Jahrbuch für musikalische Volks- und Völkerkunde: Band 2 [Reprint 2019 ed.] 9783111448510, 9783111081366


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German Pages 132 [156] Year 1966

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Table of contents :
Vorwort
INHALT
Musik am Schwarzen Meer
Zur Verwendung von Geräuschen in der außereuropäischen Musik
Alt-indianische Musikinstrumente aus Mittelamerika
Aspekte der Kompositionstechnik der Arapaho
Die Volksmusikforschung in Italien
Buch- und Schallplattenbesprechungen
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Jahrbuch für musikalische Volks- und Völkerkunde: Band 2 [Reprint 2019 ed.]
 9783111448510, 9783111081366

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JAHRBUCH FÜR MUSIKALISCHE VOLKS- UND VÖLKERKUNDE 2

firmufi{alifcbo VolhitVölkerundo Für das Staatliche Institut für Musikforschung und die Deutsche Gesellschaft für Musik des Orients

herausgegeben von

FRITZ BOSE Band 2 mit 19 Notenbeispielen und Textabbildungen, 7 Kunstdrucktafeln und 1 Schallplatte

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Vormals G. J. Gösdien'sche Verlagshandlung • J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit & Comp.

BERLIN 1966

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft Redaktion: Wiss. Rat Dr. Fritz Bose, Berlin; Prof. Dr. Hans Hickmann, Hamburg; Prof. Dr. Kurt Reinhard, Berlin. Zuschriften an die Redaktion erbeten an: Dr. Fritz Bose, Staatl. Institut für Musikforsdiung, Berlin 15, Bundesallee 1—12.

© Copyright 1966 by Walter de Gruyter& Co., vorm. G. J. Göschen'sche Verlagshandlung - J. Guttentag,Verlagsbuchhandlung - Georg Reimer - Karl J. Trübner - Veit & Comp., Berlin 30 - Alle Rechte, einschließlich der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, von der Verlagshandlung vorbehalten - Archiv-Nr.: 1358661 Satz und Druck: Thormann & Goetsch, Berlin - Printed in Germany

VORWORT Die einhellige Zustimmung, die der erste Band des Jahrbuches in den Fachkreisen und in der musikalischen Fachpresse gefunden hat, beweist das wirklich bestehende Bedürfnis nach einer solchen Publikationsreihe, in der vor allem größere Aufsätze einen Platz finden können, die in den Musikzeitschriften nicht oder nur auszugsweise veröffentlicht werden könnten. Umfangreichere Darstellungen mit reichem Bild- und Notenmaterial sind dort nicht unterzubringen und auf die, den Musikwissenschaftlern wiederum schwer erreichbaren ethnologischen, anthropologischen und folkloristischen Zeitschriften größeren Umfanges angewiesen. Daß sie nun in einer eigenen Publikationsreihe erscheinen können, ist für die Musikethnologie ein großer Gewinn. Der Abnehmerkreis einer solchen Publikation muß naturgemäß gering sein, da einerseits das Thema nur einen bestimmten Kreis von fachlich Interessierten anspricht, andererseits die notwendigen Beigaben von Illustrationen und Notenbeispielen sowie der gleichfalls nützlichen und notwendigen Schallplatte die Bände verteuern müssen. Auch die „Sammelbände für vergleichende Musikwissenschaft", an deren Tradition dieses Jahrbuch anknüpft, waren teuer und hatten trotz der begeisterten Aufnahme in der Fachwelt einen zu geringen Absatz, so daß sich der Verlag nach dem dritten Band gezwungen sah, die Publikation einzustellen. Wenn wir heute den zweiten Band des Jahrbuches erscheinen lassen können, so danken wir dies einmal dem Vertrauen des Verlegers in die Zukunft dieser Publikation, das durch den Erfolg des ersten Bandes auch gestärkt worden ist. Wir danken es aber in nicht geringerem Maße der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die durch ihren Druckkostenzuschuß das Risiko des Verlages abdeckt und den Verkaufspreis in solchen Grenzen zu halten erlaubt, daß diese Veröffentlichung trotz ihrer hohen Gestehungskosten noch zu einem halbwegs erschwinglichen Preis angeboten werden kann. Beides, die bisherigen Absatzziffern wie der Zuschuß der DFG lassen es sicher erscheinen, daß die Reihe nun auch fortgesetzt werden kann. Wenn der zweite Band nicht wie vorgesehen 1964 erscheinen konnte, so ist hieran nicht der zögernde Eingang geeigneter Manuskripte schuld, denn es liegen bereits Materialien für weitere Bände vor, sondern Umstände, die außerhalb der Verantwortung des Herausgebers liegen. Sie werden sich hoffentlich und voraussichtlich nicht wiederholen. Die Beiträge dieses Bandes sind zufälligerweise sämtlich in deutscher Sprache abgefaßt, obwohl die Beteiligung auch diesmal wieder international ist, wie es der Editionsplan auch vorsieht. Auch in diesem Band überwiegen die völkerkundlichen die volksmusikalischen Beiträge, denn letztere finden in dem nun wieder regelmäßig

VORWORT

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erscheinenden „Jahrbuch für Volksliedforschung" des gleichen Verlages ein gesondertes Publikationsorgan. Da wir jedoch die Musikethnologie als ein Fach betrachten, das zwischen Volksmusik und der Musik der Naturvölker wie der der orientalischen Hochkulturen einen prinzipiellen Unterschied nicht anerkennt, weil es auch bei den außereuropäischen Kulturnationen eine Musik der Unterschichten gibt und auch in Europa die Volksmusik nur im Zusammenhang mit außereuropäischen Musiktraditionen richtig verstanden werden kann, halten wir unser Jahrbuch auch weiterhin für Arbeiten aus dem Bereich der folkloristischen Musikforschung in allen Teilen der Welt offen. W e n n in einigen Besprechungen des ersten Bandes Beiträge zur Volksmusikforschung vermißt wurden, so übersahen die Rezensenten wohl, daß der Aufsatz von Dieter Christensen über die Tanzlieder der Hakkári-Kurden eine folkloristische Überlieferung behandelt, wenn auch aus einem asiatischen Land. Auch Kurt Reinhards Beitrag über die Musik am Schwarzen Meer beschreibt volkläufige Traditionen, die dadurch besonderes Interesse verdienen, daß sie auf einem Raum studiert werden, der so viele Beziehungen zur Antike Europas hat, einem Raum, in dem griechische Kolonisten durch lange Zeiträume gelebt und ihre Spuren bis in unsere Zeit hinein hinterlassen haben. Walter Graf behandelt ein interessantes Thema, die Geräusche als Mittel der Musik bei außereuropäischen Völkern. Der Aufsatz benutzt erstmals das relativ neue Hilfsmittel der Schallanalyse durch den Sonographen. Hans Feriz gibt an Hand eines reichen und vorzüglich aufgenommenen Bildmaterials einen Uberblick über die Musikinstrumente

Mittel-

amerikas aus der Zeit vor der Entdeckung. Der kleine Aufsatz von Bruno Nettl über die Kompositionstechnik der Arapaho-Indianer ist mehr als eine Stilanalyse. Er versucht, die Methoden sichtbar zu machen, nach denen die traditionellen Gesänge eines Primitivvolkes entstehen, ein Versuch, der an größerem Material aus verschiedenen Stämmen, Völkern und Rassen wiederholt zu werden verdient. Er sollte auch den Vergleich verschiedener Fassungen desselben Gesanges durch denselben Interpreten einschließen, um die hier angeschnittene Frage nach dem Schöpfungsprozeß der Musik bei ausschließlich mündlicher Überlieferung einmal gründlich zu erläutern. Der Bericht Ernst Hilmars über den Stand der Volksmusikforschung in Italien gibt Auskunft über die umfangreiche Sammel- und Forschungsarbeit, die in Italien vor allem in den letzten Jahrzehnten geleistet worden ist. Die Schallplattenbeigabe dieses Bandes enthält einige Proben der Volksmusik aus dem türkischen Schwarzmeergebiet, dem einstigen pontischen Reich, Ausschnitte aus dem umfangreichen Material, das Reinhard dort sammelte und in seinem Aufsatz ausführlich behandelt. So hat der Leser über das Notenbild hinaus, das immer nur eine Projektion der formalen Gestalt der Musik sein kann, auch einen Eindruck von dem Klang dieser bedeutsamen Musik. Berlin, im Mai 1965

FRITZ BOSE

INHALT Vorwort

5

(Berlin) Musik am Schwarzen Meer

REINHARD, K U R T

9

(Wien) Zur Verwendung von Geräuschen in der außereuropäischen Musik

59

P. (Amsterdam) Alt-indianische Musikinstrumente aus Mittelamerika

91

GRAF, WALTER

FERIZ, HANS

(Champaign, Illinois) Aspekte der Kompositionstechnik der Arapaho

N E T T L , BRUNO

H I L M A R , ERNST

114

(Kassel)

Die Volksmusikforschung in Italien Buch- und Schallplattenbesprechungen • Beilage: 1 Schallplatte

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M U S I K A M SCHWARZEN MEER Erste Ergebnisse einer Forschungsreise in die Nordost-Türkei1 von K U R T REINHARD,

Berlin

Die bisherigen Untersuchungen der Volksmusik Anatoliens2 und das im Druck3 sowie auf Schallplatten4 vorliegende Melodiegut lassen erkennen, daß in den vorwiegend türkisch besiedelten Gebieten5 ein verhältnismäßig einheitlicher Musikstil anzutreffen ist. Er wird im vokalen Bereich von einem bestimmten Liedtyp beherrscht, der sich durch eine weitgeschwungene Melodik, durch rhythmisch freien Vortrag usw. auszeichnet. Dieser uzun hava („lange Melodie") genannte Typ steht den MuezzinRufen stilistisch nahe, und es ist durchaus denkbar, daß diese Verwandtschaft mit der musikalisch allein substantiellen Kultmusik des orthodoxen Islam ihm zu seinem Ansehen verholfen hat, hinter dem die rhythmisch straffen, melodisch schlichteren Lied-, meist Tanzlied-Formen (kirik hava = „zerbrochene Melodie") und die Instrumentalstücke zurückstehen, obwohl sie quantitativ sicher nicht unterlegen sind. Dieser allgemein anatolische Volksmusikstil kennt natürlich viele regionale Schattierungen, ebenso wie die so erstaunlich einheitliche vorderorientalische Kunstmusik ihre nationalen Prägungen aufweist. Wirklich abweichend sind dagegen die Musik der Kurden in der Südost-Türkei6 und die Musik im Nordosten des Landes. Hier müssen wir wieder zwei Stilarten unterscheiden: die Musik aus der Umgebung von Kars, die in enger Wechselbeziehung zur Musik jenseits der türkisch-russischen Grenze steht, und — mit dem wohl eigengeprägtesten Stil — die Musik an der östlichen türkischen Schwarzmeerküste. In ganz Anatolien spricht man davon, daß hier ein völlig anderer Musikstil beheimatet sei, daß man hier viel schneller musiziere, und wie immer man die Sonderstellung der Musik dieses Küstenstriches zu umschreiben sucht. Ihr Verbreitungsgebiet reicht bis zu etwa 30 km ins Gebirge. Diese Grenze liegt also noch vor dem Kamm des Pontischen Gebirges, und zwar nicht allein, weil höher hinauf die Besiedlung aufhört. Gerade in den durchlaufenden Quertälern, auf den Paßstraßen also, lassen sich die Grenzorte meist genau ausmachen. Da gibt es Dörfer, wo die wesensverschiedenen Musikstile der Schwarzmeerküste und Anatoliens nebeneinander existieren, sich zwar nur wenig durchdringen, aber oft von den gleichen

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KURT REINHARD

Leuten praktiziert werden7. Da singt man einmal einen horon vom Schwarzen Meer und gleich darauf eine anatolische uzun havas, da erklingen hintereinander die kaukasische Geige und die Langhalslaute saze. Und im nächsten Ort schon ist man dann musikalisch vollends im Binnenland. Vielfach gibt es aber gar keine, wenn auch noch so schmale Übergangszone, dann vollzieht sich der Wechsel von einem Dorf zum anderen. Im Küstengebiet selbst ist der zur Debatte stehende Musikstil keineswegs überall ausschließlich und in seiner typischsten Ausprägung anzutreffen. Wie die weiteren Ausführungen zeigen werden, finden sich a l l e Symptome nur in dem Landstrich östlich von Rize. Von hier in Richtung Westen ist außer dem spärlicher werdenden Spiel des Dudelsacks zunächst noch keine wesentliche Änderung spürbar, westlich Trabzon beginnen dann aber in zunehmend stärkerer Intensität die Einflüsse der allgemein türkischen Musik, sei es in den Musikformen (z. B. uzun hava), in der soziologischen Situation (z. B. Volksdichter) oder im Instrumentarium (z. B. Langhalslaute). Auch die Konzentration der Orte, deren Namen in Titel oder Text von Liedern und Instrumentalstücken, und zwar fast nur solchen des typischen Sonderstils, auftauchen, auf den östlichen Teil des Untersuchungsgebietes bestätigt das Faktum, daß dieser Stil nach Westen zu immer mehr „verdünnt" wird, um schließlich ganz zu erlöschen. So ergibt sich für die häufiger auftretenden Ortsnamen folgendes Bild nach Lage (von Ost nach West) und Zahl 10 : Pazar (2), Hernjin (15), Rize (28), Magka (15), Trabzon (9), Akgaabat (4), Giresun (5), Ordu (5) und Qar§amba (8) n . Nahezu in der Mitte der gesamten östlichen Küste, in der Gegend etwa 20 km östlich Giresun, mag die Situation so sein, daß der ostschwarzmeerische und der anatolische Musikstil — soweit man das überhaupt abwägen kann — in ungefähr gleicher Stärke vertreten sind. Die geographische Situation dürfte dem Umstand, daß östlich dieses Punktes der Sonderstil vorherrscht, durchaus Vorschub leisten, gibt es doch hier — bis jetzt jedenfalls — keinen Weg an der Küste, sondern nur eine umständliche Verbindung über das Gebirge, den Kel dagi („kahler Berg") 12 . Schließlich muß in diesem Zusammenhang noch auf die Volksmusikvereinigungen hingewiesen werden, die vornehmlich Langhalslauten, und zwar meist zu mehreren gleichzeitig, benutzen und schon dadurch ihre Verbundenheit mit den allgemein türkischen Musikformen dokumentieren. Auch sie begegnen mehr im Westen des Gebietes 13 . So unverkennbar der besondere Musikstil an der östlichen Schwarzmeerküste ist. so wenig Eindeutiges läßt sich über seine Herkunft bzw. über die ihn ursprünglich tragende Volksgruppe aussagen. Lasen und Griechen lassen sich mit gleicher Berechtigung als Kronzeugen aufrufen. Die Griechen bewohnten 2000 Jahre lang den gesamten Küstenbereich, die Lasen sind hier ebenfalls seit der Antike nachweisbar, bewohnen im wesentlichen aber nur den östlichen Teil der Küste 11 .

MUSIK AM SCHWARZEN MEER

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Für eine Autorschaft der Lasen spricht die Übereinstimmung zwischen deren Verbreitungsgebiet und der Region, in der der hier zur Debatte stehende Stil dominiert, spricht vor allem aber, daß die offenbar nicht-lasische Bevölkerung die typischen Instrumente, tulum und kernende, als lasisch bezeichnet und es oft sogar entrüstet ablehnt, selber damit in Verbindung gebracht zu werden. Gegen diese Annahme spricht hinwiederum, wenigstens teilweise, der Umstand, daß zwischen dem hiesigen Musikstil und dem anderer südkaukasischer Völker, etwa dem der Georgier, keinerlei nähere Verwandtschaft zu bestehen scheint. Andererseits — um schließlich noch ein positives Argument anzuführen, — weisen verschiedene Liedtitel und -texte auf die Georgier, als auf Zusammenhänge mit dem Osten, hin15. Es gibt sogar ein häufig vorgetragenes Lied mit dem Titel Sivastopol1", das hier allerdings nicht für die kaukasische Herkunft des Musikstiles zitiert werden soll, da es sich dabei sehr wahrscheinlich um eine rein türkische Reminiszenz an den Krimkrieg handeln dürfte. Wenn man unterstellt, die Griechen seien die ursprünglichen Träger der spezifischen Küsten-Musik, so wird man vor allem daran denken, daß dieser Stil im gesamten ehemals griechischen Gebiet, wenn im westlichen Teil auch nur bedingt, zu Hause ist, wird man anführen, daß hier fast überall kemenge gespielt wird, und daß die nach 1922 remigrierten Griechen gerade dieses Instrument und seinen Stil mit ins Mutterland gebracht haben. Auch, daß sich die in Griechenland so genannte „Pontische Lyra" in den letzten 40 Jahren weiter verbreiten konnte und inzwischen zu einem wesentlichen Bestandteil der gesamtgriechischen Folklore werden konnte, stimmt nachdenklich50. Dem steht sicher nicht die bei uns übliche Nominierung des Instrumentes als „kaukasische Geige" entgegen, da sie nur von europäischen Wissenschaftlern gewählt wurde. Auch die Ähnlichkeit der Bezeichnungen für den griechisch-rumänisch-balkanischen Tanz hora und den ostschwarzmeerischen horon läßt auf Beziehungen schließen. Selbst wenn diese hier nicht existieren sollten, bleibt die Tatsache bestehen, daß der beliebteste, ja fast einzige Tanz am östlichen Schwarzmeer mit einem griechischen Namen belegt wurde17. Daß auch der Tanz kar§ilama sowohl hier wie in Griechenland vorkommt, darf allerdings sicher nicht geltend gemacht werden, da er in der gesamten Türkei, wenn auch bevorzugt in Thrazien, begegnet18. Wenn schließlich Lieder bei Trabzon gelegentlich noch griechische Titel tragen, so beweist das nur die ethnischen, nicht aber musikalischen Beziehungen. So selbstverständlich es für viele Schwarzmeerbewohner ist, daß ein kemengeSpieler („kemengeci") eben ein Lase ist, und daß man Stücke bzw. Lieder hier nur auf der Geige oder auch auf einer Flöte, nicht aber auf der Langhalslaute wiedergeben kann, so wenig wissen wir über Herkunft und Entwicklungsgeschichte des Instrumentes. Sachs nennt es „kaukasische Geige", ohne näher darauf einzugehen19, und verwechselt es sogar einmal mit der wegen ihrer größeren Verbreitung bekannteren und öfters beschriebenen „griechischen Geige" 20 , die er im „Handbuch" und in der

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„History . . ," 19 allerdings wiederum als „türkische Geige" bezeichnet. Er vermochte also ebenfalls nicht die Verwirrung zu beseitigen, die schon dadurch entstanden war, daß Mahillon fälschlicherweise eine kemänge a 'güz als kaukasisch und unser, hier allerdings fünfsaitiges Instrument als griechisch bezeichnet hatte 21 . Eindeutig dürfte dagegen die griechische Namengebung „Pontische Lyra" sein, die vor allem auf die jetzt von den rückgewanderten Griechen in ihrem Mutterland weiter benutzten Instrumente angewandt wird. Am Schwarzmeer selber ist nur die vieldeutige türkische Bezeichnung kernende üblich, die natürlich keinerlei Hinweise auf die Provenienz der Geige vermittelt. Ob das Instrument auf russischem Boden auch von anderen Völkern als den Lasen benutzt wird, konnte nicht ermittelt werden. Maßlow 22 nennt es „Panduri (?)", beschreibt es lediglich als „kaukasisches Musikinstrument" und macht auf die Ähnlichkeit mit der europäischen Pochette aufmerksam23. Eine Klärung aller Widersprüche und eine Aufhellung der historischen Zusammenhänge hätte man von Mahmut R. Gazimihal erwarten können, doch auch er vermag nichts Verbindliches zu sagen24. Er erinnert an die Ähnlichkeit der „Karadeniz kemengesi" (Schwarzmeer-Geige) mit der ungarischen hegedü des 16. Jahrhunderts und behauptet, sie sei im ausgehenden Mittelalter aus Europa übernommen worden. Dagegen spricht u. a. der ganz eigenartige Wirbelkasten, der sich bei keinem Typ der abendländischen Taschengeige findet. Wir müssen es also vorerst bei der Feststellung belassen, daß diese kemenge nur an der Küste des südöstlichen Schwarzen Meeres vorkommt, lediglich noch vor etwa 40 Jahren nach Griechenland weitergetragen wurde und wesentlich den Musikstil unseres Gebietes mitbestimmt. Das Verbeitungsgebiet reicht nicht ganz so weit nach Westen wie die letzte Spur des eigenartigen Stils selber, der letzte ortsansässige Jcemenfe-Spieler fand sich in Unye (80 km östlich Samsun)25. Einige Orte wurden als Stätten einer besonders intensiven und traditionsverbundenen Pflege des kemenge-Spiels genannt, so etwa Esiroglu, Derecik, Akgaabat, Vakfikebir, Tonya und Cörele, sowie als eigentliches Zentrum das im Gebirge gelegene Magka. Alle Orte liegen nicht allein im Inneren des Verbreitungsgebietes der kemenge, sondern interessanterweise zugleich in der näheren Umgebung von Trabzon, der Hauptstadt des mittelalterlichen byzantinischen Kaiserreiches (1207—1462). Der Dudelsack tulum, dessen Form und musikalische Funktion ebenso wie die der kemenge weiter unten näher behandelt werden sollen, hat ein wesentlich geringeres Verbreitungsgebiet. Es reicht im Westen nicht einmal bis Trabzon und ist am dichtesten knapp östlich Rize. Von zehn Orten, aus denen die von uns aufgenommenen Spieler stammen, liegen neun nicht weiter als 28 km von Pazar (46 km östlich Rize) entfernt. Als „geistiger" Mittelpunkt der tulum-Praxis gelten die Gebirgsorte Hemsin und Qamlthemsin. Im ebenfalls südlich von Pazar gelegenen Algiii sollen viele Dudelsäcke hergestellt werden.

MUSIK AM SCHWARZEN MEER

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Das rein türkische Wort tulum26 läßt ebenfalls keine Rückschlüsse auf die Herkunft •des Instrumentes zu. Es ist aber zweifellos kein spezifisch ost-schwarzmeerisches Instrument, wenngleich es einzelne eigenständige Bauelemente aufweist, sondern gehört in die große von Sachs27 sogenannte östliche Zone. Viele Züge hat der tulum mit den Sackpfeifen beispielsweise Nordafrikas gemeinsam, um so erstaunlicher ist es, daß er in der übrigen Türkei nicht begegnet. Wenn wir unterstellen, daß die Lasen entweder die ursprünglichen Träger des ostschwarzmeerischen Musikstiles sind oder ihn in sehr früher Zeit von den Griechen bzw. anderen Schwarzmeerbewohnern angenommen oder auch gemeinsam mit den Griechen entwickelt haben, interessiert die Frage, inwieweit die lasische Sprache an den hiesigen Liedformen teil- bzw. sie sogar ausgebildet hat. Die letztere Frage ist jetzt nicht mehr zu lösen, fehlen doch ältere sowie neuere Berichte über dieses Problem völlig. Aber auch aus der gegenwärtigen Situation lassen sich kaum Rückschlüsse ziehen. Da, wo man Lieder überhaupt noch in lasischer Sprache singt, kennt man im allgemeinen auch eine türkische Version. Ja, häufig sind hier beide Sprachen in den Texten miteinander vermischt. Dieses Gebiet ist noch kleiner als das Verbreitungsgebiet des tulum und entspricht in etwa dem Bereich, den Robert Bleichsteiner als Wohngebiet der Lasen angibt28. Die Grenze dieses Gebietes ist durchaus noch im Bewußtsein der Bevölkerung29, sie trifft etwa zwischen den Orten Qayeli und Pazar (21 bzw. 46 km östlich Rize) auf die Küste, östlich von diesem Punkt bekennt man sich offen zu seiner lasischen Herkunft, hier sprechen die alten Leute und die Frauen fast ausschließlich Lasisch, während die Personen mittleren Alters beide Sprachen beherrschen und die Jugend vornehmlich das Türkische verwendet. Obwohl von den von uns aufgenommenen Sängern viele der mittleren Gruppe angehörten, wurden doch nur verhältnismäßig wenige Lieder in lasischer Sprache vorgetragen: 5 % der gesamten Gesangsaufnahmen vom Schwarzen Meer und immerhin 27 % der Lieder aus dem oben beschriebenen geschlossenen Siedlungsgebiet der Lasen östlich Rize. Die Strukturen der lasischen Texte sind offenbar mit denen der türkisch gesungenen Lieder identisch. Andernfalls wäre ja auch kaum die erwähnte Austauschbarkeit der unterlegten Gedichte möglich. Wenn in den Texten — unabhängig von der Sprache — die 7silbigen Zeilen ganz außerordentlich dominieren, so wird dadurch erneut der Grundcharakter des hier besprochenen Musikstils unterstrichen. Siebensilbige Textzeilen gehören nämlich in der gesamten Türkei zu den Tanzweisen. Die ostschwarzmeerische Musik aber ist tänzerisch, lebhaft, rhythmisch straff. Tanzmelodien herrschen im gesamten Repertoire vor. Für die uzun hava, die bevorzugt mit llsilbigen oder — in geringerer Zahl — auch mit 8silbigen Texten verbunden ist, ist hier kein Platz. Hier ist vielmehr die Domäne der kink hava mit ihrer schlichten, meist syllabischen Melodik. Darum hat auch eines der im mittleren Küstengebiet am häufigsten gesungenen Liebeslieder, Tamzara, durchaus Tanzcharakter und

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KURT REINHARD

7silbige Textzeilen 80 , während in Anatolien Liebeslieder meist llsilbige Textzeilen aufweisen und mit einer zum uzun-hava-Typ gehörigen bozlak-Melodie vorgetragen werden. Besonders beliebt sind Wechselgesänge (atma türkü = „Liedwerfen"), die oft improvisiert werden und die sich zwei Männer, zwei Mädchen oder Mann und Mädchen strophenweise gegenseitig zusingen. Man schiebt sie meist bei Festlichkeiten zwischen zwei Tänze ein. In unserem Material finden sich — so weit von den Ausführenden überhaupt angegeben — 21 (7 % ) solcher atma türkü. Die mit den melodisch-schlichten, rhythmisch-straffen Melodien verbundene natürliche Vortragsweise wird allgemein praktiziert. Trotzdem kennt man auch das angespannte, gepreßte Singen. Man begegnet ihm vor allem in den Randzonen bzw. im Westen des untersuchten Gebietes, und zwar meist dann, wenn nicht hierhergehörige Lieder vorgetragen werden, eine uzun hava etwa31 oder eine der Kunstmusik nahestehende Kasside. Oft stellen sich dabei dann auch die in Anatolien verbreiteten weiteren Verhaltensmerkmale ein: das Anlegen der Hand an die Wange 32 , das Schließen der Augen33 usw. Hier ist vielleicht auch der Ort, auf die außerordentliche Musikalität der Schwarzmeer-Bevölkerung hinzuweisen; Musikalität und vor allem Musizierfreude. Der hohe Anteil des Instrumentalspiels am Musikleben, die stete Bereitschaft, einen Tanz zu beginnen, wie überhaupt die ständige Verbindung von Musikausübung — Gesang wie Spiel — mit körperlicher Bewegung, aber auch das häufige „Für-sich-selbst-Musizieren" und vieles andere mehr fallen sofort auf 34 . Diese „Musikträchtigkeit" ist um so erstaunlicher, als man auf der anderen Seite immer wieder betont, daß es eigentlich Sünde sei zu musizieren, daß man in die Hölle käme, wenn man singe. In erhöhtem Maße gelte das für die Frauen und zumindest für d i e Männer, die selber schon wieder halbwegs erwachsene Kinder haben. Ayip („Schande") ist das häufigste Wort, das einem zunächst begegnet, wenn man jemanden bittet, ein Lied anzustimmen oder sein Instrument zur Hand zu nehmen. Bald ist aber diese religiös bedingte Schranke, die hier viel höher ist als in Anatolien, doch überwunden. Das Musizieren als eine quasi naturgegebene Äußerungsform des Menschen läßt sich auf die Dauer ebenso wenig unterdrücken wie irgendeine andere Lebensnotwendigkeit. „Allah wird mir sicher verzeihen" und ähnliche Selbsttröstungen bzw. Entschuldigungen sind dann immer schnell parat. In gewissen Fällen sind aber Erziehung und Tradition doch stärker. Auf Musik muß man dann verzichten, sei es, weil im Dorfe gerade eine neue Cami (Moschee) gebaut wird und man keinesfalls sündig werden will, sei es, weil in einem Lokal beispielsweise zu viele Menschen anwesend sind35, sei es die Furcht vor den religiös noch strengeren Eltern 36 . Gelegentlich kommen einem Sänger — zumindest vor Fremden — auch Bedenken, ein Lied zu Ende zu singen, weil der Text schließlich noch unanständiger wird als er ohnehin schon war37. In einem Falle sträubten sich zwei

MUSIK A M SCHWARZEN MEER

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davul-zurna-Spieler, die wir außerhalb eines Ortes filmen wollten, in der Nähe eines alten Friedhofs zu spielen, der als solcher kaum noch zu erkennen war. Am stärksten sind die religiösen Hemmungen bezüglich des Musizierens bei den Frauen. Von insgesamt etwa 230 Ausführenden unserer Schwarzmeer-Aufnahmen waren nur 22, also knapp 10 %, weiblichen Geschlechts. Selbst diese geringe Zahl kam nur dadurch zustande, daß Lehrerinnen und Seminaristinnen 38 , also emanzipierte Teile der Bevölkerung, für uns zu singen bereit waren. Nur in einem Falle begegnete uns eine weitere Frau, die sonst berufsmäßig auf Hochzeiten vor dem Kreis der Frauen singt und ud (Laute) spielt39. Nachdem nun schon mehrfach Zahlenangaben gemacht wurden, und bevor über einzelne Musikgattungen, Besetzungen usw. gesonderte Mitteilungen ergehen sollen, mag es angebracht sein, eine knappe Statistik unseres gesamten SchwarzmeerMaterials einzuschieben, deren meiste Einzelaussagen nicht weiter kommentiert werden sollen40. BESETZUNG Lieder: 40 % Rein vokal: 23 % davon Sologesänge: 9 5 % (v.Ges.-Material: 2 2 % ) „ Wechselgesänge: 2,5 % (0,5 %) „ Chöre (ab 2 Personen): 2,5 % (0,5 %) Mit Instrumental-Begleitung: 17 % davon Gesang und Rhythmusinstrument: 5 % (1%) „ Gesang und Flöte (gleicher Ausführender abwechselnd): 3 % (1%) „ Gesang und Klarinette (gleicher Ausführender abwechselnd): 1 % (0%) „ Gesang und Dudelsack (gleicher Ausführender): 4% (1%) „ Gesang und Kernende: 55 % (9%) Gleicher Ausführender: 3 9 % (6%) Zwei Ausführende: 16 % (3 %) „ Gesang und Saz: 20 % (3%) Zwei Sänger u. ein sazspieler, zusammen zwei Ausführende: 2 % (0,4 %) Gleicher Ausführender: 1 5 % (2%) Zwei Ausführende: 3 % (0,6 %) Gesang und ud (gleicher Ausf.): 4% (1%) „ Gesang und Ensemble: 8 % (1%)

KURT REINHARD

16 Reine

60 %

Instrumental-Musik: Deblek solo:

1%

Flöte solo:

11 %

Oboe solo:

5 %

Klarinette solo:

1%

Trommel und Oboe:

13 %

Trommel und Klarinette: Doppelklarinette (nav) solo: Akkordeon solo:

1%

solo:

38 %

Saz solo: Saz und kasik

2% 22 %

Dudelsack solo: Kemenge

1%

2% (Rhythmusinstrument):: 1 %

Ud solo:

1%

Ensemble:

1%

%) %) (2 %) (0 %) (8 %) (1 %) (1 %) (13 %) (1 %) (23 %) (2 %) (0 %) (1 %) (0 %) (1 (7

\

14%

(9%)

| 24 % (14 % )

I

3 %

(2 % )

Z W E C K B E S T I M M U N G und I N H A L T Tänze:

30 %

davon Horon

47 %



Oyun

33 %



übrige Tänze 20 %

Liebe:

9 %

Hochzeitszeremoniell:

4 %

Religion:

2 %

Wiegenlieder:

0,1 %

Wanderung:

2 %

Begrüßung:

0,1 %

Hirten:

2 %

Fischer:

1 %

Soldaten:

1 %

Epos:

0,1%

Ballade:

0,1 %

Klage:

0,4 %

Übrige Inhalte und „absolute" Instrumentalstücke:

(davon 7 % Mädchen-Tänze)

48,2 %

(davon 42 % Yoi havasi, Brautgeleitlieder)

MUSIK AM SCHWARZEN MEER

17

ANGEGEBENE GATTUNGEN 1% 1% 1% 0,4 % Rein instrumental gespielte Lieder: 19 % der reinen Instrumentalmusik

Taksim: Uzun hava: Maya: Kunstmusik:

Der für die osttürkische Schwarzmeerküste typischste und am häufigsten begegnende Kettentanz horoti ist — wie viele Tänze — weniger ein musikalisch faßbarer Typ als vielmehr nur eine bestimmte Tanzart. And41 und Tör 42 geben ähnlich lautende Beschreibungen, wonach der horoti als Gruppentanz entweder von Männern oder Frauen ausgeführt wird. Dabei zittern die Beteiligten mit allen Gliedern von Kopf bis Fuß, ducken sich nieder und springen plötzlich wieder auf, was „zweifelsohne von dem arhythmischen Zittern der Wellen und den zackigen Zuckungen der in den Netzen verfangenen Fische inspiriert" ist. Die zahllosen Melodien, zu denen man horon tanzt, haben häufig Ortsnamen. Selbst wo mehrere dieser Tänze den gleichen Titel tragen, verzichtet man auf eine nähere Definition. Zehn unserer entsprechenden Aufnahmen sind mit der Provinzmetropole Rize, sieben mit dem Ort Papilat verknüpft, je dreimal taucht nur einfach der Name Schwarzmeer (Karadeniz) bzw. Giresun auf. Zweimal werden Of, Hemeln und als ganz allgemeine Provenienzangabe „Lasisch" genannt. Schließlich gibt es eine Reihe von horon, in der folgende Regionalnamen je einmal vertreten sind: Akgaabat, Be§ikdüzü, Cörele, Cürcü („Georgier"), Kozan, Magka, Ordu, Rum („Grieche"), Tonya und Trabzon. In jedem Falle ist aber bemerkenswert, daß von den horonAufnahmen 38 % aus dem Vilayet Rize, 43 % aus dem westlich anschließenden Gebiet bis vor Giresun und nur 19 % aus der gesamten westlichen Hälfte des Küstenabschnitts stammen. Daraus den Schluß zu ziehen, daß der horon vornehmlich von der lasischen Bevölkerung gepflegt wird, ist sicher nicht abwegig. Von den insgesamt aufgenommenen 146 horon43 wurden nur sechs gesungen, die übrigen instrumental ausgeführt. Ohne weitere choreographische Einzelheiten mitzuteilen, sollen, als Ergänzung der Übersichten von And, Tör 18 4 2 u. a. über die Tänze der Türkei, hier auch noch die Typenbezeichnungen listenmäßig wiedergegeben werden, die sich in unserer Sammlung finden44: Abdi (2 Stücke); Alika (6); Anze(l) (4); Atlama (5) („Springen"); Baglama (1), mit diesem Namen bezeichnet man im allgemeinen eine kleine dreisaitige saz, es ist aber unklar, ob die vorliegende Tanzbezeichnung damit zusammenhängt oder ob sie sich auf die ursprüngliche Bedeutung „Binden, Kupplung" bezieht. Jedenfalls wird dieses Stück stets als erstes gespielt, bevor man zu tanzen beginnt 45 ; Bakas (3), ein Eigenname; Dik (4) („aufrecht, gerade"), als horon nur im Westen des Gebietes gebräuchlicher Tanz 4 6 "' 5 1 ; Dort bacak (1) („vier Beine"); Iki ayak (1) 2

Jahrbudi mus. Völkerkunde I I

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(„zweiFüße,Schritte"); Kabaceviz (1) („große Walnuß"); Kurma (1) („Aufstellung"), ein Eröffnungstanz; Kolbasti (2) („Armdrücken"), bei diesem Tanz werden die Arme nach unten gehalten; Milli (1) („National-horon"); Pigoglu (2), war ein berühmter fcemenfe-Spieler in Cörele (77 km westlich Trabzon) und ist um 1957 oder 1958 verstorben. Von den sieben Stücken unserer Sammlung, die auf Pigoglu zurückgehen, wurden fünf auf der kemerife und zwei von davul-zurna gespielt, nur zwei der sieben wurden aber ausdrücklich als horon bezeichnet47; Sallama (15) („Schaukeln, Schwingen"), nach And48 schwingen bei diesem Tanz Beine und Körper; Sari§ka (3), ein schneller horon, den man singt oder spielt, wenn man vom Tanzen ermüdet ist, den man selber offenbar also nicht tanzt 49 ; Seving (1) („Fröhlichkeit"), ist wahrscheinlich ein Dorfname 50 ; Seyrek (1) („weit voneinander abstehend"); Sik saray (27), auch siksara, siksaraye, sik sera, sik seray. Ebenso divergierend wie die angegebenen Schreibweisen waren die Erklärungen für Herkunft und Bedeutung des Namens: 1) sik („eng, dicht gedrängt, häufig") als Bezeichnung des sehr „schnellen" Tanzes (Nr. 864). 2) sik sara von der Zitterkrankheit (Epilepsie) sara (Nr. 1120). 3) sik sara von sarmak („sich einhängen") (Nr. 1229). 4) von sik sira („Reihe") (Nr. 1229). 5) sik sera; diese Schreibweise soll östlich Trabzon üblich sein und sich auf ein Tal beziehen (Nr. 1120); diese Erklärung, die sich, auf sara bezogen und ohne Ortsangabe, auch bei Aufnahme Nr. 1037 findet, trifft höchstwahrscheinlich die richtige Bedeutung. Es findet sich nämlich eine Bestätigung im Tanzrepertoire der nach Griechenland übersiedelten Pontos-Griechen. Sie spielen noch heute ein Stück namens serra und erklären dies Wort als Name eines Flusses bei Platana, und dies ist das türkische Polathane oder Akgaabat, 13 km westlich Trabzon51. Das Stück, das meist auf der kemenge gespielt wird, ist zu einem Paradestück vieler Geiger geworden und hat sich in hohem Maße von seiner ursprünglichen Funktion als Tanzweise gelöst. So ist es auch möglich, daß man bei der Bezeichnung eines reinen Instrumentalstückes den Namen verstümmelt und nur von sik mit einem zugesetzten Ortsnamen spricht53. Ters ayak (1) („umgekehrter Schritt"); Titiz (1) („schwierig"), aus Giresun54; Tulum (1) (Dudelsack),hier überraschenderweise auf einer kemenge gespielt55; Tuzcuoglu (3), ein kemenge-Spieler, der angeblich vor 200 Jahren gelebt hat. Zu seiner heute noch oft, mehr nur gespielter als getanzter horon-Weise soll er durch das Glockengeläut von hundert Schafen inspiriert worden sein. Üg ayak (1) („Dreischritt"), hier ergänzende Bezeichnung eines atlama horon56. Auch die weiteren Tänze, die wir antrafen, die aber oft nicht nur am Schwarzen Meer bekannt sind und möglicherweise auch gelegentlich zu den horon gerechnet werden, mögen hier aufgezählt sein: Qifte telli (12 mal), eine der bekanntesten allgemein türkischen instrumentalen Tanzweisen, deren Name bisher nicht eindeutig erklärt ist 57 . Uns wurde er viermal in seiner häufigsten Form mit davul-zurna geboten, dreimal auf einem Zupfinstrument und je zweimal auf einem Blasinstrument solo bzw. auf der kemenge.

