Johannes Hinderbach (1418–1486): Eine »Selbst«-Biographie [1 ed.] 9783428530229, 9783428130221

Johannes Hinderbach (1418 - 1486), Bischof von Trient, hat die Texte seiner umfangreichen Bibliothek mit Tausenden von R

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Johannes Hinderbach (1418–1486): Eine »Selbst«-Biographie [1 ed.]
 9783428530229, 9783428130221

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Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient Band 21

Johannes Hinderbach (1418-1486) Eine „Selbst‘‘-Biographie

Von

Daniela Rando

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

DANIELA RANDO

Johannes Hinderbach (1418-1486)

Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient Band 21

Johannes Hinderbach (1418-1486) Eine „Selbst‘‘-Biographie

Von

Daniela Rando

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Italienische Ausgabe Dai margini la memoria. Johannes Hinderbach (1418-1486) (Annali dell’Istituto storico italo-germanico in Trento. Monografie 37), il Mulino, Bologna 2003

Übertragung Wolfgang Decker

Die Übersetzung dieses Buches wurde unterstützt von COFIN 1998: I vescovi dell’Italia settentrionale tra XI e XIV secolo

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0939-0960 ISBN 978-3-428-13022-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Inhaltsverzeichnis

Quellen des Selbst

...................................

7

Erster Teil

........................................ 1. An den Universitäten Wien und Padua . . . . . . . . . . . . . . . . . . Studiengang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinderbach als Student . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Musterscholar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Theorie und Politik im akademischen Milieu . . . . . . . . . . . . . . Konzil, Kaiser und Universität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Konzilsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Konzil in der „Lectura“ Antonio Rosellis von 1444 . . . . . . . Das „monarchische“ Denken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Imperialis celsitudo“: Begeisterung und Hingabe . . . . . . . . . .

19

.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Berufsdiplomat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karrierebeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Italien als Aktionsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Innerhabsburgische Auseinandersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . Am päpstlichen Hof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Bürgeraufstand in Wien 1462 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinderbach als „gelehrter Rat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freundschaften und Ämterpatronage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Kleriker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Im Benefizialsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

101

I.

Anfänge

II. Am Hof Kaiser Friedrichs III.

Kaiser, „natio Germanica“ und Papst im Konflikt: Die Wahl zum Bischof von Trient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur „Germania“ Enea Silvios: Kommentar ohne Illusion . . . . „Ignobilis doctus“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

.. .. ..

19 19 24 30 38 38 54 61 77 92

101 101 105 114 121 128 137 142 157 157 165 175 186

6

Inhaltsverzeichnis

Zweiter Teil

.......... 1. Die Bibliothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinderbachs Textaneignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der „hermeneutische Dialog“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das exegetische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orte der „memoria“ und des Selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Ich als „beschriebenes Blatt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Kalendare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die fiktive Bischofsgenealogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der vorweggenommene Nekrolog. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

206 206 214 220

II. Seele und Seelenheil .

227

1.

227 227 235

I.

2.

3.

4.

Stimmen der Bücher, Flüstern des Gedächtnisses

............................ Der Bischof und seine Vorbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Specula episcoporum“ im Spätmittelalter . . . . . . . . . . . . . . . Ideal und Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das unglückliche Bewußtein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sünde und Angst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermittler zwischen Himmel und Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . Frömmigkeit zum Anfassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mittel und Wege der Heilsgewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eifer und Riten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Privatgebet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der liturgische Gestus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Furcht und Wut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Weib“/Weiblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Türke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Juden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Schluß

195 195 195 199 200 203

252 252 259 268 277 284 284 293 312 312 333 355

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387

Literatur .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393

Verzeichnis der Archivalien, Manuskripte und Inkunabeln Personenregister . Ortsregister .

. . . . . . . 439

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443

....................................

459

Quellen des Selbst Es kommt überall nicht auf den Gegenstand, sondern auf das Auge an, das ihn behandelt. Heinrich von Kleist

1. Diese Studie beruht auf Archivalien, vor allem auf Texten aus der Bibliothek Johannes’ Hinderbach, seit 1466 Bischof von Trient: insgesamt fast hundert Handschriften und vierzig Inkunabeln1. Sie stammen in der Mehrzahl aus Trient, einige Handschriften und Inkunabeln aus Wien2, wenige Einzelstücke sind anderer Provenienz. Im Musée Condé Chantilly konnten weitere Bände der ehemaligen Bibliothek Hinderbachs neu zugeordnet werden, zusätzliche Funde sind für die Zukunft nicht ausgeschlossen. Die Texte all dieser Codices – insgesamt etwa zwanzigtausend Folien – hat Hinderbach eigenhändig mit mehr oder minder ausführlichen Glossen versehen, die ich systematisch gesammelt habe (und bei der Lesbarkeit seiner Handschrift erst „dechiffrieren“ mußte) – insgesamt wiederum etwa mehrere tausend Marginalien. Ihre Bearbeitung setzte auch eine Beschäftigung mit Inhalt und Überlieferung des jeweils glossierten Werkes voraus und konnte nur teilweise auf bereits vorliegende Untersuchungen zurückgreifen3. Randnoten zu mittelalterlichen Handschriften sind eine durchaus bekannte Quellenart, z.B. die „Glossa ordinaria“ oder die Interlinearversion zur Bibel, dann etwa zum „Decretum“ und zu weiteren juristischen und medizinischen Texten4. Erforscht sind ebenfalls Randglossen aus der Hand von herausragenden Persönlichkeiten wie Francesco Petrarca5, Gerolamo

1 Die Texte sind ausgeführt und teilweise katalogisiert in: PBE. Zur Sammlung Hinderbach in der Biblioteca Comunale, Trient, vgl. MD, S. 16-18. 2 Über die näheren Umstände der Übersiedlung nach Wien, MD, S. 13-14. 3 Vgl. M. Cortesi, Il vescovo Johannes Hinderbach; M. Welber, „Johannes Hinderbach rerum vetustarum studiosus“, und MD. 4 Vgl. Glossen, I. Biblische Glossare (Otto Wahl) und II. Kirchenrechtlich (R. Weigand), S. 753 und 753-754; R. Weigand, Glossen, und B. Smalley, Glossa ordinaria, S. 452-457; P. Odorico, „(…) alia nullius momenti“. Zu den philosophischen Texten, R. Black / G. Pomaro, La consolazione della Filosofia nel Medioevo, bes. S. 9-14. 5 M. Accame Lanzilotta, Le postille del Petrarca a Quintiliano; C. Tristano, Le postille del Petrarca nel Vaticano Lat. 2193, S. 365-468; S. Gentile, Le postille del Petrarca al „Timeo“ latino, S. 129-139. Vgl. jetzt A. Tura, Essai.

Quellen des Selbst

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Savonarola6 und Nikolaus von Kues: die Gesamtedition seiner Werke durch die Heidelberger Akademie der Wissenschaften sieht eine eigene Sektion unter dem Titel Marginalien vor, schon 1941 begonnen mit dem vornehmlichen Ziel, philosophische, theologische und ekklesiologische Texte des Cusanus ideengeschichtlich zu erläutern7. Seit einiger Zeit untersucht Maria Chiara Billanovich die Postillen des Bischofs von Padua, Ildebrandino Conti († 1352), „amico del Petrarca“8, in diesem Falle als Quellen zur Geschichte der „spiritualità e della cultura del basso medioevo“9. Nach Billanovich stellten sie dar „le propensioni profonde che furono a monte di tante sue scelte operative, sia di vescovo sia di diplomatico, gli interessi culturali“10; sie gäben Auskunft über Contis „stato d’animo, la sua personale vicenda, la sua intima esperienza“11. Fast gleichzeitig begann ich meine Arbeit an den Marginalien, die rund hundert Jahre später Johannes Hinderbach bei seiner Lektüre verfaßte, nun eher unter einem breiter angelegten, „kulturgeschichtlichen“ Aspekt. Hinderbachs Marginalien sind eine Quellenart besonderer und empfindlicher Natur; manchmal flüchtig, manchmal wohlüberlegt, meistens in rasch dahingeworfenem Schriftduktus, seltener bedächtig-ausgeschrieben, bergen sie eine methodologische Herausforderung, vor allem wegen ihrer Grenzstellung: an der Schwelle zwischen Autor und Leser, am Rand eines Referenztextes, an jenen Rändern, die Jacques Derrida wegen ihres zweideutigen Status in die Kategorie der indécidables einordnet12. Die Marginalien besitzen keine einheitliche Form: kurze Ausrufe, wörtliche Textwiederholungen, aber auch längere Exkurse mit einer spezifisch literarischen Dimension, deren „Fiktionalität“ unter dem Gesichtspunkt des „literary criticism“ und moderner Erzähltheorie ausgewertet werden soll13. In der „narrativen“ Struktur der Marginalien wechselt das Tempus Il Breviario di frate Girolamo Savonarola. Vgl. zuletzt R. Schieffer, Nikolaus von Kues, und K. Bormann, Die Randnoten des Nikolaus von Kues. 8 P. Sambin, Un amico del Petrarca, S. 5-46. Letzte Literaturübersicht bei M.C. Billanovich, Il messale del vescovo Ildebrandino Conti, S. 269, Anm. 11. 9 M.C. Billanovich, Un lettore trecentesco, S. 53-115; dies., Il messale del vescovo Ildebrandino Conti, S. 267-302; dies., Escatologia e ‚Libero spirito‘, S. 473-500. Zu den Marginalien als Quellen vgl. nun auch B. von Scarpatetti, Die Büchersammlung. 10 M.C. Billanovich, Escatologia e ‚Libero spirito‘, S. 475. 11 Ebd., S. 476. 12 J. Derrida, La différence. 13 Vgl. zuletzt die Aufsätze in: N. Partner (Hrsg.), Writing Medieval History, Part 2: Literary techniques for reading historical texts, besonders R.M. Stein, Literary Criticism, S. 67 ff.; R. Dekker, Introduction, S. 12 in bezug auf die „Ego-dokumente“ und grundlegend E. Kormann, Ich, Welt und Gott, S. 57-58, 68-70, 71-72, 97-100 zur „Autobiographik“. 6 7

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der Gegenwart für das Gespräch mit dem der Vergangenheit, dem Tempus für den historischen Bericht14. In der Gegenwart sind Befehl und Aufforderung an sich selbst und den Leser angesiedelt, mit Bezug auf das Ich und das Du – „nota tu“, so wendet sich Hinderbach oft an seinen imaginären Gesprächspartner15. Das Perfekt hingegen ist das Tempus der Erzählung: „Zahlreiche Wandlungen in König- und Kaiserreich sind geschehen durch Verrat und durch den Tod von Königen und Fürsten, wie wir sie zu unserer Zeit entstehen gesehen haben (vidimus) aus dem Tod Ladislaus’, des Sohns Albrechts (II.), in Böhmen und in Ungarn“16, und weiter: „Feminarum regimina causam esse multorum malorum sicut etiam contigit nostris temporibus sub Elizabeth relicta Alberti in regno Hungarie et ante hoc etiam tempore Mariarum“17. In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, daß Hinderbach auch als Chronist die „Historia Australis“ des Enea Silvio im kaiserlichen Auftrag fortgesetzt hat18. Von daher erklärt sich die doppelte Ebene von Erzählung und Aufzeichnung mit philologischer Genauigkeit bis hin zur vollständigen Transkription eines Kaisergesetzes am Rand einer Handschrift, sogar die Beglaubigungsformel miteingeschlossen19. Der Wechsel vom Präsens und Perfekt geht einher mit dem von ego und nos, gleichsam zwischen der privaten und der öffentlichen Person. Mit nos spricht der Bischof von Trient im Pluralis majestatis; der Antistes spielt gleichsam seine Rolle auf der öffentlichen Bühne20 („et nos … interfuimus …“)21 und geht so in seiner klerikalen Rolle auf, daß er auch genauso förmlich seine Unterschrift setzt22 oder ausnahmsweise sich ganz der eigenen Identität Vgl. A. Cicchetti / R. Mordenti, La scrittura dei libri di famiglia, S. 1130-1131. Wie der verhaßte Georg Hessler, der sich den von Hinderbach begehrten Kardinalat verschaffte: BCTn, inc. 424, l. XXVIII, cap. 74. 16 BCTn, ms W 3129, f. 4v. 17 BCTn, ms W 3129, f. 7. 18 A.A. Strnad, Auf der Suche, S. 467-502. 19 BCTn, inc. 423, l. XIII, cap. 54, am Ende des Kapitels, mit Einschubzeichen, Hinderbach eigenhändig: „Extat et alia quedam epist(u)la sive lex mundi (…) quam reperi in quodam vetustissimo libro in quo sanctorum vite descripte erant et in legenda sancti Silvestri erat inserta (…), que sic incipit: ‚Constantinus augustus universo orbi romano cunctisque urbibus salutem‘ (…) Iohannes antistes Tridentinus manu propria exemplavit et inseruit“. 20 E. Goffman, The Presentation of Self, S. 32 ff. 21 ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 88. 22 Z.B. BCTn, inc. 423, l. XVII, cap. 54, am Rand Hinderbach eigenhändig: „(…) idem Iohannes antistes quamvis immeritus (…)“; BCTn, inc. 423, l. XVII, cap. 54, am Rand Hinderbach eigenhändig: „sed quis est hic, et laudabimus eum. Nemo se (…) pro ecclesia Dei, omnes cedunt principibus, et clerici et episcopi ac eis adulantur et absque eorum voluntatibus (…) ac libertati ecclesiastica contrariis adeo ut iam eccle14 15

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Quellen des Selbst

entkleidet, um eine dritte Einzelperson anzunehmen: wie in einer Glosse zum vermeintlichen Ritualmord durch die Juden in Trient Ostern 1475 und ihre daran anschließende wütende Verfolgung, ein Ereignis, das für immer mit dem Namen Hinderbachs verbunden bleibt und sich seiner eigenen Memoria tief eingrub23. Die Memoria zurück in die Vergangenheit besteht gleichzeitig zusammen mit einer „perspektivischen“, gerichtet auf die Zukunft und den Nachruhm hin: die Randnote wendet sich an die Zeitgenossen und die Nachgeborenen, etwa beim Wiedererwerb einer Handschrift, den Hinderbach noch einmal in der dritten Person vermerkt („Iohannes episcopus Tridentinus manu sua annotavit pro memoria posterorum“24); ähnlich bei einer geplanten Liturgieverfügung, deren Umsetzung er seinen Nachfolgern überläßt: „(…) successoribus nostris faciendum consulimus (…)“25. 2. In ihrer Fülle und Vielfalt sind Hinderbachs Glossen der Forschung durchaus bekannt, nur wurden sie bisher eher beliebig als eine Art Steinbruch für punktuelle Beobachtungen, nicht aber in ihrem ganzen Umfang und Entstehungszusammenhang herangezogen, als Äußerung einer Einzelperson und ihrer Memoria26. Von dieser Arbeitshypothese versuche ich auszugehen, also von einer Gesamtschau, ausgerichtet an der Dynamik einer „Verschriftlichung des Selbst“: die Marginalien insgesamt betrachtet als „Selbstzeugnisse“27, als Quellen des „Selbst“. Die „Renaissance des Subjekts“28, auch sein Wiederauftauchen in der Psychologie29 und der Geschichtsforschung30, sind Phänomene jüngeren Datums. sia Domini magis secularibus principibus ancillare videtur quam imperare aut sana doctrina preesse (…) Johannes Tridentinus hec dolens annotavit“. 23 Hinderbach unterschreibt einen Zusatz über dieses Ereignis in einer Chronik wie folgt: „Iohannes antistes Tridentinus in memoriam et fidem horum in hoc addidit et subscripsit“ (BCTn, ms W 3396, f. 268v). 24 MPTn, ms 1777, das Originalmarginale ist jetzt nicht mehr vorhanden, abschriftlich aber erhalten, vgl. M. Welber, „Johannes Hinderbach rerum vetustarum studiosus“, S. 284. 25 BCTn, inc. 423, l. XVII, cap. 54. 26 Vgl. Überlegungen grundsätzlicher Natur unten S. 203 ff. 27 R. Dekker, Introduction; K. Arnold / S. Schmolinsky / U.M. Zahnd, Das dargestellte Ich; G. Jancke, Autobiographie, S. 8; E. Kormann, Ich, Welt und Gott, S. 46, mit Literaturübersicht S. 61, Anm. 194, 196. 28 M. Borgolte, Biographie ohne Subjekt, S. 140; H.E. Bödeker, Biographie, S. 1617. 29 K.E. Scheibe, Self Studies, S. 44 ff. („The surprising guise in which self reemerged in psychology“). 30 Vgl. N. Partner (Hrsg.), Writing Medieval History, Part 1: Recognizing people in medieval society: the self, S. 1 ff.; N. Partner, Preface, S. XIV-XV; D.G. Shaw, Necessary Conjunctions, S. 8-9.

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Durch die Verbindung mit der Sozial- und Frauen-, Familien-, Kindheits-, Sexualitätsgeschichte sowie den „gender studies“ hat die Mediävistik das „interiorized self“ in seiner ganzen Komplexität der historischen Forschung eingeführt31. Das Selbst ist „a container for the elements of individuality that differentiate persons from the mass – self-consciousness, desires, conflicts, aware interiority layered over the iceberg depths of unconscious mind, all charged with the positive value of agency –“32: diese Definition von Nancy Partner ruft dazu auf, zu überwinden die „stark geistesgeschichtlich geprägte Forschungstradition zur Konstitution des Selbst und zum Individuum“, bei der die Einzelpersonen „in einer stark intellektualisierten Ausprägung von ihrem Bewußtsein her“33 betrachtet werden, um sich stattdessen den vielfachen Dimensionen der Einzelexistenz zu öffnen, nicht zuletzt denen von Körper und Geschlecht34. Diese Auffassung vom Selbst soll versucht werden bei Hinderbach einzukreisen anhand seiner Marginalien, die insofern als „autobiographisch“ gelten können, indem sie „Ich und Leben erschreiben, das heißt: auswählen, konstruieren, modellieren“35. In seinen Marginalien zeichnen sich ein „individual self-display“36 und ein Rollenspiel ab durch den Prozeß der Sozialisierung37, hier zu verstehen als Inkulturation (für die Anthropologen), den Erwerb von Sozialnormen (für die Soziologen), das Lernen von Werten (für die Psychologen) durch die Mechanismen der Familisierung, Identifikation, Imitation und den direkten Vollzug von sozialen Sanktionen38. Wie in vielen autobiographischen Texten zeigen die Marginalien eine „legitimatorische Selbststilisierung“39: Johannes N. Partner, The hidden self, S. 45. Ebd., S. 42. 33 G. Jancke, Autobiographie, S. 2, 3. Vgl. E. Kormann, Ich, Welt und Gott, S. 4445 und S. 57-59. 34 Vgl. u.a. Th. Fenster, Why men?, S. XII; Cl.A. Lees, Introduction, S. XVIXVIII; Sh. Farmer, Introduction, S. IX ff.; G. Burger / S.F. Kruger (Hrsg.), Queering the Middle Ages. In bezug auf Autobiographik E. Kormann, Ich, Welt und Gott, S. 7894, 303-307. 35 E. Kormann, Ich, Welt und Gott, S. 299. Vgl. zuletzt auch Cl. Allasia (Hrsg.), Le autobiografie. 36 N. Partner, The hidden self, S. 44. Vgl. R. Dekker, Introduction, S. 12, mit Bezug auf Michael Mascuch (Autobiographie als „kulturelle Praxis“, als „public show of self-identity“); zu ihm auch E. Kormann, Ich, Welt und Gott, S. 74-75. 37 K.E. Scheibe, Self Studies, S. 62. Vgl. G. Jancke, Autobiographie, S. 34: „Es ist zu klären, in welches Beziehungsnetz die eigene Person eingezeichnet und bei der Ausfüllung welcher Rolle(n) sie dabei gezeigt wird, welche Aktionsmuster ihr und anderen zugeschrieben werden und welche Machtstrukturen sind endlich daraus ergeben“. 38 K.E. Scheibe, Self Studies, S. 62-63. 39 So G. Jancke, Autobiographie, S. 67. 31 32

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Hinderbach war „gelehrter Rat“ mit einer hochqualifizierten Ausbildung an zwei Universitäten, Wien und Padua, dann am Hofe Kaiser Friedrichs III. Diplomat für die Beziehungen mit der Kurie und weiter zwanzig Jahre Bischof von Trient. In den Postillen kommt seine „Identität“ in der Beziehung mit der Familie, dem Hof und der Universität zum Ausdruck, festigt sich schließlich in der Berufung zum Bischof mit einer spezifischen Auffassung von Sakralität und Heiligkeit. Jenseits von Selbstrepräsentation und anderen normativen Orientierungen oder intellektuell festgelegten Bildern erscheint ein Habitus in ständiger Spannung innerhalb des kulturellen Modells, sozialer Konditionierungen und individueller Aneignung40. Hinderbach schreibt über sich selbst und seine Erfahrung und sucht für beide nach Ordnung und Sinn: am Ende steht eine introjizierte und (re)konstruierte eigene Welt durch den Prozeß des Schreibens, der als Sinnstiftungsmoment fungiert41 – keine geschlossene Darstellung, durch dem Autobiographischen typische Teleologie geprägt, sondern im Fragmentierten, durch Vielfalt, Differenzierung und Widersprüchlichkeit bestimmt. Direkt verbunden mit intellektueller und emotionaler Aktivität bei der Lektüre und durch ihre nicht-systematische Natur eröffnen die Marginalien so einen wertvollen Zugang durch die persona (Maske)42 hin zum hidden self. Die Erzählung der Marginalien ist dementsprechend durch Affektivität eingefärbt: Schmerz und Abscheu: „proeh facinus horrendum et abhominabile!“, ruft Hinderbach bei der Ephebenprostitution aus43; „proeh indignum et horrendum!“ wiederholt er bei der Lektüre der Gewaltübergriffe der Laien gegenüber dem Klerus während der Gregorianischen Reform44. Die Lektüre provoziert bei ihm Erstaunen und Erschrecken: „horrendum istud“45, „mirandum et stupendum istud de illusione dyabolica“46; erweckt Bewunderung: „pulchrum istud atque verissimum est“, „pulcherrimum hoc et mirabile dictum Basilii“47; erregt Neugierde: „quere quis fuit iste“48, ruft Teilnahme wach: als in der Merowingerzeit Gunhild, des Ehebruchs beschuldigt, sich bei einem Gottesgericht rechtfertigen kann und daraufhin den Ehemann G. Algazi, Food for Thought, S. 25 ff. Vgl. zuletzt nochmal E. Kormann, Ich, Welt und Gott, S. 63-65. 42 Ebd., S. 24-25, 38. 43 BCTn, ms 1779, f. 380. 44 BCTn, inc. 424, l. XXV, cap. 45. 45 BCTn, inc. W 116, f. 231v. 46 BCTn, inc. 424, l. XXVII, cap. 2. 47 BCTn, inc. 424, l. XXIV, cap. 98 und BCTn, inc. 423, l. X, cap. 83. 48 BCTn, ms 1558, f. 92 und vgl. BCTn, ms W 3498, f. 220: „(…) quare vellem scire unde vel qua occasione id accidisset“. 40 41

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zurückweist, ruft Hinderbach aus: „Et bene!“49. Die Ränder werden so ein Raum für emotionalen Ausdruck, und die Marginalien zu bevorzugten Quellen für eine noch zu schreibende Geschichte der Emotionen. Sicherlich fließen Hinderbachs Emotionen nicht „rein“50, sie sind keine mehr oder weniger spontane Geste, auch keine unkontrollierten Äußerungen menschlicher Physiologie wie etwa Herzklopfen, Tremor, Schweißausbrüche usw.; sie sind vielmehr an das Medium der Schriftlichkeit gebunden mit einem unleugbaren Hang zur Textualität: als präverbale Phänomene51 sind sie dem Wort und der Schrift verhaftet, vermittelt durch die lateinische Sprache und ihren Gebrauch. Dabei muß auch die Bedeutung allgemeiner Konventionen in Rechnung gestellt werden – Hinderbachs Selbstdarstellung als antistes wurde schon erwähnt –, trotzdem können seine Emotionen wahrgenommen und interpretiert werden als Teil eines Perzeptions- und Wertungsprozesses; sie fällen ein klares Urteil über Gut und Böse für sich selbst oder für das eigene Leben in der Gemeinschaft52; als Grundlage für moralisches und soziales Verhalten entwerfen sie das Bild einer „Bereitschaft zum Handeln“ mit Antworten aus dem verfügbaren Kulturreservoir53. Die schon erwähnten Beispiele zeigen deutlich das Bild eines gewissenhaften Klerikers, und wie Sozialregeln die Emotionen Hinderbachs bewegten: die Prostitution der Epheben und die Gewalt gegenüber Klerikern, die Verachtung für eine Königin, die sich wie eine Prostituierte benimmt54, sein Schmerz bei der Erinnerung an die Konkubine eines (ungenannten) Mitbischofs am Kaiserhof 55. Er verwendet bei seiner Lektüre überraschend häufig die Begriffe „miraculum“ und „mirandum“; die „ira Dei“, von ihm in vielen erzählenden Texten herausgehoben und unterstrichen, zusammen mit dem „perfidus“, dem Schwein oder dem Hund für Türken oder Juden56, umschreiben insgesamt Hinderbachs Emotionenkatalog und seinen Ausdrucksstil, nicht frei von Stereotypen und Topoi57. BCTn, inc. 424, l. XXV, cap. 17. Vgl. B.H. Rosenwein, The Places and Spaces of Emotion, S. 510. 51 Ebd. 52 Vgl. B.H. Rosenwein, Worrying, Text zu den Anm. 63-64, und C. Larrington, The Psychology of Emotion, S. 252-253. 53 C. Larrington, The Psychology of Emotion, S. 252. 54 BCTn, inc. 424, l. XXVII, cap. 128. 55 BCTn, inc. 424, l. XXV, cap. 18: „(…) et multum de hoc miravi et maxime indolui“. 56 Vgl. unten, S. 337-338, 365, 373. 57 Zu Topos, Zitat und Cliché, nicht unbedingt als Gegensatz „authentischen“ Ausdrucks und Gefühlskommunikation, M. Garrison, The Study of Emotions, S. 245247. 49 50

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3. Selbststilisierung, Rollenspiel, Habitus, Wünsche, Triebe und ihr Ausdruck: all das besitzt in der Sozial- und Kulturgeschichte eine genaue Valenz. „While lining up the social history, we also need to engage the personal, the contingent and the psychological“58. Die Auswertung der Marginalien im Zusammenhang mit den anderen Quellen zu Hinderbachs Lebensgeschichte entspricht dem Versuch, „the personal, the contingent and the psychological“ zu erfassen, um so einen Blick auf seine Zeit zu werfen: die Epoche der Reformkonzilien, das Heraufkommen neuer Strukturen im Reich, das Papsttum nach der Pragmatischen Sanktion und den Fürstenkonkordaten, das ganze Karrieresystem der kirchlichen Benefizien werden im ersten Teil wie durch den Erfahrungsfilter eines Handelnden verfolgt, der kein distanzierter Beobachter war und durchaus selbst manchmal Opfer der Realität wurde, in der er leben mußte. Also „eine heterologe Selbstkonzeption“, so E. Kormann, wonach die Autoren „sich das eigene Ich erschreiben, indem sie andere und anderes beschreiben“59. Hinderbach vereinte alle Qualitäten des Diplomaten und Intellektuellen, die in dem Kirchenmann aufgehen – er fühlte sich vor allem als Kleriker, er strebte das Bischofsamt an und füllte es voll aus. Die Auswertung seiner Marginalien bereichert also die schon klassische Forschung über die „gelehrten Räte“ in Deutschland sowie die (italienische) Historiographie zu den Bischöfen des 15. Jahrhunderts: vor dem Hintergrund eines konstanten Dialogs mit der herrschenden Wertordnung und den Forderungen eines kulturellen Erbes agierte er mit seinen Zu- und Abneigungen. Darauf gehen die Gegenstände des zweiten Teils ein, der innovativste, aber vielleicht auch der diskussionswürdigste: Memoria, Lektüre und Schrift, Sünde und Jungfräulichkeit, scrupulositas und Einsamkeit, Furcht und Erlösung. Die vorliegende Studie möchte also weniger eine klassische Biographie sein, wenngleich sie der Lebensgeschichte Hinderbachs neue Elemente hinzufügt, als vielmehr ein Entwurf der Beziehungen und Spannungen zwischen dem Einzelnen und seiner sozialen Gruppe und ihrer sie zusammenhaltenden Kultur. „All that is left of human nature to say that a person’s nature is to fashion herself out of the tools she does not own, in the context of a world that she did not initiate, and cannot ignore (…) Perceptions are always caught in an inescapable interpretive framework that is dominated by customs and habits. History’s weight on us is constant and immense, and it is composed D.G. Shaw, Social selves, S. 11. E. Kormann, Ich, Welt und Gott, S. 300: „Eine heterologe Subjektivität zeigt sich im Text (…) dadurch, daß in erster Linie nicht Eigenes, sondern anderes dargestellt wird. Sie entsteht, wenn die eigene Person bezogen wird auf eine Gruppe, zu der zugehörig man sich beschreibt, oder auf Dinge oder Ereignisse in der Welt, mit denen man sich verbunden sieht“. 58 59

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mainly of language and custom“60. Aus Geschichte und Biographik entstehen also „being“ und „being-in-place“61: das Selbst mit seiner Rationalität und seiner „motivierten Irrationalität“62, das sich Sprache und Schrift anvertraut und damit zum erinnernden und schreibenden Ich wird. *** Der Band ist die deutsche Fassung des italienischen Originals: „Dai margini la memoria. Johannes Hinderbach (1418-1486)“, das im Jahr 2003 vom Italienisch-Deutschen Historischen Institut in Trient veröffentlicht wurde. In der Zwischenzeit sind weitere wichtige Studien erschienen, wie der Memoria-Band zur Tagung in Trient, „Der Schleier der Erinnerung“ von Johannes Fried und die Studie von Thomas A. Weitz zu Antonio Roselli: diese und neuere Literatur habe ich einzuarbeiten versucht. Gegenüber der Erstfassung habe ich das Kapitel über den „gelehrten Rat“ gekürzt, weil in Deutschland grundlegende Forschungen vorausgesetzt werden. Der Ruf an die Universität Pavia und weitere Forschungen vor Ort ließen mich auf die Mitgliedschaft Konrads Hinderbach in dem von Kardinal Branda Castiglioni gestifteten, dortigen Kolleg stoßen. Mein Dank geht an Herrn Dr. Wolfgang Decker für die deutsche Übertragung, die viel mehr als eine schlichte Übersetzung ist und das Original diskutiert und wissenschaftlich bereichert hat. Dann noch einmal an die Alexander von Humboldt-Stiftung, deren Stipendium meinen ersten Zugang zu Hinderbach ermöglichte. Prof. Dr. Franz Fuchs bin ich verpflichtet für die kritische Lektüre des II. Kapitels über den Hof Friedrichs III., Prof. Dr. Claudia Märtl für die Aufnahme in ihr „Exzellenz-Projekt“ an der LMU, die mir Gelegenheit bot, in der Bibliothek des Historicums und bei den Monumenta Germaniae Historica die jüngste deutschsprachige Literatur nachzutragen. Die neue Fassung widme ich dem Andenken von A.A. Strnad, auf den die Initiative zu ihrer Entstehung zurückgeht.

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D.G. Shaw, Necessary Conjunctions, S. 16, S. 12-13. K.E. Scheibe, Self Studies, S. 1. So J. Lear, Open Minded, S. 54, zitiert bei N. Partner, The hidden self, S. 53.

Erster Teil

I. Anfänge 1. An den Universitäten Wien und Padua Studiengang Johannes Hinderbach wurde am 15. August 1418 in Rauschenberg (Hessen) geboren1. Die Erinnerung an die Heimat blieb bei ihm später vor allem mit dem Kult der „Landsmännin“ Elisabeth (von Thüringen) im nahen Marburg verbunden2; Persönliches fehlt dem weiteren Lebensgang gemäß. Dagegen ist der zeitliche Zusammenhang sehr genau hergestellt: einmal war im Geburtsjahr 1418 das Konzil von Konstanz zu Ende gegangen3; am Geburtstag, dem 15. August, feiert die Kirche die Aufnahme Mariens in den Himmel – ein Patronatsfest für Hinderbachs ganzes Leben4. Der Vater, Johannes Scheib, war Schöffe; dessen Familie tritt zurück gegenüber der seiner Mutter, Immeln Hinderbach5: zu deren Mitgliedern zählte Heinrich von Langenstein, einer der ersten Konzilstheoretiker im Großen Abendländischen Schisma 1378-1417, von Paris nach Wien zur Gründung der theologischen Fakultät 1384 für die dortige Universität berufen6. Seinem Beispiel folgte ein anderer Verwandter der Mutter: ihr Onkel Hermann Lelle von Treysa, Professor und Dekan der medizinischen Fakultät Wien, 1 Über Hinderbach immer noch grundlegend: A.A. Strnad, Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 381-432. Der Abriß ist eine erweiterte Fassung der Darstellung beim Kongreß in Trient 1989: Personalità, famiglia, carriera ecclesiastica di Johannes Hinderbach prima dell’episcopato, S. 1-31. Über das Verwandtschaftsnetz von Langenstein-de Treysa-Hinderbach im akademischen Milieu zuletzt: W.E. Wagner, Universitätsstift, sub vocibus. 2 Hinderbach bezeichnete sich selber als „de partibus Hassie oriundus“ (vgl. unten, S. 220). Er ließ die Legende der Hl. Elisabeth „lantgrafia Thoringie ac Hassie principissa“ mit den officia der Schutzpatrone seiner Vorgänger im Bischofsamt, der Heiligen Stanislaus, Adalbert und Hedwig, in einem einzigen Kodex zusammenstellen, vgl. BCTn, ms W 1795, f. 47v-48r = PBE, scheda 6 (Zit. S. 58), und D. Rando, Identità politica, S. 161. 3 So Hinderbach selbst in einer späteren Glosse (nach 1483): BCTn, inc. 391, l. XIIII, f. 159: „hic fuit annus nativitatis nostre. Johannes Tridentinus antistes subscripsit“. 4 Vgl. unten, S. 325. 5 Vgl. unten, S. 323. 6 G. Kreuzer, Heinrich von Langenstein, S. 80-93. H.J. Sieben, Traktate, sub voce.

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1. Teil

deren Statuten er mitausarbeitete, zudem von 1392 bis 1411 fünfmal Rektor der Gesamtuniversität7. Dort lehrten noch weitere Verwandte wie Paul und Andreas von Langenstein, dann Dietmar Hinderbach, Johannes’ Onkel mütterlicherseits; er wurde 1426 in Medizin promoviert, war drei Jahre später Dekan, 1435 bis 1445 dreimal Rektor, zudem Familiar der Kaiser Sigismund und Friedrich, die ihn mehrfach privilegierten. Unter diesen auch über die Universität hinaus einflußreichen Verwandten der Mutter wuchs der junge Johannes heran, in Wien. Bereits im Alter von zehn Jahren – 1428 – starb ihm der Vater weg, ein Jahr später auch noch die Mutter; ihre Eltern, Konrad und Hedwig Hinderbach – Lelles Schwester –, nahmen den Frühverwaisten zu sich mit zwei jüngeren Brüdern, Heinrich und Konrad. Von dieser „Adoption“ her stammt auch die Annahme der Namensänderung von Scheib zu Hinderbach in der bisherigen Forschung8; sie wird durch Johannes’ eigenhändige Glosse nun ausdrücklich bestätigt9. Als Sechszehnjähriger immatrikulierte sich Hinderbach zum Wintersemester 1434/35 an der Artistenfakultät Wien unter dem ersten Rektorat seines Onkels Dietmar10. 1437 Baccalaureus, bestritt er im folgenden Jahr die „Determinatio in artibus“ unter dem Magister Jodok Hausner – mit der quaestio, ob der „nobilitas ex genere“ Vorrang vor der „nobilitas morum“ gebührte11. Das Thema lag damals gleichsam in der Luft: bei Hof, in Stadt und Universität befand sich der Geburts- und Amtsadel im Widerstreit12; die Thematik war insgesamt für einen aufstrebenden jungen Mann von großer Bedeutung in einer höfischen Gesellschaft, in der, wie Enea Silvio meinte, „nemo existimatur, nisi vetusta familia natus arces aliquas opidave possideat“13. Nach dem Magister-Titel unterrichtete Hinderbach 1439 an der Artistenfakultät mit dem „Graecismus“ Eberhards von Béthune († um 1212), einer lateinischen 7 Nämlich in den Jahren 1392-1393, 1394-1395, 1398-1399, 1406-1407 und 1410-1411: A.A. Strnad, Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 392. 8 Ebd., S. 398. 9 Dem folgenden notabile seiner recollecta aus der Universitätszeit in Padua: „Nota quod quandoque filius nominatur a matre, si(cud) dicit Io. An., qu(od) (…) forte fuit qu(ia) mater erat nobilior patre vel forte qu(ia) ipsa supervixerat“, fügte Hinderbach hinzu: „Fit hoc notabile pro me et fratribus, qui cognominamur a matre et a domo matris eo qu(od) ab illa nutriti et educati sumus“ (BCTn, ms 1592, f. 414). 10 Über die Bedeutung von Familien- und Klientelbeziehungen mit dem amtierenden Rektor für die akademische Karriere siehe unten, S. 187. 11 BCTn, ms 1592, f. 350: „determinavi illam questionem ad gradum bacc(halaureatus) in artibus sub magistro Iodo. Hausner Wien(ne) in studio generali et posui si bene memini IIIs conclusiones, vide ibi. Io. Hin.“. 12 K. Schreiner, Consanguinitas, S. 274-292. 13 A. Lhotsky, Aeneas Silvius, S. 49, Anm. 35 (ein unedierter Passus aus der „Historia Australis“ im Cod. Chigi, f. 7v).

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Grammatik von mehr als 40.000 Versen, damals ein geschätztes Lehrbuch14. Gleichzeitig nahm er das Studium an der juristischen Fakultät auf, das dann zwei Jahre andauerte. Den laufenden Lebensunterhalt sicherten ihm die Einkünfte aus den beiden Pfründen des Kollegiatstifts St. Margarete in Ardagger und der Pfarrei St. Agatha in Hausleiten, beide in Niederösterreich, Diözese Passau15. 1440 erfolgte dann der Wechsel nach Italien an die Universität Padua, mit Bologna und Pavia Schwerpunkt der deutschsprachigen Hörerschaft. Neben den schon bestehenden Studienbeziehungen zwischen Wien und Padua16 dürfte für Hinderbachs Reise nach Süden maßgeblich gewesen sein die Verbindung zu Persönlichkeiten an Hof und Universität17, die vorher in Padua studiert und ihn offenbar zu diesem Schritt angeregt hatten. Damit waren ein gewisser Qualitätssprung im Studium und ein Prestigezuwachs für den Fortgang einer zielstrebig angesteuerten Karriere bei Hof und an der Universität verbunden. Dieses Motivbündel nennt Hinderbach selbst, wenn er schreibt von „Freunden in der Heimat“, die große Hoffnung setzten in seine Person und seine Studien, und von der Möglichkeit, durch den Aufenthalt an der berühmten italienischen Rechtsschule krönende „opinionem et gloriam“ zu erreichen18. 14 Gegen die sogenannte „grammatica speculativa“ Th. Heath, Logical Grammar, S. 9-64. 15 Hinderbach hatte seine erste geistliche Unterweisung am collegium von St. Margarete in Ardagger, Diözese Passau, erfahren: „(…) in quo primitus canonicus prebendatus et sacris initiatus fui et cantum choralem et psalmos et (…) didici“ (BCTn, inc. 424, l. XXV, cap. 45); dieser Beleg ist noch nicht aufgenommen worden in die letzten Forschungen zu Ardagger: Th. Aigner (Hrsg.), Kollegiatstift Ardagger. Dort war auch Kanoniker und Dekan Hinderbachs Onkel Konrad gewesen: A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 13, und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 402. 16 P. Uiblein, Beiträge zur Frühgeschichte der Universität Wien, S. 306; ders., Zu den Beziehungen der Wiener Universität mit anderen Universitäten, S. 179-180. Für das beginnende 15. Jahrhundert vgl. die Ausführungen von A.A. Strnad, Zum Studiengang, S. 343. 17 Darüber weiter unten, S. 45 ff., auch zu den politisch-diplomatischen Beziehungen einiger Juristen aus Passau mit dem Hofe Sigismunds. 18 „Potissimum me ratio impulit ad hoc munus subeundum, quod multos ante me hoc loco (scil. Padue) et repetiisse et disputasse viderim qui, vestro probatissimo semper iuditio, et doctissimi (erstes i korrigiert aus o) et scolares optimi existimati summamque et hic apud vos et domi etiam apud amicos, quorum grandis ac precipua de nobis ac nostris etiam studiis exspectatio est et habetur, opinionem et gloriam nacti plurimumque inde consequti fuere. Horum igitur exempli invitatus, cum in domestico primum almo Wienensi Studio post adepta inibi artium insignia annis prope duobus, dehinc et in hoc pariter vestro similiter almo ac toti Latio famosissimo atque florentiori annis plenis quatuor iuris canonici studio (…)“, schon herausgegeben von M. Welber, Manoscritti trentini, S. 74 (von mir nach dem Original kollationiert). Über

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An der Universität Padua ist Hinderbach in einer Urkunde 1447 als „utriusque iuris scolaris“ belegt, also als Student beider Rechte – des kirchlichen und weltlichen19. Ein Studienbeleg für das Zivilrecht findet sich in zwei Glossen; einmal ist dazu noch Giovanni da Prato (1397-1466) als Lehrer erwähnt20, in dieser Eigenschaft zum anderen noch Francesco Capodilista (1405-1460) 21, als dessen „auditor et discipulus“ bezeichnet sich Hinderbach zusätzlich für drei Jahre. In seinen Aufzeichnungen fallen sporadische Anspielungen auf die leges und die legiste ins Auge22, auch wenn sich regelmäßige Vorlesungsbesuche im weltlichen Recht nicht neben dem kirchlichen eindeutig belegen lassen und Hinderbach noch 1447 ausschließlich erscheint als „scholaris iuris canonici“23. Der Hauptschwerpunkt lag zweifellos in der Kanonistik: mit einer der beiden Glossen grenzt er sich und seine Studienkollegen des Kirchenrechts als „nos canoniste“ von den Legisten deutlich ab24. Nach vier Studienjahren, etwa 1444, wurde Hinderbach von der „Ultramontanorum universitas“ zur Vorlesung über das „Decretum“ verpflichtet. Dieser Aufgabe von nicht allzu großer Bedeutung25, aber durch Hinderbach selbst geschätzt, weil kaum von Studenten, sondern eher schon Doktoren wahrgenommen, kam er wahrscheinlich erst zwei Jahren später nach, also 144626. Darauf folgte im nächsten Jahr – das Doktorat schon in Sicht – eine repetitio;

den Komparativ „florentiori“ in bezug auf die Universität Wien vgl. ebd., S. 76-77. Zur Bedeutung des Studiums in Padua vgl. auch unten, S. 142-143. 19 Acta graduum, Bd. 1/2, Nr. 2202 (7. September 1447). 20 BCTn, ms 1589, f. 121. Über den bekannten Lehrer des Zivilrechts A. Belloni, Professori giuristi, S. 228-232 und den Art. Bovacchiesi Giovanni, in: DBI, Bd. 13, 1971, S. 536-537. 21 ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 106. Über Capodilista vgl. unten, S. 50-53. 22 BCTn, ms 1592, f. 279 und f. 103; BCTn, ms 1589, f. 194. Vgl. auch die eigenhändige Notiz (in ausführlicher Zitation unten, Anm. 53), die sich auf das Privileg Martins V. bezieht: „quo etiam ego privilegio munitus leges audivi et adhuc audire intendo (…)“. 23 Weiter 1447, aber einen Monat vor dem erwähnten Beleg in: Acta graduum, Bd. 1/2, Nr. 2202, erscheint Hinderbach als scholaris iuris canonici (D. Gallo, Università e signoria, Appendici documentarie, doc. 16, S. 101, am 31. Juli). 24 Vgl. unten, Anm. 85. 25 Vgl. für die deutschen Universitäten, darunter Wien, A.A. Strnad, Zum Studiengang, S. 339, Anm. 17. 26 „(…) Ac ita insudaverim ut amplissime Universitatis nostre iuditio, pro inclita ac generosa Ultramontanorum Universitate lecturam Decreti ordinariam que scolarium et plerumque etiam doctorum exercitio distribui solita est, ego, quamquam immeritus ac insufficiens, onorari et ad illam binis (über der Zeile mit Einschubzeichen) post invicem annis deputari meruerim“: M. Welber, Manoscritti trentini, S. 74 von mir nach dem Original kollationiert.

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war sie erfolgreich absolviert, kam eine weitere „Lectura“27. Hinderbachs noch fragmentarisch erhaltene repetitio28 handelt vom bischöflichen Dispensrecht und enthält weitere Einzelheiten zum Studiengang: u.a. zwei bekannte Lehrer der Kanonistik, Jacopo Zocchi und Antonio Roselli29 – beide sollten einen prägenden Einfluß ausüben30. Für die folgenden Jahre fehlen bis jetzt Nachrichten zu Studium und Lehre, da Hinderbach ab 1449 schon die noch zu erwähnenden diplomatischen Missionen in Königsdienst antrat31. Bei einer dieser Gelegenheiten findet 1452 in der Kathedrale von Padua jener Akt statt, der Abschluß und Höhepunkt von Hinderbachs Studiengang bildet: seine feierliche Promotion in Kirchenrecht auf dem ersten Romzug Friedrichs III.32 im Beisein des Monarchen und seines Hofes durch den Kanzler der Universität, Bischof Fantino Dandolo, und die beiden Promotoren Antonio Roselli und Francesco Capodilista. Später ist für Hinderbach auch der Titel „doctor in utroque“ belegt33; die näheren Umstände seiner Promotion im weltlichen Recht sind bisher offen; möglicherweise erfolgte sie am Kaiserhof durch Friedrich III., Hinderbach hat für sich eher den Titel doctor decretorum vorgezogen34. Insgesamt gesehen erscheint sein Studiengang gradlinig wie aus einem Lehrbuch. Ein Beispiel dafür ist der „Tractatus de ordine docendi et discendi“ des Francesco Zabarella (1360-1417), Paduaner Rechtslehrer um 1400, dazu noch einflußreicher Kardinal während des Großen Abendländischen Schismas. Nach dessen Traktat, den Hinderbach wahrscheinlich kannte35, sollte dem Rechtsstudium der Besuch der Artistenfakultät vorausgehen, wo dem Studenten ein Grundwissen in Latein, Rhetorik, Logik, Moral- und Naturphilosophie vermittelt wurde. So konnte dann im späteren Hauptstudium die Konzentration auf die eigentliche Materie erfolgen. Daß Hinderbach M. Welber, Manoscritti trentini, S. 76. Vollständig herausgegeben ebd., S. 74-75. 29 Zu Antonio Roselli ausführlich weiter unten, S. 62 ff.; zu Zocchi und Paolo d’Arezzo, A. Belloni, Professori giuristi, S. 216-221 und 282-283. 30 Vgl. unten, S. 69 ff. 31 Vgl. unten, S. 101. 32 Vgl. unten, S. 36. 33 Rep. Germ., Paulus II., Nr. 3224 („utriusque iuris doctor“), vgl. auch J. Lechner, Reichshofgericht, Nr. 73 und 84-85, S. 142 und 148 („lerer geistlicher und kayserl. rechten“; „lerer beider rechten“). 34 So etwa im Nekrolog (vgl. unten, S. 220) und im Begleitbrief zu „Historia beati Symonis“ (Entwurf): ASTn, APV, sez. lat., capsa 69, Nr. 195, f. 1. 35 Der „Tractatus“ ist der Abschluß von Zabarellas bekanntem Dekretalenkommentar (D. Girgensohn, Anleitungen zum Studium der Jurisprudenz, S. 539), den auch Hinderbach gelesen und benutzt hat, wenigstens das erste Buch, vgl. unten, S. 80. 27 28

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eine gründliche Kenntnis im Lateinischen erworben hatte, beweist die ihm anvertraute lectura des „Graecismus“ 1439 in Wien; rhetorische Gewandtheit ist durch die schon zitierte repetitio belegt, ebenso durch ein noch zu besprechendes Fürstenlob, das sich unter seinem Nachlaß aus der Universitätszeit befindet36. Weiter stellte nach Zabarella die frühzeitige Auswahl aus dem Fächerkanon – neben der Zeitersparnis – eine entscheidende Vorgabe für die weitere berufliche Laufbahn dar37. Vor diesem Hintergrund traf Hinderbach mit dem zügigen Studium des Kirchenrechts die adäquate Entscheidung für seine Karriere als Geistlicher und Diplomat. Hinderbach als Student In Hinderbachs Aufzeichnungen sind zahlreiche Notizen zu seiner Studienzeit erhalten; dabei überwiegen die aus Padua. In Wien war unter den artes liberales die Dialektik übermächtig, für den kritischen Enea Silvio reine Zeitverschwendung; dessen Beobachtung bestätigt Hinderbach mit einem „verissime verum!“ ausdrücklich38. Diese beiden Urteile passen zum Gesamtbild vom Studienbetrieb an den Artistenfakultäten der Zeit: von den sieben artes wurde effektiv und konsequent nur die Dialektik ausgeübt, als „eindeutige Domäne der Artistenfakultäten“39. „Wie die Baccalaurien im Wiener Studium“, notierte Hinderbach in Anspielung auf seine eigene Graduierung die Verbindung zum antiken Ritterstand, dessen Mitgliedern zur Zeit des Tiberius das Vorrecht zustand, als cincti in der Öffentlichkeit aufzutreten40. Eine Wiener Eigenart belegt noch eine Randglosse zu seinem Exemplar von Enea Silvios „De liberorum educatione“ (1450); in ihm wird folgende polemische Frage zur Wirkung klassischer Dichtung gestellt: „Cur nobis ex Italia poetas adducis (…) sanctosque Germanie mores enervata poetarum lascivia corrumpere properas?“41. Nach Hinderbach erfolgte Vgl. unten, S. 97-99. Zabarellas Vorgabe wurde später von Gian Giacomo Can aufgenommen: D. Girgensohn, Anleitungen zum Studium der Jurisprudenz, S. 549. 38 BCTn, ms W 109, f. 40 (vgl. M. Cortesi, Il vescovo, S. 480). Zu Enea Silvio vgl. auch R. Wolkan, Briefwechsel, Bd. 1, S. 81-82, Nr. 27. 39 K. Grubmüller, Der Lehrgang des Triviums, S. 379. Die Überbetonung hatte zwei Gründe: einmal den eher technischen einer Ausbildung für das Disputationsverfahren im jeweiligen Berufsumfeld; zum anderen den eher praktischen einer Arbeitsteilung mit anderen Ausbildungsstätten des Triviums, den Kathedral-, Kloster- und Stadtschulen (ebd., S. 375). 40 BCTn, ms W 3388, f. 93v. 41 Über Italien als Ziel deutscher Studenten zum Studium der ars poetica zuletzt A. Sottili, L’orazione padovana, S. 1041-1042 und ders., Studenti tedeschi dell’Università di Padova. 36 37

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dieser Einwurf von seiten der Theologen und Logiker der Universität42 – ein weiterer Hinweis auf eine konservative Haltung in Wien43. Demgegenüber ist die Zahl der Zeugnisse zur Studienzeit in Padua deutlich höher. Hinderbach bewahrte in seiner Bibliothek eigene Mitschriften aus den Universitätsjahren auf: in vier umfangreichen Handschriften von jeweils mehr als 300 Folien sind die sogenannten recollecta mit den Vorlesungen der Jahre 1440-1447 über die verschiedenen Bücher der Dekretalen von Antonio Roselli, Jacopo Zocchi, Angelo da Castro, Paolo d’Arezzo u.a. zusammengestellt44. Sie enthalten eine Fülle von Einzelheiten zu Lehrbetrieb und Studentenleben: von Stoff und Darbietung der Vorlesungen über ihre schriftliche Niederlegung bis hin zum persönlichen Umfeld der Studierenden. Vor allem ist festzuhalten, daß sich Hinderbach in Aufbau und Regelwerk des Studiums auskannte: er konnte über die Personal- oder Korporationsnatur der universitas räsonieren45, das Appellationsverbot gegen Strafen gemäß den Studienstatuten erörtern 46 oder sich darüber verbreiten, daß bei Rektoratswahlen die Abstimmung auf Zetteln mit der jeweiligen Handschrift zu erfolgen hatte, um einen strittigen Wahlausgang zu vermeiden47. Diese Kenntnisse eignete sich Hinderbach vornehmlich durch eine aktive Teilnahme am Universitätsbetrieb an. Zum Beispiel konnte er sich nach einer Beschreibung des Wahlmodus für die „consiliarii“ genau daran erinnern, daß er „diesen ganzen Vorgang oft mitgemacht hatte“48 (in Padua räumten die Statuten eine gewisse Mitsprache ein, und an der Wahl der consiliarii konnten sich alle Studenten beteiligen)49. „Obiectio theologorum et loycorum Wienensium“ (BCTn, ms W 109, f. 21). A.A. Strnad, Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 385. 44 BCTn, ms 1589 und 1560, 1561, 1592 (= MD, schede Nr. 23, 24, 31). 45 BCTn, ms 1561, f. 271. 46 BCTn, ms 1560, f. 628 (über die Dekretale „Ad nostram“, II, 28, 3): „A correccione non appelatur et primo premittit causam (…)“, am Rand: „facit istud capitulum pro hoc quod supposita universitatis scolarium non possunt ap(pella)re a correccione dummodo puniatur secundum formam statutorum universitatis imponencium penam talem sic delinquentibus, maxime vero sine strepitu (…)“. Und am Schluß: „si concederemus eis remedium appellacionis concederemus eis patrocinium in sua nequitia ac transgressione ordinacionum universitatis que edite ad manutenendum ea supposita in bono studio et bonis moribus. Cogita“. 47 BCTn, ms 1589, f. 234. 48 BCTn, ms 1589, f. 237: „IIIs sunt qu(ia) primus eligens secundum et IIus consenciendo eleccioni de se facte excludunt tercium et ita observatur Padue in universitate quando eliguntur consiliarii alicuius nacionis deficientis (unicum) tamen suppositum habentis qu(od), cum ista se ipsam eligere non possit, alie naciones sibi coadiungunt duos cum quibus eligat consiliarium pro sua nacione. Sepe ita practicavi“. 49 D. Girgensohn, Anleitungen zum Studium der Jurisprudenz, S. 552. 42 43

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Über diese Aktivität im Rahmen der eigenen Nation hinaus nahm Hinderbach wichtige Funktionen in den allgemeinen Universitätsgremien wahr: zwischen 1441 und 1442 ist er als vicedominus belegt und übte in dieser Eigenschaft Jurisdiktionsfunktionen aus50; 1443 war er Teilnehmer einer Universitätsdelegation nach Venedig zur Bestätigung der Statuten51, die er vorher noch einmal im offiziellen Auftrag durchgesehen52 und möglicherweise 50 BCTn, ms 1560, f. 157 und 537, am Rand: „hic est casus de questione que semel accidit de facto quem habui commissum Padue a domino Thebaldo de Wolkenstein tunc rectore universitatis huius loci: quidam scolaris erat debitor unius qui quidem habebat sotietatem unacum aliis in qua habebant vinum communem et suppellectilia domus. Ille cepit esse fugitivus propter debita; creditor petebat istas res que illi (aus illum korrigiert) pro parte eius spectabat; illi sotii concedebant quod habebat aliquas communes res, sed de quantitate nihil dicebant et ille nihil probare poterat que, quales vel quanti precii essent. Iste peciit eos compelli medio iuramento ad s(pecifi)candas istas res et quantitatem et valorem ipsarum, isti denegabant allegantes quod quia iste nihil probavit ipse debebant absolvi. Ego compuli eos (Hs. eas) ad iurandum et spondendum res suas ex eo quod iam confessi erant huiusmodi res habere penes se, sed non constabat de quantitate et specie illarum rerum. Hic est casus quod compelli poterant medio iuramento, sed tunc ignorabam. Io. Hin.“. Ein anderes Beispiel in BCTn, ms 1560, f. 635, am Rand: „per istud decidi causam semel commissam Padue inter duos litigantes pronunciando appellacionem unius esse desertam. Quamvis iste requisierit sepe iudices, non tamen adivit superiorem qui (Hs. que) fuit in loco, scilicet rectorem (…)“. Die Datierung von Hinderbachs Vizerektorat ergibt sich aus den Rektoratsdaten Theobalds von Wolkenstein; er wurde am 3. Mai „pro anno futuro“ gewählt und erscheint als Rektor wenigstens vom folgenden 6. Juli an bis zur Erlangung des Doktortitels am 21. April 1442: Acta graduum, Bd. 1/2, Nr. 1524 und 1529 (6. Juli 1441) - 1595 (21. April 1442). 51 BCTn, ms 1560, f. 118. Zu den Mitgliedern der Delegation zählte neben Hinderbach auch Ulrich von Nußdorf, der kurze Zeit später auch zum Rektor gewählt wurde. Er bekleidete dieses Amt vom 15. Juli 1443 an (Acta graduum, Bd. 1/2, Nr. 1715), so läßt sich die Abordnung der Delegation für den Mai desselben Jahres ansetzen. Über die verschiedenen Redaktionen der Statuten (aber nicht über die bisher unbekannte Revision von 1443) S. Bernardinello, Un nuovo statuto, und G.P. Mantovani, In margine all’edizione. 52 Bei dieser Gelegenheit stieß Hinderbach auf die pacta et privilegia von 1321: „Patavienses sub Romano imperio semiliberi (ein weiteres, nicht von mir entziffertes Wort über der Zeile) ymo liberrimi dicere potuit, (nam) ego dum illic essem studio iuris operam dans et inter lustrand(os) libros statutorum universitatis studii unum inter alios vetustiorem reperi in quo continebatur quod de anno Domini millesimo ducentesimo XXIJus quadringentis civibus ad sonum campane in pretorio congregatis de consensu et (licentia) illustris et magnifici domini Ulrici comitis de Phanneberg locumtenentis pro serenissimo atque in//victissimo principe d. Friderico Romanorum rege (ein getilgtes electo folgt) qui fuit dux Austrie contra Ludovicum Bavarum electus, scolaris et doctoribus a Bononia illuc conductis talia pacta ac privilegia concesserunt prout in eodem libro statutorum continebantur, quod fuisse constat ante tempora quo Charrarenses dominium sive tyrannidem eiusdem civitatis contra fidem imperii in se susceperunt cum (tamen) vicariatu seu alio quodam titulo illam (temere) dissimularet et magnam plerisque tum Germanis et nobilibus (…), ut est videndum

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von daher auch den Zugang zum Universitätsarchiv erlangt hatte53. Ebenso ist er als Zeuge bei einem Vorgang genannt, als der Podestà von Padua 1447 im schwelenden Konflikt zwischen den Kollegien der Juristen, Artisten und Mediziner über die Rangordnung bei Stadtprozessionen zu feierlichen Anlässen ordnend eingreifen mußte54. Hier erscheint er als einziger Student neben zwei „magistri“ der Grammatik, darunter dem berühmten Rhetor Ognibene da Lonigo55, beide als „hochgelehrt und hochgeehrt“ bezeichnet; Hinderbach wird ebenfalls mit einem Superlativ hervorgehoben: „peritissimus“. Über die in archis eorundem ibidem defunctis et in diversis locis appensis“ (ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, ff. 105v-106). Diese Bemerkung datiert mehr als 20 Jahre später nach Hinderbachs Studium in Padua und belegt sein andauerndes Interesse für Fragen der Universitätsverfassung, auch wenn sich durch den zeitlichen Abstand einige Verwechselungen einschleichen: so irrt Hinderbach einmal im Datum (1222 anstatt 1321), dann zieht er zwei verschiedene Serien der pacta zusammen, die am Ende der Statutenkompilation aus dem 14. Jahrhundert getrennt vorlagen (wenigstens so die Kollokation in der einzig bekannten Statutenhandschrift, von Heinrich Denifle ediert). Einmal die sogenannten „pacta vetera communis Padue“ vom 1. April 1262, publiziert „in pleno et generali conscilio quadringentorum ad sonum campane more solito congregato“ (H. Denifle, Die Statuten, S. 513), dann die sogenannten „nova pacta“, von der Kommune dem Studium 1321 zugestanden, auch in der Statutensammlung enthalten, mit zwei Präambeln, von denen eine die Anwesenheit des Grafen Ulrichs von Pfannenberg vermerkt und die Beziehung zum Reich herstellt: „Quia imperatoriam maiestatem non solum armis oportet esse armatam sed eciam legibus decoratam, ut utrumque tempus, (et) bellorum et pacis, recte possit gubernari, et princeps Romanus victor existat triumphans de victis hostibus (vgl. Inst. Iust. Prooem.), regia civitas Paduana (…), ut tamquam principalis Imperii civitas (…), ac eciam fore dignam antiquorum privilegiorum innovacione multiplici et nichilominus edicione novorum (…) de expressa voluntate et consensu spectabilis domini domini Ulrici comitis de Phannemberg, illustris militis domini Henrici ymo verius serenissimi principis domini Federici Dei gracia Romanorum regis et senper augusti vicem gerentis (…)“: H. Denifle, Die Statuten, S. 524 (diesen Hinweis verdanke ich Donato Gallo). Über die näheren Umstände des Paduaner Studiums zur Zeit der Übergabe der Stadt an Friedrich den Schönen und Heinrich von Kärnten 1320-1328 und dann weiter zu den da Carrara, D. Gallo, Università e signoria, S. 20-26; vgl. auch G. Arnaldi, Le origini dello Studio di Padova, S. 388-431 und ders., Il primo secolo dello Studio, S. 3-18. 53 Diese Erlaubnis wird belegt durch die ausdrückliche Erwähnung eines Privilegs Martins V. von 1419 an die Rechtsstudenten in Padua: BCTn, ms 1492, f. 566: „et ita vidi privilegium Martini pape concessum huic studio paduano, quo etiam ego privilegio munitus leges audivi et adhuc audire intendo, non obstan(te) quod habeo plebaniam et sum in sacris (…)“ (die Anmerkung steht unmittelbar vor dem explicit mit dem Datum vom 18. August 1440 und wurde schon transkribiert in: PBE, scheda 46, S. 149). 54 D. Gallo, Università e signoria, Appendici documentarie, doc. 16, S. 101 mit Erläuterung auf den Seiten 65-66. Über die Anfänge der „grandis cerimonia“ G. De Sandre Gasparini, L’amministrazione pubblica, S. 206-207. 55 Der andere magister war der Grammatiker Damiano da Pola, belegt von 1413 bis 1455; über ihn P. Sambin, Il grammatico Damiano da Pola, S. 371-400, der auf S. 283 den Vorgang erwähnt und auch die Anwesenheit Hinderbachs vermerkt.

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bloße Formelhaftigkeit hinaus ist damit wohl auch eine Aussage zu seiner wirklichen Qualifikation gemacht, denn gerade in diesem Jahr – 1447 – wurde er mit jener repetitio betraut, von der schon die Rede war. Hinderbachs Vertrautheit mit dem Universitätsleben in Padua – immerhin hielt er sich mindestens sechs Jahre kontinuierlich dort auf – wird auch durch einige von ihm überlieferte und kommentierte Episoden anschaunlich belegt. Einmal der gerade erwähnte Rangordnungsstreit von 1447, den er wie folgt schildert: Ein Bischof von Padua hatte den Doktoren des Juristenkollegs das Recht zugestanden, an der jährlichen Fronleichnamsprozession in ihren Talaren teilzunehmen und dabei die Ältesten und Vornehmsten mit dem Tragedienst für den Baldachin über dem Allerheiligsten betraut. Als einige Zeit vergangen war, in der die Juristen das Privileg ausschließlich ausgeübt hatten, wollten auch die Doktoren der Medizin und der Artes diesen Dienst übernehmen – die Juristen erklärten sich einverstanden, ohne zu betonen, daß sie sich aus freien Stücken dazu entschlossen hätten. Als sie dann von diesem Zugeständnis abrücken wollten, entbrannte ein Streit, der sich bis 1451 hinzog. Hinderbach erfuhr von diesen Vorgängen durch den lector Paolo d’Arezzo, dessen Bericht er mit einigen persönlichen Bemerkungen versah: die Schimpfkanonade zwischen den Parteien vor der Prozession, das anschließende Aufsehen in der Bevölkerung, alles zusammen noch unmittelbar vor dem ausgestellten Allerheiligsten – der ganze peinliche Vorfall nur aus Dünkel und Überheblichkeit gegenüber der jeweils anderen Partei56.

In Erinnerung an diese Auseinandersetzung verurteilt Hinderbach scharf die Arroganz der Paduaner Akademiker. Sie war in seinen Augen mit dem Doktorenstatus verbunden, dessen Würde er sich sonst selbst sehr bewußt war; um so mehr, als er später in einem Brevier aus seinem Besitz die „deprehensio et exprobatio superbie et arrogantie doctorum“ hervorhebt, mit der Bemerkung: „nota contra arrogantiam doctorum“ und dem abschließenden Urteil: „scientia inflat“57. Ohne große moralische Entrüstung hingegen überliefert Hinderbach zwei wenig erhebende Augenblicke des allgemeinen Studienbetriebs anläßlich von 56 BCTn, ms 1589, f. 162: „Episcopus quidam huius civitatis Padue concessit doctoribus iuris quod in festo corporis Christi ipsi irent (penes getilgt) processiones in habitibus suis doctoralibus et seniores seu famosiores inter eos deferrent deferre deberent celum quod portatur supra corpore Christi. Ipsis solis hoc longo tempore habentibus, venerunt doctores medicine et arcium et humiliter postulaverunt ut admitte(re)nt eos etiam ad huiusmodi processionem. Illi fecerunt hoc, sed non fuerunt de hoc protestati quod ex gratia eos admiserunt, ita, quando eos libenter repellent, isti dicunt: ,Non! Nobis equali iure competit sicud vobis, quia recepistis nos in socios et fratres‘. Paulus de Aretio. Ego vidi temporibus meis quando ibi eram in studio quod magnas verbales rixas alii habuerunt tempore in(min)entis processionis et magnum etiam scandalum in populo et coram reverendissimo corpore Domini nostri fecerunt (…) et hoc propter solam superbiam, quia isti volunt preferri istis, isti econtrario aliis“. 57 BCTn, ms 1556, f. 412.

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Wahlvorgängen. In einem Text zu Wahlkampagnen zieht er das römische Konsulat zum Vergleich heran: er sieht dort fast die gleichen Praktiken am Werk wie bei der Rektoratswahl58. In ähnlicher Weise erinnert er sich an einen Streit um die Wahlmänner der nacio Venetorum bei der Nominierung eines Lektors: Marco Donato, adliger Venezianer, der 1443 Zivilrecht gelesen hatte59, versuchte, diese Aufgabe einem anderen venezianischen Adligen streitig zu machen, Barbono Morosini, der 1442 promoviert60 und im folgenden Jahr Dozent gewesen war61. „(…) et nota hic practicam quam faciendum sit illis qui sic in dandis votis se credunt deceptos fuisse, quia statim publicatis votis protestari et confiteri debent se pro tali parte voces suas non dedisse et ideo fraudem in huiusmodi facto commissam esse suspicentur et de hoc coram superiori, confirmatore videlicet querulentur ut de fraude huius inquirat. Et ita temporibus meis factum seu observata fuit hec praxisa fuerat in stu//dio Paduano, in quadam maxima practica lecture scolarium inter duos potentes Venetos ambo nobiles, quia cum nacio Venetorum debebat eligere unum ex se qui haberet vocem pro sua nacione eligendi ad talem lecturam, unus eorum nomine Barbonus Moriceno solempnis vir quasi pro certo habebat quod ipsum eligerent, sed adversarius suus fraudem fecit in transposicione pixidum in quibus vota per posicionem fabarum, ut ibi moris est, dabantur nomine ‚Marcus Donato‘. Et cum numeracio fieret, ille primus vix VI voces habebat et alter plures quam XX, et statim omnes exclamabunt (sic) de fraude facta, quia offerebant se iuramento asserere velle quod animo eligendi primum fabas posuissent. Et questio delata est ad collegium doctorum, qui pronunctiabant iuramentis illorum stari debere et retractatum fuit quod fraudulenter optentum eratb. Bene fuit allegatum capitulum illud hic pro parte contraria, quod non debebant audiri illi cum iuramentis suis, sed non faciebant pro eis, quia ille erat alius casus et diversus ab illo hic, in eo videlicet quia hic recurri poterat ad eos qui singularium vota et depositiones votorum notabant et sciebant, quod non poterat ibi fieri, quia vota non recipiuntur per scrutatores intermedios sed per pixides defe(ren)tes numerum pro illa vel alia parte deponencium; et per hoc dicendum puto quod ubi hodie contingit casus talis et reclamacio et suspicio de fraude facta nec staretur scrutatoribus votorum nec ipsis deponentibus, sed recurretur ad cedulam deponencium que demonstrant vota singulorum et ideo cautum est ut deposicio votorum fiat per cedulas propria manu cuiuslibet vocem habentis conscriptas, sicud fit Padue electio rectoris, et tunc faciliter deprehenditur fraus“62.

Im Zusammenhang mit der Rektoratswahl von 1446 erwähnt Hinderbach eine eher burleske Episode. Dabei standen auf der einen Seite die adligen a b

ab seu am Rand mit Verweis. es folgt ein schlängelndes Verbindungszeichen auf Io. Hind. radiert.

58 BCTn, ms W 3388, f. 90, Hinderbach eigenhändig am Rand: „quales olim pro consulatu practice, ut nunc in scolis pro rectoratu“. 59 Acta graduum, Bd. 1, Nr. 977, und Bd. 1/2, Nr. 1732. 60 Acta graduum, Bd. 1/2, Nr. 1645. 61 A. Belloni, Professori giuristi, S. 353. 62 BCTn, ms 1589, ff. 233-234.

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Studenten, auf der anderen Seite die sogenannten „Kahlgeschorenen“, d.h. die nichtadligen Studenten, einander gegenüber; die adligen versuchten, durch Handgreiflichkeiten die Kandidatur der anderen Partei zu verhindern, und schritten zur sogenannten „sbalsatio“, einem drastischen Ritual, bei dem der Angegriffene durch mehrmaliges Hochwerfen übel zugerichtet wurde. „Hic memorie obvenit quod alias de anno 1446 dum in civitate Patavii studio vacaremus et ageretur de rectore Studii subrogando et scolares in duas partes scividerentur (sic) fieretque maxima practica et instantia pro utroque, nobilioribus ac primariis in quendam Pelegrinum nobilem civem Veronensem comptum ac elegantem scolarem, aliis vero plebeis ac vulgaribus et pedagogis in quendam scolarem Calabr(ie) aspirantibus, lata inter scolares nobiles huiusmodi lex est: si quis aliquem de capitibus rasis in huius alme universitatis rectorem nominare presumpserit pena sbalsationis innecteretur. Est autem sbalsatio iuxta vulgare latinarum proiectio hominis in culcitra sive sclovin(a) ina altum, ex quo plerumque hiis qui paciuntur vertigo capitis et vomitus vel etiam crepitus ani aut nature relaxatio sequitur, que pena plerisque inflicta fuit“63.

Der Musterscholar Abgesehen von diesen Einzelaufnahmen richtete Hinderbach sein ganzes Augenmerk bewußt auf das eigentliche Studium, den Besuch der Lehrveranstaltungen: sie verfolgte er nach seinem curriculum studiorum von 1447 innnerhalb seiner schon erwähnten repetitio, einmal „häufig und ohne Unterbrechung“, dann im Vergleich zu seinen Mitstudenten „fleißig und mit Interesse“. Dieses Eigenlob trifft durchaus zu; denn die erhaltenen Aufzeichnungen der Zeit in Padua belegen seinen Studieneifer. Oft nimmt er einen Text zum Ausgangspunkt für weitergehende Fragestellungen und weist auf den Unterschied zwischen seinen Mitschriften und dem Vortrag des Lehrenden hin („sed hec est sententia brevis in effectu quam capere potui ex dictis et longe recitatis per d. Antho. Rosellum“)64. Mehr noch: während der Semesterferien, der vorlesungsfreien Zeit, ging er noch einmal seine recollecta und lecturae zur Vertiefung durch und setzte die Lehrmeinung der Autoritäten von seinen persönlichen Ansichten ab, auch zum Nutzen seiner Mitstudenten. „(…) demum vacacionum tempore autumpnalium eos transcurrere volui et aliqua etiam studendo pariter in scriptis colligere ultrab, ne pariter cum tempore laberetur et studium, aliquis saltem laboris fructus michi permaneret, sicut plerumque michi accidisse expertus sum, unde sumptis in adiutorium studii mei recollectis a b 63 64

das folgende gestrichene Wort unleserlich. am Rand mit Einschubzeichen. BCTn, ms W 3388, f. 254v. BCTn, ms 1560, f. 394.

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d. Pauli de Aretio, qui optime super hiis passibus scripsit, nec preteritis recollectis d. Anthonii Roselli quamvis modicis, habens etiam plenam lecturam d. cardinalis Florentini, collegi ea que sequuntur, nec parum laboris habui in reducendo omnia sub forma notabilium et glo(sse) et ma(teria)s que inter reliquos legendi ac colligendi modos plus semper michi placuit quam etiam ullius doctoris scribentium observasse nec recipio nec audio nisi subtilissimum illum modernum doctorem d. Petrum de Ancharano, cuius tamen lecturas non habui nec umquam habere potui (ex) eo precipue qu(od) conpendiosa, ordinata et ex consequenti memorie plurimum conveniens existat, sicud ex ipsius inspectione lucide constare potest, plerumque etiam addendo similia quedam pro parvitate ingenii mei accurentia in ipsis, precipue a postillis extralinealibus et interdum etiam intus in vero ordine littere// que in eo cognosci poterunt, quod ea sub verbis prime persone communiter posui annectendo ut frequenter verbum: ‚Cogita‘ vel simile maturioris ponderationis importa(tum), interdum etiam sub dubio dictum relinquens, aliorum vero sub 3a persona et cum eorum nominibus ponendo, non quasi michi velim scribendi vel commentandi auctoritatem usurpare, quam nondum habeo neque adhuc nactus sum, sed ut michimet ipsi causam veritatis et quandoque etiam subtilitatis in(ter)agende preberem sotiis vero ac eis qui ea viderint, quod non affecto materiam cogitandi ac conversandi aut optimi vel mediocre, saltem si quidam inde possent de meis studiis inditium accipiendi afferrem, nec ipse michi ac aliis melius sentientibus qui ea legerint viam preclusam (ire) velim sive addendi sive minuendi corrigendi ac etiam prorsus et in totum cancellandi“65.

Hinderbach war sich durchaus bewußt, daß Textabschriften fehlerhaft sein konnten, deshalb kalkulierte er mögliche Fehlerquellen ein66. Weiter sammelte und diskutierte er abweichende Meinungen aus den verschiedenen Mitschriften von ihm selbst oder bei den Studienkollegen67; wenn er deren Aufzeichnungen von Vorlesungen, bei denen er fehlte, abschrieb, vermerkte er nicht eindeutige Abkürzungen, dachte über mögliche Zuordnungen nach und erläutete die Gründe dafür68. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit stellte er sich selbst quaestiones, Aufgaben („cogita!“), auf die er dann später oft mit einer Lösung zurückkam. Diese zahlreichen Einlassungen bieten in ihrer Gesamtheit das Bild eines gewissenhaften und urteilsfähigen Studenten, eines wirklichen „Profis“. Vor diesem Hintergrund könnte der Bescheidenheitsgestus der repetitio von 1447, wo sich Hinderbach als durch die Vorlesung über das Dekret geehrt bezeichnet „quamquam immeritus ac insufficiens“, rein rhetorisch verstanden werden, doch der verhaltene Grundzug paßt zum Stil seiner Paduaner Texte und zum Inhalt einiger notabilia: nach ihnen mußte der BCTn, ms 1589, ff. 157-158. BCTn, ms 1589, f. 119. 67 BCTn, ms 1560, f. 317. 68 BCTn, ms 1560, f. 156: „videlicet Butrigarius vel Buttrius, nescio quis sit, quia reperi sic: Butri. Tene tamen quod sit Buttrigarius, quia Buttrius nichil scripsit in legibus“. 65 66

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„Lehrer“ notwendigerweise erst „Schüler“ gewesen sein, nebenbei bieten die notabilia Hinderbach Anlaß, über (andere) unfähige Studenten zu schimpfen, die sich schwierige Fälle anmaßten69. Noch in den letzten Lebensjahren gab er den Rat des Vinzenz von Beauvais (ca. 1190 - ca. 1296) zum Umgang „ohne Dünkel und Überheblichkeit“ ausdrücklich an beide, Studenten und Doktoren, weiter70. Demut und Bescheidenheit gegenüber Gott und Mitmenschen waren auch für Simone da Borsano († 1381), Kardinal von Mailand bei Schismasausbruch und bedeutender Rechtslehrer der Generation vor Zabarella, die ersten der sechs „claves seu regulae principales“ für einen erfolgreichen Studienfortgang71; darauf konnte dann die eigentliche Lernbereitschaft aufbauen, eine Voraussetzung, die Hinderbach im Übermaß mitbrachte und, wie schon vermerkt, bei Gelegenheit unter Beweis stellte72. Hin und wieder hielt er auch das Ergebnis von Diskussionen mit Studiengenossen fest73 und übte manchmal heftige Kritik an den Übungen in der Universität: z.B. beobachtete er bei der Abschrift eines Textes, daß der betreffende Passus genau der Ansicht eines Studienkollegen, Ottavio Pontano aus Rom, widersprach in einer disputatio vom September 144174. Bei einer repetitio für die gratia vom selben Jahr des Landsmannes Wigand von Kassel75 erinnerte er sich mit Vergnügen daran, wie seine zahlreichen Gegenargumente den anderen so in die Enge trieben („strinxi eum“), daß

BCTn, ms 1589, f. 256. BCTn, inc. 422 (J. 1474), f. 237, „que nosti sine arrogantia postulanti impertias, que autem nescis sine occultatione ignorantie postula tibi impertiri“ Hinderbach eigenhändig am Rand: „et istud pro scolaribus et doctioribus“. 71 D. Girgensohn, Anleitungen zum Studium der Jurisprudenz, S. 530. Die Zitate stehen am Anfang des Clementinenkommentars; über den Autor, später Kardinal der Avignonenser Obödienz im Großen Schisma, vgl. die Bibliographiehinweise ebd., S. 529, Anm. 24 und H.J. Becker, Brossano (Borsano), Simone da, S. 470-474. 72 In „De liberorum educatione“ richtet Hinderbach an sich selber mit: „nota tu“ (BCTn, ms W 109, f. 5) die Anregung Enea Silvios: „Non est semper litteris seriosisque rebus incumbendum“ (E. Garin, Il pensiero pedagogico, S. 211) – Hinweis auf sein eigenes, angestrengtes Studium? Auch bei der Übergabe der Doktorinsignien durch den Kanzler der Universität Padua, Bischof Fantino Dandolo, bestätigt das Diplom von 1452, daß Hinderbach „cuncta corporis oblectamenta refugit per omnem aetatem virtutibus scientiisque insudans“ (V. von Hofmann-Wellenhof, Leben und Schriften, Anhang, S. 260), eine Anspielung auf die Mäßigung Hinderbachs, die sich auch im Urteil Enea Silvios über seinen Kollegen niederschlägt. 73 BCTn, ms 1592, f. 357: am Rand erwähnt Hinderbach den Vorschlag eines Studienkollegen aus Bergamo. 74 BCTn, ms 1592, f. 143. 75 Über Wigand von Kassel, Acta graduum, Bd. 1/3 ad indicem (sub voce Hesse Wigandus); ein Wigandus Erkel de Hesse in: Rep. Germ. Eugen IV., Nr. 9213. 69 70

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Wigand endlich zugeben mußte, daß die Fragestellung ausschließlich für einen ganz bestimmten Fall galt76. Gegenüber seinen doctores im Kirchenrecht hegte er jene Zuneigung, die Verfasser von Lehrbüchern de modo discendi wie Simone da Borsano und Martino del Cassero da Fano unabdingbar für einen Schüler hielten77. Als Hinderbach viele Jahre später Enea Silvios „De liberorum educatione“ kommentierte, vermerkte er am Rande des Passus über die Zuneigung gegenüber den Lehrern und ihre geistige „Elternschaft“: „praceptores loco habendos, sancti parentes“78. Schließlich stimmte er als reifer Mann mit einem „verissimum istud!“ Petrarcas Altersweisheit zu, nach der die Lehre des Lehrers bessere Aufnahme beim Schüler finde, wenn der „Schüler“ den „Lehrer“ auch „liebt“79. Was aber nicht ausschloß, daß sich Hinderbach durchaus eigenständig seine Meinung bildete80 und bei der Redaktion seiner Studientexte die seiner lectores verbesserte. Auf der einen Seite bewunderte er Lauro Quirini, den Vertreter Rosellis bei der lectura, als „doctor iuvenis eximius“81, andererseits übte er scharfe Kritik bei einem anderen Vertreter, Cosma Contarini, einem sexista, d.h. einem lector des „Liber sextus“ Bonifaz’ VIII.82: Contarini war offensichtlich unfähig („inepte loquitur“83) und konnte Hinderbachs Einwände nur ungenügend beantworten („nichil boni respondit“84). Er scheute sich auch nicht, eine abweichende Meinung von Giovanni da Prato zu vertreten, den er gleichwohl als seinen praeceptor im weltlichen Recht ansah. Einmal äußerte er sein Unbehagen darüber, daß Giovanni einen Passus Innozenz’ IV. nicht treffend angeführt hatte, und nahm mit Genugtuung die 76 BCTn, ms 1592, f. 103. Über die Teilnahme an den disputationes und repetitiones hatte Hinderbach im Fragment seiner eigenen repetitio vermerkt, daß „multos ante me hoc loco et repetisse et disputasse viderim“ (M. Welber, Manoscritti trentini, S. 74). 77 Nach Martin del Cassero da Fano erleichterte die Zuneigung zum Lehrer auch die Lehre: D. Girgensohn, Anleitungen zum Studium der Jurisprudenz, S. 526. Über den Juristen aus Bologna († 1272), ebd., S. 526 und F. Liotta, Del Cassero, S. 442446. Über Simone da Borsano, vgl. oben, Anm. 71. 78 BCTn, ms W 109, f. 4: „Non est semper litteris seriosisque rebus incumbendum, nec immensi labores sunt pueris adiiciendi“ (E. Garin, Il pensiero pedagogico, S. 209). 79 BCTn, inc. 74, f. 2 (Petrarcas „Secretum“, eine undatierte Inkunabel, aber mit Sicherheit vor 1473, vgl. Scheda 45 in PBE, S. 145). 80 BCTn, ms 1560, f. 364: „(…) ita intelligo hanc decretalem ego Iohannes Hindernbach, quidquid alii senciant, qualiter cogitabis“. 81 BCTn, ms 1560, f. 222. Über Quirini vgl. unten, S. 148. 82 Über Contarini, A. Belloni, Professori giuristi, S. 183-184. 83 BCTn, ms 1560, f. 386. 84 BCTn, ms 1560, f. 385.

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Freude Giovannis darüber zur Kenntnis: der Lehrer „fecit magnum festum de illo dicto Innocentis prout comuniter faciunt legiste de dictis Innocentis sing(ulari)bus et magis quam nos canoniste“85. Sogar die Ansichten seines verehrten Lehrers Antonio Roselli setzte er auf seinen eigenen Prüfstand86. Noch Simone da Borsano, dessen Abhandlung Zabarella bekannt war, hatte Kritik des Schülers am Lehrer nicht geduldet: Lehrmeinungen sollten getreu hingenommen werden, wenn sie nicht offensichtliche Irrtümer enthielten87. Wenigstens in einem Fall stellte Hinderbach die Meinung seines Lehrers in Frage und zwar in einer Sache von politischem Gewicht, nämlich der weltlichen Herrschaft im Patriarchat von Aquileia: Venedig hatte von Roselli ein consilium dazu angefordert, das der Professor auch geliefert und dabei die rechtlichen Voraussetzungen des damaligen Patriarchen bestritten hatte. Hinderbach hingegen teilte die Position Ludovico Trevisans (1439-1465): „(…) et per hoc dixit se consuluisse et ad iracundiam provocasse d. Lodowicum card. et patriarcham Aquilegensema quem, cum esset Venetiis et officio legationis fungeretur, Veneti querebant inire secum tractatum concordie s(upe)r retinendis bonis patriarchatus Aquilegensis, que quidem sapiebat contractum alienacionis. Ipse, dum nollet, voluit eos effugere dicens se non posse auctorizari in facto proprio. Tunc dixit Rosellus quod potest ex hoc capite, qu(ia) esset legatus de latere et ipse (…) annuit et male contentus fuit, tamen sic inde recessit in mala concordia et adhuc est (…) Quidquid dicat d. Anthonius, ego credo quod nec ut legatus potuit auctorari alienacionem si quam fecisset in facto proprio, sed opus fuisset auctorari papam eo quod in alienationibus enormis et perpetuis quales inter illos tractabantur rerum eclesie immediate sedi apostolice subiecte qualis est ecclesia Aquilegensis requiritur consensus pape, ymo videtur hoc comprehendi iuramento prestito in confirmacione vel consecracione eorum, de quo vide in c. Significasti de elect. (c. 4, X, I, 6) de iureiu.: ‚Ego N‘, ymo per expressum habens hoc quod illud iurant domino pape de rebus ecclesie non alienandis et inde notatur in glosa in c. ut suprab. Pro sua tamen s(entencia) videtur facere c. Si abbatem (c. 36, X, I, 6) ubi de hoc, (…) de elec. li. VIto. Cogita latius Io. Hin.c“88.

Dieses Beispiel zeigt, daß Hinderbach in seiner Grundhaltung beim Studium von den Anregungen der verschiedenen Traktate oder „artes de modo a b c

am Rand: modernus, non iste antiquus. ab ymo am Rand mit Einschubzeichen. ab quidquid später hinzugefügt.

85 BCTn, ms 1560, f. 121: „(…) et ita allegavit dictus preceptor meus in illo iure, dominus Iohannes de Prato ordinarius iur(is) civil(is) Padue, dum legens illam (…) et fecit magnum festum de illo dicto Innocentis prout comuniter faciunt legiste de dictis Innocentis sing(ulari)bus et magis quam nos canoniste, sed ego dicebam sibi tunc quod illud dictum Innocentis non videbatur procedure nisi in causa huius capituli (…)“. 86 BCTn, ms 1560, f. 317, 362: „modus procedendi d. Anthonii mihi non placet in hoc capitulo (…)“, und passim. Über Roselli vgl. unten, S. 62 ff. 87 D. Girgensohn, Anleitungen zum Studium der Jurisprudenz, S. 530. 88 BCTn, ms 1560, f. 228.

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discendi“ seiner Zeit nicht abwich: die Verehrung gegenüber dem „Lehrer“, die Bescheidenheit, der Eifer, aber auch eine gewisse Streitkultur, die, mit kompetenten Studienkollegen betrieben89, einmal errungene Erkenntnisse vertiefen konnte90. Auch der Stil seiner Glossen und seine „Cogita!“ weichen kaum von den Vorgaben des Zeitgenossen Gian Giacomo Can (1425-1494) ab: der hatte in seinem Traktat „De modo in iure studenti libellus“ (Druck von 1476) dem schon fortgeschrittenen Studenten geraten, zu Hause die Beweisführung des Lektors nachzuvollziehen und eine Lösung schwieriger Fälle zu versuchen, um sich so auf eine große, öffentliche Disputation vorzubereiten91. Hinderbach übte auch die analytisch-kritische Methode der juristischen Studien seiner Zeit aus. Er versuchte sich in der Auslegung und Anwendung kanonistischer Texte, um sie so methodisch und praktisch für andere und sich selbst nutzbar zu machen. Z.B. stellte er neue Argumente für bereits abgeschlossene Fälle zusammen92 oder verbesserte eigenes, früheres juristisches Prozedere93. Dabei wandte er jene Methode sprachlicher, dialektischer und historischer Analyse an, die Kanonisten bis zur Erschöpfung auszuüben pflegten und die seinen geistigen Habitus charakterisierten bis hin zu Pedanterie und Formalismus, hoher Abstraktion und einer gewissen Engstirnigkeit – gerade diese Eigenschaften waren im Jahrhundert vorher von Dante und Petrarca als typisch für eine gewisse Juristenmentalität beschrieben worden. Was uns Modernen (aber auch manchen seiner Zeitgenossen) als Übung in Langweile vorkommt, war für Hinderbach ein angenehmer Zeitvertreib: wie er schon sagte, „non ignave aut fastidiose“94. Eben diese Eigenschaften dürften ihn in den Augen des Rektors empfohlen haben, ihm in Vertretung von Cosma Contarini95 die nachmittägliche Lektüre der Clementinen anzuvertrauen, eine „lectura straordinaria“, die in Padua auch von fortgeschrittenen Studenten 89 Die Bedeutung der disputatio unterstreicht Martin Garcia, auch er Rechtslehrer, kurz vor Zabarella: D. Girgensohn, Anleitungen zum Studium der Jurisprudenz, S. 541. 90 So Zabarella (ebd., S. 538). Gleichzeitig aber mahnte er, die Vorlesungen nicht zugunsten einer Disputation zu vernachlässigen, weil dadurch das Risiko der Verzettelung bestünde. 91 Ebd., S. 549. 92 BCTn, ms 1560, f. 30 und vgl. auch f. 34 (die Einzelargumente des Lektors bestätigen die conclusio Hinderbachs: „nuper in scolis, quando principiavi in decretis“). 93 BCTn, ms 1560, f. 537: „(…) hic est casus quod compelli potuerant medio iuramento, sed tunc ignorabam. Io. Hin.“. 94 So in seiner repetitio: M. Welber, Manoscritti trentini, S. 74. 95 BCTn, ms 1592, f. 467 und 523 (f. 467: „(…) pro eo quod infra dixi dum proxime legerem illam Clementinam pro d. Cosma de Contarenis, licet non recordarer de isto textu“).

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gehalten werden konnte. Hinderbach muß sich im Studienbetrieb durchaus bewährt haben, denn 1444 erfolgte die „lectura ordinaria“ des Decretum für die „universitas ultramontanorum“: „ita insudaverim ut, amplissime universitatis nostre iuditio, pro inclita ac generosa ultramontanorum universitate lectura Decreti ordinaria (…) honorari (…) meruerim“ – vor diesem Hintergrund ist die schon erwähnte Qualifikation als peritissimus im Akt von 1447 auch sicherlich eine Anerkennung seiner mittlerweile erworbenen Fachkompetenz. Der häufige Gebrauch des Decretum wechselte sich mit dem der Dekretalen ab und schlug sich nieder in vielfachen Querverweisen96 – nach der Wahl zum Bischof von Trient im Jahre 1465 behielt Hinderbach ein Exemplar des Decretum in seiner Bibliothek97. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß er durch Studium und Lehre eine solide Kenntnis in der Kanonistik erwarb, was er auch in der späteren Zeit durch eine Vielzahl von Glossen jedweder Art bewies98. Sein beispielhafter Studiengang fand einen würdigen Abschluß in der Überreichung der Doktorinsignien. Sie erfolgte 1452 in Padua durch „seinen“ Doktorvater Roselli in Anwesenheit „seines“ Königs Friedrich, auf dem Weg zur Kaiserkrönung nach Rom. Viele Jahre später ließ Hinderbach diese Zeremonie mit sichtbarem Stolz vor seinem geistigen Auge Revue passieren und vermerkte ausdrücklich die Anwesenheit „des göttlichen Friedrich III., Kaiser und Augustus“, Königs Ladislaus von Ungarn, Erzherzogs Albrecht von Österreich, des kaiserlichen Bruders, und vieler anderer „Prälaten, Grafen, Barone, Magnaten und Adligen des kaiserlichen Hofes, die damals auf der Durchreise nach Rom zur Kaiserkrönung in Padua anwesend waren, in der dortigen Kathedrale, ebenfalls in Anwesenheit aller Doktoren des kirchlichen und weltlichen Rechts, angetan mit ihren almutie, sie alle versammelt und sich erhebend, (…) die ganze Szene unter Leitung des Fantino Dandolo als Kanzler der Universität. Es gab keinen feierlicheren Akt, bei dem so viele Fürsten, Adligen und Doktoren je teilgenommen hätten“ („quo actu nullus nunquam insignior habitus, cui tot et tanti principes ac nobiles viri doctoresque interfuissent“)99. 96 BCTn, ms 1560, f. 30 und 34. Aber vgl. auch BCTn, ms 1592, f. 377 („… ita postea reperi in decretis. Io. Hin.“) und f. 442: hier bezieht sich Hinderbach auf eine Glosse des Decretum, die ihm in diesem Zusammenhang nicht sofort einfällt, später aber dann doch noch genau genannt wird. 97 MPTn, ms 3568. 98 Vgl. z.B. BCTn, inc. 422, l. VIII, cap. 22: „De primatu Romane ecclesie ratione Petri et successoris eius Clementis, Gelasius papa in decretis“, Hinderbach eigenhändig am Rand: „et est XIXa vel XXa distinctione“. 99 ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 20. Die Beschreibung folgt dem Doktordiplom Bischofs Fantino Dandolo (V. von Hofmann-Wellenhof, Leben und Schriften, Anhang, S. 260). Zur Kleidung der Juristen, A. von Hülsen-Esch, Gelehrte im Bild, S. 82-85.

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Auch die „patentes litterae in forma publici instrumenti“ und die Urkunde zur Erteilung der sogenannten Lizenz, die in Padua erhalten ist100, erwähnen den feierlichen Rahmen der Zeremonie, die deshalb aus dem üblichen Dokumentationsverfahren hervorsticht. Darüber hinaus weist das Diplom eine sorgfältige rhetorische Ausarbeitung auf, die sich besonders in der Arenga ablesen läßt („Omnes homines a summo omnium opifice creati sunt“)101. Der anschließende Text überschreitet die übliche Formelhaftigkeit und geht auf die Persönlichkeit des Promovierten ein, indem er seine Sittenstrenge lobt102 und feststellt, daß Hinderbach „cuncta corporis oblectamenta refugit“, und nochmal auf den schon erwähnten Studienfleiß anspielt („per omnem etatem virtutibus scientiisque insudans“), mit sinngemäßem Bezug auf Hinderbachs eigenes, schon erwähntes Bekenntnis: „frequens ac continuo (…) insudaverim“ aus der repetitio. Von daher ist nicht auszuschließen, daß er selbst am Entwurf seines Diploms beteiligt war. Über die Motive seines wörtlichen Studieneifers fehlen dezidiert persönliche und ausführliche Auskünfte. Ein Zeitgenosse wie Francesco Vivaldi, Rechtslehrer in Basel, bekannte dagegen kurz und bündig: „Ziel unseres Wissens ist die Regierungstätigkeit“ („finis nostre scientie est regere“)103. Das Rechtsstudium war in erster Line eine Qualifikation, um persönlichen Reichtum, Ehrenämter und Machtpositionen zu erlangen: so die feste Überzeugung von Bohuše Zwolský, eines Studienkollegen Hinderbachs in Wien (1431/32), der sich dann während des Konzils nach Basel aufmachte. Dort hatte er zehn Jahre später, genauer am 13. November 1443, einen kleinen 100 Die Registrierung in Kurzform durch die bischöfliche Kanzlei Padua ist erhalten in: Archivio della Curia vescovile Padova, Diversorum, 26-27, f. 82 und ediert in Auszügen der Acta graduum, Bd. 2/1, Nr. 103, dazu teilweise ediert bei P. Sambin, Il grammatico Damiano da Pola, S. 283-284, Anm. 5: Er vermerkt die Außenordentlichkeit des Vorganges, die „diede occasione al notaio di fare una digressione cronachistica“. 101 Vgl. V. von Hofmann-Wellenhof, Leben und Schriften, Anhang, S. 259-262. Über das fragliche Dokument vgl. die Beobachtungen von D. Gallo, Il dottorato in medicina, S. 246, Anm. 34 und ff. (die sogenannten patentes litterae Hinderbachs werden beschrieben als „documento di notevole valore per l’elaborazione retorica e per il contenuto storico“). Gallos Überlegungen über die Urkundenform von Doktordiplomen sind übernommen von D. Girgensohn, La laurea padovana di Polidoro Foscari (1436), S. 85-97 (besonders S. 93-94 über die patentes litterae Hinderbachs). 102 U.a. von Enea Silvio herausgehoben: R. Wolkan, Briefwechsel, Bd. 1, Nr. 243, S. 431 („sobrietas tue nature“). 103 Zum starken Selbstbewußtsein der Juristen gegenüber anderen Universitäts-mitgliedern programmatisch bei F. Rexroth in seinem Titel: „Finis scientie nostre est regere“. Normenkonflikte zwischen Juristen und Nichtjuristen, und S. 339 ausführlicher. Über die difesa iuris und die Zentralstellung des Rechts im damaligen Wissenschaftsbetrieb D. Quaglioni, Autosufficienza e primato, S. 125-134. Zu Karriere und Tätigkeit der Juristen grundlegend nun: R. Gramsch, Erfurter Juristen, S. 188 ff.

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Studienführer für „Erstsemester“ zusammengestellt, möglicherweise als rein rhetorische Übung. Darin gab er als Ziele des Rechtsstudiums gut dreimal den Erwerb von weltlichen Reichtümer an („divitias temporales acquirere“), fünfmal das Engagement im öffentlichen Leben („rem publicam regere“), zusammen mit dem kirchlichen Bereich („res ecclesiastica“); schließlich führte er mehrmals das Erlangen von Ehren und Ämtern auf104. Insgesamt gesehen stellt das Rechtsstudium ein Sprungbrett für eine spätere Karriere in Politik und Kirche dar; dafür hatte sich Hinderbach durch sein erfolgreiches Studium in Wien und Padua die besten Voraussetzungen geschaffen. 2. Theorie und Politik im akademischen Milieu Konzil, Kaiser und Universität Als sich Hinderbach 1434 an der Universität Wien immatrikulierte, tagte in Basel schon das Konzil. Drei Jahre vorher hatte Papst Eugen IV. versucht, es gleich zu Anfang aufzulösen und nach Bologna zu verlegen; die in Basel versammelten (wenigen) Väter waren aber unter Leitung ihres Präsidenten, Kardinal Giulio Cesarini, am Rhein verblieben, fanden auch weiteren Zulauf und hatten ihre tägliche Arbeit in vier „Deputationen“ aufgenommen. Dieser erste Konflikt mit dem Papst war vorerst gütlich Ende 1433 beigelegt worden, als Eugen IV. in der Bulle „Dudum sacrum“ vom 15. Dezember seine bisherige Sanktionen zurückgenommen und eine große Gesandtschaft nach Basel geschickt hatte. Doch der einmal entfachte grundsätzliche Streit zwischen Papst und Konzil war nur vorübergehend zur Ruhe gekommen105. Während dieser Auseinandersetzung hatten die Väter auch an der Universität Wien Unterstützung gefunden106, wo sich seit der Übersiedlung Heinrichs von Langenstein aus Paris eine eigene Spielart des Konziliarismus herausgebildet hatte, der sogenannte Wiener Konziliarismus107. Von daher war schon ab 1432 eine Universitätsdelegation in Basel anwesend, die seit 1435 von dem bekannten Theologen Thomas Ebendorfer, einem „überzeugten Konziliaristen“108, angeführt wurde, der später ein diarium angelegt109 und auch Hinderbachs Bekanntschaft gemacht hatte. D. Girgensohn, Unterweisung für einen Studenten, S. 365-371. Zum Konzil von Basel J.W. Stieber, Pope Eugenius IV, und J. Helmrath, Das Basler Konzil. 106 J. Helmrath, Das Basler Konzil, S. 144, Anm. 256 und S. 147-148. 107 Dazu grundsätzlich, doch einschränkend I.W. Frank, Der antikonziliaristische Dominikaner, S. 125. 108 A. Lhotsky, Thomas Ebendorfer, S. III. 109 Diarium gestorum concilii Basileensis. Für die Haltung der Universität in späterer Zeit vgl. das aufschlußreiche Schreiben von 1437 des Bischofs von Vich, 104 105

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Der Streit zwischen Konzil und Papst trat in den Jahren 1439/40 in sein entscheidendes Stadium. Der bisher vermittelnde Kaiser Sigismund war gestorben, beide Kontrahenten konnten sich nicht einigen über den Ort eines sogenannten Unionskonzils mit der griechisch-orthodoxen Kirche, daraufhin berief Eugen IV. diese Versammlung ohne Abstimmung nach Ferrara. Die Väter in Basel erneuerten dann das sogenannte Konstanzer Superioritätsdekret „Haec sancta“, setzten Eugen IV. ab und wählten den Herzog von Savoyen, Amadeus VIII., zum (Gegen-)Papst Felix V. (5. November 1439)110. Bei dieser neuen Auseinandersetzung hatte das Reich in der Folge Sigismunds eine vermittelnde Position eingenommen, und mit der „Mainzer Akzeptation“ vom 26. März 1439 waren der Schwiegersohn Sigismunds, Albrecht II., vorher Erzherzog von Österreich, und die wichtigsten Reichsfürsten, an der Spitze die Kurfürsten, zu einer abwartenden Neutralität gelangt. Vor diesem Hintergrund hatte der Erzbischof von Salzburg, Johann von Reisperg (1429-1441), als Metropolit bei der Universität Wien ein Gutachten (consilium) angefordert, zu dem sich die einzelnen Fakultäten äußerten111. Die Stellungnahme der Artisten und Theologen unterschied sich von den anderen beiden Fakultäten der Mediziner und Juristen in ihrer Parteinahme für die Baseler: sie empfahlen eine eindeutige Stellungnahme zugunsten der Väter und wiesen die Neutralität zurück112. Das consilium der Gesamtuniversität wurde vom Theologieprofessor Narziss Herz von Berching redigiert und bestätigte die Legitimität des Basler Konzils. So verfolgte trotz innerer Differenzen die Universität Wien insgesamt einen eher konzilsfreundlichen Gesamtkurs113, der in Basel durch den Dominikaner Heinrich Rotstock vertreten wurde, einen Theologieprofessor, den Joachim Stieber als „ardent conciliarist“ 114 einstuft. Konzilsgesandter bei Sigismund, das u.a. erwähnt die Einflußnahme auf den Kaiser durch den Herzog von Österreich Albrecht V. (den späteren König der Römer) und dessen Ehefrau, Sigismunds Tochter, der Kaiser möge nach Wien übersiedeln: „utinam placeret deo sic debere subsequi, quia pro honore tocius ecclesie id optarem. Tunc prestanciores universitatis possent ad mei instanciam intervenire et iste susurraciones falso modo per has partes per nonnullos satellites mali verbi seminatores in dedecoracionem concilii et partis pape favorem, que sunt hincinde publicate, penitus evanescerent“ (RTA, 12, Nr. 160, S. 262). 110 Zu seiner Person vgl. F. Cognasso, Felice V, S. 640-643. 111 I.W. Frank, Der antikonziliaristische Dominikaner, S. 128-129. Über die Haltung des Erzbischof von Salzburg während des Basler Konzils vgl. W. Müller, Bayern und Basel, S. 423-429. 112 I.W. Frank, Der antikonziliaristische Dominikaner, S. 129. Narziss Herz zählte auch zu den herausragenden Theologen der Universität, mit weiteren fünf prominenten Universitätslehrern erwähnt auf den sogenannten „tabulae pictae epitaphiorum“ der Wiener Fakultät: Die Akten der theologischen Fakultät, S. 140. 113 I.W. Frank, Der antikonziliaristische Dominikaner, S. 134. 114 J.W. Stieber, Pope Eugenius IV, S. 83.

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Anfang 1441, unter dem Rektorat von Hinderbachs Onkel Dietmar, ergingen drei wichtige Bullen von Basel an die Universität115; auch der Konzilspapst Felix V. fand sich zu weiteren Zugeständnissen bereit und betrachtete Wien als eine der Universitäten, auf die er sich verlassen konnte116. Im selben Jahr wechselte in Salzburg der Metropolit, und gegenüber dem neuen Erzbischof, Friedrich Truchsess von Emmersberg (bis 1452)117, vertraten am 14. März 1442 die versammelten Wiener Professoren die Auffassung, das Konzil von Basel sei das legitime118 gegenüber demjenigen Eugens IV. in Ferrara (das dann ein Jahr später nach Florenz verlegt wurde). Diese Auffassung hielt sich auch weiter in Wien, als 1444 der Nachfolger Albrechts II., König Friedrich III., die Möglichkeit zur Beendung des Schismas auf einem neuen, dritten Konzil prüfen ließ: nach Meinung der Universität konnte dies nur mit der Zustimmung der Väter in Basel geschehen119. Erst in der Folgezeit verebbte diese Haltung erst ganz allmählich120. In einem solchem, also eher konzilsfreundlich geprägten Umfeld verbrachte Hinderbach die ersten Studienjahre an der Artistenfakultät Wien, die ja führend diese Grundstimmung teilte. Noch im Jahre 1451, also ein Jahr vor Hinderbachs Promotion in Padua, hatte in Wien sein schon erwähnter Lehrer Jodok Hausner als Vizekanzler der Universität gegenüber dem Dominikaner Leonhard Huntpichler bei der Promotion des Theologiestudenten Johannes Grössel den Gegenpart zur Verteidigung der päpstlichen „plenitudo potestatis“ eingenommen121. Aufschlußreich ist auch, daß gerade in den entscheidenden Jahren 1434/35, 1444/41 und 1444/45 Rektor der Gesamtuniversität Hinderbachs Onkel Dietmar war, Johannes’ Anfangsförderer, der auf den jungen Studenten sicherlich Einfluß ausgeübt hat122. J. Aschbach, Geschichte der Wiener Universität, S. 276. J.W. Stieber, Pope Eugenius IV, S. 83. 117 Truchsess war vorher Dekan der Salzburger Kirche gewesen, die Bestätigung seiner Wahl erfolgte durch das Basler Konzil. 118 I.W. Frank, Der antikonziliaristische Dominikaner, S. 134-135. Die theologische Fakultät ging sogar davon aus, daß auf dem Frankfurter Reichstag eine Stellungnahme für Basel nicht schwierig sein dürfte. 119 J.W. Stieber, Pope Eugenius IV, S. 83, Anm. 23. 120 I.W. Frank, Der antikonziliaristische Dominikaner, S. 135. 121 Ebd., S. 27 und S. 192, mit Anm. 30. Zu Hausner vgl. J. Aschbach, Geschichte der Wiener Universität, S. 308, 584, 606 und Die Akten der theologischen Fakultät, S. 653: als magister artium für die Jahre 1432-1439 erwähnt, genau zur Studienzeit Hinderbachs an der Artistenfakultät. Darüber zuletzt W.E. Wagner, Universitätsstift, S. 170, Anm. 221. 122 A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 11 und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 399; beide Arbeiten betonen die Bedeutung Konrads und Dietmars für die Ausbildung der Neffen. 115 116

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Von diesem Wiener Ambiente dürfte sich das in Padua doch unterschieden haben, das Hinderbach bei seinem Wechsel um 1440 vorfand. Grundsätzlich einschränkend muß dabei in Rechnung gestellt werden, daß im Gegensatz zum relativ gut erforschten „Wiener Konziliarismus“ die Beziehung der Universität Padua mit dem Konzil von Basel noch nicht in einer Spezialstudie untersucht worden ist; doch lassen sich bestimmte Beobachtungen schon jetzt machen. 1405 hatte Venedig in seiner Terraferma-Politik dem Regiment der da Carrara in Padua ein Ende bereitet und damit auch die Universität seinem Herrschaftsbereich einverleibt – erst 1437, nach der (vorübergehenden) Annäherung zwischen Kaiser und Venedig bei dem noch zu besprechenden Präsidentenstreit, erhielt die Serenissima von Sigismund die kaiserliche Anerkennung für den „Erwerb“ Paduas. Bei der Universität übte die Regierung einen „sostanziale protezionismo scolastico“ aus, z.B. war allen im venezianischen Herrschaftsbereich grundsätzlich verboten, andere Generalstudien aufzusuchen; die Gesamtfinanzierung unterlag Venezianer Aufsicht, die Besetzung der Lehrstühle wurde ebenfalls überprüft und die Kompetenz der Bischöfe von Padua als Kanzler der Universität schrittweise eingedämmt. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts, als Hinderbach nach Padua kam, befand sich das dortige Studium in voller „trasformazione in Università del Dominio veneziano“123. Venezianer war auch der Nachfolger Martins V., Gabriele Condulmer, der nach seiner Wahl am 3. März 1431 den Namen Eugen IV. annahm. Im Konflikt zwischen Papst und Konzil war Venedig „treuer Bundesgenosse Eugens IV.“124, nicht sosehr aus nationalen, sondern aus geopolitischen Gründen: Venedig lag damals durch seine Terraferma-Politik im Westen mit Mailand wegen der Poebene und im Osten mit Sigismund als König von Ungarn wegen der Grenze auf dem Balkan im Streit – dazu kam noch ein Konflikt mit dem Patriarchen von Aquileia, Ludwig von Teck (1412-1439), dessen Territorium als Reichsfürst von den Venezianern 1420 annektiert worden war. Dieser eher lokale Konflikt schwelte aber weiter, und als sich der Patriarch hilfesuchend an das Konzil wandte, hatten die Basler 1434 den Dogen vor ihr Gericht zitiert, ihn mit der Exkommunikation bedroht und sogar das Interdikt über die Stadt verhängt. Trotzdem war die Verbindung nicht ganz unterbrochen: 1439/40 hatte Felix V. den Venezianern weitreichende finanzielle Zugeständnisse in Aussicht gestellt, wenn sie seinen Konkurrenten Eugen zum Rücktritt bewegen oder ihm die Gefolgschaft aufkündigen würden125. D. Gallo, Università e signoria, S. 50-60 (das Zitat S. 50). J. Helmrath, Das Basler Konzil, S. 257. 125 Ebd., S. 257-259. Zum Konflikt zwischen Venedig und Sigismund M. Wakounig, Dalmatien und Friaul, S. 70 ff. und J.K. Hoensch, Kaiser Sigismund, S. 334-339, 341, 123 124

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Bereits 1433/34 hatte der Senat als seinen Vertreter in Basel einen prominenten Professor aus Padua abgeordnet, den Juristen Giovanfrancesco Capodilista. Er übernahm auch wenig später (1435) die Interessenvertretung Eugens IV. bei Konzil und Kaiser, eine Aufgabe, die er wenigstens bis 1442 erfüllte, bis in eine Zeit, als mit der Wahl des (Gegen-)Papstes der endgültige Bruch zwischen Konzil und Papst erfolgte126. Ähnlich wie Capodilista hielt sich auch als päpstlicher Gesandter in Basel der Venezianer Pietro Donato auf, 1428-1447 Bischof von Padua. Eugen IV. hatte ihn neben anderen zum Präsidenten des Konzils bestimmt127, und er wechselte dann 1438 als päpstlicher Gesandter nach Ferrara zum dorthin verlegten Konzil über128. Als Kanzler der Universität Padua hatte Donato gegenüber der Serenissima versucht „un alto recupero della dignità tradizionale del vescovo-cancelliere“, indem er u.a. einen oder möglicherweise mehrere Lehrstühle subventionierte129. Diese wohl eher papstfreundliche Haltung von Regierung und Universität muß gleichwohl bei akademischen Kreisen in Padua differenziert betrachtet werden, vor allem unter den Studenten der natio Germanica. Ihre Einstellung läßt sich am besten durch einen kurzen Blick auf drei Hauptakteure in Basel ablesen, die vorher in Padua studiert hatten: einmal Heinrich Leubing, Gesandter des Kurfürsten von Mainz; dann Gregor Heimburg, Rat des Kurfürsten von Sachsen, einer der Hauptarchitekten der fürstlichen Neutralität von 1438130; schließlich Johannes Schele, seit 1420 Bischof von Lübeck und 1434 bis 1439 Vertreter Sigismunds und Albrechts II. auf dem Konzil in Basel131. Insgesamt gesehen hatten von 19 Bischöfen und Erzbischöfen des Reichs zwischen 1439 und 1448132 mindestens vier zu verschiedenen Zeiten in Padua 372-373 und passim, sowie auch, in bezug auf Basel, S. Sudmann, Das Basler Konzil, S. 149-152. 126 M. Tocci, Capodilista Giovan Francesco, S. 638-640. 127 Zum sogenannten Präsidentenstreit W. Decker, Die Politik der Kardinäle, S. 374 ff. 128 S. Menniti Ippolito, Donà, Pietro, S. 789-794, besonders S. 791. 129 D. Gallo, Università e signoria, S. 57. Über Donatos ursprüngliche Absicht, ein Universitätskolleg für zwanzig „pauperes studentes“ des kanonischen Rechts zu gründen, und über die Umstände, die zum Scheitern des Projekts führten vgl. D. Gallo, La „Domus Sapientiae“ del vescovo Pietro Donato, S. 115-130. 130 J.W. Stieber, Pope Eugenius IV, S. 140-141, mit bibliographischem Hinweis. 131 J. Helmrath, Das Basler Konzil, S. 163, der die Schlüsselrolle des Bischofs bei der Inkorporation der Stadt Lübeck betont. Zu Schele letzte Literatur bei B. Schwarz, Eine „Seilschaft“, Anm. 1, S. 256; und vgl. S. 258. 132 Die Angaben nach J.W. Stieber, Pope Eugenius IV, Appendix I, S. 438-439, der aber auf die Zahl 17 kommt, da er zwei Bischöfe von Trient wegläßt: Theobald von Wolkenstein und Georg Hack.

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studiert und bei allen ist eine konzilsfreundliche Haltung überliefert: neben den beiden Bischöfen von Trient, auf die später eingegangen wird, einmal Johannes Grünwalder, Student zwischen 1415 und 1418, 1440 Kardinal des Konzilspapstes Felix V.133. Dann Johannes von Eych, Lizenziat im kirchlichen und weltlichen Recht, Student zwischen 1430 und 1434, sogar Rektor zwischen 1433 und 1434; er war wie Schele Gesandter Albrechts II. in Basel und wurde 1445 Bischof von Eichstätt: bei dieser Gelegenheit ersuchte er um Bestätigung seiner Wahl nicht von Eugen IV., sondern bei seinem Metropoliten, dem Erzbischof von Mainz, strikt nach dem Reformdekreten des Konzils von Basel134. Im vorliegenden Zusammenhang wichtiger, weil in direkter Beziehung zu Hinderbach und dem Bischofssitz, auf den dieser später sein Augenmerk richtete, ist Theobald von Wolkenstein135. Als Kanoniker von Trient und Brixen studierte er in Wien ab 1431 und in Padua ab 1438. Im Frühjahr 1441, mit Sicherheit nach Hinderbachs Übersiedlung, ist er als Vizerektor und ab Juli desselben Jahres sogar als Rektor in Padua belegt, eine Würde, die er bis zum Studienabschluß mit der Promotion am 21. April 1442 beibehielt. Schon zwei Jahre später wurde Theobald durch das Domkapitel zum Bischof von Trient gewählt, und die Kanoniker wandten sich an das Konzil von Basel, um die Wahl bestätigen zu lassen. Doch Wolkenstein fand einen Gegenkandidaten aus dem Lager Eugens IV., den Abt des Benediktinerklosters von S. Lorenzo in unmittelbarer Nähe der Stadt; seine Kandidatur wurde auch unter den eingangs kurz skizzierten Voraussetzungen von Venedig unterstützt136. Dieses kleine lokale Schisma dauerte einige Jahre bis zum Eingreifen des Grafen von Tirol, gleichzeitig Vogt der Tridentiner Kirche, des Habsburgers Sigismund, der Georg Hack, den Bruder seines Hofmarschalls, ins Spiel brachte. Daß diese Lösung schlußendlich von den Vätern in Basel und auch vom Kapitel geteilt wurde, erhellt auch aus einem späten Zeugnis Hinderbachs selbst137, der ab 1465 dann Nachfolger Hacks im Bischofsamt werden sollte. Sowohl Wolkenstein als auch Hack hatten sich an das Basler Konzil zur Bestätigung ihrer Wahl gewendet. Das läßt auf eine eher konzilsfreundliche Haltung beider schließen, im ersten Fall verstärkt durch die Gegenkandidatur des Eugenianers und im zweiten noch durch den Zeitpunkt des Ersuchens: mindestens seit W. Müller, Bayern und Basel, S. 396-394. J.W. Stieber, Pope Eugenius IV, S. 171. Zur Beachtung der Konzilsdekrete vor und nach 1439, W. Voss, Dietrich von Erbach, S. 15. 135 Zu Wolkensteiner jetzt Rep. Germ., Nik. V., Nr. 5339 und Rep. Germ., Eugen IV., Nr. 8529. 136 Darüber detailliert S. Vareschi, Liquidazione di un abate. 137 „Apud patres concilii voluntate principis ac eciam capituli interveniente effectualiter deductum“: ASTn, APV, sez. lat., cod. 3, f. 12. 133 134

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1446 hatte sich Friedrich III. deutlich den Eugenianern angenähert, während, rein formal gesehen, immer noch die Neutralitätspolitik von 1438/39 beibehalten wurde. Abgesehen von diesen besonderen Umständen studierte Hinderbach genau zu dem Zeitpunkt in Padua, als Wolkenstein das Rektorat ausübte138; der junge Student war sogar zeitweilig sein vicarius, wie Hinderbach selbst anläßlich einer Rechtssache um einen Studenten aus Konstanz vermerkt, die ihm Wolkenstein übertragen hatte139. Auch Georg Hack war Studienkollege Hinderbachs zuerst in Wien und dann in Padua140, dort 1445 ebenfalls Vizerektor der „universitas iuristarum“141 – dieses Detail ist wiederum durch eine eigenhändige Notiz Hinderbachs überliefert, weiter noch ausdrücklich die Bemerkung zu Hack als „sotius in studio“142. Eher konzilfreundlich eingestellt dürfte auch ein anderer Landsmann Hinderbachs in Padua gewesen sein, Johannes Heller. Wie der junge Johannes hatte sich Heller als Mitglied der natio Rhenana an der Universität Wien eingeschrieben, ebenso an der Artistenfakultät angefangen und als Magister 1438 für die gleiche Nation das Prokuratorenamt verwaltet143. Heller nun war mindestens seit 1439 in Basel, als er sich sogar dem Konzil inkorporieren ließ, und hielt noch die Verbindung bei, als er 1443/44 nach Padua kam, um weltliches und kirchliches Recht zu studieren. Auch von ihm sind genauso wie von Hinderbach verschiedene Handschriften aus der Studienzeit erhalten, sogar mit Marginalien, die u.a. genaue Datierungen enthalten: „sacro Basiliensi concilio durante“. Heller orientierte sich also noch am Konzilsgeschehen in Basel, als schon längst mit der Absetzung Eugens IV. und der Wahl Felix V. dort der Weg ins Schisma eingeschlagen worden war144. In Padua studierten also an der juristischen Fakultät einmal Johannes Schele und Johannes Grünwalder, dann Theobald von Wolkenstein, Georg Hack und Johannes Heller. Dieser Personenkreis zeigt in seiner Zusammensetzung, daß sich in Padua nicht nur bei den deutschen Hörern ein gewisses kon138 Acta graduum, Bd. 1/3, sub voce. Frühere Verbindungen an der Universität Wien sind dabei nicht auszuschliessen, wo sich Wolkensteiner drei Jahre vor Hinderbach immatrikuliert hatte: Die Matrikel der Universität Wien, S. 174. 139 BCTn, ms 1560, f. 157 und f. 537. 140 Hack hatte sich 1439 als Mitglied der „natio Hungarica“ immatrikuliert: Die Matrikel der Universität Wien, S. 212. 141 Acta graduum, Bd. 1/2, Nr. 1950 (10. Juli 1445). Hack war schon Pfarrer an der St. Martinskirche in Mistelbach (Diözese Passau). 142 ASTn, APV, sez. lat., cod. 3, f. 11v. Zu seiner Verbindung mit Hack vgl. unten, S. 149-150. 143 A. Belloni, Iohannes Heller. 144 Zum Konzil von Basel notiert Heller in einem seiner Manuskripte, daß „duravit usque in presentem (sic!) tempus“ (ebd., S. 83).

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ziliares Gedankengut erhalten hatte, sondern auch eine Neigung zugunsten der Väter in Basel bestand. Der junge Hinderbach kam schon aus rein personengeschichtlichen Gründen in Berührung mit diesen Strömungen, wie auch einige Postillen beweisen, die mit ihrem „audio“, „audivi“, seine Kenntnis von Dekreten und Vorgängen auf dem Konzil belegen; dazu kamen auch Augenzeugenberichte145 und Mundpropaganda aus erster Hand („audivi a concilysta quodam …“146). In Padua wurden also, jedenfalls unter den deutschen Studenten, die zeitgenössischen Ereignisse in Politik und Kirche lebhaft diskutiert. Neben den beiden Universitäten Wien und Padua war der dritte Bezugspunkt des jungen Hinderbach der herzoglich-königliche Hof in Wiener Neustadt. Ähnlich wie an der Universität hatte auch hier sein Onkel Dietmar eine gewisse Vorarbeit geleistet: seine Anwesenheit in der Umgebung Kaiser Sigismunds und später auch Friedrichs III. ist gut belegt, während ähnliche Nachrichten für die kurze Zeit des Überganges zwischen beiden Herrschern in der Regierungszeit von Sigismunds Schwiegersohn Albrecht (1437-1439) im Moment noch fehlen. Dagegen kannte mit Sicherheit der junge Johannes den römischen König, dessen plötzlichen und frühen Tod er zum Anlaß für ein höchst emotionales Herrscherlob nahm147; dazu konnte Hinderbach den Leibarzt Albrechts, Rudolf Wolkardi von Heringen, Doktor in Theologie und Medizin, „seinen Freund“ nennen anläßlich eines Vorschlags für ein Kanonikat bei St. Stephan durch die Kanzlei148; andere Hinweise machen wahrscheinlich, daß Hinderbach in Verbindung mit eben jener Kanzlei König Albrechts stand, durch die er Kenntnis von einigen offiziellen Dokumenten erhalten haben konnte, darunter ein Dekret über die Königswahl149. 145 BCTn, ms 1560, f. 134, zum Konkubinatsdekret: „Ita audivi a quodam constudente qui dixit se hoc statutum interfuisse. Io. Hin.“. 146 BCTn, ms 1560, f. 28. 147 Vgl. unten, S. 97-99. 148 BCTn, ms 1492, f. 364. Nach Hinderbach war die Pfründe zwischen zwei Kandidaten umstritten: Rudolf von Heringen durch eine Verfügung Albrechts auf Bitten seiner Ehefrau, Wolfgang von Knittelfeld durch den Propst von St. Stephan, „dum agonizaret ipse d. rex Albertus“. Für Hinderbach waren nach eigener Auskunft die Konkurrenten „zwei meiner Freunde“, und beide waren 1425 „magistri regentes“ der Artistenfakultät in Wien: J. Aschbach, Geschichte der Wiener Universität, S. 626 und 622; zu Rudolf als offiziellem Universitätsprediger in der Zeit von Hinderbachs Studium: Die Akten der theologischen Fakultät, S. 76, 115 und S. 695 (Lebenslauf im Überblick); über seine weitere Karriere F. Fuchs, Zur Geschichte der Alten Kapelle, S. 81. Zum Vorschlagsrecht für das Stephansstift (1384 hatte Herzog Albrecht III. acht bepfründete Kanonikate des Kapitels den sogenannten „regentes et magistri“ des Artistenkollegs reserviert) vgl. W.E. Wagner, Universitätsstift, S. 141-145. 149 Hinderbach hatte nach eigener Auskunft noch während des Studiums in Padua ein Königswahldekret zu Gesicht bekommen, möglicherweise das Albrechts II., das

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Durch diese Verbindung Universität-Hof-Kanzlei dürfte Hinderbach auch in persönlichen Umgang mit Leonhard von Laiming gekommen sein, seit 1423 Bischof von Passau, in dessen Diözese er die Pfründe erhalten hatte, deren Einkommen ihm den Unterhalt während des Studiums sicherte150 – auch sein Onkel Dietmar hatte ja seit 1431 eine Pfründe als Domkapitular in Passau inne, bekam dann eine Pfründe von Laiminger übertragen151 und erscheint 1445 unter den Zeugen bei einer Vollstreckungsurkunde desselben Bischofs im Namen des Konzils von Basel152. Laiminger hatte sich 1434 beim Konzil inkorporieren lassen; als Kaplan Sigismunds seit 1422 war er schon im folgenden Jahr von einem Teil des Domkapitels zum Bischof von Passau gewählt und in seiner Kandidatur vom bayerischen Herzog unterstützt worden. Der Streit zog sich über mehrere Jahre hin, auch der Herzog von Österreich mischte sich ein153, doch konnte sich Laiminger auch mit Hilfe Sigismunds durchsetzen, für den er dann im 1431 ansetzenden Konflikt zwischen Papst und Konzil ein wichtiger Ratgeber wurde. In dieser Eigenschaft diente er auch den beiden Nachfolgern Albrecht154 und Friedrich, sodaß im Jahre 1441 der Erzbischof von Mainz, Dietrich von Erbach, Leonhard sogar für kurze Zeit die offizielle Leitung der Reichskanzlei anvertraute155; im folgenden Jahr ernannte sich damals wahrscheinlich entweder in der Kanzlei oder im sogenannten Hausarchiv befand (BCTn, ms 1589, f. 182). Zum Gesamtzusammenhang vgl. weiter unten, S. 57-59. Die Erwähnung Hinderbachs als „secretarius“ auf der Rückseite einer Kopie eines Schreibens Albrechts II. an die Stadt Basel vom 10. Mai 1438 (RTA, 13, Nr. 167, S. 335) bezieht sich wohl auf die Zeit von Hinderbachs Dienst für Friedrich III.: die Namen der übrigen Personen fallen eindeutig in diese spätere Zeit. 150 Die Pfarrkirche St. Agatha in Hausleiten, wenigstens seit 1441 als Pfründe Hinderbachs belegt: A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 20, Anm. 97 und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 412, Anm. 119; K. Walsh, Eredità tardomedievale, S. 50, Anm. 85. 151 A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 12, und ders., Wie Johannes Hinderbach, S. 400. Zur Laimingers Kollation, Rep. Germ., Eugen IV., Nr. 1974. 152 A.A. Strnad, Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 400, Anm. 71. 1451 nahm Dietmar Hinderbach an der Wahl Sonnenbergers zum Bischof von Passau teil (ebd., S. 401, Anm. 75). 153 W. Müller, Bayern und Basel, S. 405-412. Ausführlicher über die Umstände und die Folgen der Wahl einmal G. Koller, „Princeps in ecclesia“, S. 135-177, dazu 34 Quellen im Anhang, und P. Uiblein, Einleitung, in: Dokumente zum Passauer Bistumsstreit. 154 G. Hödl, Albrecht II., S. 160: „Der Spitzendiplomat Kg. Albrechts gegenüber Papsttum und Konzil“. 1438 ging Laiminger in königlichem Auftrag zu Eugen IV. nach Ferrara wegen der Vermittlung eines dritten Konzils; dann reiste er nach Basel und zu den Reichstagen in Nürnberg und Frankfurt, 1439 war er in Mainz zusammen mit anderen Gesandten Albrechts V. zur sogenannten Akzeptation, der Annahme bestimmter Dekrete des Konzils von Basel durch Kurfürsten und Reich: RI, 12 und RTA, 13, ad indicem. Über Laiminger vgl. auch Rep. Germ., Eugen IV., V, Nr. 6255. 155 RTA, 15, S. 542.

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ihn Friedrich zu „seinen reten in Österreich“156, also insgesamt ein bewährter Diplomat157. Auch von daher verkörperte der Bischof von Passau eine gewisse Kontinuität im Übergang von den Luxemburgern zu den Habsburgern; als Freund Enea Silvios und des Kanzlers Kaspar Schlick war er auch im internen Regierungsbetrieb eine einflußreiche Persönlichkeit und maßgeblich am endgültigen Ausgleich zwischen Friedrich III. und Eugen IV. bis in die fünfziger Jahren des 15. Jahrhunderts beteiligt158. In dieser fast dreißigjährigen Tätigkeit Laimingers († 1451) zeigt sich eine eher vorsichtig abwartende Haltung gegenüber Papst und Konzil im Vergleich zu anderen bayerischen Bischöfen wie etwa Johannes Grünwalder. Sowohl die Basler als auch Eugen IV. warben um seine eindeutige Parteinahme: Anfang 1441 suchten ihn Gesandte des Basler Konzils auf, und er erklärte, sich der Haltung seines Metropoliten (des Erzbischofs von Salzburg) anzuschließen159 (was die Fortsetzung einer konzilsfreundlichen Haltung bedeutete, bis Friedrich III. einen Reichstag zur Lösung der komplexen Kirchenfrage einberufen hätte). Aber schon wenige Monate später, im September, ließ er sich von Eugen IV. weitgehende Zugeständnisse für seine Verdienste um Papst und Apostolischen Stuhl zusichern und im Gegenzug übernahm er einige Verpflichtungen, darunter die Vertretung der päpstlichen Interessen auf dem Reichstag in Frankfurt, der für den 11. November des Jahres 1441 anberaumt war160.

Leonhard Laimingers Karriere wurde deshalb hier näher skizziert, weil der Bischof von Passau für Hinderbach eine gewisse Vorbildfunktion hatte: am Rand einer Mitschrift aus der Zeit in Padua spricht er von Laiminger als „dominus meus Pataviensis“ und notiert, daß der Bischof im August 1442 war „in balneis Ytalie apud Bononiam“ und dann über Venedig die Heimreise antrat161. Es ist gut möglich, daß Laimingers Aufenthalt in Italien eine versteckte diplomatische Mission war. Anfang Juni 1442 hatte in Frankfurt ein Reichstag Regesten Kaiser Friedrichs III., 12, Nr. 99. So noch einmal G. Hödl, Albrecht II., S. 148, dann zu Laimingers Bemühungen um die Annahme der Königswürde durch Albrecht vgl. die ältere, aber immer noch grundlegende Darstellung W. Wostry, König Albrecht II., Bd. 1, S. 79. 158 P.-J. Heinig, Kaiser Friedrich III., S. 455. 159 RTA, 15, Nr. 292, S. 518. 160 RTA, 16, Nr. 68. Vgl. W. Müller, Bayern und Basel, S. 411-412. 161 Das explicit lautet: „Et est finis, Deo sit laus, in mense augusti 1442“, worauf Hinderbach notiert: „tempore quo dominus meus Pataviensis erat in balneis Ytalie apud Bononiam et reverte(retur) ad propria ac iam esse(t) apud civitatem Venetiarum“: BCTn, ms 1561, f. 96. Diese Notiz wurde schon transkribiert in: MD, S. 41, freilich auf die erste Person (Hinderbach) des Konjunktiv Imperfekts bezogen (reverterem, essem). Eine erneute Überprüfung meinerseits läßt jedoch die dritte Person als wahrscheinliche Lesart annehmen, zu der auch das unmittelbar folgende „ad propria“ sinngemäß passen würde: danach befand sich also Laiminger auf den Weg nach Norden. In beiden Fällen jedoch bleibt die Schwierigkeit der Aussage im Konjunktiv bestehen. 156 157

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begonnen, der erste, an dem Friedrich III. persönlich teilnahm; nach langwierigen Beratungen hatte sich der König mit den Kurfürsten darauf geeinigt, ein neues Konzil in einer deutschen Stadt abhalten zu lassen, und am 13. August waren Instruktionen für die Gesandtschaften ergangen, die diese Absicht gegenüber Basel und Eugen IV. erläutern sollten162. Auch wenn dazu bisher genaue Auskünfte fehlen163, könnte sich Laiminger auf einer „informellen“ Mission in diesem Umfeld befunden haben, auf einer von „meniger rays (…) gen Wellischen Lannden“, die schon für die Zeit Albrechts belegt und auch Friedrich III. bekannt waren164: ihr Zweck dürfte neben dem „Offiziellen“ gewesen sein, Venedig davon zu überzeugen, die Lösung des Konzilsproblems auf einem „dritten“ Konzil zu versuchen. Diese Hypothese erscheint um so schlüssiger, als die Serenissima im folgenden Jahr auf den gleichen Vorschlag zustimmend reagierte165. Auffällig bleibt in diesem Zusammenhang, daß Hinderbach die Bewegungen Laimingers genau nachvollzogen hat: seine Informationen speisen sich aus einer präzisen Erinnerung, ebenso wie der Zeitablauf – das Augenmerk des jungen Studenten in Padua richtete sich voll auf den prominenten Prälaten. Auch von daher ergibt sich die Möglichkeit von persönlichen Verbindungen schon aus der Zeit König Albrechts, dessen Rat Laiminger gewesen war. Die Benennung als „dominus meus“ von Seiten Hinderbachs könnte auch mehr als eine kirchliche Rangzuordnung bedeuten, nämlich eine persönliche Abhängigkeit oder gar direkte Klientel von einem wichtigen Ratgeber des von Hinderbach so verehrten Königs. Wenn man insgesamt die Rolle Leonhards in der Kirchenpolitik zur Zeit von Hinderbachs Notiz betrachtet, läßt sich nicht ausschließen, daß er selbst schon in das diplomatischen Spiel zwischen dem Hof in Wiener Neustadt und Venedig eingespannt war. Dazu kommt noch, daß sich in Padua ein anderer bedeutender Vermittler zwischen Papst und Kaiser aufhielt, Hinderbachs akademischer Lehrer Antonio Roselli, der genau zu jenem Zeitpunkt in Bologna promoviert worden war, als auch Laiminger dort Kirchenrecht studiert hatte (1406/07)166. Diese frühe Verbindung seiner 162 J.W. Stieber, Pope Eugenius IV, S. 237-242. Über die Gesandtschaft bei Eugen IV. in Florenz und über Sonnenbergers Ansprache vgl. A.A. Strnad, Woher stammte Bischof Ulrich III. con Gurk?, S. 367. 163 In ASVe, Senato secreta von 1442 ist Laiminger nicht genannt. 164 Regesten Kaiser Friedrichs III., 12, Nr. 64. Friedrich übernahm Laimingers Ausgaben noch aus der Zeit Albrechts II., in dessen Dienst der Passauer Bischof unternommen hatte „meniger rays nach seiner freuntschaft begern gen Wellischen lannden“ (S. 107). Auch 1445 ist die Rede von Laiminger als Gesandten des Königs beim Papst: W. Müller, Bayern und Basel, S. 412. 165 Vgl. unten, S. 75-76 (das Schreiben datiert vom 22. Juli 1443). 166 Unter dem Legaten Baldassarre Cossa, später Papst Johannes XXIII. (Hinweis Wolfgang Decker). Diesen weiterreichenden Personalzusammenhang stellt leider nicht her J. Schmutz, Juristen für das Reich (zu Laiminger Nr. 2349).

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beiden „Mentoren“ in Universität und Diplomatie dürfte sicherlich nicht ohne Einfluß auf den Karrierebeginn Hinderbachs gewesen sein167. Neben Roselli lassen sich in Padua noch andere Persönlichkeiten ausmachen, die Hinderbach ähnlich zur Seite gestanden haben dürften. Einmal Francesco und Teodoro Lelli da Teramo, für jeden der Brüder war er „sotius et contubernalis“, d.h. Studienkollege, dazu noch Mitbewohner168, möglicherweise in dem Haus ihres Vaters, das 1439 um den Dom von Padua lag169. Eine Wohnung in dieser Umgebung konnte sich Vater Simone auch leisten: als päpstlicher Konsistorialadvokat hatte er den schon erwähnten Kardinal Francesco Zabarella zum Protégé und Freund, dann als Kollektor in England ab 1409 an den Konzilien von Pisa, Konstanz und Basel teilgenommen, auf dem letzten geschickt zunächst eine eindeutige Parteinahme vermieden, dann aber nach dem Ende Felix’ V. 1447 unbeschadet den Übergang zu Eugen IV. geschafft170. Ab 1434 vertrat er die Interessen Venedigs im schon erwähnten Streit mit dem Patriarchen von Aquileia, Ludwig von Teck171, ein Fall, der sich lange hinzog172 und in den 1442 – Patriarch war inzwischen Ludovico Trevisan – auch Antonio Roselli verwickelt wurde, Hinderbachs Lehrer in Padua, der dabei das consilium zugunsten Venedigs verfaßte, das Hinderbach auch kritisch kommentierte173. Vgl. unten, S. 66. Musée Condé Chantilly, V H 33, f. 2v: „qui etiam ambo nostri postea conthubernales et sotii in eadem domo et exspensa fu(e)re anno Domini 1447 singularique amore et (federe) nobis coniuncti, alter (vero) Franciscus, vir equidem doctus sed conversacione aliquantulum singularis et non tam humanis moribus uti alter, qui quidem defuncto patre (uxorem) duxit (Neretam), ex qua Lelium filium progenuit qui hodie vivit et ecclesie nostre canonicus existit. Theodorus vero sese professioni ecclesiastice totus prebuit et temporibus Nicolai ad auditoratus officium Rome (…) magnam admirationem de se prebuit verumtamen in promocione nostra ad episcopalem dignitatem ecclesie tunc vacantis nobis emulus ac contrarius fuit, (…) et ipse antea canonicus prebendatus fuit, quamquam frustra et sine effectu laboravit, (cum) Franciscus (über der Zeile) cardinalis Mantuanus de Gonzaga qui post mortem domini cardinalis Brixiniensis eiusdem (über der Zeile) ecclesie Brixiniensis vacantis a pontifice (der folgende unleserliche Einzelbuchstabe zuerst korrigiert und dann ganz ausgestrichen) designatus erat, illam contra electum eiusdem assequi non posse(t) ad nostram quoque aspirav(eri)t, sed maiestate imperiali ac illustrissimo principe Austrie Sigismundo nil obsistentibus ac canonica electione de nobis concorditer (am Rand) facta prevalente, ambobus posthabitis, eandem assequti sumus (…)“. 169 W. Brandmüller, Simon Lelli, S. 261. 170 Ebd. Zu Lelli noch S. Cherubini, De Lellis, Simone, S. 504-506. 171 Zum Konflikt um das Patriarchat M. Wakounig, Dalmatien und Friaul, S. 86116, 125-131. 172 J. Helmrath, Das Basler Konzil, S. 257-259. 173 BCTn, ms 1560, f. 228. 167 168

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Simone Lelli war zudem noch Schwiegersohn des bereits erwähnten Giovanfrancesco Capodilista, ebenfalls eine herausragende Persönlichkeit der Diplomatie jener Zeit, nun der venezianischen, vor allem bei Kaiser Sigismund und in Basel. Er bezeichnete sich selber als „senatui Venetorum gratissimus“ und rühmte seine Verdienste „pro pace inter Eugenium papam et ipsum sacrum concilium“174. 1433 hatte der Senat ihn als seinen Diplomaten nach Trient geschickt, um sich Sigismund auf dem Rückweg von der Kaiserkrönung in Rom zum Konzil nach Basel anzuschließen. Dort wirkte Capodilista an der Seite des Kaisers namhaft in der Beilegung des ersten Konflikts zwischen Konzil und Papst: Eugen IV. drohten Absetzung und Suspension wegen der Nichtzulassung Kardinals Domenico Capranica zur Papstwahl und der Konzilsauflösung. Sigismund und die venezianischen Gesandten übten starken Druck auf die in Basel anwesenden Kardinäle aus, und dank deren Einlenken wurde der Konflikt beendet: die Baseler verzichteten auf einen weiteren Prozeß, Eugen IV. anerkannte das Konzil und ordnete eine Gesandtschaft zur Präsidenz ab175. Die Rolle der Venezianer in der ganzen Angelegenheit erhellt aus einem Schreiben des Papstes an den Dogen vom 15. Dezember 1433; in ihm zeigte sich Eugen IV. zufrieden über den Eifer der Gesandten „pro honore et statu nostro defendendo“ und legte die Neigung einiger Kardinäle zur Abkehr vom Konzil dar, falls der Doge ihnen gewisse Garantien zugestehen würde „pro eorum securitate“, genauer gesagt „tam persone quam dignitatis, status beneficiorum et bonorum suorum“176. Kaum war dieser Streit so beigelegt, als sich mit der Bestallung der päpstlichen Gesandten als Präsidenten, darunter der Abt von S. Giustina in Padua, Ludovico Barbo, und der schon erwähnte Bischof von Padua, Pietro Donato, neuer Zündstoff ergab, die „Präsidentenfrage“. Aber auch dabei konnte Capodilista zusammen mit Sigismund eine einvernehmliche Lösung erreichen177, ohne daß ein offener Bruch erfolgte. Diese zweimalige, erfolgreiche Zusammenarbeit ließ die Gesandten, trotz der schon erwähnten Differenzen Venedigs mit Sigismund, als Personen in die kaiserliche Gunst treten. Capodilista, dessen Ansehen auch aus den Konzilsprotokollen hervorgeht178, wurde im Februar 1434 auf einer öffentlichen Sitzung des Konzils 174 Das lateinische Zitat ist der eigenhändigen Bilderklärung des Giovanni Francesco Capodilista entnommen, bei Andrea Gatari, Diario, S. 427. 175 Die Verhandlungen in ihrem genauen Fortgang bei W. Decker, Die Politik der Kardinäle, S. 354-366, wo auch ein Dankesbrief des Papstes an den Dogen erwähnt ist, der die Distanzierung der Kardinäle vom Konzil deutlich werden läßt (ebd., S. 366, Anm. 531). 176 Concilium Basiliense, Bd. 1, doc. 35, S. 324. Vgl. W. Decker, Die Politik der Kardinäle, S. 365. 177 W. Decker, Die Politik der Kardinale, S. 374 ff. 178 Ende 1433 war Capodilista Mitglied einer Kommission, die mit den Kardinälen und Sigismund die Aussöhnung zwischen Papst und Konzil betrieb. Dabei setzten sich die venezianischen Gesandten für den Papst ein, denn zwei Monate vorher hatte der Senat Capodilista Anweisung erteilt, mit der päpstlichen Abordnung eng zusammenzuarbeiten. Im Laufe dieser Verhandlungen übernahm auch Capodilista die Wortführung und brachte das Beispiel der Eidesleistung auf die städtischen Statuten bei der Übernahme der Regierung einer italienischen Stadt. Zusammen mit

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von Sigismund zum Ritter geschlagen und zwei Monate später, gleich nach der Beilegung des Präsidentenstreits, sogar mit dem Ehrentitel des Pfalzgrafen ausgezeichnet: die noch erhaltene Urkunde nennt ausdrücklich Capodilistas Verdienste um die Einigung179. Ein Jahr später erhielt er darüber hinaus noch vom Kaiser das Privileg aller Bürgerrechte beim Aufenthalt in Reichstädten180, 1437 wurde er zudem offizieller Vertreter Eugens IV. an der Seite des Kaisers: er sollte Sigismund dazu bringen, die beabsichtigte Verlegung des Konzils nach Ferrara gutzuheißen. Doch dieses Geschäft erwies sich als dermaßen schwierig181, daß bis zum Tode Sigismunds 1437 eine eindeutige Klärung ausblieb. Der Senat instruierte Capodilista genau, sich wegen seiner Doppeltstellung als päpstlicher Gesandter und venezianischer Bürger jeglicher Einmischung in die anstehende Neuwahl zu enthalten. Gleich nach der Wahl Albrechts zum König von Ungarn (die derjenigen zum römischen König voranging) verfolgte Capodilista seine Mission im päpstlichen und venezianischen Auftrag weiter182 und nahm 1438 am Reichstag von Nürnberg teil183. Anschließend kehrte er nach Padua zurück, um an der Universität seine Professur weiter wahrzunehmen.

Genau in diese Zeit fiel Hinderbachs Wechsel von Wien nach Padua. Er kannte nach eigener Auskunft den „famoso doctor de leze“184, dessen Haus er aufsuchte und das Spuren der römischen Antike in Padua enthielt185. den venezianischen Gesandten prüfte Sigismund den Text des endgültigen Ausgleichs zwischen Papst und Konzil (RTA, 11, passim). 179 E. Martellozzo Forin, Conti palatini e lauree conferite per privilegio, App. II, S. 115-118, besonders S. 115: „Attendentes immobilem devotionis, fidei et mentis sinceritatem, quam tu semper erga Romanum imperium et personam nostram nosceris habuisse et consideratis laboribus tuis nobiscum habitis in hoc Basiliensi concilio pro pace et unione sacrosancte matris Ecclesie et concordia inter sanctissimum dominum Eugenium papam IIII et sacrosanctam Basiliensem sinodum (…)“. 180 Andrea Gatari, Diario, S. 425-430. Zuletzt G. Beinhoff, Die Italiener, S. 222, mit Literatur. 181 RTA, 11, Nr. 158, vgl. Rep. Germ., Eugen IV., Nr. 4574. Gleichzeitig war der Gesandte damit betraut worden, auf einen Frieden mit Mailand hinzuarbeiten, mit dem sich eine Liga aus Venedig-Florenz und Genua im Krieg befand. Bei Sigismund in Prag konnte Capodilista wenig ausrichten, denn der Kaiser starb kurze Zeit später. Über seine Stellung bei Hof informiert das schon zitierte Schreiben des Bischofs von Vich, den das Konzil zu Sigismund abgeordnet hatte: u.a. verlangte der Bischof eine öffentliche Diskussion in der Universität Wien, an der unter vielen geistlichen und weltlichen Würdenträgern auch Capodilista teilnehmen sollte, der aber dagegen einen kleineren Personenkreis vorschlug (RTA, 11, Nr. 160-161). 182 RTA, 12, Nr. 136, S. 214-215. 183 RTA, 13, Nr. 386 (= RI, 12, Nr. 472, S. 781 f.); nach Rep. Germ., Eugen IV., Nr. 4574 verließ er das Reich nach dem 4. Juni 1439. 184 So Andrea Gatari, Diario, S. 377. 185 ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 106. Das Zitat stammt aus der „Italia illustrata“ Flavio Biondos, in der das Grab des Titus Livius und seiner Familie in Padua erwähnt ist; Hinderbach notiert am Rand: „ex(stant) vero in domo clarissimorum eius urbis civium ac iurisconsiliarium patris et filii Iohannis et Francisci Capitibuslistarum denominati, in atrio domus eiusdem, sub cuius Francisci (iunio.) preceptione iuri civili

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Im Gedächtnis Hinderbachs verbanden sich später die Bewunderung für den Vater Giovanfrancesco mit der für den Sohn Francesco – beide waren „clarissimi eius urbis cives ac iurisconsiliarii“186, wobei dem Sohn als poeta noch ein zusätzliches Lob zuteil wurde: „elegantissimus iuris traditor“. Im Oktober 1441 erhielt Francesco seinen Lehrstuhl für weltliches Recht zurück, von dem er unter der Anklage einer Verschwörung entfernt worden war; Hinderbach besuchte für drei Jahre seine Veranstaltungen – sein Name ist auch in Hinderbachs Doktordiplom ausdrücklich genannt. Giovanfrancesco Capodilista, Simone Lelli und Antonio Roselli waren Juristen im diplomatischen Dienst mit Verbindung zum Kaiserhof. Alle trugen durch Sigismund den Pfalzgrafentitel, der über die bloße Ehre hinaus in Italien auch konkrete Bedeutung besaß187: Giovanfrancesco hatte ihn für sich und seine Söhne, Francesco eingeschlossen, erhalten, zusammen mit weiteren Privilegien, wie dem Titel „consiliarius“ und „domesticus comensalis sacre aule“188 als Belohnung für seine erfolgreiche Vermittlung in Basel. Simone Lelli war schon mit Sigismund auf dem Konzil in Konstanz 1414-1418 in Verbindung getreten und 1437 unter seine Räte aufgenommen worden189; Roselli hatte ebenfalls als „kaiserlicher Pfalzgraf“190 seine noch zu besprechende „Monarchia“ Sigismund gewidmet, dem er sogar ein Exemplar anläßlich der Krönung 1433 in Rom persönlich überreichen konnte. Andererseits waren alle drei Juristen in die venezianische Politik der Zeit eingebunden: nach außen gegenüber dem Reich und speziell in der Konfrontation um das Patriarchat Aquileia, nach innen auf kommunaler und universitärer Ebene in Padua191, wie z.B. bei der Erteilung von Lizenzen und Promotionen, die alle drei als Promotoren und Kopromotoren auswiesen192. Der treffendste Beweis für dieses engmaschige „Personennetz“ ist die sicherlich nicht zufällige Konstellation bei der Promotion der beiden Söhne Simone Lellis im Jahre 1449: die Promotoren operam triennio dedi illiusque elegantissimi iuris traditoris auditor et discipulus fui. Io. Hin.“. 186 ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 106. 187 Zur Titelverleihung durch Sigismund und ihrer Bedeutung, G. Beinhoff, Die Italiener, S. 20-22, 47-48. Ihre Aufnahme in Venedig und Verbindung zum Doktortitel D. Girgensohn, Kirche, Politik, S. 986-989. 188 Andrea Gatari, Diario, S. 427. 189 Der Pfalzgrafentitel war ihm schon vor dieser Zeit verliehen worden: W. Brandmüller, Simon de Lellis, S. 261. Über Lelli und seine Verbindung zu Sigismund vgl. auch G. Beinhoff, Die Italiener, S. 292-294. 190 Ein Kurzporträt Rosellis ebd., S. 296-297. 191 G. De Sandre, Dottori, Università, S. 30, 34-35. 192 Acta graduum, Bd. 1/2, Nr. 1507, 1648-1649, 1731-1732, 1843, 1943, 1969, 2301-2303. Francesco Capodilista und Antonio Roselli sind noch häufiger zusammen erwähnt.

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Teodoros waren Giovanfrancesco Capodilista, Antonio Roselli und der Vater Simone (in Abwesenheit), alle drei „milites comites palatini et utriusque iuris doctores“193. Die Verbindung mit dem Kaiserhof zeigt auch ein Umstand aus dem Jahre 1452 anläßlich Hinderbachs Promotion: bei dem Aufenthalt Friedrichs III. in Padua stieg sein Kanzler Ulrich Weltzli in eben jenem Haus des Francesco Capodilista (Giovanfrancesco war verstorben) ab194, das auch Hinderbach besucht hatte. Vor diesem prosopographischen Hintergrund erscheint sein Wechsel von Wien nach Padua nicht nur allein vom bloßen Studiengang gerechtfertigt, sondern auch von ganz bestimmten diplomatie- und personengeschichtlichen Verbindungen her, die über die Alpen den norditalienischen mit dem süddeutsch-österreichischen Raum verbanden. Die ‚genauen‘ Einstiegsstationen Hinderbachs in das skizzierte Paduaner Universitätsmilieu müssen freilich offenbleiben: einmal durch den Bischof von Passau, Leonhard von Laiming, der Hinderbachs Universitätslehrer Roselli seit den gemeinsamen Studienjahren an der Universität Bologna kannte, dann durch den Paduaner Professor und Diplomaten Giovanfrancesco Capodilista bei seiner Zeit in Basel, in der Umgebung Sigismunds und Albrechts insbesondere auf den Reichstagen von Nürnberg und Mainz 1438/39195 oder durch den Kanzler Kaspar Schlick, der noch bei Zabarella in Padua studiert hatte und sowohl Roselli wie Capodilista durch Romzug und Baselaufenthalt kannte196. Vielleicht auch durch den bisher noch nicht vorgestellten Sylvester Pflieger: er hatte ebenfalls in Padua studiert, als Prokurator an der Kurie Laiminger bei dessen Prozeß vertreten197 und dann als Bischof von Chiemsee durch eine noch zu besprechende Bepfründung die materiellen Voraussetzungen für Hinderbachs Karriere geschaffen. In Frage kommt aber noch der schon zu Beginn von Hinderbachs Lebenslauf erwähnte Onkel Dietmar, der neben seiner Universitätskarriere auch im Dienste Sigismunds gestanden hatte und bei dieser Gelegenheit die Verbindung zu Giovanfrancesco Capodilista bei Ebd., 1/2, Nr. 2302 (Teodoros Lizenziat). Ebd., 3, S. 1537-38, Nr. 2480. 195 RTA, 13, Nr. 386, S. 781 f. (vgl. RI, 12, Nr. 472, S. 117); RTA, 14, Nr. 76, S. 153, Anm. 3, Nr. 98 und passim. Auch ein Neffe Laimingers hatte in Padua studiert, wenigstens seit 1449: Acta graduum, Bd. 1/2, Nr. 2297, 2306-2307 und passim. 196 Zu dieser einflußreichen Persönlichkeit vgl. u.a. P.-J. Heinig, War Kaspar Schlick ein Fälscher? Schlick hatte bei Zabarella in Padua studiert, zusammen mit Roselli die Kaiserkrönung Sigimunds vorbereitet und dann in Basel auch mit Capodilista beim Ausgleich zwischen Papst und Konzil zusammengearbeitet: G. Zonta, Francesco Zabarella, S. 133; W. Decker, Die Politik der Kardinäle, S. 382. Zu Schlicks Kontakten mit Ambrogio Traversari, A. Sottili, Epistolografia fiorentina, S. 202-204 und Appendice, Nr. 1, S. 23. 197 Dokumente zum Passauer Bistumsstreit, Reg. 222. 193 194

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dessen Aufenthalt in der Umgebung Sigismunds geknüpft haben könnte198. Die Beziehung, die Hinderbach zu den Juristen in Padua hinführte, geht also auf vielfältigen Ursprung zurück, ist aber im weitesten Sinne in Diplomatie, Politik und Studium im Umfeld des Konzils von Basel anzusiedeln. Zur Konzilsproblematik Die allgemeine Grundstimmung unter den deutschen Studenten in Wien und Padua wurde, von unterschiedlichen Nuancierungen abgesehen, als eher konzilsfreundlich dargestellt. Dabei muß die zeitliche Entwicklung berücksichtigt werden – immerhin dauerte das Konzil von Basel mit Verlegung nach Ferrara/Florenz fast zwanzig Jahre (1431-1449) an, etwa Hinderbachs gesamte Studienzeit: auf der einen Seite das Konzil mit seiner Tätigkeit bis zur Abreise der päpstlichen Präsidenten 1436, auf der anderen der Prozeß gegen Eugen IV. und die Wahl des Gegenpapstes Felix V. 1439; einerseits die sogenannten Reformdekrete, andererseits die Erneuerung des Konstanzer Superioritätsdekrets „Haec sancta“ und der anschließende Weg ins Kirchenschisma. Zu dieser chronologisch-politischen Komponente kommt noch der status der Konzilsmitglieder, modern ausgedrückt die „Soziologie“199: die Standesinteressen des vorwiegend intellektuellen Klerus unterschieden sich von denen der höheren Prälaten, diejenigen der fürstlichen Gesandten richteten sich an den kirchenpolitischen Zielen ihrer geistlichen und weltlichen Herren aus, dazu bestanden auch noch die politischen Gegensätze der Einzelmächte untereinander, z.B. der Streit um die Nachfolge im Königreich Neapel. Diese widerstrebenden Elemente können nicht in ihrer wechselseitigen Wirkung auf den jungen Hinderbach geschildert werden, zumal immer das Problem der Quellenlage zu berücksichtigen ist. Nichtsdestoweniger erwähnte Hinderbach in seinen Mitschriften das Konzil von Basel ziemlich häufig und äußerte sich auch in großer Freimut zu Einzelkomplexen in seinen recollecta, von denen er einige, wie schon gesagt, in den Semesterferien anlegte und darin Glossen und notabilia aus seiner weitgespannten Textlektüre sammelte200. Besonders häufig nahm sich Hinderbach vor ein Basler Dekret aus der 12. Session vom 13. Juli 1433 (also während der ersten Auseinandersetzung mit dem Papst): „De electionibus et confirmationibus episcoporum et praelatorum“ – er zitiert den bekannten Text in der Form „Sicut in construenda domo“, also in der Lesart des Konzilschronisten Juan de Segovia und auch der schon erwähnten Mainzer Akzeptation von 1439, die dann auch in den Vgl. oben, Anm. 181. Vgl. S. Ourliac, Sociologie du Concile de Bâle; J. Helmrath, Das Basler Konzil, S. 134-137. 200 BCTn, ms 1589, ff. 157-158. 198 199

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Erstdruck der Basler Dekrete sechzig Jahre später einging201. Dieses Dekret hob die Generalreservationen für alle Prälaturen auf, legte für die durch Wahl übertragenen Würden ein genaues Verfahren fest und verpflichtete die Wähler zu einer Eidesleistung. Nur geeignete Personen (d.h. keine päpstlichen und fürstlichen Günstlinge) sollten gewählt werden, hochgestellte Laien sollten keinen Druck ausüben oder Bestechungsgelder verwenden. Konfirmationsgelder sollten nicht erhoben werden, auch keine kurialen, dazu kamen noch einige Ausführungsbestimmungen. Insgesamt also ein differenziertes Dekret, das aber in der weiteren Entwicklung zum Streitpunkt zwischen Kurie und Konzil wurde: es hob faktisch die päpstlichen Reserven für die höheren Benefizien (Äbte, Bischöfe usw.) auf und strich damit eine der Haupteinnahmequellen für die Kurie. Dieses Dekret ging 1438 unverändert in die Pragmatische Sanktion von Bourges und ein Jahr später in die sogenannte Mainzer Akzeptation ein202. Hinderbach stößt auf dieses Dekret, als er die Dekretale „Cum terra“ (I.6.14) von 1191-1198 studiert, die von der Freiheit der kirchlichen Wahl handelt, unabhängig von jeder Gewohnheit. Zur „forma eligendi“ stellt er in den notabilia folgende Überlegung an: „Nota hic antiquam formam eligendi que fuit temporibus istius capituli. Hodie alia est in capitulo Quia propter et quando dicit quod debet premitti invocacio Sancti Spiritus, intellige secundum Hostiensem cantando missam de Sancto Spiritu vel ympnum Veni creator Spiritus, sed non requiritur in capitulo Quia propter, sed hodie requiritur ex statuto novissimo concilii Basiliensis, quod po(nit) formam eligendi et incipit: ,Sicud in construenda‘, ubi inter cetera etiam statuit debere premittere celebracionem misse de Sancto Spiritu et eligentes debere comunicare se et iurare secundum formam et tenorem ibi insertum; et hec est honestissima forma et utrobique iam servatur, ymmo in electione imperatoris audivi et legi in decreto electionis eius observata esse et fuisse iam bina vice“203.

Die Wahlprozedur der alten Dekretale erscheint Hinderbach verschieden von der zeitgenössischen, die nun durch die Konstitution „Sicut in construenda domo“ von Basel neu festgelegt wurde und der junge Student wie folgt subsumiert: vor der Wahl wird die Messe zum Heiligen Geist gefeiert, die Wähler kommunizieren und leisten den Eid nach einer Formel, die das Dekret vorschreibt204. Insgesamt kommt Hinderbach zu einer positiven Einschätzung 201 Vgl. Conciliorum oecumenicorum decreta, S. 469-472. Zu Segovia, Joannis de Segovia Historia gestorum, S. 402. 202 J. Helmrath, Das Basler Konzil, S. 211-215 (zur Pragmatischen-) und S. 297306 (zur Mainzer Akzeptation). Zum Mainzer Tag nun W. Voss, Dietrich von Erbach, S. 114-116. 203 BCTn, ms 1589, f. 182. 204 „(…) Hi, ad quos pontificis vel abbatis spectat electio, in ecclesia conveniant, magna cum devotione missam de Spiritu sancto audituri, quem humiliter exorabunt, ut eos ad dignum eligendum pastorem inspirare dignetur. Et ut eo facilius hanc gratiam

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(„honestissima forma“) und weist darauf hin, daß es „utrobique“ befolgt wurde, d.h. in beiden, kirchlichen und weltlichen, Wahlen. Eine zweite Erwähnung von „Sicut in construenda domo“ findet sich in Hinderbachs Mitschriften beim Kommentar zur Dekretale „In causis“ (I.6.30). In einem notabile dazu erinnert er daran, daß nach dem Hostiensis die compromissarii, d.h. die Vertreter eines Kapitels bei einer Wahl „per compromissum“, sich um die Wahl einer würdigen Person bemühen und dazu einen Eid leisten sollten. Genau dazu zitiert er die nova forma des Eides in der Basler Konstitution und gibt dieses Mal die vollständige Textfassung wieder: „hodie expressa est una nova forma iurandia in constitucione concilii Basiliensis, que omnes iurare tenentur presidenti capitulo, et presidens in manus sequentis eum immediate, compromissarii et procuratores absencium et est hec: Ego N. iuro et promitto omnipotenti Deo et tali sancto cui dedicata est ecclesia eum eligere quem credam futurum ecclesie in spiritualibus et temporalibus utiliorem nec illi vocem dare quem verisimiliter scivero promissione aut dacione alicuius rei temporalis seu precio per se aut alium interposita aut alias qualitercumque directe vel indirecte pro se electionem procurare“205.

Aus dem Textvergleich läßt sich ableiten206, daß der junge Hinderbach eine Kopie des Basler Dekrets vorliegen hatte – dieser Umstand gibt Auskunft über die Möglichkeit von Rezeption und Verbreitung der Konzilsüberlieferung, die Basel selber besorgte – über 70 Handschriften aus dem 15. Jahrhundert sind bisher bekannt207. Sicherlich war eine Universität wie Padua besonders der „Konzilspropaganda“ ausgesetzt, aber nicht auszuschließen ist, daß Hinderbach auf rein privatem Wege einen Textzugang gefunden hatte. In jedem Fall bleibt festzuhalten, daß er eines der herausragenden Basler Dekrete kannte und in seine recollecta aufnahm, auch nachdem die Basler längst den Weg ins Schisma angetreten hatten. Für ihn war die „forma eligendi“ eine Errungenobtinere mereantur, quod devotius ad actum electionis accedant, contriti et confessi sacramentum eucharistiae reverenter suscipient (…)“ (Conciliorum oecumenicorum decreta, S. 470). Zum Eid, vgl. unten, Anm. 206. a

am Rand mit Einschubzeichen.

BCTn, ms 1589, f. 226. Vgl. das Dekret: „ad locum vero electionis ingressi pro quocumque praelato, qui per electionem assumitur, iurabunt in manibus eius qui capitulo praesidebit, et ipse praesidens in manibus immediate sequentis, sub hac forma: Ego N. iuro et promitto omnipotenti Deo et tali sancto vel sanctae, sub cuius vocabulo dedicata est ecclesia, eum eligere quem credam futurum ecclesiae in spiritualibus et temporalibus utiliorem, nec illi vocem dare quem verisimiliter scivero promissione aut datione alicuius rei temporalis, seu prece per se aut alium interposita, aut alias qualitercumque directe vel indirecte, pro se electione procurare“ (Conciliorum oecumenicorum decreta, S. 470). 207 J. Helmrath, Das Basler Konzil, S. 347, und vgl. auch S. 452, Anm. 138a und 138b. 205 206

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schaft, und er betonte die moralische Berechtigung („honestissima“), dazu teilte er voll die Grundabsicht des Dekrets, was auch zum Ausdruck kommt in einer der weitreichendsten Bestimmungen, nämlich der Auflösung der päpstlichen Reservationen für die sogenannten höheren Benefizien: „Ibi fit sanctissima et optima provisio contra impressiones et symoniacas pravitates et imponuntur pene terribilissime; item providetur circa impendendam confirmacionem et interdicitur pape ne ulterius reservationibus utatur in beneficiis maioribus, scilicet kathedralium, regularium et collegiatarum ecclesiarum, sed fiat provisio per viam electionis. Idem in dignitatibus aliis electivis, vide (decretum), quia pulchrum est“208.

„Sanctissima“, „optima“, „terribilissime“: diese Superlative drücken anschaulich die Begeisterung des jungen Studenten über die Maßnahmen des Dekrets aus – sie entsprachen auch den Erwartungen des deutschen Klerus an eine Änderung des ganzen Pfründen- und Finanzgebarens der Kurie und gingen dann später in die „gravamina“ der Jahre 1451/52, 1455, 1479, 1481 und 1521 ein209. Das Dekret „Sicut in construenda domo“ ist die einzige Basler Verfügung, die Hinderbach aus erster Hand ausführlich zitiert und kommentiert hat, erwähnt sind wenigstens noch zwei weitere, auf die er eingeht: „De pacifice possidentibus“210 (XXI. Session, 9. Juni 1435) und „De concubinariis“ (XX. Session, 22. Januar 1435)211. Von der letzten erhielt er Kenntnis durch einen (ungenannten) Studienkollegen, der sogar bei der Verkündigung in Basel anwesend gewesen war – dieser Umstand zeigt die direkte Verbindung nach Basel und die Möglichkeit zur Diskussion, die sich im entfernten Paduaner Universitätsmilieu daraufhin bot. Zum Abschluß soll noch versucht werden, einige Beobachtungen Hinderbachs über die praktische Anwendung „utrobique“ der „forma eli208 BCTn, ms 1589, f. 182, am Rand des zitierten notabile Bezug auf das „statutum novissimum concilii Basiliensis“. 209 Literatur über die gravamina in H. Raab, Gravamina nationis germanicae, S. 16591660. Aber vgl. auch unten, S. 158 f. 210 BCTn, ms 1592, f. 361: „(…) quod hodie audio approbatum esse per statutum generalis concilii Basiliensis, ymo et brevius terminum statutum dicitur, puta trienni dummodo pacifice possederit id. Io. Hin.“. Tatsächlich bestimmte das Basler Dekret den Termin von drei Jahren für eine unbestrittene Besitznahme einer kirchlichen Pfründe (Conciliorum oecumenicorum decreta, „Quomodo divinum officium in ecclesia celebrandum sit“, S. 489). 211 BCTn, ms 1560, f. 134 (zu den Monitorien an abwesende Kleriker): „(…) quod hodie videtur decretum in decreto concilii Basiliensis de publicis concubina edito quia ibi dicitur quod (nuloque) ultra preceptum et monicionem illius decreti moveri debent personaliter, sp(ecialite)r et nominatim cum prefixione terminum in quem concubinas dimittant. Ita audivi a quodam constudente qui dixit se hoc statutum interfuisse. Io. Hin.“.

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gendi“ nachzuzeichnen, also die Heilig-Geist-Messe und die Eidesleistung bei der kirchlichen und weltlichen Wahl. Der erste Fall, auf den Hinderbach anspielt, könnte jener Felix’ V.212 oder – einfacher – der irgendeines Prälaten gewesen sein. Bei der weltlichen Wahl wird aus dem Zusammenhang klar, daß die „forma eligendi“ sich für Hinderbach nur auf die „Kaiserwahl“ (die Wahl zum römischen König) bezog: „et hec est honestissima forma et utrobique iam servatur, ymmo in electione imperatoris audivi et legi in decreto electionis eius observata esse et fuisse iam bina vice“. Dieser Bezug kehrt in einer Anmerkung wieder, in der Hinderbach über die Rezeption kirchlicher Normen im weltlichen Bereich nachdenkt, d.h. die Aufnahme der canones unter die leges: „sic enim censetur approbatum ex recepcione, sicud econtrario dicimus de legibus receptis a canonibus et approbatis, quod ligant in foro ecclesiastico. Hoc dico quia audivi et ita credo quod receperint formam in electione servandam noviter in concilio Basiliensi traditam“213.

Hinderbach geht anscheinend davon aus, daß das 1433 in Basel festgelegte Wahlverfahren bei zwei Königswahlen befolgt wurde, und er versteht diesen Sachverhalt als Beleg für einen Austausch zwischen weltlicher und geistlicher Gesetzgebung. Das scheint nicht nur vom Hörensagen abgeleitet, sondern er muß ein Dekret der Königswahl direkt vor Augen gehabt haben, auch wenn die Selbstaussagen dazu nicht ganz einheitlich sind („audivi et legi“, „audivi et ita credo“). Die beiden Königswahlen, auf die Hinderbach anspielt, können nur die Albrechts II. am 18. März 1438 und die Friedrichs III. vom 3. Februar 1440 sein, beide zeitgleich mit dem Konzil von Basel. Die Originalwahldekrete sind noch heute in Wien erhalten, wenigstens eines von ihnen muß Hinderbach gesehen haben – in Anbetracht der noch zu besprechenden emotionalen Bindung an Albrecht II. spricht für dessen Wahldekret die größte Wahrscheinlichkeit214. Leider gibt die Dokumentation über die beiden Wahlen in den Reichstagsakten keinen Hinweis auf Hinderbachs Version hinsichtlich der Anwendung der Basler „forma eligendi“ – so hätte ein neuer Aspekt für die praktische Durchführung der Wahl und über die 212 Vgl. die ältere, noch nicht überholte Studie von H. Manger, Die Wahl Amadeo’s, S. 45-56. 213 BCTn, ms 1589, f. 245. 214 Auch wenn Hinderbach rein theoretisch genügend Zeit gehabt hätte, vor seiner Übersiedlung nach Padua das Wahldekret Friedrichs III. einzusehen. Wahrscheinlich nahm er schon im Herbst 1440 sein Studium dort auf (im ms 1561, BCTn, f. 107, erscheint am Rand das Datum 1440). Das Wahldekret Friedrichs III. traf im März in Wien ein (RTA, 15, Nr. 105). In einer Randnotiz zu seinem Panegyricum (vgl. unten, S. 98) muß Hinderbach zugeben, daß er nicht genau weiß, welche Ordinalzahl dem Habsburger in der Reihe der Römischen Könige mit dem gleichen Herrschernamen zukomme; danach scheint er also noch keine zuverlässige Kenntnis gehabt zu haben.

