berichtet; schon Lk 22,60 (oüx oT6a o Xeyei.5) entschärft die mk. Vorlage deutlich und zeigt markant die Tendenz, der auch der vierte Evangelist folgt 187 . Neben den angesprochenen redaktionellen Bearbeitungen liegt daher in J o h 18,25 traditionelles Material (bes. Mk 14,70f) vor 188 . Mit J o h 18,26 folgt nun die dritte Verleugnung, die vom Evangelisten eingeleitet wird und vermutlich bis ¿oxieoecog geht 189 . Traditionsmaterial aus seiner Schule dürfte ab ouyyevr|5 bis mjtoö vorliegen, da cruyyevrig und omov jeweils joh. hapax legomenon ist und OIJ als ein im gleichen Kasus belegtes Relativpronomen wie das Demonstrativum nur noch in 3,34 190 vorkommt. Auch die Verleugnungsfrage wird nicht (if| xai cru ex wie zuvor beschrieben, sondern es wird jetzt zugespitzter sogar auf die Augenzeugenschaft zurückgegriffen: oux e y « cre ei5ov. Nicht mehr das auf Vermutung basierende nr| xai oi> ex, sondern ein Augenzeuge zwingt Petrus zur Stellungnahme. Für den Leser und Hörer wird die durch die Augenzeugenschaft bereits gesteigerte Verleugnungssituation noch weiter betont, denn der Augenzeuge entpuppt sich als ein Verwandter des Malchus. Gewichtiger kann die Frage also an Petrus nicht mehr formuliert werden. Jene qualitative Betonung hin zum Maximum dürfte dann auch der Grund gewesen sein, weshalb der Evangelist die quantitative Steigerung (von eig ex zu eijiov) aus der ersten und zweiten Verleugnungsszene verlassen hat, denn dieser Bogen war nicht weiter zu dehnen. Wo dieses traditionelle Material ursprünglich seinen Platz gehabt hat, läßt sich kaum mit Sicherheit sagen. Auf jeden Fall hat der Evangelist durch die Art und Weise, wie er es hier verarbeitet hat, seinem theologischen und kompositorischen Interesse prägnant Ausdruck verliehen191. 187 Eine Abhängigkeit vom LkEv ist aber auf Grund dieser Beobachtung nicht notwendigerweise anzunehmen. 188 Tradition vermuten BULTMANN, Johannes 501, DAUER, Passionsgeschichte 88, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 272, MATERA, Jesus 47 (aus Mk 14,66), SABBE, Denial 230 (237: jedoch ist V 25a quasi durch joh. Redaktion identisch mit V 18a); redaktionelle Überarbeitung von V 13b-14.24f nimmt BAUM-BODENBENDER, Hoheit 112, an, wobei die entstandenen Spannungen nicht beseitigt worden seien. Gerade dies spricht dann gegen die von ihr postulierte sofortige Auflösung der literarischen Spannungen, denn nun wird jener Interpolator dafür verantwortlich gemacht, sehr sorglos gearbeitet zu haben. MYLLYKOSKI, Material 132f, vermutet für V 25 eine unabhängige gleichlaufende Redaktion zwischen Lk 22,58 und Joh 18,25. 189 Zum redaktionellen ng ix J o h 1,40; 6,8.70.71; 7,50; 11,49; 12,2.4 (ggf. v. 1.); 13,21.23; 18,26; 20,24 SCHNACKENBURG, Johannesevangelium II 461 Anm. 2, DERS., Johannesevangelium III 335, SCHNELLE, Christologie 156. 190 B D R §293 Anm. 13.
J o h 18,12-27
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M i t d e m redaktionellen naAiv ouv 192 leitet der Evangelist J o h 18,27 ein. D i e beiden v o r a n g e g a n g e n e n Verleugnungen waren jeweils durch d a s redaktionelle ovx ein'i direkt a u s g e s p r o c h e n worden. J e t z t aber greift der Evangelist nur a u f r|gvr|a-£xxojo ecpwvrjcrev. 27 xal evdeag a X e x m g ecpa)vr|crEV. D i e K o m p o s i t i o n v o n 18,27 zeichnet sich d u r c h eine starke S t r a f f u n g des Materials aus, die aus V 2 6 d u r c h a u s verständlich ist. J o h a n n e s b e e n d e t diese Szene mit g a n z wenigen Strichen u n d unterscheidet sich dabei deutlich v o n M a r k u s u n d L u k a s . Schildert M a r k u s vor d e m H a h n e n s c h r e i eine breite V e r w ü n s c h u n g s f o r m e l u n d d a n a c h einen Verstehensprozeß des Petrus, d a n n blendet J o h a n n e s beides k o m p l e t t aus. A u c h L u k a s berichtet dav o n , daß Petrus n a c h d e m H a h n e n s c h r e i in Blickkontakt zu J e s u s tritt u n d daraufhin reagiert. J o h a n n e s läßt aber auch diese B e s c h r e i b u n g vollständig weg. D i e G r ü n d e d a f ü r liegen i m bisher vorgestellten Petrus-Bild 1 9 4 : Petrus versteht nicht, d a ß der Heilige in d e n T o d gehen m u ß . Angesichts dessen läßt J o h a n n e s die R e u e des Petrus aus u n d berichtet direkt v o n der Uberstellung J e s u an Pilatus 1 9 5 .
2. Interpretation: Trat in J o h 18,8 J e s u s durch das eyco ei^ii stellvertretend für die i h m A n b e f o h l e n e n ein, s o zieht sich der streitbare Petrus durch das oüx ei^i aus der Zugehörigkeit zurück. Petrus leugnet vor den D a b e i s t e h e n d e n u n d vor der M a g d seine J ü n g e r s c h a f t . D a d u r c h steht er .draußen vor der Tür'. Später wird sich erneut zeigen, o b Petrus seine J ü n gerschaft .versteht', i n d e m er .sieht', d a ß z u m A u f e r s t a n d e n e n die Zeichen
191 Redaktionelle Bearbeitung des traditionellen Materials vermuten: DAUER, Passionsgeschichte 90, SABBE, Déniai 230.238; gegen BULTMANN, Johannes 501, der komplett Tradition annimmt. 192 Vgl.: Jtó^iv ouv in 8,12; 9,15; 18,7.27; ouv JtdXlv in 8,21; 9,17 (getrennt durch xö TU(fXö); 10,7.39 (v. 1.); 11,38; 13,21 (weit getrennt); 18,33.40; 20,10.21 (getrennt); vgl. oben Anm. 68. 193 Eigenartigerweise verweist SABBE, Déniai 239, auf die mt. Parallele, die ix Ô E U X É Q O U nicht enthält. Der mk. Text hat zwar das textkritische ix Ö E U X E Q O U (lectio difficilior), es kann aber doch kaum gegen eine Abhängigkeit vom MkEv in Anspruch genommen werden, denn die mt. Parallele bietet für Johannes keine inhaltlichen Aspekte, die es nahelegen würden, daß er vom MtEv abhängig wäre. 194 Vgl. dazu auch das unten auf Seite 334f Gesagte (Petrus). 195 Etwas anders interpretiert SCHENKE, Johannes 346: „Die Prophezeiung Jesu ist in Erfüllung gegangen (13,38), und dem Petrus werden jetzt die Augen gewiß feucht werden, ohne daß der Leser dabei Zeuge sein muß." - Zur redaktionellen Überarbeitung (27a) des traditionellen Materials (27b): DAUER, Passionsgeschichte 90 (er ist jedoch unsicher), SCHNACKENBURG, Johannesevangelium II 37, vgl. SABBE, Déniai 230.238f; gegen BULTMANN, Johannes 501, der komplett Tradition annimmt.
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
des Todes (Leinenbinden) dazugehören, oder o b er erneut .draußen vor der Tür' bleibt. Wenn auch Judas ein solches Später nicht haben wird, dann gibt er seine Jüngerschaft ebenfalls preis, steht er doch auf der Seite derer, die Jesus zum Tode verhaften. Beide haben ihre Zugehörigkeit zum Zwölferkreis nicht erwiesen (13,30) 1 ' 6 . Beiden steht der Lieblingsjünger gegenüber, denn er holt Petrus in den bergenden Innenraum. Und später zeigt sich, daß der Lieblingsjünger seine Jüngerschaft .versteht', denn er ,sieht', daß zum Auferstandenen die Leinenbinden dazugehören; er ist deshalb .drinnen'. Ein weiterer Jünger ist mit Nikodemus zu nennen: Anfangs unwissend wird er zum Jünger, als er für Jesus votiert (7,52), u m schließlich seine Zugehörigkeit in der Spende des wahrhaft pharaonischen Begräbnisses zu dokumentieren (19,38-42). Wichtige ekklesiologische Momente werden somit anhand dieser Personen vor Augen gestellt197. 2.1.2.7.
Zusammenfassung
Im Rückblick auf diesen längeren Abschnitt J o h 18,12-27 sind folgende Schwerpunkte festzustellen: Mk 14,53a.b (6 o:qx i e@eus; TIUVTEC, oL ciQXieoeig) bietet dem Evangelisten die Möglichkeit, das gemeinhin an dieser Stelle zu erwartende Verhör der jüd. Obrigkeit mit seiner eigener Theologie und mit Material aus seiner Schule zu verbinden. Dabei dient ihm die schon im MkEv vorgenommene Unterscheidung zwischen ö und jt&vteq oL aQxiEQEig z u r E i n f ü h r u n g d e s K a i p h a s , og rjv a g x i e e e ü g xoö e v i a u t o O
exe'i-
vou, und des Hannas, der aufgrund seines großen Einflusses aus der Schar der TtdvTe? ol agxLE6E^b herausragt. Bevor nun der Evangelist joh. Sondermaterial verwendet, formuliert er einen leserorientierten Hinweis, daß das nun Folgende in dem aus dem MkEv bekannten Rahmen zu lesen und zu verstehen ist (Joh 18,13b.l4; vgl. ll,49ff). In Kontinuität zu Mk 14,54a.b folgt die Verleugnungsszene des Petrus, die frei durch den Themenkomplex .Lieblingsjünger' ergänzt wird. Die schon im MkEv als redaktionell erwiesene Verschränkung der Verleugnung des Petrus mit dem Verhör Jesu wird mit J o h 18,19 fortgesetzt, indem jetzt das erwartete Verhör geboten wird, allerdings mit Material aus der joh. Gemeinde, also nicht mit dem in Mk 14,53-65 berichteten. Und doch wird in dieser Anhörung kein gänzlich neues Thema verhandelt, sondern die Befragung hinsichtlich seiner Jünger
196 HEIL, B l o o d 34, interpretiert daher durchaus sachgemäß: „Like J u d a s his betrayer, who .was also Standing (tLoxii^ei) with them (net' ooitöv),' the enemies seeking to kill J e s u s (18:5), Peter ,was also standing with them' (het' aviwv eotwc;)." Vgl. dazu ST1BBE, J o h n 181f. 197 Als klassisch sind hier die Urteile BULTMANNs, Theologie 443, und KÄSEMANNs (vgl. oben in Kap. 1 Anm. 105) anzusehen, eine Ekklesiologie existiere im J o h E v nicht. Zur joh. Ekklesiologie vgl. RUIZ, Missionsgedanke 73-162, ONUKI, Gemeinde 117-182, SCHNELLE, Ekklesiologie 3 8 - 5 0 (bes. 4 4 - 4 6 ) .
Joh 18,28-19,16a
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und seiner Lehre (jtegi xwv iiaOriiöv atitoO xai negi rrjc; 6iöaxns aijtoij) benennt zentrale Termini joh. Theologie. Insgesamt suggeriert der Evangelist zwei Verhandlungen vor jüd. Oberen. Dadurch steht er in deutlicher Kontinuität zu Lk 23,2ff,-wo ebenfalls zwei Instanzen den Fall Jesu verhandeln. Traditionelles Material aus der joh. Gemeinde bildet mit mk.-synopt. Stoff einen Rahmen, der das eigene theologische Anliegen als Implikat enthält. J o h 18,12-27 ist in seiner Gesamtkomposition dem zuerst im MkEv begegneten Verfahren des sog. sandwich-agreement nachgebildet 198 , also der Verschränkung zweier unterschiedlicher Geschehnisse in einer Sequenz. J o h 18,13b.l4.24 haben in dieser Abfolge eine mit dem MkEv synchronisierende Funktion, ohne aber harmonisierenden oder substituierenden Charakter gegenüber dem mk.-synopt. Material zu besitzen. Wenn der Evangelist durch diese Szenenfolge seiner Theologie besonderen Ausdruck verleihen will, dann hat sich dies anhand der Darstellung der Verleugnung des Petrus im Gegenüber zum Lieblingsjünger nachweisen lassen. Es hat sich wahrscheinlich machen lassen, daß der Evangelist die zentralen Termini öibuyj\ und na8r|tr|5 gerade nicht in J o h 18,19b—21 ausfuhrt, sondern auf das im J o h E v bereits Gesagte verweist.
2.1.3. J o h 18,28-19,16a: Jesus vor Pilatus 2.1.3.1.
Kontext
und
Aufbau
Der sich nun anschließende Textabschnitt folgt weiter der mk. Geschehensabfolge. Frühmorgens liefern Synedrium, die Hohepriester mit den Altesten und Schriftgelehrten Jesus an Pilatus aus (Mk 15,1). Es folgen drei Szenen zwischen Jesus und Pilatus (V 2-5.6-14.15), wobei der Evangelist die zweite durch Barabbas ergänzt und die dritte in der Verurteilung Jesu gipfeln läßt. Mit dem fünften Abschnitt, der Verspottung und Geißelung Jesu als Judenkönig (V 16-20a), schließt Markus diese Szenenfolge, u m dann den Weg Jesu ans Kreuz zu schildern 199 . Die lk. Parallele hingegen bietet über das mk. Material erheblich mehr Sondergut: die formale Anklage 198 HEIL, Blood 31, formuliert hinsichtlich dieser Verschränkung zumindest mißverständlich: „Creating a B-A-B intercalation with the two previous scenes, Peter's denial of Jesus (18:15-18) contrasts with Jesus' being arrested, bound and brought before Annas (18:12-14)." Die mögliche Interpretation dieses Satzes, Johannes habe diese „intercalation" selbst geschaffen („creating"), muß ausgeschlossen werden, denn sie lag ihm im MkEv bereits vor. 199 Die mt. Parallele folgt komplett Mk. Wenn jedoch Sondermaterial geboten wird (27,3-10 das Ende des Judas; 27,19 Pilatus' Frau; 27,24f das Händewaschen des Pilatus), dann trägt es durchweg weniger zum Gesamtverständnis des JohEv bei als ein Vergleich mit dem MkEv oder LkEv; vgl. HAHN, Prozeß 34 Anm. 16; gegen DAHL, Passionsge-
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2. R e d a k t i o n s g e s c h i c h t l i c h e A n a l y s e
(Lk 23,2); die erste Unschuldserklärung (V 4); Jesus vor Herodes (V 5-12); die zweite Unschuldserklärung und die Kundgabe des Willens, das ganze Verfahren mit einer Geißelung abzuschließen (V 13-16) und endlich die dritte Unschuldserklärung (V 22). Neben diesem Sondergut gegenüber Markus läßt Lukas die Verspottung und Geißelung aus, was wohl in der im Pilatus- und Herodesverhör sichtbaren Tendenz begründet liegt, Jesus für unschuldig zu erklären. Die Einzelanalyse des stark redaktionell überarbeiteten Textes J o h 18,28-19,16a muß diese Beobachtungen in Hinsicht auf die theologische Komposition berücksichtigen. Bevor mit der abschnittsweisen Einzelanalyse begonnen wird, sollen einige grundsätzliche Bemerkungen zum Aufbau und zur Struktur dieses Textes vorangestellt werden. Das Charakteristikum von J o h 18,28-19,16a galt der älteren Literarkritik geradezu als Paradigma für einen unzusammenhängenden und zerstörten Text: der ständige Ortswechsel. J. Wellhausen macht hier aus seiner Ansicht keinen Hehl: „Die Juden bleiben draußen und erfahren nur durch ihn (Pilatus; M. L.) etwas über den Stand seiner Verhandlungen mit dem Angeklagten. Zu dem Zweck muß er beständig zwischen den Parteien hin und her laufen, bald in das Prätorium herein, bald aus dem Prätorium hinaus. In diesem Wirrwarr finde sich zurecht(,) wer kann; ich begnüge mich mit einer Übersicht über die einzelnen Abschnitte." 200 Doch die Probleme beginnen erst: Pilatus ist bis V 28 unbekannt und tritt doch als bekannt auf. Er scheint auch von dem ganzen Verfahren erst jetzt Kenntnis zu bekommen. Der xi^iagxog hat offensichtlich keine Meldung erstattet. Auch die Juden sind indifferent dargestellt, denn einerseits bitten sie Pilatus zu richten, verbieten ihm aber andererseits, sich mit ihrem Urteilsspruch auseinanderzusetzen. Zudem haben sie kein Urteil gefällt, dessen Vollstreckung sie jetzt von Pilatus fordern könnten, denn das „Verhör vor Annas soll ein Verhör sein und ist keins, das vor Pilatus soll keins sein und ist eins, wenn auch nur materiell, nicht formell." 201 schichte 21.32, BORGEN, J o h n passim (bes. 247.259), bereits in direkter Auseinandersetzung BUSE, J o h n (1960) passim. 200 WELLHAUSEN, Johannis 83f. Ähnlich urteilt auch SCHWARTZ, Aporien I 355: „ D a die J u d e n nicht ins Praetorium hineingehen, so muß der Statthalter zwischen dem zu verhörenden Inculpaten und den tumultierenden Anklägern hin und herlaufen. Ist das an und für sich schon eine seltsame Erfindung, durch die ein selbständig componierender Erzähler sich k a u m seinen S t o f f ruiniert haben würde, so wird sie durch die beständige Wiederholung unleidlich, und was das ärgste ist, sie wird nicht einmal klar durchgeführt." SCHWARTZ verweist dann auf 19,4f.9.12.13ff und fahrt fort: „Für ein solches C h a o s giebt es principiell nur eine Erklärung: hier sind verschiedene Schichten der Erzählung über und durch einander geschoben" (DERS., Aporien I 355f). Vgl. dazu bereits WINDISCH, Erzählungsstil 205 Anm. 1: „ D i e Komposition dieses Aktes ist von den Quellenscheidern o f t sehr unverständig bekrittelt worden"; vgl. auch HEITMÜLLER, Johannes=Evangelium 170. 201 WELLHAUSEN, Johannis 83. Die Kritik von GREGORY, Wellhausen 8 - 1 2 , orientiert sich aber in kaum überzeugender Weise am Aufweis psychologischer Bedingungen bei Pi-
J o h 18,28-19,16a
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Diese und die je an Ort und Stelle genannten Schwierigkeiten lassen also das Verhör vor Pilatus eher als ein unvollendetes Puzzle denn als ein homogenes und geordnetes Bild erscheinen. Ohne den Ergebnissen der Einzelanalysen vorweggreifen zu wollen, kann aber ganz grundsätzlich die allgemeine Beobachtung hilfreich sein, daß weder dieses Verhör noch die Evangelien überhaupt exakte Geschehensprotokolle sein wollen. Vielmehr versteht die jüngere ntl. Forschung sie als theologisch absichtsvoll gestaltete Werke, die das Ziel haben, den Leser und Hörer ihrer Zeit mit dem christlichen Glauben zu konfrontieren. Konkret heißt das für das JohEv, daß die historische Darstellung dem theologischen Ziel untergeordnet ist 202 , damit der Angeredete nicht nur an Jesus als den Sohn Gottes glaubt, sondern auch daran, allein in ihm Leben zu haben (20,31). M. a. W., die Komposition der Verhörszene muß zuerst in dieser theologischen Absicht verstanden werden, ehe ihre historische Plausibilität erhoben wird. In der Zielangabe (20,31) ist dann aber auch implizit vorausgesetzt, daß Leser und Hörer bereits u m einige heilsgeschichtliche Eckdaten wissen. Manche Kritikpunkte J. Wellhausens und seiner Kollegen erweisen sich dann aus heutiger Sicht als nicht stichhaltig 203 . Seit längerem wird gegen die kritischen, die Einheit bezweifelnden Stimmen zu Recht gerade der charakteristische Szenenwechsel als Gegenargument aufgeführt 204 . Das permanente Hinaus- und Hineingehen ist nicht latus; zu 19,7: „wie unheimlich diese Worte dem abergläubischen Pilatus in der Seele klingen mussten" (DERS., Wellhausen 10) oder zu 19,10 auf Seite 11. 202 Vgl. dazu oben Seite 61 mit Anm. 1. 203 Vgl. HAENCHEN, Jesus 147. D . h., daß beispielsweise WELLHAUSENs 0ohannis 84) Vermutung gegenstandslos ist, die etwa von BAUM-BODENBENDER, Hoheit 105-107, und KOTILA, Zeuge 115, aufgenommen worden ist, Pilatus wisse nach 18,30 von der a i t l a nichts, in 18,33-38 hingegen habe er davon Kenntnis. 204 KUNDSIN, Überlieferungsstoffe 42 (jedoch fällt bei ihm V 12 heraus), BLANK, Verhandlung 61, HAENCHEN, Jesus 149 (anders: DERS., Historie 64-76: nur vier Szenen), GRUNDMANN, Zeugnis 83, FORTNA, Gospel 122, BROWN, J o h n II 859, DERS., Death I 785, HAHN, Prozeß 3 0 - 3 2 , DAUER, Passionsgeschichte 101 f, BEUTLER, Martyria 319, SCHNAKKENBURG, Johannesevangelium III 248.275f, CULPEPPER, Anatomy 142, BAUM-BODENBENDER, Hoheit 34f.45-48, BEASLEY-MURRAY, J o h n 321, KY5AR, J o h n 916, STIBBE, Storyteller 105f, DERS., J o h n 187, SCHNELLE, Johannes 1808, BRODIE, J o h n 5 3 2 - 5 3 9 (jedoch J o h 19,1-3 als Interludium sowie 19,13-16a), REINBOLD, Bericht 157f, BÖHLER, Zitat 107, SÖDING, Macht 38f, SCHWANK, Johannes 440, VAN TLLBORG, J o h n 166, WLLCKENS, Evangeliu m 277 (beide sehen jedoch 18,28 und 19,16 nicht eigenständig), MOLONEY, Gospel 493-497, SCHENKE, Johannes 3 4 8 - 3 5 0 (V 16a wird nicht abgeteilt). WINDISCH, Erzählungsstil 204, ermittelt acht Szenen, wobei ihm aber der V 12 (eigenständige Szene) zum Problem wird; vgl. DLEBOLD-SCHEUERMANN, Jesus 23-104. Im Anschluß an HEITMÜLLER, Johannes=Evangelium 170, BULTMANN, Johannes 501 f (vgl. STRATHMANN, Johannes 242), nimmt BECKER, Johannes II 663, zwei mal drei Szenen an, jedoch werden die Räume drinnen und draußen in 19,1-7 unzulässig zusammengenommen (vgl. dazu das unten auf Seite 180-188 Gesagte [Joh 19,4-7: Der Unschuldige und das Gesetz]); vgl. SCHNEIDER, Jo-
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
nur ein glänzendes Gliederungsschema. Es dient dem Evangelisten auch dazu, die theologische Gesamtkomposition seines Evangeliums widerzuspiegeln: Die Zeit der Offenbarung Jesu vor der Welt (1,19-11,54) ist abgeschlossen (12,37-40), Jesus hat der Welt gesagt, was zu sagen war, jetzt ist die Zeit des Pilatus, im Prätorium zu hören, wie die Wahrheit von sich zeugt. Die 'Iou&aToi hingegen bleiben vor der Tür. Nimmt man also jene Gliederungssignale des Evangelisten auf, um sich einen Gesamtüberblick über die Beschreibung des Verhörs zu verschaffen, dann ergibt sich folgendes 205 : 1) Sog. Draußen-Szenen: a) 18,29-32: die Anklage und die Unmöglichkeit ihrer Realisierung; b) 18,38b-40: der .Freiheitsbringer' und der ,Guerillakämpfer'; c) 19,4-7: der Unschuldige und das Gesetz; d) 19,13-15: jeder Richter auf seinem ß%a. 2) Sog. Drinnen-Szenen: a) 18,33-38a: der König der Juden zeugt von der Wahrheit; b) 19,1—3206: der König wird gegeißelt und verhöhnt; c) 19,8-12: die e|ouoia Jesu und des Pilatus. Vergegenwärtigt man sich jene sieben Szenen in ihrer inhaltlichen Verzahnung, erkennt man, daß sie aufeinander aufbauen und die Gedanken jeweils fortfuhren. Die sog. Draußen-Szenen benennen die xarnyogia, die dem Pilatus vorgelegt wird. Jesus ist ein Übeltäter (fjv ... xaxöv JIOIWV), der nach jüd. Meinung gerichtet werden muß. D a die jüd. Instanz aber jene Möglichkeit der gesetzesmäßig vorgesehenen Strafe, die Steinigung, nicht besitzt, ist nicht nur die röm. Behörde, sondern auch die röm. Strafe, die Kreuzigung, nö-
hannes 299. Anders GLBLIN, Narration 222 (vgl. PANACKEL, AN0PQIIOS 2 5 1 - 2 5 3 , KÖRTING, Struktur 4 2 0 - 4 2 3 ) : Er analysiert das V o r k o m m e n der handelnden Personen und nicht der theologisch qualifizierten R ä u m e u n d ermittelt zwei Szenen (18,29-19,3; 19,4-16a) mit je drei Sequenzen (drinnen-draußen-drinnen), die mit einem TÖTE-ouv-Satz abgeschlossen werden und die sich z u d e m jeweils gegenseitig spiegeln. Diese beeindrukkende Struktur leidet aber darunter, daß sie das in 19,1-3 und 19,16a Gesagte in jeweils in ihrer Funktion gleichsetzen muß, denn die in 19,1-3 vollzogene Geißelung entspricht nicht der noch ausstehenden Kreuzigung (19,16a). Zwei weitere Beispiele einer Sieben-Szenen-Komposition mit einem charakteristischen Mittelpunkt bilden J o h 9,1-41 (vgl. dazu HOLLERAN, Light 14.354-382), sowie J o h 4 (vgl. dazu unten A n m . 301). 205 BAUM-BODENBENDER, Hoheit 3 3 - 4 0 , erwähnt darüber hinaus n o c h besonders die folgenden, untergeordneten Elemente: Zeitadverbien, Personenwechsel sowie narrative Elemente. Vgl. dazu n o c h die Erwägungen z u m T h e m a Erzähltempo bei DERS., H o h e i t 4 0 - 4 8 , und FREY, Eschatologie II 137-139. Z u m Problem des literarischen Charakters der .Szene' vgl. DLEBOLD-SCHEUERMANN, Jesus 115-131 (125-127: Kritik bes. an BAUM-BODENBENDER). 2 0 6 O b w o h l eine elg-Wendung fehlt, spielt die Szene drinnen, denn Pilatus kann nicht zweimal herauskommen (V 38b; 19,4); vgl. HAHN, Prozeß 32 A n m . 13.
Joh 18,28-19,16a
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tig. Diese Rechtssituation wird in 18,38b-40; 19,4-7 in zwei Richtungen entfaltet. Zunächst stellt Johannes Jesus als den angeklagten Übeltäter (rjv ... xocxöv TIOLOJV) einem vergleichbaren Menschen an die Seite, Barabbas, ein >i.r|öTr|5. Hier erweist sich erstmals Jesu Unschuld. Auch im zweiten Durchgang wird das Wort .Übeltäter' angeführt, diesmal aber in Richtung des jüd. Gesetzes. Mit einem wörtlichen Rückgriff auf 18,31 (Xceßexe aütöv ü|iB5) erzwingt Pilatus das versteckte Interesse der 'Iouöaioi: Es steht eine theologische Frage zur Diskussion. Der Ausgangsbasis (18,29-32) entspricht jetzt der Urteilsspruch, der durch Zwischenrufe herbeigeführt ist (19,12). Pilatus, auf dem Richterstuhl sitzend, übergibt Jesus zur Kreuzigung, jedes Urteil wird von seiner ihr eigenen sella curulis gefallt. Oder anders gesagt: Jeder Richter sitzt auf seinem ßfjua207. Auch die sog. Drinnen-Szenen haben eine klar erkennbare Struktur. Der Ausgangspunkt ist die Feststellung, daß Jesus der König der Juden ist. Das Eigenartige und für Pilatus gänzlich Unverständliche ist die Tatsache, daß Jesu Königtum nicht ex xoö x6o|iou TOUTOU (otix evteöÖEv) ist. M. a. W., es ist avcoSev. Die Aufgabe dieses Königs ist nun das Wahrheitszeugnis (HÖQTUQeco xf) aAr|8eia). Die rhetorische Frage des Pilatus zeigt seine Unkenntnis. Dieses Zeugnis von der göttlichen Wirklichkeit entfaltet der Evangelist ebenfalls in zweierlei Hinsicht: 19,l-3.9b-12. Gottes Wirklichkeit erstreckt sich einmal in die ganz antidoketistische 208 , lebensbedrohliche Geißelung mit der anschließenden Verspottung. Diesen Zug blendet der Evangelist bewußt nicht aus, sondern stellt ihn kompositorisch in die Mitte dieser sieben Szenen, so daß je drei vorangehen bzw. nachfolgen 209 . Dieser niedrigkeitschristologische Gedanke wird ergänzt von der Aussage über die e^ouoia ajioXuaav xai oxaugwoai, die als avcoBev verstanden wird (19,9-12). Beide Perspektiven beschreiben also zusammengenommen Jesu Zeugnis von der göttlichen Wahrheit210. Diese erste Übersicht läßt also schon jetzt eine kompositorisch wie theologisch absichtsvolle Gestaltung erkennen, die eine Zuteilung von Einzelabschnitten auf mehrere Verfasser höchst fragwürdig erscheinen läßt.
207 Zur Einzelbegründung der intr. Übersetzung von Joh 19,13 vgl. das unten auf Seite 196-203 Gesagte (Joh 19,13-15: Jeder Richter auf seinem ßiina). 208 Vgl. dazu das unten auf Seite 170-176 Gesagte (Exkurs: Doketismus bei Irenaus von Lyon) mit Anm. 425. 209 Vgl. dazu das unten auf Seite 167-179 Gesagte 0 o h 19,1-3: Der König wird gegeißelt und verhöhnt). 210 BECKER, Johannes II 661-664, fuhrt gute Beobachtungen zur Komposition von Joh 18,28-19,16a unter dem Gesichtspunkt der redenden Personen an (vgl. WINDISCH, Erzählungsstil 204). Da er jedoch diesen Aspekt als durchgängiges Gliederungsschema anwendet, wird ihm 19,1-3 zum problematischen Text, der sich seiner Analyse (Anklage Verhör - Urteil) sperrt. Dies ist jedoch fraglich, denn der Evangelist ist mehr an der gezeigten inhaltlichen Verschränkung interessiert.
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
Einen Teil dieses Abschnitts J o h 18,28-19,16a hat man häufig unter Rückgriff auf das „altorientalische Königsritual" erklären wollen. Jenes dreistufige Ritual sei über das AT211 auch ins N T gelangt. Die überaus breite Rezeption dieser These in der ntl. Wissenschaft 212 schlägt sich in Hinsicht auf das JohEv in dem einflußreichen Artikel J. Blanks nieder. Er vermutet in 18,33-38a die feierliche Proklamation (V 36), in 19,1-3 die Investitur und Inthronisation mit der sich daran anschließenden Entgegennahme der ersten Huldigung, in 19,4 die Präsentation sowie in 19,6 die Akklamation Jesu 213 . Diese Überlegungen sind von vielen Forschern zustimmend und z. T. mit Ergänzungen aufgenommen worden 214 . Es erheben sich jedoch Einwände: 1. Die von E. Norden 215 vorgenommenen Rekonstruktionsversuche des religionsgeschichtlichen Hintergrundes lassen sich an den Texten nicht verifizieren. Das vermeintliche Ritual ist uns nicht im Zusammenhang erhalten216. 2. Die vermeintliche Dreistufigkeit steht darum auf äußerst schwankendem Boden: 2.1. diese Unsicherheit spiegelt sich in der uneinheitlichen Zuordnung bzw. Abgrenzung der Abschnitte wider217; 2.2. darüber hinaus soll dieses Modell auch noch in sechs Einzelabschnitten in J o h 12 vorkommen - angesichts der bereits unmöglichen Rekonstruktion des Grundmodells ein höchst fragwürdiges Unterfangen 218 .
211 Der einst von KRAUS, Königsherrschaft passim (vgl. DERS., Theologie 105-112, DERS., Psalmen I 46£101f), für die sog. Jahwe-Königspsalmen (im Zusammenhang mit dem Thronbesteigungsfest) in Anspruch genommene Hintergrund wurde von ihm selbst später fallengelassen. Zur Kritik vgl. bereits ABRAMOWSKI, Rez. Kraus passim. Zu weiteren atl. Zusammenhängen vgl. FRIEDRICH, Struktur 144f, zuletzt JANOWSKI, Königtum 394 (Lit.). Wenn das grundsätzliche Urteil BERNHARDTS, Krönung 1016, stimmt: „Allerdings stimmen diese Traditionen nur in wenigen Elementen überein, hinsichtlich deren Zahl und Reihenfolge keine Sicherheit besteht" (vgl. SCHMIDT, Königtum 328), dann schließt das freilich nicht aus, einzelne „Elemente der Königsideologie" (SCHMIDT, Königtum 328) anzunehmen. In ihrer Analyse des Königtums formulieren SHERWIN-WHITE/KUHRT, Samarkhand 114-140, hinsichtlich des darzustellenden Phänomens: „There is n o sign that a motive behind these imperial cults was legitimation o f the king as such" (DIES., Samarkhand 118). 212 FRIEDRICH, Struktur 136f Anm. 1 - 8 , fuhrt 24 Titel an. D e m sind noch die in Anm. 214 genannten Autoren zum J o h E v hinzuzufügen. 213 BLANK, Verhandlung 62.69.73.74.75, DERS., Johannes III 76f.81.89.90f.92. 214 BROWN, J o h n II 863, IBUKI, Wahrheit 142 Anm. 22, HAHN, Prozeß 40f Anm. 46, DAUER, Passionsgeschichte 111.249-275, MOHR, Johannespassion 306, GRUNDMANN, Zeuge 83, BÖHLER, Zitat 106-108 (vgl. dazu unten Seite 184), vgl. BEUTLER, Martyria 319; kritisch zustimmend: BECKER, Johannes II 676, und KNÖPPLER, theologia 258-262. 215 Geburt 118-125. 216 Vgl. dazu FRIEDRICH, Struktur 148f. 217 IBUKI, Wahrheit 141: 19,14 ist die Proklamation; 19,15 die Akklamation; 19,20 die Epiphanie des Königs; KNÖPPLER, theologia 260-262: 18,33-38a: die Proklamation; 19,1-3: die Krönung, Investitur und Huldigung; 19,4-7.13-16a: doppelte Präsentation und Akklamation; 19,16b-18: die Inthronisation; 19,19-22: die weltweite Kundgabe.
Joh 18,28-19,16a
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3. Selbst wenn dieses Konstrukt E. Nordens für Joh 18,33 zugrundegelegt werden soll, so trägt es nicht, was es soll: ad 3.1. Wo ist in Joh 18,33-38a von der Übertragung der Unsterblichkeit, also dem Empfang des göttlichen Lebens als dem ersten Schritt die Rede?; ad 3.2. Joh 19,1-4 redet nicht von einer Präsentation dieses vergöttlichten Königs im Sinne einer Aufnahme in den Götterverein. Vor allem ist die in Joh 19,5.14b zweimalige Präsentation219 völlig untypisch, zumal schon in 19,5 ein l'öe ö ßaaiAeug zu erwarten gewesen wäre; ad 3.3. eine Inthronisation im Sinne einer Ubertragung der irdischen Herrschaft widerspricht dem JohEv und biblischem Denken generell, denn Ps 93,2 bekennt Gottes Königtum als ein ewiges (TKO "pD] bzw. ETOI(iog ° ößovog oou CBIÖ TOTE). Es ist atl. Denken fremd, daß Gott sein Königtum auch nur zeitweise verloren haben sollte, um es in jenem Akt wieder in Besitz zu nehmen. Diesem Denken folgt das JohEv, denn der inkarnierte Logos ist bereits der ßaaiXeug tajv 'Iouöaiwv (1,49; 12,13; 18,36). 4. Die Übersicht bei J. Blank220 verdeutlicht zudem, daß die Barabbasszene Joh 18,38b-40 in dieses Schema nicht zu integrieren ist. Angesichts dieser Schwierigkeiten ist ein solches festgefugtes Ritual als Hintergrund wenig wahrscheinlich221. 2.1.3.2. Joh 18,28: Die Übersteliung Jesu zu Pilatus Mit diesem Vers werden beide Verhöre miteinander verbunden. Seine spezifische Funktion kommt dem gleich, was oben zu 18,12 (vgl. 19,16a) gesagt worden ist. Weitestgehend stimmt V 28a (bis JIQOH) mit Mk 15,1 in der Hinsicht überein, daß die jüd. Obrigkeit Jesus nach dem Verhör der röm. Instanz ausliefert. Dieses Geschehen spielt sich frühmorgens ab222. Damit erklärt sich die Wendung dg TO jToaitwQiov223, die dann durch eine konkrete
218 IBUKI, Wahrheit 142 Anm. 22: 1) 12,lff schildert die Salbung Jesu zum König durch Maria; 2) 12,3 beschreibt die Ubergabe der Wertgeschenke an den König; 3) 12,3 benennt die Huldigung, denn Maria trocknet die Füße Jesu mit ihren Haaren; 4) 12,12 bezeichnet die Epiphanie des Königs in Gestalt des Einzugs Jesu in Jerusalem; 5) 12,13 schildert die Akklamation des Volkes im Hosanna-Ruf, 6) 12,14ff berichtet die Thronbesteigung, denn Jesus setzt sich auf das Eselsfohlen. 219 Vgl. KNÖPPLER, theologia 260£ 220 Verhandlung 62. 221 Kritisch ebenfalls SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 296, SCHNELLE, Johannes 1808f, REINBOLD, Bericht 166 Anm. 246. 222 Gemeinhin wird 6 Uhr morgens in Anlehnung an das „prima luce" aus Senecas de ira 11,7,3 angenommen; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 277, BECKER, Johannes II 668 (ohne Senecazitat); vgl. GRUNDMANN, Markus 422, GNILKA, Markus II 299 (,beim ersten Morgenlicht'); gegen BULTMANN, Johannes 504 Anm. 7, der diese Deutung auf 13,30 begrenzt. 223 Verschiedene Lokalisierungsversuche werden angeboten: 1) die Burg Antonia (vgl. Jos Bell V,5,8 §238.243-245), die nördlich vom Tempel lag und wohl die Garnison beher-
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
Person in V 30b, Pilatus, aufgenommen und weitergeführt wird. Die mk. Auslieferungsformel nagebüMav ist bereits durch Lk 23,1 in riyayov stilistisch geändert worden, so daß diese Änderung des mk. Textes (15,1) in Joh 18,28 nicht mehr überraschen muß: 1
JIQCÖT ...
28
ayouaiv
xöv 'Ir|ooöv ctjrrjvEyjcav x a i
... xöv 'Irjaouv ...
nagebioxav niXäxw 224
elg xö irgaitwoiov ...
JIQGH.
Dabei fallt nun auf, daß sich hinter dem äyouoiv das in 18,12 genannte Verhaftungskommando, bestehend aus röm. orteiga mit xL^'La6X°Q sowie ijjTT|Q£Tai xöv 'Iou&aiwv, verbirgt. Die aüxoi aus V 28b können angesichts der Präzisierung iiiotv0(ooiv aber keinesfalls jene röm. Soldaten sein, sondern sind Angehörige des Synedriums 225 . Im traditionellen Zusammenhang ist das äyouoiv durch Mk 15,1 also durchaus einsichtig, erst in seiner redaktionellen Übernahme käme jene Unsicherheit auf, die ohne weitere Erklärung unverständlich bliebe. Der Evangelist kennt aber den mk. Zusammenhang, weiß also, daß nur Angehörige des Synedriums in Frage kommen können. Kompositorisch sehr geschickt stellt er diese Angehörigen hier nur mit aüxoi vor. Erst im weiteren Verlauf der Verhandlung entpuppen sie sich als 'Iou5aioL, jene schillernde Größe, die als joh. Charakteristikum eine ganz vielschichtige theologische Aufgabe erfüllt226. Jetzt werden die aüxoi dahingehend beschrieben, daß sie aus Sorge vor kultischer Verunreinigung 227 das Prätorium nicht betreten. Mit diesem Rückgriff führt der Evan-
bergte. Gegen diesen Vorschlag spricht vor allem, daß die Burg zwar zur Tempelüberwachung diente, jedoch nicht als Königspalast und daher auch nicht als .Prätorium' bezeichnet wurde. Zum Lithostrotos s. unten Anm. 546. Vgl. VINCENT, lithostrotos passim, BRUCE, Prätorium 1482, KROLL, Spuren 373, BLANK, Johannes III 71f, zur Kritik BARRETT, Johannes 524, BROWN, John II 845, RIESNER, Prätorium 1221, BÖSEN, Tag 206-208; 2) der obere Herodes-Palast (Zitadelle), der topographisch höher als der Tempel liegt, TILLMANN, Johannesevangelium 247f, BAUER, Johannesevangelium 214, BULTMANN, Johannes 501f Anm. 6, BENOIT, Pietoire passim, BARRETT, Johannes 512, MICHEL/BAUERNFEIND, Josephus I I / l 259f Anm. 102 mit Exkurs, BLINZLER, Prozeß 256-259, BROWN, John II 845, SCHNEIDER, J o h a n n e s 3 0 0 , BAUER, W ö r t e r b u c h 1398, BECKER, J o h a n n e s II 667f, SCHNEI-
DER, jtecuTUQiov 347, OTTO, Jerusalem 811, SCHWANK, Johannes 439, BÖSEN, Tag 211-213; zur Kritik RLESNER, Prätorium 1221 f, 3) der untere Herodes-Palast (Hasmonäer-Palast), der gegenüber der Süd-West-Ecke des Tempels im westlichen Tyropoion-Tal liegt und der eine im 4. Jh. beginnende Tradition für sich in Anspruch nehmen kann; vgl. RIESNER, Prätorium 1222, PIXNER, Praetorium 447f, zur Kritik BROWN, Death I 706f Anm. 76, BÖSEN, Tag 208-211. Zur Archäologie der Antonia BUSINK, Tempel 1233-1249. HAENCHEN, Johannesevangelium 534, läßt die Entscheidung offen. 224 Zum überladenen Charakter von Mk 15,1 (ol C(Q%IEQ£T£ ^ET« rüv jTQtaßuTEQCov xai yganuaiEMv xai öXov xö OUVE&QIOV) vgl. GNILKA, Markus II 297. 225 Historisch scheint es, wie oben angedeutet, ebenfalls schwer vorstellbar, daß das röm. Verhaftungskommando einen jüd. Verbrecher erst der jüd. Instanz überstellt, auf deren Ergebnis wartet, den Delinquenten entgegennimmt und der röm. Instanz ausliefert. 226 Vgl. dazu das unten auf Seite 3 3 8 - 3 4 0 Gesagte (Die 'Iou&ctioi).
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gehst n u n aber ein T h e m a ein, das seit J o h 1,29.36 d e u t l i c h b e n a n n t word e n war: die Passatheologie 2 2 8 . D i e Darstellung des T o d e s Jesu während die Passalämmer geschlachtet werden ist für d e n f o l g e n d e n Teil des PB v o n g r o ß e r B e d e u t u n g u n d wird b e w u ß t v o m Evangelisten hier eingefugt. Es bleibt zu klären, was sich hinter der Zeitangabe fjv öe jigwf verbirgt. Ihr traditioneller Charakter aus M k 15,1a ist deutlich. U n d d o c h verdankt sie w o h l ihre jetzige sprachliche Gestalt j o h . Redaktion. Ein Vergleich mit 13,30b legt f o l g e n d e t h e o l o g i s c h e D e u t u n g nahe: Judas ist der, der seinen Verrat nur nachts u n d n i c h t tagsüber v o l l z i e h e n k a n n (vgl. 8,12; 9,4; 11,10) 229 . Jesu Todesurteil wird aber z u e i n e m Z e i t p u n k t g e s p r o c h e n , als der n e u e Tag sich g a n z v o n ferne a n k ü n d i g t (18,28; 19,16), Jesus tut das eoyov
227 Zu den umfangreichen Opferpraktiken am Passafest unter Beteiligung einer großen Menschenmenge vgl. Jos Ant XVII,9,3 §213: Am Passafest werden mehr Opfertiere dargebracht als an irgend einem anderen Fest (Oijouaiv aijrriv JIQOOÜUWS JtXf)8o? TE itQeiuv ovx EV j c a T a 5 i 6 j r t E i v ) und Jos Bell 11,1,3 §10: Es ist eine sehr große Anzahl von Opfern zu erwarten, vom Land kommen unübersehbare Mengen (nokv N ÖUHÖTWV nkf\005 ejc&exohevh; ix xrjeaS taiög ajiELDO^). In Bell VI,9,3 §424f nennt Josephus Zahlen: 255.600 Opfertiere bei 2,7 Mill. geweihten Teilnehmern. Zum kultischen Hintergrund für das Betreten des Tempels bzw. zur Teilnahme an Festen vgl. Jos Ant IX,7,4 §155: David ernennt Leviten zu Torwächtern, damit kein Unreiner Zugang hat (¿5 nrjÖEva HEntaanEvov jtagiEvai); Jos Bell VI,9,3 §426: Aussätzige, Samenflüssige, in monatlicher Reingung befindliche Frauen und andere Unreine dürfen nicht teilnehmen (OUTE ya@ >.£115015 OÜTE 7 0 voQQOujcoTg OÜTE yuvca|iv EJT£NNR|VOIG OUTE toi5 ak\. ist291. Die Frage ist also aufgrund von Jesu wunderbarem Vorherwissen für Nathanael beantwortet und mündet in jener Bekenntnisformulierung (l,49f). Aber schon in 1,50b.51 wird die Perspektive für 18,33b vorbereitet, denn der Evangelist muß das Größere, das Auf- und Herniedersteigen der Engel auf den Menschensohn, jetzt in 18,33ff erneut entfalten. Ist Jesus auch in der 289 HAENCHEN, Johannesevangelium 535. 290 Vgl. darüber hinaus noch J o h 9,18.24; 10,3; 11,28b; 12,17; 13,13.38. Dem widerspricht auch nicht die traditionelle Wendung aus 18,27, denn dort fehlt gerade jene joh. Präzisierung, so daß hier derselbe Fall vorliegt, der bereits hinsichtlich JCQ'IVCO (18,31) aufgefallen war (s. oben Seite 128). 291 Diese Stelle hat REINBOLD, Bericht 162, offensichtlich nicht im Blick, wenn er meint, ßaaiAeüg xüv 'Iou&odwv sei einzig im PB beheimatet (er zitiert noch Mt 2,2 als Ausnahme). Er bleibt im übrigen den Beweis in seiner Aufzählung der Ausnahmen (Umformulierungen) schuldig, daß ß A O I X E U ^ TCÖV 'Iou&aluv nicht mit f i a a i . / , E I J < ; toO 'Iagar|X. identisch ist. Vgl. dazu das unten auf Seite 318-321 Gesagte (Das Motiv des Königtums) und das auf Seite 338-340 Gesagte (Die 'Ioubatoi).
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Passion der König Israels? Es könnte auch genauer unter Rückgriff auf joh. Formulierungen gesagt werden: Bleibt (nevw) er auch in der Passion der König? Diese Frage ist im folgenden Verhör das Thema schlechthin 292 . Der Evangelist hat das traditionelle Uberlieferungsstück sachgemäß in der Verhörszene plaziert 293 . Ihm gelingt damit nicht nur ein Verweis an den Anfang seines Evangeliums, wo zentrale theologische Topoi verhandelt werden, sondern er folgt durch dessen Plazierung am Anfang der Verhandlung dem mk. Aufbau, der ihm zugleich den Kerngedanken für alles weitere liefert. J o h 18,34 berichtet von einer Gegenfrage Jesu, die versucht, die interesseleitenden Motive der Frage des Pilatus zu erkunden. Offensichtlich geht es erneut u m itegi xivog (18,19). Ahnlich wie im Verhör Jesu vor Hannas muß Jesus auch jetzt zuerst einmal über sich selbst (und damit natürlich auch über sein Tun und Reden) Rechenschaft ablegen. Für den unmittelbaren Verlauf der Verhandlung werden deshalb zu dieser Gegenfrage wichtige Theologumena in Beziehung gesetzt: So geht es u m die Möglichkeit des jtaoa5i6())|ii in V e r b i n d u n g zur ßaoiA.eia (18,36). U n d erst als klar ist, daß
die ßaaLXeia dieses Königs ovx evteuöev, d. h. ävcoSev, ist, kann Jesus die eingangs gestellte und hier wiederholte Frage mit einem Bekenntnis beantworten (18,37) 294 . Noch eine zweite Beobachtung hilft, die Frage nach Tradition und Redaktion zu beantworten. Die beiden Blickwinkel, die das jiedl e^ou klären sollen (¿reo creauTOÜ und ä)J.ot), weisen nicht nur auf die textintern gemeinten Personen des Pilatus oder der 'Iouöaioi. Darüber hinaus ist hier dassel-
292 Das darf allerdings keineswegs dazu verfuhren, den Gesamtzusammenhang gegen diese literarische Abhängigkeit auszuspielen, wie dies GARDNER-SMITH, J o h n 62, getan hat, wenn er meint: „The contrast with the synoptic account at least suggests that, despite the one sentence which is c o m m o n , Mark is not John's source here." KOTILAs Vorschlag (Zeuge 117f) überzeugt angesichts dessen ebenfalls nicht: Der Abschnitt 18,33-38 sei aufgrund der beinahe wörtlichen Aufnahme von V 33 in V 37 sekundär, wobei eine Szene entstehe, die eine „erstaunlich nahe Parallele zu Mk 15,2" (DERS., Zeuge 118) aufweise. Was liegt näher als eben dies auf der Ebene des Evangelisten zu vermuten, zumal sowohl im M k E v als auch im J o h E v mit dieser Formulierung eine .Themenangabe' angegeben ist. 293 Tradition aus der Q u e l l e fiir V 33b vermuten: HEITMÜLLER, Johannes=Evangeliu m 170 (Lk 23,2) FlNEGAN, Überlieferung 46, BULTMANN, Johannes 502, BARRETT, Johannes 516, HAENCHEN, Jesus 152 („aus dem von ihm benutzten Evangelium"), HAHN, Prozeß 37 Anm. 27, DAUER, Passionsgeschichte 122f, MOHR, Johannespassion 290, BAUM-BODENBENDER, Hoheit 238, SCHNELLE, Johannes 1808. Redaktion vermuten BULTMANN, Johannes 503, DAUER, Passionsgeschichte 112, BECKER, Johannes II 672, ScHMITHALS, Johannesevangelium 407. O h n e Einzelbegründung FORTNA, Gospel 123. 294 Auch im Hannasverhör wird dem jiEgi T U V N A 9 R ] T Ö V autoC xai J I E Q I IFJG 8 I & A X I I S aüxoO mit jiagQTiaia bzw. xovmS) die Spezifizierung zugeordnet. J e d o c h antwortet Jesus dort nicht auf eine Frage mit einer Gegenfrage, die dann das JIEQ'I entfaltet. Man wird die Ausgangsfrage in der indirekten F o r m im rigütTiotv (18,19a) zu suchen haben.
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
be Phänomen zu beobachten, das oben in Joh 18,21 aufgefallen ist. Die Rückfrage nach dem ano oeautoC gilt also auch dem Leser und Hörer: Ist die Frage nach dem Judenkönig angesichts des Leidens eine eigene, selbst veranlaßte oder vielmehr eine unpersönliche, fremdveranlaßte? Schon hier erhält das Gespräch durch diese Gegenfrage eine Wendung, denn nicht mehr Jesus wird befragt, sondern Pilatus295. Dieser stellt zwar noch einige Fragen (18,35.37.38; 19,10), diese sind aber alle entweder Auftakt für eine vollmächtige Rede Jesu (18,36f; vgl. 19,11) oder Ausdruck tiefen Unverständnisses (18,38), oder aber sie erhalten schlicht keine Anwort (19,9). Neben diesen beiden theologischen Argumenten ist noch ein sprachliches zur Beantwortung der Frage nach Tradition und Redaktion zu nennen: anoxgiöri ohne folgendes Aiyo) etc. ist joh. Vorzugswort296. Insgesamt ist daher Joh 18,34 komplett joh. Redaktion 297 . Ebenso wie Joh 18,34 beginnt auch V 35 mit einem .absoluten' cmexqí6t|, das die Gegenfrage des Pilatus auf Jesu Gegenfrage einleitet. Noch immer geht es um die vorgebrachte xarrp/ooia (V 29), die sich im en) eí ó ßaoiXeug twv 'Iou&aicov markanten Ausdruck verschafft hat. Die Rückfrage des Pilatus zeugt von einer gewissen Unsicherheit gegenüber dieser Anschuldigung, denn die eher rhetorisch gemeinte Auskunft 298 , er sei doch Römer und kein Jude, weist ihn im Hinblick auf die jüd. Messiasvorstellung als Ungebildeten aus299. Die nachfolgende Spezifizierung mit dem betont nachgestellten Personalpronomen verdeutlicht die Zusammenhänge noch einmal: Nicht das röm. Interesse, sondern theologische Probleme haben ihn, Jesus, vor die Gerichtsinstanz gebracht (jiaQotöiöwni). Unter diesen Voraussetzungen ergibt sich für sie, daß Pilatus aufgrund jener Distanz von Schuldvorwürfen causa crucis frei bleibt. Pilatus gewinnt Freiraum, den er für einen .fairen Richterspruch' braucht. Genau darin zeigt sich dann auch die Hand des Evangelisten, der hier ganz in der Linie des MkEv und LkEv 295 Vgl. SENIOR, Passion 79: „Jesus does not immediately answer Pilate's question but poses one of his own: the prisoner interrogates his interrogator!" 296 DAUER, Passionsgeschichte 113. Wenn er sich ebd. textkritisch für dtp' EauxoO aufgrund der härteren Lesart und des joh. Stils entscheidet, dann ist die Entscheidung zweifelhaft. Es sprechen die Qualität der Textzeugen (besonders p " ) sowie die innere Wahrscheinlichkeit (V 34 ist wohl als Frage zu verstehen) für otnö oeautoö; vgl. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 283 Anm. 31. Auch grammatisch sind die Dinge zumindest nicht eindeutig; vgl. BDR §64,1 mit Anm. 1. 297 Redaktion: BULTMANN, Johannes 503, HAHN, Prozeß 37, DAUER, Passionsgeschichte 113.123, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 283, BlANK, Johannes III 75, BEASLEY-MURRAY, John 329, BECKER, Johannes II 672, SCHMITHALS, Johannesevangelium 407; gegen MOHR, Johannespassion 290, der Tradition vermutet. Ohne Einzelbegründung FORTNA, Gospel 123.
298 Vgl. DlEBOLD-SCHEUERMANN, Jesus 33. 299 Vgl. GNILKA, Markus II 299, REINBOLD, Bericht 162, die beide den Königstitel als heidnischen Ausdruck für den jüd. xe l 0 T °S halten.
Joh 18,28-19,16a
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die Gestalt des Pilatus zeichnet. Stilistisch unterstützt der Evangelist diese Sicht, indem er mit dem ol ¿q/iedeT^ naoe&Mxdv ae auf die traditionelle Ubergabeformulierung aus jüd. Sicht in Joh 18,30b (par. Mk 15,1) zurückgreift. Es bleibt aber nicht bei dieser einseitigen Distanz, denn für Pilatus ist der Zusammenhang von 6 ßaoiAeüc; twv 'Iouöaiwv ... jxoieco mit dem Jiaga&iöwni wichtig, denn dann erst betrifft das Verfahren seine e|ouoia (vgl. Joh 19,10). Auch diesen Gesichtspunkt unterstützt der Evangelist stilistisch, indem er durch das t i enoirioag auf das traditionelle f|v ... xaxbv mxüjv aus 18,30 (par. Mk 15,14) zurückgreift300. Legt sich joh. Redaktion angesichts der beiden aufgezeigten Aspekte nahe, so bestätigt ein Blick in Kap. 4 diese Vermutung aufgrund der strukturellen Parallelität301. Auch dort stehen einander zwei Volkszugehörigkeiten distanziert gegenüber, was in 4,9 betont wird (oü ouyxQwvxcti). Unter Rückgriff auf das Selbstverständnis (f] la^agm^ bzw. ^ t i 'Iouöatcx;) wird das 'Iou&otTog (Jesus bzw. eBvog xö aov) definiert. Die zeitlichen Bedingungen haben sich jedoch nun (vüv) geändert (4,23), denn ev jtveünotxi x a i d>j]0eLq betet man den Vater an (4,23f). Erst nach einigen Schwierigkeiten (4,29-39) formulieren die Bürger der Stadt im persönlichen Gespräch (oüxexi &ia xr|v crr|v XcxXiav mcrxeuouev): u (4,42; vgl. 6,64 [v. 1.]; ljoh 4,17). Dieser im hellenistischen Herrscherkult beheimatete Titel302 nimmt universalistische Heilsaussagen des JohEv auf (3,16f; 6,33), die in ihrer positiven Tendenz hier in 18,33f; 19,22 fortgeführt sind303.
300 Vgl. DlEBOLD-SCHEUERMANN, Jesus 34. 301 Vgl. dazu WINDISCH, Erzählungsstil 178-180, der für Joh 4,1-42 (und auch für Kap. 9; DERS., Erzählungsstil 181-183) sieben Szenen ermittelt. Zu den sieben Szenen in Joh 18,28-19,16a s. oben Anm. 204. 302 Zum Zusammenhang von o&)tr|g und jcügiog, vgl. Philo Sobr 55: „denn Gott wird bei der sinnlich wahrnehmbaren Welt mit den Worten .Herr und Gott' als ihr Beherrscher und Wohltäter bezeichnet" (Übers. ADLER, Philo [Werke V] 94; zum griech. Text: pcugiog *aì 0EÓ5, xoö 8È voritoC oryatou owtr]D Hai EÙEQyÉxris aùxò |ióvov, oùxi Beonótri? >ì ZÜQ105); SpecLeg II 198: „aber nie bezeichnen wir Vergängliches als die Ursache unserer Erhaltung, sondern den Erzeuger, Vater und Erhalter der Welt und dessen, was sie füllt, Gott" (Übers. HEINEMANN, Philo [Werke II] 162f, zum griech. Text: àkXà xòv yevvTiiriv Hai Jiatéga xai awxfjga ioü xe hóohou]). Zum Zusammenhang von ßaoi>.£ije; und owxf|Q xoö Jióouou bzw. obcounÉvr^: als ocoxrig ifj^ oLjcou|ìévt)5 werden Caesar (IG XII/ 5 Delum document 557), Traian (IG VII Megara Boiotia document 1840; IG II Attica document 3284), Mark Antonius (IG VII Megara Boiotia document 2834), Diokletian (Dumont document 740), Antonius (IG IV Argolidis document 611) und als owxf|Q xoö xóa\xov werden Traian (IG II Attica document 3293, 3384), Vespasian oder Titus (Caria Bargylia document 14), T. Claudius (IG II Attica document 3273) bezeichnet. 303 Zu weiteren Ausfuhrungen mit Einzelbegründungen vgl. das unten auf Seite 338-340 Gesagte (Die 'Iou&aToi).
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
Nach diesen Beobachtungen ist in J o h 18,35 mit joh. Redaktion zu rechnen 304 . J o h 18,36 fuhrt nun weiter aus, was gelten muß, damit Jesus die eingangs gestellte Frage (V 33 cru EI 6 ßaoiXeüc; TWV 'Iou&aicov) beantworten kann. Im Verhältnis zu 18,35 ist also leicht erkennbar, daß die dort spürbare .Ungeduld', die sich im doppelten Rückverweis auf 18,30b zeigte, noch nicht befriedigt wird. Der offensichtliche Grund fiir diese Hinhaltetaktik ist der Wille, die Bezugsgröße der s^ouaicc (vgl. 19,10) der ßaaiXeia Jesu zu klären. Dies geschieht mit den joh. Wendungen el(o.L ex und ovx evmSOev305. Vor allem in 3,3.5; 8,23 sind die Hintergründe deutlich erkennbar. In 8,23 ist der negativ formulierten Aussage ü(xei5 ex twv xdtco eote eine positive in Gestalt des iycb ex rüv ävco el^i gegenübergestellt, was im folgenden anhand des xocr^og-Begriffs wiederholt wird. Zu 18,36 besteht in struktureller Hinsicht eine Parallele, weil auch hier eine negative Aussage über den Herkunftsort gemacht wird (oux eotiv EX TOÖ XOD^OU TOUTOU), die mit dem Irrealis der Gegenwart fortgeführt wird. In 18,36c folgt dann zwar eine negative Begründung (oux eotiv evieuBev), die aber ganz im joh. Sinne aus 19,11 durchaus positiv gewendet werden darf: Jesu Königtum ist von oben (aveo bzw. ävojöev). Wie also Jesus nicht dem xaxw (ex -roß x6a(iou) verhaftet ist, sondern als der präexistente Logos vom Vater kommt (1,1; 6,46.62; 16,27f; 17,5; vgl. 3,3.5.31), so kann folgerichtig auch sein Königtum nicht dieser Welt (ex toü xöonou, d. h. evteüBev) entstammen. Aus dieser Perspektive wird folgerichtig menschliches Machtsicherungsstreben bedeutungslos. Das dem Kosmos verhaftete Handeln (¿ycovi^o^ai) seitens seiner Strategen (01 üjrr|QEtai) ist für Jesus belanglos 306 , denn die Absicht seines Kommens und d. h. seines Königtums wie auch seines Königreichs erschließt sich im Zeugnisgeben 307 (18,37b |xo£QTUQE(ü xfj d>.r|9eia). Ein weiterer wichtiger Gedanke für die Frage nach Tradition und Redaktion liegt im |ir] naoaöoöw totg 'Iouöaioig vor. J o h 6,64; 13,11 beschreiben jenes Tüaoa&i&toju im Zusammenhang des Unglaubens, denn der, der ihn verrät, gehört in den Kreis derer, die nicht an Jesus glauben bzw. derer, die sich als rein erweisen aufgrund des zu ihnen geredeten Wortes Jesu (vgl. 15,3). Hier wird also dieselbe Urheberschaft erkennbar wie in der Frage
304
Redaktion vermuten BULTMANN, Johannes 503, BARRETT, Johannes 516, HAHN,
Prozeß 37, DAUER, Passionsgeschichte 113.123, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 2 8 3 , BLANK, Johannes III 75, BEASLEY-MURRAY, J o h n 329, BECKER, Johannes II 672, SCHMITHALS, Johannesevangelium 407. O h n e Einzelbegründung FORTNA, Gospel 123. 3 0 5 Vgl. dazu unten die Tabelle in A n m . 320. Der joh. Charakter wird auch n o c h durch die folgende Josephusparallele unterstrichen, die EVTEÖÖEV kausal verwendet: J o s Ant XV,2,3 §20, wo Josephus selbst die Bitte des Herodes kommentiert (rjv 6' oüx Evteu9ev r| ojrouSri). 3 0 6 Vgl. SÖDING, Macht 4 5 - 4 7 . 3 0 7 Vgl. BEUTLER, Martyria 3 1 8 - 3 2 5 , und SÖDING, Macht 5 1 - 5 4 .