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tki ayak oyunu (2) („Zweischritt-Tanz"); der Tänzer steht zunächst auf beiden Füßen und wirft dann den einen Fuß vor. Kafkaz oyunu; der „kaukasische" Tanz trat uns nur als Abbildung auf dem Plakat eines Marionettentheaters entgegen 58 . Karfilama (14) 1 8 ; die Beliebtheit dieses bis Griechenland hin verbreiteten Tanzes gerade am Schwarzen Meer ist vielleicht darauf zurückzuführen, daß sich hierbei zwei Tänzer gegenüberstehen 59 und damit die gleiche Situation gegeben ist wie bei den ebenso beliebten atma türkü (s. o.), den Wechselgesängen von Paaren. Die nähere Kennzeichnung als Tanz durch das Wort oyun wird nur selten zugefügt. Lediglich vier kar§ilama wurden gesungen (drei davon mit saz-Begleitung), die anderen alle instrumental ausgeführt: fünf mit kernende, drei mit Oboe und zwei mit saz. Daß bis auf ein Stück alle kar$ilama westlich des oben als „Stilscheide" bezeichneten Punktes 20 km östlich Giresun

aufgenommen wurden, ist sicher kein Zufall. Wir

können diesen Tanz daraufhin nämlich mit Sicherheit als nicht ursprünglich lasisch ansehen. Kol oyunu (3) („Arm-Tanz"), meist von Frauen getanzt; dabei werden die Arme besonders bewegt 6 0 oder einfach hochgehalten 61 . Kiz mendil

oyunu

(2), Taschentuchtanz der Mädchen. Taschentuchtänze, so

benannt, weil der Anführer des Reigens meist ein Tuch in der Hand hält, gibt es in der gesamten Türkei. Obwohl man am Schwarzen Meer viele spezielle Mädchentänze kennt, sind in der vorliegenden Liste nur dieser und der folgende Tanz angeführt, da alle übrigen größeren Gruppen, z. B. dem horon, angehören. Kiz saglann oyun („Mädchen, deine Haare"-Tanz), offenbar sonst ein Liedtext, hier auf einer kernende gespielt. Kürt cemo, ein auf dem Plakat des Marionettentheaters (s. o.) gezeigter kurdischer Tanz. Die Bedeutung von cemo ist nicht klar, wahrscheinlich hängt das Wort mit cem, „häusliches Tanzfest" 6 2 , zusammen. Met(h)elik

(4), bezeichnet die ehemalige Zehn-Para-Münze aus versilbertem

Kupfer. Millet (4) („Volk, Nation"); bei dem Wort handelt es sich um das Substantiv von Milli (2), das uns schon bei den horon begegnet ist und hier einmal einen einfachen Tanz (oyun) charakterisiert und das andere Mal einen seray oyunu, also einen „Nationalen Hoftanz" bezeichnet. Oturak (11) („Sitzplatz"); And bezeichnet damit ein häusliches Tanzfest 6 3 . Andere Erklärungen 64 besagen, daß man das Lied (nicht Tanz!) bei Hochzeitsfesten vergnügt sitzend singt und spielt. Von der Melodie her läßt sich nicht entscheiden, ob oturak ein Tanz ist oder nicht, da ja fast alle Schwarzmeerstücke und -lieder Tanzcharakter haben. In der vorliegenden Sammlung wird es einmal solo gesungen und sechsmal auf einer kernende, zweimal auf einer Oboe sowie je einmal auf Flöte und Sackpfeife gespielt.

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Pig oyun (1); hierbei handelt es sich offenbar um die verstümmelte Wiedergabe des Eigennamens des berühmten fcewienpe-Spielers Pigoglu (s. o.). Temur aga (8) („Herr von Temur"); dieser Tanz, für den in unserer Sammlung auch die Schreibweise Demir („Eisen", wohl irrtümlich) auftaucht, soll im Van-SeeGebiet, also in der Südost-Türkei, zu Hause sein65. Er wird stets nur auf Instrumenten gespielt, dreimal auf der kemenge, je zweimal auf Flöte und Dudelsack und einmal mit davul-zurna. Bei einer der Aufnahmen wurde als zweiter Titel des Tanzes bayburt genannt, womit nach And 64 ein Tanz aus Sivas gemeint sein müßte. Yali (4) („Strandhaus"), nach And 67 , dort allerdings ycdh geschrieben, ein osttürkischer Tanz, bei dem sich die Tänzer ihre Hände gegenseitig auf die Schulter legen68. Die Hochzeitsfeiern, meist drei Tage während, sind, wie in der gesamten Türkei, auch an der Küste des Schwarzen Meeres eines der wichtigsten Lebensbereiche der Musikausübung. Hier tanzt man, spielt man allerlei Instrumente, hier singt man Lieder, oft in der schon erwähnten Form des Wechselgesangs (atma türkü), und häufig entstehen gerade hier neue Texte, teils vorbereitet, teils improvisiert, die man dann mit bekannten Melodien vorträgt69. Eine besondere Rolle spielt die zweite Nacht vor der Hochzeit. Dann wird die Braut feierlich mit kina (Henna) geschminkt, wobei wiederum Musik ertönt 70 . Zu einem noch wichtigeren Zeremoniell wird aber der Augenblick des letzten Tages ausgestaltet, wenn man die Braut aus ihrem Elternhaus in das Haus des Bräutigams geleitet. Dieser Braut-Auszug wird meist von Instrumentalspiel begleitet, sei es von einem Flötisten, einem kemenge- oder Dudelsackspieler. Der ganze Akt zerfällt in vier Teile, zu denen man auch besondere Musikstücke parat hat 71 . Da gibt es zuerst den Zeitpunkt unmittelbar vor dem Auszug, wenn alle Vorbereitungen beendet sind und das mitzunehmende Brautgut bereitsteht72. Dann beginnt der eigentliche Auszug73, bei dem — als dritter Akt — das Herausführen der Brautmutter mit einer besonderen Melodie bedacht wird74. Schließlich geleitet man die Braut unter Mitführung des Heiratsgutes in ihr künftiges Haus. Ist die Entfernung nur kurz, so macht man einen Umweg durch das Dorf, ist dieser Teil des Hochzeitszeremoniells doch einer der Höhepunkte und vor allem für alle miterlebbar. Da gehen dann die Musikanten voran und spielen die yol havasi („Weglied") 75 . Außer den bisher erwähnten (14 oder gar 21) speziellen Hochzeitsliedern kennt man natürlich auch noch weitere Brautweisen (6), die möglicherweise nicht „zweckgebunden" sind, sondern zu der großen Zahl von Liedern, Tänzen und Instrumentalstücken gehören, die man auf Hochzeiten bevorzugt. Es bedürfte wohl nicht der Versicherung eines Gewährsmannes, daß man am Schwarzmeer die in Anatolien so bedeutsamen Totenklagen (agit) nicht singe, finden sich in unserem gesamten Material doch nur drei Klagegesänge, die zweifellos nicht ins Gewicht fallen, zumal zwei von ihnen zu einem Heldenlied gehören, das ohnehin

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im anatolischen Stil gehalten ist76. Allerdings gibt es zu denken, daß einer der besonders typisch lasischen älteren Männer eine Totenklage in Lasisch vortrug77, und dabei das Heulen der heute nicht mehr existierenden Klageweiber imitierte. Aber auch dieses Lied hat nichts mit den Praktiken der Türken zu tun, wir müssen also annehmen, daß es früher eigenständige Totenklagen der Lasen gegeben hat. An religiösen Liedern außerhalb der offiziellen Kultgesänge, der Muezzin-Rufe und Koran-Rezitationen, die ja ohnehin in arabischer Sprache vorgetragen werden, erlebten wir nur einmal die sogenannten Ramazan manileri („Fastenmonat-Lieder")78, die im Fastenmonat nach dem morgendlichen Essen, also etwa eine Stunde vor Sonnenaufgang, von drei bis vier Sängern, oft Knaben, mit davul-Begleitung gesungen werden. Bei einem Volk, das am Meere wohnt und seinen Lebensunterhalt — zum Teil wenigstens — durch Fischfang bestreitet79, sollte man auch eine umfangreiche Gruppe Fischerlieder im gesamten folkloristischen Repertoire erwarten. Dies ist aber nach unseren Erfahrungen nicht der Fall, nur fünf entsprechende Nummern enthält unsere Sammlung, die allerdings alle lasischen Ursprungs sind. Drei von ihnen werden auch in Lasisch vorgetragen. Es sind im übrigen nur zur Hälfte Lieder, bei den übrigen Stücken handelt es sich um Rufe der Fischer beim Netzeeinholen usw. Sie sind besonders interessant als Mischung aus prononcierter Verständigungssprache, aus Rufen und rein melodischen Einschüben. Leider sind diese glänzenden Belege für die mögliche Entstehung der Musik aus menschlichen Verständigungsrufen80 Unika geblieben. Volksdichter und -sänger, die in der übrigen Türkei, besonders in der Provinz Sivas, eine so bedeutende Rolle spielen, gibt es am östlichen Schwarzen Meer, obwohl dies einmal vollends negiert wurde81, immerhin in bescheidenem Umfang82. „Heldensänger" sind allerdings offenbar gänzlich unbekannt81. Dennoch gibt es Balladen, die eventuell doch als Epen anzusprechen sind und vielleicht einmal anerkanntermaßen zu solchen werden können, wie die Geschichte bzw. die Totenklage des „Räubers" Micanoglu, der vor etwa 50 Jahren acht Jahre in der Gegend von Ke§ap (östlich Giresun) „wirkte". Bei diesem zumindest als destan anzusprechenden Gedicht wird als einziges Mal ein Dichter, Küfük Hüseyin, genannt, der das Lied um 1954 geschaffen haben soll83. Interessanterweise wurde dieser Gesang von saz begleitet und im anatolischen Stil vorgetragen. Wenn sich auch Köroglu betitelte Stücke in unserer Sammlung befinden84, so können diese nicht als Zeugen einer bewußten Epenpflege gelten, da Köroglu nicht nur das bekannteste türkische Epos ist, sondern auch ohne wirklichen Zusammenhang als Titel für allerlei Lieder und Tänze herhalten muß. Zumal eben die Volksdichter erwähnt wurden, die ja stets als halbprofessionell anzusehen sind, bedarf es vielleicht noch eines Wortes zur Frage Laie—Berufsmusiker. Die „Musikträchtigkeit" des Gebietes erlaubt es, daß der meiste außerhalb der

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privaten Sphäre auftretende Bedarf an Musik auch von Laien befriedigt wird. Überall finden sich in ausreichender Zahl kernenfe-Spieler, Sackpfeifer und andere Instrumentalisten. Nur zwei Instrumente bleiben auch hier den Berufsmusikern vorbehalten: Trommel und Oboe, davul-zurna, jenes unzertrennliche Instrumentenpaar, das in gleicher Funktion als Festtanzbegleitung von Indien herüber bis in den Balkan und nach Nordwestafrika hinein dominiert und fast stets von Zigeunern gespielt wird. Allerdings finden davul-zurna im engeren Lasen-Gebiet offenbar nicht Verwendung, das erste Spielerpaar begegnete uns in Trabzon85. Dudelsack und Oboe scheinen sich also in gewisser Weise auszuschließen bzw. sich in ihren Funktionen gegenseitig zu vertreten. Aus den halb-professionellen Instrumentalisten sind — bedauerlicherweise — in neuerer Zeit häufig volle Berufsmusiker geworden. Der Rundfunk, der in der Türkei einen großen Bedarf an Sendungen mit, leider allerdings „bearbeiteter", Volksmusik hat, zog im Laufe der letzten Jahre viele begabte Bauernmusikanten in die Städte. Sie sind inzwischen zu Virtuosen geworden. In ihren ehemaligen Wirkungsstätten klaffen oft nicht mehr zu schließende Lücken86. Daß solche Erscheinungen den ohnehin eingeleiteten Wandlungsprozeß beschleunigen und zum Untergang der dörflichen Musik beitragen, liegt auf der Hand. Ehe im folgenden auf die Musikinstrumente und ihre Spielweise eingegangen werden soll, muß auf den schon durch unsere Statistik deutlich gewordenen hohen Anteil der Instrumentalmusik am Musikleben der östlichen Schwarzmeerküste hingewiesen werden, um die dahinterstehende geistige Haltung deutlich werden zu lassen. 60 % aller von uns eingebrachten Aufnahmen sind reine Instrumentalmusik, von den 40 % Liedern wurden zudem noch 17 % instrumental begleitet. Demnach sind an 77 % der Sammlung Instrumente beteiligt! Primär instrumentale Musikkulturen sind zugleich primär klanglich87. Das melodische Element hat bei ihnen nur sekundäre Bedeutung. Diese Erfahrung bestätigt sich auch in unserem Gebiet. Hier gibt es keine melodisch überschwenglichen uzunhava-Typeri, die straffen, tänzerischen, melodisch schlichten Melodien sind latent klanglich und quasi instrumental konzipiert. Zumindest im fcemenpe-Stil und zum Teil auch beim Dudelsack finden sich sogar Ansätze zu realer Klanglichkeit. Die hier typischsten Musikinstrumente, tulum und kemenge, stellen sich die Spieler oftmals noch selber her. Nicht selten wird gerade der, der besondere handwerkliche Fähigkeiten besitzt und Lust zum Instrumentenbau hat, erst daraufhin zum begeisterten Spieler88. Ansonsten kennt man bestimmte Zentren der Instrumentenherstellung; für die Sackpfeife beispielsweise wurde Algiii schon genannt. An Ort und Stelle befinden sich die beiden ausschließlich ostschwarzmeerischen Klanggeräte kaum im Handel89. Anders steht es mit den Flöten, die oft massenweise und zu billigstem Preise auf den dörflichen und städtischen Märkten angeboten werden.

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Daß schließlich die saz ebenso wie die ud, die zurna und davul nur von perfekten Handwerkern verfertigt werden können, liegt auf der Hand. Unter den Flöten hat sich auch an der Küste die meist allgemein türkisch düdük genannte Spaltflöte durchgesetzt. Sie trägt den Aufschnitt oft hinten und hat nicht immer einen Schnabel. Der Name kaval, der eigentlich die offene, schwer zu spielende Hirtenflöte bezeichnet, wird gelegentlich irrtümlich verwendet. Die Grifflochzahl der düdük ist hier meist 1 + 6 90 . Von den sieben (!) Flöten, die uns überhaupt begegneten, hatte eine auch 1 + 7 Grifflöcher, während zwei andere, übrigens die mit dem Aufschnitt auf der hinteren Seite, keine Daumenlöcher besaßen und lediglich 6 bzw. 7 Vorderlöcher aufwiesen. Ein Spieler fiel dadurch auf, daß er wie sonst vor allem sämtliche orientalischen Oboer, ununterbrochen blies, d. h. während des Spiels Atem zu schöpfen vermochte. Die auffallend wenigen Begegnungen mit Flöten verwundem darum, weil man — wie schon erwähnt — gerade dieses Instrument neben der kemenge allein für geeignet hält zur Wiedergabe der hier heimischen Musik, und weil auf den Basaren oftmals Flöten angeboten werden. Eines läßt sich aber doch aus unserem Material schließen, daß der östliche Bereich Flöten kaum verwendet, da hier der Dudelsack bevorzugt wird, daß im mittleren Gebiet, das mit zwei Spielern vertreten ist, nur gelegentlich und im Westen häufiger Flöte gespielt wird. Nur ein, offenbar der Flöte vorbehaltenes Stück, karagöl („Schwarzer See"), konnte mehrmals registriert werden. Die Bechertrommel, türkisch deblek, wird praktisch überhaupt nicht benutzt. Wir fanden sie nur einmal, in Händen eines Zigeuners, eines Berufsmusikers, und zwar fast am westlichsten Ende der östlichen Küste, in Samsun91. Die große zweifeilige Trommel davul, ohnehin fast immer in Händen professioneller Spieler, darf sicher auch nicht als typisches Instrument gelten. Wenn sie einmal allein, als Begleitinstrument verwendet wird, wie bei den erwähnten Ramazan-Gesängen, ist es eine Ausnahme. Ihre eigentliche Funktion bleibt das Zusammenwirken mit der Oboe zurna, von dem auch schon die Rede war. Da es sich hierbei um eine allgemein türkische, ja um eine den gesamten Orient beherrschende Praktik handelt, muß im vorliegenden Zusammenhang nicht mehr darauf eingegangen werden. Vermerkt werden muß lediglich noch, daß das angetroffene Solospiel auf der Oboe kein Usus ist, sondern nur erfolgte, weil in den betreffenden Orten der zugehörige Trommelspieler nicht anwesend bzw. gar verzogen oder verstorben war, und daß die Trommeln gelegentlich, die Oboen aber meistens kleiner sind als die anatolischen Instrumente. Der andernorts für die kleine Oboe gebräuchliche Name cura zurna tauchte allerdings nirgendwo auf. Das Repertoire der davul-zuma-Spieler ist erstaunlich vielseitig. Es enthält viele, zumindest die bekanntesten anatolischen Stücke und ebenso all die Tänze und Lieder der engeren Heimat, die man liebt und bei Festen braucht, und die auch nur annähernd auf den beiden Instrumenten darstellbar sind.

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Die europäische Klarinette hat auch am Schwarzen Meer begonnen, hier und da an die Stelle der Oboe zu treten. Zweimal begegnete sie uns, beide Male als Instrument in B, einmal solistisch und das andere Mal in Verbindung mit der Trommel davül.

Gerade letzterer Fall war recht aufschlußreich. Hier war der Spieler früher

Oboer gewesen, wir wollten ihn als solchen einmal hören und gaben ihm eine kurz zuvor erworbene zurna.

Mit ihr konnte er gar nicht mehr umgehen, und bereits

nach dem ersten Stück griff er zu seiner Klarinette, mit der er einen besseren Eindruck hinterließ. W a s die Oboenspieler zu diesem Wechsel ihres Instrumentes veranlaßt, war trotz vieler Fragen nirgendwo zu eruieren. Eine größere Lautstärke kann man bei der Klarinette nicht suchen, steht ihr die Oboe in dieser Hinsicht doch keineswegs nach. O b es die reinere Intonation ist, der sonore Klang oder eine leichtere Spielbarkeit, diese Frage muß offenbleiben. Ähnlich der Klarinette soll die Ziehharmonika ( „ a r m o n i k a " ) an Bedeutung gewinnen und im Begriffe stehen, ein anderes Instrument allmählich abzulösen: den Dudelsack. Selbst wenn man die „vorgefertigten" Harmonien des Akkordeons oft gar nicht sinnvoll zu verwenden weiß, dürfte dies Instrument der latent klanglichen Musik der Gegend doch nicht völlig entgegenstehen. Es bleibt aber zu bezweifeln, ob es, solange die Schwarzmeer-Musik noch intakt ist, einen legitimen Platz in deren Pflege einnehmen wird. Man wird dem Akkordeon sicher mehr gerecht, wenn man auf ihm Weisen des benachbarten Rußland spielt, von wo es ja, zum Teil wenigstens und oft mit remigrierten Tscherkessen, gekommen ist 92 . Die Behauptung eines Gewährsmannes aus Rize93,

daß man früher auch westlich dieses Ortes Dudelsack

gespielt habe, daß dieser dort aber von der Ziehharmonika gänzlich verdrängt worden sei, läßt sich durch nichts beweisen. Es dürfte eher so sein, wie hier schon ausgeführt wurde, daß der tulum als reines Lasen-Instrument, in seinem Verbreitungsgebiet das Oboespiel nicht recht hat aufkommen lassen, und daß demzufolge westlich oder Trabzon

die zurna

Rize

gewissermaßen die Funktion des Dudelsacks ausübt, nicht

aber das Akkordeon. O b der in einem Falle 94 für die Ziehharmonika gebrauchte Name „santtr"

weiter verbreitet ist, muß dahingestellt bleiben. W e n n hier kein Irrtum

vorliegt, kann diese Bezeichnung nur durch die beim Akkordeon und beim Hackbrett santur

gleichermaßen gegebenen akkordischen Möglichkeiten zustande gekommen

sein, oder das Balginstrument müßte tatsächlich irgendwo als Ersatz der nicht mehr sehr gebräuchlichen Zither betrachtet werden. Die Langhalslaute saz und die Laute ud bedürfen als weit verbreitete, keineswegs typische Tonwerkzeuge des Schwarzen Meeres noch weniger als die bisher besprochenen Instrumente einer eingehenderen Erwähnung. Es muß aber daran erinnert werden, daß die saz da, wo der eigenartige Musikstil uneingeschränkt herrscht, nicht anzutreffen ist, sondern erst in der südlichen Kontaktzone und westlich des Qam Burnu

(„Tannen-Kap"), der skizzierten Kulturscheide knapp östlich Giresun.

Alle

16 aufgenommenen Langhalslauten verschiedener Größen und Saitenzahl waren in

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folgender, in der Türkei am häufigsten angewandten Weise gestimmt: la — re — sol95. Dabei ist sol der Grundton, er wird zusammen mit re als Bordun-Zweiklang stets mit der Melodiesaite angezupft. Im günstigsten Falle liegt dabei sol durch Oktavtransposition tiefer als re, so daß der Bordun eine Quinte bildet. Ist dies aber nicht der Fall, entsteht also ein Quartklang96, so nimmt dies der saz-Spieler hier noch leichter hin als der Anatolier, ist er doch von der kernende her an die Emanzipation des Quartklanges gewöhnt. Er ist für ihn statisch und bedarf nicht wie bei uns einer „Auflösung". Die kemenge, auf deren Ähnlichkeit mit der europäischen Taschengeige mehrere Autoren mit Recht aufmerksam machen22 u- 21 , hat eine ungefähre Länge von 60 cm. Boden und Seitenteile des Korpus, die im Querschnitt U-förmig zueinander stehen, sowie der kurze Hals mit dem Wirbelkasten sind aus e i n e m Stück Holz gearbeitet, und zwar aus Wachholder97 oder Pflaume98. Dieser Hauptbauteil wird, sofern er nicht von Natur aus so gefärbt ist, braun gestrichen. Die aufgeleimte gewölbte Decke besteht aus hellem rohem Tannenholz. Das Korpus ist breiter als hoch, hat eine durchschnittliche Breite von etwa Vs bis V7 der Länge, und verjüngt sich zum Halse hin. Der untere Abschluß des kastenförmigen Schallkörpers ist gerundet und verläuft nach hinten schräg nach oben. Der Hals ist nicht abgesetzt, sondern geht allmählich aus dem Korpus über, er ist vorn zwecks Verwendung als Grifffläche völlig plan abgeflacht. Der mit seiner Vorderfläche den Hals vorn gelegentlich ein wenig überragende Wirbelkasten hat einen tropfenförmigen Umriß, läuft also nach oben spitz aus, allerdings stehen die Seitenwände des Wirbelkastens senkrecht zur Vorderfläche und ziemlich weit nach hinten. Dort ist dieses im Querschnitt tropfenförmige Kästchen offen, die vorderständigen Wirbel ragen in die Öffnung und spannen die Saiten, die zwischen Wirbelkasten und Hals durch Löcher ins Innere geführt werden. Neben dem kleinen Steg, unter dem die Decke durch einen Stimmstock gestützt wird, befinden sich zwei Schallschlitze, die bogenförmig, vom Steg aus gesehen konvex, oder auch parallel verlaufen. Häufig sind die Enden der Schlitze zu Löchern erweitert. Außerdem finden sich auf der Decke und in den Seitenwänden des Korpus oftmals noch weitere kleine Schallöcher. Der Saitenhalter, der in zwei schrägen, durch Unterende und Boden des Korpus gebohrte Löcher eingehängt ist, hat Form und Farbe des Saitenhalters der Violine oder eine eigene Gestalt mit mehreren furchenartigen Querrinnen und anderen Verzierungen. Unmittelbar unterhalb der Löcher zwischen Wirbelkasten und Hals, durch die die Saiten an die Wirbel geführt werden, ist ein kleines Querbrettchen als Sattel eingelassen. Wo dessen Höhe aber nicht ausreicht, schiebt man noch ein Querhölzchen, oft ein Streichholz, unter die Saiten. Die drei Saiten sind aus Draht" und werden in zwei Quarten gestimmt. Ihre absolute Tonhöhe ist nicht genau bestimmt, wie sollte auch in der Praxis ohne Stimmgabel oder ähnliches die Norm eingehalten werden können. Gemäß unserer Erfahrung mag die Stimmung innerhalb des Bereiches von c bis f ' liegen. Ein

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Gewährsmann 100 behauptete, für Solostücke würde die kemenge höher intoniert. Die Grifffläche auf dem Hals ist so kurz, daß die Saiten darauf nur bis zu einer Quarte verkürzt werden können. Man spielt also unter Benutzung von drei Fingern (Zeige-, Mittel- und Ringfinger) nur in der ersten Lage. Ein Greifen unterhalb des Halses, also auf der Decke, ist nicht möglich, da diese nicht nur gewölbt ist, sondern auch ein wenig tiefer liegt101. Einige kemenge besitzen aber als Verlängerung der Grifffläche ein regelrechtes Griffbrett, das verschieden lang sein kann und manchmal fast bis zum Steg reicht, und das häufig sehr schön verziert ist. Die dadurch unterscheidbaren zwei kemenge-Typcn konnten nicht regional voneinander geschieden werden102. Häufig verzichten die Spieler von Instrumenten mit verlängertem Griffbrett dennoch auf eine Höherführung der Melodie, nicht zuletzt vielleicht deshalb, weil sie bei Benutzung höherer Lagen ihre kemenge nicht mehr frei bewegen können. Sie müssen sie dann sitzend auf den linken Oberschenkel aufstützen. Das freie Bewegen des Instrumentes ist aber sehr beliebt; man hält die kernende dann zwischen Daumen und unterstem Glied des Zeigefingers an der stets gleichen Stelle des Halses fest und kann sie, immer weiterfiedelnd, bis zur Waagerechten hochheben, sich mit den Tanzenden drehen usw. Man liebt beim kemenge-Spiel ohnehin allerlei Effekte, z. B. Pfeifen der Melodie während des eigenen Spiels, Schlagen mit der Bogenstange an das Korpus, die Tänzer ermunternde „Hop"-Rufe usw. So gerne und oft man mit der kemenge den Gesang begleitet, das Solospiel scheint dennoch beliebter zu sein. Von allen unseren Stücken, bei denen eine kemenge beteiligt ist, insgesamt 234, d. h. 32% (!) der gesamten Sammlung, sind 71 % Soli. Die restlichen 29 % teilen sich in zwei Gruppen von Liedern auf; bei der einen (20 % ) begleitet sich der Sänger selber, bei der zweiten Gruppe (9 % ) begleitet ein kemewpe-Spieler einen anderen Sänger. Auch das dürfte in etwa die richtigen Quantitäten innerhalb des einheimischen Musiklebens widerspiegeln. Bei der außerordentlichen Bedeutung der kemenge ist es selbstverständlich, daß sich inzwischen ein besonders umfangreiches Repertoire für das Instrument herausbilden konnte. Viele der hiesigen Tänze sind speziell der Geige zugedacht, und manche von ihnen wurden zu reinen Virtuosenstücken entwickelt. Komponistennamen, wie die der schon erwähnten Tuzcuoglu und Pigoglu, sind selten bekannt. Zahllose Stücke, die inzwischen Allgemeingut der gesamten Schwarzmeer-Bevölkerung werden konnten, sind aber zweifellos ebenfalls Schöpfungen einst ebenso bedeutender fcemercpe-Spieler. Während noch die Rize-Stücke weniger als zur Hälfte eine kemenge heranziehen, werden von den 15 vorhandenen Maffca-Stücken 14 mit Geige ausgeführt, kein Wunder, da Magka einer der erklärten Mittelpunkte des kemenpe-Spiels ist. Ähnlich wie sich der tulum auch einmal des Repertoires der kemenge bedient, ist es umgekehrt der Fall. Ein Geigenstück aber ist sogar eine bewußte Nachahmung der Spieltechnik und des Stiles des tulum, und zugleich ein Beweis für die außerordentliche Beweglichkeit der kemenge103.