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Rezeption der Konzilsdekrete eingeführt werden können. Auf den ersten Blick hat Hinderbachs Notiz eine gewisse Glaubwürdigkeit, denn die im März 1438 in Frankfurt für die Wahl zum Nachfolger Sigismunds versammelten Kurfürsten nahmen durchaus Neutralität gegenüber Papst und Konzil ein, anerkannten aber die Rechtmäßigkeit der Basler mit ihren sogenannten Reformdekreten215. Und wirklich übernahmen die Fürsten nach der Wahl Albrechts II. in der Mainzer Akzeptation 26 Dekrete (darunter auch „Sicut in construenda domo“), angefangen von der ersten bis zur XXXI. Session vom 24. Januar 1438, deren Einhaltung dann auch in der folgenden Zeit der Neutralität beachtet wurde216. Nach der Dokumentation der Reichstagsakten gingen den beiden Wahlen von 1438 und 1440 die Heilig-Geist-Messe und die Eidesleistung der Wähler/Kurfürsten voraus, also nach dem „Reichsgesetz“, der Goldenen Bulle von 1356, auf die sich auch explizit die beiden Wahldekrete Albrechts II. und Friedrichs III. beziehen217. Hinderbachs Einlassung ist also nicht zu verifizieren, es sei denn, die in den Reichstagsakten nicht überlieferte Eidesformel entsprach genau derjenigen aus Basel. Sein Interesse gerade für diesen Umstand bleibt jedoch auffällig. Er war also über die Vorgänge in/um Basel gut informiert und, zumindest was die Reformarbeit angeht, in einem gewissen Sinne „konzilsfreundlich“ eingestellt – chronologisch etwa für die Jahre 1433-1435. Mit Sicherheit erwähnt er in seinen Aufzeichnungen drei Basler Dekrete und geht stillschweigend von ihrer Gültigkeit neben den anderen, von ihm zitierten päpstlichen Kanones aus. Er bezieht damit dieselbe Position wie die deutschen Fürsten, die in Mainz und Frankfurt jene schon erwähnten 26 sogenannten Reformdekrete übernommen hatten und sie dann bis zu den noch zu besprechenden Konkordaten von 1447/48 einhielten. Hinderbach beschäftigt sich genau mit den in Mainz übernommenen Dekreten218 – auch sein „Mentor“, Leonhard von Laiming, war dort als Gesandter König Albrechts II. Die Akzeptation erscheint im Rückblick nicht zufällig als ein „Multiplikator“ der Konzilsideen, ihrer Rezeption im Reich auf Provinzial- und Diözesansynoden219 – eine ähnliche Wirkung übte in Frankreich die Pragmatische Sanktion von Bourges aus. Demgegenüber fehlen direkte Stellungnahmen Hinderbachs zum Streit zwischen Papst und Konzil, vor allem zur Verschärfung im Schisma ab 215 J.W. Stieber, Pope Eugenius IV, S. 132-141. Zur Wirksamkeit der Konzilsdekrete vor und nach 1439, W. Voss, Dietrich von Erbach, S. 15. 216 Zur Mainzer Akzeptation, J. Helmrath, Das Basler Konzil, S. 297-306; W. Voss, Dietrich von Erbach, S. 109-119. 217 RTA, 13, Nr. 33. 218 RTA, 14, Nr. 56, S. 111-112, Kapitel [2], [5] und [6]. 219 J. Helmrath, Das Basler Konzil, S. 299, mit Bezug auf H. Hürten, Die Mainzer Akzeptation, S. 66.

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1439. In diesem Zusammenhang ist bedauerlich, daß bisher eine Art von persönlichem Notizbuch, sein rapularium220, noch nicht aufgefunden worden ist: in ihm hatte er nach eigener Auskunft die vielen „Pro und Contra“, für und gegen die Einzelpunkte beim Streit zwischen Papst und Konzil eingetragen221. Einen gewissen Hinweis liefert aber eine Notiz Hinderbachs zum Kommentar seines Lehrers Antonio Roselli: der Paduaner Professor interpretierte in seiner Lesung zur Dekretale „Significasti“ (I.6.4) die römische Kirche, „d.h. Papst und Apostolischen Stuhl“, als über dem Konzil stehend. „Nota hic textum singularem qui cottidie allegatur ad hoc: quod papa est supra omnia concilia et quod concilia sumunt auctoritatem ab eo, et quod concilia non possunt prefigere legem astringentem papam, scilicet quod ipsius auctoritas semper intelligatur in suis statutis excepta. Ita colligunt communiter omnes legentes ymo quidam inferunt ex ipso textu quod, si sentencia pape et concilii sunt sibi invicem adverse, standum sitb pocius sentencie pape. Item colligunt quod papa solus, hoc est non cum consilio vel auctoritate concilii, potest interpretari statuta conciliic, ymmo contrarium penitus statuere et ipsum revocare. Item notatur glossa VIti (…) Sed an hec ita procedant de plano secundum veritatem, doctores non prosequuntur, nec ego prosequor, presertim cum non tam periculosum quam forte temerarium istis nunc temporibus existere dignoscatur propter currens de presenti scisma et controversiam inter papam et conciliumd. Illud tamen silencio preterire non possum quod predicta omnia non sic ut dicta sunt procedunt ex hac littera: de primo patet quod hic non dicit de papa, sed de Romana ecclesia, quod scilicet illi concilia nullam legem prefixerint, sed quod illius auctoritate fiunt et robur accipiunt et quod illius auctoritas excepta sit. Aliud autem est Romane ecclesie et aliud est papa, si graciose dicitur (ipsius) li. VIto (c. 5, VI, I, 3). Secundum hoc ergo melius elicetur quod Romana ecclesia est supra concilium et cetera alia que sunt elicita sunt de papa. Sed nec hoc de s(implicitati) fatendum est quod s(cilicet) Romana ecclesia, que est particularis, sit prior et dignior et superior ad generale synodum, que est representancia universalis ecclesie: absit, quin ergo dicemus. Cogitavi posse dici ad huc textum quod non sit ita generaliter accipiendus, sed pocius ad casum suum reto(r)quendus sic, quod accipiatur hec auctoritas se(cundum) materiam subiectam et adaptetur intencioni loquentis, de hoc me re(fero) ad ea que no(tavi) in rapulario meoe in II° sexter(nicu)lo in medio

a

Hs sentencia. am Rand: „adducunt c. Quecumque (c. 2, X, III, 38) et c. Hec est fides, XXIIII, q. prima“. c am Rand: „et contra (…) allegant XVI dis (recte XIV) c. Nec licuit“. d ein schlängelndes Verbindungszeichen zum folgenden Text auf Rasur bei Io. Hind. e meo getilgt. b

220 Über die Bedeutung des sogenannten Rapiariums als Literaturgattung, vor allem in der Devotio moderna, Th. Mertens, Rapiarium. 221 BCTn, ms 1560, f. 20 : „(…) et multa iura que pro et contra faciunt vide, que nominavi in rapulario meo in II° sexterniculo folio III° ubi collegi. Io. Hin.“.

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sexterniculi, ubi pono triplicem modum r(espondendi) ad hunc textum. Posuissem hic, sed obmisi propter (…) prolixitatem“a 222.

Hinderbach vermeidet also eine direkte Stellungnahme im „Superioritätsstreit“ zwischen Papst und Konzil und gibt indirekt sogar eine Begründung an, weil es „gefährlich und leichtfertig“ sei, in einem Moment, in dem das Schisma noch andauert. Nichtsdestoweniger zählt er doch eine ganze Reihe von Einwänden auf: die Dekretale erörterte nicht die Superiorität des Papstes über dem Konzil, sondern der Römischen Kirche, und die sei vom Papst zu unterscheiden. Selbst in diesem Fall sei die Superiorität der Römischen Kirche nicht eindeutig223, weil sie nur ein Teil der Gesamtkirche sei, die eine Generalsynode, nämlich das Generalkonzil, repräsentierte. Vor diesem Hintergrund plädiert Hinderbach für eine behutsame und festumrissene Anwendung der Dekretale in dem speziellen Fall, von dem sie selbst spricht: „Cogitavi posse dici ad huc textum quod non sit ita generaliter accipiendus, sed pocius ad casum suum reto(r)quendus sic quod accipiatur hec auctoritas se(cundum) materiam subiectam et adaptetur intencioni loquentis“.

Hinderbach will sich also nicht eindeutig festlegen, obwohl in dem Grad, in dem das Konzil die Universalkirche repräsentiert, die innere Logik seiner Analyse ihn zu einer Superiorität des Konzils über den Papst drängt. Immerhin zeigt er durch die Begrifflichkeit, daß er auf der Höhe seiner Zeit ist: „repraesentatio“, Konzil, Gesamtkirche, Papst, Apostolischer Stuhl reflektieren das Bewußtsein einer „Paduaner Schule“ in der Nachfolge von Francesco Zabarella bis zu Antonio Roselli. Das Konzil in der „Lectura“ Antonio Rosellis von 1444 In Padua wurde die allgemeine Diskussion über Papst und Konzil wahrscheinlich durch die Veranstaltungen von Antonio Roselli aus Arezzo, des „utriusque iuris monarcha“, angeregt. Gleich nach Hinderbachs Ankunft in Padua reihte er sich unter dessen Schüler ein und sogar zwanzig Jahre später als erfahrener Diplomat und Prälat bewahrte er ihm ein ehrfürchtiges Andenken: in einer Notiz aus der Zeit nach 1466 war Roselli für ihn der „König aller italienischen Juristen, dessen Leistung keiner der Konzistorialadvokaten Martins V. und Eugens IV. und in der Zeit des Konzils von Basel erreichte“ – diese Stelle ist übrigens ein gutes Beispiel für die Einordnung des Konzils als a ab posuissem auf Rasur; der ganze Passus ist durch ein vertikales Merkzeichen hervorgehoben.

BCTn, ms 1589, f. 169. Über den Vorrang der Römischen Kirche bei Roselli, Th.A. Weitz, Der Traktat des Antonio Roselli, S. 314-315, 333-337, 349. 222 223

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historischen Einschnitt. Als reifer Mann charakterisierte Hinderbach seinen alten Lehrer als Professor in Padua mit einer Lebenszeit von über neunzig Jahren als Autor bedeutender Werke und über andere Rechtslehrer weit herausragend; genannt sind etwa die Kommentare Antonios da Budrio224, nach Auskunft des jungen Hinderbach Rosellis praeceptor in Bologna, und eines anderen prominenten Rechtsgelehrten, Bartolo da Sassoferrato. Dazu hätte Roselli auch ein „einzigartiges“ Werk über päpstliche und kaiserliche Gewalt geschrieben, die berühmte „Monarchia“, schließlich war er Hinderbachs preceptor und Hauptpromotor bei der Überreichung der Doktorinsignien225. In der Forschung wird Roselli vorschnell als Papalist oder Antipapalist eingeordnet226, dabei bleibt leicht außer Acht, daß er ein langes, erfahrungsreiches Leben bei einem lebhaften Temperament und einem beweglichen Geist hinter sich gebracht hatte und schon von daher sich einer schnellen und starren Einordnung entzieht. Unter dem Pontifikat Martins V. (ab 1417), so erinnert sich Hinderbach, war Roselli als Konzistorialadvokat, nach der Wahl Eugens IV. (1431) weiter auch als Diplomat tätig. Ab dem Frühjahr 1432 nahm er an den Verhandlungen zu Romzug und Kaiserkrönung Sigismunds teil227; in dessen Umgebung betrieb Roselli nicht nur die Annäherung zwischen Kaiser und Papst, sondern seine eigenen Geschäfte228, die wie bei Giovanfrancesco Capodilista mit der Auszeichnung der Pfalzgrafenwürde durch Sigismund ihren Höhepunkt und Abschluß fand229. Er soll sogar den Über den Juristen aus Bologna, L. Prosdocimi, Antonio da Budrio, S. 541-542. ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 20. Nach Giovanni Tortelli, den Flavio Biondo als berühmten Sohn der Stadt Arezzo bezeichnet, vermerkt Hinderbach: „obmittit hic Antonium de Rosellis Aretinum (folgt et (ce) getilgt) aliosque eius familia clarissimos (ab Aretinum über der Zeile), qui opus quoddam singulare de cesari ac pape p(otesta)te edidit (von qui am Rand), quod monarchiam intitulavit, omnium Italie iurisconsultorum monarcham, qui, inter advocatos consistoriales curie Romane et Martini et Ewgenii pontificum temporibus necnon Basiliensi concilio nulli posterior habitus, tandem in gi(n)gnasio Patavino resedit annos supra nonaginta natus, cathedre adhuc presidet et singularia quedam (über der Zeile) semper ultra omnes ante se doctores (ac) precip(ue) in Antonium de Butrio preceptorem suum et Bartolum additamenta in eorum commenta edit, noster in eodem studio preceptor“. 226 A. Belloni, Professori giuristi, S. 143 und A.A. Strnad, Personalità, carriera, S. 14. J.H. Burns, Lordship, S. 126 weist auf die Gefahren einer stereotypen Einordnung hin und vgl. Th.A. Weitz, Der Traktat des Antonio Roselli, S. 57. Über Roselli zuletzt zusammenfassend ebd., S. 7-30. 227 RTA, 10/2, S. 714-715. 228 So J.H. Burns, The ,Monarchia‘, S. 333. 229 Für Burns (ebd., S. 334, Anm. 50) wurde der Titel von Karl VII. verliehen, an dessen Hof Roselli sich 1433 als Gesandter Eugens IV. aufgehalten haben soll. Hinderbach hingegen ordnet den Titel eindeutig kaiserlicher Verleihung zu: „(…) comes palatinus imperialis“ (BCTn, ms 1589, f. 12). Vgl. auch Th.A. Weitz, Der Traktat des Antonio Roselli, S. 14-15. 224 225

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genauen Wortlaut des kaiserlichen Krönungseides verfaßt haben230; Sigismund ist auch die erste Version der erwähnten „De monarchia“ gewidmet, eines umfangreichen Werkes, gewachsen aus diplomatischem Dienst im päpstlichkaiserlichen Auftrag. Durch verschiedene Überarbeitungen stellt sich die „Monarchia“ nicht als eine einheitliche und geschlossene Abhandlung dar, sie ist kein Wurf aus einem Guß, sondern inkohärent und disparat, während eines langen Zeitraums und mit wechselnder Zielrichtung verfaßt231: so geht dem sperrigen Gesamtwerk eine moderne kritische Edition ab, nachdem es zuletzt 1611 in Gänze gedruckt worden ist232. Roselli übernahm auch eine aktive Rolle in der Auseinandersetzung zwischen Papst und Konzil. Ihm wird die Redaktion der berühmt-berüchtichten Bulle „Deus novit“ vom 13. September 1433 zugeschrieben, die den Konziliarismus in Bausch und Bogen verurteilte, vielleicht radikaler, als Eugen IV. in der damaligen Situation opportun erschien. Diese Bulle wurde vom Konzil scharf zurückgewiesen und später von der Kurie verleugnet, dabei war Roselli gerade zu dieser Zeit (1433/34) Professor für Kirchenrecht beim päpstlichen Studium. Wahrscheinlich hat er sogar im Frühjahr 1436 noch für die Kurie gearbeitet und zwei Jahre später eine diplomatische Mission im Auftrag Eugens bei Verhandlungen mit dem am 18. März neugewählten König der Römer, Albrecht II., übernommen. Wenige Monate später, im Herbst 1438, ist Roselli zum ersten Mal als Professor an der Universität Padua belegt. Die Gründe für dieses Ausscheren aus der päpstlichen Diplomatie und das Hinüberwechseln zu einer bloßen Lehrtätigkeit sind bisher noch nicht schlüssig geklärt: Roselli war damals schon in den Sechzigern, möglicherweise gab es eine persönliche Verstimmung zwischen ihm und Eugen IV.: nach Auskunft von Giovanni Bertachini, einem seiner letzten Studenten in Padua, war Roselli wegen Bigamie die Kardinalswürde verweigert, und aus Rachsucht sei die Monarchia antipapal umredigiert worden233. Das sind aber nur einige Gründe für Rosellis Rückzug, ebenso soll ihm nicht eine Art „vendetta“ unterstellt, gleichwohl muß die Version Bertachinis berücksichtigt werden. Dafür spricht, daß Roselli wirklich in der Monarchie das päpstliche Dispensrecht bei Bigamie in einem ganzen Kapitel ausführlich darlegt, also in ziemlich breitem Umfang; 230 Goldast, S. 290: „(…) sicut fecit gloriosissimus Sigismundo beatissimo Eugenio quarto, quod iuramentum totum ego solum composui et dictaui“. 231 Zum Gesamtaufbau der „Monarchia“, als „gewachsenes Werk, dessen verschiedene Grundbausteine durchaus eigenen Charakter aufweisen“, Th.A. Weitz, Der Traktat des Antonio Roselli, S. 416. 232 Perticones moderne Edition von 1944 umfaßt nur den ersten Teil des Werks, der sich mit der Kaisergewalt befaßt (Antonio Roselli, Monarchia). 233 J.H. Burns, The ,Monarchia‘, S. 337. Zu Bertachini (1448 - Ende 15. Jahrhundert), M. Caravale, Bertachini Giovanni, S. 441-442. Zur Rückkehr nach Padua zuletzt Th.A. Weitz, Der Traktat des Antonio Roselli, S. 19-21.

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vor allem Hinderbach gibt nun in seinen Aufzeichnungen eindeutige Hinweise auf Rosellis Bigamie und seine vergeblichen Versuche einer Dispens durch Eugen IV.234. Die Verweigerung der Kardinalswürde und der daraus resultierende Affront, den Bertachini noch erwähnt, könnten Roselli zur Aufgabe des kurialen und diplomatischen Dienstes bewogen haben, das heißt natürlich nicht, daß er damit seine kirchenpolitische Überzeugung radikal verändert hat235. Auch nach der Übersiedlung an die Universität Padua schwenkte er nicht mit wehenden Fahnen zum Konzil über, was beweist sein Verhalten im Jahre 1444, also sechs Jahre später, als er das päpstliche Provisionsrecht verteidigte beim sogenannten Freisinger Bistumsstreit, in einem Kernbistum der Wittelsbacher. Am 13. August des Vorjahres war der dortige Bischof Nicodemo della Scala verstorben, der auch im Dienste des Habsburgers Friedrich III. gestanden hatte. Die Nachfolge strebte der schon erwähnte Johannes Grünwalder an. Als Bastardsohn Herzogs Johanns II. von Bayern hatte er 1422 schon vergeblich versucht, Bischof von Freising zu werden, mußte aber Nicodemo als Vertrautem Martins V. den Vortritt lassen und sich mit dem Generalvikariat begnügen. Bereits während Nicodemos kurzer Krankheit hatte angeblich Friedrich III. die Initiative zu einer Nachfolgeregelung ergriffen und dann dem Konzil mit seinem Präsidenten Kardinal Aleman den Bruder seines Kanzlers Kaspar Schlick empfohlen. Schlick selbst hatte drei Tage nach Nicodemos Tod in Wiener Neustadt ein entsprechendes Gesuch an Eugen IV. gerichtet, der unter Berufung auf das päpstliche Reservationsrecht dessen Bruder Heinrich providierte. Aber einen Tag nach der päpstlichen Provision sprach sich das Kapitel von Freising in einer regulären Wahl für Grünwalder aus – der Wittelsbacher hatte durch seine dynastische Verbindung auch den regierenden Herzog Albrecht III. von Bayern für das Konzil und gegen die Neutralitätspolitik eingenommen und war deshalb vom Konzilspapst Felix V. zum Kardinal erhoben worden. Der Erzbischof von Salzburg hatte als Metropolit zuerst Grünwalder bestätigt, dann aber auf habsburgischen Druck die Konsekration verweigert, worauf Grünwalder an das Konzil appellierte. Die ganze Angelegenheit brachte das Konzil in Bedrängnis, zumal zu diesem Zeitpunkt – die Neutralität der französischen und deutschen Kirche dauerte seit fünf Jahren an – sein Überleben an sich in Frage gestellt war. In einer dramatischen Generalsession am 21. Februar 1444 stimmte das Konzil einem Vorschlag Kardinal Alemans zu, die Konsekration bereits gewählter Bischöfe auf ein Jahr auszusetzen, und so die drohenden politischen Verwicklungen vorerst zu umgehen, gleichwohl wurde Freising ausgenommen: das Konzil beschloß, Friedrich III. mitzuteilen, im fraglichen Fall zu einer gütlichen Einigung zu kommen, ratifizierte aber gleichzeitig die Bestätigung Grünwalders durch den 234 BCTn, ms 1560, f. 240, in den Fällen, in denen der Papst nach dem Gewohnheitsrecht keine Dispens erteilt, überliefert Hinderbach Rosellis Antwort: „et ita dixit sibi responsum ab Eugenio papa, cum pet(eret) ab eo secum dispensari super bigamia et multum se perswaderet quod potest et quod predecessor suus Lucius papa hoc fecit ut notatur XXXIIII dis. Lector (c. 18, D 34, Lector si viduam), qu(ia) re(spon)dit: ,Possumus, sed non consuevimus dispe(nsa)re cum bigamis‘“. 235 Schon durch J.H. Burns hervorgehoben: The ,Monarchia‘, S. 337 und Lordship, S. 102.

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Erzbischof von Salzburg und sprach eine neue Provision zu seinen Gunsten aus. Dagegen erging ein monitorium an Heinrich Schlick, der schon einige feste Plätze des Bistums Freising in seine Gewalt gebracht hatte236. Insgesamt zog sich eine definitive Entscheidung weiter hin, und so war Grünwalder gezwungen, persönlich bei Friedrich III. vorzusprechen. Am 4. April desselben Jahres hielt Kaspar Schlick in Gegenwart des Königs eine von Enea Silvio vorbereitete, Grünwalder demütigende Rede: die Bemühung der Habsburgerpartei bei Eugen IV. war erfolgreich gewesen, und Heinrich Schlick bereits seit Jahresbeginn im Besitz von neun päpstlichen Bullen zu seinen Gunsten. Grünwalder blieb noch einige Monate in einer für ihn prekären Stellung, bis endlich am 13. November 1444 von Basel das Ergebnis des Verfahrens vom Jahresanfang eintraf: die Bestätigung der Wahl237.

An der Gesamtaktion hatte auch Antonio Roselli Anteil: er verfaßte umfangreiche allegationes für den königlichen Kandidaten Heinrich Schlick. Nach Erich Meuthen sind diese Gutachten chronologisch unmittelbar nach den Entscheidungen des Konzils von Basel vom 21. Februar und im Umkreis der Verhandlungen zwischen Mai und Juni 1444 anzusetzen, über die auch die Briefe Enea Silvios Auskunft geben. Rosellis allegationes decken zwei Felder ab: das erste die historische Entwicklung, das zweite sich daraus ergebende acht dubia, also zu klärende Punkte. Die Untergliederung zeigt zwei Teile verschiedenen Umfangs, der erste handelt von der sententia, die im Fall unterschiedlicher Entscheidungen zwischen Papst und Konzil zu beachten ist, und entspricht den Kapiteln 26-27 des dritten Teils der „Monarchia“, und dieser dem letzten Teil des „Tractatus conciliorum generalium“, beide Werke aus der Feder Rosellis238. Die Verbindungen des Rechtsgelehrten zum Wiener Hof gingen auf frühere, persönliche Beziehungen zu Kaspar Schlick zurück: der Kanzler hatte mit Roselli schon als Konsistorialadvokat während des Romzuges bei den schwierigen Verhandlungen für die Kaiserkrönung Sigismunds in Siena und an der Kurie zusammengearbeitet (1432/33); dazu kommt noch, daß Schlick in Venedig als Befürworter einer Verständigungspolitik schon zur Zeit Sigismunds, dann auch Albrechts und Friedrichs, bekannt war239. Vermittelnd tätig werden konnte auch noch Enea Silvio: er war in den zwanziger Jahren E. Meuthen, Antonio Rosellis Gutachten, S. 461-463. Zum Gesamtvorgang vor dem Hintergrund der Konkurrenz WittelsbachHabsburg und der massiven Eingriffe Kaspar Schlicks und Enea Silvios jetzt W. Müller, Bayern und Basel, S. 396-404. Enea Silvio hatte Nicodemo kurze Zeit in Basel gedient und wurde auch durch ihn gefördert: Cl. Märtl, Liberalitas Baioarica, S. 244. Vgl. auch zuletzt S. Sudmann, Das Basler Konzil, S. 130-138. 238 Zur Beziehung zwischen „Monarchia“ und „Tractatus“ auch unter dem Gesichtspunkt der verschiedenen Fassungen beider Werke, Th.A. Weitz, Der Traktat des Antonio Roselli, S. 125. 239 Vgl. P.-J. Heinig, War Kaspar Schlick ein Fälscher?, S. 279. Über die Beziehungen zu Enea Silvio, vgl. auch Cl. Märtl, Liberalitas Baioarica, S. 247. 236 237

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Rosellis Schüler in Siena gewesen und nutzte nun die Freisinger Sache zu stärkerer Profilierung; nicht zu unterschätzen ist vielleicht auch der Einfluß Leonhards von Laiming vor dem Hintergrund seiner schon erwähnten diplomatischen Missionen in Italien und der gemeinsamen Studienzeit mit Roselli in Bologna. Meuthen führt als lokalen Vermittler zwischen Königshof und dem Gutachter Roselli in das diplomatischen Spiel den jungen Hinderbach ein, der ja gerade damals bei dem von ihm so verehrten Professor in Padua studierte240, und wirklich zeigt Hinderbach in seinen Paduaner Mitschriften, daß er die Position seines Meisters genau kannte241; dazu stand er selbst zu jener Zeit sicher in Beziehung mit dem königlichen Hof – ein Jahr vorher, 1443, hatte der Onkel Dietmar von Friedrich III. ein Familiaritätsdiplom erhalten – und Hinderbach selbst war durch die schon ausführlich beschriebene Verbindung zu den Capodilistas und den Lellis mit dem Paduaner Universitätsmilieu vertraut. Bleibt festzuhalten: 1444 war Roselli schon sechs Jahre in Padua und übernimmt die Vertretung des königlichen Kandidaten im Freisinger Bistumsstreit, der auch die Unterstützung Eugens IV. findet. Er entscheidet sich damit gegen die Gültigkeit des Basler Dekrets „De electionibus“, das – wie er ausführt – bis dahin weder vom Papst noch vom Heiligen Stuhl approbiert wurde, und stimmt der Legimität der päpstlichen Reservation für Freising zu, die auch zeitlich dem Dekret des Basler Konzils zur Annullierung der päpstlichen Reservationen vorausging. Wenn Roselli also die päpstliche Reservation verteidigt, konnten seine Beziehungen zu Eugen IV. wenigstens in dieser Zeit so schlecht auch nicht sein, und so reduziert sich Bertachinis Kolportage eines plötzlichen Frontwechsels auf ein persönliches, normales Maß242. Wichtiger als diese Zeitumstände erscheint aber der Inhalt von Rosellis allegationes. In ihnen entwickelt er das Konzilsthema, in der ersten Version der „Monarchia“ eher knapp abgehandelt, zum Hauptgegenstand einer ganzen Abhandlung, die für sich einzig steht: nämlich des „Tractatus conciliorum generalium“. Von ihm ist ein Exemplar unter dem Datum 28. September 1444 erhalten, dem Dogen Francesco Foscari gewidmet243, und auch Hinderbach zitiert den Tractatus, nach seinen Aufzeichnungen sogar als „noviter consumatum“244. In seiner Widmung an den Dogen verweist Roselli das Konzil von 240 E. Meuthen, Antonio Rosellis Gutachten, S. 464-465. Vgl. die Einholung von Gelehrtengutachten während des Markgrafkrieges (1448-1453) durch Hans Pirckheimer, damals Student in Padua bei F. Fuchs, Ein Westfale in Kärnten, S. 21. 241 Vgl. unten, S. 69. 242 Wie auch J.H. Burns, The ,Monarchia‘, auf S. 337 betont. 243 BNMVe, lat. 14.4.2480. Zur Handschrift jetzt Th.A. Weitz, Der Traktat des Antonio Roselli. Über Foscari vgl. D. Romano, The Likeness. 244 So Roselli selbst: BCTn, ms 1560, f. 507.

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Basel klar in die Schranken: nach der Überwindung des „frevelhaften“ Schismas (also des Großen Abendländischen 1378-1417) durch das Konzil von Konstanz (1414-1418) hätten viele Kleriker und Laien, selbst hohe Würdenträger, sich von der christlichen Wahrheit und dem Apostolischen Stuhl abgewendet, wie Hunde und Schweine „ad vomitus pristinos et voluptabra redierunt“. Als Ergebnis bestehe das gegenwärtige (Basler) Schisma, zu dessen Lösung Roselli ein neues Konzil vorschlägt; dazu regt er eine Gemeinschaftsaktion von Kaiser, Doge, Königen und weiteren Fürsten an und genau zu diesem Zweck hat er auch den „Tractatus“ geschrieben: um Foscari die Meinungen der Kirchenväter in der Synodenfrage nahezubringen245. Im Vergleich mit anderen, schon vorhandenen Versionen der „Monarchia“ besteht die Neuheit des „Tractatus“ in der Einladung zu einem Konzil und im Aufruf an den Dogen, sich für dieses Ziel zu engagieren. Der Unterschied zu zeitgenössischen, streng kurialen Auffassungen wird deutlich, indem Roselli das neue, dritte Konzil nicht nur auf Kosten des seit 1431 tagenden in Basel, sondern auch des päpstlichen in Ferrara/Florenz/Rom (wie gesagt ist der Traktat 1444 geschrieben) propagiert, also eine Art Äquidistanz zu den beiden, bereits bestehenden Konzilien einnimmt. Die Gründe für ein neues Konzil lassen sich aus dem Traktat selber herausfiltern246: das Schisma in sich und neue Häresien (gemeint sind wohl die Hussiten) hätten eine schwere Krise geschaffen, die in ihrer Einmaligkeit die Aufforderung zu einem neuen Konzil rechtfertige und die Verantwortung der christlichen Fürsten herausfordere. Dieser Beweisführung mißt J.H. Burns große Bedeutung bei: er stellt eine zeitliche Nähe zwischen der Entstehung des „Tractatus“ und der Propagierung eines neuen Konzils in der Umgebung des römischen Königs fest, speziell im Umfeld des Reichstags von Nürnberg (1. August - 11. Oktober 1444). Tatsächlich war die Idee eines dritten Konzils schon einige Zeit am Habsburger Hof ventiliert worden. 1441 hatte der königliche Gesandte auf dem Tag in Mainz, Thomas Ebendorfer, eine Denkschrift vorgelegt: in ihr befürwortete er eine solche „dritte“ Position der Neutralität gegenüber den Baslern mit ihrem Papst Felix und der römischen Kurie mit Eugen IV. und berief sich dabei auf die „Epistola pacis“ Heinrichs von Langenstein, Hinderbachs Vorfahr247. Auf Anfang 1443 reicht der „Pentalogus“ Enea Silvios zurück, der

Vgl. Th.A. Weitz, Der Traktat des Antonio Roselli, S. 124. Roselli rechtfertigte die Berufung eines neuen (dritten) Konzils auch ohne päpstliche Initiative im Fall des häretischen Papstes, eines Schismas und der Gefahr für das bonum der Universalkirche. In diesen drei Sonderfällen besäßen der Kaiser und die weltlichen Fürsten sogar die Befugnis zur Konzilsberufung, wenn der Papst damit nicht einverstanden wäre. 247 I.W. Frank, Der antikonziliaristische Dominikaner, S. 155-172 und RTA, 15, Nr. 354, S. 829, Z. 34-36. 245 246

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damals als Sekretär im Königsdienst Friedrich III. zu einem neuen, dritten Konzil bewegen wollte248. Der König selbst hatte eine lebhafte, diplomatische Tätigkeit eingeleitet, um die beiden widerstrebenden Parteien zur Zustimmung zu bewegen; die allgemeine Diskussion fand auf dem Tag von Frankfurt 1442 und auf den folgenden beiden 1443/44 in Nürnberg statt, an welchem letzten der König persönlich teilnahm249. Auch Venedig verwehrte sich nicht: 1443 hatte die Serenissima dem König ihre Zustimmung signalisiert250, damit deutlich unterschieden etwa von Siena, wo sich die päpstliche Kurie auf dem Rückweg nach Rom aufhielt251. Auch danach, im Frühjahr 1445, machte Friedrich III. noch einen Versuch bei Eugen IV.: für eine Mission an die Kurie war ursprünglich sogar der Kanzler Kaspar Schlick vorgesehen, wegen seiner Verhinderung machte sich dann schließlich Enea Silvio, der Autor des „Pentalogus“, auf die Reise. Eugen IV. nahm auch dieses Mal den Vorschlag nur zur Kenntnis, schloß aber nicht aus, Friedrich III., andere Könige und Fürsten wenigstens zu konsultieren. Das Problem eines dritten Konzils lag darum weiter in der Luft, obwohl die beiden betroffenen Seiten, Basel und Rom, Vorbehalte zeigten. In diesem Kontext muß der „Tractatus“ gesehen werden. Roselli hatte im schon erwähnten Freisinger Bischofsstreit eben 1444 mit dem Königshof in Verbindung gestanden und für ihn die allegationes verfaßt, zu denen er Material des „Tractatus“ verwendete. Die Betrauung des Konzilsgeschäfts an Kaspar Schlick und Enea Silvio, beide auch in der Freising-Sache engagiert, zeigt die Verbindungen zwischen Königshof und Roselli in diesem Gesamtkomplex (auf Friedrich III. hatte er übrigens nach dem Tod Sigismunds die Originalwidmung der „Monarchia“ übertragen). Darüber hinaus hielt Roselli gleichzeitig mit „Tractatus“-Redaktion und Freising-Streit in Padua die lectura ordinaria über das zweite Buch der Dekretalen, die auch Hinderbach an der Universität verfolgte. So behandelte Roselli gleichsam in einem Guß Theorie und Praxis, Diplomatie und Politik, Forschung und Lehre: in „Monarchia“ und „Tractatus“ zeigen sich dieselben Themen und finden ihren Niederschlag in den Aufzeichnungen Hinderbachs und anderer Studienkollegen; die verschiedenen Stadien der Ausformung von Rosellis Gedankengut widerspiegeln sich also sowohl in „Monarchia“ und „Tractatus“ (Theorie und Publizistik) als auch in seiner lectura ordinaria an der Universität (Lehre) und in Hinderbachs F.J. Worstbrock, Piccolomini, S. 648-649; W. Setz, Lorenzo Vallas, S. 102, mit Bezugnahme auf Hallauers Dissertation (Köln 1951). 249 Den letzten Reichstag setzt Burns in Verbindung mit Rosellis Konzilstraktat: J.H. Burns, The ,Monarchia‘, S. 339-340. Zum Nürnberger Tag, W. Voss, Dietrich von Erbach, S. 144, 241-243; zur Politik Friedrichs III. und seinem Plan eines dritten Konzils, S. 119-127. 250 RTA, 17, Nr. 70. 251 RTA, 17, Nr. 71. Der Papst hielt sich gerade zu dieser Zeit in Siena auf. 248

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Marginalien (Rezeption). Von daher besteht grundsätzlich die Möglichkeit ihrer Rekonstruktion bis in den geistigen Horizont der jungen Zuhörer. Kaiser, Papst, Konzil, die „Monarchia“ und der „Tractatus de conciliis generalibus“, sie alle finden sich in Hinderbachs Aufzeichnungen wieder, der sie als gewissenhafter und gut unterrichteter Student zur Kenntnis nimmt. Grundsätzlich ist festzuhalten: Hinderbach kannte den „Tractatus“ aus erster Hand; wo Roselli sich auf ihn bezog, notierte Hinderbach sofort den betreffenden Teil des Traktats; wenn Roselli daran erinnert, daß er einen bestimmten Gegenstand in seinem Werk über die Konzilien in zwei „quaestiones“ untersucht habe, vermerkt Hinderbach am Rand: „credo quod sunt VIta et VIIa“, wie sich dann auch aus der Unterteilung des Traktats ergibt (die in sich nicht konsequent durchgeführt ist)252. Oder: wenn Roselli sehr weitschweifig auf den Inhalt der „Monarchia“ und des „Tractatus“ zurückgreift, ist sich Hinderbach sicher, daß die entsprechende quaestio nur die zweite, die dritte oder die letzte sein könne (auch diese Beobachtung trifft zu)253. Indem sich Roselli sowohl im „Tractatus“ wie bei seinen Universitätsveranstaltungen in Padua auf die gleichen kanonistischen Autoritäten beruft, räumt er die Möglichkeit der Legitimitätsbeschränkung des Konzils ein254, das gilt besonders für das Provinzialkonzil255, aber nicht für das Generalkonzil. Ihm darf ein Legitimitätsanspruch überhaupt nicht abgesprochen werden: ist der Papst anwesend, dann sitzt in diesem Fall Gott selbst zu Gericht256; nimmt der Papst nicht teil, vorausgesetzt das Generalkonzil sei legitim einberufen, dann wohnt der Heilige Geist der Versammlung inne und führt sie. So ist Christus selbst, Hohepriester und Haupt der Universalkirche, Vorsitzender des Generalkonzils. In dieser Auffassung zeigt sich eine markante Grundüberzeugung Rosellis: er spricht dem einmal legitim einberufenen Generalkonzil volle Daseinsberechtigung zu; trotz eines päpstlichen „dissensus“, bleibe es „legitime congregatum (…) et celebratur“, weil der Heilige Geist in ihm wirke, „cuius instinctu congregatum est“: 252 BCTn, ms 1560, f. 508: „(…) dixi plenisime in opere meo conciliorum, ubi de hoc for(ma)vi speciales duas questiones“. Hinderbach notiert: „credo quod sunt VIta et VIIa“. 253 BCTn, ms 1560, f. 528: „(…) prout etiam latius scribo in opere mee Monarchie, in tractatu conciliorum“, mit Hinderbachs Anmerkung: „q. non al(ligavit), credo (quod vel) in 2a vel 3a q. an ultima. Io. Hin.“. 254 Roselli stützt sich auf c. 2, Clem., II, 11: „Cle. Pastoralis .§. pisana quoque civitas“. Vgl. Th.A. Weitz, Der Traktat des Antonio Roselli, S. 259-260 in bezug auf den Traktat. 255 Verweis hier auf c. 7, X, III, 25: „c. in singulis, de statu mona. in glo. appellacion.“. 256 Hier weist Roselli auf „c. Novit de appell.“ (c. 43, X, II, 28) und auf das Dekret „79 d. I c. Si qui pecunia“ hin.

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„sed dicas quod eo casu quo concilium non obstante huiusmodi dissensu pape legitime congregatum est et celebratur, sicud bene contingere potest, sicud forte modo est in facto, idem ac si papa interesset ymo nonnunquam, quia licet papa non assit, presumi(tur) tamen adesse gratia Sancti Spiritus cuiusa instinctu congregatum estb, ad cuius nutum regitur et dirigitur, quia ipse tunc capud concilii est, ymo Iesus Christus summus sacerdos, capud (principale) ecclesie universalis katholice tunc capud est prout supra, de elec. secundo casu et c. primo (…) Et multa iura que pro et contra faciunt vide, que nominavi in rapulario meo in II° sexterniculo folio III° ubi collegi. Io. Hin.“257.

In diesem Passus aus Hinderbachs Universitätsmitschriften nimmt Roselli die Grundidee des „Tractatus de conciliis generalibus“ auf und geht aus von einer Konzilsdefinition, die anerkennt die Legitimität eines vom Papst einberufenen oder aliquando bei dessen Abwesenheit durch Christus selbst präsidierten Generalkonzils. Diese Definition berücksichtigt die Legitimität des Konzils auch in Abwesenheit des Papstes258, mit direktem Bezug auf das Konstanzer Superioritätsdekret „Haec sancta“. Im „Traktat“ sagt Roselli ganz klar: Falls der Papst Häretiker sei oder den Ruin der Kirche (periclitatio) nicht verhindere, „caput est tunc, ut dicit decretum concilii Constantiensis, Christus. Item erit caput eorum spiritus sanctus, qui descendit super eos congregatos in unum ad tam salubrem opus peragendum“259. Weiter im „Tractatus“ hatte Roselli kurz vorher präzisiert, daß „das Konstanzer Dekret ‚Haec sancta‘ dahingehend verstanden werden müsse, daß ‚das Generalkonzil unmittelbar von Christus seine Gewalt habe‘“, im festumrissenen Fall eines häretischen oder das bonum der Universalkirche vernachlässigenden Papstes. Das ist eine beachtenswerte Einschränkung der Konzilsidee, die ihre eigene Legitimation nur in zwei Ausnahmefällen hat, andererseits zeigt Rosellis Auffassung eine starke Anerkennung der Autorität des Konzils von Konstanz und seines Dekrets „Haec sancta“260. In der Widmung an den Dogen Francesco Foscari nennt Roselli im Übrigen Konstanz eine „sancta a b

vorangehendes presumitur gestrichen. = Goldast, S. 392, 54; S. 393, 4.

BCTn, ms 1560, f. 21. Vgl. Goldast, S. 392-393. Vgl. Goldast, S. 379: „Christus tunc est illius caput“. 259 BNMVe, lat. 14.4.2480, f. 12. Vgl. Goldast, S. 379, 33-35, 49-50. Zum Verhältnis von Papst und Konzil bei Roselli Th.A. Weitz, Der Traktat des Antonio Roselli, S. 298 ff.; zur Superiorität des Konzils besonders 299-300; zum bonum bzw. status universalis ecclesie als „innere Grenzen der Möglichkeit der Ausübung päpstlicher Vollmacht“, S. 309; über die Infallibilität des Konzils S. 315, 334. Vgl. auch S. 421. 260 So J.A.F. Thomson, Papalism, S. 453. Über Rosellis Position zu Kostanz und Basel, zusammenfassend Th.A. Weitz, Der Traktat des Antonio Roselli, S. 433-434, 440, aber vgl. die Diskussion unten, S. 71-72. 257 258

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synodus“, der es gelungen sei, das Schisma zu beenden, und spricht ihr von daher volle Legitimität zu261. Aber er geht noch weiter: Roselli akzeptiert und diskutiert nicht nur „Haec sancta“ mit den erwähnten Einschränkungen, sondern er stimmt zu, ebenfalls mit einigen Vorbehalten, dem Konstanzer Dekret „Frequens“. Es wird ausführlich in der quaestio 16. des Tractatus zitiert, die behandelt: „Wie lange ein Konzil dauern soll, wer es auflösen darf, wann es sich selbst auflöst oder aufgelöst werden kann“262. Für Roselli gilt das Dekret „Frequens“, weil es das Wohl der Kirche im Auge hat: „(…) auf dem Konzil von Konstanz wurde festgelegt, zum Wohl der Gesamtkirche, daß alle zehn Jahre Konzilien zur Reform der Kirche abgehalten werden sollten“263. Bei Nichtbeachtung dieser Bestimmung könne sich der status der Kirche verschlechtern und ganz verfallen; der Papst kann also „Frequens“ nicht außer Kraft setzen, gerade weil dieses Dekret auch das Wohl der Gesamtkirche im Auge habe (vor allem im gegenwärtigen Fall einer Reform der Gesamtkirche). Zu Auflösung und Verlegung eines Konzils in direkter oder indirekter Form kommt Roselli schließlich sogar dazu, gerade Martin V. wegen der Verlegung des Konzils von Pavia nach Siena (1423/24) zu kritisieren, und zwar wegen seiner Auflösung ohne Zustimmung der Väter, eine Haltung, die „den Zustand der Gesamtkirche erschüttert habe“264. Nur wenn die Auflösung keine Häresien, Glaubenszweifel oder Erschütterung der Gesamtkirche verursachen würde, könnte der Papst ein Konzil auflösen, abweichend von der Bestimmung des Dekrets „Frequens“. Diese Möglichkeit der Auflösung räumt Roselli zu seiner Zeit nur legitimerweise dem Papst ein, unter Voraussetzung, daß eine Reform durch das vorangegangene Konzil von Pavia/Siena auch wirklich durchgeführt worden und wenn die Kirche bereits tatsächlich reformiert gewesen wäre – was aber nicht der Fall war. Die Notwendigkeit zur Reform bringt das Wohlergehen der Gesamtkirche ins Spiel, und von daher könnte der Papst nicht die Auflösung verkünden. Insgesamt gesehen verteidigt Roselli das Konzil und hält es unbedingt notwendig für eine Reform, unbedingt notwendig, weil an einigen Orten 261 Die Widmung am Anfang der Marciana-Hs. ist von Burns herausgegeben: J.H. Burns, The ,Monarchia‘, S. 341, Anm. 68. 262 BNMVe, lat. 14.4.2480, ff. 37-41. Vgl. Goldast, S. 428 ss; zum Dekret „Frequens“, S. 431. Zu dem bei Roselli beigemessenen Wert von „Haec Sancta“ und „Frequens“, Th.A. Weitz, Der Traktat des Antonio Roselli, S. 431-432, 334-336 und 269, 272-273, 424. Dazu vgl. auch B. Tierney, Foundations, S. 205-207, zu Zabarellas Stellungnahme mit den Beobachtungen Frenkens: A. Frenken, Die Grundlagen, S. 412-413. 263 BNMVe, lat. 14.4.2480, f. 41. 264 BNMVe, lat. 14.4.2480, f. 43.

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die Kleriker im weltlichen Gewand umhergehen, das eher (weltlichen) „Satrapen“ oder Rittern angemessen sei als Geistlichen. „Frequens“ gilt also in festgesetzten Grenzen. Rosellis Ausblick auf die Gegenwart ist der auf eine Gesamtkirche noch nicht „congrue reformata (…) in moribus“ und bedürftig nach einer Reform „sollempnis, grandis, universalis“265. Dieser geraffte Durchgang zeigt den Versuch Rosellis, die bisherige Tradition von Papst und Konzil in ein stimmiges Konzept zu bringen. Dabei darf nach Meuthen die konziliare Neigung Rosellis nicht überschätzt werden, die doch eher traditionell bleibe: Juan de Segovia stelle denn auch in seiner monumentalen Geschichte des Konzils von Basel Roselli als kompromißlosen Papalisten dar266. Andere Forscher sind bei Rosellis „Konziliarismus“ genauso zurückhaltend. J.H. Burns teilt die Auffassung des Klassikers Noël Valois, nach dem sich Rosellis Haltung seit der schon erwähnten Bulle „Deus novit“ (vom September 1433, mit Roselli als Autor267) nicht grundlegend geändert habe. Seinerseits hatte Valois bloß Segovias Meinung übernommen, nach der Roselli in seinen schon erwähnten allegationes für Heinrich Schlick die zum großen Teil schon in der Bulle „Deus novit“ entwickelten Grundzüge wiederverwendet hätte. Weiter anerkennt Burns, trotz der Einordnung Rosellis als klaren Papalisten268, im Traktat genuin konziliaristische Überzeugungen269: die Zwiegesichtigkeit von Rosellis Gesamtwerk hänge zum Teil auch mit den verschiedenen Zeitumständen bei der Redaktion der Einzelpartien der „Monarchia“ zusammen270. Die letzte umfangreiche Studie zum „Tractatus“ von Th.A. Weitz kommt nach eingehender Prüfung zu einer komplexeren Würdigung271; auch er sieht ein „häufiges Schwanken“ Rosellis innerhalb der beiden Grundpositionen272. BNMVe, lat. 14.4.2480, f. 43. Vgl. Goldast, S. 432, 4-8. E. Meuthen, Antonio Rosellis Gutachten, S. 467 (mit Anm. 20) und S. 468, mit Verweis auf Segovia. Darauf die Zuordnung der Monarchia als „antikonziliaristisch“ bei F. Cheneval, Die Rezeption der Monarchie Dantes, S. 297, 326. 267 J.H. Burns, The ,Monarchia‘, S. 350. 268 J.H. Burns, Lordship, S. 126. 269 Ebd., S. 102-104, 126. 270 Ebd., S. 102-103. 271 Die Konzilien „bleiben vielmehr wirkliches Heilmittel der Kirche, soweit sie in rechter Weise begangen werden. In diesem Sinn darf es nicht verwundern, falls wir bei ihm ‚konziliaristische‘ Züge antreffen“: Th.A. Weitz, Der Traktat des Antonio Roselli, S. 417. Vgl. auch S. 356 und 441-442 („Roselli ist nicht der konziliaristischen Strömung zuzurechnen (…) Seine dezidiert vom monarchischen Weltbild her argumentierende Haltung impliziert eher ein deszensives Vollmachtsmodell (…) das allerdings schließt – konkret – nicht aus, daß er als ,konziliarer‘ Autor zu verstehen ist“, S. 446-447. 272 Ebd., S. 419. 265 266

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An dieser Stelle kann nicht Rosellis Gesamtauffassung dargestellt werden, die sich auch nicht schlüssig niederschlägt in der „Monarchia“, selbst mehrfach überarbeitet. Aber die unterschiedlichen Zeitumstände zwischen 1444 („Tractatus“) und 1433 („Deus novit“) sprechen für sich: in dieser umstrittenen Bulle wird die Meinung vertreten, daß „in causa imminente“ das Dekret „Frequens“ in keiner Weise verpflichtend sei, daß der Papst Konzils- und Papstdekrete in ihrer Wirkung aussetzen könne, soweit sie nicht den Glauben und den status der Universalkirche beträfen; daß die Verlegung des Konzils von Basel nach Bologna durch Eugen IV. vom 12. November 1431 genauso gültig sei wie die ursprüngliche Einberufung durch Martin V. Die Position im „Tractatus“ unterscheidet sich in der Theorie nicht, sondern in der konkreten historischen Situation: der Ausgangspunkt ist die verschleppte Reform, die mit Bezug zum bonum der Gesamtkirche den Zustand höchster Dringlichkeit erheischt. Im Moment läßt sich noch nicht sagen, inwieweit Roselli mit den Studenten seine Auffassung systematisch diskutiert hat. Doch zeigen die Zitate des „Tractatus“ und die Einlassungen über die Legitimität des Generalkonzils in Hinderbachs Aufzeichnungen, daß Roselli während der lectura in Padua immer wieder auf seine Werke zurückkam und die Studenten wohl direkt den „Tractatus“ vor Augen hatten. Auch leuchtet ein, daß Roselli auf die konkreten Zeitgegebenheiten – Konzil und Papst, Konstanz und Basel – in der Lehre einging, wobei die direkten Bezüge und Anspielungen seine Zuhörer anregen konnten. Einen Beleg für lebhafte Diskussionen im akademischen Milieu von Padua über mit dem Konzil zusammenhängende Themen stellt folgendes Zeugnis dar: bei der Besprechung der Dekretale „Decernimus“ (II.1.2), die Einmischung von Laien in kirchliche Angelegenheiten und Betrauung von geistlichen Rechtsfällen an Laien durch Prälaten verbot, nahm Roselli in seinen Vorlesungen die Quaestio 7. seines Konzilstraktats über die „vox iudicandi vel statuendi“ hervor; mit der Berufung auf dieselben kanonischen Quellen (18. dis. per totum) bestätigt Roselli, daß das Stimmrecht, d.h. die facultas zu Beratung und Entscheidung im General- und Provinzialkonzil, wegen der Sakramentalordination nur den Bischöfen zustehe273: danach konnten einem Laien keine bischöfliche Rechte übertragen werden. Diese Einschränkung betraf nicht nur geistliche Angelegenheiten, sondern auch nichtgeistliche, die Sakramentalordination erforderten, z.B. konnten an Laien nicht Eheangelegenheiten übertragen werden, ebenso nicht die Aufgabe, „causa discipline“ einen Kleriker der Prügelstrafe zu unterwerfen (im „Tractatus“ verwendet Roselli eine ähnliche Argumentation beim Generalkonzil und genau in der Quaestio 9 zum Prokurator; danach kann ein Bischof weder einen 273

BNMVe, lat. 14.4.2480, f. 21v-23. Vgl. Goldast, S. 404-405.

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Kleriker noch einen Laien als seinen Prokurator beim Konzil abordnen)274. Hier bringt Hinderbach eine persönliche Stellungnahme ein: „In meiner Zeit (also während des Konzils von Basel) ist genau das Gegenteil zu beobachten: Bischöfe delegieren Nicht-Bischöfe, die für sie an den Konzilssitzungen teilnehmen und die Agenda beraten“. Und dann fügt er hinzu: „Ich habe von einem concilysta gehört, daß dieser Zustand sich von dem status des Konzils von Konstanz herleitet, eine Verfassung, die der traditionellen genau entgegensteht“275. Schon diese beiden Anmerkungen lassen ahnen den Widerhall der Konzilsdiskussionen von Basel in Padua, Diskussionen über Sitz- und Stimmrecht, zwischen Prälaten und Doktoren, die Rolle der Laien überhaupt276. Ebenso aufschlußreich ist ein Einschub in Hinderbachs Notizen, der sich an ein Textreferat Rosellis anschließt, aber auch von Hinderbach selbst stammen kann (der sonst sehr streng die eigene Meinung von der anderer absetzt): während der Vorlesung Rosellis erschien der Fall, in dem ein Generalkonzil trotz des päpstlichen dissensus sich legitim versammelt und seine Arbeit aufnimmt, „sicut bene contingere potest, sicut forte modo est in facto“. „Sicut bene contingere potest“: genau die These, die Roselli im „Tractatus“ aufstellt und von der schon gesprochen wurde. Hier besteht dazu noch die Möglichkeit, daß das betreffende Generalkonzil das gerade tagende sei: von daher ist nicht auszuschließen, daß das Konzil, das gerade in Basel tagte und sich mit dem Papst überworfen hatte, legitim sein könnte. Eine solche Ansicht erscheint vor dem zeitgenössischen Hintergrund bemerkenswert: Eugen IV. abgesetzt, Felix V. gewählt, eine klare Rückweisung der höchsten Konzilsgewalt mit der Erneuerung des Konstanzer Superioritätsdekrets „Haec sancta“ vom 20. April 1441 in Basel durch den römischen Papst in seiner Bulle „Etsi non dubitemus“. In dieser widersprüchlichen Gemengelage konnte Hinderbach viele Rechte für oder gegen ein Generalkonzil anführen, wie sie in seinem rapularium zitiert gewesen sein mögen277. Was bedeutet nun Rosellis Lehrtätigkeit für den Bildungsgang des jungen Hinderbach, auf die er noch zwanzig Jahre später als reifer Mann und Bischof bewundernd zu sprechen kommt? 1444 nimmt Roselli eine Mittelstellung 274 BNMVe, lat. 14.4.2480, f. 24v-25. Vgl. Goldast, S. 408-410, wo dasselbe Beispiel wie bei den recollecta Hinderbachs erscheint (BCTn, ms 1560, f. 28), d.h. das Verbot für Laien, einen Kleriker causa discipline tätlich anzugreifen. Dabei darf der Bischof die Bestrafung nicht einem Laien, sondern nur einem Geistlichen überlassen (überhaupt soll ein Laie nicht kirchliche Rechtsbefugnisse ausüben: „in iudicio nihil spiritualitatis exercet“). Vgl. Th.A. Weitz, Der Traktat des Antonio Roselli, S. 214. 275 BCTn, ms 1560, f. 28. 276 R. De Kegel, Johannes de Segovia, S. 73-75; J. Helmrath, Das Basler Konzil, S. 71 ff., 83-92; A. Black, Council and Commune, S. 88. 277 BCTn, ms 1560, f. 19.

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ein: er ist gegen das Schisma, favorisiert aber ein neues Konzil; vor allem setzt er sich für die Kirchenreform ein und die Zusammenarbeit von Kaiser und Dogen, wobei er dem Kaiser das Recht zur Berufung eines Generalkonzils zugesteht. Über den Streit zwischen Basel und Eugen IV. hinaus empfindet Roselli tief die Notwendigkeit einer Kirchenreform und befürwortet hauptsächlich aus diesem Grund, zum bonum der Universalkirche, die Einberufung eines Generalkonzils durch den Kaiser, auch wenn der Papst gegenteiliger Ansicht sei; schließlich verteidigt er mit einigen markanten Beschränkungen die Dekrete „Haec sancta“ und „Frequens“. Diese Einzelpositionen trafen sich nicht nur mit den politischen Bestrebungen Friedrichs III. in jener Zeit, sondern gingen über ihren bloßen politischen Gehalt hinaus. Die Idee eines dritten Konzils ebnete sich seit 1437 immer mehr Bahn als ein möglicher Ausweg aus der Sackgasse, in die das Konzil von Basel und Eugen IV. durch ihren Konflikt hineingeraten waren278. Auch auf dem Tag von Mainz, der dann die Akzeptation vom 16. März 1439 ergab mit der Erneuerung der Neutralität am folgenden 11. November (die erste Erklärung der Kurfürsten datiert bereits vom 17. März 1438), nahmen sich die Kurfürsten, die übrigen deutschen Erzbischöfe und die Gesandten des Königs vor, im Streit zwischen Eugen IV. und Basel zu vermitteln, wenn möglich mit Hilfe eines neuen, dritten Konzils279. Das Ende von Basel bedeutete nicht das Ende des Konziliarismus: in den sogenannten Fürstenkonkordaten von 1447 versprach der Papst eine Fortführung der Kirchenreform im bisherigen Sinne, und das Wiener Konkordat hielt die Möglichkeit eines neuen Konzils offen; auch in der zukünftigen kirchenpolitischen Entwicklung bestand sie weiter fort als Druckmittel gegenüber dem Heiligen Stuhl oder als ein Weg zur Kirchenreform280. Die Bulle „Execrabilis“ Pius’ II. vom 18. Januar 1460 verbot zwar jeden Appell an ein zukünftiges Konzil, doch bedeutete sie nicht das Ende solcher Forderungen. Schon einige Monate später kam eben ein solcher Appell auf im Streit zwischen dem Cusanus und Sigismund von Österreich281; er kehrte noch einmal zurück in der Forderung des Erzbischofs von Mainz, Dieter von Isenburg, der sich in der Mainzer Stiftsfehde auf R. Bäumer, Eugen IV. und der Plan eines ‚Drittens Konzils‘. J.W. Stieber, Pope Eugenius IV, S. 155-189, besonders S. 187; W. Voss, Dietrich von Erbach, S. 109-119. 280 Vgl. z.B. den Appell an ein Generalkonzil in: Acta Cusana, Bd. 1/3a, Nr. 1992, S. 1281-1282 (Schreiben des Dr. Hermann Talheim an den Erzbischof von Mainz vor 3. Dezember 1451). 281 H.J. Becker, Die Appellation, S. 162-165, 168, 341-346. Schon 1450 und 1451 hatte das Kapitel von Brixen gegen die päpstliche Provision des Cusanus an ein zukünftiges Generalkonzil appelliert („ad sacrum ycomenicum aut saltim futurum generale concilium in hiis scriptis supplicamus et recurrimus“). Acta Cusana, Nr. 991, S. 691 (und vgl. Nr. 990). 278 279

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die Dekrete von Konstanz und Basel bezog282, sowie in der Politik Georgs Podiebrad (1467)283. Auch in der Theorie akzeptierten die Kanonisten die Bulle „Execrabilis“ nicht ohne Widerstand. Soweit zu Roselli und seiner Stellungnahme beim Streit Papst und Konzil. Im Vergleich zu ihm nahm Hinderbach eine unabhängige Position ein, die auch die Positiva in der Entwicklung in Basel zur Kenntnis nahm, wenn der schon erwähnte Einschub über die Legimität des Generalkonzils von ihm stammen sollte: „sicut forte modo est in facto“. Im Unterschied zu seinem Lehrer eignete er sich einige Reformdekrete des Konzils an, vor allem das „Sicut in construenda domo“; hier offensichtlich auf der Seite des Konzils betrachtet Hinderbach gerade die Entscheidung als „honestissima“, die Roselli in seinen allegationes für den Freising-Streit in Frage gestellt hatte, weil sie weder die Zustimmung des Papstes noch der Romana Sedes gefunden hätte: und das alles, um die größere Berechtigung des königlich-päpstlichen Kandidaten (Heinrich Schlick) zu rechtfertigen – der ganze Vorgang zeigt die Komplexität der jeweiligen Motivationen und Positionen. So konnte Hinderbach innerhalb der „natio Germanica“ eine durchaus konzilsfreundliche Haltung gegenüber Basel vor allem im Zusammenhang mit den sogenannten Reformdekreten einnehmen. Ein weitergehender Schluß, etwa eine deutliche adhaesio an die Konzilsväter, vor allem im späteren, ja bis zum Bruch gehenden Streit mit Eugen IV., wie bei anderen Mitstudenten, sind nicht belegt; Hinderbachs Aufzeichnungen als Bischof lassen Eugen IV. als „papa religiosissimus“ gegenüber einem „avarus et miser“ Amadeus von Savoyen erscheinen284. In seiner konzilsfreundlichen Haltung folgt er als Student, sicherlich auch altersbedingt, den Vorgaben seines verehrten Lehrers Roselli, doch könnte eine Grundhaltung auch in der Familientradition wurzeln, eng verbunden mit dem Namen Heinrich von Langenstein als „excellentissimus et famosissimus“ Vorfahr (so Hinderbach) 285; sein Andenken war an der Universität Wien höchst lebendig, wie schon der erwähnte Verweis auf die „Epistola pacis“ durch Thomas Ebendorfer zeigt, und anschaulich wiedergegeben durch die „tabulae pictae epitaffiorum“ – sie rühmten die prominentesten Theologen der Fakultät und eröffneten ihre Reihe mit dem Namen Heinrichs von Langenstein286. Zu diesen eher emotionalH.-J. Becker, Die Appellation, S. 346-352. Ebd., S. 352-353. 284 BCTn, (inc.) W 116, f. 246v. 285 BCTn, ms 1789, f. 229. 286 Die Akten der theologischen Fakultät, S. 140. Darüber hinaus ist noch ein späteres Zitat Hinderbachs vielsagend über den „precipuus ac famosus“ Magister aus Paris, „cuius auctoritas inter modernos et precipue apud ultramontanos in magna auctoritate et veneratione habetur“ (ASTn, APV, sez. latina, capsa 69, Nr. 110). Der Besitz von Langensteins Werken und andere handschriftliche Hinweise bestätigen, 282 283

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privaten Motiven können aber auch politische Überzeugungen treten, vor allem in Verbindung mit dem kaiserlichen Hof und seinen Protagonisten, wie sie etwa beim Freisinger Bischofsstreit augenscheinlich werden. Dabei bedarf Hinderbachs mögliche Vermittlerrolle zwischen Roselli und Friedrich III. noch weiterer Klärung, ebenso seine Beziehungen zum Bischof von Passau, Leonhard von Laiming. Das „monarchische“ Denken Der Einfluß Rosellis auf den jungen Hinderbach reichte über die Konzilsproblematik hinaus, in einer Gesamtbetrachtung zum geistigen Horizont Rosellis und zu seiner Lehrtätigkeit in Padua doch eher weniger vorrangig. Sein eigentliches Engagement galt der monarchischen Verfassung, eine ambitionierte Thematik, mit der er sich sein ganzes Leben beschäftigte und an der er nicht nur die Forschung, sondern auch seine Lehre ausrichtete. Durch die wie immer geartete Abordnung vom Königshof und in Anbetracht einer späteren Rückkehr nach Wien mußte Hinderbach diese Thematik besonders reizen, ja es darf angenommen werden, daß die Lehrmeinung Rosellis weit über die Studienjahre hinaus die politische Auffassung Hinderbachs beeinflußte. Im Folgenden sollen daher die Grundzüge von Rosellis Gedanken- und Lehrwelt nachgezeichnet werden. Die Vorlesungen waren, wie die Studienordnung vorsah, als Kommentare zu einzelnen Dekretalen angelegt. Praktisch lag ihnen aber der Text der „Monarchia“ zugrunde, nämlich der Gebrauch der einzelnen auctoritates, der Aufbau des Gesamtkonzepts und die Theoriebildung. Das Werk an sich bietet einige Verständnisprobleme, nicht nur wegen seiner komplizierten Struktur, sondern auch in seiner Beweisführung, die durch den scholastischen Schematismus auf Kosten der Aussageklarheit überfrachtet ist. Hier bleibt also nichts anderes übrig, als sich in Kürze mit der komplizierten Materie vertraut zu machen durch eine vom Stand der Forschung überholte, aber präzise und scharfsinnige Arbeit von Karla Eckermann und den schon erwähnten Studien von Burns und Weitz287. 1933 faßte Eckermann den Kern der „Monarchia“ wie folgt zusammen: Roselli „kämpft (…) für vollständige Unabhängigkeit der weltlichen von der geistlichen Gewalt und tritt zugleich mit großer Energie für ein absolutes zentralistisches Papsttum ein“288. Als Erbe einer Tradition der Legisten, das daß Hinderbach genaue Textkenntnisse bei Werken seines berühmten Verwandten besaß. 287 Th.A. Weitz, Der Traktat des Antonio Roselli, S. 49-59. Vgl. nun auch E. Isenmann, Der römisch-deutsche König, S. 15-19 und passim. 288 K. Eckermann, Studien zur Geschichte, S. 24-25.

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Bild des antiken Kaisers vor Augen, hätte Roselli eine „imperialistische“ Sichtweise gehabt, auch im Sinne einer Verteidigung der Unabhängigkeit der weltlichen Gewalt289 und unter beträchtlichem Kraftaufwand versucht, die Dekretalen mit „imperialistischen“ Gedankengängen in Einklang zu bringen. Der kraftvolle Zugriff und die komplizierte Struktur der Monarchie gingen überein mit der schon angedeuteten komplexen Persönlichkeit Rosellis: als Konsistorialadvokat las er das Decretum beim päpstlichen Generalstudium, verteidigte in Basel die Stellung Eugens IV. und erforschte noch kirchliche und weltliche Gewalt290. Aus der „Monarchia“ ergäbe sich ein klares Bild der Welt: „Die auf Erden lebende Menschheit ist als populus Romanus, das auch Kleriker zu seinen Gliedern zählt, soweit sie als Bürger dieser Welt handeln, geeint unter dem Weltkaiser. Obwohl diese Gemeinschaft noch Ecclesia Universalis heißt, ist es nicht mehr der Glaube, der sie alle verbindet; sondern die Bedingungen dieses irdischen Daseins, denen alle Menschen unterworfen sind und das Gebot des Kaisers schließen sie zusammen“291. Die Interpretation Frau Eckermanns (die im Jahre 1933 schrieb) wurde in ihrer Substanz von Burns übernommen, der sie aber im Gefolge der Arbeiten von Anthony Black weiterentwickelt und die korporative Tradition betont, die auch bei Roselli anzutreffen sei. Der absolute Anspruch Rosellis, der bei Eckermann vielleicht vor zeitgenössischem Hintergrund zugespitzt erscheint, „makes clear that monarchy is indeed, for Roselli, to be understood properly only in what we may call its corporate matrix“292. Die Grundgedanken der „Monarchia“ gingen auf besondere Weise in die Vorlesungen zum Kommentar des ersten Buches der Dekretalen ein. Sein Inhalt, speziell die berühmte Dekretale „Venerabilem“ (I.6.34), bot Roselli reiches Argumentationsmaterial für den ersten Teil seines opus magnum, nämlich „de potestate imperatoris ac papae“293 – es gab also eine Art Kreislauf Ebd., S. 32. Ebd., S. 73. Aber vgl. E. Isenmann, Der römisch-deutsche König, S. 60-61, nach dem eben „die kaiserliche Herrschaft juristisch durch das päpstliche Dekretalenrecht und die kanonistische Rechtswissenschaft fundiert ist“. 291 K. Eckermann, Studien zur Geschichte, S. 72. 292 J.H. Burns, Lordship, S. 108 ff. Davon abweichend die Interpretation von Cheneval, der aber in erster Linie die Danterezeption behandelt (oben, Anm. 266). Und vgl. Th.A. Weitz, Der Traktat des Antonio Roselli, S. 442-444: „Das Konzept von Repräsentation wird ohnehin bei Roselli nicht in stringenter und umfassender Weise zum Thema gemacht“. Die Erforschung des „korporativen“ Elements in Rosellis Gesamtwerk steht also noch weiter aus. 293 Vgl. die Herausgabe des ersten Teils des Traktats durch Perticone, die einzige moderne Edition mit Hinweis auf Zitate der Heiligen Schrift und der Kanones (Antonio Roselli, Monarchia, passim). 289 290

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zwischen den Rechtsquellen für den Traktat und dem Kommentar derselben Quellen für die Vorlesungen an der Universität, deren Interpretation durch das Gesamtkonzept der „Monarchia“ eingefärbt war. Als Roselli in Padua den zweiten Titel des ersten Buchs der Dekretalen über die Konstitutionen kommentierte, fand er sich unmittelbar mit einem delikaten Thema konfrontiert: der Gültigkeit der canones gegenüber den leges, also im weiten Sinne der Beziehung zwischen kirchlicher und weltlicher Gesetzgebung. Die Dekretale „Translato“ (I.2.3) führte die Übertragung des sacerdotium von Melchisedech über die Stämme Levi, Aron und Juda schließlich auf Christus an; diese Ableitung nahmen einige Interpreten zum Anlaß, die „potestas legis condende“ dem sacerdotium zuzuordnen, das folglich auch die potestas und die facultas, auf weltlichem Gebiet Gesetzte zu erlassen, erlangt habe. Diese Auffassung regt Roselli zu einer eigenen Stellungnahme an: die facultas zur weltlichen Gesetzgebung ist dem weltlichen Fürsten durch Gott überlassen worden, die potestas Christi war rein geistlich. Die Kirche besitze die Zwangsgewalt nur auf geistlichem Gebiet und nicht auf weltlichem, da der Kaiser die facultas zur Gesetzgebung vom römischen Volk erhalten habe, das ihm überhaupt jede Gewalt übertrüge294. Obwohl Antonio da Budrio, sein Lehrer, angenommen habe, daß diese Übertragung „per occupationem“ erfolgt sei, hielt Roselli sie für legitim, mit Verweis auf seine „Monarchia“295. In ihr stellt das römische Volk ein grundlegendes Element für die Theorie der kaiserliche Gewalt dar: die Verwaltung der Temporalien durch den Kaiser leite sich immediate von Gott ab, nicht vom Papst, und das Regierungsrecht gehe durch das römische Volk an den Kaiser über296. Dieser Translation hat Roselli den letzten Teil seines Werkes gewidmet und kommt zu dem Ergebnis, daß sie legitim gewesen sei 297. Das Translationsproblem und die Beziehung zwischen weltlicher und kirchlicher Gewalt298, die schon im Kommentar zur „Translato“ eigenes Profil gewonnen hatten, finden sich eingehend im Kommentar zur Dekretale „Venerabilem“ (I.6.34) über die Kaiserwahl299. Diese berühmte Dekretale wurde in der Folge ausführlich von den politischen Theoretikern des Spätmittelalters diskutiert, im Reich etwa von Lupold von Bebenburg BCTn, ms 1589, f. 23. Vgl. E. Isenmann, Der römisch-deutsche König, S. 27, Anm. 45. 295 In bezug auf das römische Volk und die Übertragung seiner Gewalten: BCTn, ms 1589, f. 58. 296 Goldast, S. 60-61, 110, 143 und passim. 297 Goldast, S. 555-556. 298 Über die translatio, P.D. van den Baar, Die kirchliche Lehre. 299 E. Friedberg, Corpus iuris canonici, II, XXXIV, S. 79-82. F. Kempf, Innozenz III., S. 78-82; J. Miethke, Die „Wahldekrete“, S. 94-96. 294

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(ca. 1300-1363)300 oder sogar von Dante, der in seiner „Monarchia“ (zwischen 1308/9 und 1312/13) eben jene skizzierten Hauptpunkte der „Venerabilem“ zurückgewiesen hatte: die Tatsache, daß der Papst das Imperium von den Griechen an die Germanen übertragen habe, ist seiner Meinung nach eine Usurpation, und „usurpatio non facit ius“301. Die Dekretale bot also vielfachen Diskussionsstoff: von der erwähnten Translationstheorie über die Beziehung zwischen Kaiser- und Papstgewalt bis hin zur juristischen Begründung des Wahlrechts der Fürsten. Genau diese Themen lagen dem jungen Hinderbach besonders am Herzen. Sein Interesse zeigt sich schon rein äußerlich an einer Vielzahl von Glossen und Einschüben bei seinen Studienaufzeichnungen, und in diesem Zusammenhang muß an die oben erwähnte Möglichkeit erinnert werden, daß Hinderbach in der Kanzlei Albrechts II. vor dem Wechsel nach Padua mit einem praktischen Wahlvorgang und dessen theoretischem Niederschlag in einem Königswahldekret befaßt war. In seinen Studienaufzeichnungen sind Kommentare Rosellis zur Dekretale „Venerabilem“ nicht erhalten, wohl aber eigene Überlegungen – die modica recollecta Rosellis, die recollecta Paolos d’Arezzo, des neben Roselli beschäftigten Lektors auf dem sogenannten zweiten Lehrstuhl für kirchliches Recht „de mane“302, schließlich dann die „plena lectura“ Francescos Zabarella303. Darüber läßt sich Hinderbach eingehend aus, wie direkte Zitate und der Vergleich mit dem Dekretalkommentar Zabarellas belegen, den er mit dem damals üblichen Kardinalsübernamen „Florentinus“ bezeichnet (Zabarella war zeitweilig Bischof am Arno)304. Aus seiner Arbeit an 300 Über Lupold von Bebenburg, Rechtsstudent in Bologna, Kanoniker in Würzburg, Mainz und Bamberg und Autor u.a. des Traktats „De iuribus regni et imperii Romanorum“ (Ende 1339-1340) vgl. u.a. E.L. Wittneben, Lupold von Bebenburg, S. 567586 (Literatur S. 568, Anm. 10-11). 301 K. Eckermann, Studien zur Geschichte, S. 80. Vgl. V. Russo, Impero e stato, S. 3334, Anm. 29 und S. 30-36, über den Begriff „ius“ und Dantes Politikverständnis. Vgl. auch J. Miethke, De potestate papae, S. 156-161. Zur Gesamtrezeption: F. Cheneval, Die Rezeption der Monarchie Dantes. 302 A. Belloni, Professori giuristi, S. 292-283. 303 Über den Kommentar zu den fünf Büchern der Dekretalen D. Girgensohn, Francesco Zabarella, S. 20 ff. 304 Von Zabarella übernimmt Hinderbach einige Einzelheiten, die auf den ersten Blick nicht so wichtig erscheinen, aber dazu kommen noch Anmerkungen, die in seine eigene historisierende Methode dialektisch eingingen: z.B. die Erinnerung an die Bronzetafel in S. Giovanni in Laterano, auf der die vom römischen Volk und vom Senat Vespasian übertragene potestas genau beschrieben wurde (die sogenannte „lex de imperio Vespasiani“, durch Cola di Rienzo wiederentdeckt; über die Bedeutung der lex bei Zabarellas vgl. D. Maffei, La donazione, S. 259). Für den Vergleich mit Zabarellas Kommentar habe ich die sich heute in der Biblioteca Capitolare von Padua befindende Cod. 22 herangezogen, nach D. Girgensohn die vollständigste Vorlage.

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„Venerabilem“, aus den Überlegungen in den recollecta zu Roselli und Paolo d’Arezzo, zu der „Glossa ordinaria“ und dem Dekretalenkommentar Zabarellas lassen sich sein Arbeitsstil, seine Aufnahmefähigkeit, aber auch mögliche Mißverständnisse einigermaßen nachvollziehen; sichtbar werden zudem gewisse ideologische Einfärbungen und politische Grundüberzeugungen. Nach der Dekretale „Venerabilem“, also der Auffassung der römischen Kurie, hatte der Apostolische Stuhl das Kaisertum von den Griechen auf die Germanen in der Person Karls des Großen übertragen, und zwar auf Grund des Versagens der Griechen bei der Verteidigung des Papsttums (gegenüber den Langobarden während der Völkerwanderung in Italien). Hinderbach übernimmt in einer Marginalie Zabarellas Kommentar, nach dem die Übertragung nicht an die Germanen, sondern an die Franken ging, er hält sich dabei weitgehend an den Bericht des Kardinals: danach seien die fränkischen Nachfolger Karls des Großen für 103 Jahre Kaiser bis zu Arnulf gewesen, dann hätte dieser dem Hilfegesuch Papst Leos VIII. gegen die Tyrannei Berengars nicht Folge geleistet, und der Papst hätte sich an den Herzog Otto von Sachsen gewendet, der daraufhin die Verteidigung der Kirche übernommen und als Otto I. die Kaiserkrone errungen hätte, die auf diese Weise bei den Germanen verblieben wäre305: „et sic remansit apud Germanos“306. Obwohl Hinderbach diese Argumentationskette genau verfolgt, ist er mit ihr nicht ganz einverstanden und vermerkt bei der Feststellung zum Verbleib des Kaisertums „apud Francigenas seu Gallicos“, daß Karl der Große eindeutig „teutonicus“307, also Deutscher, gewesen sei. Zusammen mit Zabarella ist Hinderbach hingegen mißtrauisch gegenüber der etymologischen Herleitung des deutschen Glossatoren in Bologna, Johannes Teutonicus († 1246), der die Bezeichnung „Germanen“ aus dem „germen BCPd, cod. C 22, f. 212. BCTn, ms 1589, f. 243. 307 BCTn, ms 1589, f. 243: „falsum est quod quidam opinantur imperium primo fuisse apud Francigenas seu Gallicos, quia arguunt ex eo quod Karolus Magnus fuit francigena, sed falsum est, ymo teothonicus fuit (folgt Io. Hin. cogitabis, später herausradiert). Reperi in lectura cardinalis Florentini Francisci de Zabarellis contrarium eius quod dixi, scilicet quod prius fuit apud Francos quam apud Germanos, dicit enim quod Karolus et sui successores in regno Francie fuerunt imperatores“. Enea Silvio drückte dieselbe Überzeugung aus: Hinderbach entging der entsprechende Passus nicht und er versah ihn mit einem vertikalen Hinweis, dazu noch mit einer manicula und einem nota! (BCTn, ms W 785, f. 49v: „Carolus enim, quamvis Gallie potiretur imperio, germanus tamen fuit“). Er blieb bei dieser Überzeugung, auch im Alter und nach eingehender Lektüre: BCTn, inc. 424 (J. 1474), l. XXIII, cap. 175: „Nota hic quod Carolus Magnus lingua sua propria et materna theothonicus fuit, non gallicus aut latinus, ut dicunt Francigene, et false“. Über Karl den Großen als Deutschen in der Geschichtsschreibung des Humanismus, C. Brühl, Deutschland – Frankreich, S. 3943. 305 306

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nobile“ ableitet308. Ebenfalls in Übereinstimmung mit Zabarella beobachtet er, daß die geistlichen Kurfürsten auch gleichzeitig weltliche Fürsten waren, da sie ein „dominium temporale“ besaßen, und er folgt auch dem Kardinal, für den das Kurfürstenkolleg schon nach dem Tod Ottos III. voll funktionsfähig gewesen sei309. Dieselbe Meinung besteht in der Frage, nach der die Übertragung des Imperiums von den Griechen an die Germanen durch deren Verdienst erfolgte. Wie Zabarella erwähnt er auch die Ermahnung an die Deutschen: „Paßt auf, daß Ihr das imperium durch Eure ignavia (Untätigkeit) verliert!“ – die Kritik zielt auf die angeblich passive Haltung des Reichs während des ja dreißig Jahre andauernden Großen Abendländischen Schismas310; diese abschließende Beobachtung läßt Hinderbach freilich einfach weg: für ihn war sie weder zutreffend noch in irgendeiner Weise vordringlich, denn gerade bei dem gegenwärtigen (Basler) Schisma wußte er ja um die Bemühungen der Kaiser und Könige um eine Beilegung. Bei der Translationstheorie selbst läßt sich nicht sagen, ob Hinderbach wortwörtlich Zabarella folgte oder anderen Quellen, z.B. der „Glossa ordinaria“. Mit Zabarella weist er aber die Chronologie der „Glossa“ zurück (er vermutet einen Kopistenirrtum), bezieht sich auf Gottfried von Trani († 1245) und auf das „Speculum Historiale“ des Vinzenz von Beauvais (zitiert dabei das falsche Buch), in dem auch das Martyrium Papst Stephans erscheint311. Die Übertragung des Kaisertums ist für Hinderbach eine schwerwiegende Handlung. Er referiert ohne Autorenschaft eine Meinung, nach der die Translation wegen des Versagens der Griechen stattgefunden habe: sie wären 308 BCTn, ms 1589, f. 243: „Idem dicit glo. Iohannis XXXIIII dis. Quorundam, qui et causam assignat quare Germani dicuntur, dicit enim quod ideo quia vere germen sit nobile“. Am Rand vermerkt Hinderbach: „sed dicunt alii aliarum nacionum quod ideo dixit quia ipsemet theothunicus fuit, tunc suspectus in hac lau(de) habendus, secundum cardinalem Florentinum“ und wirklich schreibt Zabarella: „(…) dicuntur Germani, idest nobile germen: XXXIIII dis. Quorundam in glo. prima, posset tamen dici quod Io., quia Germanus, est suspectus in hac laude“ (BCPd, cod. C 22, f. 212). 309 BCTn, ms 1589, f. 243: „mediante translacione facta eis evenit illud ius, quia cum iam translatum esset in eos, tractaverunt de conservando ulterius imperio apud se, puta per viam eleccionis, et ex omnibus et de placito omnium translata fuit potestas eligendi in illos VI a principio“. Hinderbach am Rand: „et dicit hic cardinalis Florentinus quod id factum fuit primo Ottone tercio mortuo“. Zabarella hatte geschrieben: „sicuti tamen legitur in ystoriis, constitutio istorum non fuit facta tempore translationis imperii facte a Grecis, sed postea, mortuo Ottone tercio (…)“ aus der BCPd, cod. C 22, f. 213v. Über das Kurfürstenkolleg E. Schubert, Kurfürsten, S. 1581-1582; H.C. Faussner, Die Thronerhebung, W. Becker, Der Kurfürstenrat, besonders S. 23-32; F.-R. Erkens, Kurfüstern und Königswahl; A. Wolf, Die Entstehung des Kurfürstenkollegs (vgl. die Rezension von D.C. Jackman in: Francia, 27/1, 2000, S. 345-347). 310 BCPd, cod. C 22, f. 213: „caveant ne ignavia perdant in qua nimium no(ta)ti sunt, permittentes scisma in ecclesia fere per XXX annos“. 311 BCTn, ms 1589, f. 243.

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Schismatiker geworden, weil sie Rom nicht als „suprema sedis universalis“ anerkennen wollten, gleichzeitig aber schließt er die Möglichkeit nicht aus, daß die Kausalität auch umgekehrt verlaufen sein könnte, daß also die Griechen Schismatiker geworden seien, weil der Apostolische Stuhl ihnen das Imperium abgesprochen hätte312. Diese angestrengte Deutung zeigt den besonderen Stellenwert, den bei ihm das Nachdenken über kaiserliche Gewalt einnimmt und von dem später noch die Rede sein wird. Dabei beschäftigt er sich vor allem mit dem Grund, durch den ein ganzes Volk der Kaisergewalt verlustig gehen konnte: er stellt Überlegungen an, daß bei den Griechen die Übertragung des Kaisertitels „per successionem“, also durch Erbfolge, geschah, und daß der Papst gar keine Möglichkeit zum Eingriff besaß wie im Abendland nach der Dekretale „Venerabilem“, wo er sogar einen Kaiser absetzen konnte, in der Hoffnung, daß der Nachfolger das erfüllen würde, was der Abgesetzte nicht ausführen wollte. Hinderbach betrachtet also die päpstliche Intervention unter einem ‚modernen‘ Gesichtspunkt, d.h. als einzig mögliches technisches Mittel für einen Eingriff bei der Übertragung kaiserlicher Gewalt; zu seinen Lebzeiten, d.h. des Imperiums bei den deutschen Kaisern/Königen, stelle sich die Notwendigkeit einer Translation nicht mehr: weder rechtfertige das Versagen einer einzelnen Person eine Translation, denn bei Renitenz eines Kaisers sollten die deutschen Fürsten tätig werden313. Der Student Hinderbach scheint also mit einer gewissen Subsidiarität des Papstes („remedium uti“) einverstanden zu sein, allerdings bei vollem Bewußtsein für die Reichsrechte. Diese Ansicht wird durch die Wiederaufnahme einiger Beobachtungen Zabarellas untermauert: der Kardinal hatte bei der Absetzung geäußert, daß die Kurfürsten dieses Recht besaßen und zwar durch Übertragung vom römischen Volk, das ja vorher dieses Recht besessen hatte, etwa am Beispiel Neros314. Mit Zabarella bestätigt Hinderbach weiter die Abfolge von den Römern auf den Kaiser, mit dem Umkehrschluß: „Qui dat, auffert vel aufferre potest“, und erinnert noch daran, daß das römische Volk dem Kaiser diese Vollmacht nicht ohne Einschränkung übergeben habe, sondern „sub certis capitulis“315. Die Diskussion verlagert sich also von der translatio auf Bedeutung und Qualität der Wahl. 312 BCTn, ms 1589, f. 243: „sed contrarium credo, cum huiusmodi scisma ex predicta causa scilicet translacionis quasi in modum vindicte secutum sit, nescio“. 313 BCTn, ms 1589, f. 243: „(…) credo quod hodie papa ab Alamanis imperium transferre non potest in aliam gentem etiam propter talem causam, ob quam a Grecis transtulit in eosdem, racione diversitatis, quia, cum tunc imperium esset ex successione, non erat locus remedio quo hodie prius uti posset papa, puta deposicione imperatoris pro tempore existentis, quo deposito et alio electo forte ille subveniret et faceret quod alius non fecit, nec esset dignum ut culpa unius esset aliis in detrimentum, ymo si imperator requisitus nollet, credo requirendos principes Alamanie. Cogitabis“. 314 BCPd, cod. C 22, ff. 213v-214. 315 BCTn, ms 1589, f. 243.

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Einer der Zentralpunkte der Dekretale besteht in der Stellung des Papsttums bei der Wahl des römischen Königs. Die Kurie entwickelt die Ableitung des Wahlrechts der Fürsten vom Papst, der es ihnen nach der Translation des Imperiums von den Griechen an die Germanen zugestanden habe. Aber während die Dekretale ausführt: „ad eos ius et potestas huiusmodi ab apostolica sede pervenerit“, unterstrich Roselli nach den Notizen Hinderbachs, daß die Übertragung nicht immediate geschah und zwar, weil der Apostolische Stuhl das Recht dazu niemals besessen habe und es so auch nicht weitergeben konnte, sondern mediate, also mittelbar, weil das Wahlrecht an die Wähler ging, „mediante translatione facta“. Für Roselli hat also das Papsttum nur eine instrumentale, vermittelnde Funktion: „Nota hic quod huiusmodi potestas et ius eligendi quod habent eis venit a sede apostolica, ex hoc quod // transtulit imperium de Grecis in Germanis in personam Karoli magni. Non intelligas immediate, quia papa nunquam hoc ius habuit ergo nec alteri dare potuit, de qu(estion)e dis. IIII Quomodo, sed mediate, quia mediante translacione facta eis evenit illud ius (…)“316.

So genau die These Rosellis, fast wörtlich aus dem V. Teil der „Monarchia“317. Die Vorstellung, daß dem Papsttum kein wirkliches Recht zustände, kehrt noch in einem anderen Teil des Werkes wieder; dort interpretiert er auf andere und gewagte Art, aber ähnlich einschränkend, die Übertragung des Wahlrechts „durch die Kirche“ (die Dekretale sagt aber „durch den Apostolischen Stuhl“) auf die Wähler: „ab ecclesia (ut de elect. venerabilem) id est ab universali collegio fidelium et sic a populo romano“318. Gerade an dieser Stelle läßt sich der große Unterschied zwischen Roselli und Zabarella feststellen. In seinem Kommentar geht der Kardinal anstelle der Diskussion über die direkte oder indirekte Translation mehr auf das presertim am Anfang (der Dekretale) ein – das Recht gebührt „vor allem“ den Fürsten, weil es vom Apostolischen Stuhl herkommt –, dabei gesteht er dem Papst eine Wächter- und Garantenrolle zu: „nota de dictione presertim et dic: ,idest maxime‘, de excep c. I, ubi dico et est sensus littere quod papa recognoscit hoc ius spectare ad principes maxime quia provenit eis ab ecclesia, quasi dicat quod papa hoc debet tueri“319.

Den Unterschied zwischen den beiden Kommentatoren ergibt sich auch aus dem summarium der Dekretale; wie Hinderbach beobachtet, verkürzt Roselli: „electus imperator a maiori parte illorum ad quos spectat ius eligendi, 316 317 318 319

BCTn, ms 1589, f. 243. Vgl. K. Eckermann, Studien zur Geschichte, S. 81-82. Goldast, S. 279, 32-33. BCPd, cod. C 22, f. 212.

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si ydoneus fuerit, per papam confirmabitur secundum Io. An.“320. Zabarella hingegen geht mehr in die Einzelheiten: „Electio imperatoris ex concessione sedis apostolice et antiqua consuetudine spectat ad principes germanos et electio facta per eorum partem maiorem, ceteris contemptis, tenet et ad papam pertinet electum examinare inungere consecrare et coronare si est dignus vel reicere si est indignus (videlicet) quia sacrilegus excomunicatus tyrannus fatuus hereticus paganus periurius vel ecclesie persecutor“321.

Mit dieser Ausarbeitung ordnet sich Zabarella in die Reihe anderer, eher weitschweifiger Kommentatoren ein, die Hinderbach en bloc zusammenfaßt: „Alii sic: electi in imperatorem examinacio, si ydoneus sit, ad papam spectat, quod, si talis reperiatur, eum confirmat, coronat et inungit, alias repellit. Sed isti sunt nimis acc(er)tati nec summant decretalem in necessariis et principalibus punctis sicud ille quem supra dedi“322.

Danach meint er, daß das Prüfungsrecht des Papstes zusammen mit der Krönung und der Weihe nicht „zu den wichtigsten Punkten“ der Dekretale zähle, und dieser Ausgangspunkt ist schon der erste Hinweis auf seine ungefähre Blickrichtung. Er übernimmt Rosellis Erklärungsmodell zur ‚Vermittlung‘ der Übertragung, d.h. das Papsttum rein instrumental verstanden, trotzdem sieht er sie nicht in ihrer vollen ideologischen Bedeutung, sondern er versteht sie eher temporal, im Sinne einer zeitlichen Verschiebung, und tatsächlich fügt er dem Kommentar Rosellis die Beobachtung an, daß „nach“ der Übertragung an die Germanen, „cum iam translatum esset“, die Diskussion über die Trägerschaft des Imperiums einsetzte und „dann“ die Entscheidung erfolgte, die potestas eligendi an sechs Kurfürsten zu übertragen323. Hinderbach übernimmt nicht Zabarellas notabile zum presertim, sondern bringt ein gewichtiges notabile, das sich auf „recognoscimus ut debemus“ bezieht. Der betreffende Passus der Dekretale lautet: 320 BCTn, ms 1589, f. 240, nach meiner Lesart bezieht sich der genannte doctor auf Roselli. 321 BCPd, cod. C 22, f. 212. 322 BCTn, ms 1589, f. 240. 323 „Non intelligas immediate, quia ipsa (scil. sedis apostolica) nunquam hoc ius habuit, ergo nec alteri dare potuit (…) sed mediate, quia mediante translacione facta eis evenit illud ius, quia cum iam translatum esset in eos, tractaverunt de conservando ulterius imperio apud se, puta per viam eleccionis, tunc ex omnibus et de placito (et dicit hoc card. Flo., quia id factum fuit primo Ottone tercio morto)(a) omnium translata fuit potestas eligendi in illos VI a principio, ita credo ad eos pervenisse. In hoc tamen esset vidend(um) historias“; (a) von et dicit am Rand (BCTn, ms 1589, f. 243). Vgl. damit Zabarella: „sicuti tamen legitur in ystoriis, institutio istorum non fuit facta tempore translationis imperii facte a Grecis, sed postea, morto Ottone tercio (…)“ (BCPd, cod. C 22, f. 213).

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„Verum illis principibus ius et potestatem eligendi regem, in imperatorem postmodum promovendum, recognoscimus, ut debemus, ad quos de iure ac antiqua consuetudine noscitur pertinere; presertim, quum ad eos ius et potestas huiusmodi ab apostolica sede pervenerit, quae Romanum imperium in personam magnifici Caroli a Graecis transtulit in Germanos“.

Dagegen lautet das notabile im genauen Wortlaut, möglicherweise Hinderbachs eigene Auffassung: „Nota ibi ,recognoscimus ut debemus‘, quia etiam summum pontificem decet (am Rand: ymo tenetur et debet ut hic dicitur) iura aliorum recognoscere et sibi non usurpare, sed forte non semper faciunt, presertim (respectu) iurium imperialium et temporalium, usurpant enim et usurpare querunt sibi et ecclesie Romane superioritatem etiam in temporalibus ad quosdam reges imperio de iure subiectos, ymo eis occasionem dant rebellandi et non recognoscendi imperium sicud etiam fit in quibusdam communitatibus Ytalie. Ecce, hic convincuntur propriis codicibus! Io. Hin.“324.

Nicht eindeutig ersichtlich ist, ob das gesamte notabile zu „recognoscimus ut debemus“ von Hinderbach stammt oder nur der letzte Ausruf der Zufriedenheit: „Ecce, hic convincuntur propriis codicibus!“. Wie dem auch sei, Hinderbachs Meinung ist klar: die Päpste müssen die kaiserlichen Rechte „recognoscere“. Er stellt sogar darüber hinaus die eigene Überzeugung mit einer kleinen Marginalie zum „decet“ des notabile heraus: an der Stelle, wo es heißt, „summum pontificem decet iura aliorum recognoscere et sibi non usurpare“, postilliert Hinderbach: „ymo tenetur et debet, ut hic dicitur“325. Wenig später geht er auf die Konsekration des Elekten durch den Papst ein. Entgegen vielfacher Meinung, der Kaiser würde während der Zeremonie durch die lectio des Evangeliums den Weihegrad des Subdiakons erhalten326, weiß Hinderbach genau, daß der Kaiser damit nicht zum Kleriker wird327. Diese Beobachtung sticht hervor, weil sie die Qualität des päpstlichen Eingreifens nach der Wahl angeht: die Dekretale benutzt den Terminus „konsekrieren“ („inungimus, consecramus et coronamus“), doch der Kaiser liest nur aus Gewohnheit und Privileg das Evangelium, tritt dabei in der Funktion des Diakons auf. Zabarella ist derselben Ansicht: beim König spräche man unzutreffend von Konsekration, doch nur ein Bischof würde konsekriert, während ein König geweiht würde („consecrare, ungere“). Auch Roselli stellt in der Monarchia klar, daß dabei nicht gemeint ist eine „consecratio“, BCTn, ms 1589, f. 243. „Ymo tenetur et debet ut hic dicitur“ (BCTn, ms 1589, f. 243). 326 Goldast, S. 244. So ähnlich auch Zabarella in der folgenden Anmerkung. 327 Hinderbach nimmt hier Zabarella auf, der gleich lautet: „verum tamen est quod quondam imperatores vocabantur pontifices XX dis. de capitulis et dis. sequenti c. cleros“ (BCTn, ms 1589, f. 244). Zabarella hatte gesagt: „tamen olim imperatores vocabantur pontifices XX di. de capitulis XXI di. cleros“ (BCPd, cod. C 22, f. 212v). 324 325

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sondern die „unctio“328, die nicht mit Chrisma vorgenommen wird329 und so keine Abhängigkeit des Kaisers vom Papst begründet. Nach Hinderbachs Aufzeichnungen bestreitet Roselli die Auffassung zur Folge der Konsekration, daß „die Ausübung der weltlichen Macht durch den Papst übertragen werde“: „volunt quidam notare ex hoc textu quod potestas imperatoris dependeat a papatu et quod ipse administracionema gladii temporalis recipiat a papa, sed non est verum nec probat iste textus, ymo imperialis potestas est immediate a Deo (…), ymo est textus clarus in oppositum in c. Solite de maio. et obe. ubi dicitur quod imperator precellit in temporalibus, sed pontifex in spiritualibus et ex auctoritate inde inducta, scilicet ,Fecit Deus duo luminaria magna etc.‘ dicit, ut inde dicitur secundum d. Anthonium Rosell(um)“330.

„Non est verum nec probat iste textus, ymo imperialis potestas est immediate a Deo“: dieser Passus gibt Rosellis Überzeugung in einem wichtigen Punkt wieder, nämlich der Begründung des Absolutheitsanspruchs der Kaisergewalt. Er betont seine Meinung zur Ableitung unmittelbar von Gott, also die Gleichwertigkeit in der herausragenden Stellung des Kaisers bei den „Temporalien“ und des Papstes bei den „Spiritualien“ mit wörtlichem Bezug auf die vielzitierte Bibelstelle des Alten Testaments, Genesis 1, 16: „fecit duo luminaria magna (…)“331. Bei der Lektüre Zabarellas findet Hinderbach die genau entgegengesetzte Meinung. „Das Kaisertum soll sich von Gott ableiten, weil jede Macht von Gott herkommt, wie jede andere Sache. Auch in der Frage der Superiorität des Papsttums gegenüber dem Kaisertum äußern sich viele, darunter einige mit der Meinung, das Kaisertum sei dem Papsttum unterworfen, andere hingegen meinen, daß sich das Imperium unmittelbar von Gott herleite, wie zuletzt Dante in seiner ‚Monarchia‘ und Marsilius von Padua, ‚egregius doctor pagine‘. Er entschied sich für Ludwig den Bayern, gegen den die Kirche einen Prozeß anstrengte, und verfaßte zwei Bücher, in denen er zu beweisen versuchte, daß die potestas coactiva, nämlich diejenige mit Gewalt und mit Waffen, nicht dem Papsttum, sondern dem Kaisertum eigen sei, auch in geistlichen Dingen. Aber was auch immer Marsilius schrieb, die Rechtgläubigen richteten und richten sich weiter nach der Lehre, die die canones vorgaben, nämlich, daß das Kaisertum dem Papsttum unterworfen sei, in dem Sinne zu verstehen, wie die von mir gebraucht Termini im Kapitel ‚Novit‘“332. a

am Rand: et exercitium.

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Goldast, S. 112-113 mit Bezug genau auf diese Dekretale „Venerabilem“, und

S. 115. 329 In den recollecta Hinderbachs und in der „Monarchia“ Rosellis Verweis auf dieselbe Dekretale „De sacra unctione“ (de sa. unc. c. I). 330 BCTn, ms 1589, f. 244. Mein Kursivdruck. 331 Ebenso in der „Monarchia“: Goldast, S. 7. 332 BCPd, cod. C 22, f. 212v.

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Zabarella führt dann weiter noch philosophische Meinungen an und erinnert, daß ähnlich wie die Intellektualität der Sensitivität übergeordnet sei, so die „potestas spiritualis“ der „temporalis“, die in sich unvollkommen bliebe. Diesen Teil von Zabarellas lectura, der Rosellis Auffassung entgegensteht, übergeht Hinderbach ganz, und nur eine kleine Marginalie läßt eine Lektüre vermuten333. Den Unterschied macht das „immediate“, das für Roselli und so auch für Hinderbach entscheidend ist. Das Übergehen von Zabarellas Kommentar erscheint in diesem Falle höchst charakteristisch, weil er den Mittelpunkt von Rosellis Gedankengang trifft und gerade der ist auch für Hinderbach von Bedeutung: in einem notabile zu einer anderen lectura, nämlich der Jacopo Zocchis zum IV. Buch der Dekretalen, nach dem derjenige, der keine höhere Macht anerkennt, sich aus freien Stücken der Jurisdiktion eines anderen unterwerfen kann – und das in bezug auf den König von Frankreich –, weist Hinderbach jeden Anspruch auf Unabhängigkeit vom Kaiser zurück und bekräftigt die Ableitung der Kaisermacht direkt von Gott, mit genauem Rekurs auf Roselli: beide gehen davon aus, daß (…) ,immediate imperator recognoscat temporalitates a Deo‘. Dazu vermerkt Hinderbach ausdrücklich, daß diese Anschauung auf Roselli zurückgehe: „opinionem (…) quam ego teneo, Io. Hindernpach, tenet doctor meus d. Anto. Rosellus“334. Hinderbach läßt auch andere Teile von Zabarellas lectura aus: in der für ihn charakteristischen Manier übergeht er den Passus, der aus der Konstantinischen Schenkung schließt, daß der Papst theoretisch „in Rom, allen westlichen Provinzen und in Italien die weltliche Macht habe, in actu et exercicio, auch wenn dem jetzt nicht mehr so sei“335 (danach kann sich also der Papst in die Geschäfte des Kaisertums einmischen). In einer anderen Schlußfolgerung stimmt er geflissentlich mit Zabarella überein, wenn der Kardinal die Konstantinische Schenkung dahingehend auslegt, daß er ihre Wirkung einschränkt und zwar als nicht auf den gesamten Erdkreis bezogen336. Zur schon genannten fehlerhaften Interpretation des Terminus „Konsekration“ mit dem Subdiakonsstatus des Kaisers macht Hinderbach in seiner Kollation einen Verweis auf die „Glossa ordinaria“, danach erhält der Kaiser nicht eine kirchliche Weihestufe, sondern den „character militaris“. Möglicherweise stammt diese Beobachtung aus den recollecta bei Roselli, der in der „Monarchia“ ähnlich wie in der Glosse mit Bezug auf c. 3 di. 63 Valentinianus bekräftigt, daß der Kaiser nicht einen geistlichen ordo empfängt, 333 Diese Anmerkung stammt möglicherweise von Hinderbach selbst: danach hat die Ableitung von Gott keine besondere Bedeutung, insofern als sowieso alles in Gott seinen Ursprung hat (BCTn, ms 1589, f. 244). 334 BCTn, ms 1561, f. 74. 335 BCPd, cod. C 22, f. 213v. 336 BCTn, ms 1589, f. 243.

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sondern den „character militaris“337. Diese Folgerung Rosellis stellt zusammen mit anderen in den Augen von Eckermann die „Säkularisierung“ von Kaisertum und Kaiser durch Roselli dar, ein Vorgang, der auch durch die Entstehung der italienischen Prinzipate in der Renaissance beeinflußt sei. Im Unterschied zu weiteren Theoretikern, die eher aus einer konziliaristischen Position heraus dem Kaiser eher religiöse Züge beimessen wollten, würde Roselli einem anderen Traditionsstrang zuzurechnen sein, dem der Legisten, die, wenn sie von Kaiser sprächen, immer den Kaiser des Altertums vor Augen gehabt hätten. Diese Stellung lasse sich nicht von einer religiösen Funktion ableiten, sondern von der lex regia, d.h. von einer freien Willensäußerung des Volkes, das in seine Hände (eben die des Kaisers) alle Macht gelegt habe. Unter diesem Gesichtspunkt sei die Kaiseridee eines Dietrich von Niem338 viel näher an der historischen Deutung des mittelalterlichen Kaisertums als die überwiegend theoretische Auffassung des Juristen Roselli339. Wenn Roselli so zu interpretieren ist, folgt Hinderbach ihm nicht bis in die letzte Konsequenz, sondern hält sich eher an Zabarellas lectura. Auch dieser spricht zusammen mit Giovanni d’Ancarano dem Kaiser einen kirchlichen ordo ab, bezieht sich vielmehr auf c. 3 di. 63 Valentinianus und betont die irrige Auffassung des Terminus „Konsekration“. Zabarella weist aber noch darauf hin, daß in früher Zeit die Kaiser als pontifices bezeichnet wurden, eine Beobachtung, die Hinderbach übernimmt. Auch in einem anderen Punkt verhält er sich gegenüber der Kaisermacht traditioneller, „mittelalterlicher“, weniger „säkular“ und römisch als Roselli: die sogenannten „crimina notoria“, z.B. die öffentliche Exkommunikation, stellen ein Hindernis für die Übernahme einer weltlichen Würde dar, was auch für das Kaisertum gelte. Nach Hinderbach sei der Grund darin zu suchen, daß der Kaiserwürde, wie auch Giovanni d’Ancarano beobachtet, „aliquod spiritualitatis“ innewohne und gerade durch unctio, coronatio und Teilnahme am Gottesdienst340: genau das führt Roselli nicht aus. Eckermann hält noch ein anderes Element als grundlegend für Rosellis „säkularisierte Konzeption“ der Kaisermacht, das aber bei Hinderbach keine 337 Goldast, S. 530, 39-43. Vgl. BCTn, ms 1589, f. 244: „dicit glo. quod non recipit ordinem, sed karactherem militarem“. 338 Zu Dietrich von Niem 1370-1418, abreviator und scriptor in der Kanzlei der römischen Päpste, des Konzils von Pisa und in Konstanz Vertreter weitreichender Reformen, J. Leuschner, Dietrich von Nieheim, S. 140-144 und der „Klassiker“ H. Heimpel, Dietrich von Niem. 339 K. Eckermann, Studien zur Geschichte, S. 71-72. 340 „Racio huius de excomunicacione respectu imperialis dignitatis esse potest hec secundum Io. An., quia huic aliquod spiritualitatis est annexum, puta inunctio et coronatio, et etiam ingessio ad divinum officium ut supra dixi in verbo ,consecratur‘“ (BCTn, ms 1589, f. 247).

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adäquate Berücksichtigung findet: der Papst habe kein ius eligendi und für die Person des Kandidaten komme ihm nur zu Prüfung, Approbation und Konfirmation341. Nach Meinung der „Monarchia“ darf der Papst dem Kandidaten die Zustimmung nicht verweigern, wenn er glaubenstreu, weder exkommuniziert noch sacrilegus sei; er, der Papst, könne nur feststellen, ob der Kandidat kirchentreu, Mitglied der Gemeinde und zur Ausübung der Würde fähig sei. Diese approbatio sei im strengen Sinne nur eine bloße Zustimmung342, und so treffe die Vorschrift der „Venerabilem“ zu: „reputat ipsum idoneum, nominat et denunciat“; die Dekretale sage nicht: „eligit vel confirmat“343. Genauso lautet die Zusammenfassung bei Hinderbach: „Electus a principibus illis qui de iure et antiqua conswetudine potestatem habent eligendi regem, in imperatorem postea promovendum, vel maiori eorum parte a papa examinatur. Et si ydoneus reperiatur, puta non sacrilegus, non excommmunicatus, non tirannus, non fatuus, non hereticus vel paganus, eum inungere et coronare tenetur“344.

Hinderbach nimmt diese Position ein, er korrigiert z.B. ein „confirmaretur“, das ihm aus der Feder rutscht, in ein „inungeretur et coronaretur“345; bei der Untersuchung des Kandidaten durch den Papst („a papa examinatur“) vermerkt er am Rande, daß nicht gesagt werde: „durch den Papst konfirmiert“, wie die Anderen sagen, aus dem Grund, weil keine Erwähnung eines Bestätigungsgesuchs vorliege. Aber er macht doch eine Einschränkung: der Terminus Konfirmation trifft nicht genau die Wirklichkeit, denn die Praxis verlaufe so, wie Zabarella ausführt, nämlich unctio und coronatio haben den Wert einer „confirmatio“ („vis confirmationis“). „non dico ,confirmatur‘ sicud alii dicunt summando illud capitulum (…) pluribus racionibus, prima et precipua quod hic nulla fit mencio de confirmacione petenda per electum ad imperium a papa, ergo nec ego dicam. Hoc tamen verum est, sicud dicit cardinalis Florentinus d. Franciscus Zabarella doctor famosissimus, quod unctio et consecracioa habent vim confirmacionis et sunt eius loco“346. a

coronacio über der Zeile.

K. Eckermann, Studien zur Geschichte, S. 86, Goldast, S. 278. Goldast, S. 278, 43. Das Adverb improprie erscheint auch im „Venerabilem“Kommentar, vgl. BCTn, ms 1589, f. 244: „et ex hoc quod dicit quod papa eum consecrat multi arguunt et ita tenent quod in huiusmodi consecracione recipiat ordinem subdiaconalem (…) sed hoc non est verum, et verbum ,consecratur‘ ponitur hic improprie pro benediccione, sicud etiam dicitur quod virgines consecrantur et episcopi, non tamen recipiunt ordinem sacrum vel non sacrum (…)“. Auch hier wird Zabarella wiederaufgenommen (BCPd, cod. C 22, f. 212). 343 Goldast, S. 278, 44. 344 BCTn, ms 1589, f. 239. 345 BCTn, ms 1589, f. 244. 346 BCTn, ms 1589, f. 239. Wenig später f. 246, wo davon die Rede ist, daß der Papst nicht Otto von Braunschweig „konfirmiert“, bezieht sich Hinderbach auf eben 341 342

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Bei der „vis confirmationis“ scheint Hinderbach die Interpretation Zabarellas zu übernehmen, doch nicht sinngemäß und folgerichtig den klaren Unterschied zwischen Prüfung/Approbation und Konfirmation, der bei Roselli anzutreffen ist. Umsomehr, als er die Bedeutungslosigkeit einer speziellen confirmatio beobachtet, deutlich unterschieden von der incoronatio und der unctio, denn der Papst „bestätigt“ beim Krönungsakt und erklärt durch die approbatio, daß der Kandidat konsekriert und gekrönt wird. Und Zabarella beeinflußt ihn weiter: die Kurfürsten können den Kandidaten vor der Krönung (in Rom) ohne weiteres absetzen, während sie nach der Kaiserkrönung die Zustimmung des Papstes aufgrund seines ministeriums als coronator, unctor und consecrator brauchen oder wenigstens seinen „tacitus consensus“347. Ein weiteres Beispiel für Hinderbachs eher eklektisches Vorgehen: nach Roselli ist die päpstliche Approbation keine Konfirmation im strikten Sinn des kanonischen Rechts, d.h. sie überträgt dem Konfirmierten nicht die „potestas administrandi“348; der Kandidat empfängt sein Amt nur durch die Wahl349, die in sich zusammen mit dem Konsens durch den Kandidaten ausschlaggebend ist350. Die Auffassung, daß sich die vollen kaiserlichen Rechte nur aus der Wahl herleiteten, war unter den Zeitgenossen und ihren Vorgängern weit verbreitet, so z.B. in der „Glossa ordinaria“, bei Marsilius, Ockham, Nikolaus von Kues, aber auch bei einem „Papalisten“ wie Pietro dal Monte (1404-1457)351. Von daher verwundet nicht, diese Auffassung auch in den recollecta Hinderbachs zu finden: der Elekt übernimmt den Titel unmittelbar nach der Annahme der Wahl. jene Postille: „Quod verum credo per ea que supra dixi in quadam apostilla summarii huius capituli que incipit: ,non dico confirmatur‘, ubi dico quod non est opus speciali confirmacione alia a coronacione et inunccione, ymo coronando confirmat et hoc approbando non confirmat, sed consecrandum esse declarat, quia coronandus. Io. Hin.“. 347 BCTn, ms 1589, f. 243. 348 Goldast, S. 278, 44-45: „confirmatio fit, ut in confirmatum potestas transeat administrandi“; vgl. BCTn, ms 1589, f. 244: „volunt quidam notare ex hoc textu quod potestas imperatoris dependeat a papatu et quod ipse administracionem (am Rand et exercitium) gladii temporalis recipiat a papa, sed non est verum nec probat iste textus, ymo imperialis potestas est immediate a Deo (…)“. 349 Goldast, S. 278, 46: „potestas administrandi in principem transit in ipsum ex sola electione“. 350 Goldast, S. 335, 20: „et quia electus debet suae electioni consentire, quia ante consensum praestitum non habet potestatem, quia ante praestitum consensum non dicitur electus sed nominatus“ (Roselli spricht hier von der Papstwahl, Eckermann bezieht den Passus auf die Kaiserwahl). 351 Zu diesem Kanonisten bleibt grundlegend J. Haller, Piero da Monte, vgl. aber zuletzt R. Ricciardi, Del Monte, Pietro, S. 141-146 und D. Quaglioni, Pietro del Monte.

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„utrum autem eo ipso quod electus est dicatur rexa, videtur (quod non) ante primam coronacionem, tamen contrarium servatur in usu, quia statim post consensum prestitum scribunt se reges romanorum semper augustos nec est simile in episcopo, qui ante quam consecretur scribit se electum, non autem episcopum, quia ad esse episcopum hoc requiritur, scilicet qu(aliter) consecratus, sed hoc non requiritur ad esse regem, quia dignitas regalis non confertur per consecracionem primo, sed statimb post electionem et consensum. Cogita“352.

Auch in dieser Auffassung folgt Hinderbach der Meinung Rosellis nicht bis in die letzte Konsequenz bei Wahl und Konsens im Zusammenhang mit der Krönung. Am Rand zitiert er zustimmend seinen Lehrer, der nach Ansicht Cinos da Pistoia und Giacomos d’Arena ausführt, daß der erwählte König der Römer alles könne („omnia possit“) wie ein gekrönter Kaiser und durch die Wahl zum Herrn der Welt würde. Gleichwohl drückt Hinderbach an der Stelle, wo der Text versichert, daß die Königswürde nicht durch die Konsekration übertragen, sondern nach Wahl und Zustimmung angenommen wird, einige Zweifel aus und zwar in bezug auf die anderen Könige, die – wenn ungekrönt und ungeweiht – sich nicht als solche nennen und bezeichnet werden dürfen353. Also bleibt er bei einer Beobachtung eher formalistischer Natur, die den Kern von Rosellis Auffassung verfehlt. „Imperialis celsitudo“: Begeisterung und Hingabe Bis hierher wurde Hinderbachs Versuch verfolgt, die Meinungen einzelner auctoritates zu rezipieren und zu verarbeiten; dabei sammelte er im Eigenstudium eher die gängigen Lehrmeinungen, als daß er sie bis in die letzte Konsequenz geistig durchdringt. Trotz dieser Mängel formierte sich wohl in dieser Zeit seine grundlegende Auffassung vom Imperium und dessen Beziehung zum Papsttum und zu anderen Mächten, Frankreich und den italienischen Prinzipaten. Gerade auf dieser theoretischen Grundlage beruhte seine spätere Tätigkeit im Dienst Friedrichs III.: noch im reifen Alter gedenkt er des Imperiums mit warmer Anteilnahme – „unseres Reiches“, römischen Ursprungs, das in ihm ein Gefühl von Identität und Zugehörigkeit in Abgrenzung gegenüber dem Schreckensreich des „Sultans von Babylon“ erweckt354. Von daher soll im folgenden über die bisherigen a b

am Rand: et se regem vocare et rex nominari possit. korrigiert aus quod.

BCTn, ms 1589, f. 242. „Forte hec vera non sunt, ideo quere de eis, quia utique in aliis regibus hoc servatur quod, si non sint coronati et uncti, non dicuntur vel appellantur reges“ (BCTn, ms 1589, f. 242). 354 Zum Text, der die Fortdauer des Römischen Imperiums „usque in fi nem mundi“ propagiert, postilliert Hinderbach: „Iam dudum imperio ablatum est nostro, 352 353

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Einzelbeobachtungen hinausgegangen werden, bis hin zu Hinderbachs Grundauffassung der Kaisergewalt, wie sie sich insgesamt aus seinen recollecta ablesen läßt. Ausgangspunkt ist wiederum Rosellis lectura, die Hinderbach ja verfolgt und kommentiert. Über die Unabhängigkeit der beiden Bereiche, geistlich und weltlich, sind Rosellis und Hinderbachs Stellungnahmen schon angetönt worden: der Kaiser ist nur in seiner Eigenschaft als „filius ecclesie“ durch die canones gebunden, wenn der Papst in geistlichen Dingen entscheidet, hat aber in den weltlichen die größte Unabhängigkeit, und die canones üben keinen Zwang aus. Andererseits bindet die kaiserliche Gesetzgebung weder den Papst noch die Kleriker; der Papst ist aber, wie jeder andere Mensch auch, „subiectus legi divine et naturali“355. Der erste Teil dieser Grundlegung ist von Hinderbach durch ein vertikales Merkzeichen kenntlich gemacht, dazu mit manicula und „illud est notabile“ versehen. Der zweite Teil ist durch einen kleinen Asteriskus verdeutlicht und ein „vide infra“, unter Verweis auf eine lange Textpassage, die ausführlich auf eine Bemerkung Antonios da Budrio eingeht. Roselli unterstreicht, daß der Papst einige Personen „ab imperio“ ausnehmen kann, weil diese nicht durch die kaiserliche Gesetzgebung gebunden sind, sondern allein durch den Umstand, daß sie Kleriker seien; als Laien jedoch könnten sie nicht „kopflos“ sein und auch nicht den Papst als ihren Oberen ansehen, „denn der darf nicht und kann nicht die kaiserliche Gesetzgebung oder die Besitzstände des Kaisers usurpieren“. Auch hier rahmt Hinderbach den ganzen Passus ein, verweist mit einer manicula und kommentiert zusammenfassend: „quod papa non potest laicos eximere a subiectione imperatoris“. Rosellis Position wird in den folgenden Zeilen noch deutlicher: „Auch bisher unbekannte Völker sind der kaiserlichen Gesetzgebung unterworfen“. Um diese Meinung zu stützen, führt er verschiedene Gründe an: nach einem, gehen alle Christen davon aus, daß der Kaiser orbis dominus sei; so anerkennen sie ihn als solchen „secundum fidem“; auch wenn sie ihm in weltlichen Dingen nicht gehorchten, wären sie ihm, als dominus, doch unterworfen, „cum ipsi hoc modo dicantur de Romano populo“. Rosellis folgert hoc est Romano, sed est sub imperio Sarracenorum ac Machometarum seu Soldani Babilonis, peccatis nostris exigentibus“: BCTn, ms W 3129, f. 6v. 355 BCTn, ms 1589, f. 17: „(…) hoc quod g(losa) dicit de imperatore intellige quod non ligatur sua lege, tamen bene ligatur a canone quando papa disponit in sibi subiecta materia universaliter, quia etiam ipse est filius ecclesie et de ovili ecclesie, sed in temporalibus et non spectantibus ad papam non ligatur canone papali, e contra autem papa non ligatur legibus imperatoris etiam in temporalibus nec clerici, //quia ipsi tamquam filii summi Dei et m(y)lites (das erste y wahrscheinlich korrigiert aus i) in omni regno liberi sunt nisi se sponte papa eis subiciat ut II q. VII Nos incompetenter. Papa tamen et quilibet alius est subiectus legi divine et naturali XXXII q. II c. An quid, et nota de usu super eo (…)“ (die zitierten canones sind je c. 41, C. II, q. VII und c. 2, C. XXXIII, q. 2).

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am Schluß, daß jeder Christ ohne Ausnahme an die Gesetze des Römischen Imperiums gebunden sei, außer den Klerikern. Die Feinde des Imperiums oder diejenigen, die als solche erkannt werden, seien nicht durch die kaiserlichen Gesetze gebunden, nicht weil der Kaiser nicht die Macht hätte, auch ihnen gegenüber seine Ansprüche durchzusetzen, sondern nur, weil unwahrscheinlich sei, daß der Kaiser selbst darauf Anspruch erhebt. Hier wird die ‚absolute‘ Kaisergewalt in der Gesetzgebung umschrieben, eine Gewalt, die keine Aufteilung hinnimmt, weil sie sonst in ihrer Universalnatur beeinträchtigt würde – in der lectura vielleicht mit einem größeren Nachdruck als in der „Monarchia“ herausgestellt356. Auch in dieser Hinsicht sind Rosellis Übernahmen von seinem opus magnum während seiner Lehrtätigkeit vielfacher Natur: sie reichen von der Grundidee bis hin zu ganz besonderen Einzelheiten, z.B. bei der Jurisdiktion, die nicht aufgesplittert werden darf, über die unbegrenzte Ausweitung der kaiserlichen Zwangsgewalt auch auf Heiden und Juden, schließlich auf die Gleichsetzung des christlichen mit dem römischen Volk. Im Vergleich zur „Monarchia“ drückt sich Roselli bei seinen Vorlesungen konkreter und genauer aus in bezug auf die Völker, die Freiheit durch ein Privileg beanspruchen, wie die Venezianer, oder durch eine Schenkung von Seite der Kirche: auch solche sind der kaiserlichen Gesetzgebung verpflichtet, wenn der Kaiser Verfügungen nach seiner Gewalt erläßt, die nicht denen der Völker, die ihm unterworfen seien, widersprechen, weil die kaiserlichen Gesetze approbiert sind „generali approbatione“. Dasselbe gilt für Städte mit dem Anspruch, durch einen Vertrag mit dem Kaiser frei zu sein: auch sie seien an seine Gesetze gebunden357. Diese monistische und universalistische Logik läßt ihrem ganzen Wesen nach keinen Raum für wirklich konkurrierende legislative Gewalten – denn dort fällt ius mit der potestas zusammen. So verwundert nicht, daß Hinderbach den ganzen Passus hervorhebt, dort eine manicula zeichnet und am Rand kommentiert: „notabile dictum lectoris infra, per totum“. Das war natürlich Musik in seinen Ohren. Wo sonst ließ sich die Umschreibung der Kaisermacht so prägnant formuliert wiederfinden, dieser Macht, die nun (endgültig) beim Geschlecht der Habsburger lag und in ihm einen so treuen Anhänger finden sollte? Die vorgegebene Linie war klar, und als Hinderbach wenige Monate später mitten in der Kollation der Vorlesungen Rosellis, Paolos d’Arezzo und anderer schließlich zur Dekretale „Venerabilem“ kam, sah er sich in zwei Punkten mit demselben Thema konfrontiert, vor allem mit der notwendigen Respektierung der kaiserlichen und weltlichen Rechte, eine Aufgabe, der die 356 357

E. Isenmann, Der römisch-deutsche König, besonders S. 15-19. BCTn, ms 1589, f. 19.

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Päpste in Italien oft nicht gerecht wurden, die sie aber nach Hinderbachs Auffassung ganz im Gegenteil wirklich einhalten sollten358. Ähnlich lag der Fall in der „Monarchia“, wo Roselli beklagte, daß unter dem Vorwand der Freiheit (die verschiedene Päpste ausgenutzt hätten) viele versuchten, sich vom Kaiser zu entfernen, und zwar bis zu einem Punkt, daß nur noch ganz wenige im gegenwärtigen Italien mit dem sacrum imperium verbunden seien durch ein echtes Treueverhältnis359. An zweiter Stelle ging Hinderbach darauf ein, „was die kaiserliche Gewalt nun sei, was ihr Herrschaftsbereich und wer ihr unterstände“360. Nach einer Glosse, die auch von Zabarella aufgenommen wurde, sind alle Könige, Nationen und Provinzen der kaiserlichen Jurisdiktion unterworfen, da der Kaiser „dominus mundi“ sei; trotzdem würden viele ihn als solchen nicht anerkennen, ganz im Gegenteil: jede Hütte und jede Stadt beanspruche die Herrschaft für sich und bekämpfe das Imperium auf gleicher Augenhöhe. Diesem eher allgemeinen Überblick fügt Hinderbach eine festumrissene Beobachtung seines Lektors hinzu, in diesem Fall Paolo d’Arezzo: auch das verehrungswürdige Venedig erkenne das Imperium nicht an. Hier nun läßt sich bei Hinderbach ein lapsus beobachten, der schon als freudianisch bezeichnet werden kann: das „non“ ist zuerst vergessen, dann aber später oberhalb der Zeile eingefügt worden, gleichsam um seine Überzeugung zu demonstrieren, daß Venedig das Kaisertum anerkennen solle, ja müsse. Aber dem war, wie er aus eigener historischen Kenntnis und Erfahrung wußte, in der Gegenwart nicht so. Daraufhin zeigt er seine ganze Verachtung gegenüber der Lagunenstadt und läßt sich zur folgenden Invektive hinreißen: Venedig „,confundatur cum suis Venetis superbissimis!‘ Ich (hier spricht weiter Hinderbach) würde mich freuen, wenn ihre Überheblichkeit eines Tages Schiffbruch erleiden und sie mit Mann und Maus im Meer versinken würden!“ Wie zur Bestätigung dieses vernichtenden Urteils setzt er noch seinen Namenszug darunter. Ähnliches Unheil wünscht Hinderbach den Florentinern als „pessimis sodomitis“, seine Abneigung wurde durch diese Zuschreibung einer sexuellen Perversion noch gesteigert; den Bürgern der Stadt am Arno wird jenes Untergangsszenario zugedacht, mit dem die Sodomiten gewöhnlich bestraft wurden: „Oh! Daß sie doch durch Feuer verbrannt würden!“ („utinam igne cremati existerent!“). Diese beiden düsteren Visionen steigert Hinderbach zum Schluß noch, indem er nun ganz allgemein Tod und Verderben allen Widersachen der „monarchia mundi“ verheißt: unzähligen anderen außerhalb der Weltmonarchie umherstreifend, die in Vgl. oben, S. 86. Goldast, S. 111. 360 BCTn, ms 1589, f. 250: „que sit potestas imperatoris et quod sit eius domineum, qui sub eo sint“. 358 359

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ihrer Überheblichkeit die Gerechtigkeit zurückweisen und ihre Tollheit als Klugheit erachten („superbiam eorum reputantes iusticiam et insaniam eorum existimantes prudenciam“)361. Hinderbachs Einstellung gegen die Feinde „seines“ Kaisers wird klar: das Imperium war sein Ideal und Idol. Dabei nährte sich seine Begeisterung eher von Stereotypen, z.B. der Homosexualität in Florenz362, dazu von politischen Überzeugungen und auch gefühlsbetonten Elementen. Für ihn blieb Italien fester Bestandteil des Imperiums, eine Überzeugung, die auch durch frühere Aufzeichnungen bestätigt wird: von seinen auctoritates hatte er übernommen, daß der einmal verhängte Bann sich auf das Territorium bezog, über das ein Herr seine Jurisdiktion ausübte, d.h. auch über ein Territorium, das nicht sein eigenes war und trotzdem ihm zugeschrieben wurde „ratione iurisdictionis“; daraus leitete Hinderbach ab, daß „der Kaiser dominus Italie genannt wird, weil ganz Italien seiner Jurisdiktion unterworfen ist, obwohl er dort wenige domicilia habe“363. 361 BCTn, ms 1589, f. 250: „confundatur cum suis Venetis superbissimis! Letarer illum intueri diem quo ipsorum elata superbia naufragium marinum pateretur soloque equarentur ipsorum lares et undis. Ioh. Hin. Idem dic(a)tur in Florentinis, pessimis sodomitis, utinam igne cremati exsisterent sicud digne mererentur, et infiniti alii qui extra mundi monarchiam fagantur (sic! der deutschsprachige Hinderbach benutzt hier das stimmlose Labiodentale f gegenüber dem stimmhaften Labiodentale v), superbiam eorum reputantes iust(ici)am et insaniam eorum existimantes prudenciam! Audiatur Bartholums iuris lumen in l. Hostes de captivis in ff. (D. 49, 15, 24) dicentem omnem non recognoscentem imperatorem suum superiorem in temporalibus et papam in spiritualibus hereticum existimandum! (Bartolus a Saxoferrato, In Secundam, ad l. Hostes, De captivis, f. 228, Nr. 7). Negant enim ordinatam Dei potenciam in terris constitutam, ymo barbari reputandi sunt, quia se extra Romanum imperium ponunt et eius hostes sunt ex eo quod debitam ei obedientiam exhibere denegant ac contempnunt et de hoc videtur esse glo. singularissima nota digna in prohemio Insti(tucionum), in verbo: Barbarice gentis (I, 1, Prooemium), hic etiam veniret bene utrum, spacio tanti temporis cuius contrarii vel inicii memoria non existit, aliqui possunt se pretendere exemptos a iurisdicione imperiali vel presumpsisse iura imperii, puta leges condende, exercendi merum et mixtum imperium, legitimandi et imponendi nova pedagia vel vectigalia etcetera, sed reverso ad alia loca (…)“. 362 Über Homosexualität und ihre Zuschreibung an die Florentiner ab dem 14. Jahrhundert vgl. B.-U. Hergemöller, Sodom und Gomorrha, S. 25 und 75, wo auch der deutsche Begriff „florentzen“ für den homosexuellen Geschlechtsverkehr belegt ist (ein weiterer Nachweis aus dem Jahre 1471 in Regensburg ebd., S. 52), vgl. die Belege: H. Fischer, Schwäbisches Wörterbuch, Bd. 2, Sp. 1581 und Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 3, Sp. 587. Zu Florenz als Hochburg der „Sodomiten“, M. Rocke, Forbidden. Zur Deutung der „Sodomie“ und zur „Politics of Sodomy“ im deutschsprachigen Spätmittelalter H. Puff, Sodomy, S. 2-14, 17 ff. 363 BCTn, ms 1589, f. 159: „(…) Nota quod potest subici tota terra alicuius domini interdicto, quo casu veniunt etiam terre adherentes eidem et que sub eius iurisdicione sunt, licet proprie scilicet eius non sint (am Rand: sed forte baronum terre illius), ut hic sentit glo., racione enim iurisdicionis dicitur sua, sic enim imperator dicitur

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Die lectura der Dekretalen gab Hinderbach so Gelegenheit, die Eingriffe der Päpste und die Widerspenstigkeit der italienischen Städte anzuprangern. Die vermeintlichen Usurpationen der kaiserlichen Rechte, vor allem durch die „superbissimi Veneti“, verletzten permanent seine Empfindlichkeit, auch später, als er nicht mehr Student in Padua war. Das zeigt eine sich inhaltlich verschärfende Reihe von Glossen, mit der er noch als Fünfundsechzigjähriger auf die eindeutig venedigfreundliche Stellungnahme des Chronisten Foresti aus Bergamo reagiert: am Rande des Chroniktextes (1483) vermerkt Hinderbach zuerst, daß der Autor den Venezianern und ihrem politischen System schmeichelt. Dann kritisiert er die Anwendung des Terminus „imperium“ bei ihrem Herrschaftsbereich („quis imperat vel quale imperium?)364; wo Foresti vom Zepter des Universalimperiums spricht, das der Senat in Venedig dem Colleoni überreicht habe, beobachtet Hinderbach, daß der Autor „auch hier übertreibt“ und schließlich bricht es bei der Lektüre der Termini „imperium“ und „imperatoria maiestas“, die von den Venezianern ausgeübt werden, aus ihm heraus: „Im Namen des Teufels, der Kerl vergewaltigt den Titel!“365. Diese markante Abfolge belegt, wie Hinderbach bis in seine alten Tage durch Vernunft und Gefühl mit der Kaiseridee verbunden war. Dabei fügen sich zusammen das Leben bei Hof, die politische Begeisterung und die „Lehrzeit“ bei Roselli zu einer Idee, der Kaiseridee; sie führt den Kaiser vor als „dominus mundi“ mit dem Anspruch zur Allgemeingültigkeit seiner Gesetze, die auch durch die Päpste im Bereich der Temporalien zu beachten sind. Nicht zufällig weicht Hinderbach gerade in der schon besprochenen Atmosphäre des Venerabilem-Kommentars von der gewohnten Pedanterie ab und verfaßt ein mit Herzblut geschriebenes Preisgedicht auf den gerade verstorbenen König der Römer Albrecht II. von Habsburg. Beim Tod des jungen Königs am 27. Oktober 1439 studierte Hinderbach noch in Wien und war möglicherweise schon durch die erwähnten Gönner in Verbindung zur Kanzlei getreten; und gerade in Wien sollten die sterblichen Überreste Albrechts beigesetzt werden (die dann aber doch nach Stuhlweissenburg [Székesfehérvár] überführt wurden). Hinderbach konnte dann auch bestätigen, daß der König nicht, wie vielfach behauptet, an Gift gestorben wäre, sondern dahingerafft wurde „morbo dissenterie in exercitu contra Turchos contracto“366; dazu erinnerte er sich an die öffentliche Trauer beim Tod des dominus Italie quia tota Ytalia est de iurisdicione ipsius quamvis pauca in ea habeat domicilia secundum Phi.“. 364 BCTn, inc. 391, l. VIII, f. 60v. Die Inkunabel datiert von 1483. 365 BCTn, inc. 391, l. XII, f. 178. Über die Charakterisierung des Bartolomeo Colleoni, A. Krümmel, Das „Supplementum Cronicarum“, S. 270 und vgl. S. 263. 366 BCTn, inc. 391, f. 166 (von Hinderbach in den letzten Lebensjahren postilliert). Über den Vergiftungsverdacht bei den schlesischen Chronisten („Annales Glogovienses“, „Catalogus abbatum Saganensium“), aber auch bei den „Annales

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allseits beliebten Königs367. Das Panegyricum entstand freilich etwas später, zwischen 1440 und 1442, beim Studium in Padua368: dort nun Hinderbachs Gefühlsausbruch, eine Mischung aus Erinnerung an die Heimat, Treue zur Habsburgerdynastie und Verehrung für die „imperialis celsitudo“ – der Leser sieht förmlich vor seinem geistigen Auge den Kaiseradler in großer Höhe seine weiten Kreise ziehen. „Qua etiam de re longis temporibus stetit ut ullus de dicta domo Austrie Romanum imperium optinere potuit nisi tandem ille toto terrarum orbe famosissimus princeps Albertusa, cuius laudes et merita, probitas atque fama illud repagulum e mediob sustuleruntc. Adeo enim concordi eleccione illud adeptus est ut nec aliquis illud immeritus excepcionis obicere visus sit quin pocius omnes de minimo ad maximum contentissimi exstiterunt, et non immeritod. Non enim huice similis erat sub lunari globo qui sacrum Romanum imperium adeo reparare posse speraretur quemadmodum ipse, hic virtuosissimus Dei cultor, iustissimus rei publice dispensator, mitissimus in omni populo apparuit, fortissimus hostium persecutor atque tocius ordinis clericalis amicissimus dilector, hic inimicorum fidei capitalis inimicus et qu(in) amplius in eo omnis bonitas copiosissime habundat et gracia Altissimi toti orbi in eo resplenduit. Sed nu(mina)rum pater eum de tempore iniquo eripi(ens) mundo eum abstulit, quia eum in mundo coinquinari noluit vel forte mundus presencialiter existens nusquam eum merebatur habere, quo sic patrato alius eiusdem illustrissime prosapie princeps ad idem sacrum imperium eligiturf. Nec ideo existimet aliquis aut // opinetur quod pro eo modernum nostrum monarchie mundialis principem Fridericumg inutilem seu indignum ad huius imperialis fastigii Forolivienses“ vgl. RI, 12, 1178a. Der Tod an Dissenterie erscheint glaubwürdiger und auch in der Historia Australis des Enea Silvio erwähnt. a

korrigiert aus Alberthus. am Rand mit Einschubzeichen: „vel dic quod sublatum erat id obstaculum in concilio Constanciensi ad instanciam Sigismundi regis Romanorum sui generis et littere proscriptionis huiusmodi combuste fuerunt et lacerate de mandato concilii, ita audivi factum exstitisse, nescio si verum sit“. c erunt über der Zeile korrigiert aus it. d ab et am Rand mit Einschubzeichen. e wiederholt am Anfang der neuen Zeile. f hier folgen zehneinhalb getilgte Zeilen; getilgt auch eine manicula und am Rand eingeschoben: „quamvis priori dissimilis“. g am Rand mit Einschubzeichen: „quottus sit hoc nomine nescio, interroga“, folgt aus späterer Hand: „quartus, computato Friderico alio de Austria qui cum imperatore Lud(ew)ico Bavarie in peticione a[…] concurrebat, sed in bello succubuit, tercius vero coronatus Romanorum rex et imperator“. b

367 BCTn, ms W 3225, f. 55v. Thomas Ebendorfer hielt in Wien die offizielle Traueransprache, als auch Hinderbach dort studierte. Über die verschiedenen Zeremonien in einzelnen Städten des Reichs, etwa Frankfurt und Nürnberg, vgl. RI, 12, 1178a. 368 Friedrich III. erscheint mit dem Titel electus. Die Wahl erfolgte am 2. Februar 1440, die Krönung zum König in Aachen am 17. Juni desselben Jahres. Von daher ist eine ungefähre Datierung der Hs. BCTn, ms 1589 möglich.

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culmen gubernandum existimaverim, ymo non alium quenquam adeo precipuum principem inveniri nostris temporibusa posse arbitratus sum et veraciter apud me ipsum perswasum accepi. Quis enim tanta gloria, sapiencia ac maturitate, tantis operibus et diviciis tantaque animi magnitudine nunc pollere princeps alius cernitur, quantis iste noster gloriosus electus? Ullum certe existimo. Quod autem dixi ipsum priori nostro Albertho minime assimilari posse, regia maiestas non egre sufferat nec quisquam dedigne(tur) audivisse, (quoniam) etsi de eo solo parumpar exemplificaverim, idem tamen et de quibusdam aliis mundi principibusb intelligi volebamc. Ipse noster invictissimus electus adhuc in sue iuventutis flored existere dignoscitur; sperandum est ut, omnibus in eo viciosis apparentibus eiectis, in dies bonitatis omnis decorem induatur, pro quo summe nobis Altissimus exorandum este. Hec de questione nostra supra proposita sufficiant, in cuius elucidacione preter intencionem aliquantulum extravagatus sum. Id ipsum, lector, incredibili affeccione, quam recolende in e(ternum) memorie dicto Albertho gessi, gero ac quoad vivam gestare non desinam ac illustrissime prosapie ducalis domus Austrie asscripturus“f 369.

Das Panegyricum, eines der vielen zur Würdigung des verehrten Königs370, krönt die erste Phase von Hinderbachs Leben, das sich bis dahin ganz im Kreis von Herzogs- und Königsdienst bewegt, einschließlich der Vorbereitung an zwei Universitäten mit „königsnahen“ Gelehrten. Die Verehrung für die Habsburger vertiefte sich in seinem Studium zu den geistigen Grundlagen der „monarchischen“ Gewalt – von daher die Einbeziehung des Panegyricums in die recollecta. Sein Schluß spiegelt gleichsam die Erregung und Begeisterung des jugendlichen Hinderbach wieder: „Id ipsum, lector, incredibili affeccione, quam recolende in e(ternum) memorie dicto Albertho gessi, gero ac quoad vivam gestare non desinam ac illustrissime prosapie ducalis domus Austrie asscripturus“ – ein Treuebekenntnis und politisches Programm für die Zukunft.

a

zwei Wörter getilgt. eine Zeile getilgt. c halbe Zeile getilgt. d am Rand ohne genauen Verweis im Text: „iuxta illud: ,Renovabitur ut aquile iuventus sua‘ (Ps 102,5) que vere aquila, hoc est imperialis celsitudo (Hs cestitudo) est que per aquilam altius ceteris celi volatilibus (ab ceteris am Rand mit Einschubzeichen) volantem (volantantem aus an getilgt) designatur“. e Io. Hin. Rasur. f Io. Hindernpach Rasur. b

BCTn, ms 1589, ff. 248v-249. A. Lhotsky, Quellenkunde, S. 342-344 und RI, 12, Nr. 1778a; vgl. W. Wostry, König Albrecht II., S. 142. Zur Leichenfeier in Regensburg: F. Fuchs, Exequien für die Kaiserin Eleonore, S. 460, Anm. 34. 369 370

II. Am Hof Kaiser Friedrichs III. 1. Der Berufsdiplomat Karrierebeginn Die erste sichere Nachricht über einen offiziellen Auftrag Hinderbachs erscheint am Ende des Jahres 1448 und Anfang 1449: eine Gesandtschaft nach Mailand unter der Führung Harttungs von Kappel1. Nachdem Filippo Maria Visconti 1447 ohne Erben verstorben war, hatte Friedrich III. versucht, das Herzogtum Mailand als erledigt einzuziehen. In seinem Auftrag waren im Herbst 1447 der Kanzler Kaspar Schlick und Enea Silvio Piccolomini, gerade zum Bischof von Triest erhoben, nach Italien gegangen; ihre Gesandtschaft hatte aber kein Ergebnis erzielt. Auch Hinderbach und Harttung von Kappel waren in ihren Bemühungen erfolglos geblieben: sie hatten zwar den Maggior Consiglio einberufen, doch die beiden konnten nur zur Befolgung der kaiserlichen Oberhoheit auffordern, ohne auf diesen Appell eine eindeutige Antwort zu erlangen.

Die Tatsache, daß eine so schwierige und delikate Mission an einen noch jungen und unerfahrenen Mann ging, zeigt, daß Hinderbach schon damals eine gewisse Rückendeckung am Hof gehabt haben muß: wobei nicht ganz klar ist, wem darin die führende Rolle zuzuschreiben ist. Für eine stärkere Bindung Hinderbachs an den Hof in dieser Zeit und eine Bewährung auf dieser Mission spricht auch noch der Umstand, daß Hinderbach genau im Jahr der Mailandgesandtschaft, 1449, eine Pfründe im engeren geographischen Umkreis von Wien erhielt: die Pfarrei in Mödling2. Diese Pfründe garantierte ihm eine Einkommenssteigerung und wurde einer päpstlichen Verfügung 1 Zur Reichspolitik gegenüber Mailand vgl. zuletzt Chr. Reinle, Ulrich Riederer, mit Literatur. 2 Weitere bibliographische Angaben in der folgenden Anmerkung. In einer eigenhändigen Postille nach der Mitte der Sechziger Jahre verbindet Hinderbach Mödling mit Matelica (Provinz Macerata), das er zusammen mit Fabriano bei Flavio Biondo zitiert fand und nutzt die Gelegenheit dazu, die Umstände der Kollation von Mödling durch Nikolaus V. in Erinnerung zu bringen, der sich damals in der Gegend von Fabriano aufhielt: „hec Metelicha synonima est nostre, que in Australibus olim Ostregothis sive Orientalibus Theothonibus est sita, haud longe ab urbe Wienna, in qua titulum plebatus a Nicolao papa quinto in illis ipsis partibus Fabriani (über der Zeile) tunc agenti, idest ad annum salutis 1449 proximo ante iubileum anno, assequti fuimus, Nicolao Volrad abbreviatore apostolico tunc (urbe folgt gestrichen) curiam Romanam sequenti obeunte et Fulginati sepulto in conventu fratrum minorum, an Deus sit misertus (sancta) pietate! Ioh. Hind.“ (ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 58).

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verdankt, die ihm der Bischof von Chiemsee, Sylvester Pflieger (1438-1454), verschafft hatte, seit 1445 Kanzler der österreichischen Kanzlei, in der möglicherweise der junge Hinderbach seine ersten Schritte in Königsnähe absolviert hatte. Am 17. Dezember 1449 richtete er an Papst Nikolaus V. eine Supplik, um die Bestätigung für die Kollation mit der Pfarrei Mödling zu erlangen; kurze Zeit später ließ er sich zum Priester weihen und feierte eben in jener Pfarrkirche am 7. September des folgenden Jahres die Primiz. Mit Sicherheit residierte er auch einige Zeit lang in Mödling und versah dort den praktischen Pfarrdienst, wie er später selbst nach eigener Auskunft feststellte 3. Doch die Seelsorgearbeit entfremdete ihn nicht dem Königsdienst4, denn um dieselbe Zeit ist er am Hof als secretarius belegt5. Bisher fehlt eine systematische Aufarbeitung dieser frühen Jahre, aber Einzelheiten aus Enea Silvios Briefsammlung6 und weitere Quellen zeigen die Bedeutung seiner Aufgaben in der „informellen Hierarchie des Hofes“7. Seine einflußreiche Stellung zeigt sich aus den Beziehungen zwischen Wiener Neustadt und den oberitalienischen Zentren Mailand und Venedig: genaue Belege liefern die Berichte des mailändischen Gesandten Sceva da Corte von 1451 und die Ereignisse um den Romzug Friedrichs III. vom folgenden Jahr. Nachdem sich Francesco Sforza endgültig im März 1450 im Herzogtum Mailand durchgesetzt hatte, versuchte er die Bestätigung seiner Herrschaft vom römischen König in Wien zu erlangen, deshalb schickte er ab dem 5. Dezember desselben Jahres seinen Gesandten Sceva da Corte über die Alpen, um sich erstmals bei Friedrich III. dafür zu entschuldigen, daß er dem König mit Verzögerung den 3 Hinderbach belegt seinen Aufenthalt und seine Tätigkeit als Pfarrer durch eine Anmerkung in einer heute verschollenen Hs., aber durch von Hoffmann-Wellenhof am Ende des 19. Jahrhunderts festgehalten (V. von Hofmann-Wellenhof, Leben und Schriften, S. 215, Anm. 6). 4 1455 ist Hinderbach in Wiener Neustadt Beisitzer des Reichshofgerichts zusammen mit Ulrich Sonnenberger und Harttung von Kappel („der rechten gelertten“): J. Lechner, Reichshofgericht, Nr. 67, S. 139. 5 Der Titel erscheint wenigstens seit 1449 in der Supplik für die Provision der Pfarrei Mödling: Rep. Germ., Nik. V., Nr. 3064. Vgl. BCTn, inc. 2, f. 165: Hinderbachs eigene Notiz verzeichnet ihn selbst 1452 als Sekretär des Kaisers und der Kaiserin. Zum Titel secretarius, A. Kraus, Secretarius, S. 52. Zur Übertragung des Titels auf die Kanzleinotare ebd., S. 72; P. Moraw, Gelehrte Juristen, S. 144, Anm. 229. Auch Ulrich Riederer besaß den Titel, vgl. Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 453 und jetzt P.-J. Heinig, Kaiser Friedrich III., S. 169-170 zum nicht eindeutigen Wortgebrauch des secretarius, zwischen Schreiber und Kanzler im diplomatischen Dienst, also vergleichbar mit dem consiliarius. 6 Zum Verhältnis Enea Silvio-Hinderbach, vgl. unten, S. 151 f. 7 Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 258.

II. Am Hof Kaiser Friedrichs III.

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nötigen Lehnseid leisten könne und die Belehnung mit dem Herzogtum Mailand und den Grafschaften Pavia und Angera verhandeln wollte; dazu kam noch das Angebot einer Offensiv- und Defensivliga mit dem König. Sceva da Corte kam kurz nach der Jahreswende 1450/51 am 10. Januar in Wiener Neustadt an und versuchte sofort mit Jakob Johann de Castro Romano Verbindung aufzunehmen, dem Leibarzt Friedrichs III.8. Er knüpfte aber auch den Kontakt zu fünf Ratgebern des Herrschers an, den „bedeutendsten der in Wiener Neustadt anwesenden Räte“9, unter ihnen auch Hinderbach. Das Quintett bestätigte Sceva in guter Aussicht für seine Aufträge, möglicherweise, um finanzielle Belohnung dafür zu kassieren10. Und tatsächlich wurde der Gesandte in Begleitung des Leibarztes schon drei Tage später zu einer Audienz empfangen; aber trotz einer langen Rede und einnehmender Haltung des Königs konnte er nicht unmittelbar seine Ziele erreichen. In einem Vieraugengespräch nach der offiziellen Audienz kündigte Sceva eine zweite Gesandtschaft an, die nun den Lehnseid für Sforza leisten und über das genaue Datum für die eigentliche Belehnung verhandeln sollte. Zu diesem informellen Gespräch waren nur Heinrich von Lamberg, der Kanzler Ulrich von Sonnenberg11, der Leibarzt, Walter Zebinger und eben Hinderbach anwesend. Friedrich III. erklärte sich aber mit einer neuen Gesandtschaft nicht einverstanden, er hielt Scevas Mission für ausreichend und wollte nicht ohne die Zustimmung der Kurfürsten die von mailändischer Seite vorgeschlagenen Gegenstände entscheiden. Seine Ratgeber jedoch hielten Sceva gegenüber weitere positive Aussichten aufrecht, darunter auch Hinderbach, und bewiesen damit eine gewisse Unabhängigkeit von ihrem Herrn; dazu konnte Sceva in der Wartezeit vor der offiziellen Audienz schon informativ mit einigen von ihnen reden, darunter auch einem „Herrn Hanns“, mit großer Sicherheit Hinderbach, der Sceva ausdrücklich fragte, ob sich Sforza nicht damit begnügen würde, das Herzogtum Mailand nur als kaiserlicher Vikar zu verwalten. Die Verhandlungen zogen sich also in die Länge; Sceva konnte beobachten, daß die Haltung des Königs hin und her schwankte und allmählich unter seinen Ratgebern eine gewisse Spaltung eintrat12. Einige von ihnen erwiesen sich gegenüber Mailand eher intransigent, während andere, unter ihnen auch Hinderbach, eine Verhärtung vermissen ließen. Sceva hoffte auf die Hilfe dieser bisher unentschlossenen Gruppe, weniger um sie zu einer politisch eindeutigeren Stellungnahme für ihn zu bewegen, sondern um damit den König in seinem letztlich ausschlaggebenden Entschluß zu beeinflussen13: gerade Hinderbach und einige andere, die schon in den Jahren P.-J. Heinig, Musik und Medizin, S. 178-179. Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 261. 10 Ebd. Frau Reinle nimmt die Verhandlungen Scevas zum Anlaß, die Umgebung Friedrichs III. eingehend zu analysieren und dessen wirkliche Einflußnahme in der Diplomatie aufzuzeigen, um so die Haltung ihres Protagonisten, Ulrich Riederer, im historischen Zusammenhang darstellen zu können (S. 260). Darin unterscheidet sie sich von der Sicht italienischer Historiker zum Gesamtkomplex. 11 Über ihn vgl. unten, S. 138, 140 f. 12 Den Kaiserhof beschrieb Sceva düster: „la più trista corte, (…) la più povera vita d’un tanto Sire (…) ogni cosa è avaritia et tirania mixta cum apparentia de religione“ (vgl. Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 264, K.-F. Krieger, Der Hof, S. 168). 13 E. Lazzeroni, Vano tentativo, S. 257. Im Schreiben vom 7. Februar empfiehlt Sceva Sforza, einigen Personen ausdrücklich zu danken, darunter verschiedenen 8 9

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1447-1449 als königliche Gesandte in Mailand gewesen waren, galten in seinen Augen als mit italienischen Problemen besonders vertraut, vor allen Dingen nach dem Tod des italienerfahrenen Kanzlers Kaspar Schlick und bei zeitweiliger Abwesenheit Enea Silvios vom Hof. Die zögerliche Haltung Friedrichs III. ist vor dem Hintergrund seines beabsichtigen Romzuges zur Kaiserkrönung zu verstehen, ein Unternehmen, zu dem sich der König gerade im Winter 1450 entschlossen hatte. Und so zogen sich auch wirklich die Bemühungen bis zum Beginn des Jahres 1452 hin, als Friedrich III. schließlich aufbrach und die Verhandlungen mit Mailand in einer neuen Phase, dieses Mal wieder unter Beteilung Hinderbachs, eröffnet wurden14.

In der Zeit, die nach der Ankunft Scevas verstrich, trat Hinderbach unter den Ratgebern noch in zwei anderen, wichtigen Angelegenheiten hervor, die einen Gipfelpunkt der königlichen Rechtsprechung darstellten und führende Juristen aus dem Reich am Hof zusammenkommen ließen15: einmal der Prozeß von 1449-1453 zwischen dem Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg und der Stadt Nürnberg, der im Laufe der Zeit zum „Städtekrieg“ auswuchs16. Dazu reichte der Vertreter Nürnbergs bei Hof, Niklas Muffel, im Juni 1451 beim Rat seiner Stadt umfangreiche Vorschläge im Prozeß gegen den Markgrafen ein. Diese Vorschläge bestanden vor allem darin, beträchtliche Geldmittel einzusetzen und eine Aufstellung über genaue Zahlungen für die Angebote der Stadt anzulegen, die mit dem weiteren juristischen Vorgehen in Einklang standen. Muffel gab darüber hinaus noch bekannt, an verschiedene Persönlichkeiten Summen von 100 bis 500 Florenen aufgewendet zu haben, um von ihnen einen für die Stadt günstigen Prozeßausgang zu erlangen: unter den in diesem Zusammenhang genannten Personen erscheinen Mitglieder des königlichen Hofes, auch „Meister Hannß Hinderbach mer dann die becher“. Dieser ganze Vorgang ist zuletzt im Zusammenhang mit der Gerichtspraxis zur Zeit Friedrichs gewürdigt worden, in ihrer fortschreitenden Konzentrierung auf das Kammergericht17.

gelehrten Räten, auch Hinderbach, da er von ihnen Hilfestellung erwarten könne. Der dispaccio vom 7. Februar bei B. Buser, Die Beziehung, S. 369. 14 Trotzdem fuhr Sceva mit den Verhandlungen fort, schlug ein Bündnis vor, das die Verbündeten Reich, Neapel und Venedig schwächen könne, und bot Sforzas Unterstützung als Eskorte und Quartiermöglichkeit beim bevorstehenden Romzug an. Am 10. April 1451 legte er mit Enea Silvio die Einzelheiten einer schriftlichen Vereinbarung fest, die aber nicht in ein förmliches Abkommen mündete. 15 P. Moraw, Gelehrte Juristen, S. 140; Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 367. 16 Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 219. 17 Ebd., S. 252-254 und dies., Gerichtspraxis, S. 351: eine „Preisliste für Gerichtsleistungen“; F. Fuchs / R. Scharf, Nürnberger Gesandte, Anm. 52 ff. Über den Geldbedarf Friedrichs und seines Hofes bei Hans Pirckheimers Gesandtschaftenberichten, F. Fuchs, „dem licht der sunnen mit fackeln zu helfen“, S. 30-31.

II. Am Hof Kaiser Friedrichs III.

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Italien als Aktionsfeld Nach der ersten Mission Hinderbachs im Zusammenhang mit dem Herzogtum Mailand wuchs er in eine größere Verantwortung durch einen weiteren Vorgang hinein, der Friedrich III. persönlich am Herzen lag, denn der König wandte sich einem alten Vorhaben zu, das bisher keiner der Habsburger hatte verwirklichen können: Romzug mit Kaiserkrönung. Zur Vorbereitung wurde Hinderbach am Ende des Jahres 1451 als „secretarius Caesaris“ nach Venedig geschickt – wozu er sich durch sein Studium im benachbarten Padua empfohlen hatte. In seiner Begleitung befand sich Graf Michael von Maidburg, auch er königlicher Rat, bis 1452 ebenfalls Richter Friedrichs III. und bei wechselnden Gelegenheiten Mitglied und Präsident des Kammergerichts18. Die Gesandtschaft nach Venedig sollte die baldige Ankunft Friedrichs III. in Italien vorbereiten, tatsächlich ist das Eintreffen der beiden Höflinge in Venedig am 10. November vermerkt: sie unterrichteten den Senat von dem unmittelbar bevorstehenden Aufbruch des Königs und ersuchten um eine venezianische Abordnung, die am Romzug teilnehmen sollte19. Nicht auszuschließen ist, daß bei diesem Zusammentreffen auch der Gesamtkomplex Italienpolitik erörtert wurde, die beiden Gesandten aus Wien sogar ihre Reise bis nach Rom fortsetzten: Hinderbach könnte durchaus jener Deutsche mit Namen Johannes gewesen sein, der sich in Rom aufhielt und den ein Emissär aus Mailand als seine Informationsquelle angibt, wobei jener Johannes sich auf der Rückreise von Rom an den Wiener Hof befand20. Um die Jahreswende 1451/52 brach Friedrich III. auf und traf am 10. Januar in Padua ein. Dort hielt er sich fünf Tage auf (in dieser Zeit fand Hinderbachs feierliche Doktorpromotion statt). Dann ging die Reise über Ferrara nach Siena, wo am 24. Februar die zukünftige Kaiserin eintraf: Eleonore von Portugal war Friedrich durch Prokuration vermählt worden und kam mit 18 Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 245, Anm. 511. Zu Maidburg vgl. P.-J. Heinig, Kaiser Friedrich III., S. 245-246. 19 ASVe, Senato Secreta, reg. 19, f. 91: „cum venerunt ad presentiam nostram tres oratores s.mi domini regis Romanorum et dederunt nobis noticiam de dispositione sue maiestatis veniendi in Italiam et accedere Romam pro assumendo coronam imperialem et quod ad festum sancti Martini proximum se exponet itineri et tamquam amicissimus noster venire instituerit per terras et loca nostra, videlicet per patriam Foriiulii, Tarvisium, Paduam et transire versus Ferrariam et inde Romam (…) et requisiverunt prefati oratores ut providere vellemus quod (…)“. 20 E. Lazzeroni, Il viaggio, S. 280. Über die zweifelhafte Identifizierung Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 271-272, Anm. 67-68. A.A. Strnad, Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 419, Anm. 146 ist da schon sicherer. Auf Grund der von „Johannes“ gelieferten Informationen berichtete der Mailänder an den Sforza, daß die Venezianer Friedrich III. bewaffnete Begleitung versprochen und ihm auch das Kommando der vereinten Streitkräften mit Verona als Stützpunkt angeboten hätten, sodaß Friedrich III. in Italien über ein Aufkommen von etwa 40.000 Bewaffneten zählen konnte.

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ihm persönlich zum ersten Mal nach einer langen Überfahrt und Anreise von Livorno her zusammen. Hinderbach wurde zur offiziellen Begleitung der jungen Fürstin abgestellt, wobei er den Titel und die Funktion des secretarius annahm – der Beginn einer dauerhaften Gefühlsbindung, für Hinderbach von einschneidender Bedeutung. Jenseits aller Festlichkeiten anläßlich des Krönungszuges in Ferrara, Siena und während des weiteren Weges nach Rom ließen dem königlichen Hof die politischen Probleme zu Hause und in der italienischen Umgebung keine Ruhe. Während der Reise waren natürlich die Gesandten der beiden oberitalienischen Kontrahenten Venedig und Mailand anwesend, darunter auch der schon erwähnte Sceva da Corte, die sich unentwegt um den Vorrang bei Hof stritten, sodaß Enea Silvio, seit 1450 Bischof von Siena, und Hinderbach einmal mehr gezwungen waren, eine vermittelnde Tätigkeit auszuüben. Bei einer der zahlreichen Auseinandersetzungen versicherte Hinderbach Sceva, daß Friedrich beabsichtigte, Sforza nun endlich mit Mailand zu belehnen und dessen Gesandten bei Hof als sichtbares Zeichen der Wertschätzung den Vorrang im königlichen Gefolge einzuräumen21. Aber als das Königspaar am 9. März 1452 feierlich in Rom einzog, hatten die Venezianer doch die Mailänder überrundet, was für beträchtliche Unruhe sorgte. Die ganze, sich hochschaukelnde Angelegenheit zeigt eine eher mailändisch orientierte Ausrichtung bei einigen Räten wie Enea Silvio, Ulrich Sonnenberger, Harttung von Kappel und auch Hinderbach. Das bedeutet aber nicht, daß sie eine besondere Sympathie für den Sforza hegten, die echt oder nur geheuchelt war, sondern das Ganze war ein ausgeklügeltes Spiel wechselnder Parteiungen. Diese Einschätzung trifft besonders auf den Kanzler Ulrich Sonnenberger zu, von dem kaum anzunehmen ist, daß ihm die wirklichen Überzeugungen Friedrichs unbekannt waren, und der so auch die Möglichkeit gehabt hätte, die Mailänder wirklich zu informieren. Dieses – vermeintliche – Chaos und die vorgegebenen Rivalitäten zwischen den Einzelpersönlichkeiten können nicht darüber hinwegtäuschen, daß alle von Friedrich selbst instrumentalisiert wurden, um seine wirklichen Ziele zu vernebeln und letztendlich doch nach seinen Interessen zu entscheiden22. Aus dieser Sicht konnten die Gegensätze zwischen Mailand und Venedig nicht wirklich die beiden eigentlichen Anliegen der Romreise verhindern: die feierliche Vermählung Friedrichs mit Eleonore und die Kaiserkrönung beider am 19. März 1452 durch Papst Nikolaus V. Mit Stolz erinnerte sich Hinderbach noch viele Jahre später an die Krönung in St. Peter: er wohnte ihr persönlich bei, aus nächster Nähe, im Gefolge der jungen Kaiserin23. E. Lazzeroni, Il viaggio, S. 326. Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 309. 23 BCTn, inc. 423, l. XVII, cap. 54: „his omnibus interfui et de proximo astiti et vidi, deputatus ad obsequium serenissime domine Leonore eius consortis tunc etiam 21 22

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Schon vier Tage später machte sich der frisch gekrönte Friedrich auf den Weg nach Neapel zu Eleonores Onkel, König Alphons V. von Aragon, gleichzeitig auch König beider Sizilien; Eleonore folgte dem Gemahl später nach mit Hinderbach in ihrer Begleitung. Wieder fanden ausgedehnte Festlichkeiten statt und wieder waren sie der äußere Rahmen für politische Verabredungen: die dauerhafte Befriedung Gesamtitaliens, die dann auch endlich zwei Jahre später mit dem sogenannten Friede von Lodi eintrat. Nach etwa einem Monat, am 18. April, mußte Friedrich aber seinen Aufenthalt vorzeitig beenden: Seinem Mündel Ladislaus Postumus war mit Hilfe des Betreuers Kaspar Wendel die Flucht aus der königlichen Obhut gelungen. Eleonore blieb noch eine Woche in Neapel und dann brach sie mit ihrem Gefolge, darunter Hinderbach, quer über die unteritalienische Halbinsel an die Ostküste nach Manfredonia auf. Die alte Staufergründung beflügelte Hinderbachs Vorstellungskraft, sodaß er sie mehr als einmal in seinen Glossen vermerkte24. Danach ging die Reise weiter zum süditalienischen Wallfahrtsort, dem Monte Sant’Angelo, auf der Halbinsel Gargano, dem großen mittelalterlichen Michaelsheiligtum25; dort verbrachte Eleonore eine Zeit der Andacht mit Messen, Opfergaben und den ortsüblichen Zeremonien, an denen auch Hinderbach als ihr cancellarius et magister curie teilnahm26. Danach schiffte sich die ganze Gesellschaft ein und reiste über Dalmatien mit Unterbrechung in Zara nach Venedig, wo sie dann am 28. Mai eintraf. Zusammen mit dem Kaiser brach der Hofstaat zur endgültigen Heimreise bis Judenburg auf, wo Eleonore sich von ihrem Mann wieder trennte und alleine am 19. Juni 1452 Wiener Neustadt erreichte. Hinderbach war die ganze Zeit in ihrer Nähe und behielt nach dieser Reise die eben erwähnte Funktion eines cancellarius für die Kaiserin bei, dazu vermerkte er auch für sich denselben Titel im Dienst für Friedrich – er genoß offensichtlich also bei beiden eine Vertrauensstellung. Im Herbst des folgenden Jahres war er erneut in Rom. Unmittelbar vor seiner Abreise hatte Enea Silvio zwei Schreiben für seinen Neffen Francesco coronate et inuncte“. Zum feierlichen Romeinzug Friedrichs III. vgl. jetzt A.Th. Hack, Das Empfangszerimoniell, S. 13-238 und ders., Ein anonymer Romzugsbericht, S. 4666. Über „Maister Heinrich Hynderbach“, S. 145, Anm. 1158 (und vgl. S. 170). 24 BCTn, inc. 245, ff. n. num.: „supraque id est Rossenum (…)“ am Rand Hinderbach: „incompletus videtur esse (…) atque in multis diminutus, quare nullum de Sypontina, nunc Manfredonia nova urbe a Manfredo filio naturali Federici secundi (…)“ (Wasserschäden). BCTn, W 771, f. 139v, „civitate Seponto“, am Rand Hinderbach: „civitas Sypontina (primus) destructa et in eius terminis Manfredonia condita a Manfredo Frederici secundi imperatoris filio naturali qui in Apuliam regnavit et semper ecclesie …dus ac rebellis fuit usque ad tempora Caroli primi qui vocatus est (…) de genere Francorum“. 25 K. Walsh, Deutschsprachige Korrespondenz, S. 433, Anm. 119. 26 Nikolaus Lankmann de Valckenstein, Historia desponsationis, S. 601.

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und den Verwandten Giacomo de’ Tolomei in Ferrara vorbereitet27, wo Hinderbach seine Reise unterbrechen und die Briefe aushändigen sollte. Gleichzeitig hatte er von Enea Silvio auch mehrere Empfehlungsschreiben erhalten, einmal an die beiden Kardinäle Nikolaus von Kues und Juan de Carvajal, die eine Art Anlaufstelle für Deutsche an der Kurie waren, sowie für den Privatsekretär Nikolaus’ V., Pietro da Noceto. Enea Silvio betonte Hinderbachs Vertrauenswürdigkeit und den persönlichen Umgang mit ihm selbst: „ipse mea vox erit, meum animum ex ipso cognoscetis“. Gleichzeitig meldete er Hinderbachs Ankunft auch Heinrich Senftleben28, sein Brief spielt auf eine „magna causa“ für die Romreise an29. Von daher ist nicht auszuschließen, daß Hinderbach bei Nikolaus V. auch schon in der Türkenfrage vorstellig werden sollte30. Denn wenige Monate vorher, am 29. Mai 1453, hatte Sultan Mehmed II. Konstantinopel erobert, und vier Monate später, am 30. September, hatte der Papst in einer Bulle zum Kreuzzug aufgerufen. In der folgenden Zeit sollte auch Friedrich III. in diesem Sinne aktiv werden, mit einem Schreiben von vor Weihnachten. Ebenso könnte Enea Silvio in seiner Vorbereitung eine andere Frage ventiliert haben: im schon erwähnten zweiten Salzburger Eigenbistum Gurk hatte der bisherige Bischof Johannes Schallermann resigniert31, und der kaiserliche Kandidat für die Nachfolge war der bisherige Kanzler und Protonotar Ulrich von Sonnenberg32. Die genauen Umstände von Schallermanns Resignation sind nicht belegt – er befand sich mit Sicherheit damals in den Siebzigern, doch läßt sich nicht ausschließen, daß sie auf einen persönlichen Wunsch des Kaisers zurückging, der seinen Vertrauten Sonnenberger mit dem Bistum Gurk ausstatten wollte. Dieser Vorgang muß aber auch in einem weiteren Zusammenhang von Pfründenneuverteilungen gesehen werden, bei der Enea Silvio als eine Art Schaltstelle in der Kanzlei des Habsburgers fungierte. Über ihn C. Dionisotti, Jacopo Tolomei, S. 138-139. Zu Senftleben vgl. unten, S. 151 ff. 29 A.A. Strnad, Francesco Todeschini-Piccolomini, S. 130-131 und ders., Johannes Hinderbach Obedienz-Ansprache, S. 142. 30 So vermutet V. von Hofmann-Wellenhof, Leben und Schriften, S. 219. 31 Er hatte an den Universitäten Heidelberg, Bologna, Perugia und Padua studiert, war mehrmals Dekan der juristischen Fakultät in Wien gewesen und wenigstens zweimal Rektor der Gesamtuniversität. Als gelehrter Rat Friedrichs IV. von Tirol und Albrechts V. von Österreich, Familiar und Kaplan Sigismunds und auditor causarum an der Kurie besaß er vielfache Pfründen. Hinderbach kannte ihn mit Sicherheit persönlich, denn Schallermann hielt sich auch nach seiner Erhebung zum Bischof von Gurk 1436 noch mehrfach am Kaiserhof auf und nahm auch 1452 am Romzug Freidrichs III. teil. P.-J. Heinig, Kaiser Friedrich III., S. 466-467 und jetzt ausführlich F. Fuchs, Ein Westfale, besonders S. 148-157. 32 A.A. Strnad, Woher stammte Bischof Ulrich III von Gurk?, besonders S. 373376 über Sonnenbergers Königsdienst und seinen Einfluß bei Hof; seine Bedeutung in der Umgebung Friedrichs III. bei P.-J. Heinig, Kaiser Friedrich III., S. 584-592. 27 28

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Ursprünglich sollte Ulrich Sonnenberger Bischof von Passau werden, seit 1451 auf Vorschlag Friedrichs III., aber bei einer regulären Wahl des Domkapitels hatte sich Ulrich von Nußdorf durchgesetzt33. Darauf wollte Enea Silvio, der sich in Rom für Nußdorfer eingesetzt hatte, dessen bisherigen Pfründen auf seine Kanzleigenossen verteilen: Sonnenberger sollte Propst von Freising, Hinderbach Propst von Regensburg werden34, ein Amt, das bisher Sonnenberger innegehabt hatte. Schließlich sah Enea Silvio für sich selbst die Pfründe der Pfarrei Irdning vor. Doch hatte er die Rechnung ohne seinen Kaiser gemacht: Friedrich mißbilligte das ganze Vorhaben, und ihm folgten darin die Bischöfe von Freising, Brixen, Eichstätt und Augsburg, die allesamt überhaupt gar keinen Pfründenwechsel wollten.