Joh 18,28-19,16a
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nach Jesu Königtum: Das jiaQaöiöco|ii als Ausdruck des Unglaubens ist ebenfalls letztendlich ävcoBev begründet. Abschließend sei noch auf sprachliche Besonderheiten hingewiesen: In 18,34f begegnete bereits anexoi8r|, in 18,36 findet sich das joh. evteüSev (2,16; 7,3; 14,31; 19,18bis)308 und das vuv 6e (8,40; 9,41; 15,22.24; 16,5; 17,13; vgl. 16,22)309. Alle Bemerkungen zusammen machen es wahrscheinlich, daß auch J o h 18,36 der joh. Redaktion angehört 310 . Die Ungeduld des Pilatus verschafft sich jetzt in J o h 18,37 überdeutlich Luft, was sinngemäß wie folgt paraphrasiert werden kann: ,Du bist doch ein König' 311 . An dieser Formulierung ist auffällig, daß die in V 33 gebrauchte Wendung hier auf ßaoi^eug verkürzt wird. Beide Ausdrücke, 6 ßaai?i.£t>5 TÖjv 'IouÖaiorv wie ßaoiXeug, spiegeln aber den oben aufgezeigten universalen Charakter (vgl. 4,42) des nicht von, aber in dieser Welt bestehenden Königreichs wider. Es ist daher nicht möglich, zwischen ßaoi^eug als dem eigentlichen und 6 ßaoiXeiig TWV 'Iouöaicov als einem vorläufigen König zu unterscheiden, da Pilatus in 19,22 gerade durch seinen Widerspruch gegen die Hohenpriester den Titulus (19,20 'Iricroßc; 6 Na^ojgalo^ ö ßacaXeix; TWV 'Iou6aiü)v) sehr eindringlich sanktioniert 312 . Zögernd, zurückhaltend und fragend deutet also Pilatus an, daß Jesus ein König ganz anderer Q u a lität ist. Diese eher diffuse Andeutung läßt der Evangelist zu einer deutlicheren Aussage in Gestalt der Antwort Jesu werden. Die Frage aus J o h 18,33b (par. Mk 15,2) wird nun (18,37) beantwortet. Das Bekenntnis nimmt die im OIJXOÖV enthaltene zustimmende Tendenz
308 Vgl. KNÖPPLER, theologia 143 Anm. 82. 309 Außerhalb des J o h E v ist diese Formulierung noch in Lk 16,25; 19,42; 22,69; IKor 7,14; 12,20; 14,6; Gal 4,9; R o m ll,30.31bis; Phil 3,18; Eph 5,8; Hebr 2,8; 8,6; 11,16; vgl. Mt 24,21; Gal 2,20 zu finden. Nicht belegt ist im J o h E v vuvi &E, das relativ oft in den Paulusbriefen ( I K o r 12,18; 13,13; 15,20; 2Kor 8,21f; R o m 3,21; 6,22; 7,6.17; 15,23.25; Phlm 9.11) und der Paulusschule (Eph 2,13; Kol 1,22; 3,8) sowie in Hebr 8,6; 9,26 belegt ist. 310 Redaktion, BULTMANN, Johannes 503, BARRETT, Johannes 516, HAHN, Prozeß 37, DAUER, Passionsgeschichte 113.123, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 283, HAENCHEN, Johannesevangelium 535, BLANK, Johannes III 75, BEASLEY-MURRAY, J o h n 329, BECKER, Johannes II 672, SCHMITHALS, Johannesevangelium 407f, vgl. BAUM-BODENBENDER, Hoheit 238f (eine vorredaktionelle Erzählung). O h n e Einzelbegründung FORTNA, Gospel 123. 311 Zur Bedeutung des ouxoOv vgl. B D R §441,4 Anm. 4: „In allen Stellen (...) liegt jedoch immer etwas davon, daß man es nicht ungefragt gesagt haben würde." Daneben: KÜHNER/GERTH, Grammatik 163: „dass man eine bejahende Antwort erwartet"; zu Beispielen aus der Graecität DIES., Grammatik 163f. 312 Gegen LAMPE, ßaaiAeüi; 497, der beides gegeneinander ausspielt. Die einzige Ausnahme ist J o h 6,15, wo die Menge Jesus zum ,bloßen Brotkönig' machen will. Auch IBUKI, Wahrheit 143, will hier einen Unterschied entdecken, denn diese allgemeine Bestimmung sei der Grund für die Antwort Jesu. J e d o c h trifft ihn das soeben Gesagte in gleicher Weise.
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
auf. Traditionelles Material dient dem Evangelisten also dazu, einen Höhepunkt nach längerem Anmarschweg zu formulieren 313 . Es ist zumindest klar, daß Jesus als der König der Juden eine ßaaiXei« ganz anderen Zuschnitts regiert. Aber selbst mit dieser redaktionell erweiterten Antwort ist das tl ejioir\aaq (V 35) noch nicht erklärt, es wird im folgenden durch das eig t o ö t o e i n g e l e i t e t .
Nachdem die Frage nach Jesu Königtum geklärt ist (18,36), kann er nun darauf eingehen, ob er der König ist. Zu diesem Zweck stellt Jesu Antwort die Aufgabe des Königs dar: das Zeugnisgeben. Als das wahrhaftige Licht, das Menschen erleuchtet und folglich zum Glauben fuhrt, kam Jesus in die Welt (1,9; 12,46). Dieses Hinabsteigen bzw. Ausgehen vom Vater und In-die-Welt-Kommen findet aber erst im Zurückgehen zum Vater seinen Abschluß (16,28)314. In diesen Rahmen wird Jesu Zeugnisgeben (ixagTUQeco) eingezeichnet, das in 3,32 offenbarungstheologische Züge zeigt, denn Jesus bringt Kunde von dem, was er sah und hörte, ihm glaubt jedoch keiner (3,11.32b). Dieses Zeugnis ist jene Rede, die Krisis hervorruft; sie stammt vom Vater (8,26 nag' aÜTOß; 8,36 jtaoä tw jiaTgi; 8,40 jiaQa xoO öeoö; vgl. 15,15). Diesen Gedanken gilt es noch mit dem Begriff der ¿A-iiSeia zu verbinden, ehe die komplette Wendung |iaotuqeü) -rfj äA.r|8eiq£ interpretiert werden kann. Auch für aAriBeia kann bei der oben beschriebenen Bewegung begonnen werden, denn in Jesus steht der Welt x^ß1? äA.r|9eia gegenüber (1,17). Wenn hier bereits der personenbezogene Aspekt erkennbar ist, gewinnt er mit 14,6 scharfe Konturen. Nicht abstrakte Wahrheitsdefinitionen sind prägend, sondern im Logos ist die personifizierte Wahrheit selbst auf dem Plan315. Angesichts der Tatsache, daß 1,17 aus 1,1.14 verständlich wird316, folgt nun aber, daß jeder, der den Logos ,Wahrheit' nennt, sogleich auch sagt, daß Gott wahrhaftig ist (3,33). Deshalb ist dann auch sein Zeugnis wahrhaftig (ä?q8iis 5,31.32; 8,13.14.17; vgl. 21,24). Wer also .Wahrheit' näher bestimmen will, kann dies nur, indem er das Verhältnis zum Logos beschreibt. In dieser im joh. Sinn .kritischen' Funktion nähert sich a\r|8eia hier ebenfalls dem oben zu uaoTuoeto Gesagten an.
313 Z u m traditionellen Charakter des Königsgedankens vgl. HAENCHEN, Jesus 152, IBUKI, Wahrheit 141, für die Synoptiker vgl. CONZELMANN, Historie 41.48 (Klammerfunktion bei M k mit kreuzestheologischer Implikation). 314 Vgl. DlEBOLD-SCHEUERMANN, Jesus 38: „reYEwrincu bringt mehr das Faktum seiner Bestimmung, eXr|>_u9a seinen Auftrag, sein Tun zum Ausdruck. Die Perfektformen dieser Verben bezeichnen den Zustand in der Gegenwart, das Geboren-Sein und das Gekommen-Sein, ,als Resultat einer vergangenen Handlung' [zit. wird B D R 318,4; M. L.], daß sich dieses gezeitigt hat (resultativer Aspekt)." 315 Vgl. dazu das Fazit BLANKs (Wahrheits=Begriff 173; z. T. gesperrt im Original), daß „ v o m .christologischen Wahrheitsbegriff des Johannes' gesprochen werden" könne. 316 Z u m Zusammenhang mit dem Prolog vgl. HEIL, Blood 55f.
Joh 18,28-19,16a
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Das heißt nun für ( X A G T U G E O ) -tfj d A . R ) 0 E I A ein Doppeltes: Zunächst redet Jesus als der Logos das, was er vom Vater hörte, er gibt daher Zeugnis von ihm und redet Wahrheit (3,11.32-36; 8,26.31f.36.40.45.46; 15,15; 16,7). Diesem offenbarungstheologischen Gedanken korrespondiert der kritische Aspekt, denn er läßt eine eindeutige Stellungnahme erkennen (einerseits 3,11.32.33; 8,45f, 18,37f; andererseits 10,3.16.27). Es steht angesichts der beschriebenen Bewegung (1,9; 12,46; 16,28) dann auch Gott selbst in Jesus vor Pilatus (18,37; vgl. 5,32) oder, um die Perspektive zu wechseln, „die in ihm sich offenbarende, geschehende Wirklichkeit Gottes selbst"317. Dies ist zugleich ein ganz entscheidendes differentium specificum, das das j^aQxuQecü Tfj äAj|8eiq des Johannes d. Täufers in 5,33 von dem Zeugnis Jesu unterscheidet318. Diese angesprochene Bewegung benennt sodann das andere Kriterium, das die personifizierte Wahrheit von Johannes d. Täufer unterscheidet, denn die Bewegung findet im Verherrlicht- und Erhöhtwerden eben dieser Wahrheit ihren Abschluß, ihr T E T E X E O T C U (19,30). Kreuz und Auferstehung sind daher Rahmen und zugleich integraler Bestandteil des Zeugnisses von der Offenbarungswirklichkeit und der Wahrheit, die freimacht (8,32.36) 319 . Nun ist also die Aufgabe des Königs hinreichend beschrieben, so daß die letzte, kritische Folgerung gezogen werden kann: nag 6 cov EX rfjg a\r|Beiag äxouei nou rf\c, cpwvfig. Pilatus steht vor jenem Einerseits (3,11.32.33; 8,45f) bzw. Andererseits (10,3.16.27). Die beiden wichtigen Parallelen aus 8,46 (10,26ff) verknüpfen ebenfalls das dxoüw mit mcrreuo) und ei^i EX TOÜ 0EOÜ. Die or^aTO T O Ü öeoö, die Jesus den 'Iouöaloi (8,22) sagt, erweisen sie als EX T O Ü 0eoü O I J X säte (vgl. ljoh 2,16; 3,10; 4,1; 5,19)320. Sie können diese
317 BULTMANN, Theologie 371. 318 Vgl. dazu auch Epict Diss IV,8,30-32: „Denn solch ein Mann ist der echte Kyniker, den Zeus des Zepters und des Diadems gewürdigt hat; der darf sagen: .Damit ihr sehet, ihr Menschen, daß ihr die Glückseligkeit und Gemütsruhe nicht suchet, wo sie ist, sondern wo sie nicht ist, siehe, so bin ich euch von Gott als Vorbild gesendet worden' (i&otj Eye) üntv jtagä&EiYHa uitö tou 8EOÜ anioTaXuai). (...) Es [das Werk des Zeus; M. L.] erfordert einen Mann, der den Laien nie im geringsten eine schwache Seite zeigt, die dem Zeugnis, das er für die Tugend und wider die äußern Dinge ablegt, seine Kraft und Glaubwürdigkeit benehmen könnte" (&i' oij rf|v nagtugiav aüroö, rjv xf) ÖQETrj naQTUQEi xai T W V ixxoc, X A T A ( I A O T U Q E T ; Übers. MÜCKE, Epiktet 314f). 319 Vgl. dazu IBUKI, Wahrheit 230: „So ist der Kreuzestod das Ereignis der Wahrheit. Er ist das Ereignis der Wahrheit, insofern er die voll entfaltete Offenbarung der Person Jesu als der Wahrheit ist." Dazu DERS., Wahrheit 175.242. Vgl. auch SÖDING, Macht 50f.54-56. 320 Vgl. dazu die folgende Tabelle: Das in Spalten Gesetzte entspricht einander, während das in Zeilen einander gegenüber Gestellte einander widerspricht: E I ^ I ix TOÖ 9EOC E'IHI ix toö Siaßö/.otj (7,17; 8,47; ljoh 3,10; 4,1; 5,19; vgl. Joh 1,13; ljoh 3,9; 4,7; 5,1.4.18) (8,44; ljoh 3,8) AVOJÖEV
EVTEUÖEV
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
Worte nicht hören, ganz im Gegensatz zu denen, die die Stimme des guten Hirten hören (10,3 áxoúei "tfjg cpwvrjg aijtoö)321. Dieses Hören wird mit yivwaxw und áxoXouSéw (10,27; vgl. 10,14) verbunden, was in dem 6i6coni akóviov, im rteoiaoóv (10,10) seinen Ertrag hat (5,24; 10,28; vgl. 12,47). In diesen theologischen Zusammenhängen wurden die sprachlichen Argumente vielfach schon genannt, die für joh. Redaktion sprechen 322 : elnev oüv323; cmexoiöri; ei t o O t o mit iva; egxonai elg t ö v xóo^ov (1,9; 3,19; 6,14; 9,39; 11,27; 12,46f; 16,28; vgl. 5,43; 7,28; 8,14.42; 10,10; 13,3); nagrugeo/ HaQTUgía (bes. 3,11.32; 5,31.36f; 7,7; 8,13.14.18; 13,21; 18,37)324; a ^ G e i a (bes. 1,14.17; 3,21; 4,23.24; 8,32bis.40.44bis.45.46; 5,33; 14,6; 17,17bis.l9) 325 ; eivai (3,3.7.31; 19,11) EX
TWV ävül
(18,36) EX
TÖV
X&Xiü
(8,23) (8,23) El(ji OVX EX (tOVXOv) TOÖ ZOOHOU (toÜTOu) el(JL EX (TOÜTOU) TOÖ 5COOHOU (toutou) (8,23; 15,19; 17,14.16; 18,36) (8,23; 13,1; 18,36; l j o h 2,16; 4,5) eint toö oüoavoC EX Trjs (3,13.27.31; 6,31.32.33.38.41.42.50.51.58; vgl. 12,28) (3,31) Eini EX tf|5 äXr]0dag n EOTIV d/.r|0Eia (18,37; l j o h 2,21; 3,19) (18,38) Diese zuletzt genannten Bemerkungen erweisen daher EX Trjc; äXr|8Eta£ als eine parallele Wendung zu EX toö 0eoö. Ihre Gegenüberstellung mit 18,38 wird unten aufgezeigt. 321 Vgl. KNÖPPLER, theologia 109, BRODIE, J o h n 534, HEIL, Blood 55f. Z u m Zusammenhang mit der Prädestination vgl. SCHNELLE, Anthropologie 150f: „Die auch für Johannes konstitutive Vorstellung der Unverfügbarkeit des Heils läßt Gott als alleiniges durchgängiges Subjekt des Heilsgeschehens in all seinen Dimensionen erscheinen. Zugleich erfordert der Gedanke der dem Handeln Gottes nachgängigen menschlichen Freiheit und Verantwortung die Betonung der Entscheidung gegenüber dem Heilsgeschehen." Demgegenüber KNÖPPLER, theologia 222: „ A n dieser Stelle wird angedeutet, daß die Heilsrelevanz des Todes Jesu begrenzt ist, was bereits in 6,65 zur Sprache kam: zu Jesus kommen und an ihn glauben kann nur der, der d e m Sohn v o m Vater gegeben ist (vgl. 6,37.39.44; 10,29; 17,2.6.9.24)" (dort Anm. 24: praedestinatio ad malum: 8,43.47 [vgl. V 23]; 10,26; 12,37-40). Vgl. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium II 2 3 8 - 3 4 6 , BERGMEIER, Glaube 220-224. 322 Vgl. dazu BLANK, Verhandlung 70 mit Anm. 30, DAUER, Passionsgeschichte 107.113f, BAUM-BODENBENDER, Hoheit 239 (eine vorredaktionelle Erzählung), SCHNELLE, Christologie 117. 323 Vgl. dazu oben Anm. 88. 324 Insgesamt 32mal in J o h 1 - 2 0 ; einmal in 21,24; lOmal in den J o h B r , wobei dort aus naheliegenden Gründen eine stärker ekklesiologische Färbung vorliegt. Vgl. dazu l T i m 6,13 (nagruQr|öavT05 eju novriou riiAortou tt|v ouoXoyiav), wobei allerdings eher an traditionelles Material als an literarische Abhängigkeit zu denken sein wird. ROLOFF, Timotheus 343f, vermutet eine zweigliedrige Glaubensformel innerhalb eines liturgischen Stückes (V 13-16), dessen Sitz im Leben Teil eines Ordinationsformulars gewesen sei. Eine Aussage über Jesu Hoheitstitel sei nicht zu erkennen. 325 Dazu die Wendung j m ö n a trjg dXr]0Eia5 14,17; 15,26; 16,13. Insgesamt ist äXridcia 25mal im J o h E v und 20mal in den J o h B r belegt. Z u m Zusammenhang zwischen aWjSEia und nagnigia vgl. beispielsweise Isoer Callim 15.
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ex 326 und das vernehmende CIXOVM theologischer Rede (5,24f; 8,43.47; 10,16.27) 3 2 7 . Nach einem längeren Anmarschweg ( 1 8 , 3 4 - 3 6 ) , der der Klärung wesentlicher Voraussetzungen (Perspektiven und Qualität der ßaoiKeia) dient, greift der Evangelist mit den Worten au Xeyeig jene traditionelle Wendung aus dem M k E v auf, die dort unmittelbar am Anfang stand. Sie wird nun im J o h E v keineswegs zur einzigen Aussage Jesu wie im mk. Verhör vor Pilatus ( M k 15,5), sondern zu einem Höhepunkt, auf dem Jesus von seinem Sein und Auftrag redet. Dabei beschreibt Johannes, wie Jesus zu einer kleineren Offenbarungsrede ansetzt, die die Krisis des Pilatus vor Augen fuhrt. Schon hier ist deutlich erkennbar, daß dem Evangelisten als Folie das traditionell vorliegende und kreuzestheologisch ausgerichtete Königsmotiv ( M k 15,2.9.12.26b) dient, das mit den Motiven der Freiwilligkeit (10,17.18; 11,7; 13,1) und Unschuld (8,46; 18,23.38; 19,4.6) 3 2 8 verknüpft wird. Kein Schuldiger vermag nach der Auffassung des J o h a n n e s in einer Verhandlung, die sein Leben bedroht, derart souverän aufzutreten und zugleich deutlich zu machen, daß der ganze Prozeß selbst ja nur stattfindet, weil Jesus, der Zeuge der Wahrheit, dieses Verfahren überhaupt erst ermöglicht. J o h a n n e s läßt das Ziel dieses ganzen Verfahrens schon hier erkennen, denn es ist der Antritt jener Königsherrschaft, die mit dem Kreuz als dem Punkt der Erhöhung der Weg zum Vater ist. Dieses kreuzestheologisch verarbeitete M o t i v des Königtums, das der Evangelist in M k 15,2.9.12.26b vorfand, gestaltet er zum Gliederungs- und Erkennungsmerkmal für sein ganzes Evangelium aus. So ist Nathanael der ¿Ar|0. nennt (1,49). Zugleich ist Jesus auch der, der mit seinem Einzug in Jerusalem als König (12,13) die Passionsgeschichte im weiteren Sinn eröffnet (13,lff). J e d o c h ist dies nur ein Aspekt. D e r diesem traditionellen Königsgedanken innewohnende Herrscher- bzw. Herrschaftsgedanke wird durch die hellenistische acoTr|(>Vorstellung in inhaltlicher Perspektive beschrieben. 'AA.T10W5 ist Jesus der OCOTTIQ TOÜ XOD^OU (4,42), dessen Tod darum auch den griech.-, lat.- und aramäischsprachigen Teil der Welt betrifft (19,20): A m Kreuz als dem O r t der Verherrlichung und Erhöhung m u ß dann auch der letzte Versuch scheitern, Jesu Königtum zur Disposition zu stellen (19,21f). Jesus, der König und Zeuge der Wahrheit, erreicht dort das Ziel seiner Sendung 3 2 9 , und einzig von dort kann Pilatus auf die Stimme
326 Vgl. oben Anm. 320. 327 Insgesamt 57mal im JohEv und einmal in 21,7; und 16mal in den JohBr. 328 Vgl. dazu das unten Seite 311-314 (Das Motiv der Freiwilligkeit) und Seite 314-316 (Das Motiv der Unschuld) Gesagte. 329 Vgl. dazu FREY, Eschatologie II 441: „Die traditionelle Aussage der Sendung des Sohnes in die Welt (1 Joh 4,9 und Joh 3,17) wird also in Joh 3,16a modifiziert zur Aussage der Hingabe des Sohnes in den Tod am Kreuz, die in den Horizont des universalen Liebeshandeln Gottes gestellt, ja pointiert als Ereignis der Liebe Gottes zur Welt zur Sprache
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des guten Hirten hören. Auf diese Weise wird dann auch ein Licht auf die ex-Struktur geworfen, denn sie ist „einem personal-geschichtlichen Denken ein- und untergeordnet" 330 . Der Evangelist hat aus dem ihm vorliegenden Traditionsmaterial das Motiv des Königtums nicht nur als Gliederungsmerkmal aufgenommen, sondern es zum zentralen Gedanken seiner Kreuzestheologie gemacht. Die theologische Kreativität seines redaktionellen Vorgehens bewahrt daher nicht nur die Tradition, sondern frei gestaltet sie aus dieser Kontinuität. Diese theologische Komposition spiegelt deutlich joh. Redaktion wider. Das ist beinahe Konsens in der Forschung 331 . Mit Joh 18,38 wird die Reaktion des Pilatus auf Jesu Offenbarungsrede beschrieben. Perspektiven und die Qualität der ßaoiXeia sowie Auftrag und Ziel der damit verbundenen Königsherrschaft sind klar formuliert, Pilatus aber weicht skeptisch aus. Einerseits ist die Frage derart schillernd im Textzusammenhang, daß es nicht Wunder nimmt, zahlreiche Erklärungsversuche angeboten zu bekommen 332 . Andererseits ist gerade dieser Zusammenhang mit seiner theologischen Rede derart übermächtig, daß beispielsweise gebracht wird. (...) Diese göttliche Liebe wird in 1 J o h 4,9f. und in J o h 3,16 als der wahre und einzige Grund der göttlichen Zuwendung zum xöouo^ und als das letzte und gültige M o t i v der Sendung und Dahingabe des Sohnes benannt. D i e göttliche Liebe zur sündigen und v o m Tod bedrohten Menschenwelt hat sich im Ereignis der Dahingabe des einen und einzigen Sohnes erwiesen." Gegen MÜLLER, Eigentümlichkeit 37—40, der die Sendungschristologie der Frage nach der Heilsbedeutung des Todes J e s u unterordnet: „Jesu Tod steht dabei unter dem Vorzeichen der Heimkehr zu G o t t . D i e Anwendung der Gesandtenvorstellung fuhrt dazu, daß alles Gewicht a u f diesem Ziel liegt" (DERS., Eigentümlichkeit 40). 3 3 0 BLANK, Krisis 195. 331
Für Redaktion halten: BULTMANN, J o h a n n e s 5 0 3 , BARRETT, J o h a n n e s 516, FORT-
NA, Gospel 123 (jedoch o h n e Einzelbegründung), HAHN, Prozeß 37, DAUER, Passionsgeschichte 114-117, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium II 2 6 9 , DERS., Johannesevangelium III 2 8 3 , HAENCHEN, Johannesevangelium 5 3 6 , BLANK, J o h a n n e s III 75 (37b.c), BEASLEY-MURRAY, J o h n 3 2 9 , BECKER, J o h a n n e s II 672, SCHMITHALS, Johannesevangelium 408; gegen MOHR, Johannespassion 2 9 0 , der V 37 für traditionell hält und BAUM-BODENBENDER, H o h e i t 2 0 9 f (vorredaktionelle Erzählung). 3 3 2 Vgl. dazu beispielsweise SPENGLER, Abendland 2 6 2 (zit. bei HAENCHEN, Historie 6 9 A n m . 28): „Als Jesus (...) vor Pilatus geführt wurde, da traten sich die Welt der Tatsachen und die der Wahrheiten (...) unvermittelt und unversöhnlich gegenüber (...). In der berühmten Frage des römischen Prokurators: Was ist Wahrheit? - das einzige W o r t i m Neuen Testament, das Rasse hat - liegt der ganze Sinn der Geschichte, der Tat, der Rang des Staates, des Krieges, des Blutes (...). D a r a u f hat nicht der M u n d , aber das schweigende Gefühl Jesu, mit der anderen, über alles Religiöse entscheidende Frage geantwortet: Was ist Wirklichkeit? Für Pilatus war sie alles, für ihn nichts." Beinahe das Gegenteil behauptet BAUER, Kritik 2 8 0 : „ D e r Evangelist wollte überhaupt nur das Gespräch beendigen und läßt daher den Pilatus eine Frage aufstellen, a u f die er sehr wenig zu antworten verstand, wenn er nicht immer und immer wieder die alten Formeln beibringen wollte. Er sagt daher, Pilatus ging mit diesen Worten hinaus zu den J u d e n . "
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in der diesem Thema gewidmeten Monographie Y. Ibukis diese Stelle zur Bedeutungslosigkeit verurteilt ist, denn sie hat für den textexternen Leser die Funktion einer Art Aufmerksamkeitsrufs hinsichtlich des Wortes .Wahrheit' 333 , dessen Wert aber nicht erhoben wird. Ein Überblick über die Forschungspositionen läßt folgende Perspektiven erkennen: Zunächst ist hier E. Haenchen zu nennen, der diese Frage als Ausdruck eines tiefen Unverständnisses interpretiert 334 . Zugleich lehnt er eine Psychologisierung der Person des Pilatus ab, so daß er spekulativen Tendenzen hinsichtlich der Persönlichkeitsstruktur deutlich einen Riegel vorschiebt 335 . Damit verbindet er aber auch eine Ablehnung der Position, die hier skeptische Tendenzen erkennen will: Seiner Meinung nach liege hier keine „müde Skepsis"336 vor, die doch allzusehr an neuzeitliche Probleme erinnere. Dieser Interpretation folgen im wesentlichen auch G. BeasleyMurray und J. Becker 337 . B. Bauer und Joh. Weiss hatten demgegenüber gemeint, daß Skepsis die Frage des Pilatus motiviert habe, denn sie zeige nicht gerade „Wissensdurst" 338 . Ein weiterer Ansatz ist derjenige J. Blanks: Die Frage spiegele eine Entscheidungslosigkeit wider, denn Pilatus weiche nicht nur dem Anspruch jener Wahrheit aus, sondern zeige damit gerade, daß er nicht aus der Wahrheit sei. Dies bilde dann zusammengenommen jene Voraussetzung, die für die Darstellung eines gefügigen Pilatus vonnöten sei339. Auch wenn dieser zuletzt genannte Aspekt von R. E. Brown
333 IBUKI, Wahrheit 85. DERS., Wahrheit 87, dient diese Stelle lediglich als Abschluß einer Skizze und verdient keine weitere Erläuterung und Berücksichtigung in seiner Arbeit. Auch bei BLANK, Wahrheits=Begriff 168, liegen die Dinge nicht anders, denn er beschränkt sich auf die Auskunft, daß „die Ausklammerung der Wahrheitsfrage durch Pilatus (19,38 [sie.]) das sichere Anzeichen dafür [sei; M. L.], daß er Jesus fallen lassen" werde. 334 HAENCHEN, Jesus 154f, DERS., Historie 69f, vgl. DLEBOLD-SCHEUERMANN, Jesus 266 (Unverständnis zum Zweck einer „Verallgemeinerung des Problems"). 335 Vgl. dazu STRATHMANN, Johannes 244: Es macht sich eine Verlegenheit breit, „in welchem die ganze geheime Sehnsucht und die ganze geheime Verzweiflung des Menschen ohne Gott nachzittert." Ferner KASTNER, Jesus 91: „Seine (des Pilatus; M. L.) Frage (...) soll seine ganze geringschätzende Gleichgültigkeit solchen Schwärmereien gegenüber zum Ausdruck bringen. Nunmehr hält er den Inkulpaten erst recht für einen ungefährlichen, exzentrischen Ideologen." In diese Richtung scheint auch MOLONEY, Gospel 498, zu gehen, wenn er die Frage als „dismissive rejection o f the word o f Jesus" charakterisiert. 336 HAENCHEN, Historie 70; ähnlich HAHN, Prozeß 42. 337
BEASLEY-MURRAY, J o h n 3 3 2 , BECKER, J o h a n n e s I I 6 7 5 ; vgl. SCHNACKENBURG, J o -
hannesevangelium II 269. 338
BAUER, J o h a n n e s e v a n g e l i u m 2 1 7 ; vgl. W E I S S , J o h a n n e s - E v a n g e l i u m 5 8 0 , SPITTA,
Johannes-Evangelium 373.417, HEITMÜLLER, Johannes=Evangelium 170 („verständnislose skeptische Frage"), GRUNDMANN, Zeugnis 84, ZELLER, Jesus 89. SENIOR, Passion 83, schlägt u. a. vor, 18,38a als „agnostic futility in the search for lasting truth" zu sehen. 339 BLANK, Verhandlung 71, DERS., Johannes 3 87, vgl. BEUTLER, Martyria 322 (die „innere Aufgeschlossenheit besitzt Pilatus nicht"), SÖDING, Macht 41. HEIL, Blood 57, deutet einzig aus textexterner Ebene, indem er meint, der Leser wisse, daß ri Etmv
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
nicht so markant herausgearbeitet wird, so trifft er sich doch mit J. Blank in der Vorstellung, daß Pilatus hier seinen Standpunkt klar hätte benennen müssen 340 . Die letzte erwähnenswerte Position betrachtet ausschließlich die Konsequenz dieser Frage. Pilatus demonstriere gerade in seiner Reaktion, daß er nicht aus der Wahrheit sei. Worin diese Reaktion aber begründet liegt, läßt C.-K Barrett 341 offen, während sie Joh. Schneider nur negativ ausgrenzt, indem er Gleichgültigkeit, Skepsis und Resignation ausschließt 342 . Neuere Forschungsarbeiten sind beinahe einheitlich zu dieser Stelle der Meinung, daß die Frage in ihrer Konsequenz klarmacht, daß Pilatus die Stimme des Hirten nicht hörte und ihr darum auch nicht folgen kann: Pilatus ist nicht aus der Wahrheit (18,37b.c) 343 . Die genannten Forscher zeigen, daß die Frage des Pilatus von der überwiegenden Mehrheit nicht auf dem skeptischen Hintergrund verstanden wird, denn entweder grenzt man sich dezidiert dagegen ab oder aber man vermeidet diesen Hintergrund beispielsweise in Aufzählungen. Jedoch erscheint die Preisgabe dieses Erklärungsmusters dann unnötig, wenn es aus dem antiken Denken verstanden wird. In einem solchen Fall entschärft auch der Verweis, die Frage sei allzu neuzeitlich, das Problem nicht. Dieser Einwand setzt nämlich unzutreffend voraus, daß in der Antike .skeptisches' Gedankengut nicht nur unbekannt gewesen wäre, sondern auch nicht in einer die breiteren Masse ansprechenden Form präsentiert worden sei. Beide Voraussetzungen treffen hingegen nicht zu: Erstens, Cicero präsentiert in De Natura Deorum die Frage durchgängig in Gestalt eines Gesprächs zwischen dem Epikureer Vellejus, dem Stoiker Baibus und dem Skeptiker Cotta. Das sehr komplexe und problematische Thema gewinnt in dieser Gestaltung nicht nur an Transparenz, indem durch Rede und Antwort eine Position direkt aufgenommen und verhandelt wird, sondern ist dem Thema selbst angemessen, denn monologartige Präsentationen wirken auf den a/oiGeia mit xl Eitoirjoi? (18,35) parallel zu lesen und mit Hilfe des offenbarungstheologisehen Gehaltes des Verbs jraiiw zu verstehen sei. 340 BROWN, J o h n II 869; vgl. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 287, GlBLIN, Narration 226. Von einer Neutralität wie sie BULTMANN, Johannes 508, STENGER, Lektüre 217, und SCHENKE, Johannes 353 („Er [Pilatus; M. L.] will neutral sein"), meinen finden zu können, kann ich allerdings angesichts des Zusammenhangs (18,37b.c) sowie des sogleich gezeigten kompositorischen Verweises auf l l , 2 3 f f nichts entdecken. BULTMANN verknüpft zudem diese Auslegung mit seiner staatstheoretischen Exegese; vgl. dazu oben Anm. 249. 341 Johannes 518. 342 SCHNEIDER, Johannes 303. TlLLMANN, Johannesevangelium 251, meint jedoch genau das Gegenteil, denn er vermutet gerade in der Gleichgültigkeit den Grund. 343 Vgl. beispielsweise HAENCHEN Jesus 154, DERS., Historie 70, HAHN, Prozeß 42, BROWN, J o h n II 869, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium II 280, DERS., Johannesevangelium III 287f, BECKER, Johannes II 683.
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Leser wesentlich stärker ermüdend als ein Gespräch unter drei Vertretern markanter Positionen 344 . Zweitens, die inhaltliche Berechtigung, J o h 18,38a hinsichtlich des Skeptizismus näher zu bestimmen, kann durch eine Parallele aus Philo QuaestGen III 33 formuliert werden: In der Auslegung von Gen 16,12 unterscheidet Philo zwischen dem Sophisten und dem Weisen. Ersterer liebe den Streit und widerspreche jedermann (vgl. Gen 16,12b). Ismael wird dann mit den sog. Akademikern und Skeptikern verglichen: Auch sie nähmen keine Grundlagen an und würden sich auch für keine Sache entscheiden. Sie würden gewöhnlich als „opinion-fighters" 345 bezeichnet. Ganz offensichtlich weiß auch Philo um die Auswirkungen des Skeptizismus hinsichtlich der Theologie: Der Skeptiker stellt in Frage, entzieht sich der Stellungnahme und paßt, ganz im Gegensatz zum Weisen, nicht zu Staat und Gemeinschaft 346 . Es muß nun kurz erläutert werden, welche Auswirkungen Skepsis auf theologisches Argumentieren hinsichtlich J o h 18,38a hat. Aus Gründen der besseren Darstellung soll zunächst die Skepsis anhand von Diogenes Laertius dargestellt werden, ehe die systematischere Darlegung von Sextus Empiricus folgt. Wenn dabei beide Beschreibungen nebeneinander gestellt werden, so liegt das in der Natur der Sache, daß skeptische Positionen nicht zu einem dogmatischen System zusammengesetzt werden können. Vielmehr werden einzelne Argumentationsfiguren erkennbar. Gemeinsam mit Ciceros Dialog werden sie dann zum Ertrag für J o h 18,38 abschließend gebündelt. Der Ausgangspunkt für die Darstellung des pyrrhonischen Denkens bei DiogLaert IX,61-108 3 4 7 ist die Unbegreiflichkeit der Dinge und die Zurückhaltung des Urteils (IX,61 tö rrjs ä?caTaXrnl>ia£ Eitoxfjs E1805 d a a y a y ü v ) über eben diese. D a s bedeutet, nichts hat in Wahrheit Bestand und Gültigkeit (IX,61 Hti6ev rfvai tri akriOtia), die b l o ß gesetzesmäßige Übereinkunft und die Maßgabe der Gewohnheit (IX,61 v6(iu 81 xai e'9ei itävta ioug dvÖQautouc; Jioäimv) bestimmen menschliches Handeln. Diese Beschreibung der eigenen Position wird
344 Hume hat dieses Gesamtkonzept in seinen „Dialoge(n) über natürliche Religion" erneut aufgenommen und in gewußter und bewußter Anlehnung an dieses Werk Ciceros die Frage tiefgründig weitergeführt. 345 MARCUS, Philo 221, gibt so die armenische Vorlage wieder. Er vermutet im griech. Text ein yviononaxoCvTE^ oder ein yvojaLuaxoüvTE^ (MARCUS, Philo 221 Anm. f). Vgl. dazu auch WINTER, Philo 71-74, der meint, es sei pejorativ von Skeptikern die Rede. 346 MARCUS, Philo 220 Anm. p, vermutet hier die Formulierung tto>.el xai no/aiEiq. 347 Vgl. die Übers, von APELT, Diogenes 191-216; zur Darstellung PRAECHTER, Philosophie 461-464.581-587, VOGEL, Philosophy 184-230, GÖRLER, Pyrrhonismus bes. 721-756 (Lit.: 756-759). Es ist für meine Fragestellung unerheblich, wie die historische Rekonstruktion hinsichtlich des Pyrrhon ausfallt, da mich lediglich das Phänomen des pyrrhonischen Skeptizismus' interessiert.
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n u n d a d u r c h ergänzt, d a ß ihre Vertreter 3 4 8 andere Lehrsätze d u r c h s p r e c h e n , ohn e selbst j e d o c h Position z u b e z i e h e n . Diese A b l e h n u n g b e t r i f f t n i c h t allein ein e positiv f o r m u l i e r t e Aussage, die in ihrer Relevanz kritisch befragt wird, sond e r n a u c h eine a b g e l e h n t e Aussage (IX,74). G a n z generell gilt: W i r b e s t i m m e n n i c h t s (§74 oü&ev öq'i^ouev), d e n n n u r so k a n n n i c h t n u r jener U n b e g r e i f l i c h k e i t u n d Z u r ü c k h a l t u n g , s o n d e r n ü b e r h a u p t der Neutralität des Urteils (IX,74 xö xfj? oiQQEiiiLa^ näOog) A u s d r u c k verliehen werden 3 4 9 . D a s m e t h o d i s c h e Vorgehen, u m jene Neutralität z u erreichen, liegt i m Aufweis vieler U n g l e i c h m ä ß i g k e i t e n (IX,78 noXXr^v ¿vconaViav), die d u r c h verschiedene Vergleiche z u r besagten Sac h e erreicht wird 350 . Ziel des U n t e r n e h m e n s ist es, das Z u t r a u e n z u r angesproc h e n e n Sache z u e r s c h ü t t e r n . Diese Zweifel u n d E i n w e n d u n g e n gegen die U b e r e i n s t i m m u n g e n d e r E r s c h e i n u n g e n sowie des d e n k e n d E r k a n n t e n (IX,79 od &' dbiogica y.cna tag auntpwviag t ö v (pouvoneviov ¡i voouhevwv) w e r d e n in d e n sog. z e h n T r o p e n (iqöjkh) dargelegt. D i e ersten drei h a n d e l n v o n d e r Verschied e n h e i t d e r k ö r p e r l i c h e n K o n s t i t u t i o n e n in i h r e n B e d i n g u n g e n (IX,79-81) 3 5 1 , es folgen i m vierten u n d f ü n f t e n T r o p o s ideelle Fragestellungen (IX,82~84) 3 5 2 . D e r f ü n f t e T r o p o s b e z i e h t sich a u f die L e b e n s f ü h r u n g , a u f die Gesetze, a u f d e n G l a u b e n a n m y t h i s c h e U b e r l i e f e r u n g e n , a u f die Verträge u n t e r d e n V ö l k e r n u n d a u f die d o g m a t i s c h e n A n n a h m e n (IX,83 jiaga t a ? ayu>yäi; xai T0Ü5 vönouc; xai t&s nuOizat; JiiaiEic; xai läg eSvix&s avvQr]xaz jcai Soyncmsia^ ujroXr|i|)£i.s). H i e r m u ß u. a. n a c h d e m W a h r e n u n d Falschen, n a c h G u t e m u n d B ö s e m , n a c h G ö t t e r n u n d n a c h d e m E n t s t e h e n u n d Vergehen (§83 jieqi äXriöwv xai t|>Ei>&öv, jiEgi öryaöüv xai xaxwv, jieqi Gewv xai -/eveoeu? xai (pÖoQäg) gefragt werden. D i e
348 Zu verschiedenen Ausprägungen innerhalb der pyrrhonischen Schule vgl. §69f (Aporetiker [cdtogriuxoi], Skeptiker [oxtKiixoi], Ephektiker [ÈcpEJiTtsioi] und Zetetiker ii]iixoi]) und die dort genannten Spezifizierungen. 349 Das heißt natürlich auch, daß die vergleichende Formulierung où&èv näX/.ov (§76) nicht verwendet werden kann, weil damit sowohl die Existenz wie auch die Nichtexistenz ausgesagt werden kann. Vgl. dazu PRAECHTER, Philosophie 462, und GÖRLER, Pyrrhonismus 737. 350 Das widerspricht auch nicht dem in Anm. 349 Gesagten, denn jetzt dienen die angeführten Vergleiche der Kritik der zur Disposition stehenden Sache. 351 Im ersten die Verschiedenheiten bzgl. Lust, Schmerz, Schaden und Nutzen (§79); im zweiten die Verschiedenheiten hinsichtlich der besonderen körperlichen Konstitution (§80) und im dritten die Verschiedenheit bzgl. der Wahrnehmung in je anderer Art (§81). Zu historischen Problemen der Rekonstruktion der Tropen vgl. GÖRLER, Pyrrhonismus 746f. 352 Der vierte handelt von der Verschiedenheit von Stimmungen angesichts des Wechsels der Zustände (§82). Ab dem sechsten Tropos geht es wieder um Gegenständliches: Der sechste (§84f) verhandelt die Verschiedenheit des Charakters bzw. der Eigenart, da nichts in reinem Zustand vorkommt (§84); der siebte (§85f) beschreibt die Abstände und Lage der Dinge (§85), die dann ein unterschiedliches Erscheinungsbild (cpaivonai) hervorrufen; der achte (§86) nimmt die Qualitäts- und Quantitätsverhältnisse zum Gegenstand; der neunte (§87) geht auf den Charakter der Erscheinungen ein; der zehnte (§87f) nimmt die gegenseitige Vergleichung der Dinge (§87) zum Anlaß, um die Verschiedenheit und Unerkennbarkeit herauszustellen (§88).
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Zweifel und Einwendungen zeigen sich beispielsweise dort, wo Götter bei den verschiedenen Völkern verschieden sind, oder der Vorsehungsglaube nicht bei jedem Volk zu finden ist: Zurückhaltung des Urteils über die Wahrheit (IX,84 Ö 8 E V JIEOI täXr|0OIJ5 R) TITOXII) ist daher vonnöten. Diese Haltung findet ihre praktische Umsetzung in einer höchst problematischen Lebensrichtung (IX.70): Gleichgültigkeit (¿näGeia)353. So sei Anaxarch, in Begleitung des Pyrrhon, einmal in den Sumpf gefallen. Pyrrhon ging in vorbildhafter Weise weiter, ohne ihm zu helfen. Wo also persönliche Stellungnahme gefordert wäre, prägt Gleichgültigkeit und Teilnahmslosigkeit (IX,63 to dSidcpogov xal aotogTov; vgl. IX,62) die Reaktion des Pyrrhon (vgl. Cic Ep VI,9,3 354 ). Sextus Empiricus folgt in seiner Darstellung hinsichtlich der Grundeinstellung und der Vorgehensweise der skeptischen Haltung über weite Strecken der Position des Diogenes Laertius (SextEmp PyrrhHyp 1,8-12). Er benennt jedoch präziser, welches Ziel mit dieser skeptischen Haltung erreicht werden soll: Seelenruhe. Die unterschiedlichsten Phänomene lassen den entsprechend gebildeten Menschen unablässig weiterfragen, bis er eine Antwort oder eine Lösung gefunden hat. Einem solchen unruhigen .Immer-Weiter-Rückwärts-Fragen' entgeht der Skeptiker, denn er weiß, daß es keine bestimmten Uberzeugungen gibt, die er mit Eifer und Unruhe verfolgen müßte. Gerade dieses Wissen läßt ihn ruhig und ausgeglichen leben 355 . Ergibt sich also aus der Entgegensetzung der Dinge jene bezeichnende Zurückhaltung (eiroxn), dann werden aus dieser Zurückhaltung die genannten „Tropen" formuliert. Die zehn .Argumente' oder auch .Positionen' (1,36 Xöyoug xai xonovg OUVOJVIJUW? Äiyouoiv) des Ainesidemos (um 40 v. Chr.) werden auch von Sextus Empiricus breit dargestellt (1,40-163). Der für J o h 18,38 beachtenswerten zehnte Tropos beschreibt die Zurückhaltung insbesondere gegenüber Gesetzen, Gewohnheiten und Meinungen, um die Entscheidung über das Wahre schwach werden zu lassen (1,145-163; vgl. DiogLaert IX,88f) 356 . Gelangt ein Philosoph bei der Frage nach der Letztbe-
353 Nur am Rand erwähnt Diogenes, daß es einige Skeptiker gebe, die ihr Ziel (xiXaq) in der Leidenschaftslosigkeit (anä9ei.a) sähen (DiogLaert IX,108), eine Tatsache, die später besonders Sextus Empiricus aufgezeigt hat (s. unten). 354 Cicero verwendet das Wort enoxr im Sinne eines Schwankens hinsichtlich der Entscheidung, eine Provinz zu übergeben. 355 Nur insoweit hat der Skeptiker dann auch eine Lehrmeinung (aYgeoi?), wenn sie als Lebensform verstanden wird, die sich auf die Lehre bezieht, die wiederum dem Erscheinenden folgt und sich die Möglichkeit einer Zurückhaltung offenhält (I,16f). Denn die Erscheinungen werden nicht aufgehoben oder bezweifelt, sondern vielmehr die Zuversicht, etwas über sie sagen zu können (I,19f). Ferner ist es ihm selbstverständlich klar, nicht ohne aufgezwungene Dinge oder Darstellungen leben zu können (1,29). So wird er beispielsweise kaum zögern, die Treppe dem Fenster vorzuziehen, um das Haus zu verlassen. 356 Die Zusammenhänge brauchen nicht weiter ausgeführt zu werden, weil die zehn Tropen in etwas anderer Reihenfolge bereits oben bei Diogenes Laertius besprochen wurden. Ich beschränke mich auf eine Gegenüberstellung: der erste Tropos 1,40-78 (DiogLaert IX,79f); der zweite 1,79-89 (IX,80); der dritte 1,90-99 (IX,81); der vierte 1,100-117 (IX,82); der fünfte 1,118-123 (IX,85, dort allerdings der siebte); der sechste 1,124-128 (IX,84f); der siebte 1,128-134 (IX,86, dort allerdings der achte); der achte 1,135-140 (IX,87,
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
gründung in den Regreß ad infinitum (1,164.166), so ist er gezwungen, eine begründungslose Voraussetzung (1,164.168 üjtoOetijcöv) anzunehmen. Gerade dann ist aber ein weiterer Gesichtspunkt gewonnen, der die Unerkennbarkeit der Wahrheit benennt und daher Zurückhaltung fordert (1,164). Um die für J o h 18,38a wichtige Stelle aus Cic NatDeor (1,67) analysieren zu können, muß der Zusammenhang in Ciceros Schrift kurz aufgezeigt werden357. Der Abschnitt wird seitens des Epikureers Vellejus durch eine kritische Würdigung verschiedener philosophischer Positionen zu seinem Thema eröffnet und läßt bereits hier unterschiedlich stark seine eigene Position erkennen (1,18-1,42). Die epikureische Götterlehre beginnt in 1,43 und reicht bis 1,56. Die Götter halten sich in Zwischenräumen zwischen den Welten (sog. intermundia; uttaxoania) auf, wo sie ohne Arbeit und Aufgabe die ewigen Freuden genießen und keinerlei Einfluß zu irgendeiner Zeit auf die Welt gehabt haben, denn nicht Götter schufen die Welt, sondern die Atome bilden die Welt und die Götter. Diese Zusammenhänge greift der Skeptiker Cotta in einer doppelten Perspektive auf: einerseits das glückselige Leben, das sich bei der Gottheit im Nichtstun äußert, müßte kritisch bedacht werden, andererseits muß doch die Wahrheitsfrage an den Kern der These gestellt werden: .„Nichts', sagst du, ,kann mich dazu bewegen, von der Lehre des glückseligen Lebens und von der Wahrheit zu lassen.' Das also ist deine Wahrheit? Ich wende mich überhaupt nicht gegen das glückselige Leben, welches, wie du meinst, ein Gott nur haben kann, wenn er in völliger Ruhe erstarrt. Aber wo ist die Wahrheit? Vermutlich in den unzähligen Welten, die in jedem winzigen Augenblick teils entstehen, teils vergehen? Oder in den unteilbaren Körperchen, die ohne jede Lenkung der Natur und ohne alles Eingreifen der Vernunft so herrliche Werke schaffen" 358 (1,67)? Ist es vorstellbar, in den Atomen derartiges Potential zu vermuten wie Vellejus es will. Er wirft ihm daher vor, daß die Gottheit, wenn sie aus Atomen bestehe, vor ihrer Geburt kraft zufälliger Zusammenballung jener Atome
dort allerdings der zehnte); der neunte 1,141-144 (IX,87); der zehnte 1,145-163 (IX,83, dort allerdings der fünfte). Zum Inhalt der ersten drei Tropen bei Diogenes vgl. oben Anm. 351, zu den weiteren oben Anm. 352. Darüber hinaus ist auch hier die systematischere Darstellung gegenüber Diogenes erwähnenswert, wenn Sextus drei Klassen unterscheidet; vgl. 1,39. Besonderes Interesse verdienen aber noch die fünf Tropen der Zurückhaltung, die die jüngeren Skeptiker vertreten (SextEmp PyrrhHyp 1,164-169): Sie beziehen sich:
«tto tf)5 öiaipwviac;; eis coteiqov; dito xoö 11905 u; töv ujioOetixov; töv 8iäXXriXov.
357 Die philosophischen Einzelprobleme, vor allem die Frage, ob Cicero besonders die Meinung Epikurs sachgemäß wiedergegeben hat (beispielsweise 1,49: Vermittlung von Kenntnis durch Bilder und das Problem ihrer Zusammensetzung; 1,68: Ursprung der Götter), können außer Betracht bleiben. Denn selbst wenn Abweichungen nachweisbar sind, so hat sie Cicero doch seinem Gesamtduktus ein- und untergeordnet. 358 Übers. BLANK-SANGMEISTER, Cicero 63 (.Nihil equidem', inquis, ,ut rationem vitae beatae veritatemque deseram.' Ista igitur est veritas? Nam de vita beata nihil repugno; quam tu ne in deo quidem esse censes, nisi plane otio langueat. Sed ubi est veritas? In mundis credo innumerabilibus omnibus minimis temporum punctis aliis nascentibus aliis cadentibus. an in individuis corpusculis tarn praeclara opera nulla moderante natura nulla ratione fingentibus?).
J o h 18,28-19,16a
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einst nicht bestanden haben müßte. Genau dann wäre aber seine Ausgangsposition hinfällig, es sei selbstredend, an die Existenz der Gottheit zu glauben. 359 Mit dieser Frage nach der Wahrheit greift Cotta also die entscheidende Säule im Theoriegebäude des Vellejus an, weil ihm dieser Ausgangspunkt allzu unwahrscheinlich ist. Während er skeptisch dieser Position den Boden zu entziehen sucht, wirft er zugleich ein deutliches Licht auf seine eigene Meinung: „Solltest du mich fragen, was ich über das Wesen der Götter denke, hätte ich vielleicht keine Antwort. Solltest du dich jedoch erkundigen, ob ich von der Richtigkeit deiner gemachten Ausfuhrungen überzeugt sei, würde ich sagen: ganz und gar nicht" (1,57; ähnlich: I,60) 360 . Cotta reagiert demnach erst, wenn eine direkte Anfrage vorliegt und seine Stellungnahme notwendig ist. Nicht anders reagiert Pilatus. Wie gesehen legt Jesus in seiner kurzen Offenbarungsrede in J o h 18,36f die wesentlichen Perspektiven seines Kommens vor. Auch Pilatus reagiert auf diese Herausforderung, die ein Bekenntnis erwartet, in der Weise, daß er sich einzig hinter einer Frage versteckt, um so dem pyrrhonischen OUÖEV ÖGIIJÖ^EV (DiogLaert IX,74) Ausdruck zu verleihen: In Hinsicht auf Wahrheit läßt sich nichts „.Bestimmtes aussagen'"361 (öe'tCw), oder, um es mit dem zeitlich jüngeren Begriff eitoxn zu formulieren, Pilatus übt „Zurückhaltung der Zustimmung zu einer dem Subjekt sich darbietenden .Vorstellung'" 362 . Angesichts der Kürze dieser Frage des Pilatus, der auch keine weitere Erklärung oder Anmerkung folgt, kann noch ein Schritt weitergegangen werden: Pilatus ist nicht gewillt, zu diesem Tatbestand noch irgendein Wort zu verlieren. Es genügt ihm, mit der Wahrheitsfrage die personifizierte Wahrheit, beiseite zu schieben und auf diese Weise eine vermeintliche Seelenruhe (¿ndOtia) gefunden zu haben 363 . Mit einer vergleichbaren Frage nach der Wahrheit hatte Cotta seine Einwände eingeleitet, und mit ihr hat auch Pilatus seinen Einwand formuliert. Das differentium specificum ist die Bezugsgröße, die diese Frage betrifft. Auch wenn beide Fragen den griechischen Wahrheitsbegriff im Sinne einer rationalen Plausibilität wissenschaftlicher Theorien zum Ausgangspunkt haben, dann läuft das Wahrheitsverständnis bei Pilatus buchstäblich am Gemeinten vorbei, während Cotta durchaus das Gemeinte aufnimmt. Der Evange-
3 5 9 Vergleichbar damit ist die Argumentationsfigur in Plin NatHist 11,25: Plinius beschreibt die Vorstellung, die bereits in breiten Volksmassen Eingang gefunden habe, daß die Gestirne als Götter verehrt werden müßten, weil aus ihnen der Lebenslauf ersehen werden könne. Er fuhrt zu diesem Zweck eine Geschichte aus dem Leben des Augustus an, der die Meldung eines Soldatenaufstandes darauf zurückgeführt habe, daß ihm am Morgen der linke Schuh falsch angezogen worden sei. Plinius fahrt fort: „All dies verwirrt die arglose Menschheit, so daß darunter nur das Eine gewiß ist, daß nichts gewiß ist" (solum ut inter ista vel certum sit nihil esse certi; Ubers. KÖNIG, Plinius 29). 3 6 0 Übers. BLANK-SANGMEISTER, Cicero 55. 361
GÖRLER, P y r r h o n i s m u s 7 4 4 .
362
DERS., P y r r h o n i s m u s 7 4 5 .
363 Welche Ethik bei Pilatus durch die COTÓ9EI.C< bzw. àxaoa^ia
(vgl. GÖRLER, Pyrrho-
nismus 745) ausgelöst wird, läßt sich m. E. nicht genau sagen, da seine Antwort zu kurz ist, u m weitere Rückschlüsse zu ziehen. Im joh. Sinn wird man etwa an J o h 15,12 denken können.
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
list legt aber überdeutlich eine Kritik in diese Haltung. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, dem Regreß ad infinitum einen Riegel vorzuschieben oder aber die jtoAAriv ävconaXlav als Ausweg aus jener Sackgasse hervorzuziehen. Genaugenommen geht es ihm auch nicht darum, ein Postulat eines Wahrheitsbegriffs im Sinne eines U H O S E T W O V Z U benennen, denn im inkarnierten Logos (Joh 1,1.14) steht die personifizierte Wahrheit vor Pilatus (14,6). Es wird also nicht ein xi eotiv OI/A}6eia; sondern vielmehr ein T'15 E O U V d A ^ E T I A erwartet. Eine solche Frage kann im joh. PB nur mit dem Bekenntnis des zweifelnden Thomas z u m Gekreuzigten und Auferstandenen beantwortet werden (20,28), und nur so kann die verlangte Auskunft erteilt werden (vgl. 1,19.22; 4,10; 5,12f; 6,60; 8,25; 9,21.36; 12,34fi vgl. 21,12; l j o h 2,22; 5,5) 364 .
Für die Frage der Komposition dieses Abschnitts ist noch ein Vergleich mit J o h ll,26.39f aufschlußreich. Martha geht Jesus entgegen und hält ihm vor, nicht rechtzeitig gekommen zu sein, denn Lazarus ist tot (11,21). Sie hat jedoch Zutrauen zur Kraft der Bitte, die Jesus an seinen Vater richtet (11,22), und sie weiß auch, daß ihr Bruder am letzten Tag (11,24 ev rrj eöxaTfi fineoa) auferstehen wird. Die personale Verknüpfung der Auferstehung mit Jesus wird ebenfalls von Martha zustimmend bekannt (vgl. 11,27). Man möchte meinen, die Auferweckung des Lazarus könne angesichts dessen kaum fraglich sein, jedoch stellt der Leser fest, daß Martha sagt, Lazarus habe bereits Verwesungsgeruch angenommen (11,39 ri8r] oCßi). Ganz offensichtlich hat Martha doch ihre Zweifel, ob der eben so bekannte, in die Welt gekommene Sohn Gottes den toten Lazarus auferwecken kann. Es ist nur der eine Aspekt, daß mit diesem Vers die Größe des Wunders gesteigert werden soll. V 40 zeigt in seinem Rückgriff auf 11,23-27 auch, daß Martha durchaus schon jetzt mit der Leben stiftenden Kraft Jesu rechnen darf. Dieses Schon-Jetzt war in ihrem Bekenntnis genausowenig enthalten wie bei Pilatus - schon jetzt vor dem Zeugen der Wahrheit der sich auf ein Jenseits im Zusammenhang eines Unverborgenen und Unbemerkt-Gebliebenen 365 bezieht. Martha und Pilatus sind sich also erstaunlich nahe 366 .
3 6 4 SÖDING, M a c h t 41, deutet die Rolle des Pilatus wie folgt: „ E r darf sich nicht a u f die Rolle des neutralen B e o b a c h t e r s zurückziehen. Als Richter ist er selbst gefragt. D a r a n , d a ß er sich der Frage J e s u z u entziehen trachtet, wird er scheitern." E i n e s o l c h e neutrale Beobachter-Rolle v e r m a g ich in 18,38 nicht zu sehen, d e n n die s k e p t i s c h - p h i l o s o p h i s c h e Z u r ü c k h a l t u n g bezieht sehr wohl Position u n d ist d u r c h a u s klar erkennbar, eine vermeintlich neutrale Position ist d a r ü b e r h i n a u s g a n z generell wenig wahrscheinlich: A u c h m i t dieser Frage steht Pilatus nicht g l e i c h s a m a m Fenster u n d s c h a u t in d e n I n n e n r a u m des Prätor i u m s . D a b e i ist sein u n a b l ä s s i g e s Hinein- u n d H i n a u s l a u f e n aus seiner Sicht der Versuch, die verschiedenen P o s i t i o n e n k e n n e n z u l e r n e n , die der L e s e r / H ö r e r d u r c h die Lektüre d e s J o h E v s c h o n kennt. D i e v o r a n g e g a n g e n e n Fragen (18,33.37) m ü s s e n aus der S o r g e d e s Pilatus v e r s t a n d e n werden, seine eigene Stellung nicht zu g e f ä h r d e n (vgl. 19,12!). SÖDINGs Eins c h ä t z u n g weist daher der eigenständigen Person .Pilatus' zu wenig G e w i c h t zu.
Joh 18,28-19,163
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Im Rückblick auf diesen ersten Abschnitt fallt nicht nur die Parallele zum MkEv auf, das jenes Material aus dem Anfang und Schluß des Verhörs zur Verfugung stellt, das nicht nur für die joh. Perikope wesentlich ist. Johannes nimmt jenes Material auf und fuhrt es in absichtsvoller Gestaltung weiter. Zweifelsfrei liegt auf der kleineren Offenbarungsrede Jesu ein erhebliches Gewicht 367 , jedoch darf dieser Befund nicht zu dem Schluß verfuhren, das Ende der Perikope vorzuziehen und 18,38 auf diese Weise zu isolieren oder gar auszublenden. Dieser Vers spiegelt vielmehr jene denkbare Reaktion des textexternen Lesers/Hörers wider, der der Offenbarung der göttlichen Wirklichkeit 368 mit skeptisch-philosophischer Zurückhaltung begegnet. Deutlich erfährt diese Frage nach der .Unverborgenheit' (dAf|9eia) in diesem Zusammenhang eine Kritik, denn Johannes schildert das ,SchonJetzt' von Gottes Wirklichkeit, das eine Stellungnahme fordert. Insgesamt sind beide Aspekte dieser Perikope (Offenbarungsrede Jesu und Pilatusfrage) eigenartig schillernd: Die Welt macht dem Zeugen der Wahrheit den Prozeß 369 und wird doch selbst zu einer Antwort genötigt, denn der Angeklagte erweist sich als rettender Richter. Zugleich versagt sich Pilatus eine klare Position (vgl. demgegenüber 19,22)370.
365 Zur Etymologie vgl. BULTMANN, äWjÖEia 239 (z. T. kursiv im Original): „d>.r|0£La - etymologisch das Nicht(s)-verheimlichen - bedeutet ursprünglich einen Sachverhalt oder Tatbestand, sofern er gesehen, gezeigt oder ausgesprochen wird und in solchem Sehen, Zeigen oder Reden voll erschlossen wird bzw sich erschließt, so wie er wirklich ist, und zwar im Hinblick darauf, daß er auch verhüllt, verfälscht, verkürzt, verschwiegen sein könnte. aXr|9Ei.a ist also der volle oder .wirkliche' Tatbestand." Dagegen vgl. BLANK, Wahrheits=Begriff passim (bes. 165), SÖDING, Macht 48f. 366 D e m möglichen Einwand, daß die zukünftige Enthüllung der Wahrheit nicht mit der Unmöglichkeit verbunden werden kann, daß die Wahrheit jetzt enthüllt werden kann, kann mit einem Verweis auf die verschränkten Zeitebenen begegnet werden: N a c h joh. Verständnis reicht einerseits die Gegenwart in die Zukunft, während andererseits die Zukunft in die Gegenwart greift. An zwei Beispielen lassen sich diese Beobachtungen erhärten: In 5,25 ist davon die Rede, daß EQXETOU ÜQCI Jiai vuv EOXIV. ES ist zu beachten, daß die Verschränkung der Zeitebenen mit dem Wort vüv vorgenommen wird und den Haftpunkt in der Gegenwart bestimmt. In 3,16 spricht Johannes davon, daß der Glaubende UTI änoXrytai äKK' e'xh £ur|v aiüviov. Der Haftpunkt in der Zukunft liegt hier zweifelsfrei im £ur|v aiuviov. Vgl. dazu auch BÜHNER, Denkstrukturen 224f, und FREY, Eschatologie II 211.218-228 (zur Frage nach der sog. Horizontverschmelzung). 367 Vgl. HAHN, Prozeß 41, und SCHNELLE, Johannes 1809. 368 Vgl. LAUSBERG, Johannes-Prolog 33 (z. T. Fettdruck im Original): In J o h I,9a.l4e.l7b; 18,37 drücke oiXr|0Eia xtX. „die Göttliche (sie.) Wirk-Modalität des .Lichts' in ihrer .christlichen Voll-Stufe' (...) aus und findet sich als Adjektiv auch in J 6,32; J 15,1." 369 Treffend daher BLANK, Verhandlung 71: „ D e m Zeugen der göttlichen Wirklichkeit wird von der Welt der Prozeß gemacht!" 370 Vgl. WINDISCH, Erzählungsstil 203: „Mit wenig Strichen sind die großen, die Wirklichkeit zerteilenden Gegensätze gezeichnet, und zugleich ist auch ein Charakterbild des Menschen Pilatus gegeben". - Zum redaktionellen Charakter von 18,38a: BULTMANN,
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
2. Interpretation: Drinnen steht der König der Juden, der sogleich die Position von Pilatus mit der Rückfrage wissen möchte (18,34). Nicht ein König, der sich an Maßstäben des xätoj orientiert, revolutionäre Aktionen inszeniert und dabei das Leben des eigenen Volkes riskiert, steht vor Pilatus. Sein Königtum ist das des Sohnes Gottes, der in die Welt kam, u m Zeugnis von der Wahrheit abzulegen. Es ist daher ävco und bedarf keiner menschlichen Machtsicherungsstrategen. Dieser König regiert dann, wenn er ausgeliefert wird (jraocx&iöwui), u m ans Kreuz erhöht zu werden (3,14; 8,28) und ,von oben her' als gekreuzigter König die griech.-, lat.- und aramäischsprachige Welt zu sich zu ziehen (12,32f). Dieses Ereignis wirft ein klares Licht auf grundsätzliche Verhaltensmuster eines Menschen: Pilatus lehnt es ab, über dieses Wahrheitszeugnis des Königs etwas Bestimmtes auszusagen. Er hält sich zurück und ist auch nicht gewillt, weiter darüber nachzudenken. Diese skeptisch-philosophische Zurückhaltung zeigt zugleich, daß Pilatus nicht aus der Wahrheit ist. Nicht ein ti eotiv dA.r|0eia, sondern ein tiq ecmv aA.r|0eia begründet auf der Aussage eyw ei^i d>.r|8eia (14,6) ist vonnöten, das mit dem Bekenntnis ö xuqioq (iou xai o Öeog [iou (20,28) dokumentarisch besiegelt wird (vgl. 19,22 o yeyQotcpa yeygacpa). 2.1.3.5.