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Diese Beweglichkeit der kemenge ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß man meist in der ersten Lage spielt. Eine solche Spieltechnik erlaubt auch ein sehr Ornamentenreiches Spiel. Die außerordentlich kurze Dauer von V20 sec. für eine Ziernote, eine Zweiunddreißigstel-Nebennote, ist keine Seltenheit. Die bedeutendste Verwendungsmöglichkeit der kemenge jedoch ist die eines mehrstimmigen Spiels. Der daraus resultierende Stil ist einer der Hauptpfeiler der so eigengeprägten Musik der östlichen Schwarzmeerküste. Der schlaffe, nur durch Fingerzug gespannte Bogen ermöglicht, zumal der Steg ziemlich flach ist, theoretisch ein dreistimmiges Spiel. Dies wird aber nur selten, am ehesten noch in Schlußakkorden ausgenutzt. Zweistimmig jedoch wird praktisch immer gespielt. Dabei bedient man sich dreier Techniken, die in den einzelnen Stücken getrennt und ausschließlich angewandt oder auch — je nach Fähigkeit des Spielers — miteinander verbunden werden können: 1. Für die obenliegende Melodie werden die beiden oberen Saiten benutzt, mit der mittleren wird jeweils die tiefere und mit der höchsten stets die mittlere Saite zusammen angestrichen. Abgegriffen wird aber immer nur die jeweilige Melodiesaite. Das führt (bei einer angenommenen Stimmung e—a—d) zu folgenden Möglichkeiten an Zweiklängen: e—a, e—h, e—c, a—d, a—e und a—fis, bzw. zu den entsprechenden modalen Abwandlungen, e und a sind also so etwas wie abwechselnd gebrauchte Bordun-Töne. 2. Die jeweils tiefere Saite wird mit der gerade melodietragenden zusammen abgegriffen und angestrichen. Das Resultat ist ein reiner Quartparallelismus. Die Klänge heißen jetzt so oder ähnlich: e—a, fis—h, g—c, a—d, h—e und cis—fis. Die obere Stimme ist Melodiestimme, die Unterstimme im Quartabstand wird nicht als VorhaltDissonanz empfunden, finden solche Klänge meist doch auch an den Phrasenschlüssen Verwendung. Allerdings sucht der Spieler häufig, durch entsprechenden Bogendruck die Oberstimme stärker hervortreten zu lassen. 3. Bei nicht abgegriffener höherer Saite, wird eine melodisch bescheidene Unterstimme gespielt. Die Möglichkeiten sind jetzt folgende: e—a, fis—a, g—a, a—d, h—d und c—d. Wie gesagt, diese Techniken werden bisweilen sinnvoll miteinander verknüpft. Die Verwendung einer kemenge mit verlängertem Griffbrett eröffnet natürlich noch weitere Möglichkeiten, die hier nicht mehr beschrieben zu werden brauchen. Den Sack des tulum fertigt man aus einem Ziegenbalg. Die Austrittsöffnungen der hinteren Extremitäten sowie des Afters usw. sind gemeinsam nach innen eingebunden bzw. verknotet, so daß der Balg hinten ein wenig verkürzt ist. Auch der Hals ist ähnlich verschlossen, es bleiben also nur die Öffnungen der Vorderbeine übrig. In das rechte davon wird ein kurzes Blasrohr aus Holz oder Bambus gesteckt, das Leder bindet man luftdicht darum, und innen sitzt ein einfaches Ventil, das ein Rückströmen der eingeblasenen Luft verhindert. Der voll aufgepustete Sack wird unter den linken Arm geklemmt, und die Hände ergreifen die beiden Spielrohre,

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die an der Stelle des linken Vorderbeines in den Balg eingeschnürt sind. Dies zuletzt genannte wichtigste Teil des tulum heißt nav. Es wird hier und da auch als selbständiges Instrument geblasen, es konnte aber nicht ermittelt werden, warum diese Praxis geübt wird 1 0 4 . Der Rohrteil des tulum besteht aus zwei Bambusklarinetten, die in eine aus Holz gefertigte Wanne gelegt und dort mit Wachs abgedichtet sind. Die aus der im Querschnitt U-förmigen Wanne herausschauenden Vorderseiten der Rohre haben je 5, in beiden gleichgroßen Klarinetten auf gleicher Höhe liegende Grifflöcher, die die Darstellung einer diatonischen Skala ermöglichen. Die aufgesteckten, an ihren Enden durch Wachstumsknoten verschlossenen Mundstücke mit den eingeschnittenen Aufschlagzungen befinden sich nach der Einschnürung des nav im Inneren des Sackes. Eventuelle Funktionsstörungen beseitigt man, indem man die Mundstücke anfaßt, obwohl noch das Leder zwischen Hand und Holz liegt. Genügt auch das nicht, muß die Umschnürung gelöst werden. Am unteren Ende läuft die Holzwanne in einen nach vorn gerichteten Schallbecher mit rechteckigem Querschnitt aus. Bedürfen die Stimmung oder der Klang der Rohre einer gewissen Regulierung, so wird ein kleiner Halm, akort gubugu („Stimmungsstäbchen") oder göp („Strohhalm") genannt, in das betreffende Rohr gesteckt. Gelegentlich verschönert man den Balg durch allerlei angehängten Zierrat, durch einen in die Halsöffnung eingebundenen Spiegel usw. Die Pressung des Sackes mit dem linken Arm erlaubt es dem Spieler, vorübergehend mit Blasen auszusetzen und die gerade gespielte Melodie abschnittweise mitzusingen. Zum Vortragsstil des tulum gehören außer der Körperbewegung oder gar des Mittanzens ein gelegentliches Schlagen auf den prallen Sack und — wie beim kemenge-Spiel

— vor allem die eingestreuten „Hop"-Rufe. Die jeweils nebeneinander-

liegenden Löcher der beiden Rohre werden von je einem Finger mit dessem erstem und zweitem Glied gleichzeitig gedeckt. Dabei kann die rechte wie auch die linke Hand am Oberende zupacken, und zwar stets mit Zeige- und Mittelfinger, während dann auf die übrigen drei Lochpaare drei Finger der anderen Hand (Zeige-, Mittelund Ringfinger) entfallen. Die Wahl von nur zwei Fingern für den oberen Teil der Rohre hat ihren guten Grund. Hier setzt nämlich die besondere Spieltechnik des tulum an, die für den östlichen Teil unseres Küstenstrichs ebenso klangstilbildend gewirkt hat, wie die mehrstimmige Handhabung der kemenge

an der gesamten Küste.

Wenn man gelegentlich auch alle 5 + 5 Löcher benutzt, erzielt man die angedeutete Wirkung doch nur dann, wenn das oberste oder die beiden obersten Löcher eines Rohres mit Wachs verstopft werden. Wozu man sich bei dieser Praxis entschließt, hängt teils von den zu spielenden Stücken, teils vom Geschmack der

tulumcu

(„Dudelsackspieler") ab. Manchmal wird im Zuge einer Kette von Tänzen, die man, wie üblich, hintereinander spielt, die Art der Lochverstopfung verändert. Der Effekt, der mit der Ausschaltung einzelner Grifflöcher verbunden ist, ersetzt die bei anderen Sackpfeifenarten typische Bordun-Wirkung, die hier mangels eines „Stimmers" ja nicht möglich ist. Zur Melodiepfeife wird nun das Rohr, bei dem das eine oder die

MUSIK AM SCHWARZEN MEER

29

zwei Löcher verstopft sind. In letzterem Falle lassen sich auf ihm noch vier Töne erzeugen. Ganz gleich, welcher von diesen gerade erklingt, wenn man die beiden zu oberst liegenden Finger abhebt, wird der vorher verdoppelte Melodieton zwar einfach, über ihm ertönt aber eine der beiden obersten Skalenstufen. Es ergibt sich also eine nur eingeblendete Zweistimmigkeit, deren besonderer Reiz darin liegt, daß die „Uber-Töne" immer nur kurz und doch in rascher Aufeinanderfolge punktartig aufblitzen. Nehmen wir, um diese Technik noch etwas mehr zu verdeutlichen, einmal an, ein tulum verfüge über ein dorisches Hexachord. Bei Verschluß eines Loches könnten dann folgende Unisono- und Zweiklänge erzeugt werden: d—d, d—h, e—e, e—h, f—f, f—h, g—g, g—h, a—a, a—h, wobei die Skala d—a der Melodie dienen müßte. Bei Verschluß von zwei Grifflöchern sehen die Klangmöglichkeiten bei gleichzeitiger Einschränkung des Melodie-Ambitus auf die Reihe von d—g ein wenig abwechslungsreicher aus: d—d, d—a, d—h, e—e, e—a, e—h, f—f, f—a, f—h, g—g, g—a, g—h. Der gelegentliche Verzicht auf eine gemeinsame Abdeckung der parallelen Grifflöcher führt zu ständigen Zweiklängen, da jetzt das nicht abgegriffene Rohr einen höheren Liegeton erklingen läßt. Diese Technik begegnet aber nur sehr selten. Neben der Fülle von Tänzen und Instrumentalstücken, die man auf verschiedenen Instrumenten zu spielen pflegt und die oben zum Teil erwähnt wurden, gibt es auch eine Reihe von Stücken, die in erster Linie dem tulum vorbehalten sind. Es ist nicht notwendig, sie hier noch einmal alle aufzuführen, erinnert sei nur an die Stücke mit dem Titel Hemjm, des Ortes, der als Mittelpunkt des Dudelsackspiels gilt. 15 davon haben wir aufgenommen und 11 von ihnen erklangen auf der Sackpfeife. Die eingehendere Darlegung des Musikstiles in dem von uns bereisten Gebiet, wie er aus der Fülle unserer Tonaufnahmen deutlich werden dürfte, muß einer späteren Veröffentlichung vorbehalten bleiben. Aufgabe dieses Aufsatzes war es lediglich, einen Einblick in das Musikleben an der östlichen türkischen Schwarzmeerküste zu vermitteln, auf die Frage der Herkunft des eigenartigen Stils dieser Landschaft hinzuweisen, diesen abzugrenzen, Instrumente und Musikgattungen zu beschreiben, mittels statistischer Angaben gewisse Zusammenhänge aufzuzeigen und anderes mehr. Um aber nicht die klingende Musik, unser eigentliches Untersuchungsobjekt, hier gänzlich außer Acht zu lassen, seien schließlich noch ein paar knapp analysierte Transkriptionen mit Texten und Übersetzungen 105 angefügt, nachdem vorher noch der Versuch unternommen wurde, die wesentlichsten Merkmale des Schwarzmeer-Stiles in wenigen Worten zu skizzieren. Die dem vorliegenden Bande beigefügte Schallplatte möge diese Andeutungen dann noch ein wenig abrunden. Auf das wesentlichste Stilmerkmal konnte und mußte schon mehrmals hingewiesen werden. Mit dem „schneller", wie die Anatolier den Schwarzmeerstil meist zu umschreiben suchen, ist nicht nur die raschere Geschwindigkeit gemeint, die sich bei

30

KURT REINHARD

einem Vergleich der Durchschnitts-Tempi sehr wahrscheinlich herausstellen dürfte und die sich vielleicht vor allem auf die lebhafte Spieltechnik von tulum und kernende bezieht, man will damit sicher auch die Straffheit und tänzerische Grundhaltung der Musik dieser Gegend charakterisieren. Alles, was das Wesen der uzun hava ausmacht, die weitgedehnte, umfängliche Melodie, die der Willkür des Sängers oder Spielers überlassene weitgehende Variierungsmöglichkeit, der „orientalische", gepreßt-angespannte Vortragsstil und vor allem die große rhythmische Freiheit, spielen in der Schwarzmeer-Musik kaum eine Rolle. Wir können für fast all diese Merkmale die genauen Gegensätze annehmen, womit wir uns dem Stil der anatolischen Tanzlieder, nicht zuletzt denen aus der Südtürkei, sehr stark nähern. Es kommt aber dennoch zu keiner vollen Identität, da im Rahmen einer gleichen Grundhaltung viele Einzelzüge stark divergieren. Andernfalls wäre es ja nicht legitim, von einem selbständigen ostschwarzmeerischen Stil zu sprechen. Die Lieder sind meist von einfachster Struktur. Die Strophen sind oft einteilig, wobei das Prinzip der Motivreihung und gelegentlich auch der Sequenzbildung eine gewisse Rolle spielt. Zwei- und mehrteilige Formen bleiben aber stets ebenso klar und auffallend gegliedert. Die scheinbare Monotonie wird vielfach dadurch aufgehoben, daß man Kontraste schafft, sei es durch Verlagerung der Tonräume zwischen den einzelnen Formteilen, sei es durch den Effekt einer zunächst nicht erwarteten späteren Höherführung der Melodie. Auffallend ist ferner der geringe Ambitus. Viele Melodien begnügen sich mit einem Quintumfang. Die Oktave wird nur selten erreicht und noch seltener überschritten. Der allgemeine Melodieverlauf ist oft deszendent, doch fällt diese Erscheinung wegen des kleineren Ambitus hier viel weniger ins Gewicht als etwa bei den weiträumigen anatolischen Weisen. Es gibt aber auch Melodien, die eher als bogenförmig anzusprechen sind, d. h. zuerst steigend dann fallend, und die damit den Verlauf vieler Motive sozusagen in der höheren Formeinheit widerspiegeln. Die Bögen sind aber so angelegt, daß der Anstieg kürzer ist als der Abstieg. Dies Prinzip erscheint nicht selten so stark komprimiert, daß der Anstieg nur in einem prononcierten Intervallsprung zu Anfang besteht. Daß dabei die Quinte bevorzugt wird, ist nur selbstverständlich, da Pentachorde und Tetrachorde, bei Betonung ihrer Ecktöne, auch in der übrigen Motivbildung eine wesentliche Rolle spielen. Tonwiederholungen, in primär klanglichen Musikstilen nicht selten, begegnen auch hier häufig. Der rhythmischen Straffung, der „Meßbarkeit", der „Aufeinanderbeziehbarkeit" der Notenwerte entspricht die bevorzugt syllabische Textbehandlung. Eine Ornamentierung, die immer noch kontrollierbar und dem vorgegebenen Metrum untergeordnet bleibt, ist Sache der Instrumente, vornehmlich der kernende. Die gesungene Melodie bezieht im allgemeinen höchstens zweitönige Ligaturen ein, die aber niemals zu Dehnungen führen, sondern exakte Unterteilungen des größeren Notenwertes bleiben.

MUSIK AM SCHWARZEN MEER

31

Als Gegengewicht zu der Überschaubarkeit der, wenn auch noch so kleinen Zeitwerte, zu der Klarheit der rhythmischen Figuren müssen die häufig verwendeten asymmetrischen Metren gelten. Sie f ü h r e n kein Eigenleben, sondern sind aufs engste mit den rhythmischen Formeln verknüpft oder — noch deutlicher gesagt — das komplizierte Metrum ergibt sich jeweils aus der ständigen Aneinanderreihung der gleichen oder wechselnder in sich asymmetrischer rhythmischer Gebilde. Überschneidungen rhythmischer Reihen und metrischer Einheiten, wie etwa in der afrikanischen Musik, gibt es nicht. Andererseits muß man aber die Existenz eines Metrums anerkennen, da man den rhythmischen Formeln durchaus Akzente beigibt, ja sie — wie es die Instrumentalisten meist t u n — durch Fußstampfen markiert. Der Name aksak f ü r asymmetrische Taktarten ist zwar ein rein türkisches Wort und bedeutet „hinkend", wird aber mit Recht auch auf die unregelmäßigen Metren der schwarzmeerischen Musik angewandt. Woher diese Taktformen, die tatsächlich außer bei anderen orientalischen Völkern vornehmlich bei den Türken, den Griechen und mehreren balkanischen Nationen sowie eben hier am Schwarzen Meer begegnen, tatsächlich stammen, ist bisher nicht bekannt. Alle Stellungnahmen dazu sind Hypothesen. Es ist ebenso denkbar, daß türkische Völker die «fcsafc-Metren entwickelt und in den Balkan und zum östlichen Schwarzen Meer weitergetragen haben, wie das Umgekehrte, daß eben ein anderes der genannten Völker f ü r diese Besonderheit verantwortlich ist und sie sich von hier, möglicherweise wiederum mit Hilfe der Türken, verbreitet hat. D e m raschen Tempo der instrumental begleiteten Lieder und der Instrumentalstücke Rechnung tragend, wird m a n die rhythmische Einheit, die klein genug ist, den aksak zahlenmäßig auszudrücken, meist als Sechzehntel annehmen müssen. D a gibt es dann Takte von 7/ie, 8/ie, slvs,101ie,11 In,12Im usw. Länge, wobei die regulär gliederbaren Metren mit 8, 9 und 12 Einheiten trotzdem asymmetrisch aufgeteilt werden. So etwa der häufig verwendete 9 /ie-Takt, der nachher auch durch Beispiele belegt werden wird. Er zerfällt meist in zwei ungleiche Teile aus 4 und 5 Sechzehnteln. Beide werden, etwa durch Fußstampfen, akzentuiert, wobei dann die Schläge jeweils verschiedenen zeitlichen Abstand haben. W e n n n u n aber die Haupt-Melodie (nicht die Ornamentierung) im wesentlichen in Achteln abläuft, so ergeben sich pro Takt drei dieser Einheiten, während der vierte Wert um die Hälfte verlängert ist. Dabei wird dann Inhalt und Sinn des Begriffes aksak deutlich: Im Grunde handelt es sich um einen schlichten Vs-Takt, dessen letzte Zählzeit gedehnt wird, weshalb es richtig eigentlich ^

heißen müßte, und wodurch eine gewisse „stolpernde" Wirkung,

eine regelmäßige Störung als belebender Faktor des Bewegungsablaufes auftritt 1 0 6 . Die knappe Überschau über die Elemente des darzustellenden Musikstils wird — unbeschadet der Stichhaltigkeit der aufgezeigten Grundkonzeption — sicher dann noch viele Ergänzungen und in Details auch Korrekturen erfahren müssen, sobald

32

KURT REINHARD

erst einmal das gesamte vom Verfasser gesammelte Klangmaterial durchgearbeitet ist. — Hier mögen jetzt nur noch die wenigen angekündigten Übertragungen folgen 107 : Beispiel 1 (Aufnahme Reinhard Nr. 942) Läzca a§k türküsii, Liebeslied in lasischer Sprache, gesungen und Lasisch mit türkischer Übersetzung aufgeschrieben von Nuri Ko$ar, einem 35jährigen Lehrer aus Pazar, in Pazar am 18. 5.1963. Das Gedicht besteht aus drei Strophen zu je drei Zeilen mit einer vierten Zeile als Refrain. Alle Zeilen haben 11 Silben. Die Textstruktur ist also mit der der türkischen ko§ma identisch, bezüglich des Reimschemas allerdings nur mit deren zweiten und folgenden Strophen, die so enden: x x x y 108 . Der lasische Text, ohne eventuell erforderliche Korrekturen in der Niederschrift des Sängers wiedergegeben, enthält nur vereinzelt türkische Worte, z. B. ndagife von dag, mendil, oragi usw.109 Kekuntori nokanghule gamigu Skani cilvek bitum guri omigu Mskva bozopek mano guri memigu Kogamahti hayde vigzalatere. Ndagi$e, e$kahti pavri kosare Mekgado mendili upi (i)kosare Vagifinem si mipe$i nusare Kogamahti hayde vigzalatere. Ham ndgalepes op$a migun meragi Sevda$kimik mominthamtu otagi Vabgorumo skani$eni donagi Kogamahti hayde vigzalatere. Das Brennholz leg ein, das Brennholz brennt, Deine Süße verbrannte mein Herz ganz und gar, Schöne Mädchen machen mich verliebt, Komm endlich aus Deinem Haus, wir wollen gehen. Auf den Berg geh, die Blätter wirst du fortwischen, Mein Taschentuch gebe ich, deinen Schweiß wirst du fortwischen. Ich kenne dich nicht, wessen Braut bist du? Komm endlich aus Deinem Haus, wir wollen gehen. In diesen Tagen bin ich sehr betrübt, Meine Liebste schlug mir mit der Sichel auf den Kopf, Ich will keine Braut wie dich, Komm endlich aus Deinem Haus, wir wollen gehen.

MUSIK AM SCHWARZEN MEER

33

Die Melodie ist zweizeilig, sie wird fast akzentfrei gesungen, so daß die hier vorgenommene „Takt"-Einteilung als provisorisch anzusehen ist. Das erste Motiv wird nur einmal, das zweite dagegen dreimal verwandt. Textliche und musikalische Form verhalten sich also wie folgt zueinander 108 : n o p R q

11 11 11 11

x x x y

— -

a b b b

Die Melodie hat Quintumfang, das zweite, ausgedehntere Motiv begnügt sich gar nur mit der Quarte. Typisch ist der Beginn mit dem steigenden Quintschritt, der sogleich den Tonraum des moll-Pentachords absteckt. Danach fällt die Melodie allmählich bis zur Terz. In den übrigen Zeilen ist das Deszendenz-Melos noch klarer ausgeprägt, hier fehlt allerdings der charakteristische Initial-Ansprung. Die rhythmische Gliederung ist — unbeschadet einiger willkürlicher Verzerrungen durch den Sänger — denkbar einfach. Im Grunde würde es sich um eine unprofilierte Abfolge gleichförmiger Achtel handeln, wären nicht in der ersten Zeile drei, in der zweiten Zeile ein oder zwei kleine Ligaturen vorhanden, Aufsplitterungen der Achtel in zwei Sechzehntel in Form von Vorausnahmen, Neben- oder Durchgangsnoten.

Lasisches Liebeslied (Reinhard 942)

8

3

1. Strophe

J = MM 140

.Mskva

bo-

Jahrbudi mus. Völkerkunde II

zo- pek

ma-

no

gu- ri

me- mi-

gu

34

KURT REINHARD

Beispiel 2 (Reinhard 953) Liebeslied, gesungen von Adil C^ebi, einem 22jährigen Mann in Arakh, 22. 5.1963.

am

Das Lied ist am östlichen Schwarzmeer sehr bekannt und beliebt. Unsere Sammlung enthält es in vielen gleichen oder ähnlichen Fassungen. Noch verbreiteter als der Text ist die Melodie, die für den hier heimischen Musikstil besonders charakteristisch sein dürfte. Die beiden vierzeiligen, refrain-freien Strophen haben siebensilbige Zeilen. Zumal auch die Reimfolge (x x y x), die in der zweiten Strophe allerdings gestört ist, das entsprechende Schema aufweist, entspricht die Textform völlig der der türkischen mani111. Am Anfang der Melodie steht wieder der Quint-Ansprung, der den gesamten Tonraum umschreibt. Der obere Rahmenton des Ambitus wird in vielen Versionen des Liedes, hier nur in der zweiten Strophe, noch dadurch hervorgehoben, daß man dem eigentlichen Beginn der ersten Zeilen einen „Hey"-Ausruf als Halteton vorausschickt, eine Praxis, die in vielen anatolischen Liedern nicht zuletzt des uzun-havaTyps begegnet. Im Grunde ist die Melodie auch hier wieder zweiteilig, die beiden Zeilen unterscheiden sich gegenüber denen des vorigen Liedes jedoch dadurch, daß hier die erste Zeile deutlicher deszendent ist und die zweite Zeile mehr wellenförmig verläuft. Gleich ist wieder die Einengung des zweiten Teiles auf die Quarte. Der wesentlichste Unterschied liegt aber darin, daß der Grundton der Melodie nicht mit dem Tiefstton zusammenfällt, sondern mit der zweiten Stufe. Es wird also kein dur-Pentachord verwendet, sondern ein moll-Tetrachord mit einem Auftakt-Unterganzton. Die rhythmische Situation ist an sich denkbar einfach. Ligaturen entstehen meist nur durch ein paar oft kaum hörbare Verzierungen. Reizvoller ist dagegen die metrische Gliederung. Zunächst glaubt man, durch die regelmäßige Abfolge von je einem Viertel und zwei Achteln getäuscht, einen 4/4-Takt zu hören, der dann aber durch eine scheinbare Akzentverschiebung, wie sie in türkischen Liedern oft vorkommt, gestört wird, was schließlich zum Erkennen des fünfgliedrigenMetrums führt. Obwohl auch in diesem Lied, von den wörtlichen Wiederholungen abgesehen, die erste Melodiezeile einmal und die zweite dreimal, mit einer Abänderung bei der letzten Wiederkehr, auftreten, ist die Gesamtstruktur doch komplizierter als bei Nr. 942. a

wird wiederholt

MUSIK AM SCHWARZEN MEER

35

Liebeslied, Sologesang eines Mannes (Reinhard 953) J = MM 86

U-

fik- ti

accel. bis etwa J = 96

£an ku; tu-tu- lur-mu (da)sev- da

bo-

gä -

zi-ma,

can

u-nu-tu-

fik- ti

/v(v

lur-mu,

bo-ga - zi-ma

Can

(da) a-

2. Strophe

$a - ga yu -

tu-

lur-mu.

Hey

!

Gök-

... * entfällt bei Wiederholung

Ufan kuf tutulurmu? Sevda unutulurmu? Can gikti bogazima A§aga yutulurmu. Gökten ucan ku$lara Arkadaf olamadim. Ugan ku§ yuva yapti Ku$ kadar olamadim. Kann man Kann man Kann man Das einem

den fliegenden Vogel halten? die Liebe vergessen? das Leben herunterschlucken. zum Halse heraushängt?

Dem Vogel, der am Himmel fliegt, Könnt' Gefährte ich nicht sein. Der fliegende Vogel baute sein Nest, Wie der Vogel könnt' ich nicht sein. Unabhängig von dem Verhältnis zwischen Text- und Melodieform unterscheiden sich, ähnlich wie im vorigen Lied, die beiden Teile durch unterschiedliche Länge. Motiv a besteht aus zwei Takten, Motiv b jedoch nur aus einem Takt. Die zweimalige Wiederholung von b führt jedoch zu zwei ungleich langen Teilen: 1. Teil (a) = 2 Takte; 2. Teil (b, b, b') = 3 Takte. Daß es sich hierbei nicht um eine ver3*

KURT REINHARD

36

einzelte Erscheinung handelt, bestätigt sich auch in dem ähnlich

strukturierten

nächsten Beispiel. (Vgl. die andere Version des Liedes, Aufn.-Nr. 1055, auf der Schallplatte, Seite A, Cut b) 3. Beispiel (Reinhard 1056) Liebeslied, gesungen von zwei Mädchen, Güzen Karadeniz (17) und §adan Saglam (18), in Be§ikdüzü

am 1. 6 . 1 9 6 3 , auf der kernende begleitet von Ali

Karagül, einem 16jährigen jungen Mann. Obwohl die Melodie dieses Liedes manche typisch ostschwarzmeerische Züge trägt, gehört sie doch einer jüngeren Stilschicht an, wie sie sich unter westlichem Einfluß nicht zuletzt im modernen türkischen Schullied herausgebildet hat. Der Ambitus ist zur Septime erweitert, die Quinte hat weder eine melodische noch tonräumliche Qualität, die Skala mit ihrem Eineinhalbton-Schritt (c—dis) ist türkischorientalischen Vorbildern angenähert. Geblieben ist die rhythmische Gleichförmigkeit, die den tänzerischen Charakter des Liedes unterstreicht. Die Formel sechs Achtel plus ein Viertel, die auch in südanatolischen Tanzliedern begegnet 112 , tritt hier allerdings besonders stereotyp in Erscheinung. Das Deszendenzmelos bezieht — wie auch sonst oft — sequenzartige Wendungen ein, ist aber zumeist auf Tonwiederholungen und Nebennotenwechsel eingeengt. Die Großform ist erweitert: zunächst erscheinen zwei in sich wiederholte Teile, die ähnlich wie im vorigen Lied ungleiche Längen aufweisen, d. h. aus zwei bzw. drei T a k t e n bestehen. Es folgt dann ein dreizeiliger Refrain, der wiederum ungleich zweiteilig gegliedert ist. Der erste Teil enthält zweimal den gleichen Takt, also zwei Takte, allerdings ohne Wiederholung, dann folgen als zweiter Teil drei Takte, die, da ihnen nur zwei Textzeilen unterlegt sind, durch Wiederholung der letzten Zeile Zustandekommen. a p 7 y

-

q 7 x — R r 5 z

-

(2 Takte) (wird wiederholt)

a' (3 Takte) (wird wiederholt) b

(1 Takt)

(wird wiederholt)

a' (3 Takte) (wird wiederholt) "Bemerkenswert bleibt, daß der Refrain nicht mit einer eigenen Melodie bedacht wird, sondern nach der Gegenüberstellung der beiden Mädchennamen Ay$e und Fadime (Motiv b) wieder auf die Zeile a zurückgreift.

MUSIK AM SCHWARZEN MEER Liebeslied, Gesang zweier Mädchen mit Begleitung

37

(Reinhard 1056)

J = MM 117 Fm-dik

sin,

Fin-dik

sin,

sin,

Gel

le,

top-la

bir-az

Ak-lim

Qk

top-la-yan ge-

ko-

sen-de

ka - pi - ya

(A)-

-yan

ge-

nu-

lin,

§a-

Fin-dik

Fin-dik

dal-da

kal-ma-

dal-da

kal-ma-

lim, Ak- lim sen -de

kal-ma-

sm,

Ay

- me -

ne,

Ko-nu-

§a- lim se- nin-

Findik toplayan gelin, Findik dalda kalmasin. Gel biraz konu$ahm Aklim sende kalmasin. Refrain: Ay$e Fadime, Ay$e Fadime, Qk kapiya fimene Konufalim seninle.

lin,

-

$e

kal-ma-

Fa-di-

?a- lim

se-

me,

nin-

le.

Fadime diye diye Ay$e diyemez oldum. Fadimenin yüzünden Yemek yiyemez oldum. Refrain .. .

A benim alu§ugum Darildin mi sozüme? Güzelliklerin ile Yine girdin gözüme. Refrain...

O Braut, die du Haselnüsse pflückst, Die Haselnüsse sollen am Strauch nicht bleiben. Komm, laß uns ein wenig plaudern, daß ich nicht immer nur an dich denken muß. Refrain: Aysche, Fadime, Aysche, Fadime, Komm vor die Tür, auf die Wiese, Laß uns ein wenig plaudern.

38

KURT REINHARD

Fadimes Namen sprach ich oft vor midi hin, Aber Aysche habe ich nicht gesagt. Um Fadimes willen Könnt' ich nicht essen. Refrain... Mein Schatz, an den ich mich gewöhnt habe, Warst du böse über meine Worte? Durch deine Schönheit Gefielst du mir wieder. Refrain...

4. Beispiel

(Reinhard 910/3)

Anfang der fiJum-Melodie „Hem§in", des dritten in einer Kette von 23 Stücken, gespielt von Mustafa Tezcan (37), einem in der Gegend sehr berühmten Dudelsackspieler, aufgenommen in Pazar am 15. 5.1964. Daß der Ort Hem§in als eines der Zentren des Dudelsackspiels gilt, wurde schon erwähnt. Unser Spieler hatte an dem rechten Rohr die beiden obersten Löcher mit Wachs verstopft. Daraus ergeben sich die nachfolgend neben der Skala des Instruments aufgezeichneten Ein- und Mehrklänge:

Hiervon macht der Spieler, wie die folgende Notation zeigt, einen nur sehr geringen Gebrauch. Das überaus rasche Tempo bedingt, daß man die einzelnen Spielfiguren gar nicht mehr bewußt wahrnimmt, sondern nur einen quasi vereinfachten Melodieeindruck gewinnt. Dabei wird die „Kurzatmigkeit" der wenigen, nahezu endlos gereihten Motive erst recht deutlich. Dennoch ist die Fertigkeit des Instrumentalisten in bezug auf die Erfindung kleinster Varianten und weiterer Spieleffekte nicht zu überhören. Der durch erhöhten Luftdruck fast zum a hochgetriebene Spitzenton gis (vgl. die entsprechenden +-Zeichen), ist dabei nur eine der Überraschungen des Virtuosen. (Vgl. Schallplatte, Seite B, Cut a)

39

MUSIK AM SCHWARZEN MEER „Hemfin",

gespielt

auf einem

tulum

(Reinhard 910/3)

d^J. etwa MM 62 (J1 = 434)

n

-

f

Tatsächlicher Melodie-Eindrudc

Eine der späteren Wendungen i

5. Beispiel

j

n

,

J.

i

>

r

m

,

J

(Reinhard 875)

Fünf einstrophige lasische Liebeslieder, mit eigener Zcemenpe-Begleitung gesungen von Salim Günay (28) in Pazar am 10. 5 . 1 9 6 3 . (Vgl. Schallplatte, Seite B, Cut b)

KURT REINHARD

40

Die Texte der Lieder sind angeblich zwar rein lasisch, tatsächlich sind sie jedoch hier und da von türkischen Wörtern durchsetzt. Ein Zuhörer, der eine türkische Übersetzung notierte, bediente sich an den betreffenden Stellen dann merkwürdigerweise aber nicht der gleichen, sondern synonymer Wörter. Es scheint überhaupt, als habe er nur die türkische Version niedergeschrieben, die möglicherweise gleichfalls gebräuchlich ist. Die unten vorgelegte Übersetzung ins Deutsche ist also vielleicht gar keine strenge Übertragung des Lasischen. Deutlich bleibt dabei jedoch, daß auch, bzw. gerade diese knappen Lieder, ähnlich vielen türkischen volkstümlichen Gedichten, gelegentlich mit übernommenen Sprachformeln durchsetzt sind. So sind zwei Zeilen der dritten und fünften Strophe identisch. Der Sänger trägt die fünf Lieder, die überlieferte, also nicht nur improvisierte und dann vergessene atma türkü (s. o.) darstellen, mit drei Melodien vor: Lied eins und zwei mit der gleichen Weise, die Strophen drei und vier mit einer weiteren Melodie; nach einer Wiederholung des dritten Liedes folgt dann die dritte Weise zum fünften Text. Alle Lieder haben siebensilbige Zeilen, die Lieder drei u n d fünf sind fünfzeilig, die übrigen vierzeilig. Allerdings erscheint die dritte Strophe bei der Wiederholung auch nur mit vier Zeilen, was aber nicht einfach durch Fortfall der ersten Text- u n d Melodiezeile erreicht wird, sondern, wie das unten mitgeteilte Strukturschema zeigt, komplizierter vor sich geht. Eine übliche Reimfolge ist nur im zweiten Lied mit x, x, y, x deutlich erkennbar. D a s auffallendste Charakteristikum

aller fünf Lieder ist das

durchgehend

asymmetrische Metrum, das oben beispielhaft erwähnt wurde, ein ^ -aksak mit der Gliederung 2 + 2 + 2 + 3 oder eigentlich richtig ein ^ -Takt. Das wird in dem mehr improvisierten, dem Einspielen dienenden Vorspiel noch nicht deutlich, vollends vielleicht auch noch nicht im ersten Lied, unverkennbar ist es aber von der zweiten Strophe an, da der Sänger jetzt mit dem Fuß stampft und die ungleichen Längen der akzentuierten Gruppen von abwechselnd vier und fünf Sechzehnteln nicht mehr zu überhören sind. W e n n in der gesungenen und gespielten Weise diese Teile, bzw. die einfachen und punktierten Achtel oft doch in ihrem Zeitwert angenähert erscheinen, der starren Stampffolge gelegentlich also eine rubato-hafte, frei „schwingende" Linie überlegt ist, so wird die W i r k u n g rhythmischer Vielseitigkeit nur noch verstärkt. Die ersten beiden Lieder stellen bezüglich des Verhältnisses zwischen poetischer und musikalischer Struktur einen seltenen Sonderfall dar. Die Melodiezeile ist hier länger als die Textzeile, letztere muß nämlich dreimal erscheinen. Die musikalische Phrase hat aber bei genauer Betrachtung doch nur scheinbar dreifache Länge, denn sie besteht auch aus drei Teilen, von denen der zweite und dritte nur Sequenzen des ersten Motivs darstellen. Der schließlich doch vorhandene Eindruck eines musikalisch kurzen Atems verstärkt sich dann dadurch, daß n u n alle vier Zeilen zu dem

MUSIK AM SCHWARZEN MEER

41

gleichen, auf dreifache Länge sequenzierten kurzen Melodiegebilde gesungen werden. Daß der Sänger diese Monotonie durch seinen Vortrag und vor allem durch Variantenbildungen zu beleben sucht, versteht sich am Rande. Das Strukturschema der zweiten Strophe, das mit Ausnahme des dort fehlenden Reims auch für die erste Strophe gilt, sieht also folgendermaßen aus: n 7 x (dreimal) — a (a, a 1 , a 2 ) o 7 x (dreimal) — a (a, a 1 , a 2 ) p 7 y (dreimal) — a (a, a 1 , a 2 ) q 7 x (dreimal) — a (a, a 1 , a 2 ) Der Ambitus der einzigen Melodiezeile ist wieder die Quinte, die zumeist auch, steigend und am Anfang stehend, melodische Qualität besitzt. Das moll-Pentachord wird nun deszendent so ausgefüllt, daß die Sequenzierungen des Motivs, das seinerseits aus einem einfachen melodischen Abstieg im Terzraum besteht, jeweils um eine Sekunde nach unten versetzt sind. Eine stärkere Modifikation bietet lediglich die letzte Wiederholung, in der statt der zuvor so häufigen Tonwiederholungen mehr melodische Bewegung herrscht. Furtuna fecevulur Sifteri ceguneri . . , Acan vamu§kanu Sevda ela gunesi. Kayma te§ik malepe Ka ka geran dalepe .. , „ Kaka geran ib gazati Turiii sevdelepe.