Unter diesen Voraussetzungen bot die Amtsnachfolge Sonnenbergers in Gurk einen eleganten Ausweg an35. Dieser allseits befriedigende Übergang wurde vorwiegend in der Kanzlei ausgeheckt, auf maßgebliches Betreiben Enea Silvios,36 der in dem von Hinderbach an Pietro da Noceto überreichten Schreiben ausführte, daß die ganze Sache „honesta“, also ehrbar, und eine Herzensangelegenheit des Kaisers wäre37. Und so war auch Hinderbach als Beteiligter und Briefträger gleichzeitig Akteur und Nutznießer. Am 5. November 1453 verzichtete er zusammen mit Heinrich Senftleben im Namen Schallermanns auf das Bistum Gurk; Nikolaus V. nahm in einem Geheimkonsistorium den Amtsverzicht an und providierte noch am selben Tag nach der Anhörung Kardinal Carvajals für die Kandidatur Sonnenbergers den Favoriten des Kaisers mit dem Bistum Gurk, als dessen Vertreter Hinderbach und Senftleben fungierten38. Weiter am 5. November übertrug der Papst motu proprio einem Familiaren des Bischof von Gurk, Johannes de Werli, die Propstei in St. Johann in Regensburg, Martin Mair ein Kanonikat an derselben Kirche, Heinrich Senftleben ein Kanonikat in Freising und schließlich Hinderbach ein Kanonikat in Passau: alle Pfründen waren durch die Bischofserhebung Sonnenbergers freigeworden. Bereit vierzehn Tage später verpflichtete sich Hinderbach für Sonnenberger zur Zahlung der bischöflichen servitia gegenüber Über ihn P.-J. Heinig, Kaiser Friedrich III., S. 455, und A. Leidl, Nußdorf, Ulrich, S. 507-508. 34 Enea Silvio bat Kardinal Carvajal, vorstellig zu werden für die Übertragung der Propstei an Hinderbach, „doctore et bono viro, certe fideli et sincero, qui hodie imperatori et imperatricis admodum gratis est et apostolice sedi puro corde affectus“ (R. Wolkan, Der Briefwechsel, Bd. 3/1, Nr. 61, S. 131). 35 A.A. Strnad, Woher stammte Bischof Ulrich III. von Gurk?, S. 358-359. 36 R. Wolkan, Der Briefwechsel, Bd. 3/1, S. 276, Nr. 150: „res illa Gurce. practicata est et conclusa, me non solum presente, verum etiam laudante“. Vgl. A.A. Strnad, Woher stammte Bischof Ulrich III. von Gurk?, S. 359. 37 R. Wolkan, Der Briefwechsel, Bd. 3/1, S. 277, Nr. 151. Vgl. A.A. Strnad, Woher stammte Bischof Ulrich III. von Gurk?, S. 359. 38 Vgl. A.A. Strnad, Woher stammte Bischof Ulrich III. von Gurk?, S. 361, Anm. 6. Er zitiert auch die Urkunde, die Hinderbach zum Prokurator Sonnenbergers ernennt. 33

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der Apostolischen Kammer39, und bereits einen Tag darauf, am 19. November, bezahlte er die Annaten für sein eigenes Kanonikat in Passau40. Das Pfründenkarussell drehte sich aber noch weiter, denn am 1. Dezember schrieb Enea Silvio erneut an Pietro da Noceto: er solle sich dafür einsetzen, daß die Dompropstei in Freising an einen anderen kaiserlichen Rat, Ulrich Riederer, gehen möge, auch dieser Mitglied der österreichischen Kanzlei; die Propstei war ursprünglich von Sonnenberger angestrebt worden, dem neuen Bischof von Gurk. Vor diesem Gesamtbild wird die Anspruchnahme auch kirchlicher Ressourcen für die materielle Ausstattung bei Hofe deutlich. Sonnenberger, Senftleben, Riederer, Mair, schließlich auch Hinderbach, alle waren Teile in diesem Räderwerk und profitierten je nach politischer Einflußmöglichkeit. In diesem Sinne betätigte sich Hinderbach in Rom weiter mit persönlichen Angelegenheiten, die bereits in die Zukunft wiesen. Wie schon erwähnt, hatte er im November eine erste Zahlung für das Kanonikat geleistet; kurz vor Monatsende, am 26., erhielt er die päpstliche Dispens für die Benefizienkumulation und zwei Tage später die päpstliche Reservation für ein Kanonikat in der Kirchenprovinz Salzburg41. Auf seine Bemühungen geht sicherlich ein päpstliches Mandat vom 27. November für seinen jüngeren Bruder Konrad zurück: Nikolaus V. wies Enea Silvio an, seit 1452 im päpstlichen Auftrag in Österreich, einen Streit zwischen Konrad und einem anderen Konkurrenten um die Pfarrpfründe in Kirchberg am Wagram (Innerösterreich) zu schlichten42. Aus dem Mandat geht hervor, daß Konrad in diese Pfründe durch den Zisterzienserabt des Klosters der Heiligen Dreifaltigkeit in Wiener Neustadt eingesetzt worden war, „ad nomen Friderici Romani imperatoris“, also auf kaiserliche Designation hin43. Ein weiterer Hinweis für das weitgespannte Pfründennetz, das der Kaiserhof zu knüpfen wußte. Nach dem Aufenthalt in Rom, während dessen Hinderbach erkrankte44, kehrte er im Herbst wieder in die gewohnte Umgebung am Hof zurück. Dort beschäftigte ihn 1454 am kaiserlichen Gericht ein Streit zwischen Rep. Germ., Nik. V., Nr. 5639. Rep. Germ., Nik. V., Nr. 3064. 41 Rep. Germ., Nik. V., Nr. 3064. 42 Die Pfarrei hatte auch der Onkel Dietmar besessen: A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 12, Anm. 59 und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 400, Anm. 73-74. 43 Rep. Germ., Nik. V., Nr. 800. 44 R. Wolkan, Der Briefwechsel, Bd. 3/1, Nr. 243, S. 431 (das Schreiben Enea Silvios, der das für Deutsche wenig gesunde Klima in Rom beklagt: „locus infestus est Theutonico sanguini“). Vgl. BCTn, ms W 3498, f. 267, am Rand Hinderbach eigenhändig: „aer Urbis olim infamis ut et hodie“. 39 40

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dem Erzbischof von Salzburg und dem Propst von Berchtesgaden45. Im folgenden Jahr 1455 mußte Hinderbach sich zusammen mit Enea Silvio erneut auf den Weg nach Rom machen. Nikolaus V. war in der Nacht vom 24. auf 25. März verstorben, und am 8. April war sein Nachfolger gewählt worden: Alonso Borja, als Papst Kalixt III., mit 77 Jahren der älteste der Kardinäle, von daher eher als Kompromiß- und Übergangskandidat gedacht. Wie andere europäische Fürsten wollte auch Friedrich III. möglichst schnell eine Gesandtschaft an den neuen Papst abordnen, denn neben den üblichen Übergangsformalitäten sollte sich des von Eugen IV. und Nikolaus V. praktizierten Entgegenkommen im Reich und den habsburgischen Stammlanden bei Fiskal- und Benefizialangelegenheiten weiter versichert werden46. Die beiden kaiserlichen Gesandten brachen Ende Mai auf, sahen sich aber auf dem Weg nach Rom noch mit einem anderen Problem konfrontiert: der südöstlichen Grenze zur Republik Venedig. Schon seit 1446 hatte sich Enea Silvio mit dieser Frage beschäftigt, ebenso drei Jahre später, ohne jedoch ein Abkommen zu erreichen. 1451 waren die Verhandlungen wieder aufgenommen worden, und 1454 hatte Venedig eine Kommission der Regionalverwaltung angeregt. Nach nichtendenwollenden Streitigkeiten47 kamen die kaiserlichen Unterhändler mit den venezianischen, darunter auch Francesco Capodilista, Hinderbachs altem Lehrer aus seiner Studienzeit in Padua, am 4. Juli 1455 in Portenau/Pordenone zu einem Abschluß: der Grenzverlauf wurde mit den jeweiligen rechtlichen Zuständigkeiten festgelegt48 – Hinderbach bewahrte noch lange in seinem Gedächtnis die genauen geographischen Einzelheiten der komplizierten Grenzziehung49. Nach den Verhandlungen machten die beiden Regesten, Bd. 2, Nr. 48, S. 42-44. J. Lechner, Reichshofgericht, Nr. 73, S. 142. Über diese Gesandtschaft ausführlich A.A. Strnad, Johannes Hinderbach Obedienz-Ansprache. 47 Vgl. den Brief Enea Silvios an Sonnenberger vom 26. Januar 1454, mit dem Auftrag Hinderbach, „si reversus est, retrocedere et in Portu Naonis cum Venetis inire tractatus“ (R. Wolkan, Der Briefwechsel, Bd. 3/1, Nr. 246, S. 434). 48 Der ganze Fragenkomplex wurde aber nicht abschließend behandelt: F. Cusin, Il confine orientale, S. 336 und Anm. 129. Die betreffende Urkunde in: Diplomatarium Portusnaonense, doc. 237. Die 25 Zeugenaussagen der Anhörung wurden in der Edition ausgelassen. 49 Das belegen einige spätere Anmerkungen zu Biondos Italia Illustrata. In bezug auf Pordenone (Portoneum) beobachtet Hinderbach: „inter cetera patrie Foriiulii amenissimum ac ducatus Austrie dominioque cesaris Federici tercii patrimoniale ac Leonore auguste dotali iure assignatum“. Hinderbach kannte sich in der Gegend sehr gut aus: er konnte den Namen des Flußes Noncello (Naoncelli) richtig angeben (Biondo hatte geschrieben: „ad Imeuli torrentis fontem“) und so den Gesamtzusammenhang zutreffend darstellen: „obmittit hic pleraque loca (es folgt inter durchgestrichen) mediterranea, videlicet Turris, Curiam Naonis, S. Quirinum, S. Advocatum et Rovoredum et ex alia parte Medune et Glaree Celine, Roussetum et Vivarium. Itemque Zopolam 45 46

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kaiserlichen Gesandten noch kurz Station in Venedig selbst, möglicherweise um das Türkenproblem zu erörtern, und brachen dann endgültig am 10. August, also mitten in der Sommerhitze, nach Rom auf 50. Bei der feierlichen Audienz hielt Enea Silvio vor dem neuen Papst die offizielle Ansprache und leistete den Obödienzeid; in der anschließenden Privataudienz verhandelten er und Hinderbach die anstehenden Fragen, ohne dabei den noch von Nikolaus V. in Aussicht gestellten Kardinalat Enea Silvios aus den Augen zu verlieren51. Doch eine unmittelbare Reaktion des Papstes blieb aus, auch wenn Kalixt III. ein Entgegenkommen zu verstehen gab. In den Gesprächen wurde auch die Frage berührt, inwieweit Friedrich III. eine Verteidigung gegen die Türken zu übernehmen gedachte – für beide kaiserlichen Unterhändler eine besonders wichtige Frage. Auch diesen Romaufenthalt nutzte Hinderbach dazu, seine Pfründen weiter zu vermehren, wiederum mit Hilfe Enea Silvios. Dieser setzte sich dafür ein, daß Hinderbach vom neuen Papst ein Kanonikat und die Dompropstei in Trient erwerben konnte, und zwar am 5. Oktober 1455 durch eine Designation des Kaisers selbst52, die ihrerseits noch durch ein Votum Kardinals Nikolaus von Kues unterstützt wurde53. Hinderbach konnte sich die Einkünfte aus dieser Bepfründung nicht gleich sichern: die Propstei war 1425 eingerichtet worden, mit Gütern der Abtei von San Lorenzo in Trient ausgestattet; die Abtei selbst war ganz aufgelöst worden, aber der damals regierende Abt, Benedetto, hatte sich dieser bischöflichen Verfügung widersetzt, und der Streit zog sich über dreißig Jahre hin54. Trotz dieser unsicheren Rechtslage et Castionum, Pulcinicum et cetera pleraque ex pertinentiis Portusnaonis (es folgt que plura getilgt) olim et nunc partim existentia“ (ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 119) – genau die in den pacta von 1455 genannten Orte (oben, Anm. 48). 50 Dort nahmen sie Quartier in der Residenz des Generalprokurators des Deutschen Ordens, in der sie weiter verblieben, auch als einige Monate später die Eigentümerschaft in die Hände von Kreditgebern des Prokurators überging: Chr. Schuchard, Rom und die päpstliche Kurie, S. 79-80 und Anhang, U. 5, S. 109. Der Palazzo liegt an der heutigen Via Mascherone 57. 51 Vgl. den Supplikenrotulus, teilweise ediert in A.A. Strnad, Johannes Hinderbachs Obedienz-Ansprache, S. 143, Anm. 290. Strnad betont Hinderbachs aktive Rolle auf dieser Gesandtschaft. Zum Ersuchen für Enea Silvios Kardinalat vgl. BCTn, ms W 109, f. 132v (seine „Germania“): wo Enea Silvio Kalixt III. um seine Kardinalspromotion angeht, postilliert Hinderbach „Tacet de imperatore, qui fuit maxima causa promotionis sue ad cardinalatum“. Zu Friedrichs Erwartungshaltung an den neuen Kardinal, A.A. Strnad, Aus der Frühzeit, S. 309. 52 A.A. Strnad, Johannes Hinderbachs Obedienz-Ansprache, S. 144. Schon seit 1450 strebte Hinderbach die Propstei in Trient an: R. Wolkan, Der Briefwechsel, Bd. 2, Nr. 42, S. 161. 53 P.-J. Heinig, Kaiser Friedrich III, S. 484, Anm. 1576-1577. 54 S. Vareschi, Liquidazione di un abate, S. 288-289 und 302-303. Als Hinderbach 1466 nach der Bischofserhebung endgültig auf die Propstei in Trient verzichtete,

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bedeutete die Bepfründung mit der Propstei in Trient für Hinderbach den ersten Schritt über die Alpen nach Süden, in jenen geographischen Bereich, auf den sich dann später sein ganzes weiteres Leben konzentrieren sollte. Nichtsdestoweniger lief auch die weitere Bepfründung im bayerisch-österreichischen Raum weiter. Am 1. Dezember 1455 erhielt Hinderbach durch ein päpstliches motu proprio ein Kanonikat in Regensburg55 und achtzehn Tage später bekam er eine Expektanz für Kanonikate in Freising und Brixen, schließlich für die Benefizienkollation der Salzburger Kirche durch Propst und Erzbischof 56. Bei diesem Romaufenthalt hat Hinderbach wahrscheinlich seinen jüngeren Bruder mitgenommen, der für den September in Rom belegt ist, und zwar als „germanus Johannis Hindernbach decr. doct. Friderici R.I. nuncii ad sed. ap. missi“. Konrad erhielt dann auch ein Kanonikat der Kollegiatkirche von St. Viktor vor den Mauern in Mainz57; ein Mandat vom 22. Oktober übertrug ihm einmal das Recht auf eine Klerikerpfründe in der Diözese Augsburg und ein Kanonikat mit Pfründe an St. Andreas in Freising58. Diese Vorgänge beweisen, wie Hinderbach bei seinen politisch-diplomatischen Aufträgen geschickt auch Patronage- und Klientelnetze schuf 59 – dabei nicht nur mit seinem Kollegen Enea Silvio, sondern auch mit dem eigenen Bruder Konrad60, den Hinderbach für geleistete Dienste entlohnte und der nicht zufällig in den Registern der Kurie als „Bruder“ des bekannteren Johannes erscheint61. hatte er schon mehr als zwei Jahre keine Einkünfte gehabt, die an Benedikt gegangen waren: Rep. Germ., Paulus II, Nr. 681. 55 Freigeworden durch die Bischofserhebung Friedrichs Sesselmann in Lebus: Rep. Germ., Calixt III., Nr. 1564. 56 Rep. Germ., Calixt III., Nr. 1564. 57 Cfr. A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 10, Anm. 48 und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 397, Anm. 61. 58 Rep. Germ., Calixt III., Nr. 382. 59 Vgl. B. Schwarz, Über Patronage und Klientel, besonders S. 290-291, 296-297. 60 In diesem Zusammenhang gehört Hinderbachs Verzicht auf die Pfründe des scholasticus am Dom von Breslau mit der Reservierung einer Pension für seinen Bruder (Rep. Germ., Paulus II., Nr. 3224, vgl. A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 24, und ders., Wie Johannes Hinderbach, S. 418). 1465 resignierte Hinderbach als Konrads Prokurator einen Altar in der Kathedrale von Trient (Rep. Germ., Paulus II., Nr. 3025) und half dem Bruder möglicherweise beim Erwerb von anderen Pfründen im Bistum (A.A. Strnad, Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 397). Sechs Jahre später, als Hinderbach schon fünf Jahre lang Bischof von Trient war, versuchte er den Dekan seines Kapitels, Stefano Approvini, zum Verzicht zugunsten seines Bruders Konrad zu bewegen, und im Juli desselben Jahres erscheint Konrad als intrusus bei der Pfarrei S. Vigilio in Val Rendena, die mit dem Dekanat verbunden war (Rep. Germ., Paulus II., Nr. 5530 und 5633). 61 Vgl. auch Rep. Germ., Paulus II., Nr. 819.

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Innerhabsburgische Auseinandersetzungen In den folgenden Jahren arbeitete Hinderbach vor allen Dingen beim kaiserlichen Kammergericht62; zusätzlich mußte er sich aber auch mit einer Reihe von Fragen zur inneren Verfassung des Hauses Habsburg beschäftigen. An der Spitze stand das Erbe der Grafen von Cilli. Noch unter Kaiser Sigismund waren die Grafen von Cilli, die Verwandten der Kaiserin Barbara, 1436 in den Reichsfürstenstand erhoben worden, und das Haus hatte vor diesem Hintergrund seinen Machtbereich in Südosteuropa ausgebaut. Graf Ulrich II. von Cilli wurde so zu einem Machtfaktor im politischen Spiel Böhmens, Ungarns und Bosniens. Im Jahre 1452 war er der Liga von Mailberg gegen Friedrich III. beigetreten, und der Kaiser mußte ihm sogar die Vormundschaft des jungen Ladislaus Postumus überlassen. Damit stieg der Graf von Cilli zum „Herrscher ohne Krone“ auf und konnte sogar die Regentschaft in Ungarn anstreben, die er faktisch auch 1456 übernahm, als er gleichzeitig auch „Ban“ von Kroatien und Dalmatien war. Diese Vorherrschaft rief eine „korvinische“ Partei auf den Plan, die den Grafen am 9. November 1456 in Belgrad auf einen Kreuzzug gegen die Türken ermordete63.

Auf Grund der Erbfolge und einer Nachfolgeregelung vom 16. April 1443 konnte Friedrich III. Ansprüche geltend machen, aber nur unter anderen Mitbewerbern: an erster Stelle des Kaisers eigener Bruder Albrecht VI. und dann sein Cousin, Sigismund Herzog von Österreich-Tirol – beide Mitglieder der sogenannten innerösterreichischen Linie der Habsburger; dazu traten noch der junge Ladislaus als König von Ungarn und die Witwe des ermordeten Grafen, Katharina von Serbien, die von Jan Witowec, dem Vertrauten Ulrichs, unterstützt wurde; weiter kamen noch der König von Polen und andere Prätendenten, insgesamt 24 Mitbewerber. Am 14. Februar 1457 fand in Graz eine Versammlung statt, doch die Parteien konnten sich nicht einigen, und so setzte sich zwei Tage später das juristische Räderwerk in Bewegung. Das Kammergericht tagte wegen der Erbschaft des Grafen von Cilli: unter den Beisitzern ist in erster Reihe auch Hinderbach genannt, als Propst von Trient und Doktor der Dekrete64. Der Gesamtkomplex der Erbschaft sollte noch jahrelang auf eine Lösung warten und eskalierte sogar zu kriegerischen Auseinandersetzungen65. J. Lechner, Reichshofgericht, Nr. 84-85, S. 148 (3. und 8. November 1456). A. Dopsch, Die Grafen von Cilli, S. 22-29. F. Forner, Enea, S. 351-376. 64 E. Birk, Urkunden-Auszüge, U. II, S. 146. 65 Friedrich III. nutzte den Tod aus, um sich das Hausgut Ulrichs in den habsburgischen Stammlanden zu verschaffen. Nach der Niederlage der Grafen von Görz waren sie gezwungen, alle Besitzungen östlich der Klause von Lienz abzutreten, und Friedrich III. konnte so die Herzogtümer Steyer und Krain auch territorial miteinander verbinden; ebenfalls in Kärnten förderte das Ausscheiden der Grafen von Cilli und Görz die habsburgische Territorialbildung (A. Dopsch, Die Grafen von Cilli, S. 30). 62 63

II. Am Hof Kaiser Friedrichs III.

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In der Zwischenzeit wurde Hinderbach erneut in einer gleichfalls langandauernden Auseinandersetzung über die Alpen geschickt: dem schon erwähnten Grenzstreit mit der Republik Venedig, nun um den Besitz von Triest und Istrien66. In diesem Gebiet wurde er von zwei Emissären der Serenissima erwartet, die ihn in Verhandlungen über den Grenzverlauf verwickelten, genauer das Problem des Fleckens Montona. Wie schon im Jahre 1455 war nun, zwei Jahre später, einer der Gesprächspartner auf venezianischer Seite Francesco Capodilista67. Trotz dieser langen Vertrautheit zwischen den Unterhändlern konnte kein Ergebnis erzielt werden. Obwohl Venedig offensichtlich zu einer Lösung bereit war, verhielt sich Hinderbach eher zögerlich und abwartend. Nach seiner Auskunft besaß er keinen Auftrag zu einem definitiven Abschluß, was auf venezianischer Seite schärfsten Protest hervorrief68. Die betroffene Bevölkerung, die unter der allgemeinen Unsicherheit litt, wendete sich hilfesuchend an Venedig: Anfang August 1457 setzten ihre beiden Gesandten ein langes memorandum auf, das die bisherigen Verhandlungen und die feindlichen Akte der Habsburger Grenzbesatzungen zusammenfaßte69. Doch Hinderbach war mittlerweile schon an den kaiserlichen Hof zurückgekehrt und hatte seine Tätigkeit in der Kanzlei wiederaufgenommen. Hier sollte ihn nun im Herbst ein ganz anders gelagerter Fall beschäftigen: Enea Silvio strebte den vakanten Bischofssitz von Ermland an70. Im Gefolge des sogenannten dreizehnjährigen Städtekrieges hatte sich das Kathedralkapitel in Ermland zerstritten: beim Tod des Bischofs Franz Kuhschmalz 1457 hatten einige Kanoniker in Königsberg den Kandidaten des Deutschen Ordens gewählt, andere in Frauenburg den des polnischen Königs. Eine dritte Gruppe, die dem verstorbenen Bischof in sein Exil nach Glogau ins Herzogtum Schlesien gefolgt war, hatte Enea Silvio postuliert: ihre Absicht war wohl, mit dieser Wahl eine Art Kompromiß zwischen den streitenden Parteien zu erzielen71.

Enea Silvio wollte diese Postulation für sich ausnutzen: er wurde ja von Kalixt III. kraft des päpstlichen Devolutionsrechts bei umstrittenen Fällen zum Bischof von Ermland nominiert. Dazu bemühte er sich noch um Empfehlungsschreiben ihm bekannter Monarchen: Königs Kasimir IV. von Polen, Königs Ladislaus von Ungarn, seines Kaisers Friedrich und anderer 66 Aeneae Sylvii Piccolominei Opera quae extant omnia, Nr. 268; vgl. V. von Hofmann-Wellenhof, Leben und Schriften, S. 223. 67 Diplomatarium Portusnaonense, doc. 237. 68 ASVe, Senato Secreta, reg. 20, f. 125v-128v. 69 F. Cusin, Il confine orientale, S. 336. 70 Heute Warmja (Polen). Zur schnellen Orientierung über die „ecclesia Warmiensis“, H.-J. Karp, Ermland, S. 791. 71 D. Brosius, Päpstlicher Einfluß, S. 217-218. S. Tavano / K.-J. Karp, Piccolomini, Enea Silvio, S. 537-539 und A.A. Strnad, Der Mann, der einen späteren Papst die deutsche Sprache lehrte, S. 279, Anm. 100.

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Fürsten. Deshalb schrieb er direkt an den Kaiser und an die beiden Räte Ulrich Riederer und Hinderbach, der in der österreichischen Kanzlei tätig war72. Enea Silvio stellte beiden handfeste Belohnungen in Aussicht – als gegenseitiges Tauschgeschäft; bei Hinderbach wollte er sich z.B. in der Frage des schon erwähnten Kanonikats von Regensburg einsetzen, für das Hinderbach zwar im Dezember 1455 ein päpstliches motu proprio erhalten hatte, deren tatsächliche Inbesitznahme ihm aber zwei Jahre später, im Herbst 1457, vom apostolischen Abbreviator Heynemann von Unna streitig gemacht wurde73; ebenso bot sich Enea Silvio an, Hinderbach in der Frage der immer noch unsicheren Propstei in Trient auf dem Laufenden zu halten74. Enea Silvios Hoffnung auf die Unterstützung seiner ehemaligen Kanzleikollegen wurde enttäuscht: die von ihm angeforderten Empfehlungsschreiben verzögerten sich dadurch, daß ihre Ausfertigung durch die Verschleppungstaktik Ulrich Weltzlis immer wieder aufgeschoben wurde – Weltzli war der Chef der römischen Kanzlei und aus bisher unbekannten Gründen Enea Silvio nicht wohlgesinnt. Dieser wiederum beklagte sich bitter darüber bei Ulrich Riederer, aber auch bei Hinderbach, den er besonders deshalb tadelte, daß eine Angelegenheit mit dieser persönlichen Dimension überhaupt in die kaiserliche Kanzlei gelangen konnte, also in Weltzlis Hände, dessen üble Einstellung ihm gegenüber allseits bekannt war75. Über Weltzlis wenig konstruktive Haltung informierte Enea Silvio auch Sonnenberger, Senftleben und sogar den Kaiser selbst, dem er vorschlug, alle Schreiben, die seine eigene Zukunft betrafen, der österreichischen Kanzlei anzuvertrauen, und er beschwerte sich über den nicht wiedergutzumachenden Schaden durch das Ausbleiben der Empfehlungsschreiben: er selbst hätte nämlich 15 Jahre lang dem kaiserlichen Hof treu gedient. Nichtsdestoweniger versicherte er kurz darauf Riederer, Hinderbach und andere seines Wohlwollens durch den schon erwähnten Leibarzt Jakob Johann de Castroromano, dazu empfahl er Hinderbach seine Kirchen in Windischgrätz und Irdning, von denen er dadurch Nutzen ziehen könnte, „ut tuo favore iuventur et nobis denique

Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 457-458. Heynemann erhielt am 5. September 1455 eine Provision. In dem Schreiben vom 11. November sichert Enea Silvio Hinderbach zu, gegen seinen Konkurrenten und für ihn die größte Mühe aufgebracht zu haben, und bittet seinerseits Hinderbach am Ende, ihn dem Kaiser zu empfehlen und bei der Bewerbung in Ermland zu unterstützen. Am 5. April und 4. Juli schrieb er ähnlich über die Pfründe in Regensburg: „in causa prebendae tuae vexamur maxime ob dominum Zamorensem qui tuum adversarium tuetur“ (Aeneae Sylvii Piccolominei Opera quae extant omnia, Nr. 264 und 268). Über Heynemann, E. Pitz, Supplikensignatur, S. 168. 74 Schreiben vom 2. November 1457: Aeneae Sylvii Piccolominei Opera quae extant omnia, Nr. 314. 75 Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 459. 72 73

II. Am Hof Kaiser Friedrichs III.

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utiles esse possint“76. Die ganze verfahrene Angelegenheit fand darin ihren Abschluß, daß Enea Silvio im nächsten Jahr, 1458, zum Papst gewählt wurde – bis dahin konnte er sich aber nicht wirklich in den Besitz des Bistums Ermland setzen – so blieb der ganze Vorgang nur eine Episode, die jedoch in verschiedener Hinsicht bemerkenswert ist. Einmal zeigt er die Möglichkeit Hinderbachs, über die Zuständigkeit einer bestimmten Angelegenheit und die damit verbundene Ausführung in der praktischen Kanzleiarbeit zu entscheiden, mithin auch den Gesamtgeschäftsgang entscheidend zu beeinflussen. Dazu kommt noch die persönliche Komponente einer Art Vetternwirtschaft unter den verschiedenen Kanzleimitgliedern, vor allem Hinderbach und Riederer, wobei ein gewisser Gegensatz zwischen der österreichischen und kaiserlichen Kanzlei in Rechnung gestellt werden muß, durch Reibereien maßgeblicher Persönlichkeiten auf beiden Seiten gespeist77. Gegen Ende des Jahres 1457 wurde Hinderbach aufs Neue in politische Verhandlungen einbezogen. Am 23. November verstarb plötzlich der junge König Ladislaus. Sein Tod, der sofort den Verdacht einer Vergiftung hervorrief, den Hinderbach übrigens teilte78, gab dem Kaiser die Möglichkeit, endlich an die Güter des schon erwähnten Grafen Cilli heranzukommen79; doch neben dieser vorteilhaften Entwicklung begann ein gefährlicher Krieg um die Nachfolge des Ladislaus in dessen Kernlanden Österreich, Ungarn und Böhmen. Er war nur der Auftakt zu einer ganzen Abfolge von kriegerischen Auseinandersetzungen, die Friedrich gegen andere Mitglieder seines eigenen Herrscherhauses stellte80. Der Kaiser war der Sohn Herzogs Ernst, der älteste Habsburger, und folgte im Besitz von Innerösterreich, als Herzog der V. mit diesem Namen. Aber durch die Anciennität beanspruchte er einen gewissen Vorrang vor den anderen Mitgliedern, also eine Art Seniorat, das er auch in einem monokratischen Regiment zum Ausdruck brachte. Ein erster Konflikt war schon gleich zu Regierungsbeginn im Jahre 1439 durch die Vormundschaft über Sigismund in Tirol ausgebrochen81, 76 Am 1. Dezember 1457 (Aeneae Sylvii Piccolominei Opera quae extant omnia, Nr. 333, sub data 25. November). 77 Über den Gesamtzusammenhang, Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 460-461. 78 Hinderbach vermerkt weiter, daß Ladislaus mit 18 Jahren durch die Schuld der Piasten und der Hussiten verstarb (BCTn, ms W 109, f. 2v). Dazu später noch das Gerücht von einer Verwicklung von „Juden“ und „Hussiten“ in die Vergiftung (ASTn, APV, sez. lat., capsa 69, Nr. 195, f. 3v). 79 Vgl. oben Anm. 63. Der Tod Ulrichs von Cilli war entscheidend für die Arrondierung des Habsburgischen Besitzes in Innerösterreich (A. Dopsch, Die Grafen von Cilli, S. 42). 80 Der Gesamtvorgang bei H.R. Zeissberg, Der österreichische Erbfolgestreit, S. 3170. 81 Beim Tod Herzog Friedrichs IV. 1439 hatten die Stände in Tirol auf einem Tag Friedrich III. zum Vormund von Friedrichs damals zwölfjährigen Sohn Sigismund

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aber die volle Kraft der innerhabsburgischen Gegensätze entlud sich bei der Vormundschaft Friedrichs für den jungen Ladislaus, der nach dem Tod seines Vaters Albrecht II. geboren worden war. Das Hauptproblem Friedrichs III. bestand in der Machtausübung für die Besitzungen des jungen Ladislaus, den der ältere Habsburger wie einen Gefangenen hielt. Nach dem Tod des in seiner Herrschaft unbestrittenen Albrecht II. 1439 hatten sich Ungarn und Böhmen faktisch selbstständig gemacht. Der ungarische Adel hatte 1444 formal Ladislaus als König anerkannt, doch die Regierungsarbeit verblieb in der Hand von Jan Hunyadi und seinen Nachfolgern, darunter den schon erwähnten Graf Ulrich von Cilli; beim plötzlichen Tod des Ladislaus wurde nun der Sohn des Jan Hunyadi, Matthias Corvinus, zum König von Ungarn gewählt (1459-1490). In Böhmen konnte demgegenüber Ladislaus überhaupt gar keine Macht ausüben. Bis in die dreißiger Jahre hinein hatte dort die Herrschaft der Hussiten angedauert, die sich einer der Führer der sogenannten Utraquisten, Rokycana, mit Georg Podiebrad teilte. Der wiederum erlangte 1452 die Alleinherrschaft und wurde beim Tode Ladislaus’, der ein Jahr später zum König von Böhmen gekrönt worden war, zu seinem Nachfolger ausgerufen; nichtsdestoweniger befand er sich in Abhängigkeit von den sogenannten Ständen, die weiter an Einfluß gewannen, und schließlich im 16. Jahrhundert auch nominell ihr Regiment festschreiben ließen. Der Tod des jungen Ladislaus brachte also in beiden Ländern eine politisch unruhige Zeit mit sich, wie Hinderbach selber später mit einiger Wehmut rückblickend feststellt82.

In dieser Auseinandersetzung verhielten sich die Stände der österreichischen Territorien und vor allem die Stadt Wien gegenüber den einzelnen Prätendenten eher distanziert. Eine Versammlung am 23. Dezember 1457 berief einen Landtag für den folgenden Januar nach Wien, um eine Lösung vorzubereiten; dazu wurden auch vier Verweser berufen, um in dieser unsicheren Lage einigermaßen handlungsfähig zu bleiben83. Der Landtag fand wie geplant statt, seine Beratungen komplizierten sich aber durch das Eintreffen einer böhmischen Delegation, die eine politisch führende Rolle von Georg Podiebrad auch in Österreich befürwortete und sich dabei auf den letzten Willen des verstorbenen Ladislaus bezog84. Die Lage steigerte weiter ein Vorfall am 5. März 1458. Ulrich Eitzinger, einer der vier Verweser, wurde durch Herzog Albrecht VI., den Bruder Friedrichs, bestellt. Nach vier Jahren Vormundschaft zeigte Friedrich III. keine Bereitschaft, auf seine Rechte zu verzichten, und so brach der Krieg aus (J. Kögl, La sovranità, S. 155-156). Schließlich übernahm Sigismund 1446 im Alter von 19 Jahren selbst die Regierungsgeschäfte. Bibliographie bei K. Brandstätter, Vescovi, città, S. 28, Anm. 24 und besonders bei W. Baum, Sigmund der Münzreiche, S. 63-82. 82 „Plerumque mutaciones regnorum et imperii fieri per huiusmodi prodiciones et (über der Zeile) mortem regum et principum, sicut nostris temporibus vidimus ex morte Ladislai, Alberti filii, in Bohemia et Hungaria sequtum“ (BCTn, ms W 3129, f. 4v). 83 H.R. Zeissberg, Der österreichische Erbfolgestreit, S. 81-82. 84 Nach Podiebrads Auffassung hatte ihm Ladislaus die Einhaltung der Friedenspflicht in allen Ländern übertragen, also nicht nur allein im Königreich Böhmen.

II. Am Hof Kaiser Friedrichs III.

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gefangengesetzt85. Dieser Handstreich löste große Empörung aus, denn Eitzinger hatte sich seit seiner Nomination als Protagonist erwiesen86. Dazu kam noch, daß zwischen ihm und Albrecht eine starke persönliche Abneigung bestand87: Eitzinger wurde verdächtigt, in die (angebliche) Vergiftung des Ladislaus verwickelt gewesen zu sein. Friedrich III. reagierte sofort und forderte die Stadt Wien auf, Eitzinger aus den Händen des Herzogs zu befreien. Gleichzeitig ließ seine Propaganda Kriegsgefahr heraufbeschwören und die ungeschickte Hand des Herzogs, seines eigenen Bruders, denunzieren. Demgegenüber wurde Eitzingers Verdienst für eine gewisse Mäßigung herausgestellt, und am 12. März 1458 schrieb der Kaiser an Hinderbach, er solle sich persönlich nach Wien begeben und für die Befreiung Eitzingers sorgen88. Hinderbach kam diesem Auftrag nach, doch hatte er keinen unmittelbaren Erfolg: Eitzinger wurde erst viele Monate später vom Herzog freigelassen89. Hinderbachs Beteiligung bei der Neuordnung der politischen Situation nach dem Tode des jungen Ladislaus zeigte sich noch bei einer anderen Gelegenheit: nach eigener Auskunft hatte er als Vertrauensmann Friedrichs III. den Auftrag, Untersuchungen über die Erbrechte im Archiv des „Herzogtums Österreichs“ vorzunehmen. Zur Überprüfung aller Dokumente hatten die drei schon genannten Exponenten der Habsburger (Friedrich, Albrecht und Sigismund) und die provinciales (also die Stände) je vier Fachleute ernannt, die zusammen die vorhandenen Dokumente überprüfen sollten. Der Kaiser schlug Hinderbach als Sekretär zu einem seiner Vertreter vor90. Zeitlich läßt sich dieser Vorgang etwa in die Monate Mai-Juni 1458 ansetzen, genauer in Verbindung mit einer dieta, die für den 4. Mai vorgesehen war, sich aber bis zum 13. hinzog; auf ihr kamen die Stände und die drei beteiligten Fürsten zusammen. Doch eine Entspannung stellte sich nicht H.R. Zeissberg, Der österreichische Erbfolgestreit, S. 104 ff. Er hatte die Opposition der Stände in der Liga von Mailberg angeführt und trachtete in der folgenden Gemeinschaftsregierung nach dem Amt eines „Gubernators“ wie bei den Vorgängen in Böhmen und Ungarn: A. Dopsch, Die Grafen von Cilli, S. 28, Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 313. 87 H.R. Zeissberg, Der österreichische Erbfolgestreit, S. 82, 92-93, 96, 104, 111 und passim. 88 Ebd., S. 108. 89 Ebd., S. 164. 90 „(…) ventum est ut archivi (sic) ducatus Austrie aperientur (…) assumptisque ex parte cuiuslibet principis quatuor dumtaxat personis consiliorum ac secretorum (ab ac über der Zeile) suorum participibus ac totidem ex provincialibus, inter (ceter)os veluti Friderici cesaris secretarius admissus fui (…)“ (BCTn, ms W 109, f. 49v). Über Hinderbachs Tätigkeit als „Philologe“ habe ich mich in zwei Sonderbeiträgen ausführlicher beschäftigt: L’amministratore filologo, und Macht der Schrift – Ohnmacht der Gelehrten? 85 86

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ein, sondern nach der „Chronica Austriae“ des Thomas Ebendorfer beanspruchte Friedrich III. gemäß dem von ihm aufgestellten Senioratsprinzip die Vorherrschaft vor den beiden anderen Verwandten; dabei berief er sich auf ein Diplom Friedrichs II. von 124591, welches das sogenannte privilegium maius aufnahm und bestätigte, ein Diplom Friedrichs I. von 1156 – tatsächlich stammten beide Diplome aus der Zeit 1358/59, also erst unter Rudolf von Habsburg92. In diesem Umfeld von Vorherrschaftsansprüchen des Kaisers gegenüber seinen Verwandten muß der beschriebene Archivbesuch der 16 „Experten“ angesiedelt werden93. Bei dieser Gelegenheit erinnerte sich Hinderbach daran, das erwähnte privilegium maius vorgefunden zu haben; er kollationierte es mit einer Kopie im Register und schöpfte schon bei dieser Gelegenheit Verdacht in bezug auf seine Echtheit. Dabei wird nicht ganz klar, ob seine Kritik, die ja von Petrarca bis zu Enea Silvio prominente Vorgänger hatte, irgendeine Wirkung beim aktuellen Streit auf der dieta hatte; festzuhalten aber bleibt, neben der Vertrauenswürdigkeit von Seiten des Kaisers, daß Hinderbach sich noch während der Universitätsjahre eine gewisse Empfänglichkeit für Fragen der Diplomatik angeeignet hatte: schon in Padua hatte er die Dekretalen Innozenz’ III. unter dem Gesamttitel De crimine falsi studiert94 und wie erwähnt die Statuten und die Privilegien der Universität geprüft95. Diese Mischung aus Fachkompetenz und Vertrauensstellung bringt Hinderbach zum Ausdruck, wenn er schreibt, daß er admissus, also zugelassen, durch den Kaiser als einer der vier Experten erschien, die nach Hinderbachs Sueton-Zitat waren: „consiliorum et secretorum suorum participes“96. Die Vertrauenswürdigkeit, die er betont, wird durch Enea Silvio bestätigt: einige Jahre vorher hatte dieser dem Kaiser Informationen zukommen lassen und gleichzeitig Hinderbach erklärt, daß er ihm die Einzelheiten nicht mehr schriftlich mitzuteilen Th. Ebendorfer, Chronica Austriae, S. 449-450. Über die sogenannten „Freiheitsbriefe“, A. Lhotsky, Privilegium maius und ders., Epilegomena, S. 265-282. Vgl. G. Hödl, Die Bestätigung, S. 225-246. 93 Nach Hinderbachs eigener Auskunft hatte er auch bei anderen Gelegenheiten Zugang zu Archivalien im Gewahrsam der Krone, vgl. die Bezugnahme auf Schreiben und andere Dokumente, die er im „Archiv Kaiser Friedrichs“ untersucht hat: „huius contrarium vidi et reperi in certis litteris et instrumentis repertis in archivis Federici imperatoris (…) in quibus continebatur quod Veneti civitatem Tarvisinam duci Leopoldo Austrie cum omnibus castellis ac munitionibus suis libere tradiderunt ut esset amicus eorum (…)“ (ÖNB, CVP, ser. nov., 2961, f. 209). 94 Vgl. BCTn, ms 1561, f. 248-251. 95 Vgl. oben, S. 26 f. 96 Sueton, VII, a. 69, Otho 3,1: „Omnium autem consiliorum secretorumque particeps“ (Hinderbach besaß die Vitae Caesarum des Sueton: BCTn, ms 3218). Dasselbe Zitat in der Vita des Angelo Geraldini, „De Vita Angeli Geraldini“, S. 56. 91 92

II. Am Hof Kaiser Friedrichs III.

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brauchte, da dieser sowieso Einsicht in den an den Kaiser gerichteten Brief nehmen könne97. Die Bemühungen Hinderbachs und seiner Kollegen um philologische Genauigkeit brachten nur ein vorläufiges Innehalten in einem grundsätzlichen politischen Konflikt. Die dieta hatte nur aufschiebende Wirkung, schon im folgenden Sommer 1458 setzte der Krieg ein, im Verlauf dessen Podiebrad sogar aus Böhmen in die Habsburgischen Kernlande einfiel. Hinderbach notiert sehr viel später in einem marginale mit Bitterkeit: „sedicio inter fratres maximarum calamitatum occasio“98. Noch dazu kam eine allgemeine wirtschaftliche Verschlechterung, Mißernten und Hungersnöte. Doch befand sich Hinderbach schon im nächsten Jahr wieder auf einer neuen kaiserlichen Mission jenseits der Alpen. Am päpstlichen Hof Am 6. August verstarb Kalixt III. Die Erwartung der meisten italienischen Mächte, als seinen Nachfolger Kardinal Domenico Capranica zu sehen, wurde durch dessen plötzlichen Tod zunichte gemacht. Trotz scharfer Konkurrenz, vor allem des Franzosen Guillaume d’Estouteville, konnte sich im zweiten Anlauf der langjährige Vertraute des Kaisers und Hinderbachs Kanzleikollege, Enea Silvio, durchsetzen; erst seit 1456 Kardinal, wurde er am 19. August 1458 gewählt und nahm den Namen Pius II. an99. Diese Wahl stieß auf allgemeine Zustimmung, nur Venedig und Florenz blieben abwartend. Von der Person her zeigte sich auch der Kaiserhof zufrieden – nicht zufällig sagte Pius II. von sich, er sei ein „papa imperialis“100, und so wurden auch in seiner früheren Umgebung große Erwartungen geweckt, wie bei Hinderbach, der mit ihm eng in der Kanzlei zusammengearbeitet hatte. Schon am Tag der Wahl schrieb der neue Papst zwei Briefe an den Kaiser, einen offiziellen, einen vertraulichen, in denen er seine Wahl anzeigte und Friedrich seiner Ergebenheit versicherte, dessen Bemühungen er nicht nur die Erhebung zum Kardinal, sondern letztlich auch die zum Papst verdankte Epistolae et varii, Nr. 277. Schon von V. von Hofmann-Wellenhof hervorgehoben (Leben und Schriften, S. 222). 98 MPTn, ms 1596, f. 15. Ein negatives Urteil über Albrecht VI. in BCTn, ms 771, f. 26, wo Hinderbach den Erzherzog mit dem Vandalenkönig Geiserich vergleicht, der nach der Eroberung Karthagos die Besitzungen der Einwohner zu den eigenen gemacht hat (am Rand vermerkt Hinderbach eigenhändig: „recte ut nunc Wienne ab Alberto et suis, cum civibus actum fuit“). 99 Über die Wahl A.A. Strnad, Johannes Hinderbachs Obedienz-Ansprache, S. 43-74. 100 Th. Ebendorfer, Chronica Austriae, S. 579. 97

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(hier aber nur durch eine versteckte Anspielung). So betraute auch Friedrich III. Hinderbach mit der Gesandtschaft an den neugewählten Papst – gerade drei Jahre vorher hatten noch beide zusammen den eben erwählten Kalixt III. aufgesucht –, nicht nur um die große Freude der natio Germanica, sondern auch die eigene Befriedigung über die Wahl zum Ausdruck zu bringen. Im Zusammenhang damit lassen sich noch einige Vorgänge mit Hinderbachs Brüdern verzeichnen, die das Zusammenhalten dieser Gruppe durch den älteren Johannes zeigen. Am 15. Februar 1459 ersuchte der Kaiser den Bürgermeister von Wien, Heinrich mit dem sogenannten Underkammerambt zu versehen; zwei Tage später weihte der schon erwähnte Ulrich von Sonnenberg, Bischof von Gurk und kaiserlicher Kanzler, den zweiten Bruder, Konrad, in Wiener Neustadt zum Diakon – der Jüngste hatte offensichtlich die geistliche Karriere eingeschlagen, dabei tatkräftig gefördert vom älteren Johannes, der ihm 1455 wahrscheinlich ein Kanonikat in Mainz beschafft hatte. Dessen Einfluß dürfte ebenfalls ausschlaggebend gewesen sein für die Aufnahme Konrads in das Collegium Castiglioni, als dessen Scholar Konrad zwei Jahre vorher in Pavia belegt ist101. Für diesen herausragenden Studienplatz war sicher der schon erwähnte Sceva da Corte verantwortlich, der Johannes ja von der Audienz in Wiener Neustadt und der Kaiserkrönung 1452 in Rom kannte. 1456 erscheint Konrad an der Universität in Wien als magister artium102 und im September 1456 vertrat er Johannes im schon erwähnten Streit um die Propstei in Trient103, der vor dem päpstlichen Delegaten Ludovico Ludovisi anhängig war104. Konrad blieb aber nicht in Trient, sondern reiste nach Rom weiter; dort vertrat er zur Jahreswende 1456/57 ebenfalls die Interessen seines Bruders: am 21. Dezember 1456 verzichtete er in dessen Namen auf das Altarrecht im Prämonstratenserinnenkloster Zur Himmelspforte in Wien; zwei Wochen später vertrat er einen Kollegen Hinderbachs in Trient, Ambrosius Schlaspeck, bei der Entrichtung der Annaten.

Konrad selbst hatte trotz der Übertragung der Pfarrpfründe in Kirchberg 1453105 noch nicht die höheren Weihen empfangen, und die erwähnte Diakonsweihe von 1459 durch Hinderbachs alten Kollegen Sonnenberger erscheint wie eine Absprache von Höflingen untereinander: sie wurde nicht durch den eigentlichen „ordinarius loci“, den Erzbischof von Salzburg, vorgenommen, sondern durch den amtierenden Kanzler, und zwar in der Pfarrkirche von Wiener Neustadt, wo sich auch die kaiserliche Residenz befand. Dieser Eindruck wird noch weiter verstärkt, als der Kaiser zehn Tage

101 A. Sottili / P. Rosso (Hrsg.), Documenti per la storia dell’Università di Pavia, 2, doc. 500. 102 A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 9, und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 396. 103 ASTn, APV, sez. lat., capsa 45, Nr. 24 (verso). 104 S. Vareschi, Liquidazione di un abate, S. 303. 105 Rep. Germ., Nik. V., Nr. 800.

II. Am Hof Kaiser Friedrichs III.

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nach Konrads Weihe, am 26. Februar 1459, Hinderbach die Pfalzgrafenwürde übertrug und ihm wegen seiner Verdienste den Adelsschild seines Onkels Dietmar zugestand. Beide Auszeichnungen sind für die Regierungszeit Friedrichs III. nicht so selten; sie betrafen meistens Personen ohne geburtsadlige Herkunft, denen der Kaiser eine persönliche Rangerhöhung und auch ein gewisses Sozialprestige einräumen wollte, ohne damit weitere besondere Verpflichtungen zu übernehmen. Zu dieser eher realistischen Einschätzung kommt auch Hinderbach in einer eigenen Notiz106. Mit diesem neuen Titel machte er sich zu jener schon genannten Gesandtschaft an den neuen Papst im Frühjahr 1459 auf: nicht er war der offizielle Führer, sondern der Dompropst von Salzburg, Burckhard von Weißpriach107, später dort auch Erzbischof und Kardinal. Ihm zur Seite stand ein Verwandter, Andreas von Weißpriach, schließlich der erfahrene Harttung von Kappel, mit dem Hinderbach ja schon seine erste Italienmission durchgeführt hatte. Die Delegation verfolgte ihren Weg nach Süden nicht sehr zügig, denn mittlerweile drohten zwei Konflikte, die anfangs mit so vielen Hoffnungen verbundenen Beziehungen zwischen dem Kaiser und dem neuen Papst einzutrüben. Sogleich zu Beginn seines Pontifikats hatte Enea Silvio, der schon während seiner Tätigkeit bei Friedrich III. mit dem Türkenproblem konfrontiert worden war, seine feste Absicht erkennen lassen, die christlichen Mächte des Westens zu einer gemeinsamen Aktion gegen die vorrückenden Türken zu verbinden108. Dieses Vorhaben kündigte der neue Papst noch am Tag seiner Wahl dem mailändischen Botschafter an und machte es dann am 12. Oktober 1458 offiziell: am folgenden Tag lud eine Bulle alle Fürsten zu einem Kongreß in Mantua oder Udine für den Juni des folgenden Jahres ein, auf dem ein Kreuzzug gegen die Türken verabredet werden sollte. Nach dem Konsistorium mit der offiziellen Ankündigung bat Pius II. den Kaiser ebenfalls zu diesem Kongreß; er hoffte ihn dort persönlich begrüßen zu können und verband damit den Wunsch, Francesco Sforza endlich mit dem Herzogtum Mailand zu belehnen. Doch der Kaiser antwortete abschlägig: er sei wegen der gefährlichen Lage in Österreich unabkömmlich. Diese Weigerung verbitterte Pius II., auch weil er fürchtete, daß die übrigen Fürsten sich daran ein 106 Hinderbach in einem Schreiben an Sonnenberger über die Kosten des Kanonisationsprozesses der Hemma von Gurk: für die Kommissare, mit denen er befreundet war, „non opus esset facere tantam expensam (…) Similiter etiam repeteretur aliquis Advocatus, qui proponeret, et esset contentus habere privilegium Palatinatus vel tale quid“ (J. Obersteiner, Ein Brief von Johannes Hinderbach, S. 212). 107 Zur Person A.A. Strnad, Zur Kardinalserhebung Burkhards von Weißbriach. 108 Über das Thema nun ausführlich und bibliographisch auf letztem Stand J. Helmrath, Pius II. und die Türken. Über das Türkenproblem und Hinderbachs Bemühungen zur Gegenwehr, D. Rando, Fra Vienna e Roma, und unten, S. 333 ff.

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negatives Beispiel nehmen könnten; und so schrieb der Papst auch seinem Legaten im Reich Juan de Carvajal, dem Markgraf von Brandenburg und anderen Fürsten, sie sollten den Kaiser doch noch zur Teilnahme bewegen. In derselben Absicht ging er auch drei kaiserliche Räte an, darunter aber nicht Hinderbach. Um die Teilnahme möglichst weit zu streuen, schickte Pius II. in Kenntnis des Geschäftsganges auch mehrere Schreiben an die kaiserliche Kanzlei, die aber an Bischöfe und Städte im Reich adressiert waren, damit Friedrich als Kaiser sie mit seiner persönlichen Einladung noch verstärken sollte – was dieser auch tat. Zeitgleich mit dem türkischen Vorrücken auf den Balkan komplizierte sich das Problem der Nachfolge im Königreich Ungarn weiter. Nach dem schon erwähnten Tod des Ladislaus Postumus war der Sohn des Jan Hunyadi, Matthias Corvinus, zum König ausgerufen worden. Dagegen hatte eine Gruppe von Adligen, die damit nicht einverstanden war, Anfang des Jahres 1459 in Wiener Neustadt am kaiserlichen Hof Zuflucht gefunden und am 17. Februar offiziell die ungarische Krone Friedrich III. angeboten. Der Kaiser wandte sich in dieser ungeklärten Situation an den Papst, doch Pius II. antwortete nicht in eindeutiger Weise, sondern wiederholte seine Aufforderung zu einem Treffen in Mantua. Nach einigem Zögern nahm Friedrich III. doch am 4. März die ungarische Krone an. Der ganze Vorgang zeigt, inwieweit die Vorstellungen von Kaiser und Papst auseinandergingen, und nahm natürlich auch Einfluß auf die Gesandtschaft, die beim neuen Papst den üblichen Obödienzeid zu leisten hatte und sich erst nach der Annahme der ungarischen Würde durch den Kaiser auf den Weg machte. Der Papst war nämlich schon am 22. Januar 1459 von Rom aufgebrochen, wurde aber in Siena durch Abordnungen verschiedener Fürsten aufgehalten, die ihm den Obödienzeid leisteten, darunter auch Gesandte des Matthias Corvinus, deren Eid Pius II. ohne Zögern entgegennahm und damit indirekt sein Königtum anerkannte. Darüber hinaus bezeichnete er in seiner Anwort auf die Rede der Gesandten Ungarn als den „Schild“ der Christenheit und lobte den Einsatz seiner Könige gegen die Türken.

Die Nachricht erreichte Hinderbach und die anderen Mitglieder der kaiserlichen Gesandtschaft in Florenz auf dem Wege nach Siena. Nach der eigenen späteren Auskunft des Papstes verweilte die kaiserliche Gesandtschaft in dieser unsicheren Lage noch einige Zeit lang am Arno, setzte dann aber die Reise nach Siena fort, wo sie Ende März vor Pius II. den Obödienzeid ablegte109. Bei dieser Gelegenheit hielt Hinderbach die offizielle Ansprache, weitschweifig und schwergewichtig110. In ihr erinnerte er an die gemeinsame Zeit am kaiserlichen Hof, die Gesandtschaft beider zum damaligen Papst Kalixt III. und lobte nun den neuen Papst für seine Verdienste um Kunst und A.A. Strnad, Johannes Hinderbachs Obedienz-Ansprache, S. 111-112. So die Beurteilung von A.A. Strnad, ebd., S. 148. Die Ansprache ist ebendort S. 165-177 ediert und auf den Seiten 147-155 Punkt für Punkt kommentiert. 109 110

II. Am Hof Kaiser Friedrichs III.

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Wissenschaft. Erst ganz am Schluß ging er auf das Ungarnproblem ein und stellte heraus, daß die einflußreichsten Adligen einstimmig die Krone dem Kaiser angeboten hätten, der auf dieses Angebot nur nach langer Prüfung eingegangen wäre. Darauf ersuchte Hinderbach den Papst, die delikate Frage weiter in einer Privataudienz zu behandeln, betonte Friedrichs guten Willen für den Fall, daß er vom Papst als einziger und legitimer König von Ungarn anerkannt würde und stellte die volle Erfüllung seiner Pflichten gegenüber der Christenheit bei der Abwehr eines weiteren türkischen Vordringens in Aussicht. In seiner offiziellen Antwort auf Hinderbachs Eröffnung vermied Pius II. eine eindeutige Stellungnahme zur Ungarnfrage, doch bei den anschließenden Privatgesprächen folgte der Papst dem Beispiel seiner Vorgänger, die denjenigen Titelträger anzuerkennen pflegten, der sich wirklich im Besitz der Herrschaft befand, ohne dabei freilich andere Prätendenten vor den Kopf zu stoßen. Abgesehen davon verhielt sich Pius II. gegenüber Friedrich III. sehr leutselig und kam ihm bei der Bestätigung aller Vorrechte, wie Pfründen und Zehnt, weit entgegen, desgleichen auch gegenüber den Mitgliedern der Gesandtschaft, besonders Hinderbach111 und Burckhard von Weißpriach, zu dessen Kardinalat er aber noch den Rat der Kardinäle einholen müsse112. Danach schloß sich die kaiserliche Gesandtschaft dem päpstlichen Gefolge nach Mantua an, wo Pius II. am 26. September 1459 seinen Türkenkongreß eröffnete113. Der dreistündigen Papstrede folgte eine ebensolange des griechischen Kardinals Bessarion, der seine ganze Redegewandtheit für einen Aufruf zum Türkenkreuzzug aufbot. Die offizielle Vertretung des Kaisers lag in den Händen Hinderbachs, Harttungs von Kappel und des Bischofs von Triest, Antonio de Goppo114. Diese Zusammensetzung der Gesandtschaft erschien dem Papst, der das kaiserliche Personalreservoir aus eigener Anschauung kannte, doch zu dürftig, und er suchte bei Friedrich III. um prestigeträchtigere Vertreter nach. Der Kaiser ging auf die Aufforderung auch ein und ordnete den Markgrafen von Baden mit den Bischöfen von Trient und Eichstätt ab, gleichwohl blieb Hinderbach in Mantua und verfolgte trotz Krankheit die 111 Auf den 7. Juli reicht eine neue Provision zur Propstei in Trient zurück und auf den 12. Juli der Servitienerlaß (Rep. Germ., Pius II., 3058). 112 Zur Problematik des Kardinalats A.A. Strnad, Zur Kardinalserhebung Burkhards von Weißbriach, S. 184-185. 113 Zum sogenannten Fürstenkongreß in Mantua G.B. Picotti, La Dieta di Mantova; K.M. Setton, The Papacy and the Levant, Bd. 2, S. 196-215. M. Pellegrini, Pio II, S. 42 ff. Über die Ansprache Pius’ II., J. Helmrath, Pius II. und die Türken, S. 95-97 und S. 117-124. Weitere Einzelheiten in Verbindung mit Jean Jouffroy, der wie Hinderbach in Siena dem Papst im Namen des Herzogs von Burgund, Philipp des Guten, den Treueeid geleistet hatte und dem Papst nach Mantua gefolgt war, C. Märtl, Kardinal Jean Jouffroy, S. 100-113. 114 G.B. Picotti, La Dieta di Mantova, S. 95, Anm. 1 und 163, Anm. 3.

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weiteren Verhandlungen115. Und so mußte er miterleben, wie alle großartigen Vorschläge der verschiedenen Gesandtschaften des Reichs sich kaum in die Praxis umsetzen ließen und schließlich in eine magere Übereinkunft mündeten, die neue militärische Anstrengungen vorsah, ein Versprechen, das aber schon Nikolaus V. auf dem damaligen Reichstag in Frankfurt von 1455 gegeben worden war. Dieses Mal sollten die endgültige Umsetzung und technische Einzelheiten auf zwei Reichstagen in Nürnberg und Wiener Neustadt verabredet werden; ihnen vorausgehen sollte ein Frieden zwischen Friedrich III. und Matthias Corvinus, um freies Aufmarschgebiet zum Feldzug gegen die Türken sicherzustellen. Und so wurde nach der eher enttäuschenden Grundsatzdebatte auf dem Kongreß – denn so schätzte sie auch Hinderbach selber ein116 – die wirksame Umsetzung durch den päpstlichen Legaten im Reich wichtig, Kardinal Bessarion. Trotz weitreichender Vollmachten war seine Aufgabe aber praktisch unlösbar: zu der erwähnten innerösterreichischen Auseinandersetzung und den Spannungen wegen der umstrittenen Nachfolge in Ungarn117 kam auch noch ein Krieg zwischen den Wittelsbachern und den Hohenzollern, die wichtigsten Fürsten waren also mehr mit Streitigkeiten unter sich selbst als mit einem gemeinsamen Vorgehen gegen die Türken beschäftigt. Gleichwohl brach Bessarion von Italien auf und traf am 28. Februar 1460 in Nürnberg ein; von dort richtete er einen Friedensappell an die christlichen Fürsten und warb für den gemeinsamen Krieg gegen die Türken. Sein Aufenthalt fand Niederschlag in der Städtechronik, die vor allem den Bart des Kardinals herausstellte118, damals ungewöhnlich für einen Geistlichen der Westkirche, ein Detail, das auch Hinderbach beeindruckte, der sogar in seiner Aufzeichnung eine Ähnlichkeit mit dem Reiterstandbild des Antoninus 115 Hinderbach vermerkt die Anwesenheit weiterer Persönlichkeiten in Mantua: „habuit enim illic congregationem generalem, quamvis non sub nomine concilii, Pius papa secundus, 2° anno papatus sui propter factum Thurcorum, cui licet multi et pene omnes Italie principantes interfuerunt, et nonnulli Germani, parum (…) aut nullum inde fructum venisse vidimus, cui et nos cum reverendissimis ac illustribus principibus Iohanne Eystetense, Georgio Tridentino episcopis (über der Zeile) ac Karolo marchione Badense Friderici cesaris ex coniugio sororis eius cognato et Heinrico Senftleben (ab et am Rand mit Bindezeichen) interfuimus, quamvis gravis illic egritudine fatigati. Iohannes Hinderbach“ (ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 88). Belege für Hinderbachs Krankheit bei Rep. Germ., Pius II., Nr. 3928 (1. September 1459), wo die Rede ist von einem Kleriker aus Brandenburg, Lorenz Lindemann, „qui (…) mag. Iohanni Hinderbach oratori imper. in infirmitate sua servit“. 116 Vgl. die vorhergehende Anm. Zusammenhang bei J. Helmrath, Pius II. und die Türken, S. 120-124. 117 A.A. Strnad, Bessarion, S. 872. 118 Die Chronik von Heinrich Deichsler, S. 245; J. Müllner, Die Annalen, S. 533. Vgl. L. Labowsky, Per l’iconografia, S. 285-286.

II. Am Hof Kaiser Friedrichs III.

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Pius vor S. Giovanni in Laterano herstellt119. Nach nicht ganz drei Wochen verließ Bessarion Nürnberg und begab sich nach Worms, wo er aber den Tag verpaßte und dieselben Streitereien vorfand, und so machte er sich über Nürnberg schließlich nach Wien auf, wo er am 4. Mai eintraf. Der Kaiser bereitete ihm einen ehrenvollen Empfang und kam ihm persönlich bis vor die Stadt entgegen. Doch sonst fand sich kein anderer Fürst ein, nur einige Gesandten, die aber keine wirkliche Verhandlungsvollmacht besaßen120. Nach vielen Vorgesprächen wurde der Reichstag endlich vier Monaten später am 17. September in Wiener Neustadt eröffnet; wiederum glänzte die Mehrheit der Fürsten durch persönliche Abwesenheit, vertreten nur durch ihre Gesandten. Obwohl die der Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg weiter fernblieben, versammelten sich schließlich zehn Vertreter von Erzbischöfen und Bischöfen und 80 von 34 Städten – geladen worden waren aber 110 Teilnehmer. Auf dem Reichstag selbst fungierte Ulrich Riederer als organum imperatoris121, also als Sprachrohr des Kaisers. Denselben Part übernahm für Bessarion Johannes Hinderbach122. Diese Vertrauensstellung überrascht auf den ersten Blick, doch Hinderbach empfahl sich durch seine langjährige Vertrautheit mit der päpstlichen Kurie, seine Anwesenheit in Mantua, sein Interesse am Türkenproblem und die persönliche Bekanntschaft mit dem griechischen Kardinal. In dessen Namen richtete Hinderbach die Aufforderung zu weiterem Engagement gegen die Türken an die Versammlung, die aber mit einem einfachen Aufruf zu einem neuen Reichstag unter dem Vorsitz des Kaisers zu Ende ging; an ihm sollten auch die Kurfürsten, Herren und Städte teilnehmen, denn nur ein Reichstag in dieser Besetzung durfte Beschlüsse von solcher Tragweite fassen123. Bessarion hatte also im ersten Anlauf nichts erreicht und blieb so für ein weiteres Jahr in Österreich, auf ausdrückliche Bitte des Papstes zur Aussöhnung zwischen Friedrich III. und Matthias Corvinus. In diesen insgesamt 17 Monaten pflegte Bessarion sicherlich häufigen Umgang mit Hinderbach, den er ja auf dem verflossenen Reichstag zu seinem Sprecher gemacht hatte. Ein Beleg datiert aus dem Jahr 1480: zur Zeit der Legation in Wien verlegte Bessarion drei Messen aus einer Stiftung Dietmar Hinderbachs 119 „Huius equestris statua (…) ei effigie Bessarioni cardinali Niceno grece barbuto simil(lim)a existit“ (BCTn, inc. 391, l. VIII, f. 26v). Vgl. auch BCTn, W 3224, f. 59v. Zum Bezug auf die Reiterstatue des Antoninus Pius vor S. Giovanni in Laterano auch MPTn, ms 1596, f. 23. 120 L. Mohler, Kardinal Bessarion, Bd. 1, S. 292 ff., 300-303; E. Meuthen, Zum Itinerar der deutschen Legation Bessarions, S. 328-333. 121 Diese Aufgabe hatte Riederer schon auf dem Reichstag von Wiener Neustadt 1455 und auf dem Landtag von Wien fünf Jahre später übernommen: Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 518. 122 Vgl. ebd. 123 E. Isenmann, Kaiser, Reich, S. 196-197.

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vom Johannes-Altar in der Kapelle der Hl. Katharina an den Florians-Altar derselben Kirche, St. Stephan in Wien. Diese Verlegung ist sicherlich auf die Initiative Hinderbachs zurückzuführen, der genau im selben Jahr zusammen mit seinen Brüdern die Verlegung der übrigen beiden Stiftungsmessen erreichte. Übrigens erwähnt Hinderbach den Kardinal in seinen Notizen immer wieder mit einer gewissen Sympathie; in seiner Titelkirche, der Basilika Sancti XII Apostoli, einer der vornehmsten des Kardinalskollegs, empfing Hinderbach 1466 die Bischofsweihe124 und wahrscheinlich fungierte er als Vermittler bei Bessarions Versuchen, auf der Legation Deutsch zu lernen125, wie vielleicht schon Enea Silvio seine Hilfe bei der Übertragung deutscher Quellen ins Lateinische in Anspruch genommen hatte126. Der Bürgeraufstand in Wien 1462 Seit der schon beschriebenen Eitzinger-Episode hatte sich die Lage Friedrichs III. innenpolitisch verschlechtert. Die Opposition seines Bruders Albrecht fand solchen Zulauf, daß der Herzog vom Kaiser den Amtsverzicht verlangen konnte zugunsten des jungen Maximilian, dessen Vormundschaft Albrecht dann übernehmen sollte. Der Herzog stimmte sich dazu ab mit Matthias Corvinus, dem Grafen von Görz und dem dritten Habsburger, Sigismund von Tirol, und eröffnete im Juni 1461 den bewaffneten Angriff auf seinen Bruder, den Kaiser127. Zusätzlich hatte ihm der Herzog von BayernLandshut, Ludwig der Reiche, gegen die Verpfändung von Neuburg am Inn und anderer Besitzungen weitere Truppen zur Verfügung gestellt, sodaß die ganze südliche Region des Reiches in den Krieg hineingezogen wurde. Unter Vermittlung des böhmischen Königs Podiebrad kam am 6. November 1461 ein Waffenstillstand in Laxenburg zustande, der die Kampfhandlungen bis zum 24. Juni des folgenden Jahres aussetzte. In diesem Umfeld ordnete Friedrich III. Hinderbach für eine Gesandtschaft zu Podiebrad ab, um die Vermittlung in eine wirkliche Aussöhnung der verfeindeten Brüder münden zu lassen. Hinderbach gelang auch wirklich, ein Treffen für den 16. Die Translation war eine der zahlreichen Amtshandlungen, die Bessarion während seines Aufenthalts in Österreich und in Wien vornahm. Über sie insgesamt P. Uiblein, Die Wiener Universität zur Zeit Regiomontanus, S. 436, Anm. 121. Über die Verbindung Hinderbachs zu Bessarion bei dessen Bischoswahl und die Konsekration in Bessarions Titelkirche Sancti XII Apostoli A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 12, Anm. 61 und S. 27-28, und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 401, Anm. 75, S. 426, Anm. 172. 125 A.A. Strnad, Bessarion, S. 869-881. Vgl. Cl. Märtl, Johann Lechner, S. 100. 126 A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 18, und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 409. Über Enea Silvios magere Deutschkenntnisse trotz seines langen Aufenthaltes A. Lhotsky, Aeneas Silvius, S. 19. 127 F. Cusin, Il confine orientale, S. 367. 124

II. Am Hof Kaiser Friedrichs III.

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Oktober in Egenburg zu vereinbaren (das aber auf den 1. November nach Prag verschoben wurde); darauf kehrte er zu Friedrich nach Leoben zurück, um die Verhandlungsposition neu abzustimmen; dabei muß offenbleiben, ob diese Mission zu keinem Ergebnis führte oder der König Georg dieses Vorhaben fallen ließ, jedenfalls erreichte diese erste Friedensinitiative keinen unmittelbaren Erfolg. Die ohnehin schon schwierige Gesamtsituation wurde durch einen Aufstand in Wien verschlimmert, der im folgenden Jahre 1462 ausbrach. Dabei war Hinderbach zugleich Betroffener und Berichterstatter: im Auftrag Friedrichs III. hatte Enea Silvio die „Historia Australis“ verfaßt und nach dessen Weggang nach Rom übernahm Hinderbach ihre continuatio, innerhalb derer er die Vorgänge aus eigener Kenntnis niedergeschrieben hat128. In der Rückschau fand diese „Wiener Revolution“ ihren Anfang am 25. Juli 1462, als in Wien der Landtag eröffnet wurde, der zwischen den beiden verfeindeten Brüdern Frieden stiften sollte. Ein Teil der Stände, der Friedrich III. nicht wohlgesonnen war, verband sich mit einer latenten Opposition in der Stadt Wien selbst, die sich gegen die kaiserfreundliche Stellung des Stadtrates richtete: dieser wurde am 12. August unter Arrest gestellt, und ein Populist, Wolfgang Holzer, zum Bürgermeister gewählt129. An Friedrich III., der sich in seiner Residenz in Wiener Neustadt aufhielt, ging eine Gesandtschaft ab, die der Kaiser wissen ließ, er wolle persönlich nach Wien kommen, wo sich noch die Kaiserin und der junge Maximilian befanden130. Die Bürgergesandtschaft wurde auf ihrer Rückkehr nach Wien von einer kaiserlichen Delegation begleitet, zu der auch Hinderbach gehörte. Er setzte sich gleich mit der Kaiserin und den Räten ihrer Umgebung in Verbindung, um die Ankunft Friedrichs, aber möglicherweise auch seine Anordnungen in dieser kritischen Situation mitzuteilen. Die allgemeine Spannung ließ die Bevölkerung einen bewaffneten Eingriff des Kaisers befürchten, und aus Angst wurde ihm das Betreten der Stadt verwehrt. Daraufhin suchten zwei Räte das Gespräch mit Holzer, das in der Hofburg stattfinden sollte. Doch die Verunsicherung entlud sich in einem Bürgerauflauf mit Schreien und Glockengeläut. Vor den bewaffneten Wienern enthüllte 128 Eine Zusammenfassung der Ereignisse bei Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 560572 und R. Perger, Wolfgang Holzer, S. 42-49. Über Hinderbachs „Continuatio Historiae Australis“ (Joannis Hinderbachii Historiae rerum), A.A. Strnad, Auf der Suche nach dem verschollenen „Codex Brisacensis“. 129 Über ihn R. Perger, Wolfgang Holzer, besonders S. 42-51. Unter den gefangenen Stadträten auch Heinrich Hinderbach: Michael Beheim’s Buch von den Wienern, S. 27, Z. 11-12. 130 Über Maximilian, H. Wiesflecker, Maximilian I. Die Vorgänge in Wien schon ders., Kaiser Maximilian, S. 68-71.

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Holzer Attentatspläne gegen ihn, strich seine persönliche Gefährdung heraus und rief die Bürger zur Gegenwehr auf. Er machte für den Anschlag zwei Räte aus und bezeichnete sie als Friedens- und Vaterlandsfeinde. Die bewaffnete Menge brach in die Hofburg ein und verlangte die Übergabe der beiden, die wiederum ihre Unschuld beteuerten, die einer von ihnen, Ulrich Riederer, sogar mit einem Eid vor dem Portal der Hofburg beschwören sollte. Doch die Lage entspannte sich nur vorübergehend, denn schon am 22. August sollten diese beiden Räte die Stadt verlassen. Ulrich Riederer beriet mit den Kaiserlichen eine Antwort, auf die aber schließlich verzichtet wurde bis zur Ankunft Friedrichs. An dieser Verzögerungstaktik war auch Hinderbach beteiligt, der anscheinend Riederer vor einem unbedachten Schritt bewahrte. Am Abend dieses 22. Augusts traf Friedrich auch wirklich am Stadttor von Wien ein und verlangte Zugang, der ihm jedoch verweigert wurde. Die daraufhin eröffneten Verhandlungen zogen sich drei Tage lang hin, bis er endlich die Stadt betreten konnte. Doch damit war die allgemeine Anspannung noch nicht vorbei, wie Hinderbach zu dieser Gelegenheit ausdrücklich den allgemeinen Unwillen erinnerte: „plebe cum consulibus dissentiente“131. Anfang September lebten die Unruhen wieder auf und gingen zu offener Feindschaft über, als Friedrich am Ende des Monats seine nur zu einem zeitweiligen Waffendienst verpflichteten österreichischen Truppen und seine angeworbenen Milizen wegen mangelnder Finanzen entlassen mußte. Die Stadt stellte Friedrich auch keinen Kredit zu Verfügung, um den Sold weiterzuzahlen, und so war der Kaiser gezwungen, einige feste Plätze in der Umgebung den Söldnern zu verpfänden, die aber wenig später das Angebot ausschlugen und zu direkten Repressalien übergingen. In dieser allgemeinen Zuspitzung wurden dann doch noch zwei kaiserliche Räte in Gewahrsam genommen, Friedrich selbst blieb in der Hofburg zwei Tage regelrecht belagert, Hinderbach war für acht Tage außerhalb unauffindbar, und am 2. November hielt der eigentliche Sieger seinen Einzug in Wien: Herzog Albrecht. Der eher beschaulich veranlagte Hinderbach fühlte sich von der ganzen Dramatik der Ereignisse überrollt und behielt eine fast traumatische Erinnerung – das factum erschien ihm „teterrimum atque abhorrendum“, eine „seditio“132. Die plötzliche Eskalation von Gewalt verunsicherte ihn zutiefst und brachte auch für ihn selbst persönliche Verluste mit sich: in dem allgemeinen Durcheinander gingen Bücher und Schriftstücke aus seinem Besitz verloren133. Der Ausnahmezustand ging erst zu Ende, als der Sohn BCTn, W 3498, f. 190. Der Begriff erscheint bei BCTn, W 3498, f. 190 und in einem Schreiben an die Kaiserin Eleonore von 1466 (E. Hannak, Ein Beitrag, S. 153. Ebenfalls dort, S. 155: factum teterrimum atque abhorrendum). 133 Ebd., S. 153-155. 131 132

II. Am Hof Kaiser Friedrichs III.

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Georgs Podiebrad Entsatz für Friedrich brachte, und zum Jahresende 1462 im Frieden von Korneuburg eine Übereinkunft zwischen Kaiser und Herzog erzielt wurde. Sie war aber nicht von langer Dauer: der Krieg lebte im folgenden Jahr wieder auf und hielt weiter für mehrere Monate an. Dazu kamen für den Kaiser noch die üblichen „außenpolitischen“ Probleme: im Frühjahr mußte er Hinderbach aufs Neue nach Italien abordnen, wieder in die schon erwähnte Grenzzone mit Venedig, nun aber zum Brennpunkt Triest. Bei seiner Ausdehnungspolitik zur Arrondierung der Terraferma war Venedig im Sommer gegen das zum innerösterreichischen Kernland gehörende Triest vorgegangen, der Papst schickte zur Friedensvermittlung den schon erwähnten Legaten für den Türkenkreuzzug Kardinal Bessarion nach Venedig. Doch alle Vermittlungsversuche waren vergeblich. Venedig zeigte sich festentschlossen, die Hafenstadt seinem Machtbereich einzugliedern, und verweigerte vorläufig alle Friedensbemühungen. So traf Hinderbach Mitte August zu weiteren Verhandlungen in Venedig ein134. Er legte einen förmlichen Protest des Kaisers gegen die Aggression vor135, doch Venedig ließ sich dadurch nicht beeindrucken und verstärkte sogar noch sein Vorgehen136. Daraufhin sandte der Kaiser neue Truppen zum Entsatz nach Triest: „grande zente a Triest ben de li cavalli 2 millia e ne manda de l’altra“137. Diese Hilfe versetzte die Stadt in die Lage, dem Angriff standzuhalten, wenn auch unter großen Opfern; noch später erinnerte sich Hinderbach an die „bewunderungswürdige“ Zähigkeit der Soldaten, die ihren Hunger mit Pferden, Eseln, Hunden, Katzen, Mäusen und sogar mit Menschenfleisch stillten, um die Stadt für das Haus Habsburg zu halten138. Durch diese Standfestigkeit überrascht und von allen Seiten diplomatisch bedrängt, fügte sich Venedig endlich in eine friedliche Lösung, die am 17. November vertraglich vereinbart wurde. 134

„consueto ambasciatore imperiale a Venezia“: F. Cusin, Il confine orientale,

S. 336. 135 136

„Nuova dichiarazione di sovranità su Trieste“ nach F. Cusin: ebd., S. 377. Zu den Absichten Venedigs auch H. Boockmann, Laurentius Blumenau,

S. 250. 137

So der mailänder Gesandte in Venedig: F. Cusin, Il confine orientale, S. 377-

378. 138 ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 20v: „hiis diebus apud Tergestum Italie civitatem a Venetis obsessam alias fuit, in qua milites ultramontani equos, asinos, canes, gattos et sorices comederunt, ymo quod inauditum est, terga animalium et bo(vum) aqua calida tumefacta (…) ac intestinis animalium usi sunt, quorum tanta fuit constantia fidei ut priusquam urbem ob inediam deserere aut dedere (vellent), ita apud se statuerant humanam prius (iudeorum) qui intus erant, post hostium captivorum carnem vesci et si hii deficerent alios quos dietim in prelio interfecissent ad esum suum deputasse. Sed hic suo loco cum ad (eum ve)ntum fuisset ad(notanda) fuissent ad laudem eiusdem civitatis et habitantium in ea, silicet fidelium et (…) domus Austrie et cesaris subditorum“.

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Innerhalb dieser diplomatischen Aktivitäten in Venedig selber ergab sich für Hinderbach auch eine neue Perspektive für seine Zukunft139. In Trient hatte ein Bürgeraufstand Bischof Georg Hack von Thomaswaldau so in die Enge getrieben, daß er die Hilfe des Grafen von Tirol, des schon erwähnten Herzogs Sigismund, als Vogt der Kirche in Anspruch nehmen mußte140; gleichzeitig dauerte im benachbarten Brixen der Konflikt zwischen eben jenem Habsburger und dem vom Papst providierten Bischof, Kardinal Nikolaus von Kues, an141. Sigismund hatte als Landesherr versucht, beide Fürstbistümer seinem Herrschaftsbereich einzugliedern, und war dabei in Brixen auf den energischen Widerstand des einflußreichen Kirchenfürsten gestoßen. Dieser Streit hatte sich durch die Bedeutung beider Kontrahenten und ihr energisches Naturell zum Grundsätzlichen ausgeweitet: der Kusaner war zu Exkommunikation und Interdikt übergegangen, der Habsburger hatte mit Waffengewalt seinen Gegner 1460 in Bruneck belagert und gefangengenommen142. Schließlich kehrte der Kusaner an die Kurie nach Rom zurück, von wo aus eine Lösung eingeleitet wurde: zum ersten Mal im Winter 1462/63 (unter Beteiligung des schon erwähnten Teodoro Lelli)143, dann im folgenden Sommer in Venedig144, wo sich Bessarion zur Vorbereitung des Türkenkreuzzugs aufhielt145 und u.a. von der venezianischen Regierung zu einer Entscheidung über den Aufenthalt der Juden im Hoheitsgebiet der Serenissima angegangen wurde146. In Venedig hielt sich auch Hinderbach auf im schon erwähnten Grenzstreit, nun als Überbringer eines kaiserlichen Vermittlungsversuchs: er kannte den Kusaner persönlich wenigstens seit 1453147 und hatte die Dompropstei in Trient durch die Bemühungen des Kardinals erreicht, der selbst beim Streit darüber mit dem Abt von San Lorenzo Schiedsrichter gewesen war148. Doch auch in Venedig konnte der Brixen-Streit nicht entschieden werden. Erneute Verhandlungen zogen sich bis zum folgenden Sommer 1464 F. Cusin, Il confine orientale, S. 383 (August 1463). Zuletzt darüber E. Curzel, Il vescovo di Trento, S. 447 mit Bibliographie. 141 Vgl. A. Jäger, Der Streit. 142 Die ganze Geschichte mit neuen Quellen bei H. Hallauer, Bruneck. 143 D. Quaglioni, De Lellis, Teodoro, S. 507. 144 H. Boockmann, Laurentius Blumenau, S. 180-185, der auch auf den gleichzeitigen Streit zwischen Sigismund und Venedig um den Flecken Grigno hinweist. 145 Ebd., S. 180-181, und Blumenaus Schreiben im Appendix Nr. 5, das die Anwesenheit mit anschließenden Verhandlungen von zwei Bosniern erwähnt, der eine Abgesandter des Herzogs Stephan, der andere ein Voivode, den die Türken verjagt hatten. Über die Haltung Bessarions T.N. Vlachos, Bessarion als päpstlicher Legat, S. 123125. 146 D. Quaglioni, Gli ebrei nella letteratura giuridica, S. 661. 147 R. Wolkan, Der Briefwechsel, Bd. 3/1, Nr. 152. 148 Rep. Germ., Pius II., Nr. 3058. 139 140

II. Am Hof Kaiser Friedrichs III.

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hin und vor dem endgültigen Entscheid am kaiserlichen Hof in Wiener Neustadt verstarb einer der Hauptbeteiligten, Kardinal Kues, am 10. August in Todi. Bei der Lösung vertrat Hinderbach zusammen mit Ulrich von Nußdorf, Ulrich von Sonnenberg und Johannes Roth den Kaiser149. Offensichtlich zeichnete er auch selbst die Einzelbestimmungen schriftlich auf, wie sich Rudolf von Rüdesheim, später Bischof von Lavant, erinnerte, ebenfalls Teilnehmer als Vertreter des Kardinals und des Papstes150. Dagegen fehlen persönliche Notizen Hinderbachs über die genaue Art seiner Vermittlungstätigkeit, doch seine Sympathien standen wohl auf der Seite des Kardinals151: Sigismund galt ihm als ein Beispiel für jene Fürsten, die Prälaten und Priestern gegenüber weder Ehrfurcht noch Respekt an den Tag legten152. Trotz aller Betroffenheit über den plötzlichen Tod des Kusaners tat sich damit für Hinderbach die Möglichkeit einer Nachfolge in Brixen auf. Dort besaß er schon ein Kanonikat153 und pflegte seit zehn Jahren persönliche Beziehungen in dieser Südtiroler Gegend. Seine Ambition fand bei seiner

149 K. Walsh, Deutschsprachige Korrespondenz, S. 406, Anm. 22. Hinderbach scheint über die Polemik auf dem Laufenden gewesen zu sein (vgl. unten, Anm. 209 und 212). 150 Benedetto Bonelli, Notizie istorico-critiche, Bd. 3/1, S. 265. Über Rüdesheim zuletzt W. Voss, Dietrich von Erbach, S. 381-384. 151 Vgl. unten Anm. 209 zur replica Teodoros Lelli auf die Invektiven Gregors von Heimburg. Auch mit Cusanus dürfte er näheren persönlichen Umgang gehabt haben: Hinderbach rühmt seinen Geist, seine Kultur und seine moralische Integrität: BCTn (inc.) W 116, f. 245v: „opera domini Nicolai de Cusa cardinalis S. Petri ad vincula, qui fuit doctissimus et prelatus vite singularis et ingenii perspicacissimi (a causa) traduccionis nacionis Germanie semper pro Eugenio (…) unacum Iohanne Carvajal cardinali S. Angeli hyspano et (…) Thoma de Serrazana, postea papa Nicolao quinto“ (die Bezugnahme auf das Wirken des Cusanus in der Zeit des Konzils von Basel wird durch den Text angeregt, der sich eben mit Basel beschäftigt). Zur Verbindung Hinderbach und Kues E. Meuthen, Die letzten Jahre, S. 210, Anm. 4, S. 255, Anm. 16. 152 BCTn, W 771, f. 16v, wo Sigismund von Österreich geringschätzig in einem Atemzug mit Sigismondo Pandolfo Malatesta genannt ist, dessen illegitime Herkunft Hinderbach verächtlich festhält. Über den Malatesta (1417-1468), einen hartnäckigen politischen Widersacher Pius’ II., der ihn 1462 nach langen Auseinandersetzungen exkommunizierte, F. Arduini, La vita, S. 3-15. Derselbe Vergleich findet sich bei Enea Silvio, I Commentarii, S. 626-630. Über die Malatesta allgemein s. jetzt: Il potere le arti. 153 A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 24 und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 418, der über den Inhaber des Kanonikats nicht ganz sicher ist, da in der Anwesenheitsliste für die Mitglieder des Kapitels von 1463 und 1464 wohl ein Hinderbach erwähnt ist, aber ohne Vornamen – von daher kann der Bruder Konrad gemeint sein. Diese Unsicherheit ist jetzt durch einen Hinweis der Kaiserin Eleonore von 1464 ausgeräumt, („korherr des stifts“), in einem Schreiben der Edition von K. Walsh, Deutschsprachige Korrespondenz, Anhang 1, S. 439.

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Protektorin, der Kaiserin Eleonore, Unterstützung; sie schrieb für ihn an Alienor von Schottland, der Frau des Grafen Sigismund, und ersuchte sie um Hilfestellung bei ihrem Gemahl. Gleichzeitig nahm sie auch in derselben Sache Verbindung auf zum Hofmeister Sigismunds, Jakob von Trapp, der bei den Verhandlungen Sommer 1464 in Wiener Neustadt zur Auseinandersetzung um den Kardinal und so einer der Gesprächspartner Hinderbachs bei derselben Gelegenheit gewesen war154. Dazu empfahl die Kaiserin ihn aufs Wärmste dem Papst und schickte auch an Barbara von Hohenzollern, die Frau des Markgrafen von Mantua155, eine Botschaft; damit wurde sein Bruder Konrad betraut, der mit einer weiteren Empfehlung, nun der Markgräfin, nach Rom zu Hinderbach selbst reisen sollte; denn dieser hatte sich von Neuem auf den Weg nach Italien gemacht, um wieder einmal die kaiserlichen Obödienzeide gegenüber einem neugewählten Papst zu entrichten: dieses Mal dem Nachfolger Pius’ II., Pietro Barbo, einem Neffen Eugens IV., der den Namen Paul II. annahm. Er war gleich im ersten Wahlgang nach dem plötzlichen Tod Pius’ II. in Ancona vor dem Aufbruch der Kreuzzugsflotte gegen die Türken von den vor dem Pontifikat Pius’ II. kreierten Kardinälen gewählt worden. Mit seinem Amtsantritt leitete Paul II., auch aus persönlicher Abneigung gegenüber seinem Vorgänger, eine Änderung der päpstlichen Politik ein156. Bei seiner Romreise wurde Hinderbach von einem zweiten Gesandten begleitet, Hans von Rohrbach157, einem ambitionierten jungen Adligen, dem trotz anfänglicher Schwierigkeiten ein rascher Aufstieg am Hof gelungen war158. So hatte er Friedrich III. auf dem schon erwähnten Tag in Prag 154 Die Einschätzung Hinderbachs in: ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 118, wo er über die Valsugana, Caldonazzo und die Familie, von der sich der Name herleitet, am Rand notiert: „Tenet autem nunc vir non minori nobilitate et strenuitate clarus ac bonitate magis cons(picuu)s, dominus Iacobus Trappo miles strenuus ex Styriis oriundus, illustrissimi Sigismundi ducis Austrie magister curie“. 155 Hinderbachs Wertschätzung für Barbara von Brandenburg bei ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 88: „(…) animo et virtute prestantissima, ex qua plures filios et filias suscepit“ (der Kinderreichtum der Markgräfin wurde auch von Enea Silvio in seinen Kommentaren gewürdigt). Über Barbara, ihre Beziehung zur Kurie und den Briefwechsel mit Sigismund von Tirol zur Besetzung des Bistums Brixen, E. Severidt, Familie und Politik, S. 226-235, besonders S. 230 und 232 (auf S. 222 das erwähnte Zitat Enea Silvios). 156 A. Modigliani, Paolo II, S. 685-701. 157 Zur Person die Bibliographie von Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 206 und P.-J. Heinig, Kaiser Friedrich III., S. 287-290. 158 Seine Beziehungen zu Hinderbach dürften sich verstärkt haben durch die Zusammenarbeit beider in der Italienpolitik Friedrichs III., bei der Vorbereitung des Romzugs, beim anschließenden Aufenthalt des Kaisers in Neapel am Hofe des Königs von Aragon und seine besondere Vertrautheit mit den Vorgängen um die Habsburgischen Hausgüter. Zusammen mit Ulrich Sonnenberger, Ulrich Riederer und

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vertreten, den Hinderbach 1461 zur Vermittlung im Streit zwischen den verfeindeten Habsburger-Brüdern hatte vereinbaren können, und durch Rohrbachs Vermittlung erhielt er wenig später einige Informationen zum Vorgehen an der Kurie, um die ihn sein Freund Sonnenberger wegen der Kanonisation der Hemma von Gurk gebeten hatte159. So verband Hinderbach einen diplomatischen Auftrag in Rom einmal mehr mit der Regelung von persönlichen Angelegenheiten. Am Hof der Gonzaga in Mantua hielt sich das Gerücht, er hätte sich gerade zu diesem Zeitpunkt an die Kurie begeben, um seine Ernennung zum Bischof von Brixen zu erlangen: „pare che ’l se sia trasferito in corte per questa cason“160. Dagegen erhoben sich einflußreiche Gegenstimmen: ausgerechnet der Sohn des Markgrafenpaares, der junge Kardinal Francesco Gonzaga, strebte dieselbe Würde an und erhielt am 17. September die Provisionsbulle von Paul II.; das Kapitel in Brixen hatte aber schon eines seiner einflußreichen Mitglieder gewählt, Georg Golser, wobei es sich der Unterstützung des Grafen Sigismund bewußt war. Diese Situation wurde weiter kompliziert, weil Kapitel und Graf noch aus der Zeit des Streits mit Kardinal Kues nicht vom Kirchenbann gelöst waren, dazu meldeten andere Kandidaten ihre Ansprüche an161. Hinderbach aber gab sich nicht geschlagen, sondern versuchte mit seinem mächtigsten Konkurrenten, dem Kardinal, im Dezember 1464 an der Kurie eine Übereinkunft zu erzielen162. Dabei fehlte ihm sein Bruder Konrad, der weder mit dem Schreiben der Kaiserin noch mit der zusätzlichen Empfehlung der Markgräfin in Rom eintraf, sondern unverrichteter Dinge („l’è rimasto tuto confuso“) nach Wien zurückgekehrt war. Die ganze Angelegenheit nahm zu Beginn des folgenden Jahres 1465 eine weitere Wende, als der Kaiser selbst einen neuen Namen ins Spiel brachte und Hinderbach ganz aus der Kandidatenliste verschwand. Er blieb weiter als Gesandter Friedrichs in Rom, konzentrierte seine Karrierebemühungen aber auf eine andere Pfründe, die ihn wieder in seine ursprüngliche Heimat nach anderen war Rohrbacher ein Vertreter Friedrichs III. zur Zeit der Auseinandersetzung mit dem Bruder gewesen, vor allem auf dem Landtag in Wien am 21. Januar 1458; im August desselben Jahre hatte er dort den Treueid der Stadt dem Kaiser gegenüber entgegengenommen. Während der „Wiener Revolution“ war er einer der Bevollmächtigten Friedrichs auf dem Landtag von Wien am 25. Juli 1462. 159 Das ergibt sich aus dem Schreiben Hinderbachs an den Bischof von Gurk von 1465: J. Obersteiner, Ein Brief von Johannes Hinderbach, S. 212. 160 A. Piccolrovazzi, La contrastata nomina, S. 54, doc. 67. 161 Zu den Ereignissen vgl. ebd. Zum Gonzaga jetzt I. Lazzarini, Gonzaga, Francesco, S. 756-760, die den Vorgängen in Brixen und später in Trient keine tiefere Analyse widmet. 162 Vor dem 20. Dezember 1464: A. Piccolrovazzi, La contrastata nomina, S. 59.

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Hessen zurückführte: die Propstei von Fritzlar im Erzbistum Mainz163. Den päpstlichen motu proprio erhielt er möglicherweise durch seine Bekanntschaft mit dem schon erwähnten Burckhard von Weißpriach, der inzwischen zum Kardinal aufgestiegen war und zu dessen familia der verstorbene Inhaber der Propstei, der Kurienprokurator Ernst von Nataga164, gehört hatte, den Hinderbach ebenfalls persönlich kannte und als fröhliches Übergewicht beschrieb165. Doch bevor er sich wirklich in den Besitz der Propstei setzen konnte, erreichte ihn am 30. Mai 1465 die Nachricht von seiner Wahl zum Bischof von Trient. Das Domkapitel wählte ihn einstimmig, sicher kein Zufall, denn Hinderbach hatte sich schon seit zehn Jahren ein Netzwerk von Verpflichtungen geschaffen; die Kanoniker erhofften vielleicht von seiner Person eine Stütze in der schwierigen Situation des Bistums166, und auch der Vogt der Kirche von Trient, Herzog Sigismund von Österreich-Tirol, der Vetter des Kaisers, war ihm wohlgesonnen und unterstützte seine Kandidatur167. Dazu kam noch, daß der bisher amtierende Bischof, Georg Hack, wegen seiner langwierigen Vertrautheit Hinderbach als seinen coadiutor und dann als seinen Wunschkandidaten für die Nachfolge angesehen hatte (diese wichtigen, aber inoffiziellen Einzelheiten sind nur durch die Aufzeichnungen Hinderbachs überliefert)168. Die Heranziehung eines Koadiutors zur Regelung der Nachfolge in einem Bistum stand damals als Rechtsinstitut gerade in der Anfangsentwicklung: Bonifaz VIII. hatte in einer Dekretale festgelegt, daß Bischöfe und Kapitel in einer schwierigen Situation einen Koadiutor bestellen konnten; diese Ausnahmeregelung wurde im 15. Jahrhundert dazu instrumentalisiert, ganz generell eine gezielte A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 23, und Wie Johannes Hinderbach, S. 417 (Hinderbach konnte aber nicht in den Besitz eintreten: ebd.). Nach Strnad war dies die erste Pfründe in Hessen, also in seiner Heimat, wie auch Hinderbach selbst vermerkt („preposituram S. Petri Frideslariensis Maguntine dyocesis insignem patrie nostre native vacantem nobis tunc in Urbe existentibus motu proprio …“): ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 19. 164 A. Sohn, Deutsche Prokuratoren, S. 351-352. Vgl. A.A. Strnad, Zur Kardinalserhebung Burkhards von Weißbriach, S. 222. 165 Über Ernst von Nataga („inter curiales nostrorum temporum omnium pingwissimus atque periocundus“), verstorben in Salzburg (so Hinderbach) und Zechgenosse Corrados da Montepulciano, Generalvikars von Rom zur Zeit Nikolaus’ V., gichtkrank und wassersüchtig: ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 19; über Corrado da Montepulciano, Rep. Germ., Eugen IV., Nr. 1176. Auch er hatte eine Pfründe mit Kanonikat in Trient erlangt: ebd. und E. Curzel, I canonici e il Capitolo, S. 501. 166 Über die ganze Angelegenheit zuletzt E. Curzel, Il vescovo di Trento. 167 Z.B. Musée Condé Chantilly, V H 33, f. 2v. Vgl. aber BCTn, W 771, f. 16v, wo Sigismund als Beispiel für Fürsten erwähnt ist, die keine Achtung gegenüber Klerikern an den Tag legten (vgl. oben, Anm. 152). 168 ASTn, APV, sez. lat., cod. 3, f. 11v. 163

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Nachfolge in bestimmten Fällen zu sichern, der sogenannte coadiutor cum iure succedendi. Diese an sich verständliche und auch nützliche Regelung konnte auch zur Dynasten- und Territorialpolitik mißbraucht werden169; nichtsdestoweniger ist im Falle Hinderbachs, wenn von Hack wirklich so vorgesehen, die Rechnung aufgegangen. Und so unternahm Hinderbach freudig erregt und dankbar gegenüber Gott, der Jungfrau und den Heiligen170, die notwendigen Schritte, um die päpstlichen Bestätigung seiner Wahl zu erlangen. Damit tritt sein Leben in eine neue Phase ein. Hinderbach als „gelehrter Rat“ Bis zur Bischofswahl war seine Karriere die eines „gelehrten Rates“ gewesen, d.h. von Männern, die sich durch ein Rechtsstudium zum Fürstendienst qualifiziert hatten. In der Praxis fanden sie eine Anstellung als Ratgeber und Sekretäre in der Kanzlei, bei Gericht und in der Finanzverwaltung171. Hinderbach fügt sich nach der bisher beschriebenen Karriere modellhaft in diesen Typ des Berufs-Juristen ein, den im Laufe des 15. Jahrhunderts eine fortschreitende Differenzierung der Innenpolitik hervorbrachte172: im Reich bildete sich eine Schicht von „Berufspolitikern“ heraus, die ihre Tätigkeit auf dem weiten Feld von Verwaltung und Rechtsprechung mit Professionalität ausführten173. Im Dienste Friedrichs III. bewegte sich Hinderbach in einer Umgebung, dem Hof, gleichsam der Zentrale der Reichsverfassung. Der Hof selbst bildete eine kleine Gesellschaft in sich, in einer differenzierten Ansammlung von einzelnen Personen und wechselnden Gruppierungen. Dabei lassen sich wegen der Quellenlage die Entscheidungsabläufe und die Gewichtung der Einzelpersönlichkeiten nur annähernd verfolgen, auch wenn sich bestimmte Entscheidungen bestimmten Personennetzen zuordnen lassen. In der Zeit Friedrichs war der Hof noch nicht als kohärentes Ganzes in sich organisiert, etwa nach einer festen Ordnung einzelner Ämter: der kaiserliche Rat, als Zentrum der faktischen Machtausübung mit dem Kaiser an der Spitze, versah seine Arbeit mit wechselnden und nicht eindeutig beschriebenen Kompetenzen, ohne festgelegte Teilnehmerzahl; seine Mitglieder waren nicht gleichgestellt, der Geburtsadel besaß immer noch Vorrecht vor dem soge169 H.E. Feine, Die Besetzung, S. 369-379. Auch Hinderbachs Amtsbruder in Brixen, Georg Golser, ernannte 1482 einen Koadiutor mit dem Recht auf Nachfolge: F.A. Sinnacher, Beyträge, VI, S. 621. 170 ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 53. 171 P. Moraw, Gelehrte Juristen, S. 77-78 und 81. 172 Ebd., S. 91. 173 P. Moraw, Grundzüge, S. 40-41.

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nannten Amtsadel; schwierig bleibt auch eine eindeutige Gesamtschau auf Zusammensetzung und Entscheidung des Kammergerichts oder der Kanzlei in institutionengeschichtlicher Sicht, vielmehr lassen sich besser am „Interesse“ der einzelnen Mitglieder langfristige politische Konstellationen oder etwaige übergreifende Strukturen ablesen174. Hinderbach bewegte sich also in einem Ambiente, das von vielfachen Rivalitäten beherrscht war und den Kaiser als eine Art Marionette in den Händen verschiedener Männer seines Vertrauens erscheinen ließ. Der Gang der Forschung sieht allerdings im Gegensatz zu früher die Person Friedrichs positiver, nachdem die bisher vorherrschende negative Einschätzung als Parteilichkeit der Zeitgenossen relativiert worden ist. Danach soll Friedrich bewußt die Rivalität zwischen seinen Ratgebern in Kauf genommen haben, um sich selbst alle Möglichkeiten einer Entscheidung bis zum Schluß offenzuhalten. In dem Maße, in dem seine Ratgeber einander bekämpften, eröffneten sich ihm neue Möglichkeiten für sein eigenes diplomatisches Spiel175. Im vorliegenden Zusammenhang zeigte sich diese Taktik etwa im Ausspielen der Ratgeber, um den Mailändischen Botschafter Sceva da Corte bei der Belehnung Sforzas bis zum für den Kaiser günstigsten Zeitpunkt hinzuhalten. Auch Hinderbach war, wie schon im Falle Mailands erwähnt, an diesem Spiel beteiligt. Dabei läßt sich sein wirklicher Einfluß auch nach Auswertung der persönlichen Glossen nicht restlos klären. Mit Sicherheit war er aber untergeordnet den sogenannten drei „Wetterherren“, den drei „Propheten“, Ulrich von Sonnenberg, Ulrich Riederer und Hans Ungnad. Dieses Triumvirat zeichnete sich 1449 ab und nahm während des Romzugs drei Jahre später festere Konturen an. Den Dreien gelang es, auch später eine gewisse Aktionseinheit aufrecht zu halten und in allen Reichsfragen maßgeblichen Einfluß zur Geltung zu bringen, nicht so sehr als Gruppe mit einem klaren, politischen Programm, sondern um sich selbst und einem Kaiser, dessen Finanznot notorisch war, durch die jeweils wechselnden Postulanten möglichst gleichbleibende, stabile Einkünfte zu sichern176. Aus diesem Dreiergremium war einer, Sonnenberger, Hinderbach persönlich besonders verbunden. Sein eigentliches Aufgabengebiet bei Hof befand sich in der Kanzlei. Titel und Tätigkeit als secretarius und cancellarius wurden schon erwähnt: in seiner „Continuatio Historie Australis“ bringt er ein gewisses „Standesbewußtsein“ zum Ausdruck, denn er spricht von sich und seinen Kollegen als „nostri ordinis ac professionis, qui cancellariae officio incumbebant“177. Auf Hinderbachs 174 Über das Leben bei Hof als „Hofstaat“ zur Zeit Friedrichs III., zuletzt P.-J. Heinig, Kaiser Friedrich III., S. 1317-1346, besonders S. 1318-1320. 175 Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 364. 176 Diese Eindrücke bei Hans Pirckheimer, Abgeordnetem der Stadt Nürnberg: ebd., S. 435-436, 469-472 mit Anm. K.-F. Krieger, Der Hof, S. 183 f.

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Engagement in der Kanzlei spielt das Kaiserdiplom von 1459 an, das seine Dienste erwähnt „in officio prothonotariatus ac secretariae cancellariae nostrae ducalis terrarum et principatuum nostrorum patrimonialium“; aus diesem Passus läßt sich die Zugehörigkeit Hinderbachs zur herzoglichen (österreichischen) Kanzlei (im Unterschied zur kaiserlichen)178 und seine Tätigkeit als Protonotar ableiten. Der Protonotar, auch als cancellarius bezeichnet, versah den größten Teil der praktischen Kanzleiarbeit. Während die Kanzleivorsteher die eher politischen Aufgaben versahen, die nicht mit der praktischen Arbeit zusammenhingen, mußten die Protonotare gerade sie durchführen, d.h. sie entwarfen die „Minuten“, sie kontrollierten die Ausfertigungen und hatten andere praktische Aufgaben179. Für die Zeit Friedrichs ist der Titel des Protonotars kaum belegt, offensichtlich ausschließlich am Anfang und am Ende seiner Regierungszeit180. Gelegentlich führte ihn sogar der Kanzler Sonnenberger selber, um seinen Geschäftsbereich als Leiter der Kanzlei zu umreißen. Deshalb ist es schwierig, das genaue Gewicht des Titels und seine Beziehung mit dem Amt des Vizekanzlers zu umschreiben, ein weiteres Amt, das unter Friedrich III. deutlichere Konturen erhielt. Für diese praktische Arbeit Hinderbachs in der österreichischen Kanzlei liegen im Moment nur indirekte Belege vor: ein Beispiel dafür stammt aus dem Jahr 1453, als Enea Silvio dem Pietro da Noceto mitteilt, daß Hinderbach das kaiserliche Diplom entworfen habe („dictavit“), mit dem Pietro zum Ritter erhoben werden sollte, worum dieser ersucht hatte181. Dieselbe Tätigkeit ist für Ulrich Riederer, der den offiziellen Protonotariustitel nicht führte, in der Zeit von 1451 bis 1460 wenigstens siebenmal in der österreichischen Kanzlei belegt, wohingegen für Hinderbach, der eindeutig mit dem Titel ausgewiesen ist, keinerlei Anhaltspunkte über den erwähnten einzigen Beleg hinaus gegeben sind. Das zeigt aber auch, daß die praktische Kanzleitätigkeit nur ein Ausschnitt vielfacher Tätigkeiten und sicher nicht die wichtigste seiner Joannis Hinderbachii Historiae rerum, S. 566. Bis 1442 gab es nur eine Spezialisierung des Personals innerhalb einer einzigen Kanzlei, aber keine Unterscheidung von den Gegenständen her. Doch ab dem erwähnten Datum läßt sich eine klare Aufteilung feststellen, die freilich nicht bis ins Letzte durchgeführt wurde; die österreichische Kanzlei versah ihre Aufgabe häufig mit dem Personal der kaiserlichen und beschränkte sich nicht auf Vorgänge der Österreichischen Kernlande. Wie die ebenfalls erwähnte Episode der Empfehlungsschreiben von Enea Silvio im Jahre 1457 und seine Vorwürfe an Ulrich Riederer und Hinderbach beweisen, bestand zwischen beiden Kanzleien ein gewisser Gegensatz. In den zehn Jahren von 1455-1464 nahm der Einfluß der österreichischen Kanzlei und ihres Kanzlers zu, wie auch die Mitglieder des kaiserlichen Rates sich eher an Habsburgischen Territorialinteressen orientierten (P.-J. Heinig, Zur Kanzleipraxis, S. 393-394, S. 437-442). 179 P.-J. Heinig, Kaiser Friedrich III., S. 663 ff. 180 Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 455. 181 R. Wolkan, Der Briefwechsel, Bd. 3/1, Nr. 151. 177 178

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Karriere war182. Was auch für Ulrich Riederer zutrifft: der Karriereverlauf beider zeigt eine Verschiebung von der praktischen Arbeit in der Kanzlei hin zu einer eher politisch definierten Beratertätigkeit. Und so spricht HansJoachim Heinig im Falle Hinderbachs pointiert von einer Entwicklung vom Kanzleisekretär mit Ratsaufgaben hin zu einem Rat, losgelöst von Aufgaben in der Kanzlei. Für Hinderbach und seine Kollegen war die Kanzlei so eher ein „sozialer Rahmen“ für die Tätigkeit im Kaiserdienst, weil sie als eine Art Auffangbecken für die gelehrten Räte fungieren konnte183. Der Kanzleivorstand nahm eine spezielle Position der Vermittlung zwischen Kaiser und Kanzlei ein; entscheidend war sein persönliches Verhältnis zum Kaiser, denn er besaß keine festumrissene Kompetenz. Die Kanzlei war also, abgesehen von ihrer reinen Schreib- und Redaktionsarbeit, ein „Sozialsystem“ mit einem ständigen Bezug zur Reichswirklichkeit, also eine Art Scharnier, in dem auch die Rechtsprechung weiterentwickelt wurde184. Hinderbachs Anwesenheit in der Kanzlei zu diesen beschriebenen Bedingungen ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert: in erster Linie konnte er die praktischen Kompetenzen in der Diplomatik auch nach seiner Erhebung zum Bischof in der täglichen Verwaltung seines Bistums gut gebrauchen185. Wichtiger war aber, daß die Kanzlei auch eine Art „Klientelnetzwerk“ darstellte, an deren Spitze der Kanzler als Patron fungierte186. So war Hinderbach auch in besonderer Weise, wie schon erwähnt, Ulrich Sonnenberger verbunden, seit 1440 in der Kanzlei, als Kanzler mit dem Titel Protonotar187, der „alter imperator“188, mit dem Hinderbach durch Enea Silvio in enge Beziehung trat189 und auch zusammen im Kammergericht saß, zeitweilig unter dessen Präsidentschaft190. Wie schon beschrieben, hatten beide 1453 bei Sonnenbergers Bischofserhebung in Gurk eng zusammengearbeitet und auch jenen Pfründenübergang des Kanonikats in Passau verabredet. 1459 hatte Sonnenberger Hinderbachs jüngeren Bruder Konrad zum Diakon geweiht und sieben Jahre später verwendete sich Hinderbach bei seinem So die Beobachtungen bei Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 462 und 586. P.-J. Heinig, Kaiser Friedrich III., S. 483, Anm. 1574. 184 P. Moraw, Gelehrte Juristen, S. 144. 185 Zu diesem Gegenstand s. auch zuletzt D. Rando, L’amministratore filologo. 186 P. Moraw, Personenforschung, S. 11 ff., und besonders S. 16. 187 Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 168-169, und zuletzt P.-J. Heinig, Friedrich III., S. 585-586. 188 So der mailändische Gesandte 1467: RTA, 22/1, Nr. 5, S. 17. 189 Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 169; P.-J. Heinig, Kaiser Friedrich III., S. 591. 190 J. Lechner, Reichshofgericht, Nr. 73, S. 142; Nr. 84-85, S. 148. 182 183

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Aufenthalt an der Kurie für die Kanonisierung der Hemma, der Patronin seines Bischofssitzes Gurk. Der Auftrag Sonnenbergers betraf die näheren Modalitäten einer Heiligsprechung, vor allem Informationen bei denjenigen, die sich mit den einschlägigen Vorgängen unter den Pontifikaten Kalixt’ III. und Pius’ II. vertraut gemacht hatten. In einem Schreiben an Sonnenberger führte Hinderbach die Kosten für Kerzen und Beleuchtung auf, machte Vorschläge zur Entlohnung der Kommissare und des Rechtsbeistandes im Verfahren und andere Einzelheiten, schließlich versprach er Sonnenberger einen stärkeren Einsatz der eigenen Person: „valde cuperem, id fiere diebus nostris et vestre Paternitatis, ut eius desiderio satisfieret et multum libenter in hoc omnem laborem et solicitudinem impendere vellem (…) Et illud, quod ego facere potero et debero, offero me paratissimum“. Darüber hinaus hatte er sich der Hilfe Domenicos de’ Domenichi, Bischofs von Torcello, versichert191. Hinderbach war erfolgreich, schon Anfang 1466 ernannte Paul II. eine Kardinalskommission, in der wohl nicht zufällig saß der Neffe Enea Silvios, Francesco Todeschini Piccolomini; diese setzte nun ihrerseits eine Unterkommission ein, der die bisherigen Anstrengungen Domenichis und Hinderbachs referiert wurden192.

Schließlich zeigt sich die besondere Verbindung Hinderbachs mit Sonnenberger darin, daß er in seinen Kalendarien das Todesdatum des Bischofs von Gurk ausdrücklich vermerkt hat193, das einzige Mitglied des Hofes außer der Kaiserin, für das ein Beleg dieser Art erhalten ist. Was Hinderbachs Tätigkeit auf rein juristischem Gebiet angeht, wurde schon erwähnt, daß er Mitglied des Kammergericht war. Es diente nicht etwa einer modernen, überparteilichen Rechtsprechung, sondern versuchte, königliche und kaiserliche Rechte festzustellen und einzuklagen194, wenn nötig, auch unter Verhängung der Reichsacht. Diese Verbindung von Jurisdiktion und Politik hat zur Annahme geführt, daß Friedrich III. der kaiserlichen Rechtsprechung eine besondere Rolle bei der Durchsetzung seiner praktischen Politik eingeräumt habe, wobei Ziel und Weg sich nicht immer klar unterscheiden lassen. Was aber nicht bedeutet, daß der Kaiser die praktische Rechtsprechung beliebig beeinflußte, denn die Fürsten konnten sich auf ihre eigene Rechte berufen und die Städte indirekten Druck auf finanzieller Ebene ausüben, wozu beide Stände zusätzliche Einflußmöglichkeiten besaßen durch Über ihn vgl. unten, S. 156. J. Obersteiner, Ein Brief von Johannes Hinderbach, S. 199-213. Über den Mißerfolg angestrengter Kanonisationsverfahren und die Verfahrensnormierung vgl. Th. Wetzstein, „Iura novit curia“, S. 281-282 und Anm. 55. 193 Schon vermerkt bei A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 20, Anm. 96 und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 412, Anm. 118. Hinderbachs Datierung, 1470 (Sonnenberger verstarb am 29. Dezember 1469), zählt „a Nativitate“, dem Gebrauch der kaiserlichen Kanzlei gemäß, den auch Hinderbach übernahm (vgl. BCTn, ms W 109, f. 49). 194 Vgl. Chr. Reinle, Zur Gerichtspraxis, S. 317, mit Bezugnahme auf die Ergebnisse von Peter Moraw und Paul-Joachim Heinig. 191 192

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Beziehungen zu einflußreichen Persönlichkeiten bei Hof wie Hinderbach. Das ganze System stellte also eher eine Art fein austarierten Interessenausgleich dar; dazu trat noch ein abgestimmtes System von Sanktionsmöglichkeiten und Privilegierungen. Auch die Personenidentität von Kanzlei und Kammergericht konnte Einzelinteressen entweder wirksam fördern oder wirksam blockieren. Von daher war vor allem die jeweilige Konstellation am Hof für den Ausgang eines Gerichtsverfahrens entscheidend195, mit allen Möglichkeiten offener oder verdeckter Einflußnahme196. Insgesamt gesehen zeigt dieser geraffte Überblick zu Hinderbachs Tätigkeit in Kanzlei, Justiz und Diplomatie ihn als gelehrten Rat unter anderen, in Vertrauensstellung bei Friedrich III. – erinnert sei an seine mit Stolz geäußerte Teilnahme an kaiserlichen consilia und secreta. Hinderbach war ein Rad im kaiserlichen Regierungsapparat, damals noch nicht spezialisiert und fest institutionalisiert, weitgehend getragen von einer persönlichen Verflechtung und gespeist von gegenseitigen Gunstbezeugungen und „unbürokratischer“ Geschäftsordnung. Freundschaften und Ämterpatronage Wie bei vielen anderen gelehrten Räten bürgerlicher Herkunft oder aus niederem Adel erfolgte auch Hinderbachs sozialer Aufstieg im Netzwerk von Studium, Königsdienst und Amtskirche. Er erlangte seine akademischen Grade an zwei Universitäten, Wien und Padua, denen eine eigene Bedeutung zukam. Ähnlich wie die königsnahen Universitäten Heidelberg und Prag vorher, rekrutierte die Universität Wien die gelehrten Räte für den Königsdienst. Dabei fungierte sie gleichzeitig als Transmissionsriemen und als Kontrollinstrument gegenüber den Intellektuellen197 und gewährte dem König Zugriff auf einen Kreis der Rechtsgelehrten und Studenten, aus denen er das Personal für den eigenen Rat und die Kanzlei schöpfen konnte198. Im Falle Hinderbach kam noch das Studium im „Ausland“ hinzu, in Padua, einer Universität, um die sich Mitte des 15. Jahrhunderts ein Kreis von königs- und kaisernahen Juristen konzentrierte, ähnlich wie im Jahrhundert vorher in Bologna oder Prag199. Für eine Karriere des deutschen gelehrten Rates war der Besuch einer „ausländischen“ Universität an sich schon ein Ebd., S. 339. Nach Heinig ließen sich die Parteien nur auf ein Gerichtsverfahren ein, wenn ihnen ein positiver Ausgang zugesichert war: P.-J. Heinig, Zur Kanzleipraxis, passim. 197 P. Moraw, Gelehrte Juristen, S. 131. 198 P.-J. Heinig, Zur Kanzleipraxis, S. 241, über Ulrich Weltzli und Harttung von Kappel. 199 P. Moraw, Gelehrte Juristen, S. 121. 195 196

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Zeichen sozialer und fachlicher Qualifikation: derjenige, der eine Universität beiderlei Typus’ – königsnah und -fern – besuchte, besaß die bessere Aussicht für eine Karriere im Vergleich zu anderen Akademikern200. Darüber hinaus wurde den italienischen Universitäten damals aus deutscher Sicht eine höhere Kompetenz bei Studium und Professoren eingeräumt: für einen ehrgeizigen jungen Deutschen eröffnete ein Studium in Italien den Weg, „zu Reichtum und Ehren“201. Die Bindungen Hinderbachs während der Studienzeit in Wien und Padua ergaben sich aus einem Netz von Nationenzugehörigkeit, kulturellen Interessen und persönlichen Abhängigkeiten. Bereits etablierte verwandtschaftliche Verbindungen an der Universität Wien legten die Grundlage für seinen Karriereanfang und -aufstieg. Rückblickend schrieb Hinderbach über seinen prominenten Vorfahren Heinrich von Langenstein: „hic fuit ex genere meo materno (…) nobili patre quamquam admodum paupere genitus et (…) summam theologie doctrinam cathedramque magistralem adeptus (…) qui alium post se de genere nostro (…) in eodem Wienensi studio enutrivit, qui et ipse ad doctoratum usque pervenit, et alium item ille post se nostri generis (…) educavit (…) cuius ego quoque pietate ad bonarum artium studia adductus, in eum, quem Dei miseracione adeptus sum, gradum et fortunam perveni“202.

Diese Bemerkung zitiert schon Moraw als einen der frühesten Belege für das Bewußtsein sozialer Auswirkungen verwandtschaftlicher Bindung. Familie stand als ursprüngliches Modell für Patronage- und Klientelsbeziehungen. Hinderbach empfand sich als ein Glied in diesem Personengeflecht: anschaulich verkörperte es sich bei der Vererbung einiger Bücher aus dem Nachlaß seiner Vorfahren, Heinrich von Langenstein, Hermann von Treysa und Dietmar Hinderbach203. Ebd., S.145. So der bekannte Humanist Hartmann Schedel (1440-1514) im Jahre 1462. Dieses Urteil wurde auf der Basis von Karriereangaben zum Bischofsrang von deutschen Studenten in Italien ohne akademischen Titel (nach Schedels Beobachtung ist der Erfolg auch garantiert ohne Studienabschluß) durchgeführt von A. Sottili, L’orazione padovana, der von den Beobachtungen Schedels ausgeht (S. 1038). 202 M. Welber, Manoscrittti trentini, S. 79. 203 „Hos libros omnes in uno volumine ac libro vetustissimo (…) reperimus in domo nostra in quadam testudine et capsa vermibus corrosam; qui, ut credimus, fuerunt olim felicis memorie magistri Henrici de Hassia doctoris sacre pagine excellentissimi atque famosissimi, avunculi nostri maioris et fratris avie nostre materne (…) qui post eius obitum devenit ad manus magistri Hermanni de Treysa eius nepotis, qui fuit avunculus minor et doctor medicine. Post eius obitum et hii et alii eius libri ad manus magistri Dietmari et per illius obitum ad nostras manus per//v(enerun)t(…)“ (BCTn, ms 1789, ff. 229-230). Die Übereinstimmung zwischen den beiden Anmerkungen wurde schon beobachtet von M. Welber, Manoscritti trentini, S. 79. 200 201

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Ansonsten spricht das obige Zitat für sich selbst: Hinderbach entwirft eine Genealogie (genus), die von einem berühmten Theologen ausgeht, und die bewußt ihre weitere Ordnung mit der akademischen Erziehung der einzelnen Mitglieder fortschreibt: „enutrivit (…) educavit (…) cuius ego quoque pietate ad bonarum artium studia adductus (…)“. In dieser Ausdrucksweise zeigt sich eindeutig der Gelehrten-Nepotismus204, der in seiner Effektivität bei Hinderbach von Alfred A. Strnad aufgezeigt und schon erwähnt wurde: für einen jungen Studenten war das Weiterkommen wichtig als conjunctus et nepos, amicus und cognatus, etwa des amtierenden Rektors wie beim Beispiel Hinderbach205, und auch Professoren förderten eigene Verwandte. Akademiker im Dienste von Kirche und Hof, auch Universitätsprofessoren mit reicher Bepfründung, bildeten das Rückgrat ihrer Protegés, die das Studium begannen206: dieses Netz von materieller Unterstützung und ideeller Protektion ermöglichte Hinderbachs Karriere – was dieser auch unumwunden zugab: „in (…) gradum et fortunam perveni“. Zu diesen karrierefördernden, auf verwandtschaftlicher Grundlage bestehenden Elementen an der Universität kommen die auf Freundschaft beruhenden persönlichen Verbindungen, wie z.B. die zu den Lelli und Capodilista, die, wie schon dargelegt, Hinderbachs Verankerung in Padua förderten. In einer späteren Notiz lobt Hinderbach ausdrücklich die Brüder Francesco und Teodoro Lelli207: der Ältere der beiden, Francesco, besitze große Gelehrsamkeit, sei aber im persönlichen Umgang schwierig; ihm fehle die 204 So G. Kreuzer, Heinrich von Langenstein, S. 83, der Hinderbachs Zitat zum Anlaß nimmt, Langensteins Biographie genauer zu fassen (S. 47-49), und seinen Aufenthalt in Wien schildert. 205 R.Chr. Schwinges, Deutsche Universitätsbesucher, S. 416 f. 206 K. Schreiner, Consanguinitas, S. 289-291. 207 Musée Condé Chantilly, V H 33, f. 2v: „qui etiam ambo nostri postea conthubernales et sotii in eadem domo et exspensa fu(e)re anno Domini 1447 singularique amore et (federe) nobis coniuncti, alter (vero) Franciscus, vir equidem doctus sed conversacione aliquantulum singularis et non tam humanis moribus uti alter, qui quidem defuncto patre (uxorem) duxit (Neretam), ex qua Lelium filium progenuit qui hodie vivit et ecclesie nostre canonicus existit. Theodorus vero sese professioni ecclesiastice totus prebuit et temporibus Nicolai ad auditoratus officium Rome (…) magnam admirationem de se prebuit verumtamen in promocione nostra ad episcopalem dignitatem ecclesie tunc vacantis nobis emulus ac contrarius fuit, (…) et ipse antea canonicus prebendatus fuit, quamquam frustra et sine effectu laboravit, (cum) Franciscus (über der Zeile) cardinalis Mantuanus de Gonzaga qui post mortem domini cardinalis Brixiniensis eiusdem (über der Zeile) ecclesie Brixiniensis vacantis a pontifice (korrigierter und getilgter Buchstabe folgt) designatus erat, illam contra electum eiusdem assequi non posse ad nostram quoque aspiraverit, sed maiestate imperiali ac illustrissimo principe Austrie Sigismundo nil obsistentibus ac canonica electione de nobis concorditer (am Rand mit Einschubzeichen) facta prevalente, ambobus posthabitis, eandem assequti sumus (…)“.

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Verbindlichkeit des Jüngeren, Teodoro, der, „singulari studio ac divina memoria preditus“, schon als gerade Vierzehnjähriger eine öffentliche Vorlesung zum Zivilrecht habe halten und damit die Bewunderung aller erregen können208. 1449 legten beide ihr Doktorat im Kirchenrecht ab, bei ihrem Großvater, dem schon erwähnten Giovanfrancesco Capodilista; im Jahr darauf wurde Teodoro dann von Papst Nikolaus V. zum auditor an die Kurie berufen209. Seine Haltung wurde mit derjenigen seines Vaters Simone verglichen, der 1447 als Anhänger des Konzilspapstes Felix V. erschien210, dieser Unterschied braucht im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter verfolgt werden. In Verbindung mit Hinderbach fällt auf seine Betonung des „amor singularis“, der ihn mit beiden Brüdern während des Studiums verband und an den er sich noch viele Jahre später erinnert; trotz der Konkurrenz mit Teodoro, damals schon Bischof von Treviso, bei der Nachfolge Hacks in Trient 1465, blieb Lelli für Hinderbach immer der socius aus der Studienzeit in Padua, compater und contubernalis 211. 208 Musée Condé Chantilly, V H 33, f. 2v: „iste Theodorus filius Symonis de Theramo filius legittimus utriusque iuris doctoris advocati consistorialis in concilio Basiliensi natus fuit habuitque alium fratrem maiorem natu Franciscu(m) nomine, qui ambo nostris temporibus, currente anno Domini 1440 et sequentibus in celeberrimo studio patavino iuri civili operam dedere, Theodorus autem suprascriptus singulari studio ac divina memoria preditus erat, qui anno etatis sue XIIII° vel circa vix tum pub(is) libros institucionum iuris civilis publice legit singulari omnium admir(atione)“. In einem Brevier bei der Lektüre eines Passus zur Vermessenheit Unreifer und Ungelehrter, die anstelle zu lernen selbst lehrten, vermerkte Hinderbach: „contra Theodorum de Theramo, qui vixdum sciolus ascendit cathedram (…) ad docendum Padue“ (BCTn, ms 1556, f. 409) Über Teodoros Frühbegabung und spätere Karriere vgl. W. Brandmüller, Simon Lelli, S. 255 und jetzt ausführlich Th. Prügl, Konzil, S. 196202. 209 Zu Lelli ausführlich W. Brandmüller, Simon Lelli, S. 255-258 und D. Quaglioni, De Lellis, Teodoro, S. 506-509, zu dessen Kanonikat in Trient, E. Curzel, I canonici e il Capitolo, S. 674-675. Das Amt bei der Rota ist auch von Hinderbach erwähnt, der im Zusammenhang mit Jacopo Zeno, dem früheren Bischof von Feltre, schreibt: „qui superiori anno ecclesia Patavina vacante ad illam translatus est, Theodoro Theramensi (getilgtes Wort folgt) nostro olim studiorum sotio, auditore rote eadem prefecto, cuius in Gregorium Haimburgensem iureconsultissimum in defensionem Pii contra eiusdem Gregorii blasphemias et illius vicissim in eundem ext(a)nt epistole invective ob materiam (eiusdem) in Sigismundum ducem Athesinum Austrie et capturam sive obsidionem olim cardinalis Brixinensis hinc inde descripte ac beati Ieronimi epistolas, registrum earumque materiarum repertorium exuit (ab ac am Rand)“ (ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 118v). 210 W. Brandmüller, Simon Lelli, S. 261. 211 BCTn, ms 2412, f. 8, in Bezug auf einen Hieronymusbrief: „debet esse ad Marcellam (…) et est CXXIIIa in ordine aliorum secundum (comput)um modernum Theodori Feltren. post Tarvisin. episcopum, olim auditorem rothe et (sotium) nostr(um) in studio Patavino et compatrem et domesticum aut (verius) secundum ordinem domini Alfonsi (episcopi) […]“.

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Die eigene politische Aktivität und das kulturelle Interesse ließen ihn den persönlichen Kontakt mit Teodoro weiter aufrechterhalten oder wenigstens mit dessen literarischer und publizistischer Produktion: schon von amtswegen kannte Hinderbach 1464 als Vertreter des Kaisers in der Kommission zur Lösung im Streit zwischen dem Kusaner und Sigismund die „Replica“ Teodoros auf die Angriffe Gregors von Heimburg212 (dieser hatte nämlich seine Gabe zur Polemik in den Dienst Sigismunds gestellt und Papst Pius II. und dessen Bulle „Execrabilis“ attackiert)213. Außerdem kannte Hinderbach Teodoros Neuausgabe der Hieronymusbriefe, die in einem schönen Druck veröffentlicht und Hinderbach 1470 vom Cousin oder nahen Verwandten Teodoros, Gaspare da Teramo, geschenkt wurde214. Eben jener hatte als Kanoniker von Trient 1466 die dortige Propstei übernommen, nach Hinderbachs Resignation bei seiner Bischofserhebung215 − diese Nachfolge geschah möglicherweise sogar bewußt mit Hinderbachs Hilfe, vielleicht als ein Ausgleich für den Verzicht Teodoros auf seine Ansprüche in Trient. Offensichtlich dauerten die persönVgl. Anm. 209. Zur „Replica“ Th. Prügl, Konzil, S. 203-210. Trotz seiner Wertschätzung Heimburgs als Gelehrten (er galt ihm als „iureconsultissimus“) entschied sich Hinderbach für Teodoro Lelli, der nach seiner Auffassung eingegriffen hatte auf der Seite Pius’ II. „gegen die unflätigte Übergriffe Gregors“. Der genaue Ausdruck blasfemia erscheint in Heimburgs Erwiderung auf Lelli (Apologia contra detractiones ac blasphemias Theodori Laeli): H.-J. Becker, Die Appellation, S. 342 und P. Johanek, Heimburg, Gregor, S. 638. Über die Bulle „Execrabilis“ und den „cancer Cusa“ vgl. auch die Gegenposition bei Th. Ebendorfer, Chronica Austriae, S. 509-537. 213 H.-J. Becker, Die Appellation, S. 341-342, und ders., Der Streit. Über Heimburg ausführlicher P. Johanek, Heimburg, Gregor, S. 630-642. 1454 hatte Enea Silvio Hinderbach an Gregor Heimburg, „celebratum juris interpretem“, Grüße ausrichten lassen: R. Wolkan, Der Briefwechsel, Bd. 3/1, Nr. 269, S. 457. 214 Die Inkunabel in zwei Bänden befindet sich heute im Musée Condé Chantilly, V H 33-34. Gaspare da Teramo hatte sie Hinderbach geschenkt für die Errichtung der Bischofsbibliothek und zum Gedächtnis von Teodoro Lelli. Hinderbachs Glosse ist bemerkenswert: „Hanc primam et secundam partes epistolarum beati Hyeronimi, ab impressoribus litterarum Rome, opera et impensa reverendi patris domini Gasparis de Theramo, prepositi et canonici ecclesie nostre, qui nobis, post promocionem nostram ad episcopatum, in prepositura ecclesie nostre, per provisionem domini Pauli pape, successit, elaboratas, sic ligatas ac miniatas, nobis liberaliter dono dedit, anno Domini 1470, pro fulcienda bibliotheca nostra, quam ex variis libris, hujus artis impressorie magisterio ac facilitate multiplicatis, aggregavimus, necnon in memoriam prefati quondam domini Theodori, ejus consobrini sive patriote, conservandas, quamvis et alia quidam volumina epistolarum beati Jeronimi antea habueramus, sed non eo ordine distinctas atque combinatas, prout in istis duobus voluminibus continentur“. Die Glosse ist schon ediert: Chantilly, Le Cabinet des livres, Nr. 938, S. 196. Dank an Luciano Borrelli, der mich auf den Katalog hingewiesen hat. Hinderbachs Glossen über Lellis Revision der Hieronymus-Briefe auch oben Anm. 209 und 211. 215 Rep. Germ., Paulus II., Nr. 681 und E. Curzel, I canonici e il Capitolo, S. 540541 (durch Paul II. am 12. Mai 1466 zum Propst ernannt, aber vom Kapitel nicht angenommen, gelangte Gaspare erst drei Jahre später in den Besitz der Präpositur, durch den Eingriff Sigismunds von Tirol). 212

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lichen Bindungen zu Teodoro an seit der gemeinsamen Studienzeit in Padua bis zu dessen Tod im Jahre 1466. Durch die Lelli fand Hinderbach Eingang in das paduaner Milieu der Juristen und Professoren wie Simone da Teramo, Giovanfrancesco und Francesco Capodilista, also ein ähnliches, akademisches Ambiente wie vorher schon in Wien. Der junge Student bewunderte die Capodilista216, in seinen Augen war der jüngere Francesco ein elegantissimus iuris traditor, ein Attribut, das er sonst nicht oft verwendete, und dessen poetische Eigenschaft charakterisierte. Mit ihm pflegte Hinderbach über die Universität hinaus auch später noch persönlichen Umgang, wenigstens zweimal, 1455 und 1457, verhandelte er mit ihm als Gesandter Friedrichs III. bei dem schon erwähnten Grenzkonflikt mit Venedig217. In der Umgebung der Capodilista konnte Hinderbach eine gewisse Sensibilität für Geschichte, Literatur und Sammelleidenschaft entwickeln; möglicherweise entdeckte er auch für sich in dieser Zeit die Schriften, wenn nicht sogar die Person, Siccos Polenton218. Hinderbach kannte seine Beschreibung über die Wiederauffindung der (angeblichen) Überreste des Livius219 und schätzte seine übrigen Werke als „beachtenswert“ ein220, ja stellte sie auf die gleiche Stufe mit denen Petrarcas und Vergerios d.Ä., dessen Übertragung aus dem Griechischen von Arrians „Historiae“ im Auftrage Kaiser Sigismunds Hinderbach ebenfalls in Erinnerung hielt221. In Padua machte der junge Student darüber hinaus die Bekanntschaft des Grammatikers und Antikenkenners Ognibene da Lonigo, eines Schülers des Pädagogen Vittorino da Feltre222. 216

„Clarissimi eius urbis cives ac iurisconsiliarii“: ÖNB, CVP, ser. nov., 2960,

f. 106. A. Belloni, Professori giuristi, S. 194-199; vgl. oben, S. 111, 115. 1447 in Padua verstorben, als Schüler Giovanni Conversinis (1343-1408, nach anderen Quellen 1356-1417), des bekannten Notars und Kanzlers der Kommune. 219 M. Pastore Stocchi, Scuola e cultura, S. 93-95. Sicco Polentons Aufzeichnungen über die Auffindung der sogenannten „Titus Livius Gebeine“ in Sicconis Polentoni Scriptorum illustrium, S. 183-184 und die beiden Briefe an Niccolò Niccoli und Leonardo Bruni in La Catinia, S. 77-84 und 92-97. 220 „Fuit et superioribus Charrariensium temporibus Sicco quidem Polentonus, philosophie ac bonarum artium (…) et (…) eloquentia studiosus, Francisco Petrarche ut arbitror et Petri Pauli Vergerii contemporaneus (ab Francisco in der nächsten Zeile, mit Merkzeichen versehen) cuius extant nonnulla haud contempnenda opera, inter que et (über der Zeile) descriptio quando, ubi et qua occasione apud edem Sancte Iustine ossa Titi Livii reperta fuerint ac nonnulla etiam Charrarensium sive Patavinorum hystorie, prout a Patavinis magis exquiri possent harum rerum magis curiosis. Io. Hind.“ (ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 107). 221 BCTn, inc. 391, f. 163. Über Vergerio, L. Smith (Hrsg.), Epistolario und J.M. McManamon, Pierpaolo Vergerio. 222 Ognibene war neben ihm und dem Gramatiker Damiano Gallineta der herausragende Zeuge bei der Verkündigung des Urteilsspruches des Podestà von Padua zum Problem der Prozessionsvorrangs: D. Gallo, Università e signoria, Appendice, 217 218

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In die Studienzeit fällt auch der schon erwähnte Umgang mit Lauro Quirini, dessen Sensibilität Hinderbach bei den studia humanitatis schätzte223. Ebenfalls in Padua beschäftigte sich Hinderbach mit den Zeugen der großen Vergangenheit der Stadt und entdeckte jene Verbindung zur Antike, die den sogenannten Paduaner Frühhumanismus inspiriert hatte. In der Eingangshalle zum Haus der Capodilista befand sich ein Epitaph224, der das schon erwähnte angebliche Grab des Livius feierte225; dazu kam noch das ebenfalls angenommene monumentum des Anthenor, das im alten Stadtgraben nahe der Kirche S. Lorenzo wiederaufgefunden worden war, dessen Inskription Hinderbach transkribierte, um aber dann später die Authentizität zu bezweifeln – es handelte sich denn auch wirklich um ein Epitaph von 1283/84 des Richters, Rhetors und Dichters Lovato Lovati226. Zu diesem Gründungsmythos Paduas in Verbindung mit dem Trojanischen Krieg trat ein anderes, späteres Element aus der Stadtgeschichte: Hinderbach war beeindruckt von einem Gemälde über dem Eingang zu einer „camera“ der schola der Legisten mit dem Kopf des Hunnenkönigs Etzel, der auf seinem Zug nach Italien 430 die Stadt zerstört hatte und dessen Abbild Ähnlichkeiten mit einem Hund aufwies, der die Zähne fletschte227. doc. 16, S. 101. In einer späteren Hs. der „Italia illustrata“ erläutete Hinderbach weiter den Namen Ognibenes, der in der Seitenrubrik erscheint, mit: „rhetor“ (ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 112). Über Ognibene auch als Lehrer Platinas, Hinderbachs engen Freund, Chr. Leitner, Ognibene Bonisoli, S. 27-42. 223 ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 105v. Über Quirini, M. King, Venetian humanism, S. 419-421 und Lauro Quirini umanista. 224 BCTn, inc. 391, f. 115v: in diesem Fall wird der Epitaph genauer „in vestibulo domus“ lokalisiert. 225 Das Gesamtzitat des Abschnitts, oben Anm. 184. 226 „Quod etiam vetusto quodam monumento ut aiunt in fossa urbis profundata reperto, ad portam S. Laurentii et ecclesiam eiusdem aposito, carmibus inscriptis est videndum sic dicentibus: ,Hic (am Rand inclitus mit Einschubzeichen) iacet Antenor patriam vox nisa quietem/transtulit huc Enetum Dardanumque fugas/expulit Euganeos Patavinam condidit urbem‘“. Am Rand: „quamquam credendum sit ea metra non Antenoris temporibus, sed ab aliisque postea modernis ad laudem urbis composita et tumulum ibi factum“ (ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 115). Hier ist auffällig, daß Hinderbach die Transkription der letzten Zeile („quem tenet hic umili marmore cesa domus“) ausläßt und Dardanumque anstelle von Dardanidumque hinfügt. Die inventio fand in den Jahren 1283-1284 statt, als bei Ausschachtarbeiten ein frühchristlicher Sarkofag gefunden wurde mit Gebeinen, die von Lovati als die Antenors identifiziert wurden: G. Billanovich, Il preumanesimo padovano, S. 93-94. 227 Hinderbach erinnerte sich noch sehr viel später daran: BCTn, inc. 391, f. 59v: an der Seite Hinderbach eigenhändig: „Attile ymago qualis fuerit“, und weiter: „Padue in domo quondam (Vernerii) de Po(nt)e non longe apud S. Franciscum, in quadam sala terrestri in scolam arialem iuristarum legistarum (ab in am Rand) super ianuam camere vidimus eius effigiem capitis quidem quasi caninam effigiem habebat, ore protenso“. Über die Erinnerung an Etzel aus der Zeit der Scaliger in Padua S. Collodo, Una

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In Padua lernte Hinderbach auch Jakob Walser kennen, der später sein Mitarbeiter in Trient werden sollte228, und Ulrich von Nußdorf, Sohn des Marschalls im Dienste des Erzbischofs von Salzburg229, wie er ebenfalls Student in Padua 1441 und 1444, aber schon 1432 in Wien immatrikuliert230. Nach Hinderbachs eigener Auskunft hatte ihn 1443 Nußdorfer auf der schon erwähnten Universitätsgesandtschaft nach Venedig zur Bestätigung der Statuten begleitet und war unmittelbar darauf zum Rektor der „universitas iuristarum“ gewählt worden231, ein Amt, das bis zum Jahre vorher auch Theobald von Wolkenstein innegehabt hatte. Durch seine Beziehungen zum kaiserlichen Hof war Nußdorfer in den Genuß wichtiger Pfründen gekommen, wurde 1443 zum Dompropst von Freising und beim Tod Leonhards von Layming zum Bischof von Passau gewählt, gegen den Willen Friedrichs III., der ihm für lange Zeit die regalia vorenthielt. 1464 übernahm er an der Seite Hinderbachs eine Vermittlerrolle in der kaiserlichen Delegation bei der Beilegung des Konflikts zwischen dem Kusaner und Sigismund im schon erwähnten Brixener Bistumsstreit232. Möglicherweise schon in Wien, aber mit Sicherheit in Padua machte Hinderbach die Bekanntschaft mit dem schon erwähnten Georg Hack aus Thomaswaldau in Schlesien. Dieser war der Bruder des im Dienste des Herzogs Sigismunds, des Grafen von Tirol, stehenden Marschalls Happe, der in Bruneck als Bevollmächtigter bei den Verhandlungen mit dem belagerten Kusanus fungierte233. Nach der Universitätszeit trat Hinderbach erneut in Verbindung mit Georg Hack: jener war seit 1446 Bischof von Trient, wo Hinderbach zehn Jahre später die Dompropstei übernahm. Dazu erinnerte sich Hinderbach noch daran, daß er ihn 1459 auch auf dem Kongreß in Mantua angetroffen hatte, wo Hack die kaiserliche Gesandtschaft ergänzte, ein Auftrag, der nach Heinigs Beobachtungen in etwa der Funktion eines kaiserlichen Rats entsprach234 und damit die Versocietà in trasformazione, S. LXVI: in der visio Egidi regis Padue versetzte Giovanni da Nono eine Traumepisode in die Zeit Etzels und der Könige von Padua, um die Schönheit seiner Heimatstadt herauszustellen. 228 Diese Beobachtung findet sich schon bei M. Welber, Manoscritti trentini, S. 77, und vgl. S. 90. 229 H. Rankl, Das vorreformatorische landesherrliche Kirchenregiment, S. 99. 230 Acta graduum, ad indicem sub voce Nußdorfer Ulricus. Für die Immatrikulation in Wien: Die Matrikel der Universität Wien, S. 179. 231 BCTn, ms 1560, f. 118. 232 In diesem Jahr wurde Nußdorfer von Friedrich III. zum Kanzler der kaiserlichen Kanzlei ernannt. 233 H. Hallauer, Bruneck, S. 397. Wahrscheinlich identisch mit jenem Happe Hack, der bei der Königskrönung Friedrichs III. 1442 das Schenkenamt versah und zwei Jahre später der Gesandte Friedrichs beim Streit zwischen dem Erzbischof von Köln und Herzog Johann von Kleve war (Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 170-171). 234 P.-J. Heinig, Friedrich III., S. 482.

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trautheit Hacks mit dem kaiserlichen Hof bestätigte. In einer späteren Notiz führte Hinderbach noch weiter aus, daß Hack in Wien einen Kodex des Ladislaus Postumus erworben hatte, aus dem Nachlaß des jungen Königs bei der Güterteilung zwischen den beiden Habsburgern Friedrich III. und Albrecht VI.235. Schon als Bischof von Trient hatte Hack nach Hinderbachs eigener Auskunft in ihm seinen Koadiutor gesehen, mit dem Wunsch nach seiner Nachfolge236 – was dann auch wirklich eintrat. Diese, von Hinderbach überlieferten beiden Vorkehrungen zeigen den freundlichen Umgang zwischen den ehemaligen Studiengenossen und auch die bis in die frühe Zeit nach Wien zurückreichende Verbindung. Ein weiterer Beleg dafür ist auch, daß Hinderbach Georg Hack ausdrücklich in sein Gebet und Andenken mit einschloß: als Bischof ließ er für seinen Vorgänger ein prächtiges Grabdenkmal in Auftrag geben und ein Jahresgedächtnis einrichten237. Insgesamt konnte Hinderbach durch die Universitätszeit die Voraussetzung für seinen Aufstieg in Königsdienst und Kirche schaffen, doch dazu mußte noch ein weiteres Element treten, die Verbindung zur päpstlichen Kurie in Rom238. Erwähnt wurden schon seine Reisen über die Alpen im diplomatischen Auftrag seines Kaisers, die sich immer auch mit der Förderung der eigenen und seines Bruders Karriere verbanden. Dabei war entscheidend die Verbindung Hinderbachs zu Enea Silvio, die schon vielseitig erforscht ist: zwischen beiden bestand eine „freundschaftliche Verbundenheit“ seit der Zeit von Eneas Anwesenheit bei Hof und in der Kanzlei des Kaisers, die „ihren krönenden Höhepunkt“239 1455 erreichte, während der schon erwähnten Reise nach Rom bei der Neuwahl Kalixt’ III. Wie intensiv der Austausch war, erhellt aus den Briefen Eneas und zahlreichen Bemerkungen Hinderbachs, der nach eigener Auskunft Eneas „De liberorum educatione“ angeregt hatte240; auch die „Germania“ des Tacitus „entdeckte“ Enea Silvio nach Hinderbachs Erinnerung „me presente“241 – die entscheidende Vorarbeit hatte freilich durch seine Archivreisen im Auftrage Nikolaus’ V. der gelehrte Enoch d’Ascoli geleistet242. MPTn, ms 1596, f. 3v. Die Anmerkung wurde schon transkibiert in: PBE, scheda Nr. 32, S. 117. 236 ASTn, APV, sez. lat., cod. 3, f. 11v. 237 Vgl. unten, S. 210 f. 238 P. Moraw, Über Patrone, S. 10. 239 A.A. Strnad, Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 382. 240 Für die „De liberorum educatione“, BCTn, ms 109, f. 2: „ego quoque non mediocris fui huius operis instigator“. 241 ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 59. 242 Vgl. D. Rando, Identità politica e vita religiosa, S. 149. 235

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Die Wertschätzung war gegenseitig: Enea Silvio lobte Hinderbach oft, manchmal überschwenglich243, und auch Hinderbach sparte nicht mit Komplimenten, z.B. bei der offiziellen Ansprache zur Papstwahl 1459 oder in der eigenen Fortschreibung der „Historia Australis“, der „Continuatio“. Doch neben diesen wechselseitigen Lobsprüchen hat schon Hinderbachs erster Biograph, Victor von Hofmann-Wellenhof, jenen Passus zitiert, in dem er sich bitter beklagte, Enea Silvios Kardinalsambitionen mit großer Anstrengung gefördert, dann aber nach dessen Papsterhebung wenig Dankbarkeit empfangen zu haben244. Seine Verbitterung und Enttäuschung sind deutlich anzumerken; auffällig ist, daß nach dem Kongreß von Mantua Belege für eine Verbindung mit der Kurie fehlen, bis hin zur Wahl Pauls II., d.h. durch den gesamten Pontifikat Enea Silvios hindurch; dafür spricht auch, daß sein Name in den päptstlichen Registern bei Benefizangelegenheiten nur für die Anfangsjahre 1458/59 erscheint245. Andererseits dürfen diese Einzelbelege nicht überbewertet werden, denn von Hinderbach stammen zwei spätere Anmerkungen zu Enea Silvio mit insgesamt positiver Würdigung: in einer kehrt er die formula humilitatis Enea Silvios zu seinen Fähigkeiten um und führt aus, daß dieser besser getan hätte, sich zu nennen „inter doctos doc-tissimus, inter expertos expertissimus, inter nobiles (generosus) et inter facundos facundissimus“246; in der zweiten Anmerkung nach dem Tode des Papstes 1464 lobt er seinen verstorbenen Freund als „omnium dignissimus (…) ac benemeritus“247. Neben Enea Silvio war sein Kontaktmann an der Kurie Heinrich Senftleben248, schon unter Sigismund Kaplan, dann als abreviator und scriptor an der Apostolischen Kanzlei, Archidiakon von Groß-Glogau in Schlesien und 243 A.A. Strnad liest daraus eine gewisse Ironie ab: A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 17, Anm. 83 und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 407, Anm. 101. 244 BCTn, ms W 3498, f. 238v. 245 Rep. Germ., Pius II., Nr. 3058, 3928. 246 BCTn, ms W 109, f. 132v. Enea Silvio redet von sich (im Pluralis majestatis) folgendemaßen: „inter doctissimos indocti, inter expertissimos rudes, inter generosos ignobiles“; Hinderbach vermerkt eigenhändig am Rand: „melius dixisset inter doctos doctissimus, inter expertos expertissimus, inter nobiles (generosus) et inter facundos facundissimus“; und vorher f. 132: „nam qui multo inferiores sumus“, wiederum am Rand Hinderbach eigenhändig: „humiliter de se ipso sentit et loquitur“. Über Enea Silvios Beredsamkeit: BCTn, inc. 391, l. II, f. 10v: am Rand Hinderbach eigenhändig: „(…) nostre etatis omnium facundissimum“. 247 BCTn, ms W 785, f. 79v: „de se ipso humiliter sentit, licet omnium dignissimus fuerit ac benemeritus“. Hinderbach gedenkt seines Todes in Ancona folgendermaßen: „relicta Urbe, Anchunam, ubi classem maritimam intrare disposuerat, venit, ubi languens animam pro fide Christi exalavit“ (BCTn, inc. 275, f. 3v). 248 Viele Einzelheiten bei A. Sohn, Deutsche Prokuratoren, S. 238-239.

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ebenfalls wie Hinderbach Rat und Vertrauensmann Friedrichs III., der ihn zu zahlreichen Missionen einsetzte, z.B. nach Mailand oder nach Neapel249. Senftleben war als procurator Anlaufstelle für die kaiserlichen Gesandten in Rom250, so für Enea Silvio bei seiner Kardinalspromotion251. Auch nach seiner Papstwahl verwendete er ihn für die Beziehungen zum Reich, wie z.B. bei der Regelung der Nachfolgefrage im Bistum Speyer 1459252, bei Gesandtschaften an den Kaiser, bei Vorbereitungen für den Kongreß in Mantua und für den Kreuzzug gegen die Türken. Senftleben war auch eingebunden in die Vorarbeit zur Kardinalserhebung Burckhards von Weißpriach, dessen Aufenthalt in Mantua zusammen mit Hinderbach nach dem Besuch der kaiserlichen Delegation beim neugewählten Papst schon erwähnt wurde253.

1453 hatten Hinderbach und Senftleben bei Sonnenbergers Erhebung zum Bischof von Gurk zusammengearbeitet, und ihre persönlichen Kontakte bestanden weiter fort: bei Problemen zwischen Kaiserhof und päpstlicher Kurie zur Übertragung der mailändischen Herzogswürde an Sforza254, beim Kreuzzug gegen die Türken, beim Verlauf des Mantuaner Kongresses255 und den schon erwähnten Komplikationen mit der Erhebung Enea Silvios zum Bischof von Ermland. Ihre Interessen an Bepfründungen konnten nahezu bis zur Deckungsgleichheit gehen, etwa mit Hilfe von Konrad Hinderbach. Ende 1456 traf Konrad nach einem Aufenthalt in Trient als Prokurator des Bruders in Rom ein. Dort verzichtete er in dessen Namen auf einen Altar in der Kirche des Prämonstratenserinnenklosters Himmelspforten (Ad coeli portas) in Wien zugunsten von Kaspar Junge, eines Kanonikers in Breslau, der Nachfolger Senftlebens im Archidiakonat Groß-Glogau werden sollte. Einen Tag nach der Resignation Konrads verzichtete auch Senftleben auf ein Kanonikat in Trient, für das fünfzehn Tage später Konrad die Annaten bezahlte. Am 24. November 249 P.-J. Heinig, Kaiser Friedrich III., S. 526-527; Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 244 und passim. 250 Z.B. Ulrich Riederer: Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 488. 251 A.A. Strnad, Johannes Hinderbachs Obedienz-Ansprache, S.108. A. Sohn, Deutsche Prokuratoren, S. 234. 252 Die eigenen Bemühungen in dieser Angelegenheit verschafften ihm durch ein motu proprio ein Kanonikat zusammen mit der Propstei in Worms: D. Brosius, Päpstlicher Einfluß, S. 219-220. 253 Die erste Kardinalskreation Pius’ II. war gekennzeichnet durch Geheimhaltung gegenüber den übrigen Fürsten, die ihre Kandidaten nicht durchsetzen konnten. Auch unter diesen Umständen wurde die Publikation hinausgezogen: A.A. Strnad, Zur Kardinalserhebung Burkhards von Weißbriach. Über ihn vgl. auch P.-J. Heinig, Freidrich III., S. 447-448. 254 Vgl. oben, S. 102-104, 106. 255 Hinderbach selbst erwähnt ausdrücklich die gemeinsame Zeit in Mantua: ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 88 (vgl. das Zitat oben, Anm. 115). Über Senftlebens Anwesenheit G.B. Picotti, La dieta di Mantova, S. 137-138 und 163, Anm. 3, und A. Sohn, Deutsche Prokuratoren, S. 237 ausführlicher über den Verhandlungsauftrag der Stadt Breslau, die sich mit König Podiebrad im Streit befand.

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1458 sind beide, J. Hinderbach und Senftleben, als Nutznießer einer päpstlichen Reservation für Pfründen in Augsburg und für Kollationen des Bischofs von Passau belegt256.

Von daher läßt sich festhalten, daß Hinderbach ebenso wie Enea Silvio, Ulrich von Sonnenberg und Burkhard von Weißpriach zu jener Klientel zählte eines „der gefragtesten, profiliertesten und einflußreichsten Prokuratoren an der römischen Kurie in der Frührenaissance257. Weitere Klienten Senftlebens waren auch Stadt und Kapitel von Breslau258, und so ist leicht vorstellbar, daß sich Senftleben, selbst Kanoniker und Dekan des Breslauer Kapitels, auch für die Übertragung der Pfründe des scholasticus in Breslau an Hinderbach verwendete259. Doch mehr als diese Verbindungen zählten für Hinderbach die zu einzelnen Mitgliedern des Kardinalskollegs. Persönlich kannte er den Spanier Carvajal. Diese Verbindung hatte Enea Silvio bei der Ernennung Ulrichs von Sonnenberg zum Bischof von Gurk 1453 hergestellt, und Hinderbach suchte auch bewußt Carvajals Unterstützung, als er sich um die Bestätigung seiner Wahl zum Bischof von Trient durch die Kurie bemühte. Der Kardinal war Enea Silvio sehr verbunden, hatte die Interessen Eugens IV. zur Zeit des Konzils von Basel vertreten und auch eine wichtige Rolle beim Übergang Friedrichs III. zur römischen Seite eingenommen; für die Kurie war Carvajal in vielen Ämtern und Aufträgen tätig gewesen, vor allem als Legat im Reich und in Ungarn260: auf seine Person beziehen sich einige Anmerkungen aus der Feder Hinderbachs261. 256 Rep. Germ., Calixt III., Nr. 315, 88; Rep. Germ., Pius II., Nr. 3058 und 1996. Schon 1454 hatte Konrad Hinderbach Senftleben als seinen Vertreter bestimmt zusammen mit seinem Bruder Johannes im Rechtsstreit um die Pfarrei Kirchberg am Wagram: A. Sottili / P. Rosso (Hrsg.), Documenti per la storia dell’Università di Pavia, Bd. 2, doc. 503506. 257 A. Sohn, Deutsche Prokuratoren, S. 239. 258 Ebd., S. 237. 259 Rep. Germ., Paulus II., Nr. 4901: 1465 verzichtete Hinderbach auf die Propstei zugunsten Nikolaus von Tongen (Nr. 4901), der 1458 das Amt des scriptor bullarum erhalten hatte, nach dem Verzicht Senftlebens (A. Sohn, Deutsche Prokuratoren, S. 237). Über Nikolaus von Tongen und Nikolaus Kreul, seinerseits Lehrer des Francesco Todeschini-Piccolomini und zusammen mit Senftleben Vertreter der Stadt Breslau in Mantua, A.A. Strnad, Der Mann, der einen späteren Papst die deutsche Sprache lehrte, S. 282-283. 260 L. Gómez Canedo, Un Español. 261 BCTn, inc. 391, l. VIII, f. 28: Hinderbach erwähnt am Rand die Wiederentdeckung von Tertullians „Contra gentiles“ in der Bibliothek des Dominikanerkonvents bei Friesach durch Tommaso da Sarzana, Doktor der Theologie, damals päpstlicher Gesandter beim Kaiser Friedrich, dann Kardinal und Papst Nikolaus V., und seinen Begleiter Juan de Carvajal, Rotaauditor und dann Kardinal von Sant’Angelo. Dazu

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Seine enge Verbindung mit dem griechischen Kardinal Bessarion ist schon gewürdigt worden. Hinzuzufügen bleibt aber noch, daß Hinderbach als kaiserlicher Gesandter Mitte der Sechziger Jahren in Rom sicher in Kontakt mit der sogenannten „Accademia bessarionea“ kam, bei der sich die römischen Humanisten trafen und Hinderbach auch sein Interesse für die neue Kunst des Buchdrucks weiterverfolgen konnte262; ebenso dürfte er mit jenem ‚deutschen‘ Freundeskreis an der Kurie in Berührung gekommen sein263, zu dem auch Bessarion zählte. In einer späteren Anmerkung entwirft Hinderbach weiter in raschen Zügen ein persönliches Bild des aus dem Osten stammenden Basilianer-Mönchs, der ihm später bei seiner Erhebung zum Bischof hilfreich zur Seite stand, und schließt dann diesen würdigen Nachruf mit einem „requiem aeternam“ für seine Seeleruhe – Zeichen einer doch tieferreichenden Beziehung264. Hinderbach kannte auch den jungen Kardinal Francesco Todeschini Piccolomini von dessen Jugend auf265. Der Neffe Enea Silvios war noch nicht ganz zwanzigjährig im März 1460 zum Kardinal kreiert worden und stellte ein wichtiges Bindeglied zum Reich dar, als dessen „Kardinalprotektor“ er fungierte266. Von daher besaß Francesco eine besondere Vertrautheit mit dem Kaiserhof: er ist unter den drei Kardinälen wiederzufinden, die am 3. Januar auch BCTn, ms 1790, f. 47, wo Hinderbach sich erinnert an einen ganz speziellen Sonnenstand, bei dem die Strahlen in besonderer Weise das Licht reflektierten genau „um die dritten Stunde“ am Tag der „cathedra Petri“ und genau in Sankt Peter in Rom in Begleitung des Kardinals von Sant’Angelo Juan de Carvajal. Zu Carvajals Interesse für den Buchdruck in Verbindung mit Hinderbach D. Rando, Fra Vienna e Roma, S. 308-312. 262 D. Rando, Fra Vienna e Roma, S. 311-312. Nach der Promotion Hinderbachs erhält ein Familiar Bessarions das von ihm aufgegebene Kanonikat in Trient: Rep. Germ., Paul II., Nr. 5914. 263 E. Meuthen, Ein „deutscher“ Freundeskreis, S. 506-508. Über die sogenannte Akademie des Bessarion und seine Verbindung zu den ersten deutschen Buchdruckern in Rom M.D. Feld, Sweynheym and Pannartz, besonders S. 302-305 und C. Bianca, Roma e l’accademia bessarionea, S. 19-41. 264 BCTn, inc. 423, l. XV, cap. 101: „quo nomine cardinalis Nicenus appellatus est, qui fuit monachus ordinis sancti Basilii et magnus, primus in ecclesia Dei et Romana sede prelatus ac promotor noster ad episcopatum, cuius anima requiescat in pace, amen“. 265 Vgl. A.A. Strnad, Francesco Todeschini-Piccolomini, S. 130-131 und ders., Johannes Hinderbach Obedienz-Ansprache, S. 142. 266 Zum Beispiel befürwortete er 1462 im Geheimen Konsistorium die Erhebung Burckhards von Weißpriach zum Erzbischof von Salzburg; ebenso war er tätig geworden für die Stadt Breslau gegen Georg Podiebrad und schließlich hatte er 1465 an die Erzbischöfe von Salzburg, Mainz, Köln und Trier geschrieben und sein Wohlwollen gegen die natio Germanica versichert, deren Sache er als promotor bei der Kurie fördern wolle: A.A. Strnad, Francesco Todeschini-Piccolomini, S. 254-255.

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1466 für den Kanonisationsprozeß der Hemma von Gurk eingesetzt wurden, in dem, wie schon gezeigt, auch Hinderbach beschäftigt war267. Er verkehrte im Haus des Kardinals in Rom bei seinen verschiedenen Aufenthalten an der Kurie, wie einige seiner handschriftlichen Hinweise belegen. Dort fand er in der reichen Bibliothek des Kardinals nicht nur zwischen 1465/66 das Original von Enea Silvios „De liberorum educatione“268, sondern benutzte sie auch bei anderen Gelegenheiten, vor allem um weitere, seltene Manuskripte zu erwerben269. Todeschini Piccolomini unterstützte Hinderbach auch bei dessen Streben zum Kardinalat: als er 1470 im Konsistorium befragt wurde, welche Deutsche des Kardinalats würdig seien, nannte er nach den Bischöfen von Breslau, Augsburg und Metz auch Hinderbach. Die wenigen Deutschen, die in jener Zeit diese Würde erlangten, hatten im Dienste der Kurie oder bestimmter Fürsten Karriere gemacht, und so besaß auch Hinderbach gute Voraussetzungen270. Doch seine Fühlungnahme in dieser Richtung an der Kurie stieß bei Friedrich III. auf Vorbehalt; der Kaiser setzte sich eher für Domenico de’ Domenichi und für einen anderen Protegé ein, Georg Heßler271 (der Erste verstarb bevor er die Rangerhöhung richtig genießen konnte272, Heßler erlangte 1477 wirklich den Roten Hut, was Hinderbach mit einiger Bitterkeit zur Kenntnis nehmen mußte273). Trotz dieses Mißerfolgs blieben seine Verbindungen mit Francesco herzlich. Auf dessen Weg als Legat zum Reichstag nach Regensburg 1471 verweilte der Kardinal drei Tage in Trient, wo ihm Hinderbach persönlich bis vor die J. Obersteiner, Ein Brief von Johannes Hinderbach, S. 204, Anm. 25. E. Hannak, Ein Beitrag, S. 154. 269 ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 58v-59. Über die Absicht Enea Silvios, nach der Lektüre der „Germania“ des Tacitus eine ähnliche Arbeit zu unternehmen : „(…) Nescio an perfecerit. Quere a domino cardinali Senen. eius nepote et require“. 270 A.A. Strnad, Zur Kardinalserhebung Burkhards von Weißbriach, S. 184-185; über das Problem eines deutschen Kardinals vgl. ders., Konstanz und ders., Aus der Frühzeit. 271 Über ihn A.A. Strnad, Der apostolische Protonotar. Vgl. P.-J. Heinig, Kaiser Friedrich III., S. 709-720 und zuletzt W. Voss, Dietrich von Erbach, S. 302-303. 272 H. Jedin, Studien über Domenico de’ Domenichi. 273 BCTn, inc. 424, l. XXVIII, 74. Zur Textstelle: „Viri callidi et dolosi proprium esse solet, tunc pretendere humilitatem, cum aliquid obtinere nititur“, am Rand Hinderbach eingenhändig: „nota hic tu Georgii Heßler et tui similes, qui ad cardinalatum aspiratis“. Ein gleichfalls hartes Urteil über Heßler aus Basel, das aber nach Heinig eher gegen den Kaiser zielt: „spurius, magnus trufator et mendax homo, ab omnibus malum testimonium habens, hic fatuus circuit Alemaniam inferiorem et ducit secum suam matrem et scandalizet totam ecclesiam cum magna pompa“: P.-J. Heinig, Kaiser Friedrich III., S. 709-720, das Zitat aus S. 719. 267 268

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Stadtmauer zur Begrüßung entgegenkam274. Beide arbeiteten dann auf dem Reichstag selber eng zusammen, der Jüngere als Legat des Papstes, Hinderbach als Sprachrohr des Kaisers, als welches er den Reichstag eröffnete275. Zu Hinderbachs Bekanntschaften zählte auch ein „Beinahe-Kardinal“: Domenico de’ Domenichi, 1448 Bischof von Torcello, seit 1466 von Brescia, ein bekannter Theologe und Autor von Werken wie „De potestate papae“ und „De creatione cardinalium“, seit 1457 Referendar der päpstlichen Signatur, sieben Jahre später auch Generalvikar von Rom. Domenichi stand seit wenigstens 1463 in guter Verbindung mit dem Kaiserhof und war seit dem Pontifikat Pauls II. Vertreter der kaiserlichen Interessen an der Kurie. Friedrich III. hegte offensichtlich großes Vertrauen in ihn, so daß nach dem Biographen Pauls II. kein anderer päpstlicher Diplomat außer Bessarion ihm darin gleichkam: vor diesem Hintergrund ist nicht verwunderlich, daß der Kaiser ihn seit 1473 zusammen mit dem Neffen Pius’ II. für das Kardinalat vorschlug276. Domenichi bemühte sich zusammen mit Hinderbach um die Kanonisierung der Hemma von Gurk, genau zu der Zeit, als dieser kaiserlicher Gesandter in Rom war277, und übernahm selbst das Richteramt im Prozeß um die Dompropstei in Trient, den Hinderbach gegen den Abt von San Lorenzo bestritt278. In seiner Gegenwart stellte Hinderbach 1466 auch den förmlichen Protest gegen das Verhalten der Kurie bei der Bestätigung seiner Bischofswahl in Trient ein – wobei Domenichi als „consiliarius, nuntius et coorator imperialis“ erscheint279. Zehn Tage später weihte Domenichi Hinderbach in Rom zum Bischof, wie dieser sich in einer späteren Anmerkung noch genau erinnerte: „noster in legatione ad papam Paulum collega et ordinator in dignitatem 1466 XXa iulii, Rome apud Sanctos Apostolos“280. Innerhalb dieser Konstellation vollführte sich Hinderbachs Aufstieg: er reichte von der Förderung durch die eigenen Verwandten an der Universität Wien, das akademische Milieu führender Rechtsgelehrter in Padua und I.Ph. Dengel, Eine Beschreibung Tirols, S. 218-219. RTA, 22/2, Nr. 111, S. 595-596, Nr. 114h, S. 735 und passim. 276 H. Jedin, Bischof Domenico de Domenichi und Kaiser Friedrich III, und ders., Studien über Domenico de’ Domenichi. Vgl. auch die hervorragende Kurzbiographie von H. Smolinsky, Dominici, Domenico, S. 691-695. 277 Vgl. oben, Anm 192. 278 Rep. Germ., Paulus II., Nr. 681. 279 Vgl. unten, S. 171. 280 ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 105v, neben dem Namen de’ Domenichis, der im Text noch als Bischof von Torcello erscheint: „nunc Brixiensis, noster in legatione ad papam Paulum collega et ordinator in episcopalem dignitatem 1466 XXa iulii, Rome apus Sanctos Apostolos“. Hinderbach erwähnt an mehreren Stellen die eigene Konsekration durch de’ Domenichi: A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 28, Anm. 137 und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 426, Anm. 172. 274 275

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schließlich die Einbindungen in Kaiserhof und Kurie bis hin in die Führungsspitze von Reich und Kirche. Dazu kamen noch seine vielfachen kulturellen Interessen, die das bereits bestehende, persönliche Klientelnetz speisten und belebten. 2. Der Kleriker Im Benefizialsystem Die Beendigung des Schismas und der Abschluß des Konzils von BaselLausanne (25. April 1449) hatten keine wirkliche Lösung für die Probleme gebracht, die zwischen dem Reichsepiskopat und der Kurie bestanden. Das Konkordat von Wien (1448) war das Ergebnis eines diplomatischen Interessenausgleichs zwischen Friedrich III. und dem neuen Papst Nikolaus V.; es regelte vornehmlich die Beziehung zwischen päpstlichem und bischöflichem Kollationsrecht bei der Vergabe der kirchlichen Benefizien und griff in seinem Gehalt auf das Konkordat von Konstanz 1418 zwischen Martin V. und der natio Germanica zurück – damals erfolgte die Vergabe der Pfründen nach einem monatlichen Verteilerschlüssel, d.h. Papst und Bischöfe wechselten sich jeden Monat bei der Vergabe ab. Diese Regelung bewährte sich auch in der Folgezeit nach dem Konkordat von Wien, für Andreas Meyer eine „erfolgreiche Reform“281. Ganz anders lag aber die Problematik bei den Bischofserhebungen; in sie griff das Konkordat von Wien nicht direkt ein. Es beschränkte sich wie ähnliche Konkordate derselben Zeit darauf, die bisherige Rechtslage nach der kanonischen Gesetzgebung effektiver umzusetzen und implizit das zu bestätigen, was schon für Wahlen, Postulationen und Koadiutorien mit dem Recht auf Nachfolge festgelegt worden war. Das Konkordat versuchte vielmehr die Anwendung der päpstlichen Reservation zu bestimmen im Falle eines Benefiziums „apud sedem apostolicam vacans“: durch Rückgriff auf die Anerkennung jener päpstlichen Reservierung nach der Regelung in Konstanz versuchte es, das Dekret „De reservationibus“ des Konzils von Basel außer Kraft zu setzen. Die eigentliche Neuerung des Konkordats bestand aber in einem anderen Punkt: die Wahlen durch die Domkapitel im Reich mußten vom Papst bestätigt werden. Diese Regelung erstreckte sich auf alle Bischofssitze, nicht nur auf die bisher dem Apostolischen Stuhl unmittelbar unterstellten (also außerhalb der Metropolitanverfassung stehenden). Es legte eindeutig fest, daß die Wahl eines Bischofs durch das Kathedralkapitel nicht ein „ius in re“, sondern nur ein „ius ad rem“ sei. Dadurch besaß die Kurie die Möglichkeit direkter Einflußnahme, und das Recht der Bestätigung 281 So A. Meyer, Das Wiener Konkordat, S. 149-150. Vgl. auch G.-R. Tewes, Die römische Kurie, S. 114-117 und S. 148-149 (zur späteren Entwicklung).