Joh
18,38b~40:
Der ,Freiheitsbringer'
und
der,Guerillakämpfer'
1. Analyse: Der Evangelist schildert in J o h 18,38b, daß sich Pilatus von Jesus abwendet, u m nach draußen zu den 'Iouöaloi zu gehen und ihnen ein erstes Ergebnis zu präsentieren. Die eingangs angeführten Beobachtungen zur Gesamtkomposition rechtfertigen es, hier einen neuen Abschnitt zu sehen, der bis 18,40 reicht. Er ist ganz von der Gegenüberstellung des Unschuldigen mit dem Schuldigen geprägt. Insgesamt ist die kurze, straffe Darstellung, vor allem im Gegensatz zu M k 15,6-13, auffällig. Daneben ist auch noch auf den Zusammenhang von Lk 23,4.18 für J o h 18,38b.40 in der folgenden Einzelanalyse zu achten. Mit einer redaktionellen Einleitung beginnt J o h 18,38b, was sich anhand des toüto ebrcbv und des n.eu5 jcai ävaßioijon5 tfj^ dgx a ' l a STCEQIrr|v 8er)GJCEiav auvr)Ötia^). - Anders liegen die Dinge bei Philo, der mit auvr|9eici eine Gewohnheit meint, die durch Regelmäßigkeit hervorgerufen wird, ohne auf einen juristischen Tatbestand bezogen zu sein: SpecLeg I §282; III §35; IV §161; Ebr §63.68. 379 Vgl. 2Makk 4,47; 12,25; 4Makk 8,2. In Jos Bell 11,1,2 §4 wird ebenfalls die Begnadigung bzw. Freilassung von Gefangenen mit ditoXijw xivd umschrieben, hier wie in den Apg- und Makk-stellen fehlt hingegen die Verknüpfung mit der Vorstellung einer allgemein
160
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
In J o h 18,39b berichtet der Evangelist von dem Vorschlag, Jesus gemäß der Sitte freizulassen. Dieser Vorschlag entstammt beinahe wörtlich M k 15,9: 9
08A.ETE
djioA.i3o(o i!(iTv töv ßaoi>ia xwv 'Iouöaiojv;
39b ßou>.Eo8E ouv
anoA-uocü ¿nlv töv ßaaiXsa töv 'Iouöa'uov; Zwei Ausnahmen sind zu beachten: zunächst der Wechsel v o m mk. BeXete z u m joh. ßoij>.Eö8E. Es ist auffällig, daß ÖeXw insgesamt 19mal in J o h 1 - 2 0 (4mal in J o h 21) vorkommt, während ßouXoiiai joh. hapax legomenon ist. Wenn also M k 15,9 die Vorlage für J o h 18,39b ist, muß dieser Wechsel erklärbar sein. Das Verb, das ganz allgemein das menschliche Handeln beschreibt, kommt im joh. Schrifttum noch in 2Joh 12 und 3Joh 10 vor. Während es in 2Joh 12 die Absicht des Autors ausdrücken will, lieber persönlich die Gemeinde zu besuchen, als durch den Brief mit ihr zu reden, beschreibt es in 3Joh 10 das durch Diotrephes verhinderte Bestreben der Gemeindeglieder, die Wandermissionare des TtEoßijxEooc; aufzunehmen 3 8 0 . Die Bedeutung von ßoi)>,o(ica flir das J o h E v läßt sich auch noch via negationis erheben: Wenn der theologische Sinn von 0eXw geklärt ist, kann zurückgeschlossen werden, warum der Evangelist dieses Verb hier in J o h 18,39 vermeidet. Zunächst fallen die christologischen und spezifisch theo-logischen Stellen auf. Jesu Wollen erweist sich deshalb als ein vollmächtiges Wollen 381 , weil es dem des Vaters gleichgesetzt wird (5,21 coojteq ... 0ÜTC05). Es ist jenes Leben stiftende Wollen, das menschliches Wollen und Handeln klar übersteigt (vgl. 6,63; ll,14f). Dieses überreiche Wollen Jesu schlägt sich auch dort nieder, wo er dem sich lagernden öyj-og grenzenlos die besonderen Gaben (00105, c>4>a6l0V) gewährt (6,11). Die inhaltliche Qualität, das ^woitoieco, hält sich indirekt auch in 7,1 durch, wo Jesus sich den 'Iouöaloi entzieht, indem er J u d ä a meidet. Der Grund dafür liegt darin, daß das Wollen des Vaters in der entsprechenden Stunde (oiga 2,4; 7,30; 8,20; 12,23.27bis; 13,1) noch nicht realisiert ist. Dieser Wille des Vaters setzt sich im EQyov um, das Jesus am Kreuz z u m Abschluß bringt und das zugleich erweist, daß es der Wille beider ist, der nichts dir' E(xauToö tut (4,34; 5,30.36; 7,17; 17,4; 19,28). Aufgrund dessen kann dann auch Jesu ,Finden-Wollen' (1,43) mit der Bitte verknüpft werden, daß diese Jünger auch bei ihm sein sollen (17,24; vgl 6,37.39; 10,29; 17,2.9). Das kreuzestheologisch ausgerichtete, Leben spendende Wollen des Vaters schafft sich im heilvollen, souveränen Wollen Jesu am Kreuz sichtbaren Ausdruck und er-
geübten Praxis der Passaamnestie; zur Historizitat i m Z u s a m m e n h a n g mit der causa crucis vgl. das o b e n a u f Seite 129-134 Gesagte mit A n m . 270. 380 Vgl. VOGLER, J o h a n n e s b r i e f e 2 0 0 - 2 0 6 . 381 Der hoheitliche, bestimmte, souveräne Wille J e s u wird auch in M k 3,13; 6,48; 7,24; 9,30 erwähnt.
Joh 18,28-19,16a
161
öffnet von dort her ekklesiologische Dimensionen, indem die vom Gekreuzigten Gerufenen und Gefundenen bei ihm sein werden 382 . Diesem souveränen Wollen Jesu ist menschliches Wollen in seiner Abhängigkeit zugeordnet 383 . So ist es jenem Gelähmten (5,lff) unmöglich, .selbstbestimmt' die Frage zu beantworten „Willst du gesund werden?" (5,6). Er vermag nur auf Andere zu verweisen, sein Wollen ist deutlich .fremdbestimmt' (5,7.8f) 384 . Jesu vollmächtige Rede in 6,60-65 ist in 6,66f Anlaß zur Absonderung; er stellt seine Jünger in 6,67 vor die Wahl, ob auch sie weggehen wollen. Die, die bleiben (15,7 eav iieivr|Te), werden das Erbetene erhalten. Jene angeklungene .Fremdbestimmung' in der Christologie wird deutlich erkennbar, denn die Trennung von Jesus ist nicht im menschlichen Handeln begründet, sondern darin, daß Menschen den Teufel zum Vater haben (8,44). Von hier aus wird 17,24 erneut transparent, denn menschliches Handeln vermag das yivw|ica ^et' ' I i 0 0 " (17,24) nicht zu realisieren. Es ist auf Jesu Wille und dessen Einheit mit dem Vater (10,30; 17,22) angewiesen (vgl. 21,18.22). Für J o h 18,39b lassen sich daher folgende Schlußfolgerungen ziehen. Hier ist weder von einem souveränen Wollen Jesu die Rede, das auf Kreuz und Auferstehung ausgerichtet ist und auf die Gemeinschaft mit seinen Jüngern abzielt, noch ist jener spezifisch theo-logische Wille gemeint, dessen Inhalt (eoyov) zu realisieren ist. Auch das menschliche Wollen, das auf Jesu Handeln angewiesen ist, scheidet für 18,39b aus, weil erstens das Wollen, das Pilatus dem Volk zubilligt, aus seiner Sicht eindeutig ein selbständiges und insofern ein ,freies' ist, als er ihm eine .Wahlmöglichkeit' eröffnet, zwischen Jesus und Barabbas zu .wählen'. Genau dort liegt dann aber auch der Unterschied zu 5,6-9. Zweitens muß dieses Wollen von dem oben skizzierten zudem unterschieden werden, weil sich Pilatus in seiner skeptisch-philosophischen Haltung verschanzt und so erweist, daß er nicht ex Ttjg ¿XriBeiag ist (18,37f). Aus diesem Grund vermag er dann natürlich auch kein 8eA.co, sondern .nur' ein ßou?.o[iai anzubieten. Aufgrund dieser Tatsache kann abschließend gesagt werden, daß der Evangelist das aus seiner Sicht heilsgeschichtlich ausgerichtete BeXco in 18,39b gegen das ethisch
382 Nachösterlich wirkt hier der souverän handelnde Geist (3,8). 383 Etwas am Rande liegen folgende Stellen: In J o h 9,27b wird die Frage den 'Iouhaioi polemisch vorgelegt, o b sie Jesu Jünger werden wollen, die aufgrund des Zusammenhangs eine negative Antwort erwarten läßt. Auch in 5,40 ist pessimistisch davon die Rede, daß die 'Iou&aloi (5,16) nicht zu Jesus kommen wollen (vgl. 7,44). J o h 5,35 redet vom Wollen, das sich auf Johannes d. Täufer richtet. Vgl. noch 6,21; 12,21; 16,19. 384 Auch im MkEv ist alles an Jesu Wille zur Heilung gelegen, jedoch tritt dort noch stärker der bittende Charakter des Kranken hervor; Mk l,40f (par.); Mk 10,51 (par.); vgl. Mt 15,28.
162
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
ausgerichtete ßoijXojiai austauscht 3 8 5 . Daneben spricht auch noch für die Tatsache einer redaktionellen Bearbeitung die zweite Auffälligkeit, das joh. ouv. Dessen Einfügung hat wohl kaum einen tieferen theologischen Sinn, sondern dient als Indikator einer stilistischen Überarbeitung traditionell vorgegebenen Materials. Zusammenfassend kann zu J o h 18,39 gesagt werden, daß der Evangelist traditionell synopt. Material redaktionell bearbeitet hat 386 . In J o h 18,40 ist exgcüjyaoav jtaXiv aus M k 15,13 nachgebildet: 13
ot 6 e ttcüXiv
exoagav
40
exgaüyaöav ouv jtaXiv. Die Veränderung des exga|av in das Exgavyaaav erinnert in seinem Verfahren an das, was schon in 18,39 begegnete: Mit xoaC,a hätte der Evangelist jenes Ausrufen gemeint, das er in 7,28.37; 12,44 als ein prophetischvollmächtiges Reden gebraucht (vgl. J o s Ant X,5,l §117) und das bedeutungsvolle Selbstaussagen Jesu einleitet 387 : Jesus ist nicht von sich aus gekommen, sondern der ihn gesandt hat, er ist aXriGivo? und von ihm (jtccq' aüxoß) kommt er her (7,29). Dies wird in 7,37 bestätigt, wenn Jesus von den Strömen lebendigen Wassers redet 388 und sich daran die Frage anschließt, 385 Gegen DAUER, Passionsgeschichte 124 mit Anm. 141.142, der einzig den sprachlichen Unterschied benennt, jedoch nicht erklärt, o b die joh. Theologie selbst der Auslöser für diese Differenzierung ist. - Vor dem Hintergrund der oben vorgenommenen philosophischen Bestimmung kann für 18,39 und die Verwendung des ßouÄO(jai noch auf eine mögliche Konsequenz hingewiesen werden: Wenn der Evangelist um die seit Cicero belegte Vorstellung wußte, daß sich mit d e m pyrrhonischen Skeptizismus eine starke ethische Ausrichtung verbindet (vgl. dazu GÖRLER, Pyrrhonismus 742 mit klass. Belegen), dann könnte dies im ethisch ausgerichteten ßoüAonca seinen Niederschlag gefunden haben. 386 Tradition hinsichtlich J o h 18,39: SCHNIEWIND, Parallelperikopen 65f, BAUER, J o hannesevangelium 217, FlNEGAN, Überlieferung 46, BULTMANN, Johannes 503, STRATHMANN, Johannes 245 A n m 1, BARRETT, Johannes 518, DODD, Tradition 100f, BORGEN, Narrative 255, FORTNA, Gospel 124, HAHN, Prozeß 37 Anm. 27, DAUER, Passionsgeschichte 123 (106: mit redaktioneller Überarbeitung), SABBE, Trial 481, SCHNELLE, Johannes 1809, SCHMITHALS, Johannesevangelium 408 (redaktionell eingearbeitet); gegen WELLHAUSEN, Johannis 85, SCHWARTZ, Aporien I 356, SPITTA, Johannes-Evangelium 373, und HIRSCH, Studien 121, die postevangelistische Redaktion vermuten; vgl. BAUM-BODENBENDER, Hoheit 142 (spätere Erweiterung einer traditionell vorgegebenen Erzählung). Redaktion hinsichtlich des Bemühens des Pilatus vermuten SCHNACKENBURG, Johannesevangeliu m III 289, und BECKER, Johannes II 677; gegen BEASLEY-MURRAY, J o h n 334, DAUER, Passionsgeschichte 124f. 387 In 1,15, der einzigen Ausnahme, ist von Johannes d. Täufer die Rede, der allerdings über Jesus Zeugnis ablegt. Selbst diese Ausnahme ist weit von jenem fanatischen Schreien der Masse in M k 15,13 oder einem Rufen, das darauf zielt, sich beispielsweise gegenüber einer Volksmasse durchzusetzen (vgl. A p g 14,14; 19,28.32.34; 21,28.36; 23,6), entfernt. WÖLLNER, Zeichenglaube 95, übergeht gerade diesen Unterschied zu der synopt. Tradition in seiner theologischen Relevanz für das J o h E v und verkennt somit den redaktionellen Charakter.
Joh 18,28-19,16a
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ob Jesus angesichts dessen als Prophet und Messias bezeichnet werden kann (7,40f). Jenes vollmächtige Rufen findet daher in 12,44 seinen Abschluß: Wer an Jesus glaubt, glaubt an den, der ihn gesandt hat, wobei Jesus als Licht den Weg zum Vater zeigt (12,45ff). Vor diesem Hintergrund wird verständlich, weshalb Johannes das mk. exoatjav nicht übernehmen konnte. In 12,13 (vgl. 18,40; 19,6.12.15) wird hingegen erkennbar, warum der Evangelist XQauyo^w verwendet hat. Dort ist von jenen lauten Begrüßungsrufen der Menge bei Jesu Einzug in Jerusalem die Rede 389 , die den einziehenden König Israels (1,49; 12,13) bejubelt: dem sxQöijyatpv folgt ein herzliches cboawci:! Völlig umgedreht ist das laute Rufen jedoch im PB: D e m ejcgauyaoav folgt eine vernichtende Ablehnung (18,40 |if] toütov), ein verurteilendes „kreuzige!" (19,6.15 ötcojqcdoov axaüotoaov) sowie das existenzgefahrdende und erpresserische ,Kaiserwort' (19,12). Der auffallige Kontrast zwischen 12,13 und diesen Stellen wird noch durch das in Lk 23,21 begegnende Stilmittel der Verstärkung durch Verdopplung hervorgehoben 390 . Betrachtet man den mk. Zusammenhang, dann fallt bereits dort auf, daß sich das jxaXiv im Zusammenhang sperrt 391 , es läßt sich nur indirekt durch dveoeioav erklären, da dort sicherlich an lautstarke Äußerungen gedacht sind. Jedoch wird nicht direkt von einem xoauyä^w des Volkes gesprochen. Lukas (23,18) hat dieses Problem offensichtlich gesehen, denn er läßt das störende TiaXiv weg. Johannes übernimmt es, u m deutlich die Kontinuität zu Mk zu markieren 392 . Jedoch reproduziert er nicht einfach die nicht spannungsfreie mk. Situation, sondern fugt ein ouv ein. Zusammen mit dem TtaX.iv werden beide Partikel zu demselben Indikator stilistischer Überarbeitung traditionell vorgegebenen Materials, wie das nicht nur in
388 Dieser Vers ist (mit V 38) nicht nur wegen seiner Punktation (hinter juvetw oder ehe?), sondern auch wegen des Problems höchst umstritten, welches das dort gemeinte Zitat sein könnte. Z u m möglichen Zitatnachweis vgl. J e s 12,3; 43,19fj 49,10; 55,1; Ez 47,1-12 (bes. 8-10.12); Joel 4,18; Spr 18,4; Hhl 4,15; Sir 24,30f; ferner: Gen 26,19; Jer 2,13 (LXX); Sach 14,8. FREED, Q u o t a t i o n s 21-38, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium II 211-217, REIM, Studien bes. 6 2 - 8 8 u. ö., THYEN, Erzählung 2042 Anm. 45, und DERS., Synoptiker 102f (mit Anm. 54) denken angesichts von J o h 2,21; 4,10; 19,34 an Ez 47. MOLONEY, Gospel 252f, vermutet Ez 4 7 , 1 $ 11,19; 36,26f, 39,29; Jes 44,3; J o e l 2,26; 3,1. 389 Die Lesart 'txga^ov von A, 0 , V, f '\ 33, O r muß als Anpassung an M k 11,9 verstanden werden, zumal wenn die folgende kompositorische Absicht beachtet wird. 390 Z u m Stilmittel der Verdopplung, das den Ausdruck verstärkt vgl. unten Anm. 506. 391 Vgl. GNILKA, Markus II 302: Es meine die Verhärtung des Volkes. 392 Auch textkritisch spiegelt sich das bzgl. Lk 23,18 benannte Problem zu TtöXiv wider, wenn u. a. V66""1, K, N , V, / U 3 , 33, 565, 700, l 844 u. a. hövtec; lesen, während A, 0 , 0250, Dt, f, vg u. a., mit näXiv Jidviec; einen K o m p r o m i ß bieten.
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
Joh 18,39b begegnet ist393. Es folgt das eher formelhafte Xeyovzsg, das als Uberleitung zu einem mehr an Lk 23,18f orientierten Stück dient: NQ I TOÜTOV aXkä TÖV Bagaßßäv. Die Versteile Joh 18,40b.c sind ganz stark geprägt von dem Gegensatz zwischen Barabbas und Jesus 394 . Bereits Lukas stilisiert ihn deutlich (23,18f) durch das aus vier Worten bestehende Grundgerüst: alge TOÖTOV - 6 E Bagaßßäv. Lukas muß dieses Gerüst zunächst durch diroA-uu ergänzen. Das ist deshalb nötig, weil er dieses Verb zuvor im Zusammenhang der Verhandlung Jesu vor Pilatus, nicht aber im Amnestieverfahren verwendet hat 395 . Die zweite Ergänzung, das r)|iiv, dürfte stilistische Gründe haben, die im ajt0>.ijw liegen. In J o h 18,40 ist dieses lk. Grundgerüst (Lk 23,18) fast wörtlich aufgenommen: 18 40
aige
TOÖTOV
6e
TÖV
[IR|
TOÖTOV
D?'.XÄ
TÖV
Bagaßßäv Bagaßßäv. Die Änderungen sind leicht erklärbar, da sie ausnahmslos den Stil betreffen. Die im lk. aioe implizierte Ablehnung wird durch das joh. ^fj deutlicher und schärfer zum Ausdruck gebracht. Das lk. öe wird in ä?J.ä umgewandelt und schließlich kann Johannes das lk. dnoXuw auslassen, da er dieses Wort unmittelbar zuvor im Zusammenhang mit dem Amnestieangebot (18,39) gebraucht hat. Aufgrund dieser Beobachtungen wirkt bereits J o h 18,40b gestraffter als Lk 23,18, eine Tendenz, die sich in Joh 18,40c verstärkt fortsetzt. Mk 15,7 und Lk 23,19 stimmen darin überein, daß Barabbas mit atäoig, cpovog und 6eco/cpuA.axr| umschrieben werden kann 396 . Vor allem nach J o s Bell 1,5,4 §117f; 11,13,3 §254; V,1,1-5 §1-38; V,3,l §98-105; VII,8,1 §254-274; Ant XVII,10,4-8 §269-285 sind so bezeichnete Menschen Anhänger jener chassidisch-militanten Guerillatruppe, deren Ziel die Befreiung von der röm. Fremdherrschaft sowie die Selbstproklamation eines Einzelnen als König war397. Diesen Hintergrund scheint nun Joh 18,40
393 Zu jrcöav oijv bzw. ouv jidXiv vgl. oben Anm. 68. Daher ist es auch nicht notwendig, Ttä/av als ein Anzeichen für eine Q u e l l e des J o h E v zu deuten; gegen BULTMANN, J o hannes 502, BORGEN, Narrative 255. DLEBOLD-SCHEUERMANN, Jesus 44, will nä>av als Rückbezug auf 18,30.31 verstehen. 394 Vgl. DlEBOLD-SCHEUERMANN, Jesus 44. 395 Lk 23,17 ist wohl textkritisch sekundär über die Parallelüberlieferung eingedrungen, denn die qualitativ besseren Zeugen bieten V 17 nicht: p 7 5 , A, B, K, L, T, 070, 892'", 1241 u. a.; vgl. ERNST, L u k a s 4 7 8 , GRUNDMANN, L u k a s 427.
396 Gegen MYLLYKOSKI, Material 134: Lk und J o h „used quite different redactional techniques that lead them to this similarity". 397 Erstmals werden die Zeloten in J o s Bell 11,22,1 §651 eingeführt, u m zusammen mit IV,2,9 §160f näher definiert zu werden, indem ihre Herkunft am Eifer des Pinhas aus N u m 25,7ff (vgl. I M a k k 2,54; 2Makk 4,2; 4Makk 18,12) festgemacht wird. Vermutlich wird m a n ,Zelot' als Eigenbezeichnung zu verstehen haben, was sich anhand von J o s Bell IV,2,9 §161 nahelegt (Textkritik!). Vgl. dazu RENGSTORF, 2 6 2 - 2 6 4 , HENGEL, Zelo-
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zu reflektieren, indem der Evangelist als eine Art Zusammenfassung von Mk 15,7; Lk 23,18 den Ausdruck >.r)öTr|5 verwendet 398 . Die Bündelung jener historischen Begebenheiten in diesem einen Wort eröffnet ihm aber sogleich noch eine theologische Klammer zu J o h 10,1.8399: Dort ist der Dieb und Räuber (y}£nrf\c, x a i A.flcmic;) der, der dem guten Hirten entgegensteht und auf den die Schafe nicht hören. Das liegt darin begründet, daß deren Dienst durch das Stehlen, Schlachten und Zugrunderichten (iva xAeijrt] xai 0UOT] xai artoXeor]) in deutlichem Konstrast zum Hirtendienst des guten Hirten steht, der so handelt, damit die Schafe Leben und Überfluß haben (10,10 i v a £(OR|v E^OJOIV x a i JIEQIOÖOV E'XÜXKV). Hier spiegelt sich einerseits das historische Wissen wider, daß diese chassidisch-militante Guerillabewegung entscheidend am Ausbruch des Ersten Jüdischen Krieges und dessen Folgen beteiligt war. Man kann darin eine Kritik an der Aufstandsbewegung seitens des Evangelisten vermuten, der hier auf den Ersten Jüdischen Krieg bereits zurückblickt, so daß Joh 11,48-50 für die Bestimmung des terminus a quo verwendet werden kann, wann das JohEv verfaßt worden wäre400. Diese Kritik teilt der Evangelist mit Josephus401. Josephus beschreibt in Ant XX,6,1 §123 die Situation, daß Juden, aus Rache an Samaritanern Dinaeus, Sohn des Eleazars, engagieren, der mit Gehilfen einige Dörfer zerstört. Der Prokurator Cumanus zerschlägt diese Bande. Angesichts dessen befurchten Vornehme und Angesehene in Jerusalem nun, als sie vor der aufrührerischen Menge stehen, daß Jerusalem zerstört wird und Sklaverei droht, und sie beschwören sie, von ihren Plänen abzulassen. Josephus kommentiert, daß die Menge von ihren Plänen abläßt und sich die Räuber (/.r|otai) wieder in ihre Schlupflöcher (i%vQovc, TÖJIOUC;) zurückziehen. Er deutet da-
ten 25-35.42-47.61-78, DODD, Tradition lOOf. Den Zusammenhang zwischen der zelotischen Bewegung und Barabbas vermuten BUNZLER, Prozeß 308f, HENGEL, Zeloten 347, DAUER, Passionsgeschichte 125, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 290 (für die Quelle, denn Johannes habe kein Interesse daran). - Zu weiteren Einzelheiten vgl. das unten auf Seite 318-321 Gesagte (Das Motiv des Königtums). 398 Vgl. SCHLATTER, Johannes 342, BULTMANN, Johannes 509 Anm. 4, RENGSTORF, >.R|ATR|5 267, BARRETT, Johannes 519, HENGEL, Zeloten 347, DAUER, Passionsgeschichte 125. BROWN, J o h n II 857, läßt es offen. - Besonders angesichts der axäoic; des Barabbas scheint der Begriff „Räuber" wenig tauglich zu sein, um den chassidisch-militanten Aspekt (vgl. beispielsweise unten Anm. 405) u. a. für J o h 18,40 zu verwenden (vgl. BÖRSE, Mehrheitstext 190, DLEBOLD-SCHEUERMANN, Jesus 150). BUNZLER, Prozeß 309 Anm. 26, gibt \i\axi% mit „Aufrührer, Widerstandskämpfer" wieder. 399 Vgl. auch SENIOR, Passion 84, und HEIL, Blood 59f. 400 Z u m mutmaßlichen Entstehungsort vgl. unten Anm. 909. Mit weiteren Argumenten ist die Entstehung zwischen 100 und 110 n. Chr. die plausibelste Möglichkeit; vgl. JOHNSTON, H o m o 136, STEGEMANN, Tempelreinigung 515, KYSAR, J o h n 919, SCHNELLE, Einleitung 541 (mit Anm. 120 [Belege]), REIN, Heilung 359 (am Ende des zwischen 70-100); vgl. SCHMITHALS, Theologiegeschichte 232f. 401 S. unten Anm. 405.
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
mit aus der Zeit nach 70 n. Chr. die Geschehnisse in der Zeit 48 n. Chr. u n d benennt die maßgeblich a m Untergang Jerusalems Beteiligten ( ^ o t a i ) u n d die möglichen Konsequenzen für die Bevölkerung (vgl. J o h 11,50) 402 . Textinterne u n d textexterne Ebene sind auch hier eng verbunden: Dieser K ö n i g der J u d e n kann durchaus als ein /.ricmis das Einschreiten der Römer provozieren. J o h a n nes kommentiert nun diese Befürchtung, daß die Leute an ihn .glauben', ihm nachlaufen könnten derart, daß J e s u K ö n i g t u m ganz anderen Bedingungen unterworfen ist. 403 Dieser K o m m e n t a r ist s c h o n deshalb nötig, weil J o h a n n e s die Ereignisse kennt, die z u m Erstem J ü d i s c h e n Krieg führten - der Bar-KochbaAufstand läßt darüber hinaus nicht mehr lange a u f sich warten. 4 0 4
Dieser objektivischen Differenz muß noch andererseits die subjektivische hinzugeordnet werden: Diese Anhänger kümmern sich nicht um die Schafe (10,13 ov ^eXei mnü jtEQi twv jtQoßdtwv), während der gute Hirte sein Leben für die Schafe dahingibt (10,11.15 -riiv I|>UXNV aü-roö tiBrioiv ÜJTEQ TWV JtQOßdtiüv) 405 .
Joh 18,40 entstammt Mk 15,13 sowie Lk 23,18 und ist redaktionell vom Evangelisten überarbeitet worden406.
402 BERGER, Theologiegeschichte 708-712, hat versucht, eine Frühdatierung vor allem durch traditionsgeschichtliche Argumente vorzunehmen. Diese Frühdatierung ist mit der frühen Einfügung des sog. Ketzersegens (CPPHil ¡1313) in das Achtzehngebet durch Schmuel den Kleinen auf der .Synode von Jahne' verbunden. Dagegen ist zu sagen, daß die alten Traditionen, die sich zweifellos im JohEv finden lassen, nicht eo ipso auf ein altes JohEv verweisen. Vielmehr ist auf das theologische und literarische Profil zu achten (deshalb auch gegen WALLACE, Date 179-205, der in seinem Versuch der Frühdatierung vor der Zerstörung Jerusalems über J o h 5,2 dieses literarische Problem ignoriert). Zudem ist in diesem Zusammenhang BERGERS (Weisheitsschrift bes. 76-79) Datierung der Kairoer Geniza als religionsgeschichtlich relevante Schrift keineswegs sicher; vgl. RÜGER, Weisheitsschrift 9-17, STEMBERGER, Rez. Rüger 254. 403 Vgl. dazu das unten Seite 318-321 (Das Motiv des Königtums) Gesagte. 404 BERGER, Anfang 84-90, hat zuletzt gemeint, die oben in Anm. 402 genannte Frühdatierung des JohEv u. a. mit seinem dritten Punkt (dort Seite 88-90: Joh ll,48ff) untermauern zu können. Jedoch: Sowohl Josephus als auch Johannes kommentieren ein politisch höchst brisantes Phänomen aus dem Blickwinkel derer, die wissen, welche Konsequenzen eingetreten sind. Zur positiven historischen Einschätzung dieser Stelle vgl. EGGER, Pontio 148-159. 405 Anders berichtet Jos Ant XVII,10,8 §285: Die Aufständischen setzen nicht nur das eigene Leben aufs Spiel, sondern wüten auch gegen die eigenen Landsleute mit Mord und Totschlag (TOÜ 8E ONCXPÜAOU (povov EJII |Arjxum>v EHJTOIOÜVTE?); ähnlich Ant XVIII,1,6 §23, wo sich das Handeln auf Verwandte und Freunde (ouyytvöv xai cpD.oiv) bezieht. Zur Kritik des Josephus an diesen Aufständischen vgl. Bell IV,2,9 §161; VII,8,1 §267-270 (exelvoi ol niaeutatoi). - Vgl. GlBLIN, Narration 228 Anm. 22, jedoch ohne weitere Begründung. 406 Tradition aus der Vorlage vermuten folgende Forscher: HEITMÜLLER, Johannes= Evangelium 170 (Lk 23,18f), BAUER, Johannesevangelium 217, FlNEGAN, Überlieferung 46, BULTMANN, Johannes 503, DODD, Tradition lOOf, STRATHMANN, Johannes 245 Anm. 1, BARRETT, Johannes 511, BORGEN, Narrative 255, FORTNA, Gospel 124, HAHN, Prozeß 37
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J o h 18,28-19,16a
2. Interpretation: Der König steht dem vermeintlichen König gegenüber. Der zelotische Guerillakämpfer vermag sein Leben nicht für die ihm Anvertrauten zu geben. Vielmehr setzt er es leichtfertig aufs Spiel, denn er stürzt in die Abhängigkeit von Rom (11,48), in menschliches Unglück und Tod (10,10a). Jesus als der gute Hirte ist der wahre Freiheitsbringer (8,32.36). Er gibt sein Leben für die ihm Anvertrauten hin (10,11.15; vgl. 15,13) und bringt Freiheit, Überfluß und Leben (10,10b) 407 . Jesus - unschuldig, sündlos, der gute Hirte - setzt sein Leben für die Schafe ein und geht in den Tod, damit Barabbas - schuldig, frevelhaft, Räuber, der sich nicht um andere sorgt und sein Leben verwirkt hat - jetzt das Leben hat und frei ausgeht. 2.1.3.6. Joh
19,1-3:
Der König
wird gegeißelt
und
verhöhnt
1. Kontext und Aufbau: Hatte der Evangelist in J o h 18,40b die traditionelle Amnestieszene redaktionell beendet, so berichtet er nicht nur wie das MkEv von Jesu Geißelung, sondern generell von der weit verbreiteten Ordnung, regelmäßig vor einer öffentlichen Hinrichtung eine sog. verberatio stattfinden zu lassen 408 . Johannes stellt in J o h 19,1-3 den mk. Aufbau um, denn vor dem Urteilsspruch erfolgt die Geißelung und Verspottung 409 . D i e Fortsetzung des Verhörs vor Pilatus mit der in J o h 19,1 eingeleiteten Geißelungsszene410 müßte nach der mk. Geschehensabfolge wie folgt lauten: J o h 19,16a - 19,1-3 - 19,17fP". Bisweilen hat man daher gemeint, die Szene sei
Anm. 27, DAUER, Passionsgeschichte 123, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 290 (mit redaktioneller Überarbeitung); SABBE, Trial 481, SCHMITHALS, Johannesevangelium 408 (redaktionell eingearbeitet); gegen WELLHAUSEN, Johannis 85, SCHWARTZ, Aporien I 356, SPITTA, Johannes 373, und HIRSCH, Studien 121, die postevangelistische Redaktion vermuten; vgl. BAUM-BODENBENDER, Hoheit 142-144 (sind spätere Erweiterung einer traditionell vorgegebenen Erzählung). - Redaktion für J o h 18,40b vermutet GlBLIN, Narration 228. 407 Aus dem Blickwinkel des Motivs des Erkennens formuliert ZIMMERMANN, Offenbarung 276, sachgemäß: „Aus Joh 10,14.15 geht hervor, wie die Verheißung Erfüllung wird. Es heißt nicht mehr: .Dann werden sie erkennen, daß ich Jahwe, ihr Gott, mit ihnen bin, und daß sie das Haus Israel, mein Volk sind' (Ez 34,30), sondern: ,Ich erkenne die Meinen, und die Meinen kennen mich' (Joh 10,14)." 408 Vgl. FUHRMANN, verbera 1591f, der umfangreiches Material vorstellt. 409 Mk 15,15a erwähnt die Absicht des Pilatus, dem Volk Genugtuung leisten zu wollen und Barabbas freizulassen. Dies ist bereits in J o h 18,40b enthalten bzw. aus der dort aufgezeigten kompositorischen Gestaltung der Amnestieszene verständlich, wenn J o h 19,1 nicht mehr eigens darauf eingeht. 410 Zu den verschiedensten Formen vgl. FUHRMANN, verbera 1590, BEASLEY-MURRAY, John 335, und als Bestandteil der coercitio vgl. NEUMANN, Coercitio 201. 411 SCHNEIDER, Johannes 304, scheint diese problematische Reihenfolge zu übersehen, wenn er meint: Pilatus „läßt Jesu geißeln. Die Geißelung erfolgte, wie auch Mark.
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
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deshalb historisch unwahrscheinlich412. Eine dem Urteilsspruch und dem Kreuzigungsakt vorausgehende Geißelung ist jedoch bei Jos Bell 11,14,9 §306.308; V.11,1 §449; VII,6,4 §200-202; Philo Flacc 72 (vgl. Cic Verr 11,5,160-163; Liv X,9,4f) belegt. Diese mögliche selbständige Strafe diente nach Bell V,ll,l §450; VI,5,3 §304; VII,6,4 §200 wohl der Abschreckung nicht nur derer, die den Geschändeten sahen, sondern auch des Delinquenten selbst angesichts seines Fehlverhaltens. In letzterem Fall dürfte wohl Einsicht und vielleicht sogar Reue beabsichtigt gewesen sein, da er im Wiederholungsfall mit dem Tod rechnen mußte. Der Evangelist greift auf diese Zusammenhänge zurück (vgl. dazu Joh 19,5) und erweckt dadurch den Eindruck historischer Stimmigkeit. Seine theologische Intention ist darüber hinaus eine dreifache: 1) Er will nicht nur einer doketistischen Christologie wehren413, sondern auch die Spannung steigern, denn es genügt ihm offensichtlich nicht, den vollmächtigen Zeugen der Wahrheit blutig geißeln zu lassen und ihn in seinen lebensbedrohlichen Verletzungen als jammervoll und hilfsbedürftig darzustellen, er stellt 2) jenen geschundenen König in seiner Zerschlagenheit durch Pilatus auch noch dem Volk vor (19,5). 3) Schließlich dient dem Evangelisten die Geißelungsszene im Zusammenhang der Unschuldserklärungen durch Pilatus (18,38c; 19,4.6) als Abschreckung, um Jesu Unschuld herauszustellen und dadurch dessen Freilassung zu erreichen414. 2. Analyse: Mit der redaktionellen Einleitung TOTE OUV (11,13; 19,1.16; 20,8; vgl. 11,6) leitet er die Uberstellung Jesu zur Geißelung ein. Johannes nimmt aus dem ältesten, Matthäus und Lukas vorliegenden Evangelium, Markus, die sachlich und sprachlich naheliegende Parallele auf: 15b JTAQEÖCOJCEV TÖV 'Ir|ooCv qjQayeWuaag 1 e7.aßev töv 'Ir|aoöv ¿naatiyuöEV. Der Wechsel von rtaga&i6oj|it zu >.a|ißdv5 eytvvriOr), eipayev rc jcai E8i6x9l •••> äX.r|0£>s ¿axauQÜÖr]
Y.AI
äitEÖavev ..., ä/.r]0üi; r|yEe9ri coro
raitv,
ä^eöc;
VEJCQÜV;
Ma-
gn 11 jtQaxÖEvra a/.iiOög xai pEßaiws)426. D e r Glaube und das Bekenntnis richten sich nun a u f jenen Gekreuzigten, er ist vergleichsweise ans Kreuz genagelt wie Jesus Christus (vgl. Sm l,lf). Die Zielsetzung alles dessen liegt im
EITOOEV
8I'
rinäg iva awOöuEv (Sm 2), denn nur so ist uns das wahre Leben (Trall 9,2 rö dt^n9ivöv 5n v ) gewiß, ist Jesus zu Recht unsere Hoffnung (Magn 11 E^jti&o? rinöv)427. Dieses bisher skizzierte P h ä n o m e n des Doketismus, das den menschlichen Leib Jesu Christi als einen bloß scheinbaren, nicht wirklichen versteht und Leiden und Kreuzigung ausblendet
(&6PCTIOIS),
gilt es, durch die Interpretation v o n drei
Hauptstellen 4 2 8 des irenäischen Textreferates sowie drei weiteren Details näher zu bestimmen:
426 BECKER, Johannes II 748f, will anhand der Ign.stellen zwei Variationen innerhalb des Doketismus erkennen: Jene Gruppe, die von einem Scheinleib Jesu ausgeht, der ihm als eine Verkleidung dient, durch die Jesus die Menschheit und den Kosmos täuscht, und jene, die von einer zeitweiligen Einwohnung des Geistes von der Taufe bis kurz vor die Passion ausgehen. BECKER meint, nur in der zweiten Variante könne die Gesamtwirklichkeit problematisiert sein, und sie sei auch die in Trall 9 , l f gemeinte Gruppe. Diese Unterscheidung leuchtet jedoch nicht ein, denn die Gesamtwirklichkeit Jesu Christi ist in beiden Variationen betroffen, beide leugnen die menschliche Seite Jesu mit den damit verbundenen Konsequenzen. 427 BECKER, Johannes II 746-752, ermittelt anhand der Ign.stellen die Gegner von l j o h . Sie stünden Kerinth „nicht ganz fern" (DERS., Johannes II 751), denn sie „behaupteten die Einwohnung des himmlischen Christus als Geist im irdischen Jesus für die Zeit von der Taufe (...) bis kurz vor die Passion (...)" (ebd.). Jedoch seien für das J o h E v solche Hintergründe nicht zu sehen, denn es stelle sich eher das Problem, „wie der Gesandte in sich den bösen Kosmos beherrschen konnte" (DERS., Johannes II 750). Es sei im übrigen nicht unverständlich, wie ,,E(vangelist) im Rahmen seiner Gesandtenchristologie diese Inkarnationsaussage so unentfaltet stehengelassen" (DERS., Johannes II 751) habe. Der gewichtigste Einwand gegen BECKER ist die Verteilung des JohEv auf die Schichten des Evangelisten und .Kirchliche Redaktion'. Weil er dem Evangelisten keine Kreuzestheologie (beispielsweise DERS., Johannes II 750 u. ö.) zubilligt, muß er die Inkarnationsaussage der Gesandtenchristologie unvermittelt gegenüberstellen. Angesichts der bereits kritisierten Voraussetzungen kann dieser Lösungsvorschlag nicht überzeugen. BERGER, Theologiegeschichte 746f, beschränkt in nicht sachgemäßer Weise die Erörterung des Antidoketismusproblems auf wenige Zeilen zu J o h 19,34; 20,5-7.20.27; 1,14; 6,54. Zunächst ist zu fragen, warum gerade das J o h E v auf eben diesen Erweis Wert legt, der Gekreuzigte (!) sei der A u f erstandene (20,25.27), wenn dahinter nicht eine Bestreitung jener Lehre steht. Sodann muß auf den nicht unwesentlicher Einzelzug aus J o h 19,17a (ßaatä^wv ¿autü [!]) verwiesen werden, der sich am ehesten als bewußter Reflex auf das vorgeführte Lehrsystem verstehen läßt (vgl. dazu das unten auf Seite 2 0 9 - 2 1 3 Gesagte [Joh 19,16b-18: Der Weg nach Golgatha]). 428 Vgl. darüber hinaus Iren Haer 111,11,3: Häretiker bestreiten, daß der Christus in diese Welt gekommen sei (Christum nec advenisse in hunc mundum), Fleisch geworden sei und gelitten habe (vero non incarnatum neque passum); es gebe bei ihnen keinen Lehrsatz (sententiam), nach dem das Wort Fleisch geworden ist, sondern jene stellten den
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
1) Irenaus berichtet in Haer 1,24,2 v o n Satornil (1,24,1), er lehre einen ungeborenen, körperlosen und gestaltlosen ( 2 4 , 2 innatum demonstravit et incorporalem et sine figura) Soter, der nur z u m Schein als M e n s c h erschienen sei (putative autem visum h o m i n e m ) . 2 ) Iren Haer 1,24,3.4 (vgl. Haer 11,16,2) schreibt Irenäus in unmittelbarem Zusammenhang (vgl. 1,24,1) von Basilides 429 , jener lehre, der erstgeborene N o u s (Christus) sei a u f Erden erschienen, u m Machttaten zu tun, jedoch sei nicht er gekreuzigt worden (1,24,4 quapropter neque passum eum), sondern Simon von Cyrene. Christus habe Simon zuvor so verändert, daß er mit Jesus verwechselt worden sei (putaretur ipse esse Iesus). Simon sei deshalb aus Unkenntnis und Täuschung gekreuzigt worden (ignorantiam et errorem crucifixum), während Jesus die Gestalt Simons a n g e n o m m e n und dabeistehend gelacht habe (Iesum Simonis accepisse f o r m a m et stantem irrisisse). Folgerichtig sei es daher nicht möglich, an ihn als den Gekreuzigten zu glauben ( n o n oportere confiteri e u m qui sit crucifixus), sondern an den, der in der Gestalt eines Menschen kam, scheinbar gelitten habe, Jesus heiße und v o m Vater gesandt worden sei (eum qui in hominis forma venerit et putatus sit crucifixus et vocatus sit Jesus et missus a patre). Glaube richtet sich deshalb nach der hier v o n Irenäus vorgetragenen Position a u f einen .Scheintoten', leidensunfahigen Jesus 4 3 0 . 3) Irenäus berichtet in Haer 1,23,3 die Lehre von Simon (1,23,2), der die Ennoia - die Mutter aller, durch die Simon a m Anfang im Geist beschlossen hatte, Engel und Erzengel zu schaffen - aus ihrer Schmach, in einem Bordell le-
Christos der oberen Welt ohne Fleisch und leidensunfahig dar (sine carne et impassibilis); 111,16,3 (Dublette zu 111,11,3 ?!); 111,18,6.7: Auch gegen diejenigen, die behaupten, daß der Christus nur scheinbar gelitten habe (qui dicunt eum putative passum), fuhrt Irenäus das soteriologische Moment ein, denn „wenn er nicht wirklich gelitten hat, dann verdankt man ihm auch nichts, weil es kein Leiden gegeben hat" (Übers. BROX, Irenäus III 231, zum lat. Text: si enim non vere passus est, nulla gratia ei, cum nulla fuerit passio); 111,22,1: Auch hier stellt Irenäus eine Position vor, die behauptet, daß Christus nur scheinbar Mensch geworden sei, ohne etwas vom Menschen genommen zu haben, und schlußfolgert, daß Christus dann auch „nichts Großartiges (tat), wenn er litt und durchlitt (non magnum faciebat quod passus est et sustinuit)" (Ubers. BROX, Irenäus III 275); IV,33,5: Die Gegner führten die Rede vom Schein (putativum inducunt), jedoch stelle sich das Problem, wie sie selbst am Heil in Wirklichkeit teilhaben könnten (vere ipsi salutem participare possunt), wenn der Heilsbringer sich nur zum Schein gezeigt habe (si ille in quem credere se dicunt semetipsum putativum ostendebat). 429 Vgl. dazu die Darstellung bei LOHR, Basilides 2 5 6 - 2 7 3 . 430 Da es in diesem Abschnitt um das Phänomen des Doketismus geht, wie es bei Irenäus präsentiert ist und nicht um den .historischen Basilides', ist die umstrittene Frage, ob Irenäus Basilides sachgemäß referiert hat, für diesen Abschnitt bedeutungslos. HAUSCHILD berücksichtigt besonders Hipp refut VII,20-27 und gelangt nach eingehender Analyse zum Schluß: „Basilides selber hat jedoch nicht doketistisch gelehrt" (DERS., Christologie 82 u. ö.; vgl. DERS., Christologie 67f Anm. 2 Lit., zur Quellenfrage); GRILLMEIER, Jesus 189: „Ganz besonders ist Basilides von (sie.) Doketismus freizusprechen." Ein ähnliches Ergebnis formuliert BAUER, Leben 32f.35 mit Anm. 1; vgl. LÖHR, Basilides 2 7 1 - 2 7 3 (Verzicht auf das irenäische Referat, um die Lehre des Basilides zu rekonstruieren).
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ben zu müssen, befreien wolle (1,23,3). Darüber hinaus wolle er aber den Menschen Heil bringen (hominibus autem salutem praestaret), die sich einer mangelhaften Herrschaft seitens der Engel gegenübersähen. Er sei verwandelt und gleichgemacht den Kräften der Mächte und der Engel (transfiguratum et adsimilatum virtutibus et potestatibus et angelis), so daß er unter den Menschen als Mensch erschienen sei, obwohl er kein Mensch sei und in Judäa zum Schein gelitten habe (in hominis homo appareret ipse, cum non esset homo, et passum autem in Iudaea putatum, cum non esset passus). Im Rückblick auf das bisher vorgestellte Material aus Irenäus' Positionsreferat ergibt sich, daß der selbstproklamierte Heilsbringer seine Mission am Leiden und Kreuz vorbei ausfuhrt. Auch hier richtet sich der Glaube auf jenen .Scheintoten', der den Glaubenden aus Gnade rettet und am Ende der Zeit Befreiung aus der Herrschaft der Mächte und Engel verspricht. Ebenso wird ethisches Handeln gänzlich ohne jenen Heilsbringer motiviert, denn als Freie können sie tun, was ihnen beliebt (Libertinismus) 431 . Nun sollen noch drei weitere „doketistisch aussehende Details" 432 vorgestellt werden, die von mir aufgrund ihrer passionstheologischen Ausrichtung ausgewählt wurden: 1) In Iren Haer 1,26,1 wird der in Asien aufgetretene Kerinth vorgestellt. Nach der Meinung des Irenäus sei Jesus ganz normal von Maria und Joseph gezeugt worden und unterscheide sich in nichts vom Zeugungsakt anderer Menschen. Der Christus sei bei der Taufe in Gestalt einer Taube auf ihn herniedergekommen und habe dann den unbekannten Vater verkündet und Machttaten vollbracht. Der Christus habe aber vor dem Leidensbeginn Jesus wieder verlassen, während Jesus gelitten habe und auferweckt worden sei (Iesum passum esse et resurrexisse). Der Christus aber sei leidensunfähig, weil er pneumatisch sei (Christum autem impassibilem perseverasse, existentem spiritalem). Das entscheidende doketistische Detail besteht zweifelsfrei in der Leidensunfahigkeit des Christus 433 . Der Kristallisationspunkt der 66*11015 Jesu wird nicht näher beschrieben, jedoch wird man den allerspätesten Zeitpunkt in der Pilatusszene (s. unten) erblicken müssen. 2) Iren Haer 1,30,13 beschreibt Ophiten und Setianer, die annehmen, daß Christus mit der Sophia und Jesus den unbekannten Vater verkündige und so den Zorn der Archonten und des Vaters Jesu auf sich ziehe, der im Tötungsbe-
431 D i e Christologie des Markion braucht aufgrund der Themenstellung dieses Exkurses hier nicht entfaltet zu werden, da das in Haer 1,27,2 Erwähnte 0 e s u s trat zur Zeit des Präfekten Pilatus a u f und zeigte sich den Einwohnern J u d ä a s in menschlicher Gestalt [in hominis f o r m a manifestum]) für eine Rekonstruktion einer doketistischen Christologie zu wenig Material enthält. Dasselbe gilt auch für Kerdon, der in Haer 1,27,1 zwar stark in die Nähe v o n Markion gerückt wird, dort aber nur eine summarisch behandelt wird; vgl. GRILLMEIER, J e s u s 188.213f, BROX, D o k e t i s m u s 306, SCHNELLE, Christologie 78f, WILLIAMS, Jesus 727f. 432 BROX, D o k e t i s m u s 311. 433 Es m u ß jedoch einschränkend vermerkt sein, daß Adoptianer traditionell nicht Doketisten gewesen sind, da sie hauptsächlich a m historischen J e s u s interessiert waren.
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
Schluß gipfele. Als Christus zum Zweck der Tötung abgeführt worden sei (in eo cum adduceretur), habe Christus und die Sophia Jesus zurückgelassen; Jesus sei gekreuzigt und mittels einer verliehenen bestimmten Kraft auferweckt worden 434 . Deutlicher als zuvor wird hier der Kristallisationspunkt der Sovens Jesu erwähnt. Die genannte Formulierung (adduceretur) erinnert an die Vulgatafassung von Mt 27,2 (adduxerunt), wo die Verhandlung vor Pilatus eröffnet wird 435 . Ein kurzer Seitenblick auf Haer 1,1-9, der das ptolemäische Lehrsystem vorstellt, führt in 1,7,2 zu einer ähnlichen Situation: Als der psychische Christus Pilatus vorgeführt worden sei, habe sich das auf dem Christus ruhende Pneuma hinaufgehoben (8iä xouxo ?ig0ai ITQOOAYONEVOU aüxoO TOJ rii>.ÄXM xö sie; caitöv, jcatatEGEv riveöna Xeioxou)436. Der auffällige Zeitpunkt läßt sich wohl am ehesten mit der joh. Komposition des Pilatusverhörs erklären, das, wie oben gezeigt, sehr eng mit der Geißelungsszene verknüpft ist. Diese doketistische Christologie m u ß davor die Trennung zwischen irdischem Jesus und himmlischem Christus vornehmen, um den Scheinleib Jesu behaupten zu können, will sie nicht das kunstvolle Gefüge von J o h 18,28-19,16a auflösen. 3) In Haer 11,20-28 richtet sich Irenäus gegen die valentinianischen Zahlenspekulationen, die ihre doketistische Christologie in dem Satz bündeln, daß Jesus nach etwas anderem ausgesehen habe, als er in Wirklichkeit gewesen sei (11,22,4 aliud videbatur et aliud erat), so daß jene Lehrer Jesus Christus als ein Scheinwesen verstehen (qui putativum introdueunt). So werden beispielsweise angesichts von 12 Jüngern auch 12 Äonen vermutet (11,20,4), oder aber 30 Äonen, da Jesus mit 30 Jahren getauft worden sei (11,22,1). Jesus habe dann ein Jahr gewirkt (11,22,1; vgl. Lk 4,19) und sei im 12. Monat getötet worden. Die platonische und pythagoreische Philosophie werden zur Erklärung beispielsweise der Passion Jesu verwendet. Dabei wird im platonischen Wirklichkeitsverständnis das ideelle Sein antithetisch jeglichem Werden und damit der Veränderung ent-
434 Markante Unterschiede hinsichtlich der Einbettung im Gesamtkonzept (Haer 1,30,12) bleiben festzuhalten: Als die Sophia, Tochter des .heiligen Pneumas', erfahren habe, daß ihr Bruder, Christus, auf die Erde kommen werde, habe sie die Welt durch die Bußpredigt Johannes d. Täufers vorbereitet und einen Jesus hergerichtet (adaptasse Iesum), damit Christus bei seinem Abstieg ein reines Gefäß (vas mundum) vorfindet. Der irdische Jesus ist demnach fxir den himmlischen Christus mit der Sophia lediglich als präparierter Wirtskörper geeignet. 435 Daher überzeugt G R I L L M E I E R S (Jesus 189) Argumentation nicht, die Ophiten wären keine Doketen gewesen, wenn er dies wie folgt begründet: „Alle diese (es werden daneben noch weitere Positionen genannt; M. L.) nahmen die jungfräuliche Geburt ,aus Maria' an und damit die Wirklichkeit des Fleisches Jesu." Vgl. S C H O E D E L , Ignatius 164. 436 Auch hier muß der für den unmittelbaren Zusammenhang bedeutungsvolle Unterschied genannt werden: Jesus Christus besteht innerhalb dieses Lehrgebäudes aus vier Teilen: aus dem Pneumatischen, das dem Achamoth entstammt (ix xoO jtvEUnaxiPcoO, ö rjv anö xfjc; 'Axa^üG), aus dem Psychischen, das dem Demiurgen entstammt (ix xoü t|)i3%LJioO, ö fjv öjio xoü Ar||iLouQ7of)), aus dem Heilsplan, der mit unaussprechbarer Kunst zubereitet ist (ix xfj? Obcovoniac;, ö rjv xaxtaxEvaa\iivav ÖQgr|Tip XEXVJI) und aus dem Soter, der als Taube auf ihn herabgekommen ist (EJC xfjs X&JTTIQOC;, '6 rjv xaxOSoüoa ELG aüxöv JIEQLÖXEQA).
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gegengesetzt (vgl. Plat Resp 525b.534a; Soph 245d.246c; Phileb 54a; DiogLaert VII, 147; X,123; Aesch SeptTheb 592; Epict Diss IV,6,24; IV,8,23; Phlp In de An 15, p 91, 1 13 [zu Arist 405b 12]). Ganz grundsätzlich muß daher das Inkarnationsgeschehen problematisch sein (vgl. Iren Haer 1,7,2; 1,9,3; V,l,3), da der Logos etwas wird, was er zuvor nicht war (Joh 1,1.14). Die Konsequenzen für den PB liegen auf der Hand, denn die gesteigerte und selbständige Form des Inkarnationsgeschehens, die Bedrohung des Fleischgewordenen mit dem Tod, muß ebenfalls abgelehnt werden. Dieser Grundgedanke wird nun mit pythagoreischer Philosophie erweitert, insofern die Mathematik hinzukommt. Den Erscheinungen der Dinge liegen Zahlen mit ihrer gesetzmäßigen Abfolge zugrunde. Unser Geist arbeitet mit demselben Zahlensystem wie dasjenige, das die Erscheinungen der Dinge ausmacht. Wenn wir die Zahlen kennen und die gesetzmäßigen Abfolgen beherrschen, dann kann Wirklichkeit enträtselt und erklärt werden. Im Zusammenhang des platonischen Wirklichkeitsverständnisses dient die mystische Zahlenspekulation nun aber nicht dem Verstehen diesseitiger Vorgänge, sondern der Erkenntnis der jenseitigen Dinge. Das heißt, der irdische Jesus kann nicht Ziel der Erkenntnis sein, denn er ist nur Abbild, Typus des h i m m l i s c h e n C h r i s t u s (vgl. 1,7,2 jidvta 7010 tauxa tüjiouc; ejcelvwv eivca XEyouai;
11,7,3 haec illorum imagines sunt; vgl. Plat Tim 29b 437 ). Im Rückblick ergeben sich folgende Schwerpunkte: 1. Schon bei Ignatius werden Lehrer beschrieben, die bezweifeln, daß Jesus wahrhaftig gelitten habe und auferweckt worden sei, er sei nur scheinbar Fleisch geworden 438 . Jesu irdische Existenz als to SoxeTv wird ganz generell behauptet, ohne sie ggf. zeitlich näher zu bestimmen. 2. Im Positionsreferat des Irenäus hingegen lassen sich Zeitpunkte erkennen. 2.1. Kann bereits die Inkarnation problematisch werden, dann setzen manche Lehrgebäude mit dem allgemeinen Leidensmotiv ein, um die 86501015 Jesu zu betonen. 2.2. Faßt man diesen Zeitpunkt eng, dann muß, wie dies bei den Ophiten und Setianern, Kerinth und Simon von Samaria zu
437 Z u m griech. Text: tov8e töv jröonov eixova tivog Eivai (diese Welt ist von etwas ein Abbild). Vgl. dazu: GRILLMEIER, Jesus 189: M a n kann „besonderen Akzent auf den Doketismus im Rahmen der valentinianischen Schule legen. Ihr Axiom lautet: Der Erlöser n a h m einzig und allein die Substanz oder die Substanzen an, die er zu retten habe. D a aber nichts Hylisches (= Fleischliches) gerettet werden konnte, nahm Christus keinen Leib oder keine leibliche Substanz an." - Irenäus selbst fuhrt gegen dieses Modell wesentliche Bedenken ins Feld: 1) Wenn jene Lehrer meinen, Jesus sei mit 30 Jahren gekreuzigt worden, so übersehen sie doch eine wesentliche Altersstufe, denn als Lehrer war Jesus auch so alt wie ein Lehrer (Haer 11,22,4). 2) Für das Durchleben aller Altersstufen seien nicht nur das Evangelium und die Presbyter anzuführen, sondern der in Asien lebende Johannes, der Schüler des Herrn, der für die Richtigkeit der Uberlieferung als Augenzeuge bürge (Haer 11,22,5; vgl. 11,2,5; 11,22,3; 111,18,7 u. ö.). 3) Daraus gewinnt Irenäus ein nicht besonders betontes, weiteres Argument gegen den Doketismus: Jesus sei nicht nur in das Alter eines Lehrers gekommen, sondern sei darüber hinaus auch d e m Alter bis hin zur Senilität unterworfen worden (vgl. Haer 11,13,2; 11,22,5; 11,24,4). 4) Jesus Christus durchlitt die Passion stark und streng (Haer 11,20,3 passus est passionem validam). 438 Darüber hinaus vgl. zur Bedeutung der Sakramente flir den Doketismus SCHNELLE, Christologie 76f 79f, SCHOEDEL, Ignatius 375-378.
2 . Redaktionsgeschichtliche Analyse
176
vermuten war, die Pilatusszene m i t ihrer eng verknüpften Geißelungsszene z u m Kristallisationspunkt werden 4 3 9 . 2 . 3 . U n t e r R ü c k g r i f f a u f platonische (und pythagoreische) Philosophie wird n i c h t n u r J e s u Leiden, sondern seine ganze irdische Existenz z u m A b b i l d u n d Typus des h i m m l i s c h e n Christus 4 4 0 . N e b e n l e i c h t e n r e d a k t i o n e l l e n B e a r b e i t u n g e n e n t s t a m m t J o h 19,1
dem
M k E v (15,15)441. A u c h J o h 1 9 , 2 ist d e m M k E v ( 1 5 , 1 6 f ) e n t n o m m e n : 16f
oi 5e oiocradrim
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D i e m t . Parallele zu M k 15,17 hat hier die sprachlich elegantere Formulierung: ji^egavTEs tJTEcpavov eg äxavö&v mit folgendem emiiOrinL ( M t 27,29). Einzig unter dieser Perspektive steht M a t t h ä u s J o h 19,2 näher. Sachlich bietet der mt. Text keine zusätzlichen I n f o r m a t i o n e n ü b e r das hinaus, was M a r k u s schildert u n d was J o h a n n e s hätte anregen k ö n n e n , M t 2 7 , 2 9 aufzunehmen. Allein diese sprachlich elegantere F o r m für eine solche Abhängigkeit anfuhren zu wollen, ist schwierig, „ein S o n d e r b e r i c h t o d e r wesentliche Sondertraditionen sind unwahrscheinlich." 4 4 2 E s fällt z u n ä c h s t auf, d a ß in J o h 19,1 f f n i c h t s v o n e i n e m
Hineingehen
des P i l a t u s b e r i c h t e t wird, was n a c h 1 8 , 3 8 b u n d 1 9 , 4 z u e r w a r t e n g e w e s e n wäre. D a d e r v i e r t e E v a n g e l i s t j e d o c h M k 1 5 , 1 6 f direkt a u f n i m m t , k a n n er z u m Z w e c k e der e r z ä h l e r i s c h e n S t r a f f u n g (vgl. n u r 1 8 , 3 8 b - 4 0 ) a u f das m k .
439 Schwierig sind die Dinge freilich bei Basilides zu bewerten, da er, nach der irenäischen Meinung, das Verwechslungsmotiv mit Simon von Cyrene aufnimmt. Bezieht sich also die Sojcrioig chronologisch auf Mk 15,21 (par.), dann ist zumindest nichts über die vorangegangene Geißelungsszene und ihr Verhältnis zum Scheinleib Jesu gesagt. 440 Einzig von Simon von Samaria wird hinsichtlich dieser Lehre eine ethische Konsequenz berichtet: völliger Liberalismus, denn der Mensch ist frei zu tun, was er will. Wenn der sterbende Jesus also Aufträge erteilt (Joh 19,26f) oder als der Gekreuzigte im Rückblick ein neues Gebot gibt (vgl. J o h 13,34; 15,12), dann ist dies für Simons Lehre faktisch bedeutungslos. 441 Tradition: FLNEGAN, Überlieferung 46, BULTMANN, Johannes 503, BARRETT, Johannes 511, BORGEN, Narrative 251f (Quelle mit Mk/Mt), BROWN, John II 885f, HAHN, Prozeß 37 (bzgl. der Geißelungsstrafe als selbständiger Züchtigung), DAUER, Passionsgeschichte 126, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 292, BECKER, Johannes II 676f, MOHR, Johannespassion 298, SABBE, Trial 481, SCHMITHALS, Johannesevangelium 408. Gegen WELLHAUSEN, Johannis 85, SCHWARTZ, Aporien I 356, und HIRSCH, Studien 121, die postevangelistische Redaktion vermuten. Vgl. BAUM-BODENBENDER, Hoheit 142-144 (spätere Erweiterung einer traditionell vorgegebenen Erzählung). Unsicher DODD, Tradition 101-103. 442 DAUER, Passionsgeschichte 155.