Fünf einstrophige Kernen^e-Vorspiel rhythmisch frei J- etwa MM 90 accel.

Ich gehe über die Gewitterbrücke, ,, , . , Wenn du nur schreibst,

T

Schreib ich dir auch. Auf den Mühlsteinen baisen zwei Liebende beisammen, Alle beide weinten sie.

lasische Lieder

(Reinhard 875)

*

etwa

180

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42

J_J_J»=50

r

r r r

r

Fur-tu-na

(.P--447)

Gesang: Lied 1, 1. Zeile

accel.

§e

r

ce- vu-

Fur-tu-na

lur,

§e-

Fur-tu-na §e-

ce-

ce-

vu-

vu-

2. Zeile

gu-

ne-

si.

Melodieskelett der Lieder 1 und 2 Gesang

stumpfen

P 7 P7 7

Sev-

da

e-

la

gu-

ne-

si.

lur,

lur,

43

MUSIK AM SCHWARZEN MEER

Das nächste Liederpaar (3 urtd 4) ist melodisch reicher. Es bleibt zwar auch auf die Quinte beschränkt, doch liegt diese jetzt um einen Ton tiefer, d. h. Spitzenton wird die Quarte, während in der Tiefe als Nebennote zum Grundton eine Sekunde hinzutritt. Am Motivkopf fehlt jetzt nicht allein der Quintsprung, die Melodie wird überhaupt gänzlich anders entwickelt: nach einer mehrfachen, durch Nebennoten belebten Wiederholung des Grundtones, einem Vorgang, der als selbständiges, oft zweiteiliges Motiv anzusehen ist, steigt die Linie zweimal zur Quarte auf, um dann zur Tonikawiederholung zurückzukehren. Die Zweitakt-Motive, die sich paarweise zu Viertakt-Phrasen zusammenschließen (a + a 1 = a, ß + y = b), treten nun aber nicht korrespondierend zu den Textzeilen oder deren Wiederholungen, die beiden Formgliederungen verschieben sich vielmehr gegeneinander, sie sind gewissermaßen durch Überlappung miteinander verzahnt. Macht man sich dazu noch die rhythmische Kompliziertheit bewußt, so wird man den beim ersten Anhören des Stückes sich aufdrängenden Eindruck von Einfachheit bald revidieren müssen. Der Umstand, daß das vierte Lied nur vier, das dritte aber fünf Textzeilen aufweist, gibt dem Sänger noch weitere Möglichkeiten freizügiger Formgestaltung. Die Verstümmelung der zweiten Zeile des vierten Liedes mag dagegen nur auf ein im Augenblick aussetzendes Erinnerungsvermögen zurückzuführen sein. Die Wiederholung des dritten Liedes, die in unserem Schema aus synoptischen Gründen neben die dritte Strophe gestellt ist, tatsächlich aber erst nach der vierten Strophe erscheint, vollzieht sich keineswegs wörtlich, der Sänger verfährt auch hier wieder frei, ändert die Form vor allem dadurch, daß er den Text jetzt auf vier Zeilen reduziert, und erreicht damit eine klarere Gliederung. Zumal die Motive ohnehin nahtlos ineinander übergehen, drängt sich bei dieser Version die Frage auf, ob man •die ganze Melodie nicht als aus zwei identischen, in sich viergliedrigen Teilen ( ] : a ß y a :|) bestehend ansehen sollte, was im übrigen nichts an der genannten Verzahnung zwischen Text und Melodie ändern würde.

Lied 3 n 7 - (a) 0

Wiederholung von Lied 3 o 7 o 7 -

Lied 4

p q q r r

(t) u 7 u 7 v 7 v 7

7 -

p 7

-

p 7

-

q 7

-

q 7

-

r 7 r 7 -

s 7 x — a' s 7 x - ß

«

t 7 x —v

7 7 7 7 7

-

x x x x

(a) — a' - ß —y — a

M

KURT REINHARD

44

Lied 3

Insta-

mi-

J w S J i . = MM 51 «fa = 460

de mi?-

mu- ma-

le-

ku-tas

X = Fußstampfen

Dermis-

re

mi-de

Mun-des

mu-

mi§-ku-

ma-Ie-

tas Mun-des iL Instr.- Zwischenspiel se(re)

Lied 4 •L.J~3.= MM65 J * = 5 8 5 Instr.Zwisdienspiel Cük-ri

m

Mu-nun-

pav-

ri

ce-

ge-me-^a-

fa-mi

Ciik-ri

nu

Mu-nun-

pav-ri



ce-?a-

ge-me- fa(nu).

(Es folgt wieder ein Instrumental-Zwischenspiel)

45

MUSIK AM SCHWARZEN MEER

Wiederholung

von Lied 3

Instr.Zwischenspiel

J

(Ha)ke-

J ~ J . = MM68

le

ce-va-

612

la- na

se (re) De-mis-

mi-

tas

mu-ma- le-se-

Mun-des

3e

J ^

mi$-

(Ha)ke-

le

ku-tas De-misrre

Mun-des

ce-

ve- la-

mi-de

mi$-ku-

mu-

ma-le-

se(re).

(Es folgt wieder ein Instrumental-Zwischenspiel)

Duman dogdan a?agi Häkele cevelana $uri emala sere Demismide mi$kutas Mundes mumalesere?

Ach, wenn ich von hier herunterfalle,

Cükri pavri cegami Ma si mude gegam? Ale tale peskani Munungi (da) gemeganu.

Die Blätter der Kastanie. Für wen hieltest du mich? Deine graublauen Augen, Glaubte ich, seien der Morgenstern.

Werde ich gleich sterben. Sagt mir, ich will es wissen, Wann wird kommen mein Schatz?

Die letzte Weise beansprucht einen Sextraum, indem sie das moll-Pentachord wieder aufgreift, daneben aber auch den Kadenzunterton beibehält. Ihr Duktus ist abermals gänzlich anders. Nach anfänglicher mehrfacher Wiederholung der Tonika wird erst allmählich über die Einblendungen der Terz und Quarte der Spitzenton c erreicht. Die in den anderen Liedern beachtete Zweitakt-Gliederung ist hier durch einen eintaktigen Einschub (8. auf 9., bzw. 17. auf 18. Volltakt) gestört. An den betreffenden Stellen sind aber auch Texteinschübe aus den vorhergehenden Zeilen vorhanden. Die doppelte Wiederholung der ersten Zeile ist so zu erklären, daß der Sänger sich erst gewissermaßen einsingt, auf die neue Melodie einstellt und daher der endgültigen Formulierung ein später nicht mehr auftauchendes Motiv, hier als d bezeichnet, vorausschickt. Text- und Melodiewiederholungen gehen hier im fünften Lied wieder parallel.

KURT REINHARD

46

n 7 x n 7 x n 7 x o 7 y (Teil von n) (4) o 7 y p 7 x p 7 x q 7 y

—d — a —a —b - c (nur 1 Takt) —b —a —a - b

1. Teil r 3 c (Teil von q) (3) - 1 2. Teil r 4 y — J Häkele cevalane Cenaze demel vare A kigi demayasna Ma muya ceved vare Eminem cevad vere?

Ach, wenn ich von hier herunterfalle, Werde ich gleich sterben. Wenn ich einen Sohn bekomme, Welchen Namen werde ich ihm geben?

Lied 5 J ^ n . = MM53 Instr.~ Zwischenspiel Ha-ke-

re

[Ha]

^=480 x

le

„ ce- va-

ce(va)-la-na ce- na? ?

de-ma(ya)

ya ce-ved va-

re

s- na A

E- mi-

ki-

la-ne

ze

Ha-ke-

le

de-mel va(re)

0

A

de- Ma(ya)s- na

^nem [A] ma- mu-

ce(va)-

ki-

ma mu-

ya ce-vad ve- re.

(Es folgt ein Instrumental-Nadispiel)

48

KURT REINHARD

S o l t •» S °

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t—I yj a 1 »C '5 T3 «> 3 QJ -ti u "1 "S S^ C -O cu h 13 e » C I > 3 60

S 3

£

B la v

°7100 Sek.: etwas über 300 Hz, ungefähr 1400 Hz, etwas über 5100 Hz, 6100—6400 Hz ungefähr 7500 Hz

(fast schlagartiger Aufbau)

nachklingender Bereich mit etwa S 4 l 2 "/ 1 0 „ Sek. Dauer: 2800—4400 Hz, darüber bis gegen 8500 Hz auf etwa 10 /10„ Sek. abfallend

folgende Aufbaustadien: in " / , „ „ Sekunden: eine Welle im Bereich 3800 bis 7700 Hz in 5/ioo Sek.: Hauptmasse, nach unten bis 2500 Hz erweitert in 12/io» Sek.: Erweiterung auch nach oben bis gegen 9000 Hz Anhalten bis / i o o Sekunden

folgende Abbaustadien: (Ende des Höhepunktes in 20/ioo Sek.) / I O O Sek.: Hauptmasse oben auf 7800 Hz gesenkt ioo Sek.: Hauptmasse auch unten auf fast 3000 Hz verringert 3 «/ 1M Sek.: Ende d. Massierung Iwo Sek.: erste schwache Nachwelle ( 2 / )00 Sek.) K lioo Sek.: zweite schwache Nachwelle (2/10l) Sek.)

Ablauf in : Schlag 1 : i n ° / , 0 0 : 1. schwache Vorwelle (7 100 Sek.) 4000-7250 Hz 5 Iio»: 2 - stärkere Vorwelle

Schlag 2: in 8 0 /!,«: Vorwelle ( 12 / 100 ) 3800 (dann 3700)—8900 Hz 94 /io«: Hauptwelle 3000—9400 Hz ( » % „ : Abklingen unten bis 4000 Hz 130 /ioo: Abklingen unten bis 4600, oben bis 8800/8600 Hz) l38 /ioo : 1. Nachwelle (2/10„) 5500—7500 Hz l42 /ioo, "5/ioo= 2- und 3. Nachwelle (je 2 / 100 ) 4800—8300, bzw. 5500—6800 Hz

Name: ULI-ULI verwendet in B 2812: Heeia, Lob des Strandes gleichen Namens (nacheinander mit Schlagrute, Kreisel verwendet)

schlagartig (ganz minimale Eintrittsverzögerung bei 5000, 6500/7000, 7200/8000 Hz)

20 30

" /100= 1000/2000 bis 5000/ 5500 Hz Maximum bei 3000 Hz 10-20 /ioo : 700—1000 Hz ß 10 ~ /ioo : um 6500 Hz im Bereich bis 9000 Hz etwa 6 /io Sekunden

einheimischer Name nicht angegeben verwendet im Kinderlied B 2815

im

schlagartig

bereits nach 5 / 100 Sek. Zerfransen des Spektrums in ""/ioo: 2 5 0 0 H z in 20-30 /ioo: 2500—3000 und 1500—2200 in 10-20/ioo: zusätzlich noch 500 bis 1000 nachklingend

verwendet in einem Gesang für L a k a (B 2818) und diese Verwendung im Kommentar besonders unterstrichen

in

schlagartig

in stärkeren Schlägen: über 15 / 100 : 200(—400) (1000—1900 Hz) 10-15 /ioo : e t w a 1100—2800 Hz 5-10 /loo : b i s 500/700, 1000 bis (3200) 2900 Hz

m, im en

im

11-

Iteg in ¡ig

20

•en; eg

(5/ioo Sek.) 3500—8900 Hz / 100 : 1. Hauptwelle (71Co) 3200—9400 übergeh. 2. Hauptwelle ( 12 / l00 ) 3200—9600 (kurz) 3. Hauptwelle ( 13 / 100 ) abkling., bes. 4300—8800 Hz 52 59 ~ /ioo: 3 Nachwellen (je 2 / 1 0 0 ): 4000—8000, 4300—7500 Hz 4100-7700 Hz

12

äinn

20

Name: KALA(L)AU verwendet in B 2811: Gesang aus Pele-Zyklus, besingt Schönheit des Tales

Name: PU(I) ILI verwendet in B 2812: Heeia, Lob des Strandes dieses Namens (in B 2822 wird der gleiche Gesang von Lavasteinen begleitet)

Name: ULILI verwendet in B 2812: Heeia, Lob des Strandes dieses Namens (nacheinander verwendet mit Schlagrute und Rassel)

Name: IPU verwendet vornehmlich in Gesängen im Zusammenhang mit Vulkan und Feuer, z. T. auch in Landschaftsschilderungen

GERÄUSCHE IN D E R A U S S E R E U R O P Ä I S C H E N

MUSIK

85

Natürlich muß die Wahl nicht immer auf Grund einer ausdrücklichen und hinsichtlich des Motives vollbewußten Entscheidung erfolgen. Es können auch zwei oder mehrere Momente vorliegen, die zusammen bewußt oder unbewußt zur Wirkung kommen. So mag z. B. die Wahl der Gegenschlagstäbe bei der Besingung der Schönheit eines Tales (B 2811) dadurch bestimmt worden sein, daß dieses Instrument ein sehr klangähnliches Geräusch hervorbringt; wenn aber anderseits in Hawaii Blumen und Zweige als Opfer für LAKA und zum Schmuck ihres Altares dienen, wenn LAKA in einem mit einem gelben (der Farbe der Hula-Tänzer) Baststoff umhüllten Holzblock verehrt wurde 37 , kann es naheliegen, ein Instrument zu wählen, dessen Material dem spezifischen Bereich LAKAs entstammt. Eine mehr äußerliche Beziehung könnte bei den Lavasteinen vorliegen. Für einen an die Vulkan- und Feuergöttin PELE gerichteten Gesang (B 2809) erscheinen sie völlig am Platz. Allerdings können sie über die Verbindung mit PELE hinaus noch einen anderen Akzent besitzen. Der Schweinegott KAMPUAA läßt starken Regen fallen, um PELEs Lava abzukühlen, auch treibt er PELE von Ort zu Ort, indem er Meerwasser in ihre Schachthöhle schleudert.38 In solchem Zusammenhang könnte die Verwendung der Lavasteine in einem Gesang zum Lobe von HEEIA, einem Strand, verständlich werden (B 2822). Rein äußerlich scheint die Wahl von Schneckengehäusen für ein Kinderlied (B 2815) motiviert zu sein. Durch die Angaben des Protokolles bestätigt ist die auf das Schallmodell zurückgehende Wahl von Schlagrute, Kreisel und Rassel in der analysierten Ausführung von HEEIA (B 2812). Genauso wie bei der Brandung die einzelnen Wasserteilchen an das Ufer getrieben werden, ist dies bei Kreisel und Rassel mit den eingeschlossenen Rasselkörpern der Fall, akustisch ergibt sich ein ähnliches Geräusch. Ebenso ähnelt das Aufschlagen der Streifen der Schlagrute dem Bersten der Wellen. Auf den Schlagkürbis als Begleitinstrument für den Gesang AIA LA O PELE (B 2810) wird im Protokoll und im Kommentar ausdrücklich hingewiesen. Auch die Aufnahme B 2819, HOLE WAIMEA, ein Gesang an PELE, wird vom Schlagkürbis begleitet. Eine Verbindung mit dem Feuer kann auch bei dem vom Schlagkürbis begleiteten Gesang B 2825 für KALAKAUA bestehen. Denn im Kommentar zu diesem Gesang heißt es, „that his birth was accompanied by fierce thunder and lightning". Das wilde Treiben von PELE ist wiederholt Gegenstand eingehender Schilderung. So belauscht z. B. der Urgott des Raumes WAKEA ihre dumpfen Axtschläge im Erdinnern. 39 KATHARINE LUOMALA 4 0 sagt ausdrücklich: „ . . . the composer who speaks for her" sind von HIIAKA inspiriert „to play the syllable W A , and secondarily upon the letters K and L, to describe the sound". Es wird im Kommentar zur analysierten Probe ausdrücklich gesagt: „This speaks in plain language of the fury of PELE as she rumbles and mutters devouring the land with lava. But in spite of the fury of the eruption the Hawaiian sees its beauty as its reflection is cast upon the hills of the opposite island of M A U O . " Es wurde darum ein Sonagramm einer

WALTER GRAF

66

T o n b a n d a u f n a h m e von einem Vulkanausbruch hergestellt (Abb. 14), die durch Special Developments Division Scrippe Institution of Oceanography La Solla California über ein Mikrophon und Sender in .einer Schwimmboje aufgenommen u n d schon vor einigen Jahren dem Phonogrammarchiv in Tonbandkopie zur V e r f ü g u n g gestellt worden war. Ganz allgemein ist das Sonagramm dieses Vulkanausbruchs einschließlich der Wassergeräusche charakterisiert 1. durch den Wechsel von sehr dicht mit sehr schütter besetzten Phasen, 2. durch streifenähnliche Aufzeichnung, die dem Niederprasseln der Lavateilchen entspricht, 3. durch eine ziemlich durchgehende Zone um etwa 500 Hz, über der eine kompaktere Massierung von etwa 700 bis gegen 2900 Hz liegt. Mit der kompakteren Massierung geht auch ein höher reichendes Spektrum Hand in Hand, was sich auch aus technischen Gründen ergibt. Der Wechsel stärker und schütterer besetzter Phasen, der die streifige Aufzeichnung verursacht, erfolgt so, daß nach einem etwa ioo Sek. dauernden Absinken mit etwa 14 /ioo Sek. eine schlagartige Verstärkung einsetzt. Die Gesamtamplitude zeigt über die Dauer von etwa 1,8 Sekunden ca. 30 deutliche Zacken, wobei die Kurve selbst einen sehr schwankenden Charakter aufweist. Vergleicht m a n damit das Sonagramm des Schlagkürbisses, dann ergibt sich in d i n Hauptcharakteristiken folgende Gegenüberstellung: Vulkan

Schlagkürbis (2. Endschlag)

eine Zone bis etwa 500 Hz ein Bereich 700—2900 Hz

eine Zone bis etwa 400 Hz ein Bereich 1000—1900 Hz darüber diffus von 2000 bis (über) 3000 Hz

Zeitabstände bei kurzen Schlägen ioo Sek. bei starken Schlägen ca. 22/ioo Sek. Besetzung des Spektrums bei kurzen Schlägen relativ schütter bei starken Schlägen relativ kompakt

relativ schütter relativ kompakt

Es zeigt sich hier, daß die Charakteristiken, die eine auffallende Übereinstimmung aufweisen, speziell durch das Spiel des Instrumentes betont, bzw. überhaupt erst entwickelt werden. Das letztere ist beim Abrollen der Finger der Fall, ein rasches Anschlagen mit den einzelnen Fingern hätte die dem Schallmodell entsprechende Kürze der Schlagfolge nicht zustandegebracht. Dies spricht neben der weitgehenden Übereinstimmung beider Schallereignisse, wobei der Schlagkürbis gleichsam eine Verkleinerung des gewaltigen Naturereignisses darstellt, absolut dafür, daß der Vulkanausbruch das Schallmodell geliefert haben dürfte.

GERÄUSCHE IN DER AUSSEREUROPÄISCHEN MUSIK

87

Zum Abschluß der Untersuchung möge noch eine weitere Analyse folgen, die gleichfalls das Vorhandensein eines Schallmodelles nahelegt, die Analyse des Schwirrholz-Geräusches, das bekanntlich meist als Stimme eines Geistes, Ahnen usw. aufgefaßt wird. Zunächst wurde eine Laboratoriumsaufnahme des Schwirrholzes mit einem Sammlungsstück hergestellt und davon ein Sonagramm gemacht. Es zeigen sich Verstärkungs- und Konzentrationsbereiche, die durch Ein- und Ausschwingvorgang unterstrichen werden. Über einen relativ starken Bereich um 100 Hz folgt in deutlichem Abstand ein Bereich zwischen 300—400 Hz, 800—1000 Hz bis ungefähr 1700 Hz, weiters um 2000 Hz, 2700 Hz usw. Charakteristisch sind die Lücken zwischen diesen Bereichen, die z. T. sehr stark ausgeprägt sind, außerdem durch (eine Art) Ein- und Ausschwingvorgang unterstrichen werden. Die Amplitudenkurve zeigt bei einem im allgemeinen zackigen Verlauf ganz besondere Schwankungen um den Kurvengipfel. Die Lücken erinnern an das Bild sprachlicher Formanten (vor allem von Vokalen), die starken Amplitudenschwankungen an das Murmeln, der fast durchgehende Bereich tun 100 Hz an den Stimmton. Deutlicher wurden die Verhältnisse in einer (aktuellen) Probe, die der von RAY SHERIDAN

herausgebrachten Schallplatte „Music of New Guinea", Wattle-Archive

Series D 2, Seite 1, Nr. 3 entnommen wurde. Das Sonagramm dieser vom SEPIK stammenden Probe (Abb. 15) zeigt zwei fast durchgehende Zonen, die über 80, bzw. bei 170/180 Hz einsetzen, auf etwa 130, bzw. 260 Hz steigen und wieder zur Anfangshöhe zurückkehren. In deutlichem Abstand bauen sich darüber — etwa

/ioo bis

38

/ioo Sek. (jeweils von Beginn zu Beginn gemessen) entfernt — Spektren auf, die sich

41

aus einem engeren Bereich von 400/500—800/900 Hz und einem weiteren von etwa 1200 bis gegen 3000 Hz zusammensetzen. Im höheren Bereich sind überdies Zonen bei 1200—1500 und 1600 bis über 2000 Hz erkennbar, die durch eine Art Ein- und Ausschwingvorgang gegenüber der Zone von 400—900 Hz abgehoben werden. Besonders im Ausschwingvorgang, aber auch im Einschwingen, ergeben sich über dem etwa eine Quart auf- und absteigenden Grundton Zonen, die den Formanten bestimmter Vokale sehr ähnlich sind: Spektrum 1

Spektrum 2

Spektrum 3

Spektrum 4

Spektrum 5

Spektrum 6

200—1600 Hz

250/400 bis 1400/1700 Hz

370, 500/800 bis 1300/1700 Hz

380, 600/900 bis 1300/1800 Hz

300, 400/900 bis 1300/2000 Hz

200 bis 1250/2000 Hz

Die Zonen entsprechen etwa den Formanten von Ü — EU — EU — Ü — U. Abb. 16 stellt in vierfacher Geschwindigkeit, also um 2 Oktaven höher (das Notensystem in realer Tonhöhe), ein Sonagramm des Schwirrholzes und des von einer Männerstimme gemurmelten Satzes „Übt Elich, Elich Gibt n i i r " in ungefähr gleicher Ton-

WALTER GRAF

88

höhenbewegung gegenüber. Dadurch wird die weitgehende Obereinstimmung in den Bereichen und die Ähnlichkeit in der Amplitudenkurve augenfällig: die Tonhöhenbewegung in Stimmton-Höhenlage, der formantähnliche Aufbau des Spektrums und die starken Amplitudenschwankungen. Dies sind die Charakteristika, die das Schwirrholzgeräusch zum Stimmsymbol machen. Ohne die Tonhöhenbewegung des tiefen Bereiches ist der Symbolcharakter weitaus weniger deutlich: erst das typische Spiel des Instrumentes schafft ihn. Die vorliegende Arbeit untersuchte sonagraphisch einige musikalisch verwendete Geräusche, um den Charakteristiken im Aufbau und Verlauf des Spektrums nachzugehen. Solche Charakteristiken konnten festgestellt werden. Weiters wurden die für die Wahl des Instrumentes, bzw. seines Klanges wahrscheinlich (mitbestimmenden Motive so weit als möglich aufgesucht, sei es, daß eine mit Material oder Form des Instruments verbundene Vorstellung, sei es, daß ein akustisches Modell maßgeblich war. Diese zweite Möglichkeit ist jedoch nicht allein an das Spektrum, sondern darüber hinaus auch an den zeitlichen Ablauf des Schallereignisses gebunden, weshalb die Spielweise (und -technik) eine wichtige Rolle spielen kann. Zweifellos eröffnet sich hier ein Weg für ein tieferes Eindringen in das Musikerleben und Musikleben, doch hängen sichere Ergebnisse von dem Aussagewert der herangezogenen Quelle und den sonst verfügbaren Unterlagen bezüglich Ausführung und kultureller Einbettung ab.

ANMERKUNGEN 1

Es sind dies vor allem Definitionen, die sich hauptsächlich an der abendländischen Musik orientieren, vgl. z. B. die bei E.HANSLICK, Ästhetik der Tonkunst (Leipzig 1891 8 , S. 20—23) angeführten Definitionen oder H. RIEMANN, Musik-Lexikon (Berlin 1919°, S. 798) usw.

- Vgl. die i n s t r u m e n t e n k u n d l i c h e n

Arbeiten

von

C U R T SACHS, A N D R É SCHAEFFNER, K .

G.

IZIKOWITZ, P . R . K I R B Y , H . FISCHER, B . SÖDERBERG, F . J . DE H E N USW. 3

Vgl. H. HELMHOLTZ, Die Lehre von den Tonempfindungen, Braunschweig 1863, S.14ff., 39.

4

ERWIN MEYER, Das Gehör, in: Handbuch der Physik, Akustik, VIII, Berlin 1927 (hrsg.

5

Ibid. S. 495.

6

OTTO F. RANKE, P h y s i o l o g i e des G e h ö r s , in : O . F. RANKE-H. LULLIES, G e h ö r — S t i m m e —

7

ERWIN

H . GEIGER U . K . SCHEEL), S . 4 9 5 .

Sprache, Berlin 1953, S. 8. MEYER,

a. a. O .

S. 4 9 5 ;

ALBERT

WELLEK,

Musikpsychologie

und

Musikästhetik,

Frankfurt a. M. 1963, S. 25 f. 8

E. M. VON HORNBOSTEL, Psychologie der Gehörerscheinungen, in: Handb. d. norm. u. pathol. Physiol., hrsg. v. BETHE, Bd. XI, Berlin 1926, S. 704.

9

E R W I N M E Y E R U. G E R H A R D BUCHMANN, D i e K l a n g s p e k t r e n

der Musikinstrumente,

Ber. d. Preuß. Akad. d. Wiss., Physik.-math. Kl. XXXII/1931, S. 704. 10

ALBERT WELLEK, a . a . O . S. 2 6 .

Sitz.-

GERÄUSCHE

IN

DER

AUSSEREUROPÄISCHEN

89

MUSIK

11

E. M.

12

Vgl. E R W I N M E Y E R , a. a. O. S. 496, wo audi auf die bessere Lokalisation für die Geräusche hingewiesen wird.

13

Für das Gehör ergeben sich bei senkrechter Schnittführung Klirrgeräusche, für den Sonagraphen s. w. u.

14

Vgl. u. a. F R I E D R I C H (Dissertation).

15

O . F. RANKE, a . a . O . S . 1 2 8 .

16

Der Verfasser hatte zu diesem Zeitpunkt eine Dienstreise ins Ausland, war also bei den Aufnahmen nicht zugegen.

17

Vgl. Nachruf in: Wr. völkerkundliche Mitteilungen, 9. Jg., 1961, S. 21 ff.

18

KALEI-O-KUAIHELANI,

VON H O R N B O S T E L ,

Physiologische Akustik, in: Jb. ü. d. ges. Physiol. 1920, S. 298.

KLUGMANN,

Die Kategorie der Zeit in der Musik, Bonn

1961, S. 57

f.

Hawaiian Ancient Music and Dance Hold Fabled Lore of Past, Mus. Courier, 1. March 1952 war dem Verf. leider nicht zugänglich.

19

Eigenbericht „Die Presse" von

20

Vgl. Katalog der Tonbandaufnahmen B 1 bis B 3000 des Phonogrammarchivs der österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, Wien 1960.

21

HANS FISCHER,

22

FRITZ WINCKEL,

23

DOROTHY

24

Geist und Werden der Musikinstrumente, Berlin 1929, S. 41 f.

25

a. a. O. S. 9.

M.

LUDWIG M A R T O N , 1 6 .

November

1958.

Schallgeräte in Ozeanien, Straßburg—Baden-Baden, 1958, 7. Phänomene des musikalischen Hörens, Berlin 1960, S. 38, 52.

KAHANANUI,

Music of Ancient Hawaii, Honolulu 1962,

S.

14.

26

Speech and Hearing in Communication, New York 1953, S. 63.

27

Tagebuch einer Entdeckungsreise nach der Südsee in den Jahren 1776—1780, Übersetz, nebst Anm. v. JOHANN R E I N H O L D F O R S T E R , Berlin 1781.

28

Ethnographische Notizen aus Hawaii 1883—1886, S. 62.

29

a. a. O. S. 25 („Klappern").

30

Vgl. auch H A N S 1947, S. 165 f.

31

Hier ist auf die Notwendigkeit der Beibehaltung einer optimalen Geräteeinstellung für alle Analysen hinzuweisen, die untereinander verglichen werden sollen.

32

Vgl. z. B. K A T H A R I N E L U O M A L A , Voices on the Wind, 1955, S. 35 ff.; H A N S N E V E R M A N N , a. a. O. S. 61 ff. a. a. O. S. 9; Abb. S. 83, Nr. 15 zeigt nur einen (flaschenförmigen) Kürbis. B A R B A R A B . S M I T H , Folk Music in Hawaii, J. Int. Folk Music Council, Vo. XI/1959, S . 51. Vgl. C A R O L A S C H U L T E , Uber die schnellste rhythmische Wiederholung von Bewegungen, Diss. Jena 1 9 4 0 ; F R I T Z W I N C K E L , a. a. O . S . 5 0 .

33 34

35

NEVERMANN,

Götter der Südsee. Die Religion der Polynesier, Stuttgart

36

H A N S NEVERMANN, a . a . O . S . 6 2 , 6 5 , 1 6 3 .

37

HANS NEVERMANN, a. a . O . S . 6 5 ,

38

DONALD

39

HANS NEVERMANN, a . a . O . S . 6 2 .

40

a. a. O. S. 38.

348.

A.

MACKENZIE,

29. Januar 1964

163.

Myths and Traditions of the South Sea Islands, London, S. 349,

WALTER GRAF

90

VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN 1. Knacks, 1. Symphonie v. L. v. Beethoven 2.—4. Bilder der Instrumente 5. Sonagramm Lavasteine 6. „ Gegenschlagstäbe 7. 8.

„ „

Schlagrute Kreisel

9. 10.

„ „

Rassel Schneckengehäuse

11. 12.

„ „

Händeklatschen (in vierfacher Geschwindigkeit) „ (in normaler Geschwindigkeit)

13.



Schlagkürbis

14. 15.

„ „

Vulkanausbruch Schwirrholz

16.





(vierfache Geschwindigkeit)

ALT-INDIANISCHE MUSIKINSTRUMENTE AUS MITTELAMERIKA Aus der Abteilung für kulturelle und physische Anthropologie des „Koninklijk Instituut voor de Tropen", Amsterdam von H.

FERIZ,

Amsterdam

Von den Berichten der spanischen Chronisten und aus den zahlreichen Abbildungen musizierender Menschen, vor allem auf der Keramik Alt-Perus und in den Skulpturen, Relief-, Vasen- und Wandmalereien Mexikos (Bonampak), wissen wir, daß die Musik im Leben und besonders im religiösen Ritual der präkolumbischen Indianer einen sehr wichtigen Platz eingenommen hat. Das Instrumentarium war aber nicht reich. Wir finden in den bildlichen Darstellungen Blas- und Schlaginstrumente, Quer- und Längsflöten, Panflöten, Lockpfeifen, Okarinas, Trompeten und Trommeln neben Rasseln und Schellen; in Peru haben sich die Panflöte und das Tritonshorn bis auf den heutigen Tag erhalten und das letztere, seit alters sakrale Instrument ist im Hochland, z. B. in Pisac bei Cuzco sogar von der Kirche übernommen worden, wo das Schneckenhorn während der Messe geblasen wird. Saiteninstrumente fehlten in Amerika vor der Ankunft der Europäer. Die für die gegenwärtige Volksmusik der Maya Guatemalas charakteristische Marimba ist erst von den Negersklaven aus Afrika eingeführt worden. Diesbezüglich ist es immerhin bemerkenswert, daß die Tonreihen einiger altindianischen Panflöten, deren Höhe man zu messen versucht hat, ebenso wie die Skalen mancher afrikanischer Marimben anscheinend aus dem hypothetischen, sogenannten Blasquintenzirkel abgeleitet werden können, ein Umstand, der die Übernahme dieses typisch afrikanischen Instrumentes durch die Maya in der kolonialen Periode begünstigt haben könnte. (Die Marimba ähnelt den indonesischen Xylophonen mit Klangstäben, getrennten Resonatoren und Trogtypen.) Die alt-indianischen Flöten waren aus Rohr, Holz, Knochen und Ton angefertigt, die Trompeten aus Meeresschnecken (Tritonshörnern), Ton und Holz, die Klappern und Schellen aus Früchten und Ton, später auch aus Kupfer, Gold und Silber und Legierungen dieser Metalle (Tumbago). Als Rasseln dienten Kürbisschalen, Ton-

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gefäße und Schildkrötenpanzer; diese wurden auch als Schlagbecken benützt, wobei ihre Bauchseite mit einem Hirschgeweih bearbeitet wurde. Die Trommeln waren entweder vertikal gestellte hölzerne Fellpauken, die mit den Händen geschlagen wurden, oder horizontal liegende Zungentrommeln, Stücke ausgehöhlter Baumstämme mit Schlitzen in der Form eines liegenden H und vibrierenden Zungen. Dazu gab es hölzerne Klöppel. Mit Häuten bespannte, zylindrische Tongefäße wurden als Handtrommeln benützt. Mit Steinen, Tier- und Menschenknochen, Muscheln und Holzstäben, die oft mit Rillen versehen waren, brachte man schrapende, reibende und klopfende Geräusche zur Unterstützung der Rhythmik hervor. Eine Sonderstellung nahmen die Okarinas ein, die besonders oft in alt-indianischen Gräbern in der Provinz Chiriqui von Panama und in Costa Rica gefunden werden, aber auch in Nicaragua, Kolumbien und Ecuador verwendet wurden. Sie sind stets aus Ton und fast immer zoomorph oder anthropomorph. Nach der Häufigkeit und der großen Anzahl von Variationen zu urteilen, ist dieses Instrument im Gebiet der heutigen Republik Costa Rica erfunden oder wenigstens vervollkommnet worden. Zweifellos hat es dort auch eine wichtige Rolle bei den Bestattungen gespielt. Ist doch die laute Musik bei den indianischen Leichenfeiern den spanischen Eroberern besonders in Kolumbien und Mittel-Amerika aufgefallen. Die Frage, ob die Okarina in Chiriqui, an der pazifischen Küste, im Gebiet der Diquis oder im zentralen Hochland Costa Ricas und seiner nördlichen, atlantischen Abdachung von den dort wohnenden Cuetar entwickelt wurde, kann man nicht beantworten. Man findet die Instrumente in allen diesen Regionen. Da jedoch alle diese Völkerschaften Costa Ricas und Panamas südamerikanischen Ursprungs waren, muß auch mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß sie dieses Musikinstrument aus ihrer südamerikanischen Heimat mitgebracht und erst in MittelAmerika weiter entwickelt haben. Die Chorotegen der Halbinsel Guanacaste, deren Beziehungen zu mexikanischen Völkerschaften noch nicht endgültig geklärt sind, scheiden als Erfinder der Okarina aus. Es sei hier erwähnt, daß Gefäßflöten aus verschiedenartigem Material auch in der alten Welt bei primitiven Völkerschaften bekannt waren (SACHS). Da die Musikinstrumente Mittelamerikas im Gegensatz zu denen Mexikos und Perus relativ wenig bekannt sind, erscheint die Publikation einiger charakteristischer Spezimina, auf die ich bei meinen Arbeiten gestoßen bin, nicht überflüssig. Die Abb. 1—10, 16—27 stammen von Objekten meiner Sammlung, die anderen sind im Zuge der 1956—1957 vom Koninklijk lnstituut voor de Tropen, Amsterdam, und von dem Museum voor Land en Volkenkunde, Rotterdam veranstalteten Ausstellungen: „Zentral-Amerikas unbekannte Schätze" und „Zwischen Peru und Mexiko" aus den Privatsammlungen ACOSTA (San José) und GREBIEN (Colon) als Leihgaben von mir nach Europa gebracht worden.