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verpflichtete das Wahlkollegium zusätzlich, auf die Kanonizität der Wahl zu achten, die ebenfalls der Kurienkontrolle unterlag282. Dieses Prüfungsrecht schuf natürlich auch die Möglichkeit einer Einflußnahme auf den Vorgang selbst, denn bei Verfahrensfehlern bestand immer die Gefahr, die gesamte Wahl schon aus formalen Gründen für ungültig zu erklären. Dazu schaffte die Klausel, nach der die Kurie ein Optionsrecht für einen geeigneteren Kandidaten besaß, eine zusätzliche Gelegenheit zur Beeinflussung, auf die eine regelrechte „Benefizienpolitik“ aufgebaut werden konnte283. Nach der letzten Untersuchung von Andreas Meyer führten diese Regelungen nicht prinzipiell zu starker Konfrontation der deutschen Domkapitel mit der Kurie und boten auch keinen theoretischen Anlaß zum Streit zwischen Wahl- und Provisionsmechanismus284. Von daher sind auch die sogenannten Gravamina der deutschen Nation nach Meyer als „reine Polemik“ zu betrachten; sie stellten eine holzschnittartige Vereinfachung der komplizierten Vorgänge der „Realpolitik“ dar – auf der einen Seite die Kurie, auf der anderen Seite das Wahlrecht285. Ein gewisser Widerstand unter den deutschen Bischöfen zeigte sich bei der Legation des Nikolaus von Kues 1452 im Reich. An ihrer Spitze stand der langjährige Erzbischof von Trier, Jakob von Sierck (1439-1456)286. Sie fand ihren Niederschlag in dem Abschied der kirchlichen Kurfürsten vom Jahre 1452, den B. Gebhard als erstes offizielles gravamen wertet; es wollte durch die Forderung nach einem Konzil unter Berufung auf das Konstanzer Dekret „Frequens“ den Papst und die Kurie zum Eingehen auf die Reformforderung der natio zwingen. Die Nachricht vom Fall von Konstantinopel ein Jahr später und die anschließende Ausschreibung des Zehnten zur Organisation des Widerstandes gegen die Türken verschlechterten die Beziehung zwischen Rom und dem Reich weiter. In einem Brief vom 12. März 1455 erinnerte sich Enea Silvio dem Kardinallegaten in Deutschland Carvajal gegenüber, ihm schon von Frankfurt geschrieben zu haben, über die „rumores huius nationis adversus romanam curiam“; er berichtete darüber hinaus über ein Gespräch des Kaisers mit Jakob von Sierck über die Probleme der Kirche im Reich. Wenige Tage nach diesem Brief brachte der Tod Nikolaus’ V. neue Bewegung in die Diskussion. Jakob von Sierck versuchte, die unsichere Situation der Sedisvakanz auszunützen, doch er erkannte schnell, daß seine BemüA. Meyer, Bischofswahl, S. 132-133. Die Möglichkeit bestand nach D. Brosius, Päpstlicher Einfluß, S. 200-228. 284 Vgl. G.-R. Tewes, Die römische Kurie, S. 309: „Bei Bistumsbesetzungen war nahezu immer die Wahl des Kapitels ausschlaggebend“. 285 Zu den Gravamina differenziert ebd., S. 133-134; vgl. auch S. 355. 286 Über ihn I. Miller, Jakob von Sierck, und zuletzt auch H. Müller, Les pays rhénans, S. 119-120. 282 283

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hungen in Rom wirkungslos blieben und wendete sich deshalb an den Kaiser: er schlug ihm vor, dem neugewählten Papst den üblichen Obödienzeid solange zu verweigern, bis dieser auf die Forderung der natio Germanica einging. Friedrich III. ging jedoch nicht sofort darauf ein, und Jakob von Sierck, schon länger krank, verstarb wenig später. Die Führung der Opposition im Reich übernahm der Erzbischof von Mainz, Dietrich von Erbach (1434-1459), ebenfalls ein langgedienter Prälat287. Seine Provinzialsynode vom 15. bis 21. Juni 1455 in Aschaffenburg entschied, Gesandte an die Kurie zu schicken, mit Instruktionen zu den „gravamina nationis Germanice“. Eine ihrer Forderungen lautete, der Papst solle förmlich erklären, das Wiener Konkordat strikt einzuhalten und den Bischöfen die Kollation in denen ihnen zustehenden Monaten frei zu überlassen, ohne Rücksicht auf die sogenannten primariae preces oder andere Arten von Zugeständnissen288; damit waren indirekt die durch päpstlichen Indult dem Kaiser eingeräumten Sonderrechte gemeint, die mit dem freien Wahlrecht der Kathedralkapitel aus dem Konkordat von Wien in Widerstreit standen. An diesen Ereignissen nahm Hinderbach hervorragend Anteil. 1455 begleitete er Enea Silvio nach Rom, um dem neuen Papst Kalixt III. den üblichen kaiserlichen Obödienzeid zu leisten. Die beiden Gesandten hofften dabei auch, eine Reihe von Forderungen des Kaisers überreichen zu können, die sich aber von den schon erwähnten Siercks stark unterschieden, ja ihnen teilweise förmlich entgegenstanden: Friedrich III. wollte auch beim neuen Papst weiter von seinen Verdiensten bei der Rückkehr des Reichs in die römische Obödienz nach Beendigung des Basler Schismas profitieren. Hinderbachs und Enea Silvios Aufgabe war trotzdem nicht ganz einfach; der verstorbene Nikolaus V. kannte die Zustände im Reich als ehemaliger Legat persönlich, und Friedrich hatte in ihm immer einen vertrauten Ansprechpartner gefunden, doch Kalixt III. war eine Persönlichkeit von ganz anderem Zuschnitt: im hohen Alter zum Papst gewählt289, galt er als Kompromißkandidat, dessen Wahl sich aus einer internationalen Spannungssituation ergeben hatte290. Von daher waren die Ausgangssituation und der weitere Verlauf des Pontifikats 287 Über ihn zuletzt W. Voss, Dietrich von Erbach, und H. Müller, Les pays rhénans, S. 120-121. Siehe v.a. W. Voss, Dietrich von Erbach, S. 193-198: Der Mainzer Erzbischof als Wortführer der Kurienkritik (1455-1459). 288 M. Hannappel, Die in Aschaffenburg tagenden Mainzer Provinzialsynoden, S. 451-461; vgl. G.-R. Tewes, Die römische Kurie, S. 161, Anm. 72, S. 303-305; W. Voss, Dietrich von Erbach, S. 149; vgl. auch H. Müller, Les pays rhénans, S. 130, Anm. 73 (Literatur). 289 So auch Hinderbach: „Admodum senis et decrepitus“ (BCTn, ms W 109, f. 25). 290 M.E. Mallett, Callisto III, S. 659.

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von anderen Grundprämissen als bei Nikolaus V. bestimmt, der als Nachfolger Eugens IV. vornehmlich die Wiedergewinnung des „neutralen“ Reiches nach der Beilegung des Basler Schisma betrieben hatte. Kalixt III. verhielt sich dann auch wenig entgegenkommend: er verweigerte den beiden Gesandten einen Empfang ohne vorherigen Obödienzeid und wollte sich überhaupt nicht in irgendeiner Weise festlegen. Hinderbach und Enea Silvio mußten nachgeben, wurden schließlich doch empfangen und präsentierten, eher verunsichert, die Forderungen Friedrichs. Die Einzelheiten und den Ausgang ihrer Mission schilderte Enea Silvio dem Kaiser in einem Schreiben vom 8. September 1455. Dort sind die Forderungen an den Papst wie folgt aufgelistet: Geldschulden der Kurie, kirchliche Reservationen, Zehnt, kaiserliches Nominationsrecht, Benefizienkollation, primariae preces und sonstige Punkte, u.a. die Empfehlung Enea Silvios für das Kardinalat. Darauf antwortete der Papst in folgender Weise: einmal beklagte er die aktuelle Finanznot der Kurie, die ihm eine schnelle Rückzahlung von Schulden unmöglich mache. Bei den kirchlichen Reservationen im Habsburger Territorium („tuorum dominiorum“) versicherte er hingegen dem Kaiser, daß er ihm genehme Prälaten providieren würde, doch ohne schriftliche Empfehlungen. Darüber hinaus stimmte Kalixt einer Reservierung für Kirchen, Klöster und Propsteien zu, für die Enea Silvio und Hinderbach Suppliken vorgelegt hatten, bei einer allfälligen Vakanz würde er darüber nach dem Ersuchen des Kaisers verfügen. Was den Zehnten anging, erklärte sich der Papst wiederum außer Stande, neue Verfügungen zu erlassen, bis nicht derjenige gegen die Türken ausgeführt worden sei; doch er versprach eine zusätzliche Hilfe zu dem Zeitpunkt, bis der Kardinallegat Carvajal am Kaiserhof eintreffen würde. Zum Nominations- und Kollationsrecht der Benefizien verweigerte Kalixt ein Entgegenkommen überhaupt, bei den primariae preces schließlich versprach er jedoch, nach den ihm vorgelegten Suppliken wohlwollend zu verfahren291. Dazu übermittelten die beiden Gesandten Friedrich andere Einzelheiten, besonders hinsichtlich der Servitien des Abts von St. Lambrecht in Steyer292 und der Rangerhöhung Ulrich Riederers in Freising293. 291 Aeneae Silvii Piccolomini Senensis … Opera inedita, Nr. 58, S. 121-126. Über Kalixts Pfründenpolitik gegenüber dem Reich und den anderen europäischen Ländern zuletzt grundlegend G.-R. Tewes, Die römische Kurie, S. 22 ff., 29-46, besonders 33, 37, 146, 153-155. 292 Am 30. August hatte Hinderbach sich zur Zahlung der communia et minuta verpflichtet: Rep. Germ., Calixt III., Nr. 1805 (Johannes Henderpach). Die angestrebte Befreieung von der servitia jedoch glückte nicht wegen der Opposition der Kardinäle. Dagegen konnte Hinderbach am 1. Oktober 1455 ein motu proprio und eine kostenlose Ausfertigung der Bulle erlangen: Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 489, Anm. 151. 293 Schon zwei Jahre vorher hatte sich Enea Silvio an der Kurie bemüht, daß dieser kaiserliche Rat, den er persönlich schätzte, der bei Hof einflußreich und darum für

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Der Gesamtvorgang zeigt, daß im Zentrum der kaiserlichen Forderungen das Benefizienproblem stand: preces primariae, päpstliche Reserven, Nominationen und Kollationen. Die Haltung des Kaisers war eindeutig, beruhend auf Privilegien und Indulten der Kurie zwischen 1446 und 1454, erläutert von Enea Silvio in dem schon genannten Brief an Kardinal Carvajal. 1446 hatte Eugen IV. Friedrich III. das Verfügungsrecht über hundert Benefizien in seinen Erblanden überlassen, dazu die Nomination für die Bischöfe von Trient, Gurk, Brixen, Chur, Pedena und Triest, schließlich das Visitationsrecht für die dort liegenden Klöster. Neben diesen Zugeständnissen an Friedrich in seiner Eigenschaft als Herzog von Österreich waren ihm, diesmal als römischem König, in Aussicht gestellt worden: die Kaiserkrönung, finanzielle Hilfe in Höhe von 100.000 Florenen, die sogenannte Krönungssteuer auf alle kirchlichen Benefizien und das Recht auf die sogenannten preces primariae, die schon 1437 Kaiser Sigismund zugestanden worden waren. Unmittelbar nach der Kaiserkrönung 1452 hatte Nikolaus V. die Verpflichtungen seines Vorgängers übernommen und überließ Friedrich III. einen Indult für alle preces primariae, den er zwei Jahre später bestätigte und genauer faßte: während dieser Indult nicht ausdrücklich die Verbindung zwischen dem kaiserlichen Bittrecht und der Vereinbarung des Wiener Konkordats regelte, stellte der Indult von 1454 den Vorrang der Benefizianten der kaiserlichen preces vor jeder anderen Aspektanz fest, mit Ausnahme derjenigen der Kardinäle, und erklärte gleichzeitig jedwede entgegenlautende Konzession in Vergangenheit und Zukunft auf der Basis der Konkordate für ungültig294.

Diese Entwicklung brachte Unruhe in die gesamte Praxis der Benefizienübertragung im Reich und verursachte Unsicherheit sowohl auf lokaler Ebene als auch innerhalb der Kurie selbst. Im schon zitierten Brief vom 12. März 1455 hatte Enea Silvio vom Gespräch zwischen Jakob von Sierck und Friedrich berichtet: nach seiner Erzählung wollten die Bischöfe die Ausweitung der kaiserlichen primariae preces auf die Zeiten ihres Pfründenverfügungsrechts nicht hinnehmen. Daraufhin hatte Enea Silvio auf Geheiß des Kaisers in seiner Erwiderung vorgebracht, daß die preces primariae dadurch gerechtfertigt wären, daß der Kaiser sie durch päpstlichen Indult oder aufgrund des Gewohnheitsrechts ausüben würde; darüber hinaus wäre ungerecht, daß der Papst die kaiserlichen preces in der Zeit seines Zugeständnisses hinnehmen würde, aber die Bischöfe und Prälaten nicht, die gerade der kaiserlichen Verleihung alles schuldeten, was sie selbst besäßen (bemerkenswert in diesem Zusammenhang erscheint die Anspielung auf das Gewohnheitsrecht, um der Legitimität der primariae preces Nachdruck zu verleihen: Friedrich III. hielt nämlich trotz des förmlichen Indults von 1452/54 an der althergebrachten Rechtsauffassung fest)295. die Verbindung mit der Kurie nützlich sein konnte, die Propstei an der Domkirche in Freising erhielt; zusammen mit Hinderbach bemühte er sich nun, Riederer die Zahlung zu erlassen: Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 485-488 und ebd. Anm. 151. 294 H.E. Feine, Papst, Erste Bitten, S. 11-16. 295 Das Problem in weiterem Rahmen ebd., S. 10 und 12-14.

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Augenscheinlich ist die Verbindung zwischen der Haltung Jakobs von Sierck, wie sie im Brief Enea Silvios an Carvajal vom März 1455 zum Ausdruck kommt, und den gravamina von Aschaffenburg drei Monate später, und zwar in dem Maße, in dem die Synode gerade die Anwendung der primariae preces für die Zeit verwarf, in der die Kollation die Ordinarien anging – trotzdem wollte der Kaiser weiter ungestört seinem Vorrecht der preces nachkommen296. In seinem Brief an Carvajal war Enea Silvio auch auf das kaiserliche Nominationsrecht eingegangen. Den Kardinal hatte nämlich die Berechtigung der kaiserlichen Ansprüche nicht vollends überzeugt, und so versuchte Enea Silvio, ihm die genaue Sachlage zu erläutern, doch mit nicht ganz stichhaltigen Argumenten. In „Schwaben“, wo sich möglicherweise habsburgische Vorrechte mit denen des Kardinals von Metz, Guillaume d’Estaing297, überschneiden konnten, besaß Friedrich III. das Nominationsrecht für nur wenige Benefizien, und von daher kam ihm keine große Bedeutung zu. Dagegen wollte der Kaiser „in Österreich und in den anderen Erblanden“ nur sein Nominationsrecht beibehalten (d.h. unter Bezug auf die päpstliche Bulle von 1446); deshalb meinte Enea Silvio auf Carvajal beruhigend einwirken zu können, mögliche Einwände der Bischöfe nicht allzuernst zu nehmen, da in diesen Ländern keiner gegen den Willen des Kaisers aufstehen und die Nominationen in Frage stellen würde, weil ja die Erblande gemeint wären. Das kaiserliche Nominationsrecht stand so klar dem Recht auf freie Wahl durch die Domkapitel der Kathedralkirchen nach dem Wiener Konkordat gegenüber. Beispielhaft dafür die Supplik, die von Enea Silvio und Hinderbach vorgelegt und von Kalixt III. auch angenommen wurde: der Papst reservierte sich Klöster und Propsteien, um sie darauf „ad tuam requisitionem“ (also nach dem Willen Friedrichs III.) zu verleihen. Der Gegensatz „im Geiste“, wenn nicht auch nach dem Buchstaben, zwischen dem Wiener Konkordat und dem Willen des Kaisers, die Konkordate auszuhöhlen, ist einleuchtend. Auch die Forderung, daß der Papst die Reservierung der Kirchen und Klöster der habsburgischen Erblande zu Providierungen mit kaiserlicher Zustimmung 296 In seinem Brief an Carvajal ersuchte Enea Silvio den Kardinal, beim Papst die Ausstellung der – bereits besiegelten – Bullen zu den „preces primariae“ ohne Verzögerung zu erwirken; Nikolaus konnte aber dieser Bitte nicht mehr nachkommen, da er weniger Tage später, zwischen dem 24. und 25. März, verstorben war. 297 Über diesen Kardinal Felix V., der dann von Eugen IV. mit zwei anderen übernommen wurde, vergleiche zuletzt H. Müller, Vom Konzil zur Kurie, S. 219240 und davor W. Decker, Estaing, S. 287-290. Zu den Bistümern Sitten/Sion und Fréjus besaß Estaing noch eine stattliche Anzahl von Pfründen in Metz, Verdun, Köln usw. (ebd. und H. Müller, Vom Konzil zur Kurie, S. 237-238). Er hatte auch eine Spezialdispenz zur Anhäufung für Pfründenakkumulation erhalten und war mehrere Male aus diesem Grund wegen verschiedener Benefizien in Konflikt mit Enea Silvio geraten: D. Brosius, Die Pfründen, S. 286 und passim.

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verwenden sollte, überging die Bestrebungen der Lokalkirchen. Diese Praxis schuf die Grundlage für die Landeskirche, auf die die Kirchenpolitik Friedrichs III. in seinen Erblanden hinzielte298. Andererseits waren die päpstlichen Reservierungen in bezug auf alle Würden nach der bischöflichen und die hervorragenden Stiftskirchen (darunter fielen sicher die Propsteien) auf den eindeutigen Widerstand der in Aschaffenburg versammelten Bischöfe gestoßen: sie hatten nämlich in dieser Frage eindeutig den Zustand des Konkordat von Konstanz eingefordert. Der Gegensatz zur Haltung des Kaisers ist offensichtlich. Bei ihrem Aufenthalt in Rom vertraten also Hinderbach und Enea Silvio die kaiserliche Position, die sich mit der Forderung der Bischöfe der natio Germanica nicht vertrug. Beiden gelang, sie auch weitgehend durchzusetzen, trotz der anfänglichen Schwierigkeiten: am 1. Oktober 1455 bestätigte Kalixt III. den von Friedrich gewünschten Indult, in derselben, weitgefaßten Form des vorhergehenden vom 22. September 1454299, der die Vereinbarungen des Wiener Konkordats faktisch unterlaufen hatte300. Beide Gesandten hatten in guter Kenntnis der an der Kurie herrschenden Entscheidungsmechanismen schon vorgesorgt. Enea Silvio selbst profitierte bei seinen Bepfründungen von den kaiserlichen Vorrechten301 und auch Hinderbach, wenn auch auf etwas niedrigerem Niveau, bediente sich gerade jener Instrumente, nämlich päpstlicher Reserven und Expektanzen, welche die gravamina vehement bekämpften: Soweit bisher bekannt, rührte die Mehrzahl seiner kirchlichen Benefizien aus päpstlicher Kollation, von Fall zu Fall auch durch kaiserliche Vermittlung. Die Pfarrei Mödling war ihm 1449 durch einen päpstlichen Indult an den Bischof von Chiemsee, Sylvester Pflieger, überlassen worden, seit 1445 Kanzler Friedrichs in der österreichischen Kanzlei302; ähnlich vier Jahre später: der motu proprio von 1453, der ihm das Kanonikat in Passau verschaffte, ergab sich durch den schon erwähnten Benefizientausch bei Hof um die Übertragung des Bistums Gurk an Ulrich Sonnenberger und um die freiwerdenden Benefizien nach seiner 298 Die päpstlichen Zugeständnisse von 1446, 1452 und 1455 hatten Friedrich III. genau in diese Richtung unterstützt, vgl. H. Dopsch, Friedrich III., S. 45-53; F.K. Krieger, Rechtliche Grundlagen, S. 470-478. 299 H.E. Feine, Papst, Erste Bitten, S. 16. 300 So ebd., S. 15-16. 301 Vgl. z.B. D. Brosius, Die Pfründen, S. 275-276 für das Bistum Triest, aber vgl. auch S. 274, 279. Nichsdestoweniger beklagte sich 1454 Enea Silvio über die geringe kaiserliche Großzügigkeit (S. 282). 302 A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 20 und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 412 und oben, S. 101, Anm. 2, zur Glosse Hinderbachs über die päpstliche Kollation zu seinen Gunsten; für das Kanonikat in Ardagger, vgl. oben, S. 21. Über Pflieger am Kaiserhof auch Cl. Märtl, Liberalitas Baioarica, S. 243.

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Bischofserhebung – die ganze Operation hatte Hinderbach, ja in Rom persönlich eingefädelt. Die Dompropstei in Trient war 1455 an ihn durch die schon erwähnte, umstrittene päpstliche Reservation auf die nach der Bischofwürde höheren Würde verliehen worden, sie mußte vier Jahre später durch eine neue päpstliche Provision zu seinen Gunsten erneuert werden303. Sein Kanonikat in Regensburg war ihm durch ein motu proprio vom 1. Dezember 1455 zugesprochen worden, und ein weiterer drei Jahre später hatte ihm ein ähnliches Kanonikat, dieses Mal in Augsburg, verschafft; eine neue Verfügung von 1462 übertrug ihm ein Kanonikat und eine Kustodie am dortigen Dom304. Weiter hielt er durch einen motu proprio Pauls II. die Propstei von St. Peter in Fritzlar in der Nähe seines Geburtsortes in Hessen, genau zu der Zeit, 1465, als er sich in Rom als kaiserlicher Gesandter aufhielt305. Zu diesen „außerordentlichen“ Kollationen besaß Hinderbach noch mehrere Expektanzen: einmal für ein Kanonikat in der Kirchenprovinz Salzburg (1453)306, dann für Kanonikate in Freising und Brixen, schließlich noch einige für die Kollation durch Erzbischof und Propst der Salzburger Kirche 1455, dazu noch für ein Kanonikat im Augsburger Domkapitel (1460, 1462)307.

Hinderbachs Pfründenbestand setzte sich vorwiegend aus päpstlichen Verfügungen, Kollationen und Expektanzen zusammen; er wußte also in der Praxis der Pfründenverleihung Bescheid und suchte sie für sich selbst, seinen Bruder Konrad und im weiteren Sinne auch im Klientelzusammenhang zu nutzen. Das ganze Ausmaß dieses Informations-, Leistungs- und Gegenleistungssystems zwischen Wien und Rom beleuchtet ein Brief Enea Silvios von 1457: er fordert Hinderbach am kaiserlichen Hof auf, ihn darüber zu informieren, ob sich Vakanzen bei Klöstern im Reich ergeben würden; er selbst hätte nämlich in Rom alles dafür getan, Hinderbachs Position bei seinem schon erwähnten Streit um die Dompropstei in Trient durchzusetzen308. Wie D. Brosius und A. Meyer unterstrichen haben, bevorzugten die päpstlichen Reserven, die innerhalb der natio Germanica Unmut verursachten309, vor allem einseitig Fürsten und ihre Räte310. Hinderbach verkörpert so den Modellfall des Höflings, der auf gleichsam „außerordentlichem“ Wege versorgt wurde. Verglichen mit der Rep. Germ., Pius II., Nr. 3058. Rep. Germ., Pius II., Nr. 3058. 305 Vgl. oben S. 136 und Hinderbachs Glosse in Anm. 163. 306 Rep. Germ., Calixt III., Nr. 1564. 307 Eine Zusammenstellung von Hinderbachs Pfründen (wirklich besessenen und nur angestrebten) bei A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 23, und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 417. Ein Gesamtüberblick über Hinderbachs Einkünfte bieten die nach seinem Tod vakanten Pfründen: Rep. Germ., Paulus II., Nr. 681, 1220, 1306, 3253, 4134, 4901, 5036, 5914. 308 Epistolae et varii, Nr. 312. Cfr. Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 457-458. 309 Die päpstliche Reservation von Propsteien beruht möglicherweise auf einem Schreibfehler bei der Abschrift des Wiener Konkordats an der Kurie: G.-R. Tewes, Die römische Kurie, S. 116. 310 D. Brosius, Päpstlicher Einfluß, S. 207; A. Meyer, Das Wiener Konkordat, S. 142144; K.-F. Krieger, Rechtliche Grundlagen, S. 470-478. 303 304

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Begeisterung des jungen Studenten beim Kommentar des Basler Reformdekrets „Sicut in construenda domo“ zur Streichung der päpstlichen Reservationen für die höheren Benefizien zeigt sich hier die Entfernung von der späteren, durch die Praxis in Kirche und Reich eingetretenen Wirklichkeit. Die Kollation der Propsteien von Trient und Fritzlar verschaffte Hinderbach diese Würden auf eine Weise, die das berühmte Reformdekret ein für alle Male abschaffen wollte: Der ältere Hinderbach hat sich mit den bestehenden Verhältnissen arrangiert. Durch seine intime Kenntnis der Provisionsmechanismen konnte er wirksam auf dem „Pfründenklavier“ spielen; als Gesandter Friedrichs III. sollte er die Interessen seines Kaisers vor denen der Ortskirchen vertreten; für sich selbst und seine „Klienten“ profitierte er von den päpstlichen Reserven, durch die sich gerade die natio Germanica in ihren Auswüchsen über Gebühr beschwert fühlte. Als Kleriker und gelehrter Rat seinem Kaiser und der Kirche verpflichtet, bewegte er sich in Bereichen, deren Mechanismen der Macht nicht in jedem Fall kompatibel waren. Kaiser, „natio Germanica“ und Papst im Konflikt: Die Wahl zum Bischof von Trient In diesem Zusammenhang muß Hinderbachs Stellungnahme zur „Germania“ des Enea Silvio gesehen werden. Dieser hatte das Werk zwischen 1457/58 als Erwiderung auf die gravamina zur Verteidigung der Kurie verfaßt, gleichzeitig als eine Art Rechtfertigung der päpstlichen Reservation für vakante Benefizien in den drei rheinischen Erzdiözesen bis hin zu 2000 Dukaten, die ihm durch Kalixt III. 1456 zugesprochen waren. Am Anfang der „Germania“ stand ein Schreiben des Mainzer Kanzlers Martin Mair vom 31. August 1457 an Enea Silvio311. Mair beglückwünschte ihn zum gerade erlangten Kardinalat und nutzte den günstigen Moment, um ihm eine Reihe von Beschwerden zu übermitteln, die sich beim Erzbischof von Mainz, Dietrich von Erbach, gegenüber dem Papst angesammelt hatte – wie schon erwähnt, war der Kurfürst nach dem Tod Siercks Wortführer einer kritischen Haltung gegenüber der Kurie geworden. Nach diesen Beschwerden beachtete der Papst nicht die Dekrete der Konzilien von Konstanz und Basel, hielt nicht die Vereinbarung der Konkordate ein, behandelte die natio 311 Mair konnte auf einen bewegten Lebenslauf zurückblicken, vor allem als gelehrter Rat der Erzbischöfe von Trier (1454) und Mainz (1455), gleichzeitig aber auch im Dienst des Pfalzgrafen bei Rhein, des Bischofs von Würzburg und Georgs Podiebrad. 1459 wurde er Rat und Kanzler Ludwigs des Reichen und arbeitete für ein Zusammengehen mit Podiebrad. Ab 1467 sorgte er für ein Einschwenken auf eine eher kaiserliche Politik: F.J. Worstbrock, Mayr, S. 242-248; W. Voss, Dietrich von Erbach, S. 195-196, 348.

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Germanica mit Verachtung und wollte aus ihr nur Geld abschöpfen312. Konkret zielte die Kritik in erster Linie auf die päpstliche Verletzung des lokalen Wahlrechts und die Reservierungspraxis für Benefizien aller Art zugunsten von Kardinälen und kurialen Protonotaren. Gerade Enea Silvio wäre für diesen kurialen Mißbrauch ein schlagendes Beispiel mit seinen päpstlichen Reserven für die schon genannten Benefizien in den drei rheinischen Erzdiözesen. Und Mair fuhr fort: die Expektanzen häuften sich, die Servitien sollten ohne Aufschub entrichtet werden, die Geldsummen stiegen weiter an, die Kirchen würden nicht dem würdigsten Kandidaten übertragen, sondern an den meistbietenden „verkauft“; die Ablässe vervielfachten sich, um Gewinn zu machen; der Zehnt würde ohne Einbindung des deutschen Klerus zum Krieg gegen die Türken verhängt und die bei den lokalen Kirchengerichten anhängigen Rechtsfälle würden ohne Rücksicht an die päpstliche Rechtssprechung gezogen. Zusammengefaßt: Rom erfände tausend Wege, um die Deutschen auszusaugen313. Wie Krapf 1979 dargelegt hat, wäre dieses Schreiben des Kanzlers Mair eine literarische Erfindung Enea Silvios, um seiner „Germania“ einen kontroversrhetorischen Einstieg zu verschaffen. Es sei nur innerhalb der „Germania“ überliefert und stelle ein Mittel zur Strukturierung des Gesamtwerks dar, als Antwort und Verteidigung gegen die Angriffe Mairs314. Dessen Einwände besitzen trotz ihrer Stilisierung nach Krapf eine Verbindung mit der historischen Realität, denn Enea war auf sie in einem (tatsächlichen) Schreiben vom 8. August 1457 eingegangen und hatte damit die Grundzüge der späteren „Germania“ entworfen. Die gravamina Mairs deckten sich dazu noch mit denen des vorausgegangenen Kurfürstentages von Frankfurt, auf dem der Mainzer Kanzler als einer der Wortführer fungierte315. Auch Hinderbach besaß Kenntnis von Enea Silvios Reservationen und war von ihm in die zahlreichen Versuche verwickelt worden, diese päpstliche Verfügung in die Wirklichkeit umzusetzen, wie das schon erwähnte Schreiben Eneas von der Kurie an Hinderbach zur Information über Klostervakanzen belegt316. So konnte Hinderbach durch die persönliche Erfahrung, den Dienst für Friedrich III. und die Verbindung zu Enea Silvio die tatsächlichen Zustände im Reich vergleichen mit denen im Text der „Germania“ entworfenen, von dem sich ein Exemplar in seinem Besitz befand. Bevor nun seine Meinung in diesen Fragen gehört wird, müssen die Vorgänge um sein L. Krapf, Germanenmythus, S. 50-51. Aeneas Silvius, Germania. 314 L. Krapf, Germanenmythus. 315 Zum Frankfurter Tag, der „im Grunde doch so harmlos“ verlief, G.-R. Tewes, Die römische Kurie, S. 161, Anm. 72; zu Gravamina Mairs ebd., S. 305. 316 Epistolae et varii, Nr. 312. Vgl. Chr. Reinle, Ulrich Riederer, S. 457-458. 312 313

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letztes und wichtigstes Benefizium betrachtet werden: die Bischofswürde in Trient. Nachdem Hinderbachs Kues-Nachfolge 1464 in Brixen gescheitert war, ergab sich für ihn ein Jahr später eine neue Möglichkeit in Trient. Am 22. August verstarb in Matrei der bisherige Bischof Georg Hack. Schon am nächsten Tag schickte der Graf von Tirol, Herzog Sigismund von Habsburg, seinen Rat Laurentius Blumenau nach Trient. Er sollte seine Interessen als Vogt bei der neuen Wahl vertreten, während zwei andere Räte die weltliche Verwaltung übernahmen. Am 24. August teilte Blumenau Sigismund mit, die Kanoniker auf den nächsten Tag ins Stift San Michele all’Adige geladen zu haben, um „daselbist nach euwern gnaden gevallen vorzunehmen und zu welen ainen bisschof“317. Dabei riet Blumenau seinem Herrn von einem persönlichen Erscheinen bei der Neuwahl ab, um zu vermeiden, daß der Papst später ihm gegenüber eine Beeinflussung der Wähler geltend machen könnte – augenscheinlich war die Erinnerung an den Streit mit Kardinal Kues noch lebendig. Das Kapitel versammelte sich wirklich zum verabredeten Zeitpunkt, doch mit leichter Verzögerung, denn die Kurie hatte sich die Nomination reserviert; so richteten die Kanoniker einen Appell an den Papst und setzten einen formellen Protest auf, der sich auf die Konkordate bezog. Am 30. August schritten sie zur Wahl und einigten sich einstimmig auf den Dompropst von Trient, Johannes Hinderbach, den „Kandidat des Herzogs wie des Kapitels“318. Sobald die Nachricht in Rom ankam, nahm Hinderbach am 13. September die Wahl an, gab sie am 27. bekannt, und so konnte die Wahl am 5. Oktober 1465 öffentlich verkündigt werden. Die päpstliche Bestätigung jedoch ließ auf sich warten. Die Ursache dafür lag vor allem beim Papst selbst: Paul II. wollte die Wahl nicht bestätigen, einmal weil wohl die Leitung des Bistums ganz allgemein an einen Italiener gehen sollte319, zum anderen weil schon zwei andere Kandidaten ins Auge gefaßt waren: Teodoro Lelli und Kardinal Francesco Gonzaga320. Der erste war Bischof von Treviso und Hinderbachs Studiengenosse in Padua, Gonzaga hatte sich schon zwei Jahre vorher als Nachfolger des Cusanus mit Brixen So Blumenau selbst (H. Boockmann, Laurentius Blumenau, S. 186). H. Boockmann, ebd., S. 186 (auch S. 185 zu Blumenaus Aktivitäten und Sigismunds Eingreifen). 319 Das behauptete Kardinal Gonzaga in einem Schreiben: G. Rasmo, Documenti mantovani, S. 322, doc. III. 320 Diese Einzelheit, bisher unbekannt, taucht in Hinderbachs Anmerkungen wiederholt auf; vgl. BCTn, inc. 422, f. 255 (= VIII, 37), wo er die Verzögerung der päpstlichen Bestätigung erwähnt „propter impudentia nonnullorum“. Vgl. auch BCTn, ms W 3396, f. 197 und Musée Condé Chantilly, V H 33, f. 2v, wo er zu Teodoro Lelli bekräftigt, daß dieser „in promocione nostra ad epicopalem dignitatem ecclesie tunc vacantis nobis emulus ac contrarius fuit (…) et ipse antea canonicus prebendatus fuit, quamquam frustra et sine effectu laboravit“. 317 318

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providieren lassen, aber konnte sich – wie schon erwähnt – nicht gegen den Kandidaten Sigismunds von Tirol durchsetzen. Nun nahm der Kardinal einen neuen Anlauf und vertraute dabei auf seine Familienverbindungen in Italien und im Reich321. Die Verzögerungstaktik von Seiten der Kurie – inzwischen war fast ein Jahr nach der Wahl des Domkapitels verstrichen – brachte Hinderbach schließlich dazu, sich direkt an den Kaiserhof um Hilfe zu wenden. Und so schrieb Friedrich III. am 22. April 1466 an Kardinal Carvajal mit der Bitte, zugunsten Hinderbachs beim Papst vorstellig zu werden322. Im Schreiben erinnerte der Kaiser an seinen persönlichen Einsatz für die Römische Kirche bei der Überwindung des Schismas und der Wiederherstellung der Kircheneinheit. Als Belohnung für diese Dienste und unter Vermittlung Carvajals habe der Papst ihm das Nominationsrecht für die Bischöfe einiger Kirchen überlassen, darunter auch Trient323. Im Zuge dieser Vergünstigung habe er Hinderbach „nominiert“, den dazu das Kapitel noch einstimmig gewählt habe, „de sede apostolica optime meritum“, auch verdienstvoll durch seinen Einsatz für Kaiser und Reich, dann dem Grafen Sigismund von Tirol als Vogt der Tridentiner Kirche und schließlich dem ganzen Volk von Trient genehm. Hinderbach habe vergeblich auf eine schnelle Konfirmation gewartet und von der Kurie für lange Zeit keinen Bescheid erhalten. Er, der Kaiser, hielte für nichthinnehmbar, daß die compactata der natio Germanica mit der Kurie, die gerade Carvajal mit ihm abgeschlossen hätte, nicht auf seinen eigenen Gesandten angewendet würden, und ebenso inakzeptabel sei, daß die Kirche von Trient der natio Germanica ausgegliedert würde. Zum Beleg für ihre Zugehörigkeit zur natio zählte Friedrich auf: die Teilnahme der Bischöfe von Trient pro tempore an allen verflossenen Reichstagen und Vertragsabschlüssen, an den geplanten militärischen Landoperationen, nicht aber an den italienischen Seestreitkräften (für den bevorstehenden Türkenkreuzzug); schließlich die Investitur des Bischof von Trient mit dem Fahnenlehen als Germanicus princeps, eine für italienische Bischöfe vollkommen unübliche Investitur. Das Schreiben schließt mit der Bitte an Carvajal, mit dem der Kaiser bei den Konkordaten und dem anschließenden Indult zusammengearbeitet habe, daß die darin enthaltenen Vergünstigungen für Kaiser und natio nicht in ihrer Geltung verletzt werden mögen.

In seiner Argumentation berief sich Friedrich neben der Wahl vor allem auf sein eigenes „Nominationsrecht“ und wendete sich in diesem Sinne noch direkt an den Papst, das Kardinalskolleg und auch Kardinal Francesco Gonzaga. Schon vor dem Brief an das Kardinalskolleg scheint sich die Kurie bewegt zu haben, und am 12. Mai wurde die Bestätigung von Hinderbachs 321 Der Papst forderte das Kapitel auf, die Wahl zu widerrufen und auf das Wahlrecht zu verzichten. Über die Haltung Gonzagas D.S. Chambers, Mantua and Trent, S. 77-78. 322 O. Lechleitner, Der Kampf, Beilage 1, S. 120-122. Zu Friedrich III. vgl. D. Rando, Identità politica, S. 138-147. 323 Der Kaiser bezog sich dabei auf das Privileg Eugens IV. von 1446, das im Folgenden bestätigt wurde: Ausgewählte Urkunden, Nr. 188, S. 360-361.

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Wahl im Geheimen Konsistorium ausgesprochen324. Dabei hielt die Relation für ihn sein alter Gönner, Kardinal Bessarion; die Konfirmation erwähnt und anerkennt ausdrücklich die Wahl durch das Domkapitel von Trient. Hinderbach befand sich zu diesem Zeitpunkt noch in Rom und erhielt so frühzeitig davon Kenntnis, zwei Tage später schrieb er an seine Kaiserin, um sich zu bedanken325; ebenfalls erging eine Nachricht an das Domkapitel. Beide, Elekt und Kapitel, bemühten sich an der Kurie um die Konfirmationsbulle326. Durch seine Kenntnis von Personen und Geschäftsgang sorgte Hinderbach für die schnellstmögliche Ausstellung der Urkunde327: die Grundlage dafür war wohl der Text jener Konfirmation aus dem Konsistorium, mit der Erwähnung der Wahl durch das Domkapitel, ein Bullenentwurf (cedula), vom Vizekanzler unterschrieben und besiegelt – wie sich Hinderbach rückblickend erinnert; darüber hinaus entrichtete er alle notwendigen Zahlungen. Die Bulle wurde anschließend registriert und brauchte nur noch Hinderbach persönlich ausgehändigt zu werden, als sich neue Schwierigkeiten einstellten. Ohne ihm die Gründe mitzuteilen, wurde sie auf Anordnung des Papstes zurückgenommen und vom Vizekanzler eingezogen. Zwei Monate lang versuchte ein enttäuschter Hinderbach die Motive für dieses Verhalten in Erfahrung zu bringen, auf persönlichem Wege oder durch Vermittlung Dritter, Aufklärung erheischend vom Papst, von den beiden befreundeten Kardinälen, Bessarion und Carvajal, vom Vizekanzler selbst. Friedrich III. beauftragte dazu sogar seinen Sekretär Wolfgang Forchtenauer und einen Protonotar mit einschlägigen Schreiben328. Schließlich ließ sich der Vizekanzler (Kardinal Rodrigo Borja, später Alexander VI.)329 zu einer Stellungnahme herbei, und auch Darauf bezieht sich eine cedula des Vizekanzlers für die Ausstellung der Bulle (ASTn, APV, sez. lat., capsa 44, Nr. 41 und Nr. 29 f. 104a). 325 V. von Hofmann-Wellenhof, Leben und Schriften, S. 234 und O. Lechleitner, Der Kampf, S. 19. 326 In seinem Instrument erklärt Hinderbach „se dudum statim, videlicet post electionem, confirmationem (folgt getilgt: sive confirmacionem) sive provisionem eius (huiusmodi) litteras apostolicas secundum tenorem supradictum et iuxta cedulam de manu domini vicecancellarii subscriptam et sigillatam que de electione expresse mentionem faciebat et secundum (secundum Hinderbach eigenhändig) cursum (…)“ (ASTn, APV, sez. lat., capsa 44 Nr. 34, 9c). 327 Hinderbach und die Prokuratoren des Kapitels hatten die päpstliche Bestätigung ausgestellt nach dem „cursum Romane curie et stilum cancellarie apostolice solitum et consuetum et prout aliis de dicta nacione electis et confirmatis sive provisis fieri expediri et concedi consueverunt expedivissent“, was auch aus der Minute hervorging, der sich in Hinderbachs Besitz befand und den er den anwesenden Personen vorlegte und in seinen Protest aufnahm („Ad universas orbis ecclesias“), (ASTn, APV, sez. lat., capsa 44 Nr. 34, 9c). 328 Zitiert im Schreiben vom 2. Juli 1466 (ASTn, APV, sez. lat., capsa 44, Nr. 41). 329 Über ihn zuletzt V. Reinhardt, Der unheimliche Papst. 324

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der Papst bestätigte in Gegenwart der beiden erwähnten Kardinäle, daß er die Bulle in der vorliegenden Form nicht aushändigen wolle: sie war in der sogenannten forma communi abgefaßt, d.h. die gewöhnliche Form für die Bischöfe des Reichs. Der Papst hatte hingegen angeordnet, die Klausel über die päpstliche Reservation und das entsprechende Dekret darin aufzunehmen: die Bulle sollte also das Wahlrecht des Kapitels gar nicht erwähnen, sondern nur das Reservationsrecht des Papstes330. Der Unterschied zwischen der ersten und zweiten Bulle ist augenscheinlich, und Hinderbach versuchte nun seine Verbindungen außerhalb der Kurie spielen zu lassen. Am 1. Juni intervenierte der Habsburgerherzog Sigismund, Graf von Tirol und Vogt der Tridentiner Kirche, mit einem Schreiben an den Papst: er beschwerte sich über die Einbehaltung der Bulle durch die Kanzlei und über die neue Ausstellung in der Form einer einfachen Provision mit Einschluß des Reservationsdekrets. Diese Form würde den Konkordaten mit der natio Germanica widersprechen, zu der auch die Kirche von Trient gehöre kraft der adhaesio zur Erklärung Friedrichs III. von 1447 für den Papst gegen das Basler Konzil. Als Vogt läge ihm der status der Gesamtdiözese besonders am Herzen. Die Nichtbeobachtung der Konkordate und des freien Wahlrechts des Domkapitels würden auch seinem Haus schweren Schaden zufügen, und so forderte Sigismund die Übergabe der Bulle in der ursprünglichen Form. Die Hilfestellung des Habsburgers ist überdeutlich und wurde von Hinderbach hochgeschätzt, der in der späteren Erinnerung an die Anfangschwierigkeiten seiner Bischofserhebung dem Herzog gegenüber mit Lob nicht spart331. Auch die beiden Kardinäle Bessarion und Carvajal nahmen ihre Vermittlung beim Papst auf, der schließlich eine weitere Bulle erließ, die sich wiederum von den beiden vorhergehenden unterschied: einerseits war die Klausel der päpstlichen Reservierung mit dem entsprechenden Dekret weggelassen, zum anderen enthielt die Verfügung einen kurzen Bericht, der zwar die vota der Kanoniker von Trient erwähnte, aber nicht in ihrer Eigenschaft als electores, sondern als concurrentes oder collatores des zu wählenden Bischofs. Das war Die Gründe für die Ausstellung der Bulle in der vorliegenden Form durch den Papst lassen sich nicht restlos klären: möglicherweise weil Hinderbach sich geweigert hatte, einen finanziellen Ausgleich an den Gonzaga zu entrichten, eine Forderung, die auch gegen die Bestimmung der Konkordate verstieß. Das führte der Kaiser selbst in zwei Schreiben an den Papst und an den Kardinal aus unter dem 2. Juli 1466 (ASTn, APV, sez. lat., capsa 44, Nr. 41). Dazu konnte die Geldforderung des Kardinals als Simonie verstanden werden: eine Anspielung darauf in ASTn, APV, sez. lat., capsa 44, Nr. 28, VI, f. 1 e 7. 331 Vgl. z.B. BCTn, ms W 3396, f. 197 und Musée Condé Chantilly, V H 33, f. 2v, wo Hinderbach die Ambitionen Lellis und Gonzagas erwähnt, „sed maiestate imperiali ac illustrissimo principe Austrie Sigismundo nil obsistentibus, ac canonica electione de nobis concorditer (am Rand mit Einschubzeichen) facta prevalente, ambobus posthabitis, eandem assequti sumus (…)“. 330

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eine eher vermittelnde Lösung zwischen der ersten und zweiten Ausführung der Bulle: sie erwähnte nicht die päpstliche Reservation, aber auch nicht eindeutig das Wahlrecht des Domkapitels. Die Bulle, die auf den 12. Mai 1466 vordatiert wurde, näherte sich in ihrem Gehalt einer einfachen Provisionsbulle an, in der Lesart Hinderbachs: „non per modum confirmationis electionis, sed per viam simplicis provisionis“332. Diese Bulle konnte natürlich Hinderbach bei seiner bisher skizzierten Rechtsauffassung nicht zufriedenstellen, doch ihm gelang keine Lösung in seinem Sinne. Und so akzeptierte er sie in der vorliegenden Form, aber entschied sich zu einem formellen Einspruch, um damit kein Präjudiz für seine bischöflichen und die Rechte der Tridentiner Kirche zu schaffen. Am 9. Juli erschien er vor dem schon erwähnten Vertrauten, dem Bischof von Brescia, Domenico de’ Domenichi, dem päpstlichen Generalvikar in Rom, und gab im Vorraum von dessen Haus im Beisein eines weiteren Bischofs (von Akkon, höchstwahrscheinlich des Augustiners Johannes Goldener)333, seinen förmlichen Protest zu Protokoll: Hinderbach erklärte, daß die Kirche von Trient mehr als hundert Jahre und seit ewigen Zeiten zur natio Germanica gehörte und diese Zugehörigkeit nie in Zweifel gestellt worden wäre. Ihre Bischöfe hätten an den Konzilien und an den „Generalversammlungen“ als Mitglieder dieser Nation teilgenommen, Bischof und Kapitel wären der adhaesio für Eugen IV. in seinem Streit mit dem Konzil von Basel beigetreten, ebenso der Aufgabe der Neutralität einiger Fürsten durch Friedrich III. und einiger weltlichen und geistlichen Kurfürsten innerhalb der Zeit, die durch die Bulle Eugens IV. vorgegeben war, nach den Konkordaten des Kaisers im Namen der natio Germanica. Bischof und Kapitel wären so zum Gehorsam gegenüber dem Apostolischen Stuhl zurückgekehrt – als Glieder wollten sie nicht von ihrem Haupt losgetrennt werden, wenngleich mit den gewohnten Vorbehalten, wie sich ergäbe aus dem Dokument zur adhaesio, zum Gehorsam (zum Apostolischen Stuhl) und zum Protest in Gegenwart der Kardinäle Bessarion und Carvajal in ihrer Eigenschaft als Kommissare ad hoc deputati vorgelegt, und auch durch weitere, zusätzlich angefügte Zeugnisse. Dann beschrieb Hinderbach die Einzelheiten nach seiner Wahl und legte den Entwurf (die Minute) für die erste Bulle vor („Ad universas orbis ecclesias“), der sich offensichtlich in seinem Besitz fand, und ließ ihn in den vorliegenden Protest einfügen. Diese Minute wurde nun Domenichi und dem zweiten Bischof vorgelesen, dann fuhr Hinderbach fort im Bericht über die weiteren Vorgänge an der Kurie und die Ausfertigung der neuen, endgültigen Bulle. Durch sie fühlte er sich selbst, die Kirche von Trient, das Kapitel, die patria Athesis und die ganze Diözese, dazu noch der Herzog Sigismund und der Kaiser in ihrer Eigenschaft als Patrone, Begründer, Protektoren und Vögte der Kirche zusammen mit der ganzen natio Germanica in den Rechten tief verletzt; nach Rat vieler Prälaten, Notablen und Rechtsgelehrten legte er deshalb förmlichen Protest in Anwesenheit zweier Bischöfe als Räte, Gesandte und Mitunterhändler des Kaisers und Kollegen im Amt. Hinderbach erklärte weiter, die neue Bulle nur in Empfang zu nehmen, um die zusätzlichen Kosten, Gefahren, 332 333

Auch im Rep. Germ., Paul II., Nr. 3224 wird von provisio gesprochen. E.J. Greipl, Goldener (Goldner, Rupp), Johannes, S. 232.

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Auslagen und Unannehmlichkeiten, die schon vom Elekten und seiner Kirche hingenommen wurden, nicht noch weiter zu vergrößern – die Vakanz in Trient hatte sich nun wirklich schon elf Monate hingezogen. Zu dieser Hinnahme wäre er nur durch die Unmöglichkeit, anderweitig Gerechtigkeit zu finden, bewogen worden („ius et iustitiam ac confirmacionem suam sive litteras super electione sua et eius confirmacionis sive provisioni“); er wollte die neue Bulle denn annehmen ohne Präjudiz, Verletzung oder Beschwernis für die Rechte seiner Kirche, seines Kapitels und dessen Freiheit – besonders ohne Präjudiz für das Wahlrecht, in dessen Besitz sich das Kapitel schon immer befunden hätte. Ebenso wäre die Entgegennahme der Bulle zu verstehen, ohne Präjudiz gegenüber Klerus, Volk, Diözese und vor allem, in primis et ante omnia, gegenüber Herzog Sigismund in seiner Eigenschaft als Patron und Vogt der Kirche von Trient, gegenüber dem Hause Habsburg, der patria Athesis und Kaiser Friedrich, von dem Kirche und Bistum im weltlichen Bereich abhingen, schließlich gegenüber der ganzen natio Germanica, als deren Teil und unter deren Konkordatsrecht die Kirche von Trient nach gutem Recht stehen würde (dabei rief Hinderbach aufs Neue das schon erwähnte Instrument in Erinnerung, das Eugen IV. über die adhaesio und Obedienzerklärung vom Kaiser, von einigen Kurfürsten, weltlichen und geistlichen Fürsten, Bischof und Kapitel in Trient innerhalb des vereinbarten Zeitraumes und unter den Bedingungen der päpstlichen Bulle geleistet worden war). Da Hinderbach nicht die eigenen Rechtsansprüche einschränken, noch die Freiheiten seiner Kirche, seines Kaisers und seiner Nation beschädigen wollte, stellte er sich als Bischof, seine Kirche und sein Kapitel, dessen Recht und Freiheiten „in et sub protectione et manutencione prefati serenissimi domini imperatoris et sacri imperii necnon tocius nacionis Germanice“. Er selbst betrachtete sich als Mitglied dieser Nation und wollte für sich die gleichen Privilegien, Freiheiten und Immunitäten jedes Mitglieds in Anspruch nehmen, besonders der Konkordate mit eben jener Nation, „de quo solemniter et expresse protestabatur“. Der Gesamtprotest schloß mit einer Treueerklärung an den Apostolischen Stuhl, vorbehaltlich der Freiheit und der Unverletzlichkeit von Bischof und Kapitel und der einschlägigen Konkordate334.

Hinderbachs Protest nahm in seinem juristischen Kern den Appell auf, den das Kapitel von Brixen vierzehn Jahre vorher gegen die päpstliche Provision für Nikolaus von Kues vorgebracht hatte, d.h. den Rekurs auf das Wiener Konkordat335. Auch der Bezug auf die natio Germanica und mögliche Komplikationen zwischen ihr und dem Apostolischen Stuhl finden sich im Brixener Appell und in Hinderbachs Protest wieder: er betonte die Zugehörigkeit seiner Kirche zu eben jener Nation – wenige Jahre später sollte Agostino Patrizzi auf dem Reichstag in Regensburg 1471 beobachten, daß, „obwohl der Bischof von Trient in Italien residierte, er unter die deutschen (Bischöfe) zählte“336. Die Problematik der Konkordate stellte sich hier von Neuem, wie in den anderen Randzonen des Reichs337, wo die EingriffsASTn, APV, sez. lat., capsa 44, Nr. 34, 9c. Acta Cusana, Nr. 990-991, S. 685-691. 336 Patrizzi nennt unter die Teilnehmer des Reichstags u.a. auch Hinderbach, „episcopus Tridentinus, qui quamvis in Italia sit, inter Germanos tamen computatur“: RTA, 22,2, Nr. 112, S. 690. 337 D. Rando, Identità politica. Für Trient, O. Lechleitner, Der Kampf. 334 335

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möglichkeiten der Päpste auch durch die miteinander konkurrierenden politischen Kräfte erleichtert wurden – wie noch für Utrecht zu sehen sein wird. Am 10. Juli 1466 wiederholte Hinderbach denselben Protest in der päpstlichen Kanzlei338. Der dortige Notar Ciriacus Leckstein weigerte sich, das Notariatsinstrument anzulegen – aus Furcht, sein Amt zu verlieren, und Hinderbach war gezwungen, sich an den Notar des ersten Protests zu wenden. Leksteins Weigerung überrascht um so mehr, da er als Kurienprokurator 1455 Familiar Friedrichs III. geworden war und sich angeblich eines geradezu „internationalen“ Rufs erfreute339. Nach dieser zweiten Erklärung unternahm Hinderbach den nächsten Schritt zur Erlangung seiner neuen Würde. Am 20. Juli weihte ihn der schon erwähnte Domenichi zum Bischof; die ganze Zeremonie fand in der römischen Titelkirche des Kardinals Bessarion, der Basilika Sancti XII Apostoli, statt. Dann entrichtete der neue Bischof in zwei Raten die gewohnten servitia340, und am 21. September erfolgte der feierlicher Einzug in die Diözese Trient. Die ganze Angelegenheit war für den doch eher skrupulös veranlagten Hinderbach äußerst mühselig. Im Unterschied zu dem Versuch in Brixen war seine Nachfolge in Trient in mancher Hinsicht von langen Hand eingeleitet gewesen, einmal wegen seiner persönlichen Beziehung mit dem amtierenden Bischof Hack, der Hinderbach ausdrücklich als seinen Koadiutor und Nachfolger gewünscht hatte341; zum anderen, weil der so gleichsam Designierte sich auf eine einstimmige Wahl durch das Kathedralkapitel berufen konnte, die dazu durch den Vogt der Kirche, den Grafen von Tirol, schriftlich befürwortet worden war. Aber als nun alles problemlos zu verlaufen schien, machte ausgerechnet die Kurie Schwierigkeiten: einmal tauchten konkurrierende Kandidaten auf, Teodoro Lelli und Kardinal Gonzaga, dazu kam die zögerliche Haltung des Papstes342 und die kuriale Geheimniskrämerei, schließlich ein Kompromiß bei der Ausfertigung der endgültigen Bulle, der für den rechtsgläubigen Hinderbach so unbefriedigend war, daß er ihn zu einem energischen und offiziellen Protest treiben mußte, den ein eingeschüchterter Kanzleinotar nicht aufzusetzen wagte – für einen angehenden Reichsfürsten ASTn, APV, sez. lat., capsa 44, Nr. 34, 9c. So 1451 der Prokurator des Deutschen Ordens an den Kanzler des Hochmeisters, stark übertreibend: Chr. Schuchard, Rom und die päpstliche Kurie, S. 68-70. Vgl. A. Sohn, Deutsche Prokuratoren, S. 198. Über Leckstein vgl. Rep. Germ., Paulus II., Nr. 712. 340 A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 27-28, und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 425, Anm. 168. 341 Vgl. unten, S. 210-211. 342 Vgl. G.-R. Tewes, Die römische Kurie, S. 307, 309, 359: mit dem Pontifikat Kalixt III. ging der Einfluß deutscher Kurialen an der päpstlichen Kurie zurück. 338 339

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ein sich ewig hinziehender, tiefer Akt der Demütigung. Um doch die päpstliche Bestätigung zu bekommen, mußte sich Hinderbach noch einmal an Kaiser, Kaiserin und Kirchenvogt wenden, deren Einsatz schließlich für seine Erhebung zum Bischof entscheidend war. Hinderbach blieb sich dessen voll bewußt: „maiestate imperiali ac illustrissimo principe Austrie Sigismundo nil obsistentibus (…)“343. Für den erfolgreichen Abschluß lobte er Gott und den Kirchenpatron von Trient, den Hl. Vigilius, „per infinita secula“344, mit großer Dankbarkeit, die er in einer anderen Anmerkung noch geraffter auf die himmlischen und irdischen „Patrone“ bezog, die Habsburger345. Der Einsatz der weltlichen Fürsten war also für den weltlichen und geistlichen profectum der Ortskirchen entscheidend. Dieses Argument wurde oft ins Feld geführt, z.B. gegen die päpstliche Provision des Cusanus in Brixen beim Widerstand Sigismunds346 und nun auch von Hinderbach selbst verwendet im vollen Bewußtsein der sich daraus ergebenden Probleme, wenn „non dantur principibus grati pontifices“ 347. Doch sogar der fürstliche Einsatzeifer und die lange Erfahrung Hinderbachs im Dienst der kaiserlichkirchlichen Politik reichten nicht aus, Verzögerungen und Enttäuschungen zu vermeiden. Das juristische Taktieren und Lavieren der Kurie mußte für ihn eher ernüchternd sein, der fest auf die Kraft des Rechts als ethischer Norm vertraute: von daher der tragische Aspekt dieser ganzen Angelegenheit und eine minutiös verfaßte Protesterklärung zu einem Appell an die Rechte der natio Germanica; Hinderbach konnte sich schließlich zu einer Übereinkunft nur durchringen in der bitteren Überzeugung, daß ius et iustitia – so seine Worte – anderweitig nicht zu bekommen waren. Siehe oben, Anm. 331. Vgl. oben, Anm. 331. Die Postille schließt mit einem Lobpreis auf Gott und den Hl. Vigilius, „unseren Patron“ (der Kirche von Trient), dazu tritt das Konfirmationsdatum und die Unterschrift „Iohannes Hynderbach (über der Zeile mit Einschubzeichen) Tridentinus s(ubs)cripsit“ (Musée Condé Chantilly, V H 33, f. 2v), das Gesamtzitat oben Anm. 207. 345 BCTn, ms W 3396, f. 197, und vgl. den Begleitbrief (Entwurf) für die „Historia beati Simonis“: ASTn, APV, sez. lat., capsa 69, Nr. 195, f. 1: „Iohannes Hinderbach decretorum doctor non suis meritis, sed solius Dei pietate et sedis apostolice gratia ac imperialis maiestatis favore (ab et gestrichen) antistes Tridentinus“. 346 Acta Cusana, Nr. 990, S. 87. 347 ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 100. Zur Spaltung der Kirche von Aquileia im 7. Jahrhundert mit zwei getrennten Patriarchen in Grado und Aquileia, die ihren Sitz je auf dem langobardisch besetzten Festland und der sogenannten „Venetia maritima“ einnahmen: „Ecce qualis ecclesiarum divisio et incomoditas ex eo venit, qu(od) non dantur principibus grati pontifices ecclesiis sibi subiectis, ut hic de patriarchatu Aquilegien. Et nunc facile contingere posset, cum in presentiarum vacet obitu Ludovici Patavini patriarche (ab cum am Rand mit Einschubzeichen), si non detur patriarcha gratus imperiali maiestati“ (diese Anmerkung datiert also nach dem Tode des Patriarchen Ludovico Trevisan am 22. März 1465). 343 344

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Zur „Germania“ Enea Silvios: Kommentar ohne Illusion Mit dieser persönlichen Erfahrung wandte sich Hinderbach der „Germania“ Enea Silvios zu348. Vorausgeschickt werden muß, daß ihm jede radikale Infragestellung des Papstamts fremd war. Er kannte den schon erwähnten Mainzer Kanzler Martin Mair persönlich und schätzte dessen juristische Kompetenz349. Wenn dieser aber in dem ihm von Enea Silvio zugeschriebenen Brief behauptete: „Nam domino meo archiepiscopo frequentes afferuntur de Romano pontifice querele“350, hielt Hinderbach dagegen: „nimis arrogans hoc dictum, quasi Magontinus superior ac cumandator sedis apostolice existat“. Er bewahrte dem Apostolischen Stuhl gegenüber eine hartnäckige Treue, die auch durch ein marginale in einem anderen Zusammenhang bestätigt wird: hier würdigt Hinderbach, „katholica assertio huius scribentis“, die Glaubensfestigkeit des Autors an die Römische Kirche, die gebaut sei auf die „firma petra“, nach dem Grundsatz „credenda que credit“, und deren temporalia nicht in Frage gestellt werden dürften351. Und doch konnte Hinderbach über das ganze kuriale Fiskalsystem nicht anders denken als Mair, indem er die Einwände Enea Silvios zurückwies. Über die Servitien schrieb der Mainzer Kanzler, daß sie ohne Aufschub und über der geschuldeten Norm herausgepreßt wurden352, eine Klage, in die Hinderbach entschlossen miteinstimmt, ganz auf dem Hintergrund der eigenen persönlichen Erfahrung: „verissimum est istud et in nobis verificatum“ – der persönliche Bezug dürfte darin gelegen haben, daß sich Kardinal Gonzaga den 348 BCTn, ms W 109, f. 130 ff. Der auf Hinderbach zurückgehende Titel erinnert an den Pontifikat Pius’ II. und ist von daher nach dessen Papstwahl 1458 anzusetzen, die Anmerkungen hingegen lassen eine Lektüre nach 1466, dem Jahr seiner Bischofserhebung, vermuten. Der Titel lautet auf f. 130 folgendermaßen: „Tractatus domini Enee tunc cardinalis et episcopi Senensis, post pape Pii, responsivus (am Rand apologeticus) ac defensivus pape Calixti ac sedis apostolice contra certam invectivam epistulam doctoris Martini Mayr tunc cancellarii Maguntini de certis gravaminibus nationis Germanice, 1457“, wo auch der terminus tecnicus erscheint: gravamina nationis Germanie. 349 Zum Passus der „Germania“, in dem Enea Silvio behauptet, daß Mair „Deutschlands“ historischen Zustände sehr gut kannte, wendet Hinderbach ein: „ymmo minime scivisse melius dixisset, quare non est harum rerum studio(sus) neque sciolus, sed magis iuris civilis ac pontificii peritia clarus“ (BCTn, ms W 109, f. 155). Mair hatte in Heidelberg studiert, wo er 1448 „licentiatus decretorum“, aber erst 17 Jahre später promoviert worden war. 1472 hielt er den Vortrag bei der Eröffnung der Universität Ingolstadt (F.J. Worstbrock, Mayr, S. 242-248). 350 BCTn, ms W 109, f. 131. 351 BCTn, ms W 3363, f. 83. 352 „Annate sive medii fructus absque ulla dilatione temporis exiguntur, et plus etiam, quam debeatur, extorqueri palam est“ (BCTn, ms W 109, f. 131).

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Verzicht auf die Konkurrenz mit Hinderbach in Trient hatte teuer bezahlen lassen, nämlich durch eine jährliche Abfindung in beträchtlicher Höhe353. Mairs Behauptung, nach der die römische Kurie auf vielerlei Wegen und mit subtiler Heimtücke von den Deutschen als einfältigen Barbaren Gold herauspressen würde, nimmt Hinderbach wortwörtlich in einer Marginale auf: „aurum subtili ingenio extrahendum a barbaris“354. Enea Silvios Lob für einen „liberalen“ Nikolaus V. und einen „gütigen“ Kalixt III. fügt Hinderbach die Glosse bei: „de liberalitate summorum pontificum, sed perrara“355. Ein wenig tröstliches „utinam!“ erwirkt die Versicherung Enea Silvios, der Apostolische Stuhl „übt sichtlich seine Herrschaft über euch aus, nur insoweit es die göttlichen Gesetze vorschreiben“356, und ein anderes „utinam“ seufzt Hinderbach, wenn Enea Silvio behauptet: „Er erhält, wie wir schon sagten, nur, was ihm zusteht. Er verkauft nicht, wie du behauptest, Benefizien (…)“357. Diese ernüchternde Haltung Hinderbachs ist sicherlich nicht nur durch die schon erwähnte persönliche Erfahrung geprägt: von ähnlichen Fällen dürfte er einmal bei seinen häufigen Aufenthalten in Rom, zum anderen im Zuge seiner Aufgaben am Kaiserhof erfahren haben. Enea Silvio ließ sich in der „Germania“ ausführlich über die Sedisvakanzen während der Pontifikate Nikolaus’ V. und Kalixts III. aus, um Eingriffe der römischen Kurie zu rechtfertigen und die Bischofswahlen insgesamt zu kassieren – ein Kunstgriff, um den von Mair erhobenen Anklagepunkt zur Mißachtung des Wahlrechts durch die Domkapitel von Seiten der Kurie zu entkräften. Hinderbachs Kommentar zum entsprechenden Passus schöpft in einigen konkreten Fällen aus seinen ganz persönlichen Erfahrungen, in ihren intimen Einzelheiten besonders wertvoll. Unter den einschlägigen Fällen übergangener Wahlrechte der Domkapitel behandelte Enea Silvio den Vorgang in Utrecht358. Zunächst lobt er die Wahl als nicht nur von den dortigen Kanonikern vorgenommen, sondern auch von allen Stiften der ganzen Stadt: so habe der Gewählte mehr als 50 Stimmen auf sich vereinigen können. Hinderbach zeigt eine viel genauere Kenntnis der Einzelfakten: wie er am Rand vermerkt, belief sich die Anzahl der Stifte auf vier, und das Wahlergebnis betrug genau 82 Stimmen; der BCTn, ms W 109, f. 131. BCTn, ms W 109, f. 131 v. 355 BCTn, ms W 109, f. 153. 356 BCTn, ms W 109, f. 144v (= Aeneas Silvius, Germania, cap. 34, S. 32). Zit. Enea Silvio Piccolomini, Deutschland, S. 69. 357 BCTn, ms W 109, f. 152v (= Aeneas Silvius, Germania, cap. 48, S. 45). Zit. Enea Silvio Piccolomini, Deutschland, S. 86. Der Text fährt fort: „sondern überträgt sie denen, die er für fähig zum Regieren hält“. 358 Aeneas Silvius, Germania, cap. 31, S. 30-31. 353 354

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Elekt war der Herr von Bredenrode359. Name und Zahlen ergeben sich aus dem Wahlakt vom 7. April 1455 Gisberts von Bredenrode. An seiner Wahl hatten die Stiftsherren der Kirchen von St. Salvator, St. Petrus, St. Johannes und der Hl. Maria teilgenommen, die anwesenden Wähler waren 73, dazu kamen noch 9 Wähler per procuram, insgesamt also, wie Hinderbach exakt festhielt, 82 Stimmen. Seine genauen Aufzeichnungen stammten möglicherweise aus erster Hand: die Wahl war genau am Tag vor dem Tod Nikolaus’ V. erfolgt, und Gisbert von Bredenrode hatte sofort seine Gesandten an die Kurie geschickt, um vom neuen Papst Kalixt III. die Bestätigung seiner Wahl zu erlangen360. Genau zu diesem Zeitpunkt befand sich Hinderbach in Rom auf der schon erwähnten Mission zusammen mit Enea Silvio, um dem neuen Papst das übliche Treuegelöbnis des Kaisers zu leisten; und so dürfte ihm nicht schwergefallen sein, an genaue Informationen über diesen Fall heranzukommen, umsomehr, als auch diese Wahl durch ihre politischen Implikationen den Kaiserhof involvierte – Enea Silvio und Hinderbach sollten ja in Rom über das Wahlrecht verhandeln. In seiner Germania rechtfertigte Enea Silvio das Verhalten Kalixts III. vor allem dadurch, daß die Wahl Gisberts seiner Ansicht nach durch Bestechung, also Simonie, erfolgt wäre; dazu wären Gisbert und seine Wähler exkommuniziert, und auch die Wirren der Vorgeschichte müßten in Betracht gezogen werden. Doch vor allem dürfte für die päpstliche Entscheidung Ausschlag gegeben haben der Wunsch, den Herzog von Burgund enger an Rom zu binden, was später auch durch eine Nachricht Enea Silvios bestätigt wird, nach der die Erhebung Davids von Burgund auf Wunsch seines Vaters trotz vielfacher Opposition vorgenommen wurde361. Hinderbach läßt sich über diesen Ausgang des ganzen Streites nicht näher aus, trotzdem hat er detaillierte Informationen über die Wahl: er kennt den Namen des Elekten, der vom Papst nicht bestätigt, aber von Friedrich III. mit den Regalien investiert wurde; er weiß auch genau Bescheid, daß die an der Wahl beteiligten Stifte vier und die Voten insgesamt genau 82 waren – Enea Silvio bleibt dagegen nur annähernd genau: über 50362. BCTn, ms W 109, f. 143. Joannes à Leydis, De origine, S. 669-673 mit den Namen. Zum Gesamtvorgang, R.R. Post, Geschiedenis der Utrechtsche, S. 164-171 und ders., Kerkgeschiedenis, Bd. 2, S. 22-25; D. Brosius, Päpstlicher Einfluß, S. 225-226. Zulezt Cl. Märtl, Kardinal Jean Jouffroy, S. 91-94 und P. Ehm, Burgund und das Reich, S. 44-45. Schließlich mußte Gisbert ganz verzichten und beugte sich der päpstlichen Entscheidung in einem Vertrag vom 3. August 1456: P. Berbée, David von Burgund, S. 121-123; Y. Lacaze, Philippe le Bon, S. 177. 361 D. Brosius, Päpstlicher Einfluß, S. 224-225. Vgl. auch G.-R. Tewes, Die römische Kurie, S. 156-157 und Anm. 54. 362 BCTn, ms W 109, f. 142v. 359 360

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Die „Germania“ erwähnt noch einen anderen Vorgang, der durch die Sedisvakanz des Erzbistums Trier nach dem Tod des schon erwähnten Jakobs von Sierck am 23. Mai 1456 eintrat. Nachdem sich das Kapitel zweimal ergebnislos zur Wahl versammelt hatte, postuliert es am 21. Juni 1456 den zweiundzwanzigjährigen Markgraf Johann von Baden. Dieser konnte sich zunächst mit Hilfe des Kapitels, der Kurie und des Kaisers gegenüber Konkurrenten (darunter auch des Herzogs von Burgund) durchsetzen und dank der Fürsprache Enea Silvios die päpstliche Bestätigung erhalten. Das alles aber um einen sehr hohen Preis: Johann mußte nicht nur dem Kapitel eine Teilhabe bei Finanzen und Politik des Erzbistums einräumen, sondern auch die Erhebung selbst verlangte eine hohe Geldsumme. Die Kurie ließ sich die Bestätigung und die Übergabe des Palliums 41.000 Florenen kosten, das Vierfache, das von seinen beiden unmittelbaren Vorgängern gefordert worden war363. Diese außerordentliche Höhe veranschaulicht auch der Vergleich mit Dieter von Isenburg bei dessen Wahl zum Erzbischof von Mainz: er sollte für denselben Vorgang „nur“ 15.000 Florenen bezahlen, einen Betrag, den Isenburg glatt verweigerte und damit die sogenannte Mainzer Stiftsfehde auslöste. Der Vorgang in Trier lieferte den streitenden Parteien in Mainz, Isenburg und der Kurie Argumente für die jeweils eigene Sache: der Erzbischof denunzierte ihn als einen Skandal, der Vertreter der Kurie machte ihn zum Präzedenzfall, nach dem Isenburg die geringere Summe entrichten könne. Die Postulation des jungen Grafen Johann in Trier hatte darüber hinaus auch eine weiterreichende Bedeutung für das Haus Baden und das Reich, denn mit ihr setzte jene Politik ein, die den Markgrafen Bischofssitze in Trier (1456, 1503), Metz (1459), Lüttich (1465) und Utrecht (1496) verschaffte, und so die rheinischen Domkapitel in ihren Aktionsbereich einbezog. Die Gesamtausrichtung ließ schon ein Einschwenken der Habsburger Hauspolitik zu Burgund hin erkennen364.

Die Postulation Johanns von Baden war also nicht unumstritten, doch auch hier verteidigte sie Enea Silvio in der „Germania“, dieses Mal mit dem Argument, daß das unzureichende Alter des jungen Fürsten durch dessen persönliche Vorzüge und den beispielhaften Lebenswandel seiner Vorfahren ausgeglichen würde. Enea Silvio ging auf die unrühmlichen Begleiterscheinungen der Wahl gar nicht ein, sein Verteidigungsversuch des päpstlichen Vorgehens lenkte das Augenmerk vielmehr auf die Abfuhr für den Kandidaten des Herzogs von Burgund, also eines mächtigen weltlichen Fürsten, dessen große Verdienste er ansonsten würdigte und dem eine gewisse Berechtigung zur Einflußnahme nicht abgesprochen werden konnte365. Diese 363 Der Sekretär Johanns von Baden, Peter Maier, stellte fest, daß sein Herr von Kalixt III. bestätigt wurde „maximo cum labore et impensis. Nam pro pallio et confirmatione sua dedit XLIm florenorum in auro, de qua summa sunt instrumenta et quitantiae“, zitiert in H.V. Sauerland, Trierische Taxen, S. 93. 364 Zum Gesamtvorgang K. Krimm, Baden und Habsburg, und vgl. Enea Silvio Piccolomini, I commentari, S. 144. 365 Enea Silvio nimmt das Argument der Landeskirche wieder auf: Philipp der Gute besaß wegen großer Verdienste an der Kurie im gewissen Sinne ein Anrecht auf die Kirche von Trier, da sie von seinen Herrschaftsgebieten umgeben war.

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einseitige Darstellung der Fakten konnte Hinderbach nicht unwidersprochen hinnehmen: seiner Meinung nach war Johann von Baden mit Hilfe von viel Geld in den Besitz der Würde gelangt, unter dem Vorwand einer freiwilligen Spende für den Kreuzzug gegen die Türken: „et auri non modica congerie(s) uti dicebatur XLta milium auri nummorum comparata, quamvis sub pretextu subsidii voluntarii pro expedicione contra Thurcos, que tum per Calistum parabatur, (recepta) fuerit, ut hic infra per se fatetur“366. Diese Vermutung Hinderbachs findet ihre Bestätigung durch eine Notiz des erzbischöflichen Sekretärs, nach der einmal Johann „mit großer Mühe und großen Ausgaben“ konfirmiert worden sei, zum anderen durch die Höhe der aufgewendeten Geldsumme – der Sekretär nennt genau 41.000 Florenen; dazu tritt noch eine durch andere Quellen bestätigte Einzelheit, die Rechtfertigung dieses Aufwandes als Finanzierung des Türkenkreuzzuges Kalixts III.367. Ähnlich der Vorgang in Regensburg: am 24. Mai 1457 war der dortige Bischof, Friedrich von Blankenfels, gestorben; als Nachfolger wollte Herzog Ludwig „der Reiche“ von Bayern-Landshut seinen Neffen Ruprecht, den zweiten Sohn seiner Schwester (und des Herzog Otto von Pfalz Neumarkt-Mosburg), der auch in Trier kandidiert, sich jedoch nicht durchgesetzt hatte. Der Herzog wendete sich direkt an den Papst und Enea Silvio, den er vom Kaiserhof persönlich kannte. Außer dieser Rückendeckung und seiner vornehmen Herkunft konnte Ruprecht keine weiteren Argumente für seine Person ins Feld führen, jedoch: das Kapitel hatte mehrheitlich eines seiner Mitglieder, Heinrich von Absperg, gewählt; gegen ihn hatten drei Kanoniker votiert, dazu waren vier von ihnen nicht zur Wahl geladen worden368. Diesen Formfehler nahm der Herzog zum Anlaß, die gesamte Wahl in Frage zu stellen und für Ruprecht die Administration des Bistums zu verlangen369. Kalixt III. überwies den Streitfall zur Schlichtung an zwei Kardinäle, Enea Silvio und Giovanni Castiglioni, den Kardinal von Pavia. Dieser stellte die Verdienste des Elekten Heinrich heraus und seine konkordatsgemäße Wahl, dazu besäße Ruprecht noch nicht einmal das kanonische Alter. Auch Enea Silvio lobte die Person des Elekten, seine persönlichen Qualitäten und die vornehme Herkunft, doch erwähnte er auch den Formfehler bei der Wahl, spielte auf etwaige Manipulationen im Vorfeld an und stellte dann die Abstammung Ruprechts heraus, die Verdienste seiner Vorfahren, die zusammen mit den Vorzügen des Kandidaten den Makel des nichtkanonischen Alters ausglichen. Darüber hinaus wies er auf die günstige Gelegenheit hin, Fürstensöhne auf Bischofsstühle zu erheben, weil auf diese Weise die Bistümer mit den Fürsten selbst verbunden würden. In diesem speziellen Fall bestand auch die Gefahr, daß Ludwig der Reiche sich in eine antipäpstliche Liga hinüberziehen ließ, für eine deutsche pragmatica, ein Schritt, den die Kurie durch Entgegenkommen BCTn, ms W 109, ff. 141v-142. Hinderbach kannte, wenn auch nicht mit Sicherheit, den Namen des burgundischen Kandidaten, nämlich Stefans von Bayern. 368 F. Janner, Geschichte, 3, S. 509. 369 H. Rankl, Das vorreformatorische landesherrliche Kirchenregiment, S. 86-89. 366 367

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in Regensburg vermeiden konnte. Neben dieser komplizierten Situation dürfen die persönlichen Interessen Enea Silvios nicht vergessen werden, seine Pfründen in Bayern und sein Bestreben, dem schon erwähnten König Ladislaus Postumus einen Dienst zu erweisen: an ihn hatte sich Enea Silvio für ein Empfehlungsschreiben wegen seiner schon erwähnten Erhebung zum Bischof von Ermland gewendet, und Ladislaus hatte sich wiederum auch für die Erhebung Ruprechts in Regensburg eingesetzt370.

In seiner „Germania“ nun greift Enea Silvio einige Einzelpunkte seiner Empfehlung für Ruprecht auf: als Vierundzwanzigjähriger habe dieser in Köln und Pavia Rechtswissenschaft studiert, dann stellt Enea das vornehme Geschlecht heraus, eine claritudo der Herkunft, damit jedem andern Kleriker überlegen, und weitere persönliche Qualitäten. Auch in diesem Falle konnte Hinderbach die tendenziöse Darstellung Enea Silvios nicht teilen: seiner Meinung nach wurde dadurch versucht, „die Wahl, nämlich die päpstliche Provision, zusammen mit dem Vorgehen des Apostolischen Stuhls zu ‚nobilitieren‘“; in Wirklichkeit aber hätten nicht nur die von Enea Silvio vorgeschützten Gründe den Ausschlag gegeben, sondern auch noch Geld, viel Geld, nämlich 10.000 Zechinen371. Die von Hinderbach genannte Höhe entspricht genau derjenigen (9 bis 10.000 Dukaten), die Ludwig der Reiche – nach den Anhängern des Elekten Heinrich – zur Lösung der ganzen Angelegenheit in seinem Sinne aufgewendet habe; in dieselbe Richtung zielte der Korruptionsverdacht gegenüber Enea Silvio und einem weiteren Kardinal, Guillaume d’Estouteville372. Genauso komplex ein Vorgang in Chur: auch ihn hatte Enea Silvio stark vereinfacht, Hinderbach jedoch mit einigen, kuriekritischen Klarstellungen versehen. Enea Silvio legt Wert darauf, daß Kalixt III., „cassata commenda“, die Kirche von Chur dem von Klerus und Volk gewollten Hirten anvertraut habe373; doch Hinderbach geht dagegen genauer vor374: in der Realität hatte 370 G. Voigt, Enea Silvio, Bd. 3, S. 214-216; D. Brosius, Päpstliche Einfluß, S. 217218. Über Ludwig den Reichen in der differenzierten Schilderung Enea Silvios, Cl. Märtl, Liberalitas Baioarica, S. 258-260. 371 BCTn, ms W 109, f. 144: „(colo)rare infra per totum hanc electionem seu provisionem nititur, et factum sede apostolica (colo)rare, sed revera non sole hee cause fuere, sed etiam pecuniarum respectus habitus, nam post huius Roberti mortem, eius germanus Otto Baioarie dux Xm aureorum a successore huius auferre precepit (…)“. 372 Nach Gesandtschaftsberichten an die Herzöge Ludwig und Otto hatten die Vertreter Ludwigs des Reichen Enea Silvio und den Kardinal Guillaume d’Estouteville bestochen und ihnen je „in grossen gehaim“ zweitausend Dukaten versprochen, wenn Ruprecht als Administrator bestätigt würde. Auch anderen Kurienmitgliedern war eine hohe Summe in Aussicht gestellt worden, darunter drei/viertausend Dukaten für die Apostoliche Kammer, bis zum Gesamtbetrag von neun/zehntausend Dukaten: H. Rankl, Das vorreformatorische landesherrliche Kirchenregiment, S. 88. 373 Aeneas Silvius, Germania, cap. 22, S. 27. 374 BCTn, ms W 109, f. 141.

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der Papst die Wahl durch die Kanoniker, die sich noch mit dem von Eugen IV. ernannten Kommendatar, dem Bischof von Konstanz, in Streit befanden, zugunsten seines Auditors kassiert und war dann erst nach dessen plötzlichen Tod doch noch auf den Elekten des Kapitels eingeschwenkt375. Aus Hinderbachs Notizen lassen sich also Beobachtungen aus erster Hand zu Wahlen in Utrecht, Trier, Regensburg und Chur schöpfen. Sie bestätigen die Ergebnisse von Brosius über die politischen Auswirkungen von Bischofswahlen jener Zeit und ihre Heranziehung zur Ausstattung des Türkenkreuzzuges in der Praxis. Obwohl es ihm an eindeutigen Zeugnissen für diese These fehlte, ergab sich der starke Verdacht aus der Häufung vieler Fällen im Pontifikat Kalixt’ III., bei denen der Konfirmation nicht nur die Zahlung der Servitien, sondern auch ein Beitrag pro cruciata folgte. Eine Anmerkung Jacopo Ammannatis zum Bistum Lüttich bestärkte diesen Verdacht, schon in den gravamina der natio Germanica miteingeschlossen: danach verlieh die Kurie die Bistümer nicht dem würdigsten oder rechtmäßigsten Kandidaten, sondern dem, der ihr den höchsten Profit bot376. Für diese Praxis kann Hinderbach als Zeuge dienen. In seiner „Germania“ hatte Enea Silvio die Beschwerden zurückgewiesen, indem er sie zu minimieren versuchte: danach hätten Nikolaus V. und Kalixt III. nicht mehr Geld eingenommen als in den Konkordaten vereinbart, möglicherweise wäre dabei Kalixt III. etwas über die Servitien hinausgegangen, für den Krieg gegen die Türken, allenfalls eine ganz spontane Spende377. Dagegen kommentiert Hinderbach genau und ernüchternd: „Hier gibt er zu, was ich schon oben geschrieben habe (Hinderbach bezieht sich dabei auf seine Glosse über die Wahl in Trier, wo er den Kreuzzugsbeitrag erwähnt hatte), doch er beschönigt den Tatbestand, als ob es sich dabei um eine spontane Spende gehandelt habe, und nicht um eine Erpressung gegenüber den Unwilligen (‚quasi sponte ablata, non ab invitis extorta fuerunt‘), und das kann noch nicht mal ein gutwilliger Beobachter glauben (,quod vix credendum‘)!“378. 1441 hatte Eugen IV. den Bischof von Konstanz, Heinrich von Hewen, auch zum Administrator von Chur ernannt; Heinrich war aber schnell mit dem dortigen Kapitel in Streit geraten, das daraufhin dann im Mai 1453 Leonhard Wismair zum Bischof gewählt hatte. Unter Berufung auf sein Reservationsrecht hatte Nikolaus V. den päpstlichen Kaplan und Auditor Antonio Tosabecchi ernannt. Dieser entrichtete die Servitien und nahm auf der Reise in sein neues Bistum schon seine Jurisdiktionstätigkeit auf, verstarb aber vor dem Einzug in seine Diözese (O.P. Klavadetscher / W. Kundert, Die Bischöfe von Chur, S. 490-491). 376 Zur begünstigenden Haltung Kalixt’ III. gegenüber dem Herzog von Burgund in der Hoffnung auf Unterstützung für den Türkenkreuzzug, G.-R. Tewes, Die römische Kurie, S. 156-157 und Anm. 55. 377 Diese Ansicht wird in einem Schreiben an Martin Mair vom 20. September 1457 zurückgewiesen bei D. Brosius, Päpstlicher Einfluß, S. 227, Anm. 56. 378 BCTn, ms W 109, f. 149. 375

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Diese Anmerkungen fassen nicht nur die allgemeine Haltung der Kurie zu den Bischofwahlen im Reich genauer, sondern sie geben auch Auskunft über Hinderbachs Stellung zur Kurie selbst. Er kannte das römische Vorgehen sehr wohl, konnte die Auswirkung mit eigenen Augen verfolgen und so um keinen Preis Enea Silvios apologetische Haltung teilen, seine tendenziöse Art, Vorgänge darzustellen, bei denen er Zuschauer und auch selbst Handelnder war: wenn Enea Silvio letztendlich einwendet, ihm sei nie eine Beschwerde über eine päpstliche Provision zu Ohren gekommen, statt der Bestätigung einer Wahl „in loco“379, so begehrt Hinderbach auf, selbst lange Zeit wegen der Bestätigung in Trient hingehalten und in seiner Rechtsauffassung durch den unbefriedigenden Kompromiß tief verletzt: „Im Gegenteil, es gab viele, und ich war einer von ihnen! Obwohl ich lange darum ersucht habe, habe ich am Ende überhaupt nichts erreicht, auch wenn meine Wahl, wie hier gesagt, nicht kassiert wurde, sondern sogar kanonisch aprobiert und in der päpstlichen Bulle erwähnt wurde“380. Hinderbach konnte auch nicht über bestimmte Versuche zur Dehnung des kanonischen Rechts hinwegsehen. Für Enea Silvio galt die päpstliche Reservierung der höheren Stiftswürden und der Kathedralkirchen unwidersprochen, weil durch das Wiener Konkordat anerkannt: was vorher durch göttliches und menschliches Recht vereinbart worden war, wurde durch Vertragschluß förmlich beschlossen381. Hinderbach legt Einspruch ein: die päpstliche Reservation leitet sich nicht zwingend aus dem göttlichen oder kanonischen Recht her, sondern aus einer speziellen Reservierung jüngeren Datums, die alte Vorrechte annulliert („… sed ex speciali ac moderna reservacione Benedicti XI que incipit: Ad regimen382, cui omnes pontifices romani successores innituntur atque inicio sui pontificatus renovant, nam veteri ac sup(eriore) iure electionis tam in cathedralibus quam collegiatis locis habebant“)383. Auch in anderen Fällen anerkennt Hinderbach ein lokales Traditionsrecht384 und hält Enea Silvio entgegen, der auf Martin Mair geantwortet hatte: „Du denkst sicher nicht, daß die Konkordate den Gebrauch der sogenannten Akzeptanzen vermeiden! Nichts dergleichen ist vereinbart worden“385; darauf Hinderbach: „Im Gegenteil: sie sind durch die Aeneas Silvius, Germania, cap. 36, S. 34. BCTn, ms W 109, ff. 145v-146: „Ymo multi fuerunt inter quos et ego (…) quamquam, ut hic dicitur, electio de me facta cassata non fuerit, set canonice approbata ac de eadem memoria in litteris apostolicis facta“. 381 Aeneas Silvius, Germania, cap. 19, S. 26. 382 C. 13 III 2, in Extrav. comm. (Fr. 2, 1266-1267). 383 BCTn, ms W 109, f. 140. 384 BCTn, inc. 422, l. I, cap. 89; BCTn, ms. W 3388, f. 88v usw. 385 Aeneas Silvius, Germania, cap. 37, S. 35. 379 380

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ersten Konkordate durch Eugen IV. abgeschafft worden, deren Kopie wir besitzen“386. Sein Einwand trifft vollkommen zu: in den Fürstenkonkordaten vom 5. Februar 1447 hatte Eugen IV. der natio Germanica zugestanden einzelne Dekrete des Konzils von Basel in der Lesart der sogenannten Mainzer Akzeptation vom 26. März 1439, darunter auch jenes, das die Expektanzen ganz abschafft – unter dem Titel „Sicud in construenda domo“ ja schon in Hinderbachs Studienzeit ausführlich besprochen. Insgesamt stemmte sich Hinderbach gegen einen zu laxen Umgang mit Fakten und Recht. Er reagiert auf Enea Silvios ‚interessierte‘ Darstellung ganz als der gewissenhafte Akademiker, der korrekte Doktor in decretis, vielleicht ein wenig pedantisch in seinem Bestreben um Genauigkeit: Wenn sich Enea Silvio an den Verzicht der natio Germanica auf ihre bis dahin beobachtete Neutralität erinnert und ausdrücklich sagt, dem Papst den Obödienzeid nach der Ausstellung ‚einiger‘ Schreiben geleistet zu haben387, belegt Hinderbach trocken: „Er sagt nicht, welche Schreiben das gewesen sind. Ich denke dabei an die Bulle der Konkordate, die damals der Nation ausgestellt und später kraft der Autorität des Legaten im Reich genauer gefaßt wurde, wie weiter unten folgt“388 (im Kapitel 16. erläutert dann auch Enea Silvio wirklich den Inhalt des Wiener Konkordats)389. Hier zeigt sich der „pingelige“ Jurist, aber auch der Deutsche, der nicht Enea Silvios Nachlässigkeit hinnehmen kann, die wichtige Einzelheiten der Kirchenverfassung der natio Germanica einfach ausläßt. Ein Beispiel dafür sind die Konzilien: Hinderbach kannte sich bei ihnen sicherlich aus390 und so identifiziert er sofort richtig: „de constitutione ,Frequens‘“, am Rand neben der allgemeinen Vorstellung des berühmten Dekrets durch Enea Silvio391 – 386 BCTn, ms W 109, f. 146: „ymmo in primis pactionibus cum Eugenio habitis penitus sublate erant, quarum exempla (habemus)“. 387 Aeneas Silvius, Germania, cap. 17, S. 24. 388 BCTn, ms W 109, f. 139: „non dicit que et quales hec littere fuerint, ego bullam concordatorum tunc primum nationi concessa crediderim, que tamen postmodum auctoritate legati in Germaniam missi magis (clamidata) articulataque fuerit ut infra sequitur“. 389 Aeneas Silvius, Germania, cap. 19, S. 25: „formula concordie“ mit Bezug auf die Wahlen, am Rand die Bemerkung Hinderbachs : „capitulum concordatorum in forma“ (BCTn, ms W 109, f. 140). Daraus läßt sich entnehmen, daß schon der zeitgenössische Sprachgebrauch („concordia“, „concordata“) nicht ganz eindeutig ist. 390 „Wir haben erlebt, daß einige eurer Prälaten, die in höchst wichtigen Sachen an unsere Kurie zitiert wurden, sich dem Urteil entzogen“ (Enea Silvio Piccolomini, Deutschland, S. 82, Aeneas Silvius, Germania, cap. 44, S. 42), wieder von Hinderbachs Hand: „de Coloniensi et Treverensi loquitur, tempore Eugenii depositis“ (BCTn, ms W 109, f. 150v). 391 BCTn, ms W 109, f. 134v. Biondos Bezugnahme auf das Konzil von Konstanz und dessen Entscheidung (decretum), fünf Jahre später und dann alle sieben Jahre ein

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fast schon eine automatische Reaktion. Persönlicher und stärker anteilnehmend ist die Beobachtung, daß die natio Germanica die Verlegung des Basler Konzils nach Bologna „wie eine Beleidigung empfunden hätte“392, und eine starke Gefühlsverletzung an der Stelle, wenn Enea Silvio versucht, die ganze Konzilsbewegung und die Konzilsbereitschaft der deutschen Bischöfe zu diskreditieren: „ein unbestimmter Drang zum Konzil bewegt die Menschen Deiner Nation, die von der Wissenschaft wenig wissen“393; darauf Hinderbach: „Im Gegenteil, gerade die Gelehrtesten und diejenigen, die sich durch ihr Wissen auszeichnen, verlangen das Konzil!“394. Wo Enea Silvio weiter ausführt: „Wenn sie nun endlich ihre Synode haben, bleiben Eure Bischöfe zu Hause“395, Hinderbach entrüstet: „Das ist nicht wahr! Sie sind sogar gezwungen, persönlich anwesend zu sein“396. Einige Schlaglichter, aber sie zeigen Hinderbachs Sympathie für die konzilsfreundliche Haltung in der natio Germanica, die auch schon der junge Student zur Zeit des Basler Konzils empfunden hatte, Sympathien, die sich auch noch in den Sechziger Jahren des 15. Jahrhunderts hielten. In dieser Zeit, aber in einem anderen Kontext, brachten die Bedrohung durch die Türken und das Bemühen einer gesamteuropäischen Verteidigung Hinderbach dazu, die vertane Chance eines Generalkonzils in Verbindung mit dem Kongreß von Mantua neu zu belegen und die Unwirksamkeit des Dekrets „Frequens“ zu bedauern: „Wenn es doch nur bis in die Gegenwart beachtet worden wäre (…) Dann wären die immer wieder beklagten Hilfeleistungen gegen die Türken von irgendeinem Nutzen gewesen!“397. Hinderbach konnte also Enea Silvios Geringschätzung der Konzilsidee nicht teilen. Bei anderen Einzelheiten registriert Hinderbach ohne große Anteilnahme die Schilderungen Enea Silvios398, z.B.: „Der Papst ist fehlbar“, „in der römischen Kurie gehen viele und große Sachen fehl und bedürfen zurecht der Konzil abzuhalten, markiert Hinderbach decretum und faßt genauer: „quod incipit: ,Frequens‘“ (ÖNB, CVP, ser. nov., 2962, f. 9). 392 BCTn, ms W 109, f. 138. 393 Aeneas Silvius, Germania, cap. 8, S. 17: „omnes tue nationis homines, qui paululum docti sunt, quedam concilii cupido exagitat“. 394 BCTn, ms W 109, f. 134v, am Rand Hinderbach eigenhändig: „ymmo qui magis docti sunt et in doctrina et scientia excellunt sunt qui petunt“. 395 „Nam cum synodi celebrantur, episcopi vestri domi remanent“ (BCTn, ms W 109, f. 134v). 396 „Ymmo personaliter adire coguntur“ (BCTn, ms W 109, f. 134v). 397 „Nota concilia de septimo in septimum semper fuisse celebranda, quod utinam hactenus servatum foret, non iam (…) Christianorum adversus Thurcos implorata auxilia irrita fuissent!“ (ÖNB, CVP, ser. nov., 2962, f. 9). 398 Aeneas Silvius, Germania, cap. 40, S. 38.

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Verbesserung“; „die Tugend weicht dem Geld“. Bei einem anderen Passus, in dem Enea Silvio die römische Kurie für ihr gerechtes Walten, für ihre Lehre, Erfahrung, Kultur und andere Vorzüge lobt, beschränkt sich Hinderbach darauf, kurz zu vermerken: „Loblied auf die römische Kurie“399 oder kaum ausführlicher: „der Apostolische Stuhl als ‚refugium universale‘“400. Wenn sich Enea Silvio schließlich zu einigen Allgemeinplätzen herabläßt, folgt ihm Hinderbach: „Überall sind Böse und Gute gemischt, der Mensch ist das hinterlistigste aller Tiere401; die Habgier ist in Rom genau so stark wie überall402; die Laster von heute sind dieselben von früher403; die Plage des Geizes gibt es bei allen Völkern“404; um schließlich fast sentenzenhaft zu enden: „die großen Fische fressen die kleinen405, Geld ist der Schlüssel für alle Art von Betrügereien406, beim Unrecht ist Zustimmung nicht einklagbar“407. Aus Hinderbachs Lektüre der „Germania“ wird so eine differenzierte Haltung deutlich. Einerseits hatte er von dem Pfründenkaroussel selbst profitiert und konnte sich von daher schlecht mit der Anklagehaltung Martin Mairs identifizieren, nicht die Beschwerdepunkte der gravamina in ihrer ganzen Härte teilen; andererseits war er sich der schädlichen Auswirkung der päpstlichen Politik im Reich bewußt; er selbst war Zeuge des Kurialfiskalismus und verurteilte eindeutig den „Pfründenmarkt“, die „erpresserische“ Haltung und die Versorgung Kurialer im Reich, den „Nepotismus“. Diese kritische Haltung zeigt sich auch noch in kleinen Anmerkungen, die sich hie und da in anderen Manuskripten oder Inkunabeln aus seinem Besitz finden: in einer Glosse zu einer Homelie Gregors des Großen vermerkt er zum Passus „gratis accepistis, gratis date“ einen Fall, den er während seines Aufenthalts als kaiserlicher Gesandter in Rom selbst verfolgen konnte: ein armer Bischof von Pedena brachte jährlich 50 Florenen an Einkünften zusammen, seine Taxe betrug das Vierfache, 200 Dukaten; trotz seiner Bitte um Erlaß wurde er nicht erhört; der Papst wollte in diesem Fall nicht nachgeben und hielt dagegen, daß schon allein die Bischofsstadt das Dreifache wert sei, genau diesen Betrag und sogar noch mehr habe ihm ein Angehöriger des Bettelordens versichert, der das Bistum verwaltet hätte: „quod certe bene non conveniebat Romano pontifice vendere titulos episcopales, sed ita est de more curie Romane, si quis religiosus 399 400 401 402 403 404 405 406 407

BCTn, BCTn, BCTn, BCTn, BCTn, BCTn, BCTn, BCTn, BCTn,

ms ms ms ms ms ms ms ms ms

W W W W W W W W W

109, 109, 109, 109, 109, 109, 109, 109, 109,

f. f. f. f. f. f. f. f. f.

150. 150v. 148. 149. 149v. 152. 152v. 152v. 150v.

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dat vel facit (…)“408. Hinderbach war überzeugt, daß die Päpste, sobald sich ihnen dafür Gelegenheit bot, immer die eigenen Interessen wahrgenommen hätten409. Beim Kommentar zum Dekret (c. 16, D 86, Est etiam illa) führte er stringent aus: „nota contra Romanos pontifices fere omnes et plures alios, qui nichil aliud cogitant quam suos ditescere et exaltare in benefitiis, in dignitatibus, in honoribus“410. Auch in einem späteren Inkunabel von 1483 beobachtete er zur Annatenverfügung Bonifaz’ IX., daß „die römischen Annaten alle ohne Unterschied belasten“ („annate Romane omnibus onerose“); dazu fügt er in bezug auf denselben Papst, der für seine Vetternwirtschaft berüchtigt war411, noch bei: „wie sehr viele andere auch“ („prout et plerique alii“)412. Wenn schließlich Werner Rolewinck in seinem „Fasciculus temporum“ von 1477 die Pfründenanhäufung der Habgier zuschreibt, so ist für Hinderbach klar, daß der Autor „mordet clericos ambitiosos“, und er verurteilt die päpstliche Dispenspraxis, die „eine schlimme Sache ist, die die Kirche Gottes und ihre vorbildliche Verwaltung zu Grunde richtet“413 – alles beredte Kommentare einer Grundhaltung, die von vielen geteilt wurde 414. „Ignobilis doctus“ Hinderbachs Kommentierung der „Germania“ zur Beziehung zwischen der Kurie und den Lokalkirchen beim Pfründensystem läßt nach seinem Gespür für ihre Folgen in der Sozialdynamik fragen. Theoretisch sind Verwandtschafts- und Klientelbindungen mit einem ‚fortschreitenden‘ Prozeß der Verwaltung nicht vereinbar. Schon die Doktoren an den spätmittelalterlichen Universitäten hielten daran fest, daß Ämter nach den Kriterien von Fachkompetenz und moralischer Integrität verteilt werden sollten; denn nur die Kraft eines solchen Ideals, das aus dem Universitätsstudium eine bindende Voraussetzung für die Übernahme von Ämter in Kirche und Staat schuf, erlaubte den Akademikern, entsprechend professionelle Stellungen in Stadtkanzleien, Stifts- und Kathedralkirchen, Zentral- oder Lokalverwaltungen der einzelnen Fürstenterritorien zu besetzen. Derjenige, der studiert hatte, besaß ein vitales Interesse daran, daß seine persönliche Ausbildung und BCTn, ms 1582, f. 143. BCTn, ms 2962, f. 5: „pontifices Romani semper nacta occasione fecerunt facta sua (…)“. 410 MPTn, cod. 3568, f. 159. 411 Vgl. A. Esch, Bonifaz IX. und der Kirchenstaat. 412 BCTn, inc. 391, l. XIV, f. 153. 413 BCTn, ms W 116, f. 236. 414 Zum „Nepotismus“ vgl. speziell W. Reinhard, Nepotismus, und ders., Papa Pius. 408 409

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Leistung bei einer etwaigen Anstellung stärker berücksichtigt wurden als die Zugehörigkeit zu einem bestimmten, durch die Verwandtschaft der Mitglieder gegebenen Beziehungsgeflecht. Diese Überlegung konnte aber nur bis zu einem gewissen Maß geltend gemacht werden: die Universitäten waren ja noch nicht mal selbst gegen die Einflußnahme durch Familienund Verwandtschaftsbande gefeit und trotz eines ständeübergreifenden Bildungsideals weiter ständischen Vorurteilen und verwandtschaftlicher Verflechtungen ausgesetzt415. Während des Konzils von Konstanz hatten Theologen und Prediger im Zuge der Behandlung der „causa reformationis“ den Nepotismus bei der Benefizienverleihung gegeißelt. Job Vener hatte in einem avisamentum von 1417 zur Bildung des hohen Klerus im Reich schon in Frage gestellt, daß Doktoren oder andere Absolventen zu Bischöfen gewählt werden könnten: im Reich würden ja sowieso Blutadel und der Einfluß des Geschlechts höher eingeschätzt als eine wissenschaftliche Ausbildung. Diese Kritik an der Einflußnahme durch die sich aus Herkunft und Geschlecht ergebenden Verflechtungen ging Hand in Hand mit der Verteidigung der Adelsvorrechte: Veners Ideal war ein Bischof, der Geburtsadel, persönliche Eignung und auch eine entsprechende Ausbildung miteinander verband416. Und wie Jean Gerson in seiner Abhandlung „De nobilitate ecclesiastica“ eine historische und theologische Rechtfertigung für den Vorrang Adliger in der Kirche lieferte417, so war Vener überzeugt, wie viele vor und nach ihm, daß adlige Bischöfe den kirchlichen Besitz besser zusammenhalten und verwalten konnten. Diese Grundüberzeugung hielt ihn auch davon ab, die Bedeutung einer Ausbildung als Ideal zu teilen, die von anderen Mitgliedern der Reformkommission auf dem Konzil von Konstanz propagiert wurde; ihr Ziel war, die scientia, die Ausbildung, das Wissen, in den Vordergrund zu stellen, mit dem Reformvorschlag, daß nur Doktoren oder Lizenziaten in Theologie, geistlichem oder weltlichem Recht und nur nach einem strengen Examen zu Bischöfen erhoben werden sollten418. Diese Diskussion um ein gewisses Gleichgewicht zwischen den Kriterien von verwandtschaftlicher Verflechtung und geistiger Ausbildung setze sich in Basel fort419. Auch nach dem Ende des Konzils verschwand nicht der 415 K. Schreiner, Consanguinitas, S. 289-290; vgl. R.Chr. Schwinges, Deutsche Universitätsbesucher, S. 416-417. 416 K. Schreiner, Consanguinitas, S. 251-252. Über das Avisamentum, H. Heimpel, Die Vener von Gmünd, 2, S. 1128-1140. 417 Vgl. K. Schreiner, Consanguinitas, S. 266-267. 418 Ph.H. Stump, The Reforms, S. 91-95 (anders akzentuiert als Heimpel). 419 K. Schreiner, Consanguinitas, S. 256; J. Helmrath, Das Basler Konzil, S. 136137.

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Streit um die Qualifikationen eines Bischofs, seine Ausbildung, seine religiöse Überzeugung, seine persönlichen Vorzüge: „Über die Bischofserhebungen schweige ich lieber, bei ihnen vermag das Blut und die ,mammona impietatis‘ vielmehr als der ,ordo iustitie et civitatis‘“ mußte der Zeitgenosse Roderich von Zamora eingestehen, während Bernardin von Siena auf einen Neologismus zurückgriff, um die Bischofserhebung nicht von einem einzelnen, sondern von einer ganzen Familiengruppe zu kennzeichnen: „tota parentela episcopatur“420. Diese ganze Debatte mußte natürlich auch Hinderbach berühren, selbst in das ganze Pfründensystem eingebunden, Mitglied in der Hierarchie und auf dem Weg zum Kardinal421. Der erste Zugang reichte bis in die Studienzeit zurück: wie schon erwähnt, hatte sich seine „determinatio in artibus“ mit der Frage beschäftigt, ob die „nobilitas ex genere“ der „nobilitas morum“ vorzuordnen sei. Aus Mangel an Belegen läßt sich nicht sagen, wie der junge Student seine Argumente inhaltlich ausbreitete und danach zu seinen drei conclusiones kam. Doch mit einiger Sicherheit war die Fragestellung nicht aus der Luft gegriffen, sondern mit der zeitgenössischen Diskussion über kirchliche und weltliche Ämterverwaltung verbunden: tatsächlich war Hinderbach ja ein „Nicht-Adliger“, aber vom Adel seltsam angezogen: in einer späteren Anmerkung zu seinen Studienjahren in Padua legt er eine gewisse Verachtung für die „plebei ac vulgares“ Kommilitonen an den Tag, die einen eigenen Kandidaten für das Rektorat aufstellten gegen den eleganten der nobiles422. Der Adel blieb für ihn ein herausragendes Unterscheidungsmerkmal: bei Heinrich von Langenstein, seinem prominenten Verwandten mütterlicherseits und in gewissem Sinne ein Höhepunkt der ganzen Familientradition, streicht Hindebrach die adlige Herkunft heraus: „nobili patre, quamquam admodum paupere genitus“423 – wobei eben gerade jene Nobilität seinen sozialen Aufstieg kaum unterstützte, sondern eher die akademische, durch Familientradition erworbene, wie Hinderbach selbst zugibt. Seine Person empfand offensichtlich keinen inneren Zwiespalt, sondern die verschiedenen Ebenen bestanden ohne größeren Konflikt nebeneinander: die schon besprochene Verwurzelung der eigenen Familiengeschichte im Universitätsmilieu mit Anklängen an eine adlige Herkunft fügte sich beinahe nahtlos mit der in die höfische Klientel; der soziale Aufstieg wurde durch Studium und Königsdienst erreicht, veranschaulicht in der Verleihung des Hofpfalzgrafentitels und des Adelschildes seines Onkels Dietmar. Trotz dieser Ebd., S. 243. A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 29, und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 428. 422 BCTn, ms W 3388, f. 254v. 423 M. Welber, Manoscritti trentini, S. 78. 420 421

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persönlichen Leistungen blieb er eine Art Parvenü an einem Hof, an dem nach Enea Silvio Würden nicht auf Grund Qualitäten und Verdienste, sondern doch eher durch Reichtum und politische Macht vergeben wurden424. Ein Hinweis dafür findet sich auch versteckt in der Aufforderung Pius’ II. an Friedrich III., ihm eine hochkarätigere Gesandtschaft auf den Kongreß von Mantua 1459 zu senden, als die vom Kaiser vorgesehene, zu der ja auch Hinderbach zählte. Sein eigener sozialer Status prägte seine Sicht der Beziehung zwischen Adligen und Nicht-Adligen. Als Student teilte er ganz die traditionelle Vorstellung, nach der mächtige Prälaten auch ihre Bistümer besser verteidigen konnten425: in den Vorlesungsmitschriften vermerkte er zum theoretischen Fall einer Wahl zur Verteidigung einer Kirche gegen die Angriffe der Gegner, daß dieser Modus ganz auf die Situation der Bischöfe im Reich zugeschnitten sei, im Bestreben, denjenigen zu wählen, der im Notfall eine wirksame Verteidigung gegen feindliche Angriffe mit Hilfe der „Freunde“ garantieren könnte. Ein solches Verfahren erschien ihm angebracht (bonus respectus), und deshalb sollten bevorzugt Adlige zu Bischöfen gewählt werden, die ihre Klientel zur Hilfestellung besäßen426. Diese Art der Argumentation war schon fast stereotyp, sie wurde auch in Basel vorgebracht vom gewählten Erzbischof von Trier, Ulrich von Manderscheid, gegen die päpstliche Provision für den Gegenkandidaten, den Bischof von Speyer Hraban von Helmstatt427, und war auch bei Befürwortern einer Kandidatenauswahl wie Heinrich Lur anzutreffen, die sich Bischöfe wünschten, ausgezeichnet „propter virtutis eminentiam, parentelae potentiam et statum excellentiam“428. Später änderte Hinderbach seine Meinung unter dem Eindruck der eigenen Lebenserfahrung und persönlicher Enttäuschungen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er das vierzigste Lebensjahr überschritten, Kaiserhof und römische Kurie Zit. in A. Lhotsky, Aeneas Silvius, S. 49, Anm. 35. Vgl. K. Schreiner, Consanguinitas, S. 271-273, zu Job Vener und den Bischofswahlen in Trier (1430) und Lübeck (1466). 426 BCTn, ms 1589, f. 256-257: „(…) Nota hic in fine quod propter obviacionem malignorum in(cursi)bus eligendus est ille qui forte alias non reciperetur, quod facit pro dominis episcopis// et eos eligentibus in partibus Alamanie, quia plerumque in electionibus eorum similiter et aliorum prelatorum ad hoc respiciunt ut talem eligant qui ecclesiam eorum possit amicorum subsidiis in casu necessitatis a malignorum iniuriis vel incursibus obviare et vide(tu)r bonus respectus. Io. Hindernpach“ (am Rand, ohne Merkzeichen „et propter hoc communiter eligunt bene p(u)tatos nobiles in terra habentes copiam amicorum“). 427 K. Schreiner, Consanguinitas, S. 272 und 274. 428 M. König, Heinrich Lur’s Gedächtnisrede, S. 112-126. Grabrede für den Kardinal Peter von Schaumberg, der nach Lur einen Nachfolger in Augsburg mit solchen Qualitäten befürwortet hätte. 424 425

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im persönlichen Umgang erfahren, als Doktor mit allen Mechanismen von Macht und Diplomatie vertraut. Nicht-adelig (ignobilis) war er nun im wörtlichen Sinne er-fahren, doctus, und verkörperte so den Typ des nichtadligen Doktors: des „ignobilis doctus“. Von dieser Warte her konnte er sowohl den päpstlichen Nepotismus und den weltlichen Klientelismus verurteilen429 und sich so zum Fürsprecher der pauperes und ignobiles machen. Diese Haltung zeigt sich in zwei Anmerkungen zu Enea Silvios „Germania“; die darin aufgeworfene Frage, ob adlige Herkunft der sciencia bei Benefizienkollationen vorzuziehen sei, wurde von Hinderbach deutlich hervorgehoben und dabei am Rande mit folgender Notiz versehen: „qui potius in prelaturis sunt preferendi, nobili illustres aut docti ignobiles“. Enea Silvio verteidigte in der Nachfolge Job Veners und anderer den Vorrang des Adels; er übe auf das Volk eine beträchtliche Anziehungskraft aus und vermöge es so in Schach zu halten. Dagegen erhob Hinderbach folgenden Einwand: „Oft zeigt die Erfahrung, daß arme und nichtadlige (Bischöfe) mit größerem Weitblick ihre Kirchen zum Besseren leiten, während adlige und mächtige (Bischöfe) ihre Kirchen in den Untergang führen“430. Wenn Enea Silvio mit dem schon fast banalen Argument fortfährt, daß die Fürsten deshalb Rücksicht verdienen, weil sie Kirchen gegründet und unterhalten haben, bemerkt Hinderbach, daß dies ja sicher wahr sei, aber daß sie (die Fürsten) zu seiner Zeit die Kirchen in ihrer Einheit auseinanderrissen und sie so der Armut überantworteten („verum dicit, sed hodie magis lacerant et detrahunt ecclesiis“)431. Diese bittere Kritik kam von einem Nichtadligen, dessen sozialer Aufstieg an die akademische Qualifikation gebunden und dessen eigene Aspiration auf die Kirchen von Brixen und Trient durch den übermächtigen Kardinal Gonzaga durchkreuzt worden war, einen hochadligen Abkömmling der Markgrafen von Mantua und Brandenburg. Auch hier zeigt sich wieder die komplexe Einstellung Hinderbachs, der innerhalb des „Systems“ Karriere zu machen versuchte: von verblichener „adeliger“ Abkunft, mit Verachtung gegen die „vulgären“ Studiengenossen (vulgär ist hier wohl im Sinne einer sozialen Abgrenzung gebraucht) und im Bewußtsein der Spannung zwischen caritas gegenüber den Verwandten und Verantwortung für das Amt, fand sich Hinderbach in einer Umgebung wieder, in der vor allem Herkunft, Reichtum und „Freundschaften“ zählten; dort gelang ihm unter Mühen der Aufstieg bis vor die höchste Würde, den 429 Vgl. inc. 424, l. XXVIII, cap. 86, über Kinder, die wegen „sanguinis dignitatem“ zu kirchlichen Würden erhoben wurden, Hinderbach am Rand eigenhändig: „quam verissima sunt hec nostro tempore et in Romana curia comprobata“. 430 „Sepe tamen visum atque compertum est pauperes et ignobiles ecclesiarum prelatos maiori providentia ecclesias rexissent et meliores fecisse et nobiles ac potentes eas (…) mod(is) p(essum)dasse“ (BCTn, ms W 109, f. 145v). 431 BCTn, ms W 109, f. 144v-145.

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Kardinalat (der ihm nur wohl durch mangelnde Unterstützung des eigenen Herrn, des verehrten Kaisers, versagt blieb). Und so amtete Hinderbach bis zu seinem Tod als Bischof von Trient, weiter im Dienst seines Herrn und mit vollem Einsatz als selbstbewußter „antistes“.

Zweiter Teil

I. Stimmen der Bücher, Flüstern des Gedächtnisses 1. Die Bibliothek Hinderbachs Textaneignung Hinderbachs Art, sich einen Text anzueignen, muß im Zusammenhang mit der allgemeinen ‚Memorialkultur‘ des Mittelalters gesehen werden. Dazu sind die Forschungen von Mary Carruthers grundlegend; ihre Ergebnisse lassen sich nicht leicht auf einen Gesamtnenner bringen, da sie sich von Literaturgeschichte über schriftliche und mündliche Überlieferung bis hin zur allgemeinen Analyse der Memoria bewegen: Der moderne Leser verbindet das Adjektiv „memorial“ eher mit dem Andenken an den Tod, doch es muß im Mittelalter in einem weiteren Bedeutungsgehalt gesehen werden, nämlich als Vergegenwärtigung von Zeugnissen aus der Vergangenheit, die in die Gegenwart hineinreichen und im Gedächtnis, der memoria, wirklich präsent sind und zum Austausch anregen1. Frau Carruthers unterscheidet dabei zwischen zeitgenössischem und mittelalterlichem Genie-Begriff: während heute der Begriff durch die romantische Auffassung von Originalität und Inspiration geprägt ist, bezeichnete er im Mittelalter vor allem die Kraft und die Fähigkeit, Erinnerung zu bewahren. Die memoria war gleichsam die Grundvoraussetzung für eine wissenschaftliche und künstlerische Produktion: in seiner Pädagogik „De liberorum educatione“ schrieb Enea Silvio, daß das Gedächtnis „die Vorratskammer der Wissenschaft genannt und in der Sage die Mutter der Musen, weil es Leben spendet und nährt“2; auch Hinderbach, der ein Handschriftexemplar besaß, wiederholte in einer Randglosse mit programmatischer Kürze: „memoria penum scientie ac musarum mater“3. In anderem Zusammenhang verwendet er den Begriff „divina memoria“, um einen zeitgenössischen „genius“, seinen Freund Teodoro Lelli, zu charakterisien: „singulari studio ac divina memoria preditus“, hielt dieser schon mit vierzehn Jahren an der Universität eine Vorlesung im weltlichen Recht und erregte damit die Bewunderung aller Zuhörer4. M. Carruthers, The Book of Memory, S. 260. Pius Papa II., Traktat über die Erziehung der Kinder, S. 266 (= J.S. Nelson, Aeneae Silvii De liberorum educatione, S. 144) (Zitat aus Ps. Plutarch). 3 BCTn, ms W. 109, f. 14. 4 Musée Condé Chantilly, V H 33, f. 2v. 1 2

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Zur memoria gehörte vor allem eine heuristische Eigenart, nämlich die sogenannte inventio, d.h. die Fähigkeit zum Abruf der in der memoria gespeicherten Einzelheiten. Beim Ein- und Ausüben dieser Technik halfen verschiedene artes memorativae, die Hinderbach mit Sicherheit kannte: er selbst hatte sie ja an der Universität angewendet, in Wien anhand des „Grecismus“ Eberhards von Béthune, eines Werks in Versen besonders zur Einprägung der Grammatikregeln. Im Zusammenhang mit dieser pädagogischen Funktion hatte schon in der Antike Quintilian beobachtet, daß gereimte Dichtungen sich der memoria besser einprägten als Prosa, und schlug deshalb vor, zuerst zur Einübung Reime zu verwenden, dann zu einer eher rhythmischen Sprache überzugehen und sich dann schließlich der reinen Prosa zu widmen5. Bei den artes des Triviums wurde auch die Bedeutung der memoria nicht nur für den Grammatiker, sondern auch für den Orator betont: die ars memorativa war eine der fünf Untergruppen der Rethorik bei den Römern, und Quintilian bezeichnete die memoria als den „thesaurus eloquentiae“. Von daher kam ihr eine entscheidende Bedeutung zu, und als eine der Grunddisziplinen des Triviums hatte sie Hinderbach in Wien beim Artes-Studium ausgeübt; Enea Silvio selbst konnte im schon erwähnten „De liberorum educatione“ auf den Spuren Quintilians schreiben: „Der Knabe besitzt dieses geistige Vermögen und es schließt eine dreifache Fähigkeit in sich: mühelose Auffassungs-, treue Wiedergabe- und zwanglose Nachahmungskraft“6. Im Unterschied zur zeitgenössischen Art, einen Text zu lesen, bestand im Mittelalter die Lektüre zum großen Teil aus Memorierung. Eine Metapher für die memoria war die Bibliothek, die „arca sapientiae“7, das Einzelbuch das „fundamentum memoriae“ und der „hostis oblivionis“ 8; die eigentliche Bedeutung schriftlicher Aufzeichnung bestand darin, Wissen zu bewahren und sichtbar vorzuweisen9. Und so zielte Hinderbachs Tätigkeit als Leser/„Postillator“ in erster Linie auf die Memorierung: die Gesamtheit der von ihm memorierten Texten besteht aus einem Netzwerk von Zeichen, notae und maniculae, deren Bedeutung vor allem darin bestand, sich die Vorlage bei fortschreitender Lektüre einzuprägen. Dann und wann benutzte er kleine Zeichnungen zur Texterläuterung, wie das Einhorn bei Bibelstellen und das Handzeichen Guidos d’Arezzo oder einfach nur einen H. Wenzel, Hören und Sehen, S. 89 ff. Pius Papa II., Traktat über die Erziehung der Kinder, S. 265-266 (= J.S. Nelson, Aeneae Silvii De liberorum educatione, S. 144), (Zitat aus Quintilian, De inst. orat., I, 3, 1). 7 M. Carruthers, The Book of Memory, S. 32 ff. 8 So der bedeutende Luca da Penne im 14. Jahrhundert: H. Wenzel, Hören und Sehen, S. 45. 9 Ebd., S. 47. 5 6

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Schild10; an manchen Stellen vermerkt er, daß ein Abschnitt fälschlich mit roter Tinte anstatt mit schwarzer geschrieben war11; er prüfte genau die Aufteilung in Bücher und Einzelkapitel innerhalb eines Gesamttextes, wenn der Schreiber nicht streng systematisch vorgegangen war12 und fügte dann, wenn nötig, neue Rubriken hinzu. Die Merkzeichen lassen sich über ihre unmittelbare Bedeutung hinaus auch als eine Art semantischer Dialog zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft deuten13. Sie sind nicht nur eine einfache Gebrauchsanweisung für den Leser: „modus legendi in dividendo constat“, Lesen heißt Einteilen, gleichsam bits für das Gedächtnis, die Memoria, Produzieren14, wie die Einteilung bestimmter Werke Hinderbachs belegt. Das eindrücklichste Beispiel bietet die Redaktion seines eigenen Exemplars der „Roma instaurata“ Flavios Biondo aus dem schon erwähnten Aufenthalt in Rom Anfang der Sechziger Jahre: er versah es mit einer Numerierung in 26 Kapiteln, die wiederum die schon vorhandenen 104 Rubrizellen neu aufteilten – von ihnen verdienten die meisten nach Meinung Hinderbachs keine eigenen Überschriften, weil ihr Umfang zu gering war. Er änderte also die ursprüngliche Einteilung des Autors und paßte sie seinen eigenen und zukünftigen Lesebedürfnissen an. Lektüre und Aneignung (incorporatio) des Inhalts sollten je nach Verschiedenheit der Gegenstände erfolgen und durch die verschiedenen Kapitel und Textanfänge in sich schlüssiger und so bequemer der memoria eingefügt werden: „quo et lectio ac incorporatio singularum rerum prout diversitate materiarum distincte sunt aut sibi invicem coherent magis commode ac memoriter teneri possent aut suis quibusque capitibus et initiis melius distingui (…)“15.

Hinderbachs Textverarbeitung fügte sich in schon vorhandene Abbildungen zur Anregung der Lesermemoria ein. Sie erläuterten in ihrer Gesamtheit nicht allein den Inhalt, sondern besaßen neben schmückenden Aufgaben auch einen Notationswert. Diese Zweckmäßigkeit bestätigt die moderne Theorie zur Wirkung synästhetischer Eindrücke auf das Gedächtnis, das ihre Gesamt-

10 BCTn, inc. 424, l. XXV, cap. 14; BCTn, ms 1785, f. 82v, BCTn, inc. 424, l. XXIV, cap. 23 usw. Vgl. A. Tura, Essai, S. 291 ff. 11 BCTn, ms 3353, f. 174v: „non debet esse rubrica, sed nigra“. 12 BCTn, inc. 424, l. XXVII, cap. 49: „hic incipit alius liber vel tractatus considerationum“. 13 H. Wenzel, Hören und Sehen, S. 67, mit Bezug auf A. Schütz / Th. Luckmann, Strukturen der Lebenswelt, 2, S. 179. 14 M. Carruthers, The Book of Memory, S. 187. 15 BCTn, ms W 3498, f. 180. Und vgl. BCTn, ms W 3224, f. 98: „pausa et novum capitulum“; f. 100r und f. 100v: „pausa“ (zweimal); f. 146: „alia pars operis“; BCTn, ms W 3363, f. 3v: „divisio operis“; „1a, 2a, 3a, 4ta“.

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heit bündeln und je nach Gelegenheit abrufen kann. Danach ist Lesen vor allem Vergnügen, eine Tätigkeit, die an Sinne und Emotionen appelliert16. Diese Betonung des Körperlichen als Empfänger von Sinneseindrücken ist für den kognitiven Prozeß von großer Wichtigkeit17: wenn die Einbildungskraft ihre Bilder hervorbringt und Gefühlsaffekte erzeugt werden, dann schalten sich gleichzeitig memoria und Erinnerung ein18. Dieser Grundvoraussetzung war sich Hinderbach durchaus bewußt. Er hebt das schon bei Hieronymus erwähnte Lesevergnügung hervor19 und konnte so dessen Schlüsselbegriff, oblectamentum, in dem Begleitbrief zum Exemplar der „De liberorum educatione“ wiederaufnehmen, das er seiner Kaiserin Eleonore für die Erziehung des jungen Maximilian übermittelte20. Dort wies er noch einmal ausdrücklich auf die reiche Ausschmückung der Handschrift hin, deren Aufgabe für ihn darin bestünde, über den ästhetischen Genuß („oblectamentum“) das Lernen anzuregen und zu erleichtern. Buchschmuck konnte auf diese Weise nach Carruthers’ Beobachtungen wie eine Art Verankerung, eine Verfestigung, im Gedächtnis fungieren, um zu verhindern, daß der Text sich verflüchtigte21. Unter dieser Voraussetzung hatte Hinderbach auch als eine Art Textverankerung oder genauer nach dem Vorbild einer Angel sein Exemplar der „De liberorum educatione“ zum Geschenk an den Sohn Friedrichs III. mit Abbildungen verschiedener Natur versehen lassen: Buchstaben, Wappen, Ranken, Vögel – seiner Meinung nach wurden Kinder auf sanfte Weise und mit größerem Vergnügen durch den Buchschmuck, „gleichsam wie mit geheimen Angeln und Ködern gewonnen“22. Hier wirkt die antike Metaphorik von esca et hamus, im erotischen Kontext von den Humanisten wiederaufgenommen23; dazu tritt dann der Appell an den Sehsinn, ein Visualisierungseffekt, für den Hinderbach noch an anderen Stellen plädiert24. Vgl. H. Wenzel, Hören und Sehen, S. 229, 231, 235. M. Camille, The Gothic idol, S. 94-95. 18 Ebd., S. 66. 19 Musée Condé Chantilly, V H 34, f. 175v: „Sequitur igitur secundus liber sive tractatus tertie partis principalis epistolarum beati Hieronimi De institutione puerilis etatis Beati Hieronymi ad Athletam (…) libris debeant oblectari“ (ab libris durch Unterstreichung herausgehoben). 20 BCTn, ms W 3498. Das Schreiben ist ediert in: E. Hannak, Ein Beitrag zur Erziehungsgeschichte, S. 153-158. 21 M. Carruthers, The Book of Memory, S. 163 ff. 22 E. Hannak, Ein Beitrag zur Erziehungsgeschichte, S. 162 (lat. Zit. S. 157). 23 W. von Koppenfels, Esca et hamus, S. 53 ff. 24 Vgl. BCTn, ms 2412, f. 16v: „multoque plus intelligitur quod oculis videtur quam quod aure percipitur“, Hinderbach vermerkt hier ein senkrechtes Merkzeichen 16 17

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Der „hermeneutische Dialog“ Die reichen Anmerkungen und Querverweise Hinderbachs in seinen Handschriften geben einen unmittelbaren Einblick in die Art und Weise, wie er sich während der Lektüre den Inhalt seiner Vorlagen einverleibte und geistig verarbeitete. Schon flüchtiges Durchblättern zeigt, daß er sich durch das gesamte Netzwerk seiner „Zeichen“ die Lesevorlage auch inhaltlich anzueignen versuchte, den Inhalt verschlang: tatsächlich verstand er die Textlektüre wie einen physischen Vorgang, eine wirkliche Ein-Verleibung („et lectio ac incorporatio singularum rerum“), getreu einem der weitverbreiteten Bilder zur Nahrungsaufnahme („ruminatio, digestio“), bevorzugt für die Aneignung der Heiligen Schrift25. Wie die tituli waren Zeichensetzung, Einteilung in Rubriken und texterläuternde Abbildungen ein Teil des Textes zur Hilfe der gedächtnisschulenden divisio sowie auch der compositio des erinnenden Lesers26. Durch die Technik der Memorierung konnte sich eine Art „hermeneutischer Dialog“ zwischen dem Leser und den im Text vorgegebenen Stimmen entwickeln27. Ein beredtes Beispiel dafür bietet die „Chronographia Augustensium“ von Sigismund Meisterlin (1456-1457); bei ihrer Lektüre wendet sich Hinderbach über die bei ihm übliche Kommentatorentechnik hinaus gleichsam direkt an den Autor: „et unde hoc scis, bone vir, aut ubi id reperisti?“28 und weiter: „Ubi huc legisti?“29, „Ubi est illa hystoria?“30. Schon Plato hatte in seinem „Phaidros“ gemeint, daß ein schriftlicher Text zum Sprechen gebracht werden könnte, wenn er von einem neuen „Vater“ adoptiert würde, der dem Text eine eigene „Stimme“ verlieh. Die Geschichte eines Textes ist nicht nur die seiner Überlieferung, sondern auch das Zusammenspiel vieler Stimmen31, und zwar in der Abfolge der Generationen, also gleichsam eine Art Generationenkette32; dieser Vielstimmigkeit war sich Hinderbach bewußt und so wendete er sich oft auch an einen zukünftigen Leser. In seinem „Philobiblon“ sprach Richard de Bury (1287-1354) von und ein: „Nota!“. Weiter versieht er mit einer manicula die Textpassage Petrarcas: „tenacior enim esse solet visorum quam auditorum recordacio“ (BCTn, inc. 74, f. 9). 25 H. Wenzel, Hören und Sehen, S. 228-233. 26 M. Carruthers, The Book of Memory, S. 242. 27 Ebd., S. 186. 28 BCTn, ms W 3363, f. 56v. 29 BCTn, ms W 3363, f. 83v. 30 BCTn, ms W 3363, f. 103v. 31 H. Wenzel, Hören und Sehen, S. 213. 32 Ebd., S. 215, mit Bezug auf J.-D. Müller.

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seinen Büchern wie von einer Familie, von Brüdern und Söhnen, die ein Erbe weiterreichen: die Auffassung von einer traditio, die eine gemeinsame Identität bei der Wissensweitergabe vom Vater auf den Sohn sicherte, zeigt sich beim Schicksal einiger Bücher in Hinderbachs Besitz; er hebt hervor die Generationenabfolge aus dem Bestand des prominenten Vorfahren Heinrich von Langenstein auf Hermann von Treysa und dann zu seinem Onkel Dietmar bis hin zu der eigenen Inbesitznahme – eine Art von Memorialgenealogie gleichsam als intellektuelles Erbe: „hos libros omnes in uno volumine ac libro vetustissimo (…) reperimus in domo nostra in quadam testudine et capsa vermibus corrosam; qui, ut credimus, fuerunt olim felicis memorie magistri Henrici de Hassia doctoris sacre pagine excellentissimi atque famosissimi, avunculi nostri maioris et fratris avie nostre materne (…) qui post eius obitum devenit ad manus magistri Hermanni de Treysa eius nepotis, qui fuit avunculus minor et doctor medicine. Post eius obitum et hii et alii eius libri ad manus magistri Dietmari et per illius obitum ad nostras manus (…)“33.

Mit der Aufnahme, dem Bewahren und Weitergeben entstand eine traditio im wörtlichen Sinne, wie eine juristische Einrichtung nach römischem Erbrecht, die das Modell abgab für den scholastischen Lernprozeß der Vormoderne, ausgerichtet an der memoria und begründet auf Autorität: die Memnotechnik als reglementiertes Vorgehen, wobei der Lerninhalt „ein vertrauenvolles Empfangen und Nach-Denken“ vorsah34. Dieser Austausch und der Dialog mit den Büchern dürfen aber nicht vergessen lassen, daß bei jeder neuen Aneignung eines Texts gleichsam eine neue Stimme entstand mit einer neuen Sinngebung, „aufgrund spezifische Selektionsleistungen, Ausblendungen, Erweiterungen, formaler und sachlicher Änderungen“35. Ebenso ist bei Hinderbach die Zwiesprache mit seinen Autoren vor dem Hintergrund möglicher Mißverständnisse und Vorurteile zu sehen36, die bei der Interpretation seiner Postillen mitgedacht werden muß. Das exegetische Verfahren Die Memorierung ist also die Einverleibung in die memoria: der Text wurde durch seine Glossierung förmlich „durchwebt“ (textus/textura), die – wie etwa der Kommentar – nicht von ihm losgelöst, sondern immer ein Zeichen seiner Durchdringung war. Und so stellt sich Lektüre als „Sozialisierungsvorgang“ dar, der das Werk in einen immer neuen Zusammenhang stellt37. Dafür bietet Hinderbach ein Beispiel: er unterteilt den Text nicht nur zur 33 34 35 36 37

BCTn, ms 1789, ff. 229-230. Vgl. M. Welber, Manoscritti trentini, S. 79. A. Assmann, Zeit und Tradition, S. 94. H. Wenzel, Hören und Sehen, S. 213. Im Sinne von H.-G. Gadamer, Wahrheit und Methode, besonders S. 253 ff. M. Carruthers, The Book of Memory, S. 12.

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besseren Memorierung, sondern erläutert und verankert ihn gleichsam in seiner Erfahrungswelt („ich erinnere mich genau daran, daß …“); oft wendet er sich an die Nachgeborenen, unterzeichnet die Anmerkungen mit seinem Namen, falls ihnen seiner Ansicht nach Allgemeingültigkeit zukam, und transkribiert am Rand ganze Dokumente und Inschriften38. Für diesen Vorgang der Textaneignung und -verarbeitung benutzt Carruthers die vier verschiedenen Arten biblischer Exegese: literarisch, allegorisch, tropologisch und analogisch – eine Technik, die sich auch bei Hinderbachs Anmerkungen anwenden läßt. Grundlegend für seine Arbeitsweise war zuerst die lectio, d.h. die genaue Kenntnis der litera und der Allegorie durch Grammatik, Rhetorik, Geschichte und andere Disziplinen, die ihm Informationen zum Gegenstand verschafften. Beispiele für diese Art der lectio sind zahlreich. Zu einem besonderen Passus aus Petrarcas „Secretum“: „Ego enim ne, ut ait Tullius, inquam et inquit“, beobachtet Hinderbach: „nota ,inquam‘ et ,inquit‘“; und bei der direkten Rede: „Pape, quid ego audio?“, vermerkt er: „Pape, interiectio admirantis“39. Beim Terminus soriscula notiert Hinderbach am Rande: „Erkundige Dich, worum es sich dabei handelt, vielleicht um kleine Wasserkannen“40. Die Wortprägung „meditullium mundi“ läßt ihn das Wort ausdrücklich notieren41, und der Begriff „garriendi“ für menschliche Wesen gefällt ihm nicht, weil er seiner Meinung nach besser zu Vögeln passe – so korrigiert er mit „confabulandi“42. Unter seinen Beobachtungen philologischhistorischer Art findet sich eine Erläuterung zum Begriff „lotos“, auf den er bei Ovids „Metamorphosen“ stieß („In spem Baccarum florebat aquatica lotos“)43, oder die historischen Anmerkungen zum Berg „Othimon“44 und zum Begriff „claviger“45 oder auch die Topographie für „Insula“46. Z.B. die Grabinschrift des Antenor, vgl. oben. BCTn, inc. 74, f. 2v und 3v. 40 BCTn, inc. 423, l. XV, cap. 100: „quere quod est, forte quedam vasa portatiles pro aqua“. 41 BCTn, inc. 422, l. IX, cap. 27, Hinderbach vermerkt am Rand: „nota verbum“ (und unterstreicht: meditullium). 42 BCTn, inc. 422, l. III, cap. 83, am Rand Hinderbach eigenhändig: „confabulandi melius dixisse(t), quia garrire avium est, non hominum“. 43 BCTn, ms 1364, f. 141, am Rand Hinderbach eigenhändig: „genus arborum quam latini mellam dicunt“. 44 BCTn, ms 1364, f. 188, am Rand Hinderbach eigenhändig: „Othmon mons, Sigefredo Wormaciensi (…) tempore Athile regis Hunnorum ac Theoderici Gothorum regis“. 45 BCTn, ms 1364, f. 243v, bei den „vulnera clavigeri“ am Rand Hinderbach eigenhändig: „non a clavibus ut beatus Petrus, sed a clava qua utebatur Hercules“. 46 BCTn, ms 1364, f. 251: „olim dicta Lycao(i)na, nunc S. Bartholomei intra Urbem et trans Tyberim ubi pons (Fabius) est“. 38 39

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Wichtiger ist der zweite Schritt bei der Textaneignung, die meditatio, zur Verinnerlichung. Die „taciturna meditatio“ ist einer der erhebenden Vorgänge, wie Petrarca vorgab und Hinderbach auch übernahm47. Bei ihr sollte der Text vor allen Dingen eine moralische Wirkung ausüben, und Hinderbach selbst nahm die meisten Lektürestellen zum Anlaß, moralische Überlegungen anzuführen oder fast sentenzenhafte Formeln zu prägen: „Man soll sich hüten vor der Medizin der jüdischen und jungen, unerfahrenen Ärzte“, so lautete die Moral, die er beim Tod Karls des Kahlen ableitete, der von seinem jüdischen Arzt Sedechia vergiftet worden war48 (die ganze Geschichte erscheint noch in zwei weiteren Handschriften, wortwörtlich kommentiert mit fast reflexartiger Genauigkeit)49. Bei einer anderen Stelle vermerkt Hinderbach: „Es gibt eine Zeit zu schweigen und eine Zeit zu reden“. Eine andere Sentenz lautet bei ihm: „Gerechtigkeit erhält diejenigen, die Gewalt ausüben“ usw. Hinderbach fällt diese moralischen Urteile bei jeder sich bietenden Gelegenheit, auf die Dauer eher ermüdend – aber seine überwiegende Tätigkeit als Glossator50. Diese Neigung zur sentenzenhaften Kürze ist eine Technik, die er bei jeder Art von Text anwendet51, sogar Ovids „Metamorphosen“52 und Petrarcas „Secretum“: wo dieser von seiner Krankheit spricht und sie in poetischer Weise beschreibt, geht Hinderbach auf die ästhetische Textaussage gar nicht ein, sondern kommentiert nüchtern-pedantisch: „Wer den Grund seiner Krankheit nicht kennt, schwebt in Lebensgefahr“53. Mit diesem moralisie47 Im „Secretum“ Petrarcas: BCTn, inc. 74, f. 2. Hinderbach unterstreicht den Passus und wiederholt ihn am Rand. 48 BCTn, inc. 391, l. XI, f. 90, am Rand Hinderbach eigenhändig: „cavendum a medicinis iudeorum ac neophitarum“. 49 ÖNB, CVP, ser. nov., 2962, f. 25v, zum Gifttod Karls des Kahlen: „venenata potione quam Sedechyas ebreus quo utebatur medico dedit mortuus est; cavendum a iudeis medicis infidelibus“. Dieselbe Episode in BCTn, inc. 424, l. XXIV, cap. 44, am Rand Hinderbach eigenhändig: „nota hic, cavendum a (medicis) iudeis“. Gegen Ärzte im Fürstendienst und zur (angeblichen) Vergiftung des Ladislaus durch Juden und Hussiten, ASTn, APV, sez. lat., capsa 69, f. 3v. 50 Z.B. BCTn, ms W 3224, f. 97: „quando tacendum, quando loquendum“; f. 97v: „iusticia conservacio principantium“. BCTn, ms W 3363, f. 18: „ceca animi dominatrix cupiditas“. BCTn, ms W 3363, f. 77v: „nemo minus metuendus quam qui de solo victu cogitat, qualis erat Vitellius“ (zu einem historischen Text) usw. 51 BCTn, ms 1556, f. 486, am Rand Hinderbach eigenhändig: „unde sapiens in proverbiis: nichil pericolosius quam domesticus inimicus“ (Hinderbach zeichnet auch eine manicula). Das betreffende Bibelzitat Mich 7,6. 52 BCTn, ms 1364, f. 241: „omnia mutantur“, am Rand Hinderbach eigenhändig: „opinio Pythagore heretica et fidei katholice contraria“. Ebd.: „nichil est toto quod perstet in orbe“, Kreuzchen und am Rand Hinderbach eigenhändig: „nichil firmum (über der Zeile idest stabile) in orbe“. Ebd., f. 247: „externum primo contingat“, am Rand Hinderbach eigenhändig: „Roma rerum domina“ und eine manicula. 53 BCTn, inc. 74, f. 1.

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renden Tonfall sind auch viele Anmerkungen zu historischen Personen und Geschehnissen eingefärbt54. Die Texte sind also in ihrer Gesamtheit vor allem eine Quelle ethischer Belehrung, moralischer Erbauung mit eher normativem und didaktischem Charakter als moralische specula; sie führen dem Leser in der Form von kleinen Erzählungen die gängigen Moralbegriffe vor Augen und fungieren so erzieherisch, repetitiv (speculum) und aktualisierend. Hinderbachs Interpretationstechnik entspricht durchaus der spätmittelalterlichen Vorstellung einer ‚fortschreitenden‘ Belehrung und Weiterbildung des eigenen Urteils. Wenn seine Aktivität als Glossator sich nur darauf beschränken würde, wäre eine historische Analyse seiner Marginalien wenig sinnvoll. Doch sein „Textgebrauch“ zeigt einen kontinuierlichen „Dekonstruktionsprozeß“, der den vordergründigen tropologischen und anagogischen Sinn überwindet und darüber hinausgeht. Die Dekonstruktion steht im Mittelpunkt von Meditation und Assimilation der Lektüre, wobei die memoria eine entscheidende Funktion besitzt55. Dieser Aspekt ist im vorliegenden Zusammenhang vor allem wichtig, weil der „Leser“ Hinderbach gleichzeitig eine Vergangenheit erinnert und (re)konstruiert, die für die heutigen Historiker von Bedeutung ist: Wenn die memoria Erfahrung reaktiviert und so Meditation, moralische Wertung, Emotion und Vorstellungskraft miteinbezieht, dann haben die Postillen Hinderbachs eine „rememorative“ Bedeutung, die eine historische Analyse rechtfertigt und sich nach neuen Untersuchungen zu Art und Qualität der memoria genauer fassen lassen. Orte der „memoria“ und des Selbst Nach Derrida ist jedes Graphem seiner Natur nach schon eine Art von Vermächtnis56, und so bewahren alle schriftlichen „Spuren“ Hinderbachs ein Andenken, ob nun zufällig oder nicht, ebenso die Bemerkungen am Rand der von ihm gelesenen Texte. Sie sind insgesamt ein riesiges Arsenal, zu dem zu zählen sind andere „Erinnerungsorte“, wie z.B. sein Grabstein, die Votivtafel an die Jungfrau Maria oder die großen Arbeiten in seinem Auftrag für die Stadt Trient selbst und ihre Architektur, vor allem bei der Bischofsfestung, dem Castello del Buonconsiglio57. Mit dieser großen Anzahl „Spuren“ und „Botschaften“, so die Typologie Jan Assmanns58, also unwillkürlichen und BCTn, inc. 422, f. 94, am Rande einer Erzählung zu Wölfen und Hirten: „pulchra ac doctrinalis fabula“. 55 M. Carruthers, The Book of Memory, S. 259. 56 Als Motto von J. Assmann für das VII Kapitel von Stein und Zeit, S. 169. 57 G. Dellantonio, Il principe, S. 253-270. 58 J. Assmann, Stein und Zeit, S. 16-17. Über das Gesamtthema „Memoria“ vgl. M. Borgolte / C.D. Fonseca / H. Houben (Hrsg.), Memoria. Ricordare e dimenticare, 54

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willkürlichen Markierungen, besteht die Gefahr der Unübersichtlichkeit; von daher am Beginn einige Überlegungen zur Methode. In der Forschung sind Hinderbachs zahlreiche Anmerkungen eher selektiv für bestimmte Fragestellungen herangezogen worden, dabei fungierte seine memoria vorwiegend als Daten- und Sachdepot. Noch nicht untersucht ist der eigentliche Prozeß seines Erinnerns59. Dazu Vorbemerkungen allgemeiner Art: Sich erinnern bedeutet nicht einfach die Wiederaufnahme oder Vergegenwärtigung eines Vorgangs, sondern das aktive Herstellen eines besonderen Erlebnisses in seiner Umgebung, wobei der kognitive Verlauf erweitert wird; es handelt sich nicht um die Wiederherstellung, sondern die Herstellung einer Erfahrung in einem Prozeß60, bei dem das Gedächtnis eine ,kreative‘ Funktion hat: nicht nur der einfache Zugang zu Einzelheiten der Vorstellungswelt, sondern eine konstruktive, kognitive Synthese, wobei der Erinnerungs- und Vergegenwärtigungsprozeß dynamischer Natur ist. Nicht die Erinnerungen an sich sind für die gegenwärtige Vorstellung entscheidend, sondern der emotionale Zusammenhang in der Gegenwart entscheidet über die Vergegenwärtigung der Vergangenheit61. Von daher ist die Erinnerung nicht allein durch das Vergangene bestimmt, sondern das Vergangene erhält seinen Eigenwert durch die Bedingung des sich Erinnerns in der Gegenwart: Das Erinnern bestimmt die Vergangenheit62. Von zentraler Bedeutung ist also eine dynamische Verbindung zwischen dem Vergangenen und der Erinnerung daran, die Verbindung zwischen der memoria und der sogenannten Identität der erinnernden Person63. Sie wird verstanden als ein Übereinstimmen in Zeit und Raum, die wiederum von der Erinnerung aufrechterhalten ist; und im Umkehrschluß wird alles Erinnerte durch Identität bestimmt. Erinnerung und „Identität“ verkörpern und konstruieren Realität, subjektive Phänomene, die miteinander in Beziehung stehen: Erinnerung muß sich ständig durch Anpassung an unsere aktuelle „Identität“ selbst erneuern. Das Subjekt hat ein lebenswichtiges Interesse daran, eine innere Verdichtung der eigenen Erfahrungswelten herzustellen, dabei erlaubt die Annahme eines Ichs für das Subjekt seine Handlungen auszurichten und die Erfahrung von Entwicklung dabei vor allem unter methodologischen Gesichspunkt die Einleitung von Borgolte. Weitergehende Überlegungen in Verbindung mit neueren Ergebnissen der Gehirnforschung: J. Fried, Der Schleier der Erinnerung. 59 Also die sogenannte „kreative“ Memoria, die die Semiotik von der „informativen“ unterscheidet. 60 S. Schmidt, Gedächtnis – Erzählen – Identität, S. 378 ff., S. 384. 61 Vgl. J. Fried, Der Schleier der Erinnerung, S. 46 ff. 62 Vgl. zuletzt ebd., S. 53. 63 Über Selbst und Identität, K. Scheibe, Self Studies, besonders S. XIII, 1-2, 6-8, 55 ff. und über ihre Beziehung zum Gedächtnis S. 135 ff.

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und persönlicher Identität herzustellen64. Nicht nur die (eigene) Autobiographie, sondern auch die (allgemeine) einer Gesellschaft, ihr Geschichtsentwurf, ihre Selbstvergewisserung, d.h. auch die Herstellung einer Sozialidentität in der Kultur, operiert mit dem narrativen Element, das auf der Erinnerung beruht, und versteht so Erzählung als Grenzwertbildung. Überlegungen dieser Art heben hervor, daß der Erinnerungsprozeß strukturell mit dem allgemeinen Bewußtseinsprozeß in enger Verbindung zu sehen ist. Von daher sind Hinderbachs Postillen zu verstehen als „Orte“, an denen sich die Erinnerung in jener komplexen Bedeutung verdichtet hat, wie sie bisher besprochen worden ist; sie können so dabei helfen, den Prozeß seiner Selbstkonstituierung nachzuvollziehen. Dabei müssen die Mechanismen von Ein- und Ausschüben in Rechnung gestellt werden, d.h. von Zensur und Selektion, der Dialektik von Vergessen und Erinnern, die der Bildung seiner memoria vorgeschoben sind und in letzter Konsequenz sein Selbstverständnis bedingen65. Unter dieser Voraussetzung erscheint eine noch kühnere hermeneutische Hypothese, nämlich Hinderbachs Anmerkungen zu betrachten als Ausdruck eines Dialogs mit sich selbst (über den mit anderen hinaus), als inneren Dialog, dem neuere Studien eine genaue kognitive Funktion beilegen66: er führt zum Entstehen von Theorien und Selbsttheorien, die dazu dienen, ein Selbstwertgefühl entstehen, behalten und aufrechthalten zu lassen. Dieses Selbstwertgefühl besitzt eine wichtige Funktion für Verhaltensänderungen und eine Rational-Emotional-Therapie, bei der negative Emotionen durch Änderungen des inneren Dialogs abgebaut werden: die beste „Therapie“ für einen Geistlichen vom Typ Hinderbachs, der – trotz seiner vielfachen kulturellen Interessen – durch sein herausgehobenes Amt und seine praktische Tätigkeit in Trient zur Einsamkeit gezwungen war und in einem „dickbäuchigen“ Provinzialismus zu enden drohte. Diese Arbeitshypothese läßt die weitverstreuten Postillen unter einem gemeinsamen Erlebnishorizont werten, trotz ihrer nicht zu verleugnenden Bruchstückhaftigkeit, die der Diskontinuität des subjektiven Gedächtnisses eher entspricht – wie die konkrete Erfahrung eigentlich keine feste Ordnung besitzt67. Der innere Dialog und das Erinnern als Bewußtseinsprozeß 64 Kathleen Biddick führt hier in der Nachfolge von Israel Rosenfield aus, daß ein Gedächtnisverlust Verlust einer speziellen Kenntnisstruktur bedeutet: „This is to say it is a loss of a particular form of subjectivity, or consciousness“ (The Shock of Medievalism, S. 176). Vgl. K. Scheibe, Self Studies, S. 136-141. 65 Vgl. J. Fried, Der Schleier der Erinnerung, S. 75. 66 S. Schmidt, Gedächtnis – Erzählen – Identität, S. 64 über den „inneren Dialog“, mit Bedeutung in der rational-emotionalen Therapie von A.W. Ellis, und ebenso nach D. Meichenbaum für die kognitive Veränderung des Verhaltens. 67 G. Motzkin, Gedächtnis-Tradition-Geschichte, S. 305.

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des Selbst legitimieren den Versuch, die Postillen als historische Quelle zu betrachten, freilich nicht in künstlicher Harmonisierung, sondern dynamischfreischwebend. Vor der systematischen Beschäftigung mit den Anmerkungen noch eine letzte Beobachtung zu Hinderbach als Postillator. Angenommen wurde, daß Innerlichkeit und Individualität nach modernem Verständnis nur dort ans Licht treten können, wo sie ihren schriftlichen Niederschlag finden: das Selbst erscheint als beschriebenes Blatt68, im autobiographischen Sinne. Dieser literarische Genus wird im Allgemeinen der Renaissance zugeordnet, als Vorstellungskraft, Rhetorik und Schreibkunst dazu beitrugen, ein Bild der eigenen Person zu entwerfen69. Im Folgenden sollen die Anmerkungen, ihre Korrekturen und ihre Anhäufung nicht nur als Spuren einer Arbeit am Selbst betrachten werden, sondern auch als Zeichen des Umgangs mit sich selbst bei der Textherstellung, bei der Selbstreflektion, die schriftliche Form annimmt70.

2. Das Ich als „beschriebenes Blatt“ Die Kalendare Wenn Erinnerungsvermögen in dieser dynamischen und funktionalen Form angenommen wird, dann ermöglichen die von Hinderbach als direktes Andenken hinterlassenen Quellen eine Rekonstruktion dessen, was er selbst als seine eigene Vergangenheit und als sein Selbst aufgenommen und dargestellt hat71. Eine besondere Quellenart zur Erfassung dieser Mechanismen zeigen die Anmerkungen zu seinen liturgischen Kalendern. Einmal verfaßte er Postillen je nach Vorlage der Lektüre (Lehnbücher, Urkunden, erzählende Texte), gleichwohl ist die Typologie der Quellen unverwechselbar: was er an Autobiographischem in den Kalendern vermerkte, hat ein ganz anderes Gewicht als eine ähnliche Notiz in einem Passional oder in einer Chronik. Die Kalendare erlauben einen Einblick in seine selektive Auswahl und Bewertung bestimmter Vorgänge, ihrer Datierungen, bestimmter Personen und ihrer Umstände im weiteren Sinne – all das in seiner ganz persönlichen Art, zu datieren und so für die Erinnerung festzuhalten –, was er von sich und seiner Welt als bedeutungsvoll erfaßte. J. Schläger, Das Ich, S. 320. Im Sinne von E. Goffman, The Presentation of Self, S. 32 ff. 70 J. Schläger, Das Ich, S. 333-334. Vgl. H. Winter, Der Aussagewert von Selbstbiographien, 1. Kap. (Autobiographie und Identität), besonders S. 4-11 (Autobiographie als Selbstgespräch und Rollenspiel) und passim. 71 Ausführungen von J. Schläger, Das Ich, S. 320. 68 69

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Hinderbach hat in fünf Kalendaren zum liturgischen Gebrauch eigenhändige Glossen hinterlassen: 1. die Hs. CLM 23070 der Bayerischen Staatsbibliothek in München, schon von I. Rogger herausgegeben (danach gehört sie zur Hs. 1563, einem Brevier von etwa 1370); 2. das Kalendar der Hs. 1718, ein römisches Brevier für die Kirche von Augsburg72 aus dem 14. Jahrhundert; 3. das Kalendar der Hs. 1556, ein römisches Brevier für die Kirche von Passau aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts; 4. das Kalendar der Hs. 1777, ein Franziskanerbrevier, kompiliert zwischen 1420 und 1449; 5. das Kalendar der Hs. 1562, ein Missale aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Verschollen ist ein weiteres Kalendar, von dessen Existenz Benedetto Bonelli wußte und aus dem einige Anmerkungen Hinderbachs in einer Kopie des 18. Jahrhunderts erhalten sind 73; dazu kommen noch weitere zu einem Kurzmartyrologium, enthalten im Sacramentarium der Kirche Trient aus dem 9. Jahrhundert74.

Alle Kalendare sind schon von I. Rogger genau geprüft worden, um Hinderbachs hagiographische Vorliebe als Bischof zu studieren; einzelne Elemente dienten zur Klärung seiner Biographie. Der Gesichtspunkt der memoria freilich blieb bisher unbeachtet: Wen und was hielt Hinderbach für erinnerungswürdig? Die überwiegende Mehrheit seiner Anmerkungen beschäftigt sich mit den Heiligen – schon von Rogger bei seinen Untersuchungen berücksichtigt. Die dem Brevier und dem Missale beigefügten Kalendare haben vor allen Dingen liturgische Funktion, der Hinderbach grundlegende Bedeutung beimaß. Demselben Zweck dienen auch seine Anmerkungen nekrologischer Natur, bestimmt zum Gebetsgedenken für Verstorbene: die Angaben beziehen sich auf die Todesdaten einiger Bischöfe von Trient, der Kaiserin Eleonore und Mitglieder der eigenen Familie. Dabei ist auffällig, daß aber nicht nur verstorbene, sondern auch lebende Familiemitglieder eingetragen sind, z.B. die Brüder – die vordergründige Funktion eines Gebetsgedenkens ist damit überschritten zugunsten der Familienbindung. Die Namen der Toten und Lebenden lassen in etwa Hinderbachs gefühlsmäßigen und sozial-freundschaftlichen Gesichtskreis umschreiben; weiter tragen Vermerke zur eigenen vita bei, Hinderbachs Selbsteinschätzung zu umreißen, die Abfolge der Einzeldaten, die er im Rückblick als wichtige Lebensstationen einordnete und als schriftlich festzuhalten erachtete. Dieser Gesamtverlauf wird hier I. Rogger, Interessi agiografici, S. 320, Anm. 3. MPTn, ms 1369. Darüber I. Rogger, Interessi agiografici, S. 321. 74 I. Rogger, Interessi agiografici, S. 321, Anm. 3, und B. Baroffio, Il Martirologio, S. 209-211. 72 73

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im Abschnitt analytisch dargestellt, ohne daß er als Ganzes aus den Augen verloren werden darf. Die erste ausgeprägte Gruppe ist die Familie. Mehrere Male wird in verschiedenen Kalendaren einmal der Tod der Mutter Immeln75 und dann des Vaters Johannes vermerkt76. Häufig finden sich wieder die Geburtsdaten Hinderbachs selbst und der beiden Brüder, Heinrich und Konrad77, ebenso die Todesdaten der Großeltern mütterlicherseits, Hedwig78 und Konrad79. Einmalig steht das Todesdatum einer Cecilia, vielleicht einer Schwester80. An wenigen Stellen wird des Großonkels mütterlicherseits, Hermann Lelle von Treysa, gedacht81. Damit ist Hinderbachs familiärer Horizont schon erschöpft: seine „Kleinfamilie“ gruppiert sich um die Todesdaten der Eltern und die Geburtsdaten der beiden Brüder (die Hinderbach überlebten). Die Vätergeneration ercheint nur mütterlicherseits überliefert, vielleicht eine Erklärung dafür, daß diese Großeltern beim frühen Tod der Eltern – Hinderbach war etwa neun/zehn Jahre alt – ihre Enkel zu sich nahmen, für ihre weitere Erziehung sorgten und ihnen den Familiennamen gaben. Die eher seltene Nennung des Großonkels Hermann Lelle entspricht sicherlich seiner Bedeutung für die Ausbildung des jungen Hinderbach und weist auf das Studium hin (aber auch auf Lelles Verfügung eines ewigen Messgedenkens)82. In dieser Weise ist Hinderbachs „natürliches“ Verwandtschaftsverhältnis überliefert, aber unter einem ganz bestimmten Blickwinkel: keine weit zurückreichende Abfolge, nur zwei Generationen; die Familie des Vaters bleibt ganz ausgeblendet, möglicherweise war sie unbekannt oder die Verbindung fehlte. Eine gewisse Ausnahme stellt die Erwähnung Hermanns Lelle dar, in ihm verbinden sich familiäre und professionelle Bedeutung für Hinderbachs I. Rogger, Interessi agiografici, S. 367 (26. Juli 1429). Ebd., S. 369 (8. August 1428). 77 Ebd., S. 374 (29. September 1420) und S. 378 (29. November 1427). Zu anderen Belegen für Konrads Geburtsdatum vgl. A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 9, Anm. 45 und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 396, Anm. 58. 78 I. Rogger, Interessi agiografici, S. 372, 11. September, anniversarium. Hinderbach ist sich über das Todesjahr nicht sicher („1445 vel 6to“). 79 Ebd., S. 372 (am 11. September) und S. 364 (5. Juli 1441 oder 1442: Hinderbach selbst ist sich nicht sicher). 80 A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 8-9, und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 394-396. 81 I. Rogger, Interessi agiografici, S. 372-373 (11. September 1413). Dazu A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 6, Anm. 28, mit Hinweis auf M. Welber, „Johannes Hinderbach rerum vetustarum studiosus“, S. 12 f. und A.A. Strnad, Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 391, Anm. 40. 82 Vgl. ebd., S. 400-401, Anm. 75. 75 76

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eigene Person, dessen familiärer Gesamthorizont eher beschränkt bleibt, ganz konzentriert auf das persönliche Erleben. Von einschneidender Wirkung dürfte dabei sicherlich der frühzeitige Tod der Eltern, die Tatsache des Waisentums und der Umzug im Kindesalter nach Wien gewesen sein. Diese Beschränkung bei der Familienbindung wird auch bestätigt durch die Forschungen von P.-J. Schuler über das spätmittelalterliche Anniversar, das der sichtbare Ausdruck eines Generationenpaktes mit festumrissener historischer Bedeutung sei, allerdings nur bei zwei Generationen. Nach seiner Untersuchung zu den Anniversaren einzelner Familienmitglieder in Städten verstand sich die Einzelperson als Teil der Sippe, aber nur die Betonung der jeweiligen Familie bestimmte die Formulierung des Anniversars; Kristallisationspunkte waren die Beziehungen Ehemann-Ehefrau oder Eltern-Kinder, die Verwandten ersten Grades spielten dabei eine untergeordnete Rolle; vor allem die Personen mit täglichem Umgang, häufig persönlich bekannt, wurden im Gedächtnis festgelegt83. Diese Beobachtungen treffen genau zu auf Hinderbachs Vermerke. Aus dieser natürlichen Parentele sticht hervor die Erinnerung an den Tod Ulrichs Sonnenberger, des Bischofs von Gurk84. Mit ihm besaß Hinderbach über die persönliche Verbindung hinaus – wie dargestellt wurde – eine starke professionelle: im weiten Sinne eine Art Klientele. Die zweite Person, deren Tod Hinderbach ausdrücklich vermerkt, ist die Kaiserin Eleonore85 – sie war für Hinderbach bei seiner Tätigkeit am Hof, für die spätere Erhebung zum Bischof von Trient und in seinem persönlichen Gefühlsleben von entscheidender Bedeutung86. Die Erwähnung Sonnenbergers und der Kaiserin ist vorwiegend mit dem Hof und dem Königsdienst verbunden, also in dem sozialen Umfeld, das Hinderbach zur Profilierung herausforderte. Die Erhebung zum Bischof von Trient bedeutete für ihn den Eintritt in eine „künstliche“ Genealogie, die Abfolge der Tridentiner Oberhirten. Sie stellte gleichsam eine Art konstruierter Sippe her, in die Hinderbach sich einfügte und P.-J. Schuler, Das Annniversar, S. 110-111. 28. Dezember 1469: Hinderbach stellte möglicherweise den Weihnachtsstil in Rechnung und das Jahresdatum 1470. Vgl. auch Enea Silvios Brief vom 1. Juni 1451, wo er Hinderbach und Sonnenberger um ihre Stellungnahme bittet zu einem klassichen Text über Heroen und Veteranen („ut acri tuo judicio cum viro primario et doctissimo domino Ulrico de monte solis quid tenendum sit censeas mihique rescribas“: R. Wolkan, Der Briefwechsel, Bd. 3/1, Nr. 5, S. 11). Drei Jahre später vermutet er, daß Hinderbach zusammen mit Sonnenberg dessen Bischofsweihe in Gurk feiert: ebd., Nr. 246, S. 434. Zum Totenfeiern Sonnenbergs F. Fuchs, Ein Westfale, S. 143. 85 I. Rogger, Interessi agiografici, App., S. 370. Zum Begräbnis in Wiener Neustadt und zum Gedächtnis der Kaiserin in Augsburg und Nürnberg, F. Fuchs, Exequien für die Kaiserin Eleonore, S. 450-460. 86 Vgl. unten, S. 323 ff. 83 84

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die er für sich „adoptierte“, so auch teilweise in das Gedächtnis seiner Kalendare aufnahm. Das CLM 23070 mit den meisten persönlichen Anmerkungen erwähnt vier Bischöfe von Trient: Friedrich von Wangen (1207-1218), Albrecht von Ortenburg (1363-1390), Georg von Liechtenstein (1390-1419) und Georg Hack (1446-1465). Für diese Auswahl gibt es keine monokausale Erklärung und auch nicht für die Lücken in der Chronologie. Friedrich von Wangen besitzt eine gewisse Bedeutung für die gesamte Tridentiner Bischofsreihe, die auch von Hinderbach geteilt wird: Wangen war der Vorkämpfer für eine gründliche politische und ökonomische „Restauration“ des Gesamtsbistums zu Beginn des 13. Jahrhunderts und hatte dazu den sogenannten „Liber Sancti Vigilii“ anlegen lassen, „die große Sammlung der Rechte des Fürstbistums Trient“87, von Hinderbach selbst mit Sorgfalt gelesen und auch mit schriftlichen Anmerkungen versehen – in einem Atemzug mit Friedrichs Bautätigkeit88. Die drei übrigen genannten Bischöfe sind Hinderbachs Amtsvorgänger, aber nicht lückenlos, da ein bedeutender – Alexander von Masowien – fehlt89. Regelmäßig in den Kalendaren verzeichnet ist eigentlich nur der unmittelbare Vorgänger Hinderbachs, Georg Hack: von ihm sind sowohl der Tag und der Ort seines Todes – der 22. August 1465 in Matrei –, dazu noch der Tag der Überführung seiner sterblichen Überreste in die Krypta von Santa Massenza im Trienter Dom – der 25. August – überliefert90. Auch in diesem Fall zeigt sich wie schon bei der natürlichen Familie ein „kurzes Gedächtnis“ in der Wahrnehmung der genealogischen Kontinuität, praktisch eingegrenzt auf den unmittelbaren Vorgänger, Hinderbach auch persönlich bekannt: Georg Hack war sein Studienkollege in Padua, hatte ihn zum Koadiutor in Trient vorgesehen und ausdrücklich als seinen Nachfolger favorisiert. Diese ganze Abfolge zeigt die besondere Verbindung zu Hack, dem er zum Andenken ein Grabmal aus Marmor errichten ließ91, mit einer Inschrift und dem Todesdatum – diese Angaben stammen von Hinderbach; dazu stiftete er ein Jahresgedenken, nicht für den Tag des Todes, sondern für den der Beisetzung im Grabmal. Er selbst hielt bei seinen Aufenthalten in Trient das Jahresgedächtnis genau ein, das nach seinen Verfügungen „solempniter“ zu begehen war „im Andenken und zur Vergebung der Sünden, der eigenen, I. Rogger, Cronotassi, S. 76. Friedrich von Wangen wollte die Kathedrale neu errichten lassen, doch er konnte diese Pläne nicht verwirklichen; anders eine Grabinschrift des späten 13. Jahrhunderts und Hinderbach, der davon ausgeht, daß von Wangen mit der neuen Konstruktion des Chors begonnen hatte: ebd., S. 77, Anm. 218 und Anm. 207. 89 Er ist übrigens in Wien bestattet; den Begräbnisort kannte Hinderbach genau (ASTn, APV, sez. lat., cod. 3, f. 12). 90 In drei Kalendaren: BCTn, ms 1556; I. Rogger, Interessi agiografici, App., S. 362370; BCTn, ms 1718. 91 Vgl. E. Curzel, Il vescovo, S. 449. 87 88

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Georgs Hack und aller Bischöfe von Trient“92. Durch diese Zielrichtung zeigt Hinderbach den Einschluß der ganzen Bischofsgenealogie in Hacks Gedenken und das Gefühl der eigenen Zugehörigkeit, die er unentwegt betont. Sein Bemühen, persönlich an der Feier des Jahrestages anwesend zu sein, wird bestätigt durch die schon zitierte Anmerkung in den Kalendaren zum Tag der Überführung von Hacks sterblichen Überresten – genau das Datum des von ihm gestifteten Jahresgedächtnisses. Heilige, Verwandte, Kollegen93, Bischöfe von Trient: die Erinnerung oder das Gebet für die Lebenden und die Toten zeichnet die Umrisse von Hinderbachs Lebenshorizont nach, der nicht nur gefühlsmäßiger Natur war; ein Netzwerk aus Familie und Freunden, professionelle Klientelverbindungen und soziale Rangstrukturen flossen zur Selbstdefinition zusammen. Affektive, biologische und soziale Bande überschnitten sich gegenseitig, wie etwas bei Hermann Lelle und besonders bei Georg Hack. In Hinderbachs memoria ging die „überirdische“ Familie in die „natürliche“ und auch die „künstliche“ über; im Kalendar erscheinen Lebende, Tote und Heilige94 in einer Gemeinschaft verbunden, zusammen nach der Vorstellung Hinderbachs gleichsam in der Gegenwart anwesend. Diese Art einer rückwärtsgewandten Gedächtnispflege stellt nach Assmann dar „die Form, in der eine Gruppe mit ihren Toten lebt, die Toten in der forschreitenden Gegenwart gegenwärtig hält und auf diese Weise ein Bild ihrer Einheit und Ganzheit aufbaut, das die Toten wie selbstverständlich miteinbegreift“95; und so müssen für Hinderbach auch noch die Heiligen hinzufügt werden. Seine memoria bettet die eigene Person in ein Beziehungsgeflecht von Stand, Macht und Geschlecht ein96, überwiegend durch Männer bestimmt (das Geschlechterverhältnis in den Kalendaren lautet insgesamt: elf Männer gegenüber vier Frauen). Wenn die Interaktion mit der Welt für den Selbstentwurf wichtig ist, bestimmt von Ein- und Sozialordnungen – die Autobiographie definiert sich durch Erweiterung und Anreicherung familiärer Bande –, dann läßt sich aus Hinderbachs Kalendaren diese Dynamik ablesen: er beschreibt nicht nur das Netz seiner menschlichen, sozialen und familiären ASTn, APV, sez. lat., cod. 3, f. 12. Neben Sonnenberger ist aus zwei Abschriften das genaue Todesdatum von Hinderbachs Vorgänger in der Pfarrei Mödling erhalten, möglicherweise nach einem jetzt verschollenen Kalendar: A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 20, Anm. 98, und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 412, Anm. 120. 94 O.G. Oexle, Die Gegenwart, S. 72. Vgl. auch M. Lauwers, La mémoire, S. 159 ff., 325 ff., 376 ff. 95 J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, S. 61. 96 R. Handler, Is „Identity“ an Useful Cross-Cultural Concept? 92 93

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Beziehungen, sondern siedelt auch in ihrem Zentrum sein eigenes Selbst an, sein curriculum vitae. Am Beginn steht die Geburt am 15. August 1418 – in fast allen Kalendaren enthalten; darauf folgt die Promotion am 14. Januar 145297; dann die Primiz am 7. September 145098; weiter die Wahl zum Bischof von Trient am 30. August 146599; die päpstliche Bestätigung am 12. Mai 1466100 und die Bischofsweihe am folgenden 20. Juli in Rom in der Basilika Sancti XII Apostoli101; schließlich die Inthronisation in Trient am 21. September102 und endlich der Einzug in den Castello del Buonconsiglio, fast zwei Jahre später am 25. Mai 1468103. Hinderbach scheint sich der eigenen Person als Individuum voll bewußt. Die Memoriakultur ist nach Oexle vor allen Dingen eine Kultur der Einzelpersönlichkeit104, und Hinderbach hatte offensichtlich keine Bedenken, die Begriffe „ego“ und „nos“ zu benutzen: er fügt sogar sein eigenes Geburtsdatum in Forestis Geschichtswerk ein an der Stelle, wo dieser über das Konzil von Konstanz mit dem Geschehen von 1418 berichtet105 – in einem Hauch von Koketterie verbindet Hinderbach so die „große“ Geschichte mit seiner eigenen, „kleinen“. Andererseits wird vollkommen klar, daß er seinem Leben eine stark kirchliche Ausrichtung einräumt: für ihn sind Primiz106 (nicht Priesterweihe) und dann die verschiedenen Stufen bis hin zur Bischofserhebung die wichtigen Momente seiner Karriere. Dem Doktorat kommt einige Bedeutung zu, doch erscheint es nur in einem Kalender; dagegen ist die Regalienverleihung an ihn als Bischof durch den Kaiser am 13. Februar 1469 überhaupt nicht erwähnt, vielleicht, weil sie damals nur noch formalen 97 BCTn, ms 1718, f. 9 (= B. Bonelli, Notizie istorico-critiche, Bd. 3/1, S. 80), zit. auch bei A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 15, Anm. 75 und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 405, Anm. 92. 98 I. Rogger, Interessi agiografici, S. 370. Feierlich und mit Geschenken, u.a. vom Nürnberger Gesandten am Hof: „Item 16 gulden umb 2 silbern peher maister Hans Hinderpach auff sein erste meß. der ist ratt und kanzler in der ostrchisen kaczleyn“ (Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 2c Akten 7fA n. 66, f. 85v) (Hinweis F. Fuchs). 99 Ebd., S. 371. 100 BCTn, ms 1718, f. 13 (= B. Bonelli, Notizie istorico-critiche, Bd. 3/1, S. 85); BCTn, ms 1556, f. 5. 101 BCTn, ms 1556, f. 7 und ms 1718, f. 15 (= B. Bonelli, Notizie istorico-critiche, Bd. 3/1, S. 87). 102 I. Rogger, Interessi agiografici, S. 373. 103 Ebd., S. 362. 104 O.G. Oexle, Die Gegenwart, S. 49-50. 105 BCTn, inc. 391, l. XIIII, f. 159: „hic fuit annus nativitatis nostre. Johannes Tridentinus antistes subscripsit“. 106 I. Rogger, Interessi agiografici, App., S. 372 und BCTn, ms 1718.