J o h 18,28-19,16a
177
eocü Tfjg aü>.fjg v e r z i c h t e n , d a die öToaTiWTai J e s u s jetzt ins I n n e r e f u h r e n . D i e s setzt er m i t s e i n e m R ü c k g r i f f a u f die o i o c r a w T a i v o r a u s : S e i n e Leser u n d H ö r e r m ü s s e n d e n m k . Z u s a m m e n h a n g s o g u t k e n n e n , d a ß es keiner w e i t e r e n E r k l ä r u n g b e d a r f . Z u g l e i c h m a r k i e r t der E v a n g e l i s t m i t dieser fehl e n d e n N o t i z die G e s a m t s z e n e ( 1 9 , 1 - 3 ) auffallig 4 4 3 u n d e r w a r t e t v o m Les e r / H ö r e r ein b e s o n d e r e s V e r s t ä n d n i s . M k 1 5 , 1 7 wird n u n k r e u z w e i s e in J o h 1 9 , 2 u m g e s t e l l t , ein V e r f a h r e n , das b e r e i t s in 1 8 , 3 8 b - 4 0 b e g e g n e t ist. Z u n ä c h s t b e s c h r e i b t J o h a n n e s
präzise
die V e r h ö h n u n g m i t t e l s d e r D o r n e n k r o n e , w o b e i er a u s stilistischen G r ü n d e n das m k . i t e g i t i B s a a i v ai'nw in ein eneörixav arnoO tri xecpaA.fj ä n d e r t 4 4 4 . E s f o l g t die B e k l e i d u n g J e s u m i t e i n e m p u r p u r f a r b e n e n G e w a n d ,
einem
w e i t e r e n B e s t a n d t e i l des K ö n i g s m o t i v s 4 4 5 . A u c h h i e r wird das m k . jtogcpuQctv o h n e weitere i n h a l t l i c h e A b s i c h t in i ^ c m o v jioocpuQoijv (vgl. L X X N u m 4 , 1 4 ) aufgelöst446. J o h 1 9 , 2 ist d a h e r k o m p l e t t t r a d i t i o n e l l u n d s t a m m t aus M k 1 5 , 1 7 4 4 7 . D i e G e i ß e l u n g s s z e n e b e s c h l i e ß t d e r E v a n g e l i s t in J o h 1 9 , 3 m i t e i n e m z u w e i t e n Teilen t r a d i t i o n e l l e n Vers, d e n er m i t riQX 0 V T O Jtoög ctutöv xax
D.eyov
r e d a k t i o n e l l ( 1 , 2 9 . 4 7 ; 6 , 5 ; 1 0 , 4 1 ; vgl. 3 , 2 6 ; 1 3 , 6 ; 2 0 , 2 ) einleitet, u m s o die höhnische Annäherung
der Soldaten z u m König der J u d e n
vorzuberei-
ten448. W o r t w ö r t l i c h e n t s t a m m t J o h 1 9 , 3 b aus M k 15,18b:
443 Vgl. dazu das oben Seite 118-119 zur Komposition Gesagte. 444 Vgl. B D R §155 Anm. 5, §202 Anm. 4.6. Der Evangelist kennt ji£Qt.fìó?J.u uvei xi, nicht jedoch h£qitì8t||u u tivi; vgl. BAUER-ALAND, Wörterbuch 1302. Die Dornenkrone bestand entweder aus Akanthus oder aus Phoenix daetylifera. O b Schmerzen empfunden wurden oder nur Hohn ausgedrückt werden sollte, muß offenbleiben; vgl. GRUNDMANN, 0TÉ 6 ävÖQCojtog geteilt, denn die Formulierung spiegelt die Abschrekkungsmaßnahme wider. Aus der Sicht des Pilatus hatte Jesus erfahren, wer über die Möglichkeiten von Sanktionierungsmaßnahmen verfugt und auf diese Weise Begrenzungen aufzustellen und zu realisieren vermag 483 . Wie sehr sich nach der Meinung des Evangelisten die röm. und jüd. Position in ihrer grundsätzlichen Bewertung des ävBoojrto^ gleichen, zeigt die unmittelbar in 19,7 wiederholte Zitierung der jüd. Position aus 5,18; 10,33 484 . Joh 19,5 stammt nach diesen Überlegungen komplett aus joh. Redaktion 485 . Joh 19,6 beschreibt die Reaktion der Hohepriester und Diener auf den Anblick des in V 5 schändlich zugerichteten und blutverschmierten Königs der Juden. Trotz der benannten kompositorischen Unterschiede in Hin-
483 Von dorther ist dann auch 18,29 zu lesen, benennt es doch den unter Anklage stehenden cxv8oGJitos, der ein .Normvergehen' (vgl. oben Anm. 482) begangen hat. 484 Beide Seiten verfolgen, wie zuvor angedeutet worden ist, mit diesem Aufweis eine gegensätzliche Intention (Tod bzw. Freilassung), was jedoch der grundsätzlichen Einschätzung des ävGQWJios-Begriffs nicht zuwider läuft. Vgl. PANACKEL, ANÖPDnOE 326-338. Zur Deutung mit Joh 1,14 vgl.: „Das o > . 6 7 0 5 ootQ§ EYEVETO ist in seiner extremsten Konsequenz sichtbar geworden" (BULTMANN, Johannes 510). Zu dem nicht unproblematischen Verhältnis mit 1,14a vgl. oben in Kap. 1 Anm. 98 mit dem Seite 28 Gesagten und dazu KNÖPPLER, theologia 27f. Vgl. GRUNDMANN, Zeugnis 84: „Der sich seinen Jüngern als Sieger über die Menschenwelt bezeichnet hatte (16,33), steht als der zutiefst Erniedrigte und Geschändete und mit der Bezeichnung ,der Mensch' Belegte, lächerlich und erbärmlich gemacht, vor seinen Hassern." Ferner HAHN, Prozeß 44, HAENCHEN, Johannesevangelium 538, BAUM-BODENBENDER, Hoheit 268f mit Anm. 74, SENIOR, Passion 88f, WENGST, Gemeinde 206f, SCHNELLE, Anthropologie 135, SCHMITHALS, Johannesevangelium 408, KNÖPPLER, theologia 261. Zu 19,5 als Zielpunkt der vorausgegangenen Verse vgl. BAUMBODENBENDER, Hoheit 46.144. BRODIE, John 536f, deutet Joh 19,5 ebenfalls niedrigkeitschristologisch und stellt 19,6f gegenüber. 485 Redaktion vermuten: BULTMANN, Johannes 503, HAHN, Prozeß 37, DAUER, Passionsgeschichte 106.127, BECKER, Johannes II 679, SCHNELLE, Johannes 1809 Anm. 48; vgl. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 296. BROWN, John II 890, vermutet redaktionelle Überarbeitung traditionellen Materials; gegen WELLHAUSEN, Johannis 85, SCHWARTZ, Aporien I 356, SPITTA, Johannes-Evangelium 373, und HIRSCH, Studien 121, die postevangelistische Redaktion vermuten; vgl. BAUM-BODENBENDER, Hoheit 142-144 (spätere Erweiterung einer traditionell vorgegebenen Erzählung).
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
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sieht auf 19,1-3 bleibt Johannes insofern in der mk. Ordnung, als er mit dem redaktionellen eföov 486 den traditionellen Zusammenhang aus M k 15,11.13 aufnimmt: Jesus wird der Menge vorgestellt, und sie fordert seinen Tod (Joh 19,6): 11.13 oi dgx i E 6 e i?
exoagav
•••
ataijowoov
avxöv.
6
oi aoxtEQelg xal ürnigEtai exgaüyaoav Xeyovxeg- O T C O J Q M O O V OTaugwoov. Es ist anzunehmen, daß die agxiEQElc; aus M k 15,11 stammen, die Zuordnung zu den i)jrr|oetai hat Johannes selbst vorgenommen (vgl. 7,32.45; 11,47.57; 18,3). Die Veränderung des exoagav in das exQceüyaaav erinnert in seinem Verfahren an das, was schon in 18,39 begegnete und oben unter 18,40 vorgestellt worden ist 487 . Im mk. Zusammenhang folgt jenem Kreuzigungsruf der Masse eine Frage des Pilatus, was denn Jesus Schlechtes getan habe (Mk 15,14). Diese kurze Antwort wurde bereits von Lk 23,22 deutlich erweitert. In dieses Umfeld wird auch J o h 19,6b insoweit einzuordnen sein, als hier ebenfalls eine Reaktion des Pilatus auf den Kreuzigungsruf geschildert wird. Dieses traditionelle Wissen gestaltet der Evangelist nun durch die redaktionelle Aufnahme seines in 18,31 wiedergegebenen Materials aus seiner Gemeinde. Er schlägt bewußt den Bogen zurück an den Anfang des Pilatusverhörs (18,31), denn nach Darstellung des Evangelisten ist Jesus unschuldig und damit das ganze Verhör vor Pilatus bedeutungslos 488 : 31 AxtßETE avxöv x a i xaxcc töv vö^iov v\x&v xgivaxe avxöv. 6
XäßetK aütöv
xai
oTctugwoaxE.
Auch für die letzte Unschuldserklärung (19,6e) wird man jene in Lk 23,4.l4f.22 bereits benannte traditionelle Vorlage sehen können. Jedoch dürfte sie ihre jetzige Stellung joh. Redaktion verdanken. Folgte der ersten Unschuldserklärung in 18,38d die Stellungnahme der 'Iou5aioi in 18,40 in Form der Ablehnung Jesu ( ^ R ) T O U T O V ) , dann folgt auf die zweite (19,4) der doppelte Kreuzigungsruf (19,6) als erste Steigerung. Nach 19,6 folgt der dritten Unschuldserklärung die theologisch nicht mehr überbietbare Antwort: der Vorwurf der Gotteslästerung.
4 8 6 Als sprachlicher Indikator für joh. Redaktion ist nicht nur ouv (s. oben Anm. 68), sondern auch OTE OCV anzusehen (2,22; 4,45; 6,24; 13,12.31; 19,6.8.30 [21,15]). 487 Vgl. dazu das oben auf Seite 162f Gesagte. 488 Es sei daran erinnert (s. Seite 126f), daß der Evangelist das in Mk 15,14 erwähnte £Jtoir)owcrai)510, kann ihm nicht zugestanden werden: Der Geber jener E^ouaia gebraucht ihn im Rahmen seines Planes, dessen Sinn Pilatus auf textinterner Ebene unklar ist (V 10 e'x.os 208 A n m . 10, will hinsichtlich des Todesdatums J e s u daraus Rückschlüsse ziehen: „Jeder nach 31 liegende Termin ist mit der These dieses Artikels vereinbar, da nach Tac. Ann. 6,30 die Verfolgung der Sejananhänger mindestens bis ins Jahr 34 weiterging. A m besten harmoniert die Ansetzung a u f Ostern 32 (...)." Zur Kritik an der Abhängigkeit des Pilatus von Sejan vgl. REINBOLD, Bericht 260. 530 S o berichtet Tac Hist 1,77,3 von einigen Erpressungsprozessen in der Zeit von C l a u d i u s und Nero, die von Tacitus als Majestätsverbrechen verstanden wurden.
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
196
besteht. Seine jetzige Stellung kurz vor der Urteilsverkündung und damit dem Höhepunkt verdankt dieser Vers jedoch der joh. Redaktion 531 .
3. Interpretation: Noch ganz unter dem Eindruck des Blasphemievorwurfs betritt Pilatus, gepackt von numinoser Furcht, den Innenraum des Prätoriums. Der Anfang dieses zweiten Verhörs steht unter der Perspektive aus 1,49: Jesus der Sohn Gottes. Das lenkt bereits den Blick zu jenem avw0ev, das die e|ouaia hinsichtlich des cmoXCaai bzw. OTauQwaai verleiht. Es ist Gott selbst, der ,von oben her* die Geschichte lenkt und einem Pilatus Möglichkeiten zur Realisierung einräumt. Diese Möglichkeiten zur Realisierung sind ihm deshalb gegeben (6i5ü)[xi), weil Gott seinen Sohn aus Liebe in diese Welt gab (3,16a.b öi5o)|ii), um durch dessen Sterben £cor| cdcbviov (3,16c.d) zu schaffen. Dort liegen dann auch die Voraussetzungen, daß die 'Iou6odoi mit einer erpresserischen Drohung das Blatt wenden: Wer es ungestraft zuläßt, sich zum König ausrufen lassen zu können, muß den Würdetitel des amicus Caesaris verlieren und macht sich des crimen laesae maiestatis schuldig. Hatte anfangs vor Pilatus ein eher bedeutungsloser Übeltäter gestanden (18,30f), dann steht jetzt entweder das Leben des Pilatus oder das Leben Jesu auf dem Spiel. Aus der Sicht des Pilatus heißt das zugespitzt: Selbstmord oder Justizmord. 2.1.3.9.
Joh
19,13-15:
Jeder
Richter
auf seinem
ßf^ia
1. Kontext und Aufbau: Johannes beschreibt Pilatus, der noch ganz unter dem Eindruck, einen Unschuldigen zum Tode verurteilen zu müssen oder aber seine eigene Existenz umfassend zu gefährden, im folgenden Abschnitt das Urteil fallt. Der Evangelist steht hier in direktem Zusammenhang mit Mk 15,12-14, denn beiden Textkomplexen folgt der Urteilsspruch (Mk 15,15; J o h 19,16a). 2. Analyse: Der Evangelist greift in J o h 19,13 mit dem redaktionellen ouv532 auf den vorangegangenen Zusammenhang zurück und präzisiert diesen Rückbezug durch äxovoaq twv Xoycov TOUTGJV (vgl. 19,8): Erneut fuhrt Pilatus Jesus heraus (vgl. 19,4-7) und setzt sich auf den Richterstuhl, u m das .Urteil' zu sprechen (19,16a). Es ist in V 13b umstritten, ob exaGicrev em ßr| ^«105 transitiv oder intransitiv zu verstehen ist 533 . Für die transitive Deutung werden folgende Grün531 Tradition: SCHNIEWIND, Parallelperikopen 69 (Rettungsversuch des Pilatus). Redaktion: BULTMANN, Johannes 503, HAHN, Prozeß 37 (V 12b), BAUM-BODENBENDER, Hoheit 152, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 303, BECKER, Johannes II 682, KOTILA, Zeuge 116f.l22, SCHMITHALS, Johannesevangelium 408. DAUER, Passionsgeschichte 129, läßt die Frage offen. 532 Vgl. oben Anm. 68. 533 Zur Übersicht vgl. BROWN, Death II 1388-1393.
Joh
18,28-19,16a
197
de angeführt: 1) Pilatus müßte schon vorher auf dem Richterstuhl sitzen, um das Urteil zu fällen. Deshalb kann jetzt nur Jesus gemeint sein, der von Pilatus auf das ßrjua gesetzt wird. 2) Weil im Anschluß an 19,13 kein offizielles Urteil gefällt wird (Apg 25,6.17; Jos Bell 11,9,3 §172; vgl. Apg 12,21), kann dies ebenfalls nur dafür sprechen, daß Jesus auf dem Richterstuhl sitzt. 3) Auch sprachliche Argumente (die artikellose Wendung unterstreicht den juristischen Akt; ein aüxóv kann bei transitiver Bedeutung fehlen 534 ) sprechen für die transitive Deutung. 4) Im PtEv 3,7 (vgl. Justin Apol 1,35,6) ist ebenfalls davon die Rede, daß Jesus selbst auf dem Thron sitzt: „Und sie (das Volk) legten ihm ein Purpurgewand um und setzten ihn auf den Richterstuhl (éxáOiaav auxöv éitl xa0é5o«v X Q Í O E C D I ; ) und sprachen: ,Richte gerecht, o König Israels?'"535 Angesichts dessen erscheint Jesus als König und Richter, der auf einer Anhöhe thront: Für den Unschuldigen kommt jetzt die Stunde des Gerichts, für den Glaubenden hingegen die Stunde des Heils 536 . Diesen Überlegungen stehen aber gewichtige Einwände entgegen: Ad 1. Die Tatsache, daß Pilatus bereits vorher hätte auf dem Richterstuhl sitzen müssen, kann mit der redaktionellen Umstellung der Geißelungsszene verglichen werden, die traditionell zunächst an anderer Stelle zu finden war. Die Intention ist in beiden Fällen in der Erhöhung der Spannung zu suchen: Nachdem Pilatus permanent zwischen den Räumen hin und her geeilt ist, um die jeweilige Absicht kennenzulernen, ist erst jetzt der Zeit-
5 3 4 Vgl. dazu POITERIE, Jésus 223f. 535
Übers.
MAURER/SCHNEEMELCHER,
Petrusevangelium 185.
5 3 6 D i e transitive Deutung vertreten: CORSSEN, 'ExâOioev 339f: „Nein, nicht Pilatus setzt sich, sondern er läßt Jesus ÈJtî lîrmœroç sich setzen als König und höchsten Richter der Juden. Es ist eine Demonstration, durch welche die J u d e n a u f das äußerste gereizt werden, und das
OÎQOV
agov, das sie ihrem oxaijoojoov voraufschicken, gewinnt so n o c h eine
ganz besondere Bedeutung." HAENCHEN, Historie 74f, DERS., Jesus 153f, DERS., J o h a n n e s evangelium 541, POITERIE, Jésus passim, PANACKEL, ANOPQnOS 2 6 9 - 2 7 2 mit A n m . 2 0 5 ; vgl. BRODIE, J o h n 538f. Zu weiteren Belegen vgl. BROWN, D e a t h II 1389 A n m . 21. Faktisch vertritt diese Position auch GlBLIN, Narration 237, wenn er das P r o b l e m mit d e m Verweis a u f die Ironie lösen zu können meint: „Attention to the terminology o f the ironical J u d g m e n t scene' in J o h n 1 9 , 1 3 - 1 5 requires only that Jesus be thought o f as seated in a position o f mock honor
(consistent with his prior .investiture' as king) in a c o u r t r o o m
scene." - Für HAENCHEN könnte der G r u n d fiir diese D e u t u n g in der Ablehnung einer theologia crucis liegen; vgl. DERS., Probleme 8 0 A n m . 1. IBUKI, Wahrheit 142 A n m . 2 2 , will unter Rückgriff a u f das altorientalische Königsritual eine weitere Möglichkeit suggerieren, wenn er in 12,14ff die Thronbesteigung J e s u im ,Sich-Auf-Den-Esel-Setzen' zu finden meint und fortfahrt: „Dieses éjiâôioev ÈJI' ottjxô (sic.) 12,14 entspricht dem ixàQiatv
ÈJÙ
prmaxoç in 19,13" (ebd.). Das hieße dann aber, daß in 19,13 nicht Pilatus Jesus a u f den T h r o n setzte, sondern sich Jesus sogar selbst dorthin setzt. Diese Variante scheitert nicht nur an der höchst fragwürdigen religionsgeschichtlichen Ableitung, sondern auch am Akk. des 'ItiooCv.
198
2. R e d a k t i o n s g e s c h i c h t l i c h e A n a l y s e
punkt für die hochoffizielle Erklärung gekommen 537 . Ad 2. Das Argument, man erwarte jetzt ein Urteil, das aber nicht gefällt werde, verliert an Gewicht, denn ein förmlicher Urteilsspruch ergeht auch in Mk 15,15b nicht. Ebenso ist auch fraglich, ob Jesus als Richter gekennzeichnet werden soll. Klar erkennbar stellt Johannes Jesus als König der Juden (18,28ff) dar, der zugleich als der Sohn Gottes vor Pilatus steht (19,7-10): In 19,14 wird Jesus als der König der Juden vorgestellt und in 19,19.22 als solcher bezeichnet 538 . Ad 4. Die Ableitung über PtEv 3,7 (vgl. Justin Apol 1,35,6) hat die unbestreitbare sprachliche Parallele exäGiaav em xaöeboav jcgiaeug zu dem joh. exaOiöEV sju ßiinaxo? für sich. Dem stehen jedoch wesentliche Unterschiede gegenüber: 4.1. Das PtEv gibt die Szene im Zusammenhang der Verspottung, d. h. in der mk. Szenenfolge, wieder (PtEv 3,8f) 539 , während dies im JohEv am Ende der Verhandlung geschieht. 4.2. Im PtEv setzen Juden Jesus auf den Richterstuhl, während dies im JohEv Pilatus wäre. 4.3. Die im PtEv erkennbare ältere Tradition, die diesen Zusammenhang aus Jes 58,2 entwickelt haben soll und in J o h 19,13 sekundär historisiert worden sei540, ist für das JohEv kaum bedeutend. Eine direkte Anspielung des Evangelisten auf Jes 58,2 ist nicht erkennbar, und die Herleitung über das PtEv ist angesichts dessen unsicherer Datierung kaum wahrscheinlich541. Darüber hinaus ist (5.) vor allem auf das redaktionelle Stilmittel des Kontrastes zu verweisen. Es begegnete bereits in J o h 18,5.6.8 mit 18,17.25.27: Dem Bekenntnis Jesu als eyco ei^i steht die petrinische Verleugnung in Gestalt des oüx EL(J.L entgegen 542 . Dem entspricht, daß Jesu ,sella curulis' das Sedile des Kreuzes ist, der Richterstuhl des Pilatus hingegen sein ßrj|xa. Der leidende und sterbende König sitzt auf seinem ihm zuste-
537 HAHN, Prozeß 50, will diese Frage mit der Annahme einer Verhandlung de piano und pro tribunali beantworten; vgl. BLANK, Johannes III 100. 538 Zur Kritik an Punkt 2 vgl. DAUER, Passionsgeschichte 273 mit Anm. 196 und umfassend 272-274. 539 Zum Text: „ U n d einer von ihnen brachte einen Dornenkranz und setzte ihn auf das Haupt des Herrn. Und andere, die dabei standen, spieen ihm ins Angesicht, und andere schlugen ihm auf die Wangen, andere stießen ihn mit einem Rohr, und etliche geißelten ihn und sprachen: ,Mit solcher Ehre wollen wir den Sohn Gottes ehren.'" Übers. MAURER/SCHNEEMELCHER, Petrusevangelium 185. 540 DIBEUUS, Motive 226f, hat den direkten Einfluß von PtEv 3,7 und Jes 58,2 auf J o h 19,13 vermutet, und hat die intransitive Deutung vertreten. Zur Kritk vgl. DAUER, Passionsgeschichte 271 Anm. 193. 541 Daß das PtEv jünger sei als das J o h E v vermuten: VIELHAUER, Literaturgeschichte 645, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 372 Anm. 40, SAND, Matthäus 556, SCHREIBER, Markuspassion 303, REINBOLD, Bericht 25f (Anm. 20 mit weiterer Lit.), BROWN, Death II 1317-1349 (1348f Lit.); vgl. MAURER/SCHNEEMELCHER, Petrusevangelium 185. 542 Zur Analyse vgl. das oben auf Seite 76 und 98 Gesagte.
Joh 18,28-19,16a
199
henden Thron 5 4 3 . Die intransitive Deutung ist daher die angemessenere (vgl. J o s Ant XX,6,2 §130; Bell 11,9,3 §172) 544 . Traditionell ist die durch Xeyöiievov eingeleitete genauere Bestimmung des ßfjua. Es handelt sich hier u m ein nicht näher bekanntes Steinpflaster 545 . Der Ort, aram. raßßaBct genannt, ist vermutlich im Sinne von „Anhöhe" oder „kahler Vorderkopf' zu deuten 546 . Das traditionell aus joh. Gemeinde stammende Material ist vom Evangelisten nur wenig überarbeitet, jedoch redaktionell an dieser Stelle des Verhörs plaziert worden 547 . In J o h 19,14 benennt der Evangelist den genauen Ort und Zeitpunkt, an dem der .Urteilsspruch' im Sinne der Ubergabe zur Kreuzigung (19,16a) er-
543 Nicht überzeugend urteilt HAENCHEN, J e s u s 154 (kursiv M . L.): Der „Scheinkönig a u f d e m fremden ßFJUA IST der wahre König!" Vgl. SCHNACKENBURG, Johannesevangeliu m III 246: „ D a s Kreuz ist der Thronsitz J e s u (19,14.19)". 544 TILLMANN, Johannesevangelium 255, BAUER, Johannesevangelium 219, BULTMANN, J o h a n n e s 514 Anm. 2, STRATHMANN, J o h a n n e s 246, BAMMEL, QiXog 210, BLINZLER, Prozeß 3 4 6 - 3 5 6 (dort auch die Auseinandersetzung mit PüTTERIEs Aufsatz), DODD, Tradition 119 A n m . 1, GRUNDMANN, Zeugnis 85 Anm. 181, HAHN, Prozeß 50, DAUER, Passionsgeschichte 271, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 305, SCHNEIDER, Johannes 307 (mit A n m . 29), BAUM-BODENBENDER, Hoheit 78, BEASLEY-MURRAY, J o h n 342, BLANK, J o h a n n e s III 100, BECKER, J o h a n n e s II 685f, REINBOLD, Bericht 159, BROWN, D e a t h I.II 844f.l392, DLEBOLD-SCHEUERMANN, Jesus 83.178f A n m . 172, SCHENKE, J o h a n nes 349; vgl. BROWN, J o h n II 880f. Z u weiteren Belegen vgl. DERS., Death II 1389 A n m . 22. BARRETT, J o h a n n e s 523, plädiert für beide Möglichkeiten. SENIOR, Passion 95, läßt die Entscheidung offen und sieht darin das joh. Stilmittel der Ironie; zu weiteren Belegen vgl. BROWN, D e a t h II 1389 Anm. 23. 545 Z u m redaktionellen Xtyöntvov 4,5.25; 5,2; 9,11; 11,54; 19,13.17 vgl. SCHNELLE, Christologie 156. - Unter d e m Konvent der Zionsschwestern konnte ein Steinpflaster ausgegraben werden, worauf verschiedene Figuren eingekratzt sind, die als Spiele (lusuriae tabulae) zu deuten sind; vgl. BUSINK, Tempel 1241f. Eine Identifikation mit J o h 19,13 dürfte nicht möglich sein, denn jenes Lithostrotos liegt innerhalb (der Burg Antonia), während nach J o h 19,13 Pilatus draußen ist. Z u d e m ist dieses Steinpflaster nach 135 n. Chr. zu datieren; vgl. BARRETT, J o h a n n e s 524, RIESNER, Prätorium 1221; gegen BLANK, J o h a n n e s III 100. Zur Lokalisierung des Prätoriums vgl. o b e n A n m . 223. Z u XLOÖÖTQOJTCK; für ein beliebiges Steinpflaster in Jerusalem vgl. J o s Bell VI,1,8 § 8 1 - 8 5 ; VI,3,2 §189. 546 JASTROW, Dictionary 209, verweist unter KF13J a u f KF13H I und übersetzt (DERS., Dictionary 217) „ H ü g e l " . Vgl. BAUER, Johannesevangelium 220, SCHNACKENBURG, J o h a n nesevangelium III 3 0 5 f mit A n m . 96.97. DODD, Tradition 108, denkt an aram. !,r|(io:Ti aütwv (Lk 23,25) offen. Nach Lk 23,13 (vgl. 23,18) sind Hohenpriester, Obere und das Volk die Angesprochenen, und erst in 2 3 , 3 6 werden Soldaten genannt. Für J o h 19,16a heißt das ein Doppeltes: 1) D e r Evangelist steht hinsichtlich seiner .sprachlichen Mißverständnisse' in der Tradition des LkEv. D e r Sinn kann darin gesehen werden, die Römer so weit als möglich von Schuld freizusprechen. 2) Das .sprachliche Mißverständnis' eröffnet dem Leser noch eine weitere Ebene. Indem hinter den auTOi? die jüd. Verantwortlichen zu stehen kommen, wird 19,15b betont: Sie lehnen nicht nur die messianische Hoffnung ab, indem sie sich der verhaßten Fremdherrschaft unterordnen, sondern darüber hinaus kreuzigen sie den Repräsentanten dieser messianischen Hoffnung 5 6 0 . Angesichts dessen ist die Funktion von 19,16a für das Pilatusverhör ersichtlich: Ein vorletztes Mal schlägt der Evangelist mit rtaoabi&oJHL die Sterbeglocke (18,30.35.36; vgl. 19,6). D i e letzten Stunden der irdischen Existenz Jesu werden eingeläutet. Zugleich rücken die Folgeereignisse immer näher, der Weg ans Kreuz steht unmittelbar bevor. Diese Scharnierfunktion von 19,16a rechtfertigt daher die Abgrenzung eines einzelnen Halbverses, er gleicht in seiner Funktion dem von 18,12.28 5 6 1 . Traditionelles Material wurde vom Evangelisten für die spezielle Funktion dieses Gesamtabschnittes bearbeitet 5 6 2 .
560 DAUER, Passionsgeschichte 131f, will aùroìc; dadurch erklären, daß die Geißelungsszene ursprünglich hinter 19,16a gestanden habe, denn die Nennung der Soldaten im folgenden hätte atjTotc; hinreichend erklärt. Der Evangelist habe die Szene umgestellt, so daß aùtoic; mißverständlich geworden sei. Dem Einwand, der Evangelist habe nur mangelnde Sorgfalt walten lassen, entgegnet DAUER, diese Unklarheit habe der Evangelist in Kauf genommen, um die Juden zu belasten; vgl. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 309. DAUER ist darin zuzustimmen, daß der Evangelist selbst die Geißelungsszene umstellte. Es ist anzunehmen, Johannes habe mit seinem Vorgehen die 'Iou&aToi belasten wollen. Die Vermutung ist jedoch nicht überzeugend, „daß sie (die Geißelungsszene; M. L.) ursprünglich, wie bei Mk/Mt, am Ende des Prozesses stand, also nach V. 16a" (DERS., Passionsgeschichte 131); vgl. das oben auf Seite 167-179 Gesagte. Eine ursprüngliche Ordnung muß hypothetisch bleiben. Eine mit 19,1-3 und 19,5b sich steigernde Linie erklärt das aütoTg hinreichend. Auch MYLLYKOSKIS (Material 122f) Vorschlag einer unabhängigen Redaktion leuchtet nicht ein. 561 Zur Szenenabgrenzung von 18,28 und 19,16a als eigenständige Textstücke vgl. GlBLIN, Narration 222. Jedoch wertet er 18,28 als Einfuhrung, während 19,16a direkt als Abschluß der zweiten Szene dient. Vgl. zu Einzelheiten das oben auf Seite 87 Gesagte (Joh 18,12: Auf dem Weg zu Hannas) und oben auf Seite 121-124 Gesagte (Joh 18,28a: Die Überstellung Jesu zur Kreuzigung).
Joh 18,28-19,16a
2.1.3.11.
205
Zusammenfassung
„Ein schier atemberaubendes Kapitel ist zu Ende." 5 6 3 Im Rückblick soll auf wichtige Markierungen geachtet werden. In Joh 18,28 nimmt der Evangelist aus M k 15,1 die kompositorische Reihenfolge (nach jüd. Verhör folgt Pilatusverhör), die Nennung der Zeitangabe (frühmorgens) und die handelnden Personen (Hohenpriester und Jesus) auf. Zugleich fuhrt er ein zentrales theologisches Motiv ein, das aus dem übrigen J o h E v bereits bekannt ist und in 19,37 seinen Abschluß findet: die Passatheologie. Im letzten Verhör (bes. 19,14) erfährt diese Theologie wichtige Akzente. Joh 18,29-32.33~38a folgt M k 15,1.2-5: Jesus wird an Pilatus überstellt. Die mk. Vorlage berichtet von einem Gespräch zwischen beiden, das Johannes in doppelter Hinsicht aufnimmt. Zunächst ist 18,29-32 vor allem von traditionellem Material durchzogen. Vom Ende des mk. Verhörs (15,14) zieht der Evangelist den Anklagegrund (rjv ... xaxöv JTOIWV) vor. A u f diese Weise kann er leicht die Materialien seiner eigenen Gemeinde hinzufugen, die davon reden, daß den 'Iou&atoi das ius gladii fehlte. Die so entstandene ,Materialsammlung' deutet der Evangelist kreuzestheologisch (18,32) und eröffnet dem Leser/Hörer eine weitere bedeutungsvolle Ebene: Der scheinbare Übeltäter ist der König der Juden, der wegen staatsgefährdender Umtriebe vor dem heidnischen Gericht steht. Die Wendung .König der J u d e n ' steckt als implizit strukturierendes Element hinter dieser Perikope. Weil hier das Schwergewicht liegt, nimmt Johannes für 18,33-38a, den zweiten Aspekt, aus dem M k E v nur diesen einen Gedanken aus M k 15,2 auf, u m ihn auszufuhren. Er greift auf die kreuzestheologische Verarbeitung des Motivs des Königtums im M k E v zurück, u m dieses theologische Konzept weiter auszubauen. N o c h einmal führt er Jesu Selbstverständnis in
562 Tradition: FLNEGAN, Überlieferung 47, BULTMANN, Johannes 503 (Motive in 16a), BARRETT, Johannes 525, BUSE, Narrative 218, HAHN, Prozeß 50 Anm. 101, DAUER, Passionsgeschichte 131, MOHR, Johannespassion 298, BAUM-BODENBENDER, Hoheit 163 (aus redaktioneller Schicht B); vgl. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 309 Anm. 105 („Der Satz J o h 19,16a stimmt ziemlich genau mit M k 15,15b/Mt 27,26b überein"), SCHMITHALS, Johannesevangelium 406.409 (Grundevangelium mit leichten Überarbeitungen). SCHWARTZ, Aporien I 356, vermutet einen jüngeren Interpolator. Redaktion: BULTMANN, Johannes 503. 563 STRATHMANN, Johannes 247. Vgl. dazu auch die Skizzen bei BROWN, J o h n II 859, und BAUM-BODENBENDER, Hoheit 96, sowie ihr Urteil (DIES., Hoheit 39f): Es „stellt sich (...) unsere Erzählung als ein spannungsreiches Gesamtgefüge dar: einerseits (sie.) wird durch die starke Dialogisierung des Geschehens beim Leser/Hörer der Eindruck großer Unmittelbarkeit und Wirklichkeitsnähe hervorgerufen, andererseits wird durch ganz knappe narrativ-erzählende Kommentare die Fiktion der Unmittelbarkeit durchbrochen, der Eindruck einer bestimmten Szene gesteigert, es werden Kontraste und Gegensätze geschaffen und die Spannung des Hörers/Lesers wachgehalten."
206
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
seinem ihm eigenen Denken vor. Zu diesem Zweck plaziert er Mk 15,2 am Anfang und in der Mitte dieses Verhörs, um so die theologische Dimension quasi durchzukonjugieren: Jesus als der Gekreuzigte ist bereits König, vermeintliche Inthronisationsrituale sind überflüssig. Es geht, und hier greift Johannes über das MkEv hinaus, noch deutlicher darum, die Funktion dieses Königs zu betonen, was Johannes mit einem .Scheinkönig' nicht hätte beschreiben können: Es ist der Auftrag und Zweck für Jesus, von der Wahrheit zu zeugen. Dieser Auftrag läßt eine skeptisch-philosophische Zurückhaltung daher unangebracht erscheinen. Das Bild aus Mk 15,2 ist demnach genügend groß, u m von Johannes als hintergründiges, antidoketistisches Verständnis für die Entfaltung seiner Theologie genutzt zu werden. Joh 18,38b~40 folgt der mk. Chronologie (Mk 15,6-13), denn der Evangelist konfrontiert Jesus mit Barabbas. Bereits Markus beabsichtigte mit dieser Konfrontation, die Königtumsvorstellungen beider Kontrahenten zu kontrastieren. Diese Intention nimmt Johannes auf, strafft sie und arbeitet die Gegensätze noch schärfer heraus: Der zelotische Guerillakämpfer bringt Abhängigkeit von Rom, menschliches Unglück und Tod. Er wäre der Übeltäter, den die Geißelung und der Kreuzestod treffen müßte. D e m steht der wahre Freiheitsbringer entgegen, der Freiheit, Uberfluß und Leben bringt. Der Unschuldige erleidet die Strafe der Geißelung und den Tod, damit der Schuldige frei ausgehen kann. Um diesen Kontrast weiterführen zu können 564 , muß die Geißelungsszene (Joh 19,1-3) umgestellt werden, denn sie folgt in mk. Chronologie erst in Mk 15,16-20a. Die Umstellung ermöglicht ihm aber nicht nur jene Wetterführung, sondern in der grundsätzlichen Aufnahme der beinahe antidoketistischsten Situation aus dem MkEv (vgl. Mk 15,37) wehrt Johannes christologischen Engführungen. Zugleich bietet ihm diese vorgezogene Szene die Möglichkeit, den Abschnitt J o h 19,4ff (bes. 19,5) vorzubereiten. Überblickt man Joh 19,4-7.8-12.13-15, dann zeigt sich auch hier sehr rasch, daß das mk. Gegenstück (Mk 15,11-14) durchgängig Einfluß nimmt und die joh. Redaktion leitet. Nachdem in Mk 15,9 das Motiv des Königtums vorgestellt worden ist, berichtet Markus, daß die Hohepriester das Volk aufstacheln und erstmals der Kreuzigungsruf ertönt (Mk 15,11.13). Es folgt der klägliche Versuch des Pilatus, mit Hilfe einer Frage nach Jesu Schuld dessen Freilassung zu befördern. Die Reaktion der Volksmasse ist ein um so heftigerer Kreuzigungsruf. Dieses Grundgerüst übernimmt der Evangelist Johannes komplett, denn der vorgestellte Jesus ist der Spottkönig, der ebenfalls ein erstes Mal mit dem doppelten Kreuzigungsruf abge-
564 BAUM-BODENBENDER, Hoheit 39, überzeugt mit ihrer Feststellung nicht, wenn sie behauptet, die Barabbasszene sei für den Erzähler nur von geringem Interesse, denn Johannes gehe es u m die „wirksame Charakterisierung der J u d e n durch die von ihnen getroffene Wahl." Diese Einschätzung ist durch ihre Exegese von 19,1-3 veranlaßt.
Joh 19,16b-30
207
lehnt wird (Joh 19,4-6). Ein (erster) Freilassungsversuch des Pilatus scheitert angesichts des zweiten emphatischen Kreuzigungsrufs kläglich (19,12.15a; vgl. Lk 23,18). Dieses Grundgerüst ergänzt der Evangelist aus theologischen Gründen mit Materialien aus dem LkEv (Lk 23,4.14f.22 bzw. 23,20). Zusammen mit altem Traditionsmaterial aus seiner Gemeinde fügt er das Ganze in sein theologisches Programm: Jesus ist als der König der Juden und als der Sohn Gottes zu Unrecht zum Kreuzestod verurteilt. Joh 19,16a folgt einerseits wortwörtlich M k 15,15b, der Evangelist überdeckt jedoch mit Hilfe von Lk 23,25 die Eindeutigkeit der Handelnden (Stilmittel des .sprachlichen Mißverständnisses'): Der Repräsentant der messianischen H o f f n u n g e n wird gekreuzigt.
2.1.4. J o h 19,16b-30: Der König am Kreuz
2.1.4.1. Kontext und Aufbau Dieser Abschnitt fuhrt das hinlänglich betonte Motiv des Königtums fort: Der geschundene König nimmt selbst das Kreuz und sitzt auf dem Sedile als seinem Thron, u m von dort die griech.-, lat.- u n d aramäischsprechende Welt zu richten. Vier Frauen und der Lieblingsjünger empfangen die letzten Anweisungen, ehe der König am Kreuz stirbt. Wichtige Einzelperikopen aus M k 15,20-40 sind in diesem Abschnitt verarbeitet worden: Der Weg nach Golgatha, die Ankunft, Kreuzigung, Schächer, Titulus, Kleiderverlosung, Frauen, Durstmotiv und Tod. Neben der Übernahme direkt aufeinander folgender Szenen hat Johannes auch hier umgestellt, eigenes Material seiner Gemeinde eingefügt und theologisch gedeutet. Der Aufbau der Perikope selbst stellt sich wie folgt dar: 19,16b-18 beschreibt kurz den Weg, die Ankunft auf Golgatha sowie die Kreuzigung Jesu mit zwei Mitschuldigen. Mit 19,19-22 wird der Titulus breit zwischen Pilatus und den Hohenpriestern der 'IouÖaToi problematisiert. Dieses Stück fällt auch formal durch wörtliche Rede auf, auch auf die inclusio (eyoaipev - o y e y o a c p a , yey gaq>a) 5 6 S ist zu achten. J o h 19,23-24 erzählt nur von Soldaten, die sich über Jesu Kleider beraten, u m sie möglichst gerecht aufzuteilen. Auch dieser Abschnitt ist durch die Rahmung o i o u v OTOcmwTca - o i |iev o u v OTgcmÖTca abgegrenzt 5 6 6 und erinnert an das zu 18,18.25 Gesagte. Erneut wechseln die Personen in 19,25-27: Jesus weist seine Mutter dem Lieblingsjünger zu und sichert so ihre soziale Stellung. Z u m Schluß bleibt einzig Jesus im Blick, der letzte Worte spricht und sein Leben hingibt (19,28-30). Neben diesen anhand der Personenwechsel vorgenommenen 565 Vgl. SABBE, Account 58. 566 Vgl. ebd.
208
2. R e d a k t i o n s g e s c h i c h t l i c h e A n a l y s e a u f f o l g e n d e B e o b a c h t u n g verwiesen, die
diese
A u s s a g e b e s t ä t i g t : D i e g e s a m t e P e r i k o p e ist v o n e i n e r A r t Rundblick
U n t e r t e i l u n g e n sei n o c h
ge-
p r ä g t : D e r A u s g a n g s p u n k t ist d e r T i t u l u s a m K r e u z . D e r B l i c k s c h w e i f t h e r u m , u m zunächst die Soldaten mit ihrem Kleiderproblem zu
betrachten.
S o d a n n treten die u n t e r d e m K r e u z s t e h e n d e n M e n s c h e n in d a s Bild, bis schließlich - wieder direkt b e i m K r e u z angelangt -
der sterbende
a m Kreuz ganz die Szene bestimmt567. Diese strukturellen
König
Beobachtungen,
die die A b g r e n z u n g v o n 1 9 , 1 6 b - 3 0 nahelegen, k ö n n e n d urch die Strukturanalyse von
1 9 , 3 1 - 3 7 . 3 8 - 4 2 ergänzt werden. Beide Szenen zeichnen
sich
e b e n f a l l s d u r c h e i n e n P e r s o n e n w e c h s e l a u s ('IouöaToi u n d S o l d a t e n b z w . Pil a t u s , J o s e p h v. A r i m a t h ä a u n d N i k o d e m u s ) . D i e s e T a t s a c h e ist m i t e i n e r unterschiedlichen
Perspektive
jener
beiden
Abschnitte
verknüpft,
denn
V 3 1 - 3 7 . 3 8 - 4 2 f o l g e r n jeweils, w a s sich a u s d e m T o d J e s u ergibt: D e r K ö n i g ist w i r k l i c h t o t ( 1 9 , 3 1 - 3 7 ) ; d a s k ö n i g l i c h e B e g r ä b n i s ( 1 9 . 3 8 - 4 2 ) 5 6 8 . Es
ist
daher
durchaus
angemessen,
wie
folgt
abzugrenzen:
19,16b-30.31-37.38-42569.
567 Diese durchaus wohlgeordnete Komposition muß zerstört werden, wenn beispielsweise mit HIRSCH, Studien 123 (z. T. kursiv im Original), vermutet wird, daß 19,23f der Kirchlichen Redaktion entstammen und weiter gefolgert wird: „Es kommt weiter hinzu, daß die Verse nachklappen. Ihr richtiger Platz wäre hinter 18." 568 BROWN, J o h n II 910-912, will in Anlehnung zu dem von ihm (John II 857-859) zu J o h 18,28-19,16a Gesagten in 19,16-42 fünf Episoden mit Einleitung und Schluß sehen: 16b-18.19-22.23-24.25-27.28-30.31-37.38-42 (vgl. WLLCKENS, Evangelium 290: sechs Szenen). In seiner parabelförmigen Anordnung (vgl. DERS., J o h n II 859 zu J o h 18,28-19,16a) vermutet er horizontale und vertikale Verschränkungen der Szenen. Zwei Beobachtungen BROWNS verdienen Zustimmung: Zum einen bestimmt durchgängig symbolische Rede den Abschnitt 19,19-37. Zum anderen beginnen und schließen einige Szenen mit demselben Motiv (V 19-22 Pilatus schreibt; V 2 3 f Soldaten; V 2 8 - 3 0 alles ist vollendet). Kritisch ist jedoch seine Behauptung einer parabelförmigen Anordnung zu bewerten, die sich zweifelsfrei für 18,28-19,16a gut eignet (19,1-3 steht im Zentrum), hier jedoch 19,25-27 ins Zentrum rückt! Auch wenn über die Bedeutung dieser Szene unter dem Kreuz (vgl. das unten auf Seite 2 2 3 - 2 2 7 Gesagte) nicht gestritten werden muß, so muß doch in 19,28-30 der Höhepunkt gesehen werden: 1) Erst hier wird die Schrift erfüllt. 2) Erst hier wird das v o m Vater aufgetragene Heilswerk (tgyov; 4,34; 5,36; 17,4) vollendet. 3) Erst hier erhält der Leser/Hörer mit miXtoxcM das deutliche Signal innezuhalten, um das bisher Gelesene/Gehörte Revue passieren zu lassen und zu .erkennen'. Der Einteilung BROWNS folgen FORTNA, Predecessor 183, ZMIJEWSKI, Maria 698f, SABBE, Account 35, ZUMSTEIN, Johannes 141, RLDDERBOS, J o h n 607f, und zuletzt MOLONEY, Gospel 502, und modifizierend SCHENKE, Johannes 358f (Abgrenzung durch HETÖ 6E xaOta, die 19,28-30 und 19,38-42 hervorhebe). J e d o c h rückt seine Anordnung V 2 5 - 2 7 ins Zentrum, gestützt durch die Gegenüberstellung der Erfüllung/Vollendung der Schrift (V 2 3 f 2 8 - 3 0 ) . 569 Die vorgeschlagene Einteilung (19,16b-30.31-37.38-42) vertreten: WELLHAUSEN, Johannis 8 6 - 8 8 (ohne V 16b-18 zu unterteilen), TILLMANN, Johannesevangelium 2 5 7 - 2 6 5 (ohne V 16b-18 zu unterteilen), BARRETT, Johannes 525 (erst ab V 17-30), LORENZEN, Lieblingsjünger 53f (bis 19,30; 19,31-37.38-42), BECKER, Johannes II 689 (er grenzt V 24b.c ab), MOHR, Johannespassion 313 (V 16); vgl. REINBOLD, Bericht 270; - BLANK, Jo-
Joh 19,16b-30
209
2.1.4.2. Joh 19,16b~18: Der Weg nach Golgatha Mit Joh 19,16b.l7a beschreibt der Evangelist in Anlehnung an Mk 15,20b.21 den Weg nach Golgatha: 20b e|ayouöiv aütöv 16b riaoeXaßov oüv tov 'Ir|croCv. Es fallt auf, daß Johannes nicht das mk. é^óyo) übernimmt, sondern naQaXaußäv« einfugt. Für die Vermeidung des mk. é|áyco lassen sich sprachliche und sachliche Argumente anfuhren. Zunächst fällt auf, daß der Evangelist kaum Verben mit dem Präfix ex- oder verwendet. Insgesamt sind es in Kap. 1-20 lediglich zehn (eins in Kap. 21) verschiedene solcher Verben. Quantitativ ist é^ÉQXoiiai mit 27 Belegen am häufigsten vertreten, es folgt exßaX.A.a> mit sechs Belegen. Ein direkter Vergleich mit dem MkEv erhärtet und profiliert diese Feststellung: Bis auf eine Ausnahme (ex>xy je einmal), sind alle im JohEv und MkEv belegten Verben häufiger vertreten570. Diese sprachstatistischen Beobachtungen können durch eine inhaltliche ergänzt werden. Der Evangelist verwendet in Joh 10,3 é^áyco, wo er die Tätigkeit des guten Hirten beschreibt, der alle seine Schafe herausfuhrt, nachdem er durch die Tür hineingegangen ist. Jenes vorbereitende fürsorgliche Handeln ist eng mit der Zuwendung zu den Seinen verknüpft (vgl. Ps 95,7-11). Ein solches Verhalten kann aber für Joh 19,16b nicht vorausgesetzt werden, so daß é|áyw verständlicherweise vermieden wird571. In seinem jetzigen Zusammenhang verweist der Evangelist mit TtaoéXaßov über caiTotg (19,16a) auf die Hohepriester zurück. Bewußt formuliert er textintern jenes .sprachliche Mißverständnis', das bereits in 19,16a begegnete. Textextern hingegen weiß der Leser/Hörer, daß die Soldaten aus 19,2
hannes III 125, grenzt J o h 1 9 , 2 8 - 3 0 ab und erhält so vier Abschnitte ( 1 9 , 1 6 b - 2 7 ; V 2 8 - 3 0 und V 3 1 - 3 7 . 3 8 - 4 2 ) , u m die joh. Darstellung des Todes Jesu zu betonen. Ansonsten wird oft 1 9 , 1 6 b - 4 2 abgetrennt: BAUER, Johannesevangelium 221, BULTMANN, Johannes 526, STRATHMANN, Johannes 247 (19,17-42), LEISTNER, Antijudaismus 136, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 310, SCHNEIDER, Johannes 309, HAENCHEN, Johannes 548, BEASLEY-MURRAY, J o h n 343, SABBE, A c c o u n t 34. 5 7 0 Vgl.: ¿JißdXX« sechsmal im J o h E v ; 18mal im MkEv; ixir.oQ£vo\iai zweimal im J o h E v ; l l m a l im MkEv; c|eexonai 27mal im J o h E v 38mal im MkEv. 571
Die Frage, warum der Evangelist statt dessen Jtaga^außotvu verwendet, ist nicht
einfach zu beantworten. Ein Blick auf Polyb 111,69,2 hilft weiter: Im Zusammenhang wird berichtet, daß Hannibal die Stadt Klastidium übernimmt, das Getreide stiehlt und die unverletzten Männer gefangen abfuhrt (xoüg 6e naga^rupGcvia? äv&Qag aßXaßtlg he6' e«utotj JtQorjyE). Die Bedeutung von itaoa^außavü) nähert sich der von JiaQa&i&ü(« an. Diese Annäherung spiegelt sich in J o h 19,16b wider. Dies bleibt auch angesichts von J o h 1,11 festzuhalten, wo der Evangelist einen spirituellen Aspekt meint. - J o h 14,3 redet direkt von einem ,mit sich nehmen*. SABBE, A c c o u n t 55, nimmt einzig aus sprachstatistischen Gründen eine wenig überzeugende Abhängigkeit von M t 27,27 an.
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
210
das ausfuhrende Organ sind, die Jesus und die beiden anderen kreuzigen (19,18) und um seine Kleidung würfeln (19,23) 572 . Auch in der Beurteilung von Joh 19,17a hilft das MkEv (15,21) weiter: 21
AIQR]
TÖV
oxaugöv
COJTOÜ.
17a ßacrxo^ov eautw TOV ataugov. Johannes ändert das mk. «LOÜJ in ßaaxd^co um. Neben dieser sprachlichen Veränderung läßt er das stellvertretende Kreuzestragen des Simon v. Cyrene aus. Wiewohl der Evangelist ai'gco im Sinne von .aufheben', .wegtragen' verwendet (2,16; 11,39.41; 19,31.36; 20,1; vgl. 8,59; 5 , 8 " 1 2 ) 5 7 \ greift er doch auf die in der klassischen Literatur belegte Wendung des ßAATD^FT) TOV axaugov zurück 574 . Die dort beinahe selbstverständlich anmutende Präzisierung, jeder müsse sein patibulum selbst tragen, nimmt der Evangelist mit antidoketistischer Intention auf. Nicht Simon wurde gekreuzigt, weil man ihn, der das Kreuz Jesu trug, irrtümlich für Jesus hielt, sondern Jesus selbst (vgl. Iren Haer I,24,4) 575 . Der Evangelist nimmt dem Leser/Hörer jede Möglichkeit, durch ein Täuschungsvorhaben Jesu Kreuzestod aus dem Text zu streichen. Das der Tradition noch unbetonte xöv aijxoü axaugov wird in seiner jetzigen Verarbeitung innerhalb der joh. Theologie betont hervorgehoben 576 . Dieses kompositorische Verfahren hat eine vergleichbare Parallelität in der Plazierung der ursprünglich als selbständig belegten Abschreckungsmaßnahme, der Geißelungsszene (19,1-3), die ebenfalls durch ihre jetzige Plazierung die joh. Theologie unterstützt 577 . Für diesen Zusam-
5 7 2 Vgl. S E N I O R , Passion 101 f. H E I L , Blood 84, meint, daß 'IouSaToi diejenigen seien, die Jesus übernähmen. Es sei eine ironische Anspielung auf J o h 1,11 anzunehmen: In Joh 18,31 sei ein Übernehmen (XäßETe) gemeint, das auf Glauben ausgerichtet sei, jedoch richte sich das Übernehmen nicht auf den Glauben, sondern auf die Kreuzigung. Dem steht jedoch Joh 18,31b (ovx E|EOTLV) gegenüber, das das XAßETE deutlich einschränkt. 573 Jeweils etwas anders ist die Bedeutung an den übrigen Stellen: 11,41 - 10,18; 11,48; 15,2; 16,22; 19,15 - 20,2.13.15. 574 Plut Mor 554a, Artemid Onirocr 11,56, Belege von B A U E R , Johannesevangelium 221; Chariton Kall IV,2,7; 3,10: 26 Arbeiter wurden „zur Richtstätte gefuhrt, an Händen und am Hals zusammengekettet, und ein jeder mußte sein Kreuz tragen: dieses schauerliche Erscheinungsbild gaben die Henker der unentrinnbaren Strafe, damit sie als abschrekkendes Beispiel auf die Standesgenossen wirken sollte" (Übers. P L E P E L I T S , Chariton 90 [zu IV,2,7; zum griech. Text: EXAOTOG aütwv TOV axaugov E'(|>EQE]). 575 Vgl. dazu das oben auf Seite 172 Gesagte. 576 Gegen H A E N C H E N , Historie 76, der Evangelist habe Simon von Cyrene weggelassen, und „so konnte er sein Bild des bis zuletzt unerschütterten Jesus ungestört vollenden." 577 R E I N B O L D , Bericht 171 mit Anm. 270, lehnt den antidoketistischen Zug dieser Szene mit zwei Gründen ab: 1) Mit Verweis auf die klassischen Belege will er jenen Vorgang als traditionell erweisen. 2) Mit „dem sauxös grenzt sich Johannes nicht gegen eine Darstellung wie die markinische ab, sondern beschreibt den normalen Vorgang" ( D E R S . , Bericht 171). Ad 1) Der hier vorausgesetzte Gegensatz zwischen traditioneller Vorlage und
Joh 19,16b-30
211
menhang heißt das: Freiwillig trägt Jesus auch das Kreuz (vgl. 10,18; 11,7; 13,1; 18,1.4—6.8.11.36) 578 . Gegenüber V 16b fällt der Numeruswechsel auf, der in V 18a erneut vollzogen wird579. Sodann kann auch für die in 1,43; 4,43; 12,13 begegnende Wendung E^eo^onai eig Redaktion vermutet werden. Inhaltlich führt e|fjX0EV das bereits in V 17a genannte Motiv der freiwilligen Lebenshingabe Jesu fort. Ebenfalls redaktionell ist ö Xeyonevoc; (4,5.25; 5,2; 9,11; 11,54; 19,13.17; 20,24) 5 8 0 , mit e§f|X0ev eig rov },eyö\ievov folgt daher vermutlich ein redaktionelles Stück. Der übrige Vers (Kgaviou Tojiov o XeyeTca 'Eßgcucm ro?.yo9a) ist aus Mk 15,22 entnommen: 22
ejti
17
EIG ...
töv roXyaSöv tojiov, ö eoxiv ueöegneveuonevov Kgaviou Töjtog Kgaviou Tojiov
o XeyErm 'Eßgaioti roA.yo0a.
Die Bezeichnung der Ortsangabe hat der Evangelist aus stilistischen Gründen umgestellt, eine tiefere Absicht läßt sich nicht erkennen581. Aus redaktioneller Gestaltung ist nicht überzeugend. Die Geißelungsszene kann der Evangelist deshalb besonders leicht umstellen, weil sie als eine selbständige Abschreckungsstrafe belegt ist (vgl. das oben auf Seite 168 Gesagte). Auch hier unterstützt ein traditioneller Beleg die redaktionelle Gestaltung. Ad 2) Das Verhältnis des J o h E v zum MkEv muß nicht - wie die bisherigen Überlegungen gezeigt haben - nur darin gesehen werden, daß Johannes sich vom M k E v abgrenzen (so beispielsweise STRATHMANN, Johannes 249) will. - Antidoketistische Tendenzen vermuten PFLEIDERER, Urchristentum 384.437 (Bezug auf die basilidianische Gnosis, der Evangelist widerspreche ihr ausdrücklich); BOUSSETT, Christus 262 A n m . 1, BAILEY, T r a d i t i o n s 8 4 A n m . 1, SCHMITHALS, J o h a n n e s e v a n g e l i u m 4 0 9 ; vgl. H O S -
KYNS, J o h n 5 2 8 , HENGEL, Frage 197 m i t A n m . 133. SCHWARTZ, A p o r i e n II 141f, v e r m u t e t
diese antidoketistische Interpretation für die postevangelistische Redaktion. Der von SABBE, Account 56 Anm. 70, angeführte Beleg für antidoketistische Rede aus Iren Haer 1,19,2 ist sachlich nicht überzeugend, denn dort ist von der unbekannten Gottheit die Rede. Harmonisierungstendenzen (vgl. SLGGE, Johannesevangelium 205, TILLMANN, Johannesevangelium 257) und die typologische Deutung von Gen 22,6 (HOSKYNS, J o h n 527, BARRETT, Johannes 526f, BROWN, J o h n II 917f, vgl. GARDNER-SMITH, J o h n 68 [wenn nicht Doketismus gedacht ist, dann an Gen 22,6]) werden zu Recht abgelehnt; vgl. DAUER, Passionsgeschichte 169. An Lk 14,27 als den Hintergrund für J o h 19 denken: DODD, Traditio n 1 2 4 f , SABBE, A c c o u n t 5 6 .
578 Das Motiv der Freiwilligkeit (s. unten das Seite 311-314 Gesagte) vermuten hier TILLMANN, J o h a n n e s e v a n g e l i u m 2 5 7 , BAUER, J o h a n n e s e v a n g e l i u m 2 2 1 , STRATHMANN, J o -
h a n n e s 2 4 9 , DAUER, P a s s i o n s g e s c h i c h t e 169f, BRODIE, J o h n 5 4 4 , KNÖPPLER, t h e o l o g i a 2 5 1 ,
SCHENKE, Johannes 359; vgl. SENIOR, Passion 102. Dort richtet sich SENIOR auch gegen eine Isaak-Typologie (vgl. dazu HOSKYNS, J o h n 527f). 579 Vermutlich wird man ihn für die textkritischen Differenzen zu V 16b verantwortlich machen müssen: x a i »iyayov lesen A, D s , 0 , W lat, sy; djir|Yayov (mit cüjtov X) p" v ' d , X, N, W, / ' , 565, 579, al; örcniyayov £tg tö npaitiigiov 700 al; riycryov xai E3iE0tixav aüxö t ö v crraugov / 1 3 (/ 844), Or 1 ". V 6 6 " 6 läßt V 17a ( x a i bis egrj^eEv) ganz aus.
580 Vgl. Schnelle, Christologie 156.
581 Die mt. Formulierung scheint sprachlich dem joh. Bericht näherzustehen: Worstamm Egxonai. mit el; und XeyonEvog vgl. DAUER, Passionsgeschichte 170. Auch hier gilt aber das, was bereits oben Seite 176 zu J o h 19,2 mit der möglichen Parallele zu
212
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
seiner Hand stammt noch o Ä i y e T a i (1,38; 20,16) und 'Eßoüixm (5,2; 19,13.17.20; 20,16; nur noch in O f f b 9,11; 16,16)582. In J o h 19,18a wird die Ankunft auf Golgatha berichtet, wo man Jesus kreuzigt 583 . Im Gefälle lk. Redaktion kann ö j i o u (vgl. Lk 23,33b exet) als joh. Redaktion gedeutet werden. J o h 19,18a fußt auf Mk 15,24a: 24a xai mavq&oiv arnov 18 Öjiou aijtöv eoTca>Qcooav. Die in Mk 15,24b.25 geschilderte Szenerie von der Kleiderverlosung und der erneuten Kreuzigungsnotiz mit Stundenangabe stellt Johannes um. Er widmet diesem Abschnitt ein besonderes Augenmerk (Joh 19,23f). E zieht wie Lukas (23,33b) die Schächergeschichte aus Mk 15,27 vor und faßt sie in einer knappen Notiz (V 18b) zusammen: 27
xai auv aütu axauooöoiv
6uo
A^otag, eva e x ö e | i « v xai
eva ig eüuvü|!0jv ai'noO 18b (¿otauQojoav) xai het' aÜTOU äA.A.ou5 6uo evteuSev xai evteCöev. Die mk. Vorlage wird zwar nicht wortwörtlich übernommen, doch werden die wesentlichen strukturbildenden Elemente aufgenommen: Zum einen werden zwei Menschen mit Jesus gekreuzigt. Zum anderen werden sie zur Rechten und zur Linken Jesu gekreuzigt - in beiden Fällen ist Jesus die Orientierungsgröße. Das joh. e v t e ü ö e v xai evteöOev 5 8 4 mutet eigenartig um-
M t 27,29 gesagt wurde: Matthäus bietet lediglich sprachliche Verbesserungen, jedoch keine inhaltlichen (sachlichen) Anregungen, so daß eine literarische Abhängigkeit unwahrscheinlich ist. 582 Zur metanarrativen und direkt leserpragmatischen Formulierung von ö Xeyetcu vgl. SCHENK, Lexikon 250. Zu den Namen: y.Qaviov steht im Gen. epexeget. und ist beispielsweise noch bei J o s Ant VIII, 15,5 §390; Bell 111,7,23 §245 belegt. JASTROW, Dictionary 221, gibt n^ia'pia mit „ K o p f ' wieder und verweist u. a. auf A b o t h 2,6; Sanh 65b; vgl. BRODIE, J o h n 545. Die entsprechende aram. Fassung KFl'pj'pj (ebd.) ist beispielsweise im Tg. Ex 16,16 u. ö. belegt. O b nun dieser O r t eine Schädelform hatte oder gar noch detailiertere .Gesichtszüge' erahnen ließ, oder o b generell jeder besonders hervorragende Fels so bezeichnet wurde (vgl. DALMANN, Orte 277, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 313 Anm. 9, RlDDERBOS, J o h n 608), kann offen bleiben; vgl. SENIOR, Passion 103. 583 Den Essigtrank aus M k 15,23, der wohl zur Betäubung der Schmerzen diente (vgl. GRUNDMANN, Markus 431f, GNILKA, Markus 316), hat der Evangelist aus theologischen Gründen bewußt ausgelassen, denn der geschundene König erleidet in vollem Bewußtsein Schmerz und Tod; vgl. im übrigen das unten auf Seite 2 2 8 - 2 3 7 Gesagte (Joh 19,28-30: Der König stirbt). - Zu den medizinischen Hintergründen der Kreuzigung (Annagelung der H ä n d e und Füße sowie die Körperposition am aufgerichteten Kreuz) vgl. PILZ, Tod 3 3 - 4 9 , der allerdings sein Augenmerk a u f die bildnerischen Darstellungen und nicht auf historisch mögliche Kreuzigungsvarianten richtet. Bemerkenswert ist jedoch sein Fazit, daß weder die Annagelung der H ä n d e noch der Füße einen Tod durch Verbluten hervorriefen (DERS., Tod 39.42f); zu der über mehrere Tage andauernden Agonie vgl. DERS., Tod 140-145 (dort auch z u m Sedile und Suppedaneum) und zu den Todesursachen vgl. unten Anm. 699.
Joh 19,16b-30
213
ständlich an, denn die mk. Ausdrucksweise ist klarer und leichter durchschaubar. J o h 19,18c begründet jedoch nicht nur jene Formulierung sondern auch die kompositorische Gestaltung. Die redaktionelle Wendung [IEÖOV 6e dient wie fjv 6e585 zur Präzisierung und Hervorhebung des dann folgenden Gedankens: Die Mitschuldigen interessieren den Evangelisten nicht, sie bedürfen daher keiner näheren Qualifizierung (wie bei Mk 15,27 Ar| criag bzw. Mt 27,38; Lk 23,33 xaxougyoug), und auch keines ausfuhrlichen Gesprächs (wie bei Lk 23,39-43; vgl. Mk 15,32b; Mt 27,44). Streng christologisch konzentriert sich der Evangelist auf die Darstellung des Ergehens Jesu 586 . Nicht nur theologisch, sondern auch kompositorisch stellt er Jesus in die Mitte 587 . Dadurch kann er jenen eingangs beschriebenen Rundblick durchführen und die Geschehensabfolge geordneter schildern als dies beispielsweise in Mk 15,24.25 der Fall ist. Nicht nur zum Zweck der einheitlicheren Szene, sondern auch aufgrund seines christologischen Interesses stellt der Evangelist den mk. Ablauf um und strafft ihn 588 . J o h 19,16b—18 stammt nicht nur aus Mk 15,20b.21.22.24.27, sondern steht im kompositorischen Gefalle von Lk 23,33 und wurde redaktionell im Sinne der joh. Theologie überarbeitet 589 .
584 Z u m joh. Vorzugswort EVTEOÖEV vgl. außerdem 2,16; 7,3; 14,31; 18,36 (sonst nur noch in Lk 4,9; 13,31; J a k 4,1; O f f b 22,2); dazu KNÖPPLER, theologia 143 A n m . 82. 585 Vgl. oben Anm. 117. 586 Vgl. GlBLIN, Narration 228 Anm. 22: „That J o h n does not employ the term [d. i. Xr|atr]i;; M. L.] in the scene o f the crucifixion (19,18) is easily explained: the contrast (Mark 15,27; Matt 27,38) is not operative there (nor is the comparison with criminals, as in Luke 23,32.33.39); it suffices to note that Jesus occupies the central position." Ähnlich BECKER, Johannes II 693. - Die Annahme DAUERs (Passionsgeschichte 171), der Evangelist habe daher redaktionell eingegriffen, u m zu vermeiden, daß Jesus doch als /.flotr)? gekreuzigt wird, ist unnötig. 587 Treffend MOLONEY, Gospel 502: Jesus als „the centerpiece o f a triptych o f crucified people". 588 Zur Tatsache, daß M k 15,23 nicht zwischen J o h 19,17.18 (bereits in Lk 23,33 vollzogen!) übernommen worden ist vgl. das unten auf Seite 2 2 8 - 2 3 7 Gesagte (Joh 19,28-30: Der König stirbt) zu J o h 19,29. 589 Traditon fur J o h 19,16b vermuten: BULTMANN, Johannes 517 Anm. 4 („bei J o h eine andere Tradition" als bei M k 15,21), DAUER, Passionsgeschichte 166, BECKER, Johannes II 692, SABBE, Account 5 5 - 5 7 (Mk 15,15c, bes. M t 27,16c und Lk 23,33b.c), Redaktion: REINBOLD, Bericht 171 (allerdings sei der Text nicht antidoketistisch ausgerichtet); V 17: Tradition: SCHNIEWIND, Parallelperikopen 79 (gemeinsame Tradition mit Lk 23,26.33), FREED, Q u o t a t i o n s 102 Anm. 2 ( M k 15,22), DAUER, Passionsgeschichte 173 (redaktionell überarbeitet), BECKER, Johannes II 693, MYLLYKOSKI, Tage I 124, SCHNELLE, Johannes 1810 (redaktionell V 17 überarbeitet), Redaktion: SCHMITHALS, Johannesevangelium 409 (Ortsangabe ist traditionell aus den Synoptikern); V 18: Tradition: FREED, Q u o t a t i o n s 102 Anm. 2 (Mk 15,27), DAUER, Passionsgeschichte 173 (redaktionell überarbeitet), BECKER, Johannes II 693, Redaktion: SCHMITHALS, Johannesevangelium 409 (traditionell aus den
214 2.1.4.3.