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Diese letzteren befinden sich jetzt wieder bei ihren Eigentümern, so daß die Untersuchung ihrer musikalischen Eigenschaften nicht mehr möglich ist und nur die Photographien und Beschreibungen der Ausstellungskataloge der vorliegenden Zusammenstellung zugrunde gelegt werden können. Das Lockpfeifchen von Abb. 28 befindet sich im Überseemuseum Bremen. Ich danke der Direktion des Museums für die Überlassung der Photographie. Von den Instrumenten meiner Sammlung wurden die am besten erhaltenen von MARGUERITE FALK,

Amsterdam, auf ihre musikalischen Eigenschaften untersucht; ihre

Analyse folgt auf meine Beschreibung. Darstellungen musizierender Männer finden sich nicht selten in den alt-indianischen Gräbern Mittelamerikas. In den Guetár-Grabern Costa Ricas sind es meistens Skulpturen aus vulkanischem Gestein, an der pazifischen Küste überwiegen kleine Terrakottaplastiken

und gegossene

Figuren

aus

Gold, Kupfer

und

Tumbago

(Abb. 24). Einige Tuffsteinskulpturen der erstgenannten Art zeigen den Gebrauch verschiedener Blasinstrumente: Abb. 1 Statuette

eines kauernden Mannes, der mit der linken Hand ein Blasinstrument

an die Lippen hält. Gelblich-grauer, oberflächlich verwitterter Tuffstein. Gefunden am Nordabhang des Vulkans Turrialba (Costa Rica), Guetár-Kultur. Größe: 12,5 : 1 0 , 8 : 6,4 cm. Die Kopfform der Figur deutet auf eine artifizielle Schädeldeformation, die nicht durch Binden, sondern durch rechtwinklig fixierte Brettchen zustande gebracht sein dürfte. Der Kopf ist unbedeckt und zeigt Andeutungen einer Frisur. Der Rücken ist im thorakalen Abschnitt der Wirbelsäule kyphotisch; die Halswirbelsäule zeigt eine kompensatorische Hyperlordose. In der Mittellinie des Rückens findet sich an Stelle der Dornfortsätze ein eingekratzter Strich. Drei horizontale, vertiefte Striche bilden die Augen; die schmalen, wie zusammengekniffenen Lidspalten geben dem Gesicht den Ausdruck der Konzentration. Die Ohren sind unnatürlich groß und abstehend. Die Figur ist gänzlich unbekleidet; trotz der unproportioniert langen Oberarme wirkt sie durch ihre Geschlossenheit sehr stark. Derartige, sogenannte „sukia"-Figuren werden nicht selten in Guetargräbern an der atlantischen Wasserscheide von Costa Rica gefunden; über ihre Bedeutung ist man sich noch nicht einig. Man vergleicht die Haltung des Mannes mit der eines Rauchers und glaubt in der Figur einen Medizinmann erkennen zu können, der einen Kranken beräuchert. Meines Erachtens stellt die Figur aber einen Musikanten dar, der eine Flöte bläst. Derartige Musikanten waren nach den Berichten spanischer Chronisten bei den indianischen Begräbnissen in Mittelamerika in großer Anzahl anwesend. Für meine Auffassung spricht der Ausdruck des Gesichtes mit den vollen Wangen und den in Konzentration zu schmalen Schlitzen geschlossenen Augen.

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Auch die Haltung der linken Hand ist in Einklang mit der Handhabung eines Instrumentes: auf der Oberseite der Flöte sind nur drei Finger sichtbar; offenbar umfaßt der Daumen die Flöte von unten und bedient der Kleinfinger ein seitlich zu denkendes Griffloch. Die Kyphose des oberen Abschnittes der Brustwirbelsäule wird so oft auf indianischen Grabfiguren angetroffen, daß an der besonderen Bedeutung dieser Mißbildung kaum gezweifelt werden kann. Vermutlich spielten diese Buckligen eine Rolle im religiösen Zeremoniell. Dabei ist es bemerkenswert, daß Verkrümmungen der unteren Abschnitte der Wirbelsäule nur ausnahmsweise dargestellt wurden. Wenn wir nicht annehmen wollen, daß bei den Indianern der Vorzeit die Krankheit von Scheuermann (kyphoskoliosis thoracalis juvenilis) besonders verbreitet war, was äußerst unwahrscheinlich ist und durch die Skelettfunde widerlegt wird, dann ist die Vermutung gestattet, daß die der kompensatorischen Hyperlordose der Halswirbelsäule entsprechende Zwangshaltung des Kopfes, bei welcher das Gesicht dem Himmel zugewendet ist, der Anlaß zur Verwendung dieser Gezeichneten bei religiösen Zeremonien war. Die Annahme, daß hier wirklich ein Musikant und kein Raucher dargestellt wurde, wird durch den Vergleich mit einer anderen Steinfigur unterstützt, die ebenfalls am Nordfuß des Vulkans Turrialba in einem Guetärgrab gefunden wurde (Abb. 2). Auch diese Figur ist aus vulkanischem Tuffstein, aber stärker verwittert als die erst besprochene. Sie stellt einen unbekleideten Mann dar, der auf einer schmalen, pflockartigen Gesäß-Stütze hockt (Größe: 13,2 : 7,7 : 8,9 cm). Die rechte Hand des Mannes hält einen kleinen, flachen Gegenstand quer an die Unterlippe. Die Finger verbergen die Konturen dieses Gegenstandes, in dem ein Blasinstrument, eine Querflöte oder Okarina vermutet werden kann. Für diese Deutung spricht der Gesichtsausdruck sowie die Haltung des rechten Armes und der Hand. Bei oberflächlicher Betrachtung kann man den Eindruck gewinnen, daß die rechte Hand das Kinn stützt; dies ist aber nicht der Fall. Der rechte Ellbogen ist nicht einer Ruhelage entsprechend spitzwinklig auf das Knie gestützt, sondern liegt ungefähr rechtwinklig dem Knie nur an; das Handgelenk ist leicht radialwärts flektiert, die Finger liegen nicht an der Wange oder am Unterkiefer, sondern an der Mundspalte und reichen nur bis zur Unterlippe; ihre Kürze beweist, daß sie sich in Greifhaltung befinden. Sie halten einen Gegenstand an den Mund, und das kann eigentlich nur ein querliegendes Blasinstrument sein. Wir haben es hier demnach nicht mit einer der häufigen, sogenannten „Pensador"-(Denker)-Figuren zu tun, bei welchen übrigens die Arme verschränkt auf den Knien ruhen und der Kopf nicht gestützt wird wie bei der bekannten Skulptur von Rodin. Die Oberflächenverwitterung der Figur erschwert die Feststellung von Details. Der runde, nicht deformierte Schädel scheint bedeckt von einer glatten Kappe. Furchen unter den Knien deuten auf die noch heute von den südamerikanischen Indianern getragenen Schnürbänder; an den Ohrmuscheln sind Schmuckpflöcke erkennbar. Der Rücken der Figur ist gleichmäßig gekrümmt, ohne

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Andeutung einer organisch fixierten Kyphose. Die linke Hand umfaßt das linke Knie. Auch diese aktive Pose steht im Widerspruch zu einer Ruhehaltung. Im Gegensatz zu der erst beschriebenen Figur ist der Musikant rechtshändig. Ob die Linkshändigkeit bei den präkolumbischen Bewohnern Mittelamerikas eine Bedeutung hatte und welche, wage ich nicht zu sagen. Es ist mir aber aufgefallen, daß die bekannten Steinfiguren von Männern mit Faustbeil und Kopftrophäe, die vermutlich den Stammheros darstellen, im Chiriquigebiet häufig linkshändig sind, während in Zentral-Costa Rica die Rechtshändigkeit überwiegt. In diese Gruppe von Skulpturen gehört die von der „linea vieja" an der atlantischen Küste Costa Ricas stammende Figur eines Mannes, der an Stelle des Faustbeils ein Blasinstrument in der rechten Hand hält (Abb. 3). Die Figur ist aus grauem, grobporigen, vulkanischen Tuffstein. Größe: 31 : 14 : 11,8 cm. Der Kopf ist von einer Kappe mit geripptem Rand und stumpfkonischer Spitze bedeckt. Die Scheitelgegend scheint abgeplattet; lange, glattgekämmte Haare hängen über den Hinterkopf bis in den Nacken. Die großen, anliegenden Ohren sitzen auffallend weit rückwärts, so daß der Hinterkopf sehr klein und platt erscheint; er bildet einen rechten Winkel mit dem Scheitel. Die hoch unter der niederen Stirne liegenden Augen präsentieren sich als Furchen zwischen flachen Wülsten („coffee-bean eyes"). Der Nasenrücken ist lang, schmal und gerade, die Nasenflügel sind breit. Der Mund ist zum Blasen gespitzt. Die rechte Hand hält einen birnenförmigen Gegenstand an die Lippen, vermutlich eine Okarina mit zylindrischem Mundstück. Der übermäßig lange, linke Unterarm ist maximal im Ellbogen flektiert und liegt auf der linken Schulter, wo die Hand einen Trophäenkopf an seinen zusammengeflochtenen Haaren festhält. Um die Lenden liegt ein geflochtener, gerippter Gürtel, der die Genitalien frei läßt. Zwei Pulsarmbänder vervollständigen die Ausrüstung des im übrigen unbekleideten Mannes. Die Mittellinie des Körpers ist sowohl vorne wie rückwärts durch eine Längsfurche angegeben. Die Bedeutung der Figur ist nicht schwer zu raten. „Der Stammheros kehrt mit dem Kopf des Feindes, sein Siegeslied blasend, zurück". Ohne Zweifel deutet die Kopfbedeckung des Mannes auf seinen Häuptlingsrang. Die Ei- und Birnenformen der Blasinstrumente sind nicht ungewöhnlich. Wir werden sie in der folgenden Beschreibung als die bevorzugten Formen der nicht naturalistisch zoomorphen Instrumente erkennen. Auch bei vielen ornitomorphen Okarinas ist der Klangkörper birnen- oder eiförmig. Bei dieser Formgebung mag die Annäherung an die Form des Tritonshornes, des vermutlich ältesten sakralen Blasinstrumentes eine Rolle gespielt haben. Abb. 4 Okarina

in der Form eines Papageis mit zwei nach vorn gerichteten Köpfen,

gefunden an der „linea vieja", an der atlantischen Küste von Costa Rica. Länge: 8 cm, Breite 5,4 cm, Höhe 4 cm.

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Grobkörniger, dunkelziegelrot gebrannter Ton, poliert, dunkelbraun bemalt mit eingekratzten Ornamenten, worin weiße Farbspuren. Auf Rücken und Brust befinden sich je zwei Bänder mit parallelen Längsstrichen, von Schlangenlinien eingefaßt, am Schwanzansatz, am Rücken und an den Seiten fünf parallele Querrinnen. An den Hälsen und Köpfen sieht man je eine aus unregelmäßigen Stichelpunkten bestehende Längslinie, an den Flügelstummeln 6—7 Querstriche: Andeutungen von Federn. Die Ornamente am Rücken und an der Brust sind Abbreviaturen des Motivs der Zackenschlange. Die Augen sind rund und prominent, umgeben von erhabenen Ringen. Das Instrument steht auf drei kurzen, plumpkonischen Füßen. In stehender Haltung ist der birnenförmige Vogelkörper horizontal und sind die Köpfe geneigt. Die Einblasöffnung befindet sich am Schwanzende des Vogelkörpers, sie ist am Rande abgebrochen. Der Kernspalt liegt an der Unterseite des Schwanzansatzes. Die runden Grifflöcher, zwei an jeder Seite, liegen am Rücken. Die Hälse der beiden Vogelköpfe verbindet eine Brücke, an der die Aufhängeschnur befestigt werden konnte. Bei der Vorliebe der Indianer für Zwillingsfiguren, die im Zusammenhang mit dem Glauben an ein „alter ego" jedes Menschen und Tieres steht, ist die Doppelform des Vogels nicht auffällig; man kann in ihr kaum eine Andeutung der Unzertrennlichkeit des Papageienpärchens sehen, die den polygamen Indianern Zentralamerikas wohl aufgefallen sein muß. Hielten doch die Indianer nach dem Bericht des Columbus Papageien als Haustiere. Der dargestellte Vogel ähnelt dem in Zentralamerika häufigen Stumpfschwanzpapagei

(Amazona Less., Chrysotis). Aber der Höcker am

Oberschnabel, ein Attribut einer anderen Vogelgattung, paßt nicht zu diesem Vogel. Sollte damit der aufgeworfene, scharf abgesetzte Rand des Schnabelansatzes akzentuiert werden, oder haben wir es hier mit einer Kombination zweier verschiedener Vögel zu tun? Derartige Kombinationsformen verschiedener Tiere sind ja in der indianischen Ikonographie Süd- und Mittelamerikas sehr häufig. Sie deuten auf die Zusammengehörigkeit — ja Einheit alles Lebendigen. Abb. 5 Okarina

in der Form eines Vogels mit zwei voneinander abgewandten, seitlich

gerichteten Papageienköpfen. Gefunden an der „linea vieja" an der atlantischen Küste von Costa Rica. Länge: 7 cm, Breite 6 cm, Höhe 6,6 cm. Grobkörniger, graubraunrötlich gebrannter Ton, oberflächlich dunkelbraun bemalt und poliert mit eingekratzten Ornamenten, die am Rücken und am Schwanzansatz denen von Abb. 4 völlig gleichen. In der Mitte der Brust ist ein ungefähr gleichschenkeliges, liegendes Kreuz zu sehen, dessen Balken durch Querstriche in je fünf Quadrate geteilt sind. Drei vertikale Striche und seitlich abschließend je ein senkrechter Zackenstrich begrenzen das Mittelfeld der Brust. Ein Bügel für die Aufhängeschnur verbindet die Vogelköpfe. Die kräftigen, gleichmäßig gekrümmten Schnäbel

Abb. 10

Abb. 11

A b b . 14

1

H

Abb. 16

Abb. 17

Abb. 18

Abb. 19

A b b . 24

Abb. 27

Abb. 28

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lind die großen, runden, von Ringen umgebenen, seitlich vorstehenden Augen determinieren die Vögel als Papageien, zu denen aber ebenso wie bei Abb. 4 die breiten Wülste mit den Nasenlöchern am Ansatz der Schnäbel nicht recht passen. Die Ornamente stellen Abbreviaturen der Zackenschlange dar; in den Vertiefungen finden sich geringe Spuren weißer Farbe. Die Einblasöffnung am Schwanzende des birnenförmigen Klangkörpers ist durch eine dorsal angebrachte Zunge zu einer schmalen Sichel verengt. Der Kernspalt liegt ventral unter dem Schwanzansatz; je zwei runde Grifflöcher befinden sich seitlich am Rücken über den kurzen Flügelstummeln. Das Instrument steht auf drei kurzen, stumpfkegelförmigen Füßen. In stehender Haltung ist das Schwanzende der Figur schräg emporgerichtet. Abb. 6 Okarina in der Form eines Eies mit spitzkonischen Polen, von denen der eine als Mundstück dient. Auf dem Ei sitzt ein kleiner, grotesker Vogel mit langem, gebogenen Schnabel, auf dem sich ein halbmondförmiger, stirnwärts konkaver Auswuchs befindet. Gefunden bei El Palmar an der Pazifik-Küste von Costa Rica. Größe: 8 : 5,6 : 4,6 cm. Sandfarbener, feinkörniger, mit Holzkohle vermischter Ton mit hellbraunroter Bemalung. Die Bemalung beschränkt sich auf einen 10—13 mm breiten Ring an der Oberseite des eiförmigen Klangkörpers rund um den sitzenden Vogel, der mehr einem Tukan (Rhamphastos erythrorhynchus) ähnelt als einem Papageien. Der merkwürdige Höcker am Schnabelansatz gehört aber zu keinem der beiden genannten Vögel. Die großen, halbkugelig prominierenden Augen sind von einem scharfrandigen Ring umgeben; sie sind miteinander durch einen Wulst verbunden, der wie ein Turban über die Stirne und den Hinterkopf läuft und so den Scheitel umkreist. Vermutlich charakterisiert diese Kopfbedeckung ebenso wie der Schnabelhöcker in der Form des Halbmondes den Vogel als übernatürliches Wesen. Die Füße sind kurz und plump, zeigen vier große Klauen und gleichen Raubtiertatzen. Zwei flache, nach oben konkave Wülste deuten die Flügel an; sie sind am Schwanzende oben und unten mit je einer ovalen, querliegenden Platte miteinander verbunden. An beiden Seiten des Klangkörpers befinden sich in symmetrischer Lage je zwei runde Grifflöcher. In dem spitzkonischen, dem Mundstück entgegengesetzten Pol sieht man eine Querperforation f ü r die Trageschnur. Der Vogel ist im Verhältnis zu dem Ei, auf dem er sitzt, viel zu klein. Auffallend ist die dem Bläser zugekehrte Haltung des Vogels. Fast immer ist bei den zoomorphen indianischen Blasinstrumenten der Kopf des Tieres von dem Bläser abgewendet. Das Tier scheint so die hervorgebrachten Töne ins Weite zu senden. Nicht so hier! Nicht der Vogel bringt die Töne des Instruments hervor, sondern es ist das Ei, das tönt. Der scheinbar brütende Vogel inspiriert gewissermaßen den Musikanten. Damit entsteht eine bemerkenswerte Parallele zu 7

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den magischen Pfeifen der N. W.-Indianer, auf denen der mythologische Rabe mit seinem Schnabel die Zunge des Medizinmannes berührt und so einen übernatürlichen Kontakt herstellt. Bei der großen Rolle, die der Tukan in der Fruchtbarkeitsmagie der präkolumbischen Indianer Costa Ricas gespielt hat, ist seine Darstellung auf einem Ei nicht verwunderlich. Abb. 7. Okarina in der Form eines Gürteltiers, gefunden in der Diqui-Region an der Pazifik-Küste von Costa Rica. Länge: 8,2 cm. Breite: 4 cm, Höhe: 2,3 cm. Grobkörniger, graubraun gebrannter Ton, mit gravierten, quer verlaufenden Bogenlinien am Rücken und Schwanzansatz, in denen noch weiße Farbspuren sichtbar sind. Mundstück und Einblasöffnung am Schwanz, Kernspalt an der Unterseite des Schwanzansatzes. Vier symmetrische Grifflöcher am Rücken. Am Hals Querperforation für die Trageschnur. Abb. 8 Okarina in der Form einer zu einem Ring gekrümmten Schlange. Gefunden an der „linea vieja", an der atlantisdien Küste von Costa Rica. Größe: 10,1 :10,5 : 3,7 cm. Dunkelgrauer, feinkörniger Ton, schwarz bemalt, mit eingekratzten Ornamenten, in denen weiße Farbspuren sichtbar sind. Längs- und Querbänder von je drei parallelen Strichen, die von mit Zacken versehenen Linien eingefaßt sind. Das Ornament ist identisch mit dem von Abb. 4 und 5 und stellt ein Symbol der mythologischen Zackenschlange, beziehungsweise des Alligators dar. Der Schwanz der Schlange ist um den Hals des Tieres gewunden, der Kopf mit den seitlich vorstehenden, von einem Ring umgebenen, runden Augen ist grotesk verbildet, dreieckig, erinnert durch die Beschädigung der Schnauze eher an ein Insekt als an ein Kriechtier. Jedenfalls ist der Höcker an der Nasenwurzel auffallend (konform den Höckern am Schnabelansatz von Abb. 4, 5 und 6). Vielleicht symbolisiert er ebenso wie das Scheitelauge die übernatürliche Art des dargestellten Wesens. Das stumpfkonische Mundstück ist seitlich an dem aufgetriebenen Leib des Tieres angebracht; rechts und links davon befinden sich ungefähr symmetrisch je zwei Klanglöcher. Abb. 9 Okarina in der Form eines Jaguars, zugleich gefunden mit einem identischen Exemplar bei El Palmar (Südost-Küste von Costa Rica). Länge: 9,3 cm, Breite: 3,5 cm, Höhe: 5 cm. Hellgrauer, feinkörniger Ton, schwarz auf gelblichgrauer Grundfarbe, bemalt mit geringen rötlichen Farbspuren. Die Zeichnung des Felles, unregelmäßige Ovale, Rauten und Striche mit zahlreichen Tupfen, ist mit einer mattglänzenden, lackartigen Farbe aufgetragen. Um die Augen liegt ein schwarzer Kreis; die Schnauze ist

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schwarz, das Maul ist schwarz umrandet. Der Kopf des Tieres ist erhoben, der Schweif leicht gekrümmt. Hier befindet sich die Einblasöffnung, der Kernspalt liegt an der Bauchseite des Schwanzansatzes. An der rechten Flanke ist nur ein Griffloch angebracht. Ein querverlauf ender Bohrkanal am Hals steht nicht in Verbindung mit dem Hohlraum des Instruments, diente offenbar der Befestigung der Aufhängeschnur. Abb. 10 Polychrom

bemalte

Okarina

in der Form eines grotesken Tieres mit dem Kopf

eines jungen Bären und dem Leib eines Vogels. Gefunden bei El Palmar, Südost-Küste von Costa Rica. Höhe: 8,9 cm, Breite bei den vorderen Gliedmaßen: 7,3 cm, Länge: 8,2 cm. Steinrot gebrannter, feinkörniger Ton mit braunroten und schwarzen Streifen und Punktreihen auf graugelber Grundfarbe. Die runden Augen des Tieres sind von einem schwarzen Doppelring umgeben; die Schnauze mit den großen Nüstern ist schwarz von der hellen Stime abgesetzt. Die Ohren sind dick, stumpfkonisch, die vorderen Gliedmaßen gleichen Flügelstummeln, die hinteren plumpen Bärentatzen. Die Sohlen sind aber nicht rund wie bei einem Bären, sondern länglich oval wie beim Menschen. Das Mundstück mit der Einblasöffnung befindet sich am Hinterende des Leibes; der Kernspalt liegt an der Unterseite. Ein Paar verhältnismäßig großer Grifflöcher ist seitlich an der Brust zu sehen. Ein quer verlaufender Kanal am Hals unter den Ohren hat keine Verbindung mit dem Hohlraum des eiförmigen Klangkörpers, war offenbar für die Aufhängeschnur bestimmt. Die Darstellung eines grotesken, in Wirklichkeit nicht existierenden, anscheinend jungen und friedfertigen Tieres ist sicher nicht zufällig und nicht bedeutungslos. W e n n wir die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß die als Grabbeigaben verwendeten Tierformen in Verbindung standen mit dem Totemtier des Toten, dann könnte die vorliegende Tierkombination in dem Grab eines Kindes auf eine Verbindung eines Mitglieds der Bärenfamilie mit einem des Vogelklans deuten. Parallelen dafür gibt es bei den N. W . Indianern, wo z. B. die Ehe des Bärenklans mit dem Adlerklan auf Totempfählen dargestellt wurde. Leider ist mir nichts über Begleitfunde des vorliegenden Instrumentes, das ich von einem Huakero

erworben habe, bekannt, so daß

jeder Hinweis auf die Art des Grabes, aus dem es stammt, fehlt. Abb. 11 Okarina

aus dunkelbraunem Ton in der Form eines Faultieres in gekrümmter

Haltung. Der Körper des Tieres bildet einen Kreis, dessen Durchmesser 9 cm beträgt. Gefunden an der „linea vieja", an der atlantischen Küste von Costa Rica. (Sammlung A C O S T A , San José.) Der runde, charakteristische Kopf zeigt den Ausdruck des Erschreckens; der zahnlose Mund ist halb geöffnet, wie zum Schrei. Das Tier scheint in seiner typischen 7»

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Haltung an einem Ast zu hängen. Deutlich sind die drei klauenartigen Zehen zu erkennen, so daß kein Zweifel an der Art des dargestellten Tieres möglich ist. In den Vertiefungen der Figur und in den Ritzlinien des Ornaments sieht man Reste der weißen Bemalung. D a s Ornament ist dem von Abb. 4, 5 und Abb. 8 sehr ähnlich und stellt eine Abbreviatur der Zackenschlange, beziehungsweise des Alligators dar. Es sind aus parallelen Linien bestehende Bänder, die von Zackenlinien eingefaßt sind. Das stumpfkonische Mundstück der Okarina befindet sich in der Mitte des Rückens des Tieres, die Grifflöcher liegen seitlich davon. Die große Ähnlichkeit dieses Instrumentes mit dem auf Abbildung 8 dargestellten beweist, daß wir es hier mit einem speziellen T y p von Okarinas zu tun haben. Abb. 12 Birnenförmige

Okarina

aus graubraunem, grobkörnigen T o n mit Ritzzeichnungen

und Stichelungen, in denen weiße Farbspuren sichtbar sind. Höhe: 6,5 cm. Gefunden in der Provinz Chiriqui an der Pazifik-Küste West-Panamas. (Sammlung E. O . HAUCKE, Colon.) A m Hals der Birne ist in Applique-Technik der Kopf eines Monstrums modelliert. Der Mund dieses kaum noch anthropomorph zu nennenden Wesens ist auffallend groß, zahnlos und zeigt vorgestülpte, wie saugende Lippen; die Nase ist halbkugelig, stumpf, mit großen nach vorne gerichteten Löchern. A n Stelle der Wangen sind zwei ovale Tonstückchen aufgelegt. Unregelmäßig viereckige Kanäle zwischen dem Hals der Birne und seitlichen Applique-Bügeln stellen die Augenhöhlen des Monstrums dar. Vermutlich verlief durch diese Kanäle die Trageschnur. V o n den Mundwinkeln führt je ein Band mit einer Reihe runder Vertiefungen vertikal zur Basis der Birne und um den ganzen Körper. Ein ähnliches, aber etwas breiteres Band läuft horizontal über den Rücken der Figur von dem einen vertikalen Band zum anderen. W i e G. G. MAC CURDY überzeugend nachgewiesen hat, symbolisieren derartige Bänder in der Vasenmalerei von Chiriqui die Fangarme des Tintenfisches mit einer Reihe von Saugnäpfen. In der zoomorphen Ikonographie der „linea vieja" sind ChiriquiEinflüsse unverkennbar. Für die Deutung des Monstrums als stilisierter Pulp sprechen außer der Birnenform des Körpers der zahnlose, saugende Mund, die großen Augen und das Fehlen von Gliedmaßen. Die Einblasöffnung befindet sich endständig am stumpfkonischen Hals der Birne, der Kernspalt auf der Rückseite. Das Instrument hat vier große, runde Grifflöcher an der Vorderseite in annähernd symmetrischer Position. Abb. 13 Blasinstrument:

Okarina

in der Form einer Tritonida-Schnecke, die den Leib eines

Tieres bildet, das auf seinem Rücken eine flache Schale trägt. Schokoladebrauner T o n mit eingeritzten, weiß gefärbten Ornamenten. Höhe: 14 cm, Länge: 18 cm.

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Gefunden an der „linea vieja", an der atlantischen Küste von Costa Rica. (Sammlung A C O S T A , San Jose.) Das Tier stellt vermutlich einen durch seine Nasenform anthropomorphen Jaguar dar. (Raubtierzähne, Katzenohren, weiße Flecken als Zeichnung des Felles). Die Ornamente auf dem Tierleib sind Abbreviaturen der mythologischen Zackenschlange (Längs- und Querschnitte des Schlangenkörpers?). Die Querschnitte, konzentrische, von einem Zackenkranz umgebene Kreise erweisen ihre Verwandtschaft mit einem Sonnensymbol, wie ja auch die hellen Flecken des Felles des Jaguars in den indianischen Märchen siderische Bedeutung haben. Die mit einfachen geometrischen Ritzzeichnungen verzierte Schale ist zweifellos als Opferschale aufzufassen; damit ist der sakrale Charakter des Instrumentes sichergestellt. Das spitze Ende des Tritonshorns, das zugleich das Schwanzende des Tieres darstellt, ist das Mundstück des Okarina mit endständiger Einblasöffnung und ventraler Kernspalte. Je zwei runde Grifflöcher befinden sich an den Flanken. Abb. 14 Blasinstrument

in der Form einer Tritonidaschnecke, die den Leib eines grotesken,

offenbar mythologischen Monstrums bildet. Schokoladebrauner Ton mit weißen Farbspuren in den Vertiefungen. Höhe: 14 cm, Länge: 17 cm. Gefunden an der „linea vieja", an der atlantischen Küste von Costa Rica. (Sammlung GREBIEN, Colon.) Das Monstrum stützt sich mit zwei dreizehigen Stummelfüßen auf die Unterlage. Die Schlangen ähnelnden, verdoppelten, vorderen Extremitäten sowie die Schlangenkrone mit Reihen runder Vertiefungen erinnern an die mit Saugnäpfen besetzten Fangarme des Tintenfisches. Auch das unförmige, von Schlangenknäueln gebildete Gesicht unterstützt die Deutung dieser Figur als einer Stilisierung des furchtbaren Kraken. Die Einblasöffnung des Instruments und der Kernspalt befinden sich am spitzen Ende des Körpers, je zwei runde Grifflöcher seitlich am Rücken. Ein ähnliches Blasinstrument der gleichen Provenienz aus derselben Sammlung (Abb. 15) zeigt die Saugnäpfe auf den vom Munde ausgehenden Fangarmen des Monstrums noch deutlicher. Braunroter, grobkörniger Ton. Die Höhe dieses Objektes ist 14,5 cm, die Länge 18 cm. W i e bei den beiden vorher besprochenen Objekten ahmt die Form dieses Instrumentes die des Tritonshorns nach, der großen marinen Schnecke, deren Gehäuse schon in den ältesten Zeiten auch in der alten Welt (Indien) als sakrales Blasinstrument verwendet wurde. Der Bauch der Muschel stellt den Leib des Monstrums

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dar. Die Ritzzeichnung und Punktierung auf dem Hinterleib wiederholt die Abbreviaturen der Fangarme und Saugnäpfe des Tintenfisches. Das dargestellte Wesen ist also ein stilisierter Krake. Die häufige Verwendung der marinen Fauna in der Ikonographie von Chiriqui weist auf eine große Vertrautheit der Bevölkerung mit der See. Robben und Haifische finden wir sehr oft als Träger von Dreifußgefäßen modelliert, besonders an der Pazifik-Küste West-Panamas. Es ist mir aber kein einziges Musikinstrument in Fischform oder Robbenform bekannt. Da die Robben keineswegs stimmlos sind, ist dies auffallend. Vermutlich hielten die Indianer die großen Kraken für stimmgewaltiger. In Südperu ist dies noch heute der Fall. Ein eigenartiges, dumpfes, lang nachrollendes Dröhnen, das man an der Küste südlich der Halbinsel Paracas nicht selten von der See hört, wird dort als das Brüllen ungeheurer Kraken erklärt. Im Guetargebiet, wo Alligatoren, Landtiere und Vögel die Ikonographie beherrschen, scheint der Kult des Kraken von Chiriqui aus eingeführt worden zu sein. Die Ausstattung der Monstra mit Stummelfüßen und einem zahnbewehrten Rachen (im Gegensatz zu der auf Abb. 12 dargestellten, aus Panama stammenden Figur) — zeigt eine Annäherung an den Guetarstil. Der Künstler wollte entweder ein Mischwesen nachbilden, oder er hatte noch nie einen Kraken gesehen und nur die eindrucksvollsten Elemente seines Körpers, die Fangarme mit den Saugnäpfen, von einem stilisierten Vorbild kopiert. Abb. 16 Lodepfeifdien in der Form eines sitzenden Vogels, gefunden bei El Palmar (Pazifik-Küste von Costa Rica). Größe: 3,7 : 2 : 8 cm, Höhe: 2,5 cm. Braungrauer, feinkörniger Ton, gleichmäßig hart gebrannt, an der Oberfläche deutliche Spateleindrücke. Der kräftige Schnabel ist leicht gebogen, die Augen sind in Applique-Technik aufgesetzte, kuglige Tonklümpchen. Zwei kugelförmige Luftsäcke in der Brust dienten der Resonanz des Klanges. Die Einblasöffnung in der Mitte des Gabelschwanzes ist zweigeteilt; auch die beiden seitlichen Grifflöcher zeigen einen Kamm in der Mitte. Das Instrument hat zwei getrennte Klangröhren; auch die Luftsäcke sind voneinander geschieden, so daß zwei Töne erzeugt werden können. Abb. 17 Lockpfeifchen in der Form eines sitzenden Vogels, gefunden bei El Palmar (Pazifik-Küste von Costa Rica). Größe: 4,6 : 2,5 cm, Höhe: 3,4 cm. Feinkörniger, gleichmäßig hart gebrannter Ton. Oberfläche glatt poliert, „negativ" bemalt mit Streifen und Kreisen. Grundfarbe hellbraun, Deckfarbe schwarz. Mundstück am Schwanzende, Kernspalte an der Unterfläche. Grifflöcher unsymmetrisch

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an der Brust des Vogels. Querperforation am Hals zum Aufhängen, nicht in Verbindung mit dem Klangkörper. Abb. 18 Pfeifchen in der Form einer sitzenden Taube. Länge: 3,4 cm, Höhe: 2,8 cm, Breite: 1,2 cm. Grobkörniger, dunkelsteinroter Ton, blau bemalt mit weißen Streifen (modern, vom indianischen Markt in San Salvador). Dieses Kinderpfeifchen beweist die Persistenz der alten Formen. Die Einblasöffnung liegt am Schwanzende, der Kernspalt an der Unterseite, ein Griffloch an der Vorderseite der Brust, so daß zwei Töne erzeugt werden können, und Trillern möglich ist. Abb. 19 Pfeifchen

in der Form eines geduckten, vierfüßigen Tieres (Wildkatze?), (modern,

vom indianischen Markt in San Salvador). Länge: 4,3 cm, Höhe: 2 cm, Breite: 2,2 cm. Grobkörniger, braunrot gebrannter Ton, schwarz bemalt, mit weißen Tupfen und Querstreifen. Die Vorderfläche der Ohren und der Rachen sind rot. Das Schwanzende dient als Mundstück. Der Kernspalt befindet sich genau wie bei den alt-indianischen Instrumenten an der Unterseite des Schwanzansatzes. Von hier führt ein geräumiger, runder Kanal zu einem Griffloch in der Schultergegend, das Trillern ermöglicht. Abb. 20 Signalpfeife

in Eiform.