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Charakter besaß107. Demgegenüber markiert der Einzug in den Castello del Buonconsiglio die Inbesitznahme der Temporalien und wird ausdrücklich vermerkt: dem 25. Mai 1468 kam in seinen Augen entscheidende Bedeutung zu, denn er konnte nach langen und ermüdenden Verhandlungen mit dem Landesherrn Tirols, Herzog Sigismund, fast zwei Jahre nach seinem Einzug in die Stadt Trient, endlich auch die weltliche Regierung seines Fürstentums in eigener Person übernehmen108. Die übrigen Daten Hinderbachs in den Kalendaren fallen vorwiegend in die zeitliche Abfolge seines Bischofsamts. Darunter ragte hervor der „Fall“ des kleinen Simone: der Junge wurde im März 1475 ertrunken aufgefunden, und sein Tod den Juden von Trient zur Last gelegt109. Hinderbach vermerkte unter dem 23. März „die Passion und das Martyrium des seligen Simone, des unschuldigen Kindes, das ebenso wie unser heiliger Erlöser durch die Juden auf schreckliche Weise umgebracht worden ist“110. Die ganze Diktion des Kalendars ist höchst aufschlußreich für die ideologische Ausrichtung Hinderbachs, der sich mit aller Energie für die Heiligsprechung einsetzte: die „passio et martyrium beati Symonis“ und die Kreuzigung „ad instar Salvatoris“ geben die zeitgenössische Ikonographie wieder, nach der das Bild des Seligen mit Sonnenstrahlen, dem Zeichen der Seligen, und die Gleichsetzung mit Christus schon vorgegebene und feste Elemente waren111. Der ganze Vorgang ist immer wieder in Hinderbachs Notizen erwähnt als Ereignis, das tief in sein Leben einschnitt und sich seinem Gewissen wie ein Brandmal einprägte; damit verbunden war auch ein anderes Gedächtnis, der 21. Juni 1475, als Tag, an dem die Juden in Trient nach Verfahren und Urteil auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden112. Neben diesem Verfahren wird noch erwähnt die Weihe der Kirche von Sanzeno, durch die Hinderbach den Kult der drei Märtyrer Sisinius, Martyrius und Alexander wiederbeleben wollte. Daß der Gesamtkomplex für ihn Die ganze Zeremonie war überaus prächtig, vgl. unten, S. 267. J. Riedmann, Rapporti del principato, S. 130. 109 Zum reichen Bestand an Literatur vgl. die Untergruppe „Intorno al caso Simone di Trento“ in: Il principe vescovo, W. Treue, Der Trienter Judenprozeß, A. Esposito, Das Stereotyp, und D. Quaglioni, Das Inquisitionsverfahren. Eine gute Zusammenfassung bei D. Quaglioni, Gli ebrei nella letteratura giuridica, S. 667-670. Vgl. auch unten, S. 355 ff. 110 „Dies passionis et martirii beati Symonis pueri et innocenti ab impiis Judeis crudelissime ad instar Salvatoris cruciati“: I. Rogger, Interessi agiografici, App., S. 358. 111 D. Rigaux, L’immagine di Simone, S. 488-489, 491; L. Dal Prà, L’immagine di Simonino, S. 454-455; A. Esposito, Das Stereotyp, S. 141-144. Zum Martyrium in der Nachfolge der „passio Christi“, K. Stow, Jewish Dogs, S. 24, 27-28 und passim. 112 Darüber vgl. Processi, Nr. 44, 69, 81, 91. 107 108

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große Bedeutung besaß, erhellt aus der Erwähnung in vier Kalendaren und in vielen Randglossen113. Weiter folgen noch andere, wichtige Ereignisse während seiner Tätigkeit als Bischof: die Translation der Reliquien des heiligen Romedius, die Altarweihe von Santa Massenza, die Arbeiten am Castello del Buonconsiglio, schließlich der Aufstand im Nonstal von 1477114. Insgesamt weisen die Kalendare in zwei Richtungen: die Person Hinderbach erscheint eingebettet in den sozialen Strukturen von Stand und Familie; zum zweiten stellt die Bischofserhebung den hervorragenden Einschnitt dar: von dieser Warte her entwirft er seine ganze übrige memoria, verbunden mit seinem Bischofssitz und dessen jeweiligen Inhabern in der Vergangenheit. Die fiktive Bischofsgenealogie Seit seiner Erhebung zum Bischof von Trient beschäftigte sich Hinderbach kontinuierlich und in vielfacher Weise mit seinen Vorgängern im Amt. Der schönste und aufschlußreichste Beleg dafür ist die in seinem Auftrag geschaffene Freskenfolge im sogenannten Castelvecchio, d.h. dem ältesten Teil des Castello del Buonconsiglio, den Hinderbach 1475 renovieren und vergrößern ließ. In seinem Hof befindet sich die erste Reihe der Bischöfe von Trient bis zum Jahr Tausend, im anschließenden Saal die zweite der folgenden Würdenträger in gotischen Spitzbögen, die ihrerseits wieder gekrönt werden von Medaillons mit den Bildern der (chronologisch) entsprechenden Kaiser – ihre Reihe ist bisher noch nicht eindeutig datiert115. Das Ensemble stellt zum einen eine Art Programm für die Residenz des Bischofs als Reichsfürst dar (der gegenüber den Mediatisierungsversuchen der Grafen von Tirol die direkte Verbindung mit dem Reich betonte); zum anderen folgt es wahrscheinlich der allgemeinen Tradition der sogenannten Parallellisten mit einer spezifischen Memorialfunktion116, die auch in Trient ihre Ausformung fand in Gestalt des sogenannten Udalrich Diptychons (11. Jahrhundert)117 – wie I. Rogger, Interessi agiografici, S. 339. Ebd., S. 363 (29. September 1477). Über den gesamten Aufstand vgl. G.M. Varanini, Il vescovo Hinderbach, S. 185-186. 115 L. Longo, Arti figurative, S. 273-274 und zuletzt der schöne Aufsatz von L. Dal Prà, Johannes Hinderbach e Bernardo Cles, besonders S. 35-36, und S. Castri, Il decoro pittorico, S. 95. 116 O.G. Oexle, Die Gegenwart der Toten, S. 40-44, besonders S. 43-44. Frau Dal Prà bezieht sich vor allem auf die Sixtinische Kapelle und die spätantiken Kirchen S. Apollinare in Classe, Ravenna, und S. Pietro in Grado, Pisa (L. Dal Prà, Johannes Hinderbach e Bernardo Cles, S. 35). 117 Das Hinderbach aber wohl nicht kannte; er benutzte das Dypticum in einer Abschrift, die sich auf den Bischofskatalog beschränkte und den Synodalkonstitutionen beigefügt war: I. Rogger, Carattere e contenuto, S. 3-12; S. 17, Anm. 35. 113 114

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in den Kathedralen von Köln, Reims, Straßburg mit einer entsprechenden Abfolge von Kaisern und Bischöfen im Chorgestühl118. Auf einzelne Bischöfe von Trient kam Hinderbach bei verschiedenen Gelegenheiten zurück. Dazu bot sich etwa eine Urkunde Bischofs Friedrich von Wangen an oder ein Privileg aus den Lehnsbüchern seiner Vorgänger, die er aufmerksam studierte: bei einem Privileg für den Ort Riva z.B., im Lehnsbuch Alexanders von Masowien überliefert mit dem Text von zwei vorausgegangenen Privilegien der Bischöfe Bartolomeo und Giovanni, notierte er neben dem ersten Namen: „hic fuit Venetus, de domo Quirinorum“ und neben dem zweiten: „ille in(pignoravit) Ripam (suprascriptis de La Scala)“119. Bei der Lektüre zur Erneuerung der sogenannten „Pacta Gebeardina“120 im Lehnsbuch Georg Hacks für das Fleimstal stieß Hinderbach auf eine kurze Abfolge von Bischofsnamen zu diesen Konzessionen; er unterstreicht die Einzelnamen, vermerkt am Rand: „series episcoporum Tridenti(norum)“ und führt sie untereinander in einer Kolumne auf121. Ein weiteres Beispiel bieten die Synodalstatuten von 1336 des damaligen Bischofs Heinrich von Metz; sie stimulieren ihn zu einem kleinen historischen Exkurs mit einem knappen Porträt seines Amtsvorgängers (er sei auf den Bischofsstuhl von Trient erhoben worden, als die dortige Kirche „stetit in errorem et dissensionem“) und zählt andere Einzelheiten zu seinen Nachfolgern auf: Nikolaus von Brünn mußte die Übergriffe Ludwigs von Brandenburg als Graf von Tirol hinnehmen, der kirchliche Rechte und Güter usurpierte; Albrecht Graf von Ortenburg wurde schließlich 1363 Bischof zur Zeit Rudolfs IV. als Herzog von Österreich, nachdem drei gewählte Vorgänger (Gerhard, Johannes und Meinhard von Neuhaus) überhaupt nicht über die temporalia der Kirche von Trient verfügen konnten122. Im Vergleich zu diesen eher zufälligen Anmerkungen ging Hinderbach bei der Revision des Trienter Bischofskatalogs streng systematisch und im vollen Bewußtsein seiner Bedeutung vor: die Kontinuität der Amtsinhaber garantierte durch die lückenlose Folge die Legitimität des Bischofssitzes123, und so nahm der Katalog eine zentrale Stellung im Selbstverständnis ein. Der ihm vorliegende schloß sich in der Handschrift den Synodalkonstitutionen Bischofs Heinrich von Metz (1336) an124. Im Vergleich zu älteren M. Müller, Die spätmittelalterliche Bistumsgeschichtsschreibung, S. 314-315. ASTn, APV, sez. lat., capsa 22, Nr. 5, f. 48. 120 Mögliche Fälschungen von 1111. Über Hinderbachs Verhältnis zur Ortsgemeinde, G.M. Varanini, Il vescovo Hinderbach, S. 176. 121 ASTn, APV, sez. lat., capsa 22, Nr. 6, f. 171v. 122 ASTn, APV, sez. lat., cod. 3, f. 1v. 123 J.-Ch. Picard, Les souvenirs des evêques, S. 395-577. 124 ASTn, APV, sez. lat., cod. 3, f. 10v-12. 118 119

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Katalogen125 war hier die Bischofsreihe kontinuierlich bis zu Georg von Liechtenstein (1390-1419) fortgeführt in einer Transkription aus der Amtszeit dieses Vorgängers126: Hinderbach versah den Text mit zahlreichen Anmerkungen und Korrekturen, fügte Teile hinzu und formulierte Passagen neu. Auf den ersten Blick hat es den Anschein, als habe er die Bischofsliste nicht ganz neu verfassen, sondern sich nur nach seiner Art darauf beschränken wollen, die jeweiligen Namen zu glossieren und mit Anmerkungen zu versehen. Doch bei näherem Hinsehen folgt sein Vorgehen einem gewissen Plan, denn die alte Liste bis hin zu Liechtenstein wurde noch vor seinem Tod zusammen mit seinen eigenen Anmerkungen neu abgeschrieben – nach seiner genauen Anleitung und wahrscheinlich auf seine ausdrückliche Veranlassung hin127: der Gesamttext, unter rein formalen Gesichtspunkten eher ohne ein festes Ordnungsprinzip, wurde kalligraphisch in ein gesondertes Papierfaszikel übertragen, das im Folgenden als Ausgangspunkt für alle weiteren, späteren Kompilationen diente128. So stellte sich der Katalog dank der Überarbeitung Hinderbachs mit seiner Anreicherung als eine Art Chronik dar, noch deutlicher durch die neue Abschrift in Papier, die neben Hinderbachs Ergänzungen weitere Einzelheiten aus der Amtzeit der einzelnen Bischöfe enthielt129. Seine Beschäftigung mit der Liste erscheint also nicht zufällig, wahrscheinlich im Zusammenhang mit der von ihm beauftragten Bischofsfreskenfolge im Buonconsiglio. Die Eingriffe Hinderbachs in den Katalog sind verschiedener Art: einmal versucht er, bei allen Bischöfen die genauen Daten ihrer Amtszeit anzugeben, soweit ihm zugänglich; zum zweiten führt er bei gleichnamigen Bischöfen eine Ordnungsnummer ein; zum dritten vermerkt er jeweils die geographische Herkunft; viertens fügt er bei einzelnen Bischöfen die Ordenszugehörigkeit an (Filippo da Mantova, Heinrich von Metz, Nikolaus von Brünn, Ernst Auer und Giovanni da Pistoia). Schließlich erscheint noch der Begräbnisort und der jeweils entsprechende Adelstitel. Weiter erwähnt Hinderbach, vor allem anhand des sogenannten „Liber Sancti Vigilii“, einer Urkundensammlung sämtlicher Rechte der Tridentiner Kirche aus dem 13. Jahrhundert durch Bischof Friedrich von Wangen, auch jene Rechte der Tridentiner Kirche, die durch einzelne Bischöfe erworben, Zu den vorhergehenden Katalogen, I. Rogger, Carattere e contenuto, S. 12-18. Ebd., S. 16-17. 127 Vgl. ebd., S. 17. Wenigstens ein Beispiel: Hinderbach hatte vermerkt, daß der Passus „tempore quo Christus celorum regna divisit“ gestellt werden sollte „in principio, ante kathalogum pontificum Tridentinorum“, und so erfolgte die Ausführung durch den Schreiber (ASTn, APV, sez. lat., cod. 32, f. 3). 128 G. Gerola, Le cronache medievali trentine; I. Rogger, Cronotassi, S. 17. 129 ASTn, APV, sez. lat., cod. 32. 125 126

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verloren oder wiedererworben waren130; dazu kommen noch bauliche Veränderungen an der Kathedrale, dem Schloß von Stenico, dem bischöflichen Palast und der nahegelegenen Bischofskapelle131. Die Gesamtheit dieser Ergänzungen läßt sich ohne große Mühe in den Typus der herkömmlichen gesta episcoporum einbetten, nach dem, um einen Bischofskatalog an- und jedem einzelnen Prälaten zugeordnet, die chronologische Abfolge der Amtszeit genau erfaßt, historische, juristische, hagiographische und topographische Einzelheiten hinzufügt werden; der Bischofskatalog in mehr oder weniger erweiterter Form mit Details zu Bautätigkeit, Schenkungen, Erwerbungen und Reformen zur Amtszeit eines jeden Bischofs stellt sich so als die Grundform der Bischofschroniken dar132. Die gesta episcoporum räumten in ihrer Anfangsform der Sepulkralkultur breiten Raum ein: die Begräbnisstätten galten als Wunderorte, und die Gesta waren mit dem Totenkult eng verbunden, selbst Teil einer heiligen Topographie. So läßt sich auch von Hinderbachs Anmerkungen eine Art „Begräbnisarchäologie“ herleiten133. Nach Michel Sot ergänzen sich „bauliche“ und „narrative“ Memoria und bilden zusammen das Memoriale bischöflicher Sukzession134. Der Memorialaspekt reichte bis auf die antike Liturgietradition der commemoratio zurück: 130 Konrad von Beseno „multa castra et iura ecclesie recuperavit, ut habetur in registro veteri“; Gerhard „domum Bozani a comite Tyrol. emit“; Heinrich „recuperavit castrum Boni Consilii deperditum de manu comitis Tyrolensis“; Giovanni da Pistoia „non habuit possessionem nisi Ripe, quam pignorat dominis de La Scala“ (ASTn, APV, sez. lat., cod. 3, f. 11). Zum Codex Wangianus E. Curzel / G.M. Varanini, Codex Wangianus. 131 Zu Salomon: „hic fundavit et dotavit ecclesiam S. Crucis extra portam Veronensem“; Albrecht: „hic castrum Stenici et eius pallacium struxit prout habetur in registro (…)“; Konrad: „hic multa castra et iura ecclesie recuperavit, ut habetur in registro veteri“; Friedrich von Wangen: „hic edificavit palacium episcopale cum capella S. Blasii (eodem) contigua, et incepit edificium chori ecclesie kathedralis (…)“ (ASTn, APV, sez. lat., cod. 3, f. 11). In zwei Fällen stellt Hinderbach weitergehende Überlegungen zu Namen und Orten an: Iltigarius läßt ihn darüber spekulieren, daß ein Bischof dieses Namens in der Karolingerzeit anzusiedeln ist, da damals dieser Name bei Männern und Frauen gebräuchlich gewesen sei und sogar die Frau Karls des Großen sich Hildegard genannt habe. Bei Bischof Lantramm beobachtete er, daß zu seiner Zeit der Name in Tramin weit verbreitet und möglicherweise der Ortsname von daher abgeleitet worden war: ASTn, APV, sez. lat., cod. 3, f. 10v. 132 M. Sot, Gesta episcoporum, S. 15. Vgl. M. Lauwers, La mémoire, S. 283-286. Über das literarische Genus der gesta vgl. grundlegend M. Müller, Die spätmittelalterliche Bistumsgeschichtsschreibung, S. 1-3. 133 Über das Grundmuster nach Bischofsreihe, Chronologie und Begräbnisstätte, M. Müller, Die spätmittelalterliche Bistumsgeschichtsschreibung, S. 3. 134 M. Sot, Gesta episcoporum, S. 43, übernommen durch O.G. Oexle, Die Gegenwart der Toten, S. 45.

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schon zu Beginn des 3. Jahrhunderts vermerkte die römische Christengemeinde das Todesdatum und den Begräbnisort der eigenen Bischöfe, um die memoria für die Liturgie am Grab in den Katakomben zu sichern135; die Wiederaufnahme dieser Tradition zeigt die Absicht, Begräbnisstätten in „Gedächtnisorte“ umzuformen, wie etwa beim „Liber pontificalis“ mit seiner Schematisierung der Papstviten einschließlich der Grablege136. Nicht sicher scheint, ob Hinderbach bei seinem Vorgehen von eher liturgischen Absichten geleitet oder durch überwiegend literarische Vorbilder inspiriert wurde, vielleicht von den genannten gesta episcoporum oder unmittelbar vom „Liber pontificalis“. Die Neigung, dem Totengedächtnis weiten Raum beizumessen und zwar durch den ausdrücklichen Hinweis auf die Begräbnisorte, läßt sich auch bei Hinderbachs Anmerkungen zu Heiligen und Päpsten beobachten, sicherlich durch eine gewisse Vorliebe für Altertümer bedingt, die er neben seinen vielen Interessen kultivierte: Wie die Päpste die Gräber ihrer Vorgänger durch Zeremonien und Translationen in Gedächtnisorte zu verwandeln versuchten, so verfuhr Hinderbach mit dem auf seinen Wunsch angefertigten Grabmal für seinen Amtsvorgänger Georg Hack; sein Gedenken an ihn, an seine Vorgänger und an seine Nachfolger besitzt alle charakteristischen Eigenschaften mittelalterlicher Memorialpraxis, die nicht nur emotionaler Natur war, sondern auch soziale und juristische Aktivitäten umfaßte, durch die sich eine Vergegenwärtigung der Toten im Gedenken vollzog137. Insgesamt gesehen war also das von Hinderbach verwendete Verfahren, Datierung-Herkunft-Begräbnis, durchaus nicht singulär, sondern die Übernahme eines schon bewährten Modells, vielleicht im Nachwirken der memorialen und liturgischen Bedeutung der Grabtopographie. Auch die Aufnahme bestimmter Daten zur Bautätigkeit war nicht besonders originell. Als Grundlage der gesta episcoporum wurde der Bischofskatalog mit Einzelheiten zur Bautätigkeit, zu Schenkungen und sonstigen Veränderungen der Ortskirche während der einzelnen Amtszeiten versehen. Nach Sot war der ursprüngliche Zweck der gesta, die Vermögensverhältnisse der Kathedralkirche genau zu umschreiben, und so wurden in einigen Fällen die gesta zu einer Art Geschichte des Grundpatrimoniums. Dieses Verfahren wurde ermöglicht durch den Rückgriff auf verschiedene Informationsquellen, vor allem in loco: ganz direkt genaue Kenntnis des Begräbnisortes und möglicherweise des Epitaphs, Informationen zur Archäologie (Beigaben, Schätze, Grundrisse) oder zur genauen Dokumentation, besonders schriftliche Zeugnisse aus Archiven138. 135 M. Borgolte, Papstgräber, S. 317. Das Gedenken an die Verstorbenen war die Keimzelle für Papstgräber als Orte der memoria. 136 Ebd. 137 O.G. Oexle, Die Gegenwart der Toten, S. 25-26 und passim. 138 M. Sot, Gesta episcoporum, S. 27-28.

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Aus diesen Quellen speiste sich die Bischofsliste, die vor allem die mit der Verwaltung des kirchlichen Vermögens befaßten Unterlagen betraf: Genau diese Art der Bearbeitung nahm Hinderbach beim Tridentiner Bischofskatalog vor; er ging dabei vom registrum vetus, d.h. dem „Liber Sancti Vigilii“, aus und nutzte andere Urkunden des Bischofs- und Kapitelarchivs. Unter den Ergänzungen Hinderbachs, die von der Tradition eher abwichen, sticht die Betonung der adligen Herkunft einiger Bischöfe hervor: Altmann „ex genere quorundam comitum de Bavaria“, Friedrich, „ex nobilibus de Wanga“, Bartolomeus „de domo Quirini“, Meinhard de Novadomo „ex baronibus principalibus regni Bohemie“, Georg Liechtenstein „de baronibus principalibus“, Alexander von Masowien avunculus Kaiser Friedrichs III., Georg Hack „ex nobilibus de Slesia“. E. Mornet hat bei den gesta episcoporum in Skandinavien beobachtet, daß adlige Herkunft besonders im Spätmittelalter hervorgehoben wird, obwohl sie beim Modell des „guten“ Bischofs nicht als ein Wert an sich, sondern nur als ein Faktum registriert ist139. Von daher scheint Hinderbachs Betonung eher eine gewisse Neigung zur genealogischen Genauigkeit auf Grund seiner Erfahrung am Kaiserhof zu belegen, der ja adliger Herkunft besonderen Wert beimaß140; dazu kam wohl sein Bemühen, das Ansehen der Tridentiner Kirche durch eine Abfolge adliger Bischöfe zu steigern – eine Art Nobilitierung, die sich auch durch die bei Bischofschroniken zu beobachtende Aufnahme der Wappenschilde feststellen läßt141. In dieses Bild fügt sich der von Hinderbach bei Heinrich von Metz und Nikolaus von Brünn festgehaltene Kanzler-Titel ein, doch dürfte dafür die persönliche Erfahrung Hinderbachs an der Kanzlei Friedrichs III. auschlaggebend gewesen sein: er war wie die beiden illustren Vorgänger in diesem besonderen Umfeld der Königsnähe herangewachsen und versäumte so nicht, für sich im Katalog voller Stolz darauf hinzuweisen; er trug sich selbst ein als „in Urbe orator et legatus imperialis“ und bezieht seinen Oratorenund Sekretärsdienst ausdrücklich auch auf die Kaiserin Eleonore. In den Bischofskatalog fügte Hinderbach sogar die Skizze eines Selbstporträts ein: die Würdigung der eigenen Person in Verbindung mit seinen Amtsvorgängern und seiner neuen, fiktiven Familie, in vollem Bewußtsein der Kontinuität des Bischofsamtes und der Abfolge der einzelnen Würdenträger zur Herstellung einer Gesamttradition – nach Assmanns Wort, einen „vorweggenommenen Nekrolog“142 in der Absicht, das Andenken im voraus sicherzustellen gegen E. Mornet, L’image, S. 33. Nach P. Moraw, Gelehrte Juristen, S. 142 ist „auch die Juristenwelt adelsorientiert“. 141 M. Müller, Die spätmittelalterliche Bistumsgeschichtsschreibung, S. 485-486. 142 So die treffende Definition Assmanns beim ägyptischen Funktionär, der schon zu Lebzeiten das eigene Grab in Auftrag gab und seine Biographie verfassen ließ: J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, S. 34. 139 140

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die unausweichliche körperliche Auflösung. Das Selbstporträt ist nicht bis in die letzten Einzelheiten ausgefeilt, sondern bleibt eher ein Entwurf in verschiedenen Schichten (= A); er wird im Folgenden verglichen mit einer weiteren Version aus dem in der Papierhandschrift vorhandenen Katalog (= B) und in einer Fassung, mit der Unterfertigung von 1473 durch einen Kopisten Hinderbachs, Martin Rautenstock aus Kempten (= C), der Einzelteile des Katalogs wiederholt. Der vorweggenommene Nekrolog (A) „Iohannes Hinderbach de Hassia oriundus, verum in Austria nutritus et in Italia Paduea edoctus, ubi decretorum doctor utriusque lingue facundus evasitb LXXXXIus, anno Domini MCCCCLXVI, qui antequam elligeretur in episcopum fuit prepositus et prebendatus eiusdem ecclesie Sancti Vigilii tempore Pauli pape secundi de Venetiis de domoc Barbo, et tempore electionis sued in Urbe orator et legatus imperialis serenissimi domini Frederici tercii et eius conthoralis domine Leonore imperatricis auguste orator er secretariuse. Hic attulit secum de Urbe ymaginem beate Marie virginis retractam ab illa que manibus sancti Luce ewangeliste depicta esse creditur etf in Sancta Maria de Populo extat reposita. Quam prefatus pontifex recognovit et approbavit, ac eciam benedixit et omnibus eam devote venerantibus centum dies indulgentiarum concessit. Et dictus episcopus ecclesie Sancti Vigilii tradidit ac dono dedit perpetuo in eadem ob sui memoriam reservandamg. Hic brachium sancti Vigilii antea in modum quadrupedis stans per transversum super basi argentea prout nunc stat in directum sursum erexit ac modo Romane ecclesie et aliarum ecclesiarum, ubi similia brachia sanctorum habentur in melius reformavit primo anno et menseh sui adventusi 1466. Huius temporibus repertum est monumentumj cum cineribus et reliquiis sanctorum martirum Sysinii, Martyrii et Allexandri XXV die mensis maii 1472 sub altari chori veteris ecclesie eorundem, que postea solimpniter translate fuerunt et in sarchofago novo reposite eodem anno per prefatum Iohannem episcopum eiusque suffraganeum et alios prelatos ecclesiarum regularium dyocesis, et chorus novus consecratus die XXV mensis novembris que fuit dominica ante festum s. Marine et pars eorundem reliquiarum in eodem altare vetustok translata fuit Tridentum a b c d e f g h i j k

ab in über der Zeile mit Einschubzeichen. ab oriundus über der Zeile mit Einschubzeichen. Bindestrich auf getilgtem Buchstaben. fuit getilgt. ab qui antequam später hinzugefügt. über der Zeile. ab Hic attulit später hinzugefügt. ab et über der Zeile. über der Zeile. das zweite m über der Zeile mit Einschubzeichen. ab in am Rand mit Einschubzeichen.

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et reposita inter alias reliquias in sacristia ecclesie kathedralis in festo dedicationis eiusdem cum magna leticia et solempnitate et presentia cleri et populia. (Item) (ipsius) temporibus fuit martyrizatus puer infantulus beatus Symon a perfidis iudeis in nocte cene Domini in domo iudeorumb et loco in quo postea fieri fecimus capellam in honore passionis domini nostri Iesu Christi et omnium sanctorum innocentium et martyrumc, qui multis miraculis claruit et claret adhuc quottidie, operante (divina) maiestate, cuius corpusculum adhuc integrum perseverat et a multis devotis continue visitatur, de cuius oblationibus idem episcopus ecclesiam et chorum Sancti Petri a fundamentis de novo edificavit, necnon capellam in domo iudeorum ex camera in qua huiusmodi atrocissimum facinus perpetraveruntd et construxit et hystoriam passionis Domini nostri et eiusdem beati Symonis depingi fecit 1477 ad futuram et perpetuam huius rei memoriam et s(…) annise“143. (B) „Iste Joannes fuit oriundus de Hassia sed in Austria nutritus decretorum doctor prius prepositus et canonicus ecclesie Tridentine, qui tempore electionis sue presidente Paulo pontifice in urbe romana apud sedem apostolicamf serenissimi domini Federici tertii imperatoris orator et legatus exstitit anno Domini MCCCCLXV qui quasi per annum confirmationem suam sollicitavit resistente eidem domino Francisco de Gonzaga cardinali mantuano qui credens favore dominorum marchionum Brandeburgensium ex quorum progenie matre eius exstitit episcopatum Tridentinum // adipisci, sed tandem obtenta confirmatione et consecratione anno Domini MCCCCLXVI ab Urbe rediens in die sancti Mathei apostoli et evangeliste Tridentum intravit, et a clero ac populo honorabiliter susceptus est, qui secum attulit ex Urbe imaginem beate Marie virginis retractam ab illa que manibus sancti Luce evangeliste depicta esse dicitur in Sancta Maria de Populo extat reposita. Quam prefatus pontifex approbavit et benedixit ac omnibus eam devote venerantibus concessit centum dies indulgentiarum, et eandem imaginem dedit ipse episcopus ecclesie Sancti Vigilii. Sub eodem etiam episcopo repertum est monumentum cum cyneribus et reliquiis sanctorum martyrum Sisinii, Martirii et Allexandri XXV die mensis maii MCCCCLXXII sub altari chori veteris ecclesie eorundem vallis Annanie et translate fuerunt ac reposite in sarchofago novo solempniter in presentia plurimorum prelatorum, quo die etiam consecratus fuit chorus novus eiusdem ecclesiae eodem anno XV die mensis novembris huius etiam temporibus MCCCCLXXV, quo anno fuit iubileus martirizatus fuit beatus Symon puer tridentinus a perfidis iudeis in nocte cene Domini in domo iudeorum ubi dictus episcopus in loco passionis eiusdem capellam fieri fecit, qui multis ac magnis claruit miraculis et adhuc continue claret et a multis devotis quottidie visitatur de cuius oblationibus idem episcopus ecclesiam Sancti Petri a fundamentis de novo edificavit, qui magnas etiam coactus fuit facere expensas in urbe romana contra iudeos latrantes suos ultimo supplicio dampnatos minime culpabiles fuisse in nece dicti beati Symonis et plures corrumpebant pecuniis ac donis ipsorum, a b c d e f 143

ab et in über der Zeile. über der Zeile mit Einschubzeichen. ab in domo am Rand. zwei Bindestriche auf zwei getilgten Buchstaben. ab et am Rand. eiusdem getilgt. ASTn, APV, sez. lat., cod. 3, f. 11v.

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tandem per commissarios apostolicos scilicet sex cardinales, duos referendarios episcopos et certos auditores rote processus examinatus et relatione in consistorio per eosdem desuper facta dominus papa Sixtus per litteras apostolicas ac bullas patentes declaravit processus rite et legittime fore factos et illosa approbavit. (Item) temporalitatem ecclesie tridentine quam dux Sigismundus pluribus annis tenuit anno MCCCCLXVIII e manibus eius recuperavit multaque ornamenta ad divinum cultum fieri fecit. Pallatium episcopale in bona parte reformavit castrumque Boniconsilii prius intus ligneum ac lateratinum paravit ac marmoreum fecit cum columpnis, fornicibus et testudinibus, fontemque ad castrum conduxit, castrum Theni vetustum et ad ruinam tendens de novo reformavit, castrum Coredi per antecessorem suum constructum in multis refecitb et plura edificia in aliis castris fecit; domum etiam episcopalem Bozani que pluribus annis per comites Tyrolenses tenebatur recuperavit acc pluribus edificiis reformavit, et per incendium generale ibidem vigens combusta de novo reformare inceperat, cuius tempore valles Annanie et Solis defecerunt ab ecclesia tridentinad factione certorum bannitorum et criminosorum, et qui premebantur ex ere alieno, quibus dux Sigismundus ad seductionem ac persuasionem certorum sediciosorum concesserat salvumconductum huiusmodi rebellionem procurarunt et dederunt se principi Sigismundo qui tamen redditus omnes ipsi episcopo cedere permittebat (…)“144. (C) „quam historiam (…) conscribi (…) fecit reverendus in Christo pater d. Johannes Hinderbach, decretorum doctor eorum successor, de partibus hassie oriundus, utriusque lingue tam latine quam germanice conituse ac olim serenissime ac dive memorie d. Leonore Romanorum imperatricis cancellarius (…)“145.

Diese drei Entwürfe bieten eine Fülle von Einzelheiten, einmal zu Hinderbachs persönlicher Biographie: er gibt nähere Angaben zur Geographie seines Lebensgangs – Hessen, Österreich, Italien; er nennt seinen Doktortitel im geistlichen Recht und die Universität, an der er ihn erlangt hat – genau nach der Notiz in einem seiner Kalendare und den allgemeinen Beobachtungen zu den Bischofsbiographien des 15. Jahrhunderts mit zunehmender Erwähnung des Universitätsstudiums; Hinderbach stellt sich selbst oratorische Befähigung in zwei Sprachen aus, Latein und Deutsch, ein Beleg, der beim späteren Katalog (B) fehlt, aber für ihn wohl doch eine echte Qualifikation darstellte, eigenhändig noch einmal in der Unterfertigung Martin Rautenstocks von Kempten (C) ausdrücklich betont.

a

factos und illos korrigiert aus factum und illum. über der Zeile auf reformavit getilgt. c zwei Buchstaben getilgt. d ab ab in über der Zeile mit Einschubzeichen. e durch Hinderbach korrigiert in gnarus und am Rand: peritus (…) serenissimi ac invictissimi principis d. Friderici imperatoris augusti consiliarius ac. b

144 145

ASTn, APV, sez. lat., cod. 32, f. 5v-6. BCTn, ms 1795 (der ganze Passus [C] ediert in: PBE, scheda 7, S. 58).

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Für ihn bleibt als zweites zum eigenen Selbstverständnis unerläßlich der Bezug auf den Königsdienst, erweitert um die Stellung bei der Kaiserin in seiner Eigenschaft als orator et secretarius. Die Erwähnung Eleonores wurde im späteren Papierfaszikel gestrichen, doch er erinnerte sich mit Stolz bei anderen Gelegenheiten daran – das zeigt den besonderen Wert, den er beimaß seinem eigenen diplomatisch-politischen Dienst und der ganz speziellen Verbindung mit seiner Herrin. Schließlich folgen die „Gaben“, die er dem gläubigen Volk seiner Diözese überbrachte: aus Rom ein Marienbild, Kopie jenes berühmten Gemäldes, das der Evangelist Lukas geschaffen haben soll und sich in der Kirche S. Maria del Popolo befand; Paul II. bestätigte die Echtheit, gestattete die Verehrung und gewährte einen Ablaß. Weiter ließ Hinderbach die in Trient erhaltene Armreliquie des Schutzpatrons der Diözese, des heiligen Vigilius, in einer aufrechten Position neu einrichten, „modo Romane ecclesie“ und nach dem Vorbild anderer Kirchen mit diesem Typus von Armreliquiaren. Die Überreste der Märtyrer Sisinius, Martyrius und Alexander aus römischer Zeit ließ Hinderbach 1472 in einem neuen Sarkophag beisetzen, dazu einen neuen Chor in der Kirche von Sanzeno weihen und einen Teil der Reliquien nach Trient überführen. Drei Jahre später geschah jener schon erwähnte Vorfall mit dem kleinen Simon, und Hinderbach wandelte das Haus, in dem sich das Martyrium ereignet haben sollte, in eine Kapelle zu Ehren des Leidens Christi und der Unschuldigen Kinder um; der unverweste Körper des Jungen – ein Zeichen der Heiligkeit – bewirkte dort Wunder, die dann eine starke Verehrung anstießen; mit den dadurch bereitgestellten Opfergaben konnten Kirche und Chor von Sankt Peter wiederhergerichtet werden, wo Hinderbach das Leiden Christi und des kleinen Simon bildlich darstellen ließ. Hinderbachs Selbstporträt nach der Version A wurde vor seinem Tod in das neue Papierfaszikel B übertragen mit einigen Änderungen, die darin bestanden, daß eher persönliche Einzelheiten weggelassen sind, möglicherweise aus Gründen einer inneren Stringenz. Dafür ist dann in der späteren Fassung der weltlichen Regierung des Fürstentums ein größerer Raum gelassen, vor allem der Rückgewinnung einiger temporalia gegenüber dem Landesherrn von Tirol, Erzherzog Sigismund – auf den großen zeitlichen Abstand zwischen Wahl und dem Einzug in den Castello del Buonconsiglio wurde schon bei den Kalendaren hingewiesen. Dazu tritt dann die Restaurierung der Bischofsresidenz in der Stadt und des Buonconsiglio (ebenfalls bei den Kalendaren schon erwähnt), schließlich der Kastelle von Tenno und Coredo. Weiter aufgenommen wird der Ausbau weiterer Befestigungsanlagen, die Wiederinbesitznahme und Herstellung der Bischofsresidenz in Bozen, lange Zeit durch den Grafen von Tirol widerrechtlich besetzt; endlich erscheinen die Aufstände im Val di Non und Val di Sole, schon in den Kalendaren. Falls, wie gesagt, die spätere Fassung des Katalogs auf Hinderbachs Anweisung

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zurückging, kann auch vermutet werden, daß die Überarbeitung des Selbstporträts mit seiner Zustimmung geschah – eingeschlossen die Anspielung auf den Streit mit Kardinal Gonzaga und seine Bemühungen an der Kurie zur Anerkennung des Seligenkults für den kleinen Simon146: so ließe sich auch erklären die Verbindung zwischen seinen Vermerken in den Kalendaren und den neuen Hinweisen im endgültigen Selbstporträt. Die Aufnahme von neuen Einzelheiten über das weltliche Regiment geben ein ausgewogeneres Bild des Fürst-Bischofs im Vergleich zur früheren Fassung mit ihren kultischen Schwerpunkten. Hinderbachs Selbstdarstellung wurde bis zu einem gewissen Maß natürlich vom literarischen Genus, von der Reihe seiner Vorgänger und den Papstkatalogen geprägt, möglicherweise durch den seines persönlichen Freundes Platina147. Größtenteils entspricht sie der Anlage vieler anderer Selbstporträts und der Autobiographie im Zeitalter des Humanismus: patria, genus, educatio, res gestae148. Darüber hinaus hat sein Porträt natürlich eine gewisse Offizialität und zwar in dem Sinne, daß er bei seiner Selbstbeschreibung sich schon eines Publikums bewußt war. Von daher ist auch ein Vergleich mit den biographischen Einzelheiten aus den Kalendaren aufschlußreich, weniger darauf angelegt, den Wünschen seiner Leser entgegenzukommen und noch nicht zu sehr durch Stereotypen vorgeprägt: Die Bischofskataloge enthalten genauere Auskünfte zum Reliquienkult; manche Hinweise zu Bautätigkeit und politischen Vorgängen fehlen, die aber in der späteren Fassung (B) von Neuem erscheinen. Der eigentliche Unterschied besteht darin, daß einige Einzelheiten der Kalendare in den Bischofskatalogen zurücktreten, weil eher als Ämterbiographie konzipiert und orientiert entlang der jeweiligen Funktionen. Insgesamt gewinnt Hinderbach „Identität“ durch seinen Memorierungsprozeß bei den Kalendaren und in den Katalogen. Als Quellenarten der memoria 146 Daß die Transkription in die Amtszeit Hinderbachs fiel, wird durch die Anmerkung zu seinem Todesdatum und Einzelheiten dazu von späterer Hand belegt. 147 Über den römischen Papstkatalog, den Hinderbach mehrfach erwähnt, I. Rogger, Interessi agiografici, S. 327. Ein besonderer Hinweis auf Platinas Katalog bei BCTn, ms 1556, f. 862: Hinderbach entwirft ein kurzes Porträt Sylvesters I., „prout hec omnia latius in opere kathalogi Romanorum pontificum Bartholomei Platine, bibliothecarii Sixti pape (…) descripsit. Vide in eodem, qu(ia) pulcherrima sunt et condigna“. Zu seiner Beziehung mit Platina, A. Esposito, Il culto del „beato“ Simonino, S. 434, M. Welber, Manoscritti trentini, S. 85, und BCTn, inc. 422, l. III, cap. 100, mit Bezug auf den neuplatonischen Plotin: „Hoc tempore nostro habemus et nos Platonicum philosophum Platinam nomine Leonicensem, Omniboni Leonin. discipulum, hominem (…) doctissimum et bibliothece apostolice (…)latorem, librarium (über der Zeile), amicissimum nostrum, cui Deus longam vitam prorogare dignetur“. Zu Platina, Bartolomeo Sacchi. 148 J. Petersohn, Angelo Geraldini, S. 5, in bezug auf J. Ijsewiin, Humanistic Autobiography, S. 214.

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stellen beide zusammen Hinderbachs „Selbst“ in seinen dynamischen und konstruktiven Grundzügen dar, die sich in die allgemein vorgegebenen Strukturen einfügen; er definiert sich in seiner Beziehung zu Familie, Universität und Kaiserdienst, schließlich durch das Bischofsamt, das sich besonders zeigt durch eine ganz eigene Form von Sakralität: Reliquien, Ikonen, Ablaßwesen. Er sieht sich selbst in einer heilsvermittelnden Stellung, als Bischof, der Ikonen und Ablässe an seine Gläubigen austeilt, Reliquien der Heiligen zur Verehrung anschafft und sogar selbst versucht, einen Heiligen, den Märtyrer Simon, in seiner Diözese zu verankern. Diese prägnante Ausformung des bischöflichen Selbst soll auch für die folgenden Kapitel den Leitfaden abgeben und im Vergleich mit anderen Bischofsmodellen bewertet werden.

II. Seele und Seelenheil 1. Der Bischof und seine Vorbilder „Specula episcoporum“ im Spätmittelalter Jüngere und ältere Forschungen in Italien entwerfen ein eher düsteres Bild der Bischöfe zur Zeit des späten Quattrocento: einerseits scheint ihre Befugnis von einem übermächtigen Papsttum immer weiter ausgehöhlt, andererseits übte der Landesherr innerhalb seines „Staates“ eine zunehmende Kontrolle. Aus diesem Grund konnte der Bischof zum bloßen Funktionär werden, der häufig noch in diplomatischen Missionen im Auftrag beider Gewalten von seiner Diözese entfernt war. Dort versahen die eigentlichen bischöflichen Aufgaben Vikare und Weihbischöfe. Der Bischof verzichtete so auf die persönliche Leitung seiner Herde1. „Tra la vocazione religiosa al proprio perfezionamento e alla guida spirituale del popolo, da un lato, e l’esercizio del potere vescovile dall’altro c’era un rapporto di non completa congruenza e talvolta di vera e propria contrapposizione“2. In diese Perspektive läßt sich ein Bischof wie Hinderbach nur schwer einordnen, ähnlich wie weitere Bischöfe seiner Zeit. Er zeigt keinerlei Verunsicherung in bezug auf seine kirchliche Karriere, im Gegenteil: er strebte zäh und zielvoll die Bischofswürde an – spätestens seit dem Tod des Cusanus 1464, empfand die Wahl in Trient als Glücksfall und setzte alles daran, die päpstliche Konfirmation zu erlangen; danach ging er ebenso gradlinig auf den Kardinalshut zu, wobei ihm aber durch seinen bisherigen Gönner, den Kaiser selbst, die (wohl entscheidende) Unterstützung verweigert wurde. Was aber nicht heißt, daß die Bischofswürde in Trient für ihn nur eine bloße Etappe in einer diplomatischen und politischen Karriere darstellte, ohne jeden geistlichen Bezug; weiter wäre die Annahme verfehlt, daß Hinderbach sich nicht um sein ganz persönliches Seelenheil gesorgt oder die Pastoralaufgaben des Pfarrers und des Bischofs gering geschätzt hätte: Wie noch zu zeigen sein wird, besaß er im Gegenteil eine ausgesprochene religiöse Sensibilität, wie 1 F. Somaini, Un prelato lombardo, S. 939 ff.: diese letzte Gesamtdarstellung (J. 2003) sammelt zwar eine breitgestreute Literatur, die aber in ihrer jeweiligen Zeitbedingtheit nicht genug kritisch gewürdigt erscheint. Vor Somaini vgl. auch A. Prosperi, La figura del vescovo und G. De Sandre Gasparini (Hrsg.), Vescovi e diocesi. 2 A. Prosperi, La figura del vescovo, S. 222.

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sicherlich andere Bischöfe des 15. Jahrhunderts auch. Mit welchen Maßstäben sollte also die Forschung diese Gruppe der Bischöfe messen? Alles hängt von den zeitgenössischen Modellvorstellungen ab, die in vielfältiger Weise vorliegen, wie schon Adriano Prosperi vermerkt – eine breite Palette je nach Stand- und Gesichtspunkt, und dementsprechend gestaltete sich auch die Erwartungshaltung gegenüber den einzelnen Bischöfen. Dieser Pluralismus bedeutet gleichzeitig eine breite Fächerung für die Zeit vor dem Konzil von Trient, eine Entwicklung, die nicht durch die sogenannten Reformkonzilien ausschließlich vorgezeichnet worden war, sondern im Gegenteil sollte gerade dieses Bischofsmodell, das die Forschung Italiens lange mit ihren Vorstellungen in eine bestimmten Richtung gedrängt hat, relativiert werden – der Idealtyp des Bischofs gemäß der katholischen Reform ist der bezeichnende Titel einer grundlegenden Arbeit von Hubert Jedin aus dem Jahre 19423. Dabei bewegt er sich ausgehend vom Tridentinum hin zu einem weitgefaßten Reformbegriff, bei dem er als entscheidende Stationen das 11., 15. und 16. Jahrhundert ausmacht: die sogenannte katholische Reform des 16. Jahrhunderts ist in Verbindung mit der Reform des Hoch- und mit bestimmten Reformbestrebungen des Spätmittelalters in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu sehen. Mit diesen Voraussetzungen kann Jedin z.B. Jean Gerson als einen „Vorläufer“ der katholischen Reform einordnen, insofern der Kanzler der Universität Paris die Seelsorge als Kernpunkt für die bischöfliche Amtsaufgabe vorgab. Bei einer Predigt auf einer Synode von Reims im Jahre 1408 unterstrich er, daß der Mittelpunkt aller bischöflicher Pflicht die Verkündigung sei – persönlich oder durch Vertreter, etwa Bettelorden oder speziell geschulter Säkularklerus; je höher das kirchliche Amt sei, desto bindender die Verpflichtung zur Predigt. Als Kernstück seiner Reformbestrebung erschien die Seelsorge, also die Spendung der Sakramente, weiter Pastoralvisiten und Diozesansynoden. In einem zeitgenössischen Brief an einen neugewählten Bischof tritt die Verpflichtung zur Seelsorge noch stärker hervor: Gerson empfahl häufige Abhaltung von Synoden, Weihe- und Pfründenkollation nur an würdige Kandidaten, damit auch ihre strenge Prüfung, schließlich eine allgemein bessere religiöse Unterweisung der Gesamtbevölkerung4. Mit diesen Forderungen traf Gerson nach Jedin genau die Problematik der spätmittelalterlichen Reformvorstellungen, Belebung und Verstärkung der Seelsorge. Doch obwohl Gerson einer der meistgelesenen Reformer des 15.

H. Jedin, Das Bischofsideal. J. Gerson, Oeuvres complètes, Bd. 2, Nr. 29, S. 108-117 (der Brief stammt, mit einigem Vorbehalt, aus dem Jahr 1408). 3 4

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Jahrhunderts war5, wirkte er nicht schulbildend auf eine ganze Generation von Bischöfen in der Zeit vor dem Konzil von Trient. Ebenso ohne weitergehende Wirkung blieb der Traktat Dionysius’ des Kartäusers (1402-1471)6. „De vita et regimine presulum“ entstand auf Grund von Erfahrungen aus den Jahren 1451/52, in denen er Cusanus auf seiner Reise nach Deutschland als päpstlichen Legaten begleitete7. Dionysius stellte vor allen Dingen die Gefahr der sogenannten exteriora heraus und griff damit auf die alte Problematik der Fürstbischöfe des Reiches zurück. In seiner Auffassung rangierten die geistliche Gewalt, die pastorale Verpflichtung und die sogenannte conversatio episcopalis vor den weltlichen Aufgaben des Bischofs als „Landesherr“. Zur Veranschaulichung führte er eine Vision der heiligen Brigitta an: jeder Bischof sollte sich von den Infuln nicht entfernen, d.h. von seinen geistlichen Aufgaben; er sollte alle bischöflichen Amtshandlungen in eigener Person erfüllen, z.B. die Konsekration der Geistlichen und die Verkündigung. Dionysius nahm die Reformidee eines Pierre d’Ailly und des schon erwähnten Gerson auch zur Wiederbelebung der Provinzialsynoden auf, ohne sich jedoch mit Einzelfragen genauer zu beschäftigen; für diese Anregungen fand er aber keine Leser oder Autoren, die seine Ideen weiterverfolgten oder ausformten. Nach diesen Vorgaben durch Gerson und Dionysius im Gefolge des Cusanus8, scheint Hinderbach sich kaum ausgerichtet zu haben: in den zwanzig Jahren seiner Tätigkeit in Trient berief er weder regelmäßig noch häufig Diözesansynoden – nur eine Synode am Anfang seiner Tätigkeit9 und Nach Moeller kann er in gewisser Hinsicht als „Kirchenvater“ für die deutschen geistlichen Schriftsteller bezeichnet werden: B. Moeller, Frömmigkeit, S. 80. 6 Über den Autor M.A. Schmidt, Dionysius der Kartäuser, S. 164-176. 7 Dazu E. Meuthen, Die deutsche Legationsreise, S. 421-499 und Acta Cusana, Bd. 1/3a. 8 Cusanus verfaßte eigens einen kleinen Bischofsspiegel innerhalb des Statuts „Que circa officia episcoporum“ zur Provinzialsynode Salzburg vom 3.-10. Februar 1451: dem Bischof wird die Visitation seiner Diözese und besonders der Pfarre und Pfarreien auferlegt, um die Nachlässigkeit „in exercicio cure“ zu vermeiden; dazu kommt die Verpflichtung, die pontificalia in eigener Person zu feiern, weiter das Evangelium zu verkünden und auch die Messe an den Festtagen zu halten; ebenso die Aufforderung zur jährlichen Abhaltung der Pastoralvisite und einer Synode, weiter die cura monialium, dann die Prüfung des nichteinheimischen Klerus ohne Empfehlungsschreiben, schließlich die öffentliche Bußfeier: Acta Cusana, Bd. 1/3a, Nr. 1000, S. 701-702. Über ähnliche Bestrebungen Hinderbachs in seiner Diözese vgl. D. Rando, „Religiosi ac presbyteri vagabundi“. 9 So interpretiere ich einen Passus seines Rundschreibens („Sempiterna pastoralis officii“) an den Klerus seiner Diözese: „Licet autem in primordio assumptionis nostre ad premissa facienda (…) vos paterne exhortati fuerimus (…)“ (ASTn, APV, sez. lat., capsa 43, Nr. 12). 5

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eine Ostersynode von 147210 sind indirekt belegt; ebenfalls spärlich, sogar verschwindend klein, sind Anzeichen für Pastoralvisiten11, schließlich fehlen völlig Hinweise für ein größeres Engagement bei der Predigttätigkeit. Von daher war Hinderbach sicherlich kein richtiger „Hirte“ für seine Gemeinde nach Gersons Vorstellung, oder genauer: er verstand Seelsorge in einem anderen Sinn als Gerson. Dessen Modell ist nur einer der Entwürfe im 15. und 16. Jahrhundert, in ihrer Vielfalt bisher wenig bekannt, da eine Gesamtübersicht und Einzelstudien noch fehlen, wie etwa bei den specula principum von Berges und Singer12; einige markante Vorlagen können doch herangezogen werden. Für das Bistum Utrecht ist ein speculum von vor 1448 erhalten, d.h. für Rudolph von Diepholz (1432-1455)13: die dort zusammengestellten Ermahnungen richten sich mit Ausnahme einiger zur Meßfeier nicht an den Bischof als Hirten, sondern als Territorialherrn14, also mit rein weltlichen Aufgaben als Fürsten, etwa wie die Auswahl von Räten und Funktionären, die honestas beim Hofe und im persönlichen Leben, maßvolles Essen, Kleidung und Unterkunft, ebensolcher Tageseinteilung mit ausreichendem Schlaf. Kernstück aller Bestrebungen ist der „princeps iustus et pacificus“, der die Witwen und Waisen schützt, den öffentlichen Frieden wahrt, Kriege nach Außen und Streitigkeiten von Innen verhindert, die eigenen Städte stärkt, deren Rechte nicht mindert und die bona, iura et dominia in ihrem Bestand sichert. Gegenstand war also vor allem die Realität der damaligen Welt: die Unsicherheit der Straßen, das ganze Fehdewesen, die Aufsplitterung der Territorien. Nicht zufällig erscheint dieser Katalog teilweise schon in der Chronik der Grafen von der Mark bei Levhold von Nordhoff; er stellt als Einleitung genau ein speculum principis voran, an den Grafen Engelbert III. von der Mark (1357-1358) gerichtet15. 10 Ebd. Auch das Konzil von Basel hatte die Vorschrift der jährlichen Synode übernommen „in octava resurrectionis“; daran hielt sich der Kusaner: Acta Cusana, Bd. 1/3a, Nr. 1000, S. 702. 11 Zum schon erwähnten Rundschreiben (vgl. Anm. 9) lautet der Kanzleivermerk: „Patentes in visitatione“. 12 W. Berges, Die Fürstenspiegel; B. Singer, Die Fürstenspiegel. Weitere Beobachtungen technischer und methodologischer Natur über die sogenannten „gesta episcoporum“ bei M. Müller, Die spätmittelalterliche Bistumsgeschichtsschreibung, S. 1-14. Eine weitere Bischofsbiographie, die ganz besonders auf die hagiographische „Einfärbung“ Rücksicht nimmt: Johannes Schallermann, Bischof von Gurk († 1465), den Hinderbach gut kannte (F. Fuchs, Ein Westfale in Kärnten). 13 Nach seinem Tod entstand der S. 176 f. beschriebene Nachfolgestreit. 14 Vgl. B. Singer, Die Fürstenspiegel, S. 17, der aus diesem Grund für gerechtfertigt hält, den Text des Gert von Schnuren unter die Fürstenspiegel aufzunehmen. 15 A. Werminghoff, Drei Fürstenspiegel, S. 167-169. „Kein Zweifel: das Ideal eines Bischofs, wie es noch vor rund einem Jahrhundert Levold von Northof gezeichnet

II. Seele und Seelenheil

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Ganz anders lautet der Entwurf Kardinals Peter Schaumberg, 1424-1469 Bischof von Augsburg, besser Entwürfe, denn wenigstens drei liegen vor16, gerichtet an verschiedene Leser oder Hörer; alle drei loben nach seinem Tod in gleicher Weise die Verdienste des Bischofs um seine Kirche und die res publica: Heinrich Lur, Pfarrer in Dillingen, wo der Kardinal verstorben war, hielt fünf Tage später eine lange Leichenrede17. In ihr feierte er Schaumbergs menschliche Qualitäten wie Beredtheit, Klugheit und körperliche Schönheit, seine geistlichen Vorzüge wie tadellosen Lebenswandel und theologische Bildung, seine Erfolge im öffentlichen Wirken wie seine Gesandtschaften als Kardinallegat, Botschafter und Vertreter von Papst und Kaiser auf dem Konzil von Basel. Lur will sich nicht über Einzelheiten seiner Amtsführung („de dispositione prime domus“) noch über die Begräbnisstätte („secunda domus“) weiter auslassen, sondern über die Bemühungen um das eigene Seelenheil („tertia domus“): mit zunehmendem Alter habe Schaumberg seine Bußübungen ausgeweitet, auch bei Krankheit die Messe gefeiert und stets mit sich ein kleines Buch „de bono ordine moriendi“ geführt. Er habe Herzensstärke bewiesen und dabei auf seine klugen Räte vertraut, sich freigiebig gegenüber Armen und persönlich sanftmütig und mitleidsvoll gezeigt18. Wenige Tage später hielt der Kanoniker Johannes Gossolt die offizielle Trauerrede vor dem Diözesanklerus. Er betrachtete dabei ecclesia und res publica gleichermaßen, stellte die schon erwähnten guten Eigenschaften und die tiefe Gläubigkeit des Verstobenen heraus; er erinnerte daran, wie der Kardinal Geistliche ordiniert, die Messe gefeiert und alle anderen Funktionen als Bischof persönlich ausgeübt habe. Schaumberg pflegte sich die Hl. Schrift nicht nur während des Essens vorlesen zu lassen, sondern immer, wenn Gelegenheit dazu bestand; schließlich habe er sich ebenso gewissenhaft mit Meditation und Predigt über das Leiden Christi auf den eigenen Tod vorbereitet19. Fünfundzwanzig Jahre nach dem Tod des Kardinals stellte ihn im Jahre 1494 der bischöfliche Pönitentiar Magnus Pirckmann als doctus, prudens, animosus hatte, (…) hat sich in dieser Zeitspanne und überdies in Anlehnung an sein Ideal des Laienfürsten noch weiter säkularisiert“ (S. 169). 16 Neben Magnus Pirgmann, Johannes Gossolt und Heinrich Lur auch Sigismund Meisterlin, der ihn bei drei Werken erwähnt (A. Schröder, Petrus Kardinal Schaumberg, S. 695-698). 17 Die Rede wurde am 7. April 1469 in Dillingen während eines feierlichen Gedenkgottesdienstes gehalten: ebd., S. 700. Über Lur als Kanoniker von Trient, E. Curzel, I canonici e il Capitolo, S. 518. Vgl. auch Literatur bei H. Müller, Habit und Habitus, S. 139 und 171-172, Anm. 103: Vorschlag zur Errichtung von Gymnasien im Kloster. 18 M. König, Heinrich Lur’s Gedächtnisrede, S. 107-126. 19 A. Schröder, Petrus Kardinal Schaumberg, S. 700-707 (S. 707-723 Ed. der Trauerrede).

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dar. Schaumberg habe sich immer mit klugen und starken Ratgebern – sowohl geistlichen und weltlichen – umgeben, mit denen er zusammen kritische Situationen meistern und Gefahren schon im Keim abwenden konnte. Ihm sei eine Wiederherstellung der Besitztümer des Bistums gelungen, die er dann aber nicht seinen Günstlingen oder Familienangehörigen zugeschanzt hätte; im Gegenteil: er sei immer freigiebig gegenüber den Armen gewesen. Durch seine natürlichen Begabungen habe er alle Schwierigkeiten des weltlichen und geistlichen Lebens in seiner Diözese überwunden20. Von daher erscheinen die Gedenkreden auf den Kardinal ebenso wie das speculum des Bischofs von Utrecht kaum in einem engen Bezug zum Tridentiner oder von Gerson entworfenen Bischofsmodell; bezeichnend ist, wenn drei geistliche Autoren vor einem geistlichen Publikum für einen überdurchschnittlichen Bischof wie Schaumberg seine sollicitudo pastoralis nur als nachgeordnet erwähnen. Ähnlich wenig ergiebig in diesem Punkt sind die skandinavischen Bischofschroniken im Spätmittelalter, die Elisabeth Mornet untersucht hat, im Bestreben, „l’image du bon evêque“ herauszufiltern, also das Bild oder wenigstens die Umrisse, die Bischöfe selbst oder ihre Umgebung von einem Hirten mit hervorragenden Eigenschaften zeichneten21. Er sollte in erster Linie prudens und benignus sein, schon seit langem persönliche Qualitäten als Bestandteile im kanonischen Recht und vor allem im „Decretum Gratiani“. In diesem Zusammenhang ragt die Freigiebigkeit heraus, zu verstehen vor allen Dingen als Großzügigkeit gegenüber Armen, aber noch mehr auch in der großzügigen Ausstattung für den Gottesdienst und in der Vermehrung der kirchlichen Güter. Dazu kommt noch ein dem Rang entsprechendes, äußeres Erscheinungsbild, das zusammengeht mit Entschlußkraft und Charakterfestigkeit, durchaus kämpferisch in der Verkündigung des Evangeliums und in der Verteidigung der Kirchengüter, zum Schutz der Armen und Schwachen. Der gute Bischof ist derjenige, der sich bemüht, seine Amtspflichten zu erfüllen, sein Bistum zu leiten und die Regierungsgeschäfte gewissenhaft durchzuführen, d.h. insgesamt gesehen ein guter Administrator und Verwalter22. Nach der Bekehrung zum Christentum bleibt eigentlich nur die Aufgabe der Leitung der Gläubigen, das bedeutet Fürsorge auf bestimmten Problemfeldern: ganz wenige Nennungen beziehen sich auf die persönliche Feier der Messe und die Spendung der Sakramente23, daneben erscheinen auch einzelne Hinweise zur Predigerbefähigung, wohingegen die Pastoralvisiten nur bei einem einzigen 20 „Prudens in factis providusque in consiliis“: A. Steichele, Fr. Wilhelmi Wittwer, S. 270-272. 21 E. Mornet, L’image. 22 Ebd., S. 35. 23 Nach Mornet nur Routine (ebd., S. 36).

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Bischof und das auch erst nach der Reformation erwähnt sind. Der Schwerpunkt liegt eindeutig im Vollzug der Liturgie und den Amtshandlungen: Kirchenbau, vor allen Dingen die Kathedrale; würdiger Gottesdienst durch reiche Ausstattung mit liturgischen Kirchengeräten, Förderung des Heiligenkults, all das läßt sich mit zwei herausragenden Aufgaben zusammenführen – Sicherung von pax et iustitia für die Kleriker und die Gesamtheit der Gläubigen. Das Ideal des guten Bischofs besteht also im Zusammenwirken von verschiedenen Eigenschaften, die das Bild einer Persönlichkeit mit vielen Facetten entwerfen; der Bischof sollte einerseits ein geistlicher Führer und hervorragender Politiker sein, befähigt zu praktischem Handeln und Verwaltung, Eigenschaften, die auch dem Vorbild der „Heiligen Bischöfe“ zukamen. Dabei bleibt auffällig, welche Bedeutung „effizienter“ Amtsführung und untadeliger Kultpflege beigemessen wird. Hier zeigt sich eine gewisse Kontinuität mit dem Idealbild, bei dem der Bischof in der früh- und hochmittelalterlichen Tradition als princeps, als Fürst, gesehen wird: freigiebig, großzügig und gleichzeitig im Bewußtsein der eigenen Würde, vor allem als Mehrer der Größe und Freiheit seiner Ortskirche. Dazu lassen sich auch ähnliche Charakteristika aus den spätmittelalterlichen Chroniken zum Bistum Köln anführen; sie wurden 1996 von Wilhelm Janssen untersucht, der aber stark den stereotypen Erzählcharakter betont, eher von einem Typus als von Individuen ausgehend und den religiös-kirchlichen Aspekt in den Hintergrund drängend: die Verfasser der Chroniken schrieben – pointiert formuliert – die Bischofsviten fast „sine ecclesiasticis“ oder „sine spiritualibus“24. Dabei bezieht sich Janssen darauf, daß nach einer Wortanalyse Adjektive, die sich auf spezielle religiöse Vorzüge bezögen, fast vollständig fehlten25; Maßstab für die Verfasser der Chroniken war danach eher das Verhalten eines Bischofs in der weltlichen Verwaltung der „ecclesia Coloniensis“, also inwiefern das Stift von der Landesherrschaft profitierte oder Verluste hinnehmen mußte26. Aus dieser keinesfalls erschöpfenden Betrachtung lassen sich einige Erkenntnisse ableiten: in erster Linie besteht eine gewisse Schwierigkeit und auch Fragwürdigkeit, ein allgemeingültiges und in sich stimmiges Modell für ‚den‘ vorbildlichen Bischof abzuleiten; zum zweiten ergibt sich zwingend die Bedeutung der weltlichen Seite27 in der Amtsführung der Einzelbischöfe, vor allem im Reich wie eben Hinderbach – Verantwortung und Machtbewußtsein wogen schwer für eine Person, die gleichzeitig temporalia und spiritualia zu W. Janssen, Biographien, S. 138. Ebd., S. 140. 26 Ebd., S. 143. 27 Über den Bischof als Territorialherrn seit der Stauferzeit M. Müller, Die spätmittelalterliche Bistumsgeschichtsschreibung, S. 5-6. Danach wurde erst im späten 14. Jahrhundert die geistliche Seite des Bischofsamtes „wiederentdeckt“ (S. 8). 24 25

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repräsentieren und zu verteidigen hatte. Dabei blieb für die Zeitgenossen der Fürst und der Bischof untrennbar verschmolzen, und der „gute Bischof“ konnte gar nicht die temporalia seines Bistums vernachlässigen, die ja fester Bestandteil der Aufgaben und Rechte seines Bischofssitzes waren. So wird verständlich, daß Hinderbach seine Amtsführung sehr ernst nahm, was einmal in der Führung der Kalendarien und später in seinem Epitaph Niederschlag fand. Die Erinnerung an die Aufstände in Val di Non und Val di Sole ging in die Kalendarien mit dem Gedächtnis an die Hll. Sisinius und Martyrius ein28, dann in den Epitaph zur Feier der pax laeta, mit der Hinderbach endlich Herr der Aufstände wurde29 – all das erinnert an die energische Hand des Kardinals Schaumberg für sein Bistum Augsburg30. Fürst, Verwalter und Verteidiger seiner Bischofsrechte: so sah sich unbestreitbar Hinderbach selber31, im vollen Bewußtsein der vielfältigen Aufgaben, die aus seinem Amt resultierten. Er war ganz der antistes, also der Vorsteher seiner Gemeinde, ein Ausdruck, den er dem des episcopus als Subskription bei weitem bevorzugt. Weiter gaben die specula noch eine Qualität vor: nach den Kölner Bischofschroniken bestand eine der wenigen geistlichen Aktivitäten des Bischofs darin, möglichst viele Reliquien zu erwerben, Klöster zu gründen und eine rege Bautätigkeit zu entfalten – etwa wie in der Antike. Diese durchgängigen Elemente sind auch in den skandinavischen Bischofschroniken und in dem von Hinderbach gelieferten Profil zu finden32. Das Fortleben ist Hinweis auf ein weitzurückreichendes Bild des „guten Bischofs“, das teilweise in die späten Bischofschroniken hineinreicht; bei ihnen erscheint die Bischofsstadt gleichsam als Abglanz der himmlischen „heiligen Stadt“ – etwa wie Köln, Mainz oder Trier. Hierbei handelt es sich sicher nicht nur um einfache Topoi, ebensowenig bei Hinderbach und seinem Selbstbild aus den Kalendarien und dem Bischofskatalog. Eine gewisse Arbeitshypothese könnte lauten, daß bei ihm die cura animarum eine andere Akzentuierung hat als bei dem schon erwähnten Gerson, doch sie unterscheidet sich nicht wesentlich von der I. Rogger, Interessi agiografici, App., S. 363. „Pace sva leta perdomvit populos“ (aus Hinderbachs Grabinschrift durch B. Bonelli, nochmal wiedergeben von A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 31 und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 432). Über die Beziehungen zu den Landgemeinden, G.M. Varanini, Il vescovo Hinderbach. 30 Zum Bischof als Friedenstifter bei Jakob Wimpfeling und Johann Hebelin von Heimbach, M. Müller, Die spätmittelalterliche Bistumsgeschichtsschreibung, S. 410. 31 Vgl. die verschiedenen Aufsätze unter dem Obertitel: Il governo del principato, in: Il principe vescovo, insbesondere G.M. Varanini, Il vescovo Hinderbach und M. Bellabarba, „Jus feudale tridentinum“; dazu dann D. Rando, L’episcopato trentino, und M. Bellabarba / G. Olmi (Hrsg.), L’età moderna, unter dem Stichwort Hinderbach. 32 W. Janssen, Biographien, S. 139. 28 29

II. Seele und Seelenheil

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im skandinavischen, Kölner, Trierer Raum33. Neben seiner Verwaltung der Temporalien und Bautätigkeit besteht die Sorge um die Marienikone und die Ablässe, der Heiligenkult durch die Translationen und Reliquien, die „Erschaffung“ eines Seligen, Wunder und Pilgerreisen – alles zusammengenommen durchaus Züge einer individuellen Frömmigkeit, die sich in der Tätigkeit als Bischof umsetzte, in Sorge um sein eigenes Seelenheil und um das der ihm anvertrauten Gläubigen. Bevor dieser Ansatz untersucht werden soll, noch ein Blick darauf, welchen „Typ“ des Prälaten und Klerikers Hinderbach in seinen eigenen Texten vorfindet und zur Kenntnis nimmt. Ideal und Konvention Bei einer Persönlichkeit seines Schlages gab einmal das literarische Vorbild gewisse Konturen vor. Obwohl sich kaum der Zusammenhang zwischen Vorbild und wirklich Gelebtem eindeutig feststellen läßt, sollen nun die Texte von Hinderbachs Lektüre und die zahlreichen Anmerkungen dazu ausgewertet werden, die sich mit dem Bild des Bischofs oder ganz allgemein mit dem des Priesters auseinandersetzen. Am Anfang steht eine nicht vor 1475 erworbene Inkunabel, also wenigstens zehn Jahre nach Hinderbachs Bischofsweihe, ein großer Quartband, den er sorgfältig studiert und häufig mit Postillen versehen hat, das „Rationale divinorum officiorum“ Wilhelm Durands d.Ä.34. Durand begann das „Rationale“ nach seiner Wahl zum Bischof von Mende im Jahre 1285, die Ausarbeitung zog sich noch einige Zeit hin. Mit ihm wollte er dem allgemeinen Unwissen der Geistlichen über den Vollzug und die Bedeutung liturgischer Handlungen entgegenwirken; in seinem kompilatorischen Charakter enthielt das „Rationale“ eine genaue Beschreibung jeder Zeremonie und erlaubte so eine peinliche Beachtung der einzelnen Riten bis in die kleinste Kleinigkeit. Als eine Art Handbuch der Liturgie erlangte es weite Verbreitung: im kurzen Zeitraum zwischen 1460 und 1500 z.B. erlebte es 43 Ausgaben und war so nach der Bibel der am häufigsten gedruckte Text des 15. und 16. Jahrhunderts35.

Um die einzelnen Gegenstände der Sammlung in acht Büchern auszubreiten36, wandte Durand die allegorische Methode an, die schon für die Bibel und seit Amalarius für die Messe verwendet wurde und sich dann auf die 33 Nämlich in der späteren „Epitoma alias medulla“ von 1517: M. Müller, Die spätmittelalterliche Bistumsgeschichtsschreibung, S. 158 f., 429 ff. 34 BCTn, inc. 2, am 8. März 1475 gedruckt. 35 G.H. Buijssen, Durandus’ Rationale, S. 15-26. Ebd. über den Begriff „Rationale“ nach der Bibelstelle Ex 25,7. 36 Die acht Bücher sind gewidmet dem Kirchengebäude und den Sakramenten; den Geistlichen und Kirchenämtern; den Paramenten; der Messe; dem Stundengebet; dem liturgischen Jahr; den Heiligenfesten; dem Kalendarium und der Komputistik.

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ganze Liturgie ausgeweitet hatte. Handlungen, Paramente, Kultobjekte boten Durandus Anlaß zu moralischen Ermahnungen („moralische oder tropologische Allegorese“), dazu traten noch kurze Szenen aus der Heilsgeschichte („rememorative oder historische Allegorese“), schließlich eschatologische Schlußbetrachtungen („eschatologische oder anagogische Allegorese“). Hinderbach fand im zweiten Buch („De ministris et ordinibus ecclesiasticis et de eorum officiis“) je ein Kapitel über den Priester und den Bischof, mit historischen oder etymologischen Erklärungen und den entsprechenden Funktionen in der Kirche oder andere liturgische Einzelheiten. Insgesamt genommen entwerfen die beiden Kapitel ein Idealbild von Priester und Bischof, das von ihm sicher studiert und reflektiert worden ist – wie sich aus seine Unterstreichungen und Anmerkungen ableiten läßt. Dabei sind diese Texteingriffe insgesamt gesehen nicht besonders umfangreich, doch in ihrer Art aussagekräftig. Im Kapitel über den Bischof unterstreicht Hinderbach verschiedene Passagen zum wortwörtlichen und allegorischen Gehalt des Terminus episcopus und seiner Synonyme, ebenso wie die Passagen zur Bischofskathedra37. Im Stil seiner Lektüremethode kennzeichnete er Bibel- und Kanonistikzitate, darunter das Paulus-Wort (1 Tim 3,1): „Wer ein Bischofsamt anstrebt, der will auch ein gutes Werk verrichten“, denn, so fährt Durand fort, „das Bischofsamt ist kein honos, sondern ein opus“38 – Hinderbachs Unterstreichung gerade dieser Zeilen dürfte einer Persönlichkeit wie ihm, der sich dem bischöflichen Amt so verschrieben hatte, nicht schwergefallen sein. Ebenfalls versah er die Feststellung Durands, nach der die Bischöfe Nachfolger der Apostel seien39, mit einer Randbemerkung und stellte mit einem „nota in episcopo“ besonders die Passage heraus, in der Durand den säumigen Bischof anhielt, Predigen nicht als Last zu empfinden; darauf folgte die Ermahnung, mehr als der normale Gläubige das „Joch“ des Evangeliums auf sich zu nehmen, von Hinderbach ausdrücklich mit einem Hinweiszeichen versehen40. Zum Begriff des sacerdos lobte Durand ausdrücklich das reife Alter in Verbindung mit dem griechischen Begriff presbyter 41 und dieses Lob unterstrich auch Hinderbach; dazu vermerkte er am Rand „Priester wurden auch 37 BCTn, inc. 2, f. 31: der Bischof erscheint als superintendens; als presul, wenn er einem Konzil vorsteht; als antistes, wenn er, vor den übrigen stehend, „preeminet populo“, oder auch antì, d.h. dagegen, wenn er die Ketzer in die Schranken weist; „pontifex maximus“ usw. 38 BCTn, inc. 2, f. 31. 39 BCTn, inc. 2, f. 30, am Rand Hinderbach eigenhändig: „apostolorum vices episcopi tenent“. 40 BCTn, inc. 2, f. 31. 41 BCTn, inc. 2, f. 30.

II. Seele und Seelenheil

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seniores genannt, also die Herren und Meister der übrigen Gemeindemitglieder“42. An anderer Stelle unterstrich er noch weitere Erklärungen zum Begriff antistes, sacerdos und sacerdotes in ihrer Gesamtheit als Stellvertreter Christi43. Ebenso vermerkt er das Zitat des Hl. Augustinus zum umfangreichen Verzeichnis der Bücher, die Geistliche kennen sollten, und versah den Passus mit einem „nota in presbitero“, dazu zwei senkrechten Merkzeichen an der Seite der Zeilenreihe: „denn“, so fuhr Durand fort, „wenn einem Geistlichen ein einziges dieser Bücher unbekannt sein sollte, verdient er die Bezeichnung Priester nicht“44. Durand ermahnte also Bischöfe und Priester, äußere Zeichnen und innere Tugenden ihres ordo im Einklang zu vertreten, damit sie nicht äußerlich rein, aber innerlich befleckt erschienen, denn ein Priester könne nach außen alle Anforderungen erfüllen und so je mehr in den Augen der Menschen sich als würdig, desto mehr vor Gott aber durch einen unlauteren Lebenswandel als unwürdig erweisen. Hinderbach hebt den ganzen Sachverhalt mit einem „attendendum in episcopo et sacerdote“ und mit einem „nota in sacerdote“ hervor45. Dazu bezieht er sich mit einer manicula auf den Kanon des Konzils von Arles 554, der den Bischof, falls nicht von Krankheit behindert, dazu verpflichtet, in der seinen Aufenthaltsort nächsten Kirche, z.B. der Kathedrale, beim Sonntagsgottesdienst anwesend zu sein46. Ein Merkzeichen findet bei Hinderbach jener Passus, der den Vorrang der Bischöfe vor den Priestern festlegt („mehr aus Gewohnheitsrecht als durch das Amt im Dienste der göttlichen Wahrheit“); ebenso wie die Passage, in der die Bischöfe als Stellvertreter Christi auf Erden bezeichnet werden, in ihren verschiedenen Ornaten wie mit den Waffen eines Faustkämpfers, der den Feind und die geistlichen Übel bekämpft. Hinderbach unterstrich auch noch die Metapher zur Aufforderung: „Zieht an die göttliche Rüstung, damit Ihr alle Nachstellungen des Teufels abwehren könnt“. In den folgenden Kapiteln zu Einzelheiten des bischöflichen Ornats verdeutlicht Hinderbach durch Unterstreichungen oder Merkzeichen die von 42 BCTn, inc. 2, f. 30: „presbiteri seniores appellantur et domini et magistri aliorum“. 43 BCTn, inc. 2, f. 30-30v: „sacerdos a sacrificando (…) sacerdos quasi sacra dans vel sacer dux“ (das erste sacerdos ist unterstrichen sowie die ganze folgende Definition: sacerdos quasi usw.). 44 Nach Augustinus sollten die Priester Missale, Lektionar, Antiphonar, baptisterium, computum, canones penitentiales, die Homelien für den Sonntag und die Feste des gesamten Jahreskreises kennen; falls eins dieser Elemente fehlte, „sacerdotis nomen vix in eo constabit“ (BCTn, inc. 2, f. 30). 45 BCTn, inc. 2, f. 32. 46 BCTn, inc. 2, f. 227v. Vgl. O. Pontal, Die Synoden, S. 108-110 (Wiederaufnahme eines Kanons des Konzils von Orléans 511, ebd., S. 31).

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Durand entwickelten Allegorien. Zum amictus vermerkt er mit einem „nota et istud“ und mit einem senkrechten Merkzeichen die Aufforderung an den Priester, sich frei von Ablenkungen ganz auf seine geistliche Aufgabe zu besinnen, ohne sich in Eitelkeit und Weltlichkeit zu verlieren. Ebenso unterstreicht Hinderbach Durands Metapher, nach der, wie der Byssus leuchtendweiß durch das harte Auswringen würde, sich das menschliche Fleisch, von Natur aus unrein, durch die Ausübung guter Werke und häufige Bußübungen zur Gnade hin wende: „(…) sortitur per gratiam“. Hinderbach hebt weiter durch Unterstreichung hervor die Passagen zum Wert des cingulums, der stola und der Kasel, die Nächstenliebe bedeutet, aber auch das Werk der Gerechtigkeit; dann den Wert der Sandalen, des Symbols der Predigt, und ihrer Riemen (hier vermerkt Hinderbach ein „nota istud“): obwohl der Prälat sich eifrig bewegen soll, muß er seinen Geist gleichsam auf seine Aufgabe konzentriert geschlossen halten, wenn er sich inmitten der Welt befinde. Ein Merkzeichen gilt wiederum den weißen Handschuhen, die Keuschheit und Reinheit anzeigen, und der Mitra als Zeichen für die Schriftkenntnis des Alten und Neuen Testaments. Dazu heben eine manicula und ein Merkzeichen Durands Mahnung an den Bischof hervor, sorgsam darauf zu achten, daß er zuerst gelernt haben müsse, Schüler zu sein, bevor er danach strebe, Meister zu werden. Durands Kapitel über den Bischofsstab versieht Hinderbach mit vielen Unterstreichungen und kleinen Anmerkungen. So fügt er ein Merkzeichen zur Lehrautorität an, die der Bischofsstab versinnbildliche und mit dessen Hilfe der Hirte die Wankenden stützen, die sich Absetzenden zurückführen und die Irrenden zur Buße führen kann. Strenge und Mitleid sollen sich die Waage halten, schrieb Durand, und Hinderbach stimmt ihm durch Heraushebung zu. Ein Merkzeichen geht ebenfalls an den Bischof, der bei der Leitung seiner Herde vor allem geduldig sein, eine manicula an den, der mit den „Waffen“ der Gerechtigkeit nach allen Seiten kämpfen soll; dann wiederum ein Merkzeichen an Keuschheit und Abstinenz, eine Unterstreichung an die vier Grundtugenden des pontifex: Gerechtigkeit, Stärke, Klugheit, Mäßigung, und dann für Glaube, Hoffnung, Nächstenliebe, Bescheidenheit, Sanftmut, Güte; Friedfertigkeit, Mitleid, Freigiebigkeit; Wachsamkeit, Einsamkeit und Ausdauer. Ein „nota in pontifice“ und ein Merkzeichen gehen schließlich an ein Zitat Gregors des Großen, nach dem das Rationale rationale iudicii benannt ist, weil der Hirte ständig klug das Gute und Böse zu unterscheiden weiß47. Soweit Durands speculum, eine Art Handbuch für den Geistlichen und Bischofsspiegel, in dem Hinderbach – schon in den Sechzigern und seit zehn Jahren selbst Hirte einer Diözese – wahrscheinlich mehr Bestätigung als neue Ansichten fand. Die von ihm herausgestrichenen Einzelheiten kennzeichnen doch einige kritische Punkte des damaligen geistlichen Lebens: die bischöf47

BCTn, inc. 2, ff. 32-44.

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liche Verkündigung, die Ausbildung der Priester, ihren Lebenswandel, die Abkehr von der Welt hin zu einem eher asketischen Ideal. Vor der Durandus Lektüre hat sich Hinderbach mit dem Werk des Hl. Hieronymus (ca. 347-420) beschäftigt, der für seinen geistigen Horizont von besonderer Bedeutung gewesen zu sein scheint: in seinem Besitz befanden sich wenigstens sieben Handschriften und Inkunabeln48. Eine Handschrift ist auf Hinderbachs ausdrücklichen Wunsch illuminiert und mit seinem eigenen Wappen versehen worden, neben dem des Fürstbistums Trient – eine der bisher elf aus seinem Besitz bekannten Texte: sechs Handschriften und fünf Inkunabeln. Die Handschrift stammt aus Italien, die Schrift ist durchlaufend die humanistische Rotunde, eine zweite Hand fügt Zitate in Griechisch bei, der Inhalt besteht im Kommentar der Briefe an Titus und Philemon, den Hieronymus-Briefen an Fabiola, Ocean und Nepotian49. Diese Vorlagen hat Hinderbach nicht mit weitschweifigen, sondern eher knappen und prägnanten Anmerkungen versehen; der Inhalt gibt ihm Anlaß zu Überlegungen vielfacher Art, z.B. versieht er mit einem „nota in conferendis beneficiis“ Hieronymus’ Ratschläge zur Priesterweihe50, betont die Verpflichtung für Bischof und Priester, als Spender der Sakramente ohne Beanstandung zu leben, und ermahnt die Priester, sich ihren Oberen zu fügen, ebenso wie die Bischöfe, ihr Amt als wirklicher Vorsteher auszuüben und die Kirche gemeinsam zu leiten nach dem Vorbild des Moses. Hinderbach wiederholt am Rand alle Adjektive, die hervorragende Eigenschaften des Bischofs ausmachen51, und streicht besonders die Bedeutung des sermo heraus, wo Hieronymus denjenigen für das Bischofsamt besonders geeignet erklärt, der sich durch Lehre und Wort als orthodox erweist, und den lobt, der Tag und Nacht die Heilige Schrift und das göttliche Gesetz liest und bei sich vertieft. Beim Thema „de vita clericorum et monachorum“52 widmet Hinderbach große Aufmerksamkeit den Folgen, die sich aus törichten Entscheidungen des Bischofs ergeben können – ein törichter Bischof verderbe die ganze Gemeinde; er versieht alle Ermahnungen des Hieronymus an Nepotian († 295/96) 48 Folgende Handschriften und Inkunabeln: Musée Condé Chantilly, V H 33 und 34; Musée Condé Chantilly, IV A 8 und BCTn, W 3380; BCTn, ms 2412; MPTn, ms 1593; MPTn, ms 1597 und BCTn, ms 1582; dazu kommt noch die vita des Hieronymus in ms 1566. Über das zunehmende Interesse an Hieronymus vor der Reformation als Kirchenvater, Asket und Heiligen der Gebildeten, B. Hamm, Hieronymus-Besteigerung, S. 132. 49 MPTn, ms 1593. 50 MPTn, ms 1593, f. 7v (Hieronymus, Epistulae, Nr. 69, 2). 51 MPTn, ms 1593, f. 8a v-15v: „unius uxoris vir, hospitalis, pudicus, prudens, iustus, sanctus, abstinens“, usw. (Hieronymus, Epistulae, Nr. 69, 3). 52 Der Brief des Hieronymus an Nepotianus: MPTn, ms 1593, f. 91v (Hieronymus, Epistulae, Nr. 52).

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in dem berühmten Brief über die Pflichten der Priester mit einem „nota“ und mit einem Kreuzchen. Der Bischof soll keine Handelstätigkeit ausüben, keine Frauen bei sich wohnen lassen, in irgendeiner Weise sonst Anstoß erregen. Gleichfalls mit kleinen Kreuzchen versehen sind die Ermahnungen an die Priester, sich Papst und Bischöfen unterzuordnen, denn sie seien Diener, nicht Herren, und Verkünder von Gottes Wort an das Volk. Die erwähnte Handschrift enthält ebenfalls den Brief an Fabiola, der auch noch in einer zweiten, elegant geschrieben Handschrift überliefert ist53, nun mit zahlreichen Randbemerkungen. Sein Gegenstand, „de vestibus episcopalibus et sacerdotalibus“, bezieht sich strenggenommen nicht auf die moralischen Eigenschaften von Priestern und Bischöfen, trotzdem richtet Hinderbach besonderes Augenmerk auf die christlichen Tugenden und die moralischen Verpflichtungen des Klerus. Er hebt die Verurteilung von Völlerei und Ausschweifung hervor54, ebenso die Mahnung an die Geistlichen zu Mäßigung und Nüchternheit55 und streicht die Weihehindernisse an, die sich aus körperlichen Gebrechen ergeben56, ebenso das Verbot, nach einer Pollution das gemeinsame Priestermahl zu besuchen57; die Pflicht, Witwen zu unterhalten58, das Recht der Prälaten auf die Primizien59 und der Priester auf den Zehnt60, das Verbot für den Bischof, das Haus eines Sünders ohne vorhergehende Buße zu betreten61. BCTn, ms 2412. BCTn, ms 2412, f. 2: „(…) unde et apostolus : Esca, inquit, ventri et venter escis. Deus autem et hunc et has destruet. Et e contrario de luxuriosis, quorum deus venter et gloria in confusione eorum qui terrena sapiunt“ (Hieronymus, Epistulae, Nr. 64, S. 589). Am Rand Hinderbach eigenhändig vertikales Merkzeichen und: „Nota contra gulam et luxuriam“. 55 BCTn, ms 2412, f. 2v: „(…) precipitur sacerdotibus ne ministraturi in templo vinum et siceram bibant ne in ebrietate et crapula et curis huius vite pregraventur corda eorum“ (Hieronymus, Epistulae, Nr. 64, S. 589), am Rand Hinderbach eigenhändig vertikales Merkzeichen und: „de t(em)p(eran)tia et sobrietate sacerdotum“. 56 BCTn, ms 2412, f. 2v: „(…) ne truncis auribus, leso oculo (…)“ (Hieronymus, Epistulae, Nr. 64, S. 589), am Rand Hinderbach eigenhändig: „qui ab ordinibus sacris repellendi sunt“. 57 BCTn, ms 2412, f. 2v: „(…) si quis e sacerdotibus semine fluxerit ad sacerdotalem mensam prohibetur accedere“ (Hieronymus, Epistulae, Nr. 64, S. 590), am Rand Hinderbach eigenhändig vertikales Merkzeichen und: „nota istud“. 58 BCTn, ms 2412, f. 2v: „(…) et e contrario vidua cuius cum Sara deerunt muliebria propter continentiam et castitatem recipitur in domo patris et de templi erario alitur“ (Hieronymus, Epistulae, Nr. 64, S. 590), am Rand Hinderbach eigenhändig: „de viduis alendis“. 59 BCTn, ms 2412, f. 2v: „primitie ciborum atque pomorum et omnium frugum offeruntur antistiti“ (Hieronymus, Epistulae, Nr. 64, S. 590), am Rand Hinderbach eigenhändig vertikales Merkzeichen, Kreuzchen und manicula. 60 BCTn, ms 2412, f. 3. 61 BCTn, ms 2412, f. 3v. 53 54

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Mit einem „nota tu, prelate“ spricht Hinderbach direkt den Prälaten an bei der Beobachtung, daß die menschliche Neigung zum Bösen Gott beleidige62, und kommentiert mit einem „grave verbum“ die Ermahnung des Hieronymus, den Namen Christi nicht leichtfertig oder vorsätzlich zu beleidigen63. Das Begriffspaar „pontifex et episcopus“ ruft bei Hinderbach ein langes Merkzeichen mit Text hervor: „Oportet esse sine crimine tantarumque virtutum, ut semper moretur in sanctis et paratus sit victimas offerre pro populo, sequester hominum et dei carnes agni sacro ore conficiens quia sanctum oleum christi dei sui super eum est. Non egrediatur e sancto ne vestimentum quo indutus est polluatur“64. Die Hieronymus-Briefe besaß Hinderbach in der Ausgabe, die sein Studienkollege Teodoro Lelli in zwei Druckbänden besorgt hatte65. Diese Editio princeps – wegen ihres philologischen Werts von allgemeiner Bedeutung – schenkte ihm 1470 Teodoros Verwandter, Gaspare da Teramo, zu dieser Zeit Dompropst und Kanoniker in Trient66. Auch hier hinterließ Hinderbach zahlreiche Anmerkungen, etwa Merkzeichen, wo Hieronymus ausführt, daß der Bischof seiner Kirche frei von Tadel angehören soll als „untadeliger Ehemann“67, frei von Beanstandungen jeglicher Art, da er „Dei dispensator“ sei68. Die Ablehnung von Ironie und Scheinheiligkeit findet seine erhöhte Aufmerksamkeit69, die er fast sentenzenhaft kommentiert. Die Empfehlung, mehr Wert auf inneren Wahrheitsgehalt als auf glänzende Rhetorik zu legen, scheint Hinderbach ein „pulchrum notabile“70, ebenso bemerkenswert ist für 62 BCTn, ms 2412, f. 3v: „Multa nos cogit facere affectus et corporis et anime offendimus creatorem“ (Hieronymus, Epistulae, Nr. 64, S. 592), am Rand Hinderbach eigenhändig vertikales Merkzeichen, manicula und: „nota tu, prelate!“. 63 BCTn, ms 2412, f. 4, am Rand Hinderbach eigenhändig vertikales Merkzeichen und: „grave verbum“. 64 BCTn, ms 2412, f. 4. 65 Musée Condé Chantilly, V H 33 und 34. 66 Chantilly, Le Cabinet des livres, Nr. 938, S. 196 (vgl. oben, Anm. 214, S. 146). Hinderbach bezeichnet Gaspare da Teramo als „consobrinus sive patriota“ Teodoros Lelli. 67 Musée Condé Chantilly, V H 33, f. 124 (Hieronymus, Epistulae, Nr. 69, S. 683). 68 Ebd.: „Oportet autem episcopum esse sine accusatione. Hoc enim (Leerstelle) sinat sicuti dei dispensatorem“, am Rand Hinderbach eigenhändig: „nos non (capere) omnes virtutes“. 69 Ebd., f. 182v: „nos omissa omni ironia et hypocriseos tergiversatione, que deo execrabilis est“ (Rufini Tyrannii Apologia, S. 38), am Rand Hinderbach eigenhändig: „ypocrisia et (über der Zeile) ironia Deo execrabiles“. 70 Ebd., f. 184: „et ideo studemus ut non tantum in nobis sermo luceat quantum veritas“ (Rufini Tyrannii Apologia, S. 38), am Rand eigenhändig: „pulchrum istud notabile“.

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ihn der Beistand durch das Gebet im Augenblick fleischlicher Versuchung, „contra temptamenta carnis“71; ein weiterer Textpassus zu dieser Problematik wird von ihm mit einem „verissimum istud“ und einer manicula hervorgehoben: „(…) quia ergo inpossibile est in sensum hominis non inruere notum medullarum calorem, ille laudatur, ille praedicatur beatus, qui (…)“. Der Themenkomplex Sexualität tritt in Hinderbachs Lektüre und Anmerkungssystem häufig auf; er führt z.B. die ganze Palette seiner Zeichen an, wie Merkzeichen, Kreuzchen und manicula, um die Passage über die Verbindung von Wein und Jugend herauszustellen als Ursachen für das „incendium voluptatis“72. Mit einem Merkzeichen und einem Kreuzchen ist auch ein weiterer Passus über die libido versehen: „nec vero hoc dicens condemno cibos, quos deus creavit ad utendum cum gratiarum actione, sed iuvenibus incentiva esse assero voluptatum non etnei ignes non vulcana tellus, non vesenus (…) tantis ardoribus estuant et iuveniles medulle (…) Omnia alia peccata extrinseca sunt, et quod foris est facile abicitur, sola libido insita est, et quadam lege nature in coitum gestit erumpere“73.

Neben den Schriften des Hl. Hieronymus lassen Hinderbach zahlreiche andere Texte Überlegungen über die eigene Rolle und über sein Priestertum anstellen, Werke geistlichen Inhalts – ein Brevier oder verschiedene andere Handschriften, die vor allem Homelien enthalten74; doch ebenso bieten ihm Vorlagen rein weltlichen Charakters Anlaß zu moralischen Überlegungen: Texten des kanonischen Rechts zur bischöflichen Disziplin entnimmt Hinderbach ab und zu einige Hinweise75; aus dem „Compendium theologice 71 Ebd., f. 223: „(…) Non solvatur fascia pectoralis tui sed statim ut libido tintillaverit sensum ut blandum voluptatis incendium dulci nos calore perfuderit erumpamus in vocem Dominus auxiliator (…)“ (Hieronymus, Epistulae, Nr. 22, S. 151-152). Dominus auxiliator von Hinderbach unterstrichen; am Rand eigenhändig vertikales Merkzeichen und: „contra temptamenta carnis“. 72 Ebd., f. 223v: „(…) vinum et adolescentia duplex in incendium voluptatis“ (Hieronymus, Epistulae, Nr. 22, S. 154). Über die geistlich-mönchische Strenge des Hieronymus und ihre Anziehungskraft auf die Frömmigkeitstheologie in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts vgl. B. Hamm, Hieronymus-Begeisterung, S. 152. 73 Ebd., f. 314 (Hieronymus, Epistulae, Nr. 54, S. 474-475), am Rand Hinderbach eigenhändig vertikales Merkzeichen und Kreuzchen zum Schluß. 74 Etwa BCTn, ms 1556 (Breviarium); BCTn, ms 1582 (Sammelband mit den Homelien Gregors des Großen voller Anmerkungen); BCTn, ms 1566 (Heiligenviten), BCTn, ms 1709. Vgl. auch BCTn, ms 1717 (das Venenum vitiorum des Thomas von Aquin) usw. 75 BCTn, inc. 83 (Summa Pisanella cum supplemento), f. 5, z.B. über unbotmäßige Kleriker, ihre Degradierung durch den Bischof: „(…) si quis sacerdotum vel reliquorum clericorum suo episcopo fuerit inobediens aut ei insidias paraverit aut contumelia aut calumpniam (…) intulerit et convinci poterit, mox depositus curie tradatur et recipiat quod inique gessit (…)“, am Rand Hinderbach eigenhändig vertikales Merkzeichen und manicula.

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veritatis“ des Hugo Ripellin aus Straßburg (eine Zusammenstellung zur Seelsorge für Priester und Prediger, aber auch für Theologiestudenten) schöpft er – gekennzeichnet mit einer manicula – die Erkenntnis, daß läßliche Sünden durch bischöflichen Segen vergeben werden können76. Eine Sammelhandschrift mit der Abschrift des Paulinus-Briefes und einer Reihe von Homelien Gregors des Großen versieht Hinderbach mit vielen Anmerkungen und läßt ihn dem Bischof in besonderer Weise empfehlen, zwischen Strenge, Milde und Eifer bei der Amtsführung das richtige Maß einzuhalten: „nota tu, episcope, et observa istud“77. Für den Bischof als Richter gilt die Beobachtung des Gleichheitsgrundsatzes und eines mäßigen Lebenswandels („nota tu episcope“ und wenig später „nota tu episcope vel sacerdos“)78. Mit einem „contra prelatos inutiles et populum sibi subiectum scandalyzantes“ führt Hinderbach den Prälaten die Mahnung der Vorlage zum ertragreichen Wirken vor Augen – jeder in dem Amt, das er gerade versieht –79 und betont einen weiteren Passus, der simonistische Bischöfe und Priester anprangert („contra symoniacos episcopos et sacerdotes“)80. Ein zweifaches „nota, nota“ scheint Hinderbachs Erregung wiederzugeben, die er empfand bei einer Ermahnung Gregors des Großen: „Iustus es, iram pertimesce, ne torruas; peccator es, presume de misericordia, ut purgas“81. Wiederum wendet sich Hinderbach an den Bischof mit der Forderung, die er in einem Brevier vorfand, daß zwischen dem, was der Bischof von seinen Gläubigen fordere, und seinem eigenen Verhalten kein Unterschied in der Beurteilung bestehen dürfe: „nota tu episcope et sacerdos“82. 76 BCTn, ms 1578, f. 132 zu den läßlichen Sünden, die alle begehen und die auf vielfacher Weise erlassen werden („2° illa quibus impedimenta fervoris et gracie tolluntur, sicut est aqua benedicta que virtutem Inimici reprimit et episcopalis benedictio“). Über den Dominikaner, der zwischen 1200 und 1270 lebte, und seine theologischen Werke, G. Steer, Hugo Ripelin, S. 252-266. 77 BCTn, ms 1582, f. 143: „cum tenore severitatis custodiri debet virtus mansuetudinis ut et iram mansuetudo condiat et eandem, silicet mansuetudinem, ne fortasse dissoluta sit, zelus districtionis attendat“ (zelus districtionis von Hinderbach unterstrichen). 78 BCTn, ms 1582, f. 199. Vgl. ms 1556, f. 663, wo Hinderbach mit einem „nota!“ folgenden Passus kommentiert: „durum quippe est ut, qui nescit tenere moderamine vite sue, iudex vite fiat aliene“. Kurz vorher glossiert er: „nota tu, episcope, et attende!“ den Passus zur Bindegewalt der Bischöfe, eine große Ehre, aber auch eine schwerwiegende Verpflichtung. 79 BCTn, ms 1582, f. 248; BCTn, ms 1556, f. 499. In beiden Fällen am Rand Hinderbach eigenhändig: „nota!“ (beide stimmen darin überein, Gott nicht mit leeren Händen gegenüberzutreten und empfangene Wohltaten zu vergelten). 80 BCTn, ms 1582, f. 143. 81 BCTn, ms 1582, f. 270. 82 BCTn, ms 1556, f. 533.

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Ganz besondere Aufmerksamkeit wird dem Hochmut eingeräumt, der die Verwalter geistlicher oder weltlicher Gewalt verführen kann: „nota tu prelate et princeps aliorum“, so ermahnt Hinderbach am Rand einer Passage im Brevier, der Standfestigkeit im Umgang mit weltlichen Ehren, Reichtümer und Genüssen fordert. Er folgt der Entfaltung dieses Themas und kommentiert mit einem „nota perpetuo“ die Notwendigkeit der Charakterfestigkeit83 und begleitet mit einem „nota bene“ und einem Merkzeichen die Wiederholung der Ermahnung: Charakterfestigkeit ist notwendig in Gefahrensituationen und das Gegenteil von Genußsucht, um nicht dem Teufel anheimzufallen; schließlich beendet er mit einer manicula den Passus: „Qui pusillum credit arguetur et qui nichil condempnatur“84. Die Aussage aus „De vita solitaria“ des Hl. Basilius’ (ca. 330-379) in der Übersetzung Ambrogios Traversari (1386-1439), daß je mehr einen selbst Ehren und Reichtümer über die Mitmenschen herausheben, desto mehr soll man sich auch von ihnen durch Großzügigkeit und Gerechtigkeitssinn auszeichnen, versieht Hinderbach mit einem ausdrücklichen „nota et tu“ und wenig später in der Passage über die Gerechtigkeit gegenüber den Mitmenschen wird er noch ausführlicher: „nota et tu, qui dominaris et ceteris presides, et fac similiter!“85. Der ganze Rahmen herausragender Vorzüge von Bischöfen und Priestern wird noch ergänzt durch die Eigenschaften, die Hinderbach gleichsam als allgemein menschlich – also ohne besonderen Bezug zum geistlichen Stand – aufführt, die aber Bestandteil des christlichen Ethos sind: für ihn ist ein „katholicum dictum“, die einzige Hoffnung auf Erlösung in einem allmächtigen Gott zu suchen86; Demut die Wächterin aller Tugenden, so wiederholt Hinderbach in seinem Brevier87 und vermerkt weiter, daß das Bewußtsein der eigenen Sündigkeit gleichsam die Verehrung Gottes bedeutet88. Ihre Vergegenwärtigung ist für ihn eine „vorbildliche Mahnung“, und er hebt noch hervor die Reinheit des Herzens89, die Gesetzestreue90, die Großzügigkeit91, BCTn, ms 1556, f. 458. BCTn, ms 1556, f. 460. 85 BCTn, W 3224, f. 96 und f. 97v. Über die Hs. M. Cortesi, Il vescovo Johannes Hinderbach, S. 495, Anm. 26. 86 BCTn, inc. 74, f. 10v (Petrarcas Secretum). 87 BCTn, ms 1556, f. 363, wo Hinderbach den Text wieder aufnimmt und ihm voranstellt: „nota!“. 88 BCTn, ms 1556, f. 467. 89 Hinderbach zeichnet eine manicula zu: „cor mundum crea in me Deus“ und am Rand: „Psalmista“ (BCTn, ms 1556, f. 702). 90 BCTn, ms 1556, f. 708 (manicula). 91 BCTn, ms 1556, f. 900, am Rand Hinderbach eigenhändig manicula und: „nota!“. 83 84

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die Verurteilung des Geizes92, die Demut93, schließlich das gute Beispiel94. Bei der Lektüre der griechischen und lateinischen Klassiker oder ihrer humanistischen Rezipienten (Hinderbach bewundert darunter seinen Zeitgenossen Flavio Biondo) stellt er besonders die antike humanitas heraus, die er sich dann selbst zu eigen macht: von Plutarch z.B. „De liberis educandis“95, aber vor allen Dingen die Werke Ciceros. Bei ihm findet Hinderbach sich wieder im stoischen Ideal der Genügsamkeit und der Absage an jeglichen Genuß, in der Grundstimmung zu Vernunft und Wahrhaftigkeit. Die folgende Überlegung Ciceros versieht er mit einer manicula und einem Merkzeichen, dazu mit einem begeisterten „divina Ciceronis sententia“: „Ego si quis hoc robore animi atque hec indole et continencie sit, ut respuat omnes voluptates omnemque vite sue cursum in labore corporis atque animi contentione conficeret quem non quies, non remissio, non equalium studia non ludi, non convivia delectarent nihil in vita expetendum putaret“96.

Gleichfalls eine manicula und ein Merkzeichen, dazu noch ein „nota!“, heben einen anderen Passus hervor: „neque tam graviter eos casus feramus, quos nullo modo vitare possimus, et Aulo Torquato Cicero: simus igitur ea mente quam ratio et veritas prescribit“97.

Diese Aussagen zur stoischen Ethik lassen sich in eine allgemeine und eher traditionelle Bewertung antiker Vorbilder zur Moral und der menschlichen humanitas einordnen98. Hinderbach stimmt mit Cicero darin überein, daß allen Zivilisationen eine Ausrichtung auf das Göttliche gemeinsam sei99. Für ihn besaßen die Alten durchaus Respekt vor und ein Empfinden für Religiosität100, und er gibt Cicero ausdrücklich Recht, der dem Universum einen göttlichen Plan zugrunde legt: „aureum Ciceronis dictum et prope katholicum“ BCTn, ms 1556, f. 876. BCTn, ms 1556, f. 980 (manicula). 94 BCTn, ms 1562, f. 17. 95 MPTn, ms 1357, f. 7. 96 BCTn, ms W 3388, f. 150v, am Rand Hinderbach eigenhändig: „quies, remissio, studium, ludi, convivia“ und am gegenüberliegenden Rand weiter eigenhändig manicula und vertikales Merkzeichen. 97 BCTn, ms W 3388, f. 205 v. 98 Vgl. u.a. B. Hamm, Hieronymus-Begeisterung, S. 159-160, 164. 99 BCTn, ms W 3388, f. 4. Sogar grausame Barbaren, „qui non de Deo bene senserint“, kamen nicht vor; am Rand Hinderbach eigenhändig: „omnes de Deo bene senserunt“ und manicula. 100 BCTn, ms W 3129, f. 12: „qui depositis uxore et liberis virgines in plaustrum recepit“ am oberen Rand Hinderbach eigenhändig: „quanta olim religionis ac virginum (sanctarum) reverentia!“. 92 93

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(zusätzlich noch eine manicula)101. Beim römischen Rechtswesen, wie in der „Roma triumphans“ Flavio Biondos, überließ sich Hinderbach allgemeinen Überlegungen zur Gerechtigkeit, etwa daß die Menschen von Natur aus gerechtigkeitsbegabte Wesen seien102, was er mit wahrem Philosophieren gleichsetzt103. Dabei bleibt er immer Katholik und stellt das Christentum über alle anderen Überzeugungen104; alle Gewohnheiten und Rechte der Vergangenheit werden unter dem Gesichtswinkel der christ-katholischen Lehre beurteilt: sein Credo ist und bleibt katholisch105. Nach dieser Grundauffassung kann er einen Text Vergils106 oder Homers107 mit katholicus und einen Ciceros als „prope katholicus“ qualifizieren108. Die Gesamtheit dieser Beobachtungen lassen annehmen, daß Hinderbach die genannten Werke zu Ethik und Lehre aufmerksam las und auch überdachte, daraus dann die Bestätigung für den idealen Bischof, Priester und 101 BCTn, ms W 3388, f. 4: „quis autem eum suspexerit in celum deos esse non senciat?“, worauf eine andere rhetorische Frage folgt (Wer könnte behaupten, daß die ganze Schöpfungsordnung durch Zufall entstanden sei?), mit Hinderbachs eigenhändiger Bemerkung: „aureum Ciceronis dictum et prope katholicum“ und manicula. 102 BCTn, ms W 3388, f. 106v, die Rubrik iusticia versieht Hinderbach mit überzeiligen Nasalzeichen und führt zu Ende: „ad iusticiam homines nati“. 103 BCTn, ms W 3388, f.107, am oberen Rand Hinderbach eigenhändig: „vera phylosophia in iusticia consistit“. 104 BCTn, ms W 3388, f. 15: „nisi quia nostris conducere christianis arbitramur talia scire, quo nostre religionis gravitatem et sanctam mundiciem meioribus animis amplectantur“, am Rand Hinderbach eigenhändig vertikales Merkzeichen und: „christiana religio omnium mundior et gravissima“. 105 BCTn, ms W 3129, f. 31: Valentinianus d.Ä hatte mit Zustimmung seiner Ehefrau in die Heirat mit Iustina eingewilligt und so eine Legalisierung der Bigamie erreicht, dazu Hinderbach eingenhändig: „lex legi divine et virtute contraria“. Und vgl. BCTn, ms W 3129, f. 48: „Gaude, gaude quod filia mea te cupit et meum votum est; nichil enim in huiusmodi negocio sine Deo agi potest“, am Rand Hinderbach eigenhändig Merkzeichen und: „ullum coniugium sine Deo fit“ und „katholicum verbum istud“. Vgl. auch Musée Condé Chantilly, V A 24, ff. n. num.: „ferinosque ex urbibus expulerunt, viros singulos“; am Rand Hinderbach eigenhändig: „lex romana (über der Zeile) consona christiane fidei ac religioni“. 106 BCTn, ms W 3388, f. 23: „erit autem a Iove principium quem omnia in omnibus esse voluerunt ut dicat Virgilius“, am Rand Hinderbach eigenhändig: „Virgilius vere et katholic(…)“ Am unteren Rand weiter Hinderbach eigenhändig: „Deus ut olim apud veteres mendose Iupiter omnes in omnibus ita nunc apud nos (…)ere credimus“. 107 ÖNB, Ink. 2.C.16, f. 5c. Hinderbach notiert: „katholicum est istud“ und zeichnet eine manicula zum Ilias-Vers in der Übersetzung Vallas: „qui enim voluntati deorum paret, hunc dii ipsi precipue exaudiunt“. 108 BCTn, ms W 3388, f. 4. Die Glosse wurde schon oben in der Anm. 101 zitiert: „quis autem eum suspexerit in celum deos esse non senciat?“ und zur folgenden rhetorischen Frage (ob die gesamte Schöpfungsordnung zufällig sei).

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Christen zog, die sich in den durch die Tradition vorgegebenen Bahnen bewegte. Sein Tugendkatalog entbehrt jeder Originalität, besteht aus den vier Kardinaltugenden, den drei Theologischen und einer einfachen Ableitung aus dem Gegensatz zu den sieben Todsünden. Nach Hinderbach sollte der Bischof vor allen Dingen den vollendeten Christen verkörpern, seine Ermahnungen sind der Einhaltung dieses vorgegebenen Zieles zugeordnet. Bei seiner Lektüre und Hervorhebung fehlen Besonderheiten zur Seelsorgeaufgabe: „pasce verbo, pasce exemplo; pasce subsidio; pasce verbo praedicationis doctae, pasce exemplo conversationis sanctae, pasce subsidio caritatis piae“, so lautete die Mahnung Gersons in einer Ansprache109, darüber hinaus empfiehlt er als vornehmste Aufgabe des Bischofs wie Paulus die Predigttätigkeit110. Diese „industriosa sedulitas“ als ausdrückliche Empfehlung Gersons aus seinem sermo zum Thema „Der gute Hirt gibt sein Leben für seine Herde“ erscheint auffälligerweise bei Hinderbach weder unter den von ihm rezipierten noch von ihm überhaupt gesammelten Texten seiner Bücherei. Sicherlich ist kein Zufall, daß unter seinen Anmerkungen keine einzige direkte Aussage zur cura animarum erscheint, im Sinne der ars artium Gregors des Großen und Erläuterungen zum Bild des Guten Hirten. Dieses eindrucksvolle Jesus-Wort erscheint bei ihm überhaupt nur in zwei Passagen und zwar in einem Kontext, der nicht theologisch, sondern ausschließlich politisch zu verstehen ist, nämlich der Verteidigung gegenüber tätlichen Angriffen111 und zur Abwehr eines tyrannischen Regimes112. Ein Einwand könnte darin bestehen, daß die „industriosa sedulitas“ sich nur im konkreten Handeln niederschlüge, und so auch Hinderbachs Regierungsstil eher in der Praxis und nicht in seinen Büchern, die mehr die „gustatio spiritus per contemplationem“ Gersons vermittelten – Voraussetzung für die Hirtentätigkeit und besonders der Predigt113. Jedenfalls zeigen Hinderbachs Anmerkungen überwiegend einen Prälaten, der sich als Spender des Heiligen – darauf wird noch zurückzukommen sein –, als sacerdos und J. Gerson, Oeuvres complètes, Bd. 5, Nr. 215, S. 125. Ebd., S. 126: „hoc officium praedicationis ita praetulit quasi de reliquis nulla sibi cura videretur“. 111 BCTn, inc. 423, l. XX, cap. 37, am Rand Hinderbach eigenhändig: „bonus pastor preoptaverit mori pro grege suo“ (zu Bischof Nicasius von Reims während der Belagerung durch die Vandalen). 112 BCTn, ms W 3225, f. 90v, am Rand Hinderbach eigenhändig: „bonus pastor“ zu Leo dem Großen und am oberen Rand: „singularis pape Leonis gratia et facundia in placandis tyrannis“. Vgl. dazu im Gegensatz die Deutung im Sinne der Seelsorge bei einer Predigt Thomas’ Ebendorfer: K. Walsh, Professors in the Parish Pulpit, S. 91, Anm. 51. 113 J. Gerson, Oeuvres complètes, Bd. 5, Nr. 215, S. 129. Über Hinderbach als „Pastor“, D. Rando, L’episcopato trentino, und „Religiosi ac presbiteri vagabundi“. 109 110

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Richter versteht. Hinderbach ist sich seiner eigenenen Würde bewußt: er versieht mit einem Kreuzchen den Passus, nach dem die Herde das Urteil des Hirten ehrfürchtig aufnehmen soll, sei es nun gerecht oder ungerecht114; eine Bemerkung Biondos faßt er apodiktisch dahingehend zusammen115: „Die priesterliche Gewalt steht auf derselben Stufe wie die königliche Gewalt („regie potestati par sacerdotii dignitas habetur“)116. Diese hohe Würde in der Ecclesia könnte zum Hochmut verführen, ein weitverbreitetes Übel, und nicht zufällig ist die Bescheidenheit eine Eigenschaft, die in den Lobreden auf diejenigen häufig erscheint, die in der Kirche eine herausragende Position einnehmen – so etwa die Kardinäle, angefangen von Francesco TodeschiniPiccolomini bis hin zu Oliviero Carafa und Marco Barbo117. Wenn das Bischofs- und Priesterideal mit diesen Zügen ausgestattet sein soll, steht natürlich die Fähigkeit der Einzelperson, es in die Tat umzusetzen, auf einem ganz anderen Blatt. Dieser Schwierigkeit war sich Hinderbach schmerzlich bewußt, denn er beklagt den Gegensatz mehrmals in seinen Glossen. In Durands „Rationale“, unter den Kapitel „Über den Priester“, las und unterstrich er – sicher mit innerlichen Zustimmung –, der presbyter werde deshalb so genannt, weil er „prebens iter vel prebens beatum iter“, d.h. also wie einer, der den andern den Weg weist oder den Weg zur Heiligkeit öffnet, und zwar den, der aus diesem Jammertal in die Heimat des Paradieses führe118. Doch sein Bibellexikon gab ihm eine andere Etymologie für den presbyter vor, als einen, der dreimal vor allen andern trinkt und nicht erst dem Nächsten anbietet („quasi pre aliis bibens ter, non prebens“). Diese Erklärung kommentiert Hinderbach mit Vehemenz: „Was für eine böswillige und neidvolle Interpretation, auch wenn sie auf viele (Priester) zutrifft!“ („quam mala, quamvis multis conveniat, et invidiosa interpretatio huius nominis!“)119. Hinderbachs Lektüre verschiedener Autoren gaben ihm Anlaß, bestimmte Verhaltensweisen des zeitgenössischen Klerus zu kritisieren und ganz direkt seine persönliche Abneigung auszudrücken. Z.B. versah er mit einem „contra sacerdotes nostri temporis“ Biondos Verurteilung von Priestern, die nicht nur Vgl. z.B. BCTn, ms 1556, f. 665. BCTn, W 3388, f. 24: „quia regie potestati par sacerdotii dignitas habeatur (…)“. Am oberen Rand, der für gewöhnlich fast sentenzenhaften Bemerkungen vorbehalten ist, notiert Hinderbach: „regie potestati par sacerdotii dignitas habetur“. 116 Nicht zufällig ist Durandus’ Rationale besonders reich an Bemerkungen zum Kapitel: „de baculo pastorali“. Vgl. auch BCTn, ms W 3224, f. 97v, am Rand Hinderbach eigenhändig: „iusticia conservacio principantium“ usw. 117 Vgl. z.B. Th. Haffner, Die Bibliothek, S. 64-65 und Anm. 32. 118 BCTn, inc. 2, f. 30: „(…) dicitur autem presbiter quasi aliis vivendi prebens iter vel prebens beatum iter, videlicet populo de exilio mundi ad patriam paradisi“. 119 BCTn, ms 1779, f. 380. 114 115

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zu Pferd ausritten, sondern eine ganze Pferdekoppel mit Dienern unterhielten – die Verurteilung stand im Zusammenhang mit dem Lob der Bescheidenheit der altrömischen Religion120. Der Angriff des Maleachi (2,8) auf Priester, die nicht zuhören konnten und den Namen Gottes nicht verehrten, ist mit einem „contra clerum“ herausgehoben121 und mit einem „contra ignorantia clericorum“ ebenfalls Durands Klage über die Unbildung des Klerus122. In seiner Zeit wie auch in der Vergangenheit sei die Priesterwürde der Antrieb für denjenigen, auch Laien, der seine Macht ausweiten will123, und die Prälaten würden von den weltlichen Fürsten umschmeichelt und leisteten so keinen Widerstand gegenüber dem Bösen, ja sie unterstützen es noch124. Wenn Livius erzählt, daß C. Flaccus nach dem Empfang des flamen vom pontifex maximus P. Licinius seine alten Sitten aufgab, drückt Hinderbach seine ganze Bewunderung und Trauer für diesen Schritt aus: alle Zeichen, die er normalerweise verwendet (Merkzeichen, manicula, „nota!“), häuft er an dieser Stelle auf, begleitet von dem herben Kommentar: „Oh, wenn doch alle flamines so handelten, d.h. alle geweihten Priester!“125. Die Verurteilung von Mißbräuchen bei Geistlichen war zu jener Zeit fast ein Gemeinplatz. In Hinderbachs Bibliothek sahen wenigstens zwei Bücher apokalyptischen Zuschnitts in der Korruption des Priesterstandes einen der Gründe für den allgemeinen Niedergang der Kirche. In einer anonymen Apokalypse der schon zitierten Hs. 1582 vermerkte Hinderbach mit einem vertikalen Merkzeichen und kommentierte offensichtlich ohne besondere Emotion, d.h. mit einem knappen „de prelatis‘“, jenen Passus, der Balaam mit dem Bauch der Prälaten identifiziert: „Balaam Antichristi vorator et signat ventrem multorum prelatorum doctrinam eius tentencium, qui ad nichil student nisi ad potationem et commestionem et utinam non luxurie et libidine (…) quod ecclesia peribit propter excessus prelaBCTn, ms W 3388, f. 17. MPTn, ms 1597, f. 332. 122 BCTn, inc. 2, f. 1. 123 BCTn, ms W 3388, f. 37v: „Sylla enim (…) in sacerdocii mulcta porrexit“, am oberen Rand Hinderbach eigenhändig: „sacerdotium olim ut nunc fomentum potentie et amplitudinis“. 124 BCTn, ms 1566, f. 287: heute sei alles korrumpiert und entartet, „pene precipuum sit adulationi regie sacerdotalem non cessisse constantiam“, am oberen Rand Hinderbach eigenhändig: „nota quid simile nostris temporibus, quod omnes fere prelati principibus adulant(ur) et in malis minime obsistunt sed potius obse(qun)tur“. 125 BCTn, W 3388, f. 36: „flamen captus a P. Licinio pontifice maximo(…). Is ut animum eius cura sacrorum et cerimoniarum cepit, ita repente exuit antiquos mores, ut nemo (…)“ am Rand Hinderbach eigenhändig: „nota!“, manicula und weiter am Rand: „utinam omnes sic facerent flamines, idest sacerdotes ordinarii!“. Die Erklärung des Begriffs flamines findet sich bei Durandus und ist von Hinderbach am Rand wiederverwendet: BCTn, inc. 2, f. 30. 120 121

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torum, propter pompas et vanitates (…) utinam tales legissent doctrinam que in pastorali(…) necesse est ut episcopus sit cogitatione mundus, actione precipuus, silentio discretus, in verbo discretus (…)“126.

Ähnlich bündig registriert Hinderbach ohne weiteren Kommentar die beiden Begriffe „sodomia“ und „indigna ecclesie Christi administratio“ als die beiden Sünden, die eine Vorlage apokalyptischer Grundstimmung, der „Tractatus quidam de Turcis“, anführte – diese Sünden verursachten die „amarissima afflictio Ecclesie“ seiner Zeit, eben die Türkengeißel127. Dagegen ereifert er sich bei der Lektüre der „Moralia“ Gregors des Großen darüber, daß kein Menschentyp Gott so beleidigen könne wie schlechte Priester; diese Aussage ist von ihm mit einem doppelten „nota, nota“ versehen128, ein Zeichen für direkte Betroffenheit, die er auch für sich spürt, ebenso mit einem weiteren „nota“ bei der Überlegung, daß auch von besten Gütern schlechter Gebrauch gemacht werden kann129. Für Hinderbach besaß das Priestertum eine grundsätzliche Verantwortung innerhalb der Kirche, die wiederum auf der Identifizierung dieses Standes mit der Kirche selbst beruhte – eine Vorstellung, die auf eine lange Tradition zurückblickte: Durand ging wortwörtlich auf den Propheten Jesaja zurück, „sicut populus, sic sacerdos“ (Is 24,2)130, und auch Jean Gerson, der sprichwörtlich einen Passus des Buchs Sirach (Eccli 10,2) zitiert: „Wie das Haupt der Stadt, so ihre Bewohner“131. Diese Auffassung wurde voll von Hinderbach geteilt, der sie mit einem „verissimum est istud“ als Bestätigung dafür beurteilt, daß von der Untadeligkeit des Priesteramtes das allgemeine Wohlergehen der Kirche abhänge, in dem Sinne, daß, wenn der Priester korrumpiert sei, dann sich auch der Zustand der Kirche verschlechtere132. BCTn, ms 1582, f. 32. BCTn, inc. 189, f. 25: „duo sunt vicia videlicet contra naturam et indigna illa pertractatio divinissimi eukaristie sacramenti que in cottidiana cellebratione missarum q. sine numero committitur“ am Rand eigenhändig Hinderbach, der auch ein „contra naturam“ unterstreicht und mit einem vertikalen Merkzeichen versieht: „duo gravissima vitia“. 128 BCTn, inc. 189, f. 29v: „Gregorium in suis moralibus per nullum genus hominum Deus amplius offenditur quam per malos sacerdotes“, manicula und am Rand eigenhändig Hinderbach, der auch den Textanfang: „Gregorium in suis moralibus“ unterstreicht: „nota, nota!“. 129 BCTn, inc. 189, f. 30. Dem Einwand, daß niemand von den höchsten Gütern schlechten Gebrauch machen könne, sei zu entgegnen, daß „optima medicina nociva esse possit“; am Rand eigenhändig Hinderbach, der auch dieses Zitat unterstreicht: „nota!“. 130 BCTn, inc. 2, f. 1. 131 J. Gerson, Oeuvres complètes, 5, S. 138. 132 BCTn, ms 1556, f. 518: „ita si sacerdotium integrum fuerit, tota ecclesia floret, si autem corruptum fuerit, omnium fides marcida est“, am Rand Hinderbach eigenhändig vertikales Merkzeichen und: „verissimum est istud“. 126 127

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In welcher Weise läßt sich diese Auseinandersetzung mit dem Priesteramt nach Hinderbachs Auffassung insgesamt deuten? Wie nicht anders zu erwarten, wird in der Substanz nicht von der Tradition abgewichen. Sogar die kleinsten Äußerungen Hinderbachs wurden bisher herangezogen, um den tieferen Sinn einer „ruminatio“ kirchlicher Vorlagen oder einer moralisierenden Lektüre weltlicher Texte freizulegen. Seine Lektüre läßt sich in einer gewissen Wiederholtechnik, in einem gleichmäßigen Fortschreiten finden, um das angestrebte Ideal gleichsam sich anzueignen, eine Art innerer Übung und Erziehung durch die genaue Aufteilung des Textes, Durchnumerierung und Notierung, die Auflistung der Vorschriften133. Hinderbachs Lektürestil, sein Meditieren und Insistieren bilden zusammen mit den notabilia, den Unterstreichungen der Bibel und Patristik-Zitaten, den Kern und den Aufbau seines mentalen Habitus. Verkürzt läßt sich sagen, daß dieses Gerüst ihn aufrechthielt, aber auch gleichzeitig disziplinierte. In diesem Doppelsinn konnte Hinderbach sich als „Bischofshirte der Seelen“ fühlen, weil er gleichzeitig die eigene Seele unbarmherzig ausforschte134. Er war sich des Vorbilds, das er anstrebte, sicher bewußt: ein Ideal der eigenen Vollendung – eigen ist dabei zu unterstreichen –, das sich aus der Lektüre der Vorlagen, dem Vollzug der christlichen Grundtugenden und jenen des eigenen Standes innerhalb der Kirche speiste. Dabei kannte er auch die damit verbundenen Versuchungen, den Hochmut der Macht (superbia) und die Regungen des Körpers (libido). Insgesamt gesehen entspricht das Vorbild in seiner ahistorischen Überhöhung dem traditionellen Modell des Christen überhaupt und des schon seit der Patristik geltenden Prälaten, leicht stoischaszetisch, das aber auch in den stereotypen Lobreden anderer, zeitgenössicher Prälaten anzutreffen ist: „Quem vere omnis continentiae, virtutis, venustatis et modestiae (…) exemplar possumus appellare (…) Accedit doctrina, consilium, gravitas, sapientia, religio ac tanta denique animi moderatio, ut nihil unquam dixerit gesseritve, quod reprehendi potuerit“135 – so läßt sich z.B. sein enger Freund, Kardinal Francesco Todeschini-Piccolomini, feiern. Hinderbach stellt in das Zentrum seiner Aufgaben eher den Heilsvermittler als den Hirten der Herde. Seine Gaben der Beredsamkeit, deren er sich rühmte136 133 Über „Techniken“ zur Kontemplation und die Komputistik bei der Einübung der Tugenden A. Angenendt / Th. Brauchs / R. Busch, Gezählte Frömmigkeit, S. 64-69. 134 Der Begriff „episcopus animarum“ findet sich bei Johannes Geiler von Kaysersberg in seiner „Oratio de electione episcopi“ (1506), doch in einem anderen Kontext: K. Schreiner, Consanguinitas, S. 244. 135 Th. Haffner, Die Bibliothek, S. 64, Anm. 32. Vgl. auch Acta Cusana, Nr. 100, S. 710-711, „que circa mores et vitam“. 136 Die facundia aus dem Bischofskatalog, vgl. oben S. 220. Zu den fünf Glanzlichtern der oratio: dillucidum, breve, probabile, illustre, suave, am Rand Hinderbach eigenhändig manicula und: „oracionis bonitas“ (BCTn, inc. 422, l. V, cap. 29).

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und die er auch als kaiserlicher Botschafter und organum Friedrichs III. auf dem Reichstag von Regensburg 1471 bewies137, lassen sich kaum als Belege für eine Predigttätigkeit heranziehen – bezeichnenderweise sind von ihm keine Homelien oder sonstige größeren Reden geistlicher Natur überliefert. Seine Pastoralvisiten wurden, wenn überhaupt, nicht notwendigerweise von ihm selbst durchgeführt. Insgesamt gesehen erscheint Hinderbach eher als ein Mann des Gebets und der liturgischen Handlungen als der praktischen Seelsorge und befindet sich so in Übereinstimmung mit jener moralisierenden Tendenz, die die Reformatoren des 15. Jahrhunderts dazu brachten, sich ganz auf das untadelige Leben des Einzelnen und die Entwicklung einer ethischen Sensibilität zu konzentrieren138. Mit einigen Abweichungen galt dasselbe Ideal auch für die Priester, für die der untadelige Lebenswandel und das gute Beispiel und nicht so sehr die Pastoral der Gläubigen wichtig war. Zwischen Ideal und Realität blieb jedenfalls ein unüberwindlicher Gegensatz, der die Gewissen peinigte und gleichzeitig zur Kritik herausforderte.

2. Das unglückliche Bewußtsein Sünde und Angst Hinderbach empfand tief das Elend des menschlichen Daseins, das viele der von ihm gelesenen Werke, vor allen Dingen der Patristik, immer wieder vor Augen führten. „Minderwertiger (…) Samen, Mülleimer, Würmernahrung“, so wird der Mensch in einem Passus des „Speculum historiale“ beschrieben, den Hinderbach unterstrich; weiter noch mit einem „Zutreffend!“ bestätigte er gleichzeitig folgende Feststellung: „Jeder Mensch ist dem Zerfall anheimgegeben, nicht nur nach, sondern schon vor dem Tod“139. Die Auffassung, daß „nichts wirkungsvoller ist, als sich das eigene Elend immer vor Augen zu halten“, findet seine ganze Zustimmung, die deutlich wird mit einem „verissima beati Augustini sententia“140, und ebenfalls die Erinnerung an das allseits Vgl. D. Rando, Fra Vienna e Roma, S. 298-299. A. Angenendt / Th. Brauchs / R. Busch, Gezählte Frömmigkeit, S. 61; B. Hamm, Hieronymus-Begeisterung, S. 140: „Die Theologie (Frömmigkeitstheologie) mündet ganz und gar in den moralisch-praktischen Appell“. Vgl. das Modell bei Jakob Wimpfeling, der das geistliche Amt des Bischofs, seinen Vorbildcharakter für ein moralisches Leben und die genaue Kontrolle seines Klerus betont: M. Müller, Die spätmittelalterliche Bistumsgeschichtsschreibung, S. 387-396, 410. 139 BCTn, inc. 424, l. XXIX, cap. 116: „vile (…) sperma, vas stercorum, esca vermium“. Über den Menschen als Wurm und Würmlein, B. Hamm, Wollen und Nicht-Können, S. 144, Anm. 118. 140 BCTn, inc. 74, f. 2, mit Merkzeichen Hinderbachs. 137 138

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gegenwärtige Böse: „Sehr gut!“141. Das Fleisch ist schwach142, die Natur der Menschen sündhaft. Aus dieser Grunderkenntnis ergibt sich die tiefe, aber angstbesetzte Sehnsucht nach einer Überwindung der Versuchungen durch den Teufel, der Verachtung der Welt und des Fleisches. „Oh, wenn auch ich so ein Glück hätte“, „utinam id nobis contingat!“, so seufzt Hinderbach am Rand eines Passus aus der vita des Hl. Emmeram, der die confirmatio durch die göttliche Barmherzigkeit invoziert: alles, was in der Welt süß und angenehm erscheint, werde ins Bittere gewendet und das, was durch die göttliche Vorsehung in dieser Welt bitter erscheine, solle ins Angenehmste verwandelt werden143. Mit demselben Ausbruch ist Hinderbachs Lektüre vom zweiten Sieg des Erzengels Michael über das Böse bei Jacobus de Varagine versehen. „Davon sprich Haymo: ,Als die Philosophen haben gesagt und unsere Lehrer glauben, so ist die Luft also voller Teufel und böser Geister, wie ein Sonnenstrahl voll ist kleiner Stäubchen‘. Sind ihrer nun gleich also viel, so wird nach des Origenes Meinung doch ihr Heer jedesmal gemindert, wenn wir einen von ihnen besiegen: also, daß einer einen heiligen Mann, von dem er besiegt ist worden, nimmer mit der Sünde hinfort versuchen darf, in der er überwunden ward“144.

„Utinam hoc michi contingat!“ notiert Hinderbach hier am Rand, gleichsam der Aufschrei einer von Teufeln und Versuchungen in die Enge getriebenen Seele145. Ähnlich beim „Speculum“ des Vinzenz von Beauvais: neben einer Textpassage zu Arnulf von Metz († ca. 640), der seinen Bischofsring in die Mosel geworfen habe, um ein Wiederauffinden als Zeichen von Sündenvergebung deuten zu können – was dann auch geschah –, zieht Hinderbach beschwörend den Schluß: „Wenn das nur mir armen Sünder so geschehen möge!“146. Sündenbewußtsein, Erlösungssehnsucht und der Wunsch nach göttlicher „Bestätigung“ nährten sich aus einem Gottesbild, das trotz einiger Züge von Mitleid und Liebe147 im wesentlichen alttestamentarisch bestimmt ist: 141 BCTn, ms 1556, f. 482: „revocemus ante oculos mala que fecimus“, am Rand Hinderbach eigenhändig: „exhortacio optima“. 142 BCTn, W 3396, f. 13. Vgl. B. Hamm, Wollen und nicht können. 143 BCTn, ms 1787, f. 42: „Confirmes in nobis opera divine miserationis, ut quod in hoc seculo dulce et delectabile videtur/ Timori tui reverenda consideratione/ Amarescat et quod amarum dilectionis tue suavissime speculatione dulcescat/“ (am Rand Hinderbach eigenhändig: „utinam id nobis contingat!“). 144 Die Legenda aurea, S. 749. 145 BCTn, ms 1789, f. 196. 146 BCTn, inc. 424, l. XXIII, cap. 75: „utinam id michi peccatori contingat!“ (peccatori nachträglich über der Zeile). Vgl. B. Hamm, Wollen und nicht können, S. 113 („Panik des Ungenügens“, „Defiziterfahrungen“) und Anm. 11 („tremula conscientia“ bei Johannes von Paltz). 147 BCTn, ms 1556, f. 461, am Rand Hinderbach eigenhändig: „pars doctrinalis huius omelie contra metus et pericula“; ein „nota bene“ und Merkzeichen beziehen

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der zürnende Gott, der Blutopfer fordert, tritt Hinderbach entgegen als ein Gott, dem die Juden Opfer bringen „ad placandum Deum, creatorem celi et terre (…) et ad mitigandum huius iram“, um dem Schicksal von Sodom und anderer verworfener Städte zu entgehen, und dem Hiob jeden Tag opferte, um seine Nachkommen zu retten148. Gott erscheint also als ein rächender, der sich in einem „miraculum vindicte Dei“149, in einem „miraculum vindicte“150, in einer „ultio divina“ gegenüber dem hochmütigen Sünder offenbart 151. Hinderbachs Überzeugung wird am Rand von mehreren Texten wiederholt: „Dei vindicta hoc fuit“152; „pena divinitus in sacrilegis inflicta“153; „vindicte Dei“ (wenigstens viermal)154; „vindicta Dei in sacrilegos“155. Die Agonie und den anschließenden Tod der Mörder des Hl. Lambert begrüßt Hinderbach mit einem „Deo gratias!“156, ebenfalls den Untergang der 73.000 Soldaten (!) des tyrannischen Kaisers Justinian mit einem ausdrücklichen „digna divina ultio innocentium“157. Der von Hinderbach häufig verwendete Topos der „vindicta Dei“ ist ein literarischer und weitzurückreichender in der Bibel, den er bei seiner Lektüre schon vorfand. Diese Verwendung zeigt die Beharrlichkeit einer sich auf den folgenden Passus: „Auch wenn das Meer kocht, und der Sturm wütet, fürchtet Euch nicht!“ BCTn, ms 1556, f. 533: „ut in die iuditii magis de misericordia iudicaretur a Domino, si fieri possit, quam de crudelitate“, am Rand Hinderbach eigenhändig: „nota istud“, mit Merkzeichen); BCTn, inc. 423, l. XIIII, cap. 82, vertikales Merkzeichen zu: „ineffabilem prorsus ego sentio amorem Dei et qui sentiri magis quam dici possit“ und am oberen Rand in Kapitälchen, weiter in Hinderbachs Schrift: „Amor Dei ineffabilis“. BCTn, inc. 423, l. XIIII, cap. 15, im Zusammenhang mit einem Gebet zur Schuldvergebung ein vertikales Merkzeichen und am oberen Rand weiter in Hinderbachs Schrift: „nota hic inde pro conversione peccatoris quam pius et misericors est et penitentibus (…) propitius“. 148 BCTn, inc. 422, l. I, cap. 105: die Alten opferten „ad placandum Deum creatorem celi et terre (…) per prophetas prophetatum erat et ad mitigandum huius iram, nec contingeret eis sicut Sodome et aliis al(…)que civitatibus, prout habetur in Iob, qui cotidie sacrificabat Deo pro salute filiorum et filiarum ac nepotum suorum“. 149 BCTn, ms 1787, f. 34. 150 BCTn, inc. 423, l. XIV, cap. 100: „miraculum vindicte“. 151 BCTn, inc. 422, l. VI, cap. 120: „nota hic quendam ultionem divinam contra peccatum presumptionis“. 152 BCTn, inc 424, l. XXIII, cap. 168. 153 BCTn, inc 424, l. XXIII, cap. 171. 154 BCTn, inc. 424, l. XXVII, cap. 13-14. Vgl. auch BCTn, ms 1790 f. 373: „non enim iustum est ut deos vindicemus, sed ipsi dei inimicis suis se ulcisci poterunt, si irascuntur“, unterstrichen und mit Kreuzchen versehen. 155 BCTn, inc. 424, l. XXIII, cap. 125. 156 BCTn, inc. 424, l. XXIII, cap. 136. 157 BCTn, inc. 424, l. XXIII, cap. 137.

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Überzeugung, die vor 50 Jahren Paul Rousset als „croyance en la justice immanente“ bezeichnete158: Gott straft oder belohnt auf der Stelle, eine Auffassung, die auch eine ideologische Grundlage für den Heiligen Krieg, etwa der Kreuzzüge, der Gottesurteile und sogar bestimmter Bekehrungsvorgänge bildet. Der Terminus technicus „peccatis exigentibus“ war bei den Chronisten weitverbreitet und wurde ein literarisches Klischee; er kennzeichnete den unausweichlichen und unerbittlichen Zug der göttlichen Gerechtigkeit, „die allgegenwärtige Macht der Sünde“159. Der allmächtige Gott griff deutlich sichtbar in das tägliche Leben ein und schuf unmittelbare Gerechtigkeit, die alle gemäß den Heilsgesetzen zu einem moralischen Verhalten zwang. Der göttliche Eingriff erfolgte oft in einer Art von Vergeltung, auch das zeigt den beherrschenden Einfluß des Alten Testaments, wo eine Niederlage oder eine Hungersnot durch Sünde erklärt und für eine „Heilung“ die Versöhnung mit Gott Voraussetzung ist. Die Wurzeln dieser Überzeugung reichten weit zurück: schon vor und nach Hinderbach erschien Gott wirkend als Richter und Richtschnur in der kirchlich-theologischen Sprache, dann in der Exegese und so bei ganzen Generationen160. Die Metapher der „ira Dei“ bestand aber nicht nur darin, auf einzelne, irrationale Aktionen als unmittelbaren Ausdruck des göttlichen Zorns zu warten, sondern sie war vielmehr Teil eines aktiven Kontexts, in dem der ungerecht Behandelte gegen alle Nachstellungen des Bösen auf eine göttliche Gerechtigkeit vertrauen konnte161. Lactantius hatte in seinem Werk „De ira Dei“ eine Lehre des göttlichen Zorns entwickelt162, die ausdrücklich 158 P. Rousset, La Croyance, S. 225 ff. und vgl. A. Angenendt, Deus, qui nullum peccatum impunitum dimittit, besonders S. 151-153 über den gerechten Ausgleich des Vergeltungsprinzips (S. 152, Dies irae: „ nil inultum remanebit“). 159 K. Schreiner, „Si homo non pecasset (…)“, S. 41: „Die allgegenwärtige Macht der Sünde, die vom Ungehorsam des ersten Menschenpaares ihren Ausgang genommen hatte, erklärte vieles, alles und jedes“. 160 B. Janowski, JHWH der Richter – ein rettender Gott, S. 55. Er beobachtet jedoch, daß mit dem Bild (Metaphorik) des göttlichen Gerichts komplexe und verschiedene Inhalte auf einen einzigen Gesichtspunkt reduziert werden (S. 56). Über Krankheit als Folge der Sünde, W. von Siebenthal, Krankheit, passim. Über die Lehre des Panormitanus und Johannes’ Andreae zu den fünf Gründen für die von Gott geschickten Plagen S. 55, und S. 55-56 über ein Kaisergesetz Maximilians I. vom Reichstag in Worms (1495) zur Syphilis, „quae nos iustissimae Dei irae mortis debent admonere“ (Deutsche Reichstagsakten. Mittlere Reihe, Worms, 5,1,1, Nr. 458, S. 576). Aber vgl. J. Kroll / B.S. Bachrach, Sin and Etiology of Desease, mit Anführung von Einzelbelegen und dem Schluß, daß auch im Frühmittelalter der Unterschied zwischen physischer Krankheit und Sünde nicht ganz verschwand. Über „Angst“ und „Religion“ zuletzt A. Michaels, Religionen, und H. Böhme, Himmel und Hölle, S. 65-67. 161 B. Janowski, JHWH der Richter – ein rettender Gott, S. 83. 162 In der neuen Edition: Lactance, La colère de Dieu, 3,1-5,17; 10, 47; 12, 1; 16, 1-9; 17, 15-21; 19, 5-9. Über den göttlichen Zorn und die Geschichte des Zornes

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eine Gottesauffassung verkündete, die das Thema der Gerechtigkeit gegenüber der Welt entwarf: Gott hat keine „Gefühle“ wie Neid oder Angst, was aber nicht bedeutet, daß er gleichsam emotionslos sei; ihm sind zugeordnet Eigenschaften, die positiv komplementär wirken, wie Zorn gegen alle Übeltäter, Güte gegenüber den Guten, Mitleid mit den Unglücklichen – wenn Gott diese Eigenschaften nicht besitzen würde, fiele die Welt als Beute in die Hände von Übeltätern. Die Verfolgung der Bösen und das Mitleid mit den Unglücklichen bedingen notwendigerweise einander und erscheinen unabdingbar für das (moralischen) Funktionieren der Welt; der Schrei nach Gerechtigkeit in einer ungerechten Umgebung bleibt die einzige Möglichkeit der Verzweifelten in Anbetracht eines übermächtigen Bösen, Gottes Gerechtigkeit der letzte Ausweg der Weltüberwindung. Das Bild vom zürnenden Gott verbindet sich also mit dem Bild des Richter-Gottes, der das mit der Sünde gleichzusetzende Böse vergeltet. Im Buch Genesis fand der gläubige Mensch eine Erklärung für die Existenz des Leides und die Grenzen des menschlichen Daseins, gekleidet in eine Geschichte von Sünde und Strafe, die im Ungehorsam gegenüber Gott bestand. Genauso war Hinderbachs Sicht der Dinge: „Religiös und theologisch (treffend)!“, so stimmte er einer Passage seines „Fasciculus temporum“ (1477) zu, nach der „allein die Sünde die Ursache alles menschlichen Elends ist, das nur die göttliche Strenge in ihrer Gerechtigkeit vergelten kann“163. Aus Hinderbachs Notizen spricht eine Auffassung von Gerechtigkeit, die Gott gleichsam rechnerisch auf die Menschen verteilt. „Welch gründliche Überlegung und welche Tiefe!“ so beobachtete er bewundernd bei der Lektüre der Stelle, nach der „die Belohnung für die Guten und die Strafe für die Bösen gleichmäßig verteilt sind, im Maß und für alle je nach Notwendigkeit“164; genauso stellt er durch eine Wiederholung am Rand heraus: „In dem Maße Du gesündigt hast, in dem Maße wirst Du bestraft werden“165. Gerade diese Vorstellung von Gerechtigkeit, die eingreift, um den Lauf der Ereignisse auszurichten, und je nach Verdienst und Schuld wirkt, brachte im allgemeinen vgl. B.H. Rosenwein (Hrsg.), Anger’s Past. Die verschiedenen Aufsätze der Sammlung zitieren mehrmals die ira Dei und Lactantius (z.B. S. 3, 46, 157-159, 233-234). 163 BCTn, (inc.) W 116, f. 225: „solum igitur peccatum est causa miseriarum harum, divina severitate iuste se vindicante“, am Rand Hinderbach eigenhändig: „religiosum atque theologicum istud“. 164 BCTn, inc. 424, l. XXVII, cap. 50. Über den Mechanismus von Kompensation und Satisfaktion, über das Gottesbild und die verschiedenen Formen der ,gezählten‘ Frömmigkeit A. Angenendt / Th. Brauchs / R. Busch, Gezählte Frömmigkeit, passim, besonders S. 1-8 und 69-71 (Schlußbetrachtung). 165 BCTn, inc. 424, l. XXIII, cap. 32: „per que etenim peccasti, per hec et torqueris“ unterstrichen und am Rand wiederholt.

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Hinderbach dazu, sich mit Ereignissen auseinanderzusetzen, die aus diesem Rahmen fielen: das „Speculum historiale“ z.B. berichtet von einem Ritter, der einer Jungfrau den Hof machte, die aber durch die Kraft des Gebetes zu Maria der Versuchung aus dem Weg gegangen war; der Ritter hatte sie unberührt in ein Kloster gebracht und selbst an einem Turnier teilgenommen, bei dem er das Leben verlor. Daraufhin fragt sich Hinderbach: „Warum findet die ganze Geschichte keinen guten Ausgang, bei dem der Ritter wegen seiner Haltung nicht bestraft, sondern belohnt werden sollte?“ Und er kommt daraufhin zu dem Schluß: „Gottes Wege sind den Menschen verborgen, und keiner kennt seine Pläne (consilium Dei), warum er jenes läßt und anderes tut“166. Wenn der Sündenfall als Absage an und Trennung von Gott eine Antwort auf die Grundfragen der menschlichen Existenz bot167, dann hat die Bedeutung der Sünde durch Augustinus und seine Nachfolger einen Prozeß der Moralisierung, Universalisierung, Sexualisierung und Politisierung durchgemacht168. Daraus ergibt sich eine Schwächung der heilsbringenden Eigenschaft des ganzen Sündenkonzepts (die Dynamik Sünder-Versöhnung als soteriologische Struktur) und die emanzipatorischen Aspekte der Versöhnung mit Gott als Befreiung von Schuld gehen verloren169. Das Ich und das Wir fanden keine Rechtfertigung, sie sahen sich sündig und verderbt gegenüber der göttlichen Ordnung: von dieser düsteren Vision einer sündigen Welt sind nicht nur Hinderbachs Bemerkungen zu Liturgie oder Literatur durchzogen, sondern sie reichen bis in seine innerste Weltsicht hinein. In der Vorrede zu zwei Rundbriefen von 1470 und 1472 greift er genau auf jenen Begriff „peccatis exigentibus“ und die Vorstellung der „ira Dei“ zurück, um einen genauen Zusammenhang zwischen den Sünden der Menschen, Gottes Zorn und der darausfolgenden Bestrafung herzustellen: „Wie alle sehen, vervielfachen sich die Übel auf der Welt wegen unserer Sünden, deswegen verdienen wir Gottes Zorn und seine Züchtigung“170.

1472 heißt es: „In diesem Augenblick (…) scheint Gottes Zorn mehr als sonst über die Christen hereinzubrechen durch die Wut der Türken; die Verworfenheit (perfidia) dieses Volkes und seine Angriffe zur Vernichtung unseres Glaubens nehmen immer mehr zu, wie jeder sehen kann; das alles wegen unserer Sünden, und wir müssen BCTn, inc. 422, l. VI, cap. 103. Ph.A. Bird, Genesis 3, S. 23. 168 J. von Soosten, Die „Erfindung“, S. 88, Anm. 1. 169 E. Otto, Vom Rechtsbruch zur Sünde, S. 25. 170 „(…) uti cernimus, mala peccatis nostris exigentibus multiplicantur super terram, pro quibus iram dei meremur et flagellum (…)“: K. Walsh, Eredità tardomedioevale, App. II, S. 56. 166 167

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fürchten, daß, wenn wir nicht demütig, zerknirscht und reuig nach dem Beispiel der Väter zu Gott zurückkehren und so unser sündhaftes Leben aufgeben, Gottes Zorn sich noch weiter steigern wird“171.

Gottes Zorn, einmal wegen der Sünden der Menschen provoziert, zieht Vergeltung nach sich172. In beiden Vorreden fließen Angst vor der Strafe Gottes mit der Sünde zusammen: „Wegen unserer Sünden“, „nostris heu peccatis exigentibus“; im zweiten Brief wird sogar die Verbindung SündeZorn-Vergeltung Gottes noch deutlicher durch das flagellum, also die Strafe durch die Türken, mit einem furor, der fast alttestamentarisch anmutet173. Der zürnende Gott in Hinderbachs Arengen war ein Deus tremendus, der auch in der zeitgenössischen Ikonographie vorkommt und den Sünder mit Bogen und Pfeilen trifft: die tötende Gottheit, so der treffende Ausdruck Dinzelbachers174. Auf diese Weise wird das Bild eines furchterregenden Gottes seit dem Alten Testament und später über die Zeit der Pest im 14. Jahrhundert mit einem weitverbreiteten ikonographisch neuen Thema wieder mit Leben erfüllt, das auch in vielen bildlichen Darstellungen im Alpenraum erscheint: Gottvater oder Christus verletzen direkt ihre Geschöpfe mit Pfeilen, Lanzen und Schwertern, nicht nur im Zusammenhang mit dem Jüngsten Gericht, dem Ende aller Tage, sondern auch schon vorher, im Verlauf der Heilsgeschichte, die damit Züge eines Ablaufs menschlicher Verdammnis an171 „Sempiterna pastoralis officii sollicitudo nos astringit ut diligenti studio ac solerti diligentia hiis intendamus quibus animas subditorum nostrorum nostre cure commissas lucrifaciamus Christo redemptori nostro, quod maxime tunc nos facere credimus cum vitia et peccata, presertim publica notoria seu manifesta Ecclesiam Dei et christifideles scandalisantia, que omni divino et humano timore postposito tam a clericis quam a laicis perpetrantur, extirpemus, per que oculi divine maiestatis tanto magis offenduntur quanto iam ira Dei crebior plus solito per rabiem Turchorum in christifideles desevire videtur, cum eiusdem gentis perfidiam et subitus eorum insultus in nostre religionis eversionem ac exsterminium, nostris heu peccatis exigentibus, in dies magis magisque succressere conspicimus, et nisi exempla sanctorum patrum imitantes a peccatis huiusmodi et vitiis averse ad dominum Deum nostrum in vera humilitate, contritione ac penitencia condigna revertamus ac ipsum bonis nostris operibus dignisque penitentie fructibus placemus a vitiisque et peccatis nos retrahentes, timendum est iram Dei continuo gravius in dies magis invalescere“ (ASTn, APV, sez. lat., capsa 43 Nr. 12). 172 Vgl. die in Anm. 150-158 angeführten Beispiele. 173 Vgl. BCTn, ms 1556, f. 614, Merkzeichen und manicula bei: „non revertetur furor Domini usque dum faciat et usque dum compleat cogitationem cordis sui in novissimis diebus, intelligetis consilium eius“ (Ier 23, 20). Die Formulierung „peccatis exigentibus“ im Zusammenhang mit den Türken auch bei BCTn, W 3129, f. 6v: „iam dudum imperio ablatum est nostro, hoc est Romano, sed est sub imperio Sarracenorum ac Machometarum seu Soldani Babilonis, peccatis nostris exigentibus“. Über die rabies Thurcorum ausführlich weiter unten, S. 336 f. 174 P. Dinzelbacher, Angst im Mittelalter, S. 137 ff.

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nimmt175. Dieses allgemeine Interpretationsschema wandte Hinderbach nicht nur auf literarische, also schon vergangene Gegenstände seiner Lektüre an, wie seine Erläuterung der „vindicta Dei“, sondern er übertrug es auch auf seine eigene Gegenwart, auf Probleme, die ihn ganz aktuell in seinem Amt beschäftigten, das schon erwähnte Vorrücken der Türken nach der Eroberung von Konstantinopel 1453. Innerhalb dieses Rahmens sah er auch sich selbst und fand so eine Richtschnur für sein persönliches Handeln. Bezeichnend, gerade weil eher zufällig, ist die Auffassung der ultio, die Hinderbach übte an den Juden in Trient als Reaktion auf das (angebliche) Martyrium Simons mit all seinen Konsequenzen: „Die Juden sind wegen ihres abscheulichen Verbrechens bestraft, verbrannt und vom Feuer verzehrt worden“ und das alles, „aus gerechter Vergeltung“, „digna ultione“176. Gegenüber diesem göttlichen Zorn und der Androhung von Vergeltung erwies sich eine Vermittler- und Vormundtätigkeit als unerläßlich. Von daher der Appell an die Jungfrau Maria, die Heiligen und jede Form von Fürsprache zwischen Himmel und Erde: Hinderbach ergriff alle Möglichkeiten, die Kirche denjenigen im Spätmittelalter breitgefächert bot, die in ihrem Sündenbewußtsein voller Angst dem Jüngsten Gericht entgegensahen. Vermittler zwischen Himmel und Erde Der Heilige war für Hinderbach vor Gott confirmatus durch seine Glaubenskraft, Werke und Tugenden und hob sich kraft der erwirkten Wunder hervor177. In diesem Sinne ergänzte er mit der gewohnten Genauigkeit sein Bibellexikon, das unter dem Begriff „sanctus“ nur auf die Elemente Glaube und Wunder zurückgriff 178. Die Heiligen begleiteten ihn sein ganzes Leben lang, ihre Anwesenheit zeigte sich im Gebet und liturgischem Gedächtnis, das sich in seinen Kalendaren niederschlug. Hier führte er eine Vielzahl Ebd., S. 144 ff. BCTn, inc. 424, l. XXIII, cap. 160, am Rand Hinderbach eigenhändig: „iudei vero pro eorum immanissimo scelere digna ultione sunt puniti et cremati et exusti“. 177 BCTn, ms 1779, f. 435: Zum Artikel sanctus in Großbuchstaben vertikales Merkzeichen. Der Text faßt genauer, daß diejenigen Gesetze, Bräuche und Menschen heilig genannt werden, die fest im Glauben stehen. Heilige (am Rand Hinderbach eigenhändig: martyres), „quasi sanguine tincti dicebantur, sanguine ostie (am Rand Hinderbach eigenhändig: ,vel suo proprio‘) respersi“ (am Rand Hinderbach eigenhändig vertikales Merkzeichen und Kreuzchen). „(…) jetzt wird heilig derjenige genannt, der fest im Glauben steht, „in fide confirmatus“ (am Rand Hinderbach eigenhändig: „et opere bono ac virtutibus confirmatus et miraculis clarus“). 178 Zu Hinderbachs Genauigkeit: er führt oft den Titel des Heiligen für Personen an, denen er in der Textvorlage fehlt. Z.B. in BCTn, inc. 422, f. 231v, fügt er ein „s.“ dem Namen Gregors des Großen bei. 175 176

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von ihnen auf, neben den Namen von Lebenden und Verstorbenen, in der Gemeinschaft mit ihnen, sie alle durch die Art des Gedenkens gleichsam wieder zum Leben erweckt. Heilige bevölkerten das Grabdenkmal Hinderbachs – im ganzen sieben – ebenso wie die Votivtafel, die wahrscheinlich in seinem Auftrag angefertigt und über seinem Grab angebracht werden sollte – mit fünf Heiligen als Geleit in den Himmel179. Das Gebet zu den Heiligen war Hinderbach nicht eine gewissenhaft befolgte Pflicht, sondern eine Herzensangelegenheit, ein „sanctos Dei implorare“, wie die Vorrede eines Briefes bei einer Reliquienüberstellung anführt, also die Bitte um Hilfestellung im täglichen Leben und darüber hinaus für die Ewigkeit: in der Handschrift mit dem officium der Hll. Stanislaus, Adalbert und Hedwig vermerkt der Kopist, daß im Jahre 1473 Bischof Hinderbach krank daniederlag, aber durch Gottes Gnade und die Fürsprache der Heiligen wieder genas180. Iginio Rogger hat ausführlich über Hinderbachs eigentümliche Vorliebe für das Heiligengedenken gehandelt, dazu alle wichtigen Zeugnisse gesammelt und in einer sorgfältigen Untersuchung dargelegt181. Danach war sein Interesse nicht nur gelehrter Natur, sondern ist zu sehen in enger Verbindung mit dem persönlichen Vollzug von Gebet und Liturgie182, der ganz im Dienst des Glauben stand. „Wenn das Leben der Heiligen vertrauenswürdig erzählt wird, senkt es sich tief mit seinem Wahrheitsgehalt in die Herzen der Gläubigen ein und leitet sie weiter, auch ohne daß darüber noch mit besonderem Aufheben geredet werden muß“: diese Bemerkung Vinzenz’ von Beauvais konnte Hinderbach voll unterschreiben und er spendete ihr auch Beifall: „Das ist wunderbar und trifft voll zu!“183. Gerade der Glaube, das pie credendum, sei der Maßstab, der oft wichtiger sei als der Echtheitscharakter einer Überlieferung: z.B. ist für ihn die nichthistorische Erzählung von der versuchten Vergewaltigung einer Kaiserin durch ihre Dienstleute „eindeutig eine erfundene Geschichte oder Legende, weil sie nicht historisch genau den Namen des Kaisers, der Kaiserin und des Papstes jener Zeit nennt, trotzdem aber gut und beispielhaften Inhalts, erbaulich für fromme Zuhörer und hervorragend geeignet als Predigtstoff für das Gottesvolk“184. Dazu zeigt sich K. Walsh, Eredità tardomedioevale, App., doc. II, S. 56. BCTn, ms W 1795, f. 47v-48r (= PBE, scheda 6, Ed. des Passus S. 59). 181 I. Rogger, Interessi agiografici, S. 320. 182 Hinderbach „cerca di rispondere alle esigenze di chi celebra quotidianamente nella preghiera la memoria dei santi e sente il bisogno di pregare coscientemente, con attenzione al senso delle formule e dei testi“: ebd., S. 331. 183 BCTn, inc. 424, l. XXIV, cap. 98. 184 BCTn, inc. 422 cap. 91, f. 191, zur Rubrik „de imperatrice cuius castitatem eripuit a violentia servorum“, am Rand Hinderbach eigenhändig: „hec hystoria sive 179 180

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Hinderbach hier von seiner philologischen Seite, deren Schärfe er auch bei der Untersuchung der sogenannten Freiheitsbriefe mit der Datierung und dem Papsttitel bewies185, dabei aber diese Kriterien philologischer Kritik ganz dem Erbauungswert für die Gläubigen unterordnete. Erbauung und Glaube, das pie credendum, bildeten also eine wesentliche Grundlage für seine hagiographische Betrachtungsweise. Diese Neigung nährte sich vorwiegend aus geographisch-archäologischem Interesse; mit staunenswerter Genauigkeit entwirft Hinderbach im Kalendar seines Breviers eine Topographie heiliger Stätten mit den dazugehörenden Personen186: Tag für Tag verzeichnet er die Heiligengedenktage und die Orte, an denen seine „Helden“ gelebt haben, dann verstorben, beerdigt und verehrt waren; z.B. Papst Marcellus „in Rom, in der Via Lata“; der Abt Antonius „in Vienne, in Gallien“; die Hl. Prisca „in Rom, auf dem Aventin“; die Märtyrerin Agnes in Rom, „in agone et extra muros“; die Hl. Jungfrau Emerentiana „in Rom, bei Porta Agnese“ usw. Dafür läßt sich eine über das bloß antiquarische Interesse hinausreichende Auffassung vom „ganzen und unverwesten Leib“ annehmen187, also einem Fortleben des Heiligen im Grab und am Begräbnisort als Stätten des intensiven Kontakts mit dem Toten, eines Zusammentreffens mit ihm188. Diese Elemente – Heilige, Körper und Grab – zeigen sich besonders in einem weiteren Zug von Hinderbachs Frömmigkeit: seinem Reliquienkult. Am deutlichsten wird die Verbindung zwischen Sünde, göttlichem Zorn und Vermittlertätigkeit der Heiligen in einem Brief, mit dem er 1470 der Benediktinerabtei St. Georgenberg in Tirol die Reliquien des Hl. Eremiten Romedius überließ, zusammen mit einem Ablaß für die Gläubigen. In seiner Arenga drückt er die Überzeugung aus, daß eine besondere Aufgabe des Bischofs darin bestände, für die ehrfürchtige Verehrung der Heiligen zu sorgen: „Da, wie jeder feststellen kann, das Böse auf der Erde wegen unserer Sünden sich vervielfacht hat, verdienen wir wegen unserer Sündhaftigkeit Gottes Zorn und seine Strafe“. Um diesem Bösen entgegenzuwirken, müssen die Heiligen angerufen und ihre Reliquien stärker verehrt werden, die nicht als kostbare Gegenstände verborgen bleiben, sondern deutlich unter den Gläubigen zur besseren Verehrung ausgeteilt werden sollen. legenda apochripha est, quia nomina imperatoris et imperatricis neque pape illius temporum exprimit, alias bona et exemplaris est (…) piis auribus devota et populis predicanda“. 185 Zu Hinderbachs philologischer Fähigkeit, die sich unter dem Diplomaten verbirgt, D. Rando, Macht der Schrift – Ohnmacht der Gelehrten? 186 Vgl. I. Rogger, Interessi agiografici, S. 320-321. 187 A. Angenendt, „Corpus incorruptum“, S. 320-348. 188 A. Angenendt, Figur und Bildnis, S. 107.

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„Quoniam, uti cernimus, mala peccatis nostris exigentibus multiplicantur super terram, pro quibus iram dei meremur et flagellum, pro quorum aversione necessarium estimamus sanctos dei implorare et eorum reliquias in maiori veneracione habere et illa preciosa pignora non sic in abscondito tenere, sed inter Christifideles distribuere, ut in maiori veneracione habeantur“189.

Das Gebet zu den Heiligen und die Verehrung ihrer Reliquien waren so eng mit dem Versuch verbunden, Gottes Zorn und seine Strafe von den Menschen abzuwenden. Getreu diesem Grundsatz machte sich Hinderbach auf die Suche nach Reliquien und an die Wiederbelebung lokaler Kulte, wie z.B. den schon erwähnten Fall des Hl. Romedius: 1470 entnahm er einen Großteil von dessen Reliquien aus der Eremitei im Nonstal, um sie dem Abt in St. Georgenberg feierlich zu übergeben190; zwei Jahre später ließ er die örtliche Gedenkkapelle des Heiligen restaurieren und einen neuen Altar errichten, der am 16. November 1472 geweiht wurde. Bis dahin genoß Romedius nur Verehrung im Nonstal191, doch seitdem Hinderbach sein Gedenken in die Kalendarien des Bistums aufgenommen und auch andere Schriftzeugnisse beigefügt hatte, ging der Kult allgemein in die Tridentiner Liturgie ein192. Die Weihe des neuen Altares in der Kapelle des Hl. Romedius erfolgte einen Tag nach der des Presbyteriums in der Kirche von Sanzeno193, eines Ortes, der Hinderbachs besondere Aufmerksamkeit erfuhr. Am 29. Mai 1472 waren unter dem Altar dieser Kirche, wohl eher zufällig, die Überreste der Hll. Märtyrer Sisinius, Martyrius und Alexander aufgefunden worden194. Noch im selben Sommer, am 26. August, nahm Hinderbach persönlich die Reliquien in Augenschein und kurze Zeit später, am 15. September, weihte er den Altar und das Presbyterium der Kirche, die im Bau war, und ließ die Reliquien in einen marmornen Sarkophag, den er für sie in Auftrag gegeben K. Walsh, Eredità tardomedioevale, App., doc. II, S. 56. Über Caspar Augsburger, den „Humanistenabt“ von St. Georgenberg, K. Walsh, Eredità tardomedioevale, S. 37, 44-45 und Anm. 54. Zu seiner Reliquiensammlung für die Abtei, H. Kühne, Ostensio reliquiarum, S. 394. Hinderbach überließ ihm später auch mehrere Reliquien des Simonino: G. Weiss, Abt Caspar Augsburger, S. 237. 191 Über das Sanktuarium, G. Faustini / I. Rogger, S. Romedio. Arte - storia leggenda. 192 F. Turrini, Ricerche, S. 51 und vgl. S. 84-85. 193 I. Rogger, Interessi agiografici, S. 338, Anm. 76-78 und S. 254. Über das Sanktuarium vgl. jetzt E. Curzel, Dal luogo di devozione, S. 163. 194 I. Rogger, Interessi agiografici, S. 338, nota 76 und S. 363. Die Belege sind nicht gleichlautend: einmal sagt Hinderbach, daß die Reliquien zufällig gefunden wurden (casualiter … invente), (ebd., S. 339, Anm. 78); zum anderen überliefert das Notariatsprotokoll, daß Hinderbach eine (offensichtlich bereits vorhandene) Begräbnisstätte öffnen ließ, weil er die sterblichen Überreste anschauen wollte (B. Bonelli, Monumenta ecclesiae Tridentinae, Bd. 3/2, S. 148). 189 190

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hatte, überführen und entwarf vielleicht wiederum selbst ein entsprechendes Epitaph195. Die inventio der Überreste der drei Märtyrer und die entsprechenden Zeremonien lagen ihm am Herzen, sosehr, daß er sie in vielen Handschriften immer wieder zitiert196, besonders in denen, die vornehmlich autobiographisch sind, den drei Kalendarien und im Bischofskatalog197 bis hin zu einem Ablaßbrief198. Bei dieser Gelegenheit wurden auch besondere Zeugnisse zusammengestellt, nämlich die „acta super inventionem et translationem“ – Hinderbach erwähnt sie selbst in einer Anmerkung; von der inventio sind erhalten ein Notarsbericht und ein epitaphium inventionis, das die Ereignisse in Verbindung mit Hinderbach als Protagonisten feiert199. Daraus lassen sich Einzelheiten des Gesamtvorganges ablesen. Nach dem Zeugnis des Notars, der die Fakten berichtet200, ließ Hinderbach im dringenden Wunsch, die Reliquien der drei Märtyrer anzuschauen („videre cupiens“) die bisherige Begräbnisstätte öffnen; zwischen Aschenresten fand sich eine kleine Kassette aus Silber, die Hinderbach im „cancellum corporis Christi“, also dem Tabernakel, aufbewahren ließ – dieses Vorgehen war wahrscheinlich dadurch motiviert, daß dort der einzige sichere Ort in der Kirche war, aber auch durch die Überzeugung der Zeit, daß eine tiefe Verbindung zwischen Eucharistie und Reliquie bestand201. Hinderbach ließ nun die alte Grabstätte wieder schließen, um die Reliquien später in Anwesenheit von Prälaten und anderen Geistlichen der Diözese mit der notwendigen Ehrfurcht „erheben“ zu lassen. Und so geschah die erwähnte Zeremonie am 15. September wirklich in Anwesenheit einer großen Anzahl von Geistlichen und auch Laien: „in maxima cleri et populi ac nobillium frequentia ac solennitate“, wie Hinder195 I. Rogger, Interessi agiografici, S. 339, Anm. 78: „et in sarcophago marmoreo supra columpnas elevato reposite (scil. reliquie) in maximo cleri et populi ac nobilium frequentia ac solennitate in dedicatione novi chori (…)“. 196 Vgl. z.B. BCTn, inc. 423, l. XVIII, cap. 36. 197 I. Rogger, Interessi agiografici, S. 338, Anm. 76 und S. 339, Anm. 78. 198 Der Ablaßbrief vom 28. Juni 1474 für St. Georgenberg hat einen ungewöhnlichen Einschub: „(…) reliquias sanctorum martirum Sisinii, Martirii et Alexandri, que divina opitulante gracia per nos et tempore pontificatus nostri in diocesi et loco martirii invente sunt, ac venerabili et religioso in Christo patre fratre Gaspare prefati monasterii abbate unacum aliis prelatis nostre diocesis nobis assistenciam faciente (…)“ (K. Walsh, Eredità tardomedioevale, App., doc. IV, S. 60). 199 BCTn, ms 778, S. 77 (Ed. bei G.B. Menapace, Intorno al luogo, S. 354-355). 200 Auch das Notariatsprotokoll ist herausgegeben bei G.B. Menapace, Intorno al luogo, S. 353-354, Anm. 2, der folgt B. Bonelli, Monumenta ecclesiae Tridentinae, Bd. 3/2, S. 148. 201 H. Dünninger, Zur Frage der Hostiensepulcren, S. 76-77. Dort auch die Erwähnung der Praxis, auf den Altären drei konsekrierte Hostien auszulegen, wenn Reliquien nicht vorhanden waren.