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse Joh
1. Analyse:
19,19-22:
Der
Titulus
J o h 1 9 , 1 9 s t i m m t in seinen s t r u k t u r b i l d e n d e n E l e m e n t e n
und
h i n s i c h t l i c h des A n k l a g e g r u n d e s w o r t g l e i c h m i t M k 1 5 , 2 6 ü b e r e i n : 26
rjv r| Erciygacpr) tf|c; a k i a c ; aiJioC emyeyQannevr]- 6
ßacaXeug
twv
'Iou-
6aiö)v. 19
eygaijiev 6e x a i t ' l t X o v ö r i i M t o ^ x a i e ö t i x e v e m xoß a r a u o o i r rjv 6e yeygatinevov
'Ir|ooCc; 6 Na^wgalog
ö
ßacaXeuc;
twv
'Iou-
öaiwv. D i e s e E l e m e n t e sind: eine A u f s c h r i f t , die o b e n a m K r e u z befestigt ist. Sie e n t h ä l t d e n K l a g e g r u n d : ö ßctcriXeii? twv 'Iouöaicov. E i n i g e U n t e r s c h i e d e lassen sich wie folgt erklären: 1) D i e B e z e i c h n u n g xirKoc, ist ein lat. L e h n w o r t des g r i e c h . ernygacpri 590 . E s ist eine b e s c h r i e b e n e Tafel, die d e n G r u n d für die V e r u r t e i l u n g n e n n t 5 9 1 u n d d e r e n h i s t o r i s c h e r H i n t e r g r u n d - bisweilen b e s t r i t t e n 5 9 2 -
in A n l e h n u n g etwa an S u e t C a l 3 2 , 2 ; D o m 1 0 , 1 ; C a s s
D i o 5 4 , 3 , 7 ; (vgl. O v i d Tristia IV,2,19f) z u v e r m u t e n ist 5 9 3 . D i e
Wendung
Synoptikern ist der Hinweis auf Schacher). SCHWARTZ, Aporien I 356, vermutet für 19,16f einen jüngeren Interpolator. 590 SABBE, Account 57, erklärt diesen Unterschied wie folgt: „The term t'itXo^, a Latin loanword, was chosen instead o f a l t i a (Mt) or fnt yo(ir| (Mk, Lk) perhaps because lt could imply a connotation o f honour." Seit wann lassen sich TiiA.05, a l t i a und £juyQaq)r| unter honour subsumieren? 591 BALZ, Ejuygacpri 64, beschreibt diese Tafel noch genauer: „eine mit weißem Gips bestrichene und mit schwarzen Buchstaben beschriebene Tafel, auf welcher nach röm. Brauch die Begründung der Verurteilung festgehalten wurde: 6 ßaai/Uü^ twv 'Iouöaiwv". Josephus bezeichnet David (Ant VII,4,1 §72) und Herodes d. Gr. (Ant XV,10,5 §373; XVI,9,3 §291) als ßaoiAEÜc; xöv 'Iou&aicov. 592 HAENCHEN, Historie 77, DERS., Johannesevangelium 551, BLANK, Johannes III 108f (eine entsprechende Tafel wurde vorausgetragen jedoch nicht am Kreuz festgenagelt), REINBOLD, Bericht 276. 593 Zum Text: Suet Cal 32,2: Ein Sklave ist getötet worden, es wird eine Tafel vorangetragen, auf der die Ursache seiner Bestrafung stand (praecedente titulo qui causam poenae indicaret); Dom 10,1: der Schuldige hat eine Tafel um den Hals gehängt, auf der steht: ,„Ein Rundschildmann, der gottlos geredet hat'" (Übers. WITTSTOCK, Sueton 459; detractum spectaculis harenam canibus obiecit cum hoc titulo: ,Impie locutus parnularius'); Dio Cassius 54,3,7: Ein Sklave wird durch die Mitte des Forums mit einer Aufschrift geschickt, welche den Grund seiner Verurteilung zum Tod kundtat (^Etd ygannatwv tr|v alttav if|5 ÖavatüoEU? aiixoö 6riA.ouvtiov). Hinzuweisen wäre auch noch auf die als „titulus" bezeichneten Holztäfelchen, die bei einem Triumphzug vorangetragen wurden und den Namen der eroberten Stadt enthielten; vgl. Ovid, Tristia IV,2,19f: „So kann das ganze Volk den Triumph schauen und mit den Ehrenmeldungen der Feldherrn die Namen eroberter Städte lesen" (Übers. LUCK, Ovid 151; ergo omnis populus poterit spectare triumphos, / cumque ducum titulis oppida capta leget) u. ö. Für historisch denkbar halten den Titulus: DAUER, Passionsgeschichte 176f, LEISTNER, Antijudaismus 136.210 Anm. 4, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 314, GRUNDMANN, Markus 322 Anm. 25, GNILKA, Markus II 320, DERS., Jesus 305, MOHR, Johannespassion 345 (Anm. 192 weitere
Joh 19,16b-30
215
xiBriixi em gefolgt von ygacpco entspricht dem mk. ernygacp«, verdankt sich aber in ihrer gesamten Szene joh. Komposition (vgl. V 20-22). Stilistisch deutlicher wird man rjv 6e als redaktionelle Überarbeitung annehmen 594 . Unübersehbar sind die redaktionellen Spuren hingegen anhand des erneuten Numeruswechsels zu erkennen. Noch in 19,16a übergibt Pilatus Jesus an die Soldaten draußen vor dem Prätorium. Jetzt ist man bereits draußen vor der Stadt (V 20), wobei vorausgesetzt ist, daß Pilatus mitgegangen ist. Es scheint hingegen historisch höchst zweifelhaft, daß Pilatus einen seiner Auffassung nach so unbedeutenden Messiasprätendenten bis zur Hinrichtungsstätte begleitete. Seine Einführung ist vielmehr ganz der letzten Auseinandersetzung mit jüd. Repräsentanten geschuldet (V 20-22) 595 . Den traditionellen Titulus aus Mk 15,26 ergänzt Johannes mit der bereits in 18,5.7 begegneten Herkunftsbezeichnung 'IrjcroOg 6 Na^cogaiog596. Die theologische Absicht dieser Einfügung erschließt sich aus der Berücksichtigung folgender Texte: 1,35-39.45-49; 18,5.7; 19,19. Jünger suchen (£r)"teco) den Messias, meinen aber in dem aus Nazareth stammenden Jesus nicht ohne weiteres den Richtigen gefunden zu haben (1,35-39.45-49). Textintern gibt Nathanael bereits eine wichtige Antwort: sein Bekenntnis zum ßaoiXeüg toi) 'IaQOtr|X597. Die wahrhaft .breite Masse' (18,3) antwortet auf ihrer Suche nach dem Mann aus Nazareth im PB mit der Proskynese (18,5.7). Die öffentlich sanktionierte Feststellung, die Johannes zugleich zu einer besonderen Form des Bekenntnisses gestaltet, wird jetzt unter dem Kreuz formuliert: Jesus, der Mann aus Nazareth, ist 6 ßaoiXei)^ töv 'Iouöaiuv598. Diese Behauptung mag angegriffen werden, es wird sich aber zeigen, daß sie als .assertio' nicht umgestoßen werden kann (V 20-22).
Belege), BEASELY-MURRAY, John 346; zurückhaltend BECKER, Johannes II 672; vgl. SCHNEIDER, Johannes 310, FREY, Erwägungen 391. Zu weiteren Einzelheiten vgl. das unten auf Seite 314-316 Gesagte (Das Motiv der Unschuld). 594 Vgl. oben Anm. 117; zur Wendung yEygannevov eot'iv vgl. 2,17; 6,31.45; 10,34; 12,14.16; 20,30. 595 Zur redaktionell ausgelassenen mk. Spezifizierung der amct vgl. das oben auf Seite 158 Gesagte mit Anm. 374. 596 Vgl. oben Anm. 56. 597 HEIL, Blood 85, sieht diesen Zusammenhang nur z. T., denn nicht erst Pilatus bestätigt jetzt, daß Jesus als König aus Nazareth kommt, sondern bereits Nathanael selbst. 598 SABBE, Account 57, will den Titulus in seiner Erweiterung ('Ir)ooOc; 6 Na^wgaiog) aus Mt 27,37 erklären. Der Evangelist „enhances the solemn character of Pilate's inscription, on which he further comments in v. 20. On the cross (...) the title functions as a public proclamation of Jesus' kingship to the whole world, to Jews and Gentiles" (ebd.). Es wird jedoch nicht recht deutlich, vor welchem Hintergrund die Steigerung des Titulus zu sehen ist, denn seine universalistische Richtung erhält er nicht durch die Hinzufiigung 'IriaoOg o Na^ugaTo?, sondern durch die multilinguale Fassung. Der Blick auf Mt 27,37 hilft also nicht weiter, um das joh. 'Iriooög 6 Nai^ugaToc; zu erklären.
216
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
Johannes hat 19,19 aus M k 15,26 übernommen und redaktionell überarbeitet 599 . J o h 19,20 ist der Beginn des eingeschobenen Stückes, das den Titulus problematisiert und eine letzte Auseinandersetzung zwischen Pilatus und jüd. Repräsentanten darstellt. Neben diesen kompositorischen Beobachtungen sprechen auch sprachliche dafür, in V 20 joh. Redaktion zu vermuten: ouv als oijv historicum; itoXXoi durch ein verbum finitum v o m Genitiv getrennt (4,39; 12,11; vgl. 6,60: ein Ptz.); 'IouöaToi als typisch joh. Bezeichnung; EX£LVC>5 als selbständiger Singular; OJTOU als eigentliche Ortspartikel (1,28; 4,20.46; 7,42; 10,40; 11,30; 12,1; u. ö.) 600 . Für die redaktionelle Sichtweise J o h 19,21 sprechen stilistische und kompositorische Gründe: ouv historicum; oi 'Iouöaloi und die elliptische Wendung aXk' ÖTI601. Kompositorisch greift der Evangelist in 19,21b auf 18,33.37.38a zurück. D o r t waren die konstitutiven Bedingungen des 6 ßaaiAeug TÖV 'Iou&atwv erläutert worden: Weil die Herkunft dieser Herrschaft nicht von hier ist, sind irdischen Machtsicherungsstrategen nötig, die für Jesus kämpfen müßten (18,36; vgl. 18,10f). Auch die Funktion dieses Königs ist aufgrund seines Zeugnisses von der göttlichen Offenbarungswirklichkeit mit einem anderen Anspruch verknüpft. D e m Anspruch, dem sich Pilatus mittels seiner Rückfrage meint entziehen zu können (18,38a), wollen auch die Hohepriester der 'Iouöaloi durch das nf| ygdcpe ausweichen. Sie wollen die Aussage egalisieren, indem sie sie als unbelegte These aus dem M u n d e J e s u darstellen. 599 Tradition: FREED, Quotations 102 Anm. 2 (Mt 27,37), DAUER, Passionsgeschichte 177 (redaktionell überarbeitet), BECKER, Johannes II 676f (Grundstock), MOHR, Johannespassion 347f Anm. 207 (Erweiterung des Titulus ist redaktionell), SABBE, Account 57 (aus Mt 27,37 mit Überarbeitung). Redaktion: SCHMITHALS, Johannesevangelium 409. 600 Zu oiv vgl. oben Anm. 68; DAUER, Passionsgeschichte 176, hält auch clvcti yrYQanntvov für redaktionell. Zu den Formulierungen 'Eßgaioxi, 'P.on«i &e xai WJ.rivioTt xai QidHa'ioxi EV 8E/.TG) xatoifj TOCTO avatEÖfivai.); Bell V,5,2 §194; VI,2,4 §125: die verschiedensprachige Schranke (Ö@0ctv nou ejtÖTiadv HE 0505 Ps 62(63),2: E&'njiriaev 001 r| t|)uxii Hou. Ps 42(41),3: EÖtiJiriOEV r\ ijiuxii Hou 11005 töv 8E6V TÖV Qüvia. Ps 22(21),16: r| yXwoaä (iou xtxbXXr\xai t u XaQuyyi uou. ( I Q H 4,11: ypin oipti: DKDX*?I ••'KOSD nsn nptra N I X I ? » i . ) Angesichts dieser Gegenüberstellungen wird a m ehesten zwischen Ps 69; 62; 42 zu entscheiden sein; am wenigsten ist an Ps 22,16 zu denken, da hier sogar eine Stichwortanknüpfung fehlt (anders HEIL, B l o o d 111). PANCARO, Law 330, votiert für Ps 69,22; 63,2, während sich OBERMANN, Erfüllung 350f, für Ps 69(68),22 entscheidet und die LXX als Vorlage vermutet. 652 Die Frage, an welche atl. Stelle(n) im einzelnen bei diesen ntl. Belegen gedacht ist, läßt sich nicht immer genau beantworten. 653 Obwohl mit ygaipri bisweilen konkrete Schriftstellen gemeint sein können (beispielsweise 19,24; vgl. dazu auch OBERMANN, Erfüllung 38-43), ist hier in 19,28 die Schrift als Ganzes hinsichtlich des TEXEIOOHCII im Tod Jesu gemeint. Dies ergibt sich durch das inkludierende T£TE>.EaTai aus 19,28.30; vgl. dazu THÜSING, Erhöhung 6 4 - 6 9 . 654 FREED, Q u o t a t i o n s 100f.l05f, erklärt die Wendung iva TEA.EIU8FJ r| yoacpii so, daß der Evangelist in M k 15,23 die entscheidende Anregung für seine Anspielung erfahren habe. Wenn seiner These, daß das J o h E v von den Synoptikern abhängig sei, grundsätzlich zuzustimmen ist, dann muß sein besonders betonter Verweis a u f M k 15,23 problematisiert werden: Der Gesamtaufbau der Perikope J o h 19,16b-30 (s. das oben auf Seite 2 0 7 - 2 0 8 Gesagte [Der König am Kreuz]) hat bereits deutlich gezeigt, daß M k 15,23 von Johannes aus-
230
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
Ist also einerseits der traditionelle Charakter für die Wendung l'va TEXELcoBrj r] yoacpr), J.Eyev ÖU|>Ü) wahrscheinlich, so ist doch auch redaktionelle
Arbeit erkennbar. Folgende Beobachtungen legen diesen Schluß nahe: 1) Bereits in Joh 19,24 ist ersichtlich, daß eine Anspielung auf einen atl. Text (Ps 22,19) aufgenommen, dann aber im Sinne der joh. Theologie präzisiert und in das Ganze eingefugt wurde. Dieselbe Vorgehensweise ist auch hier in 19,28 zu beobachten: Die Anspielung im MkEv auf Ps 69,22 wird aufgenommen und präzisiert. Ihre Einordnung in die joh. Theologie muß nun erfolgen. 2) Während Jesus den vom Vater gegebenen Kelch als modus perficiendi für das aufgetragene Heilswerk trinkt und sein Leben für seine Freunde dahingibt (18,11; 10,11.15.17; 15,13), ist der Kelch zugleich Heils-
kelch ( n i D l ü T 0 I 3 ) , ist er xö JTOTTIQIOV acorriQiou (Ps 115,4; 2 3 , 5 ) in der Hand des acoir|Q roß xöonou (4,42; vgl. ljoh 4,14)655. Auf beides kann sich daher öu[)w beziehen: auf das von Gott gegebene Heilswerk (4,34; 17,4),
d. h. auf das itävta TKieXeoiai, und auf die Schrift, d. h. auf xeXsicoöfi rj YQacp^.656 W. Kraus 657 hat zuletzt versucht zu zeigen, daß dieser doppelte Rückbezug unmöglich sei. Das Argument, TE^EIOW bedeute in 4,34; 5,36; 17,4.23 .vollenden' und nicht .erfüllen', ist überzeugend, jedoch ist in 19,28 der Erfüllungscharakter nicht vorschnell auszublenden: 1) die Schrifterfüllung ist überraschenderweise nicht mit jtXriQtüöfi, sondern mit i£/.£Lu8ri gestaltet. Der Leser/Hörer wird veranlaßt, den zuvor hinreichend bekannten und erläuterten Gedanken der Schrifterfüllung jetzt einzutragen: Am Kreuz wird die Schrifterfüllung vollendet. 2) Der Verweis auf eine erneute Schrifterfüllung in 19,36, die den vollständigen Abschluß in V 2 8 unmöglich mache, ist mit der Komposition von 19,16b-30 zu entkräften. Die ausgesprochen starke theologische Konzentration des Evangelisten auf V 2 8 - 3 0 läßt ihn jitaigoCuou vermeiden. Anders gewendet: V 3 6 f liefert mit dem textpragmatischen Hinweis V 35 Verstehenshilfen für V 2 8 - 3 0 6 5 8 . Der Einwand, V 2 5 - 2 7 stehe nicht im Rang der Schrifterfüllung, so gelassen bzw. aus der mk. Chronologie nicht übernommen wurde. Das überrascht um so weniger, als der betäubende oTvog nicht mit dem den Tod katalysierenden 0505 (s. unten zu 19,29) verglichen werden kann. 655 Eine Verbindung des 6it(>W mit 18,11 vermuten: BROWN, John II 930, DERS., Death II 1074, BERGMEIER, TETEAEXTAI 286.287, SENIOR, Passion 116, SCHNELLE, Johannes 1811, KNÖPPLER, theologia 255 (mit Anm. 75), HEIL, Blood 100, ZUMSTEIN, Johannes 145, JONES, Symbol 202. Unsicher ist SABBE, Account 61 Anm. 85. RIEDL, Heilswerk 102, sieht im 8ii|)u einen Aspekt der in 4,34 genannten Speise (ßoüna) Jesu, den Willen des Vaters zu tun und sein Werk zu vollenden. 656 Vgl. BERGMEIER, TETEAEZTAI 285f. 657 Johannes 15f. 658 So scheint beispielsweise BROWN, John II 908f, beide Stellen gegeneinander auszuspielen, wenn er meint, daß der Gebrauch von TEXEIOUUCÍI „in the present verse presumable implies that the fulfillment o f Scripture is brought to completion as Jesus passes from this life on the way to his Father. Actually, this is not the last Johannine reference to the
Joh 19,16b-30
231
daß der Rückbezug (uttä xovio) nicht durch den ganzen Vers (iva- und öxi-Satz) vorgenommen werden kann, ist nicht zwingend. Der Leser/Hörer wartet seit 2,4c auf die angekündigte Stunde, die die Mutter Jesu nun .sieht*. Insofern .erfüllt' sich Jesu angekündigte Stunde jetzt im Beisein u. a. seiner Mutter. J o h 19,28 stammt in seiner zweiten Vershälfte aus M k 15,36 (vgl. Ps 22,19) und ist in der jetzigen Form stark überarbeitet worden 659 . J o h 19,29 setzt durch eine redaktionelle Uberleitung V 28b fort. Diese Uberleitung benennt die inhaltlichen Voraussetzungen, die nötig sind, u m eine Reaktion auf das Jesuswort zu gewährleisten: oxeüoc; exeiro ö|ou.9ev eijöug ai(ia xai üöo)o einen Einschub 703 . Dies kann 1. durch den Zusammenhang von V 34b und V 35 und nicht von V 34b zu V 34a begründet werden. Es ist zwar das Heraustreten von Blut und Wasser als direkte Konsequenz des Einstichs gedacht, (DERS., Tod 86; vgl. 86-119, bes. 104f.ll2-116.117-119 [Skizze]); 3) die Ateminsuffizienz, die bei Angenagelten die Ausatmungsposition erschwere bzw. unmöglich mache (DERS., Tod 120-126). Diese drei Aspekte lassen sich jedoch seiner Meinung nach nicht gewichten (DERS., Tod 127f); 4) die Herzbeuteltamponade, die in J o h 19,34 anzunehmen sei und in einem Anwachsen der wasserähnlichen Flüssigkeit von 5~20ml auf bis zu 700ml im Herzbeutel bestehe und wohl im Zusammenhang mit der Geißelung (traumatischer Schock) zu erklären seien, das Herz-Zeit-Volumen sinke ab (s. 2; DERS., Tod 128-136). Sein Fazit: „Beim Tod am Kreuz liegt ein akutes Herzversagen vor, durch eine allgemeine Anoxie, hervorgerufen durch traumatischen Schock, orthostatischen Kollaps, Ateminsuffizienz und Herzbeuteltamponade vor" (DERS., Tod 137 z. T. gesperrt im Original). - Zu den medizinischen Hintergründen der Kreuzigung vgl. oben Anm. 583. 700 In 12,4 ist eine Ausnahme v. 1.; 18,22 ist traditionelle Sprache (vgl. das oben auf Seite 104f z. St. Gesagte ferner oben Anm. 189); sprachlich fallt noch auf, daß der Evangelist häufig i-'exoncu mit jigos konstruiert (vgl. 1,29.47; 3,2.20.21.26; 4,30.40.47; 6,5.17.37.45; 7,50; 8,2; 10,41; 11,19.29.45.46; 13,6; 14,6.18.28 u. ö.). Vgl. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 335, DAUER, Johannes 229, SCHNELLE, Christologie 229. 701 BECKER, Johannes II 706, verweist für das Durchbohren auf Tac Hist I 42. Zur Ausrüstung eines Fußsoldaten, zu der u. a. ein Speer gehört, vgl. J o s Bell 111,5,5 §95. Z u m medizinischen Hintergrund vgl. PILZ, Tod 30f.l33f: „Sicher ist offenbar, daß der Stoß ins Herz von der rechten Seite zwischen die fünfte und sechste Rippe, ca. 15 cm parasternal erfolgte" (DERS., Tod 31). 702 Zu wort- und stilstatistischen Belegen für 19,32-34a vgl. LORENZEN, Lieblingsjünger 55f Anm. 10, VENETZ, Zeuge 8 6 - 8 9 . Tradition: LORENZEN, Lieblingsjünger 55, BROER, Urgemeinde 215, VENETZ, Zeuge 94 (Nichtzerbrechen der Knochen und Lanzenstich), SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 335, DAUER, Johannes 228. Redaktion: THYEN, Literatur 2 5 0 f (gesamter V 34), HOFFMANN, Auferstehung 507 (eingefugte Erwähnung des Lanzenstiches), SCHMITHALS, Johannesevangelium 410. 703 Der Versteil stamme v o m Evangelisten selbst meinen: BARRETT, Johannes 534, LoRENZEN, Lieblingsjünger 57-59, BROER, Urgemeinde 212.214f, MOHR, Johannespassion 359f, SCHWEIZER, Zeugnis 381f, DAUER, Johannes 228f. Der Versteil entstamme einer postjoh. Redaktion: BULTMANN, Johannes 525, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 335 (eine spätere Bearbeitung), SCHULZ, Johannes 239f, RICHTER, Blut 141 (diese postjoh. Bearbeitung stehe im Widerspruch mit 6,41f, 10,30-33; 5,18; 19,7), THYEN, Literatur (42) 250f, BECKER, Johannes II 706, ZUMSTEIN, Johannes 148 (Anm. 58: „sakramentale Relecture"). Die Väterzitate zur antidoketistischen Deutung von 19,34b hat RICHTER, Blut 137-140, vorgestellt.
Joh 19,31-37
243
V 37 greift aber gerade nicht auf V 34b, sondern auf V 34a zurück. Die Vermutung liegt also nahe, daß die in V 34b beschriebene Konsequenz vom Evangelisten stammt. 2. Darüber hinaus spricht eine doppelte theologische Absicht für eine solche Einschätzung: 2.1. Joh 19,32-34a waren, wie oben gezeigt worden ist, von dem Gedanken geleitet, daß durch das Crurifragium der Tod der Gekreuzigten rascher eintreten sollte. Jesus ist bereits tot, die Konsequenz des Einstichs wird durch ai^a xal übcoo interpretiert 704 . Durch die Voranstellung von ai^a wird eine antidoketistische Spitze möglich, denn der Mensch besteht aus Blut (und Wasser; vgl. Gen 4,10; 9 , 4 - 9 ; Lev 17,14; Dtn 12,23; Ps 72,13fj Spr 1,18; bes. 4Makk 9,20) 7 0 5 . Die oben zu Joh 18,38a genannte - religionsgeschichtliche Parallele aus Cic NatDeor 1,49.68.71.73f hilft, den hier (Joh 19,34) angesprochenen Zusammenhang zu deuten: Cicero läßt dort die Frage nach der Gestalt der Götter (flgura deorum) damit beantworten, daß diese nicht ein Körper (corpus), sondern nur eine Art Körper (quasi corpus) sei; auch hätten sie kein Blut (nec habet sanguinem), sondern lediglich eine Art Blut (quasi sanguinem). Aber genau dieses quasi bzw. tamquam muß zu gedanklichen Schwierigkeiten fuhren, denn welche Züge und Eigenschaften (liniamenta atque forma) sollen jene .Skizzen-Götter* (adumbratorum deorum) haben (Cic NatDeor 1,75)? Eben solchen Hintergründen widerspricht der Evangelist, denn nicht ein ,Quasi-Körper' kann sterben, sondern nur ein wirklicher; der Gekreu-
704 Stilistische Gründe für diese Voranstellung („die Vermeidung des zweimal aufeinanderfolgenden Umlautes AI"; KNÖPPLER, theologia 257 Anm. 85) sind für die Koine nicht nötig, da IKor 15,50; Gal 1,16; Mt 16,17; Apg 15,29; 21,25; Heb 12,24 (vgl. Offb 16,6; l j o h 5,6) ebenfalls die joh. Reihenfolge (jcai al(ia) belegt ist. Im Rahmen des atl. Sühnekultes will KNÖPPLER, theologia 257 (vgl. DERS., theologia 67-101. [bes. 88-101].140.201-203.210-215.242f.270), das Wasser als Reinigungsmittel deuten, was sich nicht nur anhand von Sach 12,10 ("i|3W), sondern auch durch Joh 7,38f (vgl. l j o h 5,6.8) nahelege. Das Blut sei als Sühnemittel zu deuten (vgl. Ex 12,46): Der „gekreuzigte Jesus schafft Sühne für die Sünde des JCÖOHO? (1,29; vgl. l j o h 2,2; 4,10), spendet Leben (vgl. 6,51c.53-56) und Reinigung von Sünden (vgl. l j o h 1,7.9)" (DERS., theologia 257; vgl. THYEN, Synoptiker 103, HEIL, Blood 106f, KAMMLER, „Zeichen" 206f mit Anm. 49). Für Joh 1,29 brauchen kultische Hintergründe nicht eo ipso bestritten zu werden (vgl. z. B. BÖCHER, al(ia 92, DAUTZENBERG, ¿(ivög 169f; ferner LEROY, dcptrmi 439). So einlinig verwendet aber gerade das JohEv selbst ctl(ia nicht, denn es ist fast nur im eucharistischen Zusammenhang (s. unten) belegt. Zur Kritik hinsichtlich der Exegese von J o h 1,29 vgl. FREY, Eschatologie II 149 mit Anm. 147-149. THYEN, Erzählung 2042 Anm. 45, DERS., Synoptiker 102f (mit Anm. 54), HATINA, Context 213f, KAMMLER, „Zeichen" 207 Anm. 49, exegesieren ebenfalls unter Zuhilfenahme von Sach 12,10; 13,1; 14,8; Ez 47 und Joh 7,38 gehen; vgl. BARRETT, Johannes 534. 705 4Makk 9,20: Als der älteste der sieben Brüder auf das Rad gespannt das Martyrium erleidet, läuft Blut und Blutwasser über das Rad; vgl. dazu auch Belege bei BLLLERBECK, Markus 582f, SCHWEIZER, Zeugnis 382f Anm. 36-39; ferner WOLFF, Anthropologie 88-101, BÖCHER, cuna 88f.
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
244
zigte b e s i t z t kein , Q u a s i - B l u t ' , s o n d e r n wirkliches B l u t 7 0 6 ; 2 . 2 . d e r E v a n g e list e r m ö g l i c h t m i t dieser E i n f ü g u n g e i n e s a k r a m e n t a l e D e u t u n g . D i e s legt sich d a d u r c h n a h e , d a ß ai^ia fast a u s s c h l i e ß l i c h ( a u ß e r J o h 1 , 1 3 ) i m e u c h a ristischen
Zusammenhang
verwendet
wird
(6,53-56).
Auch
ÜÖWQ707
hat
n a c h 3 , 5 j e n e s a k r a m e n t a l e B e d e u t u n g , d e n n es verweist a u f die T a u f e 7 0 8 . D e r S i n n ist d e m n a c h der, d a ß i m G e k r e u z i g t e n die b e i d e n , die j o h . G e meinde begründenden
Sakramente ihren ,Haftpunkt' haben: Von
,oben
h e r ' f l i e ß t das B l u t , das £cor|v EV aütoig, also £wr|v aiwviov, e r m ö g l i c h t u n d die A u f e r s t e h u n g s i c h e r t (vgl. 6 , 5 3 f ) ; v o n , o b e n h e r ' f l i e ß t das W a s s e r , das, pneumatisch
vermittelt,
Rettung
bedeutet.
3. F ü r
jene
Abgrenzung
ab
V 3 4 b s p r i c h t das A u f t r e t e n des L i e b l i n g s j ü n g e r s in V 3 5 7 0 9 . D i e A b s i c h t ,
706 Antidoketistisch deuten 19,34b SCHWEIZER, Zeugnis 381-384, WLLKENS, Entstehungsgeschichte 14f, GRUNDMANN, Zeugnis 88, RICHTER, Blut 133-136, LORENZEN, Lieblingsjünger 57.59, HEER, Bild 43f, MOHR, Johannespassion 360 Anm. 63, SCHNELLE, Christologie 229, HENGEL, Schriftauslegung 280 Anm. 105; vgl. HUG, Einleitung 180f Anm. 1, SENIOR, Passion 125f, SCHMITHALS, J o h a n n e s e v a n g e l i u m 410, SIMON, Petrus 128, MOLO-
NEY, Gospel 509 (mit weiterer Verständnisebene). BECKER, Johannes 707, deutet lediglich vordergründig auf den natürlichen Tod, der sich zwangsläufig aus dem Lanzenstich ergebe. Es ist nicht einsichtig, weshalb MOO, Testament 218f, die christologische und soteriologische Deutung gegen die sakramentale und antidoketistische ausspielt, denn der Evangelist zeigt einerseits durch 19,34b sowie andererseits durch den weiteren Zusammenhang, daß hier Alternativen fehl am Platze sind. 707 DE BOER, Perspectives 2 9 5 - 3 0 3 , arbeitet das besondere Gewicht von HOL U&WQ anhand von 1,33; 3,5.22-26; 4 , 4 - 1 5 und 7,37-39 sowie l j o h 1,7-2,2; 5 , 6 - 8 heraus, um schließlich xai Ü8.CK; ix&oir\v 'Hgw&rig ¿ßaaävt^Ev). Zur Wendung E'LC; tva xoitov im Sinne von ,an einen Ort' stellen vgl. Jos Ant VI,6,5 §125: Saul stellt das Volk nach seiner Ermahnung an einen Ort, um das Los bzgl. des Schuldigen zu werfen (jiavrac; I'atriaiv de; tva TÖJIOV; vgl. lSam 14,40). 795 Vgl. HEIL, Blood 127f. 796 J o h 20,4 halten für redaktionell: HARTMANN, Vorlage 200, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 359. MYLLYKOSKI, Material 144, rechnet mit einer Kirchlichen Redaktion; WELLHAUSEN, Johannis 91, HAENCHEN, Johannesevangelium 569, MOHR, Johannespassion 394, vermuten eine spätere Hand (20,4f). 20,5 halten für traditionell: HARTMANN, Vorlage 200 (Tücher), NEIRYNCK, Tomb 174 (Lk 24,12), und redaktionell: SCHNAKKENBURG, Johannesevangelium III 359, MYLLYKOSKI, Material 144 (Kirchliche Redaktion), eine nachjoh. Lieblingsjüngerredaktion für V 4 f vermutet SCHMITHALS, Johannesevangelium 411 (vgl. DERS., Johannesevangelium 223: mit Rückgriff auf Lk 24,12). 797 J o h 20,6 halten für traditionell: HARTMANN, Vorlage 200 (Tücher), SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 359 (ab V 6b). Eine nachjoh. Redaktion vermuten WELLHAUSEN, Johannis 91, HAENCHEN, Johannesevangelium 569, HOFFMANN, Auferstehung 506, MOHR, Johannespassion 362; MYLLYKOSKI, Material 144, rechnet mit einer Kirchlichen Redaktion; eine nachjoh. Lieblingsjüngerredaktion vermutet SCHMITHALS, Johannesevangelium 411 (vgl. DERS., Johannesevangelium 223: mit Rückgriff auf Lk 24,12). 20,7 halten für traditionell: HARTMANN, Vorlage 200 (Ordnung im Grab), SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 359, SABBE, Arrest 216 (Mk 16,1; Lk 24,12). Eine nachjoh. Redaktion vermuten WELLHAUSEN, Johannis 91, HAENCHEN, Johannesevangelium 569, HOFFMANN, Auferstehung 506, MOHR, Johannespassion 394; MYLLYKOSKI, Material 144, rechnet mit einer Kirchlichen Redaktion; eine nachjoh. Lieblingsjüngerredaktion vermutet SCHMITHALS, Johannesevangelium 411 (vgl. DERS., Johannesevangelium 223 [Lk 24,12]). 798 Vgl. oben Seite 168.
Joh 20,1-18
267
felsfrei bezieht sich dieses Sehen auf die Begräbnisutensilien. Jene liegen je für sich zusammengefaltet (xwgic; evTetEiAiynÉvov), umgeben also nicht mehr den Leichnam und sind so Zeichen für das Auferstehungswunder 799 . Dieser ,Sehakt' fuhrt den Lieblingsjünger zum Glauben 800 . Er, der zwar zuerst am Grab war, aber erst als zweiter die Utensilien sieht, reagiert in angemessener Weise: Er glaubt. Damit erfüllt er jenen Zweck, der vom Evangelisten den Wundern beigelegt worden ist, sie sollen Glauben hervorrufen (11,15.42 ivaraoTEuan-ce;vgl. bes. 2,23; 11,40.45; ferner 2,11; 4,53; 6,14; 7,31; 9,35-38; 10,40-42; 12,11; 20,25.27.29a) 801 . Der Lieblingsjünger ist in diesem Verhalten Petrus ebenfalls .voraus'. Petrus betritt zwar zuerst das Grab und sieht auch die Binden mit Schweißtuch, jedoch fehlt die Angabe, die die Reaktion auf diesen Sehakt benennen würde, er bleibt auch hier .hinter' dem Lieblingsjünger .zurück' 802 .
799 Bisweilen wird dieser Z u g als Spitze gegen den Leichenraub gedeutet, so beispielsweise BAUER, Johannesevangelium 229, HAENCHEN, Johannesevangelium 568, BECKER, J o h a n n e s II 717f, RESE, Selbstzeugnis 96 A n m . 72; Stellen bei SCHNACKENBURG, J o h a n n e s evangelium III 367 A n m . 27. I m Gegensatz zu M t 27,64; 28,13.15 wäre der joh. Beleg ausgesprochen dürftig, zumal das LkEv nichts Vergleichbares kennt. Bereits BULTMANN, J o hannes 530 A n m . 7, STRATHMANN, J o h a n n e s 256, und HARTMANN, Vorlage 199.202 (in der jetzigen F o r m nicht thematisiert, wohl aber im ursprünglichen Bericht), sind hinsichtlich dieser D e u t u n g ebenfalls sehr zurückhaltend bzw. ablehnend. 800 Es ist umstritten, o b eine Steigerung innerhalb der ,Sehen-Verben' impliziert ist (Belege bei SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 368 A n m . 31). Der Z u s a m m e n h a n g legt nahe, daß in V 5 eher ein flüchtiger Blick gemeint ist: D e r Lieblingsjünger steht draußen vor d e m G r a b und blickt (kurz) hinein; erst als er im G r a b steht, kann er deutlicher sehen und d a n n auch glauben; vgl. BAUER, Johannesevangelium 229, HEIL, B l o o d 124f. Insgesamt verwendet der Evangelist verschiedene Verben eines verwandten Feldes (vgl. unten A n m . 841 und J o h 16,16; ferner A p g 1,9-11). 801 Z u m Z u s a m m e n h a n g SCHNELLE, Christologie 186-188; zu J o h 2 0 , 2 9 b s. das unten a u f Seite 2 8 7 - 2 9 3 Gesagte (Joh 2 0 , 2 4 - 2 9 : D e r Auferstandene und T h o m a s ) zur Stelle. 802 STENGER, Lektüre 221, will eine sich steigernde Linie entdecken: Bleibt Maria n o c h relativ weit v o m G r a b entfernt stehen, dann befindet sich der Lieblingsjünger bereits dichter beim Grab, während Petrus sogar in das G r a b hineingeht. STENGER verschweigt dabei allerdings, daß dieses Kompositionsmittel dazu dient, gerade der größten N ä h e des Petrus (!) die Reaktion des Lieblingsjüngers gegenüberzustellen: D e r Lieblings jünger sieht und glaubt; das kann von Petrus gerade nicht gesagt werden. Es überzeugt daher nicht, wenn er meint: „ A b e r auch das In-das-Grab-hineingehen impliziert ein Erkenntnismoment. Petrus geht als erster in das G r a b hinein u n d sieht Leinenbinden und Schweißtuch an verschiedenen Orten, die die Leere markieren, sieht also als erster die völlige Leere des G r a b s " (DERS., Lektüre 238). D i e Verschränkung der Szenen fuhrt nach STENGER zu einer „Gleichstellung der beiden" (DERS., Lektüre 238f). Zunächst ist d o c h vielmehr a u f 2 0 , 3 - 1 0 zu achten, denn eine .rückwärtige Exegese über K a p . 21' verstellt hier nur den Blick. J o h 6,68f bleibt d e m g e m ä ß i m selben Verstehenshorizont verhaftet wie M k 8,29ff. D a s heißt, bereits STRATHMANN, J o h a n n e s 257, deutet 2 0 , 1 - 1 0 sachgemäß: „ A b e r niemand kann übersehen, daß nach d e m vierten Evangelium d e m .anderen Jünger' der geistige Primat z u k o m m t " ; vgl. HEIL, B l o o d 125.
268
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
J o h 20,8 ist daher j o h . Redaktion 8 0 3 . J o h 2 0 , 9 deutet das Geschehen, i n d e m die Verstehensbedingungen gen a n n t werden. D e r Vers in seiner vorliegenden Gestalt s t a m m t in seiner ersten Vershälfte (ouöejico ... yoaqrfiv) wohl aus Lk 24,6.8: 6.8
nvrio0r|TE (...) E|ivr|a0r|av gr||ick&)v aütoö.
9
oijökjtm y a o f j & s i o a v rr)v yoacpf)v.
In der lk. Ostergeschichte werden die Verängstigten u n d Verunsicherten aufgefordert, an die W o r t e des Vorösterlichen zu denken (vgl. bes. Lk 9,22.31.44; 17,25; 18,31f, M k 8,31; d a z u M k 9,31; 10,32-34), u m sie aus der Perspektive des A u f e r s t a n d e n e n mit d e m leeren G r a b in V e r b i n d u n g zu setzen. D a b e i ist mit d e m 5ei i m m e r das i m A T A n g e k ü n d i g t e gemeint, ein v o n G o t t bestimmter, verheißener Weg, der in J e s u s v o n N a z a r e t h sein Ziel erreicht. J o h a n n e s argumentiert hier nicht anders: D i e Schrift als G a n z e s (vgl. 2,22; 10,35) 8 0 4 nicht in dieser Verstehensperspektive zu hören oder zu lesen, heißt, vorösterliches G e s c h e h e n nicht deuten zu k ö n n e n , die Situatio n .bleibt s t u m m ' . W i e in Lk 24,7.44.46 ist 6eT ein wichtiger Bestandteil des i m A T A n g e k ü n d i g t e n ( A u f e r w e c k u n g v o n den Toten) zu nennen: 7
ö t i 5 e l (...)
xai
rrj
toirr)
^(lega
av-
aaTfjvai. 44.46
6eI jt>.r|oöj0fjvai itävta ra yeyoannEva (—) x a i ävaörfjvai ex vejcqwv TT) TQixfl f)(I£Qa.
9
Öti 6eT
cojtöv
ex
vexqöv
av-
aatfjvai. Bleibt i m lk. Z u s a m m e n h a n g der hermeneutische Z u g r i f f , wie die D e u t u n g zu leisten ist, eher unklar, d a n n wird diese traditionelle Vorstellung innerhalb der joh. H e r m e n e u t i k deutlicher verarbeitet: D a s Schriftverständnis vollzieht sich i m R a h m e n des geistgewirkten nachösterlichen Erinnerns. N u r s o wird die Tempelreingung verständlich (2,22), nur s o .redet' der Einz u g J e s u (12,16), weil der v o m A u f e r s t a n d e n e n verliehene Geist dieses erinnernde Verstehen ermöglicht (7,39; 20,21f; vgl. 14,16; 15,26; 16,7.13) 805 . Die-
803 Redaktion: BARRETT, Johannes 538 (Zusammenhang von Sehen und Glauben), HARTMANN, Vorlage 201 (V 8a), SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 359, SCHNELLE, Christologie 187. Eine nachjoh. Redaktion vermuten WELLHAUSEN, Johannis 91, HAENCHEN, Johannesevangelium 569, H o f f m a n n , Auferstehung 506, MOHR, Johannespassion 394; MYLLYKOSKI, Material 144, rechnet mit einer Kirchlichen Redaktion; eine nachjoh. Lieblingsjüngerredaktion vermutet SCHMITHALS, Johannesevangelium 411 (vgl. DERS., Johannesevangelium 223: mit Rückgriff auf Lk 24,12). 804 Für den traditionellen Charakter von J o h 20,9 spricht sprachstatistisch noch OÖSejtu (7,39; 19,41). 805 Vgl. dazu MUSSNER, Sehweise 3 8 - 4 2 . 5 6 - 6 3 ; sowie BLANK, Krisis 215 (kursiv im Original): „Der Geist ist Grund und Ursache, .Prinzip' der johanneischen Vergegenwärtigungstheologie."
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ser pneumatologische Aspekt ist gegenüber dem leeren Grab festzuhalten! Ohne den nachösterlich verliehenen Parakleten, der das Leben, den Tod und die Auferstehung Jesu deutet, bleibt auch das leere Grab stumm 806 . Konnte J o h 20,9 in die joh. Hermeneutik eingeordnet werden, bleiben Probleme mit V 8. Wenn vom Lieblingsjünger gesagt ist, er sah und glaubte, dann sperrt sich V 9, der dies einzuschränken scheint 807 . Eine Glosse ist nach dem bisher Gesagten nicht nur unwahrscheinlich, sondern es ist auch der Versuch abzulehnen, von einem vorläufigen Glauben auszugehen, da JTIÖXE1JW absolut gebraucht wird. Auch der Vorschlag, V 9 dem LkEv zuzuordnen, wobei Johannes den Text übernahm, die Spannungen aber in seinem Evangelium stehenließ, schiebt das Problem eher der Unachtsamkeit des Evangelisten zu, als die jetzige Textgestalt zu erklären808. Vielleicht kommt man mit folgendem Vorschlag der Problemlösung näher: Erst die mit der Konjunktion OTI eingeleitete Vershälfte entfaltet die inhaltliche Begründung. Das heißt, der in V 8 berichtete Glaube des Lieblingsjüngers und das Wissen um die heilsgeschichtliche Notwendigkeit der Auferstehung fallen nicht zusammen 809 . Der Glaube an den gekreuzigten König und Auferstandenen ist nicht ursächlich mit dem Eoauvaw verbunden, das heilsgeschichtliche Querschnitte eröffnet (5,39; 7,52)810. 806 Vgl. SCHNELLE, A b s t a n d 91; ferner HOEGEN-ROHLS, J o h a n n e s 41f: „ D i e Aufersteh u n g ist für sie (den Lieblingsjüngsjünger u n d Petrus; M . L.) daher auch n o c h kein Geschehen, dessen Wirklichkeit sie erfassen könnten. In diesem Sinne b e f i n d e n sie sich d e m T e x t k o m m e n t a r v o n 2,22 g e m ä ß auch a m G r a b e J e s u n o c h in der Zeit vor J e s u Aufersteh u n g v o n den Toten". D e n „vorösterlichen D e u t u n g s v o r b e h a l t " (DIES., J o h a n n e s 43) benennt sie d o r t hinsichtlich 20,9. 807 BULTMANN, J o h a n n e s 530f. 808 SCHNACKENBURG, J o h a n n e s e v a n g e l i u m III 369, rechnet mit einer uns unbekannten, hypothetischen Q u e l l e , die vermutlich die Grabbesichtigung v o n M a r i a u n d Petrus berichtet habe. Diese sei d a n n d u r c h J o h 20,9 sachlich richtig abgeschlossen worden. D i e Erklärung löst das P r o b l e m allerdings auch nicht, denn es wird jener o m i n ö s e n Q u e l l e zugeschrieben. Wollte aber J o h a n n e s Anlaß zur Rekonstruktion jener Q u e l l e geben, i n d e m er V 9 derart präsentierte, o d e r ist nicht d o c h die k o m p o s i t o r i s c h e Endgestalt, v o n J o h a n nes durch die Niederschrift sanktioniert, zu klären?! Nicht viel anders liegen die D i n g e bei HARTMANN, Vorlage 209, dessen rekonstruierte Vorlage stimmig a b s c h l o ß u n d erst durch die joh. Redaktion die sachlichen u n d sprachlichen S p a n n u n g e n des vorliegenden Textes produzierte. Wenig überzeugend rechnet er mit einer sorglosen H a n d des Evangelisten. 809 D a s würde bedeuten, daß das Schriftzeugnis aus 5,39 zunächst unverständlich ist. Eine Auswirkung dieses Unverständnisses könnte d a n n 18,10f sein: Wenn Petrus mit d e m Schwertstreich verhindern will, d a ß J e s u s den v o m Vater gegebenen Becher trinkt, d a n n will Petrus letztlich in den Heilsplan Gottes eingreifen. U n p r o b l e m a t i s c h ist aber auch diese D e u t u n g nicht, denn das Schriftzeugnis in 5,39 wird quasi als .Beweismittel' jenen vorgehalten, die J e s u s nach 5,18 nach d e m Leben trachten, den 'IouSatoi, die d a m i t ihren Ung l a u b e n gegenüber J e s u s z u m A u s d r u c k bringen. - Vgl. SCHNEIDER, J o h a n n e s 319, der die Frage aber nicht weiter entfaltet. 810 D a s k a n n u n d d a r f nicht als negative Bewertung des ATs verstanden werden. Gegen eine solche Einschätzung spräche die bisher beobachtete Verwendung des ATs (vgl. da-
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2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
J o h 20,9 ist daher aus Lk 24,6-8.44.46 entnommen und joh. Hermeneutik eingeordnet 811 . Mit J o h 20,10 setzt der Evangelist das traditionelle Material fort. Es stammt aus Lk 24,12c: 12c cbtfjXöev iroög eauxöv (...) 10 äjtfjMtov ouv jtaXiv 11905 aütoug 01 ^aftritai. Im lk. Zusammenhang beendet Lukas mit dieser Bemerkung die Erzählung am Ostermorgen: Petrus sieht zwar die Leichenbinden, aber er geht nach Hause 0au(id£o)v xö ysyovö^. Johannes muß aufgrund eigener Intentionen Änderungen vornehmen 812 : Zunächst bedarf es einer Numerusänderung, da er Petrus in Auseinandersetzung mit dem Lieblingsjünger beschreibt. Sodann schildert V 9 bereits die Verstehensbedingungen, die auch das leere Grab erschließen, so daß nach dieser Bemerkung eine der lk. vergleichbare Formulierung mit Bauixd^w gestört hätte; sie kann daher entfallen813. Die erste Ostergeschichte innerhalb des joh. sandwich-agreements fuhrt der Evangelist mit einem deutlichen Signal zum Ende: Die Jünger kehren nun wieder heim. J o h 20,10 stammt aus Lk 24,12c und ist leicht überarbeitet worden 814 .
2. Interpretation: Am Ostermorgen sieht Maria das Grab offen, der gekreuzigte König ist fort und Anlaß für sie, bei Petrus und dem Lieblingsjünger zu klagen: Der, der die Sünde fortschafft (1,29 aioto), sollte nun selbst unauffindbar fortgeschafft (al'ow) sein? Die Sorge veranlaßt Petrus zu auch das unten auf Seite 3 2 2 - 3 2 8 Gesagte [Das Motiv der Erfüllung]). Vielmehr soll mit dieser Abgrenzung die hermeneutische Funktion des geistgewirkten, nachösterlichen Erinnerns hervorgehoben werden. 811 Einschränkend m u ß gesagt werden, daß diese hier vorgeschlagene Zuordnung angesichts von I K o r 15,4 ein allgemein bekannter, traditioneller Topos ist und nicht eo ipso auf das LkEv verweist (vgl. das oben auf Seite 229 Gesagte). - Tradition: HARTMANN, Vorlage 202f, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 369. BULTMANN, Johannes 530, und MYLLYKOSKI, Material 144, rechnen mit der Kirchlichen Redaktion. Eine nachjoh. Redaktio n vermuten: WELLHAUSEN, Johannis 91, HAENCHEN, Johannesevangelium 569, HOFFMANN, Auferstehung 506, MOHR, Johannespassion 394; eine nachjoh. Lieblingsjüngerredaktion vermutet SCHMITHALS, Johannesevangelium 411 (vgl. DERS., Johannesevangelium 223: mit Rückgriff auf Lk 24,12). 812 Zu ouv notXiv vgl. oben Anm. 68. 813 Diese Unterschiede sieht NEIRYNCK, T o m b 177, zu wenig, wenn er meint: „In 24. 41, too, Luke associates the two verbs: diriotouvtojv autwv ... xai Oauna^ovtuv. In J o h n the reaction is brought forward before the conclusion, ,they went back home' (v. 10)." 814 Tradition: NEIRYNCK, T o m b 177 (LkEv), SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 360 (Rückkehr des Petrus). Eine nachjoh. Redaktion vermuten WELLHAUSEN, Johannis 91, HAENCHEN, Johannesevangelium 569, HOFFMANN, Auferstehung 506, MOHR, Johannespassion 394. MYLLYKOSKI, Material 144, rechnet mit einer Kirchlichen Redaktion; eine nachjoh. Lieblingsjüngerredaktion vermutet SCHMITHALS, Johannesevangelium 411 (vgl. DERS., Johannesevangelium 223: Rückgriff auf Lk 24,12).
Joh 20,1-18
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und den Lieblingsjünger zum Grab zu laufen, u m die Sachlage in Augenschein zu nehmen. Auch hier ist Petrus wieder derjenige, der als Jünger Jesu die Situation nicht recht versteht: Er sieht die Leinenbinden und das Schweißtuch und doch .sieht' er sie nicht als Zeichen des Gekreuzigten. Jenen in den Tod gehenden Gottessohn kannte er schon in 18,10f nicht (vgl. 13,4-11.36-38). Neben ihm befindet sich der verstehende Lieblingsjünger, der zwar erst nach Petrus ins Grab geht, der aber die Leinentücher wirklich sieht, denn er sieht und glaubt. Er sieht und glaubt, daß der gekreuzigte König zwar in das Grab gelegt war, dort aber nicht blieb, sondern durch seine Auferstehung bestätigte, daß die Sünde der Welt fortgeschafft ist (vgl. 1,29). Der eingeborene Sohn hat als der Inkarnierte ewiges Leben geschaffen (vgl. 3,16); es ist JTQCOI815. Jenes Geschehen, das sowohl .Sehen' als auch ,Nicht-Sehen' im joh. Sinn hervorruft, ist bereits in J o h 11 vorabgebildet: Lazarus ist wirklich tot (11,17) - begraben in einem Höhlengrab (11,38) er stinkt schon (11,39) und ist mit Grabtüchern eingewickelt (11,44). Auch Jesus ist wirklich tot (19,34f), begraben in einem (Höhlen-)grab, das durch einen Stein verschlossen ist (20,1), eingewickelt in Grabtücher und ein Schweißtuch (20,7). Jedoch: Kommt Lazarus aus dem Grab heraus, dann muß er wenig später eben dort hin zurück (vgl. 12,10); Jesu Auferweckung zieht keine solche .Konsequenz' nach sich, als der Auferstandene geht er zum Vater. Vor allem aber muß Lazarus als „Wickelleiche" 816 von den fesselnden Binden befreit werden, er ist nicht selbst dazu in der Lage; Jesus hingegen hat diese signa mortis beiseite gelegt und ist auferstanden, ihn .bindet' (6eco) nichts mehr. 2.1.7.3. Joh
20,11-18:
Maria
und der
Gärtner
1. Analyse: Mit J o h 20,11a führt der Evangelist Maria erneut ans Grab. Die von ihm in V 1 geschilderte Situation fuhrt V 11 fort und benennt mit £LOTT|X£I e|(0 xtauoucra ihre Gemütslage, die in folgenden Gesprächen weiter entfaltet wird, in V 1 jedoch aufgrund der genannten Funktion noch nicht dargelegt werden mußte 817 . Diese weiterführende und überleitende Funkti-
815 Vgl. zu dieser Vorstellung Philo O p 33f: Es geht dort um den Schöpfungsmorgen. Gott, der das Licht und die Finsternis getrennt habe, habe eine Mauer zwischen ihnen errichtet, nämlich Abend und Morgen: Der Morgen bringe die frohe Botschaft, daß die Sonne bald aufgehen werde und allmählich die Finsternis zurückdränge (uv r) (¿EV JIQOEUayyO.iQiiai \ii\'hovxa ¡iXiov aviaxEiv figtua xö OJCÖTO? ävEiQyouoa, r| &' EOJIEQ« xaxa6ijvti EjuyivEiai r]/ä(i) trjv äSgoav toö ojiötoug (pogäv jigäcog EJCÖEXOHEVTI O p 34). 816 THYEN, Erzählung 2043 (kursiv im Original). 817 Gegen HARTMANN, Vorlage 204f. Der theologisch und kompositorisch motivierte Rückgriff auf J o h 11 ist bereits häufiger begegnet (vgl. beispielsweise das oben auf Seite 65.85.154f.253-258 Gesagte), er bestätigt sich angesichts von 11,39 hinsichtlich 20,11a er-
272
2. R e d a k t i o n s g e s c h i c h t l i c h e A n a l y s e
on legt für V I I a joh. Redaktion nahe. Der zweite Versteil (V I I b ) verwendet jtaoaxujtxoj, das durch Lk 24,12 im PB belegt ist. Dessen Koppelung mit Becogew bzw. ßXejtco unterstützt diese Beobachtung, wobei hier noch nicht geklärt werden soll, o b J o h 20,12 oder 20,14 (je Secogeco) die Bezugsgröße ist. Neben dieser Wortfeldbetrachtung spricht auch ein über M k 16,3 und Lk 24,4f.21 reichendes Motiv für Tradition: Die H o f f n u n g ist verloren, Sorge macht sich angesichts des Todes Jesu breit. Diese Hoffnungslosigkeit drückt sich in J o h 20,11b in dem Wort xXaico aus, das die ganze Situation überdeutlich prägt (vgl. V 13.15)818. Insgesamt ist J o h 20,11a joh. Redaktion, während V I I b Tradition seiner Gemeinde ist 819 . Die Bestimmung von Tradition und Redaktion in J o h 20,12(.13) erweist sich als problematisch, da sowohl traditionelle wie redaktionelle Züge erkennbar sind. Als traditionell ist das Engelmotiv innerhalb der Ostergeschichten aufzufassen, denn es taucht in M k 16,5-7 und Lk 24,4 auf. D a z u zählt nicht nur die nähere Beschreibung der Kleider (Mk 16,5: öToA.r|v XEVxr\v bzw. Lk 24,4: ev EOÖfjTi äaTQCCTTTOuari)820, sondern auch das Sitzen an der Stelle, wo Jesus lag (Mk 16,5) und vor allem der Zahl der Engel (zwei; Lk 24,4). Dies ist in J o h 20,12 aufgenommen worden. Diese traditionellen Motive wurden jedoch stark überarbeitet. Das Engelmotiv hat in seiner inhaltlichen Bedeutung eine entscheidende Veränderung erfahren: Hatten die Engel nach den Synoptikern noch die Aufgabe, eine Botschaft weiterzugeben (Mk 16,6f; Lk 24,5-7), so entfallt diese im JohEv. Statt dessen wird die Frage gestellt: „Frau, warum weinst du?" Dabei wird auf x\ai aus V 11 zurückgegriffen. Auch die Angabe, wo der Engel sitzt (Mk 16,5), ist deutlich überarbeitet worden, denn zwei Engel sitzen am K o p f und am Fußende. Ist die oben vorgetragene Exegese zu J o h 20,7 angemessen, nach der mit , K o p f das Besondere, Vornehme (vgl. Jes 9,13f) gemeint ist, dann sind die Füße dasjenige, was nur noch als Letztes gewa-
neut. In der sperrig erscheinenden Konstruktion r| ä8£/j(ji] xoC tete^-euttixoto^ Md@8oc wirkt die Namensnennung fremdartig, denn dies ist nach 11,19 bekannt, und vor allem ist sie in 11,28 wieder am Grab. Zu Recht erklärt BROWN, J o h n I 426, dies wie folgt: „This Gospel, however, does show a tendency to reidentify the dramatis personae." Dieses von BROWN jedoch nicht auf 20,11a angewandte Verfahren trifft insoweit, weil hier durch die überleitende Funktion von V I I a eine ,Re-Identifikation' mit der Maria aus V 1 erfolgt. Unter formgeschichtlichen Gesichtspunkten urteilt LABAHN, Jesus 521, hinsichtlich solcher Parallelen ablehnend. 818 Q u a s i als doppelte Themenangabe hat der Evangelist jcXaiü) in V IIa vorgezogen, so daß diese Ausgangssituation noch verstärkt wird. 819 Tradition: BROWN, J o h n II 1004, SCHMITHALS, Johannesevangelium 411 (V IIb). Eine spätere Redaktion vermutet HARTMANN, Vorlage 205, eine nachjoh. vermuten SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 360, MOHR, Johannespassion 394 (V IIa). 820 Vgl. Mt 28,3: r) ti&ta auxoü ¿ 5 doiDanf] x a l t ö Ev&una aütoC Xeuxov %us>v.
Joh 20,1-18
273
sehen werden muß, um den ganzen Körper rein sein zu lassen (Joh 13,10). Beide .Enden' sind je von einem Engel besetzt und rahmen den ehemals toten, gekreuzigten König ein. Darüber hinaus verweist der Evangelist auf 11,44; 12,10: Der auferweckte Lazarus muß wieder sterben. Legt diese theologische Intention joh. Redaktion nahe, dann kann dieses Ergebnis durch eine kompositorische Beobachtung zu xai Secogei ergänzt werden, das in seiner Zuordnung zu V 11.14 noch offen ist: Der Evangelist nimmt die Wendung xai Seogel aus V 14 (s. unten) vorweg, um sein redaktionelles Stück einzuleiten 821 . J o h 20,12 ist daher komplett als stark redaktionelles Stück mit traditionellen Einzelelementen anzusehen 822 . J o h 20,13 besteht zu weiten Teilen aus Doppelungen: Die Wendung yuvai, xi xXaiosig kommt wortgleich in V 15 vor. Die zweite Vershälfte stimmt beinahe wortwörtlich mit V 2 b und ist von Johannes in einem Eigenzitat aufgenommen worden: 2b
F|Qav
13
FIGAV TÖV XUQIOV
TÖV JCIJOIOV
(...)
oüx
[iou, xai
ovx oiöa
OIÖAUEV
JTOÖ
eßr^xav atköv.
JTOÖ
E'Brixav aütov.
Darüber hinaus ist das oüx-oiöa-Motiv noch einmal in V 14b greifbar; ferner findet sich auch in V 15b die Formulierung JTOÖ eörixag autöv. Worin liegt aber nun der Sinn dieser massiven Doppelungen seitens des Evangelisten? Da inhaltliche Fortfuhrungen fehlen, ist die .Technik des retardierenden Moments' zu vermuten: Die Engelerzählung wendet die große Sorge Marias (V 11 xXaioi) nicht, sondern greift sie nur noch einmal verschärfend auf. Der Leser/Hörer weiß, daß die Engel diese Sorge nicht nehmen können, sondern nur der Auferstandene kann die Situation .wenden' (vgl. V 14a)823. Der Zielpunkt dieses retardierenden Moments muß in V 14a gesehen werden, der nur vordergründig und vorläufig einen sinnvollen Handlungsablauf zu ermöglichen scheint, denn Maria wendet sich um. Diese Drehung wird jedoch in V 16b erneut vollzogen, was textintern völlig unver-
821 Ahnlich hatte er auch in 11,21 gearbeitet: Die traditionelle Wendung nou djitSaVEV 6 Ä&ETAPOG aus 11,32 wird zur Einleitung eines redaktionellen Stückes in 11,21 vorweggenommen (ditESavEV 6 ä&EX(p6s Hou); vgl. STENGER, Auferweckung 191f, FORTNA, Gospel 80f, SCHNELLE, Christologie 145.147, LABAHN, Jesus 514f. - Sprachstatistisch mutet ÖJIOU redaktionell an, das einem ausgelassenen, aber leicht zu ergänzenden IxtX folgt: 3,8; 14,3; 17,24; 20,12.19 (in 12,26 mit EKEI). 822 Tradition: BARRETT, Johannes 541 (unsicher: Synoptiker oder ihr sehr ähnliche Tradition), BROWN, J o h n II 1004, NEIRYNCK, Tomb 172 (Synoptiker), SCHMITHALS, Johannesevangelium 411, SCHNELLE, Johannes 1812 (Grundmotiv). Redaktion: SCHNELLE, Johannes 1812. Eine spätere Einfügung vermuten HARTMANN, Vorlage 205, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 360. 823 Es ist angesichts dieser Komposition keineswegs ratsam, V 13 oder gar V I I b - 1 3 als einen sekundären Einschub zu eliminieren, wie dies FORTNA, Gospel 139, tun will!
274
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
ständlich ist, denn nun würde sie Jesus den Rücken zukehren, V 16b. 17 wäre kaum vorstellbar824. Vordergründig darf demgemäß V 14a ebensowenig verstanden werden wie das unruhige Pendeln des Pilatus .zwischen zwei Welten' (18,28-19,16a). Das zu V 13 Gesagte erschließt hier die theologische Dimension der Bewegung in gleicher Weise wie die des Pilatus: Für Maria ist die Situation ausweglos, sie ist .verdreht'825, so daß es nun desjenigen bedarf, der durch sein vollmächtiges Wort die Situation und Maria selbst .umkehrt'826. Joh 20,13.14a sind als joh. Redaktion anzusehen827. Mit xal B E C O Q E T wird die V IIb begonnene traditionelle Begegnungsgeschichte fortgesetzt. Maria sieht Jesus stehen, ohne zu wissen, daß es Jesus ist. Diese Begegnungsgeschichte kann zunächst bis V 16 verfolgt werden, denn dort erkennt Maria im Gärtner Jesus. Die traditionelle Form legt sich durch einen Vergleich mit Lk 24,15-31 nahe: Die Emmausjünger erkennen Jesus nicht, der sich zu ihnen gesellt. Als sie ihm betrübt den Grund für ihre Sorge schildern (V 17-24), deutet Jesus die Ereignisse (V 25~29), ehe er erkannt wird (V 30f). Auch hier in Joh 20,14b-16 erkennt Maria Jesus zu-
8 2 4 Anders BULTMANN, Johannes 5 3 2 Anm. 1: „Das oTgacpctoa darf schwerlich als mit dem eaTQdcpri V. 14 konkurrierend aufgefaßt werden, sodaß die kritische Ausscheidung von V. 1 2 - 1 4 a den Anstoß beseitigen würde. Denn bei den V. 15 gesprochenen Worten muß sich Maria d o c h auch schon Jesus zugewandt haben. Das atgaipttoa bedeutet die plötzliche und lebhafte Bewegung auf ihn hin, wie das
uou
ÜJITOU
V. 17 zeigt (...)." HAEN-
CHEN, Johannesevangelium 570, will das doppelte otDEcpoj wie folgt lösen: „Sollte der Ergänzer in V. 14 nur an ein Umwenden des Kopfes gedacht haben, dem nun das Umdrehen des ganzen Körpers folgt?" Ähnlich MOLONEY, Gospel 528. DERRETT, Miriam 174f, sieht in OTQaqjEiaa einen „change o f m o o d " (175) impliziert. Auch wenn NEIRYNCK, Tomb 172, in V 14a das Ende der Engel-Geschichte zutreffend bestimmt, dann m u ß - gegen NEIRYNCK -
zwischen dem traditionellen V 11.15
(xXaioj)
und dem redaktionellen V 13
(jiXaico) insoweit unterschieden werden, als V 13 deutlich die Spannung erhöhen will, um so die Begegnung des Auferstandenen mit Maria besonders zu betonen. 825 Vgl. BLANK, Johannes III 168f. 8 2 6 Diese Zusammenhänge werden von HARTMANN, Vorlage 205f, übersehen. Eine Konkurrenz zwischen der Erscheinung der Engel und der Erscheinung Jesu ist angesichts dieses und des im folgenden Dargelegten wenig sinnvoll; gegen DERS., Vorlage 219 Anm. 55. HERGENRÖDER, Herrlichkeit 466, will die Gesamtszene mit einem Tunnel vergleichen, „der das Sichtbare mehr und mehr freigibt" (vgl. dazu auch seine These von der Vorordnung des Sehens vor das Hören innerhalb der Ostergeschichten; DERS., Herrlichkeit 526). Dieser Vorschlag ist wenig überzeugend, weil der Evangelist die Trauer Marias bis in 20,15 berichtet, ehe er schlagartig (V 16) von ihrem .Sehen' erzählt; so zu Recht DERS., Herrlichkeit 476f, wo er auf J o h 10,2f verweist; vgl. SCHENKE, Johannes 375. 827 J o h 20,13 halten für traditionell: BROWN, J o h n II 1004, SCHMITHALS, Johannesevangelium 411; als redaktionell sieht diesen Vers SCHNELLE, Johannes 1812. HARTMANN, Vorlage 216, schreibt V 13 einem späteren Redaktor zu. 20,14a halten für redaktionell: BROWN, J o h n II 1004, SCHNELLE, Johannes 1812. Eine spätere Einfügung vermuten HARTMANN, Vorlage 2 0 5 , SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 360.