Gefunden bei Sona, Provinz Veraguas, Panama. Größe: 5 : 3,3 : 3 cm. Grobkörniger, steinrot gebrannter Ton mit Glimmer und Quarzsand vermischt, weiß bemalt. Die Einblasöffnung der Klangröhre befindet sich an dem schmalen Pol, dessen Form durch ihre Konkavität und zwei seitlichen Fortsätzen der Lippe angepaßt ist. Von hier führt die Klangröhre zu einer großen runden Öffnung, die Zugang gibt zu dem kugeligen Hohlraum im stumpfen Eipol, der als Resonanzkörper dient. Abb. 21 Birnenförmiges

Pfeifchen,

hellgraubraun gebrannter, grobkörniger, mit Muschel

und Holzkohlepartikeln vermischter unbemalter Ton. Größe: 3,8 : 2,1 cm. Gefunden bei Sona, Provinz Veraguas, Panama.

H. FERIZ

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Das Mundstück ist flach oval, die Einblasöffnung rund, verhältnismäßig eng, der Resonanzkörper kugelförmig. Das Pfeifchen gibt nur einen Ton. Abb. 22 Doppelpfeifchen

in der Form einer am stumpfen Ende eingeschnürten Birne.

Hellrotbraun gebrannter, grobkörniger, mit Sand und Holzkohlenpartikeln vermischter Ton, sehr stark verwittert. Größe: 4 : 3,2 cm. Gefunden bei Sonä, Provinz Veraguas, Panama. Das Mundstück ist ungefähr zylindrisch — die Einblasöffnung ist rund, verhältnismäßig eng. Von hier führen zwei divergierende Kanäle zu den runden Öffnungen der beiden kugligen Resonanzkörper, die voneinander durch ein Septum geschieden sind. Die Form des Resonanzkörpers erinnert durch eine mediale Einschnürung an Abbildung 16 und 12. Durch die starke Verwitterung sind die Enden der Kanäle beschädigt, so daß das Instrument keinen Ton mehr gibt. Abb. 23 Signalpfeifchen

in der Form eines Menschenkopfes mit Hut, gefunden bei

Turrialba an der atlantischen Abdachung der „meseta zentral" von Costa Rica. Größe: 5,5 : 3,8 : 2,9 cm. Grauschwarzer T o n ; Spuren rötlicher und weißer Bemalung. Der konische Hut mit dem zapfenförmigen Aufsatz am Scheitel deutet auf den Rang des Trägers: es ist der Kopf eines Häuptlings; die wulstigen Lippen sind geöffnet, lassen die Schneidezähne sehen; die Augen sind stark prominierend, weit offen, wie eingesetzt. Die sehr lange, schmale Nase setzt auffallend hoch an der Stirne an, ohne Sattel an der Nasenwurzel, so wie bei den Maya; sie zeigt aber nicht die für die Maya charakteristische Krümmung, sondern ist ganz gerade. Das runde Kinn ist sehr klein. An den von einer doppelten, eingekratzten Bogenlinie umgebenen Ohrmuscheln sieht man Andeutungen eines Schmuckes, eines zylindrischen Ohrpflocks mit radiären Strahlen. Auf dem Hut ist ein geradliniges, geometrisches Ornament eingekratzt: Striche und Dreiecke mit je 2—3 Punkten (Dreiecke mit 3 Punkten sind in der indianischen Ikonographie Abbreviaturen von Tiergesichtern). Am Hutaufsatz befinden sich seitlich zwei Öffnungen für die Trageschnur. Auf jeder Wange ist ein Griffloch. An der Rückseite des Hutes, dessen Zapfen als Mundstück dient, befindet sich eine runde Öffnung, durch die die Luft entweichen kann. Offenbar haben wir es hier mit dem Abbild eines präparierten Trophäenkopfes mit eingesetzten Augen zu tun. Der starre, leblose Ausdruck des Gesichtes läßt keine andere Deutung zu. Wir wissen, daß im Glauben vieler alt-indianischen Stämme der Besitz des Kopfes des getöteten Feindes dem Sieger die Macht über dessen Hilfsgeister und „alter ego's" verlieh. Dies mag der Sinn der stilisierten Tiergesichter auf dem Häuptlingshut sein. W i r dürfen annehmen, daß diese Signalpfeife die

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105

Erinnerung an die Überwindung eines hervorragenden Feindes festhalten und Macht und Rang des Trägers andeuten sollte. Abb. 24 Anhänger in der Form eines musizierenden Mannes, Kupfer vergoldet, vermutlich in offener Form gegossen und durch Hämmerung und Lötungen ergänzt. Größe: 6 : 4 cm. Gewicht 12 Gramm. Rückseite hohl. Gefunden bei El Palmar in demselben Schachtgrab wie die Rassel von Abb. 27. Der Musikant umgreift den Stiel einer Rassel mit der rechten Hand, mit der linken hält er ein langes, gerades, an ein Pfeifenrohr erinnerndes Blasinstrument an seine Lippen. Das Mundstück dieses Instrumentes ist zwischen den Lippen festgelötet; an dem unteren, verdickten Ende ist das endständige Lumen deutlich angegeben — ein Beweis, daß es sich nicht um eine Tabakspfeife handeln kann. Die Rassel ist kugelförmig und trägt vier runde, knopfartige Auswüchse. Die Figur ist unbekleidet bis auf einen schmalen, aus zwei Schnüren bestehenden Lendengürtel, der das Genitale unbedeckt läßt, und Schnürbändern unter den Knien und über den Knöcheln. Um die niedere Stirne läuft ein aus geflochtenen Schnüren bestehendes Band. Die Nase ist schmal und gerade, nicht gesattelt an der Wurzel. Sie bildet eine Fortsetzung der Supraorbitalbogen. Die Augen sind prominierende, von je einem schmalen Ringwulst umgebene Ovale. Die Schädelform ist der des Musikanten von Abb. 1 völlig analog. An Stelle der Ohrmuscheln sieht man Doppelspiralen. Dieser Schmuck ist charakteristisch für den von Kolumbien stammenden Stil von Coclé (Panamá). Auffallend ist die starke Akzentuierung der Brustwarzen, die mit den männlichen Genitalien kontrastieren. An der hohlen Rückseite ist am Hals der Figur ein Ring für die Tragschnur angelötet. Analoge und leicht variierte Figuren aus Gold und Tumbago sind häufig in den Provinzen Coclé und Veraguas von Panamá gefunden worden, so daß die Vermutung nahe liegt, daß wir es hier mit einem Importstück zu tun haben. Wir wissen aber, daß auch im Diquigebiet die Goldschmiedekunst entwickelt war, wenn sie auch nicht ein so hohes technisches und künstlerisches Niveau erreichte wie in Panamá, wo der Guß meist nicht in offenen Formen erfolgte, sondern in der sogenannten verlorenen Form. Die einigermaßen primitive, technische Bearbeitung unseres Objekts spricht demnach dafür, daß es sich um eine lokale Kopie eines von Panamá stammenden Modells handelt. Abb. 25 Rassel in der Form eines Menschenkopfes auf einem langen, dünnen Hals. (Länge: 7,2 cm, Durchmesser: 1,5 cm) Gefunden bei Conception (Panamá). Höhe: 13,2 cm, Kopf: 6,0 : 5,4 cm.

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Bemalte, feinkörnige Keramik, poliert, graugelblich, die obere Gesichtshälfte rotbraun bemalt. Die geschlossenen Augen deuten auf einen Toten; die Lippen des breiten Mundes sind durch drei Stege miteinander verbunden. Offenbar ist ein Trophäenkopf mit vernähten Lippen dargestellt. Die Nase ist lang und spitz. Der schmale Nasenrücken setzt unmittelbar an den in der Mittellinie zusammenlaufenden, flachen Supraorbitalbogen an. Die Ohren sind stumpfkeglig abstehend, an der Vorderseite durchbohrt. Der runde Bohrkanal steht in Verbindung mit dem Hohlraum, dürfte also nicht nur zur Aufnahme eines Ohrenschmuckes gedient haben. Der Schädel ist kugelförmig, die Stirne fliehend, das Gesicht breit, das Kinn auffallend spitz. An der Unterseite des Schädels befinden sich in einer horizontalen Linie beiderseits zwei schmale Spalten, die in Verbindung mit dem Hohlraum des Schädels stehen und offenbar die Klangwirkung verstärken sollten. Eine Querperforation des Halses, der den Griff des Instrumentes darstellt, scheint für die Aufhängeschnur gemacht. Das Objekt wurde zerbrochen gefunden, so daß nicht festgestellt werden konnte, ob der Hohlraum Steinchen oder Tonkügelchen, Körner, Kerne, Zähne oder Knöchelchen enthalten hatte. Für alle diese Möglichkeiten gibt es Beispiele. Es ist bemerkenswert, daß der Gebrauch, den konservierten Köpfen getöteter Feinde die Lippen zu vernähen, der im Kulturkreis von Nasca (Süd-Peru) im 3—8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung ganz allgemein war, wie zahlreiche Abbildungen auf Tongefäßen beweisen, auch von den präkolumbischen Indianern Mittelamerikas geübt wurde. Bekanntlich besteht dieser Brauch noch heute bei den Jivaros im östlichen Ecuador. Der Kopf („Tsantsa") soll dadurch verhindert werden, Verwünschungen gegen den Sieger (Besitzer) auszusprechen. Die Verwendung der Kopftrophäen als Musikinstrument bei den Festen der Sieger stellt wohl eine Kulmination des Triumphes dar — vergleichbar dem barbarischen Brauch euroasiatischer Völker, bei dem Siegesmahl aus dem zu einem Pokal verarbeiteten Schädel des Besiegten zu trinken. Abb. 26 Birnenförmige Schelle (oder Rassel) mit Tierkopf. Gefunden bei El Palmar an der Pazifik-Küste von Costa Rica. Höhe: 6,5 cm, größter Durchmesser: 4 cm. Körniger, gleichmäßig ziegelrot gebrannter Ton. Die Oberfläche zeigt trotz der Politur deutliche Spatelstriche; sie ist rotbraun bemalt mit Spuren einer schwarzen Ubermalung. An der Basis sieht man eine 3,5 : 0,4 cm große Spalte, die Zugang gibt zu dem kugligen Klangkörper, in dem sich ein Tonkügelchen (Durchmesser 0,6 cm) befindet. Ein schräger Kanal am Hals steht nicht in Verbindung mit dem Hohlraum der Schelle und war offenbar für die Aufhängeschnur bestimmt. Der Tierkopf ist roh

ALT-INDIANISCHE MUSIKINSTRUMENTE AUS MITTELAMERIKA

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modelliert, mit Applique-Wülsten um die runden Augengruben. Der Kopf ist ungefähr dreieckig, die Schnauze kurz und spitz, einem Schnabel ähnlich mit halb geöffneter, zahnloser Mundspalte. Die Ohren sind plump, dreieckig prominent. Zwischen ihnen an der Stirne ist ein flaches, rundes Tonklümpchen angebracht, vielleicht als Andeutung eines Stirnauges. Eine ähnliche, etwas kleinere Scheibe ist an der Hinterfläche des linken Ohres zu sehen, rechts scheint sie verloren gegangen zu sein. Was für ein Tier hier dargestellt werden sollte, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Die Dreiecksform des Schädels legt die Vermutung nahe, daß hier drei nach verschiedenen Richtungen blickende Tiergesichter angedeutet wurden. Die Ohren des einen Tierkopfes scheinen die Schnauzen der beiden anderen zu bilden. Rassel aus braunrotem Ton mit deutlichen Spuren einer weißen Grundfarbe und einer schwarzen Übermalung. Höhe: 9,2 cm, Durchmesser: 3,7 cm, Wanddicke des Klangkörpers 0,4 cm. Das Objekt wurde in einem indianischen Schachtgrab am linken Ufer des Rio Grande de Diqui bei El Palmar gefunden, zusammen mit einigen mit dem sogen. Alligatormotiv rot und schwarz bemalten Dreifuß-Schalen und der vergoldeten Tumbagofigur eines Musizierenden, die oben beschrieben wurde {Abb. 27). Das Objekt war bei der Auffindung zerbrochen; zwischen den Bruchstücken lagen zwei menschliche Schneidezähne, die sich ursprünglich in der Rassel befunden haben können. Der eiförmige Klangkörper steht auf zwei 5 mm breiten Fußleisten. Die kreisförmige Basis ist abgeplattet und in der Mitte perforiert. Die ektropionierten Ränder der runden Perforationsöffnung zeigen, daß diese vor dem Brennen durch das Herausziehen eines Stöckchens aus dem im übrigen geschlossenen Hohlraum erzeugt wurde, ein Umstand, der ein Licht wirft auf die bei der Anfertigung des Gegenstandes angewendete Technik. Auf dem oberen Eipol ist ein zweiköpfiges Tier vollplastisch modelliert. Was für ein Tier hier dargestellt werden sollte — Vogel, Reptil oder Säugetier — ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Die unverhältnismäßig großen Köpfe scheinen jedenfalls ein junges Tier anzudeuten, das eben aus dem Ei geschlüpft ist. Die schräg abduzierten Köpfe erinnern bei oberflächlicher Betrachtung an Vogelköpfe, aber dazu paßt nicht der große Mundspalt, tief unter der plumpen, •schnabelartig vorstehenden Schnauze. Die seitlich liegenden Augen sind verhältnismäßig groß, halbkugelig erhaben und mit einem großen, runden Loch markiert. Die vorderen Gliedmaßen tragen vier lange Klauen. Von jedem der beiden Köpfe läuft eine konvex nach außen gebogene, am Rande grob gekerbte, einem Flügel ähnliche Tonleiste nach hinten. Diese „Flügel" vereinigen sich in der Mitte zu einem kurzen, stumpf gerundeten Schwanz, dessen obere Fläche einige flache Längsrinnen, vermutlich Andeutungen von Federn aufweist. Unter den Köpfen befindet sich ein horizontal vom Rücken nach vorn verlaufender Kanal, der keine Verbindung mit dem Hohlraum des Klangkörpers hat und offenbar der Befestigung eines Aufhängebandes gedient hat. Die Öffnung dieses Kanals wird am Rücken teilweise durch eine kreis-

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108

runde, 2—3 mm dicke Platte bedeckt, deren Durchmesser 12 mm beträgt. Die Bedeutung dieser Platte, die wie eine nach hinten verschobene Kappe auf dem gemeinsamen Nacken der beiden Köpfe liegt, wage ich nicht zu enträtseln. Sollte sie ein Rangabzeichen darstellen, ein großes gemeinsames Scheitelauge oder ein Attribut des mythologischen Doppelwesens? Abbildungen junger Tiere finden sich nicht selten in alt-indianischen Gräbern; sie werden in der Regel als Symbole der Wiedergeburt aufgefaßt. Alle von mir in Costa Rica und Panamá gefundenen oder in Sammlungen studierten alt-indianischen Musikinstrumente sind mehr oder weniger biomorph. Da jedes Instrument eine „Stimme" hat, wurde es offenbar von den Indianern als irgendwie mit Leben begabt angesehen. Das gilt natürlich auch von den magisch geladen gedachten Kopftrophäen. Besonders zahlreich sind die Okarinas, und hier sind bei aller Verschiedenheit einige feste Typen zu unterscheiden. 1. Die rein zoomorphen Instrumente, bei denen die Töne im Hohlraum des Tierleibes resonieren. 2. Die Instrumente mit einem ringförmigen Hohlraum (Abb. 8 und 11). 3. Der Tritonshorntyp (Abb. 1 3 , 1 4 , 1 5 ) . Die fast gesetzmäßige Zoomorphie der Musikinstrumente ist sicherlich nicht zufällig. Die Bedeutung der einzelnen Tierfiguren entzieht sich unserer Kenntnis, sie scheint aber über rein totemistische Beziehungen hinaus zu gehen. Viele ornamentale Motive wie das der Zackenschlange sind mythologisch determiniert; auch die Monstra müssen sakral gemeint sein als Erscheinungsformen oder Begleiter bestimmter, mit dem Totenreich zusammenhängender Gottheiten. Die Kombination eines Blasinstruments mit einer Opferschale verdeutlicht den sakralen Charakter des Instruments. In Analogie zu ostasiatischen Vorstellungen kann man annehmen, daß der Ton des Instruments die Gottheit auf das dargebrachte Opfer aufmerksam machen sollte. Bei den Lockpfeifen ist die Vogelform leicht erklärlich — diese Instrumente sollten ja Vogellaute nachahmen. So besitzt das Überseemuseum in Bremen ein kleines Terrakottapfeifchen aus Costa Rica (Abb. 28) (Höhe: 6,4 cm) in der Form eines jungen Vogels, dessen Ton dem Piepen des Vögleins überraschend ähnlich ist. D a alle hier beschriebenen Musikinstrumente Grabbeigaben darstellen, müssen wir uns hier auch kurz mit Sinn und Bedeutung des bei vielen Völkern verbreiteten Gebrauches auseinandersetzen, den Toten verschiedene Gegenstände mit ins Grab zu geben. Bei den präkolumbischen Indianern war der Sinn dieses Brauches, dem wir fast unseres ganzes Wissen über die Kulturen dieser Völker verdanken, offensichtlich nicht einheitlich. Schon bei der oberflächlichen Sichtung des Materials können die Grabbeigaben in verschiedenen Kategorien eingeteilt werden.

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109

Erstens handelt es sich um Gegenstände, die dem Verstorbenen gehörten und •derer man sich aus verschiedenen Gründen entledigen wollte, z. B. um Erbstreit auszuschließen, oder um die Rache des Toten zu bannen. Diese Objekte wurden oft, soweit sie nach den Vorstellungen der Überlebenden dem Toten auf der Reise ins Jenseits oder in seinem nächsten Leben nicht von Nutzen sein konnten, vor dem Begraben gründlich zerstört, oder wenigstens für Lebende unbrauchbar gemacht, gewissermaßen „getötet". In Panamá und Costa Rica geschah dies auch mit den Rangabzeichen der Häuptlinge und den sakralen Amuletten der Priester. Daneben gab es aber eine Menge Dinge, von denen man glaubte, daß sie den Verstorbenen ihre letzte Reise erleichtern könnten (z. B. Lebensmittel, Kochtöpfe, Jagd- und Kampfwaffen) und sie „drüben" in Stand setzen könnten, ihren irdischen Arbeiten und Vergnügungen nachzugehen (z. B. Webe- und Nähgeräte, Musikinstrumente, Schmucksachen). Von dieser Kategorie der Grabbeigaben sind die eigentlichen Totenopfer, die von den Angehörigen den Verstorbenen mit ins Grab gegeben wurden, streng zu scheiden. Neben persönlichen Opfern — Haare, Zähne, Blut — wurden Wertgegenstände aller Art, kostbare, ungebrauchte Keramiken und Schmucksachen mit der Leiche verbrannt oder begraben. Zweifellos hatten sehr viele dieser Opfer eine magische Bedeutung. Anthropo- und zoomorphe Figuren aus Stein und Ton ergänzten oder ersetzten Menschen- und Tieropfer, die die Einsamkeit des Grabes durchbrechen sollten, riefen Stammheroen, schützende Gottheiten und Totemtiere des Klans und des Individuums zur Hilfe herbei. Die Figuren von Trauernden, von Musikanten, Tänzern verewigten gleichsam die Feierlichkeiten der Beisetzung. Aber auch damit sind Reichtum und die große Verschiedenheit der Grabfunde nicht erschöpft. Die uterusförmigen Urnen mit den Köpfen der Totemtiere, die man besonders im Chorotegengebiet Costa Ricas findet, suggerieren die Intention zur Rückkehr des Toten in den Schoß des Stammes. Bei anderen Grabbeigaben scheint es sich um Botschaften der Überlebenden an überirdische Mächte gehandelt zu haben, mit denen der Tote in Kontakt kommen sollte. In der berühmten peruanischen Porträtkeramik konnte der Seele des Verstorbenen eine neue, unvergängliche Behausung angeboten werden. Vermutlich glaubte man auch, daß die Bilder von Lustbarkeiten (auch erotischer Art), von Tanz und Musik, von der Seele des Abgeschiedenen zum Leben erweckt werden konnten. Andrerseits dürften Krankheiten, Mißbildungen, Darstellungen' des mannigfaltigen menschlichen Elends „in effigie" mit den Toten begraben worden sein, um sie von den Überlebenden fern zu halten. Im Wesentlichen sind es zwei Grundvorstellungen, die dem indianischen Totendienst das Gepräge geben: der Glaube an ein Leben nach dem Tode — und der Glaube an eine Wiedergeburt, die nicht absolut mit einer Seelenwanderung verknüpft zu sein braucht, wenn auch vielfach bestimmte Totemtiere als Ubergangsformen bei der

H. FERIZ

110

Rematerialisation eine Rolle gespielt zu haben scheinen. Dies könnte eine Erklärung der Prävalenz zoomorpher Figuren in den mittelamerikanischen geben. — Selten fehlen Fruchtbarkeit

deutliche

Hinweise

und der Wiedergeburt

auf die Verbundenheit

zu neuem

Indianergräbern

des Todes

mit

der

Leben.

Man findet die Bilder junger Tiere, die Symbole des Wassers, des Lebens, der Zeugung und Empfängnis. Auch in der hier beschriebenen Sammlung ist dieses Element verschiedentlich angedeutet. Für die Musikinstrumente als Grabbeigaben bedarf es übrigens keiner weit hergeholten Erklärung. Die Jagd- und Signalpfeifen waren zweifellos das persönliche Eigentum des Toten. Vermutlich war dies auch der Fall bei den kleinen zoomorphen Okarinas, die Perforationen für das Trageband aufweisen und die zum Teil durch ihre Beziehungen zum tierischen „alter ego" oder dem Totemtier des Trägers Amulettcharakter gehabt haben können. Soweit die Blasinstrumente und die Tanzrasseln bei den Begräbnissen verwendet wurden, können sie als Totenopfer und als Amulette für die große Reise begraben worden sein. Bei den großen Blasinstrumenten in der Form von Tritonshörnern, denen zoomorphe Elemente angefügt sind, steht der sakrale Charakter fest. Man mag den Toten damit in Stand gesetzt haben wollen, eine Schutzgottheit herbeizurufen, zu beschwören, und ihre Opfer zu bringen oder feindliche Dämonen abzuschrecken.

LITERATUR MAC CURDY, G . G . : Chiriqui Antiquities. New Haven 1911. MAC CURDY, G . G. : Ipek 1927. I.

VAN GIFFEN-DUPOIS, G. E. H.: Einige Musikinstrumente aus dem Staat Colima, Mexico. Mitteil. Mus. f. Völkerkunde Hamburg XXV. 1959. HABERLAND, W . : Acta Humboldtiana 1959.

LINES, J. A. : Taxonomia de la Arqueologia de Costa Rica. San José 1938, 1954.

LOTHROP, S. K . : Mem. Peabody Mus. Vol. VII, V i l i , IX. Am. Antiquity 1955.

SACHS, C. : Geist und Werden der Musikinstrumente. Berlin 1929.

ALT-INDIANISCHE MUSIKINSTRUMENTE AUS MITTELAMERIKA

ANALYSE DER MUSIKALISCHEN

111

EIGENSCHAFTEN

von MARGUERITE FALK, A m s t e r d a m

Die mir von Herrn Dr. H. FERIZ zur Beurteilung der musikalischen Qualitäten vorgelegten kleinen Blasinstrumente aus Costa Rica wurden auf dem Wege des praktischen Blasens untersucht. Erinnert sei zunächst daran, daß diese Instrumente obertonarm sind. Beim Blasen ergab sich die Schwierigkeit, daß der Ton — vor allem der mehr rund geformten Okarinas — bei der kleinsten Veränderung des Atemstoßes erheblichen Schwankungen in der Höhe unterworfen war. Eine Tonerhöhung bis zum Umfange einer kleinen Terz wurde konstatiert, hierauf wird verwiesen werden. Der Leiter des Phonetischen Institutes der Universität Amsterdam, Herr Prof. MOL, sprach von einer „typisch kesselartigen" Form, die diese Eigenschaften hat. Bei den länglichen Instrumenten ist der Ton viel stabiler. Bezüglich des Mundstückes sei darauf aufmerksam gemacht, daß bei allen Instrumenten dieser Art dasselbe ein Teil des Ganzen ist, also nicht apart aufgesetzt wurde. Der Kernspalt befindet sich unmittelbar bei der Öffnung der Luftkammer. Bei der Bestimmung der Skala wird es am besten sein, sich auf die allgemein vorausgesetzte Pentatonik zu beziehen. Bei den hier zur Diskussion stehenden Instrumenten ergab sich durchweg eine Skala, die mit einem großen Intervall beginnt (1V2 Ton). In manchen Fällen ließ sich die Tonreihe durch veränderte Griffe noch erweitern. In diesem Zusammenhang sei ein Wort erwähnt von dem großen Kenner aller Instrumente, CURT SACHS, in „The history of musical instruments", New York 1940, pag. 167: „The series of notes available on an instrument does not necessarily represent its scale." Näheres über Tonhöhe, Skala, Griffe usw. möge man der nachfolgenden Tabelle entnehmen.

H. FERIZ

112 Tonumfang

Vermutliche Skala

Papagei mit zwei nach vorn gerichteten Köpfen. Leicht beschädigt 4 Grifflöcher

Sexte

ßs"a"h"cis'"d"

Papagei mit zwei voneinander abgewandten Köpfen. Mundstück mit eingesetztem Keil 4 Grifflöcher

Quinte

e"g"a"ais"h"

in der gleichen Weise

Abweichungen: . . o . fis" . oo . gis" Tonreihe: e"fis"gis " a " a i s " h "

Vogel auf Ei. Heller, schöner Ton 4 Grifflöcher

Sexte

g"b"c"'d"'es"'

wie oben

Siehe Bemerkung Abb. 4

Gürteltier beschädigt 4 Grifflöcher Dem Mundstück ist ein Keil eingefügt

Sexte

cis'"e"'fis"'gis"'a"

wie oben

Siehe Bemerkung bei Abb. 4

Schlange, zu einem Ringe gekrümmt Mundstück mit eingesetztem Keil Schöner, voller Ton 4 Grifflöcher

Sexte

cis"e"fis"gis"a"

wie oben

Abweichungen: Die rechts liegenden Grifflöcher, die ungefähr 1,5 mm näher zueinander liegen und sich im schmaleren Teile des Klangkörpers befinden, ergeben die folgenden Töne: . . . o dis" . . oo eis" Tonreihe: cis"dis"e"eis"fis" gis"a" Tonsteigerung: ca. 1V2 Ton

9

Jaguar 3 Grifflöcher

Quinte

a"c"'d"'e"'

wie oben

10

Groteskes Tier 2 Grifflöcher

Quarte

f"as"b"

wie oben

Abb. Beschreibung Nr.

Bemerkungen Griffe • geschlossen o offen fis" a" b" eis'" d'"

bei korrespondierenden Grifflöchern ergibt sich keine wesentliche Veränderung der Tonhöhe, Steigung des Tones bei stärkerem Anblasen ca. V, Ton

ALT-INDIANISCHE MUSIKINSTRUMENTE AUS MITTELAMERIKA 16

Lockpfeifchen 2 Grifflöcher Keine Öffnung der Luftsäcke

Sekunde

es""-f""

113

Bei geöffneten Grifflöchern erklingen die zwei Töne gleichzeitig. Das Mundstück ist geteilt, und zum Erklingen e i n e s Tones muß eines der Grifflöcher geschlossen werden

Zum Schlüsse ist hier noch ein Wort des Dankes an das Tropeninstitut, Amsterdam, und besonders a n Herrn JAAP KUNST t und seinen Assistenten BARON V. LAMSWEERDE f ü r ihre

Bereitwilligkeit am Platze.

LITERATUR

FONSECA, JULIO : Referencias sobre Música Costarricense, Estudios musicales I No. 3 pag. 75, 1950. YEOMANS, WILLIAM: The musical instruments of pre-columbian Central-America 1952, 54 vv. Proc. 30th Internat. Congress of Americ. HARCOURT, RAOUL D': L'ocarina á 5 sons dans l'Amérique préhispanique, Journal de la Sté. des Américanistes tome XXII, 1930. ID.: Sifflets et Ocarinas du Nicaragua et du Mexique, ibid. XXXIII, 1941. MARTI, SAMUEL: Precortesian Music, Ethnos 1954: 1—4. SACHS, CURT: The history of musical instruments, New York 1940. ID.: Geist und Werden der Musikinstrumente, Berlin 1919. BUCHNER, ALEXANDER: Musikinstrumente im Wandel der Zeiten, Prag 1956. IZIKOWITZ, K. G.: Musical and other sound instruments of the South American Indians, Göteborg 1935. Hier sei nodi die folgende Schallplatte erwähnt: Music before Columbus Vol. III, Charles Collingwood introduces André Emmerich Gallery.

8

Jahrbuch mus. Völkerkunde II

ZUR KOMPOSITIONSTECHNIK DER ARAPAHO BRUNO NETTL,

von Champaign, Illinois

Die technischen Mittel, die der Komponist eines Primitivstammes bewußt oder unbewußt verwendet, gehören zu den noch wenig untersuchten Kapiteln der Musikethnologie. Die vorliegende Notiz soll sich mit diesen Mitteln, also mit der Kompositionstechnik einiger Lieder der Arapaho-Indianer beschäftigen. Es handelt sich hier nicht um eine statistische Stilanalyse, deren es an die Hunderte gibt; es sollen nicht solche musikalische Eigenschaften, die alle oder gewisse Gruppen von Liedern eines Stammes kennzeichnen, besprochen werden, sondern diejenigen, durch welche einzelne Lieder ihre charakteristischen Merkmale bekommen, die aber doch in die allgemeine Musikstruktur des Stammes passen. Mit anderen Worten, das, was das einzelne Lied nicht mit den andern gemeinsam hat, soll hier kurz untersucht werden, im Gegensatz zu der im weiten Sinne statistischen Feststellung über allgemein verwendete Stilmerkmale, wie sie bisher den Hauptteil der musikethnologischen Literatur bilden. Uber die persönliche Einstellung des Komponisten zu seinen Liedern kann generell und auch bei diesen Beispielen kaum etwas gesagt werden. Der Musikethnologe ist hier wohl noch etwa in der Lage des Musikhistorikers, der sich mit dem europäischen Mittelalter beschäftigt. Um die Kompositionspsychologie der Primitivstämme zu erforschen, muß man fast ausschließlich von der Komposition selbst und von den Tätigkeiten, welche die Musik begleitet, ausgehen. In den hier angeführten Beispielen soll gezeigt werden, daß in einer für den Durchschnitt typischen Stilart, deren Lieder einander ähnlich genug sind, um die Beschreibung eines Stammesstils zu ermöglichen, doch erhebliche Unterschiede zwischen den Liedern erscheinen. Nach diesen Erwägungen ist eine Unterscheidung zwischen allgemein gültigen und an einzelne Kompositionen gebundenen musikalischen Erfindungen oder Einfällen gerechtfertigt. Daß gewisse von diesen Einfällen von den kulturellen und ethnischen Umständen geprägt sind, aus denen die primitive Musik wächst, ist selbstverständlich; ebenso auch, daß manche der technischen Mittel geographisch beschränkte Verbreitung haben, z. B. das Transponieren (NETTL, in Ethnomusicology 1958, 2, S. 56—65). Dennoch zeigt die Beschäftigung mit einzelnen einfachen Liedern gewisse

ZUR KOMPOSITIONSTECHNIK DER ARAPAHO

115

kompositorische Mittel, durch die der Schöpfer eines Liedes, vermutlich unbewußt, ein Kunstwerk verfaßt, welches, wenn es auch in den Stammesstil eingegliedert ist, sich auf verschiedene Weisen hervorhebt. Vielleicht ist aus derartiger Untersuchung eine Grundlage für kritische Betrachtung der exotischen Musik zu finden. Der Stil der Arapaho ist in Musical Quarterly (1955, 41, S. 325—331) kurz beschrieben. Er ist vielleicht der typischste der „Plains"-Stilarten in Nordamerika und ist geographisch, zusammen mit dem der Dakota, der zentral gelegenste dieses Stilgebiets. Er ist durch Terassenmelodik, angespannte Stimmtechnik, ungleichmäßigen Rhythmus, eine Doppelstruktur, in der der zweite Teil der Strophe eine gekürzte Variation des ersten ist, und großen Umfang mit beschränkten Skalen gekennzeichnet. Die Lieder der Arapaho sind einander relativ ähnlich, doch nicht so sehr, daß stilistische Unterschiede zwischen Liedgattungen ausgeschlossen sind. So beginnen die Lieder des Hasentanzes meist mit absteigender Quarte, die Sonnentanzlieder haben größeren Umfang als andere, die Wolfstanzlieder haben eine Pause vor der Schlußphrase. Vier Arapaholieder sollen hier kurz besprochen werden. In jedem wird die Struktur durch ein oder mehrere nicht allgemein verwendete Kompositionsmittel bestimmt; trotzdem bilden sie keine Ausnahmen zum Archetypus des Stils.

Beispiel

1.

Neues Tanzlied, meist von älteren Leuten gesungen

¿ f r he

f r yo

he

r

Ji r

r

r

yo

he

yoetc.he

ya

he

te tey

ka

J = 180

J-^jU ya

he

yo etc.

Trommel

Heh nee hii

he ne woo ne heit teh cii ciixootee?Ciihe heit

(S he

ye

hey

ey

hey

ey

Text erscheint nur bei der Wiederholung. 8"

"

1 hey

ey

hey

e

S i

BRUNO NETTL

116

Beispiel 1 tendiert zur isorhythmischen Struktur, obwohl diese nicht vollkommen ausgeführt ist und am Schluß des Liedes überhaupt unter dem Drude der üblichen Verlangsamung und Ausdehnung verschwindet. Charakteristisch ist die melodische Gestaltung, die am Anfang und am Schluß kleine Intervalle verwendet, in der Mitte aber größere vorzieht. Trotz dieser Verschiebung der melodischen Struktur kehrt die Gestalt des ersten Taktes im dritten und in veränderter Form im fünften Takt wieder. Dieses Motiv und die isorhythmische Struktur halten das Lied als künstlerische Einheit zusammen. Auch ist die einheitliche Länge der Takte, die am Schluß allmählich vergrößert wird, eine in diesem Beispiele hervortretende Erscheinung. Der Text bedeutet: „Es ist wirklich gut, jung zu sein, denn das Alter ist nicht weit entfernt." Beispiel

2.