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bach selbst später schrieb202. Darunter befand sich auch der schon erwähnte Abt von St. Georgenberg in der Nachbardiözese Brixen, der einen Teil der Reliquien erhielt203. Iginio Rogger betont, daß Hinderbach, obwohl er aus seinen hagiographischen Quellen wußte, daß die Asche der Märtyrer nicht im Nonstal war, sondern in Trient, „sich nach dem Modell des Hl. Ambrosius zu einer neuen inventio der Überreste der Heiligen nun in Sanzeno verleiten ließ“204. Da aber jegliche Spur von einem früheren Kult fehlte, der über die Pfarrgrenze hinausreichte, führt Rogger weiter aus, „läßt sich zwingend schließen, daß es vor allem Dinge der Diözesanbischof Hinderbach war, der eine ursprünglich einfache Pfarrkirche des Hl. Sisinius in ein wirkliches Sanktuarium umwidmete, mit einem Grabschrein und einem eigenen Gedächtnis als religiösem Bezugspunkt seiner Diözese“205 (ein Teil der Reliquien wurde übrigens auch nach Trient überführt). Diese Umwidmung einer Pfarrkirche in ein Sanktuarium ging wie im Fall der Eremitei des Hl. Romedius im Nonstal von einem Bedürfnis nach Verbindung mit den Heiligen aus, vom festen Willen, einen bereits bestehenden Kult aufzuwerten, und so ist sicher kein Zufall, daß Hinderbach versuchte, das Kopfreliquiar des Hl. Vigilius, des Patrons seiner Diözese, aus Passau, wo es aufbewahrt wurde, wieder nach Trient zu holen – ein sehr mühevolles Unterfangen, das er hartnäckig verfolgte, „laboribus et expensis“, und dafür sogar den Kaiser einspannte, doch am Ende ohne Erfolg206. Hinderbachs Bemühungen erstrecken sich auf die Heiligen seiner Diözese: Martyrius, Sisinius und Alexander, Romedius und vor allem den Schutzpatron, den Hl. Vigilius. Ihm, dem „Landfremden“, wurden diese „Lokalheiligen“ so vertraut, daß er mit einem Zugehörigkeitsgefühl oft von 202 Transkribiert bei I. Rogger, Interessi agiografici, S. 339, Anm. 78. Zur damaligen Praxis der Reliquienidentifizierung durch hervorragende Personen, die das Protokoll besiegelten N. Herrmann-Mascard, Les reliques des saints, S. 83: die höchste Form der Reliquienbestätigung war eben das Notariatsprotokoll. 203 Der Vorgang wurde auch im sogenannten „Heiltumbüchlein“ der Abtei erwähnt (1480 gedruckt), dessen Verfasser höchstwahrscheinlich derselbe Caspar Augsburger war; darin sind vier weitere „geinfelt prelaten“ zitiert: G. Weiss, Abt Caspar Augsburger, S. 238, Anm. 116. 204 I. Rogger, Interessi agiografici, S. 339. 205 Ebd., S. 340. 206 BCTn, inc. 424, l. XXIV, cap. 33. Vgl. auch die ausführliche Anmerkung, die bei I. Rogger, Interessi agiografici, S. 334, Anm. 60, transkribiert worden ist, wo Hinderbach erzählt, für diese Frage beim Kaiser vorstellig geworden und mit ihm darüber auf dem Reichstag von 1471 in Regensburg geredet zu haben; der Widerstand der Kanoniker in Passau erwies sich jedoch als unüberwindlich: auch Hinderbachs Angebot von Traminer Wein ließ ihn nicht erlahmen.

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„unserem“ Hl. Vigilius und „unserem“ Hl. Romedius sprechen kann207, und er nimmt sogar in einer Glosse für den Diözesanbischof in Anspruch, in das örtlichen Martyrologium auch die Märtyrer der eigenen Diözese aufzunehmen208. Von daher führt er im Bischofskatalog unter seine Verdienste die Anfertigung eines neuen Reliquiars für den Unterarm des Hl. Vigilius auf, und seine Bestrebungen gipfeln in den Vorgängen um den „seligen“ Simon als neuen Kult mit neuem Sanktuarium, das Wundertaten und Gnadenbeweisen herbeiführen sollte209. Dahinter stand der Wunsch, einen heiligen Gottesmann an der Seite und in ganz konkreter Beziehung mit der Möglichkeit der Anschauung und der Berührung zu haben, zusammen mit dem Ziel, auch damit an dessen Heiligkeit teilzuhaben. Wie schon erwähnt, hatte Hinderbach 1470 die Reliquien des Hl. Romedius jener Südtiroler Benediktinerabtei geschenkt, die nahe dem Heiligenkult lag, „damit das ganze Inntal von der Anwesenheit seiner Reliquien seine Vermittlung und sein Patronat im Himmel Nutzen und Schutz erhalte, nachdem er in den Himmel gegangen war, er, der vorher zu Lebzeiten dominus dort gewesen war“210. Die praesentia reliquiarum sicherte eine wirkliche Vermittlung – Hinderbach nennt sie durch die Wiederaufnahme der Tradition kurz vorher die „pretiosa pignora“, also wertvolle Unterpfänder. Das Bedürfnis nach physischer Nähe, einer Realpresenz des Heiligen211, beruhte auf der Überzeugung, daß eine enge Verbindung zwischen Reliquien und dem Heiligen selbst bestand, der sich dort auch aufhielt, wo seine sterblichen Überreste ruhten212 – ein grundlegender Bestandteil des mittelalterlichen Reliquienkults, der einen körperlich-physischen und sinnlichgeistigen Zug besaß: der Reliquie wohnte danach gleichsam eine orendische Kraft inne, von der eine unerschöpfliche Wirkung ausging, der Körper des 207 BCTn, ms W 3363, f. 88: „unser“ Hl. Romedius, „unser“ Hl. Vigilius. BCTn, ms W 3129, f. 32: „ergo hiis temporibus et antea floruit beatus Vigilius noster et episcopus Tridentinus“. BCTn, ms 1706, f. 2: in Verbindung mit dem Hl. Vigilius, wo Hinderbach nicht genau weiß, ob der im Text unter die Kirchenväter zitierte Vigilius sei eben der „Vigilius episcopus et martyr ac patronus ecclesie nostre Tridentine vero dictorum doctorum Ecclesie contemporaneus et doctissimus, ut patet (…)“. 208 BCTn, inc. 422 f. 289v. Über die von Hinderbach abgeschriebene Legende des Hl. Vigilius vgl. auch F. Turrini, Ricerche, S. 35, 253 f. 209 Vgl. unten, S. 383 f. 210 „Ut quem vallis ipsa Eni in vita dominum habuerat, de eius presentia reliquiarum gaudeat in terris, eundemque post eius felicissimum transitum intercessorem et patronum habeat in coelis“. K. Walsh, Eredità tardomedioevale, App., doc. II, S. 57. Zit. auch bei I. Rogger, Interessi agiografici, S. 343. 211 P. Dinzelbacher, Die „Realpräsenz“ der Heiligen, S. 128-129. Vgl. auch S. Haarländer, Die Reliquien der Bischöfe, S. 141-150 und S. 150-153 über die Reliquien zugeschriebene Wunderkraft. 212 Ebd., S. 155, mit Bezug auf Vitricius von Rouen, † 407.

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Heiligen verströmte die Energie des Heiligen. Veranschaulichen läßt sich die Auffassung besonders durch den Einsatz von Reliquien zu Kriegszeiten. Im Frühmittelalter wurden schon Reliquien bei Kampfhandlungen eingesetzt, entweder unter dem Helm oder in der Rüstung befestigt, dazu auch in den Waffen und im Reliquiar während der Schlacht213. Die tiefe Überzeugung vom Eingreifen der Heiligen übte beträchtlichen Einfluß auf das Verhalten der Kämpfer aus214, ja die Heiligen konnten sogar in die Kriegsplanung eingreifen. Besondere Bedeutung kam dabei Schwert, Lanze, Fahnenzeichen und den Reliquien des Heiligen selbst zu215, erst nach der Mitte des 12. Jahrhunderts ging ihr Einsatz im Krieg zurück216. Doch die frühmittelalterliche Tradition, in hagiographischen Texten über die Rolle des Heiligen als Schlachtenhelfers zu erzählen, hielt weiter an217, und in sie fügten sich auch Hinderbachs Vorlagen ein. Reliquien in der Schlacht waren für ihn weder verwerflich noch mit der kirchlichen Lehre unvereinbar. Das zeigt eine umfangreiche Notiz zum Passus des „Speculum historiale“ über ein Wunder des Hl. Vigilius. Hinderbach beschreibt am Rand folgende Episode: Am Ende des 4. Jahrhunderts gelang Kaiser Theodosius ein glorreicher Sieg über die Alanen mit Hilfe des Märtyrers Vigilius. Der damalige Papst (den Hinderbach irrtümlich als Siricius identifiziert) rät Theodosius, die gesta des Hl. Vigilius, des Bischofs von Trient, die gerade entdeckt worden waren, bei sich zu führen, „ut manifestentur virtutibus“. Daraufhin wurden die gesta an das Vexillum gefügt, und die Kraft Christi offenbarte sich durch den Hl. Märtyrer so, daß die Feinde die Flucht ergriffen218. Nach Hinderbach wurde dann diese Praxis, die gesta der Märtyrer an die Schlachtenfahne anzuheften, von den folgenden Kaisern bei ihren Kriegen mit den Heiden übernommen – seine Beobachtung trifft durchaus zu, denn nach Untersuchungen von František Graus gaben Hagiographen und Chronisten des Frühmittelalters einen Sieg als erstes Wunderzeichen für eine Christianisierung aus, als unmittelbaren Beweis für die Überlegenheit des Christengottes gegenüber den Heiden. Für Hinderbach galt die Praxis sogar bis in seine Gegenwart: „Aus diesem Grund haben wir dem Kaiser Friedrich, als er 1469 auf der Rückreise von Rom in Venedig verweilte, einige Reliquien des Hl. Vigilius zusammen mit seiner legenda überreicht. Der Kaiser empfing das Geschenk mit großer Ehrfurcht, trug es bei sich und errang einen großen 213 214 215 216 217 218

P. Dinzelbacher, Die „Realpräsenz“ der Heiligen, S. 122. N. Herrmann-Mascard, Les reliques des saints, S. 217. F. Graus, Der Heilige als Schlachtenhelfer, S. 337. N. Herrmann-Mascard, Les reliques des saints, S. 220. F. Graus, Der Heilige als Schlachtenhelfer, S. 337. I. Rogger, Interessi agiografici, S. 336, Anm. 67.

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Triumph über seine Feinde („que cum summa reverentia accepit et secum detulit ac insigni victoria contra hostes suos triumphavit“219). Der Zusammenhang dieses Eregnisses ist bekannt. Im Februar 1469 hielt sich Friedrich wirklich in Venedig auf, wo Hinderbach ihn besuchte, um die Temporalieninvestitur für das Bistum Trient zu empfangen. Die Überreichung der Reliquien und der acta des Hl. Vigilius war sicherlich mit dieser feierlichen Zeremonie verbunden: „la prefata Maestà feci Signore in temporale il veschuo de Trento cum mile cerimonie e feste“220. Sein Geschenk kam dem Kaiser gerade recht, wie aus einem Bericht an den Herzog von Mailand durch einen anonymen Informator in Venedig deutlich wird: Friedrich sei dorthin gegangen, um Reliquien zu erwerben, und „certi Greci li hano venduto certe osse de morti, fin ala coda del axino che portò Cristo in Betellem“(!)221. Die Reliquie fand sicher die Anerkennung des Kaisers, dazu kommt noch ein zweiter, wichtigerer Aspekt. Hinderbach sah das Geschenk ganz im Lichte seiner hagiographischen Vorlagen, also den Gebrauch Friedrichs in den folgenden Kriegen und den Erfolg, den der Kaiser dadurch errungen hatte. Das zeigen eindeutig Wort- und Tempuswahl der von Hinderbach verwendeten Verben: „accepit, secum detulit, triumphavit“. Mit dieser assoziativen Interpretation setzte er seine Lektüre in wirkliches Leben um. Die alte Vorstellung, daß Reliquien eine himmlische Kraft auf dem Schlachtfeld besäßen, lebte durchaus fort; Hinderbach glaubte offensichtlich fest an ihre apotropäische Wirksamkeit beim Kampf, wie seine hagiographischen Quellen vorgaben, und von daher bediente er sich ihrer, um sie in die zeitgenössische Realität einzubringen. So verwundert nicht weiter, wie selbstverständlich er wenigstens zweimal den wundersamen Eingriff des Hl. Quirinus bei der Verteidigung von Neuß während der Belagerung durch den Herzog von Burgund 1475 schildert: daß der Schutzpatron der Stadt, miles Christi, Tag und Nacht in voller Größe auf den Stadtmauern erschienen sei, in eiserner Rüstung seinen Rundgang gemacht und damit die Sicherheit gewährt habe222. BCTn, inc. 423, libro XVII, cap. 3: der Text ist eine Fortschreibung Hinderbachs als Einschub zur Anmerkung, schon transkribiert von I. Rogger, Interessi agiografici, S. 336, Anm. 67. Zur Legende vgl. auch BCTn, ms 1787, f. 27, wo Hinderbach bei Theodosius am Rand vermerkt: „qui sub vexillo beati Vigilii ecclesie nostre patroni Gothos vicit et (…) in proelio non longe ab urbe Tridentina“. BCTn, ms W 116, f. 217 weiter zu Theodosius: die Pfeile der Feinde verfehlten durch göttliche Hilfe ihr Ziel, und Hinderbach notiert am Rand: „ad(iutum) meritis beati Vigilii episcopi“. 220 So der Bericht durch Michele Colli: P. Ghinzoni, Federico III, S. 141. Über den Romzug Friedrichs III., J. Rainer, Die zweite Romfahrt, S. 183-190 und RTA, 22/1, S. 1-65. Vgl. auch A. Esch / D. Esch, Mit Kaiser Friedrich III. in Rom. 221 Der Text geht weiter: „Altro non compera luj tutavia fazendo merchato luj et pagando luj medesimo“: P. Ghinzoni, Federico III, S. 141. 222 BCTn, inc. 422, l. VI, cap. 84. Die Episode wird weiter unten berichtet. Über die Belagerung von Neuß, K.-F. Krieger, Neuß, Belagerung, S. 110; M. Fuhs, 219

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Unter diesem Gesichtspunkt wurden Heiligenreliquien eine Art von Amulett, und als solches ihnen Wunderkräfte zur Fürsprache beigelegt: um Gesundheit zu erhalten, Heilung zu sichern und Schutz zu gewähren. Zahlreiche Belege für ähnliche Verhaltensmuster datieren schon aus der Zeit vor Hinderbach, z.B. hatte Jakob von Vitry einen Finger der Marie d’Oignies in einem kleinen Silberbehälter um den Hals als Schutz vor dem Ertrinken und ihn dann Gregor IX. geschenkt223, sogar Thomas von Aquin war nicht gegen das Mitführen von Reliquien, obwohl das Konzil von Braga (675) den Bischöfen verboten hatte, sie am Körper zu tragen224. Auch für Hinderbach besaßen sie unmittelbare Wirksamkeit, hic et nunc wirkten sie als Eingreifen des Übernatürlichen in die irdische Welt. Wegen dieses numinosen Charakters als Berührungsstelle zwischen Himmel und Erde, zeigt er ihnen gegenüber eine Mischung aus Ehrfurcht und Besitzgier. Diese Gefühlsambivalenz hat Peter Dinzelbacher betont am Beispiel der Translation des Hl. Cuthbert durch die Mönche von Durham im Jahre 1104225: ihr Schwanken zwischen Nähe und Furcht, daß eine mögliche Ehrfurchtsverletzung Gottes Zorn entfesseln könne. Dieselbe Faszination und Furcht zeigen sich auch bei Hinderbach z.B. dort, wo er über den Bischof von Antiochia las, der einen Teil des Bartes eines Heiligen als Reliquie entwendet hatte und mit dem Schlag bestraft worden war – darauf hatte der Bischof geschworen, daß keiner jemals mehr das Heiligtum berühren dürfte; dazu notiert Hinderbach gleichsam als Mahnung für sich selbst: „nota bene istud“226; wenn er in der vita des Hl. Emmeram las, daß bei der Entfernung des Grabsteins für seine Translation die umgebende Menschenmenge vor Schrecken zu Boden fiel, rief er sich die Erinnerung an ähnliche Reaktionen während der Reliquientranslation der Märtyrer aus dem Nonstal von 1472 zurück227. Frömmigkeit zum Anfassen Reliquien waren Gegenstände, die verehrt, besessen und auch sichtbar dargestellt werden wollten. Einige Bezeichnungen, die Hinderbach und der Notar des Sanzeno-Berichts aus dem Jahre 1472 verwendet haben, unterstreichen Hermann IV., S. 64-72 und zuletzt W. Janssen, Die niederrheinischen Territorien, S. 121, F. Fuchs / K.-F. Krieger, Aller tugent ist er ein fass, S. 100-109. 223 P. Dinzelbacher, Die „Realpräsenz“ der Heiligen, S. 150. 224 Ebd., S. 122. Über Cuthbert, D.W. Rollason, Cuthbert, S. 397. 225 P. Dinzelbacher, Die „Realpräsenz“ der Heiligen, S. 125-126: „unde ad ipsa sacri corporis secreta altius perscrutenda manus admovere videbatur temeritatis, quam, ut putabant, sectura divinitus ultio nullo modo relinqueret impunita (…) Inerat namque illis ex amore desiderium videndi atque tractandi quod dilexerant (…)“. 226 BCTn, inc. 423, l. XX, cap. 54. 227 BCTn, ms 1787, f. 27.

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diese für die spätmittelalterliche Frömmigkeit typische visuelle Komponente. Nach dem Notar ließ Hinderbach die Ruhestätte der Märtyrer Alexander, Sisinius und Martyrius öffnen, mit dem Wunsch, „die Reliquien wirklich vor Augen zu haben“ („videre cupiens reliquias prefatas“); der anschließende, eigentlich offizielle Akt in Anwesenheit des Klerus bestand darin, die Reliquien zu „erheben“ und in einen neuen, auf Säulen überhöhten monumentalen Sarkophag beizusetzen („supra columpnas elevatus“) – über diesen Vorgang, die Gebeine der Heiligen zur Ehre der Altäre zu erheben, hat Arnold Angenendt ausführlich geschrieben228. In seiner Bulle für das Kloster von St. Georgenberg aus dem Jahre 1474 gewährte Hinderbach auch einen Ablaß demjenigen, der besucht und verehrt „das wunderkräftige Blut des Altarsakramentes, das dort bewahrt und uns gezeigt wird“ („qui ibidem conservatur et nobis monstratus fuit“)229. Das Verb monstrare nimmt hier den terminus technicus des ostensoriums auf, also der Monstranz, während der Bezug auf die persönliche Erfahrung in einem offiziellen Zeugnis wie der Bulle die Bewegung durch die direkte Zurschaustellung zu übermitteln scheint. Hinderbach führt sich selbst diesen Akt, die Reliquien zu sehen und zu berühren, vor Augen in einer Anmerkung zu den Reliquien des Hl. Simeon von Antiochien mit eigener Unterschrift im Stil einer notariellen Beglaubigung: sie „werden in Zara gezeigt, vollkommen erhalten mit einem Bart, sehr lang und voller Haare, die wir selbst mit unseren eigenen Augen gesehen und mit eigenen Händen berührt haben“ („quod … oculis nostris vidimus et tetigimus“)230. Die Zurschaustellung von Reliquien reichte bis in das 7. Jahrhundert zurück. Das stark zunehmende Bedürfnis, Überreste von Heiligen anzuschauen, ging zusammen mit einer formalen Entwicklung der Reliquiare, die ihren Höhepunkt in den Ostensorien erreichte. Das Inventar des Mainzer Domschatzes von 1418 etwa verzeichnet gut vierzehn monstrantia und zwei vasi cristallini, darunter wenigstens neun Reliquienbehälter 231. Ähnlich ist auch A. Angenendt, Zur Ehre der Altäre erhoben, S. 221-244. 1472 hatte der Abt von St. Georgenberg eine Untersuchung über die Herkunft der Reliquien des Heiligen Blutes durchführen lassen (H. Kühne, Ostensio reliquiarum, S. 398). Zur Ausstellung der Reliquien ab 1480 ebenda, S. 394-395. Hinderbach ist ebenfalls das Christi-Blut-Wunder in Mantua bekannt, auch wenn er den Ursprung nicht genau kennt und sich eine Suche danach vornimmt: BCTn, inc. 422, l. VI, cap. 48, f. 179v. Über Christi Blut in der spätmittelalterlichen Religiosität, P. Dinzelbacher, Das Blut, S. 415-422. Zum Hl. Blut in St. Georgenberg G. Weiss, Abt Caspar Augsburger, S. 236, Anm. 110. 230 Vgl. BCTn, inc. 424, l. XXII, cap. 1: „adhuc integrum et incorruptum cum barba cuncta ac perlonga ac crinibus, quod alias veniendo ex Apulia cum serenissima imperatrice Leonora versus urbem Venetiarum oculis nostris vidimus et tetigimus. Johannes Tridentinus“. 231 S. von der Gönna, Der Mainzer, S. 355-359. Die neuartigen Ostensorien und Behälte in Kristall, für die der Begriff Reliquien ausdrücklich angewandt wurde, 228 229

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derjenige, den Hinderbach herstellen ließ für den Unterarm des Hl. Vigilius: der hatte sich vorher in waagerechter Lage befunden, „antea in modum quadrupedis per transversum“, und wurde nun auf seine Anweisung hin hoch aufgerichtet, „in directum sursum erexit“, nach römischem Vorbild und anderen Vorlagen in Kirchen, die Armreliquien ähnlicher Art besaßen232. Das Tridentiner Reliquiar ist bis heute erhalten, besteht aus einem zylinderförmigen Bergkristall mit silbernem Piedestall und stellt insgesamt äußerlich eine segnende Silberhand dar. Diese sogenannten Armreliquiare waren in Spätmittelalter weit verbreitet. Schon im 11. Jahrhundert belegt, fanden sie ihre größte Ausbreitung vom 13. bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts. Dabei war die „segnende Hand“ typologisch heiligen Bischöfen oder Priestern vorbehalten, unter den Armreliquiaren seltener als die Exemplare mit ausgestreckten Fingern, ebenso wie die Zylinderform aus Bergkristall oder einfachem Glas233.

In der Liturgie wurde dieses Reliquiar oft zum feierlichen Segen benutzt und erfüllte so eine ähnliche Funktion wie die Eucharistie in der Monstranz. Das zeigt die enge Verbindung zwischen Reliquien- und Sakramentskult: im 14. und 15. Jahrhundert erfuhr die Hostie steigende Verehrung234, wurde schließlich auch während und außerhalb der Messe ausgestellt, und nicht zufällig hießen Reliquienbehälter auch monstrantia, tabernacula, ciboria235, die sich im 14. Jahrhundert zu Vorläufern für die Hostienostensorien entwickelten236. Alle denkbaren Möglichkeiten, den Gläubigen Reliquien körbesaßen noch ein weiteres Pendant in einer „Vase“ mit Reliquien, die aber nicht näher beschrieben ist. 232 „Brachium s. Vigilii antea in modum quadrupedis per transversum, super basi argentea pro ut nunc stat in directum sursum erexit, ac more Romanae Ecclesiae et aliarum Ecclesiarum, ubi similia brachia Sanctorum habentur, in melius reformavit“ (I. Rogger, Interessi agiografici, S. 334, Anm. 59 und vgl. oben, S. 220). Über das Reliquiar zuletzt E. Castelnuovo / F. De Gramatica, Il gotico nelle Alpi, Kat. Nr. 144, S. 766 (M. Collareta). 233 J. Braun, Die Reliquiare, S. 405. Diesem Reliquiar des Hl. Vigilius ist ein 1337 in Neapel hergestelltes ähnlich, das sich heute im Louvre befindet, und ein Reliquiar des Hl. Stanislaus aus dem Dom von Breslau in der Sammlung Spitzer (Abb. ebenda, Nr. 455 und 460). 234 P. Dinzelbacher, Die „Realpräsenz“ der Heiligen, S. 145 nimmt die Elevation der Hostie im späten 12. Jahrhundert und die des Kelches im 13. Jahrhundert an, ebenso die Entwicklung des Tabernakels für die Aufbewahrung und die Verehrung der geweihten Hostie; vgl. H.B. Meyer, Die Elevation, S. 164 ff. und O. Nußbaum, Die Aufbewahrung, S. 122 ff. 235 J. Braun, Die Reliquiare, S. 55. 236 P. Dinzelbacher, Die „Realpräsenz“ der Heiligen, S. 145. Wie die Reliquien wurde auch das Allerheiligste im Ostensorium bei den immer zahlreicher werdenden Prozessionen mitgeführt; dagegen erhielten die Zeremonien, die mit dem Fest des

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perlich und sichtbar nahe zu bringen, wurden wiederbelebt, um ihnen auch das Altarssakrament, den Leib Christi, vor Augen zu führen; dazu boten sich oft als erste Ostensorien für die Eucharistie frühere Reliquiare mit einer neuen Zweckbestimmung an237, sodaß im 14. Jahrhundert sogar ursprüngliche Reliquienostensorien zusammen mit dem Allerheiligsten im selben Behältnis zur Schaustellung verwendet wurden238. Eine weitere Bestätigung für diese Überschneidung von Reliquien- und Sakramentskult zeigen auch die sogenannten „trockenen Messen“, d.h. ohne Konsekration, bei denen manchmal anstelle der Hostienelevation den Gläubigen eine Reliquie gezeigt wurde239. Das Ostensorium, das die Realpräsenz des Heiligen und der Eucharistie gestattete, stand in enger Verbindung mit ähnlichen Vorgängen, die alle eine Zurschaustellung spätmittelalterlicher Frömmigkeit förderten240. Beispiele für diese Schaufrömmigkeit sind nach Dinzelbacher die Bilder des leidenden Christus, der auf seine Wunden hindeutet, und die sogenannten Röntgenbildnisse, die das Jesuskind und seinen Vorläufer, Johannes den Täufer, im Mutterschoß abbilden, eine ikonographische Besonderheit, die zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert vor allem in Hinderbachs geographischem Umfeld weitverbreitet war241. Diese Schaufrömmigkeit fand ihren wohl stärksten Ausdruck durch die Bilderverehrung. In mehreren Handschriften und besonders im Bischofskatalog vermerkte Hinderbach, daß er seiner Kirche eine Kopie der sogenannten Lukas-Madonna überlassen habe: „Er (Hinderbach spricht von sich in dritter Person) brachte aus Rom die Ikone der Hl. Jungfrau mit, nach jenem Bild, das vom Hl. Lukas gemalt worden sein soll und sich in der Kirche S. Maria del Popolo befand, approbiert und gesegnet durch Papst Paul II., der einen Ablaß von 100 Tagen demjenigen gewährt hatte, der es fromm verehrt. Dieses Bild schenkte der Bischof seiner Kathedrale, damit es dort für immer zu seinem Gedächtnis aufbewahrt würde“242. Die Verehrung der Reliquien verband sich eng mit derjenigen für die Ikonen. Anfangs hatten die Reliquien im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit Altarsakraments verbunden waren, ihr formales Äußeres in der Liturgie durch die Verehrungspraxis von Jesu- und Heiligenreliquien. 237 Vgl. M. Andrieu, Aux origines, S. 398-399. Auch Reliquiare wurden am Fronleichnamfest zur Hostienausstellung verwendet. 238 Ebd., S. 403. 239 Ebd., S. 398, Anm. 1. 240 P. Dinzelbacher, Die „Realpräsenz“ der Heiligen, S. 145. 241 Vgl. G.M. Lechner, Maria Gravida, Nr. 87, 110, 115, 120 des Katalogs. Über das Thema vgl. S. Tammen, Mutterschaft, S. 40 und dies., Marianischer. 242 ASTn, APV, sez. lat., cod. 2; BCTn, inc. 423, l. XVII, cap. 54; BCTn, inc. 424, l. XXIII, cap. 147.

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gestanden, und die Bilder unterstrichen nur ihre Wirkung, doch ab dem 13. Jahrhundert kehrte sich dieses Verhältnis um: Reliquien wurden zum Beiwerk für die Bilder selber. Am Anfang des 14. Jahrhunderts wurden Ablässe gewährt für Gemälde, die mit Reliquien ausgestattet waren, und später löste sich die Bilderverehrung gänzlich ab zu eigener Autonomie243. Hans Belting hat von einer „Allianz“ zwischen Reliquien und darstellender Kunst gesprochen, dahingehend, daß das Bild durch Reliquien vorgegebene Einzelheiten umsetzt und die Phantasie der Gläubigen in konkrete Bahn lenkt244. Für Theologen war der Bildergebrauch auf Katechese und Evokation der affectio gerichtet, sie betrachteten die Bilder also ganz unter einem begrenzten, mnemotechnischen Gesichtspunkt; dagegen verkörperten Ikonen für Gläubige die wirkliche Anwesenheit der Person, die Gegenstand der Verehrung war. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch ihre weitverbreitete Verehrung: mit der Überzeugung, daß die Heiligen in den Reliquien wirklich anwesend waren, übertrug die Berührung des Bildes die virtus, also die den Heiligen innewohnende Kraft; von daher resultiert auch die Einstufung der Bilder als „Sakrament der Frommen“245. Bilder riefen eine ähnliche Verehrung wie die der Reliquien hervor, den herausragendsten unter ihnen kam annährend die gleiche Wirksamkeit zu246. Dieser außerordentliche Zulauf konnte in Idolatrie ausarten, eine Befürchtung, die Nikolaus von Kues als Legaten im Reich 1451/52 dazu brachte, häufig Vorsorge zu treffen gegen „ymagines, ad quas incurrunt parvi sensuus homines et seducuntur“247. Hinderbach besaß offensichtlich diese Befürchtungen gegenüber den Bildern weniger, deren Verehrung er eher förderte: „bona et optima ratio“, so kommentierte er bei der DurandusLektüre dessen Auffassung, daß „ein Bild den menschlichen Geist mehr bewegt als die Schrift“, eine Begründung gegen bilderstürmerische TendenH. Dünninger, Zur Frage, S. 76 ff. H. Belting, Bild und Kult, S. 336. A. Angenendt, Figur und Bildnis. 245 So Thomas’ Lentes Definition in seiner Dissertation (leider nicht veröffentlicht) von 1992, aus der A. Angenendt, Figur und Bildnis, S. 115 zitiert. Als Beleg für die Verbindung zwischen Reliquien und Ikonen muß ein Ostensorium im schon erwähnten Mainzer Domschatz vorhanden gewesen sein, „in cuius ciborio habetur imago beate Marie virginis“ (S. von der Gönna, Der Mainzer Domschatz, S. 358). 246 Th. Lentes, Die Gewänder der Heiligen, S. 143 mit Bezug auf Hans Belting. 247 Acta Cusana, Nr. 1000, S. 706 und vgl. Nr. 2064, S. 1332: „similiter mandat eisdem ordinariis ut, si in visitacione suarum diocesum aut alias reperiant concursum populi ad certas ymagines et cognoscant populum huismodi magis ad disposicionem figure habere respectum, quod hoc omnino prohibeant, ne ydolatria committatur“ (Provinzialkonzil Mainz von Ende 1451). Ähnliche Verfügungen gegen die zu häufige Ausstellung des Altarsakraments und für seine Abdeckung beim Transport: Acta Cusana, Nr. 1000, S. 706, 1264, S. 863 und Nr. 2064, S. 1332. Vgl. auch zwei Mandate „contra currentes ad ymagines“ Friedrichs von Zollern, Bischofs von Augsburg (1487): G. Signori, Kultwerbung, S. 453, Anm. 95 und neuerdings N. Schnitzler, Ikonoklasmus, S. 61-62, auch mit Bezug auf Jean Gerson, und S. 65-66, Anm. 226, für Italien. 243 244

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zen248. Im „Speculum“ des Vinzenz von Beauvais fand Hinderbach zahlreiche Stellen über Bildnisse der Jungfrau Maria: zur „blutenden“ Madonna mit dem Jesuskind, vermerkte er: „Was für ein großes Wunder!“249; zum Abbild der Jungfrau über einem Tor in Avignon, das die Stadt gegen Feinde verteidigte, stellt Hinderbach die Beziehung zum Hl. Quirinus als Verteidiger von Neuß her250; dazu waren ihm die sogenannten lebenden Statuen bekannt, „heilige Bilder in Holz oder Stein, die weinen oder ähnliche Tätigkeiten vollführen sollen, wie etwa in Aquileia oder an anderen Orten“, Phänomene, die schon die menschliche Einbildungskraft vor dem Christentum bewegten251. In diesem weiteren Zusammenhang muß auch die schon erwähnte Ikone der Jungfrau Maria gesehen werden, die Hinderbach erworben und seiner Kathedrale geschenkt hatte. Unter den heilkräftigen Bildern besaßen die sogenannten Madonnen des Hl. Lukas, also jene dem Evangelisten zugeschriebenen Gemälde, wegen ihrer Autorschaft einen hervorragenden Wert, dem von Reliquien der Heiligen selbst gleichkommend252. In ähnlicher Absicht schenkte Hinderbach das Madonnenbildnis der Kirche von Trient und Reliquien des Hl. Vigilius drei Jahre später dem Kaiser; beide Gaben sollten eine heilbringende Wirkung mit sich tragen: die Reliquien stellten die kriegerische Überlegenheit Friedrichs III. her, die Ikone verschaffte frommen Gläubigen Ablässe. Aus dem Bischofskatalog geht hervor, daß Hinderbach die Marienikone schon bei seinem feierlichen Einzug in die Diözese mit sich trug, also im Jahre 1466253. Dabei war das Vorbild für seine Ikone jene von S. Maria del Popolo in Rom, wiederum eine der späteren Nachbildungen der Original-Hogiditria aus Konstantinopel (bei der Eroberung 1453 zerstört). Das Urbild hatte sich im Kloster der Hogedon am Bosphorus befunden und galt als Palladium des byzantinischen Reiches, seit dem 11. Jahrhundert mit dem Porträt von der Hand des Evangelisten Lukas gleichgesetzt. Ein starker Antrieb für die Verehrung im Westen ging von Sixtus IV. aus, der 1478 die Ikone von S. Maria BCTn, inc. 2, f. 7. BCTn, inc. 422, l. VI, cap. 111 und cap. 109. 250 BCTn, inc. 422, l. VI, cap. 84. 251 BCTn, ms W 3498, f. 217. Biondo spricht von einer lebenden Statuette der Pallas Athene von Troja (aus Holz), die ihre Augen und ihren Speer bewegte; dazu zeichnet Hinderbach ein vertikales Merkzeichen und bemerkt: „miraculum“; dazu fügt er noch bei: „ut nunc apud nos sanctorum ymagines lignee et lapidee que (dicuntur) flere vel aliquod tale facere, ut Aquilegie et alibi“. 252 M. Bacci, Il pennello, S. 25. 253 Über die Bedeutung des Ikonengeschenks bei den Zeremonien anläßlich Hinderbachs Einzug in seine Diözese, D. Rando, Ceremonial Episcopal Entrances, S. 29-34. 248 249

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del Popolo als authentische Kopie bestätigte und einen Ablaß zum Weiterbau der Kirche ausschrieb. Aber schon vor dieser Frömmigkeitsphase zeigen sich Spuren einer verstärkten Ikonenverehrung im Allgemeinen und derjenigen von S. Maria del Popolo im Besonderen254: um 1470 hatte Alessandro Sforza, Signore von Pesaro, den Künstler Melozzo da Forlì damit beauftragt, eine Kopie der Madonna von S. Maria del Popolo anzufertigen, und gleichzeitig bei Antoniazzo Romano eine Kopie der Madonna von S. Maria Maggiore in Auftrag gegeben. Antoniazzo (zwischen 1430 und 1440 geboren, gestorben nach 1508 und vor 1512) war ein bekannter Ikonenkopist255; auf ihn und seine Werkstatt geht eine geschlossene Kopiengruppe jenes Madonnenbildnisses von S. Maria del Popolo zurück, die den gleichen Karton als Vorlage hat. Der Ursprung dieser Ikonendarstellungen in einem festumrissenen Zeitraum – alle Werke datieren um die 70er Jahre des 15. Jahrhunderts – ist nicht nur im Wiederaufleben des Marienkults unter Sixtus IV. zu sehen, sondern läßt sich zurückverfolgen auf den Fall von Konstantinopel 1453, der die letzten Ausläufer byzantinischer Kultur in den Westen gebracht hatte. Dadurch stellte sich ein starker emotionaler Impuls ein, der auch Legenden von einer Überführung aus Byzanz entstehen ließ und einen neuen „kulturellen Horizont“ für sich bereits im Westen befindende Bilder begünstigte. Die Sehnsucht nach dieser Verbindung mit Konstantinopel, durch die osmanischen Eroberung gewaltsam unterbrochen, förderte auch die Legendenbildung um die Rettung einiger der kostbarsten Ikonen. Schon um 1459 entstand z.B. die Legende von S. Maria della Guardia in Bologna – ihrer Bildtafel, ursprünglich aus dem 13. Jahrhundert und ebenfalls dem Evangelisten zugeschrieben, wurde nun ein legendärer Ursprung aus der Hagìa Sophìa in Konstantinopel beigemessen256. Gleichfalls von der Hand des Hl. Lukas sollte eine Ikone stammen, die 1450 ein Kanoniker der Kathedrale von Cambrai schenkte: sie wurde dann später mit dem Fall von Konstantinopel und dem Türkenkreuzzugsprojekt Herzogs von Burgund Philipps des Guten in Verbindung gebracht257. Von daher läßt sich eine Art „Inflation“ der Lukasmadonnen beobachten258, innerhalb einer ganz speziellen Welle des „Byzanz-Revivals“ in Rom und sich H. Belting, Bild und Kult, S. 382. A. Cavallaro, Antoniazzo Romano, S. 54 ff. 256 M. Bacci, Il pennello, S. 310-313. Eine Ikone auch in der Alten Kapelle Regensburg, die Hinderbach sicher kannte: J. Gerl, Zum Gnadenbild der Alten Kapelle, S. 187201. 257 M. Bacci, Il pennello, S. 326. 258 H. Belting, Bild und Kult, S. 350. Vgl. G. Cracco, Alle origini, S. 134. Auch in Loreto stand am Anfang des Marienkults nicht das heute zu sehende Haus der Maria, sondern ein gemaltes Lukasbild. Andere Beispiele in Italien und nördlich der Alpen: M. Bacci, Il pennello, S. 292 f. und passim. 254 255

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steigernder Marienverehrung im 15. Jahrhundert259. Daran hatte der griechische Kardinal Bessarion besonderen Anteil: er sorgte als Legat in Bologna für die Restaurierung jener Kirche der Madonna del Monte della Guardia; als Kommendatarabt ab 1452 schenkte er der Basilianerabtei Grottaferrata in der Umgebung Roms „ein hölzernes Bild für den Hauptaltar“, das als Lukasikone des 13. Jahrhunderts identifiziert wurde260; Bessarion gab auch Antoniazzo Romano den Auftrag, diesen Typ zu kopieren261. Weiter ließ er denselben Künstler 1464 in seiner römischen Titelbasilika Sancti XII Apostoli die Grabkapelle ausschmücken, deren Patronat ihm ein Jahr vorher Pius II. zugestanden hatte262. In der Mitte ihrer Apsis befand sich eine Marienikone, die stilistische Anklänge an die Hogiditria in Konstantinopel, aber mit den für Antoniazzo charakteristischen Zügen zeigt. Diese Madonna, die Kopie einer Ikone aus S. Maria in Cosmedin – der Kirche der griechischen Kolonie in Rom263 – wird zwischen 1467, dem Jahr der Fertigstellung der Kapelle, und Bessarions Todesjahr, 1472, datiert, dabei läßt sich eine frühere Anfertigung nicht ganz ausschließen264. Eben in jener Titelkirche Bessarions, in der sich die Hogiditria-Kopie des Antoniazzo befand, wurde auch Hinderbach zum Bischof konsekriert. Wahrscheinlich kannte er den Künstler persönlich, der genau in der Zeit von Hinderbachs Romaufenthalt die Kurie häufiger aufsuchte: 1464 gestaltete Antoniazzo in päpstlichem Auftrag die Vorbereitungen für die Krönung Pauls II., des Papstes aus Venedig, der als Kardinal in seinem Palast, dem heutigen Palazzo Venezia, eine reiche Sammlung „griechischer Ikonen“ besaß; und genau in diesem Jahr 1464 war Hinderbach in Rom eingetroffen, um gegenüber dem neugewählten Papst die kaiserliche Obödienzerklärung abzulegen und vielleicht als Augenzeuge der Krönung Pauls II. beizuwohnen265. Von dieser zeitlichen Nähe her besteht die Möglichkeit, daß auch seine Ikone S. Castri, Scheda Nr. 1, S. 136. Diese Ähnlichkeit vermutet P. Guerrini, Il Bessarione a Grottaferrata, S. 807811, auf Grund einer Notiz aus dem Inventar von 1462, das erwähnt „imaginem Virginis pro altare maiore de ligno“, die aus Rom stammt. Zu Grottaferrata vgl. C. Bianca, Bessarione e l’abbazia, S. 107-121. 261 H. Belting, Bild und Kult, S. 382. 262 A. Cavallaro, Antoniazzo Romano, S. 33 und 42 ff. 263 Ebd., Kat., Nr. 7, S. 185-186. 264 Frau Noehles geht davon aus, daß das Bild früher als die Kapelle vorhanden war (Antoniazzo Romano, S. 26). 265 Hinderbach konnte als Augenzeuge dieser Art von Zeremonien in einer Anmerkung von dem Brauch reden, daß die Päpste nach ihrer Krönung selbst oder durch den Thesaurar beim Umritt durch die Stadt Geld unter das Volk warfen, um ihre Freigebigkeit zu zeigen und eventuelle Aufläufe zu vermeiden: BCTn, ms W 109, f. 95v. 259 260

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für Trient aus der Werkstatt des Antoniazzo stammte, der als „anerkannter Interpret alter römischer Kultbilder“ galt266. Diese chronologisch naheliegende Verbindung muß zwar aus stilistischen Gründen eingeschränkt werden267, trotzdem besteht die enge, zeitliche Nähe zwischen Hinderbachs Geschenk und der Förderung des Marienikonenkults durch Bessarion. Über die engen Beziehungen Hinderbachs zum Kardinal wurde schon gehandelt, vor allem über seine Dolmetschertätigkeit für ihn auf dem Reichstag von Wiener Neustadt 1460 und besonders die späteren Kontakte in Rom mit ihm und seinem „Freundeskreis“. Dafür spricht auch Hinderbachs Erinnerung an die Abtei von Grottaferrata mit ihrem Kommendatarabt Bessarion als einen Ort von großer Annehmlichkeit, „sehr schön durch die Lebhaftigkeit seiner Wasserspiele und die Gesundheit seiner Luft“, dazu als refugium des betagten Kardinals, der sich vom Getriebe der Kurie in Rom zurückzog, „pro secessu Urbis“; weiter erwähnt Hinderbach noch die Verehrung, die an jenem Ort zuteil wurde, der „singularis tabella ymaginis sacrate Virginis“, dem Hl. Lukas selbst zugeschrieben268: diese Verehrung des Lukasbildes für die 60er Jahre des 15. Jahrhunderts wird auch belegt durch Enea Sylvius in seinen Kommentaren269 und durch vielfache Ex-Voto in einem Inventar von 1462270. Die verschiedenen Einzelheiten der Beziehung Hinderbach-Bessarion durch die Marienikone können einmal als Zeichen für eine Art Nachahmung künstlerischen Mäzenatentums angesehen werden, aber auch und vor allem als eine kulturelle und devotionale Verwandtschaft. Hinderbachs Ikone in Trient ordnet sich in eine Zeitströmung ein, eine gewisse, von Rom ausgehende Mode; darüber hinaus war sie auch Zeichen einer persönlichen Verehrung: der Bischof vermacht seiner Gemeinde ein außergewöhnliches Objekt, das einer kostbaren Reliquie gleichkommt, Gnaden- und Trostquelle für eine Frömmigkeit, der ein starkes visuelles Element innewohnt.

266 Antoniazzos Kopien „versprachen gleichsam die Erfahrung der authentischen Gestalt des Vorbildes und garantierten eine Kontinuität des sakralen Bildes, die in der Entwicklung der gleichzeitigen Renaissancekunst gefährdet schien“. So gilt er als „der Exponent einer retrospektiven Haltung, für die er einen eigenen Malstil entwickelt“: H. Belting, Bild und Kult, S. 493. 267 S. Castri, Scheda Nr. 1, S. 137. 268 ÖNB, CPV, ser. nov., 2960, f. 40v. 269 Enea Silvio Piccolomini, Commentarii, S. 2253. 270 M. Bacci, Il pennello, S. 274.

II. Seele und Seelenheil

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Mittel und Wege der Heilsgewinnung Unter den vielfachen Möglichkeiten der Heilsvermittlung nutzte Hinderbach auch die der Gebetsgemeinschaften. Sie sind schon seit dem 5. Jahrhundert belegt, nahmen aber einen Aufschwung erst seit dem 11. Jahrhundert und sicherten den Mitgliedern zu Lebzeiten und nach dem Tod himmlische Verdienste aus dem gemeinsamen Gebet, dem Messopfer und den guten Werken. Hinderbach war Mitglied in fünf Gebetsgemeinschaften, den Dominikaner-Observanten (1448), den Marienserviten (zwischen 1461 und 1485), den Benediktinern von St. Georgenberg in Tirol (1474), denjenigen der Abtei Tegernsee in Bayern (1475), schließlich des Ospedale S. Spirito in Sassia in Rom (1478)271. Die Mitgliedschaft in geistlichen Brüderschaften war weitverbreitet; der schon oft erwähnte Herzog Sigismund und Graf von Tirol z.B. vervielfachte die Fraternitätsbriefe und richtete sie an dieselben religiösen Gemeinschaften, die auch Hinderbach ansprach272; ebenso konnte 1451 der berühmte Prediger Giovanni da Capestrano sich rühmen, gut 1400 Briefe dieser Art unter sein Publikum gebracht zu haben273. Die besondere Form der Gebetsgemeinschaft besaß ihr theologisches Fundament in der geistlichen Gewalt der Sündenvergebung mittels einer stellvertretenden Buße, die sich ihrerseits verband mit der Lehre von der communio sanctorum274. Diese Auffassung von Gebet und Gemeinschaft war für Hinderbach eine Grundüberzeugung. Zum Kapitel bei Vinzenz von Beauvais über die Einsetzung des Allerheiligenfestes durch Odilo von Cluny vermerkte er: „institutio memorie generalis pro animabus omnium defunctorum“ und verfaßte eine ausführliche Anmerkung, die er mit seiner Unterschrift versah, bezogen auf diejenigen Verbrüderungsbriefe, die von den Abteien zugunsten ihrer Freunde und Wohltäter ausgestellt wurden. Dadurch, so beobachtete er, nahmen sie zu Lebzeiten und im Tod an Guten Werken und dem gesamten Gnadenschatz der religiösen Gemeinschaften 271 K. Walsh, Eredità tardomedioevale, S. 42-46. N. D’Acunto, Litterae confraternitatis, S. 391 ff. 272 A.A. Strnad, Ein Konfraternitätsbrief, S. 683-698, und ders., Frömmigkeit, Heilkunde, S. 140 ff. 273 A.A. Strnad, Ein Konfraternitätsbrief, S. 685. 274 Die Auffasssung von der participatio, einem Schlüsselbegriff der Alten Kirche, hatte im Mittelalter eine fortschreitende Konkretisierung erfahren: das gemeinsame Gebet war zu einer gegenseitigen Fürsprache geworden, die Anteilnahme am Schicksal des Mitmenschen bedeutete auch die Möglichkeit, an seiner Stelle Versöhnungs- und Bußwerke zu verrichten; die ganz konkrete Hilfe für eine religiöse Gemeinschaft oder für ein einzelnes, hilfsbedürftiges Mitglied wurde umgesetzt in einen Austausch von Gaben geistlicher und materieller Natur: A. Angenendt, Geschichte der Religiosität, S. 305 und S. 175. Über das Verhältnis von Lebenden und Toten und die „Dankbarkeit“ der Toten, M. Othenin-Girard, „Helfer“ und „Gespenster“.

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teil, die sich mit dem Totengedächtnis beschäftigten; vor allem dazu konnte Hinderbach bemerken, daß von diesen Briefen „nonnullas nos habuimus a plerisque monasteriis et piis locis“275. In diesem Sinne äußerte er sich auch in einem Kommentar über einen Abt in Fulda und andere Mönche, für die im Laufe der Zeit das Gebetsgedächtnis nachgelassen hatte. Darüber schrieb er: „Ich glaube, daß danach in einigen276 Kirchen festgelegt wurde, daß die Toten auch im Jahr nach ihrem Hinscheiden noch die Einkünfte aus ihrer Pfründen bekamen, denn diese wurden zu ihrem Seelenheil benutzt“277. Die schon erwähnte Möglichkeit einer „stellvertretenden“ Buße kehrt auch in einem Kommentar zum Fegefeuer wieder: die Unerlösten sollten nach einem Textzeugnis des Vinzenz von Beauvais „durch die göttliche Barmherzigkeit am Tag des Jüngsten Gerichts in das Himmelreich eingehen“. Hinderbach zeichnet am Rand eine manicula, ein Merkzeichen, ein „nota istud!“ und vermerkt: „multos autem ante diem iudicii liberant elemosine, ieiunia et orationes viventium, et precipue celebratio missarum“278. Almosen, Fasten, Gebete und vor allem die Feier der Heiligen Messe279 – so wollte sich auch er durch die littere fraternitatis Erlösung verschaffen, im wortwörtlichen Sinne jener durch seine littere eingeräumten Versprechungen280. Dagegen hat er die anderen Möglichkeiten der Heilsbeschaffung nicht unbedingt ausgeschöpft. Zum Bußsakrament erwähnt er sporadisch dessen Verdienste und Wirksamkeit beim Nachlaß der Strafen, wobei er etwa in seiner Studienzeit die Notwendigkeit der Beichte nicht so dringend 275 BCTn, inc. 424, l. XXIV, cap. 105. Über die Einsetzung des Allerheiligenfestes, M. Lauwers, La mémoire, S. 140-147. 276 So meine Lesart, die Vorlage ist allerdings nicht vollkommen eindeutig. 277 BCTn, inc. 424, l. XXV, cap. 107; auch beim Inhaltsverzeichnis vermerkt Hinderbach am Rand des Kapitels 105: „memoria defunctorum“. 278 BCTn, inc. 424, l. XXIII, cap. 121. 279 BCTn, inc. 424, l. XXIV, cap. 102, Hinderbach zum Hl. Odilo, „quotidianus in missa“, am Rand eigenhändig: „mirandum istud“. Und vgl. BCTn, ms 1706, f. 48, eine manicula beim Passus, der zum Memento der Messe vermerkt, daß der Priester die Namen und das Gedächtnis derjenigen erwähnen kann, die er nennen will: also die Vorstellung, daß derjenige, der genannt wird, auch besonders in den Genuß des Messopfers komme (A. Angenendt / Th. Brauchs / R. Busch, Gezählte Frömmigkeit, S. 37). Zu diesem „heilsfördernden“ Wert der Messe in der theologischen Literatur E. Iserloh, Der Wert der Messe, S. 390-413. 280 Vgl. die Verbrüderungsbriefe der Dominikaner von 1448: „omnium missarum, oracionum, predicacionum, ieiuniorum, abstinentiarum, vigiliarum, laborum ceterorumque bonorum (…) partecipacionem“ (K. Walsh, Eredità tardomedioevale, App., doc. I, S. 55) und des Abts von St. Georgenberg aus dem Jahre 1474: „ad plenam fraternitatem bonorum scilicet omnium consortium et conviviorum in missis, oracionibus, abstinentiis, elemosinis, vigiliis ac aliis quibusvis virtutum exerciciis (…)“ (ebd., doc. III, S. 58).

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sah281. Einige versprengte Anmerkungen belegen sein Vertrauen in die Heilskraft der Eucharistie („Hostienempfang tut nicht nur den Toten, sondern auch den Lebendigen gut“282), auch wenn er nicht die Häufigkeit der Kommunion besonders herausstellt283. Hinderbach ist vor allen Dingen von der heilbringenden Wirkung der Messe überzeugt: in einem kleineren Werk, das er als Geschenk zur Zeit seiner Primiz 1450 empfing, „De actione missarum“, und das er öfter durchgelesen hatte284 – auch noch nach der Konsekration zum Bischof –, erschien ihm der Meßritus nach der im Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter ausgeformten Auffassung als eine Art Bittund Sühneopfer285; dem Text gemäß bot die Kirche „das Geheimnis von Christi Körper und Blut zur Erlösung der Welt“ an; die Elevation hat den Zweck, Gnade für die Sünden286 und einen Ausgleich für das fehlende Gute zu erlangen287. Dazu treten noch weitere Handlungen wie Verbrennen von Weihrauch288, Spenden zur Errichtung von Kirchen289, Opfer für Lebende 281 BCTn, ms 1582, f. 200: „nota hic meritus confessionis peccatorum ac virtutes eiusdem et he de alleviacione pene per confessionem“. Über die Beichte vgl. auch BCTn, ms 1561, f. 395: Jacopo Zocchi hielt daran fest, daß nach dem Begehen der Sünde sofort die Beichte folgen müsse, doch Hinderbach hielt nicht so streng an dieser Ansicht fest, wie sein Bezug auf eine Postille Heinrichs von Langenstein zeigt, die sich auf dieselbe Dekretale bezog, die Zocchi kommentiert hatte. Vgl. auch BCTn, ms 1556, f. 665, am Rand Hinderbach eigenhändig: „virtus confessionis qualis et quanta“. 282 BCTn, ms 1789, f. 271, am Rand Hinderbach: „quod hostie oblacio prosit non hominibus mortuis sed eis vivis“. Und vgl. BCTn, ms 1706, f. 11, „pulcher paschalis est, et bene notandum“ zu Johannes 6,35 („Ich bin das Brot des Lebens …“). 283 BCTn, inc. 423, l. XIV, cap. 69, am Rand wieder Hinderbach: „Augustinus: cottidie eukaristiam sumere nec laudo nec vitupero“. 284 Das zeigt die Lektüre des kleinen Werks nach 1466 durch die Anmerkungen, die vom Hl. Vigilius als Bischof und Patron der eigenen Diözese sprechen, etwa bei BCTn, ms 1706, f. 2: „Vigilius episcopus et martyr ac patronus ecclesie nostre Tridentine (…)“. 285 A. Angenendt / Th. Brauchs / R. Busch, Gezählte Frömmigkeit, S. 30-35; A. Angenendt, Deus, qui nullum peccatum, S. 148-149. 286 BCTn, ms 1706, f. 2. 287 BCTn, ms 1706, f. 89, dann folgen noch diese cause: „ad ostendendum potenciam Dei, ad declarandam sapientiam filii Dei, ad ostendendam largitatem Dei circa nos“. Und vgl. unten, S. 285 und Anm. 316. 288 BCTn, inc. 423, l. XVI, cap. 79: „Devotio quoque mentis eius recipitur et quicunque accendunt cereos secundum fidem suam habent mercedem“ dazu Hinderbach eingenhändig: „contra (Lactantium) qui usum cereorum reprehendit“; „consuetudo universalis ecclesie accendendi cereos (…); und weiter, zum Text: „(…) ad signum leticie“ Hinderbach eingenhändig: „ac devotionis m(enti)s in Deum accendendi ac illustrate conscientie“. 289 Die Erscheinung des Hl. Dionysius im Traum Karls des Großen, der denjenigen Verzeihung verspricht, die zur Errichtung seiner Kirche mitwirkten, ist nach

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und Tote290: „Glaube ohne Gute Werke ist hinfällig“, so las und wiederholte Hinderbach in seinem Brevier291. Andererseits vertraute er auf die Sündenvergebung durch die kirchlichen Institutionen, auch noch nach dem Tod. In Padua hatte er die Vorlesungen Jacopos Zocchi über die Lossprechung von exkommunizierten Toten gehört, eine Möglichkeit, die tatsächlich bestände, wenn der Exkommunizierte vorher Zeichen von Reue bewiesen hätte. In diesem Fall, so Zocchi, handelte es sich nicht um eine wirkliche Absolution, sondern um eine einfache Erklärung, declaratio, mit welcher die Kirche den Toten als losgesprochen ansehen konnte, mit der Begründung: „Ecclesia non absolvit post mortem, quia tunc est status salvationis finitus“292. Dieses Bauen auf die Gnadenmittel selbst in einer solchen Extremsituation begleitete Hinderbach bis in die letzten Jahre, wie eine Episode aus dieser Zeit schildert293, die einer seiner Kapläne aus der Diözese Bamberg überliefert und er selbst in einer Postille aufgezeichnet hat: Ein Abt aus dieser Gegend habe beim Messelesen nach dem Offertorium gesehen, daß sich ein exkommunizierter Adliger aus seinem Grab erhoben habe, aus der Kirche gegangen und erst nach der Kommunion in sein Grab zurückgekehrt sei; danach habe der Abt den Toten um eine Erklärung gebeten; der habe ihm geantwortet, sich zu Lebzeiten nicht um eine Exkommunikation gekümmert zu haben, die über ihn in Abwesenheit verhängt worden, und er so exkommuniziert verstorben sei. Daraufhin habe der Abt ihn sofort losgesprochen, und seitdem habe der Tote endlich seine Ruhe gefunden294. Hinderbach ein gutes exemplum für alle: BCTn, inc. 424, l. XXIV, cap. 22: „nota hic bonum exemplum pro hiis qui contribuunt ad edificacionem ecclesiarum“. Vgl. auch BCTn, inc. 424, l. XXVII, cap. 4, Hinderbach eigenhändig: „nota pro confe(re)ntibus munus ad reparandam ecclesiam“. 290 BCTn, inc. 424, l. XXII, cap. 110, Hinderbach am Rand: „quare oblaciones pro mortuis prosunt eciam viventibus“ (die Familienangehörigen eines angeblich verstorbenen Gefangenen ließen dreimal im Jahr für ihn beten, und genau in diesen drei Tagen wurde der Gefangene durch einen Jüngling in weißem Gewand befreit). 291 BCTn, ms 1556, f. 703, am Rand wieder Hinderbach: „fides enim sine operibus ociosa est“. 292 Zocchi räumt aber eine Ausnahme für diejenigen ein, die „in articulo mortis“ Zeichen von Reue an den Tag legten, ein Vorgang, der gleichkam einer declaratio der Lossprechung: BCTn, ms 1561, f. 323. 293 BCTn, inc. 423, l. XXI, cap. 57, zu zwei Nonnen, die exkommuniziert begraben, dann aber, nach ihrem Tod, von der Exkommunikation gelöst worden waren, Hinderbachs Bemerkung am Rand: „notandum hic quod etiam mortuis excommunicatis iniuncta absolucio post mortem prodest“. 294 BCTn, inc. 423, l. XXI, cap. 57, wieder Hinderbach in Folge auf die vorhergehende Anmerkung: „et simile etiam in partibus Alemanie, in diocesi Bambergensi, de quodam nobili excommunicato (am Rand, später: converso postea) et aliqu(ando)

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Diese Anekdote ließe sich ohne Schwierigkeit in das Speculum Vinzenz’ von Beauvais aufnehmen, an dessen Rand sie Hinderbach auch beschreibt: die Grundtendenz ist dieselbe, und Hinderbach gibt sie auch mit der ihm eigenen, skrupulösen Genauigkeit wieder – dabei bemüht er sich zu versichern, daß sein Kaplan eine sehr glaubwürdige Persönlichkeit sei. In diesem wie in anderen Texten seiner Lektüre standen Lebende und Tote in einer Art Meinungsaustausch und Interaktion295. Durch die Vermittlung des Abtes war sogar eine Absolution post mortem erwirkt worden (die aber erst durch die religiöse Grundhaltung des Exkommunizierten ermöglicht wurde); ähnlich griffen die Hll. Vigilius und Quirinus aktiv in kriegerische Auseinandersetzungen ein: auch hier berührten sich Himmel und Erde, die Toten verkehrten mit den Lebenden und umgekehrt296, vor einem kirchlichen Horizont, gekennzeichnet durch die „communio sanctorum et participatio fidelium“297. Über ein anderes Heilsinstrument, den Ablaß, konnte Hinderbach selber verfügen. Schon vor seinem Bischofsamt in Trient erhielt er vom Papst einen Ablaß für seine Marienikone; er erließ dann zwei für das Kloster St. Georgenberg und dann auch für die Peterskirche in Trient zu ihrem Wiederaufbau298. Im ganzen war die Anwendung eher bescheiden (von 1215 an konnten Prälaten nicht mehr als vierzig Ablaßtage vergeben), die in keinem Verhältnis etwa zu den päpstlichen Jubiläumsablässen stand. Von ihnen konnte Hinderbach wenigstens zwei bewußt wahrnehmen, 1450 und 1475. Das erste Jubiläum erwähnt er öfter, seinen herausragenden Wert als historisches Ereignis in Zusammenhang mit dem Pontifikat Nikolaus’ V., allerdings nicht besonders in Verbindung mit einer Ablaßgewährung299. Das von 1475 eröffnete eine vitam bonam et religiosam ducente contigit. Quem abbas monasterii post offertorium de sepulchro resurgentem et foras ecclesiam euntem vidit et post communionem reintrantem ad sepulturam suam, qui ab eodem abbate ad(iu)ratus respondit se quondam in vita pro quadam contumacia excommunicatum fuisse et cum se putaret iniuste excommunicatum, de eadem non curavit et in ea mortuus fuit, unde abbas eiusdem loci eundem absolvit et deinceps tumulum exire non est (nisus). Hec a quodam fidedigno presbitero (in soprall.: idest capellano nostro de illis partibus) (habuimus)“. 295 Zum Gespräch zwischen Lebenden und Toten, M. Othenin-Girard, „Helfer“ und „Gespenster“, S. 178. 296 Ebd., S. 160, 174. 297 Vgl. BCTn, ms 1561, f. 323 zur Absolution von der Exkommunikation, „et illa absolucio habet effectum quia restituit eum (scil. excommunicatum) ad communionem sanctorum et participationem fidelium“. 298 L. Dal Prà, L’immagine di Simonino, S. 456 und G. Dellantonio, Il principe vescovo, S. 256. 299 Dieser Bezug zum Jubiläum erscheint im kleinen Porträt Nikolaus’ V., das Hinderbach bei BCTn, inc. 391, f. 86 entwirft. Über die Bedeutung des Vorganges für die Datierung vgl. die Übertragung der Pfründe in Mödling durch denselben Papst,

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ganz neue Phase in der Verbreitung der Ablässe: seit dem 13. Jahrhundert hatte sich die vorher strenge Begrenzung auf den Kreuzzug allmählich zu einer Theorie über einen „Gnadenschatz“ erweitert, und die Gelegenheiten zu einer Gewährung hatten bis 1476 stetig zugenommen; z.B. wurde der Ablaß für die Kirche von Saintes nun „ad instar iubilei“ zugestanden, unter Einschluß der Toten und der Armen Seelen im Fegefeuer – eine ungewöhnliche Regelung, denn ein Ablaß für Tote war damals durchaus umstritten300. Auch Hinderbach hatte in seiner Universitätszeit den Kommentar Jacopos Zocchi zur Dekretale „Omnis utriusque sexus“ studiert, in dem das Thema unter Rückgriff auf Giovanni Calderini abgehandelt wurde. Nach Zocchi konnte der Papst die Seelen im Fegefeuer nicht von ihrer Strafe lossprechen und so keine Ablässe gewähren „per modum auctoritatis“. Immerhin dürfte er aber ihnen auf indirektem Wege Hilfe durch Ablässe zukommen lassen, die sich aus dem kirchlichen Gnadenschatz zu ihren Gunsten verfügen ließen – mittels der Guten Werke der Lebenden für die Toten301. Zocchi unterschied sich in dieser Ansicht von der Rosellis302, die Hinderbach ebenfalls bekannt war – er beschränkte sich in seiner Mitschrift auf eine eher formale Anmerkung und ließ eine deutliche Stellungnahme zum eigentlichen Inhalt vermissen303. Nach dem Jahr 1476 wurden diese Unstimmigkeiten ausgeräumt. Damals begannen die „felicia tempora plenissimarum indulgentiarum“, wie sie der Augustiner Johannes von Paltz nannte304, einer der Kommissare Raimunds Peraudi, des Autors eines umfangreichen, nach allen Seiten abgesicherten die von Hinderbach datiert wird in „das auf das Jubiläum vorhergehende Jahr“ (ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 58) und die Anspielung auf die Baumaßnahmen Nikolaus’ V. „im Jahr nach dem Jubiläum“ (BCTn, ms W 3498, f. 255v). Der Jubiläumsablaß wurde durch Kardinal Kues vermittelt, damit auch diejenigen, die nicht nach Rom pilgern konnten, in seinem Genuß kämen (Acta Cusana, Nr. 1005 und zur Kritik am Jubiläumsablaß, Nr. 1992, S. 1280). 300 Im Folgenden dazu: N. Paulus, Geschichte des Ablasses, Bd. 1, passim und B. Moeller, Die letzten Ablaßkampagnen, S. 55-69. Zu Jubiläumsablässen, zuletzt H. Kühne, Ostensio reliquiarum, S. 588-594 und S. 634 (Bedeutung des „kommunikativen Verfahrens“ beim Ablaß). 301 BCTn, ms 1589, ff. 479-511. Die quaestio XXX des Dekretalenkommentars „Omnis utriusque sexus“. Zu Zocchis Ansicht über die Verdienste des Ablasses, N. Paulus, Geschichte des Ablasses, Bd. 3, S. 88. 302 N. Paulus, Geschichte des Ablasses, Bd. 3, S. 90-91. Roselli behandelt die Ablaßlehre in seiner lectura, wiedergegeben bei BCTn, ms 1589, ff. 288-297. 303 Die einzige Anmerkung ist nur stilistischer Natur: Hinderbach schlägt vor, das Wort valent („indulgentie … valent“) in prosunt zu verbessern (BCTn, ms 1561, f. 498). 304 B. Moeller, Die letzten Ablaßkampagnen, S. 64. Zu Johannes von Paltz, Student und dann Lehrer in Erfurt, Doktor der Theologie, Prediger und Verfasser von zahlreichen Traktaten, dazu Reformator der Augustinerkonvente, A. Zumkeller, Johannes (Jenser) v. Paltz, S. 410-412.

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religiösen Programms für die Zukunft305. Diese Entwicklung betrachtete Hinderbach aus einer gewissen Distanz, wie aus einer seiner wenigen ironischen Bemerkungen bei der Erläuterung zu einem Passus Gregors des Großen hervorgeht: „Das Reich Gottes ist soviel wert, wie Du besitzen kannst“. Darauf Hinderbach: „Aurea verba Gregorii!“, als er rückblickend die Geschäftspraxis zum Jubiläum von 1475 kommentiert: „Gregors goldene Worte! Das beweist das vergangene Jahr (also 1475) mit seinen vollkommenen Ablässen (…), zu einem Preis von zwei oder drei solidi oder Groschen verkauft“306. Ausgegangen wurde vom düsteren Bild der Furcht vor dem göttlichen Zorn und himmlischer Vergeltung, um dann über die Trostvermittlung durch Heilige und die Jungfrau Maria zu den Gebetsbrüderschaften und den Ablässen zu kommen. Gegenüber der Angst um das eigene Seelenheil verließ sich Hinderbach vertrauensvoll auf das Heilsinstrumentarium, das die spätmittelalterliche Kirche in großzügiger Weise den Gläubigen zur Verfügung stellte. Mit Leib und Seele Kleriker und Prälat lebte Hinderbach mit voller Überzeugung das, was Bernd Moeller als „geschlossene Kirchlichkeit“ des 15. Jahrhunderts bezeichnet hat, fest verankert im Glauben an die kirchlichen Einrichtungen als erprobte Heilsmittel307. Dabei kommt entscheidende Bedeutung dem Opfer und den Guten Werken zu. Im Kapitel des Buches Sirach über die gottgefälligen Opfer mit seiner Darstellung des gehorsamen Israeliten im religiösen und liturgischen Leben (35,1-10) unterstrich Hinderbach den Vers, der vorschrieb, nicht mit leeren Händen vor Gott zu erscheinen308. Im Kapitel 4 des Buches Tobit, das dem literarischen Genus des Testaments gemäß eine Reihe von Belehrungen an Tobias bietet, darunter eine besondere Empfehlung der Almosen, versah er den Inhalt mit der folgenden, prägnanten Überschrift: „Laus elemosinarum ac meritum“309. Dieses Lob der Almosen und Verdienste ordnet sich vollkommen in den Kompensations-Charakter der „kalkulierten Frömmigkeit“ ein – fast eine Arithmetik der Heilsmittel, die ihren Gipfel im Ablaßwesen fand, gleichzeitig aber dazu führte, daß sich diese frommen Akte vervielfachten und anhäuften, so die Messen als Sühneopfer für die Lebenden und die Toten, die Gebetsbrüderschaften. Das Buch Sirach 38,8-11 lädt bei Krankheit zu Reinigung, Opfer und Gebet ein: „Laß ab vom Bösen, mach 305 Im Jahre 1490 wurden in Vorau (Steiermark) innerhalb von sieben Monaten über 50.000 Ablaßbriefe erworben: B. Moeller, Die letzten Ablaßkampagnen, S. 64-65. 306 BCTn, ms 1582, f. 241: „Regnum Dei tantum valet quantum habes“, am Rand Hinderbach eigenhändig: „aurea verba Gregorii! Hoc verificatum est anno superiori in indulgentiis plenariis (…)ssimus qui vendiderunt ea(s)dem pro duobus vel tribus solidis aut grossis“. 307 B. Moeller, Frömmigkeit, S. 74. 308 Sir 35, 4: „non apparebit ante conspectum Dei vacuus“ (MPTn, ms 1597, f. 248). Vgl. auch das Merkzeichen bei Ex 36, 6, ebd., f. 32. 309 Tb 4,10 (MPTn, ms 1597, f. 174v).

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deine Hände rechtschaffen, reinige dein Herz von allen Sünden! Bring den beruhigenden Duft eines Gedenkopfers dar, mach die Gabe fett, wenn dein Vermögen es erlaubt“. Und genauso verfuhr Hinderbach, im Vertrauen auf das Gebet und die Hilfe der Heiligen gegen die Krankheit310. Als „ain frumer mann“, so wurde er durch die Kaiserin Eleonore bei ihrer Empfehlung an Alienor von Schottland charakterisiert311, als gottesfürchtiger Mensch stellt er sich dar, auf Knien, mit ehrfurchtsvollem Blick und demütiger Haltung zu Füßen seiner himmlischen Vermittler, des Hl. Vigilius, anderer Heiligen und vor allem der Gottesmutter Maria.

3. Eifer und Riten Das Privatgebet „Das sind viele gute Beobachtungen zum Gebet“, so schrieb der Student Hinderbach am Rand eines Kommentars Jacopos Zocchi zur Dekretale „Omnis utriusque sexus“312. Der nun mehr reife Bischof bemerkte später zu einer Bibelstelle: „Gebet ist die Medizin gegen alle schlechten und schändlichen Gedanken“313 und: „Gebet muß beständig sein“314. Ähnlich lauten viele Aussagen zur herausragenden Stellung des Gebetes im Laufe seines langen Lebens als Gläubiger und Kleriker. Gebet – dessen war er sich wohl bewußt – verlangte ein aufrichtiges Herz, Sammlung und Einkehr, so daß der Teufel sich nicht in der inneren Gedankenwelt breitmachen konnte: „Nicht durch Lautstärke, sondern durch Überzeugung im Herzen soll das Gebet an Gott gehen“, so las und stellte er heraus in der kleinen Schrift über die

Vgl. PBE, scheda 6, S. 59. K. Walsh, Deutschsprachige Korrespondenz, Anhang, doc. 1, S. 439 (8. September 1434). Erst im Laufe des 14. Jahrhunderts nahm das deutsche Adjektiv „fromm“ allmählich die Bedeutung des lateinischen pius, iustus an, die Luther dann weiter verbreitete. Das Adjektiv besaß also ursprünglich nicht diesen enggefaßten Sinn und konnte einmal moralische Qualitäten ausdrücken, zum anderen auch spezifisch christliche Eigenschaften, z.B. Gewissenhaftigkeit oder am Ende des 14. Jahrhunderts Gottesfurcht, also den vor Gott gerechtfertigten Gläubigen: A. Ogoui, Diachrone Entfaltung, S. 56-62. 312 BCTn, ms 1561, f. 419, am Rand Hinderbach: „Nota hic de oracionibus plura bona“. 313 BCTn, inc. 423, l. XV, cap. 103, Merkzeichen und Randbemerkung: „Oratio remedium est malarum et turpium cogitationum“. Vgl. BCTn, ms W 3396 (mit Datum 1470, 5. Januar). f. 167f, wo Hinderbach unterstreicht: „bona est oratio cum ieiunio et elymosina“. 314 BCTn, inc. 423, l. XIV, cap. 6 zum Textzitat: „oraciones si fieri potest sola legendi intercapedo disrumpat“, Hinderbach am Rand: „oratio continua esse debet“. 310 311

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Messe, die er 1450 als Geschenk erhalten hatte315. Doch wie verrichtete Hinderbach seine Gebete? „In Theorie und Praxis der mittelalterlichen Frömmigkeit stand der deprekatorische Aspekt des Gebetes im Vordergrund“316. Diese Betrachtungsweise wird bestätigt aus den Anmerkungen Hinderbachs zu einem seiner Breviere, wo einzelne Psalmen mit speziellen Gebetsintentionen zusammengestellt sind: „gegen Blitz, Donner und Hagel, gegen die Türken, um Regen, für die Reisenden, gegen Umwetter“317. Dabei darf nicht vergessen werden, daß im komplexen, psychologischen Zusammenhang des gesamten Bittwesens immer zu den einzelnen Intentionen das Gotteslob und die Erhebung der Einzelseele trat318. Eine Untersuchung über die oratio mentalis und die mystische Versenkung als eine Art vollständige innere Hingabe ist schwerlich durchführbar, nichtsdestoweniger kann Hinderbachs Gebet als andächtige Betrachtung eingegrenzt werden; sie bestand schon zu Anfang des Mittelalters in der Einheit von lectio, meditatio und oratio, etwa ein Fortschreitendes intelligere, capere, sapere (Johannes von Fécamp), mit anschließendem tactus, contactus, affectus (Rupert von Deutz), als geistige Exegese und affektive Aneignung des Textes. Die meditatio war eine Fortführung der lectio und eine Vorbereitung zur oratio; diese wiederum für Thomas von Aquin ein Vor-Augen-Führen Gottes, das sich aus der lectio ergab319, die faktisch schon Gebet war, indem sie die Gottheit vergegenwärtigte. Die zentrale Bedeutung des Gebets in Hinderbachs Frömmigkeitshorizont ergibt sich aus einer ganzen Reihe von Textvorlagen, die im eigentlichen Sinn liturgischer Natur sind und für das private 315 Hinderbach vermerkt ein langes Merkzeichen und ein kleines Kreuz bei dem Passus, in dem der Leser aufgefordert wird, „dem Teufel sein Herz zu verschließen“, in einer Weise, nicht mit dem Herzen so zu denken, mit dem Mund aber anders zu reden („ut aliud habeamus in corde, aliud in voce“), und fragt sich dann weiter rhetorisch: „Wie machen wir es, daß wir von Gott Gehör verlangen, wenn wir selbst Ihm nicht zuhören und an Gott Ansprüche stellen, uns nicht zu vergessen, während wir selbst Ihn doch laufend an die letzte Stelle verweisen?“ (BCTn, ms 1706, f. 21). Auch nach dem Gesprächscharakter der zitierten Zeilen handelt es sich um ein kleines Handbuch mit einer Beschreibung von und einem Kommentar zur Messe („Opusculum de actione missarum“). Hinderbach erhielt es als Geschenk bei seiner Primiz in Mödling 1450 (A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 21, und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 414; K. Walsh, Eredità tardomedievale, S. 41). Das Exemplar zeigt heute noch Hinderbachs Anmerkungen bei Lektüre und Meditation, auch nach seiner Wahl zum Bischof (vgl. Anm. 284 sowie seine Anmerkungen neben dem Namen des Hl. Vigilius, f. 71 und passim). 316 I.W. Frank, Gebet VI, S. 69. 317 BCTn, ms 1563, f. 13, f. 365. 318 Vgl. R. Lettmann, Beten als Reden zu Gott, S. 299 („das rühmende und lobpreisende Gebet“) und 299-302 („Klage und Anklage“). 319 I.W. Frank, Gebet VI, S. 69-70. Zur „meditatio cordis“ R. Lettmann, Beten als Reden zu Gott, S. 302.

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Gebet neben der Bibel in seiner Bibliothek vorhanden waren: wenigstens vier Breviere, zwei Missale, ein Marienlob, ein Messhandbuch („De actione missarum“), das „Rationale“ des Durandus. Dazu lassen sich auch noch zählen einmal die „Legenda aurea“ – Hinderbach lagen wenigstens drei Exemplare vor –, das „Speculum historiale“, ein Passionale, ein Band mit Legenden und andere Bücher religiösen Inhalts320. Schon allein diese bloße Aufzählung zeigt deutlich, daß die erwähnte Mahnung aus der Bibel („Gebet soll beständig sein“) in der Lektüre und der meditativen Betrachtung dieser Texte beherzigt ist. Danach wechselte der Leser Hinderbach sich immer mit dem Beter Hinderbach ab: jeder der vorliegenden Texte regt neben einer Betrachtung über ihn, die meditatio, auch ein Gebet mit ihm, also eine oratio, an – ein fortwährender Lobpreis Gottes, eine laus perennis, die eine religiöse Lesart bei Allem und bei jeglicher weltlicher Erscheinung anregte. Eine engere Textanalyse zeigt: Hinderbach besaß wenigstens ein Exemplar der Bibel, das er während seiner Regierungstätigkeit in Trient kontinuierlich las. Der noch heute erhaltene Pergamentkodex mit reichen Miniaturen zeigt eine konzentrierte und aufmerksame Lektüre. Hinderbach korrigierte mögliche Schreibfehler des Kopisten eigenhändig321 und ergänzte wiederum selbst verschriebene Abkürzungen322 oder offensichtliche Auslassungen323 – diese philologische und orthographische Genauigkeit wird in ihrer Gesamtheit durch Hinderbachs Beobachtungen zum Prolog des Buches Sirach bestätigt: „iste prologus non est ,Secuti‘ (…), set alius antiquioris et hebraici vel grecanici translationis“324. Über diese Textkorrekturen hinaus zeigen sich Eingriffe verschiedener Art, etwa moralisierende, historische, liturgische usw.; sie alle fügen sich in Hinderbachs Lektüregewohnheiten ein, die schon behandelt worden sind; von daher scheint die Bibel nicht eine Sonderstellung eingenommen zu haben, die sich in ihrer Qualität von den übrigen Texten in Lektüre und Kommentar unterschied. Insgesamt gesehen sind Hinderbachs Anmerkungen auch eher bescheiden und erlauben nicht eine Aussage etwa auf Grundlage der einfachen Gleichung: wenige Anmerkungen ist gleich wenig Lektüre. Trotzdem bleibt der Eindruck, daß das erhaltene Exemplar 320 Über diese „testi destinati alla lettura personale e devota“, I. Rogger, Interessi agiografici, S. 324-325. 321 Z.B. Rm 15, 13: „omni gaudio et pace in credendo“ (das in fügt Hinderbach am Rand hinzu mit Einschubzeichen); Iac 5,4: „que fraudata“ (das que fraudata korrigiert Hinderbach aus frauda), (MPTn, ms 1597, f. 392, f. 423) usw. 322 MPTn, ms 1597, f. 314v: der Kopist verkürzte das omnia anstelle von misericordia (Dan 9,9), und Hinderbach vermerkt am Rand das korrekte misericordia mit Einschubzeichen. 323 MPTn, ms 1597, f. 432: „et impletum est templum Dei fumo“ Apc 15,8 (templum eigenhändig Hinderbach am Rand mit Einschubzeichen). 324 MPTn, ms 1597, f. 239.

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nicht Gegenstand einer Art ruminatio, im Sinne einer mönchischen Lektüre war, also eine fortwährende Auseinandersetzung mit dem Text, die in einer wirklichen Aneignung von Form und Inhalt bestand. Hinderbach glossierte nur 23 der 73 biblischen Bücher, darunter: Genesis und Exodus; von den historischen Büchern: Tobit und Makkabäer II; von den Lehrweisheitsbüchern: Ijob, die Psalmen und Kohelet, Weisheit und Sirach; von den Propheten: Jesaja, Jeremia, Baruch, Ezechiel, Daniel und Maleachi; von den Evangelien: Matthäus und Lukas; dazu die Apostelgeschichte, den Römerbrief, Hebräerbrief, den Jakobusbrief, den I. Johannesbrief, dann die Apokalypse. Die Aufzählung erhellt, daß Hinderbach dieses Exemplar nicht durchlaufend und gleichmäßig mit Anmerkungen versah: im Alten Testament nur zwei der historischen Bücher zur Geschichte des Volkes Israel (Tobit und II. Makkabäer); beim Pentateuch und Genesis gehen die wenigen Merkzeichen ganz auf die ersten Kapitel, nämlich den Sündenfall und Gottes Richtspruch (3,13 und 3,17-18)325, dazu zwei Passagen des 41. Kapitels zur Josefsgeschichte (41,22 und 41,42)326; noch weniger die Merkzeichen bei Exodus327. Die Anmerkungen zum Buch der Weisheit dagegen zeigen eine höhere Aufmerksamkeit gegenüber den sentenzenhaft moralisierenden Inhalten dieser Texte; etwa zu Kapitel 5 Sirach, das die Leiden des reichen Mannes behandelt, der nur Schmarotzer um sich hat, die seine Reichtümer in dem Maße verschlingen, indem er sie ansammelt – „verissimum istud“ so Hinderbachs Kommentar; ebenso die Anklage beim Reichtum, der hastig zusammengerafft ebenso schnell wieder verschwindet, oder die Nichtigkeit bei überhaupt jedem Versuch, irdische Güter anzuhäufen (Verse 6-16). Im Buch Kohelet finden Hinderbachs Interesse die Kapitel 9 und 10 (die „Ratschläge Kohelets“, eine Sammlung von Reflexionen verschiedener Art); genauso das Buch der Weisheit durch seine scharfe Verdammung weltlicher Größe, sein Mitleid mit den Demütigen (6,6-7), das Lob des Gerechten, der Gerechtigkeit (10,10; 14,7) und der Gastfreundschaft (18). Mit einer ähnlichen Vorliebe für sentenzenhafte Formulierungen läßt sich auch eine erhöhte Zahl von Bemerkungen zum ersten Teil des Buches Sirach interpretieren, Sprüche und Überlegungen, im Unterschied zum zweiten Teil, der aus einer Betrachtung zur Geschichte des Volkes Israel besteht. Der erste bietet Hinderbach Gelegenheit, durch Gegenüberstellung und Gleichsetzung auf das Thema „Frau“ einzugehen; dazu betont er die Bedeutung des reinen Gewissens und verurteilt Habgier und Sophismen. MPTn, ms 1597, f. 4v. MPTn, ms 1597, f. 17; andere historische Verweise oder Merkzeichen zu Gen 36, 23; 36,37; 47, 20-21 (f. 15v, 19v). 327 MPTn, ms 1597, f. 30. Hinderbachs Merkzeichen beziehen sich allein auf den Kultgebrauch des Lavabo für die Priester und den von den Israeliten geschuldeten Zensus (Ex 30, 12 und 30, 17-20). 325 326

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Seine Anmerkungen moralischer Natur beschränken sich nicht auf die besprochenen Weisheitsbücher, sondern finden sich auch bei den übrigen Büchern der Bibel328, ganz wie seine Art zu Glossieren im Allgemeinen. Sie zeigen insgesamt seinen geistigen Zuschnitt, der geprägt ist durch eine eher scholastische Erziehung mit dem Schwerpunkt auf die memorabilia dicta, also eine sentenzenhaft kurze und sprichwörtliche Ausdrucksweise, die leicht zu merken war. Technisch entsprachen sie der Eigenart mittelalterlicher Bibelexegese, die der Hl. Schrift den Zweck der institutio morum, also einer moralischen Erziehung, zuwies, und unter den vier Sinndeutungen der tropologischen den Vorzug gab, die auf die Besserung der Sitten abhob. Dieser vorwiegend moralischen Zielsetzung entsprach auch der Platz, den Hinderbach der Verdammung von priesterlichem Fehlverhalten einräumte, das mit einem „nota contra clerum“329 herausgehoben wurde. Insgesamt gesehen überwiegen bei Hinderbachs Bibelstudium andere Akzente, besonders bei den prophetischen Büchern, die rein numerisch-kombinatorisch gesehen seine Lieblingslektüre waren. Besonders das Buch Jesaja hatte es ihm angetan, nach dem Evangelium des Matthäus das am meisten glossierte. Dabei bindet er in seinen Anmerkungen visionäre Elemente ein, etwa wie sie bei einzelnen Propheten (Ezechiel und Daniel)330 und auch bei der Apokalypse vorkommen331. Hinderbach beeindruckte die Berufung des Jeremia, und ganz besonders fesselte ihn der Bericht zu Jesaja. Wenn Ijob klagt: „Sein Zorn zerreißt, befehdet mich, knirscht gegen mich mit den Zähnen, mein Gegner schärft die Augen gegen mich“ (16,9), dann ist Hinderbach überzeugt: „Das deutet alles schon auf Christus hin, auf sein Leiden“332. Und wenn Jesaja Gott anruft, Er möge das Volk Israel mit Blindheit und Taubheit schlagen, damit es „mit seinen Ohren nicht hört, damit sein Herz nicht zur Einsicht kommt“ (Is 6,10), schließt Hinderbach daraus: „Das bewahrheitete sich in den verhärteten Juden“333. Wenn Jesaja voraussagt, „Ein Rest kehrt um zum starken Gott, ein Rest von Jakob“ (Is 10,21), so legt Hinderbach die Stelle als eine „prophetia de conversione Iudeorum“ aus334; und wenn derselbe Prophet Luzifer erwähnt („in coelum conscendam“, 14,13), erkennt 328 Z.B. Is 5, wo Hinderbach postilliert: „nota contra iudices avaros, accipientes munera et iniuste iudicantes“ (MPTn, ms 1597, f. 255). 329 Z.B. Mal 2,8 gegen die Priester, die nicht zuhören und den Namen Gottes nicht verehren (MPTn, ms 1597, f. 332). Vgl. auch die Glosse mit demselben Tenor zu Mal 2,1 und die Merkzeichen zu Bar 6, 9-10 und zu Ez 3, 20 (f. 332, f. 294). 330 Ez 8 (MPTn, ms 1597, f. 295); Dn 11, 5-6 (f. 315). 331 In diesem Fall wird der Bezug zur Jungfrau Maria hergestellt: Apc 12, 1-3; 12, 7-10; 12, 14 (MPTn, ms 1597, f. 431). 332 MPTn, ms 1597, f. 192. 333 MPTn, ms 1597, f. 255v. 334 MPTn, ms 1597, f. 256v.

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Hinderbach darin die „prophetia de Antichristo“335. Die Textstelle 24,19 („confringetur terra … commovebitur terra …“) wird von Hinderbach verstanden als Vorwegnahme des Erdbebens beim Tod Christi wie auch wenig später (24,23) der Ereignisse nach seinem Tod336. Im Mittelpunkt seiner Prophetenrezeption stehen eindeutig Christus, die Juden und der Antichrist. Bei Jesus folgt Hinderbach ohne Abweichung der gültigen exegetischen Tradition, die das Alte Testament ganz unter dem Interpretationshorizont des Neuen sieht und den Übergang vom einen zum anderen verstand als transitus ad Christum, dazu durch Analogieschluß zwischen beiden dem Alten Testament eine Art Prophetenfunktion zuwies: wenn Christus die Erfüllung aller Voraussagen war, dann wies die Bibel auf einen weit über die bloße schriftliche Aussage hinausreichenden Horizont, nämlich eine Bedeutung sensu evangelico. Die Heilsgeschichte fand ihre Ausprägung im mysterium Christi, das Hinderbach im Leiden und Tod des Gottessohnes einen ganz besonderen Sinn suchen ließ, damit auch die historische Seite eines ungeheuren Verbrechens durch die Juden beinhaltete337. Juden und der Antichrist waren, wie noch zu zeigen ist, die wunden Punkte, die cruces seiner Gedanken- und Gefühlswelt: nicht zufällig finden sie sich wieder in der „Postilla literalis super totam Bibliam“ des Franziskaners Nikolaus von Lyra, dem ersten gedruckten Bibelkommentar von 1472, zusammen mit den „Additiones“ des Paulus von Sancta Maria (1354-1435), einem Konvertiten und später Bischof von Burgos338. Hinderbachs Anmerkungen beziehen sich hier vor allem auf jene Textstellen, an denen die jüdische Tradition von der christlichen abweicht, in seinen Augen die Kapitel 6 und 7 der Apokalypse mit dem Buch der Sieben Siegel, der Erscheinung des Lammes und dem endgültigen Sieg über den Antichrist339. Dessen hervorragende Stellung wird bestätigt durch Merkzeichen bei einer weiteren Bibelstelle des MatthäusEvangeliums zu den Verwüstungen der Endzeit (24,15); zum Tag und zur Stunde des unbekannten Endes der Welt (24,36), der Wiederkunft des Menschensohnes und seines Richterspruches (24,40); zur Wachsamkeit (25,13) und zum Weltende (25,31): „Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen“. MPTn, ms 1597, f. 257. MPTn, ms 1597, f. 259. 337 Iac 5,6, am Rand Hinderbach: „de passione Domini et contra iudeos“ (MPTn, ms 1597, f. 423). 338 BCTn, inc. 613-614. Über die Postilla des Nikolaus von Lyra (ca. 1270-1349), eines der einflußreichsten Exegeten des 14. Jahrhunderts, dazu noch hervorragenden Kenners des Judentums, vgl. K. Walsh, Nikolaus von Lyra, S. 700-701. 339 K. Walsh, Nikolaus von Lyra, S. 703-704. 335 336

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Das Verständnis von der Ankunft des Antichristen und die Erwartung der kommenden Welt fügen sich in den Begriffshorizont biblischer Theologie des Mittelalters traditionsgemäß ein, übersteigert in den spätmittelalterlichen Endzeiterwartungen340. Danach sind die Hll. Schriften Allegorie einer zukünftigen Realität („ventura prenuntiant“), gleichzeitig aber auch Schlüssel zum Verständnis der Gegenwart, und so luden sie noch zu Überlegungen historischer Ereignisse in der Gegenwart ein. Wo Sirach erklärt, daß ein junger Mann von niederer Herkunft, aber schon weise, einem alten König, aber töricht, vorzuziehen sei, und daß der junge Mann vom Gefängnis direkt auf den Thron erhoben werden könne, vermerkt Hinderbach: „Wie der König Matthias von Ungarn“ (der ja wirklich zum König gewählt wurde, während er in Prag 1458 noch Gefangener des Georg Podiebrad war)341. Und wenn Sirach fortfährt: der junge Mann wird in Armut geboren, während der andere schon als König regiert, dann zieht Hinderbach daraus den Schluß: „ut rex Anglie Henricus et alius rex Datie, H. Pannonie dux“342. Und wenn Jesaja mit spöttischem Unterton vom Teufel spricht („Ist das der Mann, der die Königreiche in Schrecken versetzte, der die Erde erbeben ließ?“, 14,16), dann ist für Hinderbach gleich eine Anspielung auf Karl den Kühnen gegeben, der gerade in der Schlacht von Nancy (1477) das Leben verloren hatte343. Wenn Jesaja den Tod des Königs von Babilon mit dem Ende der Verfolgungen und der Freude des jüdischen Volkes verbindet (14,4,7), zieht Hinderbach sofort die zeitgenössische Parallele344. Aus diesen Beispielen erhellt die ganze Aktualität der Bibel für den Leser Hinderbach und ihren Bezug zu seiner Gegenwart – eine schon bei anderen Vorlagen, wie z.B. den hagiographischen, beobachtete Lektüreaneignung. Für die letzten beiden Beispielen (Karl der Kühne, der Zeitgenosse) verwendet Hinderbach den Terminus verificatum, der auch in zwei anderen Postillen zum Leiden Christi345 und der geistlichen Blindheit der Juden erscheint346 – beide Prophezeiungen, die wirklich eingetreten, also im Falle Christi und des teuflischen Herzogs von Burgund, 340 R. Rusconi, Il presente e il futuro della Chiesa, S. 195-220 und ders., Profezia e politica, S. 481-491. 341 MPTn, ms 1597, f. 231 (= Ecl 3, 13): Merkzeichen und am Rand die Bemerkung Hinderbachs: „ut Mathias rex Hungarie“. 342 MPTn, ms 1597, f. 231. 343 MPTn, ms 1597, f. 257. Eine Bemerkung zur Schlacht bei Nancy auch im Zusammenhang einer Textstelle im „Fasciculus temporum“ Werners Rolewinck (1474) („… unde audacia plurimum nocet quando providencia non gubernatur …“): „istud est verificatum diebus nostris in duce Karolo Burgundie apud Nan(cehum) in Lotharingia 1477“: BCTn, (inc.) W 116, f. 219v. 344 MPTn, ms 1597, f. 257 (Tod eines Steuereinnehmers). 345 MPTn, ms 1597, f.192. 346 MPTn, ms 1597, f. 255v.

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„verifiziert“ seien. Die Zuordnung des Schriftwortes auf Christus und den historischen Einzelvorgang zeigt die Umsetzung einer biblischen Vorgabe in die eigene Gegenwart, den tief empfundenen und gleichsam natürlichen Bezug zwischen Heilsgeschichte und eigener, persönlicher Erfahrung innerhalb des göttlichen Heilsplanes. Von daher auch die erwähnte Beziehung zwischen den Verstorbenen und den Heiligen durch eine Weltsicht, die Diesseits und Jenseits umfaßt, Vergangenheit und Gegenwart; so besitzt die Bibel für Hinderbach einen „Sitz mitten im Leben“: er lebte für sich selbst das „experimentum de Verbo“ im Sinne Bernhards von Clairvaux347. Eine weitere Vorlage, die Hinderbachs Gebetsgewohnheiten als Pfarrer, Propst und Bischof erläutern kann, ist das Marienlob, von dem schon die Rede war. Als Pfarrer in Mödling (1449-1466) gelangte er in den Besitz von zwei Kodizes, welche die „Laus Marie“ des Kartäusers Konrad von Haimburg enthielten. Der erste stammte aus dem Nachlaß eines Altaristen in Mödling an seinen Nachfolger, der ihn wiederum testamentarisch Hinderbach vermachte. Der zweite Kodex war von ihm selbst bei einem ortsansässigen Notar aufgetrieben worden. Bei ihm scheint ein gezieltes Interesse am Erwerb des Gesamtwerks bestanden zu haben: mit seinen paläographischen Fähigkeiten merkte er nämlich, daß sein Kauf eben der zweite Teil derselben Handschrift war, „im ganzen und als Ganzes ähnlich, von derselben Hand, mit derselben graphischen Form und derselben Qualität des Schreibstoffs“348. Das Marienlob war eine Redaktion des „Lectionarium mariale“, das Konrad von Haimburg, ein Kartäuserbruder von Smìchov bei Prag, dann Prior in Garming, 1350 im Auftrag Karls IV. und des Erzbischofs von Prag vollendet hatte. Kaiser und Erzbischof hatten 1344 am Veitsdom ein collegium von 24 Mansionaren zur Förderung des Marienkults gegründet349, zu dessen täglichem Chordienst das „Lectionarium mariale“ bestimmt war. 1356 hatte Konrad eine Kurzversion verfaßt, die sogenannte „Laus Marie“, für Meinhard von Neuhaus (de Novadomo), den Sohn eines Familiars Karls IV., 1349 zum Bischof von Trient erhoben350. Diese Fassung erreichte eine große Verbreitung, wie wenigstens 60 Handschriften belegen351. 347

Zu ihm vgl. P. Dinzelbacher, Bernhard von Clairvaux, besonders S. 49 und 302-

303. 348 „Et aliam partem huic per omnia similem et eiusdem manus et forme et conformem in scriptura et qualitate (…)“. Die ausführliche Anmerkung (BCTn, ms 1785, f. 1-4v) ist zum Großteil schon transkribiert in: PBE, scheda 8, S. 61. 349 Karl IV. nahm die Gründung vor in Erinnerung an eine Vision zur Aufnahme Mariens im Jahre 1332: Schriften Johanns von Neumarkt, Tl. 4, S. XXXVIII. Über den böhmischen Kartäuser als Verfasser des Werkes: F.J. Worstbrock, Konrad von Haimburg, S. 182-190. 350 Meinhard wurde schon mit 20 Jahren zum Bischof gewählt und besaß nur die niederen Weihen, konnte jedoch nicht das Bistum in Besitz nehmen: S. Vareschi, Meinhard, S. 782-783. 351 Schriften Johanns von Neumarkt, Tl. 4, S. XXXVIII, XXXIX und Anm. 4, S. XXXIX.

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Hinderbach versah beide Kodizes zu verschiedenen Zeiten mit seinen Glossen, Beleg für einen stetigen und längeren, persönlichen Gebrauch. Ursprünglich wollte er wohl das Exemplar seiner Pfarrkirche zum freien Nutzen als Lektüre oder als Gebetsvorlage überlassen, dabei den Besitz sich und seinen Nachfolgern sichern. Dann aber rückte er von diesem Vorhaben wieder ab, da in seinen Augen die Kodizes in schlechtem Zustand waren: auf Papier geschrieben simpliciter und mit Tintenflecken, korrekturbedürftig, die Stoffeinteilung anscheinend nicht sorgfältig genug vorgenommen. Später gelangte Hinderbach zu einer anderen Lösung. Nachdem er 1455 die Propstei der Kathedrale von Trient erhalten hatte, nahm er die „Laus Marie“ mit sich; Konrad von Haimburg hatte angegeben, diese Version auf Verlangen Meinhards von Neuhaus hergestellt zu haben, ehemals Bischof von Trient, wo Hinderbach nun Propst geworden war; von daher besaß der Kodex für ihn einen besonderen Wert („maiori cura et devotione ipsum complexus sum et habendum constitui“). Doch er wurde nicht nur von gefühlsbetonten Motiven geleitet: in Trient galt der Kursus der Jungfrau Maria nach dem römischen Brevier und dem der dortigen Diözese. Durch die Zusammenführung der beiden Handschriften in Trient konnte Hinderbach in gewohnter Weise die lectiones lesen, also wie für ihn als Passauer Kleriker zusammen mit allen anderen „Ultramontanen“ gewohnt. Sobald er dann selbst Bischof von Trient geworden war, ließ er die beiden Exemplare aus Mödling zu einem einzigen liber zusammenstellen, „in optima litera et forma“, zu seinem persönlichen und zum allgemeinen Gebrauch der Tridentiner Kathedralkirche352. Diese Textgeschichte läßt sich durch seine ausführlichen Anmerkungen zu beiden Kodizes von Mödling bis nach Trient hin rekonstruieren, und sie sagen auch einiges über die Haltung und Absichten ihres Besitzers aus. An erster Stelle zum Wert, den Hinderbach dem Text beimißt: ursprünglich wollte er ihn allen Gläubigen zur Verfügung stellen und im Chorraum deponieren, zur freien Lektüre und zum Gebet, für den Gottesdienst als Lob der Jungfrau Maria, zur Erinnerung an die bisherigen geistlichen Besitzer und zur Erbauung der noch Lebenden; doch dann fiel ihm die Trennung schwer, und er selbst nahm ihn nach Trient mit, wo eine Verbreitung zweckmäßiger erschien. Weiter zeigt diese Einstellung eine gewisse Treue gegenüber der ultramontanen Liturgie, die er beim persönlichen Gebet beibehielt und auch als Bischof in der Kathedrale von Trient einführte – ein Prachtkodex zeugt noch in Brixen von diesen Bemühungen353. 352 BCTn, ms 1785, ff. 1r-4v. Die Anmerkungen sind zum großen Teil schon transkribiert in: PBE, scheda 8, S. 60-62. Zur „Laus Marie“ vgl. M. Cortesi, Il vescovo Johannes Hinderbach, S. 483. 353 Eine Prachthandschrift der „Laus Marie“, sicherlich aus Trient, befindet sich heute in der Seminarbibliothek Brixen: H.J. Hermann, Die illuminierten Handschriften, Nr. 20, S. 21-22. Nach dem Katalog dieser Bibliothek ergibt sich die Provenienz aus

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Hinderbach trat seine bisher wichtigste Pfründe in Trient mit einem liturgischen Marientext „ultramontanen“ Ursprungs an. Das Marienlob, von dem er sich nicht trennen wollte, begleitete ihn also auf seinem Karriereweg vom Pfarrer zum Propst, vom Propst zum Bischof, von Mödling nach Trient, über die Alpen. Dabei markieren seine Ergänzungen und Korrekturen am Rand mit dem Übergang vom „Ich“ des einfachen Pfarrers zum majestätischen „Nos“ des Prälaten die entscheidenden Etappen seiner Karriere in der Amstkirche. Der liturgische Gestus Das Privatgebet war verbunden mit dem „Gebet in Bewegung“, der Liturgie: sie setzte Gottes Heilswerk um in Sprache, Zeichen, also in sichtbare Wirklichkeit. Trotz der Tendenz zur Zentralisierung in der westlichen Kirche durch die Wende des 11. Jahrhunderts lag der Vollzug der konkreten liturgischen Handlungen immer noch vor Ort in der Hand der Bischöfe und Orden. Die spätantike Tradition wirkte nach, in ihr war Liturgie nicht so sehr eine Sache der fides, sondern eher der consuetudo, also des konkreten Vollzugs in den Ortskirchen. Das römische Missale und das Brevier waren wichtiger Bezugspunkt in einer Liturgie, die sich gleichwohl durch ihre Verschiedenheit auszeichnete; z.B. bestand eine vielfache Ausprägung in den Festkalendaren, den Meßformularen, über die durch das Brevier vorgeschriebenen officia bis hin zu rein technischen Anordnungen der verwendeten Buchvorlage; Riten religiöser Handlungen waren nicht nur von einer Diözese und Kirchenprovinz zur anderen verschieden, sondern sogar unter den Ortskirchen einer einzigen Diözese354. Das Grundmuster dieses „Partikularismus“ war die gelebte Realität der Einzelkirche (und nicht nur dieser) im Mittelalter, das in seiner Spätform spezielle Ausprägungen von „Religiosität“ besaß. Ein fortschreitender Heiligenkult steigerte die Zahl der Einzelfeste in solchem Maß, daß das Liturgiejahr unter der Überfrachtung und Aufblähung der jeweiligen Lesungen kaum noch zu erkennen war. Ansätze zur Abhilfe lagen vor. Im 14. Jahrhundert hatte Rudolf von Rivo eine Gebetsreform bei der Kongregation von Windesheim versucht; als Dekan des Stifts Tongern (seit 1383) hatte er zwei Zeittendenzen begegnen wollen: der Einführung von neuen Festtagen duplicia, mit demselben Psalmensystem, und der Aufwertung von niedrigeren zu höheren Festen. Er entwarf einen der Bibliothek des Bischofs Melchior von Meckau (1482-1509), doch die genauen Umstände sind noch offen. Eine einfachere Ausgabe der „Laus Marie“ hatte Hinderbach seiner „alten Kanzlei“ überlassen (vgl. unten, S. 306 und Anm. 419). 354 H. Jedin, Das Konzil von Trient und die Reform der liturgischen Bücher, S. 499500.

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allgemeinen Rahmen als Grundlage für die Einzelkalender; dabei schloß er viele Heilige mit ihren Festtagen aus und führte gewisse Merkmale zur Unterscheidung ein: er stellte her ein Verhältnis von 6:1 zwischen den Herrenfesten und den Heiligengedenktagen des Kirchenjahres mit der Grundvoraussetzung, daß die Anzahl der Sonntage höher als diejenigen der Gedenktage sein sollte, die Herrenfeste also eindeutig überwogen355. Im 15. Jahrhundert erfaßte diese Diskussion um eine Neuordnung Orden, Kongregationen, Bischöfe, Metropoliten und ging ein in die Tagesordnung zahlreicher Diözesan- und Provinzialsynoden bis hin zu den Generalkonzilien, z.B. in Konstanz mit dem Kapitel „de cultu Dei et officio ecclesiastico“ unter den bekannten capitula agendorum 356, die insgesamt oder teilweise Kardinal Pierre d’Ailly zugeschrieben werden357 − das Problem beschäftigte auch noch das spätere Konzil von Basel358. Ebenso versuchte sich an der Neuordnung bzw. Verbesserung der Meßfeier Nikolaus von Kues während seiner Legation im Reich 1451/52. Über ein Dekret zum Verhalten während des Gottesdienstes „Decet domum Domini“ (25. Juni 1451) hinaus verfügte er auch ein Festtagskalendarium und in Verbindung damit den Fest- und Sonntagsgottesdienstablauf359. Als Bischof von Brixen kümmerte er sich später weiter um die Gottesdienstpraxis und ließ sich dabei vom Dekret aus der Zeit der Legation leiten360. Mit der Synode 1455 begann der Kardinal eine Revision des liturgischen Schrifttums – vier von 16 erhaltenen Statuten widmeten sich diesem Thema: alle Missale sollten innerhalb eines Jahres korrigiert werden361, neue Eintragungen („nove histo-

C. Mohlberg, Radulph de Rivo, Bd. 1, S. 30-35, 193-195, 202-207. Acta Concilii Constanciensis, Bd. 4, S. 558. 357 Ebd., Das Offizium sollte für Studenten, den Lehrkörper und für Reisende oder politisch Aktive in abgekürzte Form gelten („laborantes pro republica ecclesiastica“). Festgehalten aber wurde an der Vorschrift eines würdevollen und gutgesungenen Offiziums, die Anzahl der Feste sollte reduziert und die Gläubigen zum häufigen Besuch der Kirchen in der jeweiligen Diözese und Pfarrei angehalten werden. 358 Die Dekrete der 21. Sitzung des Konzils von Basel betrafen nicht die Texte und die Feier des Offiziums, sondern schrieben nur die Pflicht zu einer würdevollen Feier vor: J. Helmrath, Das Basler Konzil, S. 335-336. Sie übten auch auf die Statuten von Mainz einen gewissen Einfluß aus: Acta Cusana, Nr. 1409, S. 947-949. 359 E. Meuthen, Die deutsche Legationsreise, S. 492 und S. 490, Anm. 39. Acta Cusana, Nr. 1409 S. 947-949. 360 J.A. Jungmann, Nicolaus Cusanus als Reformator des Gottesdienstes, S. 23-31. 361 Die Überprüfung ging an die Äbte von Stams und Wilten und die Pröpste von Neustift und Innichen. Die Prälaten, die 12 libre für das Missale erhielten, sollten es dann noch besiegeln. Die Überprüfung sollte beim Missale des Propsts von Neustift beginnen als Vorlage für die anderen, die alle innerhalb eines Jahres vorzulegen waren. 355 356

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rie“) und Streichungen im Brevier wurden verboten, das antiquum breviarium sollte ad literam befolgt werden, schließlich wurde Klöstern und dem Stift Innichen ein Gleichmaß der Agenden vorgeschrieben („agendae ad uniformitatem redigantur“). Nach Abschluß der Missaleüberprüfung kamen die Breviere an die Reihe, ihre Korrekturen sollten nach dem Vorgang der Missale erfolgen – in der Zwischenzeit galten die antiqua breviaria ohne neue Zusätze362. Dazu schränkte der Kardinal die übergroße Anzahl der Heiligengedenktage und schärfte den Gläubigen die Sonntags- und Festtagsheiligung ein363. Der vorgegebene Termin von einem Jahr für die Durchführung der Reform konnte offensichtlich nicht gehalten werden, denn zwei Jahre später erneuerte eine weitere Synode sämtliche Anordnungen, nun verschärft durch die Drohung der Exkommunikation: alle Missale und die agenda sacramentorum sollten nach dem vorgegebenen Maßstab korrigiert werden mit dem ausdrücklichen Verbot, die Messe nach einem Formular zu feiern, das nicht am Sitz des „Kapitels“ vorgelegt worden war364; dazu kam das Verbot, immer bei Androhung der Exkommunikation, irgendein liber novus aus Augsburg oder dieser Gegend zu kaufen ohne Untersuchung und Zulassung am Sitz des Kapitels, auch wenn später – so der Text weiter – die Strafe zurückgenommen und das Verfahren Visitatoren anvertraut wurden. Die Vorschläge des Klerus auf der Synode selbst waren zum größten Teil Einwände und Entgegnungen auf eben gerade jene Korrektur der Liturgievorschriften – offensichtlich wurde das Reformbedürfnis als besonders gravierend empfunden365.

Aus den Bemühungen des Cusanus lassen sich wenigstens drei Kernpunkte herauslesen: ein starker Wille, die Liturgievorschriften zu vereinheitlichen; das Verbot, nove historie einzufügen (die zu weiterer Unordnung führen konnten) und eine Reform des Kalenders, mit einer verschiedenen Einstufung der großen und kleinen Feste in der durch Rudolf von Rivo vorgeschlagenen Richtung. Ähnliche Vorstellungen bewegten auch den Bischof von Eichstätt, Johannes von Eych (1446-1464). Bereits im Jahr nach seiner Wahl hielt er eine Diözesansynode ab, die eine Reihe von Statuten erließ, darunter viele zur Liturgie – im vorliegenden Zusammenhang soll nur an ein Festtags- und Fastenkalendarium 362 G. Bickell, Synodi Brixinenses, S. 39-40. Nach den Vorschriften für die Pfarrei von Albeins ergaben sich vier Festtypen: die „ex iure scripta“; die nach der bestehenden Gewohnheit; die nach besonderen Gewohnheiten an bestimmten Orten und schließlich diejenigen ex proprio sensu et superstitione potius, quam ex aliquo cultu latriae“ (Cusanus-Texte, Bd. 5/1, S. 57 ff.). 363 Diese Maßnahme wurde z.B. 1477 von Bischof Golser erneuert. Über die verschiedenen Korrekturbestrebungen bei den Missalen durch den Kusaner 1453 und 1455 vgl. jetzt K. Walsh, Das Missale, S. 193 und Anm. 31. 364 So drei „Kapitel“, die alljährlich in der ganzen Diözese eingerichtet worden waren (in Brixen, Innichen und Wilten), denen drei Kanoniker vorstanden, die mitbrachten Kanon, Agenda und andere Bücher gemäß den Synodalstatuten. 365 Eingewendet wurde, daß die Überprüfung in so kurzer Zeit nicht durchzuführen sei, aber daß sie auf andere Weise sorgfältig in die Wege geleitet werden könne. Also ein Gegenvorschlag und dazu noch andere Anregungen für eine schnellere Durchführung, gleichmäßig auf die Jahre verteilt und vor allen Dingen weniger kostspielig.

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erinnert werden oder die Verpflichtung, das Offizium zu beten „iuxta ordinationem Rubrice breviarii, quo in nostre cathedrali utimus ecclesia“. Weil darüber hinaus der Diözesanklerus „in divino cultu pariformiter ambulet“, ordnete die Synode an, daß in allen ländlichen Dekanaten ein Exemplar der Brevierrubrik der Kathedrale verfügbar war, auf das der ganze Ortsklerus zurückgreifen konnte. Die Sorge um die praktische Umsetzung der Liturgie in seiner Diözese war ein Kernpunkt der Seelsorgetätigkeit Johannes’ von Eych; schon vier Jahre später, am 8. April 1451, begann eine weitere Synode, nun sogar im Beisein des päpstlichen Legaten Kues366; andere Synoden folgten kontinuierlich367, und 1454 wurden auf der letzten die Dekrete des Provinzialkonzils von Mainz 1451 veröffentlicht368, dazu noch Statuten, darunter „De breviario conscribendo“. Wenige Jahre später, 1461, richtete Eych an den Prior von Tegernsee, Bernhard von Waging, die Bitte, bei der Reform des Bistums mitzuwirken369. In seinem Schreiben eröffnete der Bischof, daß eine „magna diuini officii misse differentia“ bestand, in dem Maße, daß jeder Zelebrant seine eigenen Handlungen und Gebete vollführe, je nach der persönlichen Frömmigkeit. Schon im Vorfeld hatte der Bischof einen Sonderauftrag zu einem Textentwurf nach Vorlage des Durandus-Rationale und anderer Doktoren gegeben, der zu einer „uniformitas in ceremoniis“ führen sollte, vor allen Dingen bei der Feier des Messkanons. Das Ergebnis hatte ihn nicht zufriedengestellt, weil es zu theoretisch war und in der täglichen Praxis für den einfachen Priester nicht ausreichte. Nach dieser Erfahrung wandte sich nun Eych an Bernhard von Waging mit der ganz präzisen Aufforderung zu einer Vorlage, die den Priestern die „praktische“ Vorbereitung und die Durchführung der Meßfeier erklärte. Diese Bitte an den Prior von Tegernsee ging darauf zurück, daß Bernhard von Waging schon vorher das Benediktinerinnenkloster Bergen in derselben Diözese Eichstätt zu reformieren versucht hatte; dazu kam noch, daß die übergroße Verschiedenheit und die daraus resultierenden Mißstände in der Liturgie schon länger in der bayerischen Abtei erörtert worden waren370: Waging hatte sich für 366 Acta Cusana, Nr. 1184 S. 819-821. Über den Bischof von Eichstätt ausführlich M. Fink-Lang, Untersuchungen, passim, vor allem S. 142-145. 367 Für die Jahre 1452/53, Acta Cusana, Nr. 2260, S. 1448-1449. 368 Acta Cusana, Nr. 2064, S. 1323-1334 und Nr. 2065, S. 1334-1336. 369 Bernhard von Waging war zusammen mit dem Kartäuser Jakob von Tückelhausen in eine Auseinandersetzung verwickelt worden, die sich mit dem nicht sehr neuen Thema von Weltflucht und Engagement der Geistlichen beschäftigte. Während Bernhard nach Eichstätt kam, überbrachte Jakob dort dem Bischof neben anderen Schriften das „Speculum sacerdotum“ des Kartäusers Jakob von Erfurt über die genaue Vorbereitung der Messfeier, um so zur Reform des Diözesanklerus beizutragen (A. Franz, Die Messe, S. 567-578 und M. Fink-Lang, Untersuchungen, S. 170-174). 370 In einem Brief von 1470 an den Bischof von Freising, Johannes Grünwalder, beschrieb Kaspar Ayndorffer die damals in Tegernsee bestehende liturgische Vielfalt und

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die Einführung des Römischen Missale („processus iuxta rubricam Romanam“) und des Breviers von Subiaco (nach der monastischen Reform, „a quo nostra observancia derivatur“) entschieden371. Er überprüfte selbst das Brevier noch einmal und verbesserte die Missale seines Klosters nach den römischen Rubriken; endlich ließ er neue Exemplare abschreiben372. In Tegernsee waren also zwei bedeutende Schritte zur Liturgiereform durchgeführt worden, einmal zur Vereinfachung, dann zur Vereinheitlichung; vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum gerade Tegernsee, Hinderbach in besonderer Weise verbunden, das bayerische Kloster mit den meisten Handbüchern aus dem 15. Jahrhundert zur Meßfeier ist, und die Einladung des Bischof von Eichstätt an Bernhard von Waging. Dazu hatte dieser 1456 ein Handbuch zur Eucharistie für die Benediktiner von St. Ulrich in Augsburg verfaßt, die bis dahin auch eine eher laxe Praxis bei der Messe befolgten. Bernhard von Waging ging auf die Bitte des Bischofs von Eichstätt ein. Zwischen dem 11. November 1461 und dem 21. Januar des folgenden Jahres erarbeitete er, oft bis spät in die Nacht hinein, in weniger als drei Monaten einen umfangreichen Textvorschlag, das „Ordinarium misse practicum“. Einleitend behandelte er ausführlich das Problem einer Vereinheitlichung in der Liturgie: von Eych habe als Anliegen vorgegeben, „die verschiedenen Riten bei der Meßfeier unter seinem Klerus wenigstens bis zu einem gewissen Grade zu vereinheitlichen. Dieses Vorhaben für eine einzelne Kathedralkirche, wenn nicht die ganze Kirchenprovinz, durchaus wünschenswert, war ad singula schwer durchzuführen. Wenn nämlich die Verschiedenheit bei Kirchen und Klerus, die Vielfalt der Riten und Vorgehensweisen seit Alterszeit allfällige Unterschiede noch vertiefen lasse, um wieviel schwerer sei dann die angestrebte Gleichheit zu erreichen“. Der Prior von Tegernsee stellte dann vor einige Ansichten zur diversitas rituum, die auszugleichen und teilweise auch hinzunehmen war, und zu Abweichungen unter religiones mit derselben Ordensregel373.

Ein ähnliches Problem bestand auch beim Regularklerus. Auf die Reform von Tegernsee ist schon eingegangen worden, doch muß ein kurzer Blick auf die übrigen Benediktinerklöster in den anderen Teilen des Reiches zur Verbreitung des „römischen Ritus“ geworfen werden, wie bei Gesang, Prozessionen usw. Schon auf dem Konzil von Basel hatte der Prior von Melk, Martin von Senging, in seiner Schrift „Tuitiones pro observantia regule“ eine Generalüberholung der Liturgie vorgeschlagen, dazu eine Revision der Brevierlektüre, wobei er die Wichtigkeit der sogenannten accidentalia für die Einhaltung der Regel betonte. Gleichzeitig plädierte er für eine weitestmögliche uniformitas im eigenen Benediktinerorden, in dieser Frage offensichtlich anfälliger als andere Gemeinschaften, und schlug als Ausweg vor, dem schon erwähnten ordo von Subiaco zu folgen, teilte ihm die Bemühungen um eine Neuordnung (ordinatio) der Klostergemeinschaft mit. Die Zunahme der Meß- und Jahrestiftungen, die Vervielfachung ad libitum der Heiligenfeste, die Doppeleintragungen in den Kalendaren, Brevieren, Rubriken und Regularien hatten am Ende die Mönchgemeinschaft körperlich und geistig belastet (V. Redlich, Tegernsee, S. 199-202). 371 Ebd., S. 201. 372 Ebd., S. 109. 373 A. Franz, Die Messe, S. 571.

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„quod fit secundum Romanam rubricam“, denn „die katholische Kirche ist das Haupt der ganzen Christenheit, und ihre Rubrik ist diejenige, an der am wenigsten auszusetzen ist“. Zu dieser grundsätzlichen Erwägung ekklesiologischer Natur kam auch das Problem der Praxis: Franziskaner und Eremiten benutzten dieselbe Rubrik (nämlich die Römische), und so sei es einfacher, Vorlagen für eine Abschrift zu finden374. Schon 1446 ersuchten die Äbte von Bursfeld und Rheinhausen den Legaten des Konzils von Basel, Kardinal Aleman, eine Entscheidung zum Brevier zu fällen, und Johannes Hagen, Abt von Bursfeld (1439-1469), unternahm selbst die Kompilation des „Ordinarium officii“ ganz im Sinne der an der päpstlichen Kurie herrschenden Liturgie. 1452 billigte der Legat des Papstes, Nikolaus von Kues, das neue Brevier, das im Grunde genommen in einer Anpassung des römischen Kurialtextes an monastische Vorlagen bestand; dabei wurden bestimmte Einwände des Priors von St. Jakob in Mainz beiseite gelassen. Wenn auch einer Union der drei Observanzen Melk, Bursfeld und Kastl 1463 durch den Bischof von Eichstätt kein großer Erfolg beschieden war, bedeutete doch die allgemeine Einführung des römischen Ritus einen großen Schritt vorwärts. Durch die Tätigkeit des Nikolaus Seiringer von Matzen, Mönch in Subiaco und Prior von Mondragone, wurden die consuetudines von S. Giustina in Padua, schon in Subiaco aufgenommen, nach Melk übertragen und erreichten schließlich das Schottenkloster in Wien375. Bei den Zisterziensern machte der Abt Nikolaus Salicetus von Baumgarten ähnliche Anstrengungen: ihm wurde der Druck des Breviers anvertraut, der dann 1484 auch erfolgte, ebenso wie das Missale desselben Ordens drei Jahre später; denn in dieser Zeit hatte das Generalkapitel unter Abt Johann von Cîteaux bemängelt, daß „illa maxima in ordine confusio et diversitas exorta est, ut pene vix duo monasteria reperiantur, que eadem in omnibus observent“376.

Danach leuchtet ein: die confusio und die diversitas in der Ordenswelt bestanden genauso wie in der übrigen Kirche, und ihre Überwindung galt als wichtiges Reformanliegen. Der Bischof von Eichstätt stimmte den Vorschlägen Bernhards von Waging zu und schärfte sie auf der Ostersynode von 1462 dem ganzen Klerus ein377. Trotzdem fanden sie nicht die erhoffte Verbreitung, denn zwanzig Jahre später hinterließen die Aufzeichnungen einer Pastoralvisitation keine deutliche Spur zur Rezeption378. Sie sind ziemlich aufschlußreich über die damals noch weiterherrschende Uneinheitlichkeit in der Liturgie: nach dem Visitator, dem Kanoniker Johannes Vogt, befolgten 1480 im Vergleich zum Missale von 1447 als Referenzexemplar elf Kirchen im Bistum Eichstätt den Ritus von Regensburg (fast alle lagen dann auch an der Bistumsgrenze); sieben nahmen Martini Senging Tuitiones, S. 542-545. G. Bäumer, Geschichte des Breviers, S. 378-379. 376 L. Pfleger, Abt Nicolaus, S. 113-117. Über Salicetus (Wydenbusch), der aus Bern stammte und als Doktor der Medizin in den Zisterzienserorden eingetreten war, vgl. nun A.A. Strnad, Frömmigkeit, Heilkunde, S. 151-157. 377 V. Redlich, Tegernsee, S. 109-110. 378 F.X. Buchner, Kirchliche Zustände, S. 153. 374 375

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das Missale von Bamberg zum Vorbild, zwei von Würzburg, eines von Augsburg und Passau; vier von Prag, fünf den böhmischen Ritus; zwei Kirchen folgten dem Ritus der Regularen (der Dominikaner und des Stifts Rebdorf). Im bezug auf das Brevierexemplar von 1454, das alle Priester innerhalb eines Jahres kopieren sollten, befolgten viele Kirchen weiterhin verschiedene Rubriken: drei die Rubrik von Freising, zwei die von Salzburg, eine die von Passau (die andere wurde gerade gebunden), eine die von Würzburg, eine die von Konstanz, zwei der Benediktiner, fünf die von Augsburg, acht die von Bamberg, dieselbe Zahl die von Regensburg. Im bezug auf das Rituale („Obsequiale“) in seiner Neuedition von 1477 benutzten 52 Kirchen die alte Vorlage weiter379. Das Problem einer Vereinheitlichung war also noch nicht befriedigend gelöst, und so überließ Wilhelm von Reichenau (ca. 1426-1496), der Nachfolger Johanns von Eych im Amt und in seinen Reformbemühungen, das Bürgerrecht an den bekannten Drucker Georg Ryser mit dem Auftrag, das Brevier von Eichstätt zu drucken, dem Ryser dann 1483 nachkam. Auf diesen ersten, wichtigen Druck folgten drei des Missale (1486, 1489, 1490), dann eine Sammlung mit den Synodalstatuten in zwei Editionen ab 1484, schließlich das „Obsequiale“ im Jahre 1488. Das Ziel einer Vereinheitlichung in der Diözese Eichstätt, von Bischof Johannes seit dem Jahre 1447 angegangen, wurde in der Dedikation des Breviers von 1483, also fast vierzig Jahre später, noch einmal bestätigt: „In unserer Diözese lassen sich schwerlich zwei Kleriker finden, die auf dieselbe Art das Gebet verrichten“380. Versuche zur Liturgiereform unternahm auch der Bischof von Speyer, Matthias Rammung (ca 1417-1478), Hinderbachs gleichaltriger Zeitgenosse, den er 1471 in Regensburg persönlich getroffen hatte381. Die Mehrheit der im Chor der Stiftskirchen und anderer Kirchen der Diözese Speyer ausliegenden Bücher verzeichnete nur 23 Sonntagshomelien für die Zeit zwischen der Himmelfahrtsoktav bis zum Weihnachtsfest, die aber oft nicht ausreichten, und so verfügt Rammung 1469 zwei zusätzliche. Auf einer Synode drei Jahre später monierte er, daß die Bücher zum Exorzismus und zu anderen Gegenständen der Pfarrpraxis in schlechtem Zustand wären: einige zerlesen, andere überholt und unbrauchbar zur praktischen Verwendung. Von daher verpflichtete er die Dekane auf dem flachen Land und den übrigen Klerus, besonders aber Pfarrer Ebd., S. 154-155. J.G. Suttner, Versuch, S. 168, Anm. 1: „in tantum mutate sunt librorum rubrice, ut sacerdotes, pariter orare conantes, inter se dissideant et quandoque maior sit columbe ad aquilam et fugacis dorce ad rigidum leonem, quam duorum simul orantium sacerdotum concordia“. 381 Th. Haffner, Die kirchlichen Reformbemühungen, S. 163-166. Auch hier wurde die Liturgiereform von der Sorge begleitet, die heilige Messe würdevoll zu feiern und dem Altarsakrament mit der nötigen Verehrung zu begegnen. 379 380

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und Kuraten dazu, die Bücher wieder in einwandfreien Zustand zu versetzen, sie genau zu kopieren, dann zu vergleichen und nochmals überprüfen zu lassen382. Rammungs Bemühung hatte ähnlich wie im Falle seines Mitbischofs von Eych im ersten Anlauf nicht den erhofften Erfolg: im ersten Druck der „Agenda“ von 1512 mußte Rammungs Nachfolger in Speyer, Philipp I. von Rosenberg (ca. 14601513), einräumen, daß bis in seine Zeit verschiedene „Agenda“ bestanden, stark voneinander abweichend und zerlesen. Ein wirklich einheitlicher Ritus wurde in der Diözese Speyer erst unmittelbar vor der Reformation erreicht.

Auch die Vorlage eines eigenen Breviers wurde von Rammung eingeleitet. 1474 beauftragte er den bekannten Drucker in Speyer, Peter Drach383, mit der Vorbereitung, und das erste Exemplar erschien vier Jahre später384 – es ging in seinen Grundzügen auf eine Mainzer Ausgabe zurück, aus der Druckerei von Marienthal im Rheingau durch die Brüder vom Gemeinsamen Leben. Schließlich gab 1487 Bischof Ludwig von Helmstatt den Auftrag zur editio princeps des Missale, an der auch Rammung vorbereitenden Anteil gehabt hatte385, ebenso wie mit der Vereinheitlichung der Feste im liturgischen Jahr. Zu diesem Zweck ordnete er 1474 mit einem Synodalschreiben an, daß bei Strafe der Exkommunikation als summa festa beobachtet werden sollten: Weihnachten, Ostern und Pfingsten, daneben nur noch das Fest der Erscheinung und der Beschneidung des Herren. Als „Hauptfeste“ (also zweiten Grades) waren anzusehen alle Feste der Jungfrau Maria, der Apostel, Johannes’ d. Täufers, des Hl. Laurentius und des Erzengels Michael; alle übrigen Gedenktage sollten nur simpliciter begangen werden. An dieser Zusammenstellung besticht die klare Unterscheidung zwischen den Herrenfesten gegenüber den Heiligengedenktagen, eine Unterscheidung, die auch dem Sonntagsgottesdienst gegenüber den Werktagen zukam. Diese Vorschriften galten auch für Stiftskirchen386.

Ähnliche Liturgieprobleme bestanden auch in der Diözese Passau. Bischof Ulrich von Nußdorf verbot auf einer Synode 1470 die Aufnahme neuer Feste in den Katalog und verpflichtete die Geistlichen auf die Einhaltung des Breviers. Bei dieser Gelegenheit wurden auch Visitatoren zur Überwachung bestimmt, damit in der gesamten Diözese dieselben Manuale und Rituale beachtet wurden. Rund zehn Jahre später erschien in Augsburg das Brevier aus Passau (1481), 1490 und fünf Jahre später wiedergedruckt. Für eine solche Diözese mit ihrer geographisch weiten Ausdehnung war eine einheitliche Liturgie von besonderer Bedeutung, dementsprechend auch schwieriger zu erreichen: im Jahre 1518 stellte das „Directorium“ für alle Geistlichen ohne A.J. Binterim, Pragmatische Geschichte, 7, S. 322. Über ihn knapp H. Harthausen, Drach (Drachus, Trach), S. 352. 384 F.X. Haffner, Die kirchlichen Reformbemühungen, S. 165. 385 G. Bäumer, Geschichte des Breviers, S. 384. Bischof Philipp I. hatte im Jahre 1507 Jodocus Gallus mit der Reform des Diözesanbreviers beauftragt. 386 F.X. Haffner, Die kirchlichen Reformbemühungen, S. 165-166 und zur Eucharestie S. 163-165. 382 383

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Sitz im Chor die fortwährenden Unterschiede während des Gottesdienstes fest, den jeder offenbar auf verschiedene Art durchführte. Brixen, Eichstätt, Speyer und Passau. Diese Beispiele wurden deshalb so ausführlich behandelt, um zu zeigen, mit welchen Schwierigkeiten die betreffenden Bischöfe bei der Neuordnung der Liturgie zu kämpfen hatten. Und so entstanden verschiedene directoria, die alle genaue Vorschriften zur Feier der liturgischen Gebete erließen, wie etwa die „Regulae rituales ecclesie Constantiensis“ von vor 1476 oder die „Breviaria“ im Bistum Chur vier Jahre später387; doch alle Bemühungen zeigten keinen unmittelbaren Erfolg, sodaß die Bischöfe die Kleriker ihrer Diözesen zu einem gemeinsamen Brevier nach dem in der Bischofskathedrale herrschenden Ritus verpflichteten und sich dazu vor allem der neuen Buchdruckkunst bedienten. Von daher bestand eine enge Verbindung zwischen den ersten Druckereien und den bischöflichen Residenzen mit ihren Kurien. Nach Severin Corsten bot die neue Technik eine Möglichkeit, immer schon von Reformern angestrebt, Klerikern Texte mit genauem und gleichlautendem Inhalt vorzulegen388. So konnten die Ortskirchen als Auftraggeber die Textgestaltung bestimmen, genau die Verwendung einer bestimmten Anzahl der Exemplare verfolgen und damit für jeden Kleriker die notwendigen Bücher zu Gottesdienst und Predigt beschaffen. Die Prälaten besaßen also ein erhöhtes Interesse an den Buchdruckern und ihrem Gewerbe, vor allem an Büchern zur Liturgie, deren Drucke gegen Mitte der Siebziger Jahre des 15. Jahrhunderts stark zunahmen389. Genaue Auskunft darüber gab der Bischof von Würzburg, Rudolf von Scherenberg (1466-1495): er schrieb am 25. April 1480 an den Magistrat von Straßburg und bat ihn um Freilassung eines Druckers, der eine Neuordnung der Gebets- und Meßbücher des Bistums begonnen hatte; das Vorhaben besaß offenbar für Bischof Rudolf solche Bedeutung, daß er für den in Straßburg Inhaftierten um eine ungestörte Fortsetzung der Weiterarbeit nachsuchte390. Ebenso erscheint eine Überlegung des Kartäusers Werner Rolewinck bezeichnend: er hatte 1470 seinem „sermo de presentatione Marie“ durch Druck weite Verbreitung gesichert („per impressionem multiplicatus“), „um ihn für viele Priester zum allgemeinen Gebrauch verfügbar zu machen, besonders 387 „Breviaria … continentia regulas notabiliaque secundum quas … orandum atque psallandum“: H. Tüchle, Bemerkungen, S. 178. 388 Zur Absicht, ein Missale durch Gutenberg selbst in den Jahren 1449/50 drukken zu lassen, vgl. K. Walsh, Das Missale, S. 191. Zu notwendigen Textemendationen ebd., S. 193. 389 Genau in den Siebziger und Neunziger Jahren brach der Preis für Inkunabeln ein, die danach sehr viel weniger kosteten, vgl. D. Mertens, Früher Buchdruck, S. 93, Anm. 46. Liturgische Texte konnten durch Absprache ziemlich genau im Preis festgelegt werden, von daher war das Einzelexemplar durchaus erschwinglich (S. Corsten, Der frühe Buchdruck, S. 15). 390 S. Corsten, Der frühe Buchdruck, S. 14.

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zur Seelsorge“; Rolewinck erklärte vier Jahre später in seinem „Fasciculus temporum“, den auch Hinderbach besaß und ausführlich mit Anmerkungen versah, den Buchdruck als die herausragende „ars artium“: damit nahm er das bekannte und vielzitierte Zitat Gregors des Großen wieder auf, der in seiner „Regula pastoralis“ die Seelsorge als eben jene bezeichnete („Regula pastoralis“, I,1). Rolewinck erkannte also als einer der ersten die herausragende Bedeutung des Buchdrucks für die cura animarum und wandte damit konsequent die alte Mönchsregel an, die nach Cassiodor („De inst.“ I,3) vorschrieb, „mit den Händen zu predigen“ („manibus praedicare“)391. Dieser Zusammenhang wird auch untermauert bei der rein zahlenmäßigen Produktion von liturgischen Inkunabeln in Italien und Europa. Nach den Schätzungen von Manfred Sauer waren 30,3 %, also ein Drittel der frühen Buchproduktion in Deutschland, moralischen und religiösen Inhalts392. In etwa 20 Jahren verfügte der größte Teil der deutschen Bischöfe auf diese Weise über ein offizielles Diözesanbrevier393. In den Verträgen mit den Druckern zeigt sich klar der Wille zur Vereinheitlichung: z.B. machte der Bischof von Konstanz 1494 beim bekannten Drucker Erhard Ratdolt für Breviere geltend394, daß „der gesamte Klerus des Bistums Gott, Maria und den Heiligen ein feierliches Gebet widmen sollte, in der Art, wie im Dom von Konstanz üblich“395; dieselbe Auflage zur Vereinheitlichung und Vervollständigung des Gottesdienstes erließ der Erzbischof von Mainz 1480 beim Druck seines Rituale396. Nach diesen Beobachtungen wird klar, daß das Priesterbrevier neben dem Missale und dem Rituale im Mittelpunkt der Reformbestrebungen stand. Das Brevier war von grundlegender Bedeutung für das persönliche Gebet des Klerikers und wurde daher von einigen Synoden zur Pflichtlektüre erhoben. So schrieb im Jahr 1426 der Bischof von Tortosa jedem Diakons- oder Priesteranwärter vor, sich ein kleines Brevier zum persönlichen Gebrauch zu verschaffen für den Fall, daß er keine Gelegenheit besaß, das Offizium in D. Mertens, Früher Buchdruck, S. 85, Anm. 9. Vgl. auch U. Rozzo, Linee per una storia, S. 9-20. 393 H. Tüchle, Bemerkungen, S. 188. 394 Über diesen Augsburger Drucker, der lange Jahre in Venedig verbracht hatte, S. Corsten, Ratdolt, S. 454. 395 H. Tüchle, Bemerkungen, S. 191: „damit siner göttlichen Mayestat, der Gebererin Marie und allen in Gott geheligten von gemainer Priesterschafft in unnserm Bistumb wonhafft und gesessen ain wolgeordnet Gebet nach unnserm Bistumb zu Constanz in Demitigkeit uffgeopffert werde“ und vgl. S. 193. 396 Erzbischof Dieter von Isenburg (1475-1482) ließ in Mainz 1480 ein Rituale, zwei Jahre später ein Missale und zahlreiche Breviere drucken (H. Reifenberg, Messe und Messalien, S. 3 ff., und ders., Sakramente, Sakramentalien, S. 15). 391 392

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der Kirche zu verrichten; damit sollte dem Vorwand begegnet werden, das Stundengebet ganz ausfallen zu lassen397 – dieser Schwierigkeit versuchte auch Hinderbach abzuhelfen, dadurch daß er für sich selbst ein Brevier im Kleinformat nach Passauer Ritus bei sich trug398. Neben der Einheitlichkeit und der Verfügbarkeit des Breviers stellte sich aber die Frage nach dem eigentlichen Inhalt: der ursprüngliche Text des Breviers war durch verschiedene Eingriffe seit der kluniazensischen Reform abgeändert und aufgeblasen worden durch die Zunahme von Heiligenfesten, Marienoffizien und Totengedenktagen: „Die Anordnung des Breviers war so kompliziert, daß man ein ganzes Leben brauchte, um es richtig beten zu lernen; oft verging mehr Zeit damit, die einzelnen Teile aufzusuchen, als sie zu beten“399. Schon von daher könnte die Vermutung von Katherine Walsh zutreffen, daß Hinderbach eine Reform des Breviergebets anstrebte. Er besaß persönlich wenigstens fünf Exemplare, von denen vier – heute noch erhalten – reich postilliert sind, Zeichen einer häufigen und kontinuierlichen Lektüre400. Das erste folgt dem Passauer Ritus401, sein Erwerb findet eine Erklärung in Hinderbachs früher Klerikerlaufbahn402, und bietet mehrere Hinweise auf noch ein anderes (nicht mehr erhaltenes) Exemplar; das zweite ist ein Brevier „secundum consuetudinem Curiae Romanae“, etwa in der Zeit um 1370 und für die Tridentiner Kirche verfaßt403; das dritte folgt den Vorschriften des Franziskanerordens, datiert von der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts und wurde von Hinderbach aus dem Besitz eines Weihbischofs 1483 erworben404; 397 G. Bäumer, Geschichte des Breviers, S. 380, vgl. J. Grohe, Die Synoden, S. 209 (Konzil von Tortosa 1429, Konstitution Ne divine servitutis). Über die Anteilnahme an der Liturgiereform in Rom (Pius II., Domenico de’ Domenichi und Agostino Patrizzi), ebd., S. 383 und Anm. 1. 398 Zitiert in: BCTn, ms 1556, f. 431, f. 767. 399 H. Jedin, Das Konzil von Trient und die Reform der liturgischen Bücher, S. 501. 400 K. Walsh, Eredità tardomedioevale, S. 46. Vgl. die Regelung über die Tageseinteilung im Gebet für Priester von Mitbischof Georg Golser in Brixen: Beyträge, 6, S. 655. 401 Ein „breviario romano appropriato all’uso liturgico della chiesa di Passavia“: I. Rogger, Interessi agiografici, S. 320, Anm. 3. 402 Ebd., S. 322. Für den Beleg zu Hinderbachs Frühzeit beim Stift Ardagger, Diözese Passau, an dem er den Vollzug der Liturgie gelernt hatte: „(…) in quo primitus canonicus prebendatus et sacris initiatus fui et cantum choralem et psalmos et (…) didici“ (BCTn, inc. 424, l. XXV, cap. 45). Zu Ardagger: Th. Aigner (Hrsg.), Kollegiatstift Ardagger. Die Verbindung mit der Familie Hinderbach: A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 13, und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 402. 403 MPTn, ms 1363 (vgl. I. Rogger, Interessi agiografici, S. 325). 404 MPTn, ms 1777.

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das vierte schließlich ist wieder ein römisches Brevier im Druck aus dem Jahre 1482405. Diese vier Exemplare versah Hinderbach mit ausführlichen Anmerkungen, und sie belegen seine Überlegungen zum Unterschied von römischem und „ultramontanem“ Ritus406. Die Notwendigkeit zu einer Neuordnung ergaben sich durch Hinderbachs Teilhabe an verschiedenen liturgischen Traditionen: für einen Bischof mit vorwiegend „ultramontaner“ Klerikerbildung bot sich an eine Abstimmung dieser verschiedenen Vorgaben mit dem „Breviarium secundum Romanam curiam“, genau dieselbe Problematik, die schon bei der mönchischen Observanz behandelt und ebenso im Schreiben Bernhards von Waging an die Priester der Diözese Eichstätt beschrieben worden ist. Hinderbachs Aufgabe konnte nicht in einer gradlinigen Übernahme des römischen Breviers bestehen, sondern er wollte es, wenn nötig, in einzelnen Teilen erweitern, im Endresultat also dürfte ihm wohl eine Art „kontaminierte“ Fassung vorgeschwebt haben. Diese Neigung zur Integration zeigt sich auch bei den liturgischen Kalendarien. Viele Anmerkungen betreffen die Heiligen des Donauraumes, vor allem aus der Diözese Passau407 mit genauen Anmerkungen zu Lebens- und Sterbeorten408. Von seinen Glossen in den Brevieren her kann ausgeschlossen werden, daß er an eine Verringerung der Anzahl der Heiligenfeste dachte; im Gegensatz zum erwähnten de Rivo und dem späteren Kardinal Quiñones (ca. 1482-1540)409 zeigt er nicht die Tendenz, Inhalte zu raffen, sondern eher zu erweitern: sein Kalendarium aus Passau z.B. vermerkte den 27. März als Gedenktag des Hl. Rupert, ein Datum, das er auch noch in sein wichtigstes, eigenes Kalendarium aufnahm; dazu vermerkte er noch am Rand, daß der Tag mit neun Lektionen begangen werden sollte, und fügte weiter hinzu: ein Plenaroffizium, „wie im Brevier oder Diurnale von Salzburg“410, dann erwähnte er noch, daß bei diesen Lektionen ein umfangreicher Teil fehle, der beim eigentlichen Fest des Hl. Rupert im September nachzulesen sei411. Hinderbach gestand also der Gedächtnisfeier einen höheren Rang zu. Ebenso erwähnte das Kalendarium aus Passau am 12. und 13. Dezember die Festtage der Hll. Ottilia und Jodok. Auch in diesem Falle übernahm Hinderbach beide Gedächtnisse in sein Kalendarium, vermerkte aber in seinem BCTn, inc. 354 (vgl. I. Rogger, Interessi agiografici, S. 324-325). Vgl. K. Walsh, Eredità tardomedioevale, S. 46. 407 I. Rogger, Interessi agiografici, S. 322. 408 Ebd., S. 321. 409 J.A. Jungmann, Warum ist das Reformbrevier des Kardinals Quiñones gescheitert?, S. 265 ff. 410 BCTn, ms 1556, f. 777. 411 BCTn, ms 1556, f. 961. 405 406

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Brevier, daß die historischen Lektionen fehlten412. Desgleichen nahm er auch das Fest des Hl. Thomas von Aquin am 7. März in seinem Kalendarium auf und fügte noch hinzu: „Dieses Fest hat eine historia propria, ,in versus et matutinos et legendam‘“413. Ebenso verfuhr er für die „zweite“ Hl. Agnes: der Auslassung im Kalendarium entsprach auch eine Lücke im sanctorale („hic deficit pars huius hystorie …“), die überbrückt werden sollte mit Hilfe von „Büchern und römischen Brevieren“, um drei (noch fehlende) Lektionen auszugleichen414. Auch bei den Oktavtagen notierte Hinderbach über die gebräuchlichen, etwa bei der Erscheinung des Herrn, hinaus diejenigen des Diözesanpatrons Vigilius und des Hl. Andreas (dem Rudolf von Rivo allerdings nur eine kleine Oktav einräumt415), dann die des Hl. Augustinus, schließlich mit einigem Zögern der Hl. Agnes416 – die beiden letzten erscheinen bei de Rivo überhaupt nicht. Von daher ergibt sich bei ihm ein Kardinal Quiñones direkt entgegengesetztes Bild: dieser sollte nämlich die Anzahl der Oktavtage deutlich reduzieren und nur für die Hochfeste beibehalten417. Weiter ist eher an eine Ausweitung des Offiziums bei den Lesungen zu denken, denn schon die historiae und die Homelien waren Gegenstand von vielerlei Beobachtungen: Hinderbach vermerkte genau die Auslassungen und die Verkürzungen mit Bezug zu anderen Breviarien, liturgischen Texten oder einfachen Homelien und Passionarien. Er selbst zeigte dabei Neigung, die eine oder andere Homelie auszuweiten, „quia pulchra est“, ebenso diese oder jene Heiligenvita, möglicherweise, weil er den Text in seiner gesamten Länge gelesen haben wollte. Ein ähnliches Verfahren läßt sich bei Hinderbachs Eingriffen in die Textstruktur der „Laus Marie“ beobachten. Bei der sogenannten kurzen Fassung hatte Konrad von Haimburg die Lektionen für die einzelnen Wochentage auf drei reduziert, für die Feiertage behielt er sechs bei418. Diese Aufteilung erschien Hinderbach nicht genügend devota und erbauend, weil in seinen Augen die Auslassungen und Verkürzungen Verständnis und Einprägen erschwerten; von daher fügte er noch Pausen hinzu und Unterscheidung der Lektionen. Dadurch konnte er eine neue Textform anbieten demjenigen Benutzer, der das Laudarium lesen, beten oder anders „pro libito ac modulo BCTn, ms 1556, f. 819. BCTn, ms 1556, f. 773. 414 BCTn, ms 1556, f. 910. 415 C. Mohlberg, Radulph de Rivo, Bd. 2, Propositio XIX, S. 117. 416 BCTn, ms 1556, zum Kalendar im Anhang fügt Hinderbach auf freigebliebenem Raum für den 28. Januar ein: „Agnetis 2° vel eius octava“. BCTn, ms 1562 bringt dagegen ausdrücklich „octava Agnetis“, wozu er dann noch beifügt: 2°. 417 J.A. Jungmann, Warum ist das Reformbrevier des Kardinals Quiñones gescheitert?, S. 265-271. 418 Über den Autor und seine „Laus Marie“ vgl. oben, S. 291. 412 413

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devotionis sue“ verwenden wollte. Trotzdem blieb das Ergebnis in seinen Augen unbefriedigend, denn er versuchte, in Besitz des vollständigen Originaltexts mit neun Lektionen für jeden Tag zu gelangen. Den hatte ihm ein Prämonstratenser versprochen, der ihm aber nur eine zweite, schlechte („turpi littera“) Version der erwähnten Kurzfassung hatte verschaffen können, die Hinderbach an die Kapläne und Kleriker der alten Kanzlei weiterleitete. Sein Ziel war dabei, einen möglichst lückenlosen Text herzustellen, ohne Abkürzungen, in allen Teilen stimmig, im täglichen Gebrauch geeignet für diejenigen, die das Chorgebet besuchten und das Stundengebet lesen wollten419.

Diese klar formulierten Kriterien bei der Neuordnung der „Laus Marie“ ließen Hinderbach auch weiter aktiv werden für Vergleich und Abstimmung der Breviere, Missale und Lektionarien, aber in eine ganz andere Richtung wie später Kardinal Quiñones. Dazu erweiterte er den Vergleich mit eher hagiographischen Texten um eine Verbesserung des Diktats: „Es ist angebracht, es sollte sein, es soll lauten“; dazu kam noch die Ergänzung einzelner Verse. Weiter hielt er sich an die Tradition des 14. Jahrhunderts, wonach die für die Offizienlektüre bestimmten Texte in drei, sechs und neun Perikopen je nach der Feierlichkeit des Offiziums aufgeteilt wurden; dabei verwendete er dieses Schema nicht nur bei liturgischen, sondern auch erzählenden Texten (Speculum historiale, Legenda aurea), die teilweise zur Lektüre bestimmt worden waren. Seine Hauptanstrengung galt also dem gelesenen Wort, inhaltlich, formal und vom Umfang her. Diese ganze Arbeit der Textabstimmung vollzog sich zusammen mit dem Textvergleich zwischen dem „ordo Romanus“ und den „ultramontanen“ Gewohnheiten. Die Verschiedenheit des Ritus war für die Diözese Trient noch von besonderer Bedeutung, da sich in ihr auch Priester aus anderen Diözesen aufhielten, die ihre eigenen liturgischen Traditionen mitbrachten420 – das Statut des Bischofs von Tortosa zum eigenen Brevier wurde schon erwähnt: Wie sollten nun die peregrini ihren liturgischen Dienst versehen? Einen Beleg dafür bietet das Güterverzeichnis eines Priesters, Albrechts aus dem Engadin, Pfarrers der Kirche von St. Jakob in Predazzo im Fersental, vom Jahr 1483421. Danach besaß er „unum breviale secundum Curiensem“ zusammen mit weiteren Büchern, deren Titel nicht näher genannt sind. Er stammte aus der Nachbardiözese Chur, hatte also sein eigenes Brevier mitgebracht und damit auch die entsprechende liturgische Praxis. Ähnlich liegt der Fall einige Jahrzehnte früher in der Diözese Konstanz: 1447 hatte der Generalvikar einem Kaplan aus Schorndorf, der lange in der Diözese Speyer geamtet hatte, erlaubt, das Stundengebet nach dem dortigen Directorium zu verrichten, an das er seit seiner Jugend gewöhnt war, mit dem Vorbehalt jedoch, 419 420 421

BCTn, ms 1785, ff. 1-4v (vgl. PBE, scheda 8, S. 60-62). Vgl. D. Rando, „Religiosi ac presbiteri vagabundi“. ASTn, APV, sez. latina, capsa 27 Nr. 13.

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bei anderen Priestern keinen Anstoß zu erregen422. Auch Hinderbach selber war eigentlich ein „Zugereister“, ein „Fremder“ in seiner Diözese, der wie die Kleriker in den beiden Beispielen die eigene liturgische Tradition, in seinem Fall die „ultramontane“, mit sich gebracht hatte. Er teilte also in gewissem Maß die Verschiedenheit der Liturgie seiner Zeit: für sich persönlich und seinen Diözesanklerus nahm er die Unterschiede hin und verweigerte ihnen als Bischof nicht die Zustimmung; z.B. bei seiner Neuordnung der verschiedenen Kodizes zum Marienlob in der Weise, daß jeder Leser einen eigenen Verehrungsweg einschlagen konnte („pro libito et modulo devotionis sue“) und auch bei seiner Statutenüberprüfung der Pfarrkirche in Bozen; dort lag eine „Ordinatio“ von 1447 in einer 22 Jahre später revidierten Form vor, die Hinderbach in einigen Punkten abänderte: er erlaubte den Gebrauch der sogenannten rubrica ultramontana statt der romana und diocesana bei der Abhaltung von ultramontanen Kirchen- und Diözesanfesten423. Diese ganzen Lockerungen schlossen bei ihm aber nicht das Bewußtsein für eine Vereinheitlichung der Liturgie aus, wovon auch ein Beleg in einer Anmerkung zum römischen Brevier zeugt; er schreibt vor, daß, falls Weihnachten auf einen Sonntag fiele, das Evangelium de vigilia vom unmittelbar vorhergehenden Samstag zu lesen sei, und hier mahnte Hinderbach an die Pflicht zur tabula chori, die die „rubrica vel ordo responsoriarum et antiphonarum“ vorschrieb: zu ihr „sollten sich alle Priester und andere Diener der Kirche und die ganze Diözese gemeinsam verpflichten, und keiner sollte nach eigenem Gutdünken abweichen“424 (auch das Konzil von Basel hatte die Kanoniker der Stiftskirchen zu einer tabula chori verpflichtet). Diese Eingriffe zeigen Hinderbachs lebhaftes Interesse an der Liturgie, ja, daß er geradezu ein Kenner der feinen Unterschiede war. Das bestätigt auch der häufige Gebrauch des Rationale des Durandus, ,das‘ Handbuch zur Liturgie, mit wenigstens drei verschiedenen Glossierungswellen von 1480, 1484, 1486. Alle drei zeigen Hinderbachs Fachwissen und Fortschreibungsbestreben (z.B. vermerkt er an einer Stelle: „hoc non servatur“)425, gepaart mit dem für ihn charakteristischen Willen zur Genauigkeit426. Er kannte den H. Tüchle, Bemerkungen, S. 176. ASTn, APV, sez. latina, capsa 46 Nr. 1. 424 „Presbyteri et alii ministri ecclesie et totius dyocesis se regere habebant, et non unusquisque secundum capud (et) sensum (ab et über die Zeile) su(u)m regerat et oberraret“ (BCTn, ms 1556, f. 369). Die Anmerkung ist mit Hinderbachs Namenszug versehen, ein Zeichen für ihre Wichtigkeit. 425 BCTn, inc. 2, f. 128v. 426 Z.B. korrigiert er den Hinweis bei BCTn, inc. 2, f. 125: „ad primam“ auf folgende Weise: :„ymmo in laudibus, post secundam antiphonam“ und auf f. 142 schreibt er den Anfang der drei Antiphonen, den Durandus nur angedeutet hatte. 422 423

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Heiligenkalender gleichsam „aus dem Eff-Eff“: wenn Durandus vermerkt, daß in allen Kirchen mit dem Titelheiligen Quintinus (am 31. Oktober) das Fasten für das am nächsten Tag zu feiernde Allerheiligenfest bereits drei Tage vorher beachtet werden sollte, notiert Hinderbach kurz und bündig neben dem Titel des Hl. Quintinus: „id est s. Wolfangi“ – für ihn galt dasselbe bei den Kirchen mit dem Titel des Hl. Wolfgang, dessen Gedenktag genau wie der des Hl. Quintinus auf den 31. Oktober fiel. Und wenn Durandus eine Besonderheit beim Absingen des „Te Deums“ in einigen Kirchen erläuterte, konnte Hinderbach sie sofort zuordnen als „secundum Romanam Curiam“427. In einem Kalendarium der Hs. 1556 vermerkt er neben der Erwähnung König Davids: „non celebratur in ecclesia occidentali“ und nahm so eine Bemerkung des Durandus auf, mit der er sich beschäftigt hatte428. Andere, flüchtige Bemerkungen zeigen, in welchem Maße Zeitabschnitte, Feiertage und Lesungen, die das liturgische Jahre in seinem Ablauf festlegten, von ihm so rezipiert wurden, daß sie seinen Lesehorizont weitgehend bestimmten. Wenn z.B. Durandus erklärt, daß, falls das Fest des Hl. Andreas am 30. November auf den ersten Adventssonntag fiele, es dann auf den folgenden Dienstag verschoben werden solle, meldet sich Hinderbach zu Wort: „Wie in diesem Jahr geschehen, nämlich 1484“ (das Andreasfest fiel 1484 auf den dem ersten Advent folgenden Dienstag, ohne die Notwendigkeit einer besonderen Verschiebung)429. Wenn Durandus weiter beobachtet, daß zwischen dem ersten Sonntag nach Epiphanie und dem Anfang der Fastenzeit höchstens sieben und wenigstens drei Wochen liegen können, glossiert Hinderbach sofort: „Genau wie in diesem Jahr“, diesmal 1486 (eben drei Wochen!)430. Wenn der Fall eintrat, daß zwei Feste zusammenfielen, sollte das rangmäßig niedere dem höheren weichen: Hinderbach vermerkt dazu als Beispiel das der Hll. Johannes und Paulus, die gegenüber dem Schutzpatron von Trient, dem Hl. Vigilius, zurücktreten mußten431. Ebenso zeigt sich sein Bemühen um eine genaue Einhaltung des Festtagskalenders mit den verschiedenen Abstufungen: vor allem der sogenannten beweglichen Feste und der Abwägung zwischen BCTn, inc. 2, f. 139v. BCTn, inc. 2, f. 134, wo festgehalten ist, daß die Kirche im Westen nicht das Gedenken an herausragende Personen vor dem Auftreten Christi als Heiligenfeste begeht, da vermerkt Hinderbach am Rand eigenhändig: „nota et istud: qu(are) ecclesia non celebrat festum patriarcharum et prophetarum“. Hinderbachs hervorragendes Interesse an liturgischen Gegenständen zeigt sich auch in seinem Versuch, den kleinen Simon heilig sprechen zu lassen. Dazu vgl. A. Esposito, Il culto del „beato“ Simonino, S. 436 und besonders ASTn, APV, sez. lat., capsa 69, Nr. 189, 190 und 201a usw. 429 BCTn, inc. 2, f. 228v. 430 BCTn, inc. 2, f. 148v. 431 BCTn, inc. 2, f. 228. 427 428

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den maiora duplicia gegenüber denen mit einer niedrigeren Einstufung, unter die nach Durandus auch das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel fällt, das im Gegensatz dazu für Hinderbach als „höheres“ Fest gilt432. Auch gewisse Einzelheiten bei seiner Bibellektüre sieht er unter einem liturgischen Gesichtspunkt: in zwei Textstellen bei Tobit zur Heirat Tobias’ mit Sarah, die auch heute noch bei der Brautliturgie verwendet werden, erkennt er die „benedictio nuptiarum desponsarum“ und die „pars benedictionis nuptiarum“433; ein Teil des Paulusbriefes an die Hebräer (4,9) wird von ihm sofort identifiziert mit der Lektüre zur nächtlichen Terz am Karfreitag434; neben dem Textabschnitt zum neuen Opferritus des Judas Makkabäus, um „ein Sühnopfer“ zur Fürbitte für die Gefallenen zu entrichten (II, Mcc 12,4243), vermerkt er: „legitur in missa pro defunctis“435 – genau dieser Passus bestätigt noch heute die Nützlichkeit des Gebetsgedenkens für die Toten. Hinderbach geht also ganz in einer liturgischen Sicht seiner Umgebung auf: er lebt förmlich in der Liturgie, die er durch das kirchliche Kalendarium dem Zeitablauf anpaßt – Mitte des 14. Jahrhunderts bestand nördlich der Alpen diese Art datatio, nämlich der liturgische Kalender436. Diese allumfassende Geltung der Liturgie für die Einzelexistenz setzt er in der bischöflichen Pastoral um: er verrichtet das Fasten streng, z.B. verpflichtet er seine Kapläne dazu vor dem Fest der Erscheinung des Herrn437; aufschlußreicher noch eine Notiz zum Fest des Hl. Matthias am 24. Februar: es braucht nach Durandus keinen Fasttag, weil sowieso am Anfang der allgemeinen Fastenzeit, oder auch, weil der Hl. Matthias ursprünglich kein Apostel gewesen sei – dazu bemerkt Hinderbach: „Oft oder manchmal fällt das Fest in den Anfang der Fastenzeit, wie im letzten Jahr, 1479, als das Fest des Hl. Matthias genau auf den Aschermittwoch fiel. Einige Bischöfe haben dem Heiligenfest den Vorzug gegeben, und das war falsch („et male fecerunt“); er selbst hatte Stadt und Diözese Trient zum Fasten verpflichtet und das „officium festi“ am Wochentag zelebrieren lassen438. Der ganze Vorgang zeigt einmal mehr seine Rigorosität 432 BCTn, inc. 2, f. 228, am Rand von Hinderbach: „istud est superius festum“. In einem Kalendar wird also genau die Vierzigtagefrist nach der Aufnahme Mariens in den Himmel eingehalten (I. Rogger, Interessi agiografici, S. 374). Die Diskussion über einen Festtag mit neuen Lektionen und „cum pleno officio“ bei BCTn, ms 1556, f. 777 und f. 886 für den Eremiten Paulus, zur Zelebration mit drei Lektionen und drei Responsorien. 433 MPTn, ms 1597, ff. 175v-176 (= Tb 7, 5; 9, 10-12). 434 MPTn, ms 1597, f. 408: „legitur in 3° nocturno, in die Parasceve“. 435 MPTn, ms 1597, f. 349. 436 W. Bergmann, Die Heiligen, S. 117 und vgl. H. Kellner, Heortologie, S. 156 ff. 437 BCTn, inc. 2, f. 148v. 438 BCTn, inc. 2, f. 139v.

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bei der Einhaltung kirchlicher Vorschriften, aber auch seinen persönlichen Eifer zur Ordnung des liturgischen Lebens in seiner Diözese, der sich schon beim erwähnten Eingriff in Bozen gezeigt hatte: das schon zitierte Statut für die dortigen Kleriker wurde von ihm minutiös durchgearbeitet und mit Korrekturen versehen439. Hinderbachs Aufmerksamkeit für Probleme dieser Art führt auf die Bemühungen des Kusaners in Brixen und Bischofs Rammung in Speyer zurück. Dabei waren die Bestrebungen vielfältiger Natur: der Kardinal wollte die Anzahl der Festtage einschränken, und Rammung ein gewisses Gefälle entwerfen, um Mißbrauch vorzubeugen; Hinderbach scheint vielmehr eine Erweiterung vorgeschwebt und in einigen Fällen sogar einen gewissen religiösen „Pluralismus“ in Kauf genommen zu haben. Stärkere Übereinstimmung findet sich bei der Meßfeier. Wie dargelegt, müssen die Bemühungen Rammungs in einem weiteren Zusammenhang zu einer Reform des Gottesdienstes gesehen werden, vor allem einer unbeschadeten Feier der Eucharistie und einer würdigen Verwahrung der konsekrierten Hostie. Auch bei Hinderbach sind ähnliche Anstrengungen zu beobachten. In einer Anmerkung zum „Speculum Historiale“ beklagt er den Mißbrauch einiger Frauen („femine et muliercule“), die sich im Chorraum bis hin zum Hauptaltar drängelten, während Priester und Sänger in ihren Chorgestühlen in den Hintergrund rückten; von daher war Hinderbach entschlossen, den vorderen Teil des Chores durch eine Klausur, den Lettner, vom Hauptschiff abzutrennen; dadurch sollten die Hochfeste vom Bischof zusammen mit dem Klerus im Chorraum gefeiert werden, während das Volk im übrigen Teil der Kirche der Feier folgte, im Sitzen, klar nach Geschlechtern getrennt, rechts die Männer und links die Frauen. Dieses Vorhaben ließ sich nicht zu Hinderbachs Lebzeiten realisieren und ist nur durch eine schriftliche Notiz überliefert, mit seiner Unterschrift und der Bitte an seine Nachfolger zur Umsetzung – einer der vielen Mißstände, die er bei seinem Amtseintritt in Trient als reformbedürftig vorgefunden habe440. Diese Maßnahme ist eine von mehreren, die auf Verbesserung des Gottesdienstes abzielten: das Konzil von Basel hatte eine ganze Reihe von Dekreten zur Feier der divina erlassen441 – vor allen Dingen wurde das Umherlaufen in der Kirche während der Messe untersagt –, und Bischof Rammung war sogar, um die notwendige Ruhe für den Zelebranten zu sichern, bereit gewesen, die Altaraufstellung zu verändern: die Priester 439 ASTn, APV, sez. lat., capsa 46 Nr. 1. Formale Korrekturen, aber auch Präzisierungen zu Einzelvorschriften (Buße, Papsterwähnungen usw.). 440 BCTn, inc. 423, l. XVII, cap. 54. Zu Hinderbachs Mühe um eine würdige Verehrung der Euchariestie im Tabernakel, ähnlich wie Rammungs Bestrebungen, vgl. D. Rando, L’episcopato trentino, S. 311. 441 Dekrete der sessio XXI vom 9. Juni 1435, aber nur für Kathedralkanoniker und Stiftsherren (J. Helmrath, Das Basler Konzil, S. 336).

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sollten bei der Feier an einem bestimmten Altar durch keinerlei Lärm von kommenden und gehenden Personen gestört werden442. Aus Hinderbachs Notiz zur Trennung von Chorraum und Hauptschiff erhellt auch, daß er selbst den Gottesdienst bei Festen in der Kathedrale versah („nobis divina facientibus“) – für einen Bischof jener Zeit nicht üblich, vor allen Dingen für einen Landesfürsten: einige Jahre vorher hatten Heinrich Lur und auch Johannes Gossolt in ihren Gedenkworten die persönliche Meßfeier als eine der besonders verdienstvollen Eigenschaften des verstorbenen Bischofs von Augsburg, Kardinals Peter von Schaumberg, herausgestellt443. Hinderbach verwies mit einer manicula auf den Passus bei Durandus zur Verpflichtung des Bischofs, den Sonntagsdienst, falls nicht durch Krankheit entschuldigt, in der nächsten Kirche, etwa der Kathedrale, in eigener Person zu begehen444 – er bewegte sich mit Leichtigkeit in der liturgischen Formelsprache445; Bittsteller belagern ihn beim Verlassen seiner Domkirche nach dem Gottesdienst446, er selbst stirbt schließlich nach einem Schlaganfall am Ende der Meßfeier447: hier tritt uns der Bischof beim Vollzug der divina entgegen. Seine Aufmerksamkeit dem liturgischen Leben seiner Diözese gegenüber zeigte sich vielfach in der Revision und der angegangenen Reform des Breviers; in der Sorge, Gebetsvorlagen bereitzustellen, die entsprachen dem Verständnishorizont, der Einprägungsgabe und der Frömmigkeit der Leser; in seinem Eifer zur Neuordnung des liturgischen Kalendariums, der eine gewisse Freiheit und Pluralismus nicht ausschloß, endlich in einer rigorosen Strenge bei der Beachtung bestimmter Bußübungen, wie z.B. dem Fasten. Obwohl keine Synodalstatuten aus seiner Amtszeit erhalten sind, läßt sich doch aus der Ausarbeitung und Anwendung der liturgischen Ordnung ein ausgeprägter Zug seines bischöflichen Leitungsamtes erkennen. Er fand Th. Haffner, Die kirchlichen Reformbemühungen, S. 164. Vgl. oben, S. 231. Über Bestrebungen Johannes’ Schallermann, Bischofs von Gurk, zur rechten Feier der Messe, vgl. F. Fuchs, Ein Westfale in Kärnten, S. 157-158. 444 BCTn, inc. 2, f. 227v. 445 Vgl. BCTn, inc. 2, f. 29 („prout hodie fit in consacracione crismatis in die Cene Domini“) und f. 176v. 446 Z.B. der Vater des Simonino am Karfreitag 1475: W. Treue, Der Trienter Judenprozeß, S. 78 und Processi, Nr. 1. 447 So im Bischofskatalog bei A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 30-31 und Anm. 150, und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 431, Anm. 188. Die Messe, nach der Hinderbach verstarb, war möglicherweise zum zwanzigjährigen Jubiläum seines offiziellen Einzugs in die Diözese Trient gefeiert worden (am Gedenktag des Apostels Mathäus). Die Todesart war wohl von ihm im voraus befürchtet worden: am Rande einer Erklärung zum Schlaganfall in einer seiner Inkunabeln („apoplexia est subita effusio sanguinis“) brach er in die Bitte aus: „A quo nos Deus custodiat!“ (BCTn, inc. 34). 442 443

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vor allem im Vollzug des Ritus und genauer, schriftlicher Anweisungen ein Instrument zur Durchführung einer reformatio, die seinem geistigen Habitus und seiner juristischen Prägung entsprach, und kann von daher nahtlos an die Seite seiner prominenten Zeitgenossen bei der Reform der spätmittelalterlichen Kirche gestellt werden. 4. Furcht und Wut „Weib“/Weiblichkeit Hinderbachs distanziertes Verhältnis zu Frauen ergab sich aus Erziehung und Umfeld, eigentlich nur den stereotypen Vorbehalten, die eine lange Tradition innerhalb der Kirche hatte heranbilden lassen. Aus ganz verschiedenen Elementen übernahm die Patristik bestimmte Einzelteile und verband sie zu einem eigenen Frauenbild, dessen schriftliche Erzeugnisse bis in die Zeit Hinderbachs mit verschiedenen Ausprägungen hineinreichten448. Nach der eingängigen These von R. Howard Bloch war die schon früh zu beobachtende Tendenz, „die Frauen“ in eine abstrakte „Frau“ zu überführen, der Grund dafür, daß Frauenfeindlichkeit eher statisch blieb, repetitiv und kulturell konstant, und keine lebendigen Frauen zum Gegenstand hatte. Diese Falle des „ewig Weiblichen“ läßt sich schon in der patristischen Tradition feststellen; die Identität der konkreten Frau verschwimmt in einer allgemeinen Kategorie, ohne genaue, individuelle Wesenszüge, eine eher anonyme Weiblichkeit vor zeitlosem Hintergrund, die Frauen fast ganz als historische Subjekte ausblendete449. Mit dieser Tradition im Rücken konnte sich Hinderbach kaum von einem abstrakten Frauenbild freimachen; im Gegenteil, seine Lektüre, z.B. Vinzenz von Beauvais, verführte ihn förmlich dazu: „Nicht nur der Liebesdurst der Huren ist unersättlich, sondern jeder Frau; kaum hat sie ihn gestillt, schon bricht er von neuem aus“; am Rand noch kürzer generalisierend Hinderbach: „Der Liebeshunger des Weibes (ist) unstillbar“450. Ebenso apodiktisch etwa 448 Zum Frauenbild bei den frühen Kirchenvätern, K. Fietze, Spiegel der Vernunft, S. 60-66; B. Jussen, Der Name der Witwe, S. 68 (Hieronymus), und vgl. K. Coyne Kelly / M. Leslie (Hrsg.), Menacing Virgins, bes. Introduction, S. 16. J. Bennewitz, Zur Konstruktion von Körper und Geschlecht, S. 9: die überwiegende Mehrzahl mittelalterlicher Texte stellt dar einen „Bestandteil der Stimmen des ‚großen‘, heterosexuell normativen und tendenziell mysogynen Diskurses“; nichtsdestoweniger betont die Vielstimmigkeit R. Kroll, Verführerin mit Herrschaftsstatus, S. 81. 449 R.H. Bloch, Medieval Misogyny, S. 176 ff. Zur angeblichen Überzeitigkeit/ Geschichtslosigkeit der Frauen, K. Fietze, Spiegel der Vernunft, S. 86. 450 BCTn, inc. 423, l. XVI cap. 7, am Rand Hinderbach eigenhändig: „amor mulierum insatiabilis“. Zur angeblichen Liebestollheit der Frauen bei Isidor, V.L. Bullough, On Being a Male, S. 39.