J o h 20,1-18
275
nächst nicht. Traurig fragt sie den Gärtner nach dem Leichnam, ehe jener das .umwendende Wort' spricht (V 16). Einerseits sind wichtige Elemente parallel: betrübte Menschen am Ostertag, Nicht-Erkennen Jesu, Situationsänderung. Andererseits muß gegen eine literarische Abhängigkeit von Lk 24 und deren redaktioneller Neugestaltung durch Johannes dreierlei festgehalten werden: 1) Es fehlt die Auslegung Jesu, daß er all dies leiden mußte (Lk 24,25-29). Diese am Ostermorgen für die Emmausjünger höchst .aufschlußreiche' Exegese hätte Johannes ohne weiteres auch sagen können, vorausgesetzt, man wollte V 14b-16 komplett der joh. Redaktion zuweisen. Johannes gibt aber in V 14b-16 unverändert seine der Gemeinde entstammende Tradition wieder. 2) Der Fortgang dieser Geschichte ist bei Lukas gänzlich anders als bei Johannes: Dort verschwindet Jesus auf wundersame Weise so, wie er kam (vgl. Lk 24,15), während Maria aufgefordert wird, Jesus nicht zurückzuhalten. 3) Maria Magdalena ist in den ältesten Uberlieferungen bes. in der Passions- und Ostergeschichte erwähnt, eine redaktionelle Einfügung ließe sich nicht erklären828. F. Neirynck 8 2 9 meint, daß J o h 2 0 , 1 4 b . l 6 f aus Mt 28,9f stamme. D e n gewichtigsten Einwand, daß M t nichts v o n einer abgewiesenen Berührung sagt, will er mit d e m Verweis auf die Struktur entkräften: uri nou ÜJTTOD sei auf M t 28,10 zu beziehen, it „seems to imply that the prostration should c o m e to an end" 8 3 0 . Diese Erklärung überzeugt nicht. Selbst wenn m a n J o h 20,17 v o n M t 28,10 und weniger v o n V 9 ableitet, dann bleibt unübersehbar, daß der Auftrag J e s u in M t 28,10 an Frauen ergeht, die zuvor J e s u s als den Auferstandenen angebetet (!) haben (ejfoömiaav aüxoO 10Ü5 jto&a^ jcai ji@oa£xüvr]oav). Dieser Zusammenhang (Niederfallen und Anbeten) ist weit verbreitet 831 , aber gerade nicht in J o h 20,16f vorausgesetzt, wiewohl J o h a n n e s nicht nur jene Vorstellung kennt (4,20.21.22.23.24; 9,38; 12,20), sondern auch i m PB verwendet (18,6). J o h 20,14b. 16 ist daher von M t 2 8 , 9 f nicht abhängig 8 3 2 .
828 Vor allem Joh 20,lla.l2-14a war mit Hilfe des kompositorischen Verfahrens des Vorziehens aus dem traditionellen Material verständlich geworden und stellt daher keinen Widerspruch dar. 829 Tomb 166-171, vgl. THYEN, Synoptiker 105-107 (bes. 107). 830 NEIRYNCK, Tomb 169. 831 rigorocuvEü): ... mit nimw Mt 2,11; 4,9; 18,26; Apg 10,25; IKor 14,25; O f f b 4,10; 5,14; 7,11; 11,16; 19,4.10a; 22,8; ... mit tiGrini Mk 15,19; mit w a t e « Mt 28,9; zum atl. Hintergrund vgl. n n ä : ... mit n p Gen 24,26.48; 43,28; Ex 4,31; 12,27; 34,8; Num 22,31; lSam 24,9; 28,14; l K ö 1,16.31; lChr 29,20; 2Chr 20,18; Neh 8,6; ... mit Jos 5,14; Hi 1,20; ... mit »"13 Esth 3,2.5; 2Chr 29,29; Ps 95,6; ferner Gen 19,1; 42,6; 48,12; Num 22,31; 2Sam 14,33; 24,20 u. ö. 832 MOHR, Johannespassion 397-399, REINBOLD, Bericht 32 (mit anderer Argumentation).
276
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
D i e Szene fügt sich v o n J o h 2 0 , 1 4 b - 1 6 v o r t r e f f l i c h in die gesamte j o h . T h e o l o g i e . D e r Evangelist n i m m t in V 14a axoecpw vorweg, das Verb wird hintergründig z u m A u s d r u c k der vorläufigen O s t e r e r f a h r u n g : D i e Situatio n ist .verdreht' 8 3 3 , d e n n der A u f e r s t a n d e n e wird für den G ä r t n e r 8 3 4 gehalten, der d e n L e i c h n a m weggelegt 8 3 5 h a b e n soll. Erst m i t J e s u A n r u f ä n d e r t sich für M a r i a die Situation (vgl. 11,43), sie erkennt in i h m den ihr vertrauten R a b b i . J o h 2 0 , 1 4 b - 1 6 sind der aus der j o h . G e m e i n d e s t a m m e n d e n Tradition zuzuordnen836. In J o h 2 0 , 1 7 a wird J e s u z u r ü c k h a l t e n d e R e a k t i o n a u f M a r i a s E r k e n n t n i s berichtet. W i e gesehen ist sie eine wichtige U n t e r s c h e i d u n g zu Lk 2 4 u n d verweist a u f j o h . Tradition: M a r i a ist es nicht m e h r m ö g l i c h , d e n irdischen J e s u s z u r ü c k z u h a l t e n 8 3 7 . E r k a n n weder als u n a u f f i n d b a r e Leiche, n o c h als G ä r t n e r n o c h als der ihr vertraute R a b b i festgehalten werden. V i e l m e h r
833 S. Anm. 825. 834 HANSON, Gospel 227-230 (vgl. DERRETT, Miriam 178), meint, mit Hilfe von Hhld 5,5fj 3,4 das Garten-Motiv deuten zu können. Er verweist auf die auferstehungstheologische Deutung in Schabbath 88b mit den genannten dazugehörenden Grabbeigaben. Jedoch erweist sich nicht nur die Datierung der rabbinischen Traktate als höchst problematisch (vgl. MÜLLER, Datierung passim), eine Beziehung zwischen der Geliebten, die ihren Freund schmerzlich vermißt, und J o h 20,14-18 ist m. E. am Text nicht zu verifizieren. Zur Kritik am Garten-Motiv vgl. oben Anm. 765. 835 Zu ßctoTG^w im Zusammenhang mit dem Forttragen eines Leichnams vgl. Jos Ant 111,8,7 §210; Ant VII,11,7 §287. Vgl. dazu BARRETT, Johannes 541: „In diesem Vers gebraucht J o h wieder einmal das literarische Mittel, durch ein anfängliches Mißverständnis Erleuchtung zu bewirken; tatsächlich ist dies das vollendetste Beispiel dieses Mittels, denn hier wird nicht eine Metapher, sondern Jesus selbst falsch verstanden." 836 Tradition: ALSUP, Resurrection 210 (V 14b-16), HARTMANN, Vorlage 206 (V 14b-16), SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 360 (V 14b-16), MOHR, Johannespassion 400 (V 15f: mit leichter Überarbeitung), NEIRYNCK, Tomb 166-171 (V 14b.l6), SCHMITHALS, Johannesevangelium 411 (V 14-16). Redaktion: BULTMANN, Johannes 529, BROWN, John II 1004, HARTMANN, Vorlage 206 (Übersetzung). 837 Zum Imp. Präs. mit nrj, der durativen Sinn haben kann vgl. B D R §336.2 Anm. 4.5; dazu J o h 19,21 (jr| ygacpe (,es soll nicht länger geschrieben stehen, was Pilatus zuvor schrieb'); Joh 20,17 \ (iou äntou („was schon geschehen oder versucht ist"; B D R §336 Anm. 4); vgl. dazu BAUER, Johannesevangelium 54f. Zum Sinn vgl. BLANK, Johannes III 170f: „In solcher Weise gehört das .Anfassen' zu den elementaren Weisen, wie der Mensch in der Welt die äußere Realität wahrnimmt. Dann aber kann die Wendung: ,Faß mich nicht an' nur besagen, daß der Auferstandene nicht auf solche welthafte Weise wahrgenommen werden kann. (...) Erst recht kann man den Auferstandenen nicht in dieser Welt festhalten." Zum Zusammenhang mit 20,27 vgl. SCHNELLE, Johannes 1811: „Unverkennbar ist eine Steigerung der Gegenwart des Auferstandenen in die Leiblichkeit hinein. Sehen der Lieblingsjünger und Petrus nur die Leinenbinden im leeren Grab (Joh 20,5.6f), so erscheint Jesus bereits Maria Magdalena, ohne daß sie ihn berühren darf (Joh 20,17). Den Jüngern zeigt Jesus dann seine Wundmale (Joh 20,20), und Thomas darf die Wundmale sogar berühren (Joh 20,27), um so die Identität des Auferstandenen mit dem Gekreuzigten
Joh 20,1-18
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muß Jesus zuerst zum Vater zurückkehren (vgl. 3,13; 6,62). Traditionell dürfte der dann folgende Auftrag an Maria sein, den sie Jesu Brüdern ausrichten soll (vgl. Mt 28,10; Lk 24,33a) 8 3 8 . In V 17c wird der Inhalt erzählt. Dabei fällt jedoch die Konkurrenz zwischen oijjtco avaßeßr|j,e]), sondern ist der Aufhänger für das in V 2 9 abschließend formulierte öti eüqaxac, ne neraötEuxag; ^axagioi oi |xf| iöovteg xai möTeijaavteq900.
Der Evangelist hat J o h 20,27 selbst gebildet, er verdankt die Anregung aber Lk 24,41b-43 9 0 1 . J o h 20,28 beschreibt die Reaktion des T h o m a s auf die Berührung des Auferstandenen: Er formuliert das angemessene höchste Bekenntnis 902 . Nicht nur sprachlich (drtexDL&ri x a i Eijtev 9 0 3 ), sondern auch kompositorisch erweist sich dieser Vers als joh. Redaktion. Es ist auf 20,16-18 zu achten: D o r t hatte Maria den Auferstandenen erst nach dem .umwendenden Wort' als solchen erkannt und zunächst mit o a ß ß o u v i geantwortet, ehe sie in V 18 ebenfalls bekenntnismäßig ö xugiog (vgl. 20,2.13.20 [21,7bis.l2]) verwenden kann. Die Anrede löst ihr Vexierbild auf, sie erkennt im Auferstandenen den Irdischen und umgekehrt. Auch hier in V 2 4 f f prägt Thomas eine verwirrende Situation, denn auch er kann den Auferstandenen zunächst nicht mit dem Irdischen identifizieren. Eine Möglichkeit, dies tun zu können, gewährt ihm der Auferstandene eine Woche später: Die das Vexierbild auflösende .Formel' besteht - anders als in V 16 - nicht in der bloßen Anrede, sondern in der Aufforderung, die Identifikation drastisch vorzunehmen 9 0 4 . Auch für ihn wird dies zur klärenden Begegnung 9 0 5 , er antwortet
900 DAUER, Johannes 256f, wirft die Frage auf, o b V 25b.c.27 traditionell oder redaktionell seien. Spreche Lk 24,39 in seiner Parallele eher für Tradition, dann sei die bewußte dramatische Gestaltung seitens des Evangelisten eher ein Indiz für Redaktion. DAUER bevorzugt dann jedoch eine dritte Möglichkeit: Die Aufforderung Jesu stamme aus der Quelle, wobei der Evangelist die Plur.-Form in den Sing, umgeändert habe. Demgegenüber weisen folgende Gründe V 25.27 komplett auf joh. Redaktion: 1) die soeben aufgezeigte redaktionelle Umstellung von V 27 gegenüber V 25; 2) der in V 25 bereits begegnete Zusammenhang von Wunder und Glaube; 3) die oben Seite 280 gezeigte parallele Gestaltung von V 20.25.27. Wurde das literarische Verfahren der Eigenzitierung angemessen beschrieben, dann ist es wahrscheinlicher, in V 20 Tradition anzunehmen, die der Evangelist redaktionell in V 25.27 variierend aufnahm. 901 Redaktion: BULTMANN, Johannes 537f, HARTMANN, Vorlage 213 (V 27b.c), DAUER, Herkunft 60, DERS., Johannes 251, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 390f, BECKER, Johannes II 741, KOHLER, Kreuz 162, SCHNELLE, Christologie 157f, SCHMITHALS, Johannesevangelium 413. 902 Unsachgemäß verkürzt STENGER, Lektüre 229: „Der Glaube entsteht vielmehr durch das nicht sehende Eingehen auf das apostolische ,Wir haben den Herrn gesehen!'" 903 RUCKSTUHL, Einheit 198; im Anschluß DAUER, Herkunft 64. 904 Religionsgeschichtlich ist vor allem auf Philostr VitAp VIII, 12 zu verweisen: Apollonius verschwindet gegen Ende seines Lebens geheimnisvoll aus dem Gerichtssaal (&caHÖviov TE JCAI oü QA&iov EIJTETV T Q O J I O V ) , in dem er v o m Kaiser Domitian verhört worden ist (VitAp VIII,8). Er erscheint, gemäß seiner Ankündigung (VitAp VII,41), zwei seiner Jünger, die ihn fragen, o b er lebendig oder tot sei. Daraufhin streckt Apollonius seine Hand aus und sagt: .„Fasse sie an (Aaßou nou)! Wenn ich dir entschlüpfe, dann bin ich ein Schatten ( E ' I & U Ä O V ) aus dem Reiche der Persephone (...). Wenn ich aber bei deiner Berührung an
292
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
darauf nicht nur mit 6 xtjoiög [iou, das auf den Irdischen bezogen ist 906 , sondern mit 6 9eos ^ou907 (1,1; 5,18; 10,33; vgl. Ps 34,23; ferner Ps 29,3; 85,15; 87,2 [LXX]), das den Auferstandenen meint. Die antidoketistische Ausrichtung dieser Wendung 908 bietet der joh. Gemeinde darüber hinaus Material, um auf das dominus et deus noster hoc fleri iubet (Suet D o m 13,2) reagieren zu können 909 : Noch nie ist jemand auf vergleichbare Weise mit königlichen Attributen ausgestattet und als Gott bekannt worden 910 . In
Ort und Stelle bleibe (ti 8e {jjion£ivai|II ÖOTTÖHEVOV), SO überzeuge auch Damis, daß ich lebe und meinen Leib noch nicht verlassen habe!'" (Übers. MUMPRECHT, Philostrat 927). Sie konnten nicht länger zweifeln (dutioTEtv). Zu Eur Ba 614 s. unten Anm. 935. 905 Es ist angesichts dessen nicht ratsam, zwischen der Begegnungsgeschichte Maria Magdalenas und Thomas' jene Differenz sehen zu wollen, wie STENGER, Lektüre 233, dies meint tun zu können: „Maria Magdalenas Funktion ist es also, den Aufstieg Jesu am Kreuz zum Vater erzählbar zu machen, um diesen Sinn des Kreuzes zu den Jüngern (und den Lesern) gelangen zu lassen." STENGER übersieht, daß beide Geschichten im theologischen Vexierbild (V 16b.28b) ihren gemeinsamen Angelpunkt haben. 906 Vgl. HAHN, Hoheitstitel 123f, HOFFMANN, Auferstehung 508, sowie zuletzt M o LONEY, Gospel 521: Die Formulierung sei „not a high christological confession". Gegen KREMER, Hand 2159.2166, der zügioc; als urchristlichen Hoheitstitel versteht. Der Grund für dieses Verständnis liege darin, daß die „Betonung der Leiblichkeit (...) nicht im Interesse unserer Verse" (DERS., Hand 2170 Anm. 51) stehe. 907 Textkritisch fällt auf, daß, gemäß der Synopsenangabe, der Artikel von Otöc; durch D und pc gestrichen wurde. Der Grund dafür kann in einem Anstoß mit 1,1 vermutet werden: Der >.0705 ist 6E05, nicht 6 Oeo? (vgl. Philo Som I 229fj ferner All II 86 [ÖEUTEQOS 8eos], abgeschwächt in Som II 188f). Jedoch ist „der Artikel durch den Vokativ bedingt" (BAUER, J o h a n n e s e v a n g e l i u m 2 3 3 ; vgl. B D R §147,2 m i t A n m . 5). Vgl. a u c h SCHNACKEN-
BURG, Johannesevangelium I 211: Diese Aussage stehe „noch immer im Dienste des soteriologischen Gedankens" (20,28). 9 0 8 Vgl. BARRETT, J o h a n n e s 5 3 4 , SCHNELLE, C h r i s t o l o g i e 160, SCHMITHALS, J o h a n -
nesevangelium 413. Gegen BECKER, Johannes II 741, der meint, die antidoketistische Stoßrichtung sei bewußt unterdrückt worden. Was soll noch antidoketistischer gesagt werden, als das Bekenntnis, das sich auf V 27 zurückbezieht?! 909 Das heißt nun allerdings nicht, daß das JohEv, ähnlich wie Offb (vgl. Offb 4,11; ferner 13,4.11-18; 14,9.11; 16,2; 17,6.8-14; 19,20 [Herrscherkult]), gegen den Kaiserkult Domitians polemisiere. Auch wenn beide Schriften zeitlich relativ eng beieinander liegen und wohl auch in Kleinasien entstanden sind (ROLOFF, Offenbarung 19 [zwischen 90 und 95 n. Chr. in Kleinasien], MÜLLER, Offenbarung 42 [letztes Jahrzehnt des 1. Jh.], ULRICHSEN, Häupter bes. 14-16 [ungefähr 9 0 - 9 5 n. Chr.]; weitere Belege bei SCHNELLE, Einleitung 591f Anm. 24; demgegenüber FREY, Erwägungen 427; vgl. STRECKER, Theologie 546f; - zur Entstehungszeit des JohEv vgl. oben Anm. 400), steht die Offb eher am Rand der joh. Schule; vgl. oben Anm. 96 und Seite 83 (jtotr|Qi.ov-Vorstellung). Als Entstehungsort des JohEv legt sich Ephesus nahe; zur Tradition vgl. GÜNTHER, Frühgeschichte bes. 88-102. Zuletzt hat VAN TLLBORG, John 174-212, den Kaiserkult in Ephesus aufgezeigt, ehe er Interferenzen zu Joh 19,1-15 in Hinsicht auf Jesu Königtum und die Aktionen des Pilatus benennt (DERS., John 213-219). 910 Vgl. GRUNDMANN, Zeuge 83. Meine Formulierung „mit königlichen Attributen ausgestattet" greift das oben auf Seite 120ff zum altorientalischen Königsritual Gesagten
Joh 20,19-29
293
einzigartiger Weise ist Jesus der gekreuzigte König und der auferstandene Gott. Auch J o h 20,28 ist als joh. Redaktion anzusehen 911 . Mit einem Makarismus beschließt der Evangelist die Thomasperikope. Er fuhrt ihn durch eine Formulierung ein, die auf Jesus begrenzt ist: >.eyei oo)TÖ 6 'Iriooßg (1,43; 4,50; 5,8; 13,10; 14,6.9; in 13,37 ist Petrus und in 18,38 Pilatus das Subjekt). Sie beginnt mit der Feststellung 912 , T h o m a s glaube nur deshalb, weil ihm die Möglichkeit gewährt worden sei, den Auferstandenen als den Gekreuzigten zu identifizieren. Er, der einst zweifelnde Jünger, hat ein Prae, das der textexternen Gemeinde nicht mehr möglich ist: Der Auferstandene ist der Erhöhte. Die Gemeinde kann nicht das mit Sehen (oowoj) so eng verbundene cpegw bzw. ßdA.A.0) (V 27) in seiner Glauben stiftende Identifikation vollziehen, denn sie lebt in einer anderen Zeit 913 . Ihr ist das Zeugnis des J o h E v selbst gegeben, das diese Identität z u m Gegenstand hat und zu eben jenem Zweck geschrieben wurde: Glauben wecken an Jesus als den Christus, den Sohn Gottes. J o h 20,29 ist daher ebenfalls der joh. Redaktion zuzuweisen 914 .
2. Interpretation: Thomas, einen zweifelnder Jünger, erhält die Gelegenheit, sein Jüngersein zu bewähren (vgl. 1,45-50; 18,15-18.25-27). Jesus läßt seine Jünger nicht verwaist zurück, sie sollen leben (14,18.19), und deshalb erscheint Jesus diesem Zweifler mit dem Ziel, daß ihn jener als Irdischen und Auferstandenen identifiziert. Rückt T h o m a s durch die sehenden Iden-
auf und grenzt sich gegen die in Anm. 214 genannten Autoren ab, denn es ist nicht verständlich, daß das Königtum Jesu zuvor nicht bestanden habe bzw. daß Jesus erst durch einen besonderen Inthronisationsritus eingesetzt werden müßte. 911 Tradition: BULTMANN, Johannes 537, HARTMANN, Vorlage 214f (Bekenntnis). Redaktion: HARTMANN, Vorlage 213, DAUER, Herkunft 60.64, DERS., Johannes 251.254, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 390f, BECKER, Johannes II 741, KOHLER, Kreuz 162, SCHNELLE, Christologie 158, SCHMITHALS, Johannesevangelium 413. 912 Zur Kritik an der Interpunktion in NESTLE/ALAND vgl. SCHNELLE, Christologie 158 Anm. 360, sowie bereits BARRETT, Johannes 549. 913 Es ist die pf. bzw. aor. Formulierung mit ihrem Zeitaspekt zu beachten; vgl. B D R §318,4.1. Vgl. SCHNELLE, Christologie 158f: „V. 2 9 b kritisiert oder relativiert somit nicht das vorherige Sehen des Thomas, sondern formuliert lediglich, was für die folgenden Generationen im Unterschied zu den Augenzeugen bereits gilt". Ferner: KOHLER, Kreuz 162. STENGER, Lektüre 2 2 8 f (kursiv im Original): In T h o m a s wird „gewissermaßen schon eine spätere Zeit, die der apostolischen Verkündigung, in der Zeit der Erzählung zur Anschauung gebracht". - Unter traditionsgeschichtlichem Gesichtspunkt ist besonders auf IPt 1,8 zu verweisen: Auch hier steht dem ovx ibövxec, das dyaitäte und dem (irj Ö Q W V T E ; das J U otEÜovtEg gegenüber (zur Aufgabe vgl. IPt 5,12b und dazu BROX, Petrusbrief 244-246); ferner vgl. 2Kor 5,7. 914 Tradition: BULTMANN, Johannes 537. Redaktion: HARTMANN, Vorlage 213, DAUER, Herkunft 60.64, DERS., J o h a n n e s 252.255, BECKER, Johannes II 741, KOHLER, Kreuz 162, SCHNELLE, Christologie 158f, SCHMITHALS, Johannesevangelium 413.
294
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
tifizierungsmaßnahmen (V 25.27 i'6e) und dem daraus resultierenden ö XVQIOC, |IOU xai 6 0EO5 (iou aus der Sphäre des ou JUOTEUOCÖ in die des Lebens (vgl. 3,15f.36; 5,24; 6,40.47; 10,10.28; ll,25f; 20,31), dann hat er den vom gekreuzigten König geschaffenen • i ' p ü empfangen (vgl. 19,34f; 7,37-39) und kann das Größere im auferstandenen Gott sehen (vgl. 1,50). Die joh. Gemeinde ist jedoch nicht mehr zu einer unmittelbaren Schau in der Lage. Sie ist auf Zeugen und auf das im JohEv selbst Gesagte angewiesen (vgl. 20,31) und darf sich darauf verlassen. Spricht sie mit Thomas das Bekenntnis zum Gekreuzigten als dem Auferstandenen, dann empfängt sie nicht nur den •i'Piö, sondern steht zugleich unter der Zusage Jesu: [ i a x a g i o i o i |xf| i ö ö v T £ 5 x a i
2.1.8.4.
motEiNjavTEi;915.
Zusammenfassung
In Kontinuität zu Lk 24,13-35 beginnt auch Joh 20,19-23 mit der Erscheinung Jesu am Abend jenes ersten Ostertages. Die folgende Perikope ist bes. anhand von Lk 24,36-41a gestaltet. Wörtlichen, sachlichen und herausgelösten Parallelen zum LkEv stehen die Übernahme der Geisttheologie aus seiner Gemeinde als traditionelle Elemente zur Seite. Der Evangelist verknüpft dies mit der Sendungschristologie, die sich als wesentliches joh. Theologumenon erwiesen hat: Der Gesandte ist der Gekreuzigte und Auferstandene, der die Gemeinde sendet. Mit der Thomas-Perikope Joh 20,24-29 fugt der Evangelist ein selbständig gestaltetes Stück (vgl. 1,45-50) an. Als einem, der ELQ ex twv bübexa ist, gewährt Jesus auch ihm trotz und gerade wegen seiner Abwesenheit die Möglichkeit, aus dem Zweifel in den Glauben hinüberzutreten, u m so glaubend an der österlichen Freude der übrigen Jünger teilzuhaben: Thomas überprüft drastisch (vgl. Lk 24,41-43) die Identität des Gekreuzigten mit dem Auferstandenen.
2.1.9. J o h 20,30f: Die Intention und das Ziel des J o h E v Mit J o h 20,30f beschließt der Evangelist mit redaktionell gestalteten 916 , intentional geprägten Abschlußbemerkungen 917 das ursprünglich hier enden-
915 Vgl. SCHNELLE, Christologie 160f. 916 Zur sprachlichen Analyse vgl. DERS., Christologie 153f. WELCK, Zeichen 279-312, hat J o h 20,30f analysiert und den redaktionellen Charakter erwiesen. Sein Fazit: 20,30f sei nicht nur eine kommentierende Notiz über das Buch als Ganzes (sie sei am Ende plaziert, rede den Leser an und benenne den Abfassungszweck), sondern benenne auch den Zweck des Buches: „So wenig traditionell eine solche (sc. Spezifika erläuternde) Angabe am Ende eines Buches ist, so sehr ist sie Symptom einer Literatur, die eben noch in diesem Maße erläuterungsbedürftig ist, weil sie als neuartige Literatur noch keine .selbstverständliche' Li-
Joh 20,30f
295
de Evangelium 918 . V 30 hat zunächst anaphorischen Charakter, indem mit der Wendung EV XW ß I ß ^ I W TOÜXOJ auf alles bisher Gesagte verwiesen wird919. Aufgrund des unmittelbaren Zusammenhangs ist als weiterer Bedeutungsgehalt von crrinela die Erscheinungsgeschichte vor Thomas und den Jüngern zu nennen. Exemplarisch greift jtoX>.a (iev ouv xai äXXa crr||ieia über 12,37 an den Anfang des J o h E v (2,11) zurück. Diese beiden Stellen verweisen auf eine theologisch bedeutsame Klammer: Rief das Kanawunder in seiner geradezu gigantischen Weinmenge am Anfang des Auftretens Jesu bei den Jüngern Jesu Glauben hervor (2,11), dann ruft Jesu größtes Wunder, die Auferweckung des Lazarus, neben Unglaube (ll,46.47ff; vgl. 12,37) auch Glaube der Dabeistehenden hervor (ll,4.44f; vgl. 12,11). Zugleich teraturform darstellt, gleichwohl aber [...] von sich aus prinzipiell allen Lesern verständliche sprachliche Gestaltung sein will" (DERS., Zeichen 302 z. T. kursiv im Original). J o h 20,30f ist „die charakteristische Schlußnotiz der johanneischen Jesuserzählung" (DERS., Zeichen 303 z. T. gesperrt im Original). D. h., daß eine sog. Semeiaquelle unwahrscheinlich ist; vgl. zur ausfuhrlichen Begründung VAN BELLE, Signs 71-139 (zur Verbreitung der BULTMANNschen Semeiaquelle).294-357 (zur Kritik an der Semeiaquelle durch andere Forscher).370-377 (Kritik); kritisch zuletzt THYEN, Erzählung 2026.2033 Anm. 31.2039 Anm. 41, BERGER, Theologiegeschichte 715, KAMMLER, „Zeichen" 200f, SÖDING, Schrift 348f. 917 Resümierenden Charakter vermutet auch THYEN, Jünger 150f (vgl. dort [149f] auch die Auseinandersetzung mit MlNEARs Beitrag). S. dazu auch das religionsgeschichtliche Materia bei BAUER, Johannesevangelium 234, BULTMANN, Johannes 540f Anm. 3 (Verweis auf Aelius Arist 46 §345d), KAMMLER, „Zeichen" 203 Anm. 42 und FRICKENSCHMIDT, Evangelium 238f: Luc D e m o n a x 67; Plut M o r 115e; Xen Hist V,4,l; J o s Ant 111,15,3 §318; Philo SpecLeg IV 238. Das heißt einerseits: BlTTNERs (Zeichen 201f) Überzeugung, man müsse diese Parallelen fallenlassen, da die „Bedeutung, die J o h 20,30f als Schlusswendung für das Verständnis des Evangeliums wie für die johanneische Schultradition zukommt, (...) dadurch nur verdunkelt" (DERS., Zeichen 202) werde, geht zu stark von der fatalen Alternative zwischen Redaktion und Tradition aus. Die Bedeutung von J o h 20,30f für das komplette J o h E v wird in seiner theologischen Dimension keineswegs durch die Erkenntnis geschmälert, daß vergleichbare Formulierungen in der Antike belegt sind. Diese fatale Alternative teilt zumindest BlTTNER andererseits mit BECKER, Johannes II 756, wenn er meint: „E(vangelist) hat diesen Abschluß der S(emeia)Q(uelle) übernommen. Er achtete nicht darauf, o b 20,30a auch sein Evangelium angemessen wiedergab." Für die urchristliche Schriftstellerei ist angesichts beispielsweise von M t 28,19f und dessen Bedeutung für die mt. Theologie ein solcher Satz höchst abwegig! 918 Zur Abgrenzung von J o h 21 vgl. SCHNELLE, Einleitung 555f mit Anm. 156 (Lit.), sowie noch BlTTNER, Zeichen 198f, KNÖPPLER, theologia 21 Anm. 114; 82.140 u. ö., KAMMLER, „Zeichen" 191, SÖDING, Schrift 344-347. Besonders zwei Argumente haben neben den sprachlichen Beobachtungen (singuläre Anreden bzw. Bezeichnungen: jica&ia und cibt/jpoi) - Gewicht: die Erscheinung des Auferstandenen in Galiläa (Joh 20: Jerusalem); das offensichtlich korrigierte Verhältnis zwischen d e m Lieblingsjünger und Petrus. Demgegenüber THYEN, Jünger passim, BERGER, Anfang 2 1 - 2 5 . 919 Vgl. dazu SÖDING, Schrift 351-354.367-370, und zuletzt MOLONEY, Gospel 543: „The author believes passionately that Jesus' life story proves the claims m a d e for him in the Prologue." Anders KAMMLER, „Zeichen" 211.
296
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
provoziert dieses W u n d e r Jesu T o d ( 1 1 , 4 7 - 5 4 ; vgl. 2,17.22). Die oruiela sind hier die glaubenstiftende O f f e n b a r u n g Jesu 9 2 0 . Ein Zielpunkt ist damit erkennbar: Textintern geht es darum, daß der, der glaubt, J ü n g e r ist u n d ewiges Leben hat. Zugleich k o m m t in dieser J ü n g e r t h e m a t i k ein zweiter Zielpunkt
hinzu:
Jüngerschaft
gilt
es
zu
bewähren
(vgl.
einerseits
1 8 , 1 5 - 1 8 . 2 5 - 2 7 u n d andererseits 2 0 , 2 4 - 2 9 ) . In der J ü n g e r t h e m a t i k drängt aber der anaphorische Charakter bereits z u m kataphorischen, denn .vorausweisend' verbirgt sich hinter den Jüngergeschichten die Geschichte der joh. Gemeinde. Diesen impliziten Verweis a u f die textexterne Gemeinde n i m m t V 31 explizit auf, denn das evwmov twv na8r|xwv Erzählte wird mit der Intention (iva jtiöTeur|TE921) final zugeordnet; die J ü n g e r sind daher ein wichtiges Spiegelbild zur joh. G e m e i n d e . Die inhaltliche Spezifizierung des iva moteuriTe erfolgt in soteriologischer Ausrichtung: 'Iriaoög eaxiv 6 X6 l c r t : °S ö ui.05 t o i 8eo0. Gerade den zuletzt genannten Titel hat der Evangelist in J o h 1 , 4 1 - 4 9 vorbereitet: D e r S o h n J o s e p h s aus d e m galiläischen N a z a r e t h wird ange-
920 Dies ist innerhalb des joh. PB nur (!) für die Thomas-Perikope nachweisbar, da sie direkt vor der mit orineTov-formulierten Abschlußwendung 20,30f steht. Der joh. PB enthält nicht umsonst den aruitiov-Begriff gerade nicht, denn er ist die sachliche Voraussetzung (1,1.14 u. ö.), damit glaubenstiftende Offenbarung geschehen kann; gegen BROWN, John II 1058f: „In xx 30-31 John probably does not mean to exclude the signs described in chs. i-xii (...), but he must mean also to include the appearances to the disciples in xx 1-28 that led them to confess Jesus as Lord. The similarity between xx 25 and iv 48 (...) indicates that John thinks o f the appearances as signs. (...) If we think that the evangelist thought o f the post-resurrectional appearances as signs, there is no evidence that he thought o f the resurrection itself as a sign, or that the main events of The Book o f Glory, the passion and death o f Jesus, were on the level of signs." 921 Nach alledem ist es sachgemäß, den Konj. Präs. statt des Konj. Aor. zu lesen (vgl. 19,35). Vgl. THYEN, Erzählung 2033 Anm. 30 (z. T. kursiv im Original): „Als die lectio difficilior ziehe ich hier den coni. praes. j u a T E u r y t E (am Glauben festhalten oder, mit einem Grundwort der joh. Sprache gesagt: in ihm bleiben) dem geläufigeren coni. aorist. jitöTEiJor)TE (glauben im Sinne von: Glauben fassen) vor. Das Johannesevangelium ist keine Missionsschrift, sondern ein Buch, das Christen in bedrohlicher Zeit (16,2) zum Festhalten am Glauben ermutigen will. Das folgende iva e'xite (20,31) bestätigt im übrigen die Wahl der Lesart"; vgl. KAMMLER, „Zeichen" 195 Anm. 16. Vgl. dazu oben Anm. 713. Gegen WELCK, Zeichen 297 mit Anm. 28, der wieder für die Konj.-Aor.-Lesart eintritt. Diese Interpretation ist wohl der missionstheologischen Tendenz geschuldet, die er meint feststellen zu können: „Der Autor versteht sein literarisches Werk als suffizientes und an alle lesenden Menschen gerichtetes Zeugnis von Jesus. Damit versteht er sein eigenes schriftstellerisches Wirken als weitestgehende Erfüllung des spezifischen und zentralen Auftrags der Jünger, im Anschluß an und in Fortsetzung von Jesu Wirken den Menschen aller Orte und Zeiten das sie angehende, ein für allemal geschehene Ereignis der Liebe Gottes zum xbapoc, bekanntzumachen" (DERS., Zeichen 288 z. T. kursiv im Original; vgl. ONUK1, Gemeinde 88f.91; ähnlich WÖLLNER, Zeichenglaube 89, der nur so die Brückenfunktion von 11,46-48 zum PB für sein Semeiabuch retten kann). Eine solche, an Mt 28,19f erinnernde Formulierung ist m. E. im JohEv nicht nachweisbar.
Joh 20,30f
297
sichts des .findenden Sehens' von Nathanael als 6 uiöc; toö Geou bekannt. Dieses Bekenntnis unterstützt der Evangelist durch das Zeugnis des Täufers922: Das Erkennungszeichen für den Täufer ist, daß er den Hl. Geist bleibend auf Jesus sieht (1,32). Diese kompositorische Verklammerung von Joh 1 mit dem Abschluß hat das Ziel, daß zunächst die Frage, was es im einzelnen mit Jesus auf sich hat, nach der Lektüre eben dieser Kapitel Joh 1~20 beantwortet werden kann. Das Ziel dieser .evangelischen Gesamtdarstellung' benennt der Evangelist mit der finalen Absicht im iva mOTEUOVTEQ923. Diese Formulierung ist in der hermeneutischen Ausrichtung für die joh. Gemeinde deshalb höchst bedeutungsvoll, weil sie dem iva TtX.r]Qü)Gfi (vgl. 12,38; 13,18; 15,25; 17,12; 18,9.32; 19.24.36) 924 sehr nahe kommt: Ist der im AT geäußerte göttliche Heilswille im Gekreuzigten und Auferstandenen zum Abschluß gekommen, dann will Johannes im JohEv für seine Gemeinde die Geschichte des Gekreuzigten und Auferstandenen erzählen925, damit auch hier gleichsam eine .Erfüllungsabsicht' deutlich wird: Glaube an Jesus als den Christus, den Sohn Gottes. Diese Identifikationsmaßnahme des gekreuzigten Königs als des Auferstandenen spielt sich m. a. W. innergemeindlich ab. Joh 20,30f ist daher der joh. Redaktion zuzuweisen926.
9 2 2 Textkritisch ist 6 uiog nicht sicher, denn X", b, e, ff 2 ', s y ^ lesen o
¿xAexzdc,.
Eine
K o m b i n a t i o n beider Lesarten liegt wohl in (a), f P c , sa vor, wenn sie electus filius lesen. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium I 3 0 5 , entscheidet sich aufgrund des Alters und der Ungewöhnlichkeit für 6 ¿xAextög. Andererseits ist ö UL65 bis zu diesem Zeitpunkt n o c h nicht verwendet worden und kann daher ebenfalls als schwieriger gelten. Positiv kann auch die größere Bezeugung für ö 1)165 verbucht werden. W e n n der Evangelist zudem die Wendung 6 11165 uou und die Himmelsstimme aus M k 1,11 vor Augen hat (vgl. das unten a u f Seite 3 4 3 - 3 4 7 Gesagte [Ausblick]), dann spricht d o c h einiges fiir die NESTLE/ ALAND-Lesart (vgl. HAHN, U165 922). 9 2 3 WELCK, Zeichen 3 0 4 (kursiv im Original), sieht die Funktion von 2 0 , 3 0 f als ein „kerygmatische(s) Darstellungsinteresse", das einen kritischen, weil in die PCQLai.5 fuhrenden, Anspruch habe. 9 2 4 Zur finalen Auffassung von iva sei beispielsweise n o c h a u f J o h 9,2; l j o h 1,9 verwiesen. 925 Vgl. zu dieser hermeneutischen Absicht SCHNELLE, Christologie 155, WELCK, Zeichen 307f, und zuletzt die Überlegung, daß „mit der Vollendung des Geschickes J e s u die johanneische Darstellung des Christusereignisses selbst in den Rang der yeacpii rückt und die bisherige Schrift überbietet" (KRAUS, J o h a n n e s 19). 9 2 6 Tradition: BULTMANN, J o h a n n e s 5 4 0 A n m . 3, BECKER, J o h a n n e s II 765, WÖLLNER, Zeichenglaube 1 3 9 - 1 4 3 , SCHMITHALS, Johannesevangelium 418. Redaktion: BROWN, J o h n II 1057 (traditionelles Vorbild), SCHNELLE, Christologie 154, WELCK, Zeichen 302, KAMMLER, „Zeichen" 2 0 0 f (nicht aus einer traditionellen Semeiaquelle), SÖDING, Schrift 347-349.
298
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
2.2. Bündelung der Ergebnisse Im Rückblick auf die Analyse sollen die Fragen nach Form und Sitz im Leben bedacht werden. D a die Fragestellung dieser Arbeit nicht auf einen vermeintlich ältesten Bericht abzielt 927 , sei hier vor allem auf die instruktiven Ausführungen G. Theissens 9 2 8 verwiesen, der sich hinsichtlich der Frage nach dem Sitz im Leben und der Entstehungsverhältnisse geäußert hat. Vielmehr soll, diese Fragen aufnehmend, auf den joh. PB selbst geachtet werden, u m sodann das gesamte literarische Verfahren des Evangelisten für den PB zu untersuchen. Uber die Gesamtkomposition des PB urteilt bereits H . Windisch 9 2 9 zutreffend: ,„Perikopen', .Episoden', herausnehmbare Szenen fehlen ganz. Jede neue Erzählung ruht auf den vorangehenden; ein einheitlicher Stil hält das Ganze zusammen." Darin liegt auch begründet, daß die Gattungsbestimmung noch keinen c o m m o n sense zeitigt. J . Gnilkas 9 3 0 Fazit ist jedoch zuzustimmen: „Gattungsmäßig stellt die Urpassion etwas Neues dar." Dies wird angesichts der Forschungsergebnisse deutlich 931 : Mit dem spätjüd. Martyrium (vgl. 2 C h r 24,20-22; 2Makk 6,18-7,42; 4Makk 6,1-30; 8,27-12,19) verbindet der PB die Merkmale realistischen Leidens. Dies wird am ingressiven Aorist (durativ) des E^aaiLycoaev (Joh 19,1) klar. Der Leser/ Hörer weiß, daß bei dieser Geißelung Fleischfetzen aus dem Körper gerissen werden und der Körper von Blut überströmt ist. Auch das Motiv v o m Trinken des Giftbechers (18,11; 19,28-30) entbehrt keineswegs der realistischen Darstellung. Schließlich fehlen auch nicht dramatische letzte Worte des Sterbenden, wiewohl sie in 19,28-30 der joh. Redaktion geschuldet sind, in M k 15,34 (Mt 27,46); Lk 23,46 jedoch deutlich erkennbare Spuren hinterlassen haben. Insgesamt wird das besondere Verhalten Jesu deutlich dargestellt 932 . Demgegenüber läßt der PB im Gegensatz zu diesen Akten ei-
927 Über die Probleme informieren SCHNEIDER, Problem passim, und ERNST, Passionserzählung passim. 928 Lokalkolorit 177-211, DERS., Nachwort 339-441. 929 Erzählungsstil 201. Zu weiteren vergleichbaren Positionen vgl. die Ubersicht bei SCHNEIDER, Problem 224-228. 930 Markus II 349 Anm. 12. 931 Vgl. dazu DORMEYER, Passion 4 3 - 4 7 (bes. 46f, ferner 2 3 8 - 2 5 8 für die seiner Meinung nach zugrundeliegende Märtyrerakte T; vgl. dazu dessen Selbstkorrektur [Überlegungen 234 Anm. 67]). Vgl. dazu DERS., Überlegungen 229-233.237f, mit Forschungsdiskussion und weiterem Material. Es ist darüber hinaus auf seine Differenzierung (DERS., Überlegungen 233) zu verweisen. Zuletzt meint MÜLLER, Entstehung 4 8 - 5 2 , daß sich die Konzeptionen der Passionsgeschichte, die passio iusti und Züge des Martyriums, vermischen konnten und zweitere ausschlaggebend blieb. 932 Diese Gemeinsamkeiten blendet REINBOLD, Bericht 191, zu Unrecht aus.
Bündelung der Ergebnisse
299
ne protokollarische Genauigkeit in der Beschreibung vermissen, obwohl a u f zahlreiche Rechtstermini hinzuweisen ist: 6eco, jiaQa6iöcont, xarriyogia, rjv ... x a x ö v jioiöv, voixo^, xgivw, nagiuoeo), a i t i a ,
¿rtoXüoj, Xricmfe,
^a-
aTiyoco, e'xw e|ouaia, ferner cruvctyu (11,47), axouco (7,52). Auch zu helleni-
stischen Märtyrerakten, bestehend aus dem Rahmen und dem Protokoll, lassen sich Anleihen feststellen. Die dort zentrale Ausgestaltung des Dialogs zwischen Angeklagten und Richter ist vor allem in 18,28-19,16a nachweisbar. Ohne Zweifel prägte auch das JohEv die Vorstellung, daß ein Gespräch zwischen einem gleichberechtigten Partner stattgefunden habe. Es wird sogar - für sich genommen - der Anschein von „annähernd normalen Gegebenheiten" 933 vermittelt 934 . Das differentium speciflcum liegt darin, daß aus intentionalen Gründen seitens des Evangelisten eine antirömische Polemik fehlt 935 . Es bleibt zunächst festzuhalten, daß im PB Anleihen aus dem jüd. Martyrium und hellenistischen Märtyrerakten verwendet worden sind. Sodann bestehen zwischen beiden Vorlagen und dem PB nicht zu leugnende Differenzen, die eine Bezeichnung des PB als jüd./hellenistische Märtyrerakte ausschließen. Gerade diese Einordnung erhellt das Neue eher, als es zu verdunkeln. Als Gattung dieses in Jerusalem entstandenen Berichts hat G. Theissen 936 den PB als „Konfliktparänese in der Form einer Erzählung von erinnerten Ereignissen" beschrieben 937 . G. Theissen datiert ihn in die Zeit zwi933 Dormeyer, Passion 47. 934 Dem widerspricht nicht, daß der Evangelist diesen Text über weite Teile redaktionell gestaltet hat, denn über die zugrundeliegende Anregung zu diesem Vorgehen ist damit noch nichts ausgesagt. 935 STIBBE, Storyteller 129-147 (bes. 138-147), hat den Versuch unternommen Euripides' Bacchae als mögliche Parallele anzusehen. Ein Vergleich zeigt, daß ohne Zweifel auf interessante Einzelmotive zu verweisen ist, beispielsweise (Ba 614): Auf die Frage, wie Dionysos aus der Haft entrinnen konnte, antwortet jener: „Selber hab ich Rettung mir gebracht, ganz leicht und mühelos" (EBENER, Euripides III 90; zum griech. Text: Qai&iu.r)>.UÖF:vcu D V R I X Q I O X Ö G E O U V xat 05 äv nr| önoXoyfj XÖ naotijgiov TOÖ otaugoC, ix toO INAßÖ^OU
EOT'IV.
Bündelung der Ergebnisse
305
tungen, sondern Ausdruck absichtsvoller, literarischer Gestaltung des Evangelisten selbst. A d 2. Das Einzelverfahren. In Ergänzung zu 1. soll nun auf kleinste Veränderungen geachtet werden, die sich an einzelnen Worten nachweisen lassen: 2.1. Die leserorientierten Hinweise. Der Evangelist setzt solche Hinweise in 18,11.18.25.40; 20,2 entweder vor oder nach einem längeren redaktionellen Stück. Sie dienen ihm durchweg dazu, die Kontinuität zu seinen traditionellen Vorlagen (MkEv; LkEv) sicherzustellen (synchronisierende Funktion), ehe er seine eigene Absicht formuliert. 2.2. Die Wortkompositionen. Unter diesem Stichwort sind drei Arbeitstechniken zusammengefaßt, die die theologische Arbeit des Evangelisten an einzelnen Worten spiegeln. 2.2.1. Die Änderung eines Wortes aufgrund seines theologischen Sinns. Bei diesem Verfahren in 18,39.40; 19,6.15.16b.38 (vgl. 19,19) verändert der Evangelist seine traditionelle Vorlage an einem einzigen Wort 955 . Diese Änderung ergibt sich zwingend, weil die Vorlage ein Wort enthält, das der Evangelist in einem anderen theologischen Sinn verwendet 956 . 2.2.2. Die Entfaltung anhand eines Wortes. Hier kann auf 18,2f (oiöa).33 (ßaaiXeüg) (vgl. 20,16 oigecpco) verwiesen werden. Wichtige Theologumena werden der Tradition entnommen und als Leitmotiv über größere z. T. redaktionell entfaltete Abschnitte gestellt, u m dort exegesiert zu werden. 2.2.3. Die sprachlichen Mißverständnisse. Diese Kompositionstechnik berührt sich mit der .Entfaltung anhand eines Wortes', denn die Leitworte sind bisweilen doppeldeutig und mißverständlich verwendet. Es gehören dazu nicht nur die Worte oiöa, ßaaiXsu^, dXr|0eia, atgecp«, sondern auch die in 18,28; 19,13.16a.b (vgl. dazu beispielsweise noch 3,4; 4,11.32f; 6,52; [7,34ff?] ; 8,19.33.52; 14,4f.7ff.22ff; 16,17f) genannten Formulierungen. Letztere sind aufgrund ihres sprachlichen u n d grammatikalischen Zusammenhangs bewußt offen und erschließen dem Leser erst auf den zweiten Blick die gemeinte Absicht 9 5 7 . 2.3. Die bewußte sprachliche Kennzeichnung redaktioneller Überarbeitung durch Indikatoren. Hier sind alle jene typi-
955 In diesem Zusammenhang kann auch a u f das methodische Zitationsverfahren des Evangelisten hinsichtlich des A T hingewiesen werden, denn auch hier ändert der Evangelist beispielsweise in 2,17 seine atl. Vorlage bewußt ab. Zur Methodik vgl. OBERMANN, Erfüllung 334f. 956 In 19,19 ergänzt der Evangelist den Titulus durch 'Itiooöc; 6 Na^ojgaiog. 957 Es ist angesichts von 20,30f wohl nicht davon auszugehen, daß diese (sprachlichen) Mißverständnisse beim Leser ganz generell mißverständlich, d. h. ,unaufgelöst' bleiben sollen. Der Evangelist operiert zwar mit diesem Stilmittel, es ist jedoch schwierig einzusehen, daß das vertiefte Verstehen des J o h E v mit eben 20,30f als Ziel auf d e m Weg erreichbar wäre, wenn jene Mißverständnisse unaufgelöst blieben. Wäre dem nämlich so, dann würden sich diese Mißverständnisse nicht mehr der Intention unterordnen, sie würden einen eigenständigen Wert haben. D a m i t wäre dann aber auch der Geltungsbereich jener Absichtserklärung (20,30f) unzulässig eingegrenzt. Vgl. dazu FREY, Eschatologie II 213.
306
2. Redaktionsgeschichtliche Analyse
sehen sprachlichen Partikel bzw. Partikelkombinationen zu nennen, die ein wichtiges Argument bei der Beurteilung von Tradition und Redaktion sind. A u f markante Stellen kann beispielhaft verwiesen werden: 18,11.13b.25.27.39.40; 19,6; 20,10. Diese Partikeln werden bewußt eingesetzt, u m die eigene Arbeit deutlich zu kennzeichnen, auch wenn sie im Zusammenhang bisweilen stören können (beispielsweise 18,40). Gerade die unter 2. genannten Gesichtspunkte verlangen vom Leser/Hörer ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit. Es scheint kaum möglich, daß ein solches Vorgehen erkennbar sein soll. Ein Beispiel aus der modernen Filmproduktion illustriert jedoch die Möglichkeit einer solchen Arbeitstechnik: In einem Film wird durch eine nur wenige Sekunden dauernde Szene eine kurze Handlung aus einem anderen Film eingeblendet. Jeder Zuschauer, der beide Filme kennt, erkennt die Anspielung, die ihn jedoch nicht dazu verleiten soll, weiter über den zweiten Film nachzudenken. Dieses als Cameo bezeichnete Verfahren des unangekündigten Verschränkens zweier kurzer Filmszenen (oder Schauspieler) erschließt sich freilich nicht dem, der nur den ersten Film kennt, für ihn bleibt dieses Cameo ohne Sinn958. Hier wird man auch insoweit eine Antwort auf die Frage finden, warum im PB die Spuren der Synoptiker so deutlich sind: Dem JohEv geht es nicht darum, die Synoptiker ersetzen zu wollen. Johannes entfaltet frei in Kontinuität zu ihnen die Jesusgeschichte. Das literarische Verfahren ist vergleichbar mit jenem Cameo aus der Filmproduktion' 59 .
958 Beispielhaft kann hier auf die Filme von J. Landis („Der Prinz aus Zamunda" nimmt „Glücksritter" auf) verwiesen werden. - Für die fachterminologischen Hinweise danke ich Frau Chr. Wedemeyer von der Firma Cinema (Hamburg). 959 Zum Versuch, das MkEv mit Hilfe der Methodik des Filmblicks zu analysieren,
vgl. ZWICK, Montage bes. 127-184 (theoretischer Teil).
3. Der Auferstandene als der Gekreuzigte: Kreuzestheologie im joh. Passions- und Osterbericht
3.1. Die Voraussetzungen im MkEv Wenn es im Kap. 2 dieser Arbeit wahrscheinlich gemacht werden konnte, daß vor allem das MkEv die literarische Vorlage für den joh. PB ist, dann bleibt zu klären, ob die erstmals von Markus formulierte Gattung ,Evangelium* Spuren im JohEv hinterlassen hat. Skizzenhaft soll daher zuvor der mk. Hintergrund aufgezeigt werden. Markus beschreibt Person, Wirken und Wirkung, Leiden, Tod und Auferweckung des Sohnes Gottes (Mk 1,1.11; 9,7; 15,39; vgl. 14,61) mittels der „Geheimnis- und Unverständnis-Motive" 1 . Wichtiger theologischer Grundgedanke ist nicht nur die Notwendigkeit des Leiden- und Sterben-Müssens Jesu (Mk 8,31; 9,31; 10,32-34), sondern auch die Überlegung, daß das irdische Leben Jesu und sein Tod erst aus nachösterlicher Sicht verständlich sind (Mk 9,9). Vor Jesu Tod und Auferweckung sind weder seine Wunder noch seine Reden für die Erkenntnis der Gottessohnschaft förderlich; vielmehr ist erst sein Tod Voraussetzung für dieses Verstehen und Erinnern 2 . Von da aus werden Umkehr, Glaube und Nachfolge als zentrale theologische Motive entfaltet (Mk l,14f,16-20). Wiewohl Johannes diese mk. Motivstruktur nicht als vehiculum zur Veranschaulichung der Frage aufgenommen hat, wer der Sohn Gottes ist, der 1 SÖDING, Evangelist 53. S. dort auf den Seiten 5 3 - 5 5 die detailliertere Analyse. Vgl. auch GNILKA, Evangelium I 170, DERS., Evangelium II 40f, WEBER, Christologie passim, DERS., Zusammenhang passim, BREYTENBACH, Nachfolge 267-269, FENDLER, Studien 105-146. Zur umfassenden Kritik an RÄISÄNEN (Messiasgeheimnis passim) vgl. FENDLER, Studien 106-111.111-140. Lukas geht hinsichtlich der mk. Kreuzestheologie bekanntlich eigene Wege, was sich besonders eindringlich anhand von Lk 23,47 erkennen läßt: Aus dem mk. outog 6 Ü V B Q W J I O ^ UIÖG 9 E O Ö rjv ist das lk. 6 ÜVSOWTIOI; OUTOS bizaioc; fjv geworden. Die lk. F o r m der Kreuzestheologie wird diese Unterscheidung wahrnehmen und nach dem lk. Verständnis von bizaiog fragen, u m jene zu bestimmen. Vgl. dazu UNTERGASSMAIR, Kreuzweg 85-101 (bes. 91f), DOBLE, Paradox passim (bes. 226-244). 2
Z u m M o m e n t der Erinnerung s. MUSSNER, Sehweise 49f, SÖDING, Evangelist 56.
308
3. Kreuzestheologie im joh. PB
wesentliche theologische Gedanke, daß der inkarnierte Logos leiden und sterben muß (Joh 3,14; 12,32-34; vgl. 8,28 u. ö.), ist auch bei ihm grundlegend. Auch nach Meinung des Johannes sind Tod und Auferstehung Jesu notwendige Voraussetzungen, um das Glaubensbekenntnis sprechen zu können: 'Iriooug e o t i v o x e t a T ° S 6 ui.05 t o ö 9eou (Joh 20,31): Ehe die Stunde des Todes Jesu nicht gekommen ist, kann beispielsweise niemand Hand an Jesus legen, erst nach Ostern wird Jesu Rede vom ctvwSev verständlich (Joh 3,lff). War bei Markus unklar, wie dieses Verständnis vermittelt wird, gibt Johannes den Hermeneuten an: Der Hl. Geist, nach Ostern als Stellvertreter Jesu gegeben, leitet an zum vollmächtigen Verstehen der vorösterlichen Geschichte (2,17-22; 12,16; 14,26; 16,13.26), zur entsprechenden Lektüre des JohEv und damit zum Glauben an den hier beschriebenen, inkarnierten Logos (20,30f) 3 . Vor diesem Hintergrund entfaltet Johannes theologische Themen, die nun vorzustellen sind.
3.2. Exegese von J o h 18-20 nach thematischen Schwerpunkten
3.2.1. Das Motiv der Hyperbel Dieses Motiv läßt sich an folgenden Stellen nachweisen: Joh 2,6; 4,50; 5,5; 6,10; 9,1; 11,39; 12,3; 18,3; 19,39. Es hat zwei Schwerpunkte, die sich in den Kapiteln 2-11.12-19 niederschlagen und integrale Bestandteile der Christologie sind. Das „Geschenkwunder" 5 beschreibt in 2,6.9 die sich soeben ereignende luxuriöse Gabe: 6001 kostbarster Wein, der vor dem jüd. Hintergrund 6 eine neue Heilsperspektive eröffnet. Vor allem dort, wo der ,Wein' mit .innerer 4
3 Zur hermeneutischen Funktion der joh. Pneumatologie vgl. MUSSNER, Sehweise 48-51.56-63, SCHNELLE, Geisttheologe 18-22. 4 Unter ,Motiv' verstehe ich einen charakteristischen Bestandteil eines literarischen Kunstwerkes - in diesem Fall das J o h E v ' - , der thematisch v o m Autor entfaltet wird. Vgl. dazu DAUER, Passionsgeschichte 107-110, der dieses Motiv jedoch unter „Stilmittel der Steigerung" verhandelt. 5 Zur Entfaltung dieser formgeschichtlichen Bestimmung vgl. THEISSEN, Wundergeschichten 111-114. Während er mit seinem Begriff objektivisch zunächst das Außergewöhnliche der Gaben („materielle Kulturwunder") benennt, betont er sodann subjektivisch den Aspekt der „.Initiative des Wundertäters'" (DERS., Wundergeschichten 111, beide Zitate). Wenn BAUER, Johannesevangelium 46, die Form als „.Luxuswunder'" bezeichnet, trifft er den objektivischen Teil sprachlich m. E. besser.
D a s M o t i v der Hyperbel
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Kraft' gleichgesetzt wird (Spr 9,2.5; Sir 40,20) oder mit ,Wein' schlechthin .Leben' gemeint ist (Sir 34,26f), gewinnt Joh 2,1-11 eine hintergründige Bedeutung, die im kreuzestheologischen Kontext (2,4; vgl. 2,17.22) wesentlich ist: Im Tod schafft Jesus Leben im Überfluß. Leben schafft Jesus auch durch die als Fernheilung stilisierte Wundergeschichte (4,46). Solche Wunder erschließen erst nachösterlich (2,17-22) ihren kreuzestheologischen Aspekt: Der gekreuzigte und auferstandene König bringt den kranken Sohn des königlichen Beamten zurück ins Leben (4,51-53). Der Evangelist steigert diese Linie, indem er in Joh 5,lff an die 38 Jahre vor dem Einzug ins gelobte Land (Dtn 2,14) erinnert. Die als Normwunder (Sabbatkonflikt) 7 gestaltete Heilung läßt den Kranken zwar .Neuland betreten', die aber sogleich berichtete Tötungsabsicht der Gegner (5,16-18; vgl. 7,1.19.25.30; 8,37.40.59; 10,31.39; 11,8.53) setzt den kreuzestheologischen Akzent: Jesus soll aufgrund des Todesbeschlusses die Sphäre des Todes betreten, denn er schreitet vom Tal der Lebenden zu dem der Toten hinüber, wenn er in 18,1 den Kidron überquert8. Joh 6,9-13 benennen die übermäßige Zahl der Hungrigen (c05 jrevtaxiaxi^ioi), um durch 6,14f mit dem Motiv des Königtums im Zusammenhang mit 12,13; 18,33-19,22 ebenfalls kreuzestheologische Perspektiven zu erhalten: Jesus ist kein Brotkönig, sondern der für die Welt sterbende König, der dann aber sich selbst als Brot für die Welt gibt (vgl. 6,35.48.51). In Joh 9,lff wird die vorletzte und nur noch durch 11,39 überbotene Heilungsgeschichte erzählt. Beide Abschnitte drehen sich thematisch um die letzte Auseinandersetzung Jesu mit seinen Gegnern. Diese Nähe ergibt sich auch noch dadurch, daß der Haß und das Ausschlußverfahren in 12,10 nicht nur im Tötungsbeschluß des auferweckten Lazarus eskaliert, sondern in 11,47-57 der Wundertäter selbst zu einem steckbrieflich gesuchten Todeskandidaten gestempelt wird: Der, der den toten und schon stinkenden (11,39 rjöri ö£ei) Lazarus aus dem Tod ins Leben zurückholt, muß nach diesem Wunder den Weg vom Leben zum Tod gehen (18,1).
6 Vgl. Gen 4 0 , l l f ; Jes 25,6; 55,1; Joel 4,18; A m 9,13; Spr 9,2.5; Sir 34,27; 40,20; äth Hen 10,19. HERGENRÖDER, Herrlichkeit 269 Anm. 251.252, verweist noch auf folgende Stellen: H o s 2,24; Jes 29,17; Jer 31,5; syr.ApcBar 29,5; Sib II,317f; 333,620-624.744. 7 Vgl. dazu THEISSEN, Wundergeschichten 118. 8 Zur Bedeutung des Ortswechsels als des Hinüberschreitens v o m Tal der Lebenden zu dem der Toten: „ K i d r o n " heißt soviel wie „dunkel, trübe", von ~ n p im kal. (Hi 6,16), weitere Stellen: trauern: Jer 8,21; 14,2; ein Trauernder (Ptz.): Ps 35,14; 38,7; 42,10; 43,2; Hi 5,11; 30,28; sich schwärzen von Tag/Nacht: Jer 4,28; J o n a 2,10; 4,15; Mi 3,6; GESENIUS, Wörterbuch 702. Vgl. dazu das Material bei BlLLERBECK, Markus 567, sowie die Belege bei J o s e p h u s oben in Kap. 2 Anm. 7.