Spiellied

J = 160

Die Form und Melodik des zweiten Beispiels entsprechen auch dem Stil der Arapaho, dennoch sind sie in besonderer Weise geprägt. Daß dieses Lied zu der Gattung Spiellieder gehört, erklärt vielleicht seine Einfachheit, denn die Spiellieder dieses Stammes sind oft noch einfacher und melodisch ärmer als unser Beispiel. Die Wiederholung des ersten Teils eine Oktave tiefer am Schluß ist bemerkenswert, die Entwicklung des Quartmotivs, das den Schluß des „Hauptthemas" bildet, ist im Mittelteil des Liedes eine ungewöhnliche Erscheinung. Die Symmetrie der Skala im Mittelteil, wodurch der Mittelton C pendelartig von G und F umgeben ist, wirkt interessant, denn sie widerspricht der sonst vorhandenen Terrassenmelodik. Schließlich ist der Übergang von kleinen zu großen Intervallen und am Schluß die Rückkehr zu kleineren eine besondere Kompositionstechnik, die sonst einheitlich verwendete Skala zu differenzieren. Auch ist die Folge von graduell länger werdenden metrischen Einheiten bemerkenswert: der Anfang mit 4U, s k und i Is im Gegensatz zu dem einheitlicheren 3 / 2 -Takt des Mittelteils. Überhaupt ist der Unterschied zwischen Anfang und Schluß einerseits und Mittelteil andererseits derartig, daß eine Interpretation als dreiteilige Form, oder wegen der Entwicklung des Quartmotivs im Mittelteil, als Miniatur-Sonate möglich ist, trotz der nur geringen Abweichung vom allgemeinen Formtypus der Prairien.

ZUR KOMPOSITIONSTECHNIK DER ARAPAHO Beispiel

W

fk

he

3.

Kriegslied

J = 200

ye he ye he

ye ha ya he

he ya ha ye ya he ye ya ha yey

J-J.

>

ye ye

ya he

ne

nöo

117

ha

—-

-

' — -

ha ho ya ha ya ho he yo he yo ho

ya he ya he he yo u/ o u a

r

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kun

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J

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J ! J

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ho +

yo

ho

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ha cee be nii nert

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J ^ . J J i J he

'

he

+

nit

+

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J

yo

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nih

+Jtt

yo

Im Gegensatz zu dem vorigen hat auch das dritte Beispiel einen echten Text, der vermutlich aus den letzten vier Jahrzehnten stammt, aber vielleicht nur eine Variante eines alten Kriegerliedes ist. Diese Version aber ist nach dem ersten Weltkrieg erstanden und stellt das Erlebnis eines Indianersoldaten dar: Den deutschen Offizier (ceebinii-Germany), als er mich noch suchte, drehte ich ihn im Kreise. Die Form des Liedes ist typisch; zuerst bedeutungslose Silben, in der Variation der Text selbst. Der Textteil unterscheidet sich hier vom textlosen Anfang durch seinen ^ - R h y t h m u s , in dem die im ersten Teil betonten Viertelnoten verlängert werden. Ein eventueller Grund für diese Verschiebung ist die Berücksichtigung der langen Silben (durch Doppelvokale gekennzeichnet), die meist auch auf längere Noten fallen. Die hoch gesprochenen Silben (mit Akzent gezeichnet) werden anderseits nicht berücksichtigt. Bemerkenswert ist auch das wiederholte a—g—e-Motiv und die Tendenz, im ersten Teil größere Intervalle zu verwenden als im zweiten, was vielleicht auch durch die Erscheinung des Textes im zweiten erklärt werden darf.

Das vierte Beispiel zeigt den Prairiestil in höchst vereinfachter Weise, mit einteiliger Form und dreistufiger Skala. Die gesteigerte melodische Bewegung in der Mitte und die variierte und transponierte Wiederholung zeigen wiederum eine Tendenz zur ABA-Form. Die vier Viertelnoten auf G am Schluß jedes Teils betonen

BRUNO NETTL

118

die Zusammengehörigkeit der Halbstrophen. Dementsprechend ist auch die Metrik eine Ausnahme, denn sie tendiert von längeren zu kürzeren Einheiten überzugehen, oder jedenfalls nicht die Schlußverlängerungsregel zu berücksichtigen. Die Formen und Skalen der Arapaho sind allgemein weniger in den einzelnen Liedern verschieden als die melodischen Formeln und der Rhythmus, und sie werden daher vermutlich mehr zum Ausbauen des einzelnen Liedcharakters verwendet. Daß dieses Verhältnis bei andern Völkern verschieden erscheinen kann, ist naheliegend. Ferner sind genaue Feststellungen über die Frage der Einzelkomposition im Rahmen des Stils eines Stammes von der Entwicklung von Maßstäben für den Grad der Einheitlichkeit und des Unterschiedes in der Musik abhängig. Trotz des Mangels solcher Möglichkeiten genauerer Messungen ist die Untersuchung der Einzelkomposition eine wertvolle Aufgabe.

DIE V O L K S L I E D F O R S C H U N G IN ITALIEN* von ERNST HILMAR, K a s s e l

Als kurze Darstellung der wichtigsten Sammlungen, Monographien und anderer wissenschaftlicher Beiträge ist dieser Bericht über die frühere und jüngere Forschung im italienischen Raum gedacht. Unter dem Einfluß der deutschen Romantik erwachte auch das Interesse am italienischen Volkslied. Die erste Sammlung der canti popolari italiani, die venezianische, neapolitanische und sizilianische Lieder enthält und 1829 unter dem Titel „Egeria" erschien, stammt von W I L H E L M M Ü L L E R und B. W O L F F 1 . Die Anregung von deutscher Seite hatte bald eine rege Sammeltätigkeit auf italienischem Boden zur Folge, bei der jedoch meistenteils die Aufzeichnung von Melodien unterblieb. NICCOLÒ TOMMASEO sammelte u. a. in der Toskana und Korsika 2 , GIUSEPPE T I G R I und GIOVANNI GIANNINI in der Toskana 3 , LEONARDO V Ì G O , SALOMONE-MARINO, GIUSEPPE P I T R È in Sizilien 4 , ANTONIO IVE in Istrien 5 , GIUSEPPE DOMENICO BERNONI in Venetien 6 , SABATINI-PARISOTTI, LUIGI ZANAZZO in Lazio 7 , GENNARO FINAMORE in den Abruzzi 8 , COSTANTINO N I G R A in Piemonte 9 , M A R I O C H I N I in Umbria 10 , RAFFAELE LOMBARDI-SATRIANI in Calabria 11 u. a. m. Grundlegend blieben die Arbeiten von A . D ' A N C O N A „La poesia popolare italiana. Studi" 12 und E . R U B I E R I „Storia della poesia popolare italiana" 13 . Wie die meisten obgenannten haben auch

D'ANCONA

und

RUBIERI

den musi-

kalischen Teil entweder unberücksichtigt gelassen oder ohne Sorgfalt behandelt. Vor allem fehlte es an genauen Übertragungen und skrupulösen Untersuchungen der mündlich überlieferten Weisen, und deren Auswertung auch unter Heranziehung alter Handschriften und Drucke, die allerdings eine Sichtung der archivalischen Bestände erfordert hätte. Diese Sichtung ist aber auch heute noch lange nicht erreicht und vielerorts nicht einmal begonnen. Nach 1918 steigt die Zahl der Publikationen, aber der Wert der Arbeiten ist sehr unterschiedlich. Zur allgemeinen Information über die Überlieferungen wurden die Schriften von

GIUSEPPE

COCCHIARA

„Folklore" 14 und

RAFFAELE

CORSO

„Folklore,

Storia, obietto, metodo, bibliografìa" 15 wichtig. Man fand endlich die melodiegeschicht-

ERNST HILMAR

120

liehen Studien vernachlässigt und bemühte sich nun, auf den musikalischen Teil das Augenmerk zu richten. Die Philologen taten den ersten Schritt und zogen Musikwissenschaftler zur Mitarbeit heran. Allen voran stand MICHELE B A R B I , dessen Essay „Poesia e musica popolare", in Verbindung mit dem III. Congresso Nazionale di Arti e Tradizioni popolari 16 geschrieben, 1934 erschien, und worin erstmals die Verbindung von Melodie-und Textforschung gefordert wurde. Barbi hat damit der Forschung der letzten zwanzig Jahre die Wege angezeigt. Deutlich wird auf die Initiative und auf die Arbeiten von GIULIO FARA und FRANCESCO BALILLA PRATELLA hingewiesen, die diesem Forschungszweig bedeutende Impulse lieferten. FARA17 steckt jedoch nocit ganz in frühromantischen Auffassungen. Er führt den neuen Terminus „Etnofonia" ein, worunter er das im Volk lebende Lied als primitive musikalische Äußerung der grundlegenden Gefühle Freude und Schmerz versteht. Mit etno hat das noch wenig zu tun. Deshalb müssen sich in Melodik, Rhythmus, Harmonik alle rassischen, sprachlichen und brauchgebundenen Merkmale widerspiegeln. „Wellenbewegte, horizontale (ebene) und bergige" Melodien gehören entsprechend der Symboldeutung einem bestimmten Raum an, und einen besonderen Einfluß übt auf das Melodiebild die „temperatura". Die Studien von PRATELLA13 sind sehr wertvoll, insbesondere seine „Appendice di musiche popolari vocali di tutte le regioni d'Italia" 1 9 . PRATELLA hat die Melodien mit allen Varianten sorgfältig übertragen und melodiegeschichtliche und vergleichende Untersuchungen begonnen. Die etnofonia läßt ihn allerdings auch noch nicht los. (Erst in den letzten Jahren tritt an ihre Stelle die „etnomusicologia".) 1941 erscheint PAOLO TOSCHIS

„Guida allo studio delle tradizioni popolari" 2 0 , worin die zu erfor-

schenden Teilgebiete und ihre Probleme behandelt werden. In der Nachkriegszeit gibt der Corso sulla musica popolare an der Accademia Nazionale S. Cecilia in Rom dem Forschungszweig eine neue Richtung. Auf Vorschlag von TOSCHI wurde der verdienstvolle GIORGIO NATALETTI 2 1 damit betraut, der 1948 auch die Errichtung eines Centro Nazionale per lo studio di musica popolare maßgeblich bewirkte. Der Centro stellte sich als Aufgabe die direkte Aufnahme von Volkslied und Volksmusik in allen Gebieten Italiens, wobei ihm alle modernen technischen Mittel des Rundfunks (RAI), dessen Unterstützung er gewann 23 , zur Verfügung gestellt werden sollten. Darüber hinaus befaßte er sich mit der Katalogisierung und veranlaßte Studien am gesammelten Material. Ein Ergebnis der Kompilation zeigt der erste Band „Studi e ricerche del Centro nazionale di Musica popolare dal 1948 al i 9 6 0 " 2 3 . Unabhängig vom Centro ist von früheren Arbeiten im besonderen die von CESARE CARAVAGLIO

„II folklore musicale in Italia" 2 4 erwähnenswert, die ein weites

historisches Gebiet erfaßt und auch Fragen zur Theorie einbezieht. Nach wissenschaftlichen Kriterien behandelt und auch in einer grundlegenden Studie erläutert

DIE VOLKSLIEDFORSCHUNG

IN

ITALIEN

121

ist die kritische Ausgabe „Corpus delle musiche popolari siciliane di Alberto Favara" 25 von

die gleichsam, wenn auch unabhängig davon entstanden, das

OTTAVIO T I B Y ,

Gegenstück zu „Corpus musicae popularis ungaricae" (edited by ZOLTAN K O D I L Y .

von

B . BARTÖK.

Budapest

Bratislava

1 9 5 1 F.) 1959)

B E L A BARTÖK



und „Slowakische Volkslieder" (aufgez. und syst,

bildet.

TIBY

selbst hat die einführende Monographie

geschrieben, wobei er u. a. zu der Erkenntnis kommt: „II piü caratteristico canto siciliano popolare e fondato sulla sensazione modale e non sulla tonale" 26 . Aus der Schule

kommen

BARBIS

G I U S E P P E COCCHIARA

Auch auf

TOSCHIS

SANTOLI, B R O N Z I N I 2 7 U.

Arbeit „Fenomenologia del canto popolare" 29 soll hingewiesen

werden. Musikhistoriker wie ALALEONA

und

a. Einen wertvollen Beitrag leistete

mit dem Band „L'anima del popolo italiano nei suoi canti" 28 . ALFREDO BONACCORSI, FAUSTO TORREFRANCA, DOMENICO

FEDERICO G H I S I 3 0

erwarben sich gleichfalls Verdienste um das italie-

nische Volkslied. In den letzten Jahren haben sich verschiedene Strömungen breit gemacht, die wie beispielsweise

D I E G O CARPITELLA 3 1

den historisch-philologischen Aspekt zurückstellen

und soziologische Momente einführen.

ROBERTO L E Y D I 3 2

spricht von „Schichtenlehre"

und findet Primitivismen im italienischen Volksgesang. Doch die Volksliedforschung steht vor anderen Aufgaben, die nicht nur diese Strömung zusammenfassen, sondern unter dem Gesichtspunkt der gegenseitigen Verständigung zwischen Etnomusikologen, Musikhistorikern, Volkskundlern und Philologen, eine noch vielerorts anzutreffende terra incognita erschließen mögen. In dem Aufsatz „Poesia e musica nel canto popolare italiano" 33 hat P.

TOSCHI

versucht, die wichtigsten Aufgabenpunkte

dieses Forschungszweiges vorzulegen. Von den (über 10 000) Tonaufnahmen, die der Centro bewahrt, fehlen die detaillierten kritischen Untersuchungen nach räumlichen und chronologischen Gesichtspunkten. Jeweils an Ort und Stelle muß mit Hilfe eines Bandgerätes oder Phonophotos die Sammeltätigkeit weitergetrieben werden. Quellenforschung und Übertragungen von Melodien aus alten Handschriften und Drucken in moderne Notation, denen natürlich die bereits eingangs erwähnte Bestandsaufnahme in den an Material reichen Archiven vorangehen muß, sollen auf breiter Basis aufgenommen werden, um zur Erhellung der Frühgeschichte beizutragen. Dies in Kürze die Hauptpunkte. Man spürt das Bemühen, die Studien auf breiterer Basis zu fördern, aber den Nachwuchssorgen ist mangels einer musikwissenschaftlichen Disziplin an den Universitäten kaum entgegenzuwirken. Die Quellenforschung in der italienischen Überlieferung muß zu der Erkenntnis führen, daß zu einem im deutschen Raum verbreiteten Liedgut sich oftmals Parallelen finden lassen, die insbesondere Rückschlüsse auf Alter und Umsingeprozeß zulassen und eine Vielfalt der zurückliegenden Erscheinungsformen aufschlüsseln.34

122

ERNST HILMAR ANMERKUNGEN

* Der vorliegende Bericht wurde bei der Tagung für Volksmusikforschung in Köln, Februar 1964, vorgetragen. 1 Egeria, Slg. ital. Volkslieder, aus mündlicher Überlieferung und fliegenden Blättern (begonnen von W I L H . M Ü L L E R , vollendet von O. L. B. W O L F F ) . Leipzig 1829. 2 Canti popolari toscani, corsi, illirici e greci. 4 voli. Venezia 1841—42. 3 G. T I G R I , Canti popolari toscani. 3 a ed. Firenze 1869; Giov. G I A N N I N I , Canti popolari della montagna lucchese. Torino 1889; ders., Canti popolari toscani. 2 a ed. Firenze 1921. 4 L. V I G O , Raccolta amplissima di canti popolari siciliani. Catania 1870—74; S . S A L O M O N E M., Canti popolari siciliani in aggiunta a quelli del Vigo. Palermo 1867; G. PITRÈ, Canti popolari siciliani, 2 voli. Palermo 1897 (2 a ed.). 5 Canti popolari istriani. Torino 1872. s Nuovi canti popolari veneziani. Venezia 1874. 7 S A B A T I N I - P A R I S O T T I , Saggio di canzoni e melodie popolari romani. Roma 1 8 7 8 ; L. Z A N A Z Z O , Canti popolari romani, con un saggio dei canti del Lazio. Con note musicali di Al. P A R I S O T T I . Torino 1 9 1 0 . 8 Tradizioni popolari abruzzesi raccolte da G. F. Vol. II. Canti. Lanciano 1886. 9 Canti popolari del Piemonte. Torino 1888. 1 0 Canti popolari umbri. Todi 1917. 1 1 Canti popolari calabresi, 6 voli. Napoli 1928—40. 1 2 Livorno 1878. 1 3 Firenze 1877. 1 4 Milano 1927. 1 5 Roma 1923. 1 6 Trento 1934. Vgl. Atti del III. Congresso Naz. . . . A cura del Comitato Nazionale italiano per le Arti popolari. Roma 1 9 3 6 . B A R B I S Essay erschien in : Pan I I I . Firenze 1 9 3 4 , fase. 1 , p. 4 1 — 5 5 . 17

18

G. FARA, Studi comparati di etnofonia. In: La cultura musicale. Torino 1912, p. 22 e 81; ders., L'anima musicale d'Italia; la canzone del popolo. Roma 1912; ders., Appunti di etnofonia comparata. In: Rivista musicala italiana. Torino 1922, p. 277 ss.; ders., Studi comparati su strumenti musicali etnici. In: Musica d'oggi. Milano 1922, fase. 7, p. 193 ss.; ders.. La musica etnica frutto di sensibilità collettiva o individuale. In: Folklore VIII, 1923, fase. 3, p. 106; ders., Musica del popolo e popolare. Materiale e ricerche. In: Musica d'oggi, Milano 1936, fase. 6, p. 193 ss. e fase. 7, p. 238 ss.; ders., Genesi e prime forme della polifonia. In : Revista musicale italiana 27. Torino 1936, p. 343—530 ; ders., Etnofonia e civiltà mediterranea. In: Atti del IV. Congr. Naz. . . . Roma 1942, vol. I, p. 1 0 6 ss. F. B. P R A T E L L A , Saggio di gridi, canzoni, cori e danze del popolo italiano. Bologna 1919; ders., Proposte per lo studio della musica popolare in Italia. In: Rivista di Politica e Letteratura, Roma 1929; ders., Variazioni ed evoluzione della poesia e della musica popolare. In: Musica d'oggi, Milano 1931, fase. 12, p. 498 ss.; ders., I generi della musica popolare italiana. In: Rassegna dorica, Roma 1931, fase. 2; ders., Necessità di collaborare. Per la storia critica della Musica Popolare. In : Lares, Firenze 1933, p. 3 ; ders., Primo assunto intorno alla canzone della donna lombarda; con appunti sulla donna lombarda di P. TOSCHI. Per la storia critica della Musica del Popolo. In: Lares, Firenze 1935, p. 9; ders., Etnofonia di Romagna. Udine 1938; ders., Primo documentario per la storia dell etnografia in Italia, 2 voli. Udine 1941 (Genaue UriJ .rsuchung der Sammlung von CNIAP, vorangegangen von einer sorgfältigen Bibliographie. Die Documenti wurden bereits früher von G. N A T A L E T T I und F. L I U Z Z I untersucht: Dalla raccolta dei canti popolari a cura della comissione tecnica del CNIAP in : Atti del III. Congresso Naz. Roma 1936) ; ders., Saggi di comparazione etnofonica. Roma 1943.

DIE VOLKSLIEDFORSCHUNG IN ITALIEN 19

20

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23 24 25

26 27

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32 33 34

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Appendice di musiche popolari vocali di tutte le regioni d'Italia, compilata e commentata da F. B. P. Per il volume L'anima del popolo italiano nei suoi canti di G. C O C C H I A R A . Milano 1929. Roma 1 9 4 1 (Abschnitte: Volksdichtung, Musik, Tanz, Volksschauspiel). G . N A T A L E T T I , L'anima musicale della Patria. Tunisi 1933; ders., La musica a spirale (Discografia dei canti popolari italiani). In: Q U A D R I V I O , Roma 1 9 3 3 ; ders., Improvvisatori ed improvvisazioni del popolo. In: Musica d'oggi, Milano 1935, fase. 8—9; ders., II folklore musicale in Italia dal 1 9 1 8 al oggi. Saggio bibliografico a cura di G . N . B A S I L E A 1 9 4 8 . vide: Attività del Centro Nazionale studi di musica popolare dell'Accademia Nazionale di S. Cecilia e della RAI, Radiotelevisione Italiana. Roma 1960. Roma 1960 (Acc. di S. Cec. e RAI). Napoli 1936 (Die Bibliographie ist mit Vorsicht zu verwenden). A. F A VARA, Corpus di musiche popolari siciliane. A cura di O T T A V I O T I B Y . 2 voli. Palermo 1957 (Accademia di scienze lettere e arti di Palermo. Supplemento agli atti N. 4). idem, Voi. I, p. 23. V I T T O R I O S A N T O L I , I canti popolari italiani. Firenze 1940. ders., Cinque canti popolari della Raccolta Barbi. In: Annali della R. Scuola normale superiore di Pisa. Voli. VII, 1934, fase. 2—3, pp. 109—93; Giov. B . B R O N Z I N I , La canzone epicolirica nell'Italia centromeridionale. Voi. I, Roma 1956, Voi. II, Roma 1961. Milano 1929. Vedi: PRATELLA. Roma 1947—51. A. B O N A C C O R S I , Incontro fra musica popolare e musica d'arte. In: Lares, Firenze 1938, p. 202 ss.; ders., La musica popolare. Firenze 1943; ders.. Il folklore musicale in Toscana. Firenze 1956 (Biblioteca di Lares); Torrefranca-Alaleona, Il segreto del Quattrocento. Milano 1939; F. GHISI, Strambotti e laudi nel travestimento spirituale della poesia musicale del Quattrocento. In: CoIIectanea Historiae Musicae, Firenze 1953, pp. 44—78; ders., Le fonti musicali in Piemonte di alcuni canti narrativi popolari. In: Lares, Firenze 1958, pp. 230—236. Prospettive e problemi nuovi degli studi di musica popolare in Italia. In: Lares, Firenze 1956, pp. 175—178. Musica popolare e musica primitiva. Torino 1959. In: Lares, Firenze 1961, fase. 3—4. Vom Verfasser in Vorbereitung : „Marias Wanderung", Monographisdie Darstellung.

BUCH- UND SCHALLPLATTENBESPRECHUNGEN Jahrbuch für Volksliedforschung, herausgegeben vom Deutschen Volksliedarchiv,. 9. Jahrgang. Walter de Gruyter & Co., Berlin 1964. Nach einer Pause von 13 Jahren erschien nun wieder ein Band des Jahrbuchs für Volksliedforschung, einer Schriftenreihe, die wesentlich an der Entwicklung dieses Forschungszweiges mitgewirkt hat und in ihrer Vielseitigkeit wie ihrer Sorgfalt in der Wahl der Themen und Mitarbeiter zum verpflichtenden Vorbild auch für dieses Jahrbuch wurde. Dieser 9. Band ist als Festschrift zum 75. Geburtstag Erich Seemann gewidmet, der über vier Jahrzehnte hier dem Freiburger Volksliedarchiv als Mitarbeiter und nach dessen Tod 1953 auch als Nachfolger John Meiers verbunden war. Als Herausgeber zeichnet Rolf Wilh. Brednich, der auch das umfangreiche Schriftenverzeichnis Seemanns beigesteuert hat. Zehn Aufsätze sind hier als Huldigungen für den Jubilar verfaßt, von denen acht ihr Thema aus dem Bereich des deutschen Volksliedes beziehen, denn auch einige ausländische Kollegen haben Beiträge zur deutschen Volksliedforschung beigesteuert. Außerdeutsche Themen behandeln B. H. Bronson (Folk Songs in the United States), A. Taylor (The Parallels between Ballads and Tales) und E. Dal (Ahasverus in Dänemark). Auslandsdeutsche Volksmusiküberlieferungen wurden von Z. Kumer (Das Gottscheer Volkslied vom warnenden Vogel und seine slowenische Vorlage) und L. Vargyas (Zur Verbreitung deutscher Balladen und Erzähllieder in Ungarn) beschrieben. J. Müller-Blattau gibt einen Abschlußbericht über seine Fortsetzungen zu Pincks „Verklingende Weisen" und vergleicht die lothringischen mit Pfälzer Varianten. L. Schmidt berichtet über Flugblattlieder aus Wels in Oberösterreich und W. Heiske untersucht den Bestand deutscher Volkslieder in jiddischem Sprachgewand. W. Suppan hat eine sehr beachtliche Studie über „Die Beachtung von .Original' und ,Singmanier' im deutschsprachigen Volkslied" beigesteuert, die die moderne Arbeitsweise der vergleichenden Volksmusikforschung an einigen interessanten Beispielen sichtbar macht. Eine weitere Studie dieser Art ist der umfangreiche Variantenvergleich von R. W. Brednich zur Legende vom Elternmörder. Gerade die internationale Beteiligung an dieser Festschrift — von den 12 Autoren sind 7 Ausländer — gibt einen Einblick in die Vielfalt der Aufgabenstellungen und der Arbeitsweisen dieses Forschungsgebietes. Daß diese Vielfalt auch eine Ungleichheit der Allgemeingültigkeit und der Verwertbarkeit bedingt — um nicht zu sagen der Qualität, denn jede Methode hat ihre Vorzüge und Nachteile — versteht sich dabei von selbst. So ist diese Festschrift zugleich ein interessanter Uberblick über den derzeitigen Stand der Forschung in Deutschland und im Ausland. Fritz Bose MANTLE HOOD

„Music the unknown", in „Musicology" Englewood Cliffs, New Jersey 1963 (Prentice-Hall) XII, 337 S. Hood's Aufsatz ist einer der 3 Beiträge, die dieses Buch bilden. (Die beiden anderen von Frank LI. Harrison über „American Musicology and European Tradition" und von

BUCH- UND SCHALLPLATTENBESPRECHUNGEN

125

•Claude V. Palisca über „American Scholarship in Western Music" können hier nicht diskutiert werden.) Die „unbekannte Musik" ist für Mantle Hood die nicht-westliche, und sein Aufsatz wendet sich an den mit dieser Musik nicht vertrauten Leser, also weniger an den Musikethnologen; so ist auch der Maßstab, der an diese Schrift gelegt werden muß, nicht derselbe, mit dem wir Publikationen messen, die sich an die Wissenschaftler und Fachwelt wenden. Daß man dennoch ausgesprochene Irrtümer und Verallgemeinerungen auch bei einer für Laien bestimmten Schrift nicht zulassen kann, ist wohl selbstverständlich. So ist im 1. Kapitel, das einen Uberblick über die Entwicklung des Fachgebietes seit Rousseaus „Dictionaire de musique" (1768) und Solvyns „Les Hindous" bis auf die Gegenwart gibt, wohl die Darstellung der ersten Anfänge der Beschäftigung europäischer und später auch amerikanischer Gelehrter mit der nicht-abendländischen Musik ausgezeichnet, aber bei der weiteren und besonders der jüngsten Entwicklung der Musikethnologie wird nur der amerikanische Anteil gebührend gewürdigt, der Anteil europäischer Forscher aber gänzlich verschwiegen. Auch und gerade, wenn es dem Autor nur darum geht, die historische Entwicklung der Methoden und Forschungsrichtungen zu umreißen, ist es unverständlich, warum er an den grundlegenden methodischen Arbeiten aus dem Europa der letzten Jahrzehnte vorübergeht und den Wandel in der Zielsetzung und Arbeitsweise, die Hinwendung zur Ethnologie und die Neuorientierung zur Musikgeschichtsforschung ignoriert. Im 2. Kapitel behandelt er unter dem Titel „in terms of itself" die Möglichkeiten, Musik exotischer Völker dem abendländischen Publikum zugänglich zu machen, zunächst durch Schallaufnahmen, dann durch die Notierung in unserer Notenschrift, die er für nicht ausreichend ansieht und durch phonophotographische Methoden ersetzt sehen möchte, wie sie Metfessel und Seeger in den USA entwickelt haben, wie sie ähnlich aber auch in Europa existieren — einen Beitrag hierzu findet man in dem Aufsatz von Graf in diesem Band. Gewiß trifft es zu, daß viele der klangstilistischen Besonderheiten der außereuropäischen Musik und manche Techniken des instrumentalen wie vokalen Vortrages nicht oder nur andeutungsweise durch unsere Notation festzuhalten sind — es fragt sich aber, ob die nicht auf diese Weise fixierbaren Elemente so unerläßlich bedeutsam sind, daß ein Verzicht auf ihre Wiedergabe in einer Niederschrift diese wertlos machen würde. Für viele, ja die meisten Untersuchungen dürfte die bisherige Notierungsform völlig ausreichen. Was sie nicht wiederzugeben vermag, Klang- und Vortragsstil, kann ja dem Klangbild der Aufnahme selbst entnommen werden. Nur solche Untersuchungen, die speziell dieses Phänomen zum Gegenstand haben, benötigen eine Schallanalyse nach einer phonophotographischen Aufzeichnung. Großes Gewicht legt Hood auch auf das von ihm exerzierte Verfahren, westliche Studenten in die nicht-westliche Musik dadurch einzuführen, daß er sie solche Musik aufführen läßt. Das ist sicher eine vorzügliche Schulung, aber es ist wohl stets ein Kompromiß zwischen dem angestrebten Vorbild und dem Erreichbaren, denn abgesehen von dem Handicap der Erziehung und Gewöhnung an die abendländische Musik und Musizierpraxis fehlt solcher Interpretation doch die Voraussetzung der geistigen und materiellen Umwelt, aus der solche Musik nicht ohne Gefahr einer tiefgreifenden Verfälschung herausgelöst werden kann. Mit diesem Problem befaßt sich Hood u. a. im 3. Kapitel „Within the Context", das auch die Stellung der Musikethnologie zwischen der völkerkundlichen, auf die Musik als Produkt des menschlichen Verhaltens in und zu der soziologischen Umwelt ausgerichteten Betrachtungsweise und der musikologischen, auf die musikalische Substanz, Melodie, Rhythmus, Tonalität hinzielende betrachtet. Als reine musikethnologische Betrachtungsrichtung erkennt Hood noch eine dritte, die den „wahren Wert einzelner Musikstücke im Hinblick auf die Welt der Musik" zu erkennen sucht (!). Im 4. Kapitel untersucht Hood die Musik als Kommunikationsmittel für die Gesellschaft, in der sie lebt, wie für den

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BUCH- UND SCHALLPLATTENBESPRECHUNGEN

Fremden. Er schließt mit dem Vorschlag eines „Center for World Arts" und leitet so in das Schlußkapitel „Throughout the World" über, das die Rolle der Musik in den zwischenkulturellen Beziehungen, die Unterschiede der Bedeutung der Musik in den verschiedenen Völkern und die verschiedene Bewertung in der westlichen und in außereuropäischen Gesellschaftssystemen behandelt. Fritz Bose HEINRICH BESSEIER / M A X SCHNEIDER ( H g . )

Musikgeschichte in Bildern. Band II: Musik des Altertums, Lieferung 1 : Hans Hickmann, Ägypten.

Leipzig, VEB Deutscher Verlag für Musik, 1961. 187 S.,

121 Bildtafeln, 1 Karte, 1 Notenbeispiel. Die bereits seit drei Jahren vorliegende erste Lieferung der geplanten mehrbändigen, von Heinrich Besseler und Max Schneider herausgegebenen Musikgeschichte in Bildern, ist der Band „Ägypten" von Hans Hickmann. Das Gesamtwerk wird nach der Fertigstellung, die wahrscheinlich über ein Jahrzehnt dauern wird, sechsbändig sein und zwar vier Hauptbände mit je sechs Lieferungen, einen Einleitungs- und einen Supplementband umfassen. Die vier Hauptbände gliedern das ikonographisth darstellbare historische Material: Band 1, Musikethnologie; Band 2, Musik des Altertums; Band 3, Mittelalter; Band 4, Neuzeit. Wie wir dem im Mitteilungsblatt des VEB Breitkopf und Härtel Musikverlag Leipzig dargestellten Plan entnehmen, gibt der 1. Band eine geographische Aufteilung. In ihm werden behandelt: Ozeanien einschließlich Australien; Nord-Asien und beide Amerika; Ost- und Südostasien; Vorderasien und Nordafrika; Zentral- und Südafrika; Europa. Der 2. Band, Musik des Altertums, ist nach Kulturkreisen gegliedert: in die hier zu besprechende Lieferung Ägypten (Hans Hickmann); Vorderasien; Ostasien; Griechenland (inzwischen erschienen und herausgegeben von Max Wegner); Etrurien und Rom (Gunter Fleischhauer); Mittel- und Nordeuropa (Friedrich Behn). Der 3. Band, Mittelalter, erfaßt die Zeit bis 1600. Er hat keine einheitliche Gliederung, sondern in ihm wird methodisch teils chronologisch, teils sachlichsystematisch verfahren. Die Lieferungen dieses Bandes werden sich mit Arabisch-sarazenisch-islamischer Musikkultur; Frühchristlich-byzantinischer Musik; Musiktheorie; Musizierpraxis und Musikinstrumenten; Notenhandschriften, Notations- und Quellenkunde und der Zeit der Niederländer befassen. Der 4. Band, Neuzeit, ist nach Gattungen und Sachen eingeteilt. Er wird die Gebiete: Musikalische Bühnenwerke; Feste und Konzerte; Hausund Kammermusik; Kirchliche Musikpflege, Musikerziehung und Musik im Schriftbild behandeln. Der Supplementband wird Musikerporträts des 19. und 20. Jahrhunderts enthalten und damit das Bildmaterial des 4. Bandes ergänzen. Jede Lieferung wird eine ausführliche Einleitung enthalten und etwa 120 zum Teil farbige, großformatige Abbildungen. Der Einleitungsband wird erst nach Abschluß des Gesamtwerkes erscheinen. In ihm ist eine Darstellung vorgesehen, die die speziellen Einführungen der einzelnen Lieferungen erweitern und in einem großen allgemeinen Oberblick zusammenfassen soll. Jeder Bildtafel ist eine Textseite beigefügt, die die Abbildungen erläutert, mit genauen Quellenangaben und sonstigen Verweisungen. Im Anhang jeder Lieferung befindet sich eine geographische Ubersichtskarte und eine (in unserem Falle vierzehnseitige) chronologische Zeittafel, auf der in einzelnen Kolumnen — die deutlicher voneinander abgesetzt werden sollten — die allgemeingeschichtlichen Daten und Vorgänge den musikalischen gegenübergestellt werden: Zeittafel, Historisch-kulturgeschichtliche Bemerkungen, Bekannte Musiker und Theoretiker, Erste Belege über das Vorkommen der verschiedenen Musikinstrumente, Allgemeine Bemerkungen über die Musik. Anschließend folgt ein spezifiziertes Literaturverzeichnis sowie ein Namens- und Sachregister.