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Vergils Ausspruch: „varium et mutabile semper femina“ und Varros Pseudoetymologie: „mulier quasi mollier“451. Beide Allgemeinplätze versieht Hinderbach mit einer dicken Unterstreichung452 und verwendet sie bei Passagen, die von Frauen handeln: etwa das „tempus muliebre“ der Prophetie Hildegards von Bingen glossiert er als „tempus muliebre et molle et luxui deditum“453; eine Klage über die menschliche Schwäche („quia vero fragiles sumus et effeminati“) erklärt Hinderbach: „Id est molles ad peccandum“454. Ähnlich streicht er heraus und versieht mit einem Kreuzchen die Ansicht des Philosophen Secundus, nach der „jede Frau schamlos und unrein“ sei455; dieselbe Vorliebe zur Generalisierung zeigt er bei der Lektüre des „Speculum“ und formuliert überspitzt: „Kinder und Frauen verführen zur Sünde“456. Schon mehrfach wurde gesagt, daß Hinderbach als Leser zu sentenzenhafter Kürze neigte. Dieser Hang wird besonders aufschlußreich bei jenen Einlassungen zu Frauen, die ihren geradezu mechanisch reproduzierten, frauenverachtenden Inhalt in prägnanter Kürze wiedergeben. Dafür zwei Beispiele: Vinzenz von Beauvais erzählt vom Martyrium des Hl. Königs Sigismund und dem Rachedurst der Königin Klothilde, die sich nach Paris begab, um die Kinder zur Rache für die Eltern anzustiften. Auf die Gestalt der Klothilde war Hinderbach aufmerksam geworden: er hatte in einer ersten Regung nur den Sachverhalt kurz notiert und mit einem Kreuzchen versehen; später aber fügte er nach seinem Vorverständnis in schneidender Kürze hinzu: „Frauen und Weiber, von Natur aus rachsüchtig“457. Das andere Beispiel: zu den perfecti viri, die von Frauen verführt wurden (allein dieser Sachverhalt erregte Hinderbachs Aufmerksamkeit, herausgestellt mit einem Kreuz), berichtet Vinzenz von Beauvais über eine Frau, die den Abt Arsenius gedrängt hatte, für sie zu beten; darauf antwortete der Abt, daß er, ganz im Gegenteil, Gott angefleht habe, aus seinem Herzen die Erinnerung gerade an diese Frau zu tilgen. Auch diesem Einzelfall gewinnt Hinderbach eine allgemeine Belehrung ab und formuliert sie, dazu noch den frauenfeindlichen Inhalt steigernd und in sentenzenhafter Kürze, apodiktisch zugespitzt: „Nicht BCTn, inc. 424, l. XXIX, cap. 143. Vgl. auch BCTn, inc. 422, l. IV, cap. 54 („rara uxor bona et suavis“, am Rand wiederholt), usw. 453 BCTn, inc. 424, l. XXVIII, cap. 21. 454 BCTn, inc. 2, f. 218v. 455 BCTn, inc. 422, l. IX, cap. 70. 456 BCTn, inc. 424, l. XXIX, cap. 143. Zu Hinderbachs Vorliebe für Sentenzen, vgl. BCTn, inc. 423, l. XXI, cap. 130, Zum Ratschlag der Fredegunde am Rand Hinderbach: „quam sanum et salubre regine consilium!“, und weiter: „unde illud sequ(itur) proverbium: mulier, ubi bona nichil melius, ubi mala nichil deterius“. 457 BCTn, inc. 423, l. XXI, cap. 26: „mulieres et femine sui natura semper vindictam desiderantes“. 451 452

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allein der Anblick (facies) einer Frau soll vermieden, sondern sie soll ganz aus dem Gedächtnis getilgt werden“458. Hinderbach übernahm also den vorgegebenen Mechanismus, Ereignisse oder Gestalten, die er im Zusammenhang mit oder als Frauen bei seinen Lesevorlagen antraf, auf ein abstrahierendes Frauenbild zu reduzieren, das in seinem Gehalt meistens negativ besetzt war. Auch bei anderen Gegenständen folgte er den durch die Kirchenväter geprägten Vorstellungsbahnen, besonders der Verbindung alles Fleischlichen mit dem Weiblichen, also innerhalb der Metaphorik von Körper und Geist, der Assoziierung von mens/ratio mit dem Mann, vom Körper aber mit der Frau459. Die Verbindung Frau-Körper ist nach Bloch eines der Grundmuster zum Verständnis der vielfachen Ängste der Kirchenväter: sie projizierten auf Frauen die Geschlechtsgier (häufig verbunden mit der Schlange, also dem Vergnügen) und leiteten von daher die Notwendigkeit ab, diese und damit Frauen einzudämmen. Die Vorbehalte der Väter gegenüber Frauen verbanden sich, wenigstens teilweise, mit ihrer Auffassung von der Verachtung für den eigenen Körper. Von daher wäre auch Hinderbachs Angst vor Frauen, wie sie etwa aus seinem Vermerk zur Versuchung beim Abt Arsenius hervorgeht, nicht allein eine abstrakte Angst vor jeglicher Form der Sexualität, sondern auch ein Mißtrauen gegenüber sinnlichen Erscheinungen, also Angst vor der Frau als Körper, vor dem Körper als Frau, vor dem Weiblichen in jeder menschlichen Körperlichkeit. So ließe sich die in den ersten Jahrhunderten des Christentums formierte Auffassung nicht von einer Metaphorik trennen, die vor aller Körperlichkeit zurückschreckte460. Der zweite Charakterzug jenes Väterverständnisses war die Ästhetisierung des Weiblichen, also die Assoziation der Frau mit dem Herausputzen, dem Schmückenden und damit Flüchtig-Vergänglichen. Als dritter kam schließlich dazu die „Theologisierung“ des Ästhetischen: aus ihr ergab sich die Verdammung nicht nur allen äußerlichen Scheins (nach Tertullian alldessen, was künstlich sei), sondern auch jeglichen Genusses, der mit dem Körper458 BCTn, inc. 423, l. XVII, cap. 63, am Rand ein kleines Kreuz und: „non solum facies mulieris fugienda est, set eius memoria obliteranda, ymmo abolenda“. Vgl. BCTn, inc. 423, l. XVI, cap. 80, am Rand Hinderbach eigenhändig: „mulierum maxime adulescentularum ac (procacium) vitandus aspectus … et privata colloquia“. Vgl. auch BCTn, inc. 423, l. XIV, cap. 6, wo er zur Vorsicht mahnt bei einem Gespräch mit Nonnen in bezug auf ihr Alter, die Tageszeit und Umgebung; dazu Hinderbach wieder verallgemeinernd: „no(ta) vitanda mulierum colloquia“. 459 Das Denkschema Frau-Materie-Fleischwerdung war natürlich nicht neu, denn „Frau“ gehörte schon in der Antike zu dem Gegensatzpaar wie männlich-weiblich, Intelligenz-Sinne, Form-Materie, Aktivität-Passivität, Seele-Körper, SelbstkontrolleZügellosigkeit; mit Bezug auf Augustinus, K. Fietze, Spiegel der Vernunft, S. 64. Und vgl. K. Coyne Kelly, Performing Virginity, S. 98 mit Literatur. 460 R.H. Bloch, Medieval misogyny, S. 37.

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lich-Materiellen verbunden ist (die Askese der ersten Christen, nach der nur der Verzicht auf alles Fleischliche zur Erlösung führt). Marcia Colish hat in diesem Zusammenhang von einer „kosmetischen Theologie“ gesprochen; danach hätten die Väter sich die stoische Ethik angeeignet und zwar mit einer einseitigen Betonung der Kritik jeglicher Art der Selbstdarstellung, etwa bei Kleidung und Haartracht bis hin zu einer an Obsession grenzenden Ablehnung weiblicher Ästhetik. Während die Stoiker in einer Distanz zur Welt ganz allgemein die Vernachlässigung des Äußeren gegenüber dem Inneren befürwortet hätten, benutzte Tertullian biblische, apokryphe und klassische Autoren dazu, die stoische Haltung ganz überspitzt auf nur einen Aspekt zu reduzieren und sie in eine moralische Verurteilung von Sexualität und Weiblichkeit umzuformen. Die frühchristlichen Autoren waren von der Verbindung der Frau mit allem äußerlich Schmückenden, von ihrem Geschmeide, der Schminke und ganz allgemein vom kosmetischen Schmuck gleichzeitig angezogen und abgestoßen. Diese Ambivalenz der Gefühle floß in die patristische Wertung der materiellen Welt ein, die insgesamt als eine einzige Maske, eine Verstellung kosmetischer Natur gesehen wurde461: die Ästhetik spiegelte mit falschen Farben ein schmeichlerisches Bild der Welt vor. Diese Vorstellung findet sich auch bei Hinderbach, der zu wiederholtem Male weibliche Kosmetik verdammt: „contra femine se pingentes et fucantes“462, und er greift zurück auf das abschätzige Urteil des „Speculums“ über ein Leben in Ausschweifung, das alle natürlichen Gaben und die menschliche Ebenbildlichkeit Gottes verhöhnt463. Wer sich schminkt, macht auf sich aufmerksam und erregt beim Andern Leidenschaften464, regt also zur Verführung an; ein vertikales Merkzeichen stellt die Anleitungen der Hl. Paula heraus, die in ihren Klöstern die fleischlichen Neigungen der jungen Insassinnen durch Fasten mäßigen wollte und äußerte, daß Körperpflege und Körperschmuck Zeichen einer nicht mehr reinen Seele seien465. Alles Schmückende ist künstlich und von daher Teufelswerk: „Ein schöner Vergleich!“ so Hinderbach zum Passus über Frauenkosmetik, der erklärt M. Colish, Cosmetic Theology. BCTn, inc. 423, l. XVI, cap. 78. Vgl. auch BCTn, inc. 423, l. XVIII, cap. 49: zum Text, der folgendermaßen lautet: „turpanda est facies quam contra Dei preceptum purpurisso et cerusa et stibio sepe depinxit“, am Rand Hinderbach eigenhändig: „nota contra mulieres se depingentes“. 463 Auch wenn sich der Umkreis eher auf Masken im Karneval zu beziehen scheint: BCTn, ms 1556, f. 540. Zum Textpassus über den im Luxus Lebenden, der natürlichen Schmuck und das Ebenbild Gottes in sich verachtet, vermerkt Hinderbach wieder am Rand: „nota contra se (larvantes) et deturpantes in facie tempore carnis privii“. 464 BCTn, inc. 423, l. XI, cap. 10, zum in der Öffentlichkeit Aufsehen Erregenden und damit die Leidenschaften Anstachelnden, am Rand Hinderbach eigenhändig: „contra lasc(iva)s et publice (conruptas)“. 465 BCTn, ms 1790, f. 133. 461 462

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„Gotteswerk, wenn angeboren, Teufelswerk, wenn gekünstelt“466. Von daher auch die entschlossene Verdammung „contra tingentes capillos“ (das gilt auch für die Männer!): „nota hic inde per totum contra virgines et feminas vultum suum et capillos adulterantes“467. Das künstliche Beiwerk ist gleichlautend mit Betrug: „Wie das Gesicht der Hure angemalt ist, um den Kunden an der Nase herumzuführen, so ist das auch mit den Reichtümern“, auch „ein schöner Vergleich“ nach Hinderbachs Urteil468. Das Mißtrauen gegenüber Frauen ergab sich aus ihrer Verbindung mit den Sinnen, sie standen für irdische Begierde – der weibliche Hang zur Trunkenheit ist Ursprung aller Gebrechlichkeit, so las und wiederholte Hinderbach mit voller Überzeugung469; auch am Rand des Speculumskapitels, nach dem die Niederlage der Franken bei Roncisvalle durch Trunkenheit und Sexorgien verursacht worden sei, nahm er diese Ansicht wieder auf und unterstrich bei einer Episode zum Abt Pachomius die Erscheinung des Teufels in Gestalt einer wunderbaren Frau470. Als Quelle jeglicher Art der Verführung muß schon der Anblick von Frauen gemieden werden („Solange ich lebe, werde ich keiner Frau ins Gesicht sehen!“471); zum Hl. Carileffus, der in seinem ganzen Leben nie eine Frau anschauen wollte (im asketischen Kontext ähnlich wie auch beim höfischen nahm die sexuelle Gier ihren Weg vor allem durch den Sehsinn472), bricht Hinderbach in voller Bewunderung aus: „Was für ein durchhaltender Wille bei einem Heiligen!“473. Für ihn war die weibliche Liebesfähigkeit unerschöpflich, und der Anblick von jungen Frauen sollte möglichst gemieden werden, wie auch das Gespräch mit ihnen474. 466 BCTn, inc. 423, l. XI, cap. 10, darauf Hinderbach eigenhändig: „pulchra comparatio“. 467 BCTn, inc. 423, l. XI, cap. 10, am Rand wieder Hinderbach: „contra tingentes capillos“ und weiter am oberen Rand: „nota hic inde per totum contra virgines et feminas vultum suum et capillos adulterantes“. 468 BCTn, inc. 423, l. XVII, cap. 43, am Rand Hinderbach: „pulchra comparatio“. 469 Musée Condé Chantilly, V A 24, (ff. n. num.): „ebrietas in mulieribus mater corruptionis“. 470 BCTn, inc. 423, l. XVIII, cap. 47: „eidem Pachomio apparuit dyabolus in specie mulieris pulcerrime“ (ab dyabolus von Hinderbach unterstrichen). 471 BCTn, inc. 423, l. XXI, cap. 44 und vgl. l. XV. cap. 41, Kreuzchen und Merkzeichen an folgender Textstelle: „nihil enim ut facies mulierum abducere et seducere iuvenum cogitationes prevalet“. 472 R.H. Bloch, Medieval Misogyny, S. 143. Und für Hinderbach vgl. unten, Anm. 520. 473 BCTn, inc. 423, l. XXI, cap. 44. 474 BCTn, inc. 423, l. XVI, cap. 80, wiederum Hinderbach eigenhändig mit vertikalem Merkzeichen und dazu: „mulierum maxime adulescentularum ac (procacium) vitandus aspectus … et privata colloquia“. Vgl. auch Anm. 458.

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Wenn die Frau Symbol irdischer Körperlichkeit und fleischlicher Realität war, dann kam ihr auch eine natürliche Unterlegenheit zu, die nur in besonderen Fällen aufgehoben wurde475. Die Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht trug einen Mangel in sich und nur durch Ergänzung im Männlichen konnte Vollständigkeit erreicht werden. Dazu blieb der Frau nur übrig, ihr Frausein hinter sich zu lassen und „Mann“ zu werden. Nach einigen Textzeugnissen, ob apokryphisch oder nicht, ist die christliche Frau „nicht mehr Frau“; im Thomasevangelium etwa antwortete Christus auf die Forderung des Simon Petrus, Maria Magdalena aus dem Kreis der männlichen Jünger auszuschließen: „Ich werde aus ihr einen Mann machen, und sie wird so geistig werden wie Ihr Männer. Jede Frau, die zum Mann wird, kann in das Himmelreich eingehen“; im Marienevangelium sagt die Mutter Christi: „Durch seine Größe hat er uns vorbereitet und in Männer verwandelt“. Auch Hieronymus versprach, daß die Ehefrau, die ihren Mann um Christi Willen aufgegeben habe, „aufhöre, Frau zu sein, und Mann genannt werden würde“, während „die Witwen in Männer verwandelt werden würden und ihre Körper in Seelen“. Alldas fand ein Echo im Speculum und bei Hinderbach: „Wahr ist, daß es verheiratete Frauen gibt, die Heilige waren, aber sie hatten aufgehört, mulieres zu sein, und lebten in der Ehe mit der Keuschheit der Jungfrauen476. Die jungfräuliche Keuschheit wies einen Weg aus dem Gegensatz Geist-Körper, bis zu einem gewissen Grad auch aus dem Geschlechtergegensatz MannFrau477; diese Überzeugung war Hinderbach nicht fremd, wie ein vertikales Merkzeichen dazu zeigte. Jungfräulichkeit besaß für ihn einen Wert, den er nicht in Frage stellte; von daher hielt ihn vielleicht nicht nur die gewohnte Pedanterie dazu an, erzählende oder liturgische Texte, die Heiligen das Prädikat „Jungfrauen“ verliehen, in „Märtyrerinnen“ zu korrigieren, sondern eher das Bewußtsein von der hervorragenden und einzigartigen Stellung der Jungfräulichkeit478. 475 Vgl. den schon zitierten Thomas Ebendorfer, der in seinen Predigten die Anwesenheit von Frauen zusammen mit den zwölf Aposteln betonte (discipule) und auch die Ausgießung des Heiligen Geistes über sie am Pfingsttag und ihr gemeinsames Gebet mit den Aposteln in Jerusalem: K. Walsh, Professors in the Parish Pulpit, S. 96. 476 BCTn, inc. 423, l. XVI, cap. 78. 477 R.H. Bloch, Medieval misogyny, S. 107: der Frau bleibt nichts anderes übrig, als ihre Weiblichkeit abzulegen und Mann zu werden. Vgl. J. Bennewitz, Zur Konstruktion von Körper und Geschlecht, S. 7, zu Gottfried von Straßburg. Aber vgl. die abweichende Akzentuierung bei E. Castelli, „I Will Make Mary Male“ , S. 42-47, die die Destabilisierung der Geschlechteridentität und der traditionellen Interpretation des „Geschlechts“ in dualistischen Termini betont: die Nicht-Eindeutigkeit des Geschlechts durch das „Mann-Werden“ als Zeichen des speziellen Status der heiligen Frauen. 478 BCTn, inc. 422, l. IX, cap. 81, den Titel der Heiligen Sabine ändert Hinderbach von „Jungfrau“ in eher „Witwe“ um: „immo vidue“. BCTn, ms 1556, f. 773, bei der Liturgie,

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Häufig unterstrich er Textstellen, welche die sancta virginitas betrafen479: die Bewunderung für diese Eigenschaft bei denen, die sie verloren hatten, stellte er mit einer manicula und einem „nota!“ heraus480; die Entscheidung für die Jungfräulichkeit beim Hl. Abt Wandrillus, der von seinen Eltern zur Ehe gezwungen, sich aber dem Vollzug versagte481; die Jungfräulichkeit des Hl. Joseph, der „als Verlobter Mariens jungfräulich war und an dieser Haltung festhielt“482; das „duplex miraculum“ der Keuschheit der Hll. Heinrich und Kunigunde483, einer Frau, deren Stand Hinderbach als coniunx, nicht als uxor peinlich genau beschrieb, weil die Ehe nicht vollzogen worden sei484. Diese genaue Unterscheidung war für ihn nötig, weil uxor etymologisch mit lat. ab utendo, also der Anwendung der copula carnalis, verbunden sei, während ja zwischen den beiden Eheleuten ewige Keuschheit bestanden habe, von daher auch Kunigunde „sponsa sive consors” genannt würde485. Dieselbe Genauigkeit findet sich auch bei Joseph und Maria, „Eheleuten, oder besser sponsus et sponsa, jedoch nicht der fleischlichen Konkupiszenz unterworfen, wie Origenes in seiner Homelie ausführt“486. die von „prudentes virgines“ spricht, ändert Hinderbach die „Jungfrauen“ in verheiratete Frauen um. BCTn, ms 1718, bei Felicitas und Perpetua verfährt er ähnlich: sie seien nicht Jungfrauen, sondern Märtyrerinnen. Gleichfalls bei BCTn, inc. 354 (ff. n. num.): „… sanctarum virginum“, von Hinderbach durchgestrichen und am Rand korrigiert: „non fuerunt virgines, set martires …“. 479 So in einer Passage, die Hinderbach hervorhebt: BCTn, inc. 423, l. XX, cap. 110 (Empfehlung zur Jungfräulichkeit, zum Fasten, zur Reue). Zur Jungfräulichkeit, K. Coyne Kelly / M. Leslie, Introduction: The Epistemology of Virginity. 480 BCTn, inc. 423, l. XVI, cap. 82: „non dampno nuptias, virginitatem in celo fero, non quia habeo, sed quia magis miror quod non habeo“, am Rand Hinderbach eigenhändig mit manicula und: „nota!“. 481 BCTn, inc. 424, l. XXIII, cap. 129, am Rand Hinderbach eigenhändig: „castum coniugium in virginitate servatum“. 482 BCTn, inc. 423, l. XVI, cap. 78, zur Jungfräulichkeit Mariens. Am Rand Hinderbach eigenhändig: „quod Yoseph sponsus Marie virgo fuit et in virginitate permanserit“. 483 BCTn, ms 1789, f. 49, am Rand Hinderbach eigenhändig: „miraculum duplex“. Das heilige Kaiserpaar ließ Hinderbach so nicht zufällig über das Portal der „Sala dei vescovi“ im Castello del Buonconsiglio anbringen: S. Castri, Il decoro pittorico, S. 97. 484 BCTn, ms 1556, f. 946. Über die angebliche Keuschheit des Kaiserpaares literarische Belege aus dem 13. Jahrhundert und Bibliographie bei M. Schumacher, Sündenschmutz, S. 255-257. 485 BCTn, ms 1556, f. 946 (die Bemerkung ist mit dem Namenzug versehen). Gleichlautend bei BCTn, ms 1718, f. 645. Vgl. M.W. Ferguson, Foreword, S. 7 („the virgin item’s cultural value lies partly in the fact that it has not yet been used“). Über die Jungfräulichkeit, nicht nur bei Frauen, K. Coyne Kelly, Menacing Masculinity. 486 BCTn, (inc) W 116, f. 206 am Rand Hinderbach eigenhändig: „coniuges, sive sponsus et sponsa, non tamen in concupiscentia carnali coniuncti, ut dicit Origenes in

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Die Eigenschaft der Jungfräulichkeit stand in einem der Brennpunkte mittelalterlicher Frauenverehrung487. Dabei wurde sie als rein körperliche und auch geistige Verfassung angesehen, als das Fehlen von fleischlichen Begierden und entsprechender Reize: nach den Vätern war Jungfräulichkeit eine Gabe des Körpers und des Geistes; eine Jungfrau durfte keine Begierden empfinden und auch nicht Gegenstand von Begierden sein, eine Unerreichbarkeit, die aus den Textstellen in Hinderbachs Lektüre zur Madonna entgegentritt: „Die Keuschheit Mariens überwältigte jede Person, und ihr Anblick vertrieb bei allen lüsterne Gedanken“, eine Tugend, die Hinderbach besonders rühmt, als ein „einzigartiges Gnadengeschenk“ an die Jungfrau Maria488. So verstanden, stellte Jungfräulichkeit eine von jeder Körperlichkeit und Wahrnehmung losgelöste, abstrakte Eigenschaft dar. Jungfräulichkeit als Ausdruck der Vollendung war nicht nur eine Aufforderung zur Keuschheit, sondern nährte auch die Heranbildung der Höfischen Liebe, die genau jene „Poetik zur Verehrung der Jungfräulichkeit“ war. Nach dieser Logik mußte die Frau, um verehrt zu werden, sich gleichgültig und unnahbar geben, sich selbst genügend und so ohne eigene Begierden (der Liebende wurde nicht wiedergeliebt): kurz, eine Jungfrau. Die Wunschvorstellung von einer Jungfrau sei ein Ideal, ein Bestreben zum Absoluten hin, woraus sich auch die Verbindung der Höfischen Liebe mit dem Marienkult des 12. Jahrhunderts speise; die Jungfrau bliebe der Prototyp für die Liebesbeziehung im Abendland und stände im Mittelpunkt männlicher Wünsche und Sehnsüchte489. Nach der Interpretation Blochs von Jungfräulichkeit als höchster Stufe der Vollendung ergibt sich auch ein Paradox der Höfischen Liebe: jede Übersteigerung des weiblichen Elements in eine abstrakte Perfektion ist eine Art von Besitznehmen, jede Rede über Jungfräulichkeit impliziert auch ihren Verlust; die höchste Steigerung als Quelle der Lust ist Teil der Paradoxie der Jungfräulichkeit, die nicht zur Erfüllung der Sehnsucht hinzielen kann, die als Perfektion die Überwindung der Gelüste voraussetzt, aber zur gleichen Zeit die Gelüste erweckt. Wenn eine unerreichbare Frau oder Maria begehrt wird, bleibt der Gegenstand des Begehrens immer fern, und so ist das zentrale Element verschiedener literarischer Genera dramatisch um das omelia“. Über die angebliche Jungfräulichkeit des Hl. Joseph in spätmittelalterlichen literarischen Zeugnissen M. Schumacher, Sündenschmutz, S. 253-255. 487 Literatur unten, Anm. 491-493. Doch vgl. auch Thomas Ebendorfer: „non volo tamen per hec dicere quod quelibet virgo sit qualibet coniugate sanctior in celo“ (K. Walsh, Professors in the Parish Pulpit, S. 101, Anm. 90). 488 BCTn, ms 1790, f. 155, am Rand Hinderbach eigenhändig: „singulare donum et gratia Marie virginis“. Vgl. K. Coyne Kelly, Performing Virginity, S. 40 (zu Jeanne d’Arc). 489 R.H. Bloch, Medieval Misogyny, S. 176, mit Verweis auf Julia Kristeva.

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Motiv des Weggehens herum konstruiert. Die ewig unerfüllte Liebe ist das Paradox der Jungfräulichkeit, die nicht gesehen, ausgesprochen und noch nicht mal in Gedanken angestastet werden darf490. Diese Unmöglichkeit bei der „Erfindung“ der westlichen Erotik bedeutet, daß die sogenannte höfische, westliche Liebe mit der Poetik der Jungfräulichkeit eng verbunden ist und so auch mit der mittelalterlichen Frauenfeindlichkeit. Die beiden Arten, über Frauen zu denken – Frauenverachtung und -idealisierung –, waren nicht gegensätzlicher Natur, woraus auch die komplexe Beziehung zwischen beiden resultiert491. Vor diesem Interpretationshintergrund läßt sich als Hypothese annehmen, daß Hinderbach in seiner Beziehung zu Frauen einmal das Erbe der frauenfeindlichen Tradition teilte, zusammen mit ihrer Kehrseite, also der Höfischen Liebe mit ihren Ansprüchen von Absolutheit, Unmöglichkeit und Ferne. Dieses Erbe war auch Teil klerikaler Identität, wie Hinderbach sie weitgehend verstand: sie beanspruchte einen Bereich, der von Frauen völlig freigehalten wurde, und eine männliche Körperlichkeit abgeschirmt vor den Versuchungen und Beschmutzungen. Trotzdem lastete der Körper schwer auf dem Dasein: „Utinam hoc mihi contingat!“ brach es aus Hinderbach heraus bei der Lektüre über den Engel Michael, der auf wunderbare Weise entsteifte das männliche Glied Jakobs (Gn 32,23). Hinderbach scheint hier von dieser Möglichkeit fasziniert zu sein, die letzte Sicherheit gegenüber der sexuellen Lust und den Schwächen des Fleisches, ein „göttliches Geschenk“ wie im angeführten Beispiel, um die vollendete Keuschheit zu erreichen – eine Aggression gegenüber dem eigenen Körper noch in seiner Zeit von einiger Anziehungskraft492. Das Gefühl der Sicherheit durch ,Kastration‘ war weniger das Ergebnis von Misogynie, sondern es entsprang eher der Furcht vor der Empfänglichkeit des eigenen Körpers – so nach den Forschungen D. Elliotts über kirchliche Anordnungen zur „pollutio nocturna“ der Kleriker und ihre Verbindung mit den Dämonen, succubi und incubi 493. Auch von daher die 490 Ebd., S. 153 und M. Burnett McInerney, Rhetoric, S. 60. Vgl. auch K. Lynch, Diana’s „Bowe broke“, S. 93-94 und R. Kroll, Verführerin mit Herrschaftsstatus, S. 8284. Über die Paradoxie der Jungfräulichkeit K. Coyne Kelly / M. Leslie, Introduction: The Epistemology of Virginity, S. 15 f. und 21; K. Coyne Kelly, Performing Virginity, S. 61, 67, 91 und passim. 491 Zur Historizität der Begriffe Jungfräulichkeit/Keuschheit als soziokulturelle Konstrukte M.W. Ferguson, Foreword, S. 7 und K. Coyne Kelly / M. Leslie, Introduction: The Epistemology of Virginity, S. 17. 492 BCTn, ms 1789, f. 196. Vgl. J. Murray, Mystical Castration, S. 73-75, 79, 8485. Acta Cusana, Nr. 1644, S. 1087-1088 (Fälle von Selbstkastration). 493 Empfänglichkeit sorgte für die pollutio nocturna und die succubi: D. Elliott, Pollution, bes. S. 15-16. Zum Thema der „sexual behavior and control“ vgl. auch B.P. McGuire, Jean Gerson and Traumas, bes. S. 58-65.

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Hochschätzung der Jungfräulichkeit/Keuschheit als Rittertugend und die Vorstellung eines männlichen „Hymen“ zum Schutz als Teil der Rüstung494. Vor diesem Hintergrund erscheinen in Hinderbachs Aufzeichnungen nur wenige Frauen als Personen aus Fleisch und Blut, ebenso in zeitgenössischen Belegen zu seinen Lebensumständen. Zwei Gestalten fallen durch eher düstere Charakterisierung auf: eine offensichtlich mystisch begabte Frau, deren ekstatische Verzückungen Hinderbach als Verstellungen zu enttarnen glaubte495; und eine Jüdin mit Namen Brunetta: sie war beim großen Judenprozeß von 1475 mitangeklagt, nach Hinderbachs Auskunft eine ribalda, die ihre eigenen Untaten und die ihrer Genossen nur widerwillig bekannte und bereute, sich aber dennoch schlußendlich, finaliter, einsichtig zeigte. Ihre Bekehrung und ihr Tod (christlich, aber auf gewalttätige Weise) wurde von Hinderbach als exemplarische Sühne umgedeutet, gleichzeitig jedoch von Nutzen für ihn selbst und für die von ihm angestrebte Heiligsprechung des kleinen Simon. Diese grausame Ambivalenz blendete er offensichtlich für sich ganz aus, ja verfaßte sogar einen Epitaph („Hic cubat in pace …“) für eine „ehrenvolle“ und „feierliche“ Beerdigung der Frischgetauften496. Abgesehen von diesen beiden Sonderfällen erscheint bei Hinderbach ein vorwiegend kollektives Frauenbild, von der Geschichte losgelöst und anonym, zusammen mit weitgehender Pauschalisierung: erwähnt wurden schon die Frauenzimmer („femine et muliercule“), die den Altar umlagerten und den Zelebranten bei den religiösen Handlungen störten497; die Franziskanertertiarinnen werden von ihm als Beispiel für eine simulata religio betrachtet498, ebenso die Kanonissinnen von St. Paul in Regensburg, die er anläßlich des Reichstages von 1471 besuchte499 und für die Zustände in ihrem Kloster 494 K. Coyne Kelly, Menacing Masculinity und nun dies., Performing Virginity, S. 91118, besonders 112-118: „Yes, men do have a ‚hymen‘, a social cover that effectively shields, not the individual man, but the idea of manhood (...) The masculine hymen (an anatomical impossibility, but a social necessity), however, is generalized to cover the entire body chivalric“ (S. 118). 495 BCTn, inc. 425, l. XXIX, cap. 23. 496 BCTn, inc. 423, l. XII, cap. 108: „finaliter tamen post multa cum ea attemptata, motu proprio ad fidem katholicam et saniorem mentem conversa, baptismum recepit et in fide christiana ultimum diem suum clausit et more christiano in cimitero S. Petri ante hostium (…) sepulta fuit et solempniter ac honorifice deportata“. Der Epitaph bei ASTn, APV, sez. lat., capsa 69, Nr. 201a, f. 7. Über Brunetta vgl. auch A. Espostito, Das Stereotyp, S.146 mit Anm. 76 und unten S. 378 ff. 497 BCTn, inc. 423, l. XVII, cap. 54. Vgl. J.A. McNamara, The Herrenfrage, S. 5. 498 BCTn, W 3396, f. 198v: „… quedam mulieres nostrorum temporum p(ortantes) habitum grisum fratrum minorum“. 499 RTA, 22/2, S. 924.

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tadelte500. Ähnlich negativ, dazu auch stereotyp, fällt das Urteil über Frauen in Regierungsämtern aus: „feminarum regimina causam esse multorum malorum sicut etiam contegit nostris temporibus sub Elizabeth relicta Alberti in regno Hungarie et ante hoc etiam tempore Mariarum“501. Einige Beobachtungen ließen sich zur ständischen Einordnung, zur „Soziologie“, der bei Hinderbach erwähnten Frauen machen – Königinnen, Ordensfrauen, „Beginen“, Jüdinnen, „falsche“ Heilige502. Am Rand einer Erzählung über eine Königin, die sich nicht als solche, sondern eher als Dirne verhielt, ruft er aus: „Proeh facinus!“503 – ein Ausdruck, den er ausschließlich bei Sakrilegen anwendet. Der Einordnung Maria Magdalenas als „vulgaris et impudicissima meretrix“ begegnet er mit einigem Unglauben, denn in seinen Augen war Maria ja sehr reich und „sie gab sich nicht einem vulgären und weltlichen, ausschweifenden Leben (luxuria) hin, sondern sie tat ,es‘ aus reiner Lust am Sex (lascivia), wie damals gewöhnlich viele vornehme und berühmte Frauen“504. Hier verbindet sich die moralische Verdammung mit dem sozialen Vorurteil (ausschweifendes Leben gleichgesetzt mit Vulgärität und Pöbeltum)505, entsprechend den Allgemeinplätzen, die er in seinen Texten und bereits während seiner Studienzeit vorfand: Frauen pubertieren vor den Männern, „weil sie wie Unkraut sind, denn schon die Natur zeigt, daß Unkraut 500 BCTn, ms 1787, f. 66. Über den Streit zur Lebensform der Kanonikerinnen, der auch vor Kardinal Todeschini-Piccolomini auf dem Reichstag von 1471 gebracht wurde, vgl. C. Märtl, „pos verstockt weyber?“, S. 373-374. 501 BCTn, ms W 3129, f. 6v. 502 Zur Interaktion von gender und anderen Unterscheidungsmerkmalen, Sh. Farmer / C. Braun Pasternak, Gender and difference. 503 BCTn, inc. 424, l. XXVII, cap. 128. 504 BCTn, inc. 391, l. VIII, f. 13v. Unmoralisches Verhalten gilt nicht für „bedeutende“ Frauen in den Städten: der Klage Enea Silvios, nach der in Wien „raro mulier est uno contenta viro“, hält Hinderbach entgegen, sie träfe eher auf Sieneserinnen und italienische Frauen im Allgemeinen zu: „nimis generale ac detractivum, absit hoc a tanta tamque insigni urbe, que tot et tantas probas et insignes habet matres familias nulla huius probri vitio maculatas, tametsi permulte sint que fedus coniugii non eque observent, prout et in civitate Senarum et aliis Italie et ubi (…) plerumque contingit“ (BCTn, ms W 109, f. 40v). 505 Cfr. BCTn, inc. 422, l. XIII, cap. 147, wo Hinderbach eher skeptisch ist bei der Legende der Hl. Afra, die angeblich von der eigenen Mutter zum Hurendienst bestimmt worden sei, um die Göttin Venus gnädig zu stimmen. Seiner Meinung nach handelte sich dabei um einen schändlichen und dummen Aberglauben („quam turpis ac fatua supersticio“), da die Göttin natürlich nie selber eine Hure gewesen sein könne, sondern eine insignis mulier und unter den Göttern die schönste (zu beachten ist, daß das Adjektiv „insignis“ auch gebraucht ist in der oben zitierten Anmerkung). Über den Sozialstatus als Einordnungskriterium für „sexually deviant“ Frauen, R.M. Karras, „Because the Others“. Vgl. auch I. Grötecke, Frauen, Mönche, Männer, zu „Standeskategorien“ und Sündenzuweisung.

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schneller wächst als die übrigen Pflanzen“506. Drei Frauen waren jedoch in Hinderbachs Gefühlswelt positiv besetzt: seine Mutter, seine Kaiserin, Eleonore von Portugal, und seine himmlische Jungfrau Maria. Die Mutter verstarb, als er gerade elf war, ein Verlust, der sicherlich sein ganzes übriges Leben beeinflußte. Die Erinnerung daran scheint von Zeit zu Zeit in seinen Anmerkungen auf: ihr Todesdatum hält er beim Totengedächtnis in einem Kalendarium fest507 und in einer historisch-literarischen Handschrift stellt er mit ihrem Vornamen Imela eine Art etymologisches Wortspiel an – so blieb bis zu einem gewissen Grade die Mutter in der Erinnerung des Sohnes lebendig508. Die Kaiserin Eleonore war für Hinderbach eine Sehnsucht, deren Erfüllung sich ihm versagte. Als 34jähriger traf er die gerade halb so alte, schöne Portugiesin anläßlich ihrer Hochzeit mit seinem Herrn, dem Kaiser, in Italien, gehörte ihrem engeren Hofstaat an, begleitete sie auf ihrer Pilgerreise zum Monte Sant’Angelo nach Süden und dann auf der Rückreise über die Adria nach Venedig und Wien509. Während dieser dreimonatigen Reise fand Eleonore in Hinderbach „einen einfühlsamen und kompetenten Gesprächspartner, der als ihr Kanzler rasch zu einem echten Vertrauten geworden ist“510; ebenso war Hinderbach an ihrer Seite während der dramatischen Tage beim Wiener Aufstand von 1462. „Kongenialer Partner“ für Eleonore, die auf religiösem Feld keine Kompromisse kannte und so den kleinen Maximilian eher orthodox erzog, in dessen Unterweisung sie auch Hinderbach einband511: er ließ für die Kaiserin die reich illustrierte Handschrift von „De educatione liberorum“ seines Freundes Enea Silvio anfertigen512. In der Widmung an 506 BCTn, ms 1561, f. 16: unter den Gründen zur Erklärung des physiologischen Phänomens, „Placentinus dixit quod ideo quia male herbe sunt, si(cud) constat malas herbas cicius cresci quam bonas“. 507 A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 8, und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 394-395. 508 ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 51: „qui nunc nomine carens Imela fuit ex montibus oriundus“, am Rand Hinderbach eigenhändig: „mater mea huius fluvii synonimo appellata fuit, forte ut opinor ab Emelude virgine inter (sacras) apud Germanos denominata“. 509 Vgl. z.B. BCTn, ms 1667, f. 81v. Hinderbach findet die Beschreibung des Ortes zutreffend und fügt hinzu: „Ita est. Nam fuimus illic et vidimus cum serenissima imperatrice Heleonora regina Portugallie desponsa (de über der Zeile) serenissimi imperatoris Frederici 1452°, tempore huius festivitatis“. 510 K. Walsh, Deutschsprachige Korrespondenz, S. 433. Vgl. auch den Brief Enea Silvios an Kardinal Carvajal, wo Hinderbach so vorgestellt wird: „Qui hodie imperatori et imperatrici admodum gratus est“ (R. Wolkan, Der Briefwechsel, Bd. 3/1, Nr. 61, S. 131). 511 K. Walsh, Deutschsprachige Korrespondenz, S. 436, Anm. 129. 512 Die schon zitierte Handschrift, S. 198 und Anm. 20, vgl. P. Weinig, Aeneam suscipite, S. 102.

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Eleonore entfaltete Hinderbach seine ganzen rhetorischen Fähigkeiten, um seiner domina Reverenz zu erweisen513, deren Ausstrahlung auch sonst von anderen Zeitgenossen gerühmt wird514. Nach dem Tod Nikolaus’ von Kues515 setzte Eleonore viele Hebel in Bewegung, um ihrem Kanzler Hinderbach die Nachfolge in Brixen zu sichern; sie empfahl ihn wärmstens dem Papst, schrieb an die Markgräfin von Mantua, Barbara von Brandenburg516, und an Alienor von Schottland, die Gemahlin des Grafen von Tirol, Herzogs Sigmund von Österreich, an ihn selbst und seinen Hofmeister Jakob (II.) von Trapp517. In diesem Engagement sieht K. Walsh den Wunsch der Kaiserin, „ihren treuen Kanzler Johannes Hinderbach für sein loyales Verhalten gegenüber der kaiserliche Familie anläßlich der zwei Jahre zuvor erfolgten Belagerung in der Hofburg zu Wien (zu) belohnen“518. Eleonores Bemühungen hatten keine unmittelbare Wirkung, doch als Hinderbach wenig später wegen der päpstlichen Konfirmation für die Tridentiner Kirche Schwierigkeiten hatte, schaltete sich die Kaiserin erneut ein, wofür er später dankte519. Ähnlich wie seine Mutter verstarb auch Eleonore in jugendlichem Alter und auch sie ging in das Kalendarium und die Gebete Hinderbachs ein, ebenso wie in seine Erinnerung, die mit der Reise zum Gargano und nach Venedig verbunden war. Für den zu starker Selbstkontrolle neigenden Hinderbach, dem freilich die „Versuchungen des Fleisches“ nicht unbekannt waren520, kam nur eine reine affektive Beziehung zur noch jungen Kaiserin in Frage, mit der Dialektik Nähe und Abstand, auch unter dem Eindruck des Rangunterschieds und der Etikette bei Hof 521. Der einzige Hinweis auf Eleonores Stellung in E. Hannak, Ein Beitrag, S. 157. K. Walsh, Deutschsprachige Korrespondenz, S. 426, 428, 430-431; zuletzt zur Kaiserin B. Pferschy-Maleczek, Kaiserin Eleonore (zu ihrer Schönheit S. 425). Auch Enea Silvio schien beeindruckt: Historia Friderici, S. 69-70. Vgl. F. Fuchs, Exequien für die Kaiserin Eleonore, S. 447-450. 515 A. Piccolrovazzi, La contrastata nomina, doc. 54. 516 Ebd., doc. 66-67. Zu Barbara von Brandenburg, die neben ihrem Mann, dem Marchese Ludovico Gonzaga, in die Regierungsgeschäfte eingriff, E. Severidt, Familie und Politik, S. 213-238. 517 K. Walsh, Deutschsprachige Korrespondenz, S. 406, Anm. 22. 518 Ebd., S. 408, Anm. 30. 519 Ebd., und V. von Hofmann-Wellenhof, Leben und Schriften, S. 324. 520 Vgl. BCTn, inc. 422, l.VI, cap. 103: „…Tunc spiritus Domini descendit in mentem militis et excussit de cogitatione eius flammam libidinis“, am Rand Hinderbach eigenhändig: „tu quoque fac simile!“. BCTn, ms 1556, f. 492 (beim Anblick des Fleisches, „mens ad desiderium rapitur“), am Rand Hinderbach eigenhändig: „et tu ex illis es“. 521 Gelegenheit zur persönlichen Nähe ergab sich z.B. bei der Besprechung zur Suche eines Lehrers für den jungen Maximilian oder über Lektüre für seine Erziehung, die stattfanden „inter coenandum“: E. Hannak, Ein Beitrag, S. 153. 513 514

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Hinderbachs emotionalem Horizont ist der Beiname, den er für sie in einer Anmerkung verwendet: hera mea, meine Patronin, meine Herrin – eine gewisse sentimentale Bindung im Gewand klassischer Poesie522. Dabei muß auch der Kontext des „Geschenks“ miteinbezogen werden, nämlich die Überreichung zweier Handschriften bei seiner Rückkehr aus Rom 1455523. Hinderbach hegte eine tiefe Verehrung gegenüber Maria, der Mutter Jesu. Am 15. August, dem Fest der leiblichen Aufnahme in den Himmel, geboren, stellte er sein ganzes Leben unter dieses Vorzeichen. Unmittelbar nach seiner Wahl zum Bischof524 las er zufällig, daß für die Römer eben jene 15. Calendae Augusti ein Unglückstag seien – ganz im Gegenteil zu seiner persönlichen Erfahrung: der 15. August525, war für ihn das Fest Mariens und gleichzeitig sein eigener Geburtstag, „für immer glückbringend und glücklich, wie wir für die Zukunft hoffen und wie wir auch in der Vergangenheit erfahren haben durch die Gnade der Gottesmutter; obwohl in dieser Zeit einige schwierige Momente waren, haben wir mit Gottes Hilfe viel Heil erfahren (,pleraque prospera ac salubria‘) zur weiteren Mehrung unseres Glückes“ – er schloß seine Anmerkung ab mit dem letzten Glücksfall, der ihm verfahren sei, nämlich die Wahl zum Bischof von Trient526. Hinderbachs Marienverehrung ergibt sich aus zahlreichen Zeugnissen, die schon teilweise angeführt worden sind: die Marienikone als Geschenk an die Kirche von Trient zu seiner Inthronisation mit großem Symbolgehalt für diesen Anlaß; das Marienlob mit seinen Ortsbezügen zwischen Mödling und Trient; schließlich die noch heute erhaltene, große Tafel, mit hoher Wahrscheinlichkeit angefertigt zum Schmuck für sein Grabmal: sie zeigt in der Mitte die Gottesmutter mit dem Jesuskind, umrahmt von den Hll. Petrus, Paulus, Johannes d. Täufer und Hieronymus, am rechten unteren Bildrand den Stifter, Hinderbach, mit seinem Kaplan. Hinderbachs Vorliebe eben für Marienbilder stellte in seiner Zeit keine Ausnahme dar, denn dieser Bildertypus hatte in der Praxis der individuellen Frömmigkeit zunehmende Bedeutung erfahren527. Gottschalk Hollen (1411-1481), einflußreicher Theologe und Prediger aus dem 522 A. Forcellini, Lexikon, S. 648, mit Bezug auf Ovid und Catull, und Thesaurus linguae latinae, V, S. 850 (I de mortalibus, II de deabus). Mit derselben Bezeichnung aus dem klassischen Latein Johannes Roth: A. Sottili, Der Bericht des Johannes Roth, S. 53. 523 BCTn, inc. 391, l. VII, f. 116. 524 ÖNB, CVP, ser. nov., 2960, f. 53. 525 Die Kalenden fallen aber nicht auf den 15. August sondern auf den 18. Juli. 526 Das Kapitel von Trient hatte die Wahl am 30. August 1465 vorgenommen, und so war dieses Ereignis für Hinderbach, der den Text gerade las und kommentierte, „novissime“, also hochaktuell. 527 L. Longo, Arti figurative, S. 281-283; I. Rogger, Interessi agiografici, S. 319. S. Castri, Tavole votive, S. 132 und dies., Scheda Nr. 3.

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Eremitenorden528, erörtert in seinem „De imaginibus Christi et sanctorum“ die verschiedenen Gründe für die Verehrung der Abbilder Christi, der Heiligen und auch der Gottesmutter. Wegen ihrer höheren Verdienste um das Erlösungswerk Christi erfüllten ihre Abbilder eine festumrissene Funktion im Heilswerk, in der Moral und auch im gesamten Alltagsleben529: Abbildungen der Gottesmutter konnten dabei helfen, Grundprobleme der menschlichen Existenz mitzubewältigen – als Beispiel führte Hollen an, daß bei der Pest in Rom am Ende des 6. Jahrhunderts eben eine Lukas-Ikone die vergiftete Luft hatte wieder säubern können530. Die persönliche Frömmigkeit durch den Ikonenbesitz war dabei keineswegs ein Exklusivrecht von Nonnen und Mönchen; reiche Laien konnten zusammen mit ihren Stundenbüchern oder ihren Gebetbüchern mit kostbaren Miniaturen unter dem Bild der Gottesmutter ihre Gebete verrichten. Ganz allgemein schmückten oft Marienbilder die Häuser, die zusammen mit Bildern der Heiligen eine ausgeprägte christliche Frömmigkeit des einzelnen Gläubigen zeigten. Giovanni Dominici (13571419) gab in seiner „Regola del governo di cura familiare“ den Rat, Bilder des Jesuskindes oder der Jungfrau Maria als Statuetten oder Stiche im Haus aufzustellen, um so für Kinder Vorbilder zu bieten. Ein anderer Dominikaner, Johannes Herolt († 1468), Verfasser von sermones mit großem Erfolg auch dank ihrer weiten Verbreitung im Druck, betonte die Bedeutung der Heiligenbilder für das private, tägliche Leben von Laien; er empfahl die Anbringung eines Kreuzes oder einer Marien- oder Heiligenabbildung im Schlafzimmer oder über der Schlafstelle, damit das Bild in der Vorstellung des Betrachters die Erinnerung an seinen Gegenstand wachhalten solle. Hinderbach selbst bot ein Beispiel für diese Frömmigkeitsform: die heimliche Verehrung einer Jungfrau mit einem Kind durch die Ägypter – eine Episode bei Vinzenz von Beauvais – bewegt ihn dazu, „ymago Virginis cum puero“ zu erwähnen, das in Italien im Schlafzimmer allgemein üblich sei531. Die Marienbilder sicherten darüber hinaus in der Todesstunde Hilfe zur Anrufung der Gottesmutter und Trost für den Heimgang zu. Thomas Peuntner, Wiener Theologe des 15. Jahrhunderts und Verfasser einer „Kunst des heilsamen Sterbens“, empfahl dem Sterbenden, ein Bild des leidenden Christus und der Jungfrau Maria nahe bei sich zu haben, dazu der Heiligen, K. Schreiner, Maria, S. 264. A. Zumkeller, Hollen, S. 237-238; W. Eckermann, Hollen, S. 110-116. 530 K. Schreiner, Maria, S. 256. 531 Nach einer Vita der Hl. Katharina von Alexandria mit Erweiterung im 14. Jahrhundert konnte der Anblick einer Abbildung der Gottesmutter die innere Schau vertiefen und die visionäre Kraft der Heiligen zum Vorschein bringen: K. Krüger, Bildandacht, S. 190, Anm. 25. Die Version der Legende stammt von 1337, wieder erwähnt von K. Schreiner, Maria, S. 264-265. 528 529

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die zu Lebzeiten besonders verehrt wurden. Peuntners Grundüberzeugungen scheinen dabei ähnlicher Natur gewesen zu sein wie Hinderbachs Beweggründe für den Auftrag des schon erwähnten Marienbildnisses mit den Heiligen: es sollte mit hoher Wahrscheinlichkeit oberhalb seines Grabmals angebracht und kann so als Zeugnis für sein Vertrauen in Marias Vermittlung zur Todesstunde angesehen werden. Die Marienverehrung, die in diesem Bild und im Marienlob zum Ausdruck kommt, speiste auch seine Seelsorge; die Lukas-Ikone im Dom war für alle zugänglich, auch für Analphabeten oder für jene, die sich zu Hause kein gemaltes Bild leisten konnten532; der Kathedralklerus besaß die Möglichkeit, mit dem Kodex des Marienlobs zu beten – dieser Pastoralgedanke hatte, wie erwähnt, Hinderbach schon als Pfarrer in Mödling geleitet. Das Idealbild, das aus seiner Lektüre entgegentritt, diente als Vorbild für ein christliches Leben: „doctrina exemplaris, vita beate Virginis“, vermerkte er selbst533 und nahm damit eine Formulierung seines Marienlobs auf; dessen Verfasser stellte Maria als lebendige Persönlichkeit mit konkreten Lebensumständen, mit einprägsamen Details zu Alter und Aussehen. Seit ihrer Kindheit, noch zu Lebzeit ihres Vaters, hatte Maria Hebräisch gelernt, war damit zum Studium der Heiligen Schrift befähigt, das sie dann auch ausgiebig betrieb. Daneben arbeitete sie auch noch körperlich, sprach wenig, gehorchte sofort, hielt sich zurück, lachte nicht, ließ sich nicht beirren, war sanftmütig, grüßte freundlich, übte beim Reden auf Zuhörer große Anziehungskraft aus.

In diesem Bild flossen verschiedene Elemente zusammen, die sich im Laufe der Zeit durch apokryphe und theologische Vorlagen und Erbauungsliteratur miteinander verwoben hatten, z.B. Marias Fähigkeit zu lesen, die sie im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit zu einer hochgebildeten Frau machte: „Die Magd des Herren“ las die Heilige Schrift, beherrschte die sieben Artes, brachte das Jesuskind in die Schule, besaß prophetische Gaben und konnte sogar die Apostel belehren – eine wirkliche „Intellektuelle“ und Schutzpatronin mancher Universitäten534. Weiter erscheint sie nach dem Marienlob als Frau, die sich besonders beherrschte: sie arbeitet viel, redet wenig und lacht gar nicht. Dieses Persön532 BCTn, inc. 422, l. II, cap. 116, zu den Priestern, die in Ägypten heimlich eine Jungfrau mit ihrem Kind verehrten, am Rand Hinderbach eigenhändig: „ymago Virginis cum puero ab Egyptiis adorata et quare in secreto et (…) locis, idest cameris cubicularibus, prout hodie communiter faciunt Itali (plerique) omnes“. Zum Hausandachtsbild im Florentiner Quattrocento, R.G. Kecks, Madonna und Kind. 533 Wie etwa die Mutter des François Villon bei K. Schreiner, Maria, S. 268. 534 BCTn, ms 1785, f. 70, am oberen Rand mit vertikalem Merkzeichen neben dem Text. Beachtenswert auch die Verehrung für Maria mit dem Beinamen Rosabella beim Bischof von Gurk Johannes Schallermann (F. Fuchs, Ein Westfale in Kärnten, S. 159-160).

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lichkeitsprofil läßt sich mit seinen Wurzeln bis in die frühe Kirche zurückverfolgen: Maria durfte deshalb nicht lachen, weil sie damit dem Vorbild eines asketischen Lebens nicht entsprochen hätte. Schon für Augustinus war Lachen unangebracht: die Nachfolge Christi legte eher die Klage näher, und nach der christlichen Moral brachte Lachen die Annahme der sündigen Welt zum Ausdruck; die allgemeine Auffassung vom Lachen hatte sich dann im Laufe der Zeit weiterentwickelt, vor allem in der Mystik der Bettelorden: die Jungfrau Maria war nicht nur die mater dolorosa, sondern auch die glückliche und lächelnde Mutter mit dem Jesuskind535. Marias Gefühlsmäßigung war also eher ein zurückreichender Traditionsstrang, der sich gleichwohl in Hinderbachs Gefühlshorizont einordnete. Er tadelte dann auch das unmäßige Lachen als Frucht einer geistigen Zügellosigkeit, die nach einem Ausspruch Basilius’ von Cäsarea die ernste Miene der inneren Würde aufweiche und die Beständigkeit des Intellekts ganz auflöse – eine Beobachtung, die Hinderbach „herrlich und wunderbar“ fand536. Das Lachen war nur ein kleines Detail in einem asketischen Lebensideal, vom Marienlob der Jungfrau zugeschrieben und von Hinderbach in toto geteilt, ja sogar noch verstärkt. Nach dem Marienlob war Maria schon als Kind in den Tempel geführt worden. „Im Haus des Herrn befand sich auf der linken Seite ein abgegrenzter Bezirk allein für die Jungfrauen, und nach der Beendigung des Kultes gingen sie nach Hause“: der Verfasser griff damit auf eine Tradition zurück, die auf den anonymen Autor des Jakobsevangeliums zurückging (nach dem Jahre 150): danach hielt sich Maria im Tempel auf, um ihre Jungfräulichkeit zu bewahren – sie war nämlich von den Versuchungen einer sündigen Welt verschont geblieben. Diese Auffassung eines Jungfrauendienstes im Tempel widersprach der jüdischen Kultrealität, doch sie erlaubte, eine Jungfrau Maria als rein und unschuldig darzustellen. Kindheitslegende und Tempeldienst fanden im Westen weite Verbreitung und wurden u.a. von Vinzenz von Beauvais und der „Legenda aurea“ aufgenommen537.

Hinderbach richtete seine Aufmerksamkeit auf den zitierten Passus und versah ihn mit einer Randlinie und einem Kreuz538; dann las er, daß, nachdem die anderen Jungfrauen nach Hause gegangen waren, „Maria im Tempel zurückblieb, den Altar bewachte und so den Priestern diente“. Der Eifer des Autors, einen weiteren Beweis für das stärkere Hervortreten Marias gegenüber den anderen, schon weggegangenen Jungfrauen zu liefern, erweckte Hinderbachs Einwände: „Es ist nicht wahrscheinlich, daß Maria den Priestern gedient hat, vielmehr sollte man meinen, daß sie an irgendeinem K. Schreiner, Maria, S. 113-137. Ebd., S. 84-88. 537 BCTn, inc. 423, cap. 83, gegen das unmäßige Lachen, das verursacht ist „per incontinentiam mentis“ und das „gravitatem et constantiam animi emollire ac resolvere solet“, am Rand Hinderbach vertikales Merkzeichen und eigenhändig: „pulcherrimum hoc et mirabile dictum Basilii“. 538 K. Schreiner, Maria, S. 25. 535 536

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Ort des Tempels eingeschlossen (clausa) war, und Tag und Nacht sich dem Gebet, der Lektüre und der Betrachtung widmete und keine Orte in der Öffentlichkeit aufsuchte, um zu verhindern, daß irgendein Verdacht wegen ihrem Lebenswandel entstehen könnte“539. Maria führte also nach Hinderbach das Leben einer „Reklusen“, dem Gebet, der Schriftlesung und der Betrachtung gewidmet, ganz als Vorbild einer mönchischen Abgeschlossenheit und als absolutes Ideal der Jungfräulichkeit, die nur durch die Trennung von der Welt aufrecht gehalten und verteidigt werden konnte. Wenn eine legenda erzählt, daß Maria drei Monate mit Elisabeth zusammenblieb und dabei nicht von zu vielen Leuten gesehen werden wollte („quia frequentius in publico videri displicebat“), unterstrich Hinderbach den ganzen Textteil – für ihn eine Aufforderung an alle jungen Frauen, sich nicht öffentlich zu zeigen und nicht an Gesprächen teilzunehmen oder sich ähnlich zu verhalten540. In dieselbe Richtung ging sein Kommentar zur „Siebenfachen“ Litanei, die zwar verheirateten Frauen, Witwen und Kindern mit Armen Platz einräumt, Jungfrauen aber nicht erwähnt: Hinderbach hebt die Weglassung der virgines im Jugendalter hervor und rechtfertigt sie dahingehend: „quia non solent in publicis procedere donec desponsate sunt“541. Seine Betonung der Josephsehe wurde schon erwähnt. In einem anderen Passus des Marienlobs nimmt er am Rand weitere Bemerkungen zur jungfräulichen Reinheit auf („pudor comes et custos castitatis“), dann hebt er das „propositum pudoris“ Marias hervor, die der Engel allein bei der Ankündigung vorfindet, ohne Begleitung und ohne Zeugen, „ne quo degeneri depravaretur affatu“; er unterstreicht wieder als „exhortacio virginum“542 die Aufforderung an alle Jungfrauen, „verborum lasciviam“ zu vermeiden, die der Verfasser von der Ankündigung an die erschreckte und schamhafte Maria ableitete543. 539 Hinderbach hebt am Rand verschiedene Punkte heraus: „mores Marie“, „figura Marie“, „etas s. Marie“, „huius computacio“, „quando presentata fuit in templo“ usw. (BCTn, ms 1785, ff. 3-5 ff.). 540 BCTn, ms 1785, f. 3, am Rand Hinderbach eigenhändig: „istud non est verisimile, quod ministraverit sacerdotibus, ymmo credendum est fuisse clausa in aliqua templi parte et diei noctuque vacasse oracioni, lectioni et contemplacioni neque versata fuisse in publico, unde aliqua suspicio de ea oriri potuisset“. Marias Reklusentum bezieht sich auf die traditionellen Topoi der „sacred enclosure of Mary’s womb“. Über „figures of enclosure as consummated signs of Mary’s wholeness, integrity, and physical purity“ vgl. Th. Coletti, Purity and Danger, S. 68 mit Lit. S. 15-16. 541 BCTn, inc. 354 (ff. n. num.). Über Maria als Beispiel der Keuschheit und die Darbringung ihrer Jungfräulichkeit an Gott als gleichzeitige Begründung des mönchischen Lebensstandes, verschiedene Beispiele aus der spätmittelalterlichen Literatur bei M. Schumacher, Sündenschmutz, S. 239-243. 542 BCTn, ms 1667, f. 80. 543 BCTn, ms 1785, f. 15.

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Und wenn das Marienlob den Brauch anführt, die eigenen Töchter mit dem Namen der Gottesmutter zu versehen, und so den Wunsch zum Ausdruck bringt, daß auch sie auf eine eheliche Bindung verzichten sollten, interpretiert Hinderbach diesen Passus in dem Sinne, daß „dieser Name ausschließlich gebraucht werden soll für Frauen, die keusch bleiben, nicht verheiratet und ewige Jungfrauen bleiben sollen“544. Von daher ist Maria vor allem Jungfrau, „die“ Jungfrau, Verkörperung eines Ideals, das nur gelebt werden kann in der Abkehr und im Verborgenen vor der Welt, eine Herausforderung für alle Frauen und gleichzeitig eine Projektion auf die Gottesmutter. Im Marienlob erscheint Maria jedoch in vielfacher Gestalt, z.B. als „Adlige“. Seit den Ursprüngen des Christentums war die Abstammung Christi aus dem Geschlecht Davids eine exegetische Schwierigkeit, vor allen Dingen wegen der Ungläubigkeit der Juden. Die von Mathäus (1,1-17) und Lukas (3,2328) überlieferten Genealogien beschreiben in voneinander abweichender Überlieferung Jesu Abstammung vom König David durch Joseph; doch weil Christus nicht der „natürliche“ Sohn Josephs war, setzten sie stillschweigend voraus, daß auch Maria aus demselben Geschlecht hervorgegangen wäre, und konnten so die königliche Abstammung Christi mit der Jungfrauengeburt in Einklang bringen. Das Problem war also gleichzeitig theologischer und gesellschaftlicher Natur, von daher für das mittelalterliche Standesbewußtsein von Bedeutung: die Abstammung entschied, zu welchem sozialen und rechtlichen Stand der Einzelne gehörte; wenn der Messias und König der Juden eine Abstammung vom König David brauchte, die nur Maria garantieren konnte, dann war auch ihre Nobilitierung nötig. Das Marienlob ging diese Problematik folgendermaßen an: es nahm die klassische Argumentation der Kirchenväter auf545 und stellte den Widerspruch zwischen den beiden Geschlechterfolgen bei den Evangelisten dar (Lukas ließ Joseph von Nathan, Mathäus von Salomon abstammen), versuchte ihn aber in ausgeklügelter Weise zu harmonisieren: Joseph stammte zwar von Salomon ab, jedoch dem Gesetz nach von Elias, der wiederum von Nathan 544 BCTn, ms 1785, f. 15: nach der Beschreibung schlug Maria die Augen nieder: vor Scham erschrack sie, ihre Vorsicht führte sie dazu zu fragen, was dieser Gruß zu bedeuten habe. Danach sind alle Frauen aufgefordert, nachzuahmen das propositum pudoris Marie, „quam nemo virorum viderat, solus angelus reperit solam sine comite, sine teste ne quo degeneri depravaretur affatu ab angelo salutatur. Disce o virgo verborum vitare lasciviam! Maria eciam salutacionem angeli verebatur, erat inquam cogitans qualis esset ista salutacio et (…) tum verecondia, quia pavebat, tum prudencia, quia benedicionis novam formulam mirabatur que nusquam lecta est, nusquam ante conperta soli Marie hec salutacio servabat“. 545 BCTn, ms 1785, f. 84v, am oberen Rand Hinderbach eigenhändig: „quod non decuit hoc nomine nuncupatis nisi castas et innuptas remanere atque perpetua virginitate permanere“. Zum Erklärungsversuch einer „Allegorisierung der Weiblichkeit“ beim Marienbild, vgl. H. Möbius, „Schöne Madonna“ und Weiblichkeitsdiskurs.

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abstammte. Darüber hinaus verfaßte das Marienlob eine Genealogie Joachims, Marias Vater, nach der Linie Nathans. Diese Ableitung leuchtete Hinderbach nicht ganz ein, da er in der Vorlage las, daß zwischen David und Joachim nur vier Generationen, während bis zu Joseph mehr als zwanzig lagen546. Das Gesamtproblem interessiert im vorliegenden Zusammenhang nicht in allen Einzelheiten, wichtig jedoch bleibt, daß Hinderbach zur Überzeugung gelangte, daß Maria aus königlichem und hohepriesterlichem Geschlecht stammte, so wie Christus selbst, gleichzeitig rex et sacerdos547. Die Vorstellung vom Adel Marias wurde in die der Königlichkeit fortgeführt: das Bild der Jungfrau in der Glorie, bekleidet mit der Sonne, dem Mond unter den Füßen548 fand sich im Marienlob und wurde von Hinderbach am oberen Rand des Blattes in aller Deutlichkeit herausgestellt549. In der Erhöhung zur Himmelskönigin, die mit dem Sohn in Ewigkeit herrscht, verschaffte sich ein damals vorwiegender Zug der Marienverehrung Ausdruck, der die vollkommene Heiligkeit Mariens betonte; durch die Annahme der Unbefleckten Empfängnis und der leiblichen Aufnahme in den Himmel wurde Maria der irdischen Sphäre entrückt, gleichsam über ihre Aufgabe als Mutter hinaus und neben ihren Sohn erhöht550. Dem Verfasser des Marienlob und Hinderbach schwebte diese Vorstellung sicher vor Augen: das Laudarium bringt tatsächlich verschiedene Predigttexte, die sich mit der Aufnahme Marias in den Himmel beschäftigen und die Hinderbach aufmerksam las – er vermerkte u.a. die Kontroverse über die Unbefleckte Empfängnis zwischen Dominikanern und Franziskanern551. Der Verfasser der „Laus Marie“ folgte Hieronymus, nach dem die Heilige Schrift keine weibliche Genealogie entwarf: trotzdem mußten Maria und Joseph eine gemeinsame Abstammung besitzen, da Joseph verpflichtet gewesen sei, eine Frau seiner eigenen Sippe zu heiraten. 547 BCTn, ms 1785, f. 12v, am Rand Hinderbach eigenhändig: „mirandum est hoc quod hic ex linea Nathan prophete usque ad Ioachim (Josephum über der Zeile) non ponuntur nisi quatuor persone graduum, cum in alia linea Salomonis usque ad Yoachim (Joseph über der Zeile) sunt plus quam XX gradus personarum (…)“. Wie aus der Korrektur von Joachim in Joseph erhellt, war Hinderbach offensichtlich stark verwirrt. 548 BCTn, ms 1785, f. 11v: „(…) unde tribus uterque hec sacerdotalis et regia cognatione (…)“. Am Rand Hinderbach eigenhändig: „tribus sacerdotalis et regia semper ad invicem cognate fuerunt et huius misticatio“. Eine manicula bei: „Christus Iesus rex erat et sacerdos“. Dazu vgl. K. Schreiner, Maria, S. 310-319: danach macht die nobilitas humilis et sancta mehr her als die humilis et sancta rusticitas. 549 BCTn, ms 1785, f. 83: nach dem Verfasser der „Laus Marie“ stand Maria unter dem Kreuz, da sie die würdigste Person war, diejenige, die Christus „digna suo consortio iudicavit in celis, amicta sole (…)“. Zur Einheit von Schmerzensmann und Himmelskönigin, E.M. Vetter, Mulier amicta sole et mater salvatoris. 550 BCTn, ms 1785, f. 83. 551 K. Elm, Devozione alla Madonna e vita religiosa, S. 42. 546

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Diese Überhöhung bedeutet aber nun nicht, daß im Marienlob die menschliche Natur der Gottesmutter vollkommen unterschlagen wurde. Das Leiden während der Geißelung und des Todes Jesu ist dargestellt und kommt höchst dramatisch zum Ausdruck. Der Schmerz Marias am Fuß des Kreuzes erscheint so stark, daß er das Mitleid des Sohns hervorruft: „Christus compassus est matri sue, dolor reciprocus“, so notiert Hinderbach am Rand552. Dazu kommt der planctus Mariens, die den toten Sohn in ihren Armen hält und der gefühlvoll beschrieben ist: „hec dicens plorabat atque plorando dicebat: ,Oy me, oy me‘ (…)“553. Die Tränen, die Maria in der Überlieferung seit dem Beginn des 11. Jahrhunderts am Fuß des Kreuzes vergoß554, strich auch Hinderbach heraus555; sie sollten ihre Leidensfähigkeit ausdrücken und so die Gläubigen erschüttern, erbauen und ermutigen. Die Klage mit dem Sohn auf dem Schoß, die den Höhepunkt der Ereignisse zwischen Kreuzabnahme und Beisetzung kennzeichnete, führten im 14. Jahrhundert zur Ikonographie der Pietà, bei der Maria ihren Schmerz in bis dahin unbekannter Leidensintensität äußerte556. Dabei bestand die Gefahr, daß der Schmerz grenzenlos wurde, wie etwa in der Marienlob-Vorlage: „tamquam mortis pallor eius perfuderat vultum tam genis et ore Christi rubricata cruore cadentes guttas sangwinis ore lingebat terram deosculans quam cruoris unda rigabat“557. Diese Lesart wies Hinderbach zurück: „Das darf man nicht glauben“, notiert er neben einer solchen Szene in so greller Darstellung. Wenn im Marienlob die Gottesmutter in ihrer Verzweiflung über Christi Tod sogar an Selbstmord denkt, wehrt sich Hinderbach: „Daß sie sich so schändlich und unwürdig benommen hat, daran darf man noch nicht einmal denken!“558, und wenig später vermerkt er dann mit Zufriedenheit, daß die „mater Christi“ eingehalten habe „mensuram doloris“, ohne in Verzweiflung zu versinken: „An dieser Stelle sagt er (d.h. der Verfasser) genau das Gegenteil von dem, was er vorher behauptet hat“559. Mit dieser Distanzierung befand sich Hinderbach in guter Gesellschaft: im späten 15. Jahrhundert und am Anfang des 16. Jahrhunderts mehrten sich bei Humanisten und Theologen, auch im Zuge der Polemik während 552 BCTn, ms W 4006, ff. 28-29, 37-38, 22v, 85-86 usw. und ff. 59v-60 (Unbefleckte Empfängnis). 553 BCTn, ms 1785, f. 85. 554 BCTn, ms 1785, f. 98. 555 K. Schreiner, Maria, S. 103. 556 BCTn , ms 1785, f. 98. 557 K. Schreiner, Maria, S. 105. 558 BCTn, ms 1785, f. 98v. 559 BCTn, ms 1785, f. 99 am Rand Hinderbach eigenhändig: „non est credendum quod tam infime et indecore se habuerit“ und er vermerkt wenig später den Todeswunsch Mariens als eine lügnerische Behauptung.

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der Reformation, Stimmen, die davor warnten, Marias Leidenserfahrung zu übertreiben: Jakob von Wimpfeling (1450-1528) etwa stellte Maria eher als eine „mulier heroica“ vor, die ihr Leiden unter dem Kreuz mutig zu ertragen wußte; ihm folgten andere Zeitgenossen wie Geiler von Kaysersberg, Johannes Eck und Petrus Canisius; sie strebten mehr danach, einen Marientypus darzustellen, der nicht dem Schmerz und der Klage völlig ausgeliefert war, sondern diese Prüfung dank seiner persönlichen Fähigkeiten und der Hilfe Gottes überstehen konnte: Maria sollte die christlichen Tugenden Stärke, Geduld und Hoffnung vorzeigen560. Mit seinem Aufruf zu ‚würdevollem‘ Verhalten scheint Hinderbach von der spätmittelalterlichen Leidensmystik eher entfernt, nach der das Mitleiden einen eigenen sprachlichen Ausdruck gefunden hatte. „Mit Hilfe von Denk- und Anschauungsformen religiöser Mystik sind Menschen damals fähig geworden, innere Leiderfahrungen in Bildern und Begriffen auszudrücken. In Marias Schmerz fanden christliche Fromme ihr eigenes Leid ausgedrückt. Was die Gottesmutter erduldet hatte, gab menschlichem Leid einen Sinn und bestärkte in der Hoffnung, daß sie für ihre Verehrer vor dem göttlichen Richterstuhl wirksam Fürsprache einlegt“561. Offenbleiben muß, ob Hinderbach diese Ansicht geteilt und das Mitleiden Marias als Identifikation mit Christus als Teilnahme an seinen Schmerzen aufgefaßt hat. Das Mitleid als eine Gottesauffasssung, die die ganze Person umfaßt, scheint zurückzutreten gegenüber einer anderen Stellung Marias im Geschehen der Kreuzigung: Maria kann den Gnadenschatz am Fuß des Kreuzes ausschütten und wird so zur Gnadenspenderin, thesauraria coeli 562. Der Türke Göttliche Hilfe war auch zu einer Zeit nötig, die in Hinderbachs Augen besonders düster erschien. Der Fall Konstantinopels am 29. Mai 1453 hatte einen ersten Schock im Westen ausgelöst; bis zum Jahre 1480 rückten die Türken weiter an verschiedenen Fronten vor, landeten schließlich in Süditalien und eroberten Otranto563. Von diesen Ereignissen war Hinderbach zuerst persönlich nur mittelbar betroffen, hatte aber an der öffentlichen Diskussion, westlichen Gegeninitiativen und erfolglosen Anstrengungen der Jahre nach 1453 Anteil: als Sekretär des Kaisers und mehrfacher Gesandter in Rom564 erfuhr er den Widerhall dieser Vorgänge im Westen und nahm auch einen 560 561 562 563 564

BCTn, ms 1785, f. 99: „ecce, contrarium eius quod supra dixit (loquitur)“. K. Schreiner, Maria, S. 106. Ebd., S. 107-108. BCTn, ms 1785, f. 83. Zum folgenden D. Rando, Fra Vienna e Roma.

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gewissen Platz im diplomatischen Zusammenspiel zwischen dem kaiserlichen Hof und der päpstlichen Kurie ein565. Seine Anwesenheit auf dem Kongreß von Mantua im Jahre 1459 und seine Tätigkeit als Übersetzer bei Kardinal Bessarion auf dem Tag in Wiener Neustadt ein Jahr später wurden schon erwähnt; auf ihn folgten noch andere Zusammenkünfte, die jedoch wirkungslos blieben, darunter eine zur Vorbereitung für die dieta universalis566, von Friedrich III. für den Winter 1468/69 während seines zweiten Italienzuges vorgeschlagen und dann schließlich im Herbst 1469 in Rom vorbereitet; bei dieser Gelegenheit bekam Hinderbach schon als Bischof von Trient den Auftrag, seinen Kaiser zu vertreten567. Auf dem Reichstag von Regensburg von 1471, an dem Friedrich III. persönlich teilnahm, war Hinderbach sein Sprecher, „organum imperatoris“, wie er selbst in einer seiner Anmerkungen überliefert568. Der Reichstag wurde am 24. Juni eben durch ihn im großen Saal des Rathauses eröffnet, im Beisein des Kaisers, der in der Mitte Platz genommen hatte und zu dessen Füßen er das Wort ergriff569. Er hielt in kaiserlichem Namen eine lange Rede auf Deutsch und dann in Latein570, die aber nicht von allen wegen ihrer Lautstärke verstanden wurde: seine schwache, fistelnde Stimme ließ ihn zusammen mit geringer Körpergröße auch für Nahestehende eher unauffällig erscheinen, und so wurde er offensichtlich nicht ausreichend zur Kenntnis genommen; fast alle Zuhörer verließen im Laufe der Rede den Saal, mit Ausnahme der anwesenden Fürsten und Botschafter, die „von eren wegen“ zur Anwesenheit verpflichtet waren571. Im 565 A.A. Strnad, Personalità, famiglia, S. 1-31, und ders., Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam, S. 381-432. 566 Schon 1455 war Hinderbach zusammen mit Enea Silvio als kaiserlicher Gesandter vorstellig geworden „super negotio turchorum“ in Venedig, Ferrara, Florenz, Siena und Rom (Aeneae Sylvii Piccolomini Opera inedita, S. 125, ep. 58). Zu Hinderbachs diplomatischen Missionen vor seiner Bischofswahl in Trient vgl. D. Rando, Fra Vienna e Roma, S. 294-298. Darunter ist besonders erwähnenswert seine Tätigkeit an der Seite Bessarions 1463 in Venedig, wo Hinderbach zur selben Zeit als kaiserlicher Gesandter verweilte (vgl. oben, S. 131). 567 So der Senat in Venedig: RTA, 22/1, S. 42, Nr. 15[2]. 568 Regest bei K. Brandstätter, Deutschsprachige Aufzeichnungen, S. 394. In Rom wurde über die Organisation zum Einzug der Kirchensteuer und eines allgemeinen Friedensschlusses gestritten, Maßnahmen, die alle in eine päpstliche Bulle eingingen: L. von Pastor, Geschichte der Päpste, Bd. 2, S. 432, Anm. 2; RTA, 22/1, S. 37, Anm. 1, S. 247. 569 BCTn, (inc.) W 116, f. 246v. 570 Vgl. die graphische Darstellung der Namen bei RTA, 22/2, Nr. 111, S. 595 („Trient circa pedes cesaris“ in Schrägschrift unter dem „der Keiser“ in der Mitte des Blattes). 571 „Lange rede“: RTA, 22/2, Nr. 111 [4], S. 597. Der gleiche Ausdruck auch im Bericht des Legatensekretärs Agostino Patrizzi: RTA, 22/2, Nr. 112, S. 652 („longa oratio“).

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weiteren Verlauf des Reichstages übte Hinderbach mehrere Tätigkeiten aus: einmal als „diener des Keisers“572 für Friedrich III.573, dann für Kardinal Todeschini-Piccolomini als Dolmetscher, dieselbe Aufgabe auch für Venezianer und Burgunder574. Der Reichstag in Regensburg von 1471 war nach letzten Studien ein Ereignis von europäischer Bedeutung575, wegen seiner großen Teilnehmerzahl der meistbesuchte der Zeit, auf dessen Abschiede sich alle folgenden beriefen. Im Unterschied zu den vorhergehenden Versammlungen befaßte er sich wirklich mit der Türkenabwehr und der inneren Organisation des Reiches; auf ihm erreichten die Vorbereitungen des Kaisers gegen die Türken einen ersten Höhepunkt – er war also nicht wie die früheren ganz ergebnislos –, doch Militäraktionen ließen weiter auf sich warten576. Von daher waren an die türkische Vorhut direkt angrenzende Territorien auf sich allein gestellt, dazu im weiteren Sinne auch die Gebiete der Grafschaft Tirol und des Bistums Trient, wie sich im Herbst 1471 erweisen sollte. Am 6. Oktober fand in Bozen ein Landtag statt, auf dem die Bereitstellung von Geldmitteln, die sogenannte Türkensteuer, beschlossen werden sollte; im November brachten Nachrichten über türkische Einfälle nach Kärnten eine Verschärfung der Gefahr, und die Furcht vor einem bevorstehenden Angriff verbreitete sich weiter. Noch im selben Monat, am 27. November, gab Herzog Sigismund als Graf von Tirol einen ersten Aufruf zur Bewaffnung und zur Verteidigung, dem im neuen Jahr 1472, am 22. Januar, der Befehl zum Einzug der Türkensteuer folgte577. Diese Verfügungen betrafen auch das Fürstbistum Trient: für Johannes Hinderbach, seit 1466 dort Bischof, wurde nun die Bedrohung durch die Türken nicht nur ein Gegenstand diplomatischer Verhandlungen oder rhetorischer Übungen, sondern eine konkrete, heranrückende Gefahr. Am 16. März 1472, also nach dem Reichstag von Regensburg und den erwähnten lokalen Abwehrmaßnahmen, erließ Hinderbach den schon 572 So im oft zitierten Bericht Wunnebalds Heidelbeck, des Bischofskanzlers aus Basel: „Darnach seit er die ander sach, die nieman kond verstan noch merken, dann Tredentinus ist eins cleins mannli und nit wol gesprech, dann der nechst neben im mocht nit wol verstan was er seit; er hat glich ein stim als die glock zu Olten ein ton, der tönt als ein alter kessel, es floch iederman us dem sal on die fursten herrn und botten, die von eren wegen da musten bliben“ (RTA, 22/2, Nr. 114h, S. 737). 573 RTA, 22/2, S. 737. 574 Z.B. verhandelte Hinderbach im Namen Friedrichs mit den Kurfürsten: RTA, 22/2, S. 613. 575 So Patrizzi: RTA, 22/2, S. 654 (und vgl. S. 608). 576 C. Sieber-Lehmann, „Teutsche Nation“, S. 570, wiederholt auf S. 593. Die Akten des Reichstags sind ediert in den schon oft zitierten RTA, 22/2. 577 C. Sieber-Lehmann, „Teutsche Nation“, S. 570.

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zitierten Rundbrief an alle Kleriker in Stadt und Diözese Trient578. Er war möglicherweise im Zusammenhang mit einem umfassenden Plan zu einer Pastoralvisitation verfaßt worden und schrieb scharfes Vorgehen gegen das bei Klerikern und Laien weitverbreitete Konkubinat vor. Nach der weitschweifigen Arenga machte die Tilgung von Sünde und Laster diese strengen Maßnahmen nötig, in diesem historischen Moment von besonderer Dringlichkeit, denn, so schrieb Hinderbach weiter, „Gottes Zorn scheint mehr als gewöhnlich über die Christen hereinzubrechen durch die furchtbare Wut der Türken, deren ganze Perfidie und aktuelle Angriffe auf die vollständige Auslöschung unserer Religion abzielen. Das alles geschieht, wie jedermann sehen kann, wegen unserer Sünden, und wenn wir nicht zu Gott zurückgehen, demütig, zerknirscht, büßend nach dem Beispiel der Hll. Väter und unser sündiges Leben aufgeben, dann wird Gottes Zorn noch viel schlimmer über uns hereinbrechen“. Rabies, saevicia (desevire), perfidia, insultus, religionis eversio et exterminium, so lauten die Termini zur Beschreibung der Türkenuntaten in dieser Arenga: sie sind, wie noch zu zeigen sein wird, auch in den hie und da vorkommenden Notizen Hinderbachs anzutreffen. Diese Terminologie zeigt einige typische Topoi des Türkenbildes im Westen: tierische Grausamkeit, Blutrünstigkeit und allgemeine Perversion579 – Begriffe, die schon damals der Literaturgeschichte angehörten: z.B. rabies, mit einer langen Tradition bis hin zu den Hunden, die Jerusalem besetzten, in Petrarcas „Trionfo della fama“580, fand sich in vielen zeitgenössischen Belegen, auch Hinderbach zum großen Teil bekannt. Ein Beispiel für die Turcorum rabies ist die Erwähnung Enea Silvios in einem Brief an Kardinal Carvajal aus dem Jahre 1453, den Hinderbach wahrscheinlich selbst nach Rom gebracht hat und der in einen Kodex aus seinem Besitz eingegangen ist581. Auch in der Bulle Nikolaus’ V. vom 30. September 1453, in der drei Monate nach dem Fall von Konstantinopel der Kreuzzug verkündet wurde, erscheint Mehmed II. als „Christi nomen seviens“, als „fera rabida“, die „furorem et rabiem“ unter den Christen verbreitet. Enea Silvio verwendete den Terminus noch einmal in seiner Rede auf dem Reichstag in Regensburg 1454, der dann zu einem 578 A. Jäger, Geschichte der landständischen Verfassung, S. 235-236, 238-239. Auch Neustift hatte eine Befestigung zum Schutz errichtet (S. 239). 579 ASTn, APV, sez. lat., capsa 43 Nr. 12. 580 E. Meuthen, Der Fall von Konstantinopel, besonders S. 34, aber auch den Gesamtaufsatz. Über die Stereotypen gegenüber dem Islam und ihr Fortwirken J. Hankins, Renaissance Crusaders, S. 119. Über die rabies und die Einzelheiten des Türkenbildes, J. Helmrath, Pius II. und die Türken, S. 104-117; besonders in Italien: M. Soykut, Image of the „Turk“, S. 15-29. 581 „Che ’l sepolcro di Cristo è in man de’ cani!“: Francesco Petrarca, Triumphi, Triumphus Fame II, v. 144, S. 424.

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klassischen Ausdruck der Antitürkenpropaganda werden sollte582; Calixt III. nahm in einem Brief an Kardinal Alain de Coëtivy 1457 das Bild des „perfidus Turcus“ als „canis rabidus“ auf583, schließlich erschien eine ganze Folge dieser Stereotype in der großen Bulle des zum Papst Pius II. aufgestiegenen Enea Silvio 1463 bei der Ankündigung der eigenen Teilnahme am Kreuzzug: die Bilder der „effrenata rabies Turcorum“, der „furentes bestie“, und das der “lupi et immanes bestie“584. Wie aus dieser Reihung abzulesen, ergab sich das „rabiate Wüten“ gleichsam automatisch aus der tierischen Natur der Türken: die Grausamkeit, durch Enea Silvio schon 1454 in seiner Rede auf den Reichstag bemüht585, kehrte in seiner Bulle „Ezechielis“ neun Jahre später wieder und fand weiteres Echo in einer vorbereiteten (aber nicht gehaltenen) Rede für den Reichstag in Regensburg 1471 des Sekretärs Kardinals Francesco Todeschini-Piccolomini, Giovannantonio Campano586 – bei ihr verbindet sich die crudelitas inaudita mit dem Bild des „lupus efferatus (…) crudelissimus“587. Die Grausamkeit, saevicia, auch von Hinderbach in seiner Rundbriefarenga verwendet und schon in der Kreuzzugsbulle Nikolaus’ V. von 1453 angetönt, erfuhr im weiteren Verlauf vielfache Erweiterungen und Variationen, die durch die Berichte von Flüchtlingen und Überläufern aus den besetzten Gebieten genährt wurden. Die Bilder von der Eroberung Konstantinopels, die 1454 bei Enea Silvio auftauchen, finden fast 20 Jahre später bei Campano eine weitere Steigerung und münden in ein düsteres Bild von Gewalt, das die Zeitgenossen aufwühlte. Dieselbe Emotionalität sprach auch Hinderbach in seiner Eröffnungsrede zum Reichstag von 1471 an: „snoden bosen Durcken, ungelaubigen Turcken; ungelabig wuterich und veind Cristi der Turck; des Turken grausamlichs und erschrocklichs furnemen“; und nach einem Zeugenbericht: „Indem hat ouch Tredentinus vil alten historien erzelt, damit die fursten und herrn zu den sachen dester mer bewegt wurden“588. Die Begriffe Grausamkeit und bestialische Wut waren also thematisch eher beliebig und strenggenommen wenig aussagekräftig; theologisch schwerR. Wolkan, Der Briefwechsel, Bd. 3/1, Nr. 136. Zur Hs. ebd., S. V-X. RTA, 19/1, Nr. 34, 1, S. 266 (Z. 23). 584 Zitiert bei L. von Pastor, Geschichte der Päpste, Bd. 1, S. 701, Anm. 1. 585 Vetera monumenta Slavorum meridionalium, Bd. 1, Nr. DCLX, S. 474-481. 586 Z.B. über Mehmed II.: RTA, 19/1, Nr. 34, 1, S. 267. 587 F. Di Bernardo, Un Vescovo umanista alla Corte pontificia, S. 245-292; über die Rede für den Reichstag, J. Blusch, Enea Silvio Piccolomini und Giannantonio Campano, S. 78-138. 588 Vgl. das Schema bei J. Blusch, Enea Silvio Piccolomini und Giannantonio Campano, S. 92. 582 583

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wiegender lautete eher die Anklage der perfidia, die schon bei Juden und Ketzern verwendet wurde589. Auch hier erscheinen zahlreiche, zeitgenössische Beispiele für eine Erweiterung auf die Türken: Enea Silvio sprach von Turcorum perfidia schon in dem erwähnten Brief von 1453 an Carvajal und von der Mahumeti perfidia bei der Rede in Regensburg. Der perfidus Turchus kehrte nicht nur in dem Brief Calixt’ III. 1457 an Kardinal de Coëtivy wieder, sondern auch in einem Entwurf für Forderungen aus der kaiserlichen Umgebung, die von Friedrich 1469 an Paul II. bei seinem zweiten Romzug überreicht worden sind590; und so dürfte er natürlich in den Reden Campanos und Hinderbachs nicht fehlen. Diese Bilder und „Vorverständnisse“ hatte er in sich aufgenommen und verwendete sie wieder, als er das Rundschreiben „Sempiterna pastoralis“ von 1472 an die Kleriker seiner Diözese verfaßte. Doch sie finden sich nicht nur an dieser Stelle, sondern auch in Postillen, die er bei der Lektüre von Büchern aus seiner Bibliothek verfaßte. Im Vergleich zu der Arenga, einem gleichsam offiziellen Text und von daher mit schärferer ideologischer Akzentuierung, besitzen diese Anmerkungen einen „privaten“ Charakter, geben seine Meinung eher „ungeschützt“ und frei von „propagandistischer“ Absicht wieder. Er greift wenigstens zweimal auf das Bild des Türken als Tier zurück; bei der Lektüre einer Stelle über die Besetzung Konstantinopels kommentiert er: „also durch die ungläubigen Tiere, die nicht an Christus glauben“591; wenn Mohamed als Schwein bezeichnet wird, führt er aus: „Mohamed wird mit einem Schwein verglichen, und das zurecht wegen seiner persönlichen und seiner religionsstifterischen Verworfenheit“592. Das Bild des Tieres verbindet sich hier mit der Verachtung für eine moralische Verfehlung, auch das ein Stereotyp: „gens immunda et ignominiosa, fornicaria in cunctis stuprorum generibus, libidini servit“, so Enea Silvio im Jahre 1454, der neun Jahre später als Papst von der Hagìa Sophìa in Konstantinopel als einer „Maumetheis spurcitiis“ entweihten Kirche spricht und schimpft gegen die „fedissime gentes, feda gens (…) turpiter in Christianos (…) crassata“593 (wie die fedissi589 Ebd., S. 93-95 (Campano); RTA, 22/2, Nr. 111[4], S. 596 Z. 22; S. 597 Z. 24, Z. 34; S. 598 Z. 21-22 und Nr. 114h, S. 738. 590 E. Peterson, Perfidia Iudaica, S. 296-311; C. Sieber-Lehmann, Der türkische Sultan Mehmed II. und Karl der Kühne, der „Türk im Occident“; A. Patschovsky, Feindbilder der Kirche, S. 349. 591 Dieser Entwurf spielte gleich am Anfang auf den vergangenen Reichstag 1467 in Nürnberg an und den fünfjährigen Frieden im Reich zur Organisation des Widerstandes gegen die „perfidi“ Türken und Häretiker: RTA, 22/1, Nr. 17, S. 53. 592 In der Anmerkung läßt sich Hinderbach vom unmittelbar vorausgehenden Passus beeinflußen, der Konstantinopel mit der „sedes Bestie“ gleichsetzt: BCTn, inc. 189, f. 20v. 593 BCTn, inc. 189, f. 17. Über die Charakterisierung zuletzt D. Higgs Strickland, Saracens, Demons, and Jews.

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ma gens in der Obödienzansprache Hinderbachs von 1459). „Spurcissime belue“ waren die Türken in der Rede Niccolos Perotti in Mantua am Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel – diese Invektive wurde der Gottesmutter selbst in den Mund gelegt 594, die Paul II. 1468 als spurcissimi hostes wieder aufnimmt595 und Campano drei Jahre später: eine schändliche und verbrecherische Religion, ein blindwaltendes Gesetz, dazu sogar Epitheta für sexuelle Freizügigkeit wenigstens in der Hälfte der Bezüge zu Mohamed und seiner Religion596. Die Türken erscheinen also als schmutzige Tiere, gleichsam als Verkörperung des Tierischen, als Bestie der Apokalypse (darauf wird noch zurückzukommen sein) und auch als tyrannische Bösewichte: ihre offensichtlich Gleichsetzung mit jener belua, die der Hirte von seiner Herde fernhalten soll und in einer Inkunabel von 1482 anzutreffen ist, wurde von Hinderbach sofort am Rande aufgenommen als: „Turchorum tyrannis“597. Das Thema der Tyrannis, das z.B. in einer Predigt des Cusanus 1456 auftaucht598, erscheint auch in einer anderen Anmerkung Hinderbachs zu einem Passus bei Paulus Diaconus; darin ist die Bösartigkeit Geiserichs beschrieben, der in Karthago die Kirchen zu Kasernen für seine Krieger umgewandelt und gegen das unterworfene Volk gewütet habe, besonders aber gegen den Adel und die Religion. Im sentenzenhaften Stil seiner Postillen nimmt Hinderbach am Rand den Gedankengang des Paulus auf, reduziert ihn aber zu prägnanter Verallgemeinerung: „Tyrannen sind besonders feindlich gegenüber Religion und Adel“; zugleich verbindet er die Aussage mit seiner Gegenwart, mit dem Vordringen der Türken in seiner Zeit: „Tyrannen sind besonders feindselig gegenüber Religion und Adel, wie gerade jetzt die Türken599“. Ein Text zu Fritigern, König der Goten, der mit anderen Germanen den Kaiser Valens getötet, verschiedene Regionen erobert und dabei schreckliche Untaten verrichtet habe (Frauen und Nonnen vergewaltigt, Bischöfe und Priester ermordet, Kirchen in Ställe entweiht), fordert Hinderbachs Kommentar heraus: „Heutzutage passierten ähnliche und noch schlimmere Untaten, wie 1469, 1470 und in den folgenden Jahren bis 1481“, das bedeutet „bis zum Tod Mehmeds, des Kaisers der Türken, des schrecklichen Tyrannen und Verfolgers der Chri-

Vetera monumenta Slavorum meridionalium, Bd. 1, Nr. DCLX, S. 475, 477. Perotti brauchte das gesamte Vokabular der Antitürkenpropaganda: J. Hankins, Renaissance Crusaders, Appendix, Nr. 8, S. 200. Zur bestia: Cl. Sieber-Lehmann, Der türkische Sultan Mehmed II., S. 16 und S. 19, Anm. 26. 596 Bullarum, diplomatum, S. 189. 597 J. Blusch, Enea Silvio Piccolomini und Giannantonio Campano, S. 110. 598 BCTn, inc. 275, f. 3v. 599 Zitiert bei E. Meuthen, Der Fall von Konstantinopel, S. 48. 594 595

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sten“600. Diese negativen Konnotationen zum türkischen Vorrücken in Europa sind im Zusammenhang mit einer providentiellen Geschichtsauffassung zu sehen, die in den Türken die „Gottesgeißel“ zu erkennen glaubte, belegt schon in einem Brief Nikolaus’ von Kues an Jakob von Sierck unmittelbar nach der Eroberung von Konstantinopel601. Vom überwiegenden Teil der westlichen Autoren wurde der Fall der oströmischen Hauptstadt als eine göttliche Strafe aufgefaßt602, genährt noch durch zurückreichende Vorurteile gegenüber den orthodoxen Griechen, die auch Hinderbach teilte603. Diese Sicht steigerte das bloße Ereignis über den rein historischen Gehalt hinaus: schon Pastor erwähnte eine Prozession im weitentfernten Dublin, um den göttlichen Zorn zu besänftigen604, und andere Beispiele lassen sich in größerer geographischer Nähe zu Hinderbach belegen: das Thema des göttlichen Zornes erscheint bei Bessarions Rede in Wiener Neustadt zum Abschluß des Reichstags 1460 („Iratus nobis propter peccata nostra est Deus …”)605; wie schon erwähnt, war Hinderbach dort nicht nur anwesend, sondern auch Sprecher Bessarions, und so läßt sich eine Beziehung zwischen seiner Übersetzung für den Reichstag und seinem Rundschreiben „Sempiterna pastoralis“ von 1472 vermuten, mit Rückgriff auf die durch die Sünden der Menschen ausgelöste ira Dei. Allgemeine Elemente und besondere Einflüsse lassen den theologischen Kontext ausmachen, in den Hinderbach die durch die Türkendrohung geschaffene Gesamtlage ansiedelte: moralische Dekadenz, göttlicher Zorn, rabies Turchorum. Diese Verbindung von Ursache und Wirkung war Kernpunkt der Arenga in seiner „Sempiterna pastoralis“, mit dem Ziel, die Plage des Konkubinats scharf zu bekämpfen606. Dieser Kausalnexus ist auch in der zeitgenössischen Homiletik anzutreffen, die den Türkenterror als Mittel der 600 BCTn, ms W 771, f. 26v. Der Passus stammt aus l. XIII der „Historia Romana“ des Paulus Diaconus: MGH, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum, Bd. 49, S. 108, 8-10. 601 BCTn, inc. 391, l. IX, f. 48v. 602 Der Brief stammt vom 9. Oktober 1453, zitiert bei E. Meuthen, Der Fall von Konstantinopel, S. 42, Anm. 33. 603 L. von Pastor, Geschichte der Päpste, Bd. 1, S. 621, Anm. 1. J. Hankins, Renaissance Crusaders, S. 134. 604 E. Meuthen, Der Fall von Konstantinopel, S. 43. Für Hinderbach, BCTn, ms W 109, f. 136v. Hinderbach vermerkt am Rand die Meinung Enea Silvios aus der Germania: „Grecorum perfidia Constantinopolis deperdita“. 605 L. von Pastor, Geschichte der Päpste, Bd. 1, S. 621, Anm. 1. 606 L. Mohler, Kardinal Bessarion, Bd. 3, S. 400. Der Text geht weiter: „et secundum vocem prophetae obscuravit Dominus in ira filiam Syon et deiecit de caelo gloriam Israel, nec recordatus est scabellum pedum suorum in die irae suae“. Der Abschluß variiert das Thema der calamitas („barbarorum furor, improborum crudelitas, perditorum scelus ac perfidia“) (S. 401). Zu Bessarions Bemühungen um eine Abwehr der Türken zuletzt Soykut M., Image of the „Turk“ in Italy, S. 24-29.

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Einschüchterung evozierte wie der Rundbrief Hinderbachs607; im selben Kontext müssen auch die Verteidigungsmaßnahmen auf dem Landtag in Bozen gegen die Türken vom 14. September 1477 gesehen werden: die Türkengefahr war die göttliche Strafe für die vielen Sünden, und so wurden dann auch Vorschriften gegen allzu luxuriöse Kleidung erlassen608. Die kirchliche ‚Antwort‘ auf die Bedrohung durch die Türken bestand in Sittenverbesserung, Reue und Buße, guten Werken, wie auch von Hinderbach verlangt, um Gott zu versöhnen: „Wie hätten Ihm auch Prozessionen oder Glockengeläut gefallen können, ohne daß die Menschen ihre eigenen Fehler zugaben und Abhilfe schafften, wie hätte ihr Gebet ‚contra Turcos, inimicos Christi‘, bei Gott Aufnahme finden können, wenn jeder einzelne sich selbst verhalten würde als ‚maior inimicus Christi‘?“609. Diese Deutung lag ganz auf der Vorgabe einer „Umkehr“ zum Herrn hin, die Calixt III. 1456 zusammen mit einer militärischen Aktion durch den Kreuzzug vorwies610. Dieselbe Forderung erscheint auch in der „Sempiterna pastoralis“, fast 20 Jahre später („ad dominum Deum nostrum in vera humilitate, contritione ac penitencia condigna revertamus“), wobei Hinderbach selbst Vertrauen im persönlichen Gebet suchte, dazu göttliche Hilfe und Trost anrief: In einem Brevier notierte er zu der Invokation „Domine Deus, contera bella ab initio“ (Jud 9,10) am Rand: „Contra Turchos“ und beim Vers „Eleva brachium tuum (Jud 9,11), conforta me rex sanctorum“ weiter unten: „hic etiam inde“611 – zwei kleine Postillen, gleichsam ein Streiflicht auf den Bischof im Gebet gegen die Nöte seiner Zeit, genau die Art von Gebet, die in der Mitte des 15. Jahrhunderts sich auch durch einen besonderen Messtypus ausdrückte, der Messe „contra imminentem rabiem perfidorum Turcarum“612. Für Hinderbach, schon seit 20 Jahren Bischof von Trient und immer noch im Dienste Friedrichs III., brachte also die Türkenproblematik auf verschiedenen Feldern Bewegung: einmal war da der Kreuzzug, dessen Unterstützung der Papst verlangte, dann das Wirken als kaiserliches „Sprachrohr“; dazu kam die Sorge für das geistige und materielle Wohl der ihm anvertrauten 607 Vgl. E. Meuthen, Der Fall von Konstantinopel, S. 42 und C. Seiber-Lehmann, „Teutsche Nation“, S. 574: Türken als „Zuchtrute“. 608 A. Jäger, Geschichte der landständischen Verfassung Tirols, Bd. 2/2, S. 261262. 609 Die Gegenstände aus einer unveröffentlichten Predigt bei F. Landmann, Das Predigtwesen, S. 217, Anm. 1. 610 L. von Pastor, Geschichte der Päpste, Bd. 1, S. 721. Vgl. R. Rusconi, Anticristo e anticristi, S. 84, über die Verwendung von Eschatologie und Apokalyptik bei der Bußpredigt der großen Volksheiligen wie Vinzenz Ferrer und Bernhardin von Siena. 611 MPTn, ms 1563, f. 612v. 612 G. Schreiber, Deutsche Türkennot, S. 68, mit Hinweis auf A. Franz, Die Messe, S. 209 ff.

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Bevölkerung, schließlich die ganz persönliche religiöse Überzeugung. Alldas wurde mitbestimmt von einem Türkenbild aus verschiedenen, vielfältigen Funktionen: der Bedrohung war zu begegnen mit den Mitteln der Diplomatie, mit dem Kreuzzug in doppelter Bedeutung, eines heiligen Krieges gegen die Ungläubigen und einer Verteidigung der sozial-politischen Ordnung im christlichen Westen. Diese Haltung besaß eine theologische Orientierung, die durch den Gegensatz Islam/Christentum (infideles/Haß auf die Christen) vorgegeben war, aber auch ein ethisches Moment – Erziehung zur Rechtschaffenheit, zu einem moralischen Leben. Von daher gesehen schien die Drohung mit der Türkengefahr bei der Predigt gerechtfertigt, in Hinderbachs moralisierenden Ermahnungen und in den Verfügungen des Tiroler Landtags von 1477 gegen verschwenderische Kleidung. Wenn zutrifft, daß das Bild des zürnenden Gottes auch Ergebnis von „angsterzeugenden Phantasien (…) als Mittel sozialer Disziplinierung“ war613, gingen Vorstellungen dieser Art sicher in das Entstehen des Türkenbildes ein614. Sie wurden zum Gegenteil der Eigendefinition und dienten dazu, den vorhandenen normativen Katalog sozial und ethisch zu stabilisieren. Die neue Kunst des Buchdrucks war Hinderbach wohlvertraut, wie die noch heute erhaltene Anzahl von über dreißig Inkunabeln aus seiner Bibliothek615 und folgende Notiz bezeugen: danach habe er handschriftlich abschreiben lassen alle Werke Flavio Biondos – „Roma triumphans“, „Roma instaurata“ und „Italia illustrata“ – während der 22 Monate seines Aufenthalts in Rom als Gesandter des Kaisers (ab 1464), „prius quam ars impressoria litterarum per caractheres plumbeos ad Urbem pervenisset aut in Ytaliam, prout postea fuit divulgata, (inde) in toto orbe terrarum dispersa atque disseminata“616. Daß Hinderbach der Druckkunst Bedeutung beimaß, belegt eine andere, eigenhändige Notiz, die aber nicht genau zu datieren ist. In ihr erläutert er sein Vorhaben, die seltene „Hierarchia coelestis“ des Dionysius Areopagyta drucken zu lassen, um sie auf verschiedene Orte – Klöster, Bibliotheken und Generalstudien zu verteilen und so für alle verfügbar zumachen617. Wenige 613 S. Dinzelbacher, Angst im Mittelalter, S. 251 zu einer visio Alberici bei den Mönchen von Montecassino, aber auch für das Volk der frommen Laien. 614 C. Kleinlogel, Exotik-Erotik, S. 1-10, 33. 615 Für die Inkunabeln steht nocht eine Vertiefung in einer Spezialstudie aus, bis dahin vgl. A. Gonzo, Primi appunti sugli incunaboli, S. 25-28. 616 BCTn, inc. 391, liber IX, f. 54. Zu Hinderbachs Bemühungen für die neue Buchdruckerkunst, die ihm ein Exemplar der „Divinae institutiones“ des Lactantius aus Subiaco von 1465 verschaffte, vgl. D. Rando, Fra Vienna e Roma, S. 309-311. Über die Druckerpresse in Subiaco vgl. nun U. Israel, Romnähe und Klosterreform, S. 282287, 293. 617 BCTn, ms 1789, f. 230 (moderne Numerierung): „… quem de novo ligare et expoliri facere et multa exemplaria per artem impressoriam facere intendimus, Domino

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Jahre nach seinem Romaufenthalt ist auch die Einführung des Buchdrucks in Trient belegt, von daher mit seiner Amtszeit als Bischof verbunden618. Hinderbach nutzte die vielen Möglichkeiten des neuen Mediums, um die Vorgänge um den kleinen Simon propagandistisch zu verwerten619, den vermeintlichen Ritualmord an einem Kind, der dann zur gewalttätigen, heute gut erforschten Judenverfolgung führte; gleichzeitig lief jedoch die weniger bekannte Druckeraktivität zur Türkenthematik in Trient an. In die Zeit um 1474-1476 datiert ein Spottgedicht auf Mehmed II., das dort durch Albrecht Kunne gedruckt wurde620; er war der erste bekannte ortsansässige Drucker621, dem auch die erste, datierte Inkunabel verdankt wird: die „Geschichte des zu Trient ermordeten Christenkindes“ vom 6. September 1475622. Das Spottgedicht ist nur noch in einem Exemplar erhalten, dazu unvollständig, gerade zwei Blätter, von denen das erste ein (fiktives) Porträt Mehmeds II. des Eroberers, das zweite die ersten 37 Verse eines Reimgedichts auf Deutsch überliefert623. Mehmed stellt sich selbst vor, „Turckischer kaiser bin ich / Machametus Bely von Chomani genant (…)“, und erzählt in der ersten Person seine Eroberungen mit großem Vergnügen an Zerstörung und Gewalt. Dieses Exemplar ist insofern von weiterer Bedeutung, als es das erste bisher bekannte Porträt im Druck des Eroberers von Konstantinopel bietet – freilich mit phantastischen Zügen624. Später erfolgt dann ein Ganzkörperporträt von 1482-1484 im „Tractat von den Türk“ des Jörg von Nürnberg625, wiederum gedruckt von Albrecht Kunne, nun aber in Memmingen, wo sich der Drucker nach concedente, et per varia loca dispensare, scilicet in monasteriis et bibliothecis ac studiis generalibus, ut non sic lateat et in pulveribus delitescat, sed omnibus in lumine pateat …“. Diese Anmerkung ist schon publiziert und gewürdigt worden von M. Cortesi, Il vescovo Johannes Hinderbach, S. 483. 618 Über die Einführung des Buchdrucks im Allgemeinen, A. Chemelli, Trento nelle sue prime testimonianze und ders., Produzione libraria manoscritta, S. 100-109. 619 A. Esposito, Il culto del „beato“ Simonino, S. 436-438. Dies., Lo stereotipo, S. 81-85. Bezeichnenderweise hatte Hinderbach ein Druck- und Verbreitungsverbot erlassen, bevor er selbst die offizielle Fassung der „Historia Simonis“ öffentlich gemacht hatte: ASTn, APV, sez. lat., capsa 69, Nr. 195. 620 L. Borrelli, La stampa a Trento, S. 23. 621 C. Visel, Kunne, Albrecht, S. 362. D. Saam, Albert Kunne, S. 69-175, korrigiert und ergänzt durch F. Schanze, Inkunabeln oder Postinkunabeln?, S. 53-56. 622 A. Chemelli, Trento nelle sue prime testimonianze, S. 35-44. 623 Staatliche graphische Sammlung, München, Nr. 118437 (= Schr. 2008a). Vgl. Beschreibung bei W.L. Schreiber, Handbuch, Bd. 4, 1927, S. 136, Nr. 2008a und Verzeichnis der typographischen Einblattdrucke des 15. Jahrhunderts, T-25, S. 566: danach handele es sich um „eine freie und teilweise sehr unbeholfene Vers- und Prosaübersetzung“ der „Epistola Soldani“. 624 A. Pertusi, Introduzione, S. XV. 625 Anastatischer Druck bei Chronica unnd beschreibung der Türkey, S. [107][120]. Das Bild Mehmeds II. befindet sich auf S. [109].

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seinem Umzug von Trient niedergelassen hatte. In dieselben Jahre wie das erste Porträt, aber genauer zu datieren – nach dem 7. Juli 1475 – ist der Druck eines anonymen Textes in Volkssprache von sechs Folien im Quartformat, „L’aspra crudeltà del Turco a quelli di Caffa“626. Für ihn wurden dieselben Drucktypen verwendet (79/G), wie beim „Turckischer kaiser“ und dem ersten datierten Druck Kunnes (die schon erwähnte „Geschichte“). Bestehen bleiben noch einige Unsicherheiten über die genaue Herkunft der beiden anonymen Drucke (sicher ist nur der Drucktyp 79/G von Kunne in Trient) und über die näheren Umstände der Beziehung zwischen Kunne und Hinderbach: sicher aber geht der erste Druck in Trient auf die Initiative oder wenigstens auf die Unterstützung durch Hinderbach zurück; daher auch die Annahme, daß „die gesamte frühe Buchproduktion Johannes Hinderbachs Bibliothek zuzuschreiben ist“627. Von fünf Inkunabeln, die in Trient für die Jahre 1475/76 mit den Drucktypen 79/G überliefert sind, behandeln drei den Fall des kleinen Simon, die beiden andern Mehmed II. und seine Eroberungen; dieses Verhältnis ist natürlich mit einiger Vorsicht anzunehmen – deperdita können nicht ausgeschlossen werden –, doch die Themenauswahl erscheint für die damalige Lage in Trient durchaus charakteristisch. Die Furcht vor einer Bedrohung durch die Türken war von Neuem ausgebrochen. 1474, als „der Türk durch Kärnten gegen Lienz anrücke“, war in Innsbruck ein neuer, bedeutender Landtag zur Abwehr zusammengerufen worden, der weitere finanzielle Hilfen und Verteidigungsvorbereitungen, vor allem für einige Alpenpässe und besondere Brennpunkte, darunter auch Trient, beschlossen hatte. Die Stadt war wie das im Südwesten angrenzende, unter Oberhoheit der Venetianer stehende Territorium besonders möglichen Angriffen der Türken ausgeliefert, falls sie einen Vormarsch durch das Tal der Brenta vornehmen sollten628. Im Juni 1475 fand in Innsbruck ein weiterer Landtag statt, und im Laufe des Sommers erreichte die Nachricht von der am 24. August erfolgten Niederlage eines aus den drei Herzogtümern Kärnten, Krain und Steiermark bestehenden Christenheeres Tirol und löste dort eine regelrechte Panik aus629. Der Ernst der Situation wird durch die Bemühun-

A. Chemelli, Trento nelle sue prime testimonianze, S. 46-47. L. Borrelli, La stampa a Trento, S. 21. 628 A. Jäger, Geschichte der landständischen Verfassung Tirols, Bd. 2/2, S. 243248; K. Brandstätter, Die Stadt Trient, S. 18. Meiner Meinung nach bestätigt die Bedeutung des Türkensproblem für Hinderbach die Beobachtungen Brandstätters über seine Haltung zur türkischen Bedrohung bei der Entwicklung der Landstandschaft in Tirol und ihre Zusammenführung mit der Stadt Trient (S. 19-21). Über die Einfälle der Türken im Friaul, M. Soykut, Image of the „Turk“ in Italy, S. 54-55, 56-59. 629 A. Jäger, Geschichte der landständischen Verfassung Tirols, Bd. 2/2, S. 254. 626 627

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gen Hinderbachs als Landesherr für sein Territorium in der Folgezeit belegt: Mitten im Winter 1475/76, also zu erschwerten Wetterbedingungen, bereiste er mit seinem Nachbarbischof aus Brixen die Umgebung von Innsbruck, um die dort lebenden „silvestres homines“ (so der Begleiter, Bischof Georg Golser) zum Widerstand gegen den erwarteten Feind und zur Zahlung der Türkenhilfe zu veranlassen630. In dieser angespannten Situation erfolgte der Inkunabeldruck zur Türkenfrage, in der Volkssprache abgefaßt, um so einen möglichst weiten Publikumskreis zu erreichen, darunter auch Analphabeten, wie die schon erwähnte Abbildung zeigt. Sie bestätigen einmal die Bedeutung, die einer „öffentlichen Diskussion“ des Türkenthemas beigemessen wurde, wie eng der Rahmen auch dann tatsächlich in der Praxis gezogen war631; zum anderen zeigen sie die neue Qualität des Vermittlungsprozesses anhand des Türkenproblems632. Dazu gehörten noch literarische Produkte von höherem Niveau. Zwischen dem 31. Mai und dem 16. Dezember 1470 hatte Raffaele Zovenzoni, ein „Frühhumanist“ aus Istrien und seit langem Hinderbach verbunden, ein „Carmen concitatorium ad principes christianos in Turcum“ geschrieben, gewidmet „Divo Ioanni Inderbaccho antistiti Tridentino“633. Er nahm das Gedicht in das dritte Buch der „Istrias“ auf, einer Gedichtsammlung, ebenfalls Hinderbach gewidmet634. Das „Carmen“ ist eine exhortatio traditionellen Typus’, mit dem klassischen Bezug auf die „Turcorum rabies, qua non est saevior ulla“, auf die saevi Turci und ihre moralische Verworfenheit (nefas, scelus). Die Ermahnung richtet sich an verschiedene europäische Fürsten, darunter auch Hinderbach, der besonders genannt und hervorgehoben wird. „In quibus ecce venit meus Inderbacchius heros atque Tridentinae praesul sanctissimus arcis, Bavariique duces quorum spectata per hostis dextera Teutunico meruit donarier auro“ (vv. 40-44). 630 Ebd., S. 255-256. Nach F.A. Sinnacher, dem Editor der Beyträge, VI, S. 598599, lautet die betreffende Briefstelle bei Golser wie folgt: „endlich habe ich diese rohe Leute (silvestres homines) durch Vorstellungen besiegt, dass sie nun alle zusammenlaufen, und zusammen steuern, und weil sie doch auf mich und den Herrn (Bischof) von Trient ihr Vertrauen setzen, uns das Geld übergeben, damit wir Anstalt treffen“. Zu Golsers weiteren Initiativen zur Türkenabwehr ebd., S. 598-624. 631 Vgl. W. Schulze, Reich und Türkengefahr, S. 33. 632 Vgl. auch die Beurteilung von Bessarions publizistischen Aktivitäten bei J. Hankins, Renaissance Crusaders, S. 116-117 und S. 120, Anm. 20. 633 B. Ziliotto, Raffaele Zovenzoni, Nr. 238, S. 142-147. 634 Über die Beziehungen Hinderbachs zu Zovenzoni, ebd., passim, und M. Cortesi, Il vescovo Johannes Hinderbach, S. 484-485.

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In die „Istrias“ nahm Zovenzoni ein anderes Gedicht über die Türken auf, das mit einem Appell an Friedrich endete, dieses Mal mit dem Titel: „Ad Christum“635. „perde Turcorum rabiem cruentam, perde cervices nimium superbas, perde vesanum genus impiumque Maumethicorum, qui tuas foede populantur urbes, vinciunt, vexant, feriunt, trucidant virginum stupris veneranda passim templa profanant“ (vv. 5-12).

Auch hier kehren die Topoi wieder, die von Anfang in der antitürkischen Publizistik vorhanden waren636 – sie erlauben wiederum, den Nährboden genauer zu fassen, von dem das Vokabular und die Geisteshaltung Hinderbachs herstammten. Das spezifische Interesse der carmina besteht freilich darin, daß beide Teile einer Hinderbach gewidmeten Gedichtsammlung waren: das erste wendet sich direkt an den Bischof von Trient und spielt möglicherweise auf seine kaiserliche Vermittlertätigkeit an. Die Drucke in der Volkssprache und Zovenzonis carmina lassen sich als Ausdruck einer vielfältigen Verwendung publizistischer Mittel im Kommunikationsprozeß gegenüber der türkischen Bedrohung auffassen637. Dadurch wurde ein ideologischer und rhetorisch-publizistischer Vorgang möglich gemacht, der ein in sich schon bedeutungsvolles politisches Geschehen in dem Maße stärker herausstellte, je weniger die Politik in der Realität die Erwartungen für eine konkrete Abwehr einlösen konnte638. Hinderbach übernahm diese Aufgabe in direkter und indirekter Weise: er fungierte als Sprachrohr für den Krieg gegen die Türken auf dem Reichstag von Wiener Neustadt 1460, auf dem in Rom neun Jahre später, schließlich auf dem in Regensburg im Jahre 1471; etwa um dieselbe Zeit förderte er die Einführung der Buchdruckkunst in Trient mit einer antitürkischen Komponente, wurde schließlich als Vorkämpfer gegen die Türken in der intellektuellen Propaganda gefeiert. Von diesem Hintergrund wird das Vorhandensein zweier „Tractatus de Turcis“ unter den Inkunabeln seiner Bibliothek verständlich. Der „Tractatus quidam de Turcis“639 ist das Werk eines anonymen Dominikaners, der um 1478 635 B. Ziliotto, Raffaele Zovenzoni, Nr. 239, S. 147-148. Danach geht das carmen auf das Jahr 1463 zurück. 636 Vgl. die Einzelheiten über den Fall von Konstantinopel bei Enea Silvio und Campano (zit. oben, S. 336-339). 637 D. Mertens, Europäischer Friede, S. 72. Vgl. F. Tateo, Chierici e feudatari, S. 2168 unter der Kapitelüberschrift: Letterati e guerrieri di fronte al pericolo turco. 638 D. Mertens, Europäischer Friede, S. 71, 75. 639 BCTn, inc. 189.

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schrieb und das Protokoll einer Disputation unter seinen Mitbrüdern über die Interpretation der Pseudo-Methodius-Prophetien zur Vorlage nimmt640: für die Zeit nicht ungewöhnlich, denn das Thema Türken ließ sich in die joachimitische Tradition und in andere Formen der Endzeitspekulation zu den jeweiligen Jahrhundertwenden einordnen641 – dazu kamen auch rein praktische Vorgaben, etwa den Predigern zu erklären, wie sie sich gegenüber den Gläubigen verhalten sollten642. Dementsprechend bestand der Traktat aus drei Teilen; die ersten elf Kapitel diskutierten sieben Prophetien über die „amarissima afflictio“ durch die Türken gegenüber der Kirche; die folgenden sieben brachten das Motiv und die Sünden, wegen denen Gott diese harte Prüfung der Kirche zugelassen habe, schließlich setzten die letzten zehn Kapitel die Dauer und das Ende der Türkenheimsuchung fest. Hinderbach versah das Werk mit umfangreichen Anmerkungen, möglicherweise nach mehrfacher, zeitlich verschobener Lektüre (wenigstens bis in die frühen 80er Jahre hinein), und bezog sich dabei auf die dort berichteten tatsächlichen Begebenheiten mit historischen, ethischen und theologischen Betrachtungen. Im folgenden soll auf diese Anmerkungen näher eingegangen werden, doch entgegen der bei Hinderbach vorgenommenen Reihenfolge, d.h. von der (erhofften) Niederlage der Türken, ihren näheren Umständen und vom erwarteten Retter der Christen her. Hinderbach teilt das Urteil des Autors darüber, daß die Christenheit nicht soviel Schaden genommen hätte, wenn der Kreuzzug ohne Verzögerung vorgenommen worden wäre; ebenfalls, daß die Christen sich nicht in wirksamer Weise an den bella fidei gegen die Ungläubigen beteiligt hätten, weil sie untereinander zerstritten waren643 – das Thema einer europäischen Friedensordnung, oft gefordert, doch nicht als moralische Verpflichtung allgemein anerkannt, auf sozialer und politischer Ebene innerhalb der westlichen Christenheit kaum zu erreichen644. Alle diese Schwierigkeiten hatte Hinderbach am eigenen Leib ohne greifbares Ergebnis auf den Reichstagen 640 BCTn, inc. 189, f. 8: „Incipit tractatus quidam de turcis … collectus diligenti discussione scripturarum a quibusdam fratribus predicatorum ordinis“. Der Disput fand 1474 statt, vgl. M. Reeves, The Influence of Prophecy, S. 335-337; G. Tognetti, Note sul profetismo, S. 130; R. Rusconi, ,Ex quodam antiquissimo libello‘, S. 161. 641 J. Hankins, Renaissance Crusaders, S. 142 ff. Auch Mehmed II. maß Prophezeiungen eine gewisse Bedeutung bei. Zur alten türkischen Prophetie eines „Paschah aller Türken“, der den Christen ihre Länder entreißen und den goldenen Apfel (eine Stadt ungewissen Namens) erobern sollte, F. Babinger, Mehmed II., S. 184185. 642 BCTn, inc. 189, f. 7: „quod hec materia multum valet pro predicatoribus verbi dei ut sciant quid habeant de turcis sentire erga populum“. 643 BCTn, inc. 189, f. 31. 644 D. Mertens, Europäischer Friede, S. 89.

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erfahren, die von ihrer Planung her europäische Kongresse waren645: „dieta dietam peperit“, dieser kennzeichnende Ausspruch Enea Silvios kehrt im Klagelied der ungarischen Gesandten von 1466 wieder646, möglicherweise brachten gerade diese Ernüchterungen während der Verhandlungen und den offiziellen Kongressen Hinderbach dazu, sich dem Urteil des Autors im „Tractatus“ anzuschließen, in einem ähnlichen Pessimismus bei der Einschätzung menschlicher Tatkraft: „Dies Unglück endet erst dann, wenn Gott will, und nicht durch menschliches Vermögen“ – das alles, um die Arroganz und den Übermut der Fürsten anzuprangern: „hac de causa ut confundat forcia et superbiam principum, que // iam maxime habundat in presenti calamitate, quod patet in eorum maxima cecitate tam amatissimam (sic) afflictionem ecclesie non aduertentes“.

An dieser Stelle verstärkt Hinderbach noch die ursprüngliche Vorlage und fügt neben dem Fürstentadel noch die desidia, die Behäbigkeit, der Fürsten ein, wie zur Bestätigung seiner Desillusionierung nach den diplomatischen Bemühungen647. Die angstvolle Teilnahme am dramatischen Geschehen, das er selbst erlebte, bringt ihn in den Anmerkungen am Rande doch zu einem optimistischen Ausblick, wie ihn der Traktat selbst auch vorgibt. Der Verfasser betont nämlich zum Schluß den vorläufigen Charakter des Türkischen Reiches, nur auf Gewalt begründet und zum Untergang verurteilt: „So wird mit Gottes Hilfe auch diese Zeit vorübergehen, und am Ende steht nicht nur der Untergang des Mohammedanerreiches, sondern ihrer gesamten Religion“. Diese optimistische Voraussage löst bei Hinderbach einen hoffnungsvollen Seufzer aus: „utinam istud verificetur, et quam(cit)ius!“648 und an anderer Stelle eine weitere Bekräftigung: „Da die Mohammedanersekte 800 Jahre nach ihrem Entstehen sicher untergehen wird (…), muß mit dem jetzigen Konflikt auch ihre Religion ganz verschwinden“ – hier wiederholt Hinderbach: „utinam et istud verificetur!“649. Auf derselben Ebene bewegt sich ein Zitat aus den Evangelien, das Hinderbach an den Rand einer Thomas von Aquin-Textstelle setzt: bei der Lektüre des Passus, daß „die lex evangelica bis zum Ende der Zeiten überleben werde“, fährt Hinderbach weiter fort: „Nach dem Wort Jesu: ‚Ich aber habe für Dich gebetet, daß dein Glaube 645 RTA, 19/1, S. 1 und D. Mertens, Europäischer Friede, S. 76 (für Regensburg und Frankfurt). Auch für den Reichstag von Regensburg 1471 sollte die Teilnehmerzahl über die Reichsstände hinausgehen (S. 77). 646 D. Mertens, Europäischer Friede, S. 78. 647 BCTn, inc. 189, ff. [39v]-[40]. Am Rande vermerkt Hinderbach ein vertikales Merkzeichen und fügt interlinear hinzu: „ac desidiam“. 648 BCTn, inc. 189, f. [33v]. Neben dem Passus wieder ein vertikales Merkzeichen. 649 BCTn, inc. 189, f. [34].

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nicht erlischt‘“ (Luk 22,32)650. Und so finden Glaube, Ermunterung und Utopie ihren Ausdruck. Die konkreten Hinweise auf den Retter des Abendlandes erregen Hinderbachs Neugier und Hoffnung („Wer ist derjenige, und wir werden ihn loben!“)651. Das geringe Vertrauen in den Kaiser, das aus dem Traktat hervorgeht, wird von ihm geteilt und in der Begründung des Alters und der bescheidenden kriegerischen Begabungen Friedrichs III. genauer gefaßt652. Dann bemerkt der Autor weiter, daß der Kaiser, obwohl persönlich rechtschaffen, bei der Verteidigung „seiner Herde“ nicht erfolgreich war, weil er sie nicht genügend gegen die Angriffe der Ungläubigen in Schutz genommen habe; auch mit diesem Urteil ist Hinderbach einverstanden, schränkt jedoch den in der Metaphorik vorgegebenen Inhalt ein – Friedrich III., so kommentiert er, verteidige „seine eigenen Länder und Provinzen nicht“653. Ebenso teilt er die Vorbehalte ihm gegenüber bei der Hilfe für die Kirche dahingehend, daß er mehr dem jungen Maximilian Vertrauen zu schenken scheint654. Gleichzeitig ist er aber geneigt, „seinen“ Kaiser in Schutz zu nehmen: bei Friedrich III. hätten sich „viele Voraussagen nicht bewahrheitet, und wenn doch, dann nur geringfügig oder gerade im Gegenteil“655. So reagiert er auch entschieden auf die Vermutung, daß der Sieger über die Türken der König von Ungarn, Matthias Korvinus, sein könne („unde per presentem regem ungarorum plures estimant terminari presentem afflitionem“); darauf fragt Hinderbach gereizt: „et quomodo id clero sperandum est, cum pacem cum moderno Thurcorum domino fecerat et imperatorem bello continuo (impugnat) ac persequitur?“656. Er zeigt also gegenüber seinem Kaiser eine hartnäckige Treue; gleichwohl ist er weit entfernt von der Rhetorik des Panegyrikums seiner Jugendjahre, das den Ruhm, die Weisheit, die Reife und Großzügigkeit eines Fürsten feierte, 650 „Ego pro te rogavi, Petre, ut non deficiat fides tua (etcetera)“ (Luk 22,32): BCTn, inc. 189, f. 34v. 651 BCTn, inc. 189, f. [35v]. 652 BCTn, inc. 189, f. [39v]. 653 BCTn, inc. 189, f. [40], am Rand Hinderbach eigenhändig: „idest terras et provintias suas patrimoniales“. 654 BCTn, inc. 189, f. [40v]. 655 BCTn, inc. 189, f. [40v]. Eine positive Einschätzung Friedrichs III. auch in einer späteren Inkunabel: BCTn, inc. 424, l. XXIV, cap. 26, wo Hinderbach im Zusammenhang mit Ludwig dem Frommen am Rand vermerkt: „sicut et (noster) imperator Fredericus tertius omnium clementissimus ac piisssimus et fere per omnia huic Ludovico equalis“. Zur Prophetie über den dritten Kaiser mit Namen Friedrich als deutschen „Antichrist“ steht eine neue Untersuchung von Franz Fuchs noch aus, bis dahin vgl. R. Rusconi, Anticristo e anticristi, S. 107, und die Bibliographie desselben: Il collezionismo profetico, S. 202, Anm. 9; H. Möhring, Der Weltkaiser der Endzeit, S. 248-253. 656 BCTn, inc. 189, f. [41].

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den er bis dahin wohl kaum in der alltägigen Regierungspraxis gekannt hatte, unbeschadet seiner engen Bindung an das Haus Habsburg als Dynastie. Mit seinen Voraussagen über den christlichen Triumphator und über das Ende der Verfolgung durch die Türken entspricht der Schlußteil des Traktats ganz den Anstrengungen, das antitürkische Gefühl zu kanalisieren und einen Mittelweg zwischen beiden Möglichkeiten, der eines komplizenhaften Friedensschlusses und einer fatalistischen Resignation, zu begehen: die Türken sollten zwar als kühn und mächtig beschrieben werden, aber nicht als unbesiegbar; neben der Furcht vor weiteren Niederlagen sollte auch genügend Raum für die Hoffnung auf einen Zusammenbruch des Feindes gegeben werden, sogar für eine mögliche Bekehrung657. Insgesamt gesehen, bleibt aber das von dem anonymen Dominikaner entworfene Gemälde eher düster und leidvoll: der angeschlagene Grundton ist jener der „amarissima afflictio ecclesie, prout a perfidis Turcis iam nostris in temporibus ipsa mater ecclesia affligitur“658. Die beiden vorausgehenden Teile des Traktats behandeln einmal die türkische Invasion als „große Strafe“ für das christliche Volk („magnum flagellum castigationis super populum christianum“659) – was im Zusammenhang mit der schon skizzierten allgemeinen Beschreibung des Türkenproblems gesehen werden muß, etwa im typisch eschatologischen Nexus: die Glaubenskrise und der mangelnde Gehorsam gegenüber den beiden höchsten Autoritäten, Kirche und Kaiser, waren die Zeichen des kommenden Antichrist, eine Lagebeurteilung, die Hinderbach insgesamt teilte und mit einem „verissimum istud“ zustimmt660. Das Bild des göttlichen Zornes, schon in seinem Rundschreiben besprochen, tritt auch beim Traktat in den Vordergrund: ein Karthäuser, der schon einige Offenbarungen erhalten hatte, erzählt von seinen Gebeten vor Christi Gericht „pro aversione ire sue ab ecclesia“ und vor der himmlichen Versammlung, um mit ihr zusammen Christus anzuflehen, „pro aversione ire Dei“661. Eine strenge Schuldauffassung, schon bei Hinderbach festgestellt, inspiriert den Hauptteil des Traktats über die Ursachen der göttlichen Strafe („de culpis et causis huius afflictionis“662), die auf eine ganz einfache Überzeugung zurückgeht: 657

D. Mertens, Europäischer Friede, S. 74. Vgl. J. Hankins, Renaissance Crusaders,

S. 120. BCTn, inc. 189, f. [8]. BCTn, inc. 189, f. [12]. 660 BCTn, inc. 189, f. [12v]. 661 BCTn, inc. 189, f. [14]. Über die Anwendung eschatologischer Momente als Androhung göttlicher Strafe für menschliche Schuld vgl. R. Rusconi, Il presente e il futuro della Chiesa, S. 133. 662 BCTn, inc. 189, f. [8]. Zur Unerbittlichkeit des gerecht urteilenden Weltenrichters Christus: Chr. Burger, Die Erwartung, S. 114 ff., der aber durchaus das Element der 658 659

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Die Kirche befindet sich deshalb in großer Not, weil ihre Mitglieder wegen ihrer Sünden bestraft werden („Quod quia ecclesia gravissime affligitur, ideo propter gravissima vicia punitur“663). Auch diese Auffassung zeigt sich im schon zitierten Passus über Offenbarungen des Karthäusers, dem, noch ganz unter dem Eindruck seiner Schreckensvisionen, Christus unerbittlich antwortet, daß „iuxta mensuram emendationis fieret et mensura castigationis“664. Die harten Worte trafen auch Hinderbach bis ins Mark, der sie mit einem Kreuzchen kennzeichnet und dazu notiert: „miranda verba“. Der göttliche Zorn wurde vom anonymen Autor in einem apokalyptischen Zusammenhang gesehen, was seine Aufmerksamkeit erregte; er schreibt am Rand die wichtigsten Begriffe heraus und unterstreicht damit ihren düsteren Gehalt. Nüchterner dagegen ist seine Reaktion gegenüber den Sünden, die nach dem Traktat den göttliche Zorn entfesselt haben, d.h. die Sünde „gegen die Natur“665, die unwürdige Feier und den Empfang der Eucharistie666, die er als zwei „sehr schwere Verfehlungen“ zur Kenntnis nimmt und mit Namen bezeichnet, dazu mit einem vertikalen Merkzeichen versehen667. Auch der zweite Traktat in Hinderbachs Besitz war das Werk eines Dominikaners, dieses Mal identifizierbar, nämlich Georgs von Ungarn, bekannt als der sogenannte Gefangene von Siebenbürgen. Dort war Georg 1438 in die Hand der Türken gefallen und hatte lange bei ihnen gelebt, um schließlich nach seiner Befreiung in den Dominikanerorden einzutreten. Der letzte Editor seines „Tractatus“, R. Klockow, hat die Niederschrift um das Jahr 1480 angesetzt, also nach der Eroberung Otrantos durch Mehmed II. und im Zusammenhang mit dem großen Schock für das Abendland wegen der Erwartung einer weiteren Offensive in Italien für den Anfang des folgenden Jahres. Der Druck erfolgte dann im Sommer 1481 in Rom durch Johannes Theotonicus, der mit denselben Typen eine Rede Juans de Margarit gedruckt hatte, Bischof von Gerona und Gesandter des Königs von Aragon an der Barmherzigkeit z.B. bei Paltz nicht übergeht, vgl. B. Hamm, Wollen und NichtKönnen, S. 125. Er betont die „Dynamik einer hoffnungsstärkenden Gegenströmung im Zeitraum 1480 bis 1520“ (S. 126, Anm. 51, vgl. auch S. 144-145). 663 BCTn, inc. 189, f. [6v]. Vgl. A. Angenendt, „Deus qui nullum peccatum impunitum dimittit“. 664 BCTn, inc. 189, f. [14]. 665 BCTn, inc. 189, f. [6] („III. Quod signanter propter vicia contra naturam affligitur“) und f. 25. 666 BCTn, inc. 189, f. [6] „VI. Quomodo propter indignas sumptiones eucaristie sacramenti etiam affligitur“. 667 BCTn, inc. 189, f. [25]: „duo sunt vicia, videlicet contra naturam et indigna illa pertractatio divinissimi eukaristie sacramenti que in cottidiana cellebratione missarum q sine numero committitur“. Der Begriff „contra naturam“ ist von Hinderbach unterstrichen. Vgl. oben, S. 249 f.

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Kurie668. Diese Arbeit war ihm von Giovanni Filippo Dal Legname aufgetragen worden, dem umtriebigen Verleger aus Messina, auch Diplomat und Vertrauensperson Sixtus’ IV., der nach Klockow Georg von Ungarn zur Niederschrift bewogen haben könnte. Nicht genau bekannt ist, wie Hinderbach in den Besitz eines Exemplars gelangte: seine Beziehungen nach Rom bieten sich als mögliche Übermittlungswege an – auch nach der Wahl zum Bischof von Trient bestand Verbindung mit jenen Kreisen an der Kurie669, die sich für die Verbreitung des Buchdrucks Anfang der 60ger Jahre des 15. Jahrhunderts einsetzten. Im Falle Del Legnames kann von einer Beziehung zu Hinderbach ausgegangen werden, mindestens in indirekter Weise: auf ihrer Reise nach Regensburg zum Reichstag im Jahre 1471 hielten sich Kardinal Todeschini-Piccolomini und sein Sekretär Giovannantonio Campano für drei Tage in Trient auf670; unmittelbar vorher hatte sich Campano um den Druck mehrerer Klassiker gerade bei Dal Legname bemüht; derselbe sollte eben für Todeschini-Piccolomini nach seiner Rückkehr aus Deutschland auch den Druck des „De curialium miseriis“ seines verstorbenen Onkels Pius’ II. mit einem dem Kardinal gewidmeten Vorwort übernehmen671. Gerade in jenen Jahren fertigte der Drucker aus Messina auch verschiedene Werke mit antitürkischem Inhalt an: die Rede Bernardos Giustinian (Hinderbach bekannt)672, die fälschlich Mehmed zugeschriebenen Briefe des Laudivio Zacchia und der Brief Papst Pius’ II. an Mehmed673 sind Titel, die wiedergeben „la centralità del tema della crociata nei primi anni del pontificato sistino“674. Und als wenig später, 1481/82, Dal Legname den eigenhändigen Buchdruck wiederaufnahm, kehrte er zu genau dieser Thematik zurück: die schon erwähnte Rede Juans de Margarit vor dem Senat in Venedig stellte noch einmal die Notwendigkeit einer gemeinsamer Anstrengung zur Vetreibung der Türken heraus675. Dieses ganze Umfeld muß in Betracht gezogen werden, um die Verbindungen einzukreisen, mit Hilfe derer Hinderbach Georgius de Hungaria, Tractatus de moribus, S. 30-31, 46-48. Vgl. D. Rando, Fra Vienna e Roma, S. 311-312 und S. 309. 670 Hinderbach ging ihnen bis vor die Stadt entgegen und empfing sie „benigne“: I. Ph. Dengel, Eine Beschreibung, S. 218-219. 671 P. Farenga, Le prefazioni alle edizioni romane di Giovanni Filippo De Lignamine, S. 136-138, 142, 167, 169. 672 ÖNB, CVP, ser. nov. 2960, f. 105v, am Rand Hinderbach neben Giustinian: „doctor et miles“. 673 L. D’Ascia, Il Corano e la tiara; Epistola ad Mahumetem. 674 P. Farenga, Le prefazioni alle edizioni romane di Giovanni Filippo De Lignamine, S. 149, Anm. 37, wo auch die Rede Giustinians vor Sixtus IV. im Namen Venedigs behandelt ist: sie betont die Notwendigkeit eines päpstlichen Eingriffs für den europäischen Frieden und ruft zum gemeinsamen Handeln gegen die Türken auf. Zur Übersicht von Dal Legnames Ausgaben vgl. ebd., S. 168, 170. 675 Ebd., S. 159-160 und Anm. 63. 668 669

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Kontakt zu den Anfängen des Buchdrucks in Rom erhielt, durch ein ihn bis in die letzten Lebensjahre besonders beschäftigendes Thema. So war auch der Traktat Georgs von Ungarn von der Überzeugung geprägt, daß das Ende der Zeiten nahe sei, und er suchte Bestätigung für diese These bei den Prophezeiungen der Bibel, vor allen Dingen der Apokalypse676. In der Gegenwart sind die Zeichen des kommenden Endes abzusehen677, darunter der moralische Niedergang678 und das Vorrücken der Türken: „Sed inter hec omnia illa cruenta bestia sectam dico turcorum nos multum sollicitare deberet, cuius continuum augmentum, assiduitas preliorum et persecutionum, diuturnitas durationis non aliud quam aliquod grande discrimen et scandalum tribulationesque et miserias extremas denunciat“679.

Das apokalyptische Bild- und Wortarsenal ist hier voll ausgenutzt, und der Autor verbindet die Ankunft der Türken mit dem Kommen des Antichrist: „Et ex nunc intravit ille novus et spiritualis mechometus nuncius antecristi (…)“680. Auf die rhetorische Frage: „(…) vel forte non videmus illam cruentissimam beluam inimicum crucis Christi draconem crudelissimum, sectam dico et catervam turchorum infidelissimorum, demolitis cunctis partibus orientalibus (…)?“, reagiert Hinderbach mit einem vertikalen Merkzeichen und der Anmerkung: „Thurcus draconi comparatus“681. Die secta turcorum ist die „Gegenkirche“, die Kirche des Antichrist, ein Ausdruck, den er sorgfältig unterstreicht: „Nunc demum vide quomodo ecclesia antechristi per omnia similitudinem tenet ecclesie christi, licet perverso modo“682. Georg von Ungarn vermeidet aber die zeitübliche Identifizierung des Antichrist mit Mehmed; für ihn ist der türkische Sultan nur der Vorbote, ein neuer, geistlicher Mohamed, der seine beachtlichen Erfolge nicht mit den Waffen, sondern mit den Mitteln der Verführung erreiche. Bei ihm entsprechen die Türken den Pseudo-Propheten der Bibel, die das Ende der Welt ankündigen und mit ihren Zeichen sogar die Auserwählten in Versuchung bringen. Hinderbach glossierte nicht (und las wohl auch nicht?) den gesamten Traktat in seinem Besitz – die letzten Seiten sind nicht erhalten –, sondern beschränkte sich auf die ersten drei Kapitel (insgesamt 5 Inkunabelseiten). Von ihnen und von der Vorrede her läßt sich die theologische Meinung des Autors hinreichend feststellen, die Hinderbachs Aufmerksamkeit und 676 677 678 679 680 681 682

BCTn, BCTn, BCTn, BCTn, BCTn, BCTn, BCTn,

inc. inc. inc. inc. inc. inc. inc.

576. 576, 576, 576, 576, 576, 576,

f. f. f. f. f. f.

4. 4. 4-4v. 3v und vgl. f. 1. 1. Zu den Apokalypsezitaten vgl. f. 4. 4 (ecclesia antechristi unterstrichen).

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Zustimmung findet mit seinen Unterstreichungen und Glossen einzelner Textpassagen. Für die restlichen zwanzig Kapitel fehlen Anmerkungen dieser Art, auch diejenigen zu türkischer Landes- und Völkerkunde (Kap. 9-15), in denen sich Georgs Sympathie für orientalische Lebensweise deutlich äußert bis hin zu offener Bewunderung – gerade die Kapitel, die authentische, neue Auskünfte brachten, das bestehende Stereotyp des Türken hätten abändern und so Hinderbach die Türken als Einzelpersonen näherbringen können. Zusammenfassend stimmten die beiden Traktate de Turcis aus Hinderbachs Besitz in der Kritik der Kirche und des Verhaltens der Zeitgenossen überein, in einer Gesamtsituation beherrscht von der Ankunft des Antichrist und vom Ende der Zeiten. Sie sind gezeichnet von apokalyptischen Einzelheiten der antitürkischen Propaganda, die auch Hinderbach pflegte und aufnahm. So ist die Gleichstellung des „Türken“ mit dem Ungeheuer der Apokalypse, das Hinderbach am Rand einer Inkunabel 1482 herausstellt683, genau für die Jahre datierbar, in denen er den zweiten Traktat las und möglicherweise den ersten von neuem zur Hand nahm. Diese Parallele mit dem Roten Drachen der Apokalypse (Apc 12,3 f.) und dem Vorläufer des Antichrist hatte berühmte Vorgänger684: die große Bulle Nikolaus’ V. von 1453, die drei Monate nach dem Eintreffen der Nachricht vom Fall Konstantinopels den Kreuzzug verkündet hatte, nahm das Bild vom Roten Drachen der Apokalypse auf und sprach von Mehmed II. als dem „prenuntius antichristi“685. Diese Gleichstellung fand sich ebenfalls auf einem Flugblatt, dessen Text auch 1453 in Rom verfaßt ist und die Schreckensszenen bei der Eroberung der Stadt vor Augen führt686; zehn Jahre später erwähnt Pius II. in einer Bulle die Prophezeiung des Propheten Ezechiel und sprach von Mehmed als „immanis draco“687. Diese Anspielungen auf die Apokalypse nahmen in den beiden Traktaten eine neue Dichte gegenüber einem alten Thema an, das durch die Landung in Süditalien von 1480 plötzlich neue Aktualität erhielt. 683 BCTn, inc. 275. Lateinische Übersetzung des „Contra gentiles“ des Athanasius von Ognibene da Lonigo, der auch das Vorwort an Paul II. geschrieben hat. Die Inkunabel ist als erste Druckausgabe des Kirchenvaters Athanasius von Bedeutung, auch wenn in lateinischer Übersetzung abgefaßt. Hinderbach kannte Ognibene seit dem Studium in Padua in den 40er Jahren; auch nachher bewegten sich beide im selben intellektuellen Milieu (Bessarion, Biondo, Zovenzoni): Chr. Leitner, Ognobene Bonisoli, S. 11, 40, 55-58, 64. 684 E. Meuthen, Der Fall von Konstantinopel, S. 44. 685 Ebd. Über den Antichrist und seine Identifizierung mit Mehmed vgl. R. Rusconi, L’escatologia, S. 83-84 und ders., Anticristo, S. 112-113. 686 C. Göllner, Turcica, Bd. 3, S. 22. 687 Über die Bulle „Ezechielis“, J. Helmrath, Pius II. und die Türken, S. 97. Vgl. U. Andermann, Geschichtsdeutung und Prophetie, S. 36.

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Die fortschreitende Expansion vermittelte das Gefühl einer Krise, die das Ende der Zeiten heraufbrachte und die Vorahnung für das bevorstehende Jüngste Gericht verschärfte688. Die Juden Am 26. März 1475 wurde in einem Wassergraben im unteren Teil des Hauses eines Juden mit Namen Samuel in Trient der Leichnam eines kleinen Jungen namens Simon gefunden, der einige Tage vorher verschwunden war. Die Lokalbehörden machten die jüdische Gemeinde für seine Entführung und seinen Tod verantwortlich und klagten sie formal des Ritualmordes aus Christenhaß an. Auf Grund von eher fragwürdigen Beweisen und durch Folter erpreßten Geständnissen kam es zu Prozeß und Schuldspruch: zwei Juden, die sich in extremis zum Christentum bekehrt hatten, wurden enthauptet, die anderen dem Scheiterhaufen überantwortet, die Güter aller eingezogen. Das Verfahren fand ein weitreichendes Echo, einen Monat nach dem Vollzug der Strafen (21. und 23. Juni) ernannte Sixtus IV. zur Untersuchung des Vorganges und des Prozesses einen Beauftragten, den Dominikaner Battista de’ Giudici. Er traf im September in Trient ein und stieß dort auf Hinderbachs Widerstand und Ablehnung in der Bevölkerung: inzwischen hatte sich die Überzeugung verbreitet, der kleine Simon wäre ein Märtyrer als christliches Opfer durch den Judenhaß und solle wie ein Heiliger verehrt werden. Die Erregung in der Bevölkerung ging so weit, daß de’ Giudici gezwungen war, den Tagungsort seiner offiziellen Untersuchung ins benachbarte Rovereto zu verlegen, wo er auf venezianischem Territorium keine unmittelbare Beeinflussung zu befürchten hatte. Dort nahm er auch die Bitten der offiziellen Verteidiger der Juden auf und neue Beweismittel, die für eine Wiedereröffnung des Prozesses sprachen. Schließlich kehrte er nach Rom zurück, überzeugt von der Unschuld der Angeklagten und einem Komplott zu ihrem Schaden. Auf Grund seines Berichts setzte Sixtus IV. eine Kardinalskommission ein, die das Verfahren von Neuem untersuchen und seine Legalität entscheiden sollte. Dagegen setzte Hinderbach seine Freunde an der Kurie in Bewegung, spannte Intellektuelle, Juristen und Theologen ein und gab so den Auftakt für einen Propagandafeldzug zugunsten der korrekten Durchführung in Trient und zur Kanonisierung des angeblichen Märtyrers. Doch gegen Ende der Kommissionsarbeiten im Jahre 1478 vermieden die Kardinäle eine eindeutige Stellungnahme (weder zur Schuld der Juden noch zum Martyrium des kleinen Simon), bestätigten aber die formale Korrektheit des Prozesses in Trient. Auch in den folgenden Jahren blieb die offizielle Anerkennung der Heiligkeit verwehrt, und Hinderbach starb, ohne einen endgültigen Durchbruch in dieser Frage erleben zu können; sein Name bleibt jedoch für immer mit dieser düsteren Angelegenheit verbunden.

Katherine Walsh hat das antijüdische Klima in Wien für die ersten Lebensjahre Hinderbachs nachzuzeichnen versucht, das durch die Erinnerung an 688 U. Andermann, Geschichtsdeutung und Prophetie, S. 29, 34-36 und passim. Zur Angst vor einer türkischen Invasion als ein charakteristisches Element der Prophetieliteratur in der Zeit nach 1453 R. Rusconi, Il collezionismo profetico, S. 189.

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die G’serah geprägt war, die Vernichtung der jüdischen Gemeinde unter dem Vorwand eines Komplotts mit den Hussiten (1421)689. Diese Stimmung zeigte sich auch an der Universität und bei Hof: nach verschiedenen Versionen des Berichts der G’serah habe Herzog Albrecht V. (II. als späterer König der Römer) geschworen, sich an den Juden wegen Unterstützung der „Ketzer“ zu rächen; diese Unterstellungen wären auch an der theologischen Fakultät geteilt worden690 – Hinderbach selbst war gegenüber den Hussiten unerbittlich691 und sollte Albrecht II. als „größten Feind der Feinde des Glaubens“ feiern692. Wenn Spannungen dieser Art in Stadt, Universität und Hof bestanden, bewegten sie möglicherweise auch Hinderbachs eigene Familie; dafür spricht ein nach Walsh nicht zu unterschätzender Hintergrund. Hinderbachs berühmter Vorfahr Heinrich von Langenstein hatte sich schon länger mit Gedankengut und Lebenswirklichkeit der Juden auseinandergesetzt und war in den letzten Lebensjahren an der Universität Wien zu einer größeren Skepsis gegenüber dem Dialog mit Juden gelangt: mit ihnen sei jede Diskussion über die Grundlagen der göttlichen Offenbarung unmöglich693. Diese eher auf das Grundsätzliche und auf einen weiteren Rahmen abzielende Gedankenführung von Katherine Walsh wird so nicht von Wolfgang Treue geteilt: er leitete Hinderbachs antjüdische Haltung eher aus den aktuellen Umständen als aus einem allgemeinen Vorurteil her, nämlich der schon erwähnten Judenprozeßfolge in Trient, die im Jahre 1475 begann694. Zahlreiche Einzelhinweise aus seinen Glossen zeigen nun aber eine Abneigung gegenüber Juden, die der Entwicklung von 1475 zeitlich vorausgehen, also eher den von Walsh eingeschlagenen Untersuchungsweg bestätigen. Sie beziehen sich nicht auf Hinderbachs Zeit in Wien, für die nun die bereits schon von Walsh angeführten Überlegungen weiter gelten, sondern sie lassen sich aus den schon erwähnten recollecta für die Studienzeit in Padua heranziehen: dort lagen die Verhältnisse sicher anders als in Wien, ohne die durch die hussitische Bedrohung verschärften Spannungen; dazu kam das 689 K. Walsh, Eredità tardomedioevale, S. 53-54. Vgl. auch ihre sorgfältige Glossenanalyse bei der Inkunabel des Nikolaus von Lyra: dies., Nikolaus von Lyra, S. 699-705. Weitere Literatur: dies., Professors in the Parish Pulpit, S. 105, Anm. 110. 690 K. Walsh, Eredità tardomedioevale, S. 53. Hinderbach selbst berichtet auch vom konspirativen Zusammenwirken zwischen Juden und Hussiten bei der Vergiftung des jungen Ladislaus’: ASTn, APV, sez. lat., capsa 69, Nr. 195, f. 3v. 691 Vgl. BCTn, ms W 109, f. 158-158v. 692 „Inimicorum fidei capitalis inimicus“ (BCTn, ms 1589, f. 248). 693 M.H. Shank, „Unless You Believe, You Shall Not Understand“, S. 155-169. Hinderbach bezieht sich oft auf seinen Vorfahren, um die Heiligsprechung von Kindermärtyrern wie des kleinen Simon argumentativ zu stützen (ASTn, APV, sez. lat., capsa 69, Nr. 110). 694 W. Treue, Der Trienter Judenprozeß, S. 195.

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doch weitgehend „kosmopolitische“ Milieu der Universität695, das z.B. eine Polemik zwischen dem Juristen Angelo da Castro696, Hinderbachs Lehrer, und einem religiösen Eiferer wie dem Prediger Giovanni da Capestrano in den 50er Jahren des 15. Jahrhunderts zuließ. Beim Studium in Padua beschäftigte sich Hinderbach unter anderem auch mit dem Rechtsstatus der Juden. In seinen Notizen verzeichnete er an mehreren Stellen, daß sie dem weltlichen Gesetz unterworfen seien; beim Kommentar zu einigen Dekretalen, besonders zu dem des V. Buches unter der Rubrica „De judeis et saracenis“697 vermerkt er die verschiedenen Verbote für Juden: sie durften nicht gegen einen Christ zeugen698, weiter allgemein kein Zeugnis leisten, wenn nicht durch zwei zuverlässige (= christliche) Zeugen699; sie durften keine christlichen Diener oder Ammen haben700, ebenfalls keine Christen oder Christin heiraten701; sie mußten Kleidung tragen, die sie deutlich abhob702; sie durften sich nicht am Karfreitag in der Öffentlichkeit zeigen703, ebenso keine öffentliche Ämter bekleiden und öffentliche Rechte wahrnehmen, mit Ausnahme durch einen Christen, dessen Unbescholtenheit feststand704. Sie unterstanden der weltlichen Gerichtsbarkeit, falls sie einen Kleriker umbrachten705; sie konnten alte Synagogen wiederaufbauen, aber 695 Die Stadt, „centro di studi e di una complessa convivenza di carattere cosmopolitico, era destinata naturalmente a essere il cuore della elaborazione e della diffusione di posizioni contrastanti sul prestito ebraico e sul rapporto fra ebrei e cristiani“: D. Quaglioni, Fra tolleranza e persecuzione, S. 660. Im weiteren Umfang das ganze Kapitel („Il Veneto come crocevia delle dispute antigiudaiche nel secolo XV“). Über das Paduaner Studium als eines der wenigen, in denen Juden nicht nur studieren, sondern auch lehren konnten, M.J. Wenninger, Zur Promotion jüdischer Ärzte, S. 418. Weiter D. Quaglioni, „Orta est disputatio“, S. 255 ff. über die Möglichkeit für Juden, das Doktorat zu erwerben, und S. 261 zu Padua. Vgl. auch A. Esposito, Lo stereotipo, S. 54-55. 696 D. Quaglioni, Fra tolleranza e persecuzione, S. 661-667 und nun K. Stow, Jewish Dogs, S. 153-155. Über Kapistran H. Angiolini, Giovanni da Capestrano, S. 744759. 697 BCTn, ms 1561, f. 185-193. Über die Gesetzgebung zusammenhängend, D. Quaglioni, Fra tolleranza e persecuzione, S. 651-656 und ders., „Orta est disputatio“, S. 253 ff. 698 BCTn, ms 1560, f. 379. 699 BCTn, ms 1560, f. 380. 700 BCTn, ms 1561, f. 188, f. 290. 701 BCTn, ms 1561, f. 291. 702 BCTn, ms 1561, f. 291. 703 BCTn, ms 1561, f. 291. 704 BCTn, ms 1561, f. 291. 705 BCTn, ms 1561, f. 291.

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keine neuen errichten706. Aus den Vorlesungen in Padua erfuhr Hinderbach auch, daß Christen Strafen anheimfielen, falls sie im Konkubinat mit einem jüdischen Partner lebten oder in seinem Dienst standen707; demgegenüber war Christen verboten, jüdische Kinder zwangszutaufen, Juden ohne Gerichtsurteil zu berauben oder zu bestrafen, ihre Feste zu stören708, ihre Friedhöfe zu schänden oder sterbliche Überreste zu exhumieren709. Die Gesamtheit dieser Vorschriften brachte für die jüdische Gemeinschaft einerseits eine Ghetto-Situation, andererseits sicherte sie ihr eine begrenzte, doch rechtlich garantierte Freiheit innerhalb eines Zusammenlebens, das ein gewisses Maß an Duldung schuf, einen Status zwischen tolerantia und gravamina710. Gegenüber dieser Lehre der Dekretalen verhielten sich die Kommentare der Lektoren Hinderbachs weitgehend ohne spezielle, persönliche Akzentuierung – Leonardo Bazioli, Lektor des V. Buches der Dekretalen und der schon zitierten „Rubrica de judeis“, brachte sicher nicht soviel von seiner Persönlichkeit in seine Vorlesungen ein wie ein Lehrer von der Statur Rosellis711. Baziolis Vorlesung widerspiegelt sich in Hinderbachs Haltung, der bei ihm nicht besonders angeregt worden zu sein scheint, seine Vorlesungen überhaupt mit kommentierenden Glossen zu versehen. Möglicherweise sind aber doch kleinere Hinweise vorhanden, um die Grundhaltung der Lehrenden und des Rezipienten zu erläutern, z.B. bei der rubrica „De crimine falsi“. Um das Gefühl der Studenten für Urkundenechtheit zu verfeinern, führte die Vorlesung Charakteristika der intitulatio bei Papstbriefen auf, darunter den Gebrauch des Appellativs fratres für die Bischofsanrede und des Appellativs filii für die übrigen Adressaten. Am Rand jedoch erscheint ein Hinweis, vielleicht von Hinderbach selbst: unter „Söhne“ seien zu verstehen „die Getauften und die Gläubigen, denn ein Jude wird nicht Sohn genannt, sondern Feind“. „Item nota quod papa omnibus inferioribus scribit filiis et eos vocat filios (…)“, und am Rand: „intellige baptizatis et fidelibus, quia iudeum non vocari filium sed hostem“712.

„Jude“ wird hier mit „Feind“ gleichgesetzt; diese Überzeugung erscheint von Neuem in der rubrica „De judeis et saracenis“, wo der Einwand diskutiert wird, inwieweit jüdische Gräber zerstört werden dürften, da sie „Feinde BCTn, ms 1561, f. 185. BCTn, ms 1561, f. 188. 708 BCTn, ms 1561, f. 188. 709 BCTn, ms 1561, f. 188. 710 So D. Quaglioni, Fra tolleranza e persecuzione, S. 652. 711 Die Belege für seine Lehrtätigkeit in Padua bei: Acta graduum, Bd. 1/2, sub voce Basiolis. 712 BCTn, ms 1561, f. 248. 706 707

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unseres Glaubens seien“. Ihm ist folgende Ansicht der Glossa entgegengesetzt: obwohl die Juden „in veritate“ Feinde seien, sollen sie doch „propter tolerantiam et humanitatem“ des christlichen Glaubens nicht als solche behandelt werden. „In vocabulo ,cimiterium‘ opponitur de hoc, quod licitum sit iudeorum sepulchra invadere ex quo sunt hostes fidei nostre, quia sepulchra hosti//um non sunt religiosa ut l. sepulch. ff. De sepul. Dicit glo. et bene quod licet iudei in veritate sint hostes, tamen propter tolleranciam et humanitatem fidei christiane non tractantur sicud hostes“713.

Also, Feinde, noch mehr, servi. Diese Begründung geht auf Innozenz III. zurück (seine berühmte Dekretale „Etsi judeo“, C.13, D X,5,V 6)714 und kehrt mehrmals in Baziolis Kommentar wieder. Christinnen dürfen nicht Ammen für jüdische Säuglinge sein, Christen im allgemeinen nicht in jüdischem Dienst stehen, eher im Gegenteil: Juden sollten vielmehr Christen untertan sein, da Christen frei seien715; denn Christi Tod habe die Christen frei und die Juden zu Knechten gemacht. Dieselbe Überzeugung spricht aus dem Verbot, gegen Christen zu zeugen („Nota hic quod iudei subiecti sunt et esse debent christianis et dic secundum Inno. ut servi“716). Ähnliches gilt für die Diskussion zur Dekretale über das jüdische Recht, alte Synagogen wiederherzustellen; auch hier erscheint die Lehrmeinung, daß der Tod Christi die Juden „de iure“ zur Knechtschaft verdammt habe („verum dicunt doctores quod mors Christi eos servituti subiecit de iure“717). Zur Möglichkeit, renitente Judenkinder zu taufen, führten einige Gelehrte eben diesen minderwertigen juristischen Status an: Juden besäßen keine väterliche Gewalt über ihre Kinder, da sie selbst den Christen untertan wären; aus diesem Grund hätten die Christen als domini das Recht, Juden dem christlichen Glauben zu unterwerfen, ebenso wie sie zu verkaufen oder zu verschenken718. Diese Art der Beweisführung war nicht abstrakt oder phantastisch, von einem einzelnen Fanatiker ausgebrütet, denn der Lektor leitete sie im Gegenteil aus einem präzisem Vorfall in seiner Gegenwart ab: nach BCTn, ms 1561, ff. 188-189. Vgl. D. Quaglioni, Fra tolleranza e persecuzione, S. 655. Diese Dekretale wurde dann von Giovanni Antonio Guaschetta in einem consilium wiederaufgenommen, das auch beim Prozeß gegen die Juden in Trient Verwendung fand: D. Quaglioni, Giustizia criminale, S. 402 (über den Verfasser ebd., S. 401). 715 BCTn, ms 1561, f. 290: „sed pocius e converso, eo quod iudei sunt servi christianorum, christiani autem sunt liberi, racio qu(od) christianos mors Christi liberos, iudeos autem servos efficit“. 716 BCTn, ms 1560, f. 379. 717 BCTn, ms 1561, f. 188. 718 „Alii tamen dicunt quod cum iudei in filios suos non habeant potestatem ex quo sunt servi christianorum …“ (BCTn, ms 1561, f. 188). 713 714

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langer Diskussion wurde in Padua schließlich beschlossen, jene Judenkinder zur Taufe zuzulassen, die schon die „Fähigkeit der Unterscheidung“ besaßen und verstehen konnten, was das Böse sei („capax doli“)719, wenngleich deren Eltern dagegen waren. Und weiter: der Jude ist von Grund auf falsch, deswegen das Verbot, gegen Christen zu zeugen720; Jude sein bedeutet Verhöhner Christi zu sein: „Nicht zulässig ist, daß ein Verhöhner Christi denjenigen im Dienst hat, den Christus erlöst hat“721. Diese Auffassung wird noch bestätigt: „Absurd ist, daß der Verhöhner Christi Zwangsgewalt gegenüber Christen ausübt, weil Juden oder andere Ungläubige keine ‚potestas ex officio‘ über die Christen haben dürfen“722. Zur geistlichen Verwandtschaft und der Möglichkeit einer Verbindung dieser Art mit einem Juden erscheint der Einwand, daß die Beschneidung nichts Geistliches habe, von daher nicht zu einer cognatio führe; wenn ein Jude ein Christenkind aus der Taufe hebe, könne er genau aus diesem Grund nicht mit ihm in eine geistliche Verwandtschaft treten: nach Johannes Andreae hafte dem Juden eine generelle incapacitas in bezug auf die spiritualitas an („quia ex parte iudei est incapacitas spiritualitatis“). Diese Überzeugung wird von Zocchi geteilt mit einer Präzisierung: für Christen bestehe immer die geistliche cognatio, und so gälte auch das Eheverbot mit dem Juden, auch wenn dieser zum Christentum überträte723. Nach den Dekretalen war weiter das Zusammenleben von Christen und Juden verboten, weil einfache Leute keine Hinwendung zur perfidia et super719 Dieselbe Haltung nahm 1478 der Kanonist Giovanni Francesco Pavini in Padua ein, um den apostolischen Kommissar Battista de’ Giudici in die Schranken zu weisen: dieser wollte die Söhne der in Trient abgeurteilten und eingekerkerten Juden nicht taufen. Pavini kannte Hinderbach schon seit der Studienzeit in Padua, wo er wie Hinderbach das Decretum gelesen hatte, und schließlich am Ende der Fünfziger Jahre als Rotaauditor an die Kurie gewechselt war. Auch die „servitus perpetua“ der Juden wurde unter Bezugnahme auf die Dekretale Innozenz’ III. weidlich ausgenutzt von einem Juristen in Trient aus Hinderbachs Umgebung: D. Quaglioni, Gli ebrei nella letteratura giuridica, S. 669-670 und ders., Il processo di Trento, S. 25-29. Zur Zwangstaufe von Judenkindern R. Po-Chia Hsia, The Myth of Ritual Murder, S. 112-114. 720 „Item nota (…) quod iudei non possunt testificari contra christianum licet aliquando de facto id fiat, et male secundum Hos. Et racio (…)“, am Rand: „et est ista, quod iudeus est falsus ipsi (Christo), non presumitur ergo (quod) rectus et iustus in respectu nostri Christo et Christianis. Et ibi etiam in glo. vide (…) et ita: quod in iudiciis se(quen)da est paritas dic ut ibi (…)“ (BCTn, ms 1560, f. 379). 721 BCTn, ms 1561, f. 185: „nota tex. quod nephas est ut blaspheus (korrigiert aus plasphemus) Christi (eum habeat) in servitutis vinculis, quem Christus redemit“. 722 BCTn, ms 1561, f. 192. 723 BCTn, ms 1561, f. 38. Zur Gegenüberstellung jüdischer carnalitas und christlicher spiritualitas vgl. A. Esposito, Lo stereotipo, S. 54 und Anm. 3, mit Literatur.

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stitio der Juden entwickeln und auch nicht dazu verführt werden sollten („ne videlicet simplicium anime ad eorum perfidiam et supersticionem inclinent et inducantur“)724. Das Adjektiv perfidus725, um die Juden auszugrenzen, erscheint in einer Randglosse, die von Hinderbach selbst stammen könnte: er zitiert zwei Vorlagen, auf die sich die perfidi Iudei berufen, um Wucher zu rechtfertigen726. Die Auffassung gewisser Duldung als eher gnädiges Zugeständnis an eine Minorität, gegenüber der ein Gefühl der Überlegenheit bestand (wie der Wortgebrauch wir/sie zeigt), erhellt aus dem weiteren Inhalt derselben Glosse: „Sie sagen, daß wir ihr ,Feind‘ sind, und nicht ihre Brüder, aber genau das Gegenteil ist wahr, denn wir dulden sie in unserem Umfeld“727. Die Verallgemeinerung im Singular an dieser Stelle (inimicus) zeigt das kollektive Bild eines „Feindes“, das ein Bestreben nach Identifikation und Eigenheit ausdrückt728. Ausgrenzung, Furcht und Feindseligkeit – alle Begriffe können vielleicht Unterstreichung und manicula zum Text erklären, der einen gewissen Vorbehalt gegenüber Juden bei Festlichkeiten und gesellschaftlichen Zusammentreffen empfiehlt: „Bei einem Trinkgelage kann man leichter betrogen werden als beim Spazierengehen, wie die Begebenheit der Salome und des Hl. Johannes zeigt“, eine Überlegung, die Hinderbach zu folgender Bemerkung bringt: „ Habe Acht, wenn Du mit Juden sprichst oder mit ihnen zusammen feierst“729. Neben diesen negativen Einstellungen zeigen einzelne Züge der Gesetze und Kommentare eine über das bloße Verbot hinausgehende, eher konstruktive Haltung gegenüber Juden, etwa wie das Zugeständnis, alte Synagogen wiederherzustellen – dabei wird aber gleich die Sonderstellung dieser Verfügung vom Lektor, hier Bazioli, betont: er unterstreicht, daß in diesem Fall das BCTn, ms 1561, f. 188. W.S. Eckert, Motivi superstiziosi, S. 387 mit Hinweis auf die Magisterarbeit Wolfgang Treues. 726 BCTn, ms 1561, f. 238, mit Verweiszeichen am Rand: „super isto textu se fundant perfidi iudei et similiter textu deuteronomii XXIII (Dt 23.19) ubi dicitur non mechaberis fratri tuo. Ipsi autem dicunt nos esse eorum inimicus et non esse fratres eorum, sed contrarium verum est, utique supra, de iudeis, per totum, quia nos tolleramus eos inter nos (…)“. 727 BCTn, ms 1561, f. 238. 728 W. Treue, Der Trienter Judenprozeß, S. 2. 729 BCTn, ms 1561, f. 189. Mit Bezug auf die Polemik um den kleinen Simon und die „Apologia“ Battistas de’ Giudici („nunquam in omni vita sua vel semel cum aliquo Iudeo aut comedit aut bibit“) vgl. zuletzt K. Stow, Jewish Dogs, S. 21 und S. 220, Anm. 72: „One suspects that those who attacked and defended de’ Giudici also knew Johannes’ [Teutonicus] dictum.“ Hinderbach kannte den Gesamtzusammenhang seit der Studienzeit in Padua. 724 725

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Gesetz ausnahmsweise nicht verbietet, sondern die Erlaubnis erteilt. Ähnlich muß auch die von Christen gehegte Hoffnung auf eine Konversion der Juden gesehen werden – natürlich immer zwischen den enggezogenen Grenzen einer Duldung und menschlicher Zuwendung durch die Mehrheit der Christen und ihr historisch festgelegtes „wir“ gegenüber dem „sie“ der Juden. Doch der vorherrschende Grundton bleibt ein anderer: perfidus, unglaubwürdig, blasphemisch, Knecht, unfähig zur geistlichen Verwandtschaft, Feind, dem man nur mit Vorsicht gegenübertreten kann, noch besser, ihn ganz zu meiden. Weit über diese juristischen Spitzfindigkeiten hinaus, die einen Zustand minderen Rechts und schwerwiegender Absonderung umschreiben, ergibt sich aus Hinderbachs Aufzeichnungen in Padua der Nährboden, auf dem Vorurteile und Vorverständnisse gegen Juden gedeihen konnten, in jenem akademischen Milieu, so wichtig für die Heranbildung des jungen Studenten. Die servitus perpetua der Juden, die Zulassung von Zwangstaufe und andere theologisch-juristische Inhalte der antijüdischen Polemik fanden fast wörtlichen Eingang in die consilia, verfaßt zur Verteidigung Hinderbachs und des Podestà von Trient im Zusammenhang mit den Vorgängen der Jahre 1475-1478730. Dieses Klima nahm Hinderbach an der Universität gleichsam als „Rezipient“ auf, also eher passiv; seine Anmerkungen aus den folgenden Jahren ergeben ein ähnliches Bild, nun aber in einer aktiven Lektüre und Interpretation von seiner Seite her. Dazu eine erste Beobachtung: insgesamt gesehen sind die Glossen und die Kennzeichen der auf Juden bezogenen Textpassagen neben dem Vorgang um den kleinen Simon zahlreich, gegenüber den andern von ihm behandelten Themen sogar in der Überzahl – in einer Statistik dieser Art erreicht ein Einzelbegriff die Höchstzahl: miraculum, ein Terminus, den er durchweg bei all seinen Glossen zu verschiedenen Inhalten und literarischen Vorlagen verwendet. Die Schwierigkeit einer genauen Datierung läßt eine weitere Aussage über diese grundsätzliche Betrachtung hinaus aus methodischer Vorsicht nicht zu, etwa, ob Hinderbachs spezielle Aufmerksamkeit sich erst aus den Ereignissen um den kleinen Simon ergab oder schon früher als eine Art Voraussetzung für die Bewertung der späteren Ereignisse anzunehmen ist. Als Ausgangspunkt muß der Inhalt der Glossen vorgestellt werden, um grundzulegen, was Hinderbach kommentierte und wie er diesen Kommentar anlegte. Zuerst Bemerkungen mit einer positiven Valenz: er teilte die allgemeine Hoffnung auf eine Bekehrung der Juden und erwähnte, daß die 730 Im Begleitbrief seiner Historia Simonis (Entwurf) schlägt Hinderbach vor, daß Juden „subigantur in servitutem christianorum prout sanctorum canonum statuta et decretales epistole id accuratius statuunt et continere dinoscuntur“: ASTn, APV, sez. lat., capsa 69, Nr. 195, f. 3.