310
3. Kreuzestheologie im joh. PB
Die zweite oben genannte Linie eröffnet der Evangelist mit Jesu Salbung zum Tod (12,3). Maria wendet dafür umgerechnet einen Jahreslohn 9 (12,5) auf, wird aber gerade deshalb von dem ökonomisch denkenden Judas kritisiert. Jesus tadelt jedoch diese Ökonomie, denn seine Stunde kommt, um zu sterben 0oh 12,7) und zum Vater zu gehen. Jetzt ist fiir ihn vielmehr die Zeit, daß Menschen übermäßig an ihm handeln. Ahnlich stellt der Evangelist das Begräbnis Jesu dar, bei dem Nikodemus im Verhältnis zu 12,3 nicht weniger als lOOmal so viel an Grabmischung mitbringt (19,39). Allergrößter Aufwand wird hier dem gekreuzigten König zuteil, ja, nach Meinung des Evangelisten reicht sogar ein Menschenleben nicht hin, um diesem König die nötige Ehrerbietung entgegenzubringen. In diesen Rahmen (12,3; 19,39) setzt der Evangelist 18,3. Eine ganze Kohorte ist aufgeboten, um den freiwillig in den Tod gehenden Jesus festnehmen zu können. Das ist nach Meinung des Evangelisten die durchaus angemessene Zahl, mit der diesem König begegnet werden muß. Es ist also keineswegs ein Zeichen von Fehleinschätzung gegenüber Jesus (Rebell), sondern die sachgemäße Form, in der Menschen Jesus am Anfang seines Leidens ihre Achtung zeigen. Gerade dieser Leitgedanke verbindet dann auch 18,3 mit 12,3; 19,39. Diese doppelte Linie (Joh 2,6; 4,50; 5,5; 6,10; 9,1; 11,39; - 12,3; 18,3; 19,39) wirft nun ein Licht auf die Frage, wer dieser Leidende ist. Anhand von drei Themen erfolgt eine paradoxe Entfaltung10: 1) Es ist der avSQcojxog, nach 19,5 der schändlich Zugerichtete. Der in seiner ganzen Hinfälligkeit sichtbare äv9QGjjtoc; formuliert in 19,30 im TETEXEOTCCI das ,es ist zu Ende'. Zugleich ist es nach 9,11.16; 11,47.50 jener ävBgcojtog, der Menschen sehend macht und sie aus dem Tod ins Leben zurückholt11. Er sagt daher in 19,30 ,es ist vollbracht' ( T E T E X E O T C U ) . 2) Jener ävBoomot; ist es, der in 19,28 ureigenste menschliche Züge zeigt: 6u|)üj. Ihm wird daher auch der den Tod kataly9 Zu den Berechnungen vgl. oben in Kap. 2 Anm. 754. Es sei nochmals darauf hingewiesen, daß es mit diesem Hinweis keineswegs um historische Beurteilungen oder solche implizierende geht. Vielmehr soll die Absicht des Evangelisten nachgezeichnet werden, die sich hier mit dem fiir seinen damaligen L e s e r n / H ö r e m verständlichen TQICCJCOCHUV &R)vagiMV im Zusammenhang der noch erhebbaren Sozialstrukturen der damaligen Zeit ergibt. 10 Es ist wichtig zu sehen, was intendiert ist: Die Frage einer paradoxen Christologie ist nicht statisch und quasi im luftleeren Raum vom Evangelisten formuliert. Er behandelt sie nicht als einen .eigenständigen Abschnitt'. Dieser christologische Gedanke ist vielmehr eingebunden in die Bewegung, die innerhalb des Motivs der Hyperbel gezeichnet wurde: Jesus wendet sich den Menschen zu und wird unterschiedlich wahrgenommen; die Menschen reagieren und antworten auf diese Bewegung entsprechend. 11 SENIOR, Passion 148, verhandelt unter dem Stichwort „sense o f triumph" ganz verschiedene Texte (18,6.20f.23; 19,5.9.11.17f). Zumindest fiir 19,5 kann ich angesichts der Situation der Geißelung nichts von einem Triumph entdecken. Auch fiir J o h 19,17f ist das joh. Motiv der Freiwilligkeit (s. das unten Gesagte Seite 3 1 1 - 3 1 4 ) doch vielschichtiger als es der Ausdruck und die Darstellung SENIORs sind.
Das Motiv der Freiwilligkeit
311
sierende 0 ^ 0 5 gereicht. Zugleich ist er es, der in 4,11 ÜÖMQ tßv geben kann, was dann gerade dazu fiihrt, daß der Trinkende nie mehr dürsten wird (4,14; vgl. 7,37f; 6,35b.53). Es ist das Trinken, das in seiner Konsequenz im ewigen Leben mündet (vgl. Sach 13,1; 14,8).12 3) Der am Kreuz Hängende stirbt zu einem Zeitpunkt, als es Abend wird (vgl. 19,14.31-33). Auch von daher erscheint das TexeXeoTöL im Lichte des ,es ist zu Ende*. Zugleich ist dieser aber auch TÖ CPW^ tot) XÖO^OU (8,12; 9,5). Es erleuchtet die Welt und erweist sich als TÖ CPU? TRJ^ £A>FJC;13. Rückblickend ist für J o h 2 - 1 1 erkennbar, daß Jesus übermäßig an Menschen zugunsten ihres Lebens handelt. Jedoch ist dieses Handeln von Anfang an mit kreuzestheologischen Aspekten durchsetzt, die zum Ausdruck bringen, daß dieses Leben nur durch Jesu Tod gestiftet sein wird. J o h 12-19 leuchtet dies nun insofern aus, als der Evangelist die Art und Weise benennt, in der Menschen diesem in den Tod Gehenden begegnen. Beide Linien erfahren anhand von drei Themen eine paradoxe Entfaltung. Als Ganzes bildet dieses Motiv die Folie, vor der das Folgende zu lesen ist.
3.2.2. Das Motiv der Freiwilligkeit Mit dem Motiv der Freiwilligkeit (18,1.4-6.8.11.36; 19,17.30) wird die Passionsgeschichte im engeren Sinne eingeleitet14. Jesus (001x05) geht mit seinen Jüngern in den Garten. Jetzt ist die „rechte, für etw(as) bestimmte, günstige Zeit" 15 , in der die Liebe des Vaters zum Sohn erkennbar wird: Der Sohn gibt sein Leben von sich aus (cm' e^auTOÜ), weil er die Vollmacht dazu hat (10,18 e|ouoiav e^co 8etvai conr|v). Damit ist letztlich einerseits jeder Komplott seitens der Menschen ausgeschlossen (vgl. 5,16-18; 7,1.19.25.30; 8,37.40.59; 10,31.39; 11,8.53), wiewohl solche Anschläge als Zeichen des Unglaubens nicht verschwiegen werden. Andererseits bedarf Jesus auch weder irdischer Machtsicherungsstrategen (ürnigeiai), die seine Person inklusive seiner ßaaiXeia retten könnten (18,36), noch den völlig deplazierten Aktivismus seines Jüngers Petrus (18,10f). Jesus bricht daher von sich aus auf (14,31; vgl. 11,7 äyeouev), u m sein Ziel zu erreichen: Jerusalem.
12 Treffend: SCHENKE, Johannes 363: „Im Wasser sollen die Leser jene Quelle erkennen, aus der Jesus allen Lebensdurst stillen will (4,14), die flüsse lebendigen Wassers', die der Heilige Geist sind (7,38F). Aus dem , Tempel seines Leibes' (2,21) brechen die Quellen auf, und die Flüsse beginnen zu strömen (7,38), von denen die Schrift spricht (Sach 13,1; 14,8). Jetzt gibt Jesus den Geist, ohne kleinliches Maß (3,34)." 13 Weiteres Material und andere Begründung bei KNÖPPLER, theologia 262-265; ferner OBERMANN, Erfüllung 357f.360-364 mit Anm. 71. 14
Vgl. d a z u BLANK, V e r h a n d l u n g 68, WENGST, G e m e i n d e 1 9 5 - 1 9 7 , KNÖPPLER, theo-
logia 2 4 8 - 2 5 2 . 15
DELLING, w o a 6 7 5 ( k u r s i v i m O r i g i n a l ) ; vgl. DERS., ü g a 6 7 8 £
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3. Kreuzestheologie im joh. PB
Jetzt, in 18,4-6.8.11, gestaltet der Evangelist diese Grundlage weiter aus. Der Abschnitt wird durch die an 1,35-39 erinnernde Frage xivoc ^t|teite eröffnet. Auf die Antwort „Jesus den Nazarener" gibt sich Jesus durch das hoheitlich geprägte eya> el^ii freiwillig zu erkennen. Daraufhin fallt der Verhaftungstrupp Jesus zu Füßen. Die .Berufungsgeschichte' (l,35-39) 16 weist für diese Perikope wichtige parallele Züge auf: Auch hier fragt Jesus, was sie suchen (^r|xeo)). Nach einer Rückfrage antwortet Jesus eqxeöBe öijieaöe. Dabei denkt der Evangelist wohl nur vordergründig an eine Einladung der Jünger angesichts der fortgeschrittenen Tageszeit17. Vielmehr ist der Leser/ Hörer aufgefordert .hinzugehen und zu sehen', wie Jesus in den Tod geht. Ist dies in l,50f als Verheißung formuliert, beginnt es in 18,lff Wirklichkeit zu werden: Wer Jesus aus Nazareth sucht, findet den Auferstandenen als den Gekreuzigten. Weil das das Größere (1,50) ist, was versprochen ist, ist die Reaktion in 18,6 angemessen: Proskynese18. Die soteriologische Komponente dieses kreuzestheologisch geprägten Motivs der Freiwilligkeit entfaltet Johannes in 18,8: Die in 17,12 benannte Fürsorge (EcpuXa^a) Jesu für die ihm Anvertrauten gipfelt nun in der Aufforderung, seine Jünger unbehelligt gehen zu lassen (acpir||ii). Der gute Hirte bricht auf, sein Leben für die ihm Anbefohlenen zu geben (10,11.15.17; ll,50f; 15,13). Den ersten sichtbaren Ausdruck dieser Lebenshingabe nennt der Evangelist in 18,11: Jesus trinkt den Todeskelch, der in seinem Sterben zum Heilskelch (vgl. Ps 115,4 [LXX] vgl. 23,5) wird. Innerhalb von Joh 19,16b-30 ist eine weitere Ausprägung in 19,17 genannt, denn niemand steht Jesus zur Seite, um ihm, dem Geschundenen und Geschlagenen, das Kreuz abzunehmen. Es ist sein Wille, jenen letzten Gang ohne Hilfe zu gehen. Zudem muß noch auf die im jraQE&coxEV tö jiveöjia reflektierte anthropologische Unterscheidung von aägc, und irveO^a hingewiesen werden: Der Mensch ist seiner somatischen Existenz nach ÜSJ und zugleich an f] i|>uxn bzw. tö nveCna (Gen 2,7; vgl. Jak 2,26a) gebunden. Stirbt er, dann wird diese schöpfungstheologische Einheit getrennt, und Gott selbst nimmt die Seele (vgl. Spr 1,19 nj?11 V ^ ö a BS-Tn«) 19 . Gerade hier unterscheidet sich Jesu Tod von dem anderer Menschen, denn er gibt das irveO(ia freiwillig hin 20 .
16 Angesichts des Verbs eÜQitmo müßte genauer von einer .Findungsgeschichte' die Rede sein, denn Jesus beruft keine Jünger, sondern die Jünger .finden' Jesus. 17 Die zehnten Stunde entspricht 16.00 Uhr. Bekanntermaßen beginnt im Orient der Abend schlagartig ab ca. 18.00 Uhr. 18 Dieser höchst bedeutsame Zusammenhang zwischen eoxoHca und ^tecd ist auch in 6,24-35 zu beachten. Auch hier wird t'ex°nai durch i^iiEw mit iuoteüw transzendiert, denn die Suche, gefolgt vom Glauben, qualifiziert das Kommen. Kann sie zunächst eine vergebliche (8,21; 13,33) sein, dann wird sie am Ostermorgen von Erfolg gekrönt: Den Auferstandenen findet Maria, nicht den toten Leichnam (20,15). 19 Zum atl. Hintergrund vgl. WOLFF, Anthropologie 25-56.66-101.150-176.
Das Motiv der Freiwilligkeit
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Dieses Motiv der Freiwilligkeit verknüpft der Evangelist von Anfang an mit dem Tod Jesu und formuliert in 19,30 ein TEtö.eoTai, das er bereits in 13,2 als e'15 rekoc, ankündigt. An dieses Motiv der Freiwilligkeit knüpft der Evangelist den theologischen Gedanken des Vorherwissens an, den er in 18,4a als wesentlichen Bestandteil dieses Motivs benennt. Er ist zunächst qualitativ dem Wissen des J u d a s insoweit gegenübergestellt, als jenes als ,Insiderwissen' bezeichnet werden kann, dessen Begründung im jioAAdxig (18,2) zu sehen ist. Jesu Vorherwissen bezieht sich hingegen auf j t ä v t a t a e o x ö | i e v a und ist dadurch strukturell mit jenem des Parakleten vergleichbar (16,13). Von Anfang an weiß Jesus nicht nur, wer nicht glaubt, sondern auch, wer ihn verrät (6,64 ö jiaQa6ü)0(üv aijxov; vgl. 6,70; 13,11; 17,12; ferner 13,38). Dieses Wissen gewinnt in 13,1.3 eindringliche Struktur: N u n ist seine Stunde gekommen (2,4; 4,21.23; 5,25; 7,30; 8,20; 12,23.27f; 13,1; 16,2.4.25; vgl. 7,6.8): Jetzt ist die Stunde, es gilt, aus dem sie; reXog (13,1) ein Texö.ecrTca (19,30) zu bilden 21 . Dann ist erkennbar cm eye!) eijii (13,19; vgl. 14,29). Vorabbildend geschieht dies in 13,lff in Gestalt der Erniedrigung des Herrn zum Knecht als dem kreuzestheologisch orientierten Liebesdienst 22 , u m im eigentlichen PB im Motiv des Königtums (der gekreuzigte König) realiter umgesetzt zu werden. Jesus weiß nicht nur u m die Art seines Todes, die Erhöhung ans Kreuz (18,32; vgl. 3,14; 8,28; 12,32f), sondern auch kurz vor seinem Tod u m die Schrifterfullung (19,29f) 23 . 20 E b e n das spricht dann auch gegen die A n n a h m e , das Kreuz sei bereits die Erhöhung in den H i m m e l ; gegen SCHULZ, Stunde 306, MÜLLER, Bedeutung 56f, DERS., Menschwerdung 65 A n m . 160. Vgl. dagegen SENIOR, Passion 119: „The bold declaration o f 10:17-18 find its fulfillment here (d. i. 19,30; M . L.)". 21 Vgl. BROWN, D e a t h II 1070f, HEIL, B l o o d 99. 22 NIEMAND, Fußwaschungserzählung 410: „ D i e Fußwaschung stellt kein KenosisGeschehen dar. Ihre soteriologische Symbolik zielt also nicht a u f J e s u Passion, sondern stellt einen Akt der liebenden u n d ehrenden Begrüßung u n d A u f n a h m e dar. D e s h a l b ist sie als soteriologische S y m b o l h a n d l u n g auch sinnenfalliger Hinweis a u f die nicht passio n s z e n t r i e r t e Erlösungstheologie des J o h E v . " Wenig später zieht er eine n o c h deutlichere Konsequenz: D e r „ E r n i e d r i g u n g s a s p e k t in der johanneischen Passionserzählung (ist) fast völlig verschwunden" (DERS., Fußwaschung 120). D e n Gegenbeweis für J o h 13 hat KOHLER, Kreuz 1 9 2 - 2 2 9 , überzeugend erbracht. 23 Angesichts dieser kreuzestheologischen Ausrichtung m u ß das M o t i v der Allwissenheit J e s u davon unterschieden werden: 1) 4,16-18: J e s u s weiß, daß die Frau mehrere M ä n n e r hatte und auch der jetzige nicht der ihre ist; 2) 5,5f: J e s u s weiß, daß der Kranke bereits 38 J a h r e dort liegt; 3) J e s u s kennt sowohl die Glaubenden als auch die Nichtglaub e n d e n (10,14f.26-28), die erwählten u n d verworfenen J ü n g e r (6,61; 13,18) und durchschaut ganz generell alle Menschen (2,25; 5,42; vgl. 6,15; [21,17]). A n keiner dieser genannten Stellen steht das Wissen J e s u in unmittelbarem Z u s a m m e n h a n g mit seinem Sterben, das er vorausweiß. A u f eine Stelle m u ß jedoch n o c h hingewiesen werden: l,48f. Hier ist nicht im strengen Sinne von einem Wissen, sondern von einem .Sehen' (ei&ov oe) die Rede, das durch die Bekenntnisformulierung ov d 6 11105 toC 9 E O Ü , OÜ ßaoiAeüc; ei TOO 'Ia-
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3. Kreuzestheologie im joh. PB
Damit ist der freiwillige Tod Jesu zwar unabhängig von menschlichem Tun und Wollen, aber findet doch in der vom Vater bestimmten Stunde statt. Das Ausbrechen der dort sicherlich vorhandenen hoheitlichen Züge verhindert der Evangelist, indem er das kreuzestheologisch geprägte Vorherwissen Jesu dem Motiv der Freiwilligkeit zuordnet 24 .
3.2.3. Das Motiv der Unschuld Auf einer vordergründigen Ebene steht das Motiv der Unschuld Jesu im PB zunächst in politisch-apologetischen Zusammenhängen 25 : Im Kontext nicht nur zahlreicher juristischer Termini, sondern auch des juristischen Verfahrens als Ganzem 26 steht Jesu Unschuld sowohl vor den Vertretern der jüd. Obrigkeit bzw. eines einflußreichen Repräsentanten (18,23) als auch vor dem heidnischen Richter Pilatus (18,38b; 19,4.6) fest. Bei ersterem wird von Jesus klargestellt, daß er immer in aller Öffentlichkeit aufgetreten sei (vgl. 6,59) und keineswegs einen konspirativen Geheimbund mit verdächtiger Sonderlehre gegründet habe: Jeder konnte dazukommen um zu hören, was Jesus sagt (vgl. 7,26). Wenn Johannes beschreibt, daß Jesus seit 11,54 nicht mehr öffentlich auftritt, dann ist die Zeit vorbei, wo Jesu Unschuld ernsthaft bestritten werden kann. Durchaus sachgemäß ist dann in 18,21 die selbstbewußte Antwort 27 Jesu, die die eigene Unschuld mit dem Verweis auf sein öffentliches Auftreten beteuert.
o«r|>.. (1,49) durch die Titel uiös xoO 9EOÜ und ßaoiAeüs kreuzestheologische Ausrichtung hat; vgl. beispielsweise das o b e n a u f Seite 136.145.184 u. ö. Gesagte. WENGST, Gemeinde 195f, differenziert hier m. E. nicht genügend. 24
Etwas anders KNÖPPLER, theologia 251f: „Das j o h M o t i v der Freiwilligkeit des To-
des Jesu verfuhrt dazu, in Jesus nun d o c h den unberührt von Leiden und Tod über die Erde wandelnden Gottessohn zu sehen. Insofern dieses M o t i v insbesondere die hoheitlichen Züge J e s u herausstellt, mag dieser S c h l u ß durchaus zutreffen. Aber die Hervorhebung der H o h e i t J e s u ist in der Sache des Motivs selbst begründet und sollte nicht zur verallgemeinernden Aussage a u f das Jesusbild der gesamten j o h Passionsgeschichte, geschweige denn a u f die Christologie des (...) Evangeliums überhaupt, bezogen werden." 25
Vgl. dazu DAUER, Passionsgeschichte 3 0 7 - 3 1 1 .
26
Zu den juristischen Termini s. o b e n Seite 299; zu den skizzierten Hintergründen
vgl. das o b e n a u f Seite 1 2 9 - 1 3 4 Gesagte. Darüber hinaus sei betont, daß es zu kurz gegriffen wäre, juristische Termini einzig a u f den formalen Prozeß J e s u zu beschränken. D e m widerspricht nicht nur der sprachliche Befund (beispielsweise jrenjico), sondern auch die Vorstellung des Evangelisten, daß nicht Jesus, sondern Pilatus (und die 'Iou&aToi zuvor in Kap. 1 , 1 9 - 1 2 , 5 0 ) letztlich .Gericht hält'. PREISS, Rechtfertigung passim, m ö c h t e , unter Zuhilfenahme dieses breiten Spektrums eine ,Art rechtliche Mystik' (DERS., Rechtfertigung 3 0 4 ) für das J o h E v konstruieren, u m sie einer ,joh. Rechtfertigungslehre' zuordnen zu können. 27
Z u m Material vgl. o b e n in Kap. 2 A n m . 160.
Das Motiv der Unschuld
315
Für die Verhandlung vor Pilatus kann der Evangelist den Gedanken der Öffentlichkeit zum Erweis der Unschuld Jesu nicht verwenden, denn Pilatus muß aus dem Diskurs mit Jesus dessen Unschuld ermitteln. Dies stellt Pilatus unerschütterlich dreimal 28 fest (18,38; 19,4.6). Aus Sicht des Pilatus - und auch des Evangelisten, der seine Gemeinde im röm. Umfeld sieht ist dieser Jesus vielmehr ein .eigenwilliger Philosoph', mit dem eher Stichworte wie ßaoiXeug, ßaaLXeia und ¿Xr|8£La diskutiert werden können, denn ein todeswürdiger Guerillakämpfer. Und doch steht dieser Unschuld die lebensbedrohliche Geißelung (19,1-3), der zweimalige Kreuzigungsruf (19,6.15) und schließlich der Kreuzestod trotzig gegenüber. Auf der vordergründigen Ebene mündet das politisch-apologetische Motiv der Unschuld in Jesu Tod. In der Zusammenschau von 18,38a.b (d>.r|8eia - oüöeniav aixiav) eröffnet der Evangelist eine hintergründige Ebene, die durch ein spezifisch theologisches Thema auffällt: die Unschuld im Sinne von Sündlosigkeit. Wer die 6o|a dessen sucht, der Jesus gesandt hat, der ist von dem Wesen bestimmt (7,18b): ÄÖIXIA ev AÜTW ovx EOTIV29. Noch genauer heißt das: 0UT05 c.r|atijeiov) in doppelter Hinsicht: Jene Guerillakämpfer, die sich sogleich als König einsetzen, richten ihre Aktivitäten nicht nur gegen die Besatzungsmacht, sondern auch gegen die eigene Bevölkerung. Erstere kann sich, da sie darauf vorbereitet und dazu fähig ist, gegen solche Übergriffe verteidigen. Die eigene Bevölkerung ist zu Versorgungsleistungen und Denunziation gezwungen (vgl. beispielsweise Jos Bell V,l,l §5; V,l,4 §21; V,3,l §103; VII,8,1 §257) und durch die Unfähigkeit, sich gegen solche Übergriffe schützen zu können, in größerem Maße geschädigt. Ihr Leben ist durch jene Könige ernsthaft gefährdet, keine der soeben genannten Beobachtungen trifft zu: Solche Maßlosigkeit widerspricht pnx 59 und kann sich nicht einer heilvollen Ordnung zuweisen lassen. Johannes stellt den Gedanken des Königtums dem soeben Beschriebenen markant gegenüber: Nicht durch eine Selbstproklamation, sondern durch das Bekenntnis des Nathanael als des ¿Ar|9üjc; 'Iaoc.8i.(i)8fj r| yQacprj (vgl. jrdvra TETeXtaxai) in 19,28 erweisen. Vielmehr ist 19,31-37 wichtiger ,johanneischer Fingerzeig', u m 19,28-30 zu verstehen. 90 Vgl. MOO, Testament 217-221. HANSON, Gospel 222-224, möchte Sach 12,10 nur auf die Kreuzigung beziehen. Er faßt auf diese Weise jedoch die literarische F o r m des Zitats zu eng und verstellt sich dadurch wichtige Einsichten fiir das Verständnis der gesamten und v o m Evangelisten absichtsvoll gestalteten Perikope!
Das Motiv der Erfüllung
327
Jerusalem lebendiges Wasser fließen (Sach 14,8 • n r , r r C P Q vgl. Ez 47,1-8; Joel 4,18) 91 . Dann wird der König über alle Lande herrschen (Sach 14,9a). Diese Zusammenhänge hat der Evangelist vor Augen, sie sieht er im glaubenden Aufblicken auf den gekreuzigten König erfüllt: Der Durchbohrte vergießt neben Blut auch Wasser, das zum lebendigen Wasser wird (vgl. Joh 4,10 Ü&CÖQ £CÖV; ferner 3,5; 7,38). Die lebenspendende Qualität besteht darin, daß im Tod Jesu Sündenvergebung gewährt und Beflekkung aufgehoben sind, so daß £cor| akoviog umfassend möglich ist (3,16) 92 . Im .lebendigen Wasser* erschließt sich darüber hinaus der Geist der Gnade und des Gebets. Jener Geist der Gnade eröffnet die Perspektiven93, die durch den mosaischen v6|ioq verschlossen geblieben sind (1,17); es ist auch jener Geist des Gebets, der nicht mehr an den Jerusalemer Tempel gebunden ist (4,20f), sondern Gott in der Wahrheit anbetet (4,23f). Diese Ausgangsbasis eröffnet dem Evangelisten zwei Interpretationswege, die sich anhand des Schriftzitats von 19,36b erkennen lassen: 1) Die theologische Struktur des leidenden Gerechten. Dieser Gedanke begegnet in 19,24.28 94 und verweist darauf, daß der Gerechte in bedrängter Situation nicht dem fürsorglichen Handeln Gottes entrissen werden kann. Vielmehr ist die „Verhinderung des Crurifragiums als Schutz Gottes, den er dem Gerechten zuteil werden läßt" 95 , zu verstehen (vgl. Jes 52,13-53,12 9 6 ). 2) Die theologische Struktur des fehlerlosen Passalammes. Das Blut dieses Lam-
91 Zu weiterem Material vgl. dazu ODEBERG, Gospel 1 5 2 - 1 6 3 ( 1 6 4 - 1 6 7 mit Belegen u. a. bei Hippolyt), GOPPELT, ij&wo 3 1 9 - 3 2 2 , BÖCHER, Wasser 1 9 6 - 2 0 2 (AT bis J o h a n n e s d. Täufer), PORSCH, Pneuma 6 1 - 6 5 , BODI, Hintergrund 1 4 2 - 1 5 0 . 92 Zutreffend OBERMANN, Erfüllung 321f: „Am Ende der johanneischen Kreuzigungsszene kommen die um das Kreuz Stehenden mit dem Ziel in den Blick, daß sie durch das Sehen des Gekreuzigten zum Glauben an Jesus k o m m e n und ihnen im Glauben ewiges Leben zuteil wird (so 19,35 mit 3,14f). [...] Diese Hoffnung der Rettung aller beschließt die Kreuzigungsszene." 93 Davon ist der Zeitpunkt der Geistgabe in J o h 2 0 , 2 2 und dessen anamnetische Funktion deutlich zu unterscheiden. Vielmehr ist a u f die grundsätzliche Verschränkung der Pneumatologie mit dem Tod und der Auferstehung Jesu zu verweisen. 94 Z u m zuvor im P B genannten M o t i v vgl. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 318f, OBERMANN, Erfüllung 329fj zu Forschungspositionen vgl. o b e n in Kap. 2 Anm. 727. 95
LEROY, Bein 76.
96 An diesem Punkt berührt sich das bisher Gesagte eng mit dem oben auf Seite 3 1 6 - 3 1 8 zum M o t i v der Stellvertretung Ausgeführten. Vgl. zu Jes 53 JANOWSKI, Sünden 1 1 - 2 0 . JANOWSKI benennt als ein grundsätzliches Problem von Jes 53, daß „keine einlinige Antwort auf die Frage zu entnehmen ist, wer letztlich das Subjekt ist, welches das stellvertretende Tun bzw. Leiden des Gottesknechts ins Werk gesetzt hat: Er selbst, Israel (die ,Wir') oder Gott?" (DERS., Sünden 5). Es ist beachtenswert, daß JANOWSKI den Ausdruck .Sühne' mit dessen kultischen Konnotationen in diesem Zusammenhang vermeidet; demgegenüber HOPING, Stellvertretung 350 (Jes 53 als „eindeutiger atl. Beleg für die Vorstellung eines stellvertretenden menschlichen Sühneleidens"). Vgl. RUPPERT, Knecht lOf. J o s
328
3. Kreuzestheologie im joh. PB
mes verhindert, daß der Würgeengel unbetroffene Menschen tötet (Ex 12,1-28), es verhindert den Tod von Menschen 97 . Deutet demnach der Evangelist in J o h 19,31-37 den Tod Jesu in den Farben des eschatologischen Heilsereignisses 98 , dann ist die absolute Formulierung in 19,28 konsequent: xeXeicoBfj f] ygaq)r|. Angesichts dessen gibt es nichts mehr zu sagen, was gemäß der yoa(pr\ zum Ende gebracht werden müßte 99 . Aus dieser Perspektive schildert Johannes ebenfalls sachgemäß, daß Jesus sein Leben mit einem TETeXeatai beschließt 100 . Abschließend kann dem Urteil R. Schnackenburgs 101 zugestimmt werden, daß „ohne den tragenden Grund des AT (...) dieses Ev nicht denkbar" ist. Für die Frage nach der joh. Kreuzestheologie kann ergänzend vermerkt werden, daß der Tod Jesu in seiner Heilsbedeutung konstitutive Verstehensbedingungen aus dem AT erhält.
Ant IX,13,3 §268-274 referiert 2 C h r 29,21ff und die dort unter Hiskia vollzogenen Sühnehandlungen. 97 Vgl. BEUTLER, Heilsbedeutung 192. Zu den Literaturbelegen für Sühne vgl. oben in K a p . 2 Anm. 704. 98 Sehr deutlich ist hier eine Verschränkung der Zeitebenen zu erkennen: Einerseits wird in der antidoketistischen Absicht auf die direkte Situation Bezug genommen. Andererseits weisen die genannten eschatologischen Elemente als deutliche Spuren in die Zukunft; vgl. oben in K a p . 2 Anm. 366. 99 KRAUS (Johannes 20) sieht in diesem Konzept folgendes Problem: „ D e r wichtigste und folgenschwerste Aspekt johanneischen Umgangs mit der Schrift liegt m. E. in der Zurückdrängung der Dimension der Heils-(Erwählungs-)geschichte." 100 OBERMANN, Erfüllung 328, meint bzgl. der Gesamtkomposition folgende Einschränkung der kreuzestheologischen Gestaltung des A T vornehmen zu können: „Während im Folgenden die äußere Geschehensfolge den Tod Jesu konstatiert (19,34) und auf die Kreuzesabnahme ab 19,31 hinausläuft, wird in der Linie der Schriftzitate eine Perspektive der Rettung und des Lebens dominant, die nicht beschränkt ist auf den Gekreuzigten, sondern im M o d u s des Glaubens alle Umstehenden mit einschließt." Die aufgelöste Beschränkung auf den Gekreuzigten vermag nicht zu überzeugen, denn der angesprochene Glaube der Dabeistehenden hat im wirklichen Kreuzestod allererst seinen Ausgangspunkt, ehe er im Glauben eine Konsequenz erfahrt. Anders ausgedrückt: N u r das Kreuz erfüllt die Schrift und ermöglicht Glauben an den Durchbohrten. Der Evangelist läßt keine gedankliche Möglichkeit, Glauben ohne das Kreuz verstehen zu wollen, wie dies OBERMANN, Erfüllung 329, suggerieren möchte: „Nicht der Tod Jesu ist in den Blick genommen, sondern der mögliche Glaube der unter dem Kreuz Stehenden weist über den Tod Jesu hinaus auf das im Glauben gewährte ewige Leben." Demgegenüber ist angesichts von J o h 12,32 festzuhalten, daß erst der Tod Jesu die Gemeinschaft stiftet. 101 Johannesevangelium I 106. Vgl. PANCARO, Law 330.
Die Passionschronologie
329
3.2.7. Die Passionschronologie Die Frage nach der joh. Passionschronologie legt sich dann nahe, wenn in Mk 10,46-11,11; 11,20-13,57 sowie die drei Tage im mk. PB beachtet werden, die Bestandteil für M. Kählers 102 vielzitierte und etwas herausfordernde These war, daß man „die Evangelien Passionsgeschichten mit ausfuhrlicher Einleitung nennen" kann. Zunächst seien die chronologischen Angaben noch einmal mit ihren jeweiligen Ereignissen vor Augen gestellt: 12,1 Sechs Tage vor dem Passa findet am 10. Nisan in Bethanien Jesu Salbung zum Tod statt; am folgenden Tag (12,12) zieht Jesus in Jerusalem ein; es folgt - chronologisch anstelle des Passamahles - in 13,1 die Fuß Waschung. Der Tag endet in 13,30; in 18,28 ist das Passafest erreicht, denn die Furcht vor kultischer Unreinheit hindert am Betreten des Prätoriums. Sechs Stunden später erfolgt die Verurteilung und am Abend ist Jesus bereits tot, das Passafest hat begonnen (vgl. 19,31-33.42). Die Auferstehung erfolgt zwei Tage später (20,1). Obwohl die einzelnen Tage nicht immer deutlich erkennbar sind, so ist doch so viel klar: Der mit dem Tod Gekennzeichnete geht in einer breit dargestellten letzten Woche zur mors turpissima crucis. Allein aus dieser Perspektive ereignen sich beinahe 40% des im gesamten J o h E v gebotenen Stoffs in dieser Passionswoche! Immer wieder ist die Tageszählung in 1,19.29.35.43; 2,1 aufgefallen, die zunächst in ihren möglichen Bezügen mit Kap. 12-20 und dann innerhalb von Kap. l f erhoben werden soll. Entgegen der Kritik legt sich ein Wochenschema nahe 103 . Zunächst ist dabei augenfällig, daß das xfj f^egct tfj tqltt| (2,1) für die joh. Gemeinde mit Hilfe des Tempelwortes (2,19 mit 2,20-22) auf den Ostersonntag bezo-
102 Jesus 60 Anm. 1 (59f). 103 WEISE, Passionswoche 5 5 - 6 0 (55 Anm. 21.22 mit einem weiteren Positionsreferat bzw. Lit.), stellt das Mittwoch-Wochenschema in 1,19-2,11 heraus. Dabei sei „ d i e Passalamm-Typologie chronologisch z u m Ausdruck gebracht" (DERS., Passionswoche 60 kursiv im Original), denn in 1,29 stehe nicht nur die Passalamm-Typologie im Hintergrund, sondern auch die damit verbundene reale Verschränkung in der Wocheneinteilung. Dafür spreche auch, daß in 1,38 mit hevco auf den Sabbat zu beziehen sei, da nevw im aram. mit n 3 ü zurückzuübersetzen sei. Dieses Mittwoch-Wochenschema sei im qumranischen Kalender beheimatet (DERS., Passionswoche 59). Zustimmung verdient der Versuch, eine chronologische Struktur in 1,19-2,11 zu sehen, die sich mit 18,lff in Verbindung bringen läßt. Problematisch ist jedoch die zu starke und eingeengte, qumrantheologische Verstehensweise von 1,29.36 in ihrer Passionstheologie, die für 18,lff bisweilen zu überzogenen Interpretationen fuhrt (vgl. beispielsweise das zu 18,2 Gesagte [DERS., Passionswoche 52f]). Diese Einengung führt WEISE dann z u m problematischen Hilfsmittel der Rückübersetzung (vgl. dazu oben in Kap. 2 A n m . 661). U n d schließlich kann aus heutiger Perspektive der Qumrankalender nicht mehr ohne weiteres als Solarkalender bezeichnet werden (vgl. oben in Kap. 2 Anm. 548). Demgegenüber deutet HANHART zu stark aus der quartadezi-
330
3. Kreuzestheologie im joh. PB
gen werden konnte: Überreiches Heil 104 spendet Jesus am dritten Tag. Am Ostermorgen ist mit Jesu Auferweckung das Heil in Kraft gesetzt, das er mit TEteXeotai vollendet hat. Sodann ist auf den Zusammenhang von 1,29 mit 19,14 zu verwiesen: In 1,29 ist davon die Rede, daß das Lamm die Sünde der Welt beseitigt. In metaphorischer Redeweise schlägt der Evangelist von 1,29 den Bogen zum Kreuzesgeschehen: Jesus stirbt zu der Stunde, als im Tempel die Passalämmer geschlachtet werden (19,14.30; vgl. J o s Bell VI,9,3 §423). Hinsichtlich einer eindeutigen chronologischen Fixierung mittels Wochentagen muß jedoch einschränkend gesagt werden, daß sich die Angaben aus J o h 12-20 noch am ehesten nachweisen lassen. Für J o h 1,19-2,1 gelingt dies nur, wenn 2,1 im Sinne der joh. Theologie - und damit verständlich für die joh. Gemeinde - auf den Ostersonntag bezogen wird105. Darüber hinaus scheint sich 1,39-42 einer exakten Gegenüberstellung mit Kap 12-20 zu sperren, da die für die Ermittlung der Tageszählung erwartete Formulierung rrj eitaijoiov erst wieder in V 43 erscheint: V 39 und V 43 scheinen nur zwei Tage zu beschreiben und damit das Wochenschema zu sprengen. V 39d nennt aber eine wichtige Angabe (¿')o« fjv cbg ÖExarri), die zwei wichtige Beobachtungen zuläßt: 1) Die Formulierung ist inhaltlich besonders mit 4,6; 5,9b; 9,14; 13,30; 18,28; 19,14.31 vergleichbar. In all diesen Fällen kommentiert der Evangelist eine vorausgegangene Erzähleinheit mit einer solchen abschließenden, metasprachlichen Formulierung, die aus fjv mit folgender Zeitangabe besteht 106 . 2) Sprachlich hat sich dies in 1,43; 4,6; 5,9; 9,14; 13,30; 18,28; 19,14.31 (vgl. 2,13; 5,1107) niedergeschlagen. Verglichen mit dem zu Kap 12-20 Gesagten ergibt sich folgende Skizze 108 :
manischen Rezeption (vgl. DERS., Hour 344). Er übersieht auch, daß m. E. 1,29.35.39 insgesamt drei Tage und nicht zwei Tage (DERS., Hour 345) umfassen. 104 Vgl. dazu das oben auf Seite 308-311 Gesagte (Das Motiv der Hyperbel) mit Anm. 6 (Belege). 105 Vielleicht wird man sich daher am ehesten, wenn man sich diesbezüglich überhaupt festlegen wird, für ein Sonntag-Wochenschema entscheiden. 106 Vgl. dazu oben in Kap. 2 Anm. 228 und 117. 107 Beide zuletzt genannten Texte sind jedoch kein rückwärtsgewandter Abschluß einer vorausgegangenen Erzähleinheit. 108 Zur Passionschronologie innerhalb von J o h 18,lff im Vergleich zu Mk 14,43ff vgl. die Skizze oben Seite 200. - Zu J o h 1,39.41 vgl. WEISE, Passionswoche 59f, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium I 330f, OLSSON, Structure 102-109, und HANHART, Hour 338.341-346, jedoch mit unterschiedlichen Akzenten.
331
Die Passionschronologie
1. Tag:
1,19
.... 12,1
2. Tag:
1,29
.... 12,12
3. Tag:
1,35
.... 13,1.30
4. Tag:
1,39.41
.... 18,28 (Vorbereitung des Passas)
5- Tag:
1,43
.... 19,14 (6. Stunde bezieht sich auf 18,28)
7. Tag:
2,1 (am dritten Tag) ... .... 20,1 (Ostermorgen
frühmorgens)
Dieses Wochenschema ergänzt der Evangelist durch die planmäßigen Anordnung von Jesu Reisen zum Passafest (2,13.23; 6,4; 11,55; 12,1; 13,1). Sein Auftreten entweder in der Passawoche oder am Passafest selbst ist durch die jeweiligen näheren Zusammenhänge (vgl. 2,20-22; 5,15.25.28.36.45; 11,47-53) deutlich mit seinem Tod verknüpft. Durch eine weitere, kleinere chronologische Einheit rundet der Evangelist dieses Schema ab: die Erwähnung der Stunde 109 . Auch sie hat der Evangelist an die Passionschronologie angelagert, denn in 2,4; 12,23.27; 13,1 ist ebenfalls im Zusammenhang vom Passafest die Rede, an dem Jesus das Werk des Vaters vollendet (vgl. 19,30). Der Evangelist hat diese Szenenkomplexe „sehr sorgfältig chronologisch strukturiert" 110 . In allererster Linie geht es ihm darum, einen literarischen Bogen zwischen beiden Komplexen zu spannen, der die Lektüre kataphorisch und anaphorisch leitet: Beginnend in Kap. l f soll der Leser/Hörer die vorabbildende, auf das Kreuz ausgerichtete Struktur des Phänomens ,Zeit' erkennen. In Kap. 19 angekommen, verweist diese Struktur auf den Anfang zurück, die Lektüre kann von neuem beginnen 111 . Weitergehende exegetische Urteile aus dieser Gegenüberstellung sind nicht angezeigt 112 . 109 Verschiedene sich überschneidende Aspekte bündeln sich im Motiv der Stunde: 1) 2,4; 7,30; 8,20 mit dem o i k u ti>Qa, 2) die Stunde der Verherrlichung 12,23.27f; 17,1, auch im Sinne der Passion in 12,27, 3) die Stunde, die für die Sendung durch den Vater zeugt 13,1, und 4) die kommende Stunde 4,21.23; 5,25; 16,2.4.25. Vgl. ferner FREY, Eschatologie II 173-194. 110 FREY, Eschatologie II 141. 111 Es ist daher eine unangemessene Alternative, die FREY voraussetzt, wenn er meint: „ D e n n o c h besteht die Funktion der chronologischen Notiz in l,39fin. nicht primär in der Mitteilung von Information, sondern eher in der erzählerischen Strukturierung und Akzentuierung" (Eschatologie II 154). Sehr wohl ist J o h l,39d eine strukturierende Information, auch wenn sie nicht als historisierende Information zu lesen ist. 112 DERS., Eschatologie II 156 Anm. 190, hat f ü n f Versuch vorgestellt. D i e durchaus anregende Überlegung von OLSSON, Structure 102-109, eine vor allem auf Ex 24,16f basierende Exodustypologie wahrnehmen zu wollen, „läßt sich nicht verifizieren" (FREY, Eschatologie II 156).
332
3. Kreuzestheologie im joh. PB
Zuletzt meint J . Frey, der Vorschlag von H. Lausberg sei „besonders erwägenswert" 113 : Anspielungen an die Schöpfungswoche fanden sich in J o h 1,1—2,11 und in 19,28-30; 20,22. In 2,11.12 liege ein typologischer Bezug auf Gen 2 , 1 - 3 (¿noirioEv und ÖQxr|) vor, weil die Chronologie in J o h l f durch den Bezug auf Gen l f das Wirken Jesu als Neuschöpfungsgeschehen interpretiere. Die häufige Verwendung von T E X E I Ö O J und T E X E W in 19,28-30 nehme diesen Gedanken auf: .Jesus stirbt am Nachmittag des 6. Wochentages, eben jenes Tages, an dem ,Gott seine Werke vollendete, die er gemacht hatte' (Gen 2,2)." 114 Schließlich greife der Evangelist in der österlichen Geistverleihung 0 o h 20,22) auf Gen 2,7 115 zurück. Ein solches Verständnis trifft in J o h 20,22 für den Rückgriff auf Gen 2,7 vermutlich zu, hinsichtlich J o h 19,28-30 scheint es hingegen wenig wahrscheinlich 116 : 1) Ein schöpfungstheologischer Hintergrund des T E X E U / T E X E I Ö O J ist anhand J o h 4,34; 5,36 nicht erkennbar: Das vom Vater aufgetragene Werk ist mit der christologischen Aussage von der Sendung Jesu verknüpft 117 . 2) J o h 18,1-19,30 sind vom königstheologischen Motiv geprägt118. Dieser König erfüllt die rituellen Verpflichtungen 11 ', indem er die Schrift zum Ende bringt (xEXEicoOfi r) yecwpii) und den Tempel in seiner Bedeutung aufhebt (2,19-22; 4,21-24; vgl. 1,17)120. In 19,28-30 ist die Annahme des im übrigen PB vorherrschenden Motiv des Königtums wahrscheinlicher als der Eintrag der für J o h 1 sicher erkennbaren schöpfungstheologischen Thematik.
3.2.8. D i e Personenkonstellation D e r folgende Abschnitt will versuchen, die auftretenden Personen im J o h E v mit dem Problemkreis in Verbindung zu setzen, daß das J o h E v als kreuzestheologische Interpretation der Geschichte J e s u verstanden werden muß. 113
DERS., Eschatologie II 156f.
114
DERS., Eschatologie II 157f.
115
DERS., Eschatologie II 158: „Die in der .Epiphaniewoche' J o h 1,19-2,11 angelegte
Schöpfungstypologie findet ihren eigentlichen Zielpunkt im Geschehen von Kreuz und Auferstehung Jesu bzw. in der österlichen Gabe des Geistes. Umgekehrt verdeutlicht der von 1,1 bis 19,30 bzw. 2 0 , 2 2 das ganze Evangelium umgreifende Bezug von Gen 1 , 1 - 2 , 4 den typologischen Sinn der in J o h 1,19—2,11 vorliegenden schematischen Chronologie." 116
Für Kap l f bleibt zumindest die Frage, welche Funktion die ¿6X^1 t ù v ar]U£Îuv im
joh. Verständis hat. Wenn Johannes einerseits beispielsweise durch EcpavÉguoEv rr)v ôôgav aÜTOö deutlich anaphorisch auf 1,14c (ÉBeaaàneOa rf|v ôô^av aütoö) verweist, hat die doxn töv
ORINEÎCOV
insoweit kataphorische Funktion, als in 4 , 5 4 das
ÔEÛXEQOV
or]{i£Îov eben jene
agx»i fortsetzt und die Kana-Kana-Komposition abschließt. 117 J o h 17,4 redet v o n dem Werk, das in der Verherrlichung, also in Kreuz und Auferstehung, vollendet wird. 118
Umfassender dazu das oben Seite 3 1 8 - 3 2 1 (Das Motiv des Königtums) Gesagte.
119 Vgl. dazu LANCZKOWSKI, Königtum 326. 120 Vgl. dazu SCHNELLE, Tempelreinigung 3 6 7 - 3 7 1 .
Die Personenkonstellation 3.2.8.1.
Der andere Jünger
bzw. der Jünger,
den Jesus
333 liebhat
Der Lieblingsjünger, selbst Gegenstand ganzer Monographien und zahlreicher Artikel 121 , kommt in 1,40; 13,23-25; 18,15-18; 19,25-27.31-37; 20,2-9 (21,7.20-24) vor. Dieser Jünger tritt in 1,40 nur ganz unbemerkt auf 122 , er ist bei der unmittelbaren Geburtsstunde der Jüngerschaft Jesu anwesend und tritt im zweiten Teil des JohEv verstärkt auf. In 13,23-30 steht er in binärer Opposition zu Petrus und Judas. Er ist derjenige, der innigste Gemeinschaft (ev tw xoAjko) mit Jesu hat (vgl. Plut Pericl 1,1123), während dies für die beiden anderen Jünger nicht gilt. Petrus muß dem Lieblingsjünger zuwinken, u m seine wichtige Frage vorbringen zu können, wer Jesus verraten werde124; der Lieblingsjünger stellt diese Frage Jesus. Nach dem Textzusammenhang bleibt nicht nur offen, ob Petrus die Antwort Jesu überhaupt erfahrt, sondern es wird auch klar, daß Judas, der ebenfalls nicht am xohJT05 Jesu liegt, der scharf Ausgegrenzte ist. Damit steht der Lieblingsjünger mit Judas (und Petrus) mittelbar im Zusammenhang mit der Auslieferung Jesu als einem Bestandteil des Todes Jesu 1 2 5 . J o h 18,15f beschreibt das erneute Engagement des Lieblingsjüngers zugunsten des Petrus, den die Türhüterin nicht einläßt. Der Lieblingsjünger ermöglicht Petrus nicht nur, in den wärmenden Innenhof zu gelangen, sondern er bereitet dadurch mittelbar auch die in 13,36-38 angekündigte Verleugnung vor. An einem weiteren Bestandteil der Passion Jesu, der Verleugnung des Petrus, ist also der Lieblingsjünger mittelbar beteiligt.
121 THYEN, J ü n g e r p a s s i m , hat sich m i t d e n letzten D e u t u n g s v e r s u c h e n (HARTMAN, MlNEAR, KÜGLER, ECKLE, GOULDER, HENGEL, BAUCKHAM) intensiv auseinandergesetzt. Vgl. d a r ü b e r h i n a u s KURZ, D i s c i p l e 1 0 2 - 1 0 6 , HERGENRÖDER, Herrlichkeit 6 0 9 - 6 2 6 (jed o c h nur unter B e r ü c k s i c h t i g u n g d e s .frühen THYEN'). 122 Vgl. d a z u DROGE, Status 308, BAUCKHAM, D i s c i p l e 34.36f, THYEN, J ü n g e r 171, RESE, Selbstzeugnis 101 f. 123 „ I n R o m g e s c h a h es einmal, d a ß A u g u s t u s ein p a a r reiche F r e m d e sah, die j u n g e H u n d e u n d A f f e n a u f den A r m e n hätschelten u n d h e r u m t r u g e n (jcuvöv t V y o v a x a i Örjjcuv ev T0T5 xöXnoig
jtcqkpeqovtck; xal
m-
a y a i r f i m a ? ) . D a fragte er sie, o b d e n n die Frau-
en bei ihnen keine Kinder zur Welt brächten, u n d erteilte ihnen m i t d i e s e m w a h r h a f t fürstlichen W o r t eine verdiente R ü g e " ( Ü b e r s . ZlEGLEiyWUHRMANN, Plutarch I 511). 124
D i e s e O p p o s i t i o n wird in einer textkritischen Variante verschleiert: B, C , L, 068,
33, 8 9 2 pc (lat) bzw. bei X lesen ein xai
Xiyn
a ü t ö . D i e s e b e i d e n J ü n g e r wechseln in
J o h 1 - 2 0 kein W o r t miteinander! Vgl. BÖCHER, Petrus 267. 125 A u f ein P r o b l e m sei verwiesen: N a c h 13,27 wird gesagt, d a ß n i e m a n d diesen Zus a m m e n h a n g v e r s t a n d e n h a b e ( o u b t i ; f'yvojv). Eine m ö g l i c h e L ö s u n g liegt darin, d a ß sich V 2 7 a u f die e i n g r e n z e n d e F o r m u l i e r u n g v o n V 2 9 a . b ( t i v t g y a o bzw. rj tolc;) bezieht.
3. Kreuzestheologie im joh. PB
334
Unter dem Kreuz (19,25-27) wird er von Jesus dazu eingesetzt, an Jesu Mutter die Fürsorgepflichten der Sohnschaft wahrzunehmen 126 . Der Tod Jesu stiftet neue soziale Bezüge 127 . Schließlich ist auf den Osterwettlauf in 2 0 , 2 - 9 zu achten: Jesu Auferweckung, die im leeren Grab sichtbar wird, verlangt Glauben. Eine solche Antwort des Menschen auf dieses Geschehen gibt der Lieblingsjünger, als er das leere Grabe sieht. Auch hier ist er TiQwxog als Petrus. 3.2.8.2.
Petrus
Petrus gehört in l,41f zu denen, die am Beginn des Auftretens Jesu berufen werden, jedoch ist er kein Erstberufener im strengen Sinn (vgl. 1,40!). Er legt in 6 , 6 6 - 6 8 ein Bekenntnis ab (6 äyioq toö 9eoö), weil Jesus den Jüngern durch 6r]|iaTa i^ofjg aicoviou Ziel und Grund für ihre jetzige Situation angibt. In diesen Zusammenhang hinein wirft die Verratsansage bereits einen Schatten, der für die Beurteilung des Bekenntnisses wichtig ist. Die Verbindung zwischen hoheitschristologischer und niedrigkeitschristologischer Sicht bricht in 13,4-11 auf, denn Petrus versteht nicht, daß der Heilige Gottes sich derart erniedrigt (13,6). Aber nur der hat Teil an Jesus und vermag das Bekenntnis angemessen zu formulieren, der zugleich die Erniedrigung Jesu bekennt. Die Reaktion des Petrus zeigt, daß er dies nicht durchschaut, denn Jesus soll auch K o p f und Hände mitwaschen und damit seinem Tun einen anderen Akzent geben (13,8). Er sieht daher auch nicht ein, daß Jesus sterben muß (13,36-38). Um es mit den Worten des Prologs auszudrücken: Der Evangelist beschreibt, daß Petrus faktisch 1,14a inklusive der kreuzestheologischen Implikation nicht nachvollziehen kann; Petrus bleibt bei 1,1 stehen. Von daher ist das Bekenntnis in 6,68 genauso einzuordnen wie die mk. Parallele (Mk 8 , 2 7 - 3 0 . 3 1 - 3 3 ) .
126 DlETZFELBINGER, Bruder 3 9 0 - 4 0 3 , vermutet, daß die Verdrängung des Jakobus aus dem J o h E v seinem theologischen Gedanken geschuldet sei, daß Judenchristen und Heidenchristen in einer Kirche zusammenleben könnten. Der Grund fur diese Ausgrenzung sei einerseits im Synagogenausschluß (•"OTpi! n3~|3) und im vergeblichen missionarischen Bemühen der joh. Gemeinde begründet. „Als der, der den Bruch mit der Synagoge mit allen Kräften zu verhindern sucht, ist er [d. i. Jakobus; M. L.] ungeeignet, die Verantwortung fur die zu tragen, die bei dem von der Synagoge Verworfenen aushalten und die unter dem gleichen H a ß der Welt stehen wie der Gekreuzigte" (401). 127 Gegen Einwände vgl. oben in Kap. 2 Anm. 6 4 4 . Gegen BROWN, Death II 1021: „To interpret the relationship between the Johannine Jesus and his mother in terms o f filial care is both to reduce Johannine thought to the level o f the flesh and to ignore the distancing from the concerns o f natural family that took place at C a n a in 2:4." Die in J o h 2,4 erkennbare distanzierte Redeweise sagt m. E. nichts über das grundsätzliche familiäre Verhältnis Jesu zu seiner Mutter aus. Johannes wehrt der Vorstellung, als könne die Mutter Jesu die Stunde der Erhöhung beeinflussen.
Die Personenkonstellation
335
Dieses Unverständnis des Petrus setzt sich im PB fort (18,10f), denn Petrus versteht nicht, daß der Heilige ausgerechnet im Tod das Heil erwirkt. Auch hier will er den Heiligen nicht im Tod sehen, und er versucht, das zu verhindern. Auch hier scheitert der Erklärungsversuch Jesu (18,11; vgl. 13,38). Das abschließende Zeichen dieses Unverständnisses ist die Tatsache, daß Petrus nach der letzten Verleugnung keine Reue zeigt (18,25-27). Das ist nicht nur dem Erzähltempo geschuldet 128 , sondern zugleich Ausdruck jenes Unvermögens des Petrus, in dem Gekreuzigten den Messias zu sehen: Der Gekreuzigte ist der Messias und der Auferstandene ist kein anderer als der Gekreuzigte. Auch Joh 2 0 , 2 - 9 kann unter diesem Vorzeichen gelesen werden: Von Petrus wird nicht gesagt eTöev Kai emoTeuaev (20,8). Er sieht nur die Binden liegen, also die Zeichen dessen, den er nicht kannte: den Gekreuzigten 129 .
3.2.8.3. Die Mutter Jesu Ihr Name bleibt im ganzen Evangelium ungenannt, und ihr erstes Auftreten (2,l-5) 1 3 0 ist begleitet von harschen Tönen: Jesus läßt es nicht zu, daß seine Mutter ,die Stunde' bestimmt. Nicht nur die Stunde, in der er übermäßige Mengen Weines spendet, sondern vor allem auch die Stunde, in der er erhöht wird, bestimmt er selbst. In 1 9 , 2 5 - 2 7 darf die Mutter Jesu dann die gekommene Stunde (vgl. 7,30; 8,20; 12,23.27f; 13,1; 17,1) mit anderen Frauen erleben 131 . Sie steht daher im unmittelbaren Zusammenhang mit dem kreuzestheologisch geprägten Stundenmotiv 132 . 128 Vgl. dazu das oben auf Seite 111-113 Gesagte (Joh 18,25-27: Die Befragung des Petrus - Verleugnung II) mit Anm. 194. 129 Vgl. ROLOFF, Kirche 299. Gegen KRAFFT, Personen 25, die meint, Petrus und der Lieblingsjünger seien die ersten, die an Jesus als an den Auferstandenen glauben. RESE möchte dieses Problem durch eine Vermittlungsposition lösen: „So ist die besondere Stellung des Petrus im frühen Christentum das Podest, auf dem im Johev das Denkmal des Jüngers, den Jesus liebte', errichtet wird" (DERS., Selbstzeugnis 104). Es scheint mir jedoch nicht möglich, jene Stellung des Petrus mit dem im JohEv Gesagten zu harmonisieren, die soeben vorgestellt worden sind: Joh 1,42 demgegenüber Mk l,16f; 3,16; Joh 13,36-38; 18,11 demgegenüber Mk 14,47 (s. oben Seite 78); vgl. Joh 13,23-30; 20,8. Kein Evangelium ballt derart die Kritik an Petrus; gegen SIMON, Petrus 191-194, der zu stark harmonisiert, wenn er meint, Petrus werde „durchgehend positiver als bei den Syn(optikern)" (DERS., Petrus 191 unterstrichen im Original) dargestellt. Vgl. demgegenüber COLLINS, Things 38 („vastly different from that of the Synoptics"), HEIL, Blood 125. 130 Zur Analyse hinsichtlich der dramatis personae vgl. OLSSON, Structure 84-88. 131 BECKER, Johannes II 731, verweist darauf, daß das weibliche Geschwisterpaar am Ende genau so bedeutend dasteht, wie das Jüngerpaar am Anfang des Auftretens Jesu (l,35ff). 132 Dagegen meint ZMIJEWSKI, daß „auch beim 4. Evangelisten die Mariologie ein integrierender Bestandteil der Christusverkündigung ist und deshalb stets der christologischen (und ekklesiologischen) Aussageabsicht untergeordnet bleibt" (DERS., Maria 705).
336
3.2.8.4.
3. Kreuzestheologie im joh. PB
Nikodemus
Nikodemus erscheint erstmals in 3,1 f f und unterhält sich als Lehrer mit Jesus über die Frage der Geburt ctvwSev. Dabei handelt es sich nach Meinung des Nikodemus bei der Person Jesu u m einen bibäaxaXoc, (3,2), der zwar von Gott in besonderer Weise befähigt und beglaubigt ist, aber eben doch nicht mehr. Demgegenüber sind die Perspektiven in 3,12-21 benannt: In Jesus ist Gott selbst gegenwärtig; dieser Jesus muß (6ei) sterben (3,14), u m im Tod Gottes Liebe zu zeigen, mit dem Ziel, Menschen vor der Verdammnis zu bewahren und ewiges Leben zu schenken (3,16). 133 Nikodemus behält sein Fehlurteil nur bedingt bei: Als er erfährt, daß noch nie ein Mensch derart geredet hat, stellt er sich insoweit schützend vor Jesus, als er ihm eine rechtmäßige (vgl. Dtn l,16f, 19,18) Anhörung sichern möchte. Er gesteht damit ein, daß Jesus als Lehrer schützenswert ist (7,50-52). Die positive Einschätzung setzt Nikodemus fort und unterstreicht sie feierlich, als er dem Gekreuzigten die unermeßliche, letzte Ehrerbietung entgegenbringt (19,38-42) 1 3 4 .
3.2.8.5.
Judas
J u d a s wird erst in 6,71 eingeführt. Er ist denkbar negativ gezeichnet: Er ist der öldßcAog (6,70; vgl. 13,18), in ihn fährt der Teufel (13,2.27), und von Anfang an weiß Jesus, wer ihn verrät (6,64; vgl. 13,11). Er wirft in 6,71 jenen Schatten auf das Bekenntnis, der oben bei Petrus näher beschrieben wurde 135 . U n d doch ist er wie der Lieblingsjünger (13,23) EIG EX TÖV ÖCO&Exa.
Symbolisch deutet KRAFFT, Personen 19. Die Mutter Jesu sei Symbol für das Judentum, da sie die Herkunft bezeichne. Sie folgert: J e s u s verwahrt sich gegen den Anspruch des Judentums, dem Offenbarer Art und Zeit seines Wirkens vorschreiben zu wollen. (...) Es gibt also ein sich Jesus unterordnendes J u d e n t u m , das ihm gegenüber seine Grenzen und seine dienende Rolle begreift. Diesem Judentum, das auch unter dem Kreuz bei ihm aushält, eröffnet sich eine ganz neue Z u k u n f t " (ebd.). Zu weiteren Vorschlägen vgl. CULPEPPER, Anatomy 133 mit Anm. 6 3 - 6 5 . ZUMSTEIN, Johannes 152, meint, daß die „Konstitution einer neuen Familie durch den Gekreuzigten" vorliege. „Worüber also am Kreuz entschieden wird, ist die nachösterliche Zukunft der vorösterlichen Freunde J e s u " (ebd.). 133 Wichtige Verstehenshilfen für J o h 3 bietet J o h 4,lff, denn auch die Samaritanerin möchte von Jesus mehr wissen (vgl. 4,15). Nachdem Jesus ihre Vergangenheit aufgedeckt hat (4,16-18), nennt sie ihn einen Propheten und Messias (4,19; vgl. 4,25f.29). Diese Vorstellung wird im weiteren Verlauf im Bekenntnis z u m Heiland der Welt gebündelt (4,42). 134 Diese Zusammenhänge widersprechen m. E. einer allzu negativen Einordnung, nach der Nikodemus lediglich die Verwesung des Leichnams habe verhindern wollen, vgl. NICHOLSON, Death 66, SYLVA, N i c o d e m u s passim (bes. 148f). Auch SCHENKE, Johannes 364f, interpretiert kritischer: „ D a s freundliche und pietätvolle Bemühen der beiden sympathisierenden Juden u m den Leichnam Jesu, den sie nach jüdischer Sitte für ein langes Verbleiben im Grab behandeln, wirkt also unnötig und vergeblich."
Die Personenkonstellation
337
In 13,2 wird ausdrücklich festgehalten, daß J u d a s bei der Fußwaschung anwesend ist. Obwohl er bereits unter dem Einfluß des Teufels steht, bestimmt Jesus die .Stunde' und schickt J u d a s los, das zu tun, was er beabsichtigt: den Verrat Jesu. Er verläßt das Licht der Welt (13,30) als es Nacht ist, und als es immer noch Nacht ist, verrät er ihn (vgl. 18,3). Es ist daher auch nur folgerichtig, daß Jesus freiwillig in den Tod geht und eines Judaskusses nicht bedarf. D a s oben z u m Motiv der Hyperbel Gesagte 136 verweigert sich einer konstitutiven Einordnung zur Charakteristik des Judas: Wer die Verhaftung und Tötung Jesu initiiert, kann übermäßige Zuwendung, die auf den Tod Jesu ausgerichtet ist, nicht verstehen (vgl. 12,3 mit 12,4-6).
3.2.8.6.
Thomas
Sein erstmaliges Auftreten in 11,16137 ist begleitet von einem Mißverständnis: Der Tod des Lazarus ist nicht mit dem Tod Jesu und der Jünger verbunden, sondern beschränkt sich zunächst darauf, Jesu eigenen Tod vorabzubilden. Die Aussage des T h o m a s ist also gerade deshalb problematisch, weil er die Niedrigkeit nicht zuerst auf Jesus bezieht. Dessen wirklicher Tod gehört zu seinem heilvollen Auftreten und zu seinem Leben. Dieses Mißverständnis spiegelt T h o m a s in 14,5 138 noch deutlicher. Er versteht nicht, daß das üitayco das auf das Kreuz Ausgerichtete ist: Es steht im Zusammenhang mit der noch nicht gekommenen Stunde (7,33; 13,3.33), so daß Jesu Woher und Wohin letztlich auch unklar bleibt (vgl. 8,14.21f). Vor diesem Hintergrund wird dann auch 2 0 , 2 4 - 2 9 verständlich. T h o m a s will die Niedrigkeitsmerkmale am Auferstandenen nicht wahrhaben. Er mißversteht die Bedeutung des Todes J e s u (vgl. 19,34f) völlig. An diesem Punkt ist er nicht weit von Petrus entfernt, denn auch Petrus kann den im leeren Grab liegenden Niedrigkeitsmerkmalen, den Grabtüchern, insofern keinen Sinn beimessen, als er sie zwar sieht, aber eben doch im joh. Sinn nicht .sieht': glaubt. Beide Personen unterscheiden sich allerdings dahingehend, daß einem T h o m a s die Möglichkeit gegeben wird 139 , „nicht
135 KLAUCK, Judas 730, urteilt: „Die Schwarz-Weiß-Technik des Evangelisten verfugt nicht über Grautöne und Zwischentöne, sondern nur über extreme Gegensätze." 136 Seite 308-311. 137 Zu Erklärungsversuchen des Beinamens Aibu^o? vgl. HEIL, Blood 140f. 138 In 14,3f wird die Parusie Jesu mit seinem Hingehen zum Vater zusammengeordnet (xai edv ... jtäXiv). 139 Eine leserorientierte Deutung nimmt HEIL (Blood 142) vor, denn „Thomas can be considered the .Twin' to the individual reader, who has likewise not seen the risen Lord and must rely upon the witness o f others to believe.".
338
3. Kreuzestheologie im joh. PB
einen allgemeinen christologischen Sachverhalt, sondern (...) die Identität des Auferstandenen" 140 zu bekennen. 3.2.8.7. Die Jünger Jesu Hinter diesem Kollektivausdruck verbirgt sich der Gedanke der Zugehörigkeit (1,37; 2,2.11f.l7.22; 3,22; 4,1.27; 6,8.12.16.22; 9,28; 13,35; 15,8). Vollzieht sich am Anfang des JohEv ein Wechsel dieser Zugehörigkeit, indem Johannesjünger nun Jesus nachfolgen (1,37; 3,25), dann thematisiert der PB in 18,17.25 diese Zugehörigkeit erneut: Petrus muß seine Jüngerschaft bewähren und scheitert kläglich: Er verleugnet den, dem er nachfolgt. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Jünger - außer in 1 8 , l f - in der Passionserzählung überhaupt nicht, weder als fliehende, noch als unverständige Jünger. Dies mag einen literarischen Grund haben: Der Evangelist kann die theologisch so eminent wichtige Passionserzählung präzise, sachgemäß und kurz nur so gestalten, daß Einzelcharaktere (Lieblingsjünger, Petrus, Mutter Jesu etc.) je einen wichtigen Teilaspekt dessen widerspiegeln, was im Kollektivausdruck [iaQr\zai gebündelt ist. Erst am Ostermorgen sind die Jünger diejenigen, die von der .Freudenbotin' Maria die Nachricht hören, daß sie den Auferstandenen als den Irdischen erkannt hat (20,20.25). 3.2.8.8. Die 'Iovöaioi Will man im Rahmen der Personenkonstellation die Frage klären, wie der Ausdruck ,oi 'Iou&aioi' zu interpretieren ist, dann ist man mit der bekannten negativen Wirkungsgeschichte konfrontiert. Exegetisch hat R. Bultmanns141 Einschätzung weitreichende Zustimmung gefunden: „Aber diese ('IouöaToi, M. L.) sind fiir das J.(ohEv) die Repräsentanten der ungläubigen ,Welt\ (...) Die Sachlage wird am deutlichsten daran, daß Jesus gar nicht mehr als Angehöriger des jüdischen Volks und der jüdischen Gemeinde erscheint, sondern ihr als ein Fremder gegenübersteht und das Gesetz der Juden ,euer Gesetz' nennt (8,17; 10,34)." Einer solchen einseitigen Festlegung widerspricht aber ein sehr differenziertes Bild vom Gebrauch des Aus-
140 KOHLER, Kreuz 180. Gegen KRAFFT, Personen 27, die einen Gegensatz formuliert: „Hatte Petrus die Niedrigkeit Jesu nicht verstanden, so hat Thomas seine Hoheit nicht gesehen. (...) Thomas glaubt nicht, daß der Erhöhte eins ist mit dem Erniedrigten, er begehrt deshalb, an dem Erhöhten die Nägelmale und die Seitenwunde, die Zeichen der tiefsten Erniedrigung, zu sehen, ja zu betasten." Ihren ersten Gedanken im Gefolge der KÄSEMANNschen Hoheitschristologie nimmt CULPEPPER, Anatomy lllf.123, in der Analyse der Person des Thomas auf: „He is the model of the disciple who understands Jesus' flesh but not his glory" (DERS., Anatomy 123). 141 Johannesevangelium 845. Vgl. dazu auch DERS., Johannes 59.
Die Personenkonstellation
339
drucks oi 'Iou&aioi142. Dies soll im folgenden unter der Perspektive des PB skizzenhaft vorgestellt werden. Der Evangelist zeigt oi 'IouöaToi als 1. richtende Größe. Dies läßt sich in folgende Teilbereiche gliedern: 1.1. Sie fordern Legitimation in 2,18; 11,54; 18,20 (vgl. 1,9). An diesen Stellen ist unverkennbar, daß oi 'IouöaToi Jesu Auftreten beurteilen und zu diesem Zweck andere losschicken, u m Erkundigungen einzuholen, oder aber Jesus selbst zu fragen, aufgrund welcher Autorität er solche crr^eTa tut. Dies ist ganz grundsätzlich möglich, weshalb Jesus auch in 18,20 den Vorwurf einer Geheimlehre entschieden von sich weisen kann (ev XQIOTTW i\a}j\aa oüöev). Mit diesem Gedanken hängt (1.2.) die Tötungsabsicht eng zusammen (5,18; 10,31; ll,53f; vgl. 11,8; 12,9-11; 18,12.14.31.36.38; 19,14). Weil Jesus nach Meinung der Oberen die Existenz des Volkes gefährdet, indem er es aufstachelt und so die Römer z u m Einschreiten zwingt (11,47-54), trachten sie ihm nach dem Leben. Die Begründung fiir solches Handeln entnehmen sie ihren (1.3.) spezifischen Vorschriften (vgl. 2,20; 5,10.15f; 7,15; 19,7). Auch diese Linie läßt sich aus dem Beginn des J o h E v bis in den PB verfolgen und endet dort mit dem Verweis auf den vojiog (19,7), u m Jesus der Blasphemie anzuklagen. Die Betrachtungen z u m Todesurteil (19,6.14f) haben implizit - trotz zuvor konstatierter Unschuld - neben der .verurteilenden Instanz', auch eine abgrenzende Tendenz angedeutet: Indem man sich in 19,7 auf den vo^iog beruft, u m den, der den vo^oc; auslegt, zu beseitigen, richtet man nicht nur, sondern grenzt sich u n d / o d e r andere in derselben Weise ab, wie in 7,48f der y ~ 1 X n _ D y von der Gesetzeskenntnis ausgeschlossen wird. Dasselbe Verfahren wird auch in 19,12 angewandt, u m mit dem amicus Caesaris Pilatus selbst abzugrenzen bzw. sich selbst durch Abgrenzung römerfreundlich und staatstreu zu erweisen. Ihm wird die Alternative vor Augen gestellt: Entweder er richtet Jesus nach dem Willen der 'IouöaToi hin, oder aber jene untergraben den Ehrentitel. Auch in 19,21 grenzen sich die 'IouöaToi aufgrund der soeben genannten Voraussetzungen ab, denn sie lehnen die bekenntnismäßig geprägte Formulierung ab. Z u d e m verweigern sie auch der Grundsatzaussage die Zustim-
142 Zuletzt haben diesem schwierigen Problem folgende Forscher bisweilen längere Abschnitte gewidmet: VON WÄHLDE, Jews passim, ASHTON, Identity passim, HAHN, J u d e n passim, ROLOFF, Kirche 3 0 2 - 3 0 6 . Gegen die einseitige Parallelisierung von 'IouöaToi und JCÖ0H05 hat sich MOLONEY, View 235 (z. T. kursiv im Original), zu Recht gewandt: „The Fourth Gospel's rich use o f h o k o s m o s can never be simply equated with ,the Jews'. The author uses it for the creation (see 1:10; 17:5, 24; 21:25) or, very positively, for the object o f God's saving love (see 1:29; 3;16; 4:42; 6:51; 8:12; 9:5). It can also refer to those who reject the person and teaching o f Jesus (see 1:10; 7:7; 12:31; 14:17, 22, 27, 30; 15:18-19; 16:8, 20, 33; 17:6, 9, 14-16). It is ,the world' which is the object o f God's saving love which is in question in 18:20a." Z u m Nachweis, daß 'Iou&aToc/'Iou&aia beispielsweise auf Inschriften eine breitere Bedeutung hat vgl. KRAEMER, Term 38-53.
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3. Kreuzestheologie im joh. PB
mung, daß der Königstitel auf Jesus beschränkt bleiben kann, denn angesichts der mors turpissima crucis ist dieser Anspruch Jesu ihres Erachtens gescheitert. Eine weitere Opposition läßt sich daraus folgern: Sie wehren sich gegen Pilatus, da er es ist, der nach ihrer Meinung diesen offensichtlichen Fehler begangen haben soll. Pilatus verteidigt sich und bekräftigt mit dem kategorischen ö yeygacpa yeygacpa die Richtigkeit des Titulus. Die Bedeutung dieser trotzigen Reaktion wird nicht nur durch die Kürze der Formulierung betont, sondern auch dadurch, daß der ansonsten eher rastlose, unsichere, zaudernde Philosoph seine Position behauptet und durchsetzt. Dieser negativ geprägten Ausrichtung von 'Iou&aToi steht (2) deutlich eine positive Bewertung gegenüber: 4,22; 18,33.39; 19,3.19f.21. Die im JohEv belegten universalistischen Tendenzen (1,1; 3,16f; 6,33) spiegeln sich in diesem, im hellenistischen Herrscherkult beheimateten Titel des acotriQ t o u xöaiiou wider. Er wird als christologische Hoheitsaussage auf den bezogen, der in 4,9 als ou 'Iou&aiog uv beschrieben war und keine Gemeinschaft (oü oruyxQWvtai) mit den Samaritanern pflegt. Dieser 'Iou&alog hebt als der o(ott|q t o u x6ö|iou jene abgrenzenden Schranken auf und wird gerade in Reden als Herrscher der Welt bekannt 143 . Der Evangelist greift in 18,33f; 19,22 auf diesen Gedanken zurück und formuliert dazu das oben entfaltete Motiv des Königtums 144 . Schließlich (3) braucht mit dem Begriff 'Iou&aioi nur noch auf Sitten und Gebiäuche verwiesen zu werden, um auch hier die Verzahnung des PB mit dem übrigen Evangelium aufzuzeigen (vgl. beispielsweise 2,6.13; 3,22; 5,1; 6,4; 7,2; 11,55; 19,31.40.42 u. ö.).
3.2.9. Zusammenfassung Mit dem Motiv der Hyperbel eröffnet der Evangelist den joh. PB. Er entfaltet diesen Gedanken zuvor in Kap. 2-11 derart, daß Jesus der die Menschen überreich Beschenkende ist: Jesus spendet ca. 6001 kostbarsten Weines (2,6.9), er vollzieht eine Fernheilung (4,46.51-53), heilt einen Kranken (5,8), speist 5.000 Menschen (6,9-15), heilt den Blindgeborenen (9,1) und
143 Diese positive Konnotation des Wortes 'Iou8ctiog überrascht schon deshalb nicht, weil in 7,31; 8,30f, 11,45; 12,11 'Iou&aicu (z. T. im Gen. partitivus mit jto/Ao'i; vgl. 2,23; 4,39; 10,42; 12,42) an Jesus glauben. - Die vorgeführten, vielfaltigen Aspekte widersprechen der eingrenzenden Formulierung PANCAROs (Law 308), daß die „Jews as a nation appear as Christ's enemies". 144 Vgl. Seite 318-321. Angesichts dessen halte ich die zusammenfassende Beschreibung von DlEBOLD-SCHEUERMANN (Jesus 197 z. T. kursiv im Original) hinsichtlich der Absicht des Autors für wenig überzeugend: Der Autor erreiche eine „Verstärkung des negativen Judenbildes und eine nahezu kritiklose, selbstverständliche Übernahme des gezeigten Bildes durch den Hörer/Leser, was einer .Manipulation' gleichkommt."
Zusammenfassung
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erweckt endlich den schon seit Tagen toten Lazarus (11,39). In Jesu überreichem Handeln an diesen Menschen ist immer schon mehr oder minder stark die Todesglocke angeschlagen, denn der so Handelnde wird dem Tod überantwortet. Die Zuwendung, die Jesus seitens der Menschen erhält, ist paradoxerweise ebenfalls durchweg mit seinem Tod verknüpft: In 12,3 wendet Maria ca. 330g köstlichster Salbe auf und bereitet Jesus auf diese Weise auf das wahrhaft pharaonische Begräbnis (19,39) vor, das letztlich ausschließt, daß der Mensch jemals die nötige Ehrerbietung entgegenbringen kann. Eine ganze Kohorte (18,3) ist daher auch eine durchaus angemessene Menschenmenge, die dem Nazarener als erstes huldigt. Diese zwei Komplexe werfen die Frage auf, wer denn dieser ist, der selbst überreich handelt und an dem einige wenige ebenso handeln, der jedoch immer mit dem Tod bedroht ist. Es ist jener CXVBOGOTOC;, der aus 19,5 in 19,30 das ,es ist zu Ende' formuliert und zugleich der, der aus 9,11.16; 11,47.50 das ,es ist vollbracht' sagt. Sodann ist es jener ävögüwtoc;, der in 19,28 den 0505 erhält und sogleich stirbt und wiederum jener, der Ü&COQ 'C,G>V spendet (4,11; vgl. 7,37f; 6,35b.53; 19,34). Endlich stirbt Jesus am Abend, als die Passalämmer sterben, obwohl er doch das Licht der Welt und Leben ist (8,12; 9,5; 11,25; 14,6). Im Motiv der Freiwilligkeit verhandelt der Evangelist einen wesentlichen Gedanken, wie das Sterben Jesu seines Erachtens zu deuten sei: Es ist nicht den menschlichen Anschlägen geschuldet, sondern es ist freiwilliges Sterben. Er bewahrt nicht nur die ihm Anbefohlenen (17,12; vgl. 10,11.15.17; 15,13), sondern er bedarf auch keiner irdischen Machtsicherungsstrategen. Auch ein kreuztragender Simon v. Cyrene kann Jesus nicht zur Hilfe kommen. Es ist dabei zu beachten, daß dies keine .überrumpelnde Freiwilligkeit', sondern eine .vorhergewußte Freiwilligkeit' ist, denn Jesus weiß, was ihn erwartet, er kennt die Stunde seiner Erhöhung. Im Motiv der Unschuld nimmt der Evangelist auf einer vordergründigen Ebene politisch-apologetische Zusammenhänge deutend auf: Jesus hat mit einem Geheimbund nichts zu tun. Und doch steht seiner Unschuld die lebensbedrohliche Geißelung und endlich der Kreuzestod gegenüber. Die hintergründige Unschuld erschließt sich aus 18,38a.b, denn Jesus handelt recht vor Gott und lebt ganz aus der Wirklichkeit Gottes (vgl. 5,31; 7,18; 8,45f). Durch das Motiv der Stellvertretung entfaltet der Evangelist das Tun Jesu, indem er l l , 4 9 f in 18,14 aufnimmt: Einer muß für das Volk sterben, um so dessen Existenz zu sichern. Jesus setzt nicht das Leben anderer aufs Spiel, wie das bei chassidisch-militanten Guerillakämpfern der Fall ist, sondern er gibt sein Leben für seine Freunde (vgl. 10,11.15.17; 15,13). Der modus perficiendi ist dabei der Todesbecher, der im Trinken zum Heilsbecher wird.
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3. Kreuzestheologie im joh. PB
Das Motiv des Königtums benennt die Aufgabe und den Aufgabenbereich, in dem sich Jesu Handeln vollzieht. Der König schafft Schutz und Hilfe in Notsituation und erweist sein Tun als ein verständiges, da es von nj?"TS! ÜStüt? durchdrungen ist (vgl. Jer 23,5; 2Sam 8,15; l K ö 10,9; Jes 9,6; 11,5; 16,5; Sach 9,9f). Der Aufgabenbereich ist an Kyros orientiert und demokratisiert, da die Grenzen Israels aufgebrochen sind. Das Besondere ist nun, daß sich in Jesu Sterben als hilfsbedürftigem König ilj^ - !^ manifestiert; das egyov, Heil und Frieden aufzurichten, ist erfüllt. Dem zeitgeschichtlich bedeutsamen Problem chassidisch-militanter Guerillakämpfer, die sich selbst zum König proklamieren lassen, steht Jesu Königtum gegenüber: Gefährden die einen das Leben ihrer Mitbewohner und die Existenz des Staates allgemein, dann setzt Jesus als König sein Leben für die ein, die es bereits verwirkt haben. Dieser König schafft die neue Existenz jedoch nicht, indem er sich auf einen kaiserlichen Thron setzt, sondern indem er das Sedile des Kreuzes besteigt. Das Motiv der Erfüllung stellt Jesus als den vor, der seinem Tod freiwillig und vorauswissend entgegentritt (18,5-9; 13,18f; 17,12): Er kennt den Verräter und fordert ihn letztlich auch zu seinem Tun auf. Es erfüllt sich, daß der Menschensohn am Kreuz erhöht ist (vgl. 3,14; 8,28; 12,32f). Entgegen einer verbreiteten Meinung hat der Evangelist das AT nicht nur als Quelle für sein Evangelium verwendet - die unterschiedlichen Einleitungsformeln zu den zahlreichen Zitaten gliedern das Evangelium in Kap. 1-12.13-20 - , sondern es erschließt auch den Verstehenshintergrund des Kreuzesgeschehens (13,31-37): Die ganze Welt erhält den Geist der Gnade und des Gebets und hat nun eine offene Quelle gegen die Sünde (vgl. Sach 12,10; 13,1; 14,9; Ez 47,1-8; Joel 4,18). Damit sind der mosaische vo^og (Joh 1,17) und der Jerusalemer Tempel (Joh 4,20f) aufgehoben. Vor diesem Hintergrund wird Jesus sowohl als fehlerloses Passalamm (Ex 12,1-28) als auch als leidender Gerechter beschrieben. Die Passionschronologie schließt sich insoweit an das Motiv der Erfüllung an, als auch hier ein großer Bogen über das ganze J o h E v gespannt ist. J o h 1,19-2,1 läuft in einem Wochenschema mit 12,1-20,1 parallel, das, zusammen mit dem Königsmotiv, ebenfalls kreuzestheologische Hinweise enthält. Diese chronologische Parallelisierung ergänzt der Evangelist durch Reisen Jesu zum Passafest und durch das Motiv der Stunde. Auch im Rahmen der Personenkonstellation bezieht der Evangelist die literarische Konstellation hinsichtlich der konfigurationskonstitutiven Merkmale auf die Kreuzestheologie: der Lieblingsjünger, Petrus, die Mutter Jesu, Nikodemus, Judas, Maria Magdalena, Thomas, die Jünger Jesu und die 'Iou&aioi - sie alle sind mehr oder minder deutlich kreuzestheologisch eingebunden.
4. Ausblick In einem Ausblick soll nun noch, ausgehend vom PB und dem bisher Gesagten, ein Blick auf die Gesamtgliederung des JohEv geworfen werden. Auch hier ist zunächst auf die im MkEv präfigurierten Gliederungsmerkmale zu achten, die durch M. P. Scott 1 aufgezeigt worden sind: Es zeige sich eine an Mk 9,7 orientierte chiastische Struktur des gesamten MkEv, die im Herzen zweier wichtiger, rahmender Stück stehe: dem Zeugnis der Engel (Mk 1,2; 16,6) und der Himmelsstimme (Mk 1,11; vgl. 15,39). M. P. Scott sieht sodann, daß der ersten Deklaration in 1,11 mittels der Stimme in Mk 2,7 die erste Rückfrage nach Jesu Selbstverständnis folgt. Ahnliches lasse sich in Mk 9,7 (zweite Deklaration) und Mk 10,18 (Frage nach Jesu Selbstverständnis) beobachten, jedoch zeichne sich die zweite Beobachtung dadurch aus, daß sie wesentlich deutlicher vom nahenden Tod überschattet sei. M. P. Scotts Fazit lautet: „The book is divided into parts by the development of meaning: this development is not made explicit but is indicated by a series of questions. These move from the first, vague and indirect [...] (2:7), to the last, direct and concrete [,..](14:61)."2 Das JohEv ist vergleichbar aufgebaut. In Joh 1,32-34 erfolgt das Zeugnis durch eine Stimme: Die Bedingung dafiir, daß man Jesus als den uiög TOÖ 9eou erkennt, besteht darin, daß Johannes d. Täufer sieht, wie der Geist auf Jesus bleibt. Diese Bedingung stellt Gott, der Johannes d. Täufer quasi als Sprachrohr benutzt. Anders ausgedrückt: Der Täufer kann nur das ausrichten, was jene Stimme ihm aufgetragen hat, denn er kennt den nicht (oüx fjöeiv COJTOV), von dem er Zeugnis ablegen soll. Erst dann kann er eatgaxa sagen. Zeugt also in Kap. 1 die Himmelsstimme mittels des Täufers vom Sohn Gottes, dann offenbart sich in Kap. 2,1-11 Jesu Selbstverständnis im Wunder von Kana. Seine 66£a erschließt sich dadurch, daß er überreich Heil stiftet. Deutlicher als im MkEv (vgl. Mk 3,6) sind die Signale auf Jesu Tod in Joh 2,1-11 (vgl. bereits 1,29.36), vor allem aber in 2,12-22 er-
1 Structure passim, bes. 18-21. 2 SCOTT, Structure 25. Wenn er jedoch meint, es finde im MkEv eine „intimation o f divinity" (DERS., Structure 20) statt, dann halte ich diese Formulierung zumindest fur mißverständlich, denn die Göttlichkeit Jesu ist eine kreuzestheologisch fixierte.
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4. Ausblick
kennbar 3 . Diese beiden Elemente treten in Kap. l l f noch deutlicher hervor. Zunächst muß auch hier auf die bat qol in 12,28 geachtet werden, denn sie gibt auch jetzt Kunde davon, was es mit Jesus auf sich hat: Zuerst muß Jesus verherrlicht werden, ehe der Wunsch der Griechen erfüllt werden kann, Jesus zu ,sehen' (12,21). Die Verstehenshilfen dafür, was damit gemeint ist, liefern die zahlreichen Verweise auf Jesu Tod: Die vorgezogene Gethsemaneperikope (12,27f) 4 wirft den Todesschatten weit vor den Beginn des eigentlichen PB, so daß nicht erst am Abend vor dem Verrat, sondern bereits beim Einzug das Sterben thematisiert wird. In der Erhöhung ans Kreuz (12,32-34; jioico 8avcn:ü)) stirbt das Weizenkorn (12,24) 5 , um so viel Frucht für Griechen wie Juden zu schaffen. Jesus offenbart im zweiten Aspekt sein Selbstverständnis im Wunder an Lazarus. Das größte Wunder zeigt abschließend, wie Jesu 56|a am Menschen erkennbar wird. Die Todesperspektive, in Kap. 12 unübersehbar, verbindet Kap. 11 und 12, denn das Wunder ist Anlaß für den Tötungsbeschluß (11,47-53). Der Evangelist komponiert den ersten Hauptteil demnach gespiegelt, denn er eröffnet und beschließt ihn in Kap. 1 und 12 jeweils mit der bat qol 6 . Diese Himmelsstimme ist nicht nur für die Struktur und damit den theologischen Leitgedanken im MkEv relevant, sondern auch für das antike Judentum insgesamt, dessen Hintergrund atl. Texte sind (z.B. Ez 10,18f; ll,22f; 43,2-9; Ex 3,14; Dan 4,28f; 8,16)7. Das Subjekt der Stimme bleibt bei den Pseudepigraphen ungenannt und ungesehen, die Offenbarung geht aber unzweifelhaft von Gott aus. Da diese Offenbarungsstimme ein Offenbarungsgeschehen eröffnet, kommt ihr „damit klar eine entscheidende Funktion zu" 8 . Inhaltlich verweist diese Stimme auf die Enthüllung der Zukunft, die in einem kurzen Spruch formuliert wird. Die Adressaten sind häufig Einzelne. Das Material bei Josephus verdient besondere Beachtung. Jos Bell VI,5,3 §299 berichtet kurz vor der Tempelzerstörung von einer bat qol im Tempel, die die Priester nachts im Tempelbezirk wahrnehmen und die sagt: „Laßt uns von hier fortziehen!" Als sich Gott von der Stadt abwendet, geht sie unter (vgl. auch Bell 11,19,6 §539; gegenüber den Zeloten mit ihren Anhängern Bell V,9,4 §412;
3 Zur Tempelreinigung im Zusammenhang mit der joh. Kreuzestheologie vgl. KNÖPPLER, theologia 123-132, SCHNELLE, Tempelreinigung 360-367. 4 Vgl. dazu ONUKI, Abschiedsreden 226-231, FELDMEIER, Krisis 39-49. 5 Vgl. dazu VON GEMÜNDEN, Vegetationsmetaphorik 2 0 4 - 2 0 9 . 2 5 6 - 2 5 8 . 6 D a z u ist auf die gliedernde Funktion der AT-Zitate zu verweisen; s. oben das Seite 247 Gesagte zu 19,36 mit Anm. 722. 7 Vgl. KUHN, Offenbarungsstimmen bes. 47-126.143-206. Die „Neufassungen biblischen Erzählstoffs" (DERS., Offenbarungsstimmen 127 als Überschrift für den Abschnitt 127-142) bieten nur sehr wenig Material und sind für meine Erwägungen nicht von großer Bedeutung. 8 DERS., Offenbarungsstimmen 119.
4. Ausblick
345
ferner Ant XX,8,6 §169)'. Im direkten Anschluß an diese Episode berichtet Josephus vom Unheilspropheten Jesus b. Ananias, der über Jahre gegen den Tempel geweissagt hat (Bell VI,5,3 §300-309). Von einer bat qol ist dort zwar nicht direkt die Rede, jedoch bedient sich die bat qol des Propheten als Instrument, um durch ihn ein permanentes „Wehe, wehe!" ertönen zu lassen. Als die Stadt zerstört wird, hört mit ihm auch die Stimme auf (§309 xäyioi). Schließlich ist auf Ant XIII,10,3 §282f zu verweisen: Johannes Hyrkan hört eine Stimme, daß seine Söhne, Aristobul und Antigonos, den Seleukiden Antiochus IX. besiegt haben, ohne daß Hyrkan zuvor davon Kunde erhalten hat. Für das J o h E v heißt das Folgendes: 1) Wie in J o s Bell VI,5,3 §299 offenbart die bat qol auch in J o h 1,32-34; 12,28 Zukünftiges, denn nach 12,28 steht die Verherrlichung Jesu noch bevor. Sein Tod ist soeben in 11,47-53 beschlossen worden. Zudem wird noch eine evxoXri gesetzt, daß Jesu Aufenthaltsort unverzüglich anzuzeigen ist, um so den Todesbeschluß umsetzen zu können 1 0 . J o h 1 , 3 2 - 3 4 formuliert das Bekenntnis zur Gottessohnschaft und nimmt das Thema der Gottessohnschaft im PB (19,7; vgl. 20,31) wieder auf. Der Unterschied zur Josephusstelle besteht zweifellos darin, daß die bat qol im J o h E v keine Unheilsrede verlauten läßt, wiewohl das Offenbarungsgeschehen in die Krisis fuhrt. 2) J o h 1,32-34 teilt mit J o s Bell VI,5,3 § 3 0 0 - 3 0 9 den Gedanken, daß die bat qol den Menschen als Instrument völlig vereinnahmen kann. Das kann dann zur Folge haben, daß der Redner dieser Stimme nicht deutlich genug erkannt wird. Auch hier fallt das differentium specificum auf, denn mit dem Verschwinden Johannes' d. Täufers aus dem J o h E v (Joh 10,40f) verstummt die bat qol nicht, denn sie ertönt in 12,28 erneut. Gerade dies macht es höchst unwahrscheinlich, von einer Identifikation Johannes d. Täufers mit der bat qol zu
9
Vgl. DERS., Offenbarungsstimmen 180: „Diese Stimme ist wohl gleichzeitig Ab-
schluß derjenigen Offenbarung, die bisher in besonderer Weise an den Tempel gebunden war und die sich nicht zuletzt in ähnlichen geheimnisvollen Stimmen manifestierte." 10
Eindrucksvoll hat WYLLER, Porch passim (bes. 151-159), eine chiastische Struktur
in Anlehnung an aristotelische und platonische Argumentationsformen aufgezeigt. Es geht ihm u m die Frage, wo die sog. Peripetie zu lokalisieren sei: „The peripetia falls in the middle o f the 3rd act, at the very end o f its part A (d. i. in 1 0 , 2 2 - 3 9 mit 10,30 als absolutem Höhepunkt; M. L.)" (DERS., Porch 159). Seinen Überlegungen zu J o h 2 - 4 . 5 - 7 kann man durchaus zustimmen, jedoch erheben sich schwerwiegende Einwände gegenüber der Peripetie-Struktur. Die Wendung des Schicksals Jesu ist nicht in 1 0 , 2 2 - 3 9 zu sehen, sondern in 1 1 , 4 7 - 5 3 (vgl. dazu oben in Kap. 2 Anm. 120). Zudem bleibt seine Gegenüberstellung von 7 , 5 3 - 8 , 1 1 als üvaßo>.r| zu 1 3 , 1 - 1 7 als jiataßoXri angesichts der textkritischen Unsicherheit von 7 , 5 3 - 8 , 1 1 höchst unsicher. Ähnlich arbeitet auch 0STENSTAD, Structure passim (bes. 3 5 - 5 2 ) , und er ermittelt einen „seven-partite concentric design o f the Fourth Gospel" (DERS., Structure 50). Insgesamt hat MLAKUZHYIL, Structure 1 7 - 8 5 , nicht weniger als 2 4 Gliederungsmodelle vorgestellt und ausführlich besprochen.
346
4. Ausblick
reden 11 . 3) Das prophetische Wissen und Reden des Johannes Hyrkan (Jos Ant XIII, 10,3 §282f) verbindet ihn mit Kaiphas aus J o h 11,49-51 (18,14), der zur Tötung Jesu rät, u m so eine Gefährdung des Volkes auszuschließen. In beiden Fällen haben sie von dem entsprechenden Geschehen keine Kenntnis (vgl. auch 4,51-53). M a n kann jedoch darin einen Unterschied in beiden Texten sehen, daß in 11,49-51 direkt nichts von einer bat qol gesagt ist, sondern das allgemein bekannte Phänomen genannt ist, daß der Hohepriester weissagen kann 1 2 . Mit großem literarischen Aufwand geht der Evangelist in Kontinuität und Freiheit der theologischen Frage nach, welche Konsequenzen J o h 1,1.14 hat. Er verneint jede Möglichkeit, daß ein Schatten über die Erde huschen könnte. Gott gibt vielmehr in der Himmelsstimme zu erkennen, u m wen es sich handelt, der in 1,1.14 genannt ist. D a diese bat qol „im Zusammenhang des Offenbarungsgeschehens einen markanten, entscheidenden Platz" 13 einnimmt, ist die Verbindung mit der Offenbarung der 66t,u innerhalb der Wunder für die dort Angesprochenen bedeutungsvoll: Von Anfang an ertönt die Sterbeglocke, die dort unüberhörbar wird, wo die Stunde gekommen ist. Nicht im Halbdunkel erscheint der inkarnierte Logos, sondern die Extremkonsequenz menschlichen Daseins wird auch ihn fressen (vgl. 2,17 xatacpayETai) 14 . Dieser Entfaltung in Kontinuität ordnet der Evangelist frei eigene Gedanken zu. Es sind dies nicht nur jene Unterschiede im bat-qol-Phänomen gegenüber Josephus, die das Profil des Evangelisten scharf erkennen ließen. Sein freier Umgang zeigt sich auch an der literarisch vorgezogenen Gethsemaneperikope, womit auch die Betonung
11 Gegen THYEN, Jünger 171 Anm. 64: „Mit diesem Bekenntnis (d. i. 1,34; M. L.) hat Johannes die Rolle der Himmelsstimme aus der ja erkennbar im Hintergrund stehenden synoptischen Tauferzählung übernommen." Zu seinen Überlegungen, daß in Kap. 10 der „Abschluß des .Buches der Täufermartyria'" (DERS., Jünger 184) zu sehen sei vgl. BAUR, Untersuchungen 182: „Offenbar in der Absicht, um vom Ende auf den Anfang zurückzuweisen, und diesen Haupttheil des Ganzen (d. i. 10,40-42; M. L.) als geschlossen zu bezeichnen, läßt der Evangelist Jesum an den Ort zurückgehen, wo Johannes zuerst taufte, und wo für Jesus selbst der Ausgangspunkt seines öffentlichen Auftretens und Wirkens war." 12 Vgl. dazu oben in Kap. 2 Anm. 119. 13 KUHN, Offenbarungsstimmen 120. 14 Gegen KÄSEMANN, Wille 80-82: „Geschichte bleibt Geschichte des Logos, sofern sie der Raum seiner vergangenen, jetzigen und zukünftigen Epiphanie ist. Die praesentia Christi ist ihr einziges Thema. Was irdisch sonst vor sich geht, ist Szenerie und Staffage dafür und wird teilweise nur angedeutet oder grob skizziert, so daß manche Schilderungen im Halbdunkel verschwimmen. (...) Er (d. i. Johannes; M. L.) benutzt wohl eine verwilderte Uberlieferung, wie sie ursprünglicher sich in den Synoptikern erhalten hat. (...) Das eigentliche Merkmal des johanneischen Gebrauchs der Tradition ist jedoch, daß hier mit der Uberlieferung freier und gewalttätiger umgegangen wird als irgendwo sonst im Neuen Testament."
4. Ausblick
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der kreuzestheologischen Gesamtkomposition einhergeht. Hier geht der Evangelist einen deutlichen Schritt über das ihm bekannte MkEv hinaus. Das Auftreten der Griechen in J o h 12, die Jesus nicht kennen und ihn sehen wollen, nimmt die in Mk 15,39 erkennbare heidenchristliche Perspektive auf, u m auch sie in Freiheit aufzubrechen und zu betonen. Eine solche Gestaltung ist dem Evangelisten jedoch nur möglich, weil auch er das „Evangelium als Erinnerung" 15 versteht. Auch er deutet die Gegenwart der Gemeinde an der Geschichte Jesu 16 , ohne freilich chronistische Aspekte im Leben Jesu preiszugeben. Noch viel stärker als das MkEv legt Johannes aber die Kategorie der Erinnerung offen, denn in den soeben gezeigten gestalterischen Gesamtrahmen des JohEv fugt der Evangelist in J o h 2,22; 12,16; 14,26 (vgl. 2,17; 16,13; 20,9) die Pneumatologie ein17: Nach Ostern erschließt der Heilige Geist die Geschichte Jesu und macht sie für diesen Vorgang der Zeitverschränkung transparent 18 .
15 POKORN?, Markusevangelium 1991 (kursiv im Original), als Überschrift über seinen IV. Abschnitt. Vgl. dazu auch BONNARD, anamnesis 8 2 - 8 8 . Leider erwähnt er (anamnesis 87f) bei seiner Analyse des J o h E v die Texte aus 2,22; 12,16; 14,16 nicht. Es ist auch ganz unsachgemäß, den erhöhten Herrn gegen den geschichtlichen Sohn auszuspielen. Denn der geschichtliche S o h n (vgl. J o h 1,14a) kann nur der ans Kreuz Erhöhte sein, der dann den Geist gibt, der erinnert. Das ist dann auch der Unterschied beispielsweise zur sokratischen Maieutik. 16 Vgl. zum Nachweis POKORNt, Markusevangelium 1991 f. 17 Zur Analyse vgl. HOEGEN-ROHLS, Johannes 3 2 - 5 0 . Sie differenziert zwischen der faktischen Unterscheidung der Zeiten und dem inhaltlichen Unterschied zwischen den Zeiten. Dabei tritt die .„Konzeption im Rückblick'" (DIES., Johannes 308) zutage. 18 Vgl. POKORNt, Markusevangelium 1993.
5. Anhang
Hier sei der Versuch gemacht, die Ergebnisse aus der Analyse graphisch umzusetzten. Die Proportionalität für die gesamte Perikope ist für alle drei Evangelientexte gewahrt, wobei im JohEv darüber hinaus Einzelverse beachtet worden sind. Im MkEv und LkEv hingegen sind die einzelnen Verse in der Skizze nicht exakt ins proportionale Verhältnis zur gesamten Perikope gesetzt worden. Legende:
das so gekennzeichnete Material entstammt dem MkEv.
n
das so gekennzeichnete Material entstammt dem LkEv.
das so gekennzeichnete Material entstammt dem MkEv und LkEv.
I
das so gekennzeichnete Material entstammt der joh. Gemeinde.
das so gekennzeichnete Material entstammt der joh. Redaktion. das so gekennzeichnete Material entstammt dem direkten lit. Einfluß des MkEv und LkEv.
das so gekennzeichnete Material entstammt dem kompositorischen Einfluß des MkEv/LkEv.
*
ein so gekennzeichneter traditioneller Vers ist redaktionell überarbeitet worden.
350 Mk 14,32-42 14,43-52
5. Anhang Joh 18,1-11
Lk 22,39-46 22,47-53
5. Anhang Mk 15,l-20a
Joh 18,28-19,16a
351 Lk 23,1-25
352 Mk 15,20b-40
5. Anhang Joh 19,16b-30
Z Z 16b-19 ZZ
20-23
AAAW'AAA 25*
26-28*
29*
Mk 15,42-47
Joh 19,38-42
353
5. Anhang Mk 16,1-8
Joh 20,1-18
Lk 24,1-12
Joh 20,19-29
Lk 24,36-43
Joh 20,30f :•:•:•:• 3of :•:•:•:•
6. Literaturverzeichnis Zitation: Die Zitation der wiss. Sekundärliteratur erfolgt mehr und mehr nach internationalen Gepflogenheiten, die der hier verwendeten Form widerspricht. Die Arbeit beispielsweise von D. Dormeyer (Das Neue Testament) greift auf dieses System zurück. Es zeichnet sich dadurch aus, daß die Zitation des kompletten Fußnotenapparates entfallt und verkürzt in den Haupttext mit Hilfe von Klammern „(...)" eingearbeitet wird. Dieses Zitationssystem erfordert darüber hinaus in der Regel ein Literaturverzeichnis, das diesem System Rechnung trägt. Der entscheidende Nachteil ist zugleich der Grund, weshalb in dieser Arbeit an der gängigen Zitationsform festgehalten wurde: Die Übersichtlichkeit und Lesbarkeit des Haupttextes leidet in nicht unerheblichem Maße. In der Regel wird ein Werk mit Autor, Kurztitel (erstes Substantiv des Titels) und folgender Seiten- bzw. Spaltenzahl zitiert. Wird eine Ubersetzung zitiert, so ist sie nicht über den Übersetzer, sondern über den klassischen Autor im Literaturverzeichnis ausgewiesen. Folgende Vereinheitlichungen sind vorgenommen worden: Es wird mit deutschen Anfuhrungszeichen („ ") anstelle anderer Möglichkeiten (beispielsweise » « oder " " oder ' ') zitiert; englischsprachige Titel werden in ihrer Groß- und Kleinschreibung einheitlich aufgeführt. Abkürzungen: Die allgemeinen Abkürzungen richten sich nach D U D E N sowie nach dem von H. Balz und G. Schneider herausgegebenen Exegetischen Wörterbuches (EWNT I, Stuttgart, Berlin, Köln 2 1992) XV-XIX.XXXf; die Abkürzungen bei Reihenangaben etc. sind über das von S. M. Schwertner herausgebene Abkürzungsverzeichnis zu erschließen. Bei dort nicht enthaltenen Reihen etc. habe ich einen Vorschlag in Klammern („[ ]") direkt angefügt; griech. Autoren werden, sofern sie dort nicht verzeichnet sind, nach A Greek-English Lexicon von H. G. Liddell u. a. abgekürzt. Darüber hinaus kürze ich ab:
BDR bzgl. joh. JohEv LSJ PB sek. Übertr. V WTB
Blass/Debrunner/Rehkopf bezüglich johanneisch(e,en,er,es) Johannesevangelium Liddell/Scott/Jones Passions- und Osterbericht(e,es) sekundär(e,en,er,es) Übertragung Vers(es,e,en) Wörterbuch
Abramowski, L., Rez. H.-J. Kraus, Die Königsherrschaft Gottes im Alten Testament, VF 1949/1950, 185-188.
356
6. Literaturverzeichnis
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7. Stellenregister (in Auswahl) Altes Testament Gen
2,1-3 332 2,2 332 2,7... 284, 287, 312,, 332 9,21-23 222 £x 3,14 12,1-28 12,10.46 12,22 22,27 28,4.39 29. 5 39,27
76, 344 342 232, 248f 231f 105 221 221 221
Lev 8,7 16,4 24,16
221 221 129,187
Num 9,12 21,8f.
232, 248f 323
Dtn
l,16f. 2,14 13,11 17. 6 19,15 21,22f.
97 70,309 133 97 110 241
1Sam
9,16 9,17
318 183
2Sam
8.15 15,23 21,9f. IKo 10,9
342 63,85,321 241
342
2Chr 24,20-22 28,15
298 222
Hi 1,21
222
Ps 22,16 228 22,19 219,230 23,5 84, 230, 312, 317 33,21 (LXX) 248 35,29 78 38,14 190 41,10 74 42,3 228 51,9 232 60,5 82 63,2 228 69,22 228, 230, 233, 237 72,1-3.7 238
93 > 2
115,4 (LXX) 312,317
121
84,230,
sPr 9,2.5
309
Pred 5,14
222
Jes 5,7 9,1-6 9,5£ 9,6 9,13 9,13f. 11,5 16,5 32,1 41,2 41,4 41,22 43,3.10-13 43,8f. 44,7 45,1 45,18 45,21 48,12 50,6 51,27.22 53,1 53,7
318 319 238 342 278 265,272 342 342 318 319 76 73 76 73 73 319 76 73 76 105, 178 82 78 190
406
Stellenregister
53,12 55,11 58,2
237 235 198
Jer
23,5
342
Thr
3,30
178
Ez
10,18f. lU2f. 23,31-33 37. 9 43,2-9 47,1-8
344 344 82 284, 287 344 342
Dan
4,28f. 8,16
344 344
Joel
4,18
342
MkEv
1,1.11 1.2 1,11 I,14f,16-2 0 2,7 3. 6 3,13-19 3.20-3 5 5.21-4 3 6,7-31 8,1-21 8,31 9,1-13 9. 7 9,9 9,31 10,18 10,32-34 10,33 10,38f. II,12-2 5 14,26-16,8
307 343 343 307 343 343 304 92 92 92 92 307 93 307, 343 307 36, 307 343 307 36 83 92 passim
LkEv Mi
5,4
238
Sach
9,9f. 12.1 0 13,1 14. 8 14. 9 14,9a
319, 342 250, 326, 342 251, 311, 342 251, 311, 327 252, 342 327
Neues Testament MtEv
5,18 10,2-4 26,30-28,20
304 304 passim
8,40-56 9,1-10 9,27-36 11,14-23 12,1 22,39-24,43
93 92 93 92 93 passim
JohEv
1,1... 72, 77,94, 140,228 1,1.14 346 1. 3 228 1,9 .. 143 1,9-13 18 1,14a 11, 18, 28,94 1,14b 30 1,15 16, 22 1,17.. 142, 326f, 332, 342 1,18 45, llOf
1,19 329 1,19.21.22 97 1,19-2,1 342 1,19-34 16 1,19-51 136 1,23 247 1.29..231, 254, 270, 329f 1,29.36 123, 203, 343 1,32 297 1,32-34 343, 345 l,32f. 285 1,35 43, 329 1,35-39 76, 215,, 312 1,37 338 1.40 247, 333f 1,41-49 296 1.41 f. 334 1,43 329 1.4 5 229, 325 1,45-49 215 1,45-50 287, 293 1.4 6 97 1,46.48.50 97 l,47f. 71 1,49... 121, 145, 184, 187, 218, 320 1,49£ 136 1.5 0 219 l,50f. 312 1.5 1 94 2,1 329 2,1.4c 54 2,1-5 40 2,1-11 343 2,4 16, 61, 70, 73, 85, 160, 224, 227, 309, 313, 331, 334 2,6 69, 255, 308 2,6.9 340 2,11 25, 295 2,11.22 100 2,llf. 332 2,12-22 343
Stellenregister 2,13 232 2,13.17.19.22 54 2,13.23 331 2.1 7 247, 346f 2,17.22 46, 296, 309 2,17-22 70, 237,, 308 2.1 8 339 2.1 9 18, 108, 329 2.19-2 2 332 2.2 0 339 2.20-2 2 329, 331 2.2 2 347 2.2 3 267 2,24f. 71 3,3.31 69 3,3.5 94, 140 3,5 16, 22f, 25, 244, 251, 327 3,5.11 ff. 16 3,10 101 3,11.32f. 143 3,12-21 336 3.1 3 22 3.14 36, 74, 78, 94, 134f, 156, 304, 308, 313, 323, 336, 342 3,14f. 18 3,16... 111, 155, 196, 271, 317, 327, 336 3,16.36 294 3,16f. 139, 340 3,17 320 3,25 338 3,31f. 36 3,35 228 4. 9 340 4,9.11.12 97 4.1 0 327 4.1 1 311, 341 4.14 251, 311 4.1 5 336 4,17f. 71 4,19 336
4.20-2 4 71 4,20f. 342 4,21.23 73 4.21-24 332 4.2 2 340 4.2 3 71 4,31.33 100 4,34..36, 72, 84, 94, 160, 208, 228, 230, 235, 332 4,42 84, 86, 139, 145, 203, 217f, 230, 238, 319, 336 4,46.51-53 340 4,46-54 19 4,46b-54 70 4,48 25, 296 4,50 69, 255, 308 4,51-53 309 4,54 25 5,5 69, 255, 308 5,6-9 161 5,8 340 5,10.15f. 339 5,10f. 22 5,15 331 5,16.18 70, 187 5,16-18 311 5,18.. 32, 72, 75, 77, 184, 188, 228, 292, 339 5,19ff. 16 5,22.26 84 5.24 144, 294 5,24.31 22 5.2 5 73, 155, 313 5,25.27-29 21 5.2 6 84 5,28f. 22 5,31 341 5,33 143 5,36-36, 72, 84, 94, 160, 208, 228, 230, 245, 332
407 5,37.39 5,39 5.39.4 6 6,1 6.4 6,6 6,6.64 6,9-13 6,9-15 6,10 6,14f. 6,15 6.1 9 6.2 0 6,26.53.70 6,31 6,33 6,35.53 6,35b.53 6,39 6.40.4 7 6,46.62 6,48-58 6,51 6,51b-58 6,51c-58 6.5 Iff. 6,52-59 6,5 3 f. 6,59 6,60.61 6,60-65 6,61 6.6 3 6.64 6,64.71 6,66-68 6,67 6.7 0 6.7 1 7,1.19 7,3 7,3f.
245 269, 325 229, 235 255 232, 331 71 86, 135 309 340 69f, 308 309 70 100 74 16 247 139, 340 311 341 322 294 140 16 85 25 70 23 21 251 16, 100, 314 100 21 71 160 313, 336 100 334 161 313, 336 65, 336 187 100 21
408 7,4 103 7,6.8 16, 73, 224 7,6.8.30 61, 85 7,10 103 7.1 3 254 7,14.28 100 7,15 339 7.15-24 24 7.16-1 8 101 7,18 158,315,341 7,19-24 22 7,26 103,314 7,27f. 49, 72 7,28.37 162 7.30 32, 73, 75, 160, 224, 227, 313, 331, 335 7.3 1 340 7,32.45 67 7,33 72, 337 7,37f. 311,341 7.3 8 247,327 7.39 18, 46, 62, 268, 284 7,41.42 97 7,48f. 339 7,50-52 336 7,52 97,114,255,269, 299 8,12 223,311,341 8.14 72 8,14.21 72 8,14.21f. 337 8,14.28 49 8,17 110 8,20 61, 73, 85, 100, 160, 224, 227, 313, 331,335 8,22-24 187 8,23 46,69, 140 8,24.28.58 74 8,26 16
Stellenregister 8,28.. 36, 74, 78, 94, 101, 134f, 156, 304, 308, 313, 323, 342 8,30f. 340 8,32.36 167 8,37.40 75 8,45f. 143,341 8,46.... 111, 145, 157, 315 8,54 18 8,58 326 9,1.... 69f, 255, 308f, 340 9,2 100 9,5 223, 311, 341 9,11.16 310, 341 9,20 72 9,22 254 9,30 72 9,38 71 10,1.8 165,316 10,l-18.22ff. 24 10,2f. 95 10,3 144,209 10,3.16.27 143 10,10 144,167,317 10,11 317 10,11.15 78, 166f 10,11.15.17...75f, 84f, 98, 230,312,341 10,17.18 77, 85f, 135, 145 10,18 211, 311 10,19-21 24 10,22-39 90,107,345 10,28 78,144 10,29 322 10,30 77, 161 10,31 339 10,31-39 187 10,33.... 72, 77, 184, 228, 292 10,33.36 188 10,34 247 10,39 32, 75
10,40-42 346 10,40f. 345 11,7 77, 85f, 135, 145, 211,311 11,8 32,75,339 11,12 100 ll,14f. 160 11,15.42 267 11,16 337 11,17 271 11,25 84, 318, 341 ll,25f. 294 ll,26.39f. 154 11,38 271 11,39 69, 255, 271, 308f, 341 11,39.44 70 ll,4.44f. 295 11,44 256,265,271, 273 11,45 340 11,45-53 187 11,45-54 29 ll,45f. 90 11,47 32,43,67,299 11,47.50 310,341 11,47.57 67 11,47-53 331 11,47-57 309 11,47-53.. 108,255,344f 11,47-53.57 31 11,47-54.. 218, 223, 296, 339 11,47-57 70,91 ll,47a.48a 31,33 ll,47f.53 32 11,48 167 11,48-50 165 11,49.51 67 11,49-51 346 ll,49f. 304,341 11,50 184 ll,50f. 75f, 98, 312
Stellenregister ll,51f. 90 11.5 2 32,316 11.5 3 31f, 75, 90, 111 11,53.57 31 ll,53f. 339 11.5 4 102f, 314, 339 11.5 5 232, 331 11,57 65f, 90f 12,1 329,331 12,1-8 47 12. 3 69f, 85, 121, 255, 308,310,337,341 12. 4 65, 100 12,7 70, 310 12,9-11 339 12,10.... 32, 70, 271, 273, 309 12.1 1 295, 340 12.1 2 121, 329 12,12f.l5 320 12.13 70,121,145,163, 309 12,13-15 184, 218 12,14.16 247 12,14ff. 121 12,16.-46,100,308,347 12.20 71 12.2 1 344 12,23.27 61,85,160, 227 12,23.27f.....73, 313, 331, 335 12,23ff.35 16 12,24 344 12,27f. 33, 82, 86, 344 12,28 94, 344f 12.31 f. 135 12.3 2 304 12,32-34 36,74,94, 308, 344 12,32f 78, 156, 313, 323,342 12.3 3 134f
12,37 25, 295 12,37f. 18 12,38 78,247,297 12,38.39 222 12,39.41 247 12,44 162 12,44-50 22, 24 12,46 143 13,1.. 16, 61f, 73, 77, 85f, 135, 145, 160, 211, 224,227,313,329, 335 13,1.3 71f, 75f, 86, 98 13,2 313, 337 13,2.26.29 65 13,2.27 336 13,3 228 13,3.33 337 13,3.33.36 72 13,4-11 334 13,6 334 13,10 273,278 13.11..100, 140, 313, 336 13,13 101 13,18... 77, 222, 247, 297, 336 13,18f. 22,322,342 13,19 62, 73f, 228 13,20-30 16 13,21ff. 21 13,22 100 13,23.... 45, 95, 100, 110, 245, 247, 265, 336 13,23-25 333 13,23-26 93 13,27 16 13,28 21 13,30.... 52, 94, 114, 329, 337 13,30.31 223 13,30b 123 13,31-37 342 13,36-38... 32, 289, 333f
409 13,37 79 13,37f. 98 13,38 76,335 14,5 337 14,6 84, 142, 154, 156, 318, 341 14,10 77 14,16 268 14,16.26 284 14,16f.26 62 14,18.19 293 14,23 16 14,26 46, lOlf, 285, 308, 347 14,27 62 14,29 62,73,228 14,30 135 14.31..14, 21, 33, 39, 61f, 311 15,13 75f, 78, 84f, 98, 167, 230, 312, 317, 322,341 15,25..77f, 222, 247, 297 15,26 268,284 16,1.4 73, 228 16,2.4.25 73 16,3 73 16,4 62 16,7 62 16,7.13 268 16,8 285 16,11 135 16,13 46, 62, 85, 313, 347 16,13.26 308 16,22 62,287 16,27f. 140 16,28 143 16,32 32 16,33 18f 17,1 61, 85, 227, 331, 335 17,2f. 84
410
Stellenregister
17,4.. 36, 72, 84, 94, 160, 208, 228, 230, 235 17,5 140 17,12 222, 247, 297, 304, 312f, 322, 341f 17,22 77, 161 17,24 160f, 277 18.1-20,3 1 passim
ljoh 2,19.22.26 4,lf.l5 4,2.3 4,17 5,5 f. 5,11.20
34 34 304 139 34 84
2Joh 7
Apg 2,17-21 6,12-7,60 15,16 22,22 23.2- 5 28,26
248 129 248 36 105 248
1,8-11 4,25 8,32
304 36 36
IKor 5,7 19, 48, 123, 201, 249 15.3- 5 23
2Kor 2Kor 5,19a
126
Gal 36
Eph 5,2.25
36
Kol 4,16
39
2Tim 1,3-5
304
IPt 1,19
Offb 1,3
39
Antikes J u d e n t u m
Josephus
Rom
2,20
304
48, 123, 201, 249
Ant Ant Ant Ant
11,12,4 §276 127 111,1,4 §21 127 111,6,1 f §107f. 221 111,7,2 §153-156 .... 221 Ant 111,7,4 §159-161 221 Ant 111,15,3 §318 295 Ant IV,4,6 §80 231 Ant IV,8,1 §176 103 Ant IX,13,3 §268-274.... 328 Ant V,9,4 §232 91 Ant VI,13,9 §315 127 Ant VIII,15,5 §408... 178 Ant IX,7,2 §149 281 Ant X,4,5 §72 159 Ant X,5,l §117 162 Ant XI, 1,3 §9 159 Ant XI,8,5 §331-336 105 Ant XII,9,1 §357 237 Ant XIII,10,3 §282f 345f Ant XIII,10,6 §298... 134
Ant XIV,10,2 §191 216 Ant XIV, 10,3 §197.... 216 Ant XIV,12,5 §319.... 216 Ant XIV,9,3-5 §167.173.177 130 Ant XIV,9,4 §172f.....l03 Ant XV,11,5 §417 130 Ant XV,6,6 §187 65 Ant XVII,5,3 §94 281 Ant XVII,8,3 §197f...255 Ant XVII,9,3 §213.... 123 Ant XVII,10,4-8 §269-285... 164, 320 Ant XVII,10,8 §285 133, 166, 316 Ant XVIII,1,1 §lf. 131 Ant XVIII,1,4 §17 134 Ant XVIII,1,6 §23 166 Ant XVIII,2,lf §26.34 ... 88
Ant XVIII,3,1 §55 100 Ant XVIII,3,lf §55-62... 131 Ant XVIII,3,2 §62 90 Ant XVIII,5,2 §118 91 Ant XIX,1,3 §18 202 Ant XIX,6,3 §305 100 Ant XX,5,2 §102 134 Ant XX,6,1 §123 165 Ant XX,6,2 §130 199 Ant XX,8,6 §169 345 Ant XX,8,6 §169-172 ... 76, 317 Ant XX,9,1 §198 109 Ant XX,9,1 §198f. 88 Ant XX,9,1 §200f..... 129 Ant XX,9,1 §203 130 Ant XX,9,2 §205 89 Ap 1,27 §251 125 Ap 11,5 §53 245 Ap 11,6 §76f. 202 Ap 11,13 §137 124 Bell 1,5,4 §117f. 164
Stellenregister Bell Bell Bell Bell Bell
1,25,4 §506 103 11,1,2 §4 159 11,1,3 §10 123 11,8,1 §117 131 11,9,2 §169-172 100 Bell 11,9,2-4 §169-177... 131 Bell 11,9,3 §172 197, 199 Bell 11,12,6 §241 134 Bell 11,13,3 §254 164 Bell 11,13,5 §261-263 .... 76, 317 Bell 11,14,8 §301-304 .... 91 Bell 11,14,9 §306.308 168 Bell 11,17,8 §433f. 320 Bell 11,19,6 §539 344 Bell IV,2,9 §161 166 Bell IV,3,1 §125-127 133 Bell IV,3,10 §182 130 Bell V,l,l §5 320 Bell V,1,1-5 §1-38... 164 Bell V,l,4 §21 320 Bell V,3,1 §108 320 Bell V,3,1 §98-105... 164 Bell V,5,2 §194.. 130, 216 Bell V,9,4 §412 344 Bell V,ll,l §449 168 Bell V,11,1 §450 168 Bell V,11,2 §458£ 133 Bell VI,2,4 §124-126 130 Bell VI,2,4 §125 216 Bell VI,5,3 §299 344f Bell VI,5,3 §300-309 130, 190, 345 Bell VI,5,3 §304 168 Bell VI,9,3 §423 201, 232, 330
411
Bell Bell Bell Bell
VI,9,3 §424f. 123 VI,9,3 §426 123 VII,6,4 §200 168 VII,6,4 §200-202.... 168 Bell VII,8,1 §254-274.... 164 Bell VII,8,1 §257 320 Bell VII,8,1 §267-270.... 166
Qumran
1 Q H 4,11 229, 233 l Q p H a b 11,10-15 83 Sir
4,10 34,26f. 40,20 45,9-14
226 309 309 221
Weish 2Makk
4,47 6,18-7,42 12,25
159 298 159
15,11 18,24
287 221
Alte Kirche 4Makk
6,1-30 8,2 8,27-12,19 9,20
298 159 298 243
Philo
All II 86 292 Flacc 37-39 179 Flacc 72 168 Fug 110-112 221 LegGai 212 130 LegGai 299-306 131 LegGai 307 130 O p 30 284 O p 33f. 271 QuaestGen 111,333... 149 Sobr 55 139 Som I 229f. 292 Som II 188f. 292 SpecLeg 1,84-96 221 SpecLeg II 198 139 SpecLeg IV 238 295 VitMos I 119 288 VitMos 11,117-135.-221
Ignatius
Eph 7,2 Eph 18,2 Eph 19,1-3 Magn 4 Magn 11 Polyc 3,2 Sm l,lf. Sm 2 Sm 4,2 Sm 5,2 Trall 9,lf. Trall 10
170 170 170 102 170 170 170 170 170 170 170 170
Justin
Apol 1,35,6
197f
Irenaus
Haer Haer Haer Haer Haer Haer Haer Haer
1,1-9 1,7,2 1,23,3 1,24,2 I,24,3f. 1,24,4 1,26,1 1,30,13
174 174f 172 172 172 172, 210 173 173
Stellenregister
412 Haer 11,22,4 Polycarp Phlp 7,1 PtEv 2,5 3,7
174
304
48 197f
Griech. u n d rom. Autoren Aeschylos Choeph 118 SeptTheb 592 Aiistides 2,7 Aristophanes Ep 1289
237 175
235
83
Artemidor Onirocr 11,56
210
Caesar Gall I 39,2-5 Gall VI 29,3f.
87 87
Chariton IV,2,7 IV,3,6 IV,3,10 Cicero Ep VI,9,3 Leg 111,3,8 NatDeor 1,57 NatDeor 1,67 NatDeor 1,75 Verr 1,18,55 Verr 11,5,160-163
210 190 210
151 132 153 152 243 132 168
Digesten 1,16,8 1,18,1-6 1,18,6,8 1,18,13 XLVIII,4,1.11 Dio Cassius 54,3,7 Diogenes Laertius VII,147 IX, 61 IX.63 IX,70 IX,74 150, IX,84 IX,88f. IX,10 8 X,12 3
131 131 131 131 134
Od XVIII,266 Od XIX,108-114
226 320
Isokrates Callim 15
144
Livius X,9,4f.
168
Lukian Dem 67 Tox 22
295 226
Ovid Tristia IV,2,19f.
214
Philostrat VitAp VIII,4 VitAp VIII,12
125 291
Platon Gorg 486a-c Gorg 527c.d Resp 361e.362a Resp 427c Resp 525b.534a Soph 245d.246c Symp 179a.b Tim 29b
105 105 179 237 175 175 317 175
Plinius d. A. NatHist 11,25
153
Plinius d. J. Epist 1,12,10
217
Plotin Enn V,9,3,9
236
Plutarch Demosth 29,7 Mor 115e Mor 554a
237 295 210
214
175 149 151 151 153 151 151 151 175
Epictet Diss 11,15,5 Diss 111,10,1-3 Diss IV,1,46 Diss IV,1,48.50 Diss IV,1,95 Diss IV,1,96 Diss IV,6,24 Diss IV,6,34f. Diss IV,8,23 Diss IV,8,30-32
217 236 194 194 194 195 175 236 175 143
Euripides Ale 132-135 Ba 614 Ba 614-641 Ba 643-659
236 299 299 299
Homer II 11,485 II XVIII,72-75 Od XIII,40
72 236 236
Stellenregister
413
Pericl 1,1
333
PyrrhHyp 1,164.168 152
Polybius 111,69,2
209
Sophocles Trach 259
Quintilian Inst Orat VI,4,2
132
Seneca Ira 11,33,2
195
Sextus Empiricus PyrrhHyp 1,145-163.151 PyrrhHyp 1,164.166.. 152 PyrrhHyp 1,164 152
Sueton Aug 66,2 Cal 26,3 Cal 32,2 Claud 15,1 Dom 10,1 Dom 13,2 Tacitus Ann 11,29,1-2
66
195 195 214 132 214 292, 300
103
Ann Ann Hist Hist Hist
111,24,3 VI,29,2 1,77,3 IV,7,3 IV,8,3
Vergil Aen V 812-815 Xenophon Cyrop IV,1,1 Hiero 111,7 Hist 1,7,9 Hist V,4,1
195 195 134 194 194
91
281 225 97 295
Kommentare zum Johannes-Evangelium Ulrich Wilckens
Charles K. Barrett
Das Evangelium nach Johannes
Das Evangelium nach Johannes
Das Neue Testament, Band 4. 17. Auflage (I.Auflage dieser Bearbeitung) 1998. VIII, 353 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-51379-8
Aus dem Englischen von Hans Bald. Kritisch-exegetischer Kommentar über das NT, Sonderband. 1990.608 Seiten, Leinen ISBN 3-525-51623-1
Der Kommentar konzentriert sich auf die Denkaufgabe, die theologische Konzeption des vierten Evangeliums zu verstehen. Dieses erweist sich als im wesentlichen einheitliches, vom Verfasser mit literarischer Kunst gestaltetes Werk, in dem sich eine große Nähe zum Judentum zeigt, zugleich aber auch eine Spannung, in der sich akute christlichjüdische Auseinandersetzungen der Zeit nach 70 spiegeln.
C.K. Barretts Kommentar ist für diese deutsche Ausgabe auf den heutigen Stand der wichtigsten Arbeiten zu Johannes gebracht. Einleitend werden Besonderheiten und Absicht des Evangeliums behandelt, sein außerchristlicher und christlicher Hintergrund, seine Theologie, sein Ursprung sowie seine Textüberlieferung. Rudolf Bultmann Das Evangelium des Johannes
Günther Keil Das Johannesevangelium Ein philosophischer und theologischer Kommentar. 1997.254 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-53642-9
Der johanneische Gedanke der Menschwerdung durch die Vernunft ist Ansatz für einen nicht nur theologischen, sondern vor allem auch philosophischen Kommentar des Johannesevangeliums. Text- und literarkritisch wird das Johannes-Evangelium als eine aus verschiedenen Evangelien zusammengefügte johanneische Evangelienharmonie vorgestellt.
Kritisch-exegetischer Kommentar über das NT, Band 2. 21. Auflage 1986. XV, 567 Seiten, Leinen, und 59 Seiten Ergänzungsheft ISBN 3-525-51513-8 Kartonierte Studienausgabe ISBN 3-525-51514-6
Gottfried Voigt Licht - Liebe - Leben Das Evangelium nach Johannes. Biblisch-theologische Schwerpunkte, Band 6. 1991. 296 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-61287-7
V&R
Vandenhoeck Ruprecht
Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Wolfgang Sehrage und Rudolf Smend. Eine Auswahl:
183: Henrik Pfeiffer Das Heiligtum von Bethel im Spiegel des Hoseabuches 1999. Ca. 272 Seiten, Leinen ISBN 3-525-53867-7 181: Helmut Limbach In Christus getauft - von der Sünde befreit Die Gemeinde als sündenfreier Raum bei Paulus. 1999. Ca. 352 Seiten, Leinen ISBN 3-525-53865-0 180: Moisés Mayordomo-Marín Den Anfang hören Leserorientierte Evangelienexegese am Beispiel von Matthäus 1-2. 1998. 448 Seiten, Leinen ISBN 3-525-53864-2 179: Florian Wilk Die Bedeutung des Jesajabuches für Paulus 1998. XII, 461 Seiten, Leinen ISBN 3-525-53863-4 178: Uwe Becker Jesaja - von der Botschaft zum Buch 1997. 346 Seiten, Leinen ISBN 3-525-53862-6 177: Wolfgang Schenk Das biographische Ich-Idiom 'Menschensohn' in den frühen Jesus-Biographien Der Ausdruck, seine Codes und seine Rezeptionen in ihren Kotexten. 1997. 264 Seiten, Leinen ISBN 3-525-53860-X 176: Ralph Brucker 'Christushymnen* oder 'epideiktische Passagen? Studien zum Stilwechsel im Neuen Testament und seiner Umwelt. 1997. VIII,400 Seiten, Leinen. ISBN 3-525-53859-6
175: Daria Pezzoli-Olgiati Täuschung und Klarheit Zur Wechselwirkung zwischen Vision und Geschichte in der Johannesoffenbarung. 1997. 272 Seiten mit 3 Abbildungen, Leinen ISBN 3-525-53858-8 174: Petr Pokorny Theologie der lukanischen Schriften 1997. 225 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-53861-8 Leinen ISBN 3-525-53857-X 173: Jürgen Wehnert Die Reinheit des "christlichen Gottesvolkes" aus Juden und Heiden Studien zum historischen und theologischen Hintergrund des sogenannten Aposteldekrets. 1997. 311 Seiten, Leinen ISBN 3-525-53856-1 172: Markus Müller Vom Schluß zum Ganzen Die Bedeutung des paulinischen Briefkorpusabschlusses. 1997. 296 Seiten, Leinen ISBN 3-525-53855-3 171: Peter Wolff Die frühe nachösterliche Verkündigung des Reiches Gottes 1999. 144 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-53854-5
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Vandenhoeck &. Ruprecht