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Der Musikethnologe Hans Hickmann, bekannt als hervorragender Spezialist für die Erforschung der ägyptischen Musik, ist der Verfasser der vorliegenden Lieferung. Die umfangreiche, informative Einleitung, die den Leser in die fast 5000 Jahre umfassende ägyptische Musikgeschichte einführt, gibt eine Erläuterung des heutigen Standes der organologischen und ethnografischen Forschung. Ausgehend von den wenigen literarischen Zeugnissen, wie sie uns im Schrifttum des pharaonischen Ägyptens aus verstreuten Notizen über Gesang und Instrumentenspiel erhalten geblieben sind, schildert er das überaus reichliche archäologische Quellenmaterial, das durch die günstige klimatische und geographische Situation des ägyptischen Raumes erhalten geblieben ist. Der Leser erhält einen Einblick in die Methode der wissenschaftlichen Auswertung dieser Funde und deren Ergebnisse, die infolge der sorgfältigen Darstellungskunst der Ägypter erstaunlich vielseitig sind. Dabei geht Hickmann näher ein auf die bis vor kurzem als wichtigstes Quellenmaterial benutzten Aussagen griechisch-römischer Schriftsteller über die Musikauffassung der Ägypter und widerlegt die sich widersprechenden, oft abfälligen und meist aus zweiter Hand stammenden Berichte einiger dieser Autoren. Das Bildmaterial, das in fünf Kapitel eingeteilt ist, besteht aus 121, zum Teil ganzseitigen und farbigen Abbildungen. Die ersten 17 Bilder geben einen Uberblick über die geschichtliche Entwicklung der Musik und der Musikinstrumente in den verschiedenen Epochen des Altertums. Darauf folgen 31 Bilder, die nach soziologischen Gesichtspunkten geordnet sind: Hof- und Kunstmusik; Tanz- und Spielmusik; Haus- und Unterhaltungsmusik; Militärmusik; Volks- und Arbeitsmusik. Die nächsten 14 Bilder erläutern die Musizierpraxis: Singhaltung, Cheironomie, Mehrstimmigkeit und Tonsystem. Es folgt der größte Abschnitt mit 52 Bildern, der die vier Gattungen der Musikinstrumente: Idiophone, Membranophone, Chordophone und Aerophone, behandelt. Den Abschluß bilden 6 Abbildungen berühmter Sänger und Instrumentalisten, die aus literarischen Quellen bekannt geworden sind. Das Ganze wird mit einem Bilde der Ruinen des Hathos-Heiligtums in Kirtassi und einen Schlußwort über die griechisch-römische Epoche der ägyptischen Musikgeschichte abgeschlossen. Grundlegendes Quellenmaterial übermittelt das Werk vor allem der Musikwissenschaft, insbesondere der Instrumentenkunde, Musikethnologie und Musiksoziologie. Die genauen realistischen Darstellungen auf den meist großformatigen Abbildungen geben aber auch dem ungeschulten Betrachter die Möglichkeit, die interpretierten Vorgänge selbst abzulesen und nachzuprüfen und so die Bedeutung der bis in die letzten Details gehenden ikonographischen Darstellungen zu erfassen. Dies wiederum wird ihn zu Vergleichen mit anderen Kulturen des Altertums, deren Bildmaterial nicht so ins Einzelne geht wie das der Ägypter, anregen. Aufteilung und Anordnung der Bilder sind klar durchdacht und bieten einen außerordentlich guten Einblick in das gesamte Gebiet des Musiklebens der Ägypter: seine Vielschichtigkeit und die damit zusammenhängende Mannigfaltigkeit des Musikinstrumentariums, die Reichhaltigkeit der sich historisch allmählich entwickelnden Formen, die Praktiken und die soziale Stellung des Musikers, die Haltung, Struktur und Spielart der Instrumente, wobei die Genauigkeit der Darstellung sogar Schlüsse auf das Tonmaterial der damaligen Zeit zuläßt. Am Schluß seiner Einleitung weist Hickmann einschränkend darauf hin, daß die schriftlichen Dokumente und antik-orientalischen Bildwerke jedoch „nicht immer die ganze Wahrheit enthüllen", daß nichts ungeprüft hingenommen werden darf und vieles Hypothese bleibt. Zieht man dies in Betracht und geht man mit der nötigen Vorsicht ans Werk, dann — fährt er fort — „hat man das Recht, die erhaltenen Forschungsergebnisse in den Rahmen

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der allgemeinen Musikgeschichte einzubauen und sie zu unserem eigenen Musikleben in Beziehung zu setzen. Das ist der tiefere Sinn einer ägyptischen Musikgeschichte in Bildern." Richard G. Campbell OSKÁR ELSCHEK / A L I C A ELSCHEKOVÁ ( H g . )

Slovenské l'udové piesne (Slowakische Volkslieder). Aufgezeichnet und systematisiert von Béla Bartók. Bd. I. 754 Seiten. Academia Scientiarum Slovaca, Bratislava 1959. Der Liszt-Bartók-Kongrefi des Jahres 1961 in Budapest bot P. Járdányi, G. Kerényi und B. Rajeczky Gelegenheit, Bartóks Volksliedarbeit darzustellen (vgl. Studia musicologica V, Budapest 1963, S. 435 ff.). Zwei Schwerpunkte kristallisierten sich dabei heraus: (1) mit welcher Gewissenhaftigkeit Bartók dem auf Phonogramm-Walzen vorliegenden Material gegenübertrat. Stets von Neuem kontrollierte und verbesserte er die Niederschriften der Lieder und Instrumentalstücke. „Täglich drei bis vier Stunden saß er am Phonograph, dessen Kopfhörer ihn von der Außenwelt völlig trennte, um nach und nach die Töne zu messen, die von der stark verlangsamt sich drehenden Walze, wie aus einem mikroskopischen Räume, unwahrscheinlich dick und scheinbar formlos hervorschwebten" (Kerényi/ Rajeczky). So konnte schließlich Kodály zu dem Ergebnis kommen, daß Bartók in der Übertragung den höchsten Grad der Vollkommenheit erreicht habe, der für menschliche Kräfte überhaupt noch denkbar sei (A folklorista Bartók, in: Zenetudományi Tanulmányok III, Budapest 1955, S. 279). Und Bartók selbst sagte, die endgültige Notierung der Lieder sei der Zukunft, den Maschinen vorbehalten. (2) Für ebenso wichtig hielt Bartók die Ordnung der Melodien. Ausgehend von Ilmari Krohns Methode, der auf den Schlußtönen aufgebauten sogenannten Kadenzordnung, entwickelte er sein von formalen und stilistischen Kriterien ausgehendes System der Klassen. Dem vorliegenden Band der auf drei Bände berechneten Bartókschen Sammlung Slowakischer Volkslieder sind beide dargestellten Prinzipien zugute gekommen. — Oskár Elschek, der zusammen mit seiner Gattin Alica Elscheková für die Herausgabe verantwortlich zeichnet, stellt in einer Einleitung Bartóks Leistungen als Volksliedsammler und Forscher dar, handelt über das Entstehen dieser Sammlung, über Bartóks Arbeitsweise und über den Einfluß des slowakischen Melodiengutes auf sein kompositorisches Schaffen. Das nachgelassene Vorwort Bartóks stellt den Begriff „Bauernmusik" voran. Gegen dieses Wort ist mehrfach polemisiert worden. Doch lesen wir weiter, was Bartók — vom ungarischen und slawischen Volkstum ausgehend — darunter versteht, so erübrigt sich eine Diskussion: „Bauernmusik im weitesten Sinne des Wortes nenne ich die Gesamtheit derjenigen Melodien, welche in einer Bauernklasse irgendeines Volkes in mehr oder minder großer zeitlicher und räumlicher Ausdehnung als eine spontane Befriedigung des Musiktriebes fortlebt, oder irgendwann fortgelebt hat . . . Vom folkloristischen Standpunkt aus bezeichne ich als Bauernklasse denjenigen Teil des sich mit Urproduktion befassenden Volkes, welcher seine körperlichen und seelischen Bedürfnisse mehr oder minder entweder mit solchen Ausdrucksformen befriedigt, die seinen Traditionen entsprechen, oder mit solchen, welche zwar aus einer höheren (städtischen) Kultur entspringen, doch instinktmäßig seiner eigenen seelischen Disposition entsprechend umgeformt wurden" (S. 51 f.). Auf westeuropäische Verhältnisse umgebogen, entspricht dies der Begriffsbestimmung von Walter Wiora (Europäische Volksmusik und abendländische Tonkunst, Kassel 1957, S. 22 ff.). Bartók hatte demnach schon 1925, als er diese Definition in dem Buch „Die ungarische Volksmusik" gab, den in Deutschland noch lang andauernden Streit zwischen Vertretern der Reproduktions- und Produk-

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tionstheorie überwunden. Ausführlich schreibt Bartök über sein Verfahren der Klassifizierung, dessen Vorteile er ebenso wie die Nachteile kennt. Die Materialaufbereitung des angezeigten Bandes enthält 421 Melodievarianten mit zum Teil mehreren Liedern der Klasse A (Vierzeiler), Unterklasse I (mit nichtpunktiertem Rhythmus), Gruppe a (in isometrischen Zeilen, nach Silben getrennt), Untergruppe a (mit parlando Rhythmus, geordnet nach den Kadenztönen der Melodiezeilen und nach dem Ambitus), Untergruppe ß (mit isorhythmischen Zeilen, nach der Art des Rhythmus in fünfzehn weitere Gruppen geteilt). Anmerkungen und Tabellen am Schluß, ein Verzeichnis der Liedertexte schlüsseln das Material nach Art von Querkatalogen weiter auf. Einleitung, Vorwort, alle Kommentare und Tabellen sind zweisprachig, slowakisch und deutsch, abgefaßt; Bartöks Vorwort außerdem durch ungarische, russische, französische und englische Zusammenfassungen einem weiteren Kreis von Fachkollegen zugänglich. — Über die Häufigkeit bestimmter Formen und Typen, über melodische und rhythmische Eigenarten, über innermusikalische Gesetzmäßigkeiten, Strukturen und Gestaltwerte im Slowakischen Volkslied wird erst nach Vorliegen aller Bände zu befinden sein. Doch wollen wir hoffen, daß der Plan der Slowakischen Akademie der Wissenschaften, Band II 1965 und Band III zwei bis drei Jahre später vorzulegen, in Erfüllung gehe. Ein Nachwort des Rez. sei noch erlaubt: staunend steht der westeuropäische Forscher vor der Leistung Bartöks, die durch die vorliegende Ausgabe, durch die Bände des Corpus musicae popularis hungaricae, durch die Arbeit seiner Schüler und Nachfolger in Ungarn, Rumänien, der Tschechoslowakei, in Polen, Bulgarien und in Jugoslawien immer deutlicher hervortritt. Die Erfolge osteuropäischer Volksmusikforscher beruhen auf der konsequenten Durchführung und Weiterbildung des von Bartök und Kodäly gegebenen Rezepts. Wir in Westeuropa haben dem nur eine mehr oder weniger beziehungslose Aneinanderreihung von verschiedenartigsten Fachinteressen und privaten Lehrmeinungen entgegenzusetzen, unser Material ist oft unter gegensätzlichen Verhältnissen, von Germanisten, Volkskundlern und Musikern gesammelt und zurechtgebogen worden, noch heute betrachten manche Sammler und Forscher das Tonbandgerät als unliebsame Konkurrenz, wer sich mit dem Volkslied beschäftigt, wird als Musikologe kaum voll genommen, Wissenschaft und Praxis klaffen weit auseinander . . . Im Fall Bartök ist dagegen noch zu bedenken, daß im Zentrum seiner Sammel- und Forschertätigkeit stets das ungarische Volkslied und dessen künstlerische Fruchtbarmachung stand. Was er daneben an Volksliedern aufnahm, 3500 rumänische, über 3200 slowakische, mehrere hundert türkische, arabische, ruthenische, südslawische und bulgarische, dies alles sollte nur dazu dienen, in einer vergleichenden Arbeit über mittel- und südosteuropäische Volksmusik das eigenständig Ungarische zu kennzeichnen. — Mit solchen Gedanken mag Kritik zur Selbstkritik werden! Wolf gang Suppan

Die Demonstrationssammlung von E. M. von Hornbostel und dem Berliner Phonogramm-Archiv. Eine gemeinsame Veröffentlichung der Musikethnologischen Abteilung des Berliner Museums für Völkerkunde (ehemals Phonogramm-Archiv) und des Archivs für Anthropologie, Volkskunde und Linguistik an der Indiana Universität, Bloomington, Indiana, USA. — Ethnic Folkways Library F. E. 4175 (New York 1963) 2 Langspielplatten 30 cm in Kassette mit Beiheft. Trifft man einen alten Freund nach langen Jahren wieder, so mischt sich in die Freude des Wiedersehens eine sentimentale Regung, man ist gerührt und ergriffen. Die Zeit hat 9

Jahrbuch mus. Völkerkunde I I

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beide gewandelt, man ist älter geworden, aber man sieht hinter den Runzeln und Gebrechen der Gegenwart das Bild der einstigen Jugend. Man ist nicht objektiv in seinem Urteil. So ist auch die Wiederbegegnung mit der alten „Demonstrationssammlung" von Hornbostels für einen alten Hornbostelsdiüler, der einige seiner Jugendjahre in den alten, hohen Räumen des Berliner Phonogrammardiivs im Stadtschloß unter den Edisonapparaten und Walzen verbracht hat, nicht frei von solchen Gefühlen der Rührung und das Urteil über diese Neuausgabe subjektiv verfärbt. Die Demonstrationssammlung des Berliner Phonogramm-Archivs wurde von Eridi M. von Hornbostel aus den Beständen seines Archivs zusammengestellt. Die Auswahl umfaßt die technisch besten und inhaltlich bedeutsamsten Stücke aus allen seit 1900 aufgenommenen Sammlungen und sollte Beispiele für die wichtigsten Stile der vokalen und instrumentalen Musik der außereuropäischen Natur- und Kulturnationen sowie einige Beispiele unbekannterer europäischer Volksmusik bringen, die den Musikwissenschaftlern und Ethnologen als Anschauungsmaterial für Vorträge und Vorlesungen dienen konnten. Die ersten Ansätze für die Schaffung dieser Anthologie mögen schon bald nach 1906 eingesetzt haben, als von Hornbostel die ersten Original-Wachswalzen galonisch abformen und von den Matrizen Hartgußwalzen herstellen ließ. Wahrscheinlich ist die Demonstrationssammlung aber erst nach dem 1. Weltkrieg zusammengestellt worden. Sie enthielt Aufnahmen aus den Jahren 1900—1913. Nach 1931 wurden einige dieser frühen Aufnahmen durch technisch oder inhaltlich bessere aus späteren Archiv-Zugängen ausgetauscht. Für den Erwerb dieser Sammlung, die 120 Walzen umfaßte, warb ein hektographiertes Rundschreiben, das an interessierte Forscher und Institute versandt wurde. Der Absatz dieser Demonstrationssammlung hielt sich in engen Grenzen. Der Satz kostete anfangs 169, später (1932) 240 Reichsmark. Die Walzen wurden für jeden Besteller neu gegossen, und meist mußte er längere Zeit auf die Lieferung warten, da die Kopiereinrichtung in einer kleinen Berliner Galvanisier-Werkstatt meist mit anderen Aufträgen beschäftigt war. Das Phonogramm-Archiv besaß selbst ein Exemplar, das vor allem von den Studenten abgehört und zu Übungen im Transkribieren benutzt wurde. Es ist 1945 durch Verlagerung verloren gegangen. Zwei Exemplare fanden sich in den USA bei zwei Hornbostelschülern: Henry Cowell, der seine Sammlung 1931 erwarb, und George Herzog, der sie 1932 erstand. Beide Exemplare, die in ihrer Zusammensetzung bei gleicher Stüdezahl geringfügig abweichen, dienten als Grundlage dieser Neuausgabe. Bei beiden Langspielplatten der Neuausgabe enthalten eine Auswahl von 42 Stücken aus den 120 der ursprünglichen Reihe. Es wurden mit Ausnahme der beiden SüdafrikaWalzen, die technisch unausreichend waren, von jedem Bereich der Sammlung einige Beispiele ausgewählt, wobei in erster Linie solche Stücke herausgesucht wurden, die in Publikationen bereits übertragen und analysiert sind, in zweiter Linie solche, die von erloschenen oder inzwischen zivilisierten Kulturen stammen. Ein großer Teil dieser Aufnahmen wäre heute nicht mehr beschaffbar, da diese Musik in den betreffenden Gebieten nicht mehr gepflegt wird und auch den Eingeborenen nicht mehr bekannt ist. So stellen diese Platten musikalische Dokumente von der Musik der außereuropäischen Völker dar aus einer Zeit, in der die Überfremdung durch die europäische bzw. amerikanische Zivilisation und die Einflüsse anderer Fremdkulturen noch nicht eingesetzt hatte. Das macht ihren Wert aus, demgegenüber die geringe technisch-akustische Qualität kaum ins Gewicht fällt. Denn diese frühen Dokumente der Musik fremder Völker, der Anfänge der Musikethnologie und der ersten Phase der Schallaufzeichnung durch technische Mittler sind natürlich mit den Mängeln des Aufnahme- und Wiedergebe-Verfahrens der Edisonwalze behaftet und stellen uns, die wir an die tontreue Hi-Fi-Schallplatte und das Magnetton-

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verfahren des Tonbands gewöhnt sind, vor das Problem, aus diesen skizzenhaften Schallaufzeichnungen die ursprüngliche Klanggestalt zu rekonstruieren. Dem an das Abhören von solch alten Edisonwalzen Gewöhnten wird das nicht schwer fallen. Die Jüngeren unter uns werden sich erst in den Trichterklang, den Geräuschpegel und den minimalen Frequenzumfang hineinhören müssen. Die Umspielung wurde in den USA gemacht und unter Verwendung von Baß- und Höhenfiltern und durch Amplitudenausgleich in Höhe und Tiefe weitgehend entzerrt und geglättet. Viele Störungen ließen sich aber nicht ganz unterdrücken, wollte man die mitgeteilte Musik nicht zugleich antasten. So ist das Nadelrauschen nur gedämpft, die Frequenzschwankungen durch unsteten Lauf der AufnahmeMaschine, Klopfgeräusche durch unrunde Walzen und der blecherne Trichterklang, verursacht durch Eigenresonanz des Aufnahmetrichters, sind erhalten geblieben. Die Auswahl bringt 11 Beispiele afrikanischer Musik, ebensoviele aus Asien, dazu 4 aus Indonesien. Amerika ist mit 8, die Südsee mit 4, Australien und Neuguinea mit je einem und Europa mit 2 Stücken vertreten. Es sind also nur Kostproben von der Musik der Völker, die geboten werden und nur ein Drittel des Umfangs der ganzen Demonstrationssammlung. Als Anthologie der musica mundi ist diese Auswahl wohl zu knapp, aber sie sollte ja auch wohl mehr ein historisches Dokument darstellen. Und das ist sie ohne Zweifel. Man kann der Herstellerfirma wie dem amerikanischen Herausgeber nur danken und ihre Initiative bewundern. Ihr Werk ist eine echte wissenschaftliche Tat und ein wesentlicher Beitrag für die Erhellung der Frühzeit der Musikethnologie wie der Schallaufnahme, ein Dokument zur Geschichte der Wissenschaft. Das Berliner PhonogrammArchiv, das zu den akustischen Materialien dieser Kassette nichts beisteuern konnte, hat dennoch an ihrem Zustandekommen großen Anteil. Kurt Reinhard hat nicht nur wesentliche Teile des Beiheftes geliefert, sondern auch aus den Akten und Unterlagen des Berliner Archivs die Daten beigesteuert, die George List in den Stand setzten, seine Beiträge im Beiheft abzufassen. Dieses 40 Seiten starke Heft enthält in englischer und deutscher Sprache ein von beiden gemeinsam gezeichnetes Vorwort, einen Aufsatz von List über die Rolle des Phonographen bei der Entwicklung der Musikethnologie, einen Aufsatz über die Geschichte des Berliner Phonogramm-Archivs von Reinhard, einen Beitrag über die Entstehungsgeschichte der Demonstrationssammlung von demselben und über die Auswahl und Herstellung der Langspielplatten von List, schließlich ein Kommentar zu allen Stücken, z. T. mit Notenbeispielen, den Reinhard verfaßte und List zum Teil ergänzte. So entstand in der Zusammenarbeit zweier prominenter Vertreter der Musikethnologie in Deutschland und den Staaten ein Werk von geschichtlicher Bedeutung. Fritz Bose Musik des Orients. UNESCO-Reihe, herausgegeben vom Internationalen Musikrat unter Leitung von Alain Danielou. 1

Die Musik von Laos

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Die Musik von Kambodscha

3

Die Musik von Afghanistan

4

Die Musik des Iran I

5

Die Musik des Iran II

Kassel. Bärenreiter-Musicaphon BM 30 L 2001-5. Langspielplatten 30 cm, 337s U/min. Aufnahmen und Kommentar (französisch-englisch-deutsch) von Alain Danielou. Seitdem vor mehr als dreißig Jahren Erich M. von Hornbostels Anthologie Musik des Orients erschien, hat die technische Entwicklung neue, günstigere Voraussetzungen dafür 9»

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geschaffen, asiatische Kunstmusik einem breiteren Publikum nahezubringen, v. Hornbostel, der nie in Asien reisen konnte, mußte seine Auswahl unter kommerziellen Schallplatten begrenzter Spieldauer (max. 3 Min.) treffen, die für die Ursprungländer produziert worden waren. Auf ihre Aufnahme hatte er keinen Einfluß, und die Möglichkeit persönlichen Kontaktes mit den Musikern fehlte ihm. Wenn diese erste Anthologie Musik des Orients einschließlich ihres Kommentars, trotz einiger Irrtümer und trotz aller zeitbedingten technischen Mängel, noch heute als Standardwerk gelten kann, so ist es vor allem der wissenschaftlichen Kapazität ihres Herausgebers zu danken. Alain Danielou konnte f ü r seine Anthologie Musik des Orients die Möglichkeiten einer entwickelteren Technik nutzen. Es sind seine eigenen Aufnahmen, die — meist in hervorragender Qualität — die fünf vom Verlag reich ausgestatteten Langspielplatten füllen. Besonders hervorzuheben ist, daß erstmals sehr ausführliche Beispiele persischer Kunstmusikformen geboten werden (Iran I und II). Die Auswahl der Stücke, vor allem aber die Art ihrer Kommentierung durch Alain Danielou trüben jedoch die Freude an diesen mit so viel Aufwand präsentierten Aufnahmen asiatischer Musik sehr erheblich. Eingehende Würdigungen aller fünf Schallplatten aus kompetenter Feder sind bereits in leicht zugänglichen Zeitschriften erschienen [Journal of the International Folk Music Council 14: 140-142 (1962), cf. 10 c. cit. 15: 162—165 (1963); Ethnomusicology 6: 239—244 (1962)], auf die der an Einzelheiten interessierte Leser verwiesen sei. Nur zu den Aufnahmen aus Afghanistan sollen noch einige Bemerkungen nachgetragen werden. Es handelt sich hierbei nicht um Kunstmusik, sondern um Beispiele volkstümlicher Musik, die jeweils bestimmten Landschaften zugehören sollen. Dieser Umstand verdient in dem ethnisch-kulturell so sehr zersplitterten Afghanistan besondere Bedeutung. Es wirkt daher zunächst etwas enttäuschend, wenn der Augenschein der Abbildungen lehrt, daß sämtliche Stücke am selben Ort aufgenommen wurden (der Kommentar informiert nicht über Zeitpunkt u n d Ort der Aufnahmen). Schwererwiegend ist jedoch, was sich ergibt, wenn man das Wirken der einzelnen Musiker betrachtet. Mohammad Naim Mazari z. B. singt zunächst in persischer Sprache ein „Lied aus Kataran (Turkestan)" (Nr. 1), spielt dann auf seiner Spießgeige eine „Melodie aus Badarshan" („Hoch in den Bergen des nördlichen Pamir gelegen, ist Badarshan eine der abgeschlossensten und einsamsten Gegenden der Welt. Gerade dort hat sich darum die älteste Musik Zentralasiens rein erhalten ") (Nr. 2), und wirkt schließlich als Maultrommelspieler in einem Lautenstück mit, das das westafghanische Herat repräsentieren soll (Nr. 16). Andere Musiker, z. B. Abdul Udud und Abdul Masjid, erweisen sich als ähnlich vielseitig. Dieses Verfahren der Auswahl von Gewährsleuten ist kaum geeignet, die Aufnahmen als Dokumente landschaftlicher Musikstile glaubwürdig erscheinen zu lassen. Für die Zusammenstellung und die mehr der Phantasie als irgendwelchen Tatsachen verpflichteten Kommentare wäre es von Vorteil gewesen, hätte A. Danielou seine Idiosynkrasie gegen Musikethnologen (cf. JIFMC15: 162—164) überwinden können. Gerade weil sich diese Anthologie an ein breites Publikum wendet, ist es bedauerlich, daß bei ihrer Gestaltung Fachleute offenbar nicht mitgewirkt haben. Dieter Christensen

JAHRBUCH FÜR MUSIKALISCHE VOLKS- UND VÖLKERKUNDE Für die Kommission für musikalisdie Volks- und Völkerkunde der Gesellschaft für Musikforschung, die Deutsche Gesellschaft für Musik des Orient und das Institut für Musikforschung B e r l i n . H e r a u s g e g e b e n v o n FRITZ BOSE

1. B a n d . Mit 71 Notenbeispielen und Textabbildungen, 2 Kunstdrucktafeln und 1 Schallplatte. Groß-Oktav. 149 Seiten. 1963. Ganzleinen D M 3 8 , —

JAHRBUCH FÜR VOLKSLIEDFORSCHUNG Herausgegeben vom Deutschen Volksliedarchiv. Groß-Oktav. 9. Jahrgang. Festschrift zum 75. Geburtstag von ERICH SEEMANN. H e r a u s g e g e b e n v o n ROLF WII.H. BREDNICH. M i t 1 B i l d n i s , 1 K l a p p t a f e l 2 1 N o -

tenbeispielen. V I I I , 181 Seiten. 1964. Ganzleinen D M 4 8 , —

1 0 . J a h r g a n g . H e r a u s g e g e b e n v o n ROLF W I L H . BREDNICH. V I I I , 2 0 3 S e i t e n m i t

6 Textabbildungen und 7 Notenbeispielen. 1966. Ganzleinen D M 4 8 , —

DEUTSCHE VOLKSLIEDER MIT IHREN MELODIEN Herausgegeben vom Deutschen Volksliedardiiv. Quart. Ganzleinen 1. Band. Balladen. U n t e r M i t h i l f e v o n HARRY SCHEWE u n d ERICH SEEMANN h e r a u s g e g e b e n JOHN MEIER. X L I V , 3 2 1 Seiten. 1935. D M

von

46,—

3. Band. Balladen. Unter Mithilfe mehrerer Fachgenossen gemeinsam mit ERICH SEEMANN und WALTER WIORA herausgegeben v o n JOHN MEIER. X I , 2 8 3 Seiten. 1954. D M

66,—

4. Band. Balladen. Unter Mithilfe

von

HINRICH SIUTS h e r a u s g e g e b e n

WALTER W I O R A . V I I , 3 6 1 S e i t e n . 1 9 5 9 . D M

von

ERICH SEEMANN

und

82,—

LANDSCHAFTLICHE VOLKSLIEDER Deutsche Volkslieder aus der Schwäbischen Türkei mit ihren Weisen Im Auftrag des Deutschen Volksliedarchivs herausgegeben von KONRAD SCHEIERLING. Klein-Oktav. 85 Seiten. 1960. D M 4,80 (Heft 41)

Deutsche Volkslieder aus

Hohenlohe

Herausgegeben von KONRAD SCHEIERLING. Klein-Oktav. 76 Seiten. 1962. D M 4,80 (Heft 42)

W A L T E R D E G R U Y T E R & C O • B E R L I N 30

Das Musikleben der Griechen

von MAX WEGNER. Oktav. 232 Seiten. 32 Tafeln. 1949. Ganzleinen D M 9,80

Johann Sebastian Bach

von HANS ENGEL. Oktav. Mit 3 Tafeln, zahlreichen Notenbeispielen, 1 Kartenbeilage und 2 Stammtafeln. X I , 252 Seiten. 1950. Ganzleinen D M 14,—

Von Mozarts göttlichem Genius

Eine Kunstbetrachtung auf der Grundlage der Schopenhauerschen Philosophie von KONRAD PFEIFFER. 3. Auflage. Oktav. V I I , 120 Seiten. 1956. D M 6,80

Beethoven-Studien

von LUDWIG MISCH. Oktav. Mit zahlreichen Notenbeispielen. 149 Seiten. 1950. Halbleinen D M 3,80

Vom Einfall zur Symphonie E i n b l i c k i n B e e t h o v e n s S c h a f f e n s w e i s e v o n K U R T WESTPHAL.

Mit zahlreichen Notenbeispielen und einer Faksimile-Beilage. Oktav. 86 Seiten. 1965. Ganzleinen D M 12,—

Aufbau und Sinn des Chorfinales in Beethovens neunter Symphonie v o n O T T O BAENSCH. Q u a r t . 9 9 S e i t e n . 1 9 3 0 . D M

12,—

Giacomo Meyerbeer

Briefwechsel und Tagebücher. Herausgegeben und kommentiert von HEINZ BECKER. 4 Bände. Groß-Oktav. I : Bis 1824. Mit 9 Abbildungen auf Kunstdrudstafeln, davon 1 farbige. 736 Seiten. 1959. Ganzleinen D M 6 8 , — Band I I — I V in Vorbereitung

Der Fall

Heine—Meyerbeer

Neue Dokumente revidieren ein Geschichtsurteil von HEINZ BECKER. Oktav. 149 Seiten. 1958. Ganzleinen D M 18,—

Dichtung und Musik im Werk Richard Wagners

von HERBERT VON STEIN. Groß-Oktav. 323 Seiten. Mit 169 Notenbeispielen. 1962. Ganzleinen D M 30,—

Claude Debussy

von WERNER DANCKERT. Oktav. Mit zahlreichen Abbildungen und Notenbeispielen. X V , 248 Seiten. 1950. Ganzleinen D M 10,80

Die Musik des 19. Jahrhunderts v o n W E R N E R OEHLMANN. K l e i n - O k t a v . 1 8 0 S e i t e n . 1 9 5 3 . D M

3,60

(Sammlung Göschen Band 170)

Die Musik des 20. Jahrhunderts v o n W E R N E R OEHLMANN. K l e i n - O k t a v . 3 1 2 S e i t e n . 1 9 6 1 . D M

5,80

(Sammlung Göschen Band 171/171 a)

W A L T E R D E G R U Y T E R & C O • B E R L I N 30

Allgemeine

Musiklehre v o n HANS JOACHIM MOSER. 2., durchgesehene A u f l a g e . K l e i n - O k t a v . 1 5 5 Seiten.

Mit zahlreichen Notenbeispielen. 1954. D M 5,80 (Sammlung Göschen Band 220/220 a)

Harmonielehre von HANS JOACHIM MOSER. 2 B ä n d e . I . B a n d : K l e i n - O k t a v .

1 0 9 Seiten.

120 Notenbeispielen. 1954. D M 3,60 (Sammlung Gösdien Band 809)

Systematische

Mit

Modulation

von ROBERT HERNRIED. 2. Auflage. Klein-Oktav. 136 Seiten. Mit zahlreichen Notenbeispielen. 1950. DM 3,60 (Sammlung Gösdien Band 1094)

Der polyphone

Satz

von ERNST PEPPING. 2 Bände: I : Der cantus-firmus-Satz. Klein-Oktav. 2. Auflage. 223 Seiten. Mit zahlreichen Notenbeispielen. 1950. D M 3 , 6 0 . I I : Übungen im doppelten Kontrapunkt und im Kanon. Klein-Oktav. 137 Seiten. Mit zahlreichen Notenbeispielen. 1957. D M 5,80 (Sammlung Gösdien Band 1148, 1164/1164 a)

Technik der deutschen

Gesangskunst

v o n HANS JOACHIM MOSER. 3., durchgesehene u n d verbesserte A u f l a g e . K l e i n -

Oktav. 144 Seiten. 5 Figuren sowie Tabellen und Notenbeispiele. 1954. D M 5,80 (Sammlung Göschen Band 576/576 a)

Die Technik des Klavierspiels aus dem Geiste des musikalischen

Kunstwerkes

von KURT SCHUBERT f . 3. Auflage. Klein-Oktav. 110 Seiten. Mit Notenbeispielen. 1954. D M 3,60 (Sammlung Göschen Band 1045)

Die Kunst des

Dirigierens

v o n HERMANN WOLFGANG VON WALTERSHAUSEN. 2 . , v e r m e h r t e A u f l a g e . K l e i n -

Oktav. 138 Seiten. Mit 19 Notenbeispielen. 1954. D M 3,60 (Sammlung Gösdien Band 1147)

Musikästhetik

von HANS JOACHIM MOSER. Klein-Oktav. 180 Seiten. Mit zahlreichen Notenbeispielen. 1953. D M 3,60 (Sammlung Gösdien Band 344)

Musica Panhumana

Sinn und Gestaltung in der Musik. Entwurf einer intentionalen Musikästhetik von LEOPOLD CONRAD. Groß-Oktav. 377 Seiten mit 92 Notenbeispielen und 8 Seiten Notenanhang. 1958. Ganzleinen DM 24,—

Kürschners Deutscher Musiker-Kalender

1954

2. Ausgabe des Deutschen Musiker-Lexikons, herausgegeben von HEDVIG und E. H . MUELLER VON ASOW. Oktav. X I Seiten, 1702 Spalten. 1954. Ganzleinen D M 42,—

W A L T E R D E G R U Y T E R & CO • B E R L I N 30

MITTEILUNGEN AUS DEM MUSEUM FÜR VÖLKERKUNDE IN HAMBURG

Sabaeica Teil 1. Der Reiseberidit. Von KARL RATHJENS Mit 78 Tafelbildern, 133 Textabbildungen. 156 Seiten. 1953. D M 26,50 (Band 24, 1)

Sabaeica Teil 2. Die unlokalisierten Funde. Von KARL RATHJENS Mit 382 Tafelbildern, 174 Textabbildungen. 307 Seiten. 1955. D M 53,50 (Band 24, 2)

Sabaeica Teil 3. Bearbeitung der von KARL RATHJENS in Sabaeica I und I I in Abbildungen veröffentlichten altsüdarabischen Inschriften, sowie einiger sonstiger von ihm gesammelter Inschriftensteine. V o n MARIA HÖFNER

Mit 37 Textabbildungen. 55 Seiten. 1966. D M 3 2 , — (Band 28)

Amerikanische Miszellen F e s t b a n d FRANZ T E R M E R . S c h r i f t l e i t u n g WILHELM BIERHENKE, WOLFGANG H A B E R LAND, U L L A JOHANSEN, G Ü N T E R ZIMMERMANN

Mit 1 Tafel, 56 Textabbildungen. 206 Seiten. 1959. D M 4 8 , — (Band 25)

Die Surára und Pakiddi Zwei Yanonami-Stämme in Nordwestbrasilien. Von HANS BECHER Mit Anhang: Über die Sprache der Surára und Pakidái von AR YON DALL' IGNA RODRIGUES. Mit 30 Textabbildungen, 50 Abbildungen auf 16 Tafeln. V I I I , 138 Seiten. 1960. D M 4 8 , — (Band 26)

Die sakralen Häuptlinge der Gurunsi im Obervolta-Gebiet/Westafrika V o n KUNZ DITTMER

Mit 1 Textabbildung und 34 Tafeln. V I I I , 176 Seiten. 1961. D M 62,80 (Band 27)

CRAM,

DE

GRUYTER & CO

HAMBURG