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Kirche auch für dieses Ziel betete731; auch anerkannte er, daß demjenigen Armen ein Almosen zukommen sollte, der Jude war732. Ebenso sollte der jüdische Versammlungsort, die Synagoge, als solche respektiert werden, mit der Ausnahme freilich, daß ihre Besucher keine Vergehen gegen Christus, seine Kirche und ihre Gläubigen begangen hätten (die Textvorlage führte aus, daß „mater synagoga vel lex cum honore deducenda erat ad sepulcrum“): „synagoga iudeorum cum honore (in soprall.) sepelienda erat, idest in primitiva ecclesia, nunc autem, idest in fine seculorum, cum indignacione et iniuria pro suis sceleribus et perfidia punienda et abolenda, sed ubi non peccant in Christum et ecclesiam ac Christifideles equanimiter est tolleranda“733.

Wie aus dieser Anmerkung Hinderbachs hervorgeht, schlägt die Duldung „animo equanime“ durch Christen in Gewalt um („cum indignatione et iniuria“), falls Juden Untaten und perfidia begingen. Dieser letzte Begriff nahm das schon in den Universitätsaufzeichnungen angetroffene Kliché auf und paßte sich dem Grundton seiner Glossen zu den Juden an. Unter ihnen sind diejenigen mit Duldungscharakter, wie gerade vorgestellt, in der absoluten Minderzahl, dagegen befindet sich in vielen Textpassagen verschiedenster Vorlagen immer wieder ein „contra Iudeos“. Es erscheint auch wieder bei historischen Inhalten, die Begebenheiten im Zusammenhang mit dem jüdischen Volk erzählen, z.B. unter Vespasian zum Aufstand und zur Niederlage734. Ebenso auch bei hagiographischen Vorlagen, die Wunder beschreiben, bei denen Juden eine zwielichtige Rolle spielen, die christliche Religion verhöhnen oder herabsetzen735. Dabei werden durch den Text gegebene Elemente weitgehend neutral vorgestellt. Dasselbe gilt für das „invehitur contra Iudeos“, das der Klage „O vere infelices iudei, o miseri atque mi731 BCTn, ms 1718, f. 260 (am Rand Hinderbach eigenhändig: „pro conversione iudeorum“). 732 BCTn, inc. 423, l. XVI, cap. 80, am Rand Hinderbach eigenhändig, zur Textwiederholung: „etiam pauperibus iudeis eroganda elemosina est“. Die Bemerkung fällt in die Zeit nach 1474, dem Druck der Inkunabel. 733 BCTn, inc. 422, l. VII, cap. 12. Auch diese Beobachtung stammt aus der Zeit nach 1474 (vgl. Anm. 734). 734 BCTn, ms W 3218, f. 199. Vgl. auch Eutropius, BCTn, ms W 3225, f. 64v: „… in quo infinitum auri gemmarum constituit porcine carnis usum perpetuo instituit“, am Rand Hinderbach eigenhändig: „contra iudeos“. 735 Z.B. BCTn, inc. 423, l. XXI, cap. 92; BCTn, inc. 424, l. XXIII, cap. 160; BCTn, inc. 2, f. 11v, zu den Juden, die in Beirut das Bild des Gekreuzigten mit Füßen getreten haben sollen: „contra iudeos“ (die Bemerkung fällt in die Zeit nach 1474, dem Druck der Inkunabel) usw. Zum Nexus zwischen Marienkult und Judenfeindlichkeit vgl. H. Röckelein, Marienverehrung, G. Signori, Kultwerbung – Endzeitängste – Judenhass, S. 464-471; H.A. Oberman, Wurzeln, S. 107-112; K. Schreiner, Antijudaismus in Marienbildern; N. Schnitzler, Ikonoklasmus, S. 113-115. Dieselbe Ausprägung auch bei Hinderbach: ASTn, APV, sez. lat., capsa 69, Nr. 195, f. 4-4v.

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serabiles (…)“736 zur Seite steht (aus einem Hieronymus-Text), und auch für den Kommentar zur Verdammung eines verweltlichten Jerusalem, von ihm im wörtlichen Sinn aufgenommen („nota contra Iudeos“)737. Weniger unvoreingenommen sein „contra iudeos homicidas“, das einen anderen Passus glossiert („Quid dicis sancte pater? Mundus perperit et tu secretum petis (…) Quid agitis iudei qui occidistis filium dei, quo fugietis?“)738 und seine Einfärbung schon verrät, die sich bei der weiteren Lektüre noch verstärkt. „Contra Iudeos“ erscheint so auch am Rand einiger Schriftstellen, die nicht zufällig aus dem Alten Testament stammen, entweder aus den Psalmen oder den Propheten: auf das Volk Israel Ermahnungen, Prophezeiungen und Beschuldigungen des Alten Testaments zu beziehen, ergibt sich aus dem „historisch-literarischen“ Sinn, mit dem die damalige Schriftauslegung betrieben wurde, aber in der Mehrheit der Zitate läßt sich eine bestimmte Ausrichtung durch den Leser Hinderbach erkennen. Bei Jesaia 1,15 steht: „Wenn ihr eure Hände ausbreitet, verhülle ich meine Augen vor euch. Wenn ihr auch so viel betet, ich höre es nicht. Eure Hände sind voller Blut“; hier kommentiert Hinderbach ebenfalls: „contra Iudeos“, ein Kommentar, der genauso in seinem Missale und in seinem Cyprian-Exemplar erscheint739. Weiter bei Jesaia 1,3-4: „Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht. Weh dem sündigen Volk, der schuldbeladenen Nation, der Brut von Verbrechern, den verkommenen Söhnen!“; auch dieser Fluch ist für Hinderbach gerichtet „contra Iudeos“740. Wenn der Prophet Jeremia an die in Babilon Gefangenen schreibt (29,7): „Bemüht euch um das Wohl der Stadt, in die ich euch weggeführt habe, und betet für sie zum Herrn; denn in ihrem Wohl liegt eurer Wohl“, kommentiert Hinderbach: „Gegen die Juden, die christliche Kinder umbringen und alle andern hassen“; dazu kommt noch die Zeichnung einer manicula741. Der Psalm 59,11-16 gegen die Bösen lautet: „Mein huldreicher Gott kommt mir entgegen, / Gott läßt mich herabsehen auf meine Gegner. Töte sie nicht, Gott, damit mein Volk nicht vergißt! In deiner Kraft zerstreue sie, wirf sie nieder, Herr, unser Schild!/ Wegen der Sünde ihres Mundes, wegen all ihrer 736 Musée Condé Chantilly, V H 34, f. 12, am Rand mit roter Tinte, hochwahrscheinlich Hinderbach eingehändig: „invehitur contra iudeos“. 737 BCTn, ms 1556, f. 415, am Rand Hinderbach eigenhändig, vertikales Merkzeichen, manicula und: „nota contra iudeos“. 738 Musée Condé Chantilly, V H 33, f. 472, am Rand Hinderbach eigenhändig: „contra iudeos homicidas“. 739 BCTn, inc. 242, ff. n. num., am Ende des ersten Buches: „… apud Hesaiam Dominus dicit …“ (Is 1, 15), am Rand Hinderbach eigenhändig: „contra iudeos proph. Ysaye“. 740 BCTn, ms 1718, f. 230. 741 BCTn, ms 1706, f. 84.

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Reden / sollen sie sich in ihrem Hochmut verfangen; denn sie fluchen und verbreiten nur Lügen (…)/ Abend für Abend kommen sie wieder, /sie kläffen wie Hunde, durchstreifen die Stadt./ Sie streunen umher, gierig nach Fraß; / werden sie nicht satt, dann knurren sie“. Vielleicht durch das Bild der Hunde, damals in stereotyper Form auf Juden angewendet742, wurde dieser Prozeß der Identifizierung in Gang gebracht, jedenfalls interpretiert Hinderbach die Textstelle klar antijüdisch: „nota hic infra per totum contra Iudeos et principes eorum (fave)ntes et favorisantes (…)“743. Auch der Psalm 64, 5-9 ist für ihn gegen die „mörderischen Juden“ gerichtet: „Um den Schuldlosen von ihrem Versteck aus zu treffen. / Sie schießen auf ihn, plötzlich und ohne Scheu. / Sie sind fest entschlossen zu bösem Tun. / Sie planen, Fallen zu stellen, / und sagen: „Wer sieht uns schon?“ /(…) Da trifft sie Gott mit seinem Pfeil; / sie werden jählings verwundet. / Ihre eigene Zunge bringt sie zu Fall“744. Schließlich das Buch der Sprichwörter (1,16): „denn ihre Füße laufen dem Bösen nach, / sie eilen, Blut zu vergießen“, in Hinderbachs Zusammenfassung: „Nota contra iudeos homicidas puerorum“745. Am Ende dieser Glossenübersicht erscheint eine besondere Auslegung von Schriftstellen mit antijüdischer Wendung, nach Vorlagen, die sich eher zu einer solchen Interpretation eignen, aber auch auf eine sehr persönliche, diese Texte in eine bestimmte Richtung drängende Lesart. Hinderbachs Interpretation war nicht nur von ihrem Ursprung oder ganz abstrakt antijüdisch, sondern sie verband sich mit seiner eigenen Erfahrung; das zeigt der schon zitierte Bezug auf bestimmte Fürsten als Förderer der Juden und vor allen Dingen der Bezug auf Juden als Kindermörder: der Hieronymus-Brief und auch der Passus aus dem Buch der Sprichwörter, der ursprünglich nur eine einfache Anspielung auf das von bösen Menschen vergossene Blut bringt, lassen bei Hinderbach die Verbindung zur von ihm erfahrenen Wirklichkeit auslösen, zur Rechtfertigung und Bestätigung von Ereignissen, an denen er persönlich teilnahm und die er auch mitentschied. Insgesamt gesehen sind innerhalb der herangezogenen Glossen über Juden die Bezüge auf die Ereignissen aus den Jahren 1475-1478 zahlreich, vor allen Dingen bei historischen Texten, wo sich Hinderbachs Anmerkung als eine Art Vergegenwärtigung und Ergänzung in Übereinstimmung mit der vorgegebenen Erzählung erweist. Das in seinen Augen bestehende Martyrium 742 L. Dal Prà, L’immagine di Simonino, S. 458 mit Anm. 42 und nun grundlegend K. Stow, Jewish Dogs, besonders S. XVII-XVIII, 3-7, 29 (mit Bezug zum Alten Testament). 743 MPTn, ms 1563, f. 69. 744 MPTn, ms 1563, f. 71. 745 BCTn, ms 1718, f. 728.

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des kleinen Simon durch die Juden war ein Ereignis der Universalgeschichte, und so ergänzt er den „Fasciculus temporum“, eine Chronik des Kartäusers Werner Rolewinck von 1477, auf folgende Weise: „Zusatz. Auch das unmittelbar folgende Jahr, nämlich 1475, ein außenordentliches Jubeljahr, ein Jahr, in dem unsere Stadt Trient (…) usw.“746. Mit der additio am Anfang und dem angewendeten Erzählstil verrät die Anmerkung eindeutige Chronikabsichten und eine zeitliche Anpassung des „Fasciculus“. Das Gleiche gilt für das „Supplementum Chronicarum“ des Jacopo Filippo Foresti (1483), das schon einen detaillierten Bericht über die Vorfälle in Trient brachte auf Grundlage einer im Umlauf bestehenden Vorlage. In diesem Fall griff Hinderbach mit kleinen Ergänzungen zu Einzelheiten ein, die aus den Zeugenaussagen des offiziellen Prozesses stammten, z.B. Flüche und Beschimpfungen der Juden während des Tötungsvorganges, und streicht dabei sein eigenes Verhalten als makellos heraus: „Alldas geschah während der Regierungszeit des Johannes, des Bischofs dieser Stadt, der sich nicht durch Geld und Beschimpfungen der Juden und ihrer Günstlinge korrumpieren ließ“. Zur Bestätigung der historiographischen Gestalt, die er seinem Eingriff geben wollte, schloß Hinderbach mit einer wahrheitsgemäßen Quellenangabe ab, also dem Bericht des Giovanni Mattia Tiberino747. Die Vorfälle um den kleinen Simon wurden also von Hinderbach in die laufenden Ereignisse eingegliedert, in den allgemeinen Geschichtsverlauf. Dabei zeigen sich seine Anstrengung und auch seine Fähigkeiten, alle Medien zu nutzen, die zu seiner Verfügung waren, um die Geschichte des „Heiligen“ zu verbreiten und einem weiten Kreis bekannt zu machen. In der Forschung ist dieses „peso della propaganda“ und die „politica di persuasione“ schon herausgearbeitet worden748, einer lebhaften Publizistik zur weiteren Verbreitung, z.B. in der Universalchronik des Hartmann Schedel (1497) und in der St. Peterschronik in Salzburg749. Die Postillen zu den Chroniken in Hinderbachs eigener Bibliothek gehen in die gleiche Richtung und sind Ausdruck seines Willens, der Geschichte ein außergewöhnliches Ereignis zu überantworten und in das Kollektivgedächtnis eingehen zu lassen. Der Vorgang sollte die Parameter, die im Prozeß von Lektüre/Memoria/Erfahrung Hinderbachs bis dahin galten, in einem Ausmaß sprengen, um so ein neuer BCTn, (inc.) W 116, f. 246. BCTn, inc. 391, f. 177v. Zu Tiberino, M. Cortesi, Il vescovo Johannes Hinderbach, S. 484 und A. Esposito, Il culto del „beato“ Simonino, S. 437. Zu Foresti’s Vorlage, W. Treue, Der Trienter Judenprozeß, S. 321-322, 287-294, wo auch Tiberino und seine literarische Produktion dargestellt sind. 748 L. Dal Prà, L’immagine di Simonino, S. 446-447. 749 W.S. Eckert, Motivi superstiziosi, S. 385, doch mit einer systematischen Prüfung der Einzelaussagen, W. Treue, Der Trienter Judenprozeß, S. 285-392. 746 747

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Angelpunkt zu werden; von daher also der häufige, fast obsessive Bezug auf den kleinen Simon, wie im Folgenden dargelegt werden soll. In einigen mehr oder minder ausführlichen Zusammenfassungen am Rand seiner Bücher zeigt Hinderbach einen gewissen Hang zur Obiektivierung und (Selbst)Bestätigung. Im „Speculum historiale“ verfertigt er einen langen und detaillierten Bericht zu den Leiden des kleinen Simon bei einem Kapitel, das die Prophanierung eines Jesubildes durch die Juden schildert. „simile anno superiori scilicet M°CCCC°LXXVto quo currebat iubileus romanus a papa Paulo institutus de XXV° in XXVtum annum tempore Sixti pape quarti eius successoris facinus contigit in civitate Tridentina in quo Deo annuente licet immeritus presideo episcopus. Nam iudei illic habitantes puerum unius pauperis christiani cerdonis nocte cene clam rapientes in eius synagoga introduxerunt et illum spoliantes tenaleis ferreis sive forcipibus in mento dextro sive maxilla lacerarunt et in sura destra ad quantitatem unius ducati largi et in ingwine sive membro virili acubus mulieribus eundem pungentes et fasciolo strangulantes et eius sanguinem in (catinis) colligentes ac de eodem illa nocte bibentes et in azimis suis aspergentes comederunt et multas ea nocte et die sabati sequenti blasphema et probria in Christum Ihesum dominum nostrum conspernerunt et ad ultimum in rugia aque eius cellarium influente proicierunt ubi Dei nutu inventus et ad ecclesiam Sancti Petri apostoli delatus ac divina virtute conservatus multis claruit miraculis. Iudei vero pro eorum immanissimo scelere digna ultione sunt punit et cremati et exusti“750.

An anderer Stelle, bei einer Gelegenheit, die noch weniger einen konkreten Bezug aufweist, nämlich einer Mondfinsternis in der Nacht zum Gründonnerstag mit einem düsteren, blutroten Mond: „luna eclipsim pertulit et post cena Domini in nocte pene tota in sanguineo vultu elaboravit et nonnisi post gallorum cantum cepit paulatim delimpidare“. Am Rand Hinderbach eigenhändig: „idem per omnia contigit in quarta feria precedenti circa horam primam noctis precedentis, quando iudei rapuerunt puerum christianum et necaverunt eundem, silicet beatum Symonem Tridentinum 1475to, propt(terea) iusticiati fuerunt et combusti et necati ac suspensi (…)“751.

Hinderbach wertete also nicht nur bewußt das „Ereignis“ am Textrand historischer Vorfälle, sondern auch indirekte und disparate Einzelheiten – die angeblichen Missetaten der Juden, zu anderer Zeit und in anderen Orten, oder metereologische und zeitgleiche Bedingungen – sie alle konnten seine Erinnerung anregen und ihn zu einer schriftlichen Fixierung bewegen. Sein Gedächtnis war also nicht das eines distanzierten Zeugen und auch nicht das eines Beteiligten mit ruhigem Gewissen: in seinen Marginalien suchte er oder fand zu seinem Unbehagen Anregungen und Ansatzpunkte verschiedener Natur, die einen Mann „auf der Suche“ verraten und zwar nach Vorgängen und Zeugen in der Geschichte für dieses scelus immanissi750 751

BCTn, inc. 424, l. XXIII, cap. 160. MPTn, ms 1777, f. 857.

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mum 752, dessen Ungeheuerlichkeit ihn nicht mehr losließ. In dieser Reihe ist eben auch die Antwort zu sehen auf die herbe Kritik des kurialen Gesandten in Trient und auf die Prüfung durch die Kardinalskommission: die Widersprüchlichkeit der Beweise, die Anwendung der Folter und die Unwahrscheinlichkeit eines Ritualmordes753. In Hinderbachs Textkommentaren kehren diese Grundzüge seiner eigenen Verteidigung wieder, mit den Kernpunkten der Heiligkeit des kleinen Simon und der Kriminalisierung der Juden. Dabei versuchte er sogar Aufzeichnungen über andere Ritualmorde zu erlangen und beauftragte damit den Dominikaner Heinrich von Schlettstadt, später Autor des berüchtigten „Hexenhammers“754. Weiter schenkte er in seinen Anmerkungen besondere Beachtung den kleinsten Hinweisen auf Fälle, die dem Simons ähnelten. Und so findet sich etwa ein Verweis auf Werner von Bacharach an der Stelle, wo Vinzenz von Beauvais die Vorgänge um den Hl. Richard von Pontoise berichtet, der ebenfalls angeblich von Juden, nun aus Paris, umgebracht worden war; dann auch für Wilhelm von Norwich († 1144), ebenfalls ein kleiner Junge, der von Juden gekreuzigt worden sein soll. Dieser Fall erscheint im „Speculum historiale“ und in Rolewincks „Fasciculus temporum“, auch von Hinderbach auf ähnliche Weise in seinen Aufzeichnungen vermerkt, fast schematisch, wie ein konditionierter Reflex, mit einem „nota contra Iudeos“, dazu mit einer Ergänzung, einer manicula und der Zeichnung eines Kreuzes, das im Falle Wilhelms ja das angebliche Marterwerkzeug gewesen sein sollte755. Diese Parallelen und seine eigenen Assoziationen brachten Hinderbach dazu, nach neuen Quellen zu suchen, wie etwa im Fall Werners von Bacharach († 1287). Er kannte den ganzen Vorgang mit seinen Einzelheiten nicht nur aus dem „Speculum historiale“: der Wernerkult hatte einen starken Aufschwung erlebt während der Regierungszeit des Pfalzgrafen Ludwig III. (1410-1429) und auch die Approbation durch päpstliche Legaten, dazu in der Zeit von 1426-1429 eine ganze Reihe von Ablässen erhalten in Verbindung mit der Eröffnung des Kanonisationsprozesses756. Hinderbach wußte von der Approbation durch einen Legaten – 1426 hatte Kardinal Giordano Orsini Werners BCTn, inc. 424, l. XXIII, f. 160. W. Treue, Der Trienter Judenprozeß, S. 86-91 und ff.; D. Quaglioni, Il procedimento inquisitorio, S. 13-29. Von ihm auch: Propaganda ebraica, S. 243-266. 754 A. Esposito, Il culto del „beato“ Simonino, S. 438. 1484 erhielt er die „Hexenbulle“ von Innozenz VIII. und führte ein Jahr später in Innsbruck Prozesse durch, von denen ihn aber der örtliche Ordinarius, Bischof Georg Golser von Brixen, entfernte: W. Ziegeler, Möglichkeiten der Kritik, S. 82-95. 755 BCTn, (inc.) W 116, f. 238v. Über Richard von Pontoise und Werner Bacharach vgl. zuletzt K. Stow, Jewish Dogs, S. 75-118, 60-70. 756 A. Vauchez, La sainteté, S. 107, Anm. 25, S. 629. 752 753

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sterbliche Überreste als solche anerkannt757 – und auch von einer Reihe von Wundern an seinem Grab. Er äußerte den Wunsch, eine Geschichte des Martyriums zu erwerben („qualiter res illa processit“), und führte dazu das Versprechen Georgs Heßler an, ihm eine Abschrift zu besorgen758. Das „Speculum historiale“ lieferte noch zahlreiche andere anregende Beispiele. Bartolomeo Pagliarini759, ein Rechtsgelehrter und Freund Hinderbachs, hatte wenige Monate nach den tridentiner Vorgängen (6. August 1475) drei lange Briefe dorthin geschickt und das harte Vorgehen der lokalen Autoritäten ausdrücklich gelobt. Zu dem Brief an die Bürgerschaft zur Unterstützung einer antijüdischen Auslegung der Fakten hatte er auch Auszüge aus dem „Speculum historiale“ beigefügt, wo vom Ritualmord gehandelt wird, um damit überhaupt eine Praxis dieser Art nachzuweisen760. Obwohl das „Speculum“ im strengen Sinne kein antijüdisches Buch ist, besaß es eine Autorität, daß aus dem Zusammenhang gerissene Einzelheiten als überzeugende Belege gelten konnten761: so wurde die schon erwähnte Episode des kleinen Richard von Pontoise aus dem „Speculum“ vom Franziskaner Roberto Caracciolo in einer Predigt 1480 in Verbindung mit dem Martyrium des „garzonetto beato Simone“ angeführt762. Gleichfalls im „Speculum“, bei der passio der Hll. Alexander und Attalus mit der römischen Anklage gegen Christen, kleine Kinder aufzuessen, reagiert Hinderbach mit der Beobachtung, daß zu dieser Zeit die Heiden Christen anklagten, „wie heute die Christen von den Juden denken, daß sie nämlich das Blut christlicher Kinder bei den Getränken und den Azymen zu Ostern verwenden, wie einige von ihnen (…) gestanden haben; und in unserer Stadt vor einigen Tagen verbrannt (…) und bestraft worden sind durch Hinrichtung und Folter (an dieser Stelle zieht Hinderbach die Verbindung zur Hinrichtung der Hll. Alexander und Attalus), aber diese (die Juden) waren unterlegen und sind vere für ihre schwere Schuld bestraft worden, die Christen aber und die genannten Märtyrer innocenter et inique (…)“ – die Ebd., S. 182, von ihm auch: Antisemitismo, S. 496-498; mit weiteren, reichhaltigen Einzelheiten jetzt T. Wetzstein, Vom „Volksheiligen“, der den Anteil des Pfalzgrafen besonders hervorhebt, und K. Stow, Jewish Dogs (vgl. oben, Anm. 755). 758 BCTn, inc. 424, l. XXIX, cap. 25. A. Leidl, Heßler, Georg, S. 289-290: Heßler (ca. 1427-1482) war seit 1476 Propst von St. Viktor in Xanten und Archidiakon von Soest. 759 Aus dem oberitalienischen Vicenza; in den Stadtchroniken des Battista Pagliarini wird er folgendermaßen vorgestellt: „Bartholomeum Paiarinum Nicolai filium clarissimum iurisconsultum ac oratorem excellentem, cuius quamplurimae orationes extant“ (Battista Pagliarini, Cronicae, S. 227-228). 760 W. Treue, Der Trienter Judenprozeß, S. 87. 761 Ebd., S. 311. 762 Ebd., S. 221. 757

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Anmerkung ist mit Hinderbachs eigenhändiger Unterschrift versehen763. Zum Blutopfer im zweiten Band des „Speculums“ bemerkt er: „Wie es die Juden während ihres Osterfestes vollführen mit dem Blut der Christen und besonders dem der Kinder, die sie zu dieser Zeit opfern, töten und martern; sie trinken und essen es bei den Azymen und als Getränk, mischen ihr Brot oder ihre Azymen zusammen mit dem Blut eines christlichen Knaben, wie im letzten Jahr passiert, im Jahre 1475, (…) in dieser Stadt Trient und durch ihr einstimmiges Bekenntnis bestätigt worden ist; wegen dieses ungeheueren Verbrechen sind sie von der Justiz bestraft und (…) zum Tode verurteilt worden, d.h. mit dem Schwert, mit dem Feuer und durch die Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen. Joh. Trid.“764. Neue Bestätigung erlangte er in der „Regula pastoralis“ Gregors des Großen durch den dritten Irrtum der „Catafigi“ und der „Preputiati“, die mit kleinen Wunden durch Stiche Kinderblut abzapften und es zusammen mit Mehl für ihre Eucharistie benutzten765. In der „Historia scholastica“ Petrus Comestors (1169-1173) fand er einen Passus aus dem Buch Judith (11,11), der ihm den Vorwand lieferte, den (angeblichen) jüdischen Brauch zu erläutern, kleine Kinder umzubringen und ihr Blut zu trinken766. Auch die heidnische Sitte, Menschen zu erdrosseln, um dann ihr Blut zu trinken, den Vinzenz von Beauvais anführte, regte einen Kommentar Hinderbachs an: „Genauso wie es heute die Juden machen“. Hier fand er endlich eine Bestätigung seiner Auffassung: „Daraus leiten sich der verwerfliche Ritus und die geheime Gewohnheit der Juden ab, christliche Knaben zu töten und ihr Blut zusammen mit Wein zu trinken und es bei ihren Azymen zu verwenden; wie klar und sicher aus dem Vorfall hervorgeht im letzten Jahr hier, in unserer Stadt Trient, aus ihren Geständnissen und einschlägigen Beweisen (…)“ (wiederum folgt Hinderbachs Unterschrift)767. Wenn Comestor bemerkt, daß dieser Brauch ursprünglich verboten war, weil die Juden nach dem mosaischen Gesetz („pro consuetudine legis“) von dieser Art Speise zurückschreckten, wendet er ein: „Aber heute tun sie es und sie machen genau das Gegenteil aus Haß und Verachtung gegenüber den Christen und aus Bosheit und Verhöhnung des Leidens unseres Herrn Jesus Christus und aus ihrer ekelhaften Verwerflichkeit“768. Eine weitere Bestätigung fand sich auch für ein anderes Vorurteil, das die BCTn, inc. 422, l. X, cap. 6. BCTn, inc. 423, l. XIV, cap. 28. 765 BCTn, ms 1666, f. 101. 766 BCTn, ms W 3396, f. 186v-187. 767 BCTn, inc. 422, l. VII, cap. 12. 768 BCTn, inc. 422, l. VII, cap. 12. Dem steht die Vorschrift bei Moses direkt entgegen, wie in einem anonymen consilium gegen die Anklage des Ritualmords in Trient hervorgehoben: D. Quaglioni, Il processo di Trento, S. 28. 763 764

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Anklage in Trient stützen sollte (Juden brauchten das Blut der Christen, um ihren eigenen schlechten Körpergeruch zu verbergen); auch dafür suchte er im „Speculum historiale“ einen Anhaltspunkt: „Hier handelt es sich um den Gestank und die Unreinheit der Juden beiderlei Geschlechts769. Hinderbach empfand also durchaus den Bedarf nach weiteren Beweisen und Bestätigungen für die anstehenden Untersuchungen und eine erneute Durchsicht der Anklage wegen Ritualmord: bei der anschließenden Auseinandersetzung durch die Untersuchung in Trient und Rom hatten sich einige Einwände ergeben, und die Kurie hatte die Anklage so nicht hingenommen770; ebenfalls in Frage gestellt wurde sein eigenes korrektes Verhalten während des ganzen Verfahrens, vor allem durch die Berichte des päpstlichen Abgesandten und der Kardinalsuntersuchung: „Wieviel Kraft hat die Wahrheit, die sich von selbst verteidigt! Wie stark ist die Kraft der Wahrheit (…)“, so las Hinderbach und vergewisserte sich selbst: „Das alles hat sich bewahrheitet beim Verfahren unseres unschuldigen Märtyrers, des seligen Simon, in der Verteidigung gegen die Juden“771. Bei seiner Lektüre gab Hinderbach auch einige Einzelheiten über den kleinen Simon. Er erkannte dessen Heiligkeit, die von der Kurie nicht geteilt worden war, an ähnlichen Zügen wie beim Leichnam des Hl. Martin, dessen Antlitz strahlte ohne den Schatten eines einzigen Fleckens, mit der Feinheit eines kleinen Kindes772. Die besondere Gnade, Dämonen auszutreiben und Krankheiten zu heilen, rief ihm vor Augen den höchstwirksamen Exorzismus Bruder Erhards von Regensburg, der sich beim Grab des kleinen Jungen ereignete773; das Wunder des Hl. Hilarion, der einen von Dämonen besessenen Verrückten geheilt hatte, ließ Hinderbach an einen Besessenen aus dem Vinschgau oder Engadin denken, der zu Simons Grab gekommen war, „des kleinen, von den Juden umgebrachten Märtyrers“774. BCTn, inc. 424, l. XXV, cap. 139, am Rand Hinderbach eigenhändig: „hic agitur de feditate et immunditia iudeorum et iudearum“. Vgl. A. Esposito, Lo stereotipo, S. 72. 770 D. Quaglioni, Giustizia criminale, S. 405; zur Anklage des Ritualmords, A. Esposito, Lo stereotipo, S. 53 ff., dies, Das Stereotyp, S. 131 ff. und W. Treue, Der Trienter Judenprozeß, S. 168-178. Schon zwei Jahre vorher war in Trient der Verdacht eines Ritualmordes aufgekommen. 771 BCTn, inc. 422, l. V, cap. 31. Vgl. Hinderbachs Begleitbrief seiner „Historia Simonis“ (Entwurf): „statui nudam ac meram veritatem huius historie ad plenum describere ac per totum orbem notam facere pro veritate rei et excusatione mea meorumque offitialium et civium“: ASTn, APV, sez. lat., capsa 69, Nr. 195, f. 3. 772 BCTn, ms 1566, f. 294. 773 BCTn, inc. 423, l. XIII, cap. 118. 774 BCTn, inc. 423, l. XIV, cap. 20 (Wunder des Hl. Hilarion), „de demoniaco obsesso“, über einen Besessenen „cuius manus, cervix et latera et pedes onerata erant 769

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Das Heiligtum von Loreto mit seinen reichen ex-voto erweckte bei Hinderbach die Erinnerung an eine ähnliche Ansammlung bei St.-Peter in Trient, „wo die kleine Urne des kleinen Simon aufbewahrt wird, der unschuldig durch die Grausamkeit der Juden getötet wurde“775. Der Fall des „kleinen“ Werner (in Wahrheit schon 18 Jahre alt beim Zeitpunkt seines Todes) brachte Hinderbach dazu, den Vergleich mit Simon genauer zu fassen („similis occisio unius pueri …“) und seinen Ruf besonders zu feiern mit einer Anmerkung, die zusammenfassend die verschiedenen Phasen des Martyriums erläutete, um dann die große Schar der Pilger hervorzuheben, die sich eigentlich auf dem Weg zum Jubiläum nach Rom befanden, schließlich den Ruf der Heiligkeit und den Ruhm durch die Wunder776. Die überwiegende Anzahl der bisher verwerteten Anmerkungen konzentriert sich dabei auf die Tage und die Monate, die unmittelbar auf die Vorgänge in Trient folgten, und sind alle mit Hinderbachs Unterschrift versehen, Zeichen einer ihnen von ihm zugemessenen „Offizialität“. Er war damals in eine schwierige juristische, politische und publizistische Auseinandersetzung verwickelt, stand selbst persönlich unter Beschuß und wendete sich so an seine Bücher und vertraute sich ihnen zur Selbstrechtfertigung gleichsam an. Die leidenschaftliche Beschreibung des angeblichen Martyriums aus seiner Feder entspricht der grausamen Strafe für die Juden, die Hinderbach doch genossen zu haben scheint: dafür spricht seine schon angeführte Ausdrucksweise („sie wurden gerichtet, verbannt, getötet und hingerichtet; sie sind bestraft … zum Tode verurteilt worden, das ist mit dem Schwert, mit dem Feuer und auf dem Scheiterhaufen verbrannt; sie wurden bestraft und bis auf dem letzten Knochen verbrannt“); diesem Muster folgt die Beschreibung der Grausamkeit gegen die Juden im allgemeinen und vor allem gegen die Greise unter ihnen777. Mit alldem lassen sich doch nicht ganz die Gründe von Hinderbachs Wüten bei den Vorgängen in den Jahren 1475-1478 ausmachen. Der Vorwurf, sich am Besitz der Juden bereichern zu wollen, der auch in der Beweisführung der Gegenseite hie und da wiederkehrt, scheint unbefriedigend bei einer Persönlichkeit von seinem Typus, mit vielen Skrupeln und Ängsten gegenüber Gott und sich selbst. Eine monokausale Erklärung dieser Art ist überhaupt furorisque seviciam oculi torvi minabantur“, am Rand Hinderbach eigenhändig: „item vidimus ad tumbam beati Symonis pueri et martiris a iudeis occisi de valle Venusta (sive) Engadina. Quere si fuit liberatus vel ne“. 775 ÖNB, CPV, Ser. Nov. 2960, f. 59. 776 BCTn, inc. 424, l. XXIX, cap. 25. 777 BCTn, inc. 422, l. X, cap. 5: „… pugnis et calcibus subigerent senem“, am Rand Hinderbach eigenhändig: „simile de Samuele (am Rand: et Moyse, Isaac, …) et ceteris iudeis hoc tempore actum“. Zum Tod des älteren Moses in Trient als Folge der Folter, Processi, Nr. 97.

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mit Vorsicht zu beachten, denn nach W. Treue birgt das praktisch alles erklärende Modell des Antijudentums das Risiko eines eindimensionalen, zu einfachen Erklärungsschemas in sich778. Um wenigstens einen Teil von Hinderbachs Beweggründen genauer zu fassen, muß einmal die allgemeine Grundstimmung angeführt werden, gewisse kulturelle Voraussetzungen, schließlich die Form und der Wortschatz von Hinderbachs Glossen. Zu seinem konkreten Verhalten, im gewissen Sinne entscheidend, aber doch nur teilbestimmend, soll im Folgenden von einem eher heterogenen Zusammenwirken verschiedener Auffassungen – mehr oder weniger latent – die Rede sein, die im Jahre 1475 als eine wirklich entfesselte und brutale Obsession zu Tage traten: gegen die „perfidi, scelestissimi canes Iudei (…), perfidi isti ac rabidi canes,“ wie er in einem Schreiben drei Jahre später an Kardinal Cristoforo della Rovere wetterte779. Dazu sollen einige Einzelheiten zur Wertung des ganzen Tatbestandes in seinem eigenen Gesichtskreis angeführt werden; offenbleiben müssen bis in die tieferen Persönlichkeitsschichten reichende Widersprüche mit dunklen, letztendlich nicht erklärbaren Punkten, die einer historischen Erhellung verwehrt bleiben. Mindestens in einem Fall bringt Hinderbach Juden ausdrücklich mit dem Teufel in Verbindung: nach einem etymologischen Wörterbuch aus seinem Besitz, war der Teufel als „Meister der Juden“ auch auctor von Menschenmorden; weiter zieht er die Verbindung zu Juden als Mörder christlicher Kinder und des kleinen Simon: „Barrobii filius magistri eorum absque dubio iudeorum magistri qui est diabolus homicidiorum auctor (am Rand manicula), // qui usque hodie regnat in eis“. Am Rand Hinderbach eigenhändig: „(quare) pueros christianos occidunt et eorum sangwinem bibunt et manducant prout superiori anno hic in civitate Tridentina et alibi in multis locis compertum esse et probatum“780.

Der Teufel kehrt im Zusammenhang mit Nekromanie wieder beim „Chronicon universale“ Richards von Poitiers († 1188). Seine Überlegung zu Blut und den jeweiligen Beimischungen wird von Hinderbach mit antijüdischer Färbung versehen: „magi sunt qui de sideribus (…) Nichromancii sunt (…) ,Nichron‘ enim grece mortuos, ,mancia‘ divinacio (…) ad quos resuscitandos cadaveris sanguis (…) Nam demones amare sanguinem dicuntur, ideo quod quociens nichromancia fit, cruor

W. Treue, Der Trienter Judenprozeß, S. 14. ASTn, APV, sez. lat., capsa 69, Nr. 110. Zur Metapher der „canes“ vgl. oben Anm. 742 und speziell zu den Ereignissen in Trient K. Stow, Jewish Dogs, S. 29: scharfsinnige Interpretation des Verbs ululare im Zusammenhang mit den (angeblichen) jüdischen Folterern des kleinen Simons. Zu Hinderbachs Wortgebrauch vgl. auch oben, S. 221 („Iudei latrantes“). 780 BCTn, inc. 34, f. 21v-22. 778 779

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aqua miscentur ut colore sanguinis facilius provocentur“. Am Rand Hinderbach eigenhändig, vertikales Merkzeichen, manicula und: „nota, nota contra iudeos nigromanticos et incantatores pessimos!“781.

Aus diesen beiden Anmerkungen spricht einmal die Dämonisierung der Juden, zum anderen ihre Gleichstellung mit den Magiern. Nach Meinung einiger Forscher sind gerade diese beide Elemente Voraussetzung zur Judenverfolgung im Spätmittelalter, die sich teilweise der Hexenverfolgung angleicht782. Dieser Aspekt darf nicht unterschätzt werden. In seinen Kommentaren spricht Hinderbach wenig von Dämonen, doch setzte er bis zu einem gewissen Grad ihre Existenz voraus: dafür spricht ihre körperliche Präsenz in der „Legenda aurea“, und Hinderbachs Reaktion auf einen Passus zu Salomon, der die Teufel in einem Gefäß eingeschlossen habe: seiner Meinung nach ist der Text eine Fälschung, weil Dämonen Geistwesen seien und nicht durch den Menschen gezwungen werden können783. Gleichfalls war für ihn bei der Legende vom Hl. Eligius fragwürdig die Episode über einen Dämon, der in Gestalt einer Prostituierten erscheint und vom Heiligen mit einer Schere in die Flucht geschlagen, so überführt und als Teufel entlarvt wird784, oder bei der Erwähnung der Grabinschrift Papst Sylvesters II., zu der er befriedigt notiert, daß dort die „plaga demonum ei irrogata“ nicht erwähnt sei: für ihn war all das eine Erfindung der Gegner des Papstes, ähnliche wie die Behauptungen über seinen Zeitgenossen Paul II., „der von einem Teufel oder einem Hausdämonen geplagt wurde, den die Lateiner follisellum nennen“785. Teufel kehren auch am Rand der Antonius-Legende wieder, der unter einem Nußbaum sein Lager aufgeschlagen hatte. Für Hinderbach war dieser Umstand schlechtweg insanissimus. „Unter einem Nußbaum zu stehen, zu wohnen oder zu schlafen bringt Kopfschmerzen, läßt den Körper erschlaffen und den Geist schwinden, wie wir es selbst gesehen und bei vielen unserer Domestiken auch verifiziert haben; einige sind so schwach geworden, daß sie fast gestorben sind, besonders ein gewisser Lorenzo, der nachts unter einem Nußbaum zu schlafen pflegte, davon ganz schwach wurde und schließlich verstarb“. Hinderbach schloß daraus: „und so sagt man, daß in den Nußbäumen viele Geister wohnen und daß die Hexen sich zu ihren Füssen versammeln, um ihre Verschwörungen auszuhecken“786. MPTn, ms 1596, f. 3v. Zum Nekromantismus und seine Verbindung zu den maleficia bei Johannes Nider (Formicarius, V, 4), C. Chène, Johannes Nider, S. 253, mit Kommentar. 782 W.S. Eckert, Motivi superstiziosi, S. 386. 783 BCTn, ms 1790, f. 357. 784 BCTn, inc. 424, l. XXIII, cap. 85. Hinderbachs Anmerkung ist mit Unterschrift versehen. 785 BCTn, inc. 424, l. XXIV, cap. 108. 786 BCTn, inc. 424, l. XXX, cap. 133. 781

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An dieser Stelle ist der Bezug zum magischen Nußbaum von Benevent und seinen Hexenzusammenkünften höchst wahrscheinlich, eine alte Überlieferung unbekannten Ursprungs, die jedoch im Jahre 1428 beim Prozeß gegen die Hexe Matteuccia in Todi erscheint und von Giovanni da Capestrano in seinem Traktat „De confessione“ wiedergegeben wurde – vielleicht gerade dadurch erfuhr Hinderbach diese Einzelheiten, wenn zutrifft, daß „la predicazione osservante fece molto per diffonderle e dar loro il carattere ,demoniaco‘ da cui rimarranno contrassegnate in seguito“787. Diese Verbindung zu Dämonen sticht hervor, weil sie den Übergang von bereits vorhandenen Riten zum eigentlichen Hexensabbat vorwegnimmt788 – auffällig ist der Umgang Hinderbachs mit dem schon erwähnten Heinrich von Schlettstadt, später Verfasser des berüchtigten „Hexenhammers“: er hatte ihm den Auftrag erteilt, weitere Zeugnisse über Ritualmorde zu beschaffen, und Heinrich brachte ihm von Rom die kleine Schrift „De Turcis“ mit, voll von Befürchtungen über eine bevorstehende Apokalypse789. Die Vorstellung des Dämonischen gehörte zu Hinderbachs Auffassung nicht nur bei den Nußbäumen als Versammlungsort von Teufeln und Hexen, sondern auch beim „wilden Heer“ der Untoten790: im „Speculum historiale“ glossierte er die militia Hellequini im teuflischen Sinne und faßte den ganzen Passus so zusammen: „Von Dämonen, die Seelen in einem Heer führen, oder nach dem Brauch der Seelenheere“791. Auch dieser Dämonisierungsvorgang, der damals begann, fand bei Hinderbach sofortige Aufmerksamkeit und herausragende Rezeption. Der „Böse Geist“ war also allgegenwärtig und wirkte unablässig. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg beschrieb Joshua Trachtenberg die Entwicklung in der Haltung der Christen gegenüber den Juden als einen fortschreitenden Prozeß der Dämonisierung, der sich vor allen Dingen in der Anklage des Ritualmordes zeigte, in der Prophanierung von Hostien und ähnlichen Vorgängen. Diese These wird heute in Frage gestellt, weil sie zu M. Montesano, „Supra acqua et supra ad vento“, S. 148-152 (Zitat S. 152). C. Ginzburg, Storia notturna, S. 73, 76; und M. Montesano, „Supra acqua et supra ad vento“, S. 97-152 („L’osservanza e la genesi della caccia alle streghe“) sowie auch G.G. Merlo, Introduzione, S. 13 ff. 789 Über Heinrich von Schlettstadt, A. Schnyder / F.J. Worstbrock, Institoris, Heinrich, S. 408-415. A. Esposito, Il culto del „beato“ Simonino, S. 438. BCTn, inc. 189, f. [5v]. 790 C. Ginzburg, I Benandanti, S. 69-77. Zum Hexensabbath und zu den ältesten auf ihn bezogenen Texten (ca. 1430-ca. 1440) vgl. L’imaginaire. Zur Entwicklung des Hexensabbaths, C. Chène, Johannes Nider, S. 207-220. 791 BCTn, inc. 424, l. XXVIII, cap. 119, am Rand Hinderbach eigenhändig: „de demonibus animas in exercitu sive more exercituum animarum deducentibus, et quare“. 787 788

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starr erscheint792, trotzdem bleibt ein Kernbereich, der auch bei Hinderbach als Erklärungshilfe dienen kann. Seine ganze Art, das Thema anzugehen, zielt in diese Richtung, wie der zitierte Beleg aus dem etymologischen Wörterbuch zeigt und vor allem das „Prognosticon Antichristi“ des Astrologen Johannes von Lübeck, das im April 1474 in Padua vollendet wurde und Hinderbach gewidmet ist793. Darin läßt sich verfolgen, daß der Antichrist am 10. April 1504, also dreißig Jahre später, als jüdischer Pseudomessias erscheinen sollte, gezeugt aus einem Dämonen, einmal als succubus und dann als incubus; Hinderbach vermerkt am Rand die verwendeten Begriffe und postilliert: „succubi, incubi; der Weg, Dämonen zu zeugen mittels eines phantastischen, aus Luft bestehenden Körpers“794. Erhellend in diesem Zusammenhang ist auch die Zuordnung der Juden zu den Nekromanten795. Hinderbach kannte spezielle Aufzeichnungen mit Namen der Teufel und Buchstabenkombinationen, die von Nekromanten oder Zauberern zu ihren Ritualen benutzt wurden, bei denen sie „böse“ Geister anriefen: die sogenannten pentacula, ein Ausdruck, den er in sein Wörterbuch aufnahm und dessen Bedeutung erklärte796. Offensichtlich glaubte er an magische Kräfte und Zauberei: „Beachte hier die Haken und die Dornen, 792 J. Trachtenberg, The Devil, S. 11-53 („The ‚Demonic‘ Jew“). Vgl. W. Treue, Der Trienter Judenprozeß, S. 11-12. Über die Dämonisierung der Juden vgl. auch A.C. Gow, The Red Jews, S. 128-129. Zur Synagoge, dem Ort der Versammlung der gazarii, zu ihrer angeblichen Vorstellung einer Häretikerkirche und ihren Sabbathzeremonien M. Ostorero, Commentaire, S. 305, 323-327 (Errores gazariorum). Zum Kindermord in der angeblichen Entstehungsgeschichte des Sabbaths, A. Borst, Anfänge, S. 276-280. Zur Dämonisierung des Maleficiums M. Ostorero, Commentaire, S. 317. Nicht zufällig erscheint der Terminus „Synagoge“ in den „Errores gazariorum“ bei jeder Anspielung auf Kindstötungen, um so jedesmal an den angeblichen jüdischen Ritualmord zu erinnern (S. 324). In der Vorstellung des Hexensabbaths flossen verschiedene Elemente zusammen: allgemeine Ketzerpolemik, Aberglaube zu MenschTier-Verwandlungen und maleficia, Antijudaismus, Verschwörungstheorien, Misogynie und angebliche naturwissenschaftliche Kenntnis zur Magie (C. Chène / M. Ostorero / A. Paravicini Bagliani / K. Utz Tremp, Conclusion, S. 522). 793 Dazu K. Walsh, Eredità tardomedioevale, S. 54. 794 MPTn, ms 1659, f. 216-217. Zu einem anderen incubus, dem Erzeuger des Zauberers Merlin, BCTn, ms W 771, f. 27 (am Rand Hinderbach eigenhändig: „ex matre sine patre genitus, sed incubo ut dicitur“). Die Bezugnahme auf incubi und succubi zeige in Verbindung mit Juden die Verkörperlichung des innerlich unterdrückten Feindes (Sexualität) als sextreibender Teufel, die zunehmendes Gewicht in der nun ansetzenden Hexenverfolgung gewann: D. Elliott, Pollution, S. 13-14. Zur Verbindung Antichrist-Juden, A.C. Gow, The Red Jews, S. 93-130. 795 Zu den Juden als „magicians“, J. Trachtenberg, The Devil, S. 88-96. Vgl. M. Rubin, The person, S. 110. Zu Anklagen gegen Juden als Ärzte, ebd., S. 108-110. Dieselben Verdachtsmomente auch bei Hinderbach, vgl. oben, S. 202, Anm. 49. 796 BCTn, ms 1779, f. 353. Über die verbotenen Bücher zur Nekromantik R. Kieckhefer, Magie im Mittelalter, S. 81 f., 14 ff.

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die vom menschlichen Körper durch Verzauberungen und Verwünschungen hervorgebracht werden. Ähnliches geschah einem unserer Familiaren, Hildebrand von Arsio, der an seinem Körper Haken, Dornen und Holzsplitter zeigte, die aus blutenden Wunden herausragten“797. Vor allen Dingen der Traktat „De proprietatibus rerum“ des Bartholomeus Anglicus brachte ihm die Anwendung von Steinen als Mittel gegen Verzauberung bei, ein Mittel, dessen Anwendung er auch wirklich in Erwägung zog798. Das Buch „De lapidibus et metallis“ wurde von Hinderbach ausführlich glossiert, fast ausschließlich über die rechte Verwendung von Steinen und Metallen zur Vorbeugung und Heilung bei Krankheiten und Unfällen799: an einer Stelle durch ein „nota istud“, an anderer mit vertikalem Merkzeichen, maniculae und kurzen Wiederholungen wies er auf ihre virtutes hin gegen Blutsturz, Lepra und körperliche Mißbildung, Herz- und Kreislaufbeschwerden oder bei Vergiftungen. Ähnliche Aufmerksamkeit widmet er auch Einzelheiten, die ohne durchlaufende Thematik ihre Wirksamkeit in einem Umfeld magistischer Praktiken erklären, und stimmt darin zu, daß ihre Wirkung sei, „venena reprehendere, metus varios expellere et maleficis artibus obviare“ bis hin zu Fällen, Untreue einer Frau aufzudecken, Prozesse gewinnen zu lassen, illusiones demonum zu enttarnen und Tugenden zu stärken, Ängste während der Nacht und Melancholie fernzuhalten oder ganz verschwinden zu lassen, Geburten zu beschleunigen, Schuldige zu überführen, Jungfräulichkeit zu bestärken usw.

Diese Vorliebe Hinderbachs für medizinisch-naturgebundene Inhalte des „De proprietatibus rerum“ zeigt einen der Grundzüge, der in seiner Rezeption schon am Ende des 14. Jahrhunderts erscheint und die ursprüngliche exegetisch-homiletische Richtung in die zweite Reihe zurücktreten läßt, auch mit stark allegorisierten Formen verbunden800. Insgesamt genommen richtete sich seine Aufmerksamkeit auf die Alchemie mit einer Betonung ihrer Fähigkeit, den Lauf der Dinge, das Verhalten der Menschen und der Teufel zu bestimmen. „Nota istud et proba“, vermerkt er am Rand zu den Vorzügen des Diamants, der – am linken Arm getragen – gegen Feinde wirkt, gegen Wahnsinn, gegen körperliche Streitereien und Wortgefechte, gegen Albträume, gegen Wahnvor797 BCTn, inc. 424, l. XXVII, cap. 125, am Rand Hinderbach eigenhändig: „nota hic de acubus et spinis ex corpore humano (productis) per incantacionem et maleficium. Simile in quodam (…) familiario nostro nomine Hildebrando de Arzo contigit, qui huiusmodi acus et spicus sive lignum particulas ex cruribus suis extractas (…) ostendebat“. Vgl. dazu eine ähnliche Überzeugung bei Hinderbachs Amtskollegen, Georg Golser in Brixen, der von Tötung durch Zauberei überzeugt war (W. Ziegeler, Möglichkeiten der Kritik, S. 87, 94). Über die Verbreitung magischer Praktiken in der benachbarten Grafschaft Tirol H. Dienst, Lebensbewältigung, S. 112. 798 BCTn, inc. 348. Über die Tradition und Rezeption der „De proprietatibus rerum“, H. Meyer, Die Enzyklopädie. 799 Über die taumaturgischen Eigenschaften einiger Steine seit der Antike, M. Montesano, „Supra acqua et supra ad vento“, S. 66-68. 800 H. Meyer, Die Enzyklopädie, S. 414-416.

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stellungen und bei Giftanschlägen801. „Prüfe nach!“, spricht Hinderbach zu sich selbst, indem er auf den schmalen Grat zwischen dem Natürlichen und Übernatürlichen hinweist, die in einem dialektischen Verhältnis zueinander stehen und in einer Grauzone ineinander übergehen können. Gegen Verzauberungen findet er ein wirksames Gegenmittel nicht nur in den Steinen, sondern im menschlichen Urin. Dieser wurde dazu benutzt, um, etwa im Falle der Hl. Luzia, Verzauberungen entgegenzuwirken – so konnte Hinderbach in einem Homiliarium lesen802. Der Hinweis stand auch im „Speculum historiale“ und wurde auch dort von ihm mit „nota!“ und manicula vermerkt. Und schon bricht die Erinnerung aus ihm hervor. Er berichtet, die Wirksamkeit dieses Mittels beim Prozeß gegen die Juden in Trient erprobt zu haben; die schon erwähnte Jüdin Brunetta, die Frau des Samuel, hatte allen „Maßnahmen“ des Podestà widerstanden, ein „Geständnis“ abzulegen, von daher wurde sie als unter einer Art Verzauberung stehendes Opfer betrachtet. Als Hinderbach davon hörte, fiel ihm die Erzählung des „Speculum“ ein und die dort vermerkte Abhilfe; er zeigte dem Podestà die Schriftstelle und las sie ihm vor. Am nächsten Tag fand die Probe aufs Exempel statt: der Podestà ließ Brunetta von Kopf bis Fuß mit dem Urin eines Jünglings waschen803, und die Jüdin begann sofort mit ihrem Schuldgeständnis und erzählte alles, was sie vorher verweigert hatte, ohne daß irgendeine Folter angewendet werden mußte. „Huius rei experientia facta fuit temporibus nostris anni superioribus, videlicet 1475 aut VIto cum procederetur contra Brunetam iudeam uxorem quondam Samuelis iudei combusti eodem anno unacum aliis eiusdem secte propter martyrium et occisionem unius pueri infantis christiani beati Symonis in nocte cene sancte sive parasceve tanquam consciam et corream huius facti et nullo modo ab ea sciri aut elici posset veritas ac multa et varia cum ea per potestatem nostrama illius temporis, videlicet dominum Iohannem de Salis legum doctorem de Brixia forent attemptata contra maleficia quibus credebatur esse incantata, ne posset aut vellet crimen istud confiteri, casualiter cum de hac re foret nobis relatio per prefatam potestatem, recordavi de hac legenda et remedio contra maleficia secundum gentiles eidem potestati eandem legimus et ostendimus, qui altera statim die volens de a

ab prout über der Zeile.

801 BCTn, inc. 348, cap. XVI. Zu den Eigenschaften des Diamanten von Plinius bis Bartholomeus Anglicus, M.E. Herrera, La historia, S. 148-150 und 153 besonders für den letzten. Dazu noch das RUB-Projekt: „Faszination Diamant, Zauber und Geschichte eines Geschenks der Natur“ koordiniert von A. Haas, L. Hödl, H. Schneider. 802 BCTn, ms 1790, f. 36: Pascasius glaubte, die Hl. Luzia lähmenden Übel durch ein Urinbad zu bekämpfen, was Hinderbach am Rand genauer faßte: „ymmo urina humana scilicet puri virginis“. 803 Eine Möglichkeit, Jungfräulichkeit festzustellen, war nach der damaligen Medizinauffassung die Untersuchung des Urins (hell, weiss, leuchtend): K. Coyne Kelly, Menacing Masculinity.

II. Seele und Seelenheil

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hoc experiri, accepta urina humana unius sui garzionis masculi incorrupti eandem Brunetam totam perfudit ac lavari fecit et illico incepit confiteri et dicere omnia que antea negaverat prout idem potestas nobis retulita, absque aliqua violentia aut metu tormentorum, cum tamen (perprius) multis et variis modis esset facta probatio cum perfusione aque benedicte nec non tonsura ac rasura capillorum ex omni parte corporis et nichil proferisset, quod (verum) est singularissimum ac notadignum, licet ribalda ista in eadem confessione non perseveraverit, sed ex post revocaverit omnia per ipsam confessata. Ioh. Trid. (neque credimus id fore supersticiosum ac contra fidem, quia maleficia et veneficia multis rebus naturalibus, videlicet libris, verbis et lapidibus (…) ac (eradicatura)“804.

Diese Episode bestätigt, daß Hinderbach eine hagiographische Vorlage lesen konnte, um daraus Hinweise für das praktische Leben abzuleiten (im vorliegenden Fall ein remedium gegen Verzauberungen) und um weiter festzuhalten, daß seine Wirksamkeit durch Erfahrung demonstriert werden konnte: „Huius rei experientia facta fuit“. So wurde der Beweis erbracht, dort, wo alle Mittel versagten, das Weihwasser, das Abschneiden der Haare, schließlich die Rasur am ganzen Körper („cum tamen per (…) multis et variis modis esset facta probatio cum perfusione aque benedicte nec non tonsura ac rasura capillorum ex omni parte corporis“). Hier zeigt sich die schon erwähnte Gratwanderung zwischen dem Heiligen und dem Übernatürlichen deutlich, auf der sich Hinderbach und der Podestà bewegten: gegen die incantationes konnte auf verschiedene Wirkungsmittel zurückgegriffen werden, vom Urin bis hin zum Weihwasser (der ganze Vorgang kommt einem Exorzismus nah805) oder zu anderen, „ganz verschiedenen“ Maßnahmen. Diese Gratwanderung ist nicht nur für die Menschen von heute gegeben: Hinderbach selbst empfand durchaus die Grenzsituation und er vermerkte sehr genau, daß angeblich („videbatur“) Brunetta unter dem Einfluß von Verwünschungen gestanden hätte; darüber hinaus prüfte er sich selbst wegen der Zulässigkeit des Experiments mit einer später abgefaßten Ergänzung seiner Anmerkung, um sein eigenes Verhalten (also den Rückgriff auf dieses remedium) zu erläutern: „Und ich glaube nicht, daß das alles abergläubig oder ungläubig war, denn a

ab neque später, aber mit derselben Tinte.

804 BCTn, inc. 423, XII, 108. Die Erzählung von der Bekehrung der Brunetta (vgl. oben, S. 321, Anm. 496) und einer anderen Jüdin schließt sich an: beide waren „in fide christiana defuncte“. Vgl. A. Esposito, Lo stereotipo, S. 79, und auch ASTn, APV, sez. lat., capsa 69, Nr. 2 (Schreiben Hinderbachs an den Kardinal Ammannati Piccolomini). 805 Über die abschreckende Wirkung des Weihwassers R.W. Scribner, Ritual and Popular, S. 33-34. Vgl. auch Johannes Nider, der im Formicarius (1436-1438) berichtet: „malefici de ritibus ecclesie servatis et veneratis, sua maleficia prepediri fatentur ut per aque benedicte aspercionem, per salis consecrati sumpcionem … et per similia, quia ad hoc talia ecclesia exorcisat, ut vires demonis imminuat“ (C. Chène, Johannes Nider, S. 176). Auch nach Nider sollte der Gläubige Hoffnung haben auf „oracionum et signorum licitorum efficaciam“ (ebd.).

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2. Teil

Verwünschungen und Vergiftungen werden mit vielen natürlichen Gegenmitteln vereitelt, wie Büchern, Worten und Steinen“806. Hinderbach beruft sich also gegen Verzauberungen auf die Natur, ist sich dabei der möglichen Risiken voll bewußt und versucht, den Abstand zum Aberglauben eindeutig festzulegen – der war z.B. mit paraliturgischen Zauberformeln bei der Weinzubereitung überschritten807, oder mit einer besonderen Invokationsformel, um ein Auge zu heilen808. Doch wie seine Zweifel beim Vorgehen gegen Brunetta zeigen, blieb die Grenze nicht eindeutig: ein sortilegium konnte pium sein, so lautete jedenfalls Hinderbachs Urteil bei der Erzählung von der Berufung der Hl. Edelburga zur Klosterfrau809; ebenso schien in seinen Augen legitim, die Zukunft per somnia voraussehen zu wollen810. 806 BCTn, inc. 423, XII, 108: „locii perfusio maleficia fugat“, manicula und am Rand Hinderbach eigenhändig: „nota!“; „locii perfusio maleficia fugat“. 807 BCTn, ms 1587, f. 213: am Rand vertikales Merkzeichen und „supersticio“ von Hinderbach. 808 BCTn, ms 1667, f. 111v, mit folgender Formel am oberen Rand.: „Adiuro te macula vel puncta vel calcularis per Dominum altissimum, per Dominum fortissimum, per Patrem et Filium et Spiritum Sanctum, per Dominum vivum et verum, omnipotentem factorem celi et terre et maris et omnium que in eis sunt, per eum te adiuro, macula vel quecumque macula sis, (vero) exeas ac recedas et delearis de oculo famuli Dei. Iterum adiuro te per Dominum eternum, per solem et lunam et stellas, per sydera et per novem ordines angelorum et archangelorum, per thronos et dominaciones principatus et potestates, per virtutes celorum cherubini et seraphyni et per milia milium qui assistunt ante Dominum (vero) (getilgtes und durchgestrichenes Wort folgt) exeas et recedas et delearis ab oculo“. Hinderbach tilgte den ganzen Text mit Schrägstrichen und vermerkt am Rand: „Supersticiosa et proph(ana) est hec coniuratio“. Vgl. dieselbe Beschwörungsformel in einer Hs. aus der Burg Wolfsthurn in Tirol bei R. Kieckhofer, Magie im Mittelalter, S. 12. Ähnlich im Formicarius: „Adjuro vos grandines et ventos (…)“ (C. Chène, Johannes Nider, S. 180 und S. 181, Anm. 19: dieselbe Formel in Freising und Tegernsee). 809 BCTn, inc. 424, l. XXV, cap. 33 (in einem Zimmer wurden verschiedene Gegenstände aufgestellt – Schmuck, Kelch, Evangelien –, und das junge Mädchen berührte den Kelch, Zeichen der Berufung zu mönchischem Leben: nach Hinderbachs Urteil am Rand war das ein „pium sortilegium“). Zum Wunderglauben, M. Montesano, „Supra acqua et supra ad vento“, S. 54-55. Vgl. auch BCTn, W 786, f. 158 zur Erwählung des Apostels Matthias durch Los, aber nach ausdrücklicher Anrufung des Herrn, wozu der Autor ermahnt: „si quis autem compelatur uti sortibus, apostolos imitetur, scilicet premissa oratione ad Dominum“, dazu Hinderbach eigenhändig: „de sortibus, nota hic“. Über die „sors Mathie“, M. Montesano, „Supra acqua et supra ad vento“, S. 57, Anm. 64. 810 BCTn, inc. 424, l. XXIII, cap. 85 (hier ist die Geburt eines Heiligen durch den Traum von einem Adler angekündigt, den Hinderbach so kommentiert: „bonum presagium aquile super lectum volitans“). Auch nach Bernardin von Siena war der Weg einer Vorsage per somnia als durchaus zulässig anzusehen: M. Montesano, „Supra acqua et supra ad vento“, S. 25. Zur Einordnung der Träume vgl. „De sompniorum differenciis“ im Formicarius, II, 4: C. Chène, Johannes Nider, S. 122 ff.

II. Seele und Seelenheil

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Genau um diese feine Grenze zwischen Göttlichem und Teuflischem, zwischen zugelassenem und nicht zugelassenem Gotteskult, sorgten sich Prediger wie der Hl. Bernardin, der eine ganze Homelie gewidmet hatte der Frage, durch Gott bewirkte Wunder von denen des Teufels abzugrenzen811, oder wie Alberto da Sarteano812, der diejenigen verurteilte, die über ihre Verwünschungen ein Kreuz machten, und ketzerische Praktiken von religiösen Handlungen unterschied. Doch die Grenze blieb zum großen Teil der subjektiven Einschätzung überlassen („darin sehe ich nichts anderes als gute Devotion“)813, war also letztlich nicht festzulegen; und so ging die Verurteilung von nicht erlaubtem Hostiengebrauch zusammen mit der Einladung, das Corpus Christi als solempnissimum remedium zu benutzen gegen alle Widrigkeiten, besonders die Teufel – eine vorbeugende Anwendung der Eucharistie – die freilich leicht Mißverständnissen Vorschub leistete814. In der mit Zauberkraft und animistischer Auffassung durchtränkten Umgebung Hinderbachs nahmen Juden den Part des Bösen ein und wurden mit den Kräften des Teufels gleichgesetzt. Die Verbindung Juden/Teufel/Nekromanten, das negative Urteil aus Hinderbachs Universitätsjahren und bei seinen späteren Textlesungen wirkten zusammen und schufen so ein facettenreiches Gesamtbild, das die Befürchtungen und Ängste Hinderbachs ausdrückt, nicht nur bei ihm allein. Vom „Prognosticon Antichristi“ Johannes’ von Lübeck (1474) war schon die Rede – eine Prachtabschrift mit einer Widmung an Hinderbach ist erhalten, von ihm selbst mit vielen Postillen versehen 815. Darin ist das Kommen des Antichrist angekündigt in Gestalt eines jüdischen Pseudomessias für den 10. April 1504. Im Lichte dieser Identifizierung und Voraussicht gewinnt besonderen Wert ein Federstrich Hinderbachs, mit dem er einige Jahre später eine anonyme Schrift zur Verteidigung der Juden versehen hat: die Invokation am Anfang „in Christi nomine“ wird von ihm korrigiert zu „in antichristi nomine“816. Jetzt, am Ende der Zeiten“, so schrieb er in jenen Jahren, immer mit Bezug auf die Vorfälle in Trient, „nunc (…), idest 811

S. Bernardino da Siena, Le prediche volgari, Bd. 2, Nr. XXXVIII, S. 157-

172. 812 Über den Franziskaner (1385-1450), eine der vier ,Säulen‘ der Observanz, E. Cerulli, Berdini, Alberto, S. 800-804. 813 Eine noch nicht edierte Predigt Albertos da Sarteano („De incantantibus et strigis fratris Alberti“) in der Biblioteca Comunale, Treviso, ms 1057, ff. 2016r-2021r (Autograph Ambrogios Spiera, eines Serviten, aus den Jahren 1440-1443). 814 Biblioteca Comunale, Treviso, ms 1057, f. 2016r-2021r. Dazu vgl. S. Browe, Die Eucharistie als Zaubermittel. 815 K. Walsh, Eredità tardomedioevale, S. 54. 816 D. Quaglioni, Giustizia criminale, S. 406. Die Vorlage wurde durch ihr Incipit identifiziert: Giovanni Antonio Guaschetta, einer der Juristen des Bischofs, lieh sich von Hinderbach die Allegationes aus, die begannen: „In antichristi nomine“ (ebd.). Zitat über das Ende der Zeit oben, S. 363.

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in fine seculorum“817: für ihn war offenbar die Endzeit angebrochen. Seine Erwartungen konzentrierten sich auf diese Weise ganz auf die Juden818, eine Minderheit am Rand der Gesellschaft und verantwortlich für die Verschwörung mit einem äußeren Feind für die Christenheit, dem Feind an sich, dem Teufel. Schon besprochen wurde, daß Hinderbach bei der Betrachtung des türkischen Vorrückens in Europa eine ähnliche Reaktion gezeigt hatte mit der Verbindung von Türken/Juden/Kreuzzug, die nicht neu war, sondern mindestens bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts zurückreichte819. Auch nach dem zweiten anonymen Verfasser des Traktats „De Turcis“ in seinem Besitz waren Türken und Juden „die Plage der Kirche“, die durch die Sünden der Christen heraufbeschworen sich mit dem Kommen des Antichrist verbanden: das Bild der Apokalypse wurde von ideologischer und politischer Propaganda instrumentalisiert, zum Zwecke moralischer Aufrüstung zurechtgeformt, verlor dabei aber nicht seine zutiefst theologische Bedeutung820. Für einen „angstbesetzten“ Menschen und seine Umgebung nahmen der Dämon und das Böse diese Form an und provozierten damit heftige Abwehrreaktionen. Alldas ist in einer ganz genauen Geschichtsauffassung anzusiedeln, gezeichnet durch Sünde und Schuld, durch die Abkehr von der Welt und vom Körperlich-Weiblichen821. Andererseits beinhaltete diese Sicht auch eine ganz genaue Auffassung der göttlichen Gnade und Vorsehung: in Hinderbachs Weltanschauung gehörten das Verbrechen der Juden und die Erhebung des kleinen Simon zu einem Heiligen eng zusammen; das eine war die Voraussetzung für das andere822. Vgl. oben, Anm. 733. Vgl. M. Rubin, The person, S. 108, prägnant: „The Jew came to carry all the pent up anxiety, shame and fear which strove towards uniformity and homogeneity, in the pretence of togetherness and sameness which was offered as an image of a Christian society“. Zu Juden als Bedrohung für Christen in der Endzeit, H.A. Oberman, Wurzeln, S. 157. Auch nach Luther bestand eine Verbindung zwischen Juden- und Türkengefahr (S. 158). 819 Etwa bei Philippe de Mézières und Karl VI. in N. Jorga, Philippe de Mézières, S. 432 ff. 820 R. Rusconi, Il presente e il futuro della Chiesa, S. 220. Über den „Mythos“ des Antichristen vgl. auch ders., Profezia e politica, S. 488 und weiter M. Haeusler, Das Ende der Geschichte, S. 73-95 (über Vinzenz von Beauvais) und S. 120-132 (über Thomas Ebendorfer). Zu Ebendorfer, der sich als einer der ersten Theologen ex professo mit dem Thema auseinandergesetzt hat, H. Zimmermann, Ebendorfers Antichristtraktat, S. 99 ff. Zu einer anderen Bewertung der Juden innerhalb der eschatologischen Szenarien, A. Patschovsky, Eresie escatologiche, S. 232-235. 821 Ähnlicher Zusammenhang bei G. Signori, Kultwerbung – Endzeitängste – Judenhaß (Kultwerbung, Endzeitängste, Judenhaß, Wunder und Buchdruck). 822 Nach R. Po-Chia Hsia, The Myth of Ritual Murder, bedingen Mord/Opfer und Gericht einander (S. 41). Der Ritualmord schaffe die Möglichkeit der Erlösung: unschuldige Kinder sterben stellvertretend für das Kollektiv (S. 111). 817 818

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Die Anklage gegen die Juden, einen Ritualmord begangen zu haben, der die Kurie trotz aller Anstrengungen Hinderbachs und seiner Betreiber in Rom nicht stattgeben wollte823, ergab sich aus dem angeblichen Martyrium des kleinen Simon und gehörte so unabdingbar zu seinem Kult824. Hinderbach setzte seine ganzen Verbindungen an der Kurie, seine ganze Erfahrung, seine Personal- und Sachmittel ein, um den Heiligsprechungsprozeß in Gang zu bringen. Offensichtlich verkörperte der kleine Simon für ihn jene Sehnsucht nach dem Heiligen, das er immer für sich angestrebt hatte: eine nahe und immer gegenwärtige Heiligkeit (die praesentia der Reliquien, von der gesprochen wurde), mit allen Sinnen erfahrbar – nicht verwunderlich, wenn Hinderbach selbst den kleinen Leib eigenhändig berührt und die Unterschenkelknochen betastet825; eine Heiligkeit, die dem Bedürfnis der Gläubigen nach sichtbarer Verehrung entsprach, auch in ihren heute abstoßenden Zügen, von daher erklärt sich die reichhaltige Produktion von Bildnissen und Tafeln, die ausnahmsweise Tränen vergossen826. Der kleine „Heilige“ verteilte großzügig Gnaden und Wunder, die Hinderbach alle sorgfältig in einem extra für sie angelegten Buch sammeln ließ; dazu stellte er einen „Reliquienschatz“ zusammen, den er als Bischof spenden konnte827 wie er selbst mit den Reliquien der Hll. Vigilius oder Romedius. Weiter war der kleine Simon noch jungfräulich und unschuldig gewesen, wie eben ein kleines Kind „adhuc balbutiens“, das an speziellen Kultorten verehrt werden konnte – „Erinnerungsorten“ des Martyriums (die ehemalige Synagoge828 und die Peterskirche829, wo der Körper in einem Schrein beigesetzt blieb). In dieser Kirche, in der nach Hinderbachs Auskunft etwa 3.000 vexilla als ex-

W. Treue, Der Trienter Judenprozeß, S. 151. Den die Bulle „Facit nos pietas“ vom 20. Juni 1478 untersagte (ebd., S. 149150). Über den Wiegendruck als Kultwerbung vgl. etwa dazu den Fall von Altötting, G. Signori, Kultwerbung – Endzeitängste – Judenhaß, S. 446 und 447-458. 825 A. Esposito, Il culto del „beato“ Simonino, S. 435. 826 Ebd., S. 432-435; dies., Das Stereotyp, S. 149 und Anm. 94, 97. 827 Ebd., S. 440-441 (unter den Empfängern auch das Kloster St. Georgenberg: G. Weiss, Abt Caspar Augsburger, S. 237). Mit Bezug auf A. Vauchez betont Th. Wetzstein die rein taumaturgische Auffassung des Heiligen und das bevorzugte Interesse an Wundern post mortem gegenüber dem eigentlichen Leben (Virtus morum et virtus signorum, S. 357-358). 828 An ihrer Stelle ließ Hinderbach eine Kapelle errichten mit einem Freskenzykus, der die Passion Christi und des kleinen Simon darstellte, von ihm in seinem Nekrolog erwähnt: L. Dal Prà, L’immagine di Simonino, S. 459-460 und ASTn, APV, sez. lat., cod. 3, f. 11v. 829 Zur Verbreitung des Simon-Kults, L. Dal Prà, L’immagine di Simonino, S. 458461, wo auch das Geburtshaus des Jungen erwähnt ist und eine Art Kreuzweg für Gläubige und Pilger (S. 461). 823 824

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voto ausgestellt waren830, sollte für ihn eine Verehrungsstätte wie ein zweites Loreto entstehen: „ein berühmtes Heiligtum, das weit über andere hinausragt, wie wir gerade dabei sind, in Trient in der Peterskirche zu schaffen“831. Dem neuen Märtyrer widmete Hinderbach seine bisherige Erfahrung in der Liturgie und stellte ein offitium zusammen, das mit einer Hymne für die Vesper und einer feierlichen Messe verbunden war832. Hinderbach fand in dem „heiligen“ Simon endlich die Erfüllung seiner Sehnsüchte nach dem Göttlichen und seiner Ängste um die eigene Erlösung, all das in einem Zusammenspiel von Schuld, Sünde, Unglauben und Schrekken. Die Verbindung zwischen Himmel, Erde und Hölle wirkte bei ihm stark nach, der Schlüssel für eine Deutung lag bei ihm selbst: „(…) signa fiebant pro infidelibus convertendis quia ergo signa non sunt necessaria nec modo fiunt sicut passim tunc fiebant. A mg., di mano Hinderbach, manicula e: ymmo (…) passim inveniuntur et quottidie fieri (…)ntur hic in civitate nostra Tridentina et alibi sub invocacione beati Symonis innocentis pueri et martiris a perfidis iudeis necati 1475 in nocte cene Domini iuxta illud propheticum: ,innova signa et immuta mirabilia‘ et (certe) nunc etiam quodammodo necessaria sunt propter tepidi(tatem) fide(lium) et perversitatem Iudeorum in contemptu passionis domini et salvatoris nostri Ihesu Christi sicut olim in primitivam ecclesiam. Iohannem antistes Tridentinus in memoriam et fidem horum in hoc addidit et subscripsit“833. 830 Das gilt für das Jahr 1478: A. Esposito, Il culto del „beato“ Simonino, S. 434. Unter diesen vexilla befand sich auch eines aus Lüttich, gestiftet von den Kapitänen Maximilians I. „in signum et memoriam victorie habite ac voti per eosdem emissi“. Danach hatten sie ihren Sieg auf Grund ihrer Gebete an Gott und den Märtyrer Simon erlangt. Die Fahne besaß auch eine Inschrift, die Hinderbach auf Italienisch, Lateinisch und Deutsch angefertigt haben wollte mit der Aufforderung, zu beten für Maximilian, die Gefallenen in der Schlacht, das Haus Österreich und alle seine Untertanen: BCTn, ms 435, f. 328 (ich bedanke mich bei Luciano Borrelli für den Hinweis). Unter den ex-voto befand sich auch eine Wachsstatue, die der Kardinal Della Rovere gestiftet hatte, um Heilung von einer Krankheit zu erbitten (was aber nicht gewährt wurde!), die Hinderbach aufstellen ließ „in loco eminentiori, inter alias principum et magnatorum“ – der ersuchten und empfangenen Gnade war also eine gewisse „Visibilität“ nach strenger Ordnung beigelegt (ASTn, APV, sez. lat., capsa 69, Nr. 110). Über die ex-voto als ursprüngliche sicht- und tastbare Wunderbeweise G. Signori, Kultwerbung – Endzeitängste – Judenhaß, S. 439. Über Wachsbilder als Votivgabe Chr. E. Janotta, Obiektsstiftung und Wahlfahrt, S. 115. 831 ÖNB, CVP, Ser. Nov. 2960, f. 59. Zu Loreto, G. Cracco, Alle origini, S. 122. 832 A. Esposito, Il culto del „beato“ Simonino, S. 436. Der schon genannte Giovanni Francesco Pavini verfaßte eine consultatio, bei der er sich für das Kindermartyrium trotz mangelnder Vernunftbegabung der Minderjährigen aussprach (A. Esposito, Il culto del „beato“ Simonino, S. 430). Er hatte sich in seiner langen Laufbahn mit den Heiligsprechungsprozessen Bonaventuras, Katharinas von Siena und Leopolds von Habsburg auseinandergesetzt, von daher dürfte ihm die Problematik nicht ganz unbekannt gewesen sein (Th. Wetzstein, „Iura novit curia“, S. 267-278 und vgl. ders., Der lange Schatten, S. 316-317, Anm. 43). 833 BCTn, ms W 3396, f. 268v.

II. Seele und Seelenheil

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Zeichen sind wegen der Kleinmütigkeit der Gläubigen und der Verworfenheit der Juden nötig, die Passion des „heiligen“ Simon schafft die nötige Abhilfe. Nach einem Vers des Buches Sirach (36,5), den Hinderbach in „prophetischer“ Art interpretiert, sind es die Zeichen, die in der Urkirche zahlreich waren, die Hinderbach vom Himmel erflehte: „Erneuere die Zeichen und wiederhole die Wunder“, um den Glauben zu bestärken, das Böse zu bannen und die Unsicherheit des menschlichen Daseins zu überwinden.

Schluß Hinderbachs Glossen ließen nachzeichnen die Züge einer Persönlichkeit die, wie auch immer das Gesamturteil lauten mag, über das übliche Maß hinausgeht. Schon vorher in seiner intellektuellen, bibliophilen, mäzenatischen und judenverfolgenden Rolle bekannt und auch erforscht, tritt aus den Marginalien ein bisher weithin unbekannter Mann in bezug auf sein eigenes Selbst entgegen. Dieser ganz speziellen Quellenform, deren Erforschung als Selbstzeugnisse gerade begonnen hat, ist aber mit Vorsicht zu begegnen, insofern, als keine adäquate und verläßliche Forschungsmethodik vorliegt: nur die Zukunft kann erweisen, inwieweit die Arbeit an diesen doch sehr disparaten und oft schwer entzifferbaren Fragmenten von Hinderbachs Autographen weitgehend durch eine große Rückprojektion in ihrem Interpretationshorizont bestimmt wird, ähnlich wie bei Restaurierungsarbeiten, die ein vergangenes Gesicht wiederentstehen lassen wollen, das dann aber eher die Züge der Restauratoren trägt als die der eigentlichen Vergangenheit. Sicherlich besteht dieses Risiko, doch es ist bewußt eingegangen worden, denn Hinderbach selber scheint es geradezu provoziert zu haben mit der Vielstimmigkeit seiner Hinweise, die er privat und öffentlich für die Nachwelt hinterlassen hat. Denn er wollte wirklich mit seinen Lesern sprechen, er war sich eines Publikums bewußt und hat es sich auch seit seiner Studienzeit vorgestellt, als er seine Notizen von den Glossen seiner Meister unterschied und die Aufzeichnungen seiner Mitstudenten kollationierte, dazu noch die recollecta sammelte, die er dann mit Absicht seinen Studienkollegen überließ. Damit fuhr er auch fort in der folgenden Zeit, den Jahren seiner „Karriere“, also des diplomatischen Dienstes für Kaiser Friedrich III. und dann in Trient als Bischof und Reichsfürst. Der Übergang vom ego zum nos, vom Singular des Klerikers und gelehrten Rates zum Pluralis majestatis des Prälaten, die Änderung der Unterschrift von „Johannes Hinternpach“ zu „Johannes Tridentinus“ oder zu „Tridentinus antistes“ markieren die entscheidenden Lebenseinschnitte und die Umschreibung für eine Person, die ihre Erfüllung vor allem in der Berufung zum Bischof gefunden hatte. Komplexe Persönlichkeit, multiple Identität. Zuerst der Mann des Hofes, der loyale kaiserliche Rat: unter Hinderbachs Studienaufzeichnungen in Padua ließ sich eine kleine rhetorische Stilübung ausfindig machen, in der er sich ungehemmt seiner Treue zur Habsburger Dynastie hingibt. Die Loyalität gegenüber Albrecht II. übertrug er auf Friedrich III. und seine von ihm bewunderte Gemahlin Leonore; sie nahm auch im Laufe der Zeit kaum ab

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Schluß

und dauerte bis zum Tode an, wenn auch die Grenzen seines von den Zeitgenossen so kritisch beobachteten Kaisers deutlicher hervortraten und Hinderbach ihn gegen üble Nachrede in Schutz nehmen mußte. Diese Haltung bestand aber nicht nur gegenüber einem Individuum oder einem Geschlecht, sondern war die feste Überzeugung in den Bestand einer Institution, des Kaisertums, das für Hinderbach ein unverzichtbarer Bezugspunkt blieb. Von daher hinterließen bei ihm die Vorlesungen seines verehrten Präzeptors Antonio Roselli, des Autors der „Monarchia“, einen bleibenden Eindruck und gaben ihm Überzeugung und ideologisches Rüstzeug in seinem Dienst als gelehrter Jurist am Hof und in der kaiserlichen Kanzlei. Die Jahre an der Universität waren entscheidend für die mentale Ausrichtung in der Folgezeit als aktiver Politiker in ‚Staat und Kirche‘: vor allem die Auseinandersetzung mit dem Konziliarismus und die Rolle der beiden Universalmächte beeinflußten den jungen Studenten. Diese bewegten Jahre der Diskussion erlebte Hinderbach an privilegierter Stelle, an der Universität und im akademischen Ambiente, in Wien und Padua, die sich geradezu dialektisch gegenüberstanden. Auch die Beherrschung des kanonischen Rechts, also die genaue Kenntnis des legalen Rüstzeugs, das die Kirche als Institution am Leben hielt, die Bereitschaft zum Disput und die Argumentationstechniken bilden seinen Mentalhabitus als Diplomat, Botschafter und Bischof heran. Die genaue Untersuchung der recollecta aus seiner Studienzeit, besonders der lectura Rosellis, erlaubt, den Prozeß der kulturellen Formierung eines gelehrten Rats zu verfolgen und so den lebhaften Austausch zwischen politischer Publizistik, theoretischer Reflexion und didaktischem Eifer festzuhalten: Roselli war alles andere als ein Intellektueller im Elfenbeinturm, und sein Schüler Hinderbach zeigte sich lebhaft engagiert und offen für die Rezeption und Bewunderung eines Denkens, das zur Politik und Ideologie wurde. Hinderbach kam nicht ohne Orientierung nach Padua. Obwohl nichtadlig entstammte er einer intellektuellen Elite an Universität und Kaiserhof in Wien. In Padua schloß er sich dem gleichen Ambiente an und besuchte die Familien prominenter Professoren. Hier bewies er sein Engagement in den akademischen Strukturen, hier knüpfte er ein Netz von Bekanntschaften und Freundschaften, die über das Studium hinaus anhalten und für seine spätere Karriere nützlich werden sollten. Er lebte mit vollem Bewußtsein in dem Klientelsystem, am Hof nicht weniger als an der römischen Kurie, das die Strukturen des organisierten Zusammenlebens ausmachte: Parentele und Patronage innerhalb der Kanzlei, der Universität, der Kirche. Als Kleriker bewegte er sich ganz selbstverständlich innerhalb des Benefizialsystems, dessen Schwachstellen wie Käuflichkeit ihm durchaus bewußt waren, und nutzte behend die vorgegebenen Mechanismen – besonders durch die außerordentliche Provision erhielt er seine bedeutenden Benefizien. Auf den Bischofsstuhl von Trient wurde er allerdings durch Wahl

Schluß

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des Kapitels berufen, die dann in Konkurrenz zur Verfügung des Papstes trat: die ganzen Umstände seiner päpstlichen Bestätigung sind exemplarisch für die widersprüchlichen Rechtsauffassungen zwischen den Ortskirchen, den Regionalherrschaften, der natio Germaniae und der römischen Kurie, zwischen Grundsatzerklärungen und realen Machtverhältnissen, ohne darüber hinaus zu vergessen das Gewicht persönlicher Freundschaften und der Patronage: auf die Wahl durch das Kapitel hatte möglicherweise Einfluß auch der Wunsch seines Vorgängers und alten Studienkollegen, des Bischofs Georg Hack, der Hinderbach als Koadiutor vorgesehen hatte; in seinem Bemühen um die päpstliche Bestätigung konnte Hinderbach auf seine Freunde an der Kurie zurückgreifen, auf Personen, die er bei seinen Gesandtschaften oder bei anderen diplomatischen Gelegenheiten kennengelernt hatte, schließlich auf die Hilfe seiner domina, der Kaiserin Leonore. Der Vorschlag für einen Kardinalat, an der Kurie durch Kardinal Todeschini-Piccolomini, später Papst Pius III., ins Spiel gebracht, ließ sich aber nicht verwirklichen, gerade weil wohl „sein“ Kaiser ihm eine entschlossene Unterstützung verweigerte. Bei diesem Karriereverlauf zeigt Hinderbachs Bibliothek noch eine andere Dimension auf. Seine Glossen wurden in ihrem Gesamtumfang in der Perspektive einer autobiographischen Verschriftlichung untersucht, als eine Art inneres Zwiegespräch, bei dem Hinderbach das eigene Selbst offen legt und in schriftlicher Form ausformuliert. Die Codices seiner Bibliothek, auch weiterhin eine unerschöpfliche Fundgrube für Philologen und Wissenschaftler mittelalterlicher und humanistischer Literatur, werden hier weniger als Wissensakkumulation, denn als Sinnstiftung angesehen: in der Reflektion über sie drückt Hinderbach seine eigene Identität aus, die sich in der Schriftlichkeit niederschlägt; sein Selbst wird Text, ein beschriebenes Blatt. Das Ich als Memoria, als erzählte Memoria – eine gewagte Hypothese, die aber durch die letzten psychologischen und neurologischen Theorien zum Gedächtnis gerechtfertigt erscheint. Nach dieser Methode ergibt sich das Bild eines Individuums, das sich durch ein Netz von Beziehungen definiert, bestimmt durch Familie, gesellschaftliche Strukturen und sozialen Rang. Ein Individuum, das sich in gewissem Sinn von den Familienbanden freimacht und sich in einen neuen Stammbaum einordnet, den ,fiktiven‘ der Tridentiner Bischöfe. Hinderbach war sich seiner neuen Rolle voll bewußt und verfaßte ein kleines Eigenporträt für den Bischofskatalog, eine Art von vorweggenommenem Nekrolog. Sein beherrschender Zug, ausgerichtet offensichtlich an den Stereotypen des literarischen Genus (den „specula episcoporum“), ist ein geistlicher: als seine persönlichen Verdienste würdigt Hinderbach die Förderung des Reliquienkults, das Ikonengeschenk als Ablaßträger, die Schaffung eines neuen „Seligen“, des kleinen Simon. Der eigene Frömmigkeitshorizont wurde so zum Programm für den Bischof ausgeformt. Seine Frömmigkeit gewinnt Gestalt durch die eigenhändigen Glossen zu den Büchern: sie zeigen

390

Schluß

einen Christen, beängstigt durch die Sünde und begierig nach der Möglichkeit zur Rettung, der sich der kirchlichen Vermittlung anvertraut und die heilsfördernden Mittel vervielfacht – Verehrung von Reliquien, der Heiligen und der Jungfrau Maria, Gebetsbrüderschaften, Ablässe – genau jene Instrumente, welche die spätmittelalterliche Kirche in vielfältiger Weise den nach dem Göttlichen gierenden Gläubigen zur Verfügung stellte. Die Kirche war für Hinderbach der Ort der Rettung: diese „geschlossene Kirchlichkeit“, so Bernd Moeller, stand für ihn als Kleriker und Prälat außerhalb jeder Diskussion. Im Gebet und im Vollzug liturgischer Gesten fand er seine Verantwortung als antistes, der gleichsam vor den anderen stehend „praeeminet populo“. In diesem Sinne galt für ihn und seinen Diözesanklerus ein Priesterideal aus Askese und Selbstvervollkomnung; so wollte er eine rigorose Liturgie sicherstellen und das fromme Volk am Gnadenschatz der Erlösung, Reliquien, Ablässe, Ikonen, teilhaben lassen, deren Spender er sich als Bischof fühlte. Hinderbach selbst war skrupulös, eine Skrupulosität, der ein überspannter Wunsch nach Heiligkeit und Heilssicherheit innewohnte. Eine Kehrseite war die Verachtung für die Welt, dafür stand ein angstbesetzter Verdacht gegenüber allem Weiblichen, Frucht der „Verweiblichung“ des Fleisches, der Gedankenassoziation Frauen-Materie-Verfleischlichung – ein düsteres Gespür für die Sündhaftigkeit formte bis in das Innerste seine Weltsicht. Die Bedrohung durch die Türken, durch eine militärische Eroberung mit der Gefahr der Auslöschung christlicher Moral und des Glaubens brachte ihn dazu, in „dem Türken“ die Strafe für eine Welt und eine Kirche zu sehen, die sich von Gott entfernt hatten, und in einer eschatologischen Sicht der Endzeit, die Personifizierung der belva, des Antichrist, zu erwarten. In enger Verbindung damit bestand eine zweite große Angst, die vor den Juden. Das Klima, in dem Hinderbach seit der Universitätsjahre herangewachsen war, hatte dazu beigetragen, ein negatives Judenbild entstehen zu lassen und erklärt zu einem kleinen Teil die Rolle, die er bei dem Prozeß gegen die jüdische Gemeinde in Trient einnahm. Doch der Horror und das Blut des angeblichen Ritualmordes, der als Rechtfertigung für die grausame Verfolgung herhalten mußte, waren (auch) wichtige Voraussetzungen für die Erschaffung eines „seligen“ Simon, mit der Genugtuung über die Anwesenheit und die Heilsgewißheit schaffende Nähe der Heiligkeit. Eine Heiligkeit, die mit den Händen zu greifen war, die als kostbare Gabe gespendet und ganz visuell genossen werden konnte. Durch das vergossene Blut des kleinen Simon offenbarten sich Zeichen, und das Prophetenwort schien wahr zu werden: „Erneuere die Zeichen, wiederhole die Wunder“ (Sirach 36, 6). Das eine und das andere waren notwendig gegenüber der Kleinmütigkeit der Gläubigen und der Bedrohung durch die Juden. Aus dieser Perspektive gewinnt die düstere Geschichte von Blut, Folter und Gemetzel vielleicht einen Sinn und das Verhalten Hinderbachs möglicherweise eine Erklärung, ein Aufschrei in der Sehnsucht nach Heiligkeit und Erlösung.

Margarete * 1346 † 1366 Meinhard III. * 1344 † 1363 Gf. v. Tirol ∞ 2 1364 Johann Heinrich * 1322 † 1375 Mgf. v. Mähren 1355

∞ 1 1359

Elisabeth * 1437 † 1505 ∞ 1454 Kazimierz IV. Jagiellończyk * 1427 † 1492

Johann * 1466 † 1467

SIGISMUND * 1427 † 1496 Gf. v. Tirol 1446-1490 ∞ 1 1449 Eleonore v. Schottland † 1480 ∞ 2 1484 Katharina v. Sachsen * 1468 † 1524

FRIEDRICH IV. * 1382 † 1439 Hz. v. Tirol 1402/1406 ∞ 1 1406 Elisabeth v. d. Pfalz * 1381 † 1408 ∞ 2 1410 Anna v. Braunschweig † 1432

Kunigunde * 1465 † 1520 ∞ 1487 Albrecht IV. * 1447 † 1508 Hz. v. Bayern-München 1469

ALBRECHT VI. * 1418 † 1463 ∞ 1452 Mathilde v. d. Pfalz * 1419 † 1482

Helene * 1460 † 1461

Margarete * 1416 † 1486 ∞ 1431 Friedrich II. * 1412 † 1464 Kfst. v. Sachsen 1428

MAXIMILIAN I. * 1459 † 1519 Röm. Kg. 1486 Ks. 1493/1508 1 ∞ 1477 Maria v. Burgund * 1457 † 1482 ∞ 2 1494 Bianca Maria Sforza * 1472 † 1510

FRIEDRICH V./III. * 1415 † 1493 Röm. Kg. 1440 Ks. 1452 ∞ 1452 Léonore v. Portugal * 1436† 1476

Christof * 1455 † 1456

LEOPOLD III. (DER GERECHTE) * 1351 † 1386 Hz. d. Steiermark 1370 ∞ 1365 Viridis Visconti † 1414

LEOPOLD IV. ERNST I. (DER EISERNE) * 1371 † 1411 * 1377 † 1424 Hz. v. Österreich 1386/1392 Hz. v. Österreich 1386/1402 1 ∞ 1393 Katharina v. ∞ 1392 Margarete v. Pommern * 1366 † 1407/10 Burgund ∞ 2 1412 Cimburgis v. Masowien * 1378 † 1425 * 1394/97 † 1429

ALBRECHT III. * 1348 † 1395 Hz. v. Österreich 1365 ∞ 1 1366 Elisabeth v. Luxemburg * 1358 † 1373 ∞ 2 1375 Beatrix v. Zollern † 1414

WILHELM * 1370 † 1406 Hz. v. Österreich 1386 ∞ 1401 Johanna II. * 1373 † 1435 Kgn. v. Neapel 1414

Friedrich III. * 1347 † 1362

LADISLAUS V. POSTHUMUS * 1440 † 1457 Kg. v. Ungarn 1440 Kg. v. Böhmen 1453

ALBRECHT V./II. * 1397 † 1439 Kg. v. Böhmen 1437 Kg. v. Ungarn und Röm. Kg. 1438 ∞ 1421 Elisabeth v. Luxemburg * 1409 † 1442

Quelle: J. Hoensch, Matthias Corvinus, S. 331.

Anna * 1432 † 1462 ∞ 1446 Wilhelm III. * 1425 † 1482 Hz. v. Thüringen 1445

Margarete * 1395 † 1447 ∞ 1412 Heinrich IV. * 1386 † 1450 Hz. v. Bayern-Landshut 1393

ALBRECHT IV (DER GEDULDIGE) * 1377 † 1404 Hz. v. Österreich 1395 ∞ 1390 Johanna v. Bayern * 1373 † 1410

RUDOLF IV (DER STIFTER) * 1339 † 1365 Hz. v. Österreich 1358 ∞ 1357 Katharina v. Luxemburg * 1342 † 1395

ALBRECHT II. * 1298 † 1358 Hz. v. Österreich 1330 ∞ 1324 Johanna v. Pfirt * 1300 † 1351

Das Haus Habsburg

Das Haus Habsburg 391

Berthold von Bückelsberg Ulrich Putsch Georg von Stubai Johannes Röttel Nikolaus von Kues Georg Golser Leo von Spaur Georg Golser

Hermann von Cilli Nicodemo della Scala Heinrich Schlick Johannes Grünwalder Johannes Tulbeck Sixtus von Tannberg

Brixen 1418-1427 1427-1437 1427-1443 1444-1450 1450-1464 1469-1471 1469-1471 1488-1488

Freising 1412-1421 1421-1443 1443-1448 1448-1452 1453-1473 1474-1495

Quelle: E. Gatz (Hrsg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches.

Ludwig von Teck Ludovico Trevisan Marco Barbo

Aquileia 1412-1439 1439-1465 1470-1491

Berhold von Wehingen Eberhard von Starhemberg Johannes von Reisberg Friedrich Truchseß von Emmerberg Sigmund von Volkersdorf Burkhard von Weißpriach Bernhard von Rohr Johannes Beckenschlager (Koadjutor und Administrator) Hermann von Cilli Ernst Auer Heinrich Fleckel Alexander von Masovien Abt Benedikt Theobald von Wolkenstein Georg Hack Johannes Hinderbach Leonhard von Laiming Ulrich von Nußdorf Georg Heßler Friedrich Mauerkircher Friedrich von Öttingen

Salzburg 1406-1427 1427-1429 1429-1441 1441-1452 1452-1461 1462-1466 1466-1481 1481-1487 Trient 1421 1421 1422-1423 1423-1444 1444-1446 1444-1446 1446-1465 1466-1486 Passau 1424-1451 1454-1479 1480-1482 1482-1485 1486-1490

Patriarchen von Aquileia, Erzbischöfe von Salzburg und Bischöfe von Brixen, Freising, Passau und Trient (15. Jahrhundert) 392 Patriarchen und Bischöfe

Literatur 1. Abkürzungen ASTn APV

Archivio di Stato, Trient Archivio del Principato Vescovile, Trient

ASVe

Archivio di Stato, Venedig

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Joannes à Leydis prior conventus Ordinis Carmelitici Harlemensis: De origine et rebus gestis Dominorum de Brederode, in: Veteris aevi analecta seu vetera monumenta hactenus nondum visa. Quibus continentur scriptores varii qui praecipue historiam universalem, expeditiones in Terram Sanctam, res Germaniae, Gelriae, Hollandiae, Ultrajecti, Frisiae, tam occidentalis, quam orientalis, et Groningae … edidit … Antonius Matthaeus, Bd. 5, Hagae-Comitum, apud Gerardum Block, 2. Aufl., 1738, S. 587-740 Joannis de Segovia presbyteri cardinalis tit. Sancti Calixti: Historia gestorum generalis synodi Basiliensis, hrsg. von E. Birk, in: Monumenta conciliorum generalium seculi decimi quinti, Concilium basiliense, Scriptorum, II, Vindobonae 1873 Joannis Hinderbachii Episcopi Tridentini: Historiae rerum, a Friderico Tertio Imperatore gestarum, continuatio, in: Analecta Monumentorum omnis aevi Vindobonensia, hrsg. von Adam F. Kollár, Bd. 2, Windobonae 1762, coll. 550-666 Johanek, P.: Heimburg, Gregor, in: Die Deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 3, 1981, S. 630-642

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Woher stammte Bischof Ulrich III. von Gurk? (1966), jetzt in: ders., Dynast und Kirche, S. 345-380



Zur Kardinalserhebung Burkhards von Weißbriach, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, 106 (1966), S. 181-246



Johannes Hinderbachs Obedienz-Ansprache vor Papst Pius II. Päpstliche und kaiserliche Politik in der Mitte des Quattrocento, in: Römische Historische Mitteilungen, 10 (1967), S. 43-183

Literatur

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Ein Konfraternitätsbrief der Oberdeutschen Franziskaner-Konventualen für Eleonore von Schottland, Gemahlin Herzog Sigmunds von Österreich, in: Per padre Frumenzio Ghetta o.f.m., S. 683-698



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Auf der Suche nach dem verschollenen „Codex Brisacensis“. Johannes Hinderbachs Widmungsexemplar von Enea Silvios „Historia Australis“ für den jungen Maximilian, in: P.-J. Heinig (Hrsg.), Kaiser Friedrich III, S. 467-502



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Wie Johannes Hinderbach zum Bistum Trient kam. Persönlichkeit, Herkunft und geistliche Laufbahn eines landesfürstlichen Protegés, in: ders., Dynast und Kirche, S. 381-432



Frömmigkeit, Heilkunde, Kultur und Mäzenatentum im spätmittelalterlichen Tirol: Ein Gnadenerweis des Zisterzienserordens für Herzog Sigmund von Österreich und seine Gemahlin Katharina von Sachsen, in: Innsbrucker Historische Studien, 16-17 (1997), S. 113-172



Der Mann, der einen späteren Papst die deutsche Sprache lehrte. Aus dem Leben des schlesischen Dekretisten Nikolaus Kreul von Wartenberg, in: Jahrbuch der schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau, 38-39 (1997-1998), S. 255288

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Johannes (Jenser) von Paltz, in: R. Bäumer / L. Scheffczyk (Hrsg.), Marienlexikon, Bd. 3, 1991, S. 410-412

Verzeichnis der Archivalien, Manuskripte und Inkunabeln Die Nummer des modernen Katalogs wird – sofern sie existiert – nur für die in Trient aufbewahrten Manuskripte und Inkunabeln angegeben.

Chantilly Musée Condé IV A 8 V A 24 V H 33 V H 34 München Staatliche graphische Sammlung n. 118437 (= Schr. 2008a) Padua Archivio della Curia vescovile Diversorum, 26-27, f. 82 Biblioteca Capitolare cod. C 22 Treviso Biblioteca Comunale ms 1057, ff. 2016r-2021r Trient Archivio di Stato, Archivio del Principato Vescovile, sez. lat. capsa 22, n. 5 capsa 22, n. 6 capsa 27, n. 13 capsa 43, n. 12 capsa 44, n. 28, VI capsa 44, n. 29 capsa 44, n. 34, 9c capsa 44, n. 41 capsa 45, n. 24 capsa 46, n. 1 capsa 69, n. 110 capsa 69, n. 189 capsa 69, n. 190 capsa 69, n. 201a

Verzeichnis der Archivalien, Manuskripte und Inkunabeln

440

codici 3 32 Biblioteca comunale ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms ms

435 778 1364 1556 1560 (= MD 23) 1561 (= MD 24) 1562 1566 (=PBE 10) 1578 (= MD 27) 1582 1587 (=PBE 49; MD 30) 1589 1592 (= PBE 46; MD 31) 1666 (= PBE 15) 1667 1706 1709 (= MD 34) 1717 (= MD 73) 1718 (= PBE 2) 1785 (= PBE 8) 1787 (= PBE 6) 1789 1790 2412 W 109 (= PBE 37) W 771 (= PBE 29) W 785 (= PBE 36) W 786 (= PBE 30) W 1795 (= PBE 7; MD 48) W 3129 (= PBE 25) W 3218 (= PBE 24) W 3224 W 3225 (= MD 52) W 3353 (= PBE 22; MD 24) W 3363 (= PBE 35) W 3380 W 3388 (= MD 56) W 3396 (= PBE 31; MD 57) W 3498 (= MD 58) W 4006 (= PBE 8; MD 59)

inc. W 116 (= PBE 38; IBV 314; ISTC ir00257000) inc. 2 (= PBE 5; IBV 144; ISTC id00408000) inc. 34 (= IBV 317; ISTC is00021000)

Verzeichnis der Archivalien, Manuskripte und Inkunabeln

inc. inc. inc. inc. inc. inc. inc. inc. inc. inc. inc.

74 (= PBE 45; IBV 283; ISTC ip00412000) 83 (= IBV 252; ISTC in00061000) 189 (= IBV 352; ISTC it00501000) 242 (= IBV 133; ISTC ic01013000) 245 (= IBV 70; ISTC ib00702000) 275 (= PBE 12; IBV 29; ISTC ia01172000) 348 (= PBE 47; IBV 42; ISTC ib00132000) 354 (= PBE 4; IBV 84; ISTC ib01112750) 391 (= PBE 34; IBV 198; ISTC ij00208000) 422-424 (= PBE 33; IBV 375; ISTC iv00284000) 576 (= IBV 165; ISTC ig00152000)

Museo provinciale d’Arte ms 1357 ms 1363 (= PBE 13) ms 1364 (= PBE 44; MD 60) ms 1369 ms 1563 ms 1593 (= PBE 14) ms 1596 (= PBE 32) ms 1597 ms 1659 (= PBE 48; MD 79) ms 1777 ms 3568 Venedig Archivio di Stato Senato Secreta reg. 19 reg. 20 Biblioteca Nazionale Marciana ms lat. 14.4.2480 Wien Österreichische Nationalbibliothek Codex Vindobonensis Palatinus, ser. nov., 2960 Codex Vindobonensis Palatinus, ser. nov., 2962 Codex Vindobonensis Palatinus, ser. nov., 4643 Ink. 2.C.16 (Mikrofilm)

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Personenregister Absperg Heinrich von 179-180 Accame Lanzilotta M. 7 Adalbert Hl. 19, 260 Aeneas Sylvius, s. Enea Afra Hl. 322 Agnes Hl. 305 Aigner Th. 21, 303 Ailly Pierre d’ 229, 294 Alberto da Sarteano 381 Albertus, s. Albrecht Albrecht, Bischof von Trient 217 Albrecht, Priester aus dem Engadin 306 Albrecht II., Albrecht VI., Albertus, s. Habsburg Albrecht Achilles, s. Brandenburg Albrecht von Ortenburg, s. Ortenburg Aleman Louis, Kard. 64, 298 Alexander Hl. 213, 220-221, 223, 262-264, 269, 369 Alexander VI., Rodrigo Borja, Papst 169 Alfonsus de Sancta Maria, Alfonsus episcopus 145 Algazi G. 12 Alienor von Schottland 134, 284, 324 Allasia Cl. 11 Alphons V., s. Aragon Altmann, Bischof von Trient 219 Amadeus VIII. von Savoyen, s. Felix V. Amalarius 235 Ambrosius Hl. 264 Ammannati Piccolomini Jacopo, Kard. 181, 379 Ancarano Giovanni d’ 89 Ancarano Pietro d’, Petrus de Ancharano 31 Andermann U. 354-355 Andreae Johannes 255, 360 Andreas Hl. 305, 308 Andreas von Langenstein, s. Langenstein Andreas von Weißpriach, s. Weißpriach Andrieu M. 271 Angenendt A. 251-252, 255-256, 261, 269, 272, 277-279, 351 Angiolini H. 357

Antenor, Anthenor 101, 148 Antoniazzo Romano 274-276 Antoninus Pius 126-127 Antonio da Budrio, s. Budrio Antonio de Goppo, s. Goppo Antonius Abt Hl. 261, 374 Approvini Stefano 113 Aragon Alphons V. von 107 Arduini F. 133 Arnaldi G. 27 Arnold K. 10 Arnulf, Bischof von Metz 253 Arnulf von Kärnten 81 Aron 79 Arrian 147 Arsenius, Abt 313-314 Aschbach J. 40, 45 Assmann A. 200 Assmann J. 203, 211, 219 Athanasius 354 Athila, Attila, s. Etzel Attalus Hl. 369 Auer Ernst 216 Augsburger Caspar, Gaspar 262-264 Augustinus Hl. 237, 252, 257, 279, 305 Ayndorffer Kaspar 296 Baar P.D. van den 79 Babinger F. 347 Bacci M. 273-274, 276 Bachrach B.S. 255 Baden, Haus 178 – Markgraf Johann 178-179 – Markgraf Karl, Karolus 126 Barbara von Hohenzollern, s. Hohenzollern Barbo Ludovico 50 – Marco, Kard. 248 – Pietro, s. Paul II. Baroffio B. 207 Bartholomeus Anglicus 377-378 Bartolo, Bartholus, Bartolus da Sassoferrato 62, 96 Basilius von Cäsarea 244, 328

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Personenregister

Baum W. 118 Bäumer G. 298, 300, 303 Bäumer R. 75 Bazioli Leonardo 358-359, 361 Becker H.J. 32, 75-76, 146 Becker W. 82 Beheim Michael 129 Beinhoff G. 52 Bellabarba M. 234 Belloni A. 22-23, 29, 33, 44, 62, 80, 147 Belting H. 272, 274, 276 Benedetto, Abt von San Lorenzo in Trient 112 Benedictus XI., Papst 182 Bennewitz J. 312, 317 Berbée P. 177 Berengar I., König 81 Berges W. 230 Bergmann W. 309 Bernardin von Siena, Bernardino da Siena 188, 341, 380-381 Bernardinello S. 26 Bernhard von Clairvaux 291 Bernhard von Waging, s. Waging Bertachini Giovanni 63-64, 66 Bessarion, Nicenus, Kard. 125-128, 131132, 154, 156, 169-171, 173, 275-276, 334, 340, 345, 354 Bianca C. 154, 275 Bickell G. 296 Biddick K. 205 Billanovich G. 148 Billanovich M.C. 8 Binterim A.J. 300 Biondo Flavio 51, 62, 101, 111, 183, 197, 245-246, 248, 273, 342, 354 Bird Ph.A. 257 Birk E. 114 Black A. 74, 78 Black R. 7 Blankenfels Friedrich von 179 Bloch R.H. 312, 314, 316-317, 319 Blumenau Laurentius 132, 167 Blusch J. 337, 339 Bödeker H.E. 10 Böhme H. 255 Bonaventura Hl. 384 Bonelli Benedetto 133, 207, 212, 234, 262263 Bonifaz VIII., Papst 33, 136 Bonifaz IX., Papst 186

Boockmann H. 131-132, 176 Borgolte M. 10, 203-204, 218 Borja, s. Calixt III., Alexander VI. Bormann K. 8 Borrelli L. 146, 343-344, 384 Borst A. 376 Bottrigari Iacopo, Butrigarius, Buttrigarius 31 Brandenburg, Haus, marchiones Brandenburgensens 124, 126-127, 189, 221 – Albrecht Achilles 104 – Barbara, s. Hohenzollern Barbara von – Ludwig 215 Brandmüller W. 49, 52, 145 Brandstätter K. 118, 334, 344 Brauchs Th. 251-252, 256, 278-279 Braun J. 270 Braun Pasternak C. 322 Bredenrode Gisbert de 177 Brigitta Hl. 229 Brosius D. 115, 152, 158, 162-164, 177, 180-181 Browe S. 381 Brühl C. 81 Brunetta, Bruneta 321, 378-380 Bruni Leonardo 147 Buchner F.X. 298 Budrio Antonio da, Antonius de Butrio, Buttrius 31, 62, 79, 93 Buijssen G.H. 235 Bullough V.L. 312 Burckhard von Weißpriach, s. Weißpriach Burger Chr. 350 Burger G. 11 Burgund – David 177 – Philipp der Gute 125, 274 Burnett McIrnerney M. 320 Burns J.H. 62-64, 66-68, 71-72, 77-78 Busch R. 251-252, 256, 278-279 Buser B. 104 Butrigarius, Buttrigarius, s. Bottrigari Butrio, Buttrius, s. Budrio Calderini Giovanni 282 Calixt III., Calixtus, Papst, Alonso Borja 111-112, 115, 121-122, 124, 141, 150, 159-160, 162-163, 165, 173, 175-181, 337-338, 341

Personenregister

Camille M. 198 Campano Giovannantonio 337-339, 346, 352 Can Gian Giacomo 24, 35 Canisius Petrus 333 Capodilista, Fam. 66, 148 – Francesco, Franciscus de Capitibusliste 22-23, 51-53, 111 115, 147 – Giovanfrancesco, Iohannes de Capitibusliste 42, 50-53, 62, 144-145, 147 Capranica Domenico, Kard. 50, 121 Caracciolo Roberto 369 Carafa Oliviero, Kard. 248 Caravale M. 63 Carileffus Hl. 316 Carolus Magnus, s. Karl der Große Carrara da, Charrarenses, Fam. 26-27 Carruthers M. 195-201, 203 Carvajal Juan de, Iohannes de, Kard. 108109, 124, 133, 153-154, 158, 160-162, 168-171, 323, 336, 338 Cassero Martin del 33 Cassiodor 302 Castelli E. 317 Castelnuovo E. 270 Castiglioni Branda, Kard. 15 – Giovanni, Kard. 179 Castri S. 214, 275-276, 318, 325 Castro Angelo da 25, 357 Castro Romano Jakob Johann de 103, 116 Catull 325 Cavallaro A. 274-275 Cerulli E. 381 Cesarini Giulio, Kard. 38 Chambers D.S. 168 Charrarenses, s. Carrara Chemelli A. 343-344 Chène C. 374-376, 379-380 Cheneval F. 72, 78, 80 Cherubini S. 49 Cicchetti A. 9 Cicero, Tullius 201, 245-246 Cilli, Grafen 114 – Barbara 114 – Ulrich II. 114, 117-118 Cino da Pistoia 92 Ciprian 364 Coëtivy Alain de, Kard. 337-338 Cognasso F. 39 Cola di Rienzo 80

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Coletti Th. 329 Colish M. 315 Collareta M. 270 Colleoni Bartolomeo 97 Colli Michele 267 Collodo S. 148 Condulmer Gabriele, s. Eugen IV. Constantin der Große, Constantinus 9 Contarini, de Contarenis Cosma 33, 35 Conti Ildebrandino 8 Conversini Giovanni 147 Corrado da Montepulciano 136 Corsten S. 301-302 Cortesi M. 7, 24, 244, 292, 343, 345, 366 Corvinus Matthias, König von Ungarn 118, 124, 126-128, 290, 309, 349 Cossa Baldassarre, s. Johannes XXIII. Coyne Kelly K. 312, 314, 318-321, 378 Cracco G. 274, 384 Curzel E. 132, 136, 145-146, 210, 217, 231, 262 Cusanus, Kusaner, Nikolaus von Kues, Kues, Nicolaus de Cusa, Kard. 8, 75, 91, 108, 112, 132-133, 135, 146, 149, 158, 167, 172, 174, 227, 229, 272, 282, 294-296, 298, 310, 324, 339-340 Cusin F. 111, 115, 128, 131-132 Cuthbert Hl. 268 D’Acunto N. 277 D’Ascia L. 352 Dal Legname Giovanni Filippo 352 Dal Prà L. 213-214, 281, 365-366, 383 Damiano da Pola 27 Dandolo Fantino 23, 32, 36 Daniel 288 Dante 35, 80, 87 David, König 330-331 David von Burgund, s. Burgund De Gramatica F. 270 De Sandre Gasparini G. 27, 52, 227 Decker W. 15, 42, 48, 50, 53, 162 De Kegel R. 74 Dekker R. 8, 10-11 Dellantonio G. 203, 281 Dengel I.Ph. 156-352 Denifle H. 27 Derrida J. 8, 203 Di Bernardo F. 337 Dienst H. 377 Dieter von Isenburg, s. Isenburg

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Personenregister

Dietrich von Niem, s. Niem Dinzelbacher P. 258, 265-266, 268-271, 291, 342 Dionisotti C. 108 Dionysius Areopagita 342 Dionysius der Kartäuser 229 Dionysius Hl. 279 Domenichi Domenico de’ 141, 155-156, 171, 173, 303 Dominici Giovanni 326 Donato Marco, Marcus 29 – Pietro 42, 50 Dopsch H. 114, 117, 119, 163 Drach Peter 300 Dünninger H. 263, 272 Durand, Durandus Wilhelm d.Ä. 235-239, 248-250, 272, 286, 296, 307-309, 311 Ebendorfer Thomas 38, 67, 76, 98, 120121, 146, 247, 317, 319, 382 Eberhard von Béthune 20, 196 Eck Johannes 333 Eckermann K. 77-78, 80, 84, 89-91 Eckermann W. 326 Eckert W.S. 361, 366, 374 Edelburga Hl. 380 Ehm P. 177 Eitzinger Ulrich 118-119 Eleonore von Portugal, Heleonora, Leonore 105-107, 111, 130, 133, 198, 207, 209, 219-220, 222-223, 269, 284, 323-324, 387, 389 Elias 331 Eligius Hl. 374 Elisabeth Hl. 19, 329 Elisabeth, Königin von Ungarn, s. Habsburg Elliott D. 320, 376 Ellis A.W. 205 Elm K. 331 Emerentiana Hl. 261 Emmeram Hl. 253, 268 Enea Silvio, Aeneas Silvius, Sylvius Piccolomini, Piccolominei, Pius II., Pius secundus, Papst 9, 18, 20, 24, 32-33, 37, 47, 65, 67-68, 75, 81, 98, 101-102, 104, 106-113, 115-117, 120-121, 123-126, 128-129, 133-134, 139-141, 145-146, 150-156, 158-166, 175-185, 189, 195196, 209, 275-276, 303, 322-324, 334, 336-338, 340, 346, 348, 352, 354, 389

Engelbert III. Graf von der Mark 230 Enoch d’Ascoli 150 Erbach Dietrich von 46, 159, 165 Erhard von Regensburg o.f.p. 371 Erkens F.-R. 82 Ernst (I.), s. Habsburg Ernst von Nataga, s. Nataga Esch A. 186, 267 Esch D. 267 Esposito A. 213, 224, 308, 321, 343, 357, 360, 366, 368, 371, 375, 379, 383-384 Etzel, Athila, Attila, 148-149, 201 Eugen IV., Eugenius IV, Ewgenius IV, Papst Gabriele Condulmer, 38-44, 46-52, 6168, 73-76, 78, 111, 133-134, 136, 153, 160-162, 168, 171-172, 181, 183 Eutropius 363 Eych, s. Johannes Ezechiel 288, 354 Fabiola Hl. 239-240 Farenga P. 352 Farmer Sh. 11, 322 Faussner H.C. 82 Faustini G. 262 Feine H.E. 137, 161, 163 Feld M.D. 154 Felicitas Hl. 318 Felix V., Papst, Amadeus VIII. von Savoyen 39-41, 43-44, 49, 54, 58, 64, 67, 74, 76, 145, 162 Fenster Th. 11 Ferguson M.W. 318, 320 Ferrer Vinzenz 341 Fietze K. 312, 314 Filippo da Mantova, Bischof von Trient 216 Fink-Lang M. 296 Fischer H. 96 Flaminius 249 Flavio Biondo, s. Biondo Fonseca C.D. 203 Forcellini A. 325 Forchtenauer Wolfgang 169 Foresti Jacopo Filippo 97, 212, 366 Forner F. 114 Foscari Francesco 66-67, 70 Frank I.W. 38-40, 67, 285 Franz A. 296-297, 341 Frenken A. 71 Fredericus, Fridericus, s. Friedrich

Personenregister

Fried J. 15, 204-205 Friedberg E. 79 Friedrich I. Barbarossa 120 Friedrich II., Fredericus, 107, 120 Friedrich der Schöne, Friedrich III., Friedrich IV. von Tirol, s. Habsburg Friedrich Truchsess, s. Truchsess Friedrich von Blankenfels, s. Blankenfels Friedrich von Wangen, s. Wangen Friedrich von Zollern, Bischof von Augsburg 272 Fritigern, König 339 Fuchs, F. 15, 45, 66, 99, 104, 108, 209, 212, 230, 268, 311, 324, 327, 349 Fuhs M. 267 Gadamer H.-G. 200 Gallineta Damiano 147 Gallo D. 22, 27, 37, 41-42, 147 Gallus Jodocus 300 Garcia Martin 35 Garin E. 32 Garrison M. 13 Gaspare da Teramo 146, 241 und s. Lelli Gatari Andrea 50, 52 Gebhard B. 158 Geiler, s. Johannes Geiler von Kaysersberg Geiserich 121, 339 Gemeiner Carl Theodor 179 Gentile S. 7 Georg von Ungarn, Jörg von Nürnberg, Georgius de Hungaria 343, 351-354 Geraldini Angelo 120 Gerhard, Bischof von Trient 215 Gerl J. 274 Gerola G. 216 Gerson Jean 187, 228-230, 232, 234, 247, 250, 272 Gert von Schnuren, s. Schnuren Ghinzoni P. 267 Giacomo d’Arena 92 Ginzburg C. 375 Giovanni d’Ancarano, s. Ancarano Giovanni da Capestrano 277, 357, 375 Giovanni da Pistoia, Johannes, Bischof von Trient 215-217 Giovanni da Prato, s. Prato Girgensohn D. 23-25, 32-35, 37-38, 52, 80 Giudici Battista de’ 355, 360-361

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Giustinian Bernardo 352 Goffman E. 9, 206 Goldast Melchior 63, 70-74, 79, 84, 86-87, 89-91, 95 Goldener Johannes 171 Göllner C. 354 Golser Georg, Bischof von Brixen 135, 137, 295, 303, 345, 368, 377 Gómez Canedo L. 153 Gönna S. von der 269, 272 Gonzaga, Fam. 49, 135 – Francesco, Franciscus, Kard. 135, 144, 167-168, 170, 173, 175, 221, 224 – Ludovico 324 Gonzo A. 342 Goppo Antonio de 125 Görz Grafen 115, 128 Gossolt Johannes 231, 311 Gottfried von Strassburg 317 Gottfried von Trani 82 Gow A.C. 376 Gramsch R. 37 Graus F. 266 Gregor I. der Große, Gregorius, Papst 185, 238, 242-243, 247, 250, 259, 283, 302, 370 Gregor IX., Papst 269 Gregor von Heimburg 146 Greipl E.J. 171 Grohe J. 303 Grössel Johannes 40 Grötecke I. 322 Grubmüller K. 24 Grünwalder Johannes, Kard. 43-44, 47, 64-65, 296 Guaschetta Giovanni Antonio 359, 381 Guerrini P. 275 Guido d’Arezzo 196 Guillaume d’Estaing, Kard. 162 Guillaume d’Estouteville, Kard. 121, 180 Gunhild 12 Gutenberg J. 301 Haarländer S. 265 Haas A. 378 Habsburg 47, 114, 167 – Albrecht II., Albertus, Alberthus, Kaiser, als Herzog von Österreich Albrecht V. 9, 36, 39-40, 42-43, 4548, 51, 53, 58-59, 63, 65, 80, 97-99, 108, 118, 322, 356, 387

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Personenregister

Albrecht VI., Albertus 114, 118-119, 121, 128, 130, 150 – Elisabeth, Königin von Ungarn 9, 322 – Ernst I. der Eiserne 117 – Friedrich III. der Schöne, Fridericus 26-27 – Friedrich III., Fridericus, Federicus, Kaiser, als Herzog von Österreich Friedrich V. 12, 15, 20, 23, 26, 36, 40, 44-48, 53, 58-59, 64-66, 68, 75, 77, 92, 98, 101-109, 111-115, 117-120, 122128, 134-135, 137-139, 141-142, 147, 149-150, 152-153, 155-157, 159-163, 165-166, 168, 170-171, 173, 177, 189, 198, 219-222, 252, 266-267, 273, 334335, 338, 341, 346, 349, 387 – Friedrich IV., Graf von Tirol 108, 117 – Leopold III., Leopoldus 120, 384 – Maximilian I., Kaiser 128-129, 198, 255, 323-324, 349, 384 – Rudolf I. 120 – Rudolf IV. 215 – Sigismund, Sigismundus, Graf von Tirol, Herzog (Erzherzog) von Österreich 49, 114, 117, 119, 128, 132-136, 144146, 149, 167-168, 170-172, 174, 213, 222-223, 277, 324, 335 Hack A.Th. 107 Hack Georg, Georgius, Bischof von Trient 42-44, 126, 132, 136-137, 145, 149-150, 167, 173, 210-211, 215, 218-219, 389 – Happe 149 Haeusler M. 382 Haffner F.X. 300, 311 Haffner Th. 248, 251, 299 Hagen Johannes 298 Haimburg Konrad von 291-292, 305 Hallauer H. 68, 132, 149 Haller J. 91 Hamm B. 239, 242, 245, 252-253, 351 Hankins J. 336, 339-340, 345, 347, 350 Hannak E. 130, 155, 198, 324 Hannappel M. 159 Hans von Rohrbach, s. Rohrbach Harthausen H. 300 Harttung von Kappel, s. Kappel Hassia Henricus de, s. Langenstein Hausner Jodok 20, 40 Haymo 253 Handler R. 211

Heath Th. 21 Hebelin Johann 234 Hedwig Hl. 19, 260 Heidelbeck Wunnebald 335 Heimburg Gregor, Gregorius 42, 133, 145 Heimpel H. 89, 187 Heinig P.-J. 47, 53, 65, 102-103, 105, 108109, 112, 134, 138-139, 140-142, 149, 152, 155 Heinrich, Henricus von Kärnten 27 Heinrich II. Hl. 318 Heinrich (IV.), Henricus, König von England 290 Heinrich von Absperg, s. Absperg Heinrich von Hewen, s. Hewen Heinrich von Lamberg, s. Lamberg Heinrich von Langenstein, s. Langenstein Heinrich von Metz, Bischof von Trient 215-217, 219 Heinrich von Schlettstadt 368, 375 Heller Johannes 44 Helmrath J. 38, 41-42, 49, 54-56, 59, 74, 123, 125-126, 187, 294, 310, 336, 354 Helmstatt Hraban von 189 – Ludwig von 300 Hemma von Gurk Hl. 123, 135, 141, 155156 Hercules 201 Hergemöller B.-U. 96 Hermann H.J. 292 Herolt Johannes 326 Herrera M.E. 378 Herrmann-Mascard N. 264, 266 Herz Narziss 39 Hessler Georg, Georgius 9, 155, 369 Hewen Heinrich von 181 Heynemann von Unna 116 Hieronymus, Hieronimus, Ieronimus, Hl. 145-146, 198, 239-242, 312, 317, 325, 335, 364-365 Higgs Strickland D. 338 Hilarion Hl. 371 Hildebrand von Arsio 377 Hildegard, Gemahlin Karls des Grossen 217 Hildegard von Bingen 313 Hinderbach Fam. 15 – Cecilia (Johannes’ Schwester?) 208 – Dietmar, Dietmarus (Johannes’ Onkel) 20, 40, 45-46, 53, 66, 110, 123, 127, 143, 188, 200

Personenregister



Hedwig (Johannes’ Grossmutter) 20, 208 – Heinrich (Johannes’ Bruder) 20, 129, 208 – Immeln (Johannes’ Mutter) 19, 208 – Johannes passim – Konrad (Johannes’ Onkel) 21, 40, 303 – Konrad (Johannes’ Bruder) 15, 20, 110, 113, 122-123, 133-135, 140, 152-153, 164, 208 – Konrad (Johannes’ Grossvater) 208 Hödl G. 46-47, 120 Hödl L. 378 Hoensch J.K. 41 Hofmann-Wellenhof V. von 32, 36-37, 102, 108, 115, 121, 151, 169, 324 Hohenzollern Barbara von 134, 324 Hollen Gottschalk 325 Holzer Wolfgang 129-130 Homer 246 Houben H. 203 Hraban von Helmstatt, s. Helmstatt Hülsen-Esch A. von 36 Huntpichler Leonhard 40 Hunyadi Jan 118, 124 Hürten H. 59 Ieronimus, s. Hieronymus Ijsewiin J. 224 Iltigarius 217 Innozenz IV., Innocens, Papst 33-34, 120, 359-360 Innozenz VIII., Papst 368 Iohannes de Salis 378 Isenburg Dieter von 75, 178, 302 Isenmann E. 77-79, 94, 127 Iserloh E. 278 Isidor 312 Israel U. 342 Iustina 246 Jackman D.C. 82 Jacobus de Voragine 253 Jäger A. 132, 336, 341, 344 Jakob 288 Jakob Johann de Castro Romano, s. Castro Romano Jakob von Erfurt 296 Jakob von Tückelhausen 296 Jakob von Vitry 268 Jancke G. 10-11 Janotta Chr.J. 384

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Janowsky B. 255 Janssen W. 233-234, 268 Jeanne d’Arc 319 Jedin H. 155-156, 228, 293, 303 Jeremia 288 Jesaia 288, 364 Jiob 288 Joachim Hl. 331 Joannes à Leydis 177 Jodok Hl. 304 Johanek P. 146 Johann, Abt von Cîteaux 298 Johann von Kleve, s. Kleve Johann von Reisperg, s. Reisperg Johannes, Bischof von Trient, s. Giovanni da Pistoia Johannes Hl. 308 Johannes d. Täufer Hl. 271, 300, 325, 361 Johannes de Werli 109 Johannes XXIII., Papst, Baldassarre Cossa 48 Johannes Geiler von Kaysersberg 251, 333 Johannes Theotonicus, Iohannes Teutonicus 81, 351 Johannes, Iohannes von Eych 43, 126, 295297, 299-300 Johannes von Fécamp 285 Johannes von Lübeck 376, 381 Johannes von Neumarkt 291 Johannes von Paltz 253, 282, 351 Jörg von Nürnberg, s. Georg von Ungarn Jorga N. 382 Joseph, Josephus, Yoseph Hl. 318-319, 330331 Jouffroy Jean 125 Juda 79 Junge Kaspar 152 Jungmann J.A. 294, 304-305 Jussen B. 312 Justinian, Kaiser 254 Kappel Harttung von 101-102, 106, 123, 125, 142 Karl der Große, Karolus, Carolus Magnus 81, 84, 86, 217, 279 Karl der Kahle 202 Karl der Kühne, Karolus 290 Karl IV., Kaiser 291 Karl VI., König von Frankreich 382

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Personenregister

Karl VII., König von Frankreich 62 Karolus, s. Karl Karp K.-J. 115 Karras R.M. 322 Kasimir IV., König von Polen 115 Katharina von Alexandria Hl. 326 Katharina von Serbien 114 Katharina von Siena Hl. 384 Kecks R.G. 327 Kellner H. 309 Kempf F. 79 Kieckhefer R. 376, 380 King M. 148 Klavadetscher O.P. 181 Kleinlogel C. 342 Kleist H. v. 7 Kleve Johann von, Herzog 149 Klockow R. 351-352 Klothilde, Königin 313 Kögl J. 118 Koller G. 46 König M. 189, 231 Konrad von Beseno, Bischof von Trient 217 Konrad von Haimburg, s. Haimburg Koppenfels W. von 198 Kormann E. 8, 10-12, 14 Krapf L. 166 Kraus A. 102 Kreul Nikolaus 153 Kreuzer G. 19, 144 Krieger F.K. 138, 163-164, 267-268 Krimm K. 178 Kristeva J. 319 Kroll R. 255, 312, 320 Krüger K. 326 Kruger S.F. 11 Krümmel A. 97 Kues, s. Cusanus Kühne H. 262, 269, 282 Kuhschmalz Franz 115 Kundert W. 181 Kunigunde Hl. 318 Kunne Albrecht 343-344 Kusaner, s. Cusanus Labowsky L. 126 Lacaze Y. 177 Lactance, Lactantius 255-256, 342 Ladislaus Postumus 9, 36, 107, 114-115, 117-119, 124, 150, 180, 202

Laeli, s. Lelli Laiming Leonhard von 46-48, 53, 59, 66, 77, 149 Lamberg Heinrich von 103 Lambert Hl. 254 Landmann F. 341 Langenstein Andreas 20 – Heinrich, Henricus de Hassia 19, 38, 67, 76, 143, 188, 200, 279, 356 – Paul 20 Lankmann, s. Nikolaus Lantramm, Bischof von Trient 217 Larrington C. 13 Lauwers M. 211, 217, 278 Lazzarini I. 135 Lazzeroni E. 103, 105-106 Lear J. 15 Lechleitner O. 168-169, 172 Lechner G.M. 271 Lechner J. 23, 102, 111, 114, 140 Leckstein Ciriacus 173 Lees Cl.A. 11 Leidl A. 109, 369 Leitner Chr. 148, 354 Lelli, Laeli, Fam. 66, 144, 147 – Francesco, Franciscus 49, 144 – Lelius 49 – Teodoro, Theodorus 49, 53, 132-133, 144-147, 167, 170, 173, 195, 241 – Simone, Symon de Theramo 49-50, 5253, 145, 147 und s. Gaspare Lentes Th. 272 Leo der Grosse, Papst 247 Leo VIII., Papst 81 Leonhard von Laiming, s. Laiming Leonore, s. Eleonore Leopold von Habsburg, s. Habsburg Leslie M. 312, 318, 320 Lettman R. 285 Leubing Heinrich 42 Leuschner J. 89 Levhold von Nordhoff 230 Levi 79 Lhotsky A. 20, 38, 99, 120, 128, 189 Licinius P. 249 Liechtenstein Georg von, Bischof von Trient 210, 216, 219 Lindemann Lorenz 126 Liotta F. 33 Livius Titus 51, 147-148, 249 Longo L. 214, 325

Personenregister

Lorenzo, aus Trient 374 Lovati Lovato 148 Luca da Penne 196 Lucius III., Papst 64 Luckmann Th. 197 Ludovicus, s. Ludwig Ludovisi Ludovico 122 Ludwig III. Pfalzgraf bei Rhein 368 Ludwig der Bayer, Ludwig, Herzog von Bayern, Ludwig der Reiche, s. Wittelsbach Ludwig von Helmstatt, s. Helmstatt Ludwig von Teck, s. Teck Ludwig, Ludovicus der Fromme 349 Lukas Hl. 271, 273-274 Lupold von Bebenburg 79-80 Lur Heinrich 189, 231, 311 Luther Martin 382 Luxemburger, Dynastie 47 Luzia Hl. 378 Lynch K. 320 Machametus, s. Mehmed Maffei D. 80 Maidburg Michael von 105 Maier, Peter 178 Mair, Mayr Martin 109-110, 165-166, 175176, 109, 181-182, 185 Maleachi 249, 287 Malatesta, Dynastie 133 – Sigismondo Pandolfo 133 Mallet M.E. 159 Manderscheid Ulrich von 189 Manfred, Manfredus, Fürst von Tarent 107 Manger H. 58 Mantovani G.P. 26 Marcella 145 Marcellus, Papst 261 Margarit Juan de 351-352 Maria, Jungfrau, Mutter Christi, Madonna 271, 273-274, 288, 291, 300, 317-319, 322, 325, 327-331 Maria d’Anjou, Königin von Ungarn (Mutter) 9, 322 Maria d’Anjou, Königin von Ungarn (Tochter) 9, 322 Maria d’Oignies 268 Maria Magdalena 317, 322 Marina Hl. 220 Marsilius von Padua 87, 91

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Martellozzo Forin E. 51 Martin Hl. 371 Martin V., Martinus, Papst 22, 27, 41, 6162, 64, 73, 157 Martin del Cassero, s. Cassero Märtl Cl. 15, 65, 125, 128, 177, 180, 322 Martyrius Hl. 213, 220-221, 223, 234, 262264, 269 Masowien Alexander von, Bischof von Trient 210, 215, 219 Mathäus Apostel und Evang. 311, 330 Matthias, Apostel 380 Matteuccia da Todi 375 Maximilian I., s. Habsburg McGuire B.P. 320 McManamon J.M. 147 McNamara J.A. 321 Mehmed II, Mahumetus, Machametus Bely von Chomani 108, 336-337, 339, 343344, 347, 351-354 Meichenbaum D. 205 Meinhard von Neuhaus, s. Neuhaus Melchior von Meckau 293 Melchisedech 79 Melozzo da Forlì 274 Menapace G.B. 263 Menniti Ippolito S. 42 Merlin 376 Merlo G.G. 375 Mertens D. 301-302, 346-348, 350 Mertens Th. 60 Meuthen E. 65-66, 72, 127, 133, 154, 229, 294, 336, 339-341, 354 Meyer A. 157-158, 164 Meyer H. 377 Meyer H.B. 270 Michael von Maidburg, s. Maidburg Michaels A. 255 Miethke J. 79-80 Miller I. 158 Möbius H. 330 Modigliani A. 134 Moeller B. 229, 282-283, 390 Mohamed, Prophet 338-339, 353 Mohlberg C. 294, 305 Mohler L. 127, 340 Möhring H. 349 Monte, s. Pietro dal Monte Meisterlin Sigismund 199, 231 Montesano M. 375, 377, 380 Moraw P. 102, 104, 137, 140, 142-143, 150, 219

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Mordenti R. 9 Mornet E. 219, 232 Morosini Barbono, Moriceno Barbonus 29 Moses 239, 370, 372 Motzkin G. 205 Muffel Niklas 104 Müller H. 158-159, 162, 231 Müller J.-D. 199 Müller M. 215, 217, 219, 230, 233-235, 252 Müller W. 39, 43, 46-48, 65 Müllner J. 126 Murray J. 320 Nataga Ernst von 136 Nathan 330-331 Nelson J.S. 195 Nepotian, Nepotianus 239 Nereta 49 Nero 83 Neuhaus Meinhard von, de Novadomo, Bischof von Trient 215, 219, 291-292 Nicasius von Reims 247 Niccoli Niccolò 147 Nicolaus de Cusa, s. Cusanus Nider Johannes 374, 379 Niem Dietrich von 89 Nikolaus V., Nicolaus, Papst, Tommaso da Sarzana 49, 101-102, 106, 108-112, 126, 133, 144-145, 150, 153, 157-162, 176177, 181, 281-282, 336-337, 354 Nikolaus Lankmann de Valckenstein 107 Nikolaus von Brünn, Bischof von Trient 215-216, 219 Nikolaus von Kues, s. Cusanus Nikolaus von Lyra 289, 356 Nikolaus von Tongen 153 Noceto Pietro da 108-110, 139 Noehles G. 275 Nono Giovanni da 149 Novadomo de Meinhard, s. Neuhaus Nußbaum O. 270 Nußdorf Ulrich von 26, 109, 133, 149, 300 Oberman H.A. 363, 382 Obersteiner J. 123, 135, 141, 155 Ocean 239 Ockham 91 Odilo von Cluny Hl. 277-278

Odorico P. 7 Oexle O.G. 211-212, 214, 217-218 Ognibene da Lonigo, Omnibonum 27, 147148, 224, 354 Ogoui A. 284 Olmi G. 234 Origenes 318 Orsini Giordano, Kard. 368 Ortenburg Albrecht von, Bischof von Trient 210, 215 Ostorero M. 376 Othenin-Girard M. 277, 281 Ottilia Hl. 304 Otto E. 257 Otto, Herzog von Bayern, s. Wittelsbach Otto I., Otto von Sachsen, Kaiser 81 Otto III., Kaiser 82, 85 Otto IV., Kaiser 90 Ourliac S. 54 Ovid 201-202, 325 Pachomius, Abt 316 Pagliarini Bartolomeo, Bartholomeus 369 – Battista 369 – Nicolaus 369 Panormitanus, s. Tudeschi Paolo d’Arezzo, Paulus de Aretio 23, 25, 28, 80-81, 94-95 Paravicini Bagliani A. 376 Partner N. 8, 10-11, 15 Pascasius 378 Pastor L. von 334, 337, 340-341 Pastore Stocchi M. 147 Patrizzi, Agostino 172, 303, 334-335 Patschovsky, A. 338, 382 Paul II., Paulus, Papst, Pietro Barbo 134135, 141, 146, 151, 156, 164, 167, 220-221, 223, 271, 275, 338-339, 354, 367, 374 Paula Hl. 315 Paulinus 243 Paulus Hl. 247, 308, 325 Paulus Diaconus 339-340 Paulus von Theben, der Einsiedler 309 Paulus N. 282 Paulus von Sancta Maria, Bischof von Burgos 289 Pavini Giovanni Francesco 360, 384 Pelegrinus, civis veronensis 30 Peraudi Raimund 282 Perger R. 129 Perotti Niccolò 339

Personenregister

Perpetua Hl. 318 Perticone G. 63, 78 Pertusi A. 343 Peter von Schaumberg, s. Schaumberg Petersohn J. 224 Peterson E. 338 Petrarca 7-8, 33, 35, 120, 147, 199, 201202, 244, 336 Petrus Comestor 370 Petrus, Simon Petrus Hl. 201, 317, 325 Peuntner Th. 326-327 Pfannenberg, Ulrich von, Ulricus de Phanneberg, Phannemberg 26-27 Pferschy-Maleczek B. 324 Pfleger L. 298 Pflieger Sylvester 53, 102, 163 Phanneberg, s. Pfannenberg Philemon 239 Philipp der Gute, s. Burgund Philipp von Rosenberg, s. Rosenberg Philippe de Mézières 382 Piasten, Dynastie 117 Picard J.-Ch. 215 Piccolomini, Piccolominei, s. Enea Piccolrovazzi A. 135, 324 Picotti G.B. 125, 152 Pietro d’ Ancarano, s. Ancarano Pietro dal Monte 91 Pietro da Noceto, s. Noceto Pirckheimer Hans 66, 104, 138 Pirckmann Magnus 231 Pitz E. 116 Pius II., s. Enea Platina Bartholomeus 148, 224 Plato 199 Plinius 378 Plotin 224 Plutarch 245 Po-Chia Hsia R. 360, 382 Podiebrad, Georg 76, 118, 121, 128-129, 131, 152, 154, 165, 290 Polenton Sicco, Polentonus 147 Pomaro G. 7 Pontal O. 237 Pontano Ottavio 32 Post R.R. 177 Prato Giovanni da, Iohannes de Prato 22, 33-34 Prisca Hl. 361 Prosdocimi L. 62 Prosperi A. 227-228

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Prügl Th. 145-146 Puff H. 96 Pythagora 202 Quaglioni D. 37, 91, 132, 145, 213, 357360, 368, 370-371, 381 Querini, s. Quirini Quiñones Francisco, Kard. 304-306 Quintilian 196 Quintinus Hl. 308 Quirini, Querini Fam. 215, 219 – Bartolomeo, Bartolomeus, Bischof von Trient 215, 219 – Lauro 33, 148 Quirinus Hl. 267, 273, 281 Raab H. 57 Rainer J. 267 Rammung Matthias 299-300, 310 Rando D. 19, 123, 140, 150, 154, 168, 172, 229, 234, 247, 252, 261, 273, 306, 310, 333-334, 342, 352 Rankl H. 149, 179-180 Rasmo G. 167 Ratdolf Erhard 302 Rautenstock Martin 220, 222 Redlich V. 297-298 Reeves M. 347 Reifenberg H. 302 Reinhardt V. 169 Reinhardt W. 186 Reinle Chr. 10, 102-106, 116-117, 119, 127, 129, 134, 138-141, 149, 152, 160-161, 164, 166 Reisperg Johann von 39 Rexroth F. 27 Ricciardi R. 91 Richard de Bury 199 Richard von Poitiers 375 Richard von Pontoise Hl. 368-369 Riederer Ulrich 102-103, 110, 116-117, 127, 130, 134, 138-140, 152, 160-161 Riedmann J. 213 Rigaux D. 213 Ripellin Hugo 243 Rivo Rudolf von, De Rivo 293, 295, 304305 Rocke M. 96 Röckelein H. 363 Roderich von Zamora 188 Rogger I. 207-210, 212-214, 216, 224, 234, 260-267, 270, 286, 303-304, 309, 325

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Personenregister

Rohrbach Hans von 134-135 Rokycana Jan 118 Rolewinck Werner 186, 290, 301-302, 366, 368 Rollason D.W. 268 Romano D. 66 Romedius Hl. 261-262, 264-265, 383 Roselli, Rosellis Antonio de, Rosellus Anthonius, Antonius 15, 23, 25, 31, 33-34, 36, 48-49, 52-53, 60-81, 84-89, 91-95, 97, 282, 358, 388 Rosenberg Philipp I. von 300 Rosenfield I. 205 Rosenwein B.H. 13, 256 Rosso P. 122, 153 Roth Johannes 133, 325 Rotstock Heinrich 39 Rousset P. 255 Rovere Cristoforo della, Kard. 373, 384 Rozzo U. 302 Rubin M. 376, 382 Rüdesheim Rudolf von 133 Rudolf I., Rudolf IV. von Habsburg, s. Habsburg Rudolf Wolkardi von Heringen 45 Rudolf von Rüdesheim, s. Rüdesheim Rudolf von Scherenberg, s. Scherenberg Rudolph von Diepholz 230 Rufinus Tyrannius 241 Rupert Hl. 304 Rupert von Deutz 285 Rusconi R. 290, 341, 347, 349-350, 354355, 382 Russo V. 80 Ryser Georg 299 Saam D. 343 Sabine Hl. 317 Salicetus (Wydenbusch) Nikolaus von Baumgarten 298 Salome 361 Salomon (Ps.-Salomon), Bischof von Konstanz 374 Salomon, Bischof von Trient 217 Salomon, König 330-331 Sambin P. 8, 27, 37 Samuel 355, 372, 378 Sauerland H.V. 178 Savonarola Girolamo 7-8 Scala Della, Fam. 217 – Nicodemo 64

Scarpatetti B. von 8 Sceva da Corte 102-104, 106, 122, 138 Schallermann Johannes 108-109, 230, 311, 327 Schanze F. 343 Scharf R. 104 Schaumberg Peter von, Kard. 189, 231232, 234, 311 Schedel Hartmann 143, 366 Scheib Johannes (Johannes’ Hinderbach Vater) 19-20, 208 Scheibe K.E. 10-11, 15, 204-205 Schele Johannes 42-44 Scherenberg Rudolf von 301 Schieffer R. 8 Schläger J. 206 Schlaspeck Ambrosius 122 Schlick Heinrich 64-65, 72, 76 – Kaspar 47, 53, 64-65, 68, 101, 104 Schmidt M.A. 229 Schmidt S. 204-205 Schmolinsky S. 10 Schneider H. 378 Schnitzler N. 272, 363 Schnuren Gert von 230 Schnyder A. 375 Schottland, s. Alienor Schreiber G. 341 Schreiber W.L. 343 Schreiner K. 20, 144, 187, 189, 251, 255, 326-328, 331-333 Schröder A. 231 Schubert E. 82 Schuchard Chr. 112, 173 Schuler P.-J. 209 Schulze W. 345 Schumacher M. 318-319, 329 Schütz A. 197 Schwarz B. 42, 113 Schwinges R.Chr. 144, 187 Scribner R.W. 379 Sedechia, Sedechyas 202 Segovia Juan de, Kard. 54-55, 72 Seiringer Nikolaus 298 Senftleben Heinrich, Heinricus 108-110, 116, 126, 151-153 Senging Martin von, Martinus 297-298 Sesselmann Friedrich 113 Setton K.M. 125 Setz W. 68 Severidt E. 134, 324

Personenregister

Sforza Alessandro 274 – Francesco 102-105, 123, 138, 152 Shank M.H. 356 Shaw D.G. 10, 14-15 Sieben H.J. 19 Siebenthal W. von 255 Sieber-Lehmann C. 335, 338-339, 341 Sierck Jakob von 158-159, 161-162, 165, 178, 340 Sigefredus Wormaciensis 201 Sigismund, Herzog von Österreich, s. Habsburg Sigismund, Sigismundus, Kaiser 20-21, 39, 41-43, 45-46, 50-54, 59, 62-63, 65, 68, 75, 98, 108, 114, 147, 151, 161 Sigismund, König Hl. 313 Signori G. 272, 363, 382-384 Simeon von Antiochien 269 Simon, Symon, Simonino 213, 221, 223224, 262, 265, 308, 311, 321, 343-344, 355-356, 361-362, 366-369, 371-373, 378, 382-385, 389-390 Simon Petrus, s. Petrus Simone da Borsano 32-34 Simone da Teramo s. Lelli Singer B. 230 Sinnacher F.A. 137, 345 Siricius, Papst 266 Sisinius Hl. 213, 220-221, 223, 234, 262264, 269 Sixtus IV., Papst 222, 273-274, 352, 355, 367 Smalley B. 7 Smith L. 147 Smolinsky H. 156 Sohn A. 136, 151-153, 173 Somaini F. 227 Sonnenberg Ulrich von 46, 48, 102-103, 106, 109-111, 116, 122-123, 133-134, 138, 152-153, 140-141, 163, 209, 211 Soosten J. von 257 Sot M. 217-218 Sottili A. 24, 53, 122, 143, 153, 325 Soykut M. 336, 340, 344 Spitzer Fr. 270 Stanislaus Hl. 19, 260, 270 Steer G. 243 Steichele A. 232 Stein R.M. 8 Stephan, Herzog von Bosnien 132 Stephan I., Papst 82

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Stieber J.W. 38-40, 42-43, 48, 59, 75 Stow K. 213, 357, 361, 365, 368-369, 373 Strnad A.A. 9, 15, 19-22, 25, 40, 46, 48, 62, 105, 108-113, 115, 121-126, 128-129, 133, 136, 141, 144, 150-156, 163-164, 173, 188, 208, 211-212, 234, 277, 285, 298, 303, 311, 323, 334 Stump Ph.H. 187 Sudmann S. 42, 65 Sueton 120 Sutner J.G. 299 Sylvester I., Papst 224 Sylvester II., Papst 374 Sylvester Pflieger, s. Pflieger Tacitus 150, 155 Talheim Hermann 75 Tammen S. 271 Tateo F. 346 Tavano S. 115 Teck Ludwig von 41, 49 Teramo Gaspare da, s. Gaspare Tertullian 153, 314-315 Teutonicus, Theotonicus, s. Johannes Tewes G.-R. 157-160, 164, 166, 173, 177, 181 Theoderic, Theodericus 201 Theodosius I. 266-267 Thomas von Aquin 242, 268, 285, 305, 348 Thomson J.A.F. 70 Tiberino Giovanni Maria 366 Tierney B. 71 Tirol, Grafen 43, 132, 149, 223 und s. Habsburg Titus 239 Tocci M. 42 Todeschini Piccolomini Francesco, Kard. 141, 153-155, 237, 248, 251, 322, 335, 352, 389 Tognetti G. 347 Tolomei Giacomo de’ 108 Tommaso da Sarzana, s. Nikolaus V. Torquatus Aulus 245 Tortelli Giovanni 62 Tosabecchi Antonio 181 Trachtenberg J. 375-376 Trapp Jakob II. von, Iacobus Trappo 134, 324 Traversari Ambrogio 53, 244 Treue W. 213, 356, 361, 366, 368-369, 371, 373, 376, 383

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Personenregister

Trevisan Ludovico, Lodowicus, Ludovicus, Patriarch und Kard. 34, 49, 174 Treysa, Fam. 19 – Hermann Lelle, Hermannus 19-20, 143, 200, 208, 211 Tristano C. 7 Truchsess Friedrich von Emmersberg 40 Tüchle H. 301-302, 3 Tudeschis Nicolaus de’ (Panormitanus) 25507 Tullius, s. Cicero Turrini F. 262, 265 Udalrich, Bischof von Trient 214 Uiblein P. 21, 46, 128 Ulrich von Manderscheid, s. Manderscheid Ulrich von Nußdorf, s. Nußdorf Ulrich von Sonnenberg, s. Sonnenberg Ungnad Hans 138 Utz Tremp K. 376 Valens, Kaiser 339 Valentinianus d.A. 246 Valla Lorenzo 246 Valois N. 72 Varanini G.M. 214-215, 217, 234 Vareschi S. 43, 112, 122, 291 Varro 313 Vauchez A. 368, 383 Vener Job 187, 189 Vergerio d.A., Vergerius Petrus Paulus 147 Vergil, Virgilius 246, 313 Vernerius de Ponte 148 Vespasian 80, 363 Vetter E.M. 331 Vigilius Hl. 64, 265-267, 270, 273, 279, 281, 285, 305, 308, 383 Vinzenz von Beauvais 32, 83, 253, 260, 273, 277-278, 281, 312-313, 326, 328, 368, 370, 382 Visconti, Filippo Maria 101 Visel C. 343 Vitellius 202 Vitricius von Rouen 265 Vittorino da Feltre 147 Vivaldi Francesco 37 Vlachos T.N. 132 Vogt Johannes 298 Voigt G. 180 Volrad Nicolaus 101

Voss W. 55, 59, 68, 75, 155, 159, 165 Waging Bernhard von 296-298, 304 Wagner W.E. 40, 45 Wahl O. 7 Wakounig M. 41, 49 Walser Jakob 149 Walsh K. 46, 107, 133, 247, 257, 260, 262263, 265, 277-278, 284-285, 289, 295, 301, 303-304, 317, 319, 323-324, 355356, 376, 381 Wandrillus Hl. 318 Wangen Friedrich von, de Wanga, Bischof von Trient 210, 215-217, 219 Weigand R. 7 Weinig P. 323 Weiss G. 262, 264, 269, 383 Weißpriach Andreas von 123 – Burckhard 123, 125, 136, 152-155 Weitz Th.A. 15, 61-63, 65-67, 69-72, 74, 77-78 Welber M. 7, 10, 21-23, 35, 143, 149, 188, 200, 208, 224 Weltzli Ulrich 53, 116, 142 Wendel Kaspar 107 Wenninger M.J. 357 Wenzel H. 196-199 Werminghoff A. 230 Werner von Bacharach 368, 372 Wetzstein Th. 141, 369, 383-384 Wiesflecker H. 129 Wigand von Kassel, Wigandus Erkel de Hesse, Wigandus Hesse 32-33 Wilhelm von Norwich 368 Wilhelm von Reichenau 299 Wimpfeling Jakob 234, 252, 333 Winter H. 206 Wismair Leonhard 181 Witowec Jan 114 Wittelsbacher 64 – Bayern-Landshut Grafen von 128-131, 179 – Albrecht III. 64 – Johannes II. 64 – Ludwig der Reiche 128, 165, 179-180 – Ludwig (IV.) der Bayer, Ludewicus, Ludovicus Bavarus 87 – Otto (I.) 179-180 – Otto (II.) 180 – Ruprecht, Robertus 179-180 – Stefan 179

Personenregister

Wittneben E.L. 80 Wolf A. 82 Wolfgang Hl. 308 Wolfgang von Knittelfeld 45 Wolkan R. 37, 109-112, 132, 139, 146, 209, 323, 337 Wolkenstein, Theobald, Thebaldus de 26, 42-44, 149 Worstbrock F.J 68, 165, 175, 291, 375 Wostry W. 47, 99 Zabarella Francesco 23-24, 32, 34-35, 49, 53, 61, 71, 80-86, 88-91, 95, 97 Zacchia Laudivio 352

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Zahnd U.M. 10 Zebinger Walter 103 Zeissberg H.R. 117-119 Zeno Jacopo 145 Ziegeler W. 368, 377 Ziliotto B. 345-346 Zimmermann H. 382 Zocchi Jacopo 23, 25, 88, 279-280, 282, 284, 360 Zonta G. 53 Zovenzoni Raffaele 345-346, 354 Zumkeller A. 282, 326 Zwolský Bohuše 37

Ortsregister Aachen 98 Adria 323 Akkon 171 Alamania, Alemania 83, 155 Albeins 295 Altötting 383 Ancona, Anchuna 134, 151 Angera 103 Anglia 290 Annania vallis s. Nonstal Antiochia 268 Apulien, Apulia, Appulia 107, 269 Aquileia 34, 41, 49, 52, 174, 273 Aragon 134, 351 Ardagger 21, 163, 303 – St. Margarete, S. Margaretha 21 Arezzo 61-62 Arles 237 Arno 80, 95 Arsio, Arzo 377 Aschaffenburg 159, 162-163 Augsburg 109, 113, 153, 155, 164, 189, 207, 209, 231, 234, 272, 295, 297, 299300, 311 – St. Ulrich 297 Austria, s. Österreich Avignon 273 Babylon 92-93, 290, 364 Baden 125, 178 Baioaria, s. Bayern Balkan 41 Bamberg 80, 299 Basel 37-46, 48-50, 52-59, 61, 65, 67-68, 70, 72-76, 78, 133, 153, 155, 157, 165, 171, 187, 189, 230-231, 294, 297-298, 307, 310, 335 – Universität 40 Bayern, Bavaria 180, 219, 277 Beirut 363 Belgrad 114 Benevent 375 Berching 39 Berchtesgaden 111

Bergamo 32, 97 Bergen (Diöz. Eichstätt) 296 Bern 298 Betlehem, Betellem 267 Böhmen, Bohemia 9, 114, 117-119, 121, 219 Bologna, Bononia 21, 26, 33, 38, 47-48, 53, 62, 66, 73, 80-81, 108, 142, 184, 274275 – S. Maria della Guardia, Madonna del Monte della Guardia 274-275 Bosnien 114 Bosphorus 273 Bourges 55, 59 Bozen, Bozanum 217, 222-223, 307, 310, 335, 341 Braga 268 Brenta 344 Brescia, Brixia 156, 171, 378 Breslau 113, 152-155 – Dom 113, 270 Brixen 43, 75, 109, 113, 132-135, 137, 161, 164, 172-174, 189, 264, 292, 294-295, 301, 303, 310, 324, 345, 368, 377 Brixia s. Brescia Bruneck 132, 149 Burgos 289 Burgund, Burgundia 125, 177-178, 181, 267, 274, 290 Bursfeld 298 Byzanz 274 Caffa 344 Calabria 30 Caldonazzo 134 Carrara 41 Castionum 112 Chantilly Musée Condé 49, 136, 144-146, 167, 170, 174, 195, 198, 239, 241, 246, 316, 364 Chiemsee 102, 163 Chur 161, 180-181, 306 Cîteaux 298 Cividale, Forum Iulii 105, 111

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Ortsregister

Coredo, Coredum 221, 223 Curia Naonis 111 Dalmatien 107-114 Dardanum, Dardanidum 148 Datien, Datia 290 Deutschland, Germania 14-15, 24, 133, 183, 203, 229, 352 Dillingen 231 Dublin 340 Durham 268 Egenburg 120 Egyptus, Ägypten, 327 Eichstätt 43, 109, 125, 295-299, 301, 304 Enetum, s. Veneto Engadin, Engadina 306, 372 Ermland (Warmja) 115, 117, 152, 180 Europa 302 Fabriano 101 Fano 33 Feltre 145 Ferrara, Ferraria 39-40, 42, 46, 51, 54, 67, 105-106, 108, 334 Fersental 306 Fleimstal 215 Florenz 40, 51, 54, 67, 96, 121, 124, 334 Foligno, Fulgineum 101 Forum Iulii s. Cividale Frankfurt 46-47, 59, 68, 98, 126, 158, 166, 348 Frankreich 59, 88, 92 Frauenburg 115 Freising 6, 64-66, 68, 109-110, 113, 149, 160-161, 164, 296, 299, 380 – St. Andreas 113 Fréjus 162 Friaul 344 Friesach 153 Fritzlar 136, 164-165 – St. Peter, S. Petrus 136, 164 Fulgineum, s. Foligno Gallien 261 Gargano 107, 324 Garming 291 Genua 51 Germania, s. Deutschland Gerona 351 Glarea Celine 111 Glogau 115

– Gross-Glogau, Archidiakonat 151-152 Görz 114, 128 Grado 174 Graz 114 Grigno 132 Grottaferrata 275-276 Gurk 108-110, 122, 135, 140-141, 152-153, 161, 163, 209, 230, 327 Hassia, s. Hessen Hausleiten – St. Agata, Agatha 21, 46 Heidelberg 15, 108, 142 – Akademie der Wissenschaften 8 Heimbach 234 Hessen, Hassia 19, 136, 164, 220-222 Hungaria, s. Ungarn Imeulus, Bach 111 Ingolstadt 175 Innerösterreich, s. Österreich Innichen 294-295 Innsbruck 344-345, 368 Irdning 109, 116 Israel 340, 364 Istrien 115, 345 Italien, Italia, Ytalia 21, 24, 47, 62, 66, 81, 88, 95-97, 105, 126, 131, 134, 143, 148, 168, 172, 220, 222, 227-228, 239, 272, 274, 302, 323, 327, 336, 342, 351 Jerusalem 317, 336, 364 Judenburg 107 Kärnten 114, 335, 344 Karthago 121, 339 Kastl 298 Kempten 220, 222 Kirchberg am Wagram 110, 122, 153 Köln 149, 154, 162, 180, 215, 233 Königsberg 115 Konstantinopel 108, 158, 259, 273-275, 333, 336-338, 340, 343, 346, 354 – Hagìa Sophìa 274, 338 – Hogedon Kloster 273 Konstanz, Costanz 19, 44, 49, 52, 67, 70-71, 73-74, 76, 89, 157, 163, 165, 181, 183, 187, 212, 294, 299, 302, 306 Korneuburg 131 Krain 114, 344 Kroatien 114

Ortsregister

Lausanne 157 Lavant 133 Laxenburg 128 Lebus 113 Leoben 129 Lienz 114, 344 Livorno 106 Lodi 107 Loreto 372, 384 Lothringen, Lotharingia 290 Lübeck 42, 189 Lüttich 178, 181, 384 Macerata 101 Mailand 32, 41, 51, 101-106, 123, 138, 152, 267 Mailberg 114, 119 Mainz 42-43, 46, 53, 59, 67, 75, 80, 113, 122, 136, 154, 159, 165, 178, 234, 272, 296, 298, 302 – St. Jakob 298 – St. Viktor vor den Mauern 113 Manfredonia 107 Mantua 123, 125-127, 134-135, 149, 151-153, 184, 189, 269, 324, 334, 339 Marburg 19 Marienthal, s. Rheingau Matelica 101 Matrei 167, 210 Matzen 298 Meduna 111 Melk 297-298 Memmingen 344 Mende 235 Messina 352 Metelicha, s. Mödling Metz 155, 162, 178 Mistelbach (Diöz. Passau) 44 – St. Martinskirche 44 Mödling, Metelicha 101-102, 163, 211, 281, 285, 291- 293, 325, 327 Mondragone 298 Monte Sant’Angelo 107, 323 Montona 115 Mosel 253 München 206 – Bayerische Staatsbibliothek 207 – Monumenta Germaniae Historica 15 Nancy, Nancehum 290

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Neapel 54, 104, 107, 134, 152, 270 Neuburg am Inn 128 Neuss 267, 273 Neustift (bei Brixen) 294, 336 Niederösterreich, s. Österreich Noncello, Naoncellum 111 Nonstal, Annania vallis, Val di Non 222223, 234, 262, 264, 268 – Hl. Romedius (Eremitei) 262, 264 Nürnberg 46, 51, 53, 67-68, 98, 104, 126127, 138, 209, 338 Orléans 237 Österreich, Austria 26, 39, 46-47, 49, 75, 110-111, 117-120, 123, 127-128, 131, 144-145, 161-162, 170, 174, 215, 220222, 324, 384 – Innerösterreich 110, 117 – Niederösterreich 21 Othmon mons 201 Otranto 333, 351 Padua, Padova, Patavium 8, 12, 19-30, 32, 34, 36-38, 40-45, 47-54, 56, 58, 6164, 66, 68-69, 73-74, 77, 79-80, 97-98, 105, 108, 111, 120, 142-143, 145, 147149,156, 167, 188, 210, 220, 280, 298, 354, 356-358, 360-362, 376, 387-388 – Archivio Curia vescovile 37 – Biblioteca capitolare 80 – Kathedrale 23 – S. Franciscus 148 – S. Giustina 50, 298 – S. Lorenzo 148 – Universität, Studium 29 Pannonien, Pannonia 290 Paris 19, 38, 76, 228, 313, 368 – Louvre 270 Passau, Passavia 21, 44, 46-47, 53, 77, 109110, 140, 149, 153, 163, 207, 264, 299301, 303-304 Pavia 15, 21, 71, 103, 122, 179-180 – Castiglioni, Collegium 122 – Universität 15 Pedena 161, 185 Perugia 108 Pesaro 274 Pisa 49, 89, 214 – S. Pietro in Grado 214 Polen 114-115 Pordenone, Portenau, Portoneum, Portus Naonis 111-112

462

Ortsregister

Portugal, Portugallia 323 Portusnaonis, s. Pordenone Prag 51, 129, 134, 142, 290-291, 299 und s. Smìchov Predazzo 306 – St. Jakob 306 Pulcinicum 112 Rauschenberg 19 Ravenna 214 – S. Apollinare in Classe 214 Rebdorf 299 Regensburg 96, 99, 109, 113, 116, 155, 164, 172, 179-181, 252, 264, 274, 298-299, 321, 334-336, 338, 346, 348, 352 – Alte Kapelle 274 – St. Johann 109 – St. Paul 321 Reims 215, 228 Rheinhausen 298 Rheingau 300 – Kloster Marienthal 300 Riva (Riva del Garda) 215 Rom, Roma, Urbs 32, 36, 50, 67-68, 83, 88, 91, 105-107, 109-113, 122, 124, 129, 132, 134-135, 144, 146, 150-152, 154-156, 158-159, 163-164, 166-167, 171, 176-177, 185, 197, 201-202, 212, 220, 223, 261, 266, 271, 273-277, 282, 303, 325-326, 333-334, 336, 342, 346, 351-355, 371-372, 375, 382 – Aventin 261 – Insula Licaona 201 – Palazzo Venezia 275 – Pons Fabius 201 – Porta Agnese 261 – S. Bartolomeo, Bartholomeus 201 – S. Giovanni in Laterano 80, 127 – S. Maria del Popolo, de Populo 220221, 223, 271, 273-274 – S. Maria Maggiore 274 – S. Maria in Cosmedin 275 – S. Spirito in Sassia 277 – Sancti XII Apostoli 128, 156, 173, 212, 275 – Sant’Angelo 153 – Sixtinische Kapelle 214 – St. Peter 106, 154 – Via Lata 261 Roncisvalle 316 Roussetum 111 Rovereto 355

Rovoredum 111 S. Advocatum 111 S. Quirinum 111 Sachsen 42, 127 Saintes 282 Salzburg 39-40, 47, 64-65, 110-111, 122123, 136, 149, 154, 164, 229, 299, 304, 366 San Michele all’Adige 167 Sanzeno 213, 223, 262, 264, 268 Savoyen 39 Schlesien, Slesia 115, 149, 151, 219 Schorndorf 306 Schwaben 162 Siena 65-66, 68, 71, 105-106, 124-125, 334 Siponto, Sepontum, Sypontina civitas 107 Sitten/Sion 162 Sizilien 107 Skandinavien 219 Smìchov 291 Soest 369 Solis vallis s. Val di Sole Speyer 152, 189, 299-301, 306, 310 Stams 294 Steiermark, Styriae 114, 134, 160, 283, 344 – St. Lambrecht 160 Stenico, Stenicum 217 Strassburg 215, 243, 301 Stuhlweissenburg (Székesfehérvár) 97 Subiaco 298, 342 Sypontina civitas, s. Siponto Tarvisium s. Treviso Tenno, Thenum 222-223 Teramo 49 Tergestum s. Triest Thomaswaldau 132, 149 Thüringen, Thoringia 19 Tiber, Tyberis 201 Tirol 43, 113, 117, 132, 149, 170, 173, 213215, 223, 261, 277, 324, 335, 344, 377 – St. Georgenberg 261, 263-264, 269, 277-278, 281, 383 Todi 133, 375 Tongern 293 Torcello 141, 156 Tortosa 302-303, 306 Tramin 217 Treviso, Tarvisium 105, 145, 167

Ortsregister

– Biblioteca comunale 381 Trient, Tridentum 7, 9-10, 12, 15, 19, 36, 4243, 112-114, 116, 122, 125, 132, 135136, 145-146, 149-150, 152-156, 161, 164-165, 167-174, 176, 182, 190, 203, 205, 207, 209-215, 220-221, 223, 227229, 231, 239, 241, 259, 264, 266-267, 273, 276, 281, 291-293, 306, 308-311, 325, 334-336, 341, 343-346, 352, 355356, 359-360, 362, 366, 368, 370-373, 378-379, 381, 384, 387-388, 390 – Biblioteca comunale 7 – Castello del Buonconsiglio, castrum Boniconsilii 203, 212-214, 216-217, 222-223, 318 – Castelvecchio 214 – Porta Veronensis 217 – S. Blasius 217 – S. Crux 217 – S. Lorenzo 112, 132, 156 – S. Petrus, St. Peter, Peterskirche, 221, 223, 281, 321, 367, 372, 383 – S. Vigilius, Dom, Kathedrale 113, 220221 – S. Massenza Altar 210, 214 Trier 154, 158, 165, 178-179, 181, 189, 234 Triest, Tergestum 101, 125, 131, 161, 163 Troja 273 Turris 111 Tyberis s. Tiber Udine 123 Ungarn, Hungaria 9, 41, 51, 114-115, 117119, 124-126, 153, 290, 322, 349 Utrecht 176, 178, 181, 230, 232 – Hl. Maria 177 – St. Johannes 177 – St. Petrus 177 – St. Salvator 177 Val di Non, s. Nonstal Val di Sole, Vallis Solis 222-223, 234 Val Rendena 113 – S. Vigilio 113 Valsugana 134 Val Venosta, Venusta vallis 372

463

Venedig, Serenissima 26, 34, 41-43, 47-52, 65, 68, 95, 97, 102, 104-106, 111-112, 115, 121, 131-132, 147, 149, 266-267, 275, 302, 323-324, 334, 352 Venetiae 47, 220, 269 Veneto, Enetum 148, 357 Venusta vallis, s. Val Venosta Verdun 162 Verona 105 Vicenza 369 Vich 38, 51 Vienne 261 Vivarium 111 Vorau 283 Wanga 219 Warmja, s. Ermland Wien, Wienna 7, 9, 12, 19-22, 24-25, 3740, 43-45, 51, 53-54, 58, 76-77, 97-98, 101-102, 105, 108, 118-119, 121-122, 127-130, 135, 142-144, 147, 149-150, 152, 156-157, 159, 164, 168, 196, 209210, 298, 322-324, 355-356, 388 – Hofburg 324 – Österreichische Nationalbibliothek 9 – Schottenkloster 298 – St. Stephan 45, 127 – Kapelle Hl. Katharina, Hl. Johannes Altar 127 – St. Florian Altar 128 – Universität, Studium 24, 38-39, 44, 122 – Zur Himmelspforte 122, 152 Wiener Neustadt 45, 49, 64, 102-103, 107, 110, 122, 124, 126-127, 129, 133-134, 209, 276, 334, 340, 346 – Heilige Dreifaltigkeit 110 Wilten 294-295 Windesheim 293 Windischgrätz 116 Worms 127, 152, 255 Würzburg 80, 165, 299, 301 Xanten 369 – St. Viktor 369 Zara 107, 269 Zoppola, Zopola